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Derzagter Mann —— *
Kam mit Ehren nie vom Plan.
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Sprichwort. = =
Spemanns
Hausfunde
J.
Das goldene Buch der Mulik
II.
Das goldene Buch der Kunft
III.
Das goldene Buch der Weltlitteratur
IV.
Das goldene Buch der Bitte
V.
Das goldene Buch des Theaters
VI.
Das goldene Buch der Geſundheit
VII.
Das goldene Buch vom Eignen Beim
VIII.
Das goldene Buch des Sports.
Das
Goldene Buch des Sports
Berlin & Stuttgart
Derlag von W. Spemann
1910
—
— —
Spemanns
goldenes
Buch des Sports
— — —
Eine Bausfunde für Jedermann
— — —
Berausgegeben
unter Mitwirkung von
Ir. Mar Uhles, Eva Gräfin v. Baudifjin, Rittmeifter Sehr. H. X.
Efebed, Oberftabsveterinär Dr. Soldbed, Dr. Karl Heint, Major
Buſtad Bergfell, Henry Hoek, Richard Koehlich, Dr. &. Kuhfahl,
Dr. Julien Marenfe, Oberftleutnant 3. D. Hermann W. £, Moede-
bed, De, Adolf Rziha, 5. W. Schröter, 5. v. Sihart, Major a. D.,
Alfred Steiniger, Major a. D., Korvetienlapitän Titus Türk,
Mar. Zchlin
Berlin & Stuttgart
Derlag von W. Spemann
1910
v
. HARVARD COLLEGE LIBRARY
GIFT OF
DANIEL B. FEARING
30 JUNE 1915
Druck der Hoffmannfdyen Buchdrudkerei felix Krais in Stuttgart
u ntahalein an
ie Liebe zum Sport und die Betätigung
desjelben ift in Deutſchland noch nicht fo
fehr alten Datums. Erſt ſeit unfere Dermögen
gewachſen find, ſeit wir mit Unbefangenheit
durch ausgedehnte Reifen die Sitten und Be-
bräuche fremder Völker kennen und jchäßen ge-
lernt haben, ift ung der Sinn für alle erdenk—⸗
lihen Zweige des Sports aufgegangen. Iebt
ift der Sportbericht eine ftändige Rubrik in
unjeren Tagesblättern geworden und wenn wir
auch noch nicht jo weit gefommen find, wie in
England, fo find wir doch auf dem beften Wege,
mit Sanatismus uns für jportliche Wettfämpfe
zu interefjieren und daran teilzunehmen.
So jchien es gegeben, der Anregung der
Stau Bräfin Baudijfin und des Herrn Major
Steinißer, zwei erfahrenen und erprobten Sports⸗
leuten zu folgen und indie Reihe der „Handbücher"
auh dag Boldene Buch des Sports auf:
zunehmen. Unter ihrer Redaktion find alle Ge⸗
biete des Sports von fachverftändigen Sachleuten
bearbeitet worden. Wohl Niemand, auch der
erfahrenfte Sportmann, wird verfennen, daß
eine Sülle von wertvollen Darjtellungen, Regeln
und Aufſchlüſſen fich hier vereinigt findet. So
wünfchen wir, daß das Buch in immer weitere
Kreife dringe, das Herderjche Wort wahr zu
machen:
Das wahre Slüd des Menſchen
Sft Sefundheit und froher Mut.
D. 6.
Inhaltsüberficht.
Nummer
I. Begriff, Entwidlung und Bedeutung
des Sports. Lon Alfred Gteiniger, Major a. D. und
Eva Gräfin v. Baubifin - . 2 2 2 2 2 0. 1—32
II. Reit: und Fahrſporte. Bon Nittmeifter Freiherr
9. A. v. Ejebed. i
1. Reitjport . 33 —56
2. Renniport 5777
3. Barforcejagd . 78—87
4. Damenteitiport . 88—95
5. Fahrſport 96—110
6. Traberfport . . 111—123
Fahausbrüde im Reit⸗ und Fahrſpori
7. Nothilfe bei Unglücksfällen und plötzlichen Er⸗
krankungen der Pferde. Von Dr. Goldbecd, Ober⸗ |
flabsveterinät. . . . . . 124-133
III. Der Alpinismug. Bon nifreb — Major a. ©. 134—208
IV. RWinterfport.
1. Das Scilaufen. Von Henry Ho . 2 2. 209-243
2. Schlittſchuhlaufen. Bon Eva Gräfin v. Baubiffin . . 244—262
3. Sclittenfporte. Yon Dr. Adolf Riipa . . . . 263—299
V. ®afferfport.
1. Segeljport. Bon Eva Gräfin v. Baubiffin und Rorvetten-
tapitän Titus Tür! . . . . 300—346
2. Ruderſport. Yon Korvettenfapitän Zins rarr . 347 -367
3. Schwimmſport. Von Eva Gräfin v. Baupdiſſin . 368 - 401
VI Die Jagd. Bon F. v. Sichart, Major a. D.
1. Das deutfhe Weidwerk. . 402 —465
2. In fremden Jagdgebieten : . 466—513
XI. Der Angelfport. Bon Dr. Karl Heing . . 514—543
VIO. Automobil-u. Motorradfport. VonMarf. Bein, 544-554
IX. Radfahrfport. Bon Rigarb Koehlich . 555565
X. Gymnaſtiſche Sporte.
1. Turnſport. Von Dr. May Ahless... . 566- 15380
2. Athletik. Bon F. W. Schröter . 581—617
3. Das Fechten. Ron Guftan Hergfell, k. t. Major us
Direltor der Igl. Landesfechtſchule in Prag . 618—642
XI. Sport- und Rafenfpiele Von Eva Gräfin
dv. Baubiffin, unter teilweifer Mitarbeit von Alfred Steiniger.
Nummer
1. Bolo . . . 643—677
2. Golf . 678— 711
3. Zußbal . . 712—733
4. Lawn⸗Tennis . 734—751
5. Kridet . . . . 759—757
6. Hodey . . 758—766
7. Krocket . 767—771
8. Ballipiele . . 772—785
9. Laufiport . i 86
Verzeichnis der engliichen und deutſchen Ausdrucke zu u
Sports und Rajenipielen.
XI. Luftſport. Von Hermann W. 2. Moebebed, Oberft-
leutnant .Dd. . . . a . 1787 —199
XI. Ssoriopolonranhie Bon Dr. ©. audfahl . 800 - 807
XIV, Die Hygiene des Sports. Von Dr. Julian Mareuſe BOR—-847
XV. Erſte Hilfeleiſtung bei ſportlichen Un—
fällen bis zur Ankunft des Arztes.
Bon Dr. Julian Marcuſe... . 848—867
XVI. Sport, Haftpflidt und Heriiherungs-
wefen. Bon Dr. Mar Ahles, Rehtsanwalt . . 868-872
XVI. Literatur, Vereine, Firmen.
Regiiter.
Einfchaltbilder.
Zandftallmeifter Grabenfee, Dirigent bed
Landgeſtüts Celle.
Eintommen des Siegers Leutnant v. Schlots
beim (Grenadier zu Pferd) auf Pascola.
ranffurter Rennbahn.
ie Meute des Kgl. Milttär-Neitinftituts
in Hannover.
Damenpreisreiten.
Preisfahren fir Ein⸗ und Zweifpänner.
Glückskind und Dueen-Forefter.
Ueberjchreiten einer Randkluft.
Sicherung in einer fteilen Eisrinne.
Am Grat.
Durchſchlagen einer Schneewädhte.
Schiſprung tm forreiter Körperhaltung und
Sdiftellung.
Schi⸗Wettſpringen an der Neuen Schleftfchen
Baude.
„Eislauf“ von Nicolas Lancret.
Der junge Goethe auf dem Eiſe von Wil⸗
helm von Kaulbach.
Dr. Rziha (Mödling bei Wien): Der Ber
gründer des Rodelſports.
Ein Bobsleigh mit Volantſteuerung.
„Wannſee“.
Ein engliſcher Damen-Doppeladter beim
Training.
Ein Heifer Kampf beim Schwimmfeſt ber
Undinen in Soinville.
Geier.
Beichleichender Löwe.
M. J. Graves auf feinem 7'/s P.S.-Nedars
fulmer Motorrad, auf dem er den Welt:
reford mit einem 123 km-Stundentempo
ſchlug.
Apoxyomenos nach Lyſippos.
Diskoswerfer nach Myron.
Damen des Wiener Athletikſportklubs bei
einer Florettpartie.
Moment aus dem erſten Reiter⸗Poloſpiel
in Berlin.
Fußball-Spiel: Angriff auf das Tor.
Lawn-Tennis: Moment aus einem Doppel:
fptel bei den Dlympifhen Spielen in
Athen.
Moment aus einem Hodey:Spiel.
Hoch in den Lüften.
Zeppelins Luftfchiff in voller Fahrt.
l. Begriff, Entwicdelung und Bedeutung
des Sports. |
Von
Alfred Steinitzer, Major a. D.
und Eva Gräfin v. Baudillin, München.
Sind Geift und Körper
mit Kraft und Gejundheit aus:
gerüftet, fo verlangen fie nad)
anitrengenden Lebungen
und finden ihr Vergnügen in
dem, was den meijten Men—
ſchen ſchwer und mühevoll er»
ſcheint. (David Hume.)
1. Was iſt Sport? Dieſe
Frage mag faſt überflüſſig erſchei—
nen und doch iſt eine genaue Be—
griffsbeſtimmung dieſes heutzutage
von allen gebrauchten Wortes nicht
ſo einfach, wie man glauben möchte,
wie auch eine zuſammenfaſſende
und erſchöpfende Unterſuchung aller
der außerordentlich komplizierten
Anſchauungen, Tätigkeiten, Ein—
flüſſe und Verhältniſſe, die mit dem
Sport direkt und indirekt in Ber:
bindung zu bringen find, zurzeit
noch der eingehenden Bearbeitung
harrt.
Nach altem Sprachgebrauch ver—
ſtand man unter Sport nur die
verſchiedenen Arten der Jagd: das
Sagen im ſtrengeren Sinne, Vogel:
ftellen und Fiſchfang. Dabei wurde
vorausgejegt, daß die Jagd nicht
wegen des Beutegewinnes, jondern
um des Kampfes willen ausgeübt
wurde, in dem die menjcdhliche In⸗
telligenz, Gejchidlichfeit und Aus—
dauer den Sieg über das Tier da—
vontragen follte.
Heutzutage hat ſich der Begriff
wesentlich erweitert, und gerade da:
durch erklärt ſich die Schwierig:
feit, den Begriff des Sport3
erjchöpfend zu definieren. In der
einjchlägigen Literatur finden mir
die verfchiedeniten Antworten auf
die oben gejtellte Frage. Am kürze—
ften und erſchöpfendſten erjcheint
uns die folgende von M. Haus:
bofer: „Sportifteine Grup—
pe niht berufgmäßig aus—
geübter Tätigfeiten, Die
Mut, Kraft und Geſchick—
lihfeiterfordern” Dieſe
Definition wurde auch den vor:
liegenden Buche zugrunde gelegt.
Map und Verhältnis der von Haug:
bofer genannten Eigenjchaften find
bei den verjchiedenen Sports jehr
verjchieden (vgl. Ziff. 28).
Bei den jogenannten Sportjpielen
iſt teilweije die Grenze zwifchen
Sport und Spiel faum mit Eraft-
heit zu bejtimmen. Auch ift, wie
Prof. Zung bemerkt, mit dem Sport
„ſtets im Gegenjag“ zum Spiel
ein gewiſſer leidenfchaftlicher Ernſt
und Eifer verbunden, mit dem, die
Beichäftigung” betrieben wird, wes—
halb die, gleiche förperliche Betäti-
gung, 3. B. Tennis, für den Einen
Spiel, für den Andern Sport fein
kann. Sedenfall® ift den Sport:
1
Nro. 2. R. Steiniher u. €.
ſpielen für die Jugend die gleiche
Bedeutung zuaufchreiben, wie den
eigentlihen Sport3 für den Er:
wachſenen, weswegen fte im nach—
stehenden Aufnahme fanden.
Wenn die Bezeihnung „Sport“
auch auf Gebiete angewendet wird,
bei denen eine förperliche Tätig:
feit nicht in Frage fommt — man
Ipricht 3. B. von Sammel-, Schad)=,
Hundelport u. dergl. — fo iſt fie
zweifellos unberechtigt.
Ebenfo unberedhtigt ift es, den
ala Sportömann zu bezeichnen, der
etwa einen, Rennftall Hält, ohne
jeldjt zu reiten, im Automobil fißt
und jih von feinem Chauffeur
fahren läßt oder im kurzen Spott:
paletot auf den Turfpläßen fpazie-
ren geht und am Totalijator jeßt.
Das ausdrücklich feitzuftellen, iſt
durchaus nicht überflüffig, da fid)
mancher diefe Bezeichnung beilegt,
die ihm in feiner Weife zufommt.
2. Zweck nnd allgemeine
Bedeutung des Sports. Im
Naturzuftand verjchaffte fich der
Menfh den Lebensunterhalt nur
durd) förperlihe Arbeit; für jedes
leiner Bedürfniſſe galt das arie=
Hide Wort: „Vor den Erfolg
haben die Götter den Schweiß ge-
fest." Mit der wachfenden Zioili-
fation hat ſich das Verhältnis ver-
ändert. Maſchinen und technijche
Erfindungen haben die Förperliche
Tätigkeit überflüjfig gemadt oder
auf ein Minimum beichränft. Den
Berufsarten der oberen Stände
liegt jede körperliche Arbeit fait
ganz fern; nur wenige, wie die des
Dffiziers, Jägers und Landmanns
ſtellen Anfprühe an die Körper:
fraft und bringen in Berührung
mit der Natur. Faft alle anderen
Erwerbszweige zwingen ihre An⸗
gehörigen hinter Tür und Mauern.
Dazu kommen als nervenzerrüttende
Momente die Angit um die Eri-
jtenz und der aufreibende, nie auf-
Gräfin Baudiffin.
hörende Kampf ums Dajein, auf
defien Schwierigkeiten die Jugend
von frühauf vorbereitet und hin:
gelenft werden muß. Eingepfercht
in den großen Städten, in oft
unzulängliden, gejundheitsfchäds
lihen Räumen jchmilzt der Vor:
rat des Einzelnen an Gefundheit
und MWiderftandsfähigfeit immer
mehr zuſammen. Krankheiten treten
epidemiſch auf und finden zahlreiche
Opfer. Denn dem modernen Men:
Ichen ift e8 erfchwert, feinen Körper
durh das einfachite und ficherfte
Mittel: Bewegung und Arbeit in
friiher Luft zu ftählen. Wie brad:
liegende Draane allmählich ver:
kümmern und endlich von der Natur
jelbft als nutzloſe Nerfchwendung
aufgegeben werden, jo erichlaffen
Ichließlicy) auch die nie gebrauchten
Muskeln und Eehnen des Körpers
und ziehen alle Funktionen dieſes
bis ing feinste zufammenhängenden
Baues in Mitleidenfchaft.
Sobald aber dieſe großen Nach:
teile unjerer Zivilifation voll er:
fannt und empfunden worden
waren, entitand auch alsbald das
Bedürfnis, ihnen entgegenzumirfen
und den Leben das Fünftlich zurüd-
zugeben, mas ihm die veränderten
Daſeinsbedingungen jeßt nicht mehr
bieten fonnten. Auf Grund Der
artiger Erwägungen kommt %.
Eckardt zu dem Schluffe: „Der
Zweck des Sports ift der
Erjat für die purd die Be
rufsarbeit verloren ge
gangenen gefundheitliden
Momente.”
Die moderne fportliche Bewegung
gewinnt demnach eine erhöhte Be=
deutung als Ausdrud einer notwen⸗
digen und heilfamen Reaktion gegen
die Summe von ſchädigenden Fak—⸗
toren, melde die Entwidlung der
modernen Zivilifation mit im Ge-
folge bat. Der Sport hat im Leben
der zivilifterten Völker die Aufgabe,
—
I. Bedeutung etc. des Sports.
die Eigenfchaften, die einft durch
den Exiſtenzkampf gemwedt und aus—⸗
gebildet wurden und zu deren Be-
tätigung fich feine Gelegenheit mehr
bietet, neu zu beleben und fie
damit dem ficheren Untergange zu
entreißen. Dies hat ſchon Schopen-
bauer erkannt, indem er jagt: „Die
urfprünglicheBeftimmung derfträfte,
mit denen die Natur den Menſchen
ausgerüftet hat, ift der Kampf ge=
gen die Not, die ihn von allen
Seiten bedrängt. Wenn diejer
Kampf einmal raftet, da werden
ihm die unbeichäftigten Kräfte zur
Laſt; er muß daher jegt mit ihnen
jpielen.” Diejes Rotwendige Spiel
ift der Sport. Man Tann aljo den
Sport auch als Defadenzerfcheinung
auffaflen, die wiederum — fo para>
dor es Hingen mag — automatiſch
die Shlimmen Folgen der Defadenz
zu bekämpfen beftimmt if. Auch
Nietzſche bezeichnet dag Leiden des
Menſchen am Menfchen an fic als
die Folge einer gemwaltjamen Ab:
trennung von der tieriihen Ber:
gangenheit, eine Kriegserklärung
gegen die alten Inſtinkte, auf de—
nen bis dahin die Kraft, Luft und
Fruchtbarkeit beruhte; er jagt, daß
die ftaatlihen Drganifationen es
mit fich brachten, daß alle jene Sn:
ftinfte „des milden, freien, ſchwei—
fenden Menjchen ſich rüdmwärts ge:
gen den Menſchen ſelbſt wandten”.
Zur Suuftration diejer Behaup:
tungen mag der Hinweis dienen,
daß der Sport in feiner jegigen
Form und Bedeutung aus England
ftammt, dem Lande, das durch jeine
ifolierte Zage am eheften der krie—
gerifhen Ausbildung entbehren
fonnte und hiefür eines Erſatzes
bedürftig war, der eben im regen
Sportbetrieb gefunden wurde.
3. Zur Entwicklung des
Sports. Die erften Sportämen
waren die Griehen. Die Gym:
Niro. 3.
Element wurde, betrieben fie um
ihrer ſelbſt willen; fie erjtrebten
das ideale Gleichgewicht zwiſchen
förperlicder und geiftiger Bildung.
Die nur auf das Praftifche gerich-
teten Römer fannten nur eine
militärzgymnaftifche Ausbildung zur
Erhöhung der Wehrfähigkeit; in
den Kampfipielen des Kaiſerreichs
traten nur Sflaven und Unter:
mworfene auf. Bei den alten Ger:
manen, denen Waffenfertigfeit als
unerläßliches Erfordernis des Freien
galt, wurde die Gymnaſtik eifrigft
gepflegt. Das Wort „Sport“
findet ſich ſchon ald spaurds in
der gotifchen Ulfilasbibel, wie Prof.
Hüppe nachgewieſen hat, und be-
deutet „Kampfjpiel”. Wie weit es
mit dem Stamm des englifchen
„disport“, altfranzöfifch „despors“
und dem italieniihen „diporto“
(Erholung) verwandt ift, von dem
unjer jetziges Wort Sport ftammt,
ift wohl faum feftzuftellen.
Am Mittelalter waren Turniere
und Jagd die ritterlichen, könig—
lihen Sporte; die Zurnierfunft
mwandelte fih nah und nad mit
der Aenderung der Bewaffnung
und der Verfeinerung des Hoflebeng
zur Fechtkunſt um. Hiezu fam das
Ballipiel, der Vorläufer unferer
Raſenſportſpiele. Die Jagd wurde
mit der Entwicklung der Yürften-
macht und der Entjtehung des
Grundadeld immer mehr ein aus:
jchließliche8 Recht des Adels und
der Fürften. Die Berminderung
des Wildftanded und die Preis:
gebung der Yagd an Pächter oder
an jeden, der um ein paar Grofchen
einen Jagdſchein kauft (ſieheSchweiz
und Italien), hat den edlen Cha:
rafter des Weidwerks jehr geſchä—
digt.
Alle die genannten Sportarten
waren Kämpfe. Bei der Jagd
ift e8 das Tier, das der Menſch
naftif, die bei ihnen zum nationalen | erlegt, beim Ringkampf der Freund,
Nro. 4-6.
an den er feine Kraft mißt, im
Turnier der Ritter, dem er für
Yohn aus Schönen Yrauenaugen
entgegentritt.
4. Der Kampf ift das innerite
Wefen des Sport geblichen.
Nur die Art feiner Gegner hat ſich
verändert. Sei es ber Reiter, der
Radfahrer , der Automobilift — hans
delt es fich darum, ein Boot übers
Waſſer zu jegeln oder zu rudern —
fauft man bergab im Rodel oder im
Bobsleigh — fteigt der Mutige ent=
por im Korb des Luftballong —
überall ift es der Kampf; der
Kampf gegen den Raum und die
Slemente. Der Alpinift ringt mit
der Natur ſelbſt. — Alle Erfin:
Dingen und Entdedungen der
Geiſteswiſſenſchaften müjlen dem
Menſchen als Kampfmittel gegen
die Naturfräfte dienen; die einzel:
nen Sportarten fuchen und jchaffen
ſich ſelbſt künjtlich neue Hinderniſſe
zu neuem Kampf.
Und wo der Gegner der gleiche
bleibt, wie in den Alpen, ſucht der
Bergſteiger ihm neue Seiten abzu—⸗
ringen; er befteigt die Berge von
der jchwierigften Seite oder ſucht
fie im Winter auf.
5. Sport als Sieg und Wett:
bewerb. Wenn wir das Weſen des
Sports als Kampf bezeichnet
haben, fo muß die eritrebte Wir:
fung notwendig der Sieg fein,
denn jeder Kämpfer ringt um den
Siegespreid, dag Symbol der
Siegesfreude. Umgekehrt fann aber
nur der GSiegesfreude empfinden,
der gefämpft hat. Das kann nur
der nachempfinden, der felbjt einen
Sport treibt und darum wird der
Sport von den Außenſtehenden viel-
fach verurteilt. Der Philoſoph hat
diefe Seite des Sport3 erkannt.
„Sich zu mühen und mit dem Wider:
ftande kämpfen, ift dem Menjchen
Bebürfnig, Hinderniffe überwinden
ift Vollgenuß des Daſeins, der
drückung,
A. Steiniher u. &. Gräfin Baudiſſin.
Kampf mit ihnen und der Sieg
beglüdt." (Schopenhauer.)
Je gewaltiger der Gegner, je
Ichwieriger der Kampf, defto fchöner
ift der Sieg. Der Bergfteiger be—
fiegt die Hinderniffe, die ihm die
Natur in ihrer einzigen Größe ent—
gegenftellt, der Segler madt ſich
die Elementargemalt ded Sturmes
dienftbar, Der Jäger und der Angler
bejiegen das Tier, der echter, der
Ringer den Freund. Wo der Sieg
nit im Kampfe mit dem Objekt
jeldft errungen wird, tritt ver Wett
bewerb ein. Danır liegt der Sieg
im „Rekord“, wie dieg 3. B. bei
allen Raum-(Schnelligkeits)ſporten
der Fall if. Zumeilen wird dem
Wettbewerb die ausſchlaggebende
Rolle zugewieſen; mande Sport3:
Ichriftfteller fuchen in ihm dag eigent=
lie und ausſchließliche Weſen des
Sport3. Damit wird aber dent
Sport die Uneigennüßigfeit, Die
Freude an der eigenen Kraft und
Sefchielichfeit genommen und an
ihre Stelle Eitelkeit, Neid und
Gewinnſucht gejet, vie notwendigen
Nebeneriheinungen jedes Wett:
bewerbs. So fehr mir aljo nad
unferen eigenen Folgerungen den
Wettbewerb als berechtigt aner-
fennen müſſen, darf doch nicht der
Schmwerpunft des Sports hinein
verlegt werden.
6. Der Sport als Wille zur
Macht. „Leben ift weſentlich
Aneignung, Webermältigung des
Fremden, Scwächeren, Unter—
Einverleibuna, Beſitz.“
Der Sieg aber gidt Madt über
den bezwungenen Geaner, wenn es
auch nur eine ideelle Macht injofern
it, als man ſich als der Stärfere,
Geſchicktere erweiſt; als man zeigt,
daß man „Einer tft“ und zwar
Einer, der mehr ift als die Andern.
Zum mindeften fühlt man im Augen=
blick des Sieges ein gewiſſes Macht:
gefühl; Grad und Intenjität find
‘
I. Bedeunfung zic. des Sporig.
nah der Art des Sporis, dem
Kräfteeinfag und der Schwere des
Siegs verfchieden. H. Steiniker,
der fich mit der Pſychologie des
Alpiniften bejchäftigt, modifiziert
den Begriff „Willen zur Macht“
unter Anwendung auf den Alpinis⸗
mus ald „Willen zum Erfolg“,
den er als eine Spezialität des
Willens zur Macht bezeichnet. Wir
möchten darin injofern weitergehen,
als zweifellos der Wille zum Erfolg
ſich als Hauptunterlage der Trieb:
federn für die weitaus meiften
Sport3 anjehen läßt. Der Menſch
jtrebt während des ganzen Lebens
nad Geld und Gut, Anfehen und
Stellung und erreicht nie oder
wenigſtens jehr felten die Ziele,
die er fich ftedt; denn hat er ein
Ziel erreicht, jo ift er nicht zufrieden,
fondern fieht es nur alg eine Stufe
zu weiterem an. Der Sport hin:
gegen ift auf Erreichung unmittel-
barer Ziele gerichtet und gemährt
daher die Befriedigung des Erfolges
wiederholt.
Tie Gefahr Hat einen
folden Reiz für den Menſchen,
daß jeder ſich beftrebt, in ge-
ringerem oder größerem Grad
diefelbe in der Nähe kennen
zu lernen.
(VBoſes Mendelſohn).
7. Sport und Gefahr. Nur
der Sport, der Wagemut und Energie
verlangt, der aljo irgend eine Ge—
fahr vorausſetzt, ift im wahren Sinne
des Wortes ein Eport; eine ab-
jolute Gefahrlofigfeit zerjtört feinen
Reiz — noch mehr aber jeinen Wert.
Wenn ein Scriftfteller, der ſonſt
vorzügliches über den Eport jagt,
behauptet: „der erſte Grundjag
muß feın, daß der betreffende Sport
gefahrlos ift“, muß dem nach allem,
was mir jchon bei der Definition
des Begriffes, der Entwidelung
und Churafterifierung des Sports
gefagt haben, unbedingt wider:
m— m m — — — — nn — — — m — — —
Nro. 7.
ſprochen werden. Ohne irgend ein
Riſiko weder auf körperlichem noch
auf geiſtigem Gebiet gibt es keinen
Kampf, und beim Sport beſteht
das Riſiko eben aus den kleineren
oder größeren Gefahren, denen der
SportSmann, auch bei den harın=
lojeften Sport3 immerhin noch mehr
ausgefegt ift, alg der behäbig und
vorfichtig lebende Philiſter. Aber
ebenjo wäre es unrichtig zu jagen,
dag ein bloßes Auffuchen der Gefahr
ſchon Sport wäre. Wer fich in einen
Löwenkäfig wagt, um mit dem Tier-
bändiger eine Partie Sechsundſechzig
zu jprelen — eın hübſches Beifpiel,
das M. Haushofer anführt — tft
toufühn oder aud) Dumm, wie man
wild. Sein Tun aber ijt fein
Sport. Tag ridtige Berhältnis
von Sport und Gefahr beiteht darin,
daß der Sportbeflifjene durch Ge-
Ihieklichfeit und Uebung, wozu bei
manden Sportarten noch ein großer
Aufwand von Wiſſen und Erfahrung
fommt (3. B. beim Bergjport), die
Gefahr meijtert. Im Aufjuden
der Gefahr, die dag wachende
Auge des Geſetzes, unjere ganze
Zivilifation mit Taufenden von
Vorſchriften und Polizeimaßregeln
aus dem Dafein des zipilijierten
Menſchen zu eliminieren trachtet,
undzugleihin ihrer Ueber—
windung liegt ein Hauptreiz des
Sportes, und die Summe und
Größe der Gefahren, denen man
ſich ausſetzt, ſowie der im Verhältnis
zu ihnen wachſende Aufwand von
Können und Wiſſen iſt gerade der
wichtigſte Wertmeſſer für die ver—
ſchiedenen Sporte. Auch im Reiz,
den uns die Gefahr bietet, können
wir eine Reaktionserſcheinung der
„blonden Beſtie“ gegen das Leben
im polizierten Staat erblicken; „im
Staate, wo der langſame Selbſt—
mord aller — ‚dag YXeben‘ heißt“,
erzieht zugleich der Sport dazu, die
Furcht vor der Gefahr zu meijtern,
Nro. 8. R. Steiniker u. &,
und darin liegt für dag Leben ein
eminent erzieheriiched Moment.
„Wir müffen frei von Furcht fein,
ſonſt können wir nicht handeln. So
weit einer die Furcht befiegt, fo
weit iſt er Mann.” (Carlyle.)
8. Amateur, Profeſſional und
Spezinliftentum. Der Sport ift
eine ariſtokratiſche Tätigkeit, nicht
nur nach feiner Entwidlung, ſondern
weil er ohne Entgelt, ja oft unter
perfönlichen Opfern, nur aus Luft
an der Tätigkeit jelbjt ausgeübt
wird. Aus legterem Grunde nennen
wir den uneigennüßig Sporttreiben-
den Amateur, im Öegenjag zum
Profeſſional, der aus Diefer
Tätigfeit feinen Lebensunterhalt
zieht. Leider gibt es noch feine
deutſchen Ausdrücke, die Jic mit den
beiden Begriffen völlig deren.
Durch die große Teilnahme des
Publikums an einigen Sportarten,
wie 3. B. am Radfahren, Nenn:
reiten und der Athletif, in England
an Fußball und Bolo, ift e8 dahin
gefommen, daß teilweiſe dieſe Sports
zum reinen und ausſchließlichen
Gelderwerb von Profeſſionals aus:
geübt werden. Sobald aber ein
Sport zum Beruf, der den Lebens—⸗
unterhalt gewähren ſoll, ausartet,
hat er fein innerſtes Weſen ver-
Ioren. Es mag nod) einmal jcharf
betont werden, — denn die Ans
Ihauungen find in diefem Punkt
vielfach nicht geflärtt — daß ein
Profejjional fein Sportgmann,
ſondern ein Gewerbetreibender tft.
Wenn zwei Ringer um Geldpreije
kämpfen oder Nennradfahrer ma=
ſchinengleih auf der Rennbahn
filoimetern, fo find fie zu einer Art
von Schaufpielern geworden, und
es iſt Geſchmacksſache, ſich an ihnen
zu ergögen. Sport aber find ihre
Aufführungen nicht.
Deshalb betrachten wir aud Die
Leute, die ihren Beruf in der Lehr-
tätigfeit Des Sports ſehen, wie 5. 8.
Hrafn Baudiffin.
Turn= und Fechtlehrer oder Trainer
nicht mehr als Sportsleute, troß:-
dem ihre Beihhäftigung eine not—
wendige und erjprießliche für manche
Arten des Sports ift und der Aus:
bildung von wirklichen Sportsmen
zu gute kommt.
Eine weſentliche Gefahr für die
Ausartung eined Sports ijt das
Spezialiftentun, das fi) bei
gymnaſtiſchen Spielen herausge—
bildet hat. In übermäßiger Weiſe
werden die Sieger nicht nur von
den ſportlichen Wettkämpfern ſelbſt,
ſondern auch von der Tages- und
Fachpreſſe beachtet und ausge—
zeichnet. Die Folge davon iſt eine
einſeitige Ausbildung, wie dies erſt
gelegentlich der olympiſchen Spiele
in London allgemein erkannt wurde.
Die Wettbewerber haben ſich in der
Furcht, ſonſt nicht zur Geltung zu
kommen und ungekrönt zu bleiben,
auf eine einzige Leiftung „gemor-
fen”. In dieſem einjeitigen Ueber:
maß liegt eine Verfennung echten
Sports.
ALS eine andere nachteilige Neben—
erfheinung des Sports, bei dent
der „Rekord“ maßgebend ift oder
der nur wegen des Wettbemwerbes
ausgeübt wird, muß es angejehen
werden, daß es fich oft nicht nur
um die Leiftung des Ausübenden,
fondern um den Umfang jeines
Geldbeutels Handelt. Zur Aus—
übung einiger Sport$, 3. B. Des
Renn⸗, Automobil- over Gegel-
ſports ift der Befi von Geld —
und zwar von viel Geld — Vorbes
dingung. Und auch unter denen, !
die überhaupt diefe Sports treiben
fönnen, hängt fi der Erfolg au
den Reichften. Denn wer ein Boll:
blut mit vornehmften „Pedigree”
faufen und den berühmteften, an
ſpruchsvollſten Sodey halten kann,
wer fich jährlich eine Ssacht neueſten
Modells bauen läßt und weſſen Aus:
tomobil mehr „HP“ als das feines |
I. Bedenfung ete. des Sporks.
ebenfalls gütergefegneten Nachbarz | forderlihen Kenntniffe
deſigt, der wird den filbernen Tafel-
aufſaz heimbringen — Teider!
9. Welche Eigenſchaften ver-
langt der Sport? Wir haben
ihon in der Definition des Begriffes
„Sport“, die wir ung angeeignet
haben (Ziff. 1) die Haupteigen-
haften, die der Sport verlangt,
bezeichet. Zum Sport gehört
Hut, denn ohne Gefahr gibt es
kinen Sport, wenn auch das Maß
des Mutes manchmal nur ein be=
heibenes ift, Beim Bergfteigen
tt der Nenſch oft bewußt fein
sehen ein, ebenfo unter Umftänden
bim Segeln, beim Rennreiten ac.
delhſt bei der Treibjagd riskiert er
5, von feinem guten Freund an:
seihoflen zu werden; bei Den
spmnaftiihen Sports befteht die
hejahr im Mangel an Gefchieklich-
kit, der Grund zum Arm⸗ und
beinbrechen fein Tann u. f. w.
‚zum Sport gehört Kraft; aud
dieſe ift verfchieden nach Art des
Evorted, Manche Sportarten ver:
Iingen auf fürzere Zeit bedeutende
Anſpannung der Körperkraft, wie
B. der Schwimmiport, Ruder:
wort, die gymnaſtiſchen Sporte.
Andere erfordern Dauerleiftungen
Die z.B, Bergiport, Radfahrſport;
emerer verlangt unter Umftänden
deides.
zum Sport gehört Geſchick—
ligkeit, und zwar bald eine
meht förperlihe, bald eine mehr
Jeder Sport erfordert
geiftige,
Nro. 9-10.
erſtrecken
ſich auf phyſiologiſche, mechaniſche,
phyſikaliſche, techniſche und natur:
wiſſenſchaftliche Gebiete. Die Rad⸗
und Automobilfahrer werden ſich
die Konſtruktion ihrer Maſchinen
klarmachen müſſen, ſchon um den
„Nücken“ (beim Automobil vornehm
„panne“ genannt) erfolgreich ent—
gegentreten zu können; und wer
keine Ahnung von Windrichtung
und ⸗wirkung hat, wird kaum hoffen
dürfen, bei Segelregatten als Erſter
am Ziel mit Böllerſchüſſen emp:
fangen zu werden. Cbenfo muß
der Bergfteiger verftehen, die Karte
richtig zu lejen, wie die Wetters
verhältniffe und die ihn erwarten-
den Schwierigkeiten zu beurteilen
2c.; denn nur dann gehört er nicht
zu den „Tolllühnen, die es nicht
beffer verdienten”. Wer einmal
einer Morgenarbeit auf einem Renn⸗
platz zujchaute, wird bemerfen, mit
welcher Nüheund unfäglicher Geduld
der „Charafter” eines Roſſes, das
vielleiht den Weltenruhm feines
Stalles neu bejiegeln joll, ftudiert
wird; und doch foll es vorkommen,
daß es dem feinfinnigften „Phyfio-
— im gegebenen Moment ein
Schnippchen ſchlägt. — Auch ver:
langt der Sport Uneigennützigkeit,
denn wie wir bereit fonftatierten,
darf er niht berufgmäßig aus-
geübt werden. Ein Amateur kann
ih nit mit einem Profeffional
in einen Wettfampf einlafjen ; die
unmittelbare Folge wäre feine „De:
eine befondere Ausbildung der | Hafjierung”.
ganzen Muskulatur oder eines Teils
detſelben; außerdem verlangen die
netten Sporis Uebung der Sinnes⸗
otgane: des Auges, des Ohrs, die
deherefhung des Nervenſyſtems ıc.
zayu tritt aber auch geiftige Tätig:
tet, denn ein beftimmtes Wiſſen
über die in Frage kommenden Ver:
haltniffe muß ſich jeder Anfänger
eins Sport aneignen.
10. Sport und Charalter. Es
| iſt einleuchtend, daß eine Beſchäfti—
gung, die befondere moralifche Einen:
haften verlangt, auch den Cha—
after bildet und veredelt. Um die
erforderlihen Eigenfchaften, Mut,
Kraft und Geſchicklichkeit zu er-
werben und auszubilden, bedarf es
eine? großen Maßes von Willens-
Die er | energie, GSelbjtüberwindung und
Nro. 11—12.
Selbitzudt. Der Sport zwingt
zur Ausdauer, die fi nicht durch
Niederlagen abjchreden läßt, im
Gegenteil juht der Sportsmann
durch fteigende Energie nach jeder
Niederlage um jo mehr den Erfolg
an fih zu feſſeln. Der Sport er:
zieht zu wahrer Männtichteit; er
bildet die Perfönlichfeit aus, indem
er das Selbftbemwußtfein durch die
Erlangung von Eigenschaften er:
höht, die den Träger über das ge—
wöhnlide Niveau bherausheben.
Der Sport medt die Kraft des
menſchlichen Willens über fich jelbft,
er übt ımd ftärft die GSelbftüber-
windung im Ertragen deifen, mas
von Anftrengungen, Entbehrungen,
unter Umjtänden auch von direkten
Schmerzen begleitet, als körper—
lich unbequem empfunden wird.
Er fördert und bildet aus: Schlag=
fertigfeit, Geiftesgegenwart und
Schnelligteit des Entſchluſſes, er—
höhte Selbſtändigkeit des Indi—
viduums — kurz, er erweckt in
uns das Streben nach Erlangung
der ſtoiſchen Tugenden. „Auch das
‚ritterliche‘ Gehaben des Mittel:
alters, das Kraft und körperliche
Geſchicklichkeit zum Prüfſtein der
Ehre macht, hat im Sport einen
neuen Tummelplatz gefunden.“ (H.
Steinitzer.) Wir möchten nicht an—
ſtehen zu behaupten, daß innerhalb
der heutigen Ziviliſation faſt allein
der Sport fähig iſt, den Staats—
bürger zum Manne zu erziehen.
Freilih ftehen dem aud Aus:
artungen gegenüber; — namentlid)
in den Sport3, deren ausfchlagen-
des Moment der Wettbewerb bildet.
Der berechtigte Ehrgeiz, ſich aus:
zeichnen zu wollen, wird oftmals
überſpannt oder er Schlägt in lächer-
lihe Eitelfeit um, weil ihn die
äußerlihen Auszeichnungen die
Hauptſache find. Neid, Mißgunſt
und Webelmollen find in vielem
Falle die Begleiterſcheinungen.
R. Steiniker u. €.
Gräfin Baudiffin.
11. Sport und Gemüt. Unſere
ganze Zivilijation entfernt ung von
der Natur und dadurd gehen wir
ihrer Rückwirkung auf da8 Gemüt
und das jeelifhde Empfinden ver:
fuftig. Der Sport, wenigftend in
zahlreichen feiner Betätigungen,
ftellt den Kontatt mit der Natur
wieder her, in der die moderne
Wiſſenſchaft dem Menſchen feine
Heimat zeigt. Nichts wirft nad
den neroöfen Aufregungen des
heutigen Lebens beruhigender auf
das Gemüt, al$ die angenehnten
GSenjationen, die der Naturgenuß
auslöſt, nicht8 erhebender, al® der
Anblid der Elemente, nicht3 ſtär—
fender, ald ihre Bezwinguna im
fportlichen Ringen. In der Natur
vergejjen wir die Heinlichen Sorgen
des Alltagsleben und des Beruieg;
jeder energijch betriebene Sport,
mag er und auch nur für kurzere
Zeit hinausführen, erzeugt, wie
9. Rad es treffend ausdrüdt:
„jene olympifch:heitere Gleichgültig:
feit gegen alles jonjt jo wichtige
Drum und Dran, jenen naiven
Zuftand, wo der erwachſene Kuitur-
menſch zu feinem Heil auf den
Standpunft des heiteren Kindes,
des Auftralneger® zurückkommt.“
Mir dürfen im Sport deshalb ein
hervorragende Mittel erbliden,
das geftörte Gleichgewicht
unſeres Empfindungslebens
wieder zu gewinnen.
12. Sport und Geſundheit.
„Das Fundament aller Anlage iſt
körperliche Geſundheit,“ lautet ein
goldner Ausſpruch J.F. Herbarts. 4
Se mehr ſich der moderne Kampf
ums Daſein auf geiſtigem Gebiet
abſpielt, je mehr das Gehirn mit
Tätigkeit überlaſtet wird, deſto not⸗
wendiger iſt es, entſprechende Er:
holungspauſen einzuſchieben, die
einer rationellen Körperpflege
gewidmet ſind. Die beſte Art,
dem Körper das nötige Maß von
121
I. Bedeufung efc. des Sporie.
Bewegung in freier Luft zu ver:
Ihaffen, deſſen er unumgänglich
notwendig bedarf, wenn er id
günftig entwideln und widerftandg-
fähig erzogen und erhalten werden
fol, ift der Sport oder ſportlich
betriebene Leibesübungen jeder Art.
Die dadurd) vermehrte Blutzufuhr
fteigert die Leiftungsfähigfeit der
Bemwegungdorgane, vor allem der
Gelenfe und Muskeln und erhöht
jomit die XLeiftungsfähigfeit des
Körperd. Durch die überaus gün-
ftige Beeinflufjung der wichtigſten
Lebensfunktionen, als Herztätigfeit,
Atmung, Nahrungsaufnahme und
Verdauung wird der Organismus
widerſtandsfähig gegen die mannig—
fachen Krankheitsurſachen, die ihn
innerlich und äußerlich bedrohen.
Aber auch nach der geiſtigen Seite
find die Leibesübungen von großer
Bedeutung, denn fie mweden und
fteigern die Friſche des ganzen
Weſens, Kraftgefühl und körper—
liches Behagen, Lebensluſt und
Lebensfreude. Gerade für die leßtere
Behauptung ift Goethe ein glänzen:
des Beilpiel, der von Natur aus
durchaus nicht ftark, feinen Körper
durh Reiten, Wandern, Filchen,
Sagen, Eislauf, Sclittenfahren,
Fechten, Segeln ꝛc. — je nad
Sahreszeit — abhärtete und fyfte-
matiſch harmoniſch ausbildete.
Die beſte und nutzbringendſte
Form der Leibesübungen iſt der
ſportliche Betrieb; denn nur
er ſchützt davor, auch die körperlichen
Uebungen lehrhaft und mechaniſch
zu betreiben, ſo daß ſie dadurch ein⸗
tönig und langweilig wirken und
endlich wieder aus Bequemlichkeit
vernachläſſigt werden. Regel—
mäßiger und fortgeſetzter
Betrieb iſt ein Haupterfordernis
für den vollen Erfolg. Es genügt
nicht, die ganze Woche zu raſten
und ſich am Sonntag dann abzu—
radern. Dadurh wird höchſtens
Nro. 12.
Vebermüdung erzielt, welche die
Berufsarbeit am folgenden Tage
beeinträdtigt. Es iſt ein großer
pbyfiologifcher Unterſchied, ob ein
gewijles Maß jportlicher Uebungen
in täglichen kleineren Penſen oder
in größeren Zmwilchenräumen auf
einmal bewältigt wird. Das ift fo
far, daß es weiterer Ausführungen
nicht bedarf. Freili muß zuge—
geben werden, Taß es für viele
nicht möglich ijt, täglich die Ge:
legenheit zu finden, einen Sport
als folhen auszuüben. Aber es
genügt auch ſchon, wenn man täg-
lich einige körperliche Uebungen
ausführt, die bejtimmt find, die
Geſchicklichkeit und Elaftizität für
den Sport zu erhalten und hierzu
| findet fi immer Zeit.
Ein Einwand, der gegen die
Durdführung täglicher Uebungen
erhoben wird, ift die Behauptung,
daß nad geiftiger Berufgarbeit
Ruhe die alleinige Erholung fei.
Zur Entfräftigung genügt es, die
Worte des Profefiord Dr. Zander
anzuführen, daß „die Erfahrung
des täglichen Lebens lehrt, daß
entsprechende Körperübungen für
die meiften Menjchen eine Quelle
der Erholung nach der Tagesarbeit
find“. Wenn der Deutſche nur
einen Heinen Teil der Zeit, die er
in der ſchlechten, ftaub: und rauch—
geſchwängerten, verbraudten Luft
des Wirtshaufes, aljo unter den
ungünftigften hygieniſchen Berhält-
niffen, zubringt,jportlihenllebungen
mwidınete, jo wäre das für die ganze
Nation von unſchätzbarem Werte.
2. Gurlitt ftellt mit Recht den Sat
auf, „daß die geijtige Elajtizität
"und förperlihe Tüchtigfeit der Ame—
rifaner vor allem einer auf mwifjen-
Ihaftliher Grundlage fußenden,
rationellen, körperlichen Erziehung
zuzujchreiben ift, vermöge welder
wieder die gefunden Kinder zu ge:
funden Eltern heranwachſen und
Niro. 13. R. Steiniker u. €.
diefe ebenjolde Nachlonmen er:
zeugen,”
Selbftverftändlich ift aud, beim
Sport dag Allzuviel vom llebel.
Durch eine unrationelle und über:
triebene Betätigung kann der Dr:
ganismus vorübergehend wie
dauernd gejchädigt werden; ganz
bejonders gilt dies von Ueberan—
ftrengungen des Herzend Auch
dag Nervenſyſtem kann ſchweren
Schaden dadurch erleiden. Ins—
beſondere treten Schädigungen
dann ein, wenn man in reiferen
Jahren — vorzüglich um dag ſich
einſtellende „Embonpoint“ zu be—
meiſtern — plötzlich anfängt „zu
müllern“ oder ſonſt einen Sport
zu forcieren und dabei glaubt, nun
in möglichſt kurzer Zeit möglichſt
viel erreichen zu müſſen. Der Er-
folg iſt dann für die Geſundheit
meiſt ein negativer — woran aber
nicht der Sport, ſondern der eigne
Unverſtand trotz grauer Haare ſchuld
iſt. Werden die Momente und
Auswüchſe, die ſchädigend wirken
können, vermieden, dann gilt das
Wort, mit dem Dr. Pick eine ſehr
lefenswerte und ſchöne Arbeit über
Sport und Geſundheit jchließt, in
vollften Maße: „Sport bringt
Sefundheit.“
13. Sport, Fugenderziehung
amd Schule. „Wan erziehe die
Knaben zu Männern ... jo wird
es überall wohl ftehen.“ (Goethe.)
Was in der Jugend verfäumt ift,
kann im Alter felten mehr einge-
holt werden; noch weniger fann
“ aber daS wieder verbefjert werden,
was in der Jugend verdorben
wurde. Die geiftige Ueberbürdung
der Jugend ijt eine allgemeine
Klage; für die Körperentwidlung
bleibt heutzutage wenig oder gar
feine Zeit übrig. Die Folge it,
daß wir blutarme, bleichjüchtige,
brillentragende, hochſchultrige und
engbrüftige Kinder erziehen Aller:
Gräaäfin Bandillin.
dings muß zugegeben werden, daß
fih in den letzten Jahren auch aus
den ſtaatlich maßgebenden Kreiſen
Stimmen erheben, die auf eine
größere Beachtung der Körper-
kultur hinweiſen.
Die Zukunft der Gattung liegt
immer in der Jugend; in ihr
wird der Grundſtein für die künf—
tige Generation gelegt. Die Vor—
teile, melde eine ſportliche Erzie-
bung in geſundheitlicher Hinficht
bringt, müffen deshalb in allererfter
Linie der Jugend zugute kommen.
Wenn der Charafter durch
den Sport gebildet wird, jo folgt
daraus von ſelbſt, daß der Sport
eineminent ethiſches Erziehungs:
mittel fein muß, Der größte Teil
der phyſiſchen und moralifchen
Mannestraft könnte der Jugend
am Sport: oder Spielplag aner:
zogen werden. Leider ift Dies in
Deutijhland nicht der Fall; kaum
dag irgendwo ein ſchüchterner An-
fang gemadt wird, den Sport in
ver Schule einzuführen und ihr
dienjtbar zu madhen. Denn wenn
die Gymnaftit nicht fportlich be—
trieben wird, d. h. der „Wettbe:
werb“, — mit Maß und Ziel na-
türlich, — eingeführt und zugrunde
gelegt wird, ift fie fein Sport,
jondern wird immer pedantiſch
bleiben, wie der Geift, der unfere
Schulen beherricht, troß des alten
viel zitierten Spruche? „mens sana
in corpore sano“, der gerade von
feiten der Sugenderzieher am wenig:
ften beachtet wird. Die gelamte Er-
ziehung richtet fich faſt ausfchließ-
lid auf Eintrichtern eined immer
umfangreicher werdendenLehrſtoffes
in der Schule ſelbſt und durch Be-
laftung mit häuslichen Aufgaben:
zum „Menſchen“ erzieht man nidt.
Freilich ift dad auch das Schwerere
und die englifche Behauptung, „jeder
Dummkopf kann Unterricht erteilen
und Kenntniſſe einpaufen, aber es
I. Bedeutung elc, Des Sporlis.
Nro, 12.
erfordert eine eminente Befähigung, | in der Billa Borgheſe und Doriu
um die Jugend .zum Sport anzu
leiten,” erjcheint parador, enthält
aber doch eine fehr beachtenswerte
Wahrheit.
Schopenhauer führt alle
menjchlihen Kraftäußerungen auf
drei phyſiologiſche Grundfräfte zu-
rück und beſtimmt danach die drei
Duellen der möglichen Genüfje:
die Genüjje der Reproduftiongtraft,
— Eifen, Trinfen, Berdauen, Ruben
und Schlafen — fie brauchen nicht
gelehrt zu werden; die Genüfje der
Senfibilität — Beichauen, Denten,
Lernen, Leſen 2c. — mit dieſen allein
befchäftigt fih die Schule, ob fie
zwar diefe geiltigen Tätigkeiten zu
„Genüſſen“ zu geftalten verfteht,
jei Hier nicht unterfucht; und end:
li die Genüffe der Irritabilität —
Wandern, Springen, Ringen, Tan:
zen, Fechten, athletiihe Spiele,
Jagd 2c., wir würden jie heute
unter Sport rubrijieren. Um
diefe Genüfje kümmert fi Die
Schule nit und verabjäumt damit
die eine Duelle der- menſchlichen
Kraftäußerung zu erziehen und zu
ftärfen. Vielleicht liegt der Grund
in der Entwidelung der Schule,
die früher ausſchließlich unter der
Leitung der Geiſtlichkeit ſtand und
ihr auch heute noch nicht entmwunden
ift und die dem kirchlichen Chriften-
tum gemäß den Leib als ein Sün-
dengefäß, das feiner Ausbildung
wert ift, betradtet. Ruskin jagt:
„Kein phyfiiher Irrtum kann tiefer,
fein fittliher kann gefährlicher
fein, als die möndijche Lehre des
Gegenſatzes von Körper und Seele.
An einem unvollfommenen Körper
kann feine Seele vollfommen jein;
fein Körper iſt vollflommen ohne
volllommene Seele.” In England
hat ſich die Geiftlichfeit von diefen
Borftelungen ſchon längft zum
Heile der Jugend befreit; in Rom
fann man an Öffentlichen Drten,
|
Pamphili die engliſchen Zöglinge
des Collegio romano (der römiſch-
katholiſchen Fachſchule) alle Arten
von Bewegungsfpielen treibenjehen.
Auh zu Haufe hat die englilche
Geijtlichfeit den ſegensreichen Ein:
fluß, den die Sportjpiele ausüben,
voll anerfannt und fördert fie nad)
Kräften. Anftatt der Verachtung
des Körpers follte die Luft am
Körper geweckt werden, die fich in
gymnaſtiſchen und jportlichen llebun-
gen betätigt. Die geiftige Leber:
bürdung der Kinder im Pubertäts-
alter ijt nah Meinung der ärzt-
lihen Autoritäten fajt durchweg der
Grund derheimlichen Jugendſünden.
Das lange Siten auf harten Bän-
fen, die förperlihe Erjchöpfung,
der ewig angeftachelte Ehrgeiz, die
Angſt um das Zeugnis und Die
Berjegung, die Furcht vor Strafe,
die jtete Aufregung wegen Erledi-
gung der Schulaufgaben — alle
dieje Faktoren, die in einer Weije
die Jugendzeit vergiften, die andern
Völkern überhaupt unbekannt ift,
reizen zu Ausſchweifungen. Hier
helfen weder Strafen noch Beleh—
rungen, man muß die Urfachen
diefer unheilvollen Neigung ver:
ringern und die Kinder dem quälen-
den Zuftand der Ueberreizung ent:
ziehen. Aufgeflärte Pädagogen wei—
jen immer wieder darauf hin, daß in
der geijtigen Entlaftung wie in regel:
mäßig betriebenen förperlichen Ueb—
ungen das einzig wirkſame Heil—
mittel gegen die Jugendjünden liegt.
Daß neben der förperlichen
Kraft auch die fittlihe auf den
Spielpläßen gedeiht, daß ſich durch
fportlich betriebene Spiele Knaben
und Sünglinge zu lebend- und
arbeitsfrohen Männern, die Mäd—
chen zu körperlich gefunden Müttern
entmwideln, dieſe Ueberzeugung ift
ebenfall3 in England und Amerifu
ſchon längft Gemeingut Aller.
ro. 14.
5. Kemeny, der das amerifani-
ide Erziehungswejen anläßlich der
MWeltausftelung in St. Louis 1904
ftudiert hat, jchreibt darüber: „So
umfichtig im öffentlichen Leben mit
der Zeit hausgehalten wird, fo
verjchwenderifch ift man damit in
der Schule, wo das Gejpenft der
geistigen Ueberbürdung unbekannt
ift. Der Unterricht beginnt in der
Regel um !,9 oder 9h, Samstag
oder Donnerstag Jind ganz frei,
die Ferien ausgiebig. Die freie
Zeit wird faſt ausſchließlich den
Bewegungsipielen und der körper—
lihen Abhärtung gemidinet. Um
jelbft der ftudierenden Jugend
außerhalb der Schule Gelegenheit
zu körperlicher Kurzweil zu bieten,
werden dort unter Yeitung und
Auffigt von Schul: und Fach—
männern AnftaltSiportvereine und
Sugendverbände organifiert. An
den Hochjchulen gibt es ausnahms—
108 einen, oft mehrere Sportklubs,
die ſich als ſtärkſtes und ficherftes
Bindeglied der Studentenfchaft er:
weijen, der Kartenfpielen und Lum—
pen fremd find.“
Und 2. Gurlitt bemerkt dazu
A. Steinißer u. ©.
Sräfin Bamdillin.
die durch ihren Beruf zum GStill-
figen oder an einen Dit gebannt
jind wie Kleinere Beamte, Fleinere
Kaufleute, Handlungsgehilfen, Hand⸗
werker ꝛc. Im allgemeinen ergibt ſich
die Wahl des Sports von ſelbſt nach
dem ausgeübten Beruf. Denn wer
tagein tagaus in die vier Wände
gebannt ift, wird eine Sehnfudt
nad frifcher Luft und nad) irgend
einer Bewegung haben, die alle
Muskeln und Glieder gleichmäßig
beunfprudt ; ihn werden bejon:
ders dag Bergfteigen, das ja alle
Ktörperfräfte ſtahlt, auch Radfahren,
Rudern oder Sclittihuhlaufen ans
locken. Sit ihm jelten Belegenheit
zu einer diefer Eportarten geboten,
jo treten die Sportspiele als Erjag
ein. Dagegen mwird jemand, der
viel gehen muß, wie 3. B. der
Offizier, fich einem Sport zuwenden,
der mehr den Oberkörper ausbildet,
wie Fechten, Tennisjpielen, Segeln
oder vergl.
In der rationellen, nicht über
triebenen Ausübung des Sports
liegt daS bejte Heilmittel gegen Die
allgemein verbreitete und fich immer
jteigernde Nervoſität, die heut—
Ichlagend: „Da fefe man als jtarf | zutage faft jeder Beruf mit ſich
tontraftierendes Gegenftüd die Dar: |
jtellung des erbitterten und erfolg:
(ofen Kampfes, den deutjche Lehrer
gegen geheimes Berbindungswejen
der Schüler mit feinen Sauf- und
Lumpenweſen, feinen Heimlichkeiten,
Kneipereien und Ausſchweifungen
führen.“
14. Sport und Beruf. Für die
Auswahl des Sports wird neben
der beſonderen Liebhaberei der
Beruf inſofern maßgebend ſein, als
der Sport gerade dag zu erſetzen be—
ftimmt ift, mag an gejundheiterhal-
tenden Momenten dem Berufe fehlt.
Für alle diejenigen, die mit dem Kopf
arbeiten, ift der Sport ein unab-
weisbares hygieniſches Bedürfnis.
Das gleiche gilt auch von denen,
bringt. Ihre Beſeitigung kommt
wieder dem Berufe ſelbſt zu gute
und damit nicht nur direkt Dem
einzelnen, jondern aud feinen
Nepenmenfchen, mit denen er beruf-
lich in Beziehung tritt. Nur gejunde
und felbjtbewußte Männer können
tüchtiges leiften, Iranfe und ſchüch—
terne Männer find meiſtens auch
in ihrem Beruf Schwädlinge. Daß
im übrigen für diefe Anficht ſchon in
der Allgemeinheit ein gewiſſes Ber:
jtändnis zutage tritt, dafür tft ein
erfreulicher Beweis der Umitand,
mit welcher Befriedigung es bei der
Ernennung des Staatsjefretärs
v. Sydom regiftriert wurde, daß er
begeifterter Alpinift ift. Mit Necht
Ihloß man daraus auf Elaftizität
1. Bedeufung eic. des Sports.
und Tatkraft. Andere Länder ger:
maniſcher Raſſe find uns darin,
wie überhaupt in der Schäßung
des Sports, mejentlih voraus,
denn es iſt befannt, wie jehr die
Bielfeitigfeit Rooſevelts auf port:
liden Gebieten zu feiner Schäßung
als Bräfident beigetragen hat.
15. Sport und Autorität, Bis-
mard jagte einmal irgendwo, „ich
fenne feine Autorität, nur Gründe“
und 2. Gurlitt fehreibt in feinem
prächtigen Bude „Erziehung zur
Mannhaftigfeit”: „Es wird gutfein,
der Jugend, wenn fie in Die
Sünglingsjahre tritt, zu jagen, daß
alle großen, geiftigen und moralijchen
Erfolge ein jtarfes Selbjtvertrauen
und damit verbundenen Mangel an
Autoritätsglauben vorausfegen.“
Mo findet aber Selbitvertrauen
und Selbſtbewußtſein eine ftärfere
Balis, als in der Kraft eines
harmoniſch ausgebildeten Körpers!
Sie ift die Baſis jenes „ritterlichen
Gehabens“, das und modernen
Kulturmenſchen verloren gegangen
ift. Dafür find ung allen ein paar
Nüdenmirbel zu viel angezüchtet;
Büden und Kriehen, Angſt, eine
eigene Meinung zu Haben, alle die
Erfdeinungen, die wir mit dem
Begriffe „Byzantinigmus” zu:
ſammenfaſſen, find das traurige
Reſultat.
Wenn Gurlitt ſagt, daß unter
dem Regiment des Schulkanzliſten
keine ſtarken und fröhlichen Men—
ſchen, keine Perſönlichkeiten wachſen
können, daß die Schule eine ſtaat—
liche Entmannungsanſtalt iſt, ſo
kann man hinzufügen, daß der
Staat auch nach und außerhalb der
Schule dieſes Geſchäft mit Eifer
fortzuſetzen bemüht iſt.
16. Sport und Ehre. Der Ehr:
begriff des europäiichen Kultur:
menſchen, das ritterlihe Ehren—
Nro. 15—17.
Schopenhauer führt aus, wie
dieſes Ehrenprinzip keineswegs ein
urſprüngliches, in der menſchlichen
Natur ſelbſt begründetes iſt und
wie es als Kind jener Zeit ange—
ſehen werden muß, in der die
Fäuſte geübter waren als die Köpfe,
alſo in der Zeit des belobten
Mittelalters und ſeines Rittertums.
H. Steinitzer weiſt ſehr richtig
darauf hin, wie dieſes ritterliche
Gehaben, das Kraft und körperliche
Geſchicklichkeit zum Prüfſtein der
Ehre macht, im Sport einen neuen
Tummelplatz gefunden hat und daß
auch der mit dem Rittertum ver—
bundene merkwürdige ſpieleriſche
Drang, der in der Verſchrobenheit
der Gtifette. des Zeremoniell3, des
höfifhen Lebens u. dergl. zum
Ausdrud Fam, ſich heutzutage in
der unnötigen Kompliziertheit man-
cher Sportjpiele audzutoben jcheint,
während alle dem Sport abgeneigten
Völker nod) Stark zu dieſem äußer—
lich galanten Weſen neigen. Wir
fönnen demnach im Sport in diefer
Hinfiht eine der Reaktionser—
Iheinungen erbliden, von denen
wir oben geſprochen haben (vergl.
Ziff. 2).
17. Sport und Schönheit. Das
Berftändnis für die Schönheit des
menſchlichen Körpers und feiner
Bewegungen iſt die unabmeisliche
Borbedinaung für den Genuß der
darſtelleriſchen Kunft, jei e8 Tanz,
Malerei oder Plaſtik. Das Ber:
jtändnig fett aber Kenntnis des
Körperd und der für ihn gelten:
den Schönheitdgejege voraus und
wie jelten find noch Körper zu
finden, die und dad Schönheit:
ideal verwirklichen könnten! Noch
immer bedeuten uns die griechiſchen
Bildwerke die Darſtellung höchſter
menſchlicher Schönheit; nicht allein
durch die größte Harmonie aller
prinzip oder das point d'honneur Glieder, ſondern ebenſo durch den
iſt erſt im Mittelalter entſtanden. abjolut gefunden und kräftigen Bau
ro. 17.
der Körper,
Die wundervollen, | durd)
AR. Skeiniker u. E. Gräfin Raudilfin.
erborgte Mittel; an eine
durch täglihe Webungen in den | natürliche Aushildung ihrer Vorzüge
Gymnaſien gaeftählten SKörperfor: | vergaß die Frau in langen Nahr:
men dienten als lebendes Modell. | hunderten zu denken.
Da an den olympiſchen Spielen
ih auch die Mädchen beteilig-
ten, die ihre Körper folglich der—
ſelben Durchbildung unterziehen
mußten, ſo beantwortet ſich die
oft aufgeworfene Frage: ob die
Griechen wirklich ſolch ein ſchönes
Volk geweſen ſeien oder ob ihre
Künſtler ſie nur idealiſiert hätten,
von ſelbſt. Umgekehrt könnte man
behaupten, daß die Künſtler erſt
durch die Erfolge gelernt haben,
welche Eigenſchaften zum Sieg ver—
halfen, und in welchem Maße ſie
Die Folgen
zeigen ſich deutlich; Frauen mit
ſchönen Geſichtern gibt es wohl,
Frauen mit abſolutem Ebenmaß
der Geſtalt und vollkommener Dar:
monie der Bewegungen und der
Schönheit „frappieren” — der beite
Beweis, wie felten ihre Erfcheinung!
Endlih, nachdem durd) unvernünf⸗
tige Tracht die Frau in ihren
beiden höchften Funktionen — dent
Mutterwerden, wie dem Nähren
ihrer Kinder — ftarf beeinträchtigt
wurde, hat ſich ausſchließlich durch
die Herrſchaft des Sports die Re—
dem Körper zur Vollendung nötig aktion gegen die ſeit Generatio—
waren.
Vergebens mögen ſich die nen ſanktionierte Vergewaltigung
Künſtler heute nach harmoniſchen der Frauengeſtalt vollzogen; die
Körpern umſchauen.
Verkehrte zuſammengeſchnürte, Weſpentaille“,
Lebensweiſe und Kleidung, auch die Männer und Frauen gleich—
die Scheu vor dem Nackten, die mäßig entzückte, ſcheint heute
den Körper durch Jahrhunderte unſern Augen faſt unerträglich.
von der friſchen Luft abſchloſſen, Schon die beiden erſten Sportsarten,
haben das „Ebenbild Gottes“ herab: | die der deutſchen Frau zugänglich
gewürdigt. Der Körper eines | wurden, Tennis und Radfahren,
modernen Menfchen, der fih ja | zwangen fie zu einer zwedmäßigen
auch glüdlicherweije meiftend den | Kleidung, die volle Bewegungs
Augen feiner Mitmenjchen entzieht, | freiheit gewährte, das Fortlafien
wirkt neben einer antifen Statue | des Miederd war die Folge. Unter
wie eine Karifatur. Beſonders | unjeren heutigen jungen Frauen und
die Körperichönheit der Frau hat | Mädchen gibt es bereit3 viele, die
durch die Vernadläffigung Der | durch. vortreffliche, ungezwungene
Pflege, ıwie durch den Zwang der Haltung auffallen und deren eben
Kleidertracht feit jenen klaſſiſchen mäßige, natürliche Geftalt bemeilt,
Zeiten Unendliches eingebüßt. Ver- : daß nie ein Verſuch gemacht worden
folgt man die Geſchichte der Mode, | ift, fie durch Einſchnüren zu verder-
fo lieft man gleichzeitig die Ge- ben. Gewiß liegt indiejer Emanzipie—
ihichte des Martyriums der Frau. | rung von dem einft für unerläßlich
Es gibt feine Torheit, die zu groß | geltenden Kleidungsſtück bereits ein
geweſen fei, um nit doch den großer Schritt vorwärts. Aber
Schnitt ihrer Gemwänder, ihrer | damit allein ift es noch nicht getan.
Schuhe, den Aufbau ihres Kopf: | Die Frau vor allem muß, wenn
pußes zu beherrihen. Se meiter | fie die Wichtigkeit ihrer Gefundheit
die Kultur um fi areift, um fo | erfannt hat, darauf bedadit fein,
unziwilifierter fcheint ver Gejchmad | fie zu erhalten, und dieſe Aufgabe
zu werden. Die Erhöhung der | iftmit der Schönheitspflegeidentifch.
Reize mußte von außen kommen, | Darauf kann nicht oft genug Hin-
I. Brdenlung eir. des Sporis.
gewieſen werden. Alle hygienifchen
Beitrebungen dienen gleichzeitig der
Förderung und Erhaltungder Schöns
heit. Frauen, die durch ihre Bläſſe
und BZartheit auf gewiſſe Männer
einen Reiz ausüben, haben nur
eine furze Blütezeit ; während eine
von Gejundheit unterftüßte Schön-
beit bi8 ins hohe Alter ihre An—
ziehungsfraft bewahrt. Deshalb
jollte fih feine Frau „zu alt“ für
irgend einen Sport oder ein Sport
ipiel finden. Der größte, ſpezifiſch
deutfhe Schönheitsfehler ift (man
verzeihe das harte Wort!) der
Bauch; in gewiffemn Alter ift er
das jichere Attribut deutfcher Frauen
wie Männer. Man fehe dagegen
die Engländer und Amerikaner
männlichen und weiblichen Gefchlech-
te8 an, die fih ihr Lebelang durch
fortgefegt betriebenen Sport einen
jugendlich ſchlanken Wuchs bewahren.
Dieſer deutfche Bauch ift eine Folge
jalopper Haltung und Bernad):
lälfigung des Körper bei den
rauen, die gerade nach häufigen
Kindbetten darauf achten follten,
elaftiijh und kräftig zu werden. Der
deutjche Dann „trinkt“ ihn ſich an
und fügt fi in die häßliche Run:
dung feiner Weftengegend ebenfo
gleichgültig wie gegen das Kahl-
werden feines Kopfes. Weniger
trinfen und rauchen, — meniger
Zeit in Schlechter Kneipenluft ver-
bringen, weniger Ausjchweifungen
in der Jugend — dafür von Kind-
heit an Spiele in freier Luft, als
Sport fortgejegt bis ing Alter,
würden dieſen typiſch deutjchen
Schönheitsfehlern entgegenwirken.
Es ift zu hoffen, daß der Sport
allgemein wieder dag ſeit faft zwei
Millenien verlorene Verftändnis für
Körperfultur zurüdgeminnen
werde.
18. Sport und Kunft. Mit der
durd) den Sport gewonnenen na=
türlichen Freude am menfchlichen
Nro. 18-219.
Körper, mit der Rückkehr der Er—
fenntnis, daß er nicht nur ein zu
verheimlichendes Sündengefäß, eine
wertlofe Schale für die Seele jei,
wird fih aud) der Kunftgefchmar
wieder heben und veredeln. —
Feigenblätter an nadten Statuen
ftören ung den Genuß, ja empören
ung, weil fie eine unfünftlerifche,
unreine Gefinnung des Beichauers
vorauszujegen ſcheinen. Erſt Die
Schwimmer, die Ringer, Turner,
Auderer ufw. in ihren mehr oder
minder leichten, die Körperformen
verratenden Belleidungen haben
dag Auge wieder an den fait nad:
ten Körper gewöhnt. Die Wert:
ſchätzung und das Berjtändnis für
den nadten Körper, in deſſen Dar:
|ftellung die bildende Kunft von
jeher ihre höchſte Aufgabe erblidte,
muß notwendigermeije den Kunſt—⸗
verftändnis und der Kunſtpflege zu
gute fommen.
19. Sport und ſchönes Ge:
ſchlecht. „Unfere erfte Pflicht gegen
die Frau ift, ihr ſolche körperliche
Ausbildung und Hebung zu fichern,
wie fie zur Befeltigung und Boll:
endung ihrer Schönheit dienlich ift.“
(Rusfin) Daß die Frau mit
andern Vorurteilen aud) dag gegen
die Unſchicklichkeit des Sports über
Bord geworfen hat, haben wir in
„Sport und Schönheit“ geſehen.
Ja, wie auf andern Gebieten des
öffentlichen Lebens ſtrebt ſie auch
im Sport eine Gleichberechtigung
mit den Männern an. Eine frohe
und willkommene Genojjin tft fie
dem Manne geworden, am Sport:
und Spielplag, beim Nadfahren
oder Bergfteigen. Gemeinjaner
Sport, dag fameradfchaftliche, un—
genierte Zufammenleben, die Fleinen
Kataftrophen, die jeder Sport ver:
urfachen kann und die ein jchnelles
Aushelfen und Zugreifen verlangen,
nehmen der Begegnung Der ver:
ſchiedenen Gefchlechter den gefähr:
Nro. 19.
lichften Reiz.
Wirkung muß diefes kameradſchaft⸗
liche Verhältnis zwiſchen den bei-
den Geichlehtern werden; ed ver-
anlaßt den Dann dazu, feine Muße⸗
zeit mit der Frau zu verbringen,
fördert das gegenjeitige Verftänd-
nis und führt infolgeveilen zu
glüdlicheren Ehen.
Um dieſe Kordialität von Klein:
auf zu begünftigen, find Kluge Pä-
dagogen auf den Ausweg der Koe:
dukation, der gemeinfamen Erziehung
von Knaben und Mädchen, gefont-
men. Die Resultate, die in Nord:
amerifa, England und namentlich
in Finnland mit diefer Erziehungs:
art gezeitigt worden find, laſſen
über ihren Wert feinen Bmeifel
mehr zu. — Dod find der Frau
gewiſſe Grenzen geftect, die in der
Aetiologie des Sport3 und der
Aeſthetik liegen. Den Kampf, den
die Zivilifation ausgeſchaltet hat,
entbehrt die Frau nicht, denn fie ift
ihrer Natur nah nicht zum Kampfe
beſtimmt. Für fie kommt alfo nur
die Hygtenifche Seite des Sports
in Betradt. Eine große Anzahl
von Störungen, die mit ſchlechtem
Blutumlauf und unridtiger Er:
nährung der Organe zujanmen-
hängen, zeigen, wie die bejjer jitu-
ierte Frau eines Aequivalent3 für
die veränderte Lebensweiſe bedarf.
War fie früher im Haushalt zu
wechfelnder Tätigkeit und Snan-
ſpruchnahme ihrer Kraft und ihrer
Beweglichkeit gezwungen, jo ijt von
al dieſen Haushaltsforgen faft
nichtS mehr geblieben. Entweder
geht die Frau ihren eigenen Beruf
nad, der fie aus den vier Wänden
herausführt (mobei dann auch für
fie dag unter „Sport und Beruf”
Gejagte gilt), oder fie „überwacht“
als Hausfrau ihr Hausweſen.
Sportsarten, welche die natürlichen
Kräfte der Frau überfteigen würden,
—— Sportsgebiete
M. Steiniher v. & Gräfin Baudiſſin.
Von ſegensreichſter ſind nicht für ſie geeignet und
wirken daher von ihr ausgeführt
auch nicht äſthetiſch. Man würde
den Zwang, den ſich die Natur der
Frau bei dieſen Sportsarten antun
müßte, ſofort herausfühlen. Am
ſchönſten kommen Geſtalt wie Grazie
der Frau zur Geltung beim Schlitt⸗
ſchuhlaufen; ebenfo vorteilhaft, ob-
gleich es hier immer fpezieller Er:
laubni3 des Arztes bedarf, ift für
fie dag Reiten. Radfahrende Damen
vergeilen leider oft, daß es nicht
nur das fchnelle Vorwärtskommen
gilt und die Haltung deshalb gleich-
gültig it — und do kann aud
diefer Sport, mit Maß betrieben,
abgefehen von feiner bygienifchen
Wirkung, die Geftalt ändern und
befiern. Die meiſten Rafenfpiele
jtehen der Frau offen; auch im
Ruderboot hat fie jeßt ſchon oft
ihre Ausdauer bewieſen. Schwim—
men, Turnen, Bergiteigen, Sfi-
laufen, Rodeln, Sagen, Fechten —
fie alle bieten der Frau reiche und
frohe Gelegenheit, körperliche Ge⸗
wandtheit zu erlangen; die Aus—
wahl ijt groß genug. Daher follte
fie auß die menigen, ihr ver-
ruhig
und ohne falfhen Ehrgeiz den
Männern überlaffen. Es wäre tö-
riht von ihr, die Grenzen ver-
wiſchen zu wollen, die von der
Schöpfung gezogen morden find.
Auch die von ihr ermählten Sports-
arten „männlich“ betreiben zu wol⸗
fen, ift ein verfehrter Standpunft;
ebenjo ihre Geftalt möglichft der
männlichen ähnlich zu madjen. Der
Sport fol ihr nit eine willkom⸗
mene Hilfe jein, fih die meichen
Hüften ſowie den Bujen „Tortzus
trainieren” ; in richtigem Maße be-
trieben, wird er ihren Körper har:
moniſch gejtalten und fie zur „ech⸗
ten” Frau maden. Nicht Aphrodi⸗
ten® goldenen Gürtel entreißen
wie Ringen, Boren oder Fußball, ſoll ihr der Sport, fondern fie
[
1
v
T. Bedeutung efr. des Sporks.
im Gegenteil mit neuen Reizen
ſchmücken.
20. Sport und Prüderie. „Die
Prüderie ift ein willkürliches und
fünftlicheg, ein bloß Tonventionelleg
Anftandsgefühl, welches ſich auf
Mode und Vorurteile, anjtatt auf
das fittlide Empfinden gründet,“
definiert G. Mannhardt Diele
niedrigfte aller Heucheleien. Sehr
oft geht Prüderie Hand in Hand
mit Laszivität und Korruption,
bemerkt er weiterhin. Die Prüden
gehören alfo entweder zu den As—
teten, Die au8 der Not eine Tugend
maden, wie Nietzſche ſagt, oder
eben zu jenen, die „nadt“ mit
„unmoraliih”“ verwechſeln. Man
hört oft Leute von fih behaupten,
daß fie aus wirklicher, echter Rein
heit „prüde” feien. Das einfache
Wort „vem Reinen ift alles rein”
folte man ihnen jtatt deſſen ent-
gegenhalten,; denn an und für jidh
ift dad Nadte, Natürliche niemals
unmoraliid; nur der Beichauer
macht es dazu durd die Art, wie
er es betrachtet oder durch die Ge-
danken, die das Nadte in ihm an
regt. Kaum auf einem andern
Gebiete herrſcht eine ähnliche Be-
Nro. 20,
unter den ‘rauen am meilten
Prüde zu finden. Auch find ihrer
nit wenige, und ein qut Teil
Schuld ift die ängftliche, beſchränkte
Erziehung, die man bis dahin den
Mädchen angedeihen ließ und ferner
dag im heutigen Leben recht un—
angebrachte Beftreben, Frauen in
Unfenntnis über alles „Unreine“
zu lafien, worunter man jede Auf:
Härung in feruellen Dingen ver-
fteht. Ein jehr verfehrter Stand-
punkt — denn der Sehende meidet
die Gefahr. Bedeutend mider:
mwärtiger und zahlreicher als prüde
Frauen, in deren Wefen die tra-
ditionelle Scheu vor allem Nadten
oft jo tief eingegraben wurde, daß
fie ein Stüd ihres Ichs geworden
ift, find aber prüde Männer; und
fie find auch bei weiten gefähr—
lider. Denn fie geben die Gefege,
jprehen Recht, haben Einfluß auf
unjere Bildungsanftalten und unjere
Kunft. Wieder und wieder hört man
von verbotenen Theaterjtüden, die
einft al3 einwandsfrei galten; von
den ſchönſten Gedichten unjerer
Klaffifer, die in der typifchiten
Weife für die liebe Jugend ver:
ballhornifiert werden — von Skulp⸗
griffsverwechjelung wie hier. Das | turen und Bildern, an deren Schön=
halbverfjchleierte, weit mehr An- beit ſich jahrhundertelang Die
reizende und Gefährlichere [äßt | Menfchheit erfreute und deren Ko:
man gelten — das Offene, Wahre | pien plöglih auf Befehl einer in
[heut man änaftlid. Goethe ihrem Anftandsgefühl verlegten
geißelt die fläglihe Heuchelei vor Behörde aus den Schaufenſtern
ſich und andern: „Man darf das
nicht vor keuſchen Ohren nennen,
was keuſche Herzen nicht entbehren
fönnen.”
Wie weit es der Fanatismus
der Prüderie gebracht hat, davon
erzählen die Kämpfe um die Lex
Heinze, die Schändungen edler
Statuen und andere traurige Er:
fheinungen der legten Jahre. Da
' entfernt werden mußten! — Sn
diefem Wirrſal der Begriffe über
„nadt“ und „unanjtändig” — „ent-
blößt“ und „erotiſch“ iſt feine an—
dere Möglichkeit zur rettenden Er—
kenntnis, als auf den natürlichen
Standpunkl zurückzukommen und
das Nackte nur dann als unrein
und ſchädlich zu verwerfen, wenn
es in unkünſtleriſcher Weiſe auf
Nietzſche behauptet, „das Weſen grobe Effekte hin ſpekuliert. Daß
des Weibes ſei auf den Schein
gerichtet”, fo müßte man glauben,
je das „goldene Zeitalter“ wieder:
kehren wird, iſt nicht a eine
Nro. 21-22,
helleniſche Lebensweiſe läßt unjer
nur auf Arbeit und Erwerb ge
ftellte8 Dafein nit mehr zu; aber
helleniich zu fühlen, das können wir
erreichen.
Beiden Geſchlechtern ift die befte
(Gelegenheit, ſich kameradſchaftlich
zu begegnen, beim Sport gegeben.
Noch vor wenig Jahren wäre ein
junger Mann, der ſich in Hemds—
ärmeln oder ſogar im enganliegen:
den Trifothemd vor Damen gezeigt
hätte, eine „empürende” Erſcheinung
gewejen! Auch eine Frau ohne Kor:
jett, mit dünner, die Körperformen
verratender Blufe, im Radfahr—
oder Touriſtenbeinkleid hätte ich
RA. Steiniker u. E. Bräfın Bandiſſin.
triebe fteht, dem dag Gejelligfeits-
bedürfnig entjpringt. Wenn der
Sport troßdem nicht entfreindet,
fo liegt dies nit nur in dem
äußeren Umftande, daß zur Aus:
übung vieler Sporte mehrere Teil-
nehmer oder auch ganze Gefell-
Ihaften und Vereine mit eigenem
Vermögen, Statuten 2c. notwendig
find, fondern in dem Band, Das
alle innerlich vereint, die nach
gleichen Zielen ftreben.
Und dann ift der Sport ein
ritterlider Kampf, der nad) feinen:
Austrag Sieger und Beliegte enger
verbindet; beim gemeinfamen Kanıpf
Schulter an Scyulter, gegen einen
die Berachtung aller männlichen und | gemeinfamen Feind, knüpfen ſich oft
weiblichen „PBrüden” zugezogen. Daß
heutzutage das Auge fich bereits an
dieje „Verſtöße gegen die gute Sitte”
gewöhnt hat, ift einzig und allein
dag Verdienft des Sports. Er
beansprucht das Intereſſe jo voll:
fonımen, daß feine unfittlichen Ge—
Danfen mehr auffommen; er fant-
tioniert eine Sreiheit, über deren
Ausdehnung Fernſtehende, Uebel—
wollende immer noch erſtaunt ſind
und die dennoch begrenzter iſt, als
z. B. die Ungeniertheit, mit der
Mädchen und Frauen Schultern
und Buſen im Ballſaal ausſtellen;
er lehrt die beiden Geſchlechter im
gegenſeitigen Verkehr naiv und un
befangen zu denfen und zu emp:
finden.
21. Sport, Geſelligkeit und
Kameradſchaft. Wenn man von
der Charakteriſtik des Sport als
Kampf ausgeht, müßte man folge-
richtig zur Anſchauung kommen, daß
der Sport im Grunde innerlid; der
Gefelligfeit entgegengefegtfei. Denn
wer den Kampf fucht und fi für
den Kampf vorbereitet, hat Das
Beitreben, feine Berjönlichkeit allen
andern gegenüber durchzufegen. Es
ift ein abfolut egoiftifches Streben,
das im Gegenjate zum Herden-
|
Kameradſchaft und Freundicaft fürs
Leben. Wer 3. B. tagelang mit eis
nem Genofjen am Seile verbunden
den Gefahren ſchwieriger Hochtou⸗
ven getrogt Hat, der vergißt dieje
Stunden nie. Die Bedeutung, die
der jportlichen Gejelligfeit in er-
zieherifcher Richtung zuzuerfennen
it, faßt Kemeny auf Grund
feiner Studien in Amerika in die
Worte; „Somohl in Schulen als
in den Vereinen wird innerhalb
der Körperfultur ein großes Ge—
wit auf die moralifchen und fitt-
lihen Faftoren gelegt. Der aus
Selbftzuht und Unterordnung quels-
lende Gehorjam, die Pflege famerad-
Ichaftlicher Tugenden und der Wahr:
heitsfiebe haben edle Spielmeije
(fair play) zur Folge und umge—
kehrt.“
22. Sport und Alkohol. Die
ſchädliche Wirkung des Alkohols
im Hinblick auf die Herabſetzung
der körperlichen Leiſtungsfähigkeit
ſoll im Abſchnitt über Hygiene des
Sports eingehend beſprochen mer:
den. Hier ſoll nur die Frage erörtert
werden, wie der Sport zum Heil⸗
mittel gegen den übermäßigen Alfo-
holgenuß werben fann und in, wert
auch geringem Umfang, ſchon gewor⸗
I. Bedenfung etx. des Sports.
den ift. Seder, der einen Sport aug-
übt, erfährt die Schädigung des
Alkohols unmittelbar anı eigenen
Leibe, er wird ſchlapp, unluftig zu
größerer Anftrengung. Deshalb hat
der Sport ſchon jehr mwohltätig auf
die akademiſchen Trinkfitten — oder
beijer Unfitten — gewirkt; ſeit der
Bergjport von der afademijchen
Sektion aufgenommen und gepflegt
wird, fann man die Mitglieder bei
einem Glaje Limonade anftatt beim
Maptrug ſehen. Wie fehr die
Ihädigende Wirkung jelbjt unter
der Landbevölferung gefühlt und
anerfannt wird, ergibt fich aus der
nachweisbaren Abnahme des Bier-
verbrauche® in den ober- und
niederbayrijchen Landbezirten, mo
fajt jeder Bauer ein Rad befit.
Noch vor zehn Jahren wäre es dort
als eine Schande erſchienen, ein
Glas Limonade zu trinken, wenn
überhaupt je ein folder Gedanke
ineinem bajuvarijchen Bauerngehirn
hätte feimen können. Heute be:
kommt man im kleinſten Dorfwirts⸗
haus kohlenſaures Waſſer mit Frucht⸗
ſaft. In England, Frankreich und
ſelbſt in Italien, dem Lande der
ſportlich bequemſten Nation, erſpart
ſich der Arme, wenn nur irgend
möglich, ſoviel Geld — das er ſonſt
vertrinfen würde — um ſich ein
Rad anzufhaffen. Der, wenigſtens
im Bergleih zu den romanijchen
Ländern, viel befier bezahlte deutjche
Arbeiter könnte dies viel leichter,
wenn er nicht immer noch den grö>
Beren Teil feines Verdienſtes in
Alkohol umfjegen würde.
Der Staat hätte auch in dieſer
Hinfiht die Pflicht, durch Anlage
von Spiel, Eislaufplätzen u. dergl.
den Unbemittelten die Gelegenheit
zu fportliher Betätigung zu ver-
Schaffen, denn der Sport ift das
wirfjamfte Mittel gegen den Altohol.
Bon theoretijchen Belehrungen allein
kann man feinen Erfolg erwarten.
ro. 23.
Nach der Statiftik find in Deutſch⸗
land in den fünf Sahren von
1899-1903 durchſchnittlich im Jahre
2826 Millionen Mark für Alkohol
ausgegeben worden; das ift eben:
joviel wie die Reichsſchuld beträgt,
dreimal foviel wie Heer und Flotte
foften, ſechsmal foviel als für die
Arbeiterverjiherung und jiebenmal
joviel als für die öffentlichen Volks—
Ihulen ausgegeben wird.
Wenn nur ein kleiner Bruchteil
diefer Sunme für ſportliche Zwecke
angewandt würde, jo fäme dag der
Volkskraft unendlich zugute,
23. Sport und Mode. Das
„Moderne“ beim Sport wird und
fann immer nur das Zmwedmäßigere
jein, alſo eine Neuerfindung oder
Variation des Alten, die dag bis:
herige als noch praftifcher ent-
thront. Diejer Grund des „Zweck⸗
mäßigen” liegt ſonſt dem Wefen
der Mode ganz fern; „gerade die
Zufäuligkeit,“ jagt Prof. Simmel,
„mit der fie einmal das Ymed-
mäßige, ein andermal das Abjtrufe,
ein drittes Dal das ſachlich und
äſthetiſch ganz Indifferente anbe-
fiehlt, zeigt ihre völlige Gleich:
gültigfeit gegen die Normen des
Lebens.“ Und dieje allmädtige
Tyrannin hat einen Uebertyrannen
gefunden: den Sport! Er fnecdhtet
fie unbarmherzig, indem er nur das
„Zweckmäßige“ geftattet; denn felbjt
die Frauen, die ihren Geſchmack
jonft nur zu gern von allem, was
„Mode“ ift, beeinfluflen laſſen, fin-
den alle häßlich und ungeeignet,
was fih nicht abfolut den Forde—
rungen ded Sport? anpapt. Sie
verzichten auf koſtbaren Schmud,
der als gänzlich unmotiviert oder
ftörend lächerlih mirfen würde;
fie vermeiden unnüßge Bänder, Rü—
ſchen oder Kleiderbejäße; jie ge:
währen dem Körper volle Freiheit,
tragen fnappfigende Mütchen oder
Hüte bei allen Sports, die rajıhe
Niro. 24,
Bewegung erfordern und verzichten
auf faſt alle ſonſt „unentbehrlich“
IcheinendenToilettenrequifiten,menn
fie mit dent Rudiad durch die Berge
wandern oder nur eine kleine Tafche
am Fahrrad mit ſich führen — ja, Jo:
gar die richtigfte „mondaine“ wird
plöglich vernünftig, ein ganz jeltener
Fall bei ihr! wenn es ſich um die
Equipierung zu einem Sport han-
delt. Ausnahmsweiſe fallen beim
Sportloftüm Zwedmäßigfeit und
Mode zufammen und jede Modes
torheit, die au8 dem Rahmen des
Nützlichen fällt, macht lächerlich.
Freilich begegnet man auch „Sports⸗
karikaturen“ — Leuten, denen das
einfach Nüslihe noch nicht genug
ift, die auch Hier übertreiben müſſen
und durch das kleinſte ausgeflügelfte
Detail ihres Anzuges die Kenntnis
jportlicher Forderungen dokumen⸗
tieren. Da der Sport einem
natürliden Bedürfnis entſpringt,
fo ift ihm alles Künstliche zuwider;
er habt jeden Schein, jede „Bor:
jpiegelung falſcher Tatſachen“, wie
fie oft in der glanzuollen Aug:
rüftung und der im Berhältnis
geringen Leiftungsfähigfeit eines
Süngers „a la mode liegen. —
Natürlich Haben fich bei verjchiedenen
Sportsarten gemiffe Traditionen
in der Kleidung ausgebildet, die
ziemlih international gemorden
find. In diefem Sinne Tann man
allerdingg® von „Sportsmoden”
reden. Da uns die meilten ber
jegt gebräuchlihen Sports aus
England oder Amerika überfommen
find, Hat man anfang? aud die
dort gebräuchlichen Kleiderarten
angenommen und nachgeahmt. Ge⸗
rade in der letzten Zeit beginnt
man aber, ausgehend von der
richtigen Anſicht, daß jich die be—
R. Steiniker un, €.
Bräfin Baudilfin.
ahmung, aud) in Modefachen, ver:
trägt ih wicht mit einem freien,
ftolzen Charafter. Und nicht3 wieder-
um kann diejen bejjer ausbilden als
der Sport.
24. Sport al8 Mode, Wenn
fih die Mode wenig in die in-
ternen Angelegenheiten des Sports
miſchen darf, nimmt ſie äußerlich
an ihm Rache, indem ſie bald den
einen, bald den andern bevorzugt.
Das Tennisſpiel hat in England
Ihon lange dem Golf und Hodey
weichen müflen — den Engländerit
war es zu langmeilig, zu den legten
Kämpfen in Homburg v.d. 9. zu
kommen, wodurch ſich die Erfolge
merklich zugunsten der kontinen—
talen Spieler verjhoben haben —
während bei ung „Tennis“ nod) int:
mer Feldgeſchrei ift. Dieſem Rafen-
ipiel ging in Deutjchland als ein—
jiges und ziemlich unerfreufiches
das Krocdetjpiel voraus; wo ift
e3 geblieben? Und wohin ift die
große Woge des Enthufiasınus ver:
rauſcht, die vor ca. 10 Jahren drei:
viertel Deutihland auf Rad
Ihwemmte? „Radfahren iſt gar
nicht mehr fein.” Man läßt eg
als Beförderungsmittel gelten, als
Sport hat man es den einfacheren
Kreifen überlafjen und vergißt un—
dankbarerweiſe vollftindig, welchen
Umſchwung es einft im Volksleben
hervorgebracht hat! Plan kann be-
haupten, daß durd das Jtadfahren
den Deutfhen der Sinn für die
Natur, der fo lange gejchlafen hat,
mwiedererwedt wurde. Die Lande .
ftraßen belebten ſich neu, uner—⸗
reihbare Naturjchönheiten waren
plöglih in allernächſte Nähe ge:
rückt und beſonders die kläglich
in die Mauern gebannten Groß—
ſtädter, die höchſtens zu Pfingſten
liebteſten Sports bereits Heimats- einmal einen Ausflug „ing Grüne“
rechte
in Deutjchland erworben | machten,
fonnten fi alltäglich
haben, ſich etwas von dieſen Borz | frifche Luft in die Lungen holen.
bildern zu löfen. Sklaviſche Nach- Einige Städte veränderten voll-
I. Bedeutung efc. des Sports.
fommen ihre Phyfiognomie; wir
denfen dabei an das nad) englifcher
Sitte langfchlafende Hamburg, das
jozufagen erjt gegen neun Uhr die
Augen öffnete und deſſen Umge—
bung wir auf frühen Morgenritten
wie aufgeftorben fanden. Bis die
„Radfahrerwut“ einjegte und mor=
gens, vor Beginn des Gefchäfteg,
in dichten Scharen Männlein wie
Fräulein ins Freie hinaugjagte!
Diefe Völkerwanderung per Rad
bat ftart abgenommen, andere
Sportsarten, die amüfanter find
und mehr Abwechslung bieten, ha—
ben da8 Zweirad verdrängt. Als
Sport mag es feine Rolle ziemlich
ausgeſpielt haben, aber ganz wird
ed niemals, nachdem feine Nüß-
lihfeit anerfannt worden ift, aus
der Mode fommen. — So mag
immer wieder die Mode einem
Sport momentan ein Vorrecht vor
einem andern einräumen; Klima,
Raumverhältniffe, Koften, alles
wird da mitjprehen. Aber der
Sport an und für fih kann Gott
fei Danf nie wieder unmodern
werden.
25. Sport und Karikatur.
Wenn man den Humor dahin defi—
niert, daß er Großes und Chr:
mwürdiges mit Kleinem zujammen-
wirft, daß er überall den komiſchen
Kontraft zwiſchen den als erhaben
und vollendet auftretenden Erſchei—
nungen des Leben? und ihrer Un—
zulänglichfeit aufipürt, fo muß man
anerfennen, daß der Sport herrlich
geeignet ift, den Humor zu fördern.
Denn einerjeit3 verlangt der Hu—
mor ald Grundlage die gute Laune,
die der Sport fo ſehr fördert,
anderjeit3 fjchafft der Sport eine
Summe von Gelegenheiten und
Situationen, deren fi der Humor
bemächtigen Tann.
Der Humor des Sports Tiegt
in der Gegenüberftellung von Ab:
fihten und Erfolgen, die fich nicht
Yiro. 25—26.
deden, von beitem Willen und un⸗
zureichenden Kräften. Den hitigen
Bemühungen des Anfängers, dem
Vebereifer des Chrgeizigen, die beim
Sport jehr leicht eine grotesfe Form
annehmen können, wird nur der
fühl gegenüber bleiben, der Feine
Spur von Humor befißt. Dieſe Fund—⸗
grube für Wite, Karikaturen und
humorvolle Darjtellungen laſſen
fich die modernen illuftrierten Wit:
bfätter felbftverftändlih nicht ent:
gehen; einzelne Sportstypen gehö—
ren zu ihrem eifernen Beftand. Der
Sonntagsreiter, deſſen Herr das
Pferd ift, Statt umgefehrt, der
Sonntagsjäger, vor dem die Hafen
„Kegel machen“ und der nur die
Treiber hinten auffchießt; die Berg:
feren vom Talfchleicher big zum
Gipfelfrefier, der dahinrafende und
durd feine Augrüftung faum mehr
als Mensch kenntliche Automobilift
— allen diefen „Uebererfcheinungen”
gewinnt der Humor in Wort und
Bild immer neue Bariationen ab.
26. Auswüchſe des Sports.
Die Auswüchſe des Sports liegen
vornehmlich auf zwei Gebieten, auf
dem der Hygiene und auf dent des
Geſchmacks. Durch fportliche Ueber:
treibungen können mehr oder minder
ſchwere vorübergehende wie dauern=
de, die Gejundheit erfchütternde Stö-
rungen hervorgerufen werden. Dr.
Pick zählt drei Arten der Erſchö—
pfung auf: Verfagen der Muskeln,
des Herzens oder der Lunge und
des Nervenſyſtems. Insbeſondere
kann ein unvernünftig betriebenes
Training, das ſogenannte „Ueber—
trainiertſein“, Erſchöpfungszuſtände
des geſamten Organismus herbei—
führen, die dauernde Schädigungen
zur Folge haben. Eingehender wird
dieſes Kapitel noch unter der Hy:
giene des Sports beiprochen wer:
den. Am meiften wird die Gefahr
derartiner Webertreibungen durch
das Beitreben hervorgerufen, einen
Nro. 27.
Reford zu Schaffen, auch da, wo
er gar nicht zum innerſten Weſen
de3 Sport gehört. Für Sporte,
bei denen der äußerliche Zweck nur
dur Erzielung eine Rekords er:
reiht wird (Pferde, Rad-, Ruder:
vennfport), gilt dies natürlich nicht.
Jedenfalls aber ſoll der Schwerpunft
nicht dahin gelegt werden, Diplome,
Medaillen oder ordensähnliche Aus—
zeichnungen zu erlangen, die für be—
jondere Refordleiftungen verliehen
werden.
Eine Geſchmackloſigkeit find auch
Dekorationen und Aufführungen bei
Sportsfeiten, bei denen jportliche
Motive in der fadelten, unschönften
Weiſe zu künſtleriſch fein jollenden
Emblemen u.dal verwendet werden.
Daß fich die Zweige der Indu—
ftrie, die auf die Geſchmackloſigkeit
der Menge ſpekulieren, die wach—
ende Verbreitung des Sports zu
nutze maden, ilt ſelbſtverſtändlich.
Ein Automobil als Tintenfaß oder
als Ajchbecher, die Verwendung
von Reitutenfilien zu allen mög:
lihen Gebrauchd- und Luxusgegen—
jtänden, ein Bergſchuh mit Edel:
weiß gefüllt als „Nippes”
Dinge, bei denen Beltimmung und
Motiv in keinerlei Zuſammenhang
ftehen, find für einen Menfchen
mit nur einigem Stilgefühl einfach
unerträglich.
Als einen befonderen Auswuchs
des Sport3 kann man nod die
Verrohung der Sitten bezeichnen,
die mit mancher Sportart ver-
bunden ift. Es fann nicht beftritten
werden, daß hierzu bei einigen
Sports infofern eine Gefahr liegt,
als in ihnen eine Befreiung von
den Einſchränkungen gefucht wird,
die und unſer Kulturleben, beſon—
ders der mit ihm verbundene, for:
ventionelle Zwang auferlegt. Eine
gewiſſe Selbſtzucht follte es hin—⸗
dern, die Feſſeln weiter abzuſtreifen,
als es für gentlemen erlaubt iſt.
—
R. Steiniker u. ©.
Bräfin Baudiſſin.
27. Sport und Sprache. Jeder
naturgemäß feine eigenen
techniihen Ausdrüde, die jpeziell
die ihm eigenen Geräte, Bewegun—
gen, Einrichtungen, Tätigkeiten, Ge-
fee 2c. bezeichnen. Trotzdem iſt es
unnötig, daß ſich der Sport eine
eigene Sprade fchafft, die nicht
nur für jeden nicht Eingemeihten
gänzli oder nahezu unverftänd-
lich ift, jondern auch jedem gefun-
den Spradgefühl arammatikalisch
Hohn ſpricht. Es fei nur unter
anderem an die Nennberichte er:
innert, die meifteng in einem ent-
feglihen Kauderwelſch abgefakt
find, das ſprachlich kaum auf einer
höheren Stufe ſteht als das Ko-
chemer Lofhen der Gauner. Auch
der Gebraud! von Fremdwörtern
fönnte da, wo es fih nicht um un:
überfesbare Begriffe handelt, me-
jentlih eingeibränft werden, Das
engliſche Zählen beim Tennis ſamt
den übrigen Benennungen deuce,
advantage, set, match 2ıc. bat
feine Berecdhtiaung mehr ; diefe Aus:
drüde find feit langem ebenjo prä=
zis und furz ind Deutjche überlegt
worden. Gerade der, dem fonft
die enaliihe Sprade fo aut wie
fremd ift, bedient fich mit Vorliebe
der ausländifchen Benennungen, in
dem lieben, alten, deutſchen Bor:
urteil, daß alles Fremde bedeutend
feiner ift al da8 Deutfhe und
in der Hoffnung, daß er mit diefer
Kenntnis anderen ebenfo imponiert
— wie fih felbft! Werden, mie
man es oft hört, die Fremdworte
noch dazu falfh ausgeſprochen, jo
ift damit Die Krone des Lächer-
liden und Törichten erreicht.
Sportsausdrücke und ſportliche
Redewendungen in die Sprache des
Geſellſchaftslebens hineinzutragen,
iſt eine Stilwidrigkeit und zeugt von
ſchlechtem Gefchmad. Gewiſſe Kreiſe
ſcheinen in dieſer Hinſicht den Sa—
fon oft mit dem Rennſtall zu ver:
u
I. Bedeufung ef. des Spore.
wechſeln; wirklich gebildete Leute
merden diejes weder „chife” noch
pafjende Benehmen fiderlih nie-
mals gutheißen. Bejonders jungen
Damen ſei geraten, ihre Sport$-
fenntnifje nicht in faloppen Aus—⸗
drüden fundzugeben.
28. Zur Wertung der ver:
fchiedenen Eport3. Jedem Narren
gefällt jeine Kappe — aber aud
der Weiſe findet an feinem Hut
den meiften Gefallen. So betradjtet
auch jeder den von ihın betriebenen
Sport ald den beiten. Die Be:
wertung der verjchiedenen Sports
wird verfchieden fein, je nad) dem
Standpunft, von dem mir aus—
gehen. Für die Jugend kommen
mohl nur die gymnaſtiſchen Spiele
und die Sportipiele in Betradt,
ferner Schwimmen, Schlittſchuh—
laufen und für die reifere Jugend
noh Radfahren. Diefe Sports
ergänzen fich, indem jeder andere
bygienifche Vorteile beſitzt und ver:
Ihieden ift in feiner Wirkung auf
Geift und Gemüt, letzteres insbe—
jondere mit Rüdfiht darauf, wie
weit und intenfiv durch ihn Die
Naturbetradtung angeregt wird.
Für die Bewertung der verfcies |
denen Sport3 in jozialer Beziehung
ift vor allem maßgebend, daß fie
jedem zugänglih find, alſo mög:
lihft wenig Geld koſten. Auch
hier werden die obengenannten
Sports im allgemeinen gleich be=
wertet werden dürfen.
Will man ineine, wenn man jagen
fann „vorausſetzungsloſe“ allge:
meine Bewertung eintreten, jo wird
man von der Definition des Sports
(Ziff. 1) ausgehen müſſen. Der—
jenige Sport wird am hödjiten be-
wertet werden Dürfen, der am
meiften Mut, Kraft oder Aus:
dauer und Gejchidlichkeit erfordert.
Dabei ift noch zu berüdfichtigen,
daß die Geſchicklichkeit nicht nur
auf der rein körperlichen Gemandt-
ro. 28.
beit, fondern aud) auf der Antelli-
genz beruht, die den wechjelnden
Situationen dag richtige Handeln
entgegenjegt. In zweiter Linie
müſſen wir berücdfichtigen, welcder
Sport zugleich am meijten den all:
gemeinen Zweden, die wir oben
(Ziff. 2) aufgezeigt haben, ent-
Ipricht. Von diejen Gejihtspunften
aus muß der Preis dem Alpinen
Sport zuerfannt werden.
Darin liegt aud der Grund,
warum er innerhalb jo kurzer Zeit
— der Alpinismus ift höchitens
ein Sahrhundert alt — eine jo
glänzende Entwidlung, einen fo
ungeheuren Aufihmung genommen
bat.
Sm Kampfe mit der Natur des
Hochgebirges werden die Anjtinkte,
die den Menjchen einft zum Herrit
der Schöpfung machten, in weiteren
Umfang als bei allen anderen Spor—
ten in Tätigfeit gejegt; die Hilfs—
mittel find die denkbar einfacdhften,
denn die ganze Ausrüftung befteht
in Bergſchuhen, Bicel, Seil und
ev. noch in Steigeifen.
Dem Bergiport am nädhiten
fommt der Segelfport, denn
die Beherrihung und Yührung der
modern getafelten Sacht jegt gleich:
falls ein großes Maß von Gejdid-
(ichfeit und Mut im Kampfe mit
den Elementen voraus.
Die Bedeutung des Pferde:
ports tritt gegen die vorigen
wefentlich zurüd, bejonderg bei ung
in Deutfchland, wo Terrainreiten
und Barforcejagden wenig gepflegt
werden und fat ausjchließlich nur
Rennſport und zwar häufig nicht
um der Sache ſelbſt willen, jondern
des Gewinnes halber getrieben
wird. Der Fahriport fommt im
Zeitalter der Eijenbahn und des
Automobil faft nur mehr als
„noble Paſſion“ in Betracht.
Die Jagd Hat noch den hiſto—
riſchen Nimbus, aber abgejehen von
ro, 29.
der Hochgebirgsjagd und der Jagd
in fremden Rändern und den Tropen
ift heutzutage wenig Gelegenheit
mebr gegeben, Mut zu beweifen:
denn es fehlt die Gefahr.
Hingegen hat die Jagd ınit dem
Alpinen= und Segeliport die Be:
obachtung der Natur gemein,
Der Wert de Radſports
liegt bauptjädhlih darin, daß er
den Menſchen in die Natur hinaus:
führt, er hat die Poeſie der Land—
Straße zurückgebracht. Zähigfeit und
Ausdauer find zu ihın erforderlich.
Der Ruderfjport bewertet ſich
duch das hohe Maß von Kraft
und Ausdauer, das er erfordert
und das erheblich höher it al?
beim Rennſport. Dafür entbehrt
er der Unabhängigkeit der vorge—
nannten Sporte, denn außer im
Einrudern bedingt er ein gejchicktes
Bufammenarbeiten mehrerer ver
Crew.
Der Fiſchereiſport iſt inner—
lich mit der Jagd verwandt, Kraft
und Mut werden aber bei ihm am
wenigſten in Anſpruch genommen.
Die gymnaſtiſchen Sports
und Sportſpiele erfordern
großenteils mehr Geſchicklichkeit als
Kraft und Mut, ihr weſentlicher
Wert liegt in der hygieniſchen Be—
deutung und der erzieheriſchen
Wirkung.
Der Charakter einer Na⸗
tion Spiegelt fi nirgends aufs
richtiger ab, als in ihren
Epielen. Keine Veränderung
in dieſen, die nicht entweber
die Vorbereitung ober die
Folge einer Veränderung in
ihrem fittlichen ober politifchen
Zuftande wäre.
(C. M. Wieland.)
29. Die ſoziale Bedentung des
Sports. In keinem andern Lande
wie in England wird die ſoziale
Bedeutung des Sports in ſolchem
Umfange anerkannt — es kann
geradezu das Muſterland in dieſer
Beziehung genannt werden. Ueberall
R. Steiniher n. E. Gräfin Baudiſſtn.
ſind für die großen Maſſen des
Volkes Spielplätze mit Parkanlagen
eingerichtet worden und gelten als
eine der wichtigſten der öffentlichen
Wohlfahrtseinrichtungen; abgeſehen
von den „squares“, viereckiger
Parkanlagen in der Mitte jedes
Häuſerviertels, die mit Recht als
die Lungen der Städte bezeichnet
werden. Immer wieder lieſt man
von reichen Stiftungen zugunſten
der öffentlichen Plätze, wie vom
Vererben großer Parks und Gärten
zur allgemeinen Benützung. Das
gemeinſame Spiel, an dem ſich
reich und arm, vornehm und ge—
ring beteiligen, trägt nicht wenig
dazu bei, die ſozialen Klaſſengegen—
ſätze zu mildern; man betrachtet
es als eine der ſchwerwiegendſten
Aufgaben, die immer ſchroffer wer-
dende Scheidung zwiſchen den ver—
Ichiedenen Lebensklaſſen zu ver:
wiſchen, wozu ald geeignetſter Ber-
mittler der Sport auserlefen ift.
Natürlid gibt es in dem klub—
freudigen England eine Unzahl
größerer und kleinerer Bereine,
die fich zur Pflege eines bejtimm:
ten oder verjchiedener Sport3 zu:
fammengetan haben und die ji
ungefähr aus Elementen derjelben
Kreife und Lebensverhältniffe zu:
fammenfegen. Aber die allgemeine
Teilnahme des ganzen Bolfes am
Sport und feinen Ergebniffen, fei
es als Ausübende oder nur als
Zuſchauer, wie die Wichtigfeit, die
in allen Schichten der Bevölkerung
dem Sport beigelegt wird, dieſes
Gefühl beftimmter, gemeinjamer
Ssntereffen trägt unendlich viel zum
Standesbewußtſein andern Nationen
gegenüber bei und ſchlingt zugleich
ein Band der Zuſammengehörigkeit
vom einen zum andern.
Wir glauben mit der Behauptung
nicht fehlzugehen, daß wenn in
Deutſchland von ſeiten der ftaat-
lichen und öffentliden Behörden
I. Bedeutung eic. des Sports.
die Gelegenheit zum Sport und
feine Begünftigung in gleicher Aus:
dehnung wie in England zu finden
wäre, die unteren Volksſchichten
bei der Durdführung rein mirt-
Ichaftlicher Kämpfe nicht diefen fa-
natifhen Haß gegen die „Bour=
geoifie" mehr hegen und zeigen
würden. Aber was wurde biäher
in Teutfchland in diefer Richtung
getan?!
Wo ſich große, öffentliche Parks
befinden, ftehen bereit? am Ein:
gang wie an jedem Scheideweg
Tafeln mit unendlich viel Verord—
nungen und VBorjchriften ; von den,
womöglid mit Stadheldraht einge:
faßten Wegen abzuweichen, iſt
ftrengfteng verboten und wagt ſich
einmal ein Kind in fröhlichem
Uebermut auf den Rajenplag zu
einem lodenden Gänfeblümden —
flugs erjcheint bereits ein Bolizift,
um die Namen der Eltern, der
Großeltern, ihre Wohnung, ihren
Stand, ihr Alter, ihr Herfommen
ujw. aufzufchreiben. Wir erinnern
ung an den Sal, mo eine junge
Engländerin Dresden verließ, meil
fie mit ihrem Rad vom Fahrweg
auf den Raſen gefallen war und
mit polizeilihen Strafen bedroht
wurde. Müffen wir denn immer
und ewig bevormundet werden —
fönnte man nicht endlich anfangen,
das Volk als jo „reif” zu betrachten,
daß es nicht Anlagen und Raſen—
flächen, die ihm zur Benüßung frei-
gegeben werden, fchändet? Die
pradtvolle Fläche der, Moorweiden“
vorm Dammtor in Hamburg, um—
ſtanden von herrlichen, alten Bäu—
men, weiſen während des Sommers
täglich die idylliſchſten Bilder auf;
mit Kind und Kegel lagern ſich die
Familien, ſchlafen, eſſen, ſpielen —
der Raſen iſt in vorzüglicher Ver—
fafſung, die Bäume werden wie
ein Heiligtum betrachtet. Warum
kann das übrige Deutjchland diefem
Nro. 29.
Beifpiel nicht folgen? Verbote
reizen; gäbe man mehr Freiheit,
jo würde dag Volk ſich felbft er:
ziehen.
In England dürfen alle Rafen-
plätze in den öffentlichen Parks be—
treten und zu Eport: und Epiel-
zweden benützt werden. Auch die
romanifchen Länder find uns vor:
aus. In den öffentlihen Anlagen
des bois de Boulogne in Barig,
des bois de Cambre in Brüfjel,
der Billa Borgheje und felbft der
Privatvila Doria Pamphili in
Rom vergnügt fih alt und jung
auf den Rajenpläßen, hingelagert
oder beim fröhlichen Spiel; da ift
außer den Blumenanlagen fein
Duadratzoll abgefperrt. — Bei ung
ift man gezwungen, umgeben von
den ſchönſten Wiefen und Bäumen,
den Staub der viel begangenen
Wege einzufchluden. Daß 3.8.
im Englifhen Garten in Münden
nicht wenigſtens einige Wege für
Radfahrer freigegeben find, ift für
den bejchränften Untertanenverjtand
einfach unbegreiflich.
Auch im engeren Einne, in der
Anwendung ded Wortes „ſozial“
lauf wirtfchaftliche. Beziehungen ift
der Sport von größter Bedeutung.
Ein englifcher Arzt fagt mit vollem
Recht: „Geſundheit ift des Arbei-
ters Vermögen; fie macht feine
förperliche und geiftige Anftrengung
leiht und gibt ihm die Fähigkeit,
viel Arbeit in kurzer Zeit zu ver:
richten.”
Wie jegendreich die Einführung
der Spiele, die ſolch eine hervor:
ragende Rolle in Großbritannien
einnehmen, wirfen, zeigt eine Mit:
teilung der vereinigten Mafchinen:
bauer Englands, nad) der im Jahr
1871 das Durchſchnittsalter der
Männer diefer Vereinigung 38",
Jahr, das der Frauen 37, Jahr
betrug; während 1889 fih das
der Männer auf 48'/,, dad der
Nro. 30.
Frauen auf 43 Jahre erhöhte.
Prof. Koch weilt darauf hin, wie
fehr diefe große Verbefferung des
Verhältniſſes der. im produftiong-
fähigen Alter ftehenden Perjonen
zu dem nicht produftiven Kindes:
und Qugendalter von Bedeutung
für die Volkswirtſchaft ift.
Seinen Ausführungen über dag
Spielleven Englands ift u. a. zu
entnehmen, melde ungeheuren
Summen dort für Einrichtungen
öffentlicher Spielpläße ausgegeben
werden. Die Stadt Mandeiter
hat fih nicht befonnen, um einen
in ihrer Mitte liegenden Pla zur
Benügung von Spielen freizulegen,
8 Millionen Mark auszugeben. In
Sheffield fommen auf je 5000 Ein-
wohner mindeltens ein SHeltar
öffentliher Spielflähe. Dieſes
Verhältnis ift für die englifchen
Städte typifch. Die für Erwerbung
und Eröffnung von Spielpläßen
und Parks in London verantwort:
lihe Behörde, das T,ondon County
Coneil, ſchrieb ſchon 1893: „Die
Förderung der Spiele und Leibes-
übungen ift einer der angenehmijten
Teile unferer Arbeit.“ Die haupt:
ächlichften dort betriebenen Spiele
AR. Steiniker u. E. Gräfin Raudiſſtn.
nicht das geringfte - getan. Aber
nicht ihn trifft der Hauptvorwurf
dafür, fondern den Staat, die Re—
gierung, die Parlamente, die kein
Verftändnig für diefe Forderungen
befiten.
Ein Vergleich zwiſchen Deutſch⸗
land und England auf dieſem Ge—
biete ſagt alles — es wäre über:
fluſſig, noch ein Wort mehr hinzu—
zufügen!
30. Sport und Wehrfraft. „Eine
der höchften Aufgaben des Staates
ift, darüber zu wachen, daß die
Wehrkraft unangetaftet bleibe.” In
der Tat werden wir diejer Aufgabe
nicht gerecht, wie die jährliche Sta-
tiitif der Militärtauglichen zeigt;
die Zahl der Wehrpflichtigen geht
progreffiv zurüd, beziehungsmeife
müſſen geringere Anforderungen an
die Ausgehobenen gejtellt werden,
un dem Bedarfe zu genügen. In
erster Linie muß alfo darauf gejehen
werden, die Dualität des Volkes
zu heben. Hand in Hand damit
müflen Maßnahmen zur Hebung
des fittlihen Niveaus ergriffen
werden, um insbejondere der zu—
nehmenden Berrohung der halb:
| wüchfigen Jugend der Großſtädte
find Fußball, Kricet, Tennis und | zu begegnen.
Golf. Wie Heißt in Deutfchland
diefelbe Behörde — und wo ilt fie ?
Mir Deutichen jagen noch immer
mit Stolz, „der preußiſche Schul—
meifter habe die Schlacht bei König
gräß gewonnen” ; eine der unzäh—
ligen Selbſttäuſchungen, an denen
der Deutfche leidet. Der militä-
rifche Geift, die Tradition war eg,
an der wir ja reich jind; die legten
Spuren des Geijtes, dem Deutſch⸗
land zu Anfang des vorigen Jahr
Hundert3 feine Wiedergeburt ver-
dankte! Der Schullehrer, der bei
den jekigen Lehrplänen nur an der
Berjchlechterung der Raſſe arbeiten
muß und felbft nicht entiprechend
vorgebildet ift, hat zu diefem Sieg
Dr. 2orenz leitet aus dem
innersten Wejen der Wehrkraft fol:
gende vier Hauptgelichtspunfte ab,
die zu beachten wären: „Es find
erſtens auszubilden die fittlichen
Eigenfchaften, welche die leibliche
Sugenderziehung fördern kann, Die
Selbſtzucht, die willige Unterord-
nung, der Mut, die umfichtige Ent:
Schlofjenheit. Zweitens ift zu er—
zielen eine möglichjt ftraffe Ge:
jamtmugfulatur mit geſchickter
Koordination der einzelnen Mus—
teln und gejchmeidigen Bewegungen,
vor allem marſchfähige Beine, drit-
tens ein fräftiges Herz und wider:
ftandsfähige Lungen, vierteng Scharfe
Augen.”
I, Bedeulung ete. des Sports.
Die Erfüllung diefer Bedingungen
müßte durch fportlich betriebene
Gymnaſtik und Sportipiele zu er:
reihen fein; es wäre durchaus
Pflidt und Aufgabe der Schule,
die vom Staat geforderte Wehr:
fähigfeit der jungen Leute dur
Anleitung und Gelegenheit zur Aus
bildung zu unterſtützen. Auf diefe
Weiſe würde ein befleres Soldaten:
material erzielt und außerdem der
militärifchen Erziehung in außer:
ordentlich ſchätzenswerter Weije vor:
gearbeitet. Doch auch die Macht
der Schule reicht nur bis zur Ent:
laſſung ihrer Zöglinge, reſp. big zur
direften Einftellung in die Armee.
Daher würde ihre Hilfe allein nicht
genügen. Die einmal begonnene
förperlide Ausbildung und Die
Freude am Sport follte deshalb
auch während der Dienftzeit weiter
fortgeführt und macherhalten wer:
den — dies wird noch vielfach ver-
nadjläfftgt. Und doch meiß jeder
Kompagnie= sc. Chef, um mie viel
beſſere Resultate erzielt werden,
wenn ed dem jungen Offizier ge-
lingt, — denn in dejjen Hand ift
die unmittelbare aymnaftiiche Aus:
bildung gelegt, — diejenigen gym=
naftifhen Uebungen, bei denen es
überhaupt möglih iſt (Nüftübun-
gen, Boltigieren, Springen), mit
jportlihem Geiſt anſtatt drillmäßig
zu betreiben. Ebenfo wichtig aber
wäre es dann, dafür Sorge zu
tragen, daß das vor und während
der Militärdienftzeit Gelernte nicht
wieder verloren geht, jolange die
Mehrpfliht dauert, alfo bis zum
vollendeten 45. Lebensjahre. In
diefer Richtung leiſtet in Deutjch-
fand der Staat nodh fo aut wie
aar nicht. Vielleicht könnten die
Kriegervereine bierbei ein jehr wert—
volle8 Organ werden, wenn fie
zu dieſem Zwecke mobil gemacht
würden.
31. Sport und Volksſitte. So=
ro. 31.
bald wir die unendlich vielen Vor—
teile erfennen, die der Sport mit
jih bringt, fo vefultiert daraus die
unbedingte Forderung, Die ge—
jamte Bevölkerung, jung und alt,
jomeit zu erziehen, daß der
Sport zur Bolfsfitte wird. In
England und zum Teil aud in
Amerika ift dies erreicht. Bon der
Schule angefangen, muß dag Ziel
unentwegt im Auge behalten wer:
den, daß die Erholung nicht mehr
in der Kneipe gejucht wird, ſon—
dern im Sport und [portlid) be-
triebenem Spiel, im Freien ftatt
in alfohol- und rauchgejchmänger-
ter Luft.
Bon Seiten der ftaatlicden Draane
müflen Maßnahmen getroffen wer:
den, dag Spiel in die verfhiedenen
Schichten des Volkes hineinzutragen;
nur damit kann der Erfolg der
Iportlichen Zeibeserziehung der Su-
gend auf die Dauer aefichert werden.
„Das Beſtehen der Jugendſpiele
an ſich wird ſtets gefährdet er—
ſcheinen, ſolange ſie in einem ge—
wiſſen Widerſpruch zur Volksſitte
ſtehen; es wird erſt dann als wahr-
haft geſichert angeſehen werden
dürfen, wenn es gelungen iſt, die
Spiele zu einer Volksſitte
zu machen.” (Prof. 8. Koch).
Daß dies möglih ift, zeigt
wiederum England. Es Handelt
ih hierbei niht um Einführung
einer ganz neuen Volfefitte; die
Liebe zur Natur, der Drang ing
Freie ift der germanifchen Raffe
angeboren und braucht nur wieder
geweckt zu werden. Aber Gelegen-
heit muß gegeben werden. Wie
Schlecht e& bezüglich der Parks und
Spielpläße bei ung beftellt ift, wurde
Ihon erwähnt. Auch ausreichende
und billige Gelegenheit zum Schwint:
men, Schlittſchuhlaufen 2c. fehlt.
Der Unbemittelte kann nicht täglich
30 oder 40 Pig. für den Eintritt
in die Eisbahn zahlen; ebenjo find
ro. 32.
die Freibäder gewöhnlich zu weit
außerhalb der Städte und aud)
der Größe nad) unzureichend.
„Das laufſcheue Spießbürger:
tum muß aufhören und der Staat
muß die Natur freigeben. Wir
klagen darüber, daß das Volk an
den Feſttagen in die Kneipen
rennt — wohin ſoll es denn rennen?
In England ſind an Feiertagen
die Kneipen geſchloſſen, die Parks,
Spielplätze, Schwimm- und Ruder:
plätze geöffnet — alſo denkt dort
niemand an die Kneipe.“ (Dr. H.
Pudor).
Derſelbe Schriftſteller macht auch
ſehr bemerkenswerte Vorſchläge für
Veredelung der Feſte durch
Sport und Spiel; er fordert öffent:
liche Schauftellungen von feiten
der ſportlichen Vereine, die gewiß
A. Steiniker u. E. Gräfin Baudiffin.
Neigen auf, bier fpielen Frauen
Kridet — furz, ein Volksleben im
Ihönften Sinne des Wort hat fidh
entfaltet; die Standesunterfchiede
vermifchen fi) .... wir haben ein
wahres Volksfeſt vor ung, eine neue
Renaiſſance iſt angebrochen.“
Unſchwer wäre dieſes Ziel zu er—
reihen! Wenn man mit R. Wagner
definiert: „Das Volk ift der In—
begriff aller derjenigen, welche eine
gemeinjchaftliche Not empfinden,”
jo muß man jagen, die Not, das
Bedürfnis ift da. Der Befriedigung
ſteht einzig der öde ftaatlidhe
Bürofratismus im Wege, der nur
in dem träge dahinſchleichenden
Vhilifter die „Ordnung, die ſegens—
reiche“ nicht aeftört fieht, der noch
wie zuzeiten Metternich® im Tur:
nen 2c. den Ausflug ſtaatsgefähr—
äußerft anregend wirken und zur | licher Gefinnung erblidt.
Nachahmung und Teilnahme reizen
würden. Wie ift es aber damit
jest? Freilich Haben wir ſchon
Beranftaltungen, beſonders Rad—
rennen, aber faſt nur von Profeſ—
ftonales; von einer „Veredelung“
fann feine Rede fein, wenn hinter
den Schrittmadern ein Menſch
fih abquält, um einen irgend-
wo aufgeftellten Rekord um einige
Sekunden zu fehlagen; das ift Er-
regung der Senfation, dag wahre
Gegenteil von Sport. „Stellen
wir und nur einmal das Bild vor,
das ung fich bieten würde,” ſagt
Pudor — „wenn größere öffent:
lie Spielpläge geſchaffen würden.
Alle diejenigen, die jahrelang ge:
durftet Haben, fi) Bewegung zu
verfchaffen,imisgreien fich zutummeln,
die ftürzen ſich jeden Feierabend,
jeden Feſttag in die geſunde Freude
des Spielens im Freien.
Da entfaltet fih ein Leben
auf den grünen Plägen; Tennis,
da Kridet, dort Golf, Hier fpielt
Mag wäre des Edjweißes der
Edlen mehr wert, al3 hier durch—
greifenden Wandel zu jchaffen und
mit Starfer Hand morſche Vorurteile
zu zerbrechen !
32. Nüdblid. Wenn wir Die
vorjtehenden Ausführungen über
Wert und Bedeutung ded Sports
kurz vom rein biologiſchen und
entwirlungsgefchichtlihen Stand:
punkte aus überbliden, jo gelangen
wir zu dem unabmweisbaren Schluß,
den Sport ald eine autontatifche
Neaktionserfheinung gegen die
ſchädigenden Einflüffe der durd die
moderne Zivilifation gejchaffenen
und bedingten Lebensverhältniffe
anzuſprechen. Der Sport ift dazu
berufen, die Fähigfeiten und Eigen
Ihaften, die im Laufe der Jahr
taufende im Kampf ums Dafein
erworben worden jind und die unter
den veränderten Dafeinsbedingun:
gen verfümmern müfjen, neu zu be>
leben und zu erhalten und fo für
Körper und Geift zum erfrifchenden
die Jugend, da führen Mädchen | Sungbrunnen zu werben,
100 |
SEELE SEHE EEE EEEEELLELELEEELEEREEEHESHES
II. Reit- und Sahrfporte.
| Von
$rhr. D. A. v. Efebeck.
1. Reitlport.
33. Einleitung. „Das Para:
died der Erde,“ fing: Mirza—
Schaffy, „liegt auf dem Rüden
der Pferde.” Sind aud) Gefund:
heit des Leibes und das Herz des
Weibes gewiß nicht zu verachtende
Gaben: die idealften Güter auf
unſerer Mutter Erde blühen doch
erjt dem, der fie auf flüchtigem
Roſſe durdftreift. Welche Wonne,
im jauchzenden Galopp über Heide
und Brachland, über Hede und
Graben zu fliegen; und wie
träumt es ſich gut auf einfamen
Ritt durch den dämmernden Wald,
wenn das edle Tier lang aus—
fchreitet, die Zügel auf dem Hals,
— wenn der Abendwind in den
Blättern raufht und der letzte
Sonnenftrahl über die jchlanten
Stämme huſcht! Nie jpredhen die
Wunder der herrlichen Gottednatur
eine fo beredte und innige Sprade,
als wenn man jie aus dem Sattel
haut von dem Rüden eines edlen
Pferded. Seltſam, unfere Lands—
leute, in ihren Liedern und am
Biertiſch jo voller Sentimentalität,
für eine Gefühlsdufelei diefer Art
haben fie fein Berjtändnis! Hut
ab vor deutihem Fleiß und deut⸗
Them Pflichtbewußtſein; allein
|
— — — — — — —
etwas mehr von der Sportsfreudig⸗
keit unſerer angelſächſiſchen Vettern
würde unſerem nationalen Charakter
durchaus nicht ſchaden.
Wie bei ung für einen Hunting⸗
port im engliiden Sinne nicht der
Boden tft, fo fehlen bierzulande
auch die Borausfegungen für einen
allgemein populären Reitjport. Auf
die Gründe hierfür wird bei Be:
handlung der Parforcejagd weiter
eingegangen werden. Der Deutjche
ift nun einmal fein Naturreiter,
wie ed der Engländer ilt oder es
wenigſtens zu fein glaubt; darum
befhräntt fi der Reitſport in
Deutfchland nahezu auf die Armee,
und auch diejenigen Kreije, die ihn
aus Liebhaberei ausüben, haben
meift als Reiter eine militärijche
Schulung genofien. Diejfer Um:
ftand ift ed gerade, der, meines
Erachtens, es verhindert, daß der
Reitſport fih in weiteren Gejell-
ſchaftskreiſen einbürgert, denn die
Soldatenreiterei, d. h. die Reitkunſt
nad) den im Heere geltenden Grund=
ſätzen, jest eine jo gründliche jyfte-
matifche Ausbildung voraus, daß
ed für den Laien eines außer
ordentlihen Aufmandes von Ba}:
fion, Ausdauer und — was nid
Neo. 34.
am wenigſten ing Gewicht fällt —
von Zeit bedürfen würde, um eine
folde zu erlangen; aud wird am
Scdulreiten nur ein wirklicher Fach:
mann Geſchmack finden. Der Be—
rufsfavallerift kann ſelbſtredend auf
eine gründliche Durchbildung feines
Pferdes nicht verzichten, denn nur
dag ins abjolute Gleichgewicht ge=
jegte Soldatenpferd vermag die
StrapazeneinerzehnjährigenDienft-
zeit zu überjtehen. Für den Privat:
mann dagegen genügt von jeiten
des Pferdes ein gutes Tempera-
ment und eine natürliche Gebrauchs:
haltung, un das Reiten für ihn
zum Genuß zu machen. Daß beides,
ein gutes Temperament und ein
natürliches Geſchick im Gelände,
den irischen Pferden in fo befon-
der hohem Make eigen ift und
darum in England aud jeglicher
favallerijtiichen Ausbildung (in
unjerem militärijchen Sinne) bare
Naturreiter die Freuden des Quer—
feldeinreiteng ohne Gefahr ge-
nießen fünnen, iſt vorzugsweiſe das
Berdienft der Erziehung, die fchon
dag Füllen auf dem Hofe des iri—
jhen Pächter genießt. In dem
Maße, ald aud in Deutfchland der
Reitſport Gemeingut weiterer Kreife
wird, wird aud die FKinderjtube
unferer deutschen Pferde fich beffern;
denn mit der durch die gefteigerte
Nachfrage erhöhten Rentabilität der
Pferdezudt werden die inländifchen
Züdter auch dem fo bedeutungg-
vollen Moment der Aufzucht mehr
Beachtung ſchenken.
Nachftehend fei in großen Zügen
das Gebiet geftreift, da8 der Ama-
teurfavallerift, alſo der eigentliche
Sportsmann, beherrjchen muß, um
die für dad Reiten im Gelände
‚ nötige Sicherheit zu erlangen; erjt
dort, außerhalb der umſchloſſenen
Reitbahn blühen dem Saturreiter
die höchſten Freuden.
34. Der Sit des Neiters. Der
Fchr. B. A. v. Efeberk.
„natürliche Sig beruht Lediglich’
auf dem Gleichgemwidt.
Ohne Frage findet der Anfänger
dasjelbe leichter auf der Dede; bei
einem fpäteren Uebergang von der
Dede auf den Sattel tritt die Ge:
fahr de Durdreitens erneut zu
tage. Ich rate daher gleih, den
Unterricht auf Sattel zu beginnen;
nur darf dies nicht dazu führen,
daß der no nidt im leide
gewicht befindliche Reiter die Beine
„zum Sitzen“ benußt, d. h. fich mit
denjelben fejtflanımert. Che das
Gleichgewicht nicht gefunden ift,
darf von „Schluß“ noch feine Rebe
jein! Eignet ſich der Schüler die=
jen zu früh an, jo verfällt er in
den Fehler des „Spaltfiges” und
dies rächt fich, ſobald eine Einwir—
fung mit dem Schenkel von ihm
gefordert wird. Alles Steifmachen
und Klemmen entipringt aus Un:
fiherheit oder Weberanftrengung,
daher dürfen anfänglich nur furze
Reprijen geritten werden. “Der
Reiter muß zunächſt den tiefiten
Punkt des Sattel® finden und die—
jem mit dem Gefäß zujtreben. Um
in das Gleichgewicht zu kommen,
muß fih der Reiter in allen
Körperteilen loslaſſen: nur Kreuz
und Kopf follen fejtjtehen, ohne
jedoch Trampfhaft angezogen zu
werden.
Sobald die erfte Unftcherheit
überwunden ift, jchreite man zu
den Lektionen auf gebogenen Huf:
ſchlagsfiguren — Zirkel, viel Chan-
gement?® „dur die” und „aus
den” Zirkeln, Schlangenlinien u. ſ.w.
— Das fortgeſetzte Wenden und
die Biegung des Pferdes auf der
Kreislinie nötigt den Reiter zum
Balancieren. Ebenſo wie mit dem
Salopp, iſt auch mit dem Springen
jofort zu beginnen; das minimalite
Hindernis, eine ganz niedrige Hürde
oder dergl. erfüllt ſchon den Zweck.
Dabei nehme der Schüler vermehr-
Si _ El
II. 1. Reiffporf. Niro, 35.
ten Kniefhluß und Lüfte ein wenig neigt jet von neuem dazu, ſich
das Geſäß; — nur feinen „Lebens— | feſtzuklammern und nur mit Schluß
verjicherungsfig“! Auf feinen Fall
darf fich der Anfänger beim Sprin-
gen in den Zügeln fejthalten ; lieber
Jude er einen Halt in der Mähne.
Letzteres empfiehlt fi) mehr, als
in den Sattel zu greijen, was un:
zu reiten. Der Bügel muß jo ver-
paßt fein, daß er dem Reiter eine
Unterftüsung gewährt im Galopp
und namentlih im Sprunge, wo
er das ganze Körpergewicht tragen
jol. Beim Springen wird der
I. Bochfprung (Koppeltid).
willkürlich dazu veranlaßt, zu fchwer | Fuß bis zum Abſatz dur den
mit dem Geſäß einzufigen.
35. Die Bügel. Sobald fi
der Sig einigermaßen befeftigt,
d. h. der Reiter menigftens an
nähernd das Gleichgewicht gefunden
bat, befommt er die Bügel. Der
Uebergang zum „Reiten mit Bü—
geln“ ift im Ausbildungsgange ein
fritifher Moment: der Schüler
Bügel gejchoben; dies erleichtert
da Halten des Bügels, — fann
aber, wenn dauernd fo geritten
würde, ein jteifed Knie erzeugen.
— Die Bügel werden fcharf nad
hinten meggetreten, damit die
Unterfchenfel nit nach vorne
fliegen, die Kniejcheibe wird nad)
innen gedreht, um den Schluß zu
ro. 36-37
befejtigen, — der jet am Plate
it! Die Fäufte merden beim
Springen aufgefegt; die Finger
öffnen ſich hinreichend, um die
Zügel durchgleiten zu lafjen.
Sobald die „Handhabung“ des
Bügels feine Schwierigkeiten mehr
bereitet, jäume man nicht länger,
die Pferde auf Kandare zu fegen.
Es fragt fi), ob dies nicht zweck—
mäßig von vornherein hätte ge:
ſchehen jollen, weil doch die ſchär—
fere Zäumung das Pferd empfind:
famer im Maule und den Reiter
folglich weicher in der Hand madt.
Demgegenüber bleibt zu bedenken,
daß während der allereriten Reit:
verjuche die Pferde durch die Ein-
wirfung der Hand allzuſehr unter
der Unficherheit des Sitzes leiden
würden.
36. Zäumung Die Kandare
muß jo verpaßt fein, daß das
Mundftüf der Kinnkettengrube
gegenüber liegt, die Kinnkette fo
eingelegt, daß das Gebiß meder
ftrogt, noch durdfällt, ſondern
federt. Der Lehrer überzeuge fich
davon, daß die Schieber auf den
Kandarenzügeln leicht beweglich find,
und wache darüber, daß Scheren:
fänger einen Scherriemen erhalten.
37. Führung. Anfangs Iafie
man die Nandarenzügel nur jo weit
anjtehen, daß das Gebiß in feiner
Lage bleibt; beim Springen ftehen
augsjchlieglic die Trenjenzügel an.
Bei den Paraden bleiben Oberarın
und Ellbogen unbeweglich, die
Fauſt ſtets Har, nur die Meinen
Singer fteigen. Bei allen Wen:
dungen, Bolten u. ſ. m. muß das
Gewicht vorherrfhen,; die Hand
übermittelt nur dem Pferde die
Abficht hierzu, zur Ausführung der
jelben wird das Pferd erjt durch
Gewicht und Schentel gebracht, wo:
bei der inmwendige Scenfel die
Wendung vergrößert.
Im übrigen | werfen.
jtehen bei angefaßter Trenfe alle | Unterarme,
Frhr. B. A. v Eſebeck.
vier Zügel gleichmäßig an. Sind
alle vier Zügel in einer Hand ver-
einigt, fo muß der Reiter ganz
inftinttiv, ohne binzufehen, das
Map jedes einzelnen Zügel® modi-
fizieren fünnen. Die vier Zügel
müfjen jo glatt unter dem Daumen
der Zügelfauft aufeinander liegen,
daß fie ſich vollkommen deden.
Hat der Reiter das Fundament
gefunden — leichten, gefälligen
Hang des’ ganzen Körpers, Gleich-
gewicht in allen Gangarten und
beim Springen —, fo ift e8 nun: '
mehr an der Zeit, an forrefte ;
Fauftftelung und vorſchriftsmäßige
Scentellage zu denfen. Ob die
Fäuſte aus ihrer vorfchriftsmäßinen |
Stellung — eine Hand breit über
dem Widerrift — gelegentlich etwas
jteigen oder fallen, ift nit jo
mwefentlih, als daß Ddiefelben un-
bedingt jenfrecht ftehen und aus
dem Gelenk getragen werden. Sit
leßtere8 nicht der Fall, jo hängt
der Reiter unmeigerlid in den _
Zügeln; zieht er obendrein die .
Pulsadern nach innen ein, fo muß
jolde Fauft Hart und Trampfhaft
wirken. Darum müſſen die Hände
jo getragen werden, wie fie im
Unterarm angewachſen find, d. h.
ohne Winkel, in der Verlängerung
des Unterarms, fonft fehlt ihnen
die Freiheit zum Einrunden (An—
nehmen) wie zum Ausdrehen (Nach—
geben). Steht die Fauſt nicht
ſenkrecht, ſo daß der Knebel des
Daumens den hödhften Punkt bildet,
fo gleiten alle Anzüge am Wider-
rift herab. Die Finger werden
lang und gefchloffen in die innere
Handfläche hineingelegt, nicht hinein:
gefrallt; macht der Anfänger die
Finger nicht zu, jo gleiten ihm die
Zügel beftändig aus der Hand, und
er verfällt dann gewöhnlich in den
zweiten Fehler: jich hintenüber zu
Die Oberarme, nicht die
werden an den Yeib
candſtallmeiſter Grabenfee, Dirigent des Landgeftüts Celle.
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I.
1. Reitſport.
Nro. 38—39.
aelegt; vielmehr werden Hüfte und | machen, ftelle man zuerjt die Pferde
Bauch an das Ellbogengelent bezw. | beim Angaloppieren fogar ein wenig
gegen den Unterarm vorgejchoben.
Wird ein Zügel zu lang, fo darf
der Reiter niemald mit der Hand
zurück- — wohl gar mit dem Ell-
- bogen Hinter die Hüfte — gehen;
jondern er greife zu und ziehe mit
der freigemmordenen Hand den Zügel
durch. Died hat ebenfo mie bei
alten Wendungen u. ſ. w. zu ge:
fchehen, fobald das Einrunden der
Hand nicht mehr hinreicht, um den
Zügel entſprechend zu verkürzen.
38. Zujfammenwirfen der Hils
jen. Die Beine müflen fo lang
als möglich gemadt werden, die
Knie wei und rund jein. Das
Zujfammenwirten von Schentelz-,
Zügel- und Gejäßhilfen lernt der
Anfänger durch häufiges Parieren
und wieder Anreiten. In der Pa—
rade müffen die Schenkel am
Pferde liegen bleiben, der Reiter
muß die Knie vermehrt Trümmen
und fein Pferd energifch in den
elaftiichen Zügel hineintreiben, nicht
im Anzuge verharren. Kriecht dag
Pferd nad der Parade zurüd, To
ift died die Duittung darauf, daß
nur mit der Hand pariert wurde.
Nur fein Hintenübermerfen, fein
Stemmen gegen die Bügel: Beides
der Beweis von fteifen Hüften und
Knien, — zur Korreltur: fofort
„Bügel loslaſſen!“ Die durch die
Parade gewonnene Verſammlung
darf beim Anreiten nicht wieder
aufgegeben werden ; die Injtruftion:
„Anreiten wollen und nidjt laſſen“
bezeichnet dies am deutlichiten.
39. Der Galopp. Zur Ent:
wiclung des Galopp® werden die
Pferde auf dem Zirkel „gejtellt“,
dann angaloppiert, auf die „ganze
Bahn“ gegangen und gleich wieder
auf den Zirkel; hierdurch vermeidet
man, daß der Galopp heftig wird.
Um dem Anfänger die Theorie des
auswendigen Zügeld geläufig zu
— — — — — — — — — — — — —— — — —— ———— ——
nach außen; wofern nur der aus—
wendige Schenkel energiſch ver—
engernd wirkt, iſt dies bei weitem
der kleinere Fehler, als das Ziehen
am inwendigen Zügel! Als Vor—
übung der Seitengänge läßt man
an der langen Wand zunächſt den
auswendigen Schenkel meiden,
dann den inwendigen auf dem
Zirkel; hieran ſchließt ſich die Lek—
tion „Vorhand in den Zirkel ge—
ſtellt“, aus der man auf die lange
Wand übergeht und auf diefer den
inwendigen Schenkel weichen läßt.
Die Kopfjtellung ijt zunächſt völlig
gleichgültig; fehlerhaft wäre nur,
wenn der Reiter durch übertriebene
Stellung nah innen (d. 5. durch
Ziehen am inmendigen Zügel, ohne
gegenmwirfenden äußeren Scentfel)
dag Pferd dazu verführt, auf die
auswendige Schulter zu taumeln.
Es folgt das Reiten „mit Stel-
lung” und in der Kontraftellung
und fchließlih der zweite Gang.
Se mehr dur diefe Lektionen der
Schüler an Einwirkung, das Pferd
an Haltung geminnt, defto mehr
vervolllommnet ſich das Ausreiten
der Eden. Bon vornherein ift dar:
auf zu achten, daß der Anfänger
nicht mit dem äußeren Zügel in die
Ede ftrebt, jondern mit dem in-
wendigen, der gegen den Hals mwir-
fend im Verein mit dem inwen—
digen Schenkel für die Weichheit
der inmwendigen Seite forgt. Jetzt
kommt man allmählih dazu, den
inwendigen Scentel in der Ede
erweiternd mirfen zu laſſen, um
endlich diejelbe int zweiten Gang
auszureiten, wobei der ausmendige
Scenfel beim Verlaſſen der Ede
der vorherrichende ift. Vorbedin—
gung ift bei alledem, daß der Rei—
ter im ftande ift, jein Pferd durch
halbe Paraden aufzunehmen und
daß bei diejen Lektionen z aus⸗
Niro. 40.
wendige Zügel ſtets der führende
bleibt, fonjt wären diefelben Ber:
derb!
Damit der Schüler es Iernt,
feine Zügelhilfen zu mäßigen, muß
auch das Reiten auf blanfer Kan—
dare, d. h. mit losgelaſſener Trenje,
gepflegt werden. Da mo eg direkt
gegen das reiterliche Gefühl verftößt,
wie beim Springen, jollte das Los—
laſſen der Trenfe verpönt bleiben !
Eine zur Entwidlung des Ge—
fühls fehr nüsliche Lektion ift der
Kontragalopp, wobei dag Pferd
gegen die Stellung galoppiert,
d.h. 3. B. rechts herum im Links—
galopp. Man entwidelt den Kon
tragalopp durch Kehrtwendung aus
der Ede ohne Wechjel oder an der
langen Wand von einer Ede zur
andern. Zur Borbereitung dient
die Wendung „gegen die Stellung”,
oder man arbeite die Pferde im
Nenverd. Niemals dürfte Diefe
Lektion um ihrer felbjt willen ge=
ritten werden, und jo lange der
abgefürzte Galopp nicht hinreichend
verſammelt ift, würde ich unbedingt
von derfelben abjehen. Um Dies
zu erreichen, muß der Reiter her:
ausfühlen, daß die halben Paraden
auf die Hinterbeine gebracht wer:
den, d. h. wenn das Pferd mit
diefen fußt und die Vorhand her:
ausbringt; im andern Falle wird
der Galopp durch die halben Pa—
raden auf die Vorhand nur noch
rollender. Ein minutiöſes Zu:
jammenmwirfen von Kreuz: und
Scenfelhilfen mit dem Zügelanzug
ift natürlih Borbedingung; fehlt
der vortreibende Schenkel, jo wird
der Galopp durch die halben Pa—
raden wohl verfürzt, niemals aber
ſchwungvoll. Bernag ſich dag Pferd
am Kreuz und Schenfel des Rei—
ter3 jelbit zu tragen, jo wird der
Galopp nichts an Haltung ver:
lieren, wenn die Zügeljpannung
vorübergehend aufhört.
|
Frhr. B. AR. v. Efeberk.
40. QOnadrillereiten. Die vor:
nehmjte Aufgabe des Reitlehrers
muß es fein, bei feinen Schülern
Paſſion zu weden: ohne diefe wird
er nicht8 erreichen, als im beften
sale tote Formen. Bor allen
fann er niemald darauf rechnen, -
daß jeine Schüler den Verſuch
machen werden, ſich weiter zu üben
und zu vervollfommnen, wofern es
ihm nicht gelungen ift, den Neit-
unterricht zu einem frifchen, fröh-
Iihen Sport zu geftalten. Es muß
daher jeiteng des Reitlehrers ganz
beſonders das Streben zutage
treten, auf die Paſſion und das
Intereſſe der Reiter anregend zu
wirken. In dieſer Hinſicht wird
ſich der Lehrer durch die Einübung
einer einfachen Quadrille ſicherlich
bei feinen Schülern Dank erwer—
ben. Die erafte Ausführung der
Duadrillentouren bei tadellofem
Sig und ſchöner Haltung der
Bferde wird nicht nur die Reit:
fertigfeit der Schüler fördern, ſon—
dern auch für die Pferde nicht ohne
Nutzen fein. Eine derartige Qua—
drillenaufführung, zumal wenn man
das ſchöne Geſchlecht zur Teilnahme
im Sattel heranzieht und die Ver—
anſtaltung obendrein durch ein
Souper oder Tänzchen krönt, bei
dem auch die weniger ſattelfeſten
Damen ihre Rechnung finden, iſt
ganz beſonders dazu angetan, dem
Reitſport auch im fernerſtehenden
Publikum Freunde zu werben.
Freilich bleibt für ſolche Vorfüh—
rung, deren Programm man durch
Schleifenraub, Fahrſchule, Spring—
touren u. ſ. w. bis zur Höhe cir—
cenfifher Darbietung ausbauen
fann, ein vollfommen durdhgeritte-
nes, d. h. im Gleichgewicht befind-
lihe8 Pferdematerial, Voraus—
ſetzung; dies um ſo mehr, je ge—
ringere Anforderungen an die
Fertigkeiten der Reiter geſtellt
werden dürfen. Zum näheren Ber:
II. 1. Reitfporf.
ftändnid wird es unerläßlich jein,
auf das Wejen der „Dreſſur“ in
Kürze einzugehen.
41. Zweck der Dreifur. Es
gibt feine Erklärung für das Wort
Dreffur, die bezeichnender wäre, al3
der von Plinzner gebraudte
Ausdrud „Pferdegymnaftif“. Der
Zurnunterridt fol den Menjchen
zum Herrn feiner Gliedmaßen
maden, ihn lehren, diejelben jelb-
jtändig und voneinander unab=
bängig zu gebrauden; hierdurch
werden Kraft und Muskulatur
jedes Körperteild gleichmäßig ent-
widelt, der Menſch in das Gleich—
gewicht gebradt. Das gleiche be-
jwedt die Drefiur des Pferdes.
Bon Haufe aus befindet fich dieſes
nicht im Gleichgewicht, ſondern in
einer übermäßigen. Richtung auf
die Vorhand, d. 5. es ſtützt die Laſt
des eigenen Körpers vorwiegend
auf die DBorderbeine. Beobachtet
Niro. 41—42,
auf die Hinterhand zu verlegen und
die dag Durchgehen der Zügelan-
züge auf die Hanken gemährleijtet.
42. Die Berfammlung Wer
je einen größeren Dauerritt aus—
geführt hat, der wird an fich jelbit
die Notwendigkeit erfahren haben,
jein Pferd ununterbrochen in der
Berfammlung zu erhalten, denn
dies ift dag wirkſamſte, wenn nicht
das einzige Mittel, um den Geh:
trieb des Pferdes rege zu halten
und der Ermüdung desjelben ent-
gegenzumirken. Nur in der Ber
ſammlung vermag das Pferd hoch—
zutreten und die Beine unterzu=
ſchieben; erſteres verhütet das
Stolpern des Pferdes, letzteres ein
vorzeitiges Abnugen der Vorhand.
Nur der Schwung der Hinterhand
ermöglicht dem Pferde dag Weber-
ſpringen fchwerer Hinderniffe und
fihert Roß und Reiter vor den
Sturz. Ein Uebergewicht des Pfer-
man da3 Herumfpielen der Fohlen | des auf Kopf und Schulter wären
auf der Weide, jo fieht man, daß | hier geradezu Gefahr! Eine harte
diefelben aus der ſchärfſten Gang-
art ausfchlieglich auf der Vorhand
parrieren. So lange das junge
Tier nicht? weiter zu tragen hat,
als fein eigenes Gewicht, mag dies
ohne Nachteil geſchehen, mollten
wir aber das Pferd in diefer Na
turbaltung jahrein jahraus weiter
reiten, jo würde dies bald eine
Gefahr für Roß und Reiter be-
deuten; abgejehen davon, daß die
ausſchließliche Richtung des Pferdes
auf die Vorhand und niemals für
den Gehorfam des Pferdes die un-
erläßliche Sicherheit geben würde.
Zweck der Drefjur muß es mithin
fein, das Pferd in eine Gemohn-
heit3haltung zu bringen, die ihn
geitattet, die Laft des Reiters und
fein eigenes Körpergewicht gleich:
mäßig mit Bor- und Hinterhand zu
tragen bezw. — mie bei den Ba:
raden, bein Anfpringen zum Ga—
lopp u. |. w. — beides vermehrt
Fauft, ungenügende Schenfelmir-
fung und ſchwerer Sit des Reiters
tragen dazu bei, dag Pferd auf die
Borhand zu richten. Wenn troß-
dem ein Meifter wie Fillis bei
dem Reitpferde eine Verfammlung
nur als „wünſchenswert“ bezeichnet,
jo erklärt fich dies aus feiner Auf-
fafjung der Berfammlung: Fillis
erfennt nur eine „Verſammlung“
in der „Aufrichtung” an; Diefe
ftellt allerdings zu hohe Anforde-
rungen an dag Pferdematerial, als
daß fie fi) durchführen ließe. Da—
ber glaubt Fillis, daß die all-
gemeine „Promenadenreiterei” ſich
auf die Anfangsgründe feines Sy:
ftem3 befchränten muß. Was er
von der Ausbildung des Reit—
pferdes verlangt, iſt nicht mehr
als dag ABE der Drefjur oder mit
anderen Worten: „Schenfelgehor-
fam und Gleichgewicht im Schmun=
ge”. — „Die Haupttugend Des
Nro. 493. Frhr. B. A. v. Eſebech.
Reiters,“ ſagt Fillis, „iſt die Dreſſur. Fillis arbeitet ſelbſt
Liebe zu ſeinem Pferde; dieſe nur in dem korrekteſten Sitz und
ſchwindet zugleich mit dem Intereſſe ſieht darin auch das einzige un—
am Reiten, ſobald der Reiter den fehlbare Mittel, um jeden Menſchen
Zweck der Lektion nicht einſieht. zu einem ſicheren Reiter zu er—
Künſteleien in der Dreſſur führen ziehen. Unbedingte Sicherheit in
dazu, daß der Reiter durch das der Beherrſchung ſeines Pferdes
Pferd und das Pferd durch den muß und kann von jedem Reiter
Reiter zu leiden hat. Nur das verlangt werden; den perſönlichen
horizontale Gleichgewicht iſt für das Reiterakt zu erſetzen, wird aber oft
Reitpferd unerläßlich; eine Ber: Sache des Reitlehrers bleiben.
ſammlung iſt wohl wünſchenswert, 43. Das Gleichgewicht. Fillis
aber nicht durchaus zur Bedingung wie Plinzner, beide erſtreben in
zu machen; es wird genügen, wenn ihren Dreſſurprinzipien ein gleiches
der Reiter in der Lage iſt, erfor- Ziel: das Gleichgewicht des Pferdes;
derlichenfalls den Kopf ſeines Pfer- beide bedienen ſich zur Erreichung
des wieder in diejenige Stellung | desſelben des Schwunges der Bor:
zu bringen, „von welder das | wärtsbewenung. Die Bollfonmen-
Gleichgewicht abhängt“. — Dieſe | heit des Gleichgewichtes erblickt
Stellung ift die unbedingte Bei: | Fillig in der Aufrichtung, d. D.
zjäumung am Zügel oder, wie in der Biegung des Genides bei
Fillis es nennt, „die Stellung | hohen Halſe, Plinz ner dagegen
in die Hand“. in der unbedingten Beizäumung,
Den Fillisſchen Grundfaß der d. 5. in der Biegung des ganzen
Aufrichtung hält Blinzner nicht | Halfes. Sch alaube, wir können
für allgemein durdführbar, weil | beides fehr wohl miteinander ver—
derjelbe nur auf Pferden mit be= | einigen: erftreben wir fo viel Bei—
jonders Ffräftigen Rüden anzumen= | zäumung, als es die Rüdenauf-
den fei. PBlinzner, der ehe- | wölbuna und das Unterfchieben der
malige Leibftallmeijter des Kaifers, | Hinterbeine erfordert, und gehen
will das Gleichgewicht durch un- | wir in der Aufrichtung nur fo weit,
bedingte Beisäumung erreichen; daß das Pferd noch im ftande ift,
damit macht er wieder zu hohe den Küden zu mölben und die
Anſprüche an das Durchjchnitts- | Dinterbeine unterzufegen. — Die
reitermaterial, denn ein Mißver- goldene Mitteljtraße mird wie
ſtehen feiner Beizäumungstheorie | überall auch bier am ficheriten zum
wird dazu führen, die Pferde zu | Ziel — Gleichgewicht führen. |
ftarf auf die Schulter zu richten. Beizäumung, Rückenaufwölbung
Plinzners Syſtem, namentlich) | und Hanfenbiequng find die Drei
jeine Beizäummmgslehre, verlanat | Faktoren des Gleichgewichts, denn
ein jo bejtändiges.Wechjeln, ein fo | dieſes beruht aleichmäßig auf Bor:
feines Jneinandergreifen aller Hil= | hand, Mittelhand und Hinterhand.
fen, mie es wohl faum in der) Die größere Hälfte des Jahres
Fähigkeit eines DurchjchnittSreiters | hindurch reiten wir unfere ‘Pferde
Tiegt. Bei diefem müſſen häufig vorwiegend, um nicht zu jagen aus:
Gefühl und perjünlicheg Verſtänd— ſchließlich auf die Schulter; daher
nis durch feſtſtehende — er- müſſen die Richtung auf die Mittel:
feßt werden. Plinzner betrachtet | hand und auf die Hanfen den
den vorgejhriebenen militäriſchen Pferde durch die Bahndrefjur zur
Sit häufig als ein Hindernis der | zweiten Natur gemacht werden,
II. 1. Reiffport.
Jeden Tritt, den das Pferd außer
dem Gleichgewicht macht, bezeichnet
Plinzner als einen Beilrag zu
feiner fchnelleren Abnugung. Er:
ziehen wir ung ſelbſt dazu, unfere
Pferde im Gleichgewicht zu reiten,
jo wird dies unferem eigenen Geld-
beutel zu aute foınmen.
44. Neiten im Gelände. So
lange der Anfänger jih im Sattel
nicht hinreichend ficher fühlt, um
ohne Unbehagen einen längeren
Ausritt zu machen, wird ihn der
Unterridt in der umfdlofjenen
Reitbahn ohne Zweifel mehr für:
dern. Unter normalen Umjtänden
wird man jedoch mohl ſchon am
Ende der erjten Woche ſich ins
freie wagen fönnen. „Dort im
Gelände,” fant Generalv. Rofen:
berg, „beginnen die Uebungen,
die ung erft einentlid) zum Kavalle:
riften machen.” Es veriteht fich
wohl von felbft, daß man Reitern,
die völlig auß der Uebung jind
oder ſolche nie befefjen haben, nicht
am erften Tage einen Jagdgalopp
über grobe Hinderniffe zumutet.
Im Gelände follte die vornehmite
Aufgabe des Reitlehrers darin be—
ftehen, Paſſion zu wecken und durd)
Ineinklangſetzen feiner Anfoıde:
rungen mit den individuellen Fähig—
feiten, Wagenıut und Gelbitver:
trauen feiner Schüler zu fteigern.
Macht einen dag Reiten im Ge:
lände fein Vergnügen, jo verjteht
der Neitlehrer nicht fein Gefchäft.
Um nad einer Galoppreprije im
500 Edhritfenro durd tiefen Bo⸗
den, mit frifhen Pferd an das
Ziel zu fommen, ift es unvermeid-
li, etwas von dem traditionellen
„torreiten” Sit der NReitbahn über
Bord zu werfen. Der Reiter muß
e3 gelernt Haben, im Bügel ftehend,
den Rüden zu entlaften und aud
im fchärfiten Galopp fein Pferd in
die Hand zu ftelen. Auf einem
großen Zirkel, dann auf der ge:
Nro. 44-45
raden Linie müſſen die Lungen
von Reiter und Pferd dur all:
mählih fi) fteigernde Galopp:
reprifen in Kondition gebracht
werden. Wenn möglich, lege man
zum Schluß einige Hinderniffe in
den Galopp, ald Probe für den
Sig. Hat man dieſes ein= oder
zweimal wiederholt, jo Tann man
fi geiroft in das Gelände wagen
und es mit einer leichten Schnitzel⸗
jagd verfuchen.
45. Schniteljagd. Um dem
Charakter der Parforcejagd mög—
Lichft nahe zu fommen, müfjen die
als Hunde fungierenden Reiter tat-
fählih auf der Papierfährte jagen,
ohne den Weg zu kennen, den der
Träger der Fuchsſsrute genommen
bat; le$terer darf alfo nicht „a
vue“ vor dem “Felde berreiten,
fondern taucht erft in leßten Sta:
dium der Jagd überrafchend vor den
Hunden auf. Wird dieſen das
Suden der gejtreuten Schnikel
durh den Wind erichwert, fo daß
die Verfolgung eine Unterbrechung
erleidet, fo trägt dies nur dazu
bei, daS Bild der Jagd mwahrbeits:
getreu zu geftalten. Daß diefe Art
der Schnikeljaad zum mindeſten
für die ald Hunde reitenden Herren
lehrreicher ift, ald wenn Hunde und
Feld dichtauf hinter dem Fuchs her:
jagen, wird niemand beftreiten
fönnen, der je hinter Wild und
Hunden geritten if. Da auf der
Papierfährte durch Fehler der
Hunde, ebenfo wie auf der Wild:
fpur jederzeit Stodungen entjtehen
fünnen, fo ift der Maſter genötigt,
das Feld in größerem Abftande
von den Hunden zu halten; hier—
durh wird das Tempo der Jagd
rubiger und gleichmäßiger, als wie
man es meift bei Schnigeljagden
fieht. Auf der Schleppjagd forgen
die Hunde ſchon für ein gleich):
mäßige8 und fließendes Tempo;
bei Schnigeljagden fehlt diejer ni:
Nro. 46.
vellierende Einfluß und diefelben |
arten daher nicht jelten in ein freiem Wild gejehen:
fopflojes Juren aus; gerade Die
Ungleihmäßigfeit des Tempos tft
ed, die die Pferde heftig mad.
Abgeſehen hiervon wird bei den
Schnigeljagden oft das Unglaub—
lichſte geleitet, um von dem Wert |
und Weſen einer Reitjagd bei dem
Neuling die unnatürlichiten Vor-
- ftellungen zu weden. Gin fogen.
u Maiter” 3. 3.
—D
ir
x
2
Weg zu paſſieren war, die Wagen—
geleiſe auf demſelben zuſchütten,
zugewachſene Gräben räumen, uns
faire Stellen abwiepen u. ſ. w.
Wie oft habe ich, wenn ich das
geſucht hatte, unliebenswürdige Be—
erfungen gehört, weil e3 einen
Stopp gab, oder weil das Feld
fi vermeiden, ein Geböft zu paſ—
deren oder dergleichen. Die Herren,
Frhr. B. AR. v. Efeberk.
| feiten fennt,
ltes, fobald ein
Terrain zu einer Schniteljagd aus: |
wohl nie eine aute Jagd inter
wie froh ift
man auf todmüdem Pferde, wenn
es nach einem Meilengalopp hinter
dem Schwein oder Schaufler einen
Stopp gibt! Wer die Schwierig:
wenn man beim Aus—
ſuchen des Jagdterraind fortaejegt
Bauernfelder zu paſſieren hat, der
weiß ſehr wohl, daß aus Rückſicht
auf Flurſchaden u. ſ. w. Unnatür:
keiten nicht immer zu vermeiden
2. Grabenſprung.
ſind; allein ſie werden ſich um
vieles leichter überwinden laſſen,
ſobald man hin und wieder den
Jagdgalopp unterbricht, um auf
einer Dorfſtraße abzubrechen oder
ein unfaires Geländeſtück in kürzerer
Gangart zu paſſieren.
46. Point-to-Point-Rennen.
Neben den zahlreihen „mounted-
paper-bag-chase-clubs“ fteht in
England noch ein Zmillingsjport
der Neitjagd in hoher Blüte, die
point-to-point-races, die nament⸗
en — —
11. 1. Reitſport.
ih in den Kreifen der Armee ge:
pflegt werden. 8—10 Kilometer
vom Start bezeichnen zwei große
weiße Fahnen den Siegespfoften.
Der Kurs führt fehnurgerade über
jede beliebige Gelände. Eine
Gegend, die nicht zu jchwierig ift,
um binter den Hunden zu reiten,
ift auch für ein Point-to-Point-
Kennen nicht ſchwierig. Nur dafür
muß deforgt fein, daß auf zwei
Kılometer zu beiden Seiten der
Linie vom Start zun Ziel fich fein
Drabt befindet, desgleichen darf
über das Ziel kein Zweifel herr:
fen, fei es ein Kirchturm, eine
Baumgruppe oder ein hoher Berg.
Wenn man auf zehn Kilometer im
Umkreis keine weithin jichtbaren
Direktionspunkte findet, jo werden
ſolche errichtet: ein hohes Holz:
gerüft und zwei zufammengenähte
Laken. Abgeſehen von Unfällen,
muß der beite Mann im Sattel
gewinnen, und die Point-to-Point-
Jagd ift das, was fie wirklich vor⸗
ftellen jol: 25 Minuten querfeld-
ein und die beite annähernde Nach⸗
ahmung einer Jagd, die ohne Hunde
möglich ift. Der SCarlof&avan
befchreibt ein Point-to-Point zwi:
[hen den Grenadier- und Gold:
ftream:Guards: Das Feld murde
drei Kilometer ſüdlich der großen
Weſtbahn entlaffen, etwa 11 Kilo:
meter öſtlich der Kirche von Swin⸗
don, die auf der ganzen Strede
deutlich fihtbar war. Der Haupt:
reiz lag darin, dab wir ſchon nad
den erften zwei Kilometern wie in
einer Schmärmattade über das
Feld zeritreut waren; jeder einzelne
ritt nad) eigenem Gutdünken, jeder
nah jeiner Anfiht den nächſten
Weg. Drei berühmte Yagdreiter
fprangen aus drei gänzlich ver:
ſchiedenen Richtungen in die le&te
Koppel hinein. Die Goldftreams
belegten die beiden erften Pläte,
aber die Grenadiere die ſechs
Nro. 46.
nädjften, jo daß fie durch die
Pointzahl gewannen. Der Wert
eines ſolchen Wettfampfes ift der,
daß jeder einzelne fein Beſtes her:
geben muß, bis er das Biel paffiert
bat, denn jeder Punkt zählt, und
der letzte Reiter, der einfommt,
fann unter Umjtänden den Aus:
ihlag geben und feiner Partei zum
Siege verhelfen. Es Heißt jeden
Rumpler ausfigen, um am Biel
einzutreffen. Es ift eine befondere
Kunft, ein: ſolches Rennen als
Gruppe zu reiten. Süngere, uner:
fahrene Reiter erhalten die In—
ftruftion, fih einem überlegenen
Piloten an die Gurten zu hängen
und fit) von diefem biß an die
legten Sprünge vor dem Sieges—
pfoften führen zu laſſen. Dann
muß jeder jehen, wie er einfommt,
dem Sieger fo nahe als möglich,
denn jeder Platz bringt feine Ehre,
nidt nur die Drei vorderften.
Analoge Konturrenzen, jogenannte
„Hunt-Point-to-Points“ werden
auch zwifchen den englifchen Jagd
gejellfchaften veranftaltet und all:
jährlich abwechjelnd in dem Gelände
der verjchiedenen Meuten abge:
balten. Die Auswahl der Reiter
ift Aufgabe des Maſters. Ein
Wanderpreis mird von den Yagpd:
gejellichaften gemeinſam aufgebradit.
Der eigentliche Sieger erhält den=
felben für daS laufende Jahr,
während die Namen der NReiter
ringg um den Sodel eingraviert
werden. Die Namen der beiten
Reiter jeder Jagd werden dadurch
der Nachwelt überliefert, und die
Ehre, feinen Namen dort genannt
zu wiſſen, iſt ficher höher anzu=
Ihlagen, als der Ehrenpreis für
den Sieg über den geflaggten Kurs.
„In den meiſten Fällen,” fo fchreibt
der Earl of Cavan, „it ein
Point-to-Point gänzlich verfehlt.
Helen werden bejcnitten und
zurechtgeſtutzt, jchwierige Stellen
ro. 47.
werden ſorgſam ausgeflaggt, und
der Anfänger, der fein erftes
Nennen reitet, hat diefelbe Chance
zu gewinnen, wie der ältelte Jagd:
reiter. Der Scharfe Blid, Die
raſche Entiehlußfähigfeit, die nur
durd) jahrelange Uebung im Jagd—
felde erzogen wird und die in
ſchnellſter Fahrt die rechte Stelle
zum Abfprung findet, fommen aar
nicht zur Geltung. Der Kurs ift
nit zu fehlen und das Hürden-
pferd, das ein Berfaufsrennen ge:
wonnen bat, ijt hier dem erprobten
Hunter überlegen. Der Bollblüter
im Sagdfelde joll damit durchaus
nit verpönt fein, im Gegenteil,
aber er foll ehrlich den ganzen Tag
hinter den Hunden gehen. Schwierig:
feiten bei Auswahl des Geländes
machen nicht Die Bächter und Bauern,
fondern die Pferdebefiter, die be:
haupten, ein Reiten querbeet fei zu
gefährli, die Bahn dürfe nur über
Srasnarbe gehen. Hat man die
Grlaubni3 der Srundbefißer, was
tut es, ob man über Wieje oder
Sturz reitet, ob man ein Hindernis
überfpringen fann oder es durch—
Klettern muß? Auge und Urteilsfraft
jollen gefhärft und geprüft werden,
dann erfüllt das Point-to-Point
jeinen Zweck. Se marfanter die
(Srenze zwifchen Steeple-Chaise-
und Point-to-Point-Rennen gezogen
ist, deito beiler ift eg für beide. —
Alſo fort mit Mendeflaggen, mit
geräumten oder künſtlich verbeſſerten
Gräben, zugeſchütteten Wagenſpuren
und dergleichen, fort mit allem,
was an den Springgarten- oder
Stécple-Chaise-Kurs erinnert.“
Soweit der engliſche Gewährs—
mann. Auch in Deutſchland ge—
winnt der Querfeldeinſport allmäh—
lich Boden, nachdem 1907 der Lau—
ſitzer Rennverein zum erſtenmal
mit einer derartigen Ausſchreibung
größeren Stils vor die Oeffentlich—
Irhr. H. AR. v. Eſebeck.
20 Kilometer-Rennen, das in der
Umgegend von Kottbus gelaufen
wurde.
47. Querfeldein-Rennen. Die
derzeitige Entwicdlung des Hindernis⸗
fport3 hat es zumege gebradt, daß
die weniger fchnellen Pferde der
feinen Privatftälle heute gegen die
Konkurrenz der großen von pro=
fejfionellen Trainern geleiteten
Hindernigftälle faum nod eine
Chance haben. Dem gegenüber
dürfte der Querfeldeinfport eine
Wendung herbeiführen, die umfo:
mehr dem inländifchen Züchter zu—
gute fommen muß, als gerade die
Heinen SHindernisftälle in erjter
Reihe berufen find, für die ein-
heimiſchen Geſtüte den Markt zu
bilden. Sn dem Maße als Ge:
borfam und Geſchicklichkeit des
Pferde in den Hindernisrennen
den Mangel an Klaſſe (Schnellig-
feit) zu erjeßen vermögen, geminnt
der Sportsmann die Ausficht, feine
Mühen und Opfer belohnt zu ſehen.
— Die Nachfrage nad) inländiſchem
Material wird fi heben.
ALS vornehmfte Forderung muß
einer ſolchen Propofition zur Be—
dingung gemacht werden, daß der
Duerfelveincdarafter bei der Prü—
fung gewahrt bleibe; hieraus er:
aibt fich die Notwendigkeit, die Ab:
haltung von Querfeldein⸗Rennen
auf die Zeit zu befchränfen, in der
die Felder frei find. Bei Bemeſſung
der Gewichte follte man nicht ver:
gejien, daß der Querfeldeinſport
nit den Herren mit fogen. Renn—
gewicht vorbehalten bleiben fol,
und daß ein Jagdpferd aud mit
zwei Zentnern und mehr auf dem
Rüden über jedes Gelände gehen
muß. Ob das „Uuerfeldein” als
Iennen oder als Reiten abzuhalten
jei, mögen die jeweiligen Verhält-
niſſe — Gelände, Zahl der Teil:
nehmer, event. NRüdfiht auf das
keit trat. Es handelte fid) um ein | Publikum, und nicht zulegt Qua⸗
1I. 1. Reillport.
lität der Preisrichter — entjcheiben. |
Adgefeben von den technifchen
Echmwierigfeiten, die hieraus den
Preisrihtern erwachſen würden,
ift gegen den Einzelftart einzu:
wenden, daß Hinderniffe und Geläuf
ſich möglicherweiſe den binteren
Reitern in ganz anderem Zuftande
präfentieren, al3 den vorbderiten ;
die legten Reiter würden zudem
nur den Huflpuren der erften zu
folgen braudden, wären aljo jenen
gegenüber über einen unbefannten
Kurs erheblid im Borteil. Im
Falle eine Rennens ift jedenfalls
der Gejamtftart vorzuziehen, weil
für die Bewertung des Sieges einen
reeleren Maßſtab bietend. Beim
Gruppenftart bleibt dem Zufall zu
viel Spielraum. 3.8. der Sieger,
der tatfähhli die Strede in der
fürzeften Zeit zurüdlegt, wäre
vielleiht bei reellem Endkampf
nit imftande, den zmeiten zu
fhlagen, der in einer anderen
Gruppe als erfter einfam, aber
einige Sekunden mehr gebraudite,
weil er von feinen Konkurrenten
innerhalb der Gruppe gar nidt
geamungen wurde, fi) zu jtreden.
Es fragt fih, ob die Querfeld⸗
einbahn überhaupt auch unmittelbar
vor dent Rennen zu zeigen fei!
Da man bei dem offiziellen Ab-
gehen der Bahn es niemand wird
mehren können, fih an Bülchen
oder dergleichen nur den Betreffenden
erfennbare Orientierunggzeichen ans»
zubringen, fo iſt es vielleicht fairer,
wenn man das Rennen nad Art
des englifhen Point-to-Point nur
nach weit ſichtbaren Richtungsflaguen
laufen läßt, die den Kurs fo deut:
lich machen, daß man von dem
Zeigen desſelben abſehen Tann.
In Kottbuß haben fih an Stelle
. ber üblichen roten, orange Flaggen
vorzüglich bewährt, weil auf jedem
Hintergrund, unabhängig von der
Beleuchtung, fihtbar. Eins fei
Nro. 47.
nicht vergeflen: Je mehr Flaggen,
defto mehr öffnet man Smeifeln
und damit der Möglichkeit zu Pro⸗
tejten die Tür; auch Surveillancen
an den Hinderniffen führen leicht
zu Mißhelligkeiten. Beides läßt
fih durch die Lage der Hindernifje
bezw. geſchicktes Einbauen derjelben
im Gelände tunlichft bejchränfen.
Ver, um mit White-Melpville
zu reden, „Disfretion” höher ein⸗
hätt als „Baleur“, dem mag e3
unbenommen fein, einen zeitrauben:
den Ummeg zu madjen; wer aber
fih nicht fcheut, feine Haut und die
Knochen feines Pferdes einzufegen,
dem darf aud der Kohn nicht vor:
enthalten bleiben, denn — Siegen
ift der Zweck. Dieſe Erwägung
wird den Reiter, bei dem die ge:
nannten Tugenden — Kopf und
Herz — ſich richtig die Waage halten,
davon abhalten, fein Pferd zu
überpacen, und ihn veranlaffen,
im rechten Augenblick defjen Kräfte
für den gegebenen Moment aufzu:
ſparen. Hierdurd kommen Gleid):
gewicht, Durdläffigfeit, Gehorſam
des Pferdes, beim Reiter Urteils:
vermögen und Entichlußfähigfeit
noch in weit höherem Maße zur
Geltung, ala auf der öffentlichen
Rennbahn. Während in: offiziellen
Sport ſchon die Routine ausreicht,
um felbjt ein fremdes Pferd über
eine öffentliche Rennbahn zu fteuern,
wird nur der, der fein ‘Pferd ſelbſt
vorbereitet hat, das ſelbe mit einiger
Ausfiht auf Erfolg über einen 20
Kilometer: Duerfeldeinfurs bringen.
Hierin liegt der vornehmfte Wert
des Duerfeldeinfport3.
Wenn fchen vom militärischen
Standpunkt zu wünſchen ift, dab
fünftige Querfeldeinausichreibungen
nicht auf das aktive Offizierforps
befchränft bleiben, fo liegt Dies
ebenfo fehr im Intereſſe der Yandes:
pferdezudht, denn der Querfeldein—
{port eröffnet derfelben ein neues,
Nro. 48—49,
Rentabilität verheißendes Gebiet,
auf dem meitere Kreile der Bes
völferung dem Sport gewonnen
und für die Pferdezucht intereffiert
werden können. Sin dem Maße,
ald die Querfeldeinrennen der ins
ländifhen Zucht rejerviert bleiben,
werden fie dem deutfchen Züchter
neue Abfatgebiete erjchließen.
48. Stafettrennen. Einem höchſt
originellen Wettbewerb diejer Art
wohnte ich gelegentlich eines Be:
ſuches in der däniſchen Hauptitadt
bei. Es handelte fi dabei um
eine Beranftaltungdes Kopenhagener
„Sportride Klubben“, die den Sport:
enthufiasmus8 aud) der privaten
Kreije Kopenhagens im hellen Lichte
zeigte. Das Greignis, das troß
prohender Wolfen und der frühen
Morgenjtunde eine große Zahl von
Zufhauern aller Gejellichaftsflaffen
zu Fuß, zu Roß und zu Wagen
ind Freie gelodt hatte, war ein
fogen. „Stafettrennen”, das in
Gruppen von je dreien abfolviert
wurde. Diejenige Gruppe, die die
in drei Etappen geteilte Gefamt-
ftrede (16 km) in der fürzeiten
Zeit zurüdgelegt hatte, mar ſieg—
reich. Vom Start brachte der erite
Reiter jeder Gruppe eine fuvertierte
Meldung nad) der 5800 m ent:
fernten Kontrollftation I, wo Nr. 2
der Gruppe ihrer bereit3 harrte,
um fie dem Kontrollpoften II zu
übergeben. Die Entfernung zwischen
beiden Kontrollen betrug 4600 m,
wovon ca. 3800 m durch das
Terrain zurüdzulegen waren. Bon
dem zweiten Poſten wurde das
Kuvert durch den dritten Partner
jeder Gruppe an das Ziel befördert.
Bon den 5400 m der Endftrede
waren etwa 3600 m querfeldein zu
reiten, der Reit auf Wegen. Die
nahezu 6 km betragende Anfang3-
etappe war faſt durchweg „cross-
country“ zurüdzulegen. Die Haupt:
Ihmierigfeit der Aufgabe beftand
Fıhr. 5. M. v. Eſebeck.
in dem Weberwinden eines Waffer:
laufes, der auf jeder Etappe zu
überjchreiten war.
Auf Einladung eines der Preis:
richter wohnte ich dem Rennen zu:
nächſt auf Kontrollftation I bei.
Nachdem der legte der mit 10 Mi-
nuten Zwiſchenraum geftarteten
Reiter eingetroffen und fein Partner
abgeritten war, begaben wir ung
auf einem kürzeren Wege nad) dem
Biel, wo wir rechtzeitig anlangten,
um den zweiten Reiter (Nr. 3 der
dritten Gruppe) einfommen zu fehen.
Erft 11 Minuten fpäter traf Nr. 3
der zweiten Gruppe ein, deſſen
Partner Nr. 2 fih durch einen
Umweg auf der zweiten Etappe
verfpätet hatte. Damit ſchien der
Ausgang zuaunften der dritten
Gruppe entjhieden zu fein, ein
Refultat, das um fo freudiger von
allen Anmwefenden begrüßt wurde,
al3 gerade diefe Gruppe die Se:
nioren des Feldes vereinigte, alle
drei Herren diefer Abteilung ftanden
nahe den Fünfzig. Leider jtellte
es fich fpäter heraus, daß einer
derfelben auf Kontrolle II ver:
fehentlih ein falſches Kunert ab:
geliefert hatte, jo daß propofitiong:
gemäß aud feine beiden Partner
disqualifiziert werden mußten. Die
für den Sieg ausgeſetzten Drei
Chrenpreife mußten demnach Der
vierten Gruppe zugefprochen werden,
die die Gefamtfireden mit Dem
nächſtbeſten Rekord, nämlich in 39
Minuten, zurücdgelegt hatte.
Nachdem der letzte Reiter den
Endpunkt der Relaislinie erreicht
hatte, wurden die Pferde der Teil:
nehmer durch die Preisrichter unter
Aftiftenz eines Veterinär? an Der
Hand auf ihre Kondition gemuftert.
49.ConcoursHippiques. Eine
Nachahmung dieſer eigenartigen
Konkurrenz würde in dag Programm
unjerer Concours-hippique eine
anregende Abwechslung bringen.
U. 1. Reikſport. Niro. 49.
Erfreulicherweife bürgern fi) die | Intereſſe der Allgemeinheit am
Concours-hippiques von Jahr zu | Pferdefport wachzurufen. Während
Sahr mehr bei uns ein; alle grö= | die Drefiurprüfungen wohl immer
Beren Pläte, an denen überhaupt | die Domäne der 'Berufsreiter, in
jr ne dem Album ber ——
de 5. Hochſprung.
Aus dem Album der Sportwelt.
Mt 4. Weitſprung.
von Sport die Rede iſt, wie Berlin, erſter Linie der Kavallerieoffiziere,
Hamburg, Frankfurt a. M., Königs- bleiben werden, bilden die Spring—
a berg u. j. w. weifen heute derartige | konkurrenzen, und vor allem die
* Veranſtaltungen auf, die ganz be- Qualitätsprüfungen, bei denen nur
ſonders dazu berufen find, das das Exterieur, die Schönheit des
Nro. 90—51.
Pferdes und die Korrektheit feiner
Adjuftierung bewertet werden, das
eigentlide Yeld, auf dem Paſſion,
Geſchmack und Verftändnis des
Privatmanns ſich betätigen fünnen.
50. Diftanzreiten. Ein bejon:
ders reizvolles Gebiet des Reit—
fportes ift das Diftanzreiten.
Kur wer felbit einen Dauerritt
gemacht hat, weiß, welche Fülle von
Belehrung der Neiter aus den fich
dabei ergebenden Situationen zieht.
Im NRennfport mit feinen unſchätz⸗
baren erziehlihen Momenten ver:
mögen finanzielle Leiftungsfähiafeit,
die Inanſpruchnahme erftflaffigen
Perſonals 2c., in vielen Punkten
perfönliches Verſtändnis zu erfegen;
bier aber auf jolch längerem Diftanz:
ritt iſt es wie im Felde, „da tritt
fein anderer für ihn ein“. Bon
dem Aufichlagen eines falten Eifens,
das vor dem Antritt des Rittes
von dem Reiter erlernt werden
muß, bis zur Behandlung der
Sehnen mit Maffage und Banda:
gen, den Borbeugen von Drud:
fhäden, der Sorge un das Futter,
wenn die Freßluſt nachläßt oder
eine Kolif droht, — „auf ſich ſelber
ſteht er da ganz allein”.
Neben diejen favalleriftiichen Fak—
toren ift der ideelle Wert ſolch
reiterlicher Betätigung gewiß nicht
minder hoch anzuidhlagen. Ein
derartiger Nitt macht dem Diftanz-
reiter Anipruchslofigfeit zur Bes
dDingung; der notgedrungene Ber:
zit auf gewohnten Komfort ſchärft
den Blid für das Praftifche und
Naturgemäte. Und die Liebe zu
dem edeliten unferer Haustiere,
das dem Menſchen nicht Knecht,
jondern Freund fein follte, wird
wiederunt vertieft, wenn der Reiter
|
fich vergegenmwärtigt, daß fein treuer |
Begleiter es ift, der ihn zu jenem | der Zeitgewinn geftattet,
Frhr. 5. R. v. Eſebeck.
daß die heimatliche Scholle fo edles
Blut bervorbringt, und wenn die
Freude am Diftanzreiten allgemeiner
wird, fo werden aud materielle
Vorteile für unfere inländifche
Edelzucht daraus erwachſen. Trai:
nieren ift eine Kunft; ein Schema
läßt fi daher für die Vorbereitung
eines Diftanzrittpferdes nicht geben.
Die Bemeſſung des täalihen Ar:
beitspenfums wie der Futterration
wird fi in jedem einzelnen Falle
nad) der Individualität des Pferdes
und dem fpezialen Zmed der be:
ablichtigten Leiſtung richten.
51. Der Training. Die Vor:
bereitung eines Diſtanzrittpferdes
hat ſich auf drei Punkte zu er—
ſtrecken: das „in Kondition ſetzen“,
— damit zuſammenwirkend die Er:
nährung — Takt und Wecjel Des
Ganges (Tempos). Vorausſetzung
dabei iſt ein völlig geſundes Pferd,
das ſich bereits in guter Gebrauchs—
arbeit, wie nach einer Jagdſaiſon
oder dergl. befindet.
Die Grundlage des Inkondition—
ſetzens iſt eine tägliche langſame
Arbeit von 6—7 Stunden; von
diefer dürfen weder geicäftliche
noch gefellfchaftliche Verpflichtungen
den Neiter abhalten. Ausaiebige
Scrittarbeit ift für die Musfel:
bildung bejonders förderlih; aus
diefem Grunde ift der Schritt wäh—
rend der Vorbereitung fo frei wie
möglih zu reilen, mogegen man
bei der Prüfung felbit das Pferd
im Schritt niemals ireiben follte,
Statt deſſen reite man lieber einen
furzen Trab, bei dem dag Pferd,
feinem Gleichgewicht folgend, ohne
jede Anftrenaung 190 m in der
Minute zurüdlegt. Diefer Hunde:
trab gewährt dem Pferde die gleiche
Erholung, wie die Schrittreprife,
einige
Genuß verhilft. Eitt vollends der | Minuten zu halten und Zuder:
deutjche Reiter auf deutſchem Pferde, | waffer zu tränken.
jo wird er es mit Stolz empfinden, | die
Kommt es auf
Surüdlegung
einer großen
— — — — — — — — — ——
— PR = % en * = 4
I. 1. Reitſport.
Pr. 51.
Strede an, jo trabt man, um weit | digkeit, den Galopp zur Haupt:
ju reiten;
Schnelligkeit des Rittes an, fo trabt
man, um dem Pferde eine Erho-
lung zu gönnen; hieraus geht her:
vor, daß man in feinem Falle raſch
traben darf. Man vergegenmwärtige
fih nur das Bild eines Renntrabers.
der mit Hochgerifienem Kopf und
jteifem Hals den Kilometer in zwei
Minuten trabt; abgejehen davon,
daß es eine Dual für den Reiter
wäre, auf joldem Tiere einen
Diftangritt zu maden, wäre es
ausgefchlofjen, daß ein Pferd länger
als eine Stunde die Tempo aus:
hält. Der ftarfe Trab bedingt,
daß das Pferd feinen Schwerpunft
auf die Hinterhand wirft, um nicht
in Galopp zu fallen. Dieje Ueber:
laftung der Hinterhand, die das
gejamte Körpergewicht vorfchnellen
muß, jeßt die Muskeln der hinteren
Gliedmaßen in eine ftändige Span:
nung und erfordert einen ſolchen
Kraftaufwand, daß das Kintreten
von Blutzerjegung ſehr bald un:
vermeidli würde. Im Gegenfat
zu der oben gelennzeichneten Hals
tung des Traberg erreicht dag Pferd,
das mit tiefer Naje und hohem
Rüden ſchwungooll galoppiert, eine
größere Schnelligkeit bei weit ge⸗
tingerem Kraftverbraud, denn die
Zufammenziehung der Muslkeln,
löft fih in dieſem weichen durch⸗
läjfigen Galopp bei jedem Sprunge.
Um die Strede, die das Pferd mit
100 Gatoppfprüngen bededt, in der
gleichen Zeit zurüdzulegen, wären
150 Trabſchritte erforderlich, mit
anderen Worten, bei gleicher Ge⸗
fhwindigfeit werden die Muskeln
im Trabe um ein Drittel mal fo
oft gejpannt, wie im Galopp. Nur
jo erklärt es fih, daß Matches
zwifchen Trabern und Rennpferden
auf meitere Streden mit dem
Unterliegen der erjteren endeten;
und es folgt bieraus die Notwen:
fommt es auf die |gangart zu maden. Gewiß ijt die
Atmung beim Galopp eine be:
fchleunigtere, aber trogdem wird
aus den foeben geftreiften Gründen
eine Störung der Blutzirkulation
bier Später eintreten als im Trabe;
zudem ift es Sadje des Trainings,
dur Kräftigung der Lungen den
Zuftand der Atemlofigfeit hinaus:
zuſchieben. Ohnehin forgt aud
ſchon das Gelände dafür, daß das
Pferd nicht im Galopp überjagt
werde; da der Boden, melder
Steigungen oder dergl. aufweiſt,
den Galopp verbietet.
Während das Trabtempo bei allen
Pferden, ob Klein oder groß, edel
oder gemein, das gleiche jein jollte,
richtet fich im Galopp das Tempo nad)
dem Pferde. Normal ijt ein Ga-
loppjprung von 400 m in der Mi—⸗
nute. Während der Vorbereitungs=
periode muß der Reiter dag dem
Pferde zufagende Tempo heraus:
fühlen und durd) Gewöhnung feit:
legen; Zungentraft und Muskulatur
jolen fih fhon im Training nad)
diefem Tempo und nad) dem regel:
mäßigen Wechjel der Gangart bil-
den. Bei dem Ritt jelbft darf da:
ber nur fo wenig als irgend mög.
lih von dem einmal gefaßten und
der Arbeit zugrunde gelegten Bro:
gramm abgewichen werden. Wie
gefährlih ein plößlider Wechſel
des Tempo und ein unporher:
geſehenes Hinausgehen über die
durh das Training fichergeftellten
Leiftungen ift, lehren die Opfer
des Berlin: Wiener Rittes. Die
Mehrzahl von ihnen wurde dadurch
veranlaßt, daß man deutjcherjeits
auf eine Gefchwindigfeit von 10 km
die Stunde trainiert hatte und
während des Rittes, angefichts der
Starembergifchen Leiftuna auf Das
Doppelte ftieg. Bereitet das Ge—
lände uns einen unvorbergejehenen
Aufenthalt, den man durch Bejchleu:
Nro. 52.
nigung der Geſchwindigkeit - wieder
einholen muß, fo verlängere man
die Dauer der Galoppreprife, aber
niemal3 deren Tempo! Sieht man
ji veranlaßt, eine Galoppreprife
über die programmmäßige Dauer
auszudehnen, anjtatt 10 3. B. 15
Minuten zu galoppieren, jo muß
die durch einen längeren Trab
oder durch einen Augenblid des
Haltens audgeglichen werden. Durch
lange Zrabreprifen befommt Das
Pferd Hojen, während ausgedehntes
Galoppieren an der Hand die
Nieren und Lungen Träftigt, ohne
die Beine anzugreifen. Zu ver:
meiden ift der Galopp nur auf
hartem Boden; es wäre ebenfo
verfehrt, Hufe, Sehnen und Ge:
lente an die Erfchütterung gewöhnen
zu wollen, wie etma den Magen
an Hunger. Uebrigens erjchweren
harte Wege dem Pferde nicht die
Aufgabe, wohl aber tiefer Boden,
auf dem Ritt ſelbſt empfiehlt es
fich daher, auf der Mitte der Straße
zu galoppieren, wofern da3 Pferd
durchläſſig ift und in Haltung geht.
Das Pferd ſoll jo friſch als mög:
lih mit einem Weberjchuß an Kraft
und Elaftizität vor die Kraftprobe
geftellt werden.
Grundſätzlich follte die Arbeit
in den früheften Morgenftunden
und in einer Repriſe abgetan mer:
den; fordert dies fchon die Scho—
nung des Stallperſonals, jo ift noch
wichtiger, daß dem Pferde die zur
Aufnahme eines größeren Futter-
quantums unerläßlide Ruhe im
Stall gewährt werde. Auf dieſe
Meife gehandhabt, wird das Trai-
ning auch auf das Temperament
des vierbeinigen Kandidaten einen
günftigen Einfluß üben. Gänzlich
verfehrt wäre es, ein Spezialpferd
für Diftanzritte abrichten zu wollen.
Die Arbeit auf der Landitraße
muB durch Lektionen in der Reit:
bahn dur Springen an der Longe
|
|
Frhr. B. M. v. Eſebeck.
und im Gelände unter dem Reiter
unterbrochen werden. Die Ab—
wechſelung erhält das Pferd friſch,
wahrt ihm die Gehluſt, die der
Reiter nicht entbehren kann. Das
Pferd ſoll in ſeinem Herrn keinen
Tyrannen, ſondern einen Freund
ſehen; dieſer aber ſei bemüht, die
Perſönlichkeit ſeines Pferdes zu
wahren, nicht es zur bloßen Fort—
bewegungsmaſchine zu machen. Die
Hauptſache bleibt, daß jeder einzelne
Körperteil, jede Muskelpartie gleid)-
mäßig entmwidelt und die Arbeit
logiſch und konſequent gejteigert
wird,
52. Die Fütterung. Was die
Bemeffung der Nation betrifit,
dürften 16—17 Pfund Hafer und
3 Pfund Melaffe während der Bor:
bereitungszeit die normale Nation
fein. Die Melaffe ijt billiger wie
Zuder und wirft leicht abführend,
was fih im Haar vorteilhaft be:
merkbar madt. Der Zudergehalt
beträgt 40 °/,; jo daß mit 3 Pfund
Melafje das Pferd etwas über ein
Pfund Zuder in fih aufnimmt;
über dieſes Duantum pro Tag
binauszugehen, erfcheint wegen der
in der Melafjfe enthaltenen Kali:
falze nicht unbedenklich: diefe äußern
fh Shädlih auf Blafe und Ber:
dauung,.
Den Einfluß, den Atmung und
Blutzirfulation auf die Kondition
baben, muß durch die Ernährung bes
Pferdes Rechnung getragen werden,
d. h. während der ganzen Dauer
des Trainings — mie auch bei dem
Nitte ſelbſt — müffen dem Pferde:
förper ſolche Nähritoffe zugeführt
werden, die zur Blutbildung und
Musfelerzeugung beitragen. Nach
ihrem chemiſchen Charakter grup-
pieren fic die Futtermittel in: Ei-
weiß, Fettjtoffe und Kohlenhyprate.
Letztere beiden dienen der Blut:
bildung, während die Eimeißitoffe
jur Dedung des Muskelverbrauchs
II. 1. Reitſport.
Nro. 53.
dienen. In der Ruhe führt das | der verfteht e3, ein Pferd zu füttern,
But den Musfeln die
Stoffe zur Neubildung zu; werden
diefelben indefjen Durch die Schnellig-
feit der Bewegungen erjchöpft, jo
müffen fih die Muskeln aus ich
felbjt ergänzen, d. 5. aus den in
dem Zellgewebe befindlichen Eiweiß⸗
ſtoffen, dadurch würde die Energie,
die daS Pferd zu feiner Fortbewe—⸗
gung braucht, gebunden. Es folgt
hieraus, wie wichtig es ift, daß
dem Bferdeorganismus Kohlen:
hydrate zugeführt werden. Dies
gefhieht am beften durch Zuder,
ſowohl in reiner Form, wie in
Melaffepräparaten. Daneben jorge
der Reiter durh die Wahl und
Abwechfelung der Gangart und durch
die Haltung des Pferdes dafür,
daß die angefpannten Muskeln ſich
felbjt wieder löfen und reinigen.
Die Erfahrungen von Berlin: Wien
und Brüffel-Oftende haben gezeigt,
wie wichtig es iſt, daß der Reiter
den Organismus feined Pferdes
fenne; hätte man fi die Rolle,
die Blutzirfulation und Atmung in
diefem zu fpielen haben, mehr ver:
gegenwärtigt, jo wären ficherlich
mandhe jener traurigen Erfahrungen
nit gemacht worden.
Das Gefühl der Zufammenge-
börigfeit, das fi auf ſolchem Ritt
zwischen Roß und Reiter entwidelt,
läßt fi mit Worten nicht aus:
reihend fchildern. Das Bemußt:
jein der nie verjagenden Hingabe
von feiten des treuen Pferdes weckt
in dem Reiter ein blinde Der:
trauen in feinen vierbeinigen Ka:
meraden, zugleich aber auch jenes
Gefühl der Verantwortlichkeit, das
unentbehrlich ift, will er die
Yeiftungsfähigfeit des Pferdemate-
rials nicht unnötig auf das Spiel
jegen. Das Pferd gibt dem Reiter
jein Blut, fein Herz, feinen Edel:
mut, dafür follte diefer ihm feine
ganze Liebe geben. Wer dies tut,
nötigen | e3 zu reiten, zu ſchonen, der wird,
ohne e3 zu überanftrengen, von dem
Pferde Leiftungen erzielen, die nie:
mand zuvor geahnt hat.
53. Stallpflege. „Buben ift das
halbe Sutter“, das ift zwar eine
alte Stallvegel, aber id) möchte
doch warnen, diefelbe wörtlich zu
nehmen. Gerade mit Bezug auf
das Füttern gilt der Sprud: „Tel
maitre, tel valet!“ Nicht daß es
ein zuverläfjiger Pferdepfleger an
Pflicpterfüllung fehlen laſſen wird,
fobald das Auge des Herrn nicht
über ihm wacht, aber es muß be=
greiflicherweife die Freudigfeit des
Mannes dämpfen, wenn er fieht,
daß das Intereſſe feine Herrn
mangelt. Iſt aber der Wärter
nit mit feinem Herzen bei dem
Wohl und Wehe des ihm anver-
trauten Tieres, fo bat er feine
glückliche Hand, und der Beliter
des Pferdes wird fich bei Vorlage
der monatlichen Futterrechnung ver:
gebens fragen, wo die Wirfung des
vielen Hafers geblieben fei? Grund:
jaß follte eg jein, häufige und Fleine
Sutter zu verabfolgen; der gleich:
gültige Wärter aber jchüttet Die
Krippe bis zum Rande voll, was
häufig zur Folge haben wird, daß
das Pferd das Futter warm bläſt
und dann jtehen läßt. In jehr
vielen Fällen beruht der Mangel
an Freßluſt auf einem fehlerhaften
Zuftand der Zähne (Scieferzähne),
wovon man fi felbft mit der
Hand, oder, wenn ein Maulgatter
zur Stelle, au dur das Auge
überzeugen fann. Vermag man ſich
jelbft über das ſchlechte Ausſehen
des Pferdes nicht Rechenſchaft zu
geben, jo fäume man nidt, tier:
ärztliden Rat einzuholen; unter
Umftänden können auch Würmer
die Urſache des ſchlechten Futter:
zuſtandes fein. Oft wird jedod) die
bloße Beobachtung des Pferdes im
| a nn u ae Fr a Fe ee
Nro. 53.
Stalle genügen, um dem Herrn
über die mangelhafte Futtervermer:
tung Aufſchluß zu geben. Sind
die Pferde in 2osjtänden unter:
gebracht, fo ilt das Gefchäft des
Futterſchüttens jeher erleichtert;
andernfalls muß man Darüber wa-
hen, daß langſame Freſſer neben
ihren Nachbarn nicht zu furz kom—
men. Manche Pferde haben die
Angewohnheit, beim Freſſen das
Futter über ihre Bor oder den!
Stand auszuftreuen. Läßt jich dem
nicht durch Die Einrichtung Der
Krippe begegnen, fo bleibt nichts
5. Im Stalle.
anderes übrig, als aus einem Fre:
beutel zu füttern. Wenn irgend
angängig, gewähre man dem Pferd
einen 2osftand, der Strohverbraud)
iſt deshalb nicht größer; im Gegen:
teil, die Streu hält ſich in einer
Bor beſſer, al$ wenn das Pferd
angebunden ſteht. Hat man einen
Krippenſetzer im Stalle, jo heißt
es doppelt acht geben, denn Dieje
Tiere ſtecken voller Angemohnheiten
und Schrullen. Sp beſaß ich einen
Bollbluthengft, der nur auf Der
Halfterfette aufjegte, wurde er in
feiner Bor los gemacht, jo fam er
gar nicht auf den Gedanken, Einem
|
Irhr. B. R. v. Eſebeck.
anderen Tier, Das nur auf d
Krippe aufjegte, legte ich damit d —
Handwerk, dab nur zum Futte
Ihütten eine Krippe in die B
gefegt wurde — bei Pferden, d
ſchlecht verdauen, empfiehlt es fü
den Hafer quetfchen und den Hädj "
recht lang Schneiden zu Laffen; le
teres nötigt das Pferd, forafältig
zu fauen. Wejentlich für die Ve
dauung tft eine genügende Waſſe
aufnahme jeitens des Pferdes, Di
Tränfen jollte daher dem Futte
Ihütten ſtets voraufgehen, mind
jtens eine Vierteljtunde bis zwang
Minuten. Pferde, welche wen
‚ Saufen, Sind erfahrungsmäßtg ſchlech
NSuttervermwerter; ſolche Tiere jud
man durch häufiges VBorhalten de
Eimers zu einer vermehrten Flü
ſigkeitsaufnahme zu veranlaffen, -
‚Ber größeren Nitten empfiehlt «
jih, das Pferd beim Paſſieren di
teten Ortichaft vor dem Eintreffe
am Biel zu tränfen, andernfall
verjagt das Pferd häufig das ihı
vorgelegte Heu, ehe fein Durft ge
löjcht it. Neben der firippe bi
findet ſich in Mufterftällen ein
Zränfe aus Schiefer.
Für ein mittelgroßes Pferd dürft
eine Tagesration von 12 Pfun
Safer, 3 Pfund Heu und 5 Pfun
Stroh. ausreichend fein. Ein Tei
von legterem (bi 2 Pfund etwa
fann nad) Belieben auch als Häckſe
verabreicht werden. Im Winter ij
es angezeigt, die Raubhfutterratio!
zu vergrößern, während man in
Sommer die Haferration nad) Ve
darf vermehrt. Nach bejonderen
Anftrengungen, wie während Dei
Jagdſaiſon und vor einem Ruhe
tage, gebe man einen warmen Kleie:
tranf oder Leinſamen-Maſh. Wäh:
vend der Haarperiode empfiehlt jid
eine Sutterbeigabe, wie Mohrrüben;
Leinkuchen, Melafje oder dergleichen
welche die Verdauung fördert. Ueber⸗
haupt muß ſich während der Ueber:
*
Einfommen des Siegers Leutnant v. Schlotheim (Grenadier zu Pferd) auf Pascola.
II. 1. Reitſpork.
gangsperioden, namentlich im Früh:
jahr die Fürſorge für das Pferd
verdoppeln; vor allem iſt dasſelbe
während des Haarwechſels vor Er:
Nerv. 53.
fi beſſer und ift erheblich wohl:
feiler als das übliche Langſtroh.
Für völlige „Wechjelitreu” bin ich
aus den ſchon oben angedeuteten
fältung zu hüten. — Wil man | Gründen nicht. Die Torfmull: oder
im übrigen feinem Tiere eine Futter:
zulage gewähren, fo mag dies in
Geſtalt von Bohnen oder Erbien
geihehen; diefelben werden fomohl
in Wafjer gequollen und gefchrotet,
als auch im Driginalzuftand von
den Pferden gern genommen. Ganz
vorzügliche Refultate habe ich mit
dem Zufüttern von Malzkeimen er:
zielt ; koſtſpielig, aber für Die
Nusfelbildung und für den Glanz
des Haares gerade wundertätig ift
ein löffelweifer Zujag von Tropon-
pulver zu jedem Futter. Bei lau:
rigen FFreſſern verfuche mandurd) eine
Beigabe von Biehjalz die Freßluſt
anzuregen. Frißt ein Pferd über:
mäßig viel Stroh im Stalle, fo
jtelle man es im ſchlimmſten Kalle
auf Torfmull oder Sägefpäne. Die:
fen Ausweg balte ih immer nod
für menfchenfreundlier, als dem
Miffetäter dauernd einen Maulkorb
anzulegen. Derartige Maßregeln
gehören jedoch wohl mehr in den
Rennftal als in den Reitſtall,
ed fei denn, dab fie aus Spar:
jamfeit zur Anmendung kommen.
Cine jolde Matrage iſt erheblich
billiger ald eine Streuunterlage,
da diefelbe bei ſorgſamer Behand:
lung monatelang liegen bleiben
kann; freilich bedingt diefelbe ver:
mehrten Eifer von feiten des Stall:
perfonald, wenn anders das Haar
des Pferdes nicht leiden fol. Auch
eine fogenannte „Dauerftreu” aus
abgebundenem Richtſtroh kann bis
zu ſechs Monaten ungerüht im
Stalle liegen bleiben. Meine per:
fünliden Erfahrungen ſprechen für
eine Matrage von Torfmull oder
Sägemehl mit einer darüber ge:
breiteten Krummſtrohſchicht, die täg—
ih erneuert wird; dieſes ftreut
Sägemehlmatrage hat die unjchäß:
bare Eigenſchaft, die fih in jedem
Stall entwidelnden Amoniafgafe
zu binden; infolgedeflen berricht
in einem ſolchen Stalle ſtets aute
Luft und da die obere Strohſchicht
ftet8 trocken bleibt, jo ift der Stroh:
verbrauch ein viel geringerer. Se
mehr das Pferd durch die Witte:
rung auf den Aufenthalt im Stalle
angemiejen iſt, dejto mehr follte
man ihm die Wohltat frifcher Luft
zufommen lafjen.
Eine weiche aber trodene und
völlig geruchloſe Stallunterlage ijt
nicht nur für die Pflege des Hufes
infonderheit die gefunde Entwide:
lung des Strahles unerläßlidh, fon:
dern fie ift zugleich der wichtigfte
Faktor der Stallhygiene ; reine, ge:
junde Luft im Stalle hat ſich bis:
her ftet3 al3 der wirkſamſte Schuß
gegen infiziöfe Krankheiten erwiejen.
Menn das Trodenhalten und ein
tägliche8 Ernenern der Streu bier:
für Vorausſetzung ift, fo iſt es
nit minder eine ausgiebige Ven—⸗
tilation zu jeder Sahreszeit. Dies
jo nit etwa heißen, daß man
dag Pferd vorſätzlich der Zugluft
ausſetze, oder dagjelbe in der rauhe⸗
ren Sahreszeit nicht gehörig ein:
dede; letzteres ift Schon des Haares
halber geboten, um dem Pferde eine
glatte, glänzende Jade zu erhalten.
Sehr zwedmäßig ijt es, unter die
mwollene Stalldede eine leinene, ſo⸗
genannte Sommerdede zu legen,
weil dieſe dichter auf dem Haare
anliegt. Bei empfindlicher Kälte
während des Abhaarungsprozeſſes
und wenn das Pferd geichoren ift,
laſſe man dasjelbe auch während
der Nacht eingededt; es erfordert
dies freilih, daß man für jedes
4
Niro. 54.
Pferd zwei Garnituren Deden in
Gebraud nimmt, von denen man
die fchlechtere während der Nacht
auflegt. Für die Sicherheit der
Pferde rate ih von den Halftern
mit großen Schnallen ab; ebenfo
muß der Anbinderiemen (diefer tft
einer Kette vorzuziehen), am Ende
mit einer Kugel verjehen, frei durch
den Anbindering laufen, um jo:
genannte Kettenhangverlegungen zu
vermeiden. Am hübſcheſten und
für einen Pferdefopf am kleidſam—
ften find weiße Lederhalfter, die
nad) Bedarf getont werden, und
darum ſtets neu und Tauber aus:
jehen. Auch darauf ift zu achten,
daß die Obergurtfiflen hinreichend
gepolſtert find, nichts ift ärgerlicher
— und leichter zu vermeiden, als
ein Gurtdrud im Stall.
54. Einrichtung des Stalles.
Daß im übrigen bei der Einrid:
tuna und Ausſtattuug des Stalleg
alles jorgfältig vermieden wird,
woran das Pferd fich verlegen kann,
ſollte fih in einem herrſchaftlichen
Stalle von felbft verftehen, es er:
weiſt fih aber leider immer wie⸗
der notwendig, vor dem Gebraud)
eiferner Inſtrumente zum Reinigen
der Hufe und zum Auflodern der
Streu zu warnen.
Die Flankierbäume find mit Stroh
zu beflechten, Kaftenftände mit Stroh⸗
matten auszufchlagen; da legtere
leicht zu erneuern find, jo find ſie
entſchieden reinliher als die ele:
ganten Kokosmatten. Bei Sclä-
gern befleidet man die Zwiſchen⸗
wände des Kaftenftandes mit einer
mit Heu ausgepolfterten Sadlein=
wand; eine entfprechende VBorrich>
tung läßt fi auch an jedem loſen
Flankierbaum anbringen, um das
Pferd vor dem Futterneid des Nach⸗
barn zu ſchützen. Sit der Stall nicht
fehr geräumig, fo rate ich immer zu
Anbringung folder Flanfierbäume;
jo wünfchenswert es wäre, jedem
Frhr. B. A. v. Eſebeck.
Pferde einen Losftand zu gewäh⸗
ren, ſo jehr ift ein zu enger oder
nur mittelmäßig breiter Kaftenftand .
zu verdammen. Ein Vorſchlag, der.
von dem befannten SHippologen
Major a. D. Schönbeck rührt,
verdient meines Erachtens bei jeder
Neuanlage oder Erbauung eittes
Stalles berüdfichtigt zu werden:
Zweifellos würden Stalluntugen:
den, wie Schlagen, Weben u.f. mw.
nur noch in den jeltenften Fällen
auftreten, wenn nicht gar ganz ver:
Ihwinden, fobald man das Pferd
mit dem Kopfe nad) der Stallgaffe
ftelt. Als Beweis führe ich an,
daß der bösartigfte Rader im Los⸗
ftand lammfromm zu werden pflegt;
befanntli verfolgt dag Pferd in
der Bor alle Borgänge im Stalle,
anftatt ftumpfjinnig die Wand ans
zuftieren, und „Müßiggang ift aller
Lafter Anfang”.
Befindet fih die Krippe an der
Wand, jo muß dieſelbe (au Ze—
ment oder Eifen) möglichft tief an:
gebradit und in die Mauer hinein:
gelaffen fein, bezw. in einem maj-
fiven Krippentifch ruhen ; hierdurch
verhindert man jogleih, daß der
verftreute und aus der Krippe ge—
wilchte Hafer in der Streu ver:
loren geht, wie auch, daß das Pferd
Kopf und Mähne unter der Krippe
ſcheuert. Füttert man gebrühte
Kleie, Malzkeime oder derartige
Futterſtoffe, die leicht fauer werden,
jo ſei daran erinnert, daß die Krippe
niemals Futterrefte aufmweijen darf
oder auf dem Krippentifh. Sit
diefer aus Holz, jo ift es ratſam,
ihn mit Blech zu benageln; im
übrigen ſchützt man Holz durch
einen Karbolineumanftrich vor dem
Benagen ſeitens der Pferde. Eifen-
teile werden gegen Roft ſchwarz
ladiert.
Sn der Anbringung hübſcher
Namentafeln, aus denen die Ab:
ftammung des Pferdes erſichtlich,
er
II. 1. Reitſport.
verrät fi) das Intereſſe des Be:
ſitzers. Ebenſo charakteriſtiſch für
die im Stalle herrſchende Ordnung
iſt das Vorhandenſein eines Ther—⸗
mometers, eine Beſchlagtafel zur
Kontrolle des Beſchlages und einer
Futtertabelle, aus der die Futter—
zeiten und die verſchiedenen Tages-
portionen zu erfehen jind.
Bei Anlage des Dammes ift
darauf Rüdfiht zu nehmen, daß
die Pferde nicht auf demjelben
gleiten, was bei den furzen Wen:
dungen im Stalle feine Gefahr hat;
rauhe Klinferfliefen find in dieſer
Hinficht mohl das beite; zur Not
hilft man fi, indem man trodenen
Sand auf die Stallgafje freut.
Was unnatürlidh ift, ift ohne wei:
tere der Gefundheit ſchädlich; fo
werden die Hinterfefjeln übermäßig
angeftrengt; wenn das Pferd tag-
ein tagaus mit den Vorderbeinen
höher Steht als mit der Hinterhand.
Die „Brüde“ des Standes oder
der Bor muß daher volllommen
horizontal fein — am beften mit
tiefen gepflaftert — und darf nicht
nad dem Stalldamm hin abfallen.
Die Untugend des „Webens“ Hat
häufig ihre Urſache darin, daß der
Boden nicht horizontal ift.
Früher war es Sitte, den Stall
täglich längere Zeit dunkel zu ma—
hen; dies ift arundverfehrt: das
Pferd ift ein Gemohnheitstier und
wird auch am hellen Tage liegen;
ein dunkler Stall wird fat immer
warm und dumpfig ſein. Abgefehen
von dem freundlichen Eindrud find
Licht und Helligkeit ein weſentliches
Ingredienz der guten Luft im Stalle.
em belle Kacheln zur Bekleidung
der Wände zu teuer find, der be-
gnüge fih mit einem weißen Kalk—
anftrih, der mehrmals im Sahre
zu erneuern ift. Sim Sommer dämpft
man das Licht durch Fenftervorhänge
aus billigftem blauen Schweizer:
fattun, oder durch Anftreichen der
Nro. 55
Scheiben; es empfiehlt fich dies
nicht nur für die Augen des Pfer:
des, fondern auch zur PVerininde-
rung der Zliegenplage. Bei großer
Hitze habe ich durch Aufhängen einer
mit Waſſer geträntten Sadleinwand
in der Stalltüre vorzüglide Er:
fahrungen gemadt; troßdem die
Türe aud um die Mittagszeit offen
ftand, blieb die Temperatur im
Stalle beitändig angenehm.
55. Gefundheitspflege.. Was
die Gejundheitspflege des Pferdes
im Stalle angeht, fo erftredit fich
diejelbe, jomeit fie in den Händen
des Laien liegt, naturgemäß in der
Hauptſache auf vorbeugende Maß—
regeln. Waſchungen mit Fluidwaſſer
und darauffolgender Streichmaffage
nad der Arbeit angewandt, find
ein bemährtes Kräftigungsmittel für
Sehnen und Gelente. In der Be-
handlung angegriffener Beine fpielt
das Kühlen oder noch befler Dus
ſchen mit einem falten Wafferftrahl
eine Hauptrolle; ſchon aus diefem
Grunde darf in einem wohl aus:
gejtatteten Stalle die Wafjerleitung
niemals fehlen. Wa3 dag Banda-
gieren im Stalle anbelangt, fo gebe
ich zu bedenken, daß dasſelbe, wenn
nicht völlig einwandfrei ausgeführt,
eher ſchadet, wie nüßt. Iſt die
trodene Bandage zu feft angezogen,
jo erzeugt fie Blutjtodungen, und
bewirft dadurch gerade Anjchmel-
lungen, jtatt fie zu verhüten. Die
og. Prießnig oder Schwigbandane
wiederum wird wirkungslos, fobald
die Feuchtigkeit auß der leinenen
Bandage entweiht, und der Ver:
band nicht rechtzeitig erneuert wird.
Died tritt immer ein, wenn die
feuchte Binde durch die darüber be-
findlide mwollene Widel nicht ge-
nügend gegen den Zutritt der Luft
abgejchloffen ijt. Die Anwendung
ſolcher Maßregeln ſetzt daher nicht
nur großes Verſtändnis bei dem
Stallperſonal, ſondern auch eine
Nero. 56. Frhr. B.
RA. v. Eſebech.
intensive Beauffichtinung desjelben | die zu Umſchlägen benugten Zappen
voraus.
von Stallbandagen
Der dauernde Gebrauch oder Tücher tadellos ſauber ſein
verweichlicht müſſen, bedarf wohl keiner Erwäh—
überdies ein geſundes Bein in be- nung; dagegen ſei ausdrücklich vor
denklichem Maße und ſollte daher
tunlichſt beſchränkt werden. Sind
die Beine nach dem Reiten warm,
ſo bandagiere man ſie naß; die
Binde wird in Waſſer und Eſſig
getaucht (zu gleichen Teilen), der
Zuſatz von Eſſig erhöht die Kälte—
wirkung und härtet das Bein ab. |
reif: und Streihmunden müfjen
|
dem beliebten Talglappen gewarnt,
der in der Satteldecke eingenäht
wird. Kann man ausnahmsweise
dem Schadhaften Rüden nit Die
nötige Zeit zur Heilung laffen, fo
Ichneide man aus einer mindefteng
zwei Finger diden Filzdecke ein
Stüd heraus, jo daß die verleßte
Stelle freiliegt und gar nidt von
mit warmem Waſſer ausaewajchen ; dem Sattel berührt werden Tann.
und mit einer Veinfamenfomprefie
behandelt werden, die Heilung wird
durch Myrrhentinktur gefördert.
Sind die Verletzungen erniter
Natur, oder ift ein Gelenk in Mit
leidenschaft gezogen, Jo ift tierärzt-
lihe Hilfe in Anjprucd zu nehmen.
Letzteres wird nur allzu oft vers
abjäumt. Das Gebot, Schon bei
den eriten
franfung das Pferd aus den (Se:
brauch zu nehmen, follte unerbittlich
gefordert werden, jobald es ſich um
Verlegungen des Ruückens handelt.
Anzeihen einer Er=
|
Ganz tiderfinnig ift auch dag
leider faft noch allgemein übliche
Bearbeiten der erhigten Sattellage
mit Stroh, wodurd die ohnebin
empfindliche Haut unnötig gereizt
wird; man bediene fi) ftatt deſſen
eines weichen Frottiertuches aus
Naturmolle. Es liegt auf der Sand,
daß jpeziell die Behandlung der
Sattellage von Bedeutung ift und
entfprechende Sorgfalt erfordert.
Zehr günftige Erfahrungen habe
id — joweit die Jahreszeit eg
irgend a — mit kaltem
In jehr vielen Füllen wird nicht Abſchwammen des Rüdeng unmittel-
der Tierarzt,
jondern nur der bar nach den: Reiten gemadt. Nach
Sattler die Urſache eines Drud: größerer Anjtrengung nehme man
Schadens Eonftatieren können, denn | hierzu eine leichte Fluidlöſung.
Diele liegt in dem zerbrochenen oder
Ihadhaften Bock des GSatteld. Es
folgt hieraus, daß in diefer Hin:
fiht vorbeugende Wahregeln ganz
bejonders am Platze find: es ge-
|
56. Das Busen. Der Schwer:
punft der Ztallpflege liegt über:
haupt in der Abmwartung des Pfer—
des nach verrichteter Arbeit, womit
nicht etwa geſagt fein fol, daß ich
nügt nicht, daß der Neiter fih nad) ! gewöhnt bin, mich des Morgens
dem Nitt von der Behandlung des
Rückens überzeugt; die aufmerkjame !
Beauffichtiqung des Sattelns und
eine eingehende Ilnterjfuchung des.
Sattel muß des öfteren dem Nitte
voranageben. Sit das Unglück ein:
mal gejcheben, fo find warme Nom |
preſſen oder Prießnitzumſchläge Die
landläufiaften Mittel. Sofern die,
Haut unverlegt iſt, mag man die
Stelle zuvor mit Fluid oder Elli:
‚auf ein völlig ungepugted Pferd
zu feßen; aber es genügt, wenn
die Tiere am Morgen mit Kar:
tätiche und Wiſchtuch von dem ober:
flachlichen Etaube gereinigt werden.
Den ominöſen Striegel möchte id)
aus meinem einenen GStale am
liebften gänzlich verbannt wiſſen,
‚und ich alaube, wer edle Pferde
im Stalle hat, wird mir beipflich:
‚ten! Eine viel arößere Rolle, als
mans Embrokation einreiben. Daß i eg meist nod) geichieht, Hat bei der
II. 1. Reilfport.
Nro. 56.
Toilette des Pferdes das Wifchtuch | Schweif fpielt heutzutage nur noch
zu Ipielen; dies ift etwas, was wir | in Romanen eine Rolle und ift in
rüdhaltlo8 aus der oft mißverftan-
dnnen „engliſchen“ Stallpflege über:
nehmen jfollten.
Die Säuberung des Kopfes darf
nur im geringjten Maße mit der
Kartätihe und in der Hauptjadhe
nur mit einem leinenen bezw. wol⸗
lenen Lappen gejcheben. Selbft:
redend muß für die Reinigung
jedes einzelnen Teiles, der Augen,
Nüftern uſw. ein bejonderer Yappen
vorhanden fein, der peinlich fauber
gehalten und nie verwechjelt wird;
die allerjchärfite Kontrolle des Stall:
perſonals ijt in dieſer Hinficht
dringend geboten. War die Mähne
im Stall eingeflodhten, jo muß fie
vor dem Reiten mit der angefeudh:
teten Mähnenbürfte jorgfältig glatt
gebürjtet werden, wobei das Wafler
in der Bürfte feinerlei Spuren auf
Hals oder Wähne hinterlafjen darf.
Da man eine dünne feidige Mähne
al® ein Zeichen von Adel zu be-
trachten pflegt, jo zieht man Pfer⸗
den mit einer diden ftruppigen
Mähne diefelbe aus; dies muß
immer von unten gefchehen, ſonſt
ſtehen die abgebrochenen Haare in
die Höhe, was einen höchſt unſoig—
nierten Eindruck macht. Ueberhaupt
ſollte der Gebrauch eines Kammes
bei der Behandlung von Schweif
und Mähne lieber vermieden wer—
den und die Reinigung derſelben
nur mit Zuhilfenahme der Finger
und der Mähnenbürſte geſchehen.
Häufiges Anfeuchten der Mähne
und des Schopfes mit Waſſer iſt
für Lage und Wachstum derſelben
jehr dienlich; mindeftend einmal
wöchentlich laffe man eine gründ—
liche Reinigung mit warmem Waſſer
und Schmierjeife vornehmen. Die
Schmeifhaare müfjen mit der Hand
täglich glatt verlefen und vor dem
Reiten jtet3 von Etaubteilen, Spreu
ufmw. befreit werden. “Der wallende
meinen Augen ebenjo geſchmacklos,
wie die abgehadte Kübe. Gelbft-
redend ilt jedoch dDa8 Gebäude bein:
Reitpferd für die Schmeiftracdht
maßgebend; lange ſchmale Pferde
mit mattem Rüden werden 3. B.
durch einen kurz gehaltenen Schweif
voller und gejchlofjener erfcheinen.
Ob der Schmweif horizontal gejchnit-
ten wird oder ſpitz, d. h. nad) feiner
Haltung im Gange, ift Geſchmack—
ſache; bei Reitpferden freilich ift
das legtere üblich. Was das Ku—
pieren der Schweifrübe betrifft, jo
ist diefe Sitte ja aus England zu
ung herübergedrunnen und da ſich
neuerdings jenſeits des Kanals eine
energifche Bewegung gegen die Ber:
ftümmelung unferes edelften Haus—
tiereg geltend madt, fo jteht zu
hoffen, daß aud) hier zu Lande all-
mählih eine Reaktion diefer Ge—
ſchmacksverirrung eintreten wird.
Nichts verunziert ein Pferd ähnlich
und wirft ein gleich ſchlechtes Licht
auf die Stallpflege, wie Echeuer:
jtellen anı Schweif und Mähne;
die Entſtehungsurſache ift unmeiger:
lich Unſauberkeit.
Sind folde Etellen jedoch ein-
mal vorhanden, oder neigt ein Pferd
bejonders dazu, fich unter der Krippe
oder an den Wänden feiner Bor
zu fcheuern, fo muß eine fogen.
Schweif- bezw. Mähnenfappe zur
Anwendung fommen. In Ermange:
lung legterer tut es aud) ein najjer
Sad, der über die Mähne gebunden
wird. Hat das Pferd im Stalle
eine Halfter-auf, fo muß der An-
fat des Mähnenſchopfes, der von
den Genidjtüd des Halfters be-
det wird, öfters auf ſeine Nein:
lichkeit hin geprüft werden. Mangelt
diejelbe, jo pflegen Stallbedienjtete
dies mit Vorliebe damit zu ent:
ihuldigen, daß das Pferd „kopf—
ſcheu“ fei. In ſolchem Falle iſt
Nro. 57.
das Auge des Herrn jehr von nöten.
Beihäftigt man fich eingehend und
geduldig mit dem Pferde, gewinnt
man durch Liebkoſungen und Leder:
biffen, Mohrrüben, Zuder u. dergl.
jein Zutrauen, fo ilt dasſelbe ſtets
in gar nicht langer Zeit zu furieren;
Pferde, die hartnädig fopffcheu find,
d. 5. aus Bösartigkeit — gibt es
gar nicht, oder Doch nur jehr jelten;
von 100 Fällen liegt die Schuld
neunundneunzigmal auf feiten des
MWärterd. Eine Vorausſetzung da=
für, daß das Pferd fih willig am
Kopfe abpugen und anfaffen läßt,
ift die, daß es dort nie mit dem
Striegel malträtiert wird.
Ein großer, aber viel verbrei-
teter Unfug ift die Anwendung von
Huffämiere vor dem Reiten, um
den Hufen Glanz zu verleihen, wo⸗
durd aber nur dag Anhaften von
Schmuß an der Oberfläche des Hufes
befördert wird. Man begnüge ſich
v0: dem Ausritt damit, den Strahl
jäubern und den Huf gründlich ab-
wachen zu laſſen, dies wird nad
dem Reiten wiederholt und dann
der Huf mit reinem Schmeinefett
eingerieben; leßteres ift unentbehr-
lih, um dem Huf die nötige Feuch—
tigkeit zu erhalten. Das Polieren
der Hufe mit einem Holzſtab ijt
gewiß für die Sauberkeit des Tieres
Irhr. B. A. v. Eſebeck.
ſehr dienlich und gefällig für das
Auge, macht aber auf die Dauer—
den Huf allzu ſpröde. Abjcheuern t
mit marmem Wafler und Sand, t
von Zeit zu Zeit angewendet — :
ift vorzuziehen. Bei naffem Wetter b
und tiefen, aufgemweidhten Wegen 4
ift zur Verhütung von Mauke auf t
das gründliche Reinigenund Troden- |
reiben der Köten nad der Rückkehr
in den Stall befonderer Wert zu !
legen. Riffe und munde Stellen I
in der Fellelbeuge find mit einem
trockenen Desinfektiongmittel,Xodo= |
formpulver und dergl. zu behandeln; !
bei Maufe ift Die Anwendung von '
Kartoffelmehl ein bemwährtes Haus:
mittel,
Was die erfte Hilfeleiitung bei .
Kolikerkrankungen anbetrifft, fo emp= '
fehle ich dem Stallperfonal die mili= !
täriſche Anleitung zum Unterriht
für Fahnenſchmiede (Berlin, Mitt:
ler und Sohn) in die Hand zu
eben.
Selbjtredend läßt ſich Die gefamte
Stall- und Gejundheitspflege des
Pferdes nicht an diejer Stelle er-
ſchöpfend behandeln, die Fachlite⸗
ratur weift Werke darüber auf.
Vielleicht gibt da8 Geſagte dem
einen oder anderen die Anregung
zum Studieren derjelben, dann wäre
der Zweck diejer Zeilen erfüllt.
*
2. Rennſport.
57. Nationale Bedeutung. Die
Bedeutung einer leiſtungsfähigen,
auf die Produktion eines harten
und edlen Tieres gerichteten Landes⸗
pferdezucht für unſere nationale
Wehrkraft bedarf wohl keiner
näheren Beleuchtung. Trotz aller
Fortſchritte der Feuerwaffen und
„Pro patria est dum
ludere videmur.‘‘
der techniſchen Nacdhrichtenmittel hat
die Reiterei von ihrer Bedeutung
nichts eingebüßt; wohl aber hat der
noch in ftetem Zunehmen begriffene
Wirkungsbereih der Schußmaffen
für Kavallerie wie Artillerie die
Notwendigkeit gezeitigt, im feind-
lichen Feuer auch größere Streden
BE
me. Rennfport. ' Niro. 57.
ettet
Aus dem Album der Sportwelt.
6. Rennbahn.
Nro. 98. Frhr. B. A. v. Eleberk.
in Schärflter Gangart zurüdzulegen. alfo der Sport auf dem grünen
lleberrafhende8 Auftreten ift für Raſen die eingangs vorangeſchickte
die berittenen Waffen Borbedinaung Deviſe auf fein Panier jegen; dient
jeden Erfolges; weit umfafjende er doch einem hohen, nationalen
Umgebungen der feindlichen Flügel, Ziel. Ta aber das Rezept nod
Eilmärjche über Hunderte von Kilos nicht erfunden iſt, nad) dent eine
metern werden im Zufunftsfriege | Zucht nur Wutterftuten und Be—
für die großen Kavallerieförper und ſchaler Liefert, jo muß der „Turf“
die fie begleitende Artillerie an der auch den Nieten in der Zudt, d. D.
Tagesordnung fein. ur ein hart den nicht zur Einftellung als Eltern—
aufgezogenes Pferd von edlem Blut | tiere in die Geftüte geeigneten
wird Ddiejen Anforderungen ent: Produftendie Gelegenheitgemwähren,
ſprechen. Nimmt die Kaltbiutzucht
im Yande derart überhand, daß die
Nemontierung im Kriegsfalle auf
dag Ausland zurücdgreifen müpte,
jo hieße dies die Schlagfertigfeit
des Heeres in ernjter Weife ge=
fährden; darum hat der Staat in:
erſter Yinie die Verpflichtung, unſere
inländische Warmblutzucht auf der
Höhe zu halten. Die planmäßige,
von Zeit zu Zeit wiederholte Zu:
führung von Bollblut in unfere
einheimischen Schläge iſt unent—
behrlih. Die Erfahrung hat ge—
lehrt, daß ohne folde Blutauf:
friihung eine Halbblutzucht, ſelbſt
bei Benutzung auf XYeiftung ge:
prüfter Elterntiere und bei der här—
tejten Aufzucht ihren „Stahl“ über
vier bis fünf Generationen hinaus
nicht zu bewahren vermag. — So
viel, un auch dem Yaien die natio—
nale Bedeutung einer Bollblutzucht
zu veranjchaulichen. Ohne den
rüfftein der Rennbahn wird in-
deſſen auch das Vollblut gar bald
feinen GCharafter verlieren, gerade
diejenigen Eigenſchaften einbüßen,
die es in die Nemontezucht hinein:
pflanzen ſoll. Darum hat der Renn—
port nicht nur Eriftenzberechtigung,
Jondern er tft direft ein unentbehr:
licher, dDurc, feine andere Prüfung
zu erfeßender Faktor für die Bros
duftion eines friegstischtigen Alrmee= |
pferdes: ohne Vollblut feine Re—
‚ihren Hafer zu verdienen. Sn
diefem Sinne ift der Rennſport
aljo Selbitzmed, deshalb aber nicht
minder Dajeingberechtigt ; denn ohne
‚die Möglichkeit, die Ausfälle ihrer
Zudt auf der Rennbahn auszu—
nüten, würde die ohnehin ſchon fo
große Opfer erheiichende Produktion
von Vollblut fih für den Züchter
noch unrentabler gejtalten.
58. Zudtprüfungen. Die Zucht-
prüfungen im eigentliden Sinne
— der fogenannte „legitime Sport’
— jpielen ſich auf der Flachbahn
ab. Abgeſehen davon, da das
jugendliche Alter der zu prüfenden
Tiere eine Ausnutzung über Hinder-
niſſe nicht unbejchadet zuläßt, wäre
| das Nejultat bei einer Prüfung auf
‚der Dindernisbahn allzu häufig von
Zufälliafeiten abhängig, um einen
reellen Maßſtab zu liefern. Anderer:
jeit3 bedeutet eine reine Schnellig:
feitsprüfung, ſelbſt auf kurze Di—
ſtanz, und der durch eine ſolche be—
dingte ſcharfe Training für den
ganzen Organismus des jungen
Tieres eine Probe, die hinlänglich
die von dem Zuchtmaterial zu for—
dernde Widerſtandskraft der Kno—
chen, wie die für ein Vaterpferd
ſo wichtige Treue des Tempera—
mentes, die Geſundheit der At—
mungsorgane u. ſ. w. garantiert.
Die Wagenrennen der römiſchen
griechiſchen Sage zeigen, daß
montezucht, ohne Rennen aber kein ſchon das klaſſiſche Altertum die
Vollblut! Mit Fug und Recht darf Prüfung der Kriegsroſſe gebührend
IE. 2. Rennfport.
einſchätzte.
Nro. 59.
Mehr den Charakter | jährlich gelegentlich des „Crucis—
von Zucdtprüfungen dürften die | marktes“ (am Tage der Kreuz-
fhon in der älteften Zeit bei den
Arabern gebräuchlichen Matches ge—
tragen haben. Als die eigentliche
Heimat unſerer Rennen im heutigen
Sinne gilt allgemein England. In
das Mutterland des Sportes ſind
jedoch die Rennen auch erſt durch
römiſche Legionäre verpflanzt wor—
den, die während der Reſidenz des
Kaiſers Severus in Wort (206 big
210) auf arabijhen Pferden dort
Rennen abhielten. Intereſſant ijt
es — zumal bei dem heutigen
Stande unferer Zucht im Bergleich
zur englifhen — daß Hugo Capet,
der nachmalige König von Frank—
reih, feinem Schwager, König
Athelftan, Rennpferde deuticher Her:
tunft ſchenkte. Mit dem zunehmen:
den Import orientalijcher Pferde,
der Durch die Kreuzzüge neuen Im—
puls erhalten hatte, gewannen auch
die Rennen an Verbreitung und
Beliebtheit. Immerhin trugen die-
felben zu jener Zeit noch mehr den
Charakter von Volksbeluſtigungen;
erſt Karl II, der 1665 die ſog.
„Kings Plates“ — unſeren heuti⸗
gen Staatspreiſen vergleichbar —
ſtiftete, brachte durch eine Art
Reglement Syſtem in die Prüfun—
gen, ihnen dadurch einigen Wert
für die Zucht verleihend. 1727
erſchien zum erſtenmal der für alle
Länder vorbildlich gewordene eng—
liſche Rennkalender.
59. Entwicklung des Renn—
ſports in Dentſchland. Auch in
Deutſchland kamen bereits zu Aus—
gang des Mittelalters Pferdewett—
rennen auf, die zu Ehren fremder
Fürſtlichkeiten, beiden Vermählungs-
feſten hoher Adeliger, aber auch
bei allgemeinen Volksfeſten zur Er—
höhung der Kurzweil abgehalten
wurden. So berichtet eine Bres—
lauer Chronik aus dem Jahre 1531
von einem Pferderennen, das all:
erhöhung, 14. September) dort
ftattfand. Ebendort erftritt 1553
Erzherzog Ferdinand beim Wett—
rennen einen vergoldeten Kredenz-
becher. Ueberhaupt handelte es
fid bei den hippifchen Kämpfen
jener Zeit, um mich gemäß unferen
heutigen Begriffen auszudrücken,
um „Herrenreiten”. Die Ehren
preife freilid muten für unferen
modernen Gejchmad ein wenig felt:
fam an. So wird in einem „Renn—
bericht” von 1552 der Wert eines
Rennens wie folgt angegeben: ein
Ochſe (dem Sieger), eine Büchfe,
eine Sau. Ein andermal waren
„ein Becher, 30 Taler an Wert“,
10 Ellen Sammet und 10 Ellen
Damaft ausgejegt. Noch 1724
wurde in der ſchleſiſchen Hauptſtadt
ein Rennen um „einen Ochſen,
einen Karabiner und ein Ferkel“
gelaufen. Bon Berufgreitern, Renn-
farben, Gewichtsausgleich und all
den Formalitäten de3 modernen
Rennbetriebe8 war naturgemäß zu
jener Zeit noch feine Nede; doc
wird Schon in Aufzeichnungen des
Sahres 1638 eine „Wettlauford-
nung” erwähnt. Nach diejer war
die Benüsung eines Satteld ver:
boten; die Reiter mußten beim
„bochedlen und gejtrengen Rate‘
der Stadt die Erlaubni3 zur Teil-
nahme an dem Rennen nachjucen;
war dieſe erteilt,” fo wurden
die nunmehr fonfurrenzberechtigten
Pferde durch ein rotes Wachsſiegel
am Mähnenſchopf bezeichnet. Der
Start ſcheint in der Weiſe vor ſich
gegangen zu ſein, daß an dem durch
eine Säule bezeichneten Ziel ein
Schuß gelöſt wurde, worauf ein bei
den Reitern aufgeſtellter Schütze
am Ablaufpfoſten antwortete. Die
Entwicklung des deutſchen Renn—
ſportes, wenn man dieſe Bezeich—
nung überhaupt auf die hier ſoeben
Nro. 60.
gekennzeichneten Wettfämpfe an
wenden darf, erfuhr durch die Wir-
Frhr. B. AR. v. Efeberk.
mann, Herr v. Biel-Zierom,
benugte feine durch Heirat ge—
ven des Dreißigjährigen Krieges eine ſchloſſenen Beziehungen zum Mutter-
nadhaltige Unterbrehung. Auch in
der Folge dürften die Wettrennen
immer jeltener geworden jein, in
dem Maße, als die friderizianijchen
und jpäter die napoleonijchen Kriege
ven Pferdebejtand unjeres Bater-
landes gelichtet haben.
60. Einfluß des Nennjports
auf die Landespferdezudt. Grit
im zweiten Jahrzehnt des vorigen
SahrhundertS fanden Nennen nad
engliihem Mufter und mit der aus—
gejprochenen Beftimmung, der He:
bung der Pferdezucht zu dienen, bei
uns wieder Eingang. Das Land
der Obotriden darf den Ruhm für
ih in Anfpruch nehmen, die Wiege
des deutſchen Nennjportes (im
heutigen Sinne) beherbergt zu
haben. Ein medlenburgiicher Edel:
(ande der Vollblutzuht, um eng:
liſches Zuchtmaterial in feine Hei—
mat einzuführen. Sein Beifpiel
fand verjtändnisvolle und begei-
fterte Aufnahme bei vielen jeinen
Nachbarn, wie den Grafen Hahn,
Pleſſen, Bafjemwig, Baron
Malkahnu.a., jo entjtanden in
jener Zeit die Geftüte in Baſedow,
JIvenack, Walfendorf u. j. w., damit
war der Boden, ja ſchon das Be—
dürfnis für rennmäßige Prüfungen
der jungen Zucht gefchaffen. Wieder-
um war es hier der Geſtütsherr
von Zierom, der dem jungen Sport
die Wege ebnete, jeine jenjeit® des
Kanals gewonnenen Eindrüde und
Erfahrungen in den Dienft der
Allgemeinheit ftellte. Ein befon-
deres und bleibendes Verdienſt er—
7. „Ein frappes Ende”,
UT. 2. Rennſport.
ro. 61.
warb fich der „engliihde Baron”, | Grafen Renard, Hendel, Ba:
wie Biel ſcherzweiſe von feinen Iron Falkenhauſen u. a., die
Landsleuten genannt wurde, um Die
Begründung und Entmwidlung des
Dobberaner Meetings, dad damals
ſchon alljährlih eine große Zahl
fürftlider Gäjte neben dem geſam⸗
ten Adel des Landes in dem
medlenburgiihen Seebad „Am
Damm“ vereinigte. Das „Alexan⸗
drinen-Rennen”, um den zum erſten⸗
mal von der damaligen Erbgroß-
herzogin, der Schweiter Kaijer
Wilhelms I, geftifteten Gold:
pofal, das noch heute gelaufen wird,
übte damals ſelbſt auf die Sports⸗
men und SHerrenreiter Englands
Anziehungsfraft.
Neben Doberan waren in jenen
Kindertagen des deutjchen Nenn:
jporte3 die Rennbahnen in Celle
und Neuftadt a. D., wo damalß die
jpäter nad) Gradig verpflanzte Voll:
blutzucht betrieben und ein fiskali—
ſcher Rennſtall unterhalten wurde,
von meitergehender Bedeutung.
Damald mandten fi die Aus
fchreibungen des Rennfportes nicht
jo augßfchließlih wie heute an die
Fachkreiſe im ftrengen Sinne. Es
gab fein Meeting, an dem nicht ein
„Rennen der Landleute” oder „für
xandwehrfavalleriepferde” zum Aus⸗
trag kam; häufig ſtand auch ein
Wettfahren oder eine Zugprüfung
für Laſtpferde auf dem Programm.
Zweifelsohne trugen derlei Kon—
kurrenzen dazu bei, das Intereſſe
an den Vorgängen auf der Renn—
bahn zu verallgemeinern. In dem
Maße, als der Rennſport fich heute
nur an die eigentlichen Fachkreiſe,
Züdter, Ofſiziere, Sportsmen,
wendet, verfolgt das große Publi-
fum die Vorgänge auf dem Turf
mit geringerem Intereſſe — jehr
zum Schaden der Sadıe.
Nächſt Medlenburg war e8 Schle:
fien, wo die deutſche Vollblutzucht
Wurzeln flug; bier waren es die
fih um das Aufblühen des Renn-
iporte8 ein Verdienſt erwarben.
Allein die Damals gebrachten Opfer
find zum großen Teil vergeblich
gemwejen; fie haben es nicht ver-
modt, die Vollblutzucht bei ung
lebensfähig zu machen.
61. Die deutſche Vollblutzucht.
Bon den in jener Zeit begründeten
Geftüten, deren Produkte Jahr:
zehnte hindurch auf den deutjchen
Rennbahnen ihrer Zuchtitätte einen
rühmlichen Namen gemacht haben,
ift heute kaum noch eine einzige im
Betriebe. Gewiß ſchweren Herzend
fahen fih die Söhne und Entel
jener Begründer des deutſchen
Rennjportes, die durch Stellung
und Tradition zur Pflege der Voll:
blutzucht berufen jchienen, gezwun⸗
gen, ihrer Bafjion zu entjagen und
fih vom Turf zurüdzuziehen. Ge:
wiß trug hieran die von Sahr zu
Jahr wachſende wirtſchaftliche Not-
lage unſeres Großgrundbeſitzes einen
weſentlichen, wenn nicht den weſent⸗
lichſten Teil der Schuld; allein der
unverkennbare Rückgang in Deutſch⸗
lands Vollblutzucht war auch in der
Sache ſelbſt begründet, d. h. in den
ſchwierigen Verhältniſſen, mit denen
der deutſche Rennſport noch bis vor
kurzem um ſeine Exiſtenz zu ringen
hatte. Vollblutzucht und Rennſport
ſtehen nun einmal in fo enger Be—
ziehung zueinander, daß es auch an
diefer Stelle nicht möglich ift, den
einen zu betrachten, ohne feinen
Einfluß auf die andere, wenn aud)
nur furz, zu Streifen.
Es läßt fih nun einmal nicht
leugnen, daß unjere einheimijche
Bollblutzucht dem klaſſiſchen Blute
anderer, von der Natur mehr be:
günftigter Länder nicht ebenbürtig
ift. Selbſt die größten Geldopfer
werden nicht im ftande jein, den
Einfluß der Scholle, d. 5. der
ro. 62,
Weide, auf dem 3. 3. das Boll:
blutfohlen in Irland aufwächſt,
auszugleichen. Man fanın auch nicht
überall Wein bauen, und ebenfo=
wenig Tann man auf jedem Boden
ein Blutpferd züchten! Das ift
eine Wahrheit, zu der ſich unfere
Züchter — zu ihrem eigenen Scha—
den! — nur fehr ungern befehren.
Zu dieſen Faltoren, die bei der
Aufzucht des jungen Tieres von
nahhaltigem Einfluß find und die
dazu beitragen, es frühreif und
widerjtandsfähig zu machen, fommt
der Umftand, daß das mildere
Klima in anderen Ländern den bei
uns erſt erheblich jpäter einjegenden
Training bedeutend erleichtert; dies
allein genügt 3. B. ſchon, nm die
alljährlich bei dem internationalen
Meeting in Baden-Baden zutage
tretende Weberlegenheit der fran-
zöfifchen Vollbiutpferde zu erklären.
Die hier angeführten Tatjachen
haben u. a. zur Folge gehabt, daß
bis in die jüngite Zeit die ge=
ſamten Hindernisftälle ihr Material
faft augichließlid) der ausländifchen
Zucht entnahmen. Die in den
eigentlihen Zuchtrennen erprobte
Auslefe der einheimifchen Geftüte
wird Ddiefen zur Berwendung als
Giterntiere wieder zugeführt; blieb
für die Hindernisftälle, aljo gerade
für Diejenigen Rennſtallbeſitzer,
denen die Yetätigung auf dem Turf
nur Sport ift, der Ausſchuß unferer
Zucht, der folange die Hindernis:
rennen für Pferde aller Länder
offen waren, nur geringe Ausficht
hatte, mehr als jeinen Hafer zu
verdienen. Gerade für dieſes über:
Shüfftge, zur Zucht untaualiche
Material einen Abfag zu Tchaffen,
wäre Sache des Hindernißjporte8.
Seitdem die Jahr für Jahr id)
wiederholenden Niederlagen unferer
deutfchen Zucht in den internatio-
nalen Konkurrenzen die Aufmerf-
famfeit der höchſten Stelle im Lande
Frhr. B. A.
v. Eſebeck.
auf den Niedergang der deutſchen
Vollblutzucht gelenkt hat, weht ein
friſcher Zug über dem deutſchen
Turf, der auch die Segel der Voll—
blutzüchter mit neuen Hoffnungen
füllt. Durch die Bevorzugung der
Snländer, denen in Zukunft auch
der größte Teil der Hindernis:
rennen rejerviert bleibt, ſoll die
Nachfrage nad) inländischen Boll:
blutpferden belebt und dadurd) die
Rentabilität der Zudt gehoben
werden. Allein vorerft ijt nach den
Jahren des Niederganges aud in
quantitativer Hinſicht das Angebot
jo gering, daß die Preiſe für gute
Inländer, die nach ihren Leiftungen
in einem Flachrennſtall auch eine
„Form“ auf der Hindernisbahn zu
verjprechen Jcheinen, das Zahlungs
vermögen der kleinen Hindernis:
ftälle, Offiziere und Amateurjport3-
men, meilt überfchreiten; auf die
Flachſtälle bleiben aber die Züchter
wie die Bejiger der Hindernisjtälle
nach wie vor angewieſen; denn von
den erfteren ift nicht zu erwarten,
daß fie das junge Wollbfutpferd
bis zur Abgabe an den Hindernis:
ftall drei Jahre lang unausgenugt
füttern; für jene aber würde dies
den Anfauf eines Drei- oder Bier:
jährigen aus Züchterhand in einer
Weiſe verteuern, die zu den Ge-
mwinnausfichten in feinem Berhält-
nis Steht. Die Frage, ob es nicht
auch im „legitimen Sport”, d. h.
auf der Flachbahn, am Platze fei,
im Interefje der Entwidlung des
fünftigen Zuchtmaterials dieſes erjt
in jpäterem Alter auf der Renn—
bahn zu prüfen, zum mindeften die
Prüfung der Zweijährigen auf das
Ende der Saifon zu verfchieben, tft
gegenwärtig in Fachkreiſen Gegen:
ftand lebhafter Disfuffion.
62. Nennen für Zweijährige.
Einen in der englifchen Vollblut-
zucht zu Ffonftatierenden Rückgang,
der in dem Erterieur, wie in den
Il. 2. Rennſport.
Nro. 63.
Zudtleiftungen der Pferde zutage | ift noch eine durchaus offene Frage,
tritt, will man mit dem Ueberhand⸗
nehmen der zweijährigen Nennen
bearünden. Das Bollblutfohlen,
deſſen Alter von dem erſten Sanuar
feine8 Geburisjahres ab gerechnet
wird, wird bereitö als „Jährling“,
nämlich im Spätherbit feines erjten
Lebensjahres eingebrochen, d.h. an
Sattel und Zaum gewöhnt. Im
folgenden Sahre beginnt dann der
Ernſt des Lebens; und im Suni
betritt der Zmeijährige bereit3 den
arünen Rafen, um fid) mit feinen
Altersgenofien zu mefjen, allerdings
zunächſt nicht über eine Entfernung
von 1200 m und nur unter 55 kg.
Die bedeutfamfte Prüfung unferer
Zweijährigen iſt das Baden:Badener
Zukunftsrennen, das über die Di—
ſtanz von 1200 m alljährlich im
Auguft gelaufen wird. Der Aus:
gang desjelben, im Verein mit dem
„Breis des Winterfavoriten”, der
während des Oktober-Meetings in
Köln zur Entſcheidung kommt,
pflegt auf die Ausfichten des Fünf:
tigen Derby:Sahrganges ein Licht
ju werfen. Gemiß wäre c3 für
die Konftitution des jungen, noch
in der Gntmwidelung begriffenen
Tiere3 nur vorteilhaft, wenn die
Zweijährigenprüfung erft möglichſt
jpät im Jahre erfolgte; wenn nicht
gar ganz unterbliebe; allein es ift
nur die Elite der Nachzucht, die
dermaleinft wieder ind Geftüt zu:
rücdfehrt ; der Reit des Sjahrganges
aber Tann nicht, wenn ich jo jagen
darf, feinem Züchter auf der Taſche
liegen, bis fich in einem Hinderni3-
ftau ein Abnehmer findet. Darum
haben die AZmweijährigen : Nennen
ſchon um ihrer jelbit willen Be:
rehtigung. Cine Prüfung auf
längerer Diſtanz würde freilich
“ grade diejenigen Eigenjchaften auf
die Brobe ftellen, die der Vollblut:
tegenerator in die Landespferdes
zucht hineinpflanzen foll; allein es
ob bei der Produktion eines Haupt:
beihäler® für die Halbblutzucht
Stehvermögen oder das Blut einer
sliegerfamilie zu bevorzugen fei.
Ein Fachwerk allerneueftenDatung*)
bringt die Tatſache, daß troß Der
Vergrößerung der englifchen Boll:
blutzucht, die Beiſpiele für hervor:
ragende Rennleiftungen in höherem
Alter jeit Mitte vorigen Jahrhun⸗
dert3 immer feltener werden, mit
dem Ueberhandnehmen der zwei:
jährigen Rennen in Berbindung;
dabei bleibt jedoch unberüdfichtigt,
daß die wahre Urfache diefer Er:
Iheinung in dem veränderten Zudt:
betriebe liegt: Mit der wachjenden
Ausdehnung der Zucht nämlich
ftiegen auch die Dedtaren, fo daß
es rentübler wurde, einen Hengſt,
der fih auf der Rennbahn nur
einigen Ruf erworben hatte, bald
aufzuftellen, als ihn weiter im
Rennſport aufzunügen. Schon aus
diefen Grunde und noch viel mehr
im Hinblid auf die Erfahrung, daß
daß dritte Lebensjahr das günfligfte
Alter für die Bededung der jungen
Mutterftuten it, erfcheint der fonft
an fi fehr jympathifhe Gedanfe
nit ausführbar, das zur Zudt
beitimmte Material noch über das
vierte Jahr hinaus auf der
Rennbahn zu prüfen. Nach Band
XVIII des Geftütsbudhes wurden
1079 Stuten bereits dreijährig ge:
det, nur 630 erſt vierjährig.
63. Die Hafüfchen Prüfungen.
Das cigentliche, für die Zucht—
qualität entſcheidende Prüfungsjahr
der jungen Hengite und Stuten,
ift fomit das dritte, das fogen.
„Derby-Jahr“, fo genannt nad) der
wichtigſten unferer klaſſiſchen Prü—
fungen, dem in Hamburg-Horn über
den 2600 m-Kurs gelaufenen Derby,
*)N v. Dettingen, „Zucht des edlen
Pferdes.“
RK.
Nro. 63.
das alljährlich ausgangs Juni zur
Entiheidung fommt und die beiten
Vertreter der einheimijchen.wie der
öfterreichifch-ungarifhen Zudt am
Ablauf zu fehen pflegt. Die Ein:
leitung zu den klaſſiſchen Kämpfen
des Derby-Jahrganges bildet Die
„Union“ (Wert 30000 ME.), die
im Juni auf der Bahn des Union:
Hub in Hoppegarten gelaufen wird.
Zum letztenmal meſſen ſich die
Altersgenoſſen im „St. Leger“ zu
|
|
Frhr. B. N.
v. Eſebeck.
alljährlich auf dem Programm der
deutihen Rennkampagne wieder:
fehren, und auf die Bezeichnung
„klaſſiſch“ Anspruch erheben dürfen,
weil fie die Elite der Flachrenn—
jtälle zu vereinigen pflegen, und
dadurch für die Einſchätzung des
demnächſtigen Zuchtmaterial3 Be:
deutung erhalten, fo der „Grobe
Preis von Berlin”, der „Schwaben:
preis in Stuttgart“, „Bayernpreis
in Münden”, der „Große Hanſa—
ID
N Pr a Zn
—— Se * FR; — —
Aus dem Album der RER
8. Morgenarbeit.
Hannover (Wert 30000 ME.), das
mit feinen 2800 m das GStehver:
mögen auf die Probe ftellt. In
allen Zändern, in denen von Rent:
fvort und PVollblutzudt die Rede
ift, gilt der Wurf nad) dem „blauen
Bande”, wie man nad) engliichem
Borbild die vornehmfte Dreijähri:
gen-Prüfung zu nennen pflegt, dem
Züchter als Biel feines höchſten Ehr:
aeizes. Sm „peutjchen Derby“
bat diefer Ruhm für den Sieger
einen höchſt realen, aber darum
nicht minder angenehmen Beige:
ſchmack in Höhe von 85000 Mark.
Neben den drei genannten Prü—
fungen gibt es noch eine ganze
Reihe von Ausfchreibungen, Die
preis in Horn” u. v. a.
Neben
der Derbybahn in Horn bei Ham-
burg und der Bahn des Unionflubs
in Hoppegarten find die Nennpläße
in Gotha, Frankfurt a. M., Köln
und vor allem die Bahn des Inter⸗
nationalen Klubs im Dostal Schau:
plat der bedeutſamſten Ereigniſſe
unſeres legitimen Sports. Neben
den vorgenannten Konkurrenzen
jind alle „Staatspreife” Zuchtprü—
fungen im eigentlien Sinne, d. h.
die Nennen um Staatspreije find
nur für Hengjte und Stuten in:
ländifcher Herkunft offen. In den
Rennen für Pferde gleichen Alters
tragen Hengfte zweijährig 55 kg,
dreijährig 57 kg, vierjährig 62 kg;
II. 2. Rennlporf.
Stuten, bezw Walache tragen in
allen Slachrennen 1'/, kg weniger.
In den Altersgewichtärennen für
Pferde verfchiedenen Alters richten
fih die von der Skala des Renn⸗
reglement3 vorgejehenen Gemwidht3-
unterſchiede der einzelnen Alters:
jtufen nach der Diftanz des Rennens
und dem Alter der zu prüfenden
Tiere; dergeftallt, daß die Erlaub:
nis, die das jüngere Pferd von
dem älteren erhält, mit der zu:
nehmenden Gntfernung wädjit,
während mit der fortjchreitenden
Saifon die Gewichte der jüngeren
Pferde fi erhöhen.
64. Herrenreiten. 3 liegt
in der Natur der Sache, daß die
Zuchtprüfungen in der Regel von
Sodens, d. h. von Berufsreitern
zu reiten find ; Herren würden ſelbſt
bei den größten Selbftfafteiungen
ihr Gewicht faum auf das für Drei-
jährige vorgefchriebene Maß herab:
drüden fünnen. Für ältere Pferde
gibt e3 indefjen auch auf der Flach:
bahn Konkurrenzen, die als Herren-
reiten ausaeichrieben find, fo 3.8.
da8 im Zeichen des Offizieriportes
ftehende Prinz von Preußen-Rennen
in Hoppegarten, das Silberne Pferd
in Breslau, die Silberne Beitfche
in Hamburg: Horn und das Dobe:
raner Alerandrinenrennen. Selbft:
redend bedeuten dieſe Augfchrei-
bungen nidt eine Prüfung für
Zudtmaterial, fondern fie dienen
den Bereinen lediglich ala Attraftion
für das Bublilum, das bei ung in
Teutfhiand von jeher an den
Herrenreiten mehr Gejhmad findet.
Indireft fördern diefe Prüfungen
infofern auch die Zucht, als fie dazu
beitragen, den Abſatz der Geftüte
zu erweitern. Die Offiziere, die in
Deutihland das Hauptfontingent
der Herrenreiter ftellen, reiten in
Uniform. Die den bürgerlichen Be:
rufsfreifen entftammenden Herren:
reiter, die zur Ausübung des
Niro. 64—66.
Sportes beim Unionflub eine Le:
gitimation nachſuchen müffen, reiten
ebenjo wie die Sodeys im „Dre“,
— ber buntfarbigen Seidenblufe
und Kappe — wobei der Reiter,
der ein in fremdem Beſitz befind-
liches Pferd fteuert, die Farben des
betreffenden Stalles zu tragen hat.
Berftöße hiergegen werden nad) dem
von allerhöchiter Stelle genehmigten
Rennreglement mit hoher Geld—
ftrafe geahndet. Bei der Anmel—
dung eines jeden Pferdes zum
Rennen muß ein zuverläffiger Nad):
weiß feiner pdentität geführt wer:
den; zu diefem Zwecke muß jedes
im Inlande gezogene Boll» oder
Halbblutpferd, ebenfo die aus dent
Auslande eingeführten, um die
Konkurrenzberechtigung aufdeutichen
Bahnen zu erlangen, in die Liſten
des Unionflubs eingetragen werden.
Mer biergegen verftößt, ein Pferd
unter falfhem Gewicht ind Rennen
fhidt, feine Konkurrenten durd
Kreuzen behindert, eine falſche Bahn
einfchläat oder dgl. wird disquali—
fiziert, d. 5. des Sieges verluftig
erflärt.
65. Gewichtsausgleid. Um
das von der PBropofition verlangte,
bezw. nad) der offiziellen Gewichts
tabelle vorgefhhriebene Gewicht zu
erreichen, müjlen die Reiter „totes
Gewicht“ aufnehmen; dies geichieht
in Gejtalt von Bleiplatten, die an
der Satteldefe in Tafchen unter:
gebracht werden. Bor dem Rennen
wird jeder Reiter mit feinem Sattel:
zeug abgemogen. Die Reiter ver
plazierten Pferde, denen laut Ric):
terſpruch ein Preis zufällt, müſſen
fih nad) dem Baffieren des Sieges—
pfoftens noch zurückwiegen laſſen;
diefe Kontrolle fol verhindern, daß
ein Reiter etma durch Fortwerfen
des toten Gewichtes während des
Rennens feinem Pferde eine Er⸗
leichterung verſchafft.
66. Start. Da in den Kennen
Rro. 67—68.
Frhr. B. A. v. Elebeck.
iber eine kurze Diſtanz häufig ſchon freier Zunge, aber in gutem Futter:
der Start, d. h. ein beim Ab:
Ipringen erwiſchter Borteil den
Ausfchlag gibt, fo hat fih, um Die
Neellität der Zuchtprüfungen zu
garantieren, für die Flachrennen
der Start mit der Maſchine einge-
bürgert. Dieſe verhindert, daß der
geübtere und rückſichtsloſere Reiter
fih beim Ablauf einen unerlaubten
Vorteil verfchafftt. Durch ein über
die Bahn gejpanntes Netzwerk wer:
den die Pferde in Reih und Glied
gehalten, bis der Starter dasfelbe
durch Drud auf einen eleftrifchen
Knopf hochichnellen läßt. In den
Herrenreiten und in den Hindernis-
rennen, bei denen der Start infolge
der meiteren Diſtanzen und ber
durh Die Binderniffe bedingten
Smifchenfälle nit von fo aus:
ſchlaggebender Bedeutung ift, bat
fih noch das alte Verfahren des
„Tiegenden Starts” erhalten, bei
dem der Starter die Neiter in einer
Linie auf fih zufommen läßt und
nad der Frage: „Sind die Herren
fertig?” durch Senken der roten
Starterflagge das Zeichen zum Ab-
fpringen gibt.
67. Amerikanifche Weit: und
Training Methode. Cine epoche-
machende Ummälzung aud in den
Rennbetrieb des Kontinents brachten
die Amerikaner mit ihrer Reitmweife,
wie durch ihre Trainingmethode,
denen es gelang, den biäher als
Borbild geltenden Engländern den
Rang abzulaufen. Das Charatte:
riftiihe des amerifanifhen Trai—
ningverfahrengs ift daS Galoppieren
nad der Uhr, wodurch der Reiter
in den Stand gefegt wird, das
Tempo im Rennen mit mathemati-
ſcher Genauigkeit zu beurteilen und
demgemäß mit den Kräften feines
Pferdes Hauszuhalten. Daneben
werden die Pferde auch im Wenn:
ſtall auf die natürlichite Weife aber
hart gehalten, fo Daß diefelben mit
— — — — — — — — — mm — — — —— — —
zuſtand in das Rennen kommen. —
Dieſes Prinzip iſt naturgemäß auf
das Temperament wie die ganze
Konſtitution der Tiere von günftig:
tem Einfluß, kommt alfo wiederum
der Zucht zugute; ebenfo wie die
auch von den Franzoſen angenont:
mene Prüfung auf längeren Dis
tanzen dazu beiträgt, das Zucht—
material zu verbeflern. Die ame:
rikaniſche Reitweiſe ift jelbjt auf
unferen Herrenſport nicht ohne
Einfluß geblieben und verdient dar:
um bier Erwähnung Dem Sik
des amerikanischen Jockeys, der mit
den Scenfeln an den Schultern
des Pferdes über dem Widerrüft
fauert, liegt der Gedanke zugrunde,
daß durd) die Entlaftung des Rüdens
die abichnellende Kraft der Hinter:
hand gefteigert, der Galoppſprung
dadurch geftredter wird. Daß das
Pferd bei diefer Haltung des Reiters
leichter und darum williger galop:
piert, liegt auf der Hand, ebenjo
aber aud, daß die Vorderbeine
übermäßig belajtet und folglich
rafjher verbraugt werden. Daß
ein erſtklaſſiger Sodey der alten
Schule feinem amerifanifhen Kol:
legen zum mindeſten ebenbürtig ift,
ift gewiß: ber Hauptvorzug der
neuen Reitweife ift eben der, daß
fie gar feine Einwirkung auf das
Pferd geftattet, nur einen abfolut
paffiven Sig von dem Reiter ver:
langt; infolgebeffien Tann diejer
jhon mit dem geringften Grad von
Borbildung und ohne alle Routine
ein Pferd im Rennen fteuern, ohne
e3 zu behindern. Mehr als ihrem
Sit danken die amerikaniſchen
Beruföreiter ihre Erfolge wohl der
Sicherheit in Beurteilung der pace
und dem Prinzip, vom Fled weg
zu „gehen“, d. 5. die ganze Schnel⸗
ligfeit ihres Pferdes einzuſetzen.
68. Großes Schtedägericht. In
allen ftrittigen. Fragen des Nenn:
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I. 2. Rennſport.
ſportes enticheidet in Preußen das
„Große Schiedsgericht in Nenn:
angelegenheiten”. Dieſe Inſtanz,
die ihren Sitz in Berlin hat, iſt
wie folgt zuſammengeſetzt: aus
einem von Sr. Maj. dem Könige
zu ernennenden Vorſitzenden, aus
einem Rate des Landwirtſchafts-,
einem ſolchen des Juſtizminiſteriums
und ſechs techniſchen Mitgliedern
bezw. deren Stellvertretern. Letztere
werden von drei zu drei Jahren
gewählt; und zwar entfallen zwei
Stimmen auf den Unionklub, eine
auf den Verband deutſcher Reiter⸗
und Pferdezuchtvereine. Alle übri⸗
gen Vereine, die ſich dem Regle—
ment anſchließen und mindeſtens
6000 Mk. aus eigenen Mitteln
jährlich für Rennpreiſe auswerfen,
ernennen einen Deputierten, aus
deren Mitte die drei anderen tech⸗
niſchen Mitglieder des Scieds-
gerihte8 und deren Stellvertreter
gewählt werden. Die BZentralftelle
für den legitimen Sport im König-
reih Preußen ift der (Berliner)
Unionflub, der 1867 an die Stelle
des 1830 begründeten Norddeutichen
Jockeyklubs trat. Die Berliner
Körperfchaft bildet gewiſſermaßen
eine Aufficht3behörde für alle offi-
zielen anerfannten NRennvereine,
die zur Abhaltung von öffentlichen
Rennen der Betätigung durch den
Unionflub bedürfen, in der Aus:
ſchreibung ihrer Propofitionen von
diefem überwacht und dafür aud)
durch Gewährung von Breifen
finanziell unterftügt werben.
69. Provinz-Sport. Für diefe
kleineren Provinzvereine handelt
e3 fi) naturgemäß weniger um die
Abhaltung von klaſſiſcher Zucht⸗
prüfungen, als vielmehr darum,
durch Ausſchreibung von Konkur⸗
renzen für den Ausſchuß der Ge-
ftüte dieſen einen Abjat zu fchaffen.
Diefem Zwed dienen in erfter Reihe
die Verlaufsrennen, in denen ber
Niro. 69.
Sieger bezw. die anderen mit-
laufenden Pferde nach dem Rennen
verfteigert oder verloft werden,
oder für einen gewiſſen Preiß ge:
fordert werden können. Lebterer
wird in der Regel durch die Pro:
pofition feſtgeſetzt, dergeftalt, daß
das Alterögewicht fih für jede
500 ME. höher oder niedriger ein:
gejegt, entſprechend modifiziert;
fommt der Sieger zur Berfteige-
rung, jo fällt ein event. Ueberſchuß
‚über den eingefetten Preis an die
Vereinskaſſe. In den Berlofungs-
rennen, die auf das große Nenn:
bahnpublifum bejondere Anziehungs⸗
fraft zu üben pflegen, wird der
Sieger unter allen Rennplabbefu:
chern verloft, vorausgeſetzt, daß der
Inhaber des Gemwinnlofes den von
dem Verein ausgejesten Geldwert
nit vorzieht, wogegen das ſieg⸗
reihe Pferd feinem Befiter ver:
bleibt. Um auch dem befcheideneren
Material der kleinen Ställe in der
Konkurrenz; mit der Elite ihrer
Altersgenofien eine Chance zu
geben, werden Handifapg oder
Ausgleichdrennen ausgefchrieben, in
denen jedes Pferd unter Berüd:
fihtigung des Alter3 ein feinen
bisherigen Rennleiftungen entipre:
chendes Gewicht erhält. Die Aus-
rechnung dieſer Gewichte gejchieht
im legitimen Sport dur den
Handifapper des Unionklubs, für
die SHindernisrennen durch den
Handifapper des Berliner Vereins
für Hindernisrennen. Durch die
Zentralifierung diejer Funktion fol
erzielt werden, daß die Chancen
der einzelnen Pferde auf den ver-
ſchiedenen Provinzpläten mit glei-
her Billigfeit gewahrt werden.
Jeder Befiger bat das Recht, nad)
Veröffentlihung der Gewidte in
dem vom Unionklub redigierten
Wochen⸗Rennkalender das für ein
Handifap genannte Pferd gegen
Hinterlegung des eriten an
Nro. 70.
zu ftreichen,; wird das Gewicht an-
genommen, v. h. das Pferd in dem
Handikap ftehen gelafjen, jo ift in
der Negel ein zweiter Einfag zu
zahlen. Die Einſätze bezw. Reu—
gelder dürfen jeitens der Vereine
nur zugunften der in dem betreffen:
den Nennen ftartenden Pferde ver-
wandt werden; jet die Bropofition
nichts anderes feit, jo fallen fie
nach dem Reglement an den Sieger.
Unter Reugeld ijt diejenige, meift
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v. Efeberk,
ſo leben bei den großen Unkoſten
durch Bahnpacht, Erhaltung der
baulichen Anlagen u. ſ. w., dieſe
kleinen Vereine gewiſſermaßen aus
der Hand in den Mund. Da die
vom Staat, vom Unionklub und
dem Verein für Hindernisrennen
gewährten Zuſchüſſe zur Dotierung
eines ganzen Renntages zumeiſt
nicht ausreichen, ſo ſehen ſich die
Provinzvereine bei dem beſchränkten
Interefſe, das das deutſche Publikum
wir ER J
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—
Aus dem Album der Sportwelt.
9. Start Armee-Jagdrennen.
die Hälfte des Einſatzes betragende
Summe zu verſtehen, die der Be—
ſitzer zu zahlen hat, wenn das von
ihm genannte Pferd ſein Engage—
ment nicht erfüllt. In den Alters—
gewichtsrennen, die nach der Skala
gelaufen werden, werden die Aus—
ſichten der geringeren Klaſſe da—
durch gehoben, daß Sieger für jeden
Sieg in einer durch die Propoſition
zu beſtimmenden Höhe bezw. für
je einen in Summa gewonnenen
Betrag ein Mehrgewicht aufzuneh-
men haben, während Maiden, d.h.
Pferde, die noch niemals fiegten,
eine Gewichtserlaubnis erhalten.
‘0. Sweepstakes. Da ver
Rennſport jich jelbjt ernähren muß,
im allgemeinen dem Turf entgegen=
bringt, veranlaft, die Rennitälle
jelbjt zur Aufbringung der Preife
heranzuziehen. Es gejchieht in der
Form der jog. „Sweepstakes“, bei
denen der das Kennen proponierende
Verein def Wertdesfelben garantiert,
d. 5. falls die Summe der Einſätze
und Neugelder die ausgejchriebene
Preishöhe nicht erreicht, ſchießt die
Vereinsfaffe den Fehlbetrag zu.
Der Chrgeiz, mertvolle Rennen
auszuichreiben, die auf Ställe und
Publikum Anziehungskraft aus:
üben, führt grade die kleinen Ver—
eine dazu, übermäßig hohe Einſätze,
Bahngebühren, Startgelder u. f. w.
zu erheben. Daß dieje Befteuerung
-eigenften Intereſſe
jelbft, die Koften des Rennbetriebes
II. 2. Rennſpork.
Niro. 71.
der Rennftälle nicht dazu beiträgt, | fteigerte Einfuhr von Mutterjtuten
die ohnehin ſchon fo kleine Zahl |zur Folge, deren im Mutterleibe
der opferfreudigen Sportömen zu
erhöhen, bedarf wohl feiner Be:
gründung; ed läge alfo im aller:
der Bereine
nad Möglichkeit Herabzufegen. Die
erwähnten Maßnahmen find indefjen
ein Notbehelf, zu dem namentlich
die Heineren Bereine ſich gezwungen
fehen, jo lange ihnen die Gejeh-
gebung jene mwohlmollende Berüd-
fihtigung verfagt, deren fich der
Rennſport in anderen Ländern zu
erfreuen bat, wenigſtens in allen
jenen Zändern, deren Vollblutzucht
einen Ruf bat. Man braudt in
diefer Hinficht nur die Verhältnifje
in Defterreidh, England und Frank⸗
reih mit den Zuftänden bei uns
zu vergleichen, um zu der Erfennt-
nis zu gelangen, daß die Not des
deutichen Rennfport3 und damit der
Tiefftand unſerer Bollblutzucht von
der zeitweijen Unterdrüdung und
der darauf folgenden übermäßigen
Beiteuerung des Totalifator3 her⸗
rührt.
71. Der Totalifator. Schon
aus dem Borftehenden dürfte zur
Genüge hervorgehen, daß der auf
dem grünen Raſen in Ausficht
ftehende Gewinn jelbft in dem
allergünftigften Yale kaum aus:
reihen wird, die Unkoſten eines im
großen Stil betriebenen Rennftalles
zu deden. Trainer und Stalljodeys
beziehen heute auch bei ung Ge-
bälter, wie man fie früher nur im
Zande ded Dollars und der unber
grenzten Möglichkeiten kannte. Wie
wir gefehen haben, find gleichzeitig
infolge Beichränfung der Ausländer:
rennen die Anfaufspreife für in-
ländiſches Material gejtiegen, ohne
daß die Geminndancen für Pferde
der Durchſchnittsklaſſe fich Deshalb
gehoben hätten. Die Bevorzugung
der Inländer bat vielmehr eine ge:
eingeführte Produlte, die og.
„Modinländer” den einheimifchen
Geftüten mit Erfolg Konkurrenz
maden. Die geringe Zahl wirklic)
erſtklaſſigen Zuchtmaterial® im ei:
genen Zande hat zudem ſchon ohne:
hin ein Dominieren einzelner Ställe
gezeitigt, die fich wie die der Herren
v. Meinberg, Baron Oppen-
beim, Krader ſchon Sabre hin:
dur) in diefer führenden Stellung
auf dem Turf behaupten. Kurz,
das Gros der Rennftälle ift gradezu
darauf angemiefjen, in der Nenn:
wette eine Rüdverficherung für die
dem Turf geopferten Summen zu
ſuchen. Grade jene erwähnte Vor:
berrfchaft.. einiger weniger Ställe
und Geftüte, die fiherlich nicht zum
beiten des ganzen dient, ift aber
eine Folge der bei ung herrfchenden
Wettverhältniffe. Während in einem
Lande mit geregeltem Wettmarft,
wie 3. B. England, ein durd) die
ganze Saiſon von Unglüd verfolgter
Stall durch eine einzige über ein
gewonnenes Verkaufsrennen ge:
landete Wette den erlittenen Schaden
decken kann, arbeiten die großen
Rennſtälle bei uns ohne Ausnahme
à fond perdu: im allergünſtigſten
Falle reichen die Gewinne grade
aus, um die Unkoſten zu decken;
im anderen Falle aber vermögen
die paar tauſend Mark, die am
deutſchen Totaliſator zu gewinnen
ſind, den Verluſt nicht auszugleichen.
An der öffentlichen Wettmaſchine
kürzt zudem jeder durch eine größere
Einlage ſeine eigene Gewinnquote;
bleibt alſo, da das Buchmachen in
Deutſchland verboten, nur noch die
Anlage einer Wette bei einem der
trotz aller Verbote noch heimlich
florierendenWettbureaus. Uebrigens
hat die Aufhebung der letzteren bei
und nur zur Folge gehabt, daß all:
jährlich Unfummen deutſchen Geldes
'
2. Irhr. 8. A. v. Efeberk.
usländiſchen Wettbureaus an⸗„Lotterieſpiel“ ſchon mit einem
| und verloren werben, und Einſatz von 10 und 5 Mark betei⸗
grade von ſolchen Elementen, | ligen kann, wird allerdings in
in Deutichland kaum je eine | manhem Fall der Wetlluft des
bahn betreten. Dieje Erfah: | „Eeinen Mannes“ Vorſchub geleiftet.
ı und die Erlenntnis, daß die | Se mehr man diefem jedoch dieſe
en Maſſen ohne Totalifator | Möglichfeit benimmt, deſto mehr
Rennbahn fernbleiben, laffen | treibt man ihn den ſtrupelloſen
um fo unbegreiflicher erjcheinen, | Inhabern ausländifcher Wettbureaus
die Geſetzgebung daran feits | in die Arme, mo alljährlich Taufende
t, durch eine derart hohe Be: | auf unfontrollierbare Weife der in-
verung des Totalifators feine | ländifhen Zucht verloren geben.
rkſamkeit in einer Weife einzu⸗ Für die Rennftallbefiter ſelbſt böte
cänten, die Die Rennvereine ihrer | freilich die Konzefjionierung ver:
ten Ginnahmequelle beraubt. | antwortliher Buchmacher, wie in
itweiſe gänzlich unterfagt, mußte | Defterreich, den beiten Ausgleich;
h die Weitmafchine jahrelang | jo lange man fi) hierzu nicht ver>
nen Abzug von 20 Prozent ge: | ftehen will, wird auch in Deutid:
len laffen, der heute allerdings | land von einem Jährlingsmarkt
ı 10 Prozent herabgeſetzt ift. |nte die Rede fein. Die Preife für
te unmittelbare Folge dieſer Maß- Sährlinge wie überhaupt die Nach—
gel mar ein Heruntergehen des | frage nad inländiſchem Material
ihrliden Totalifatorumjages von | würden ſich ohne weiteres heben,
V auf 6 Millionen Mark. In | fobald die Fleineren Rennftälle durch
zrankreich, wo der Staat den | einen geregelten, vom Staat über:
tenngejellihaften von der Totali- wachten Wettmarft in Die Lage
atoreinnahme nur 2 Prozent für | verjegt find, ihr Budget zu regu⸗
Vohltätigkeitszwecke abzieht, beträgt | lieren.
er Jahresumſatz an den Wett:|] 72. Der Hindernisfport. Es
nafchinen rund 225 Millionen | bleibt nod) in Kürze der Hindernis:
Francd. Bon diejer Summe fließt | ſport zu betrachten, den „Sport
in weiteres Prozent (alfo etma | zmwijchen den Flaggen”, wie man
2250000 Franes im Jahre) in | ihn aud nennt, weil die Hindernis:
yen Säckel der fiskaliſchen Geftüt3: | rennen nicht wie die Prüfungen
yerwaltung; der Reit verbleibt den der Flachbahn auf einem einge:
Bereinen und kommt in Geftalt | friedigten Kurs, fondern von Hinder⸗
von Rennpreifen und Züchter: nis zu Hindernis, die von roten
prämien wiederum der Pferdezucht | und weißen Ylaggen eingerahmt
u gute. Da der Einjag an der | find. Nicht auögeflaggte Hinder⸗
Maſchine nicht wie die Wette beim |nifje brauchen im Nennen nicht
Buchmader zu einem zuvor feit= | gefprungen zu werben. Auch die
gefegten Kurfe gemacht wird, fo ift | Ecken werden in der gleichen Weife
die Totalifatormwette nicht eine folche | durch Wendeflaggen kenntlich ge:
im eigentliden Sinne, fondern mehr | madjt, derart, daß rote Flaggen
ein Xotteriefpiel, bei dem die Ge- | rechts, weiße links gelaffen werden.
winnquote ji) aus der Summe der | Nah Art der Hinberniffe unter-
auf das Rennen gemachten Ein: | jcheidet man im „ilegitimen Sport”,
zahlungen und der Zahl der auf! — jo wird der Hindernigfport im
ven Sieger gemachten Sätze ergibt. | Gegenſatz zu den „legitimen Zucht:
Dadurch, daß man ſich an diefem | prüfungen“ bezeichnet, — Hürden:
SER
II. 2. Rennfporf.
rennen und Gteeplechafes ober
Sagdrennen.
73. Hürdenrennen. Die Hürden:
rennen jtellen an das Springver:
mögen der Pferde die geringjten
Anforderungen, da diefe durch die
mit Weidenſtrauch oder Ginfter
ausgeſteckten Hürden oben durch—
Ipringen können. Infolgedeſſen
Nro. 73.
gekennzeichneten Natur der Hürden⸗
rennen, daß dieſelben meiſt als
Jockeyrennen ausgeſchrieben werden,
denn nach der vom „Reglement
für die Flachrennen und Rennen
mit Hinderniſſen im Preußiſchen
Staate“ vorgeſchriebenen Tabelle
der Altersgewichte für Hindernis»
rennen erniedrigt ſich das Gewicht
10. Rückkehr zur Wage.
dienen die Hürdenrennen vielfach
dem jungen, von den Flachſtällen
abgeſtoßenen Material als Vor—
bereitung für die Steeplechaſebahn.
Da die Hürdenrennen entſprechend
dem leichteren Charakter ihrer
Sprünge und der kürzeren Diſtanz
ſich in der pace kaum von den
Flachrennen unterfcheiden, jo lernen
die angehenden Steepler auf dieſe
Weife wenigftens ſehr ſchnell zu
ſpringen. Es liegt in der hier
für Berufsreiter um 5 kg unter
die für Herren vorgeschriebene Skala.
E3 gibt indefjen, namentlich in der
Provinz, eine ganze Reihe von
Hürdenrennen, die von Herren—
reitern zu beftreiten find; eine
einzigartige Rolle fpielt in dieſer
Hinfiht 3. B. der Hiftorifche Nenn:
plat Doberan, wo außer den legi:
timen Zudtprüfungen überhaupt
nur zwei von Herren bezm. Offi—
zieren zu veitende Hürdenrennen
Nro. 74,
zur Entfheidung fommen. Das
bedeutungsvollfte Ereignis auf der
Hürdenbahn ift das mit einem
Staatspreis von 10000 ME. und
700 ME. Staatszüchterprämie aus
aeftattete „Haupthürdenrennen für
Dreijährige”, das aljährlih im
Herbft auf der Karlshoriter Bahn
bei Berlin gelaufen wird. Cine
Aftalogie findet diefe unter Jockeys
‚ berittenen Prüfung auf der Steeple-
hajebahn in dem für Verjährige
no 2
.
Frhr. B. A. v. Eſebeck.
und herübergefommen. Die Wiege
des deutſchen Hindernisfport3 ftand
in Medlenburg, mo 1828 die erfte
Steeplehafe vom Grafen Hahn:
Bafedom gewonnen wurde. Die
Hindernisrennen jener Zeit bewahr:
ten zunächſt auch volllommen den
improvifierten Charakter der eng:
liſchen „Steeplechafe”, d. 5. fie
wurben über ein beliebige3 Gelände
nah einem Kirchturme oder fonft
weit ſichtbaren Zielpunft geritten.
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Aus dem Album der Sportwelt.
11. Koppelrick Karlshorſt.
reſervierten „Hauptjagdrennen”, das
gleichfalls auf der Bahn des Ver—
eins für Hindernisrennen während
des Herbſtmeetings zur Entſcheidung
kommt. Das mit einem Staats:
preis von 15000 ME. ausgeftattete
Rennen ift von Herren zu reiten.
74. Jagdrennen. Es liegt in
der Natur der Sache — den län:
geren Diftanzen der durch Die
fchwereren Sprünge gemäßigten
Pace, dem älteren Pferdematerial
und den höheren Gewichten, — daß
die Steeplechafebahn die eiaentliche
Domäne der Herrenreiter if. Wie
die Nennen in ihrer heutigen Ge:
ftalt überhaupt, jo ift auch das
„Steeple-Chasing“ von England zu
Mit dem Anfchluß der Hindernis:
rennen an den legitimen Sport und
ihrer Verlegung aus dem offenen
Gelände auf die öffentliche Renn:
bahn haben die Steeplechafes im
Lauf der Jahre immer mehr ihren
urfprünglichen Charakter verloren,
jo daß die „Jagdrennen“ heute
nur noch in den feltenften Fällen
auf diefe Bezeichnung mit Beredti:
gung Anfprud) machen fünnen. Die
wirklichen Jagdſprünge, — Mauern,
Wälle, Koppelricks, — werden auf
der Hindernisbahn heutzutage immer
feltener; auf den meijten Plätzen
findet man nur noch Heden und
niedrige, von einer leichten Herde
| gefrönte Wälle nder Gräben mit
4
II. 2. Rennfporf.
einer Hürde oder Hecke Davor, über
die jedes „Hürbenpferd” mit Ehren
binwegtommt. Wie der legitime
Sport feine Zentralftelle im „Union=
lub“ Hat, jo findet der Hindernis-
port die Bertretung feiner Inter:
efien an eriter Stelle durch den
1881 begründeten (Berliner) „Ber:
ein für Hindernisrennen“, der neben
der Pflege des Hindernisfport3 auf
feiner eigenen Bahn in Karl3horft,
fowie auf den unter feiner Regie
ftebenden Pläßen Harzburg und
Heringsdorf eine große Zahl von
Provinzvereinen durch Gewährung
von Preifen unterftüßt. Die Mehr:
jabl der kleineren Provinzial-
vereine ift zudem dem „Verband
der deutſchen Reiter: und Pferde-
zuchtvereine“ angefchloffen, der fi
die Förderung und einheitliche
Ausgeftaltung des Sportes auf
den Ffleinen Plätzen zur Aufgabe
gemacht Bat. Außer der Reichs:
bauptftadt mit ihren drei Bahnen,
— Hoppegarten, Karlshorft und
Strausberg (zu denen fih in
diefem Sabre noh Die neue
Grunewaldbahn gefelt), — zählte
der lebte Sahresrennkalender 106
Pläte, auf denen öffentliche Rennen
abgehalten wurden. Da es fich für
die große Maſſe dieſer Kleinen
Rennpläge nicht um eine Prüfung
der Zudt im ftrengen Sinne han⸗
delt und die Hindernisrennen be-
greiflicherweife auf das Publikum
die größte Anziehungskraft üben,
fo führen die Rennen auf den
. Meinen Provinzbahnen vorzugs⸗
mweife, wenn nicht ausſchließlich
über den geflaggten Kurs. Bei
dem Anwachſen der Renntage (1908
waren es 833), die fich mährend
7'/, Monate meift auf die Sonn
tage verteilen, ift es unvermeidlich,
daß oft eine größere Zahl von
Meetings zufammenfält. Schon
hieraus folgt, daß ein größerer
Prozentſatz der im Reiche gelaufenen
Niro. 75.
Hindernisrennen den Berufäreitern
überlafjen bleiben muß. Die vor⸗
nehmſten Ereignifle unferer Hinder:
nigfampagne find jedoch den Herren-
reitern vorbehalten, jo die mit
30000 ME. für den Sieger aus:
geftattete „Badenia” in Mannheim,
da8 „Alte Badener Jagdrennen“
(Wert 13000 Mk) im Oostal, der
in Höhe von 31000 ME. garantierte
„Große Preis von Karlshorft”.
75. Offizterfport. Während im
Auslande Herren und Jockeys in
den Hindernisrennen miteinander
fonfurrieren, ift e8 den Offizieren
bet uns unterfagt, gegen Berufs-
reiter in Konkurrenz zu treten.
Darauf dürfte die in Deutjchland
durchgeführte ſcharfe Trennung
zwifchen „Herrenreiten” und, Jockey⸗
rennen“ zurüdzuführen fein. Die
Berechtigung diefer Maßregel muß
einleuchten, wenn man ſich ver:
gegenmärtigt, daß die Armee es
ift, Die das Hauptfontingent unferer
Herrenreiter ftellt; unter 285 Herren
der diesjährigen Siegerlifte befinden
ſich nur 35 Nichtmilitärd. Im
ganzen wurden im DVorjahre über-
haupt nur 62 Ziviliften vom Union:
klub als „Herrenreiter legitimiert”.
Namentlich auf den Provinzbahnen
ift die bunte Seidenjade des
„Herrenreiters“ ein felten gefehener
Anblid, jo daß man mit Fug und
Recht fagen darf, der deutſche
Hindernisfport fteht im Zeichen der
Uniform. Mit Ausnahme einiger
weniger im roten Rod zu reitender
Konkurrenzen, wie das „Barforce-
jagd⸗“ und das „Hubertugsjagd-
rennen in Karlshorſt“ reiten unfere
Offiziere auch auf der Rennbahn in
Uniform. Das widtigjte Ereignis
des Dffizierfportes und vielleicht in
gejelfchaftlicher Beziehung das vor-
nehmfte Ereignig unferer Hindernis-
fampagne ift das „Große Armee
jagbrennen” zu Hoppegarten, das
feit dem Sahre 1863 alljährlich
Niro. 76.
vor den Augen des oberften Kriegs | funft aud) das „Kronprinzeß Cäcilie-
berrn ausgetragen wird. Ein Gegen= | Nagdrennen” zu werden, das der
ftüd zu diefem Rennen um den | Kölner Rennverein 1908 zum erften=
Ehrenpreis des Kaijers bildet das | mal zur Ausſchreibung brachte.
für Inländer rejervierte „Kaijerin | Außer dem Hoppegarter „Armee“
Augufta Viktoria-Jagdrennen“, das | und dem Karlshorſter „Kaiſerpreis“,
Frhr. B. A. v. Efeberk,
“.#
£t. v. Raven, 9. Ul.
alljährlich in Gegenwart der Ma-
jeitäten am Tage des Hanfapreifes
En
nz
%
\
Aus dem Album der
Sportwelt.
er Kronprinz überreicht dem Sieger im „Parforce: Jagdrennen“ zu Karlshorft
den Ehrenpreis.
die die Elite unferer Offizierftälle
auf der Horner Bahn gelaufen wird |
und außer mit dem von der Kaiferin |
gefpendeten Chrenprei®S von der
Stadt Hamburg und dem dortigen
Rennklub mit 30000 ME. ausge
ftattet if. Ein Rennen von ähn:
licher Bedeutung verjpricht in Zus |
am Ablauf zu vereinigen pflegen,
weiſt fajt jede Brovinzialhauptftadt
ein Rennen um den Ehrenpreis des
Allerhöchſten Kriegsherrn auf, das
den Offizieren des betreffenden
Armeeforps referviert ift.
76. Der „Heine Herren-Sport“.
Die Provinz ift das eigentliche Feld
II. 2, Rennſport.
des Offizierſportes.
Nro. 77.
Neben den llich auf der ausländiſchen Zucht,
öffentlichen Rennen, die im offi: da Anländer von aleicher Dualität
zielen Rennkalender ausgefchrieben
werden, wird wohl in jeder Gar⸗
nifon gelegentlih ein Meeting im:
provifiert, dag den Offizieren ein-
zelner Truppenteile oder den An⸗
wohnern der Nahbarfhaft, den
Mitgliedern eines Jagdreiter-Ver⸗
eines oder dergl. referviert ift.
Diefe Rennen, in denen Chargen-
und Dienftpferde um Chrenpreife
fontuhrieren, oder die für „Reit:
pferde oder ſolche Pferde rejerviert
find, die nie zuvor in Öffentlichen
Rennen geftartet wurden”, gehören
unter die Rubrik des fog. „Kleinen
Herrenſportes“. Zu der gleichen
Kategorie gehören auch landwirt⸗
Thaftlide Rennen und Meetings,
wie fie nach dem Manöver oder
am Schluſſe einer Sagdfaifon ver:
anftaltet werden. Werden dieſe
Konkurrenzen niht im Wochen-Renn:
talender ausgejchrieben und nicht
mit Geldpreifen dotiert, fo gelten
diefelben nicht ala „öffentliche Ren:
nen”, werden mithin bei Berech-
nung der Bönalitäten für öffent:
lihe Rennen nicht in Betracht ge⸗
zogen. Dana das Intereſſe an
Prüfungen diefer Art ein noch jo
lokales fein, jo haben fie doch den
unbeftreitbaren Wert, dem jungen
Dffizier eine Borübung für die
Rennbahn zu gewähren und —
fofern ſich ſolche Ausfchreibungen
nicht ausſchließlich an das Offizier-
forp8 menden, dem Pferde- und
Reitſport manch neuen Sünger, der
Zudt damit neue Konfumenten zu⸗
zuführen.
77. Halbblut:Sport. Die Be:
fhränfung der Ausländerrennen,
fo wünſchenswert diefelbe im In—
terefle des deutichen Vollblutzüchters
fein mochte, erwies fih für den
Dffizierfport zunächſt als eine zwei⸗
ſchneidige Maßregel: derfelbe ba-
fierte biß dahin nahezu ausfchließ-
den befchräntten Mitteln der Heinen
Dffizierftälle nicht zugänglich wa⸗
ren. Abgeſehen hiervon war die
inländiide Vollblutzucht zunächſt
auch quantitativ gar nicht in der
Lage, den Bedarf des Offizier⸗
ſportes zu decken. Oſtpreußen, wo
dank des auf breiteſter Baſis blühen⸗
den Halbblutſportes man ſeit
Jahren bereits in den Rennſtällen
keinem Ausländer mehr begegnete,
zeigte den Weg, der den Offizier⸗
ſport in geſunde und lebensfähige
Bahnen lenken mußte. Durch den
Ausbau der Halbblutrennen iſt
heute dem Offizier im ganzen Reiche
ermöglicht, mit ſeinem Dienſt- und
Jagdpferd die Freuden des Renn—
reitens kennen zu lernen. Von
einem „legitimen“ Halbblutſport,
d. h. einer klaſſiſchen Prüfung des
jungen, zur ſpäteren Einſtellung in
die Geſtüte beſtimmten Zuchtmate—
rials iſt natürlich nur in den eigent-
lihen Halbblutzudht- Provinzen, Oſt⸗
preußen, Hannover uſw. die Rede.
Allein auch die Entwidelung des
Halbblut-Hindernisſportes bleibt für
die Zucht nicht ohne Nußen, indem
fie die Nachfrage nad inländifchen
Halbblutpferden vermehrt und den
Abfat der foa. Remonteprovinzen
ermeitert. In diefer Hinficht ift es
fehr dankbar zu begrüßen, daß auch
Karlshorſt alljährlich im Herbit eine
Reihe von Halbblutprüfungen auf
dad Programm jet, in denen die
Dertreter der verjchiedenen Halb-
blutzuchten ſich vor der breiteren
Deffentfichleit mefjen fünnen. Die
mwertvollfte Halbblutprüfung des
deutfhen Turf3 ift der von dem
Weſtpreußiſchen Reiterverein aus:
aeichriebene „Große Preis von Zop—
pot” (Wert 5000 Mark), der über
4500 m der Zoppoter Steeplechaie:
bahn führt. Um einen unmittel:
baren Gewinn für die Zucht daraus
Neo. 78—79.
zu ziehen, wäre es zu mwünjchen,
daß in allen Halbblutrennen, aud
wenn fie fich zwiſchen den Flaggen
abipielen, für den Züchter des
Sieger? eine Prämie ausgeſetzt
würde. Es liegt in dem Charafter
des Halbblutſportes, der fih an
das Jagd: und Kampagnepferd
wendet, wie aud) in der Natur des
Halbblutpferdes begründet, daß der
Halbblutfteepler fih im Privat:
training befjer entmwidelt, als im
öffentlfihen Trainerftal. Darım
ift der Halbblutfport beſonders dazu
angetan, auch folde Kreife dem
Rennjport zuzuführen, denen ihre
Mittel eine Betätigung auf dem
Fchr. 8. R. v. Eſebeck.
Turf fonft nicht geftatten würden.
„Diefe Arbeit,” Schreibt Landitalls
meifter von Dettingen über die
Schulung von Steeplern für ſchwere
Hindernisbahnen, „aehört in das
Bereich der Herrenreiterei, in der
wohl Deutihland obenan ſteht.
Diefe Arbeit wird auch die Paſſion
und die Kenntniffe befördern, die
zulünftige Vollblut- und Halbblut-
züchter Schafft, und ſchließlich wird
diefe Arbeit durch Belebung des
Sportſinns den Wagemut erzeugen
und beleben, der fonit in langen
Friedenszeiten leicht ſchwindet und
on den jedes Volk frühzeitig
altert.”
3. Parforcejagd.
78. Hiſtoriſche Meuten. In
dem Make, als der Rennfport in
Deutſchland aufgeblüht, ift ver
„Sport in Rot” bei ung zurüd-
gegangen. Eine nach der anderen
jener alten berühmten Meuten, wie
die Walsroder, die Lippfpringer,
die Crentzower, die uckermärkiſche,
die Schlefische, die Liljaer u. a. m.
haben der mehr Iufrativen Zucker⸗
rübe, Dem unerbittliden Dampfpflug
weichen müſſen. Selbit Oſtpreußen,
das hiftorifche Land der Halbblut-
zucht, ift dem Sport in Rot ver:
[oren, denn feit Anfang der 90er
Sabre bat die oftpreußiiche Hafen
meute, die zulegt von Herrin von
Berbandt-Langendorf ge:
führt wurde, aufgehört zu eriftieren.
Der „Goldadler”, jenes hiftorifche
Gasthaus an der Straße von Königs:
berg nad Inſterburg, wo ſich Die
Dffiztere der oſtpreußiſchen Kaval⸗
lerie- Regimenter mit den Guts⸗
„Hunting necesse est,
vivere non necesse est!“
befitern vereinigten, mo während
der Jagdzeit Bälle arrangiert und
Rennen geritten wurden, liegt heute
einfam und verlafjen.
79. Die Hinterpommerfcje Par⸗
forcejagd. Gleich der Stargorbter
Meute, die heute noch in Hinter⸗
pommern jagt, ftammte die oſt⸗
preußifche aus dem in fo hohem
Rufe ftehenden Kennel des Grafen
Lehndorff-Steinort. Die
Hälfte diefer alten „oftpreußifchen
Hafenmeute”, melde Graf Lehn—
dorff 1851 in Gemeinfhaft mit
feinem Schwager, Exzellenz Graf
Borde-Stargordt, aus den
Veberrefien der Gräflih Hahn:
Baſedo wſchen und der Hafen-
meute des Herzogs von Braun:
jhweig gegründet hatte, wurde
1863 nah Hinterpommern ver
pflanzt, wo ihr Blut noch heute im
Stargordter Kennel erhalten ift.
Der ältefte Sohn de3 Grafen, Herr
r
II. 8. Parforcejagd.
von Borde-Molftow, führt
zurzeit die Hunde, die von Mitte
September bis zum Hubertustage
dreimal wöcentlih jagen. Die
, Rendezvous erftreden fi von Star⸗
gordt und den umliegenden Gütern
bis in die Gegend von Labes und
Regenmwalde.
80. Neubrandenburg: Bafewal-
ters Barforce-Jagdverein. Neben
Pommern ift heute Medlenburg
noch allein das gelobte Land für
den „Mann in Rot”. Während
die Maldiner Hirfchjagden, die
Spenader und Baſedower Fuchs⸗
meuten längft der Bergangenheit
angehören, reitet heute der Entel
mit der gleichen Begeifterung wie
einft der Großvater hinter dem
flüchtigen Lampe. 1864 hatte Graf
Baſſewitz-Burgſchlitz in Eng:
land fünfzehn Koppeln Beagles er-
ftanden. Diefe fielen jedoch ſchon
nad kurzem einer Tollmutepidemie
zum Opfer, nur zwei Hunde blieben
verfchont und haben ihr Blut in der
heutigen Neubrandenburger Meute
fortgepflanzt. Die Meute wurde da⸗
mals dur Ankauf von 10 Roppeln in
England wieder fomplettiert. 1865
legte Herr von Dergen:-Lüb-
berstorf, der die Meute feit ihrer
Entjtehung geführt hatte, fein Amt
nieder, und die Meute ging in die
Hände einer Aktiengeſellſchaft über,
deren Proteftorat Seine Königliche
Hoheit der Großherzog von Medien
burg-Strelig übernahm. Nachdem
bie Funktionen des Mafterd zehn
Sabre lang von Baron v. Malt-
zahbn-PBeccatel, Herrn von
Engel:Breefenund Herrn von
Oertzen⸗Coſa gemeinſam aus⸗
geübt worden waren, wurden ſie
1875 in der Hand des letzteren
vereinigt. Herr von Dertzen
führte der Meute aus dem Kennel
des Grafen Lehndorff-Stein—
ort friſches Blut zu und der Er⸗
folg zeigte ſich 1881, wo bei dem
Nro. 80—81.
Probejagen fämtliher deutſchen
Meuten in Hannover die Neu-
brandenburger den Preis davon
trug. Wegen hoben Alter® gab
Herr von Derten, Übrigens ein
Sohn des erſten Mafterd, 1891
die Führung der Meute an Herrn
v. Dewitz-Miltzow ab. Diefer
gab 1905 die Mafterihaft ab, und
die Zufunft derfelben war damit
ernftlich in Frage geftellt. Sindefien _
durh das Eintreten der Königin-
küraſſiere ift e8 gelungen, das Fort⸗
beftehen der Barforcejagd für die
nächſten Sahre zu ſichern, indem
der aufaelöfte Neubrandenburger
Berein fih als Neubrandenburg-
Paſewalker Parforce = Sagdverein
neu Fonftituiert hat. Die Kennelg
find in Neubrandenburg verblieben,
für die Sagdzeit nimmt die Meute
in Friedland Quartier, von mo fie
im weſentlichen die alte hiftorifche
Gegend von Milgom, Schönebeder
Windmühle ufw. bejagt. Für einen
Teil der Sailon werden die Hunde
in Paſewalk untergebradt; wo Ritt:
meifter von Borde, ein Sohn
des Stargordter Maſters, diejelben
führt. Bei den Jagden in Medlen-
burg übt Baron von Branden-
ftein-Hohbenftein dag Amt des
Mafter8 aus. Herr von Bran—
denftein ift nit nur felbit ein
Veteran der alten Neubrandenburger
Meute, der den ehemaligen „fol-
lowers“ des Herrn v. Demwiß-
Milgom dafür bürgt, daß der
neue Parforceverein im alten Geifte
fortgeführt wird, fondern feiner
Liebenswürdigkeit und Tatkraft ift
es gelungen, ein erhebliche3 Ter⸗
rain für die Sagdfolae dazu zu
gewinnen, jo daß die Rendezvous
der Neubrandenburger-Paſewalker
Meute fich heute big in dieGegend
von Anklam erjtreden.
81. Ludwigsluſt-Parchimer Par:
force: Jagdverein. In Medlenburg-
Schwerin blüht der Ludwigsluſt⸗
Niro. 82.
Parchimer Parforce-Berein. Die
Meute, die während des ganzen
Dftober und November je vierzehn
Tage abwechſelnd in Ludwigsluſt
und Parchim jagt, murde 1868 von
dem Offizierkorps der medlenbur-
gischen Regimenter in England an-
gefauft, Wie in Strelitz bat ſich
aud) hier die Meute der Gunft des
Landesherrn zu erfreuen gehabt,
die fih nit nur in peluniärer
Hinſicht, fondern vor allem durch
die MWeberlafjung von Dominial-
feldmarfen zur Jagdfolge betätigt.
Seine Königliche Hoheit der Groß-
herzog Friedrih Franz IV
pflegt felbit faum ein Rendezvous
auszulafjen, Häufig von feiner hohen
Gemahlin begleitet.
Bon den Namen, die alljährlich
auf den Rendezuouszetteln wieder⸗
fehren, find die Dambeder Wiefen
in der Umgegend der kleinen Land⸗
ftadt Grabow wegen ihrer Waffer:
ſprünge bei allen Sagdreitern meit
über die Grenzen Medlenburgs hin-
aus befannt. —
82. Brooder Meute. Abgejehen
von den Militärreitinftituten, mo
das Sagdreiten für den Kampagne:
reiter zum täglichen Brot gehört,
gibt eg außer den medlenburgifchen
Dragonern nur noch ein Regiment,
das auf freier Wildbahn Hinter
einer eigenen Meute jagt; denn
felbft in der vielgepriejenen Senne
muß man fih heute mit einem
Kaſtenſchwein begnügen. Diefe fel-
tene Bevorzugung danken die Dem⸗
miner Ulanen der Liebenswürdig-
feit und dem ſportlichen Sinn der
Nachbarſchaft, deren Großgrund-
befiter faft ausnahmslos der
„Brooder Parforcegeſellſchaft“ an⸗
gehören und mit Leib und Seele
bei der Sache ſind.
In dem poeſievollen Tal des
Tollenſeflüßchens, zwiſchen Wäldern
und Hügeln liegt Schloß Broock,
das dem Verein ſeinen Namen ver⸗
Irhr. B. A. v. Eſebeck.
liehen hat. Der Klang des Namens -
Broock reichte einjt in den Kinder:
tagen des deutſchen Rennfportes
über die Heimat hinaus, felbft über
den Kanal hinüber und auf dem
mädtigen Kamin im Billardzimmer
unter dem großen Delbild der alten -
Parforcejagdgejellichaft prangt der
foftbare Ehrenpreis, den Defenfive,
der nachmalige Beichäler des Ge:
ftütes, 1833 aus Goodwood heim-
brachte. Heute ift Brood der Pferde:
zucht verloren. E83 war fein blinder
Zufall, daß die Gründung der Meute
im Sahre 1837 mit den Ölanzzeiten
des Geſtütes zufammenfiel, und daß
mit der Abgabe des Mafteramtes
auch das Intereſſe an der Zudt
eines edlen Pferdes bei den Be:
figern von Brood zu ſchwinden
begann. Deutliher als es bier
gefchehen ift, kann die Nolle wohl
faum zutage treten, die die Bar:
forcejagd als Hebungsmittel der
Pferdezuht zu fpielen vermag.
Vielleicht ift e8 dem zunehmenden
Ausbau der Halbblutrennen be-
Shieden, aud den Sinn für ben
Wert und das Vergnügen der Par:
forcejagd neu zu beleben. Die erjte
Meute, mit welder ihr Begründer
jagte, bejtand aus reinen Harriers;
f
7 2 We
A
fie erwiejen fih al nad dem Ges
jhmad jener Zeit zu ſchnell und
murden darum abgegeben, in den
Brooder Kennels aber durch die
fleineren Beagles erjegt. Diefe
find inzwiſchen wieder mit Harrierd
gefreuzt worden, jo daB die Hunde
heute 40—41l cm meſſen und im
legten Herbit vem Felde ein Tempo
vorlegten, daß, fobald die Fährte
ſteht, auch ein Vollblüter fich ſtrecken
muß. Der derzeitige Majter, Kam:
merherr von Heyden, auf deſſen
Sig Leiſtenow auch die Meute unter-
gebracht ift, waltet feit 1883 feines
Amtes, nahdem die Meute bereit?
1874 in die Hände einer Aktien
gejelihaft übergegangen mar.
II. 3. Parfprrejagd.
83. Vorurteile gegen die Par-
forcejagd. In den ländlichen Be—
fisverhältniffen mag wohl in erfter
Reihe der Grund zu ſuchen fein,
warum der Sport in Rot gerade
in Medlenburg und dem angrenzen-
den Pommern nod eine Heimat
bat; aber haben wir nicht im Oſten
ähnliche, wenn nicht gar noch grö=
Bere Güterfomplere? Hier ift es
die übertriebene Furcht, vor Flur:
Ihäden und vor allem der einge
j
Niro, 83— 54.
Schießjagd überhaupt feinen nen:
nensmwerten Schaden erleidet. Einer
der erfahrenften Mafter, der über
ein Jahrzehnt die Meute des Ham-
burg Wandsbeder Schlepp = Jagd:
vereins geführt hat, jchreibt mir:
„sh reite nun ſchon dreizehn
Jahre als Maſter hinter der hie-
figen Meute, habe aber die Erfah:
rung nicht gemadt, daß in dem
Terrain, wo wir reiten, die Schieß—
jagd zurüdgegangen wäre. Im
& ui
aa,
13. Bubertusjagd der Brooder:Meute 1907 „Stelldichein“,
wurzelte Aberglaube, daß die Reit-
jagd den Schießſport ruiniere, die
dem Sagdreiter eine unüberjteig-
bare Scranfe ziehen. „Do you
know, Sir,“ jagte mir Wr. Hab:
berfield, der ehemalige Hunts—
man der Liffaer Fuchsmeute, „do
you know, what is the end of
all hunting in Germany? This
damned gun! That’s what it is!“
— Ueberall, wo Barforcejagden ge-
ritten werden, hat aber die Erfah-
rung gelehrt, daß bei verjtändiger
Führung der Hunde — wenn man
diejelben vor Remijen, auf Reh—
Gegenteil, in der Yenfelder Jagd,
wo wir am meiften reiten, ijt die
beite Hajenjagd der Ulingegend, und
der Beftand an Rehmwild ift nicht
um ein Stüd meniger geworden;
ed müfjen nur die Hunde mit aller
Energie von dem eventuellen Ab:
pringen auf falſche Fährten abge:
halten werden.“
84. Flurfchaden. Zugegeben muß
allerding3 werden, daß durch das
fortgejegte Hafenjchlagen des Hajen
ein und dasjelbe Feld öfter von
dem Sagdfelde paljtert wird; da—
durch wird bei der Sagdfolge hinter
fährte uſw. jofort abnimmt — die | dem Hafen mehr Schaden verurjacht,
al
—
Niro. 85.
als bei der Verfolgung von Dame
wild oder Schweinen. Einmal kann
man jedoch in gewiſſem Grade dent
fteuern, indem man den Hafen aus
jeinem Revier herausdrückt, anderer:
ſeits beſteht der angerichtete Scha-
den zum weitaus größten Teile in
der Einbildung dererzürnten Grund:
befiger, vorausgefegt, daß der Bo⸗
den nicht alzu tief ift! Es ift
jeldftredend, daß durch Rübenfelder
nur die Piqueure, und nicht das
Sagdfeld den Hunden folgen dürfen.
Der Senior der medlenburgifchen
Sagdreiter, der über vierzig Jahre
der Neubrandenburger Meute folgt,
verficherte mir, daß feine Weizen-
ſaat im Frühjahr nie fo dicht wäre,
als wenn das Jagdfeld fte im Herbft
ordentlich zerirampelt hätte. „rei-
lich,” fügte er hinzu, „ſieht ſolche
Saat am Tage nad) der Jagd greu⸗
lieh aus, aber dies ift nur ein
Schönheitöfehler, der nicht von
Dauer ift.” Der derzeitige Mafter
diefer Meute hatte die Freundlich⸗
feit, mir aus feiner Tätigfeit eine
Epifode zu erzählen, die für Die
Haffifche Heimat der deutjchen Par⸗
forcejagd umd ihre Bewohner cha⸗
rakteriſtiſch tft:
„Na Müller,“ fragte Herr von
Brandenftein ein Bäuerlein, „beb-
ben Se od Schoden anmeldt?“ —
„Nee, Schoden vermeldt id nid;
denn ba id ſchon 55 Jahr weng
anmeld’ möten; dat dau id nid!
— Wat de Weiten (Meizen) is,
dem is dat blot nützlich; amerft
wat de Roggen id, dor mag dat
ja 'n bedden anners find. 30, Se
laden jo, Herr Baron, id ma’ Se
dat utdüten (erklären). Na jo, wat
de Weiten is, un dat is'n droig
(troden) Jahr, denn hätt de blot
'n grooten Vortel (Vorteil) von;
denn ſammelt ſich in jede Haufſpur
(Hufſpur) de Füchtigkeit; un is dat
n rechten ſwerren Weiten, denn
hätt de Deitenplant (Weizenpflanze)
Ichr. B. A. v. Gfeberk.
in de PBerteifung ünen fcheunen
Schutz.“
Unter der Spitzmarke „Landmann
und Fuchsjäger“ ſchreibt ein eng-
liſches Fachblatt: „EL ift eine an:
ertannte Sache, daß, wenn aud) die
volle Jagd mit zahlreihem Felde
während der Saijon über junge
Kornjaat gebt, dieſe nicht allein
nicht leidet, ſondern daB es ihr ſo⸗
gar nüslih ift. Hier ein neuer
Beweis. Man kann ung entgegnen,
das fei längjt befannt, dennoch ver⸗
dient das folgende Hier einen Platz:
Ein Pächter meldete fich bei dem
Sarl of Fitzwilliam mit der
Klage, daB bei einer Jagd mit deö
Lords Fuchshunden das nadfol:
gende jehr zahlreiche Feld jeine
junge Weizenjaat niedergetreten
und bedeutenden Schaden verur:
jucdht habe. Der Lord ermibderte:
Der Pächter möge den Schaden
abſchätzen laſſen, den er erjegen
werde. Das — erhielt der Carl
zur Antwort — ſei bereit$ ge:
ſchehen und zu 50 Lire angejchlagen.
Lord Fitzwilliam zahlte, ohne
ein Wort zu ermidern. Als der
Sommer heranfam, zeigte es jich,
daß der Weizen auf jenem Felde
viel dichter und üppiger jtand als
auf den anderen Feldern der Nadj-
barfchaft. Der Pächter erjchien und
zahlte die 50 Lire zurüd. —
85. Bedeutung der Parforce-
jagd für die Pferdezudt. Doc
es genügt nicht, dag wir den
großen und Kleinen Grundbejikern
die „Unſchädlichkeit“ der Parforce—
jagd bemweilen, wir müfjen fie von
deren „Notwendigkeit” überzeugen,
von ihrem direften Nuten, als ein
Mittel zur Hebung der inländijchen
PVferdezudt. Denn was für Er-
probung der Xeiftungsfähigfeit des
Bollblutes die Rennen, das ift fürdie
edlere Halbblutzucht die PVarforces
jagd. Alle berühmten GeftüteDeutfch-
lands, wie Baſedow, Ivenack u.f.w.
2 — TE en —
— LAU I 3 8
———
I. 3. Parforcejagd. j
Neo, 35.
hatten auch ſchon in alter Zeit ihre | ein allgemein beliebte8 Bergnügen
Barforcejagden, bei denen fich die | werden.” —
befjeren Pferde zeigen konnten.
Mit den Jagden gingen auch bie
Geftüte ein. Man nehme England
Rennen und Fuchsjagd, und feine
Pferdezucht wird in fünfzig Jahren
nicht mehr der Schatten der jeigen
fein. Neuerdings ift durch Die
Halbblutrennen ein friiher Impuls
in unjere edle Landespferdezucht
gefommen; aber der deutjche Züch-
ter beobachtet oft eine ſchwer ver-
ftändliche Rejerve gegen alleß, was
mit dem „Turf“ zufammenhängt,
darum wird der fürderlidhe Einfluß
der Halbblutprüfungen nur einzelnen
größeren Geftüten zugute fommen.
Abgefehen hiervon und von der
leidigen Geldfrage pflegt ſich die
verjönliche Beteiligung am Rennen
meift mit einem gewiſſen Lebens⸗
alter zu verbieten; die Freuden
des Sagdfeldes dagegen find jedem
zugänglich, mag er 60 oder 120
Kilogramm, mag er 20 oder 60
Lenze in den Sattel bringen. Haſen⸗
jagden haben in diejer Hinficht vor
jeder anderen Art der Parforcejagd
noch ein Moment voraus, das zu
ihren Gunften plädiert. In Eng:
land Tann man befanntli in eins
zelnen Gegenden, wie mit den
Pytchley:, ven Duorn=, den Cottes⸗
more⸗Hounds in Leiceſterſhire, nur
auf einem Bollblüter leben. Sol
die Parforcejagd bei ung von
neuem populär werden, jo darf ihre
Ausübung fi nicht auf den Heinen
Kreis derer bejchränfen, die durch
ein leichtes Körpergewicht und einen
ſchweren Geldbeutel bevorzugt find.
„Meuten von langjameren Hunden,
3. B. Harrierd oder Beagles,“ heißt
e8 in einer alten Schrift über
Pferdezucht, „tun not, denen auch
der minder Bemittelte leicht und
gemädlich folgen Tann. Dann wird
die Jagd erft ihren vollen Nuten
für die Pferdezucht entfalten und
„Denn e3 auch Tage
gibt,” ſchreibt ein englifcher Autor,
„an denen die Hunde den beiten
Hunter diftanzieren, jo genügt im
allgemeinen für die Jagd hinter
Hafen ein Pferd, das ficher, ge=
ſchickt und leicht in der Hand ift,
etwas galoppieren kann und zuver⸗
läffig fpringt, denn auf ungemöhn-
lihe und nicht immer leichte Situa:
tionen muß man gefaßt fein!”
Ueber den „Nuten der Reitjagd“
heißt es 1859 in den „Blättern
über Pferde und Jagd“: „Es ift
allerding® ſchade, wenn viele und
gute Pferde zu grunde gerichtet
werden, aber es belebt dieler Ver:
brauch andererſeits wieder die Zucht
fehr, aus dem einfachen Grunde,
weil er viel Nachfrage erzeugt. Wo
aber viele gute Jagdpferde gezogen
werden, da fehlt es niemals an
anderen guten GebrauchSpferden,
denn das Jagdpferd und das ihm
ähnliche ift in der Regel dazjenige,
was im allgemeinen am meijten
anjpricht, zu mehrfeitiger Verwen⸗
dung fich eignet und daher auch zu
anderen BZmeden, als zur Sagd
ſehr geſucht ift.” — Wenn ein
engliſcher Sporticriftfteler kon⸗
ſtatiert, daß in alter Zeit weit mehr
Pferde im Jagdfelde liegen blieben,
und hieraus folgert, daß die heu—⸗
tige Generation nicht mehr mit der
Rüdfichtslofigkeit unferer Väter
reitet, fo fann ich mid) diefer Fol⸗
gerung nicht anjchließen; wenn in
der Tat die Parforcejagd weniger
Opfer an Pferdefleiſch fordert, als
vor fünfzig Jahren, jo ſcheint mir
dies viel eher zu beweiſen, daß
unfer Pferdematerial durch Bol:
blut, Rennen und Aufzucht edler
und zugleich widerjtandsfähiger ge=
worden ift. Während der Nuten
der Rennen gemwifjermaßen nur auf
die Spißen der Landespferdezucht
unmittelbar einwirkt, wäre die all-
Nro. 85.
gemeine Verbreitung der Parforce-
jagd geeignet, in allen Schichten
der Yandespferdezuht, bis hinab
zum Eleinften Züchter, für eine auf
Härte und Yeittungsfahigfeit gerich—
tete Aufzucht Verſtändnis zu weden.
Dem Charafter wie der vornehmiten
Beitimmung unſeres inländijchen
Halbblutpferdes — als Soldaten:
pferd — liegt zudem eine Prüfung
im Sagdfelde viel näher, als eine
jolhe auf der Rennbahn, zumal
auf der flahen Bahn über eine
furze Diftanz. „Bei unferen Halb-
biutpferden,“ jagt Lanpdjtallmeijter
Dr. Grabenjee, „dürfen die für
ein Gebrauchspferd Jo außerordent-
lid wichtige Ruhe und Die quten
Nerven, melde Yanpjtallmeijter
v. Dettingen bei den amerifa-
niſchen “Pferden jo fehr rühmt,
durd) lange, womöglich bi8 in das
ſechſte Jahr fortgejegte Jagdgalopps
mehr gefördert werden, als durch
öffentliche Rennen.“
Der ſchon oben von mir zitierte
Maſter ſchrieb mir ſ. 3.: „Auch
ich kann es nur bedauern, daß der
„Sport in Rot“ in Deutſchland in
ſo vielen Gegenden nachgelaſſen,
ja zum Zeil ganz aufgehört hat.
Dag findet in der Hauptſache feinen
Grund in dem wenigen Gntgegen-
fommen der Yandbevölferung, da—
durch ift leider der Sport jehr teuer
geworden, jo daß aus dieſem
Grunde die Vereine fih aufgelöft
haben, läge e8 da nicht im Inter—
ejje der landwirtſchaftlichen Preſſe
und vor allen Dingen der Männer,
die an der Spike von Zuchtvereinen
jtehen, eine Aenderung eintreten
zu lajien? Daß die Pferdezucht
durch die Barforcejagd entjchieden
gehoben wird, tjt fruglos. Es wäre
daher von großer Wichtigkeit, wenn
durh Die Direftoren der Land:
gejtüte ein Drud auf die Züchter
ausgeübt würde, indent 3. B. bei
den Stutenjchauen die Züchter ans
Irhr. 5. R. v. Eſebeck.
gehalten würden, die Leiftungen |
ihrer Stuten rejp. deren Produkte
anzugeben, und folde Züchter, Die
nachweiſen können, daß ihre Pferde
gute Yeiftungen auf den Parforce-
jagden zeigen, Preiſe erhielten;
auch könnten die Züchter, um Das
Intereſſe zugunften der Pferde:
zucht zu weden, fi frei an allen
Wildjagden beteiligen. Ferner
müßte e8 von Wichtigkeit fein, wenn
die Direktoren der Yandgeftüte ihre
Hengite nicht nur in den Halbblut:
rennen laufen ließen, fondern die: |
felben aud; hinter den Hunden au$: |
probierten.“ — |
Wo ſich Gelegenheit hierzu bietet,
wie 3. B. in Hinterpommern, hinter |
der Stargordter Meute, wird Die:
jelbe auch von dem Gejtütßleiter
wahrgenommen, um den Züctern
die Qualität der Remönteerzeuger
ad oculus im Jagdfelde zu Demon:
ſtrieren. Allein eine eigentliche
Prüfung von Zuchtmaterial Hinter
den Hunden wird im wejentlichen
wohl immer auf Privatgeftüte be- |
ſchränkt bleiben. Abgejehen von !
allen anderen Bedenten, die man
an maßgebender Stelle dagegen |
geltend machen könnte, halte ich |
den Vorfchlag ſchon aus dem ein: ,
fahen Grunde für ſchwer zu ver:
wirklichen, weil die Zahl der Meu:
ten jelbft bei Hinzuzählung Der
Cchleppjagden doch eine fehr bes
ſchränkte ıft und es leider vorerft
wohl aud bleiben wird. Yrudt:
barer dürfte fi der Gedante er:
erweifen, etwas ähnliches in Deutſch⸗
land zu fchaffen, wie die „Hunters
Smprovement Society” *), oder
wenigſtens deren Beftrebungen bei
ung einzubürgern. Mir ſchwebt
eine Prüfung vor, wie id) jie vor
Sahren in Schweden fah: Erſter
Tag, Drefjurprüfung und Preis;
*) (Sefellihaft zur Verbeſſerung der
Sunterzudt.
aaouupg uı spapglupogzappiut aM Sag mau ↄ—
II, 8. Parforrejagd.
Ipringen, — zweiter Tag, Schlepp-
jagd Hinter den Hunden. Die
Concours hippiques in Berlin, die
Ausstellungen der Deutjchen Land—
wirtſchaftsgeſellſchaft u. dergl. brin-
gen ja die gegebene Gelegenheit,
um folde Brüfungen zu injzenieren.
Läge es nicht auf der Hand, mit
den in Hannover geplanten Yei-
ftungsprüfungen für SKampagne=
pferde eine Konkurrenz für Jagd—
pferde zu verbinden, d. h. eine
Nro. 85.
Verbindung mit der Prüfung von
Meuten, — welch neuen Impuls
würde der „Sport in Rot“ davon
heimnehmen! Und die inländijche
Halbblutzuht würde dabei nicht
Ihleht fahren. — Borausgejeßt
natürlich, daß alle derartigen Aus:
Ihreibungen in ihren Dienjt gejtellt
werden. Das ijt für mich Kardinal:
forderung. Wie aktuell die Par—
forcejagd auf den Abjat der Pferde-
zucht ‚wirkt, fieht man am deutlich-
14. Eiffaer $uchsmeute.
Dreſſur- und Geländeprüfung für
Verde, die hinter deutſchen auf
freier Wildbahn, Kajtenwild oder
Schleppe jagenden Meuten minde-
ſtens jo und jo oft zum Halali
geritten find. Gerade Hannover
mit feinem idealen Terrain, jeinem
reihen Material und der Fülle von
Paſſion, Schneid, Energie, Unter:
nehmungslujt, die dort zu Haufe
it, ſcheint der rechte Boden für
derartige Bejtrebungen zu jein.
Wäre es denn undenkbar, daß die
Tage des „Konkurrenzjagens“ (1881
und 1885) wieder auferftehen ?
Man denke ſich eine Konkurrenz,
wie ich fie oben fennzeichnete, in
ften in Medlenburg und Bonmern,
wo jeder Gutsbejiger fich ein bis
zwei Reitpferde hält, um den Lud—
wigsluſt-Parchimer, den Neubran:
denburger, Brooder oder Star-
gordter Hunden zu folgen. Haben
die Vferdefonfumenten — Berufs
favalleriften und Liebhaber — Ge-
lfegenheit, die Leiftungen der in-
ländiſchen Halbblüter unter hohem
Gewicht im tiefen Boden hinter den
Hunden zu beobadten, jo kann es
nicht ausbleiben, daß Ddiefelben
fortan ihren Bedarf im Inlande
und direft vom Produzenten deden,
anftatt durch Ausländer fragwür—
diger Herkunft aus dem Händler:
6
Nro. 86.
ftal, an denen fie außer den
Transportkoſten nod) den Verdienft
des Händlers tragen müfjen. In
der Provinz Pojen habe ich Hunter
allergröbiten Kaliber gefehen, die
aus der Kreuzung ümportierter
Workihirescoadh:horfe » Stuten mit
einem Gradiger Hengft ftammten
und, menn ein englijcher Züchter
jelbft jagt: „Es gibt drei Typen,
von denen man mit Bollblut Hun—
ter züchten fann: Yorkſhire-oach—
horje, Cleveland-Bay und Trafeh:
ner,” To fpricht dies deutlich genug
zugunften der deutſchen Zudt.
Noch viel mehr als die Beförde-
rung des Konſums wiegt in meinen
Augen eine indirefte Wirkung,
welde man von dem Aufblühen
der Varforcejagd für unſere inlän:
diſche Pferdezucht erhoffen darf: in
den traditionellen Pferdezuchtpro—
vinzen macht es ſich heute bereits
fühlbar, daß die Bauern ihre beiten
Stuten dem Händler überlajien.
Würde gerade in jenen Gegenden
unter den größeren Belikern die
Nachfrage nah guten Gebrauchs—
pferden fteigen, jo würde der kleine
Züchter um fo eher eine gute
Mutterftute behalten, als er viel:
leicht Gelegenheit hat, jelbit die
Freuden des Jagdreitens auf ihr
fennen zu lernen, und wer jeine
eigene Haut zu Marfte trägt, der
wird ſich hüten, ein Pferd mit
Schlechter Schulter und fteilen Feſſeln
zu ztehen; der Züchter, der felbjt
den Hunden folgt, weiß aus eigener
Erfahrung, wie ein aabnjeı® auf:
gezogen fein muß. Warum produs
ziert Irland die — Hunter der
Welt? — Man wird erwidern:
„Sein Klima, ſein Boden, ſein
Vollblut,“ — alles ſehr wahr, und
doch beſäße der irländiſche Hunter
nicht jene unvergleichlichen Eigen—
ſchaften, wenn er nicht von ſeinem
Frhr. B. A.
v. Eſebeck.
Tage ſeines Lebens an für den
dereinſtigen Beruf im Jagdfelde
erzogen worden wäre. Würden
unſere kleinen Grundbeſitzer ihre
güſte Mutterſtute oder eine ge⸗
ſtoßene Remonte auf der Jagd
reiten, ſo würde der Sport in Rot
noch viel unmittelbarer auf die
Aufzucht in unſerer Landespferde⸗
zucht einwirken, als es der Sport
zwiſchen den Flaggen tut. Darum
hat die Armee als erſter Konſument
des Halbblutpferdes an der Förde⸗
rung der Parforcejagd ein bren—
nendes Intereſſe. Im Kampfe
gegen die Ausbreitung der Kalt:
blutzucht, die in unjeren Remonte-
provinzen für die Wehrjchaft des
Baterlandes eine Gefahr zu werden
droht, wäre die Parforcejagd ein
nit zu unterfchägender Bundes-
genofje.
86. Die Barforcejagd in Eng-
land. Bis in die unterjten Schich-
ten der englifchen Bevölkerung hat
jedermann Berftändnig für Die
nationalöfonomifche Bedeutung von
Sport und Pferdezudt. Der Päch—
ter und Grundbefiger, wie Der
Handwerksburſche auf der Land:
jtraße weiß, daß ohne die Jagden
der Hunter nicht feinen Weltruf
genöſſe. In Enaland erfreut fich
darum auch der Nermfte und Ge:
tingfte an dem Anblid eines Rei:
ter3 und dies Doppelt, wenn der;
jelbe einen roten Rod trägt. In
Deutjchland aber fieht der Kleine
Mann in feinem Mitmenfchen zu
Pferde den „verfl Ariftofras
ten“, der ſich über ihn erheben
will. Jeder Sport, fobald er mit
dem Pferde zufammenhängt, ift als
Vorrecht der Befigenden bei uns
von vornherein unpopulär. Der
wahre Hemmſchuh für die Entwick
lung des Sport3 in Rot liegt in
den fozialen Verhältnifien. Was
Züchter ſchon vierjährig Hinter den den Huntingfport in England fo
Hunden geritten und vom erſten
‚populär madıt, ift der foziale Zu:
11. 8. Parforrejagd.
ſammenhang, der durch benfelben
zwifhen allen Klafſſen gefchaffen
wird. Der Lord aufdem 300-Pfund-
Hunter fchüttelt dem Bauern, über
deſſen Felder er reitet, wie Seines:
gleichen die Hand, und der junge
Dandy, der im Ballfaal vor lauter
Feinheit nit den Mund auftut,
wird im Sjagdfelde mit Freuden
fih die Erfahrungen eines alten
„foot-runners* nußbar machen.
Ich bin in Deutfchland bisher einem
einzigen Bauern begegnet, der auf
einem jelbjtgezogenen Fünfjährigen
einer Jagd folgte; anftatt vor dem
Waderen die Kappe zu ziehen,
machten die noblen Herren im roten
Rod fih über ihn luſtig. So
wenig Verftändnig für das eigent-
lihe Wefen des Sport3 in Rot
herrſcht bei uns felbft dort, mo
man dasſelbe zu juchen berechtigt
ift. Wer in England zeigt, daß er
binter den Hunden feinen Strid)
reiten Tann, ohne dieſe oder die
übrigen Reiter zu ftören, der wird
weder nad feinem politifchen, noch
nad irgend einem anderen Glau—
bensbekenntnis gefragt. Er mag
wie ein Botofude augfehen und in
dem Aufzuge eines Bafchfiren er-
feinen, wenn er den Sport ver:
fteht und gerade reitet, fo werden
ihn der Earl auf dem ein kleines
Bermögen koſtenden VBollblüter, wie
der von der erjten Londoner Firma
adjuftierte Millionärsjohn nicht nur
mit Achtung, jondern mit lieben?-
mwürdigfter Zuvortommenheit be:
handeln.
In einem engliihen Lofalblatt
ftand zu lefen: „Bexhill darf ſich
jegt rühmen, zwei Maſter of the
hounds am Orte zu haben, beides
Sportömen vom rediten Sclage.
An uns ift ed, nunmehr dafür zu
forgen, daß fie bei un® bleiben,
damit der Huntingiport an unferem
Drt ein dauernded Heim findet.
Nicht? vermag den während des
|
F
Niro. 86,
Winterd ruhenden Handel und
Wandel unferer Stadt wirkſamer
zu beleben, ald Hunting. Wie
fönnen wir hierzu beitragen?
Nichts einfacher ald dies! Ihr
braucht nur Füchſe und Hafen in
euern Revieren nad Kräften zu
Ihonen, müßt eure Beiträge püntt-
ih bezahlen, dürft nicht über
Saaten reiten, Tore offen lafjen
und unter feinen Umjtänden eure
Felder und Koppeln mit Stadel:
draht einfriedigen. Werden Ddiefe
drei Bedingungen von der Cin-
mwohnerichaft erfüllt, jo werben
unjere Maiter bei ung bleiben und
dag geliebte Hunting wird bei und
blühen, jener herrlihe Sport, bei
defien bloßer Nennung es jeden
Mann ſchon mit ungeduldiger Auf:
reaung durchbebt, wie ein fpätes
Mädchen, dad die Torihlußpanif
ergreift.” —
Abgeſehen davon, daß dag Hun—
ting eine Menge Leute unmittelbar
ernährt, die durch Pferdehalten,
Deffnen der Gatter u. dergl. an
den Jagdtagen einen Wochenlohn
verdienen, liegt die joziale Bedeu—
tung des Sport? vor allem auf
gejellfchaftlichem Gebiet. Die vor⸗
nehmen Leute, die ohne die Fuchs—
jagden den Winter an der Riviera
verbringen würden, werden dadurd)
im Lande gehalten, und in einem
toten Eleinen Provinzneft, das im
Zentrum mehrerer Meuten liegt,
entwidelt fi ein Leben wie im
faſhionabelſten Badeort. Hotelmirte,
Handwerker und nicht minder alle
ländlichen Produzenten ziehen hier:
aus Gewinn. Zu den „Subffri:
pers“ gehören darum auch ſämtliche
Kaufleute und Lieferanten der um—
liegenden Städte und Dörfer.
Unter folhen Umſtänden fommen
Beihmwerden und Schadenerjak-
anſprüche verhältnismäßig wenig
vor. Aber man weiß dies auch
auf der anderen Seite zu würdigen!
Nro. 86.
Einem Heinen Pächter in Suffer
waren von Füchſen zwanzig Hühner
zerrifien; da Derjelbe jeit ſechs
Jahren feinen Schaden angemeldet
hatte, jo erhielt er 100 Marf Ent-
Ihädigung. Die Pächter, welche
Füchſe jchonen, haben die Jagdfolae
frei und die Berechtigung, hinter
den Hunden einen dunklen Anzug
mit roter Weſte zu tragen.
Ich glaube, wer das Fox-Hunting
nur aus engliihen Stihen und
Romanen fennt, macht fih von
einem „Meet“ ein ganz verfehrtes
Bid. Was auf den eriten Blid
befremdet, iſt die verjchwindende
Zahl der roten Röcke. Nur die
Mitglieder der Meute dürfen dieſen
mit dem Abzeichen tragen, und
jelbft dieſe erjcheinen häufig im
ſchwarzen Rod mit dem „Hunt
button“. Gäſte dürfen vorüber:
gehend im roten Rod reiten, fofern
fie den Knopf einer Meute tragen
(3. B. Kal. Barforcejagd oder Mil.
Keitinft.); gebräuchlicher aber iſt
Ichr. B. A.
|
v. Eſebeck.
der ſchwarze Rod von gleichem
Schnitt mit weißen Hofen, Stulp=
jtiefeln und hohem Hut. Einige
Dandys tragen den roten oder
Schwarzen Reitfrad. Das Gro8 des
Feldes, nämlich die Heinen Grund—
befiter, Bächter und Bauern, reiten
im gewöhnlichen Neitanzug ; hierzu
find ſowohl Stiefel (ohne Stulpen
mit Anichnalliporen), wie Gama—
ihen zuläffig; Conditio sine qua
non ift nur der runde ſteife Filz-
hut. Das einzige Kleidungsftück,
das im engliichen Jagdfelde un:
möglich ift, ift die bei und übliche
Ihwarze Sammetfappe; dieje ijt
das Vorrecht des Mafters und
jeiner Unterorgane. Damen fieht
man ſowohl im Zylinder ald im
runden ſchwarzen Hut, vielfach
tragen diejelben die Abzeichen der
Meute (Kragen und Knöpfe) zum
Ihmwarzen Neitfleid. Charakteriſtiſch
für das Bild eines Foxhound—
Meet in Enaland und zugleih für
die Popularität des Hunting im
15. Foxhound-Meet in England.
II. 8. Parforrejagd.
Nro. 86.
ganzen Lande ift die fchier endlofe | und wohl auch mandjer der fonft
Kolonne von Dogcart3 und Ge—
jpannen aller Art, von der Mail-
coach big zum Ejeltandem, die mit
Zuſchauern bejegt, ſchon auf Meilen
den Weg zum Stelldichein weijen.
Man Hört fo oft von Leuten, die
„prüben“ waren, mit einer geſuch—
ten Geringjhägung von den eng-
liſchen Jagden ſprechen, al3 ob es
dort überhaupt nicht vorfäme, daß
jemand fih vom Wege herunter
wage, oder anders als durch ein
„gate“ (Tor) aus einem Feld in das
undere gelange. Andere dagegen
haben die tollfühnften Wundertaten
a la Mündhaufen im Jagdfelde
verrichten fehen. Sn dem einen
wie in dem andern alle wäre es
gleich unrichtig, dieſes Urteil zu
verallgemeinern. Wer in einem
Felde von 700 Reitern während
des ganzen Sagdtages in der
Straßentolonne eingefeilt war, wird
fi) naturgemäß der erjteren Auf:
faffung anſchließen und dazu bei:
tragen, in der Phantafie feiner
Zuhörer ein vollfommenes Zerr—
bild von dem For:-Hunting zu
Schaffen. Der Deutſche, der zum
erftenmal drüben ift, wird jehr
ſchwer der Bedeutung des „Hunting”
gerecht werden, weil er jich nicht
fo ohne weiteres von dem fozialen
Boden Rechenſchaft geben fann,
auf dem der „Sport in Rot“ dort
blüht. — Wer reitet überhaupt in
Deutfchland „Jagd“? Der Offizier
und allenfalls der Rejerveoffizıer,
d. 5. das Reiten hinter den Hun—
den fteht wie der ganze Reitjport
in Deutſchland im Zeichen des
Militarismus, denn auch der Pri⸗
vatmann reitet im allgemeinen bei
ung nad) den in der Armee gelten
den Grundjägen, wenn er nicht
feine favalleriftiihe Ausbildung gar
direft der Armee verdankt. In
England dagegen „huntet” jeder
Mann zwiſchen 8 und 80 Jahren
im Leben nie mit dem Pferde in
Berührung fommt. Sch habe 3. B.
geſehen, daß ein halbwüchſiger
Bengel an einer Wegebiegung ins
Rutſchen fam, jo daß er nur noch
mit einem Bein im Sattel Bing,
wobei er im PBorbeirafen von den
Zuſchauern wieder in den Sattel
gefhoben wurde und ohne Bügel,
faum die Zügel in der Hand, weiter
jagte. Angefiht3 ſolcher Bilder,
denen man immer. wieder begegnet,
babe ich mich oft gefragt, was mehr
zu bewundern jei, das Herz der
Pferde, die unter ſolchen Reitern
alles fpringen, oder daS Herz diejer
Reiter, die auf den faſt ſtockrohen
Pferden gegen alleö gegenreiten.
Das Geheimnis, weshalb dieſe
Kombination in der Negel glücklich
abläuft, findet feine Löfung in dem
langen Zügel und dem vorzüglichen
Zeınperament der Pferde. Es iſt
in hohem Maße bezeichnend, daß
die erfte Frage des Engländers,
der ſich nach einen Jagdpferde er:
fundigt, unmeigerlidy lautet: „Hat
es ein gute® Maul?“ und wenn
jemand einen Hunter lobt, fo fpielt
das „leichte Maul” die erſte Rolle.
Dem typiſchen Bild des „Pullers“,
wie wir es in jedem deutjchen
Sagdfelde zu ſehen gewohnt find,
begegnet man jenfeits des Kanals
fat nie; in den eng umgrenzten
Seldern, mit der dien Kolonne,
die ſich durch die gates drängt,
wäre ein folder Schrammer nicht
nur für den Reiter, fondern aud)
für deſſen Mitmenſchen lebensge:
fährli; und der Engländer ift im
Jagdfelde fehr viel rüdfichtSpoller
al3 der Deutiche.
So jelbjtverftändlich es für den
Engländer ift, daß man Jagd reitet,
fo wenig Aufheben madt er von
den finanziellen Opfern, die dem
Sport in Rot gebracht werden.
Durch Beiträge erhält z. B. ein
nutze
Niro. 86.
Frhr. B. A. v. Eſebeck.
mir bekannter Maſter jährlich 800 | kürzende Pauſe zwiſchen den Be:
Pfund; dies bedeutet, daß er mehr
als das doppelte aus eigenen
Mitteln zuſchießen muß (etma 40 000
ME), um die Sahresunfoften zu
decken.
In Deutſchland dürften ſich we:
nige Privatleute finden, Die in der
Lage oder mwilleng wären, für das
Vergnügen der Jagdreiter jolche
Aufwendungen zu machen, ganz
abgefehen davon, daß kein Grund:
befiter oder Jagdpächter ſich dazu
veritehen würde, dem Notrod zu
Liebe Füchſe zu fchonen. Lebteres
iſt aber conditio sine qua non
für die Jagd Hinter Fuchshunden,
deren Geſchäft ohnehin ſchon hier:
zulande durch die ausgedehnten
Forſten ungeheuer erjchwert würde.
An England werden die Füchſe
aus den Kleinen getrennt liegenden
Maldparzellen oder Ginfterdidungen
(covers) leicht von den Hunden
herausgeftöbert, nachdem in der
Naht zuvor, während Meijter
Reinefe auf Raub ausgeht, Die
Baue verftopft find. Troßdem
fommt ed auch dort noch häufig
genug vor, daB Reineke feinen
Berfolgern entwifcht oder überhaupt
nicht gefunden wird; beides ver⸗
mag aber den Enthufiasmus des
englifchen Sportämannes aud nicht
im geringften zu dämpfen; ganz tm
Gegenteil; gerade die fprichiwötliche
Ungemibheit (glorious uncertainty)
der Fuchsjagd ift e8, die in feinen
Augen diefem nationalen Sport
den Hauptreiz verleiht. Hierin
fennzeichnet fi die grundjäßliche
Berfchiedenheit von englifcher und
deutfher Auffaffung: Bei allem
Erwerbsfinn und faufmännifcher
Großzügigkeit ift der Engländer
bis in die FingerfpienSportämann;
der Deutſche kann aber nun einmal
aus feiner Haut nicht heraus; ihm
fült im beiten Falle der Sport die
unvermeibliche, nach Möglichkeit zu
rufsgefchäften. Selbſt der Offizier
fünnte es ſich bei und nicht leijten,
an drei Tagen der Woche von früh
9 Uhr bis zum Anbruch derDuntfelbeit
den Hunden zu folgen, mit der
möglichen Aussicht, einen ganzen
Tag vergeblich vor den Waldremi⸗
jen berumzulungern, ohne daß das
„Tally ho, gone away“!, daS das
Herausbrechen eines Fuchſes an-
fündigt, Pferde und Reiter von
ihrer Ungeduld erlöjt. Der deutiche
Beamte oder Geſchäftsmann, der
jeine knapp bemefjenen Erholungs»
ftunden dazu benußt, un Jagd zu
reiten, mill in’ diefer Zurzen Zeit
unter allen Umftänden einen flotten
Galopp, eine Reihe fairer Sprünge
und eine erfolgreiche Jagd genießen.
Auf alles dies ijt bei der Parforce⸗
jagd auf freier Wildbahn nie mit
voller Beltimmtheit zu rechnen,
denn der scent, d. 5. die Stärke
der Witterung ift von der Boden:
befchaffenheit, der Tageszeit, Luft⸗
temperatur, Wind und taufend Zu:
fälligfeiten abhängig. Bei ven
hierorts gebräuchlichen Hafenjagden,
die ja vor der Fuchsjagd den Bor:
zug der geringeren Unkoſten haben
(eine Hafenmeute ift ſchon für
6000— 8000 ME. im Jahr zu unter:
halten), werden durch das fortge—
ſetzte Auffpringen friiher Hafen die
Hunde allzuleiht von der Fährte
abgelenft und dadurch der Erfolg
der Jagd in Frage gejtellt. Selbſt
die Jagd hinter ausgefegtem Kaſten⸗
wild — Dam- und Schmarzwild,
dem man unmittelbar vor dem An:
legen der Hunde die Freiheit gibt
—, mie bei den föniglichen Par:
forcejagden in Döberig und Han:
nover, auf der Senne 2c., garan⸗
tiert nicht immer einen Jagdgalopp;
war das Tier ſchon länger feiner
Sreiheit beraubt, jo macht es häufig
von derjelben gar feinen Gebraud),
fordern ftellt ſich fogleich den Hun⸗
}
IH. 8. Parforcejagd.
Niro. 87.
den, oder wie ed namentlich beim | aber kann nicht einmal der Majter
Schwarzmwild in fumpf- und waſſer⸗ | oder Huntsman das Ende abfehen.
reihen Gegenden häufig vorfommt,
das Wild flüchtet fich jofort in ein
Gelände, in das man zu Pferde
nicht folgen fan. Aus dieſem Grunde
gibt der Deutjche, dem die Par-
forcejagd fein weidmänniſcher Sport,
fondern lediglih eine Reitübung
bedeutet, von jeher der Schlepp:
jagd den Vorzug, bei der die Hunde
auf einer dur Schleppen von
Fuchs⸗ oder Wildfchweinlofung her⸗
geſtellten künſtlichen Fährte jagen.
Da man durd) Auswahl des Ge-
ländes den Flurſchaden nahezu ver:
meiden Tann, fo find die mit dieſem
„Surrogat” der Barforcejagd
verbundenen Unkoſten verhältnis:
mäßig geringe, und da man bie
Stärte der Fünftlihen Witterung
willfürlich bemeffen kann, fo kann
man dafür vorforgen, daß die
Hunde felbjt bei Sturm und größter
Trodenbeit ſchnell und laut auf
der Schleppe zu jagen vermögen
und den Sagdreitern ein jcharfes
Tempo vorlegen.
87. Schleppjagden. Es gibt
viele und gute Kavalleriften, die
als kavalleriſtiſches Erziehungs:
mittel die Schleppe noch über die
Wildjagd ſtellen. Gegen letztere
machen dieſelben geltend, daß ſie
dem Reiter nicht hinreichend Ge⸗
legenheit gäbe, Hinderniſſe in flie-
gender Fahrt zu überwinden, daß
dur die häufigen Stoppg beim
Ueberfchießen der Fährte der reiter:
lihe Geift zu kurz füme. Was
dies betrifft, jo glaube ich, daß
„Drüdeberger” und „Grabenſpione“
auf der Schleppjagd viel eher eine
Tür finden, als auf der Wildjagd,
wo es Ehrenjade ift, beim Halali
zu fein. Der Endpunft einer
Schleppe, wo das den Hunden zu:
gedachte Fleiſch niedergelegt wird,
läßt ſich wohl immer in Erfahrung
bringen, auf der freien Wilbfährte
„Ich will nicht beftreiten,” fchreibt
Keudell, „daß die fogenannten
Schnitzeljagden eine ganz gute
Uebung für das Terrainreiten find;
jeder Reiter aber, der ſchon einmal
hinter Hunden geritten bat, und
wären ed auch nur Beagles ges
wejen, wird mir zugeben, daß er
ſchneller und andauernder hierbei
Galopp reiten mußte, als dies je-
mals bei der Schnigeljagd der Fall
gewejen if.” — Der Wert des
Jagdreitens liegt in meinen Augen
nicht in der Sigübung bei Weber:
mwindung von Hinderniffen, fondern
darin, daß es bei dem Reiter Ge-
fühl für Pace und Kondition er:
zeugt und da3 Auge für unvermutet
auftauchende Geländefchwierigfeiten
ſchärft. Was ich der Schleppjagd
zum Vorwurf made, iſt, daß der
Reiter in allen Fällen meiß: die
Hinderniffe find zu |pringen, denn
der Schlepper hat jie bereits über-
mwunden. Er fagt fi: mögen mir
heute immerhin ein paar „Inuffige”
Sprünge in die Quere fommen,
„unfair“ werden fie fchon nicht
fein, denn wozu wäre fonft die
Schleppe ausgefudt. Die Möglich-
feit, in ein gänzlich unpaffierbares
Gelände zu geraten, die auf der
Wildjagd jeden Augenblid eintreten
fann, ift auf der Schleppe von
vornherein ausgeſchloſſen. Die für
den Kampagnereiter fo wichtige
Tugend „Disfretion” wird alſo
bier niemals auf die Brobe geftellt.
Die Schleppjagd ift für junge,
unroutinierte und für nervenſchwache
Reiter gewiß ein vortreffliches
Mittel, um den Schneid zu weden;
aber da3 gleiche erreicht man, wenn
man fie ohne Zügel und Bügel in
der Karriere durch einen Spring:
garten reiten läßt. Was für den
Patrouillenreiter mehr Nuten bat,
eine Jagd über ausgeſuchte Hinder:
Ne. 87.
niffe in volliter Fahrt oder Die
Durchquerung eines unbefannten,
oft recht unfairen Geländes —
wenn auch vielleicht auf Koſten der
der Pace — Darf ich wohl außer
Frage laſſen.
Doc) es hieße, „das Beffere zum
Feind des Guten“ machen, wollte
man die Verbreitung der Schlepp:
jagd darum nicht befürworten, weil
die Varforcejagd den Vorzug ver:
dient. Wer hinter Schlepphunden
Frhr. B. R.
v. Efeberk.
Meute darf freilih das weibliche
Glement nicht vorherrſchen, denn
die Hündinnen werden zu häufig
durch geſchlechtliche Urſachen außer
Gefecht gefegt. Wegen Raumerſpar—
nis im Kennel enıpfiehlt es fich,
nur Hunde eines Geſchlechts zu
halten. Keupdell gibt für die
Arbeit auf der Schleppe Rüden den
Vorzug. Bon den 8 englifchen
Drag:Hunt3 jagen zwei nur mit
Bitches. Da die Sclepphunde
16. Suchsmeute auf der Kampagna.
querfeldein Strich hält, bleibt immer
ein befjerer Reiter, al3 derjenige,
der fich niemals vom Wege her:
unterbegibt. So traurig wie in
Deutfchland die Berhältniffe für die
Varforcejagd nun einmal liegen,
müffen wir froh fein, daß uns Die
Möglichkeit gewährt ift, Schlepp:
jagden zu reiten. Man darf nicht
vergeffen, daß die Anschaffung und
Unterhaltung einer Scleppmeute
weniger fojtjpielig ift, alö die einer
Wildmeute. Für Schleppjagden
genügt bereit ein Pad von 5 bis
8 Koppeln, Bei einer jo kleinen
Fleiſch im Kennel überhaupt nicht,
jfondern nur als Lederbijjen nad)
der Jagd erhalten, fo ftellen fich
die Futierkoften, die fich auf Hafer:
mehlpamps und einen gelegentlichen
Zuſatz von Hundekuchen befchränten,
erheblich niedriger, als bei einer
MWildmeute.e „If some of the
hounds are mute“ — jagte mir
ein alter Huntsman — „they
must be got rid of“, d. h. auf
deutfh: „jtumme Hunde wandern
in eine der vielen Schleppmeuten.“
Mit den Hunden, die hinter freiem
Wilde zu langjfam find, mird es
II. 8. Parforrejagd.
Niro. 87.
ebenfo gemadt, darum tut man | die der Schlepper nur in fliegender
beffer, uneingejagte Hunde direft
aus der Nachzucht einer englifchen
Meute zu Taufen; man erhält die:
felben für 100 bis 120 Mark die
Koppel. Hunde, die dort ſchon auf
Füchſe jagten, finden oft an der
Schleppe feinen Gefchmad und
fprehen dieſelbe gar nicht an.
Harriers hält Keudell ihres Tem-
peraments wegen, wie auch wegen
des Hafenreichtumg in Deutjchland
als Schlepphunde nicht für geeignet.
Sicher eıngejagte und mit Ruhe
geführte Hafenhunde dürfen fich je-
doch auch auf der Wildfährte nicht
durch Relaishaſen beirren laſſen.
Ich bin an verſchiedenen Orten
hinter Schlepphunden geritten, die
aus unſeren deutſchen Haſenmeuten
(Stargordt, Neubrandenburg ꝛc.)
ſtammten und die dennoch ruhig
und ſicher auf einer mit Fuchsloſung
geſchleppten Fährte arbeiteten. Es
iſt dies die gebräuchlichſte und wohl
auch praktikabelſte Art der Schleppe,
da die Unterhaltung eines zahmen
Fuchſes ſich bei jedem Kennel ohne
beſondere Schwierigkeiten und Koften
ermöglichen läßt. Im Widerſpruch
mit der Anſicht Keudells, wonach
Schlepphunde nur auf Fuchsloſung
laut jagen, habe ich gefunden, daß
die Hunde auch eine mit Schweine:
lofung hergeſtellte Zofung mit vollem
Halfe anipreden. Am wenigjten
zu empfehlen ift eine Schleppe von
Anisöl, Die häufig dazu benußt
wird, um SHafenhunde auf der
Scleppe einzujagen. — Es iſt ein
befannter Kniff, daß man, um den
Scent zu verftärfen, Kaftenwild mit
Anisöl beftreiht. Geht ein fo
präpariertes Wild durch das Waſſer,
was beim Schwarzlittel fat Regel
ift, jo geht der Scent vollends
verloren, und dad „corriger la
fortune* ift im buchſtäblichſten
Sinn in das Waſſer gefallen. —
Um bei größeren Weitfprüngen,
Fahrt überwinden fann, dag Aus:
fegen der Fährte zu vermeiden,
empfiehlt e& fi” — mie dies in
England ſtets gejhieht —, die
Scieppe zu Fuß legen zu lafjen;
bei längeren Streden bedarf es
hierzu zmeier Leute. Das Ab:
reiten der Schleppe bringt überdies
den Nadteil, daß die Hunde ſich
leiht daran gewöhnen, auf den
Huffpuren zu jagen. Wie lange
man dem Schlepper Borfprung gibt,
hängt naturgemäß vom Wetter und
vom Boden ab; nad) Keudell dürfen
die Hunde nie jpäter als nad) 15
Minuten angelegt werden, „falls
man überhaupt nod) Galopp reiten
will“; ic Habe jedod) auf einer zu
Fuß gelegten Schleppe (Schweine:
lofung) vorzügliche Galopps erlebt,
obwohl diefelbe zwei volle Stunden
vorher gelegt war. Sind die Bor:
bedingungen für dad Stehen der
Fährte fehr ungünftige — wie bei
jtarfem Wind und trodenem Bo:
den —, fo mag es vorteilhafter
fein, die Scyleppe durch zwei Reiter
legen zu lafjen, weil man die Hunde
dann früher auf die Fährte bringen
fann. Ob man mit oder gegen
den Wind fchleppt, ift bei mäßigem
Winde nicht jo weſentlich. Dagegen
muß man auf feitliden Wind bei der
Scleppjagd bejonders Rüdficht neh-
men, da es bei den nicht zu umgehen⸗
den Windungen fonjt vorfommt, daß
die Hunde auf einem Striche jagen,
den man grade vermeiden möchte.
Es ift dies übrigens der greifbarjte
Beweis dafür, daß die Hunde nicht
„auf“ der Fährte jagen, fondern
in dem Dunjtlegel der Witterung.
Dill man Scyleppjugden in das
Leben rufen, oder einen derartigen
Verein gründen, fo tradte man
vor allem danach, Publikum zu ge:
mwinnen. Eine aus SHarriers ge⸗
bildete Schleppmeute wird vielleicht
darum populärer fein, weil biejelbe
——
Nro. 88.
Irhr. B. A. v. Eſebeck.
minder hohe Anfonderungen an das durch das Leben ſchreitet. Wer als
Pferdematerial der
Geſellſchaft Neuling zum Rendezvous kommt
ſtellen, als eine Meute wirklich und beim Halali war, der geht als
ſchneller Forhounds, und — cete-
rum censeo: Man made die
Schleppe jo ähnlich als möglich
dem, als deſſen Erſatz ſie dient —
der Wildjagd!
Es liegt ein eigener, mit der
Feder nicht wiederzugebender Reiz
in der Parforcejagd. Der würzige
Erdgeruch, der der friſchgeöffneten
Scholle entſtrömt, das braune Laub,
der feine Dunſt, der die Fluren
mit dem Horizont zu verweben
ſcheint, ſie reden eine ganz andere
Sprache, wenn man im roten Rock
zum Stelldichein trabt, eine Sprache,
die der Philiſter nie vernimmt,
der mit ſeinem Bündel Sorgen
und der grauen Brille bedächtig
begeiſterter Jünger des roten
Sportes heim. Wen aber der un:
beſchreibliche Zauber desfelben ein:
mal erfaßt hat — das Rob und
Reiter elektrifierende Geläut der
Meute, das Wonnegefühl, auf edlem
Pferde über ein von natürlichen
Hinderniffen durchſchnittenes Ter:
rain zu fliegen, — den läßt die
Erinnerung nicht wieder log: Er
wird für den Sport hinter den
Hunden Propaganda maden, ihm
neue Jünger zuführen, neue Ge:
filde auffchließen. Vielleicht werden
diefe Zeilen für den einen oder
anderen Leſer zum Anlaß, ſich im
toınmenden Sahr einmal im Jagd:
felde Hinter der Meute zu verjuchen.
4. Damenreitlport.
88. Das Damenpferd.
dem Anfauf eines Damenpferdes,”
fo jehreibt ein befannter Fachmann,
„tommen in erfter Reihe dad Ge-
bäude und die Drefjur in Betracht.“
Sch will dem durchaus nicht wider:
iprechen, aber fo wichtig das erftere
und fo wünſchenswert das lehtere
ift, fo liegt Doch das Kriterium bei
der Wahl eined Damenpferdes in
vdeffen Temperament. Das Damen:
pferd muß Gehluft zeigen, ohne je⸗
mals heftig zu werden, das ift das
ganze Geheimnis. Nichts ijt für
eine Dame mehr angreifend, als
ein temperamentlojfe8 Pferd zu
reifen, das fortgefeßt der Auf:
munterung bedarf, abgejehen davon,
dab die Dame im Seitfi nicht in
dem Maße über vortreibende Hilfen
verfügt, wie im Herrenfattel. Ge⸗—
hört e8 andererjeits jchon für einen
„Bei Mann niht zu den Annehmlid-
keiten, einen PBuller zu reiten, fo
ift Die Amazone infolge ihres Sites
mit einem Bügel noch viel weniger
hierzu imftande.. Darum fol das
Damenpferd vor jedem anderen Das
befigen, was der Engländer ein
angenehmed Maul (nicelymouthed)
nennt, und ich glaube, daB dieſe
idealfte von allen unvergleichlichen
Eigenſchaften des irifchen Hunters
weniger dad Refultat feiner Er:
ziehung als ein Verdienſt feines
Temperamentes iſt. —
Das beſte Temperament in jeder
Beziehung hat das Vollblutpferd
ſofern es nicht heftig iſt —
darum iſt der Vollblüter in meinen
Augen das geborene Damenpferd.
Aber was dem einen ſein Uhl, iſt
dem andern ſein Nachtigall. Ich
habe im übrigen auch recht heftige
II. 4 BDamenreiffporf. Nro. 88.
30WBlüter befefien, die unter einer |nächften kommt und auch in der
Dame mie ein altes Refrutenpferd | Drefjur die wenigſten Schwierig:
singen. Dem Bollblutpferde am keiten madt. Dies ift der Grund,
wächtten fteht der oftpreußifche Halb: | weshalb die Hannöverjche Halbblut-
‚Lütter, im befondern der Trakehner.
Allein der Oftpreuße ift befanntlich
und nidt fo ganz mit Unrecht als
»oDdenjcheu verſchrien, aud) neigt er,
nebr als vieleiht mander Reiterin
lieb ift, zum Stallmut. Keudell,
per in jeinen Reiterinnerungen aud)
der Damenmwelt zu Pferde einen
Abſchnitt widmet, pflichtet meiner
Anficht über den Bollblüter bei.
„Was nun die Kaffe anbelangt,“
Tchreibt der Ueberſetzer White
Mt elvilles, „fo ift das normal
aebaute und gut durchgerittene
oldlutpferd für eine Dame mit
Geſchick und ſchlanker Figur wohl
immer das geeignetite und ange⸗
nehmſte Reitpferd.
reiten und für ſtärkere Figuren
paſſender ift der Trakehner, Medien:
burger oder ojtpreußifche Halb:
blüter, von denen ich den Halbblut⸗
araber aus Litauen vorziehen würde,
weil er, menn normal gebaut, die
geringften Schwierigkeiten bei der
Drefjur mad.“
Letzteres kann ich nicht unbedingt
unterjhreiben. Die rein orientalis
Then Pferde, die ich felbft geritten
Habe, waren ausnahmslos heftig,
wozu auch Häufig ein fehr leichter
Nüden beigetragen haben mag.
Neuerdings wird ja in unferem
jüngften figfalifhen Zuchtgeftüt in
Neuftadt a. d. Doſſe ein anglo-
arabifher Schlag gezogen, vielleicht
ift es dieſem befchieden, fich als
Damenpferd die Welt zu erobern.
Der joa. Hunter, der übrigens
ebenjo oft aus Hannover oder Hol:
ftein ftammt, wie von jenfeit3 des
Kanals, iſt für meinen Geſchmack
als Damenpferd zu mädtig; aller:
dinge muß man einräumen, daß
der Hannoveraner dem irifchen
Sagdpferde im Temperament am
zucht von den Händlern fichtlich vor
der ojtpreußifchen bevorzugt wird.
Der Ungar laboriert häufig an
einem furzen, d. h. zu ftrammen
Budel, was der Reiterin leicht
Unbequemlichkeiten verurſachen kann.
Aus dem gleichen Grunde kann ich
mich ebenſowenig für den heute
auch in Deutſchland immer mehr
in Mode kommenden Polopony er⸗
wärmen, wenn auch derſelbe durch
ſein Temperament und ſeine Ge—
ſchicklichkeit zum Damenpferd prä—
deſtiniert erſcheint. Ich habe mich
auf ſolchem Tier, trotz ſeines vor:
züglichen Galoppier- und Spring—
vermögens nie wohl gefühlt: es
Leichter zu fehlt eben der Schwung, die Elaſti⸗
zität der Bewegungen, eine folge
des kurzen Rüdend. Im Wider:
ſpruch zu aller Theorie find grade
Pferde mit etwas weichem Rüden
und langen Feſſeln wegen ihrer
federnden Bewegungen am ange:
nehmften zu reiten. Ein etwas
langer Rüden ift, meiner Meinung
nad, an fih noch nicht einmal fo
ſehr zu verurteilen, vorausgefegt,
daß die Verbindung des Rückens
mit der Kruppe eine gute und ge-
ſchloſſene ift, d. 5., daß das Pferd
eine fräftige, hohe Nierenpartie hat,
denn grade dieſe wird durch den
Sattel und den Sit der Dame
unverhältnigmäßig belaftet. Schon
aus diefem Grunde ift bei der
Auswahl eines Damenpferdes dag
Augenmer? ganz bejonderg auf dag
Bordandenfein bezw. die Beichaffen:
heit der Sattellage zu richten. Es
gibt eben Pferde, auf denen fein
Sattel liegen kann, gejchweige denn
ein Damenjattel.
Bei denjenigen Lejerinnen, die
jelbjtändig Pferde für ſich aus—
mählen, darf ich wohl fo viel Kennt:
Nro. 88.
nis der Pferdeanatomie voraus:
fegen, daß es ſich Hier erübrigt,
auf die Einzelheiten von Gang und
Gebäude näher einzugehen. Ich
babe den Vorzug, mehr ald eine
Dame zu Ffennen, Die mander
Kavallerift um ihren ficheren Blid
bei der Beurteilung eines Pferdes
beneiden könnte. Welcher von
Shnen, meine Damen, aber die
nötige Pferdefenntnis fehlt, der
rate ich dringend, beim Ankauf
oder bei der Auswahl eine Reit:
pferdes die Stimme eines erfahrenen
Fachmannes zu Nate zu ziehen.
Hierbei fann ich mich nicht der Be-
merfung erwehren, daß noch lange
nicht jeder, der ein Pferd reiten
fann, auch in defjen Beurteilung
Fachmann ift.
Nächſt einem leichten, wiegenden
Saloppfprung follte beim Damen-
pferd namentlich auf einen freien,
raumgreifenden Schritt Wert gelegt
werden. PBorbedingungen hierfür
find eine lange, ſchräge Schulter
und eine elajtiihe aber fräftige
(d. 5. nicht fteile!) Feſſelung.
Korrekterweiſe ſoll die Feſſel die
gleichlaufende Verlängerung des
Hufes bilden, der ſeinerſeits mit
ſeiner vorderen Linie den Erdboden
unter einem Winkel von 450 be⸗
rührt. Der Huf ſteht parallel zur
Längsachſe des Pferdes, und dieſes
ſoll dorthin treten, wohin der Huf
zeigt. Dabei müſſen Vorder- und
Hintergliedmaßen einander in der
Bewegung deden. Es folgt hieraus,
dab die Prüfung des Ganges ſtets
von vorn zu geichehen Hat, nicht,
wie es meift üblich ift, von ber
Seite. Will man die regelmäßige
Bewegung der Hintergliedmaßen
fonftatieren, jo empfiehlt es fich,
während das Pferd vorgetrabt wird,
die Kruppe zu beobachten; erjcheint
fie auf einer Seite flacher, fo deutet
dies auf einen Muskelſchwund, Der
durch eine chronifche oder zum min⸗
Ichr. B. AR. v. Efeberk.
beiten längere Zeit vorhanden ge:
weſene Lahmheit erzeugt worden ift.
Eine forgfältige Unterfudung des
Sprunggelentes iſt alfo in ſolchem
Tale am lage. Iſt übrigens der
log. Spatabfuß, den ich ja der ge-
wiegten Amazone nicht zu erläutern
brauche und den man am bejten
von vorn zwifchen den Borderbeinen
durchſehend wahrnehmen kann, gleich:
mäßig an beiden Sprunggelenten
ausgebildet, fo bedeutet er in der
Regel feinen Gebrauchsfehler.
Daß das Pferd der Dame ficher
auf den Beinen fein muß, verfteht
fih von felbft für den, der jemals
für die Sicherheit einer Neiterin
verantwortlich gewejen if. Meine
Mahnung zur Borfict ift alfo nur
an ſolche Damen gerichtet, die für
fih felbft zu jorgen gewöhnt find.
Pferde mit übermäßig jteiler
Feſſelung und auch ſolche mit auß:
gefprochen zehenenger Stellung
neigen dazu, im Schritt anzujtoßen
und fußen auch im Galopp, ſowie
namentlich beim Springen, häufig’
unfider. Sch würde daher fteıg
ein Pferd, das mit den Feſſeln
etwas durchtritt und die Hure mit
der Zehe nach außen dreht, dem
andern Extrem vorziehen. Was
das Togenannte lofe oder vorge=
ſchobene Knie betrifft, womit man,
milde ausgedrüdt, ein krummes
Borderbein bezeichnet, jo iſt dies
bei den oftpreußifchen Pferden ein
häufig vorlommender Erbfehler, der
für den Gebrauh um fo weniger
von Belang erfcheint, wenn eine
lange Feffelung damit verbunden
if. Da nun im allgemeinen das
Reitpferd der Dame im Gebraud -
nicht annähernd fo harten Anfor:
derungen ausgeſetzt ift, wie dag
Pferd im Dienfte des Herrn, jo
bin ich der Meinung, daß man bei
Beurteilung des Damenpferdes
nicht zu rigoros bHinfichtlich Des
Gebäudes zu fein braucht und
II. 4. Damenreit[port.
darum gute® Temperament und
Niro. 89.
Dad Einvernehmen zwiſchen
ein vornehmes fchnittiges Exterieur | Lehrer und Schüler wird um fo
um fo mehr mitjpredhen dürfen.
Gegen die mweitverbreitete Auf:
fafjung, daB das Pferd der Dame
ein eines, zierliche8 Tier fein
müfje, möchte ich geltend machen,
daß grade kleine Pferde häufig
Temperamentfehler haben; ganz
abgefehden von den Schwierigkeiten
eines leichten Rückens und ſchlecht
angejetten Halſes, die man auch
bei großen Pferden feltener findet.
Der leichte Kopf und hoch an-
geſetzte Hals find, ftreng genommen,
eine Frage der Echönbeit, aber fie
find dennoh von nicht zu unter:
ihäßender Bedeutung für Die
Dreffur. Betreff3 der letteren
möchte ich bHinfihtlih der Anz
forderungen, die man billigermweije
an die Rittigkeit des Damenpferdes
ftellen follte, bier nur folgendes
jagen:
Wenn id) in meiner Annahme
nit fehl gehe, daß die über:
wiegende Zahl unjerer Antazonen
ihren Wohnfig auf dem Lande hat,
fo dürfte auch meine Behauptung
zutreffen, daß nicht jede port:
liebende Dame fih in der ange-
nehmen Lage befindet, ein voll»
fommen erprobte und durch—
gearbeitetes Pferd in einer renom⸗
mierten Pferdehandlung oder aus
einem DOffizierftal erftehen zu
fönnen, und da meine jchönen
Zeferinnen um alles in der Welt
nicht auf die Freuden des Heit-
fport® verzichten möchten, jo wird
im NRoßgarten unter den zurüd-
aeftoßenen NRemonten des väter:
lihden Gutes oder unter der jungen
Nachzucht eined Nachbargeftütes
Umſchau gehalten. Syn den meijten
Fällen läuft dieſes Erperiment auch
glüdlich ab, vorausgejegt nur, daß
die Neiterin einige Beanlagung und
das Tier feine Temperamentfehler
bat.
glüdficher jein, je mehr beide ein:
ander im Temperament ausgleichen ;
denn der Sag, daß ungleiche
Temperamente einander ergänzen,
fcheint fich mit Bezug auf Roß und
Reiter mehr zu bewahrheiten, als
in der Ehe!
89. Anzug der Reiterin. „Vom
Erhabenen bis zum Lächerlichen ift
nur ein Schritt” — das findet
nirgends jo treffend feine Beſtäti⸗
gung, wie in der Damenreiterei !
Obwohl unfere Fachliteratur eine
Reihe vortrefflider Schriften auf:
mweift, die das Reiten der Damen
zum Gegenftand baben, fo findet
man felbft bei routinierten und ge=
ſchickten Neiterinnen mannigfache
Veritöße, die dad Auge des Zu:
ſchauers verlegen. Die befannte
englifhe Monatszeitſchrift „The
Badminton Magasine of Sports“
brachte einen trefflichen Aufſatz aus
weibliher Feder: „Sport3damen
und ihre Bekleidung. Unter den
fporttreibenden Damen, jo jchreibt
die Berfafferin, gibt es zwei Klaſſen,
die, welche aus reiner Bajlion
einem Sport huldigen, und jolche,
die e8 der Mode halber tun. Die
erjteren tragen das, mas dem
Zweck entſpricht und ihrer Figur
zuſagt, letztere dagegen ordnen ſich
blindlings ihrem Schneider unter
und ziehen gehorſam alles an, was
dieſer für richtig hält, mag es noch
ſo unpraktiſch und unbequem ſein.“
Selbſtredend richten ſich meine
Zeilen nur an die erſtere Kategorie
der dem Reitſport huldigenden
Damen.
Verfolgen wir aus geſchichtlichen
Werfen und alten Stichen die Ent-
wicklung des weiblichen Reitkoſtüms,
fo ift es unverkennbar, daß von
Anbeginn an das fchönere Gejchlecht
feinen Anzug zu Pferde von dem
ftärteren zu entlehnen ſuchte. Es
Nro. 89.
liegt hierin das ftillichmeigende
Zugeftändnig, daß das ftärkere Ge=
Ihleht im Sattel Meifter ift, und
die Anlehnung der NReiterin in
ihrem Anzuge an die Moden der
Herrenwelt mußte naturgemäß aus
dem Beltreben entjprinaen, es in
der Beberrfchung des Pferdes den
Herren der Schöpfung gleich zu tun.
Fürdten Sie nun nicht, fchönfte
«ejerin, daß ich darum dem Herren:
beinfleid ald8 Tracht für die Ama:
zone das Wort reden wollte. Im
Gegenteil! Obwohl ich gegen die
Borteile des Herrenfigeg nicht blind
bin, fo würde ich energifch pro=
teftieren, wollte ınan damıt brechen
oder Kniehojen für unfere Damen:
welt zu Pferde einführen. Go
niedlich und fofett ich die dampfende
Yigarette zwiſchen zwei rojigen
Yippen finde, fo unſchön ift es in
meinen Augen, wenn dieje jelben
Lippen eine große Importe paffen,
und ich möchte hiermit den Gebrauch
der männlichen Reithoje vergleichen.
Aber ſelbſt wenn die unberechen-
baren Yaunen des Modegottes Sie |
je in die Lage bringen follten, fih
zum Herrenſitz befennen zu müjlen,
meine Damen, jo brauchen Sie
darum nicht zu fürchten, mit Ihren
älthetiichen Anfchauungen in Ver—
legenheit zu geraten, Denn die
Englander, die in diefem Puntft,
wie in allen,
trifft, unſere Yehrmeijter find, haben |
Ihnen dur den geteilten Nod die
Frhr. tB. A. v. Elebeck.
den durch ein Gummiband um den
Hinterkopf gehaltenen Hut hinein»
geftect. Vorne ift die Friſur glatt
und anliegend. „Die Dame,“ jagt
Fillis, „die zu Pferde den Hut
verliert, ift auch nahe daran, den
Kopf zu verlieren.” Zu Gelegen—
beiten — Mufitreiten, militärifchen
Beranftaltungen und im Jagdfelde
am Hubertustage — trägt man den
niedrigen Bylinder. Beides, Hut
wie Zylinder, ift natürlich ſchwarz
und wird ohne Schleier getragen.
Auf dem Lande mag im Sommer
ein Eleiner engliicher Herrenftrohhrt
ttatthaft fein; niemals die viel ge⸗
tragene Jockeymütze! Berzeiher
Sie, Gnädigite, aber es ift merk:
würdig, wie oft Sie die weibliche
Eitelkeit im Stiche läßt, jobald es
ih um den Anzug zu Pferde ban-
delt. Schauen Sie ſich mit Ihrer
Mütze nur einmal in den Spiegel
und dann, bitte, feien Ste ehrlich!
Ein weicher Filzhut, womöglid mit
Feder und wehendem Scleier, ift
ebenſo unmöglich wie bunte Schleifen
und Krawatten. Es fehlen dazu
nur noch ein paar Handfhuhe mit
Stulpen, und die Berta voa
Bruned, die auf ihrem mild;
weißen Zelter im Tell auf die
Bühne galoppiert, ift fertig!
Apropos Handfhuhe; — man
trägt zweiknöpfige rötlichhraune
was den Sport be- | Dogs fing oder furze, gelbeSchweden.
Sch rate, diejelben aud) im Sommer
_mindefteng zwei Nummern größer
Möglichteit geſchaffen, alle Vorteile | zu wählen, al® die Straßenhand-
der männlichen Reitbekleidung zu!
genießen,
Nez. Ihrer r Weiblichkeit einzubüßen. |
Sm übrigen Dat Die Sricheinung !
der Neiterin durch Nachahmung der
männlichen Tracht nur gewonnen,
Im von oben anzufangen: gibt | loden.
es etwas Vornehmeres und zualeich ſchwarz,
Praktiſcheres, als der runde, fteife ,
Herrenhut? Die Haare werden in
einem feiten enaliihen Sinoten in
Ihuhe. Die Belleidung der Hard
ohne etwas von dem tft für Yaufthaltung und Führunz
von höchſter Bedeutung.
Zu dem oben erwähnten Stroh—
hut gehört cin Reitkleid aus weißen
Drell oder aus grauem Sommer:
Sonft ift das Reitkleid
im Winter Ddider, im
Sonmer aus dünnerem Stoff.
Grauer oder dunkelgrüner Man:
heiter ift hübſch, aber nicht „Klaſſe“.
& — — — —
|
|
|
|
II, 4 Pamenreiffporf.
Die glatte Taille mit langen, nicht
men für habits find W. Shingle-
angejegten Schößen liegt eng an.
Der Kragen ift wie beim Herren:
rock umgelegt und der Halsausſchnitt
durh einen hunting-scarf aus
weißem Pikee geſchloſſen, eine
einfahe goldene Sicherheitänadel
hält legteren zujammen.
Dies iſt
zugleih der Anzug im Sagdfelde.
Niro, 89.
ringert. Die renommierteften Fir-
ton, 60 Bond Street, und Mitrs.
Thomas and Son, Brook:
jtreet in London; bei und Bene—
diet, Königgräßerftraße, und
Hoffmann, Friedridftraße,
Berlin.
Allgemein üblich ift der grade
17. Eine Meisterin im Sattel.
Der kurze englifhe Jagdrod mit | gejchnittene Stiefel aus Lackleder
ausgearbeitetem Knie hat fi) auch
im Tagesgebrauch allgemein ein:
gebürgert. Damen, die Hinter den
Hunden eine Rolle zu spielen
pflegen, habe ih aud auf dem
Damenfattel im geteilten Rod,
dem ſog. safety-habit geſehen; die
Gefahr des Geſchleiftwerdens beim
Sturz wird durch denfelben ver:
mit fteifen Schäften, wie ihn die
Herrenwelt trägt. Fillis gibt
furzen Gummizugitiefeln mit eng:
anliegender Strippenhoje den Vor—
zug, weil er meint, der fteife Etiefel-
ihaft behindere den Kontakt mit
dem Pferde. Sch finde, die lange
Keithoje hat etwas Saloppes, Un-
ſchickes und rate zu einem hohen,
Niro. 90--91.
weihihäftigen Stiefel aus Chevrau-
oder dünnitem Bachetteleder.
Der äußere Anzug der Amazone
wäre damit erſchöpfend behandelt.
Nicht minder wichtig für das Wohl-
behagen der Reiterin ift aber der
unfihtbare Teil ihrer Zoilette.
Da, wie ich eingangs betonte, dieſe
Frhr. B. MR. v. Efeberk.
erinnerungen: „Der ahnungslofe
Zuſchauer wundert fi, weshalb
das Pferd der Dame fo viel leichter
und freier tritt, als das ihres Ka-
valierd.” „Das ift die Damen-
band,” jagt er voller Bewunderung.
— „Keine Spur,” antwortet der
Eingemeipte, „es ift der Damen-
Zeilen nur für Damen gejchrieben | fu
find, die ed mit Ausübung ihrer
Paſſion ernſt meinen, jo hoffe ich,
werden meine Zejerinnen mir einige
intimere Bemerkungen nicht ver-
übeln: Zur Vermeidung von Falten
fei da8 Hemd möglichſt kurz und
von feinftem Stoffe. Fillis
empfiehlt, dagfelbe über der Hüfte
zu befejtigen. Das Korjett muß
ebenfall3 kurz jein und darf nur
wenig Fiſchbein enthalten. In
meinen Augen fann eine fchlante,
jugendliche Figur ſehr wohl dieſes
Kleidungsftüd völlig entbehren, und
eine andere folte überhaupt auf
den Neitjport verzichten. Db die
Reiterin für dad Beinfleid den
Breechesſchnitt wählt oder die eng⸗
anliegende lange Hofe, wie Fillis
vorſchlägt, iſt Geſchmacksſache,
ebenſo, ob dieſelbe mit Leder be—
ſetzt iſt oder nicht; dagegen muß
das Unterbeinkleid aus Trikot mit
Seide oder feinſtem Hirſchleder ge—
füttert ſein. Fillis warnt drin:
gend vor dem Gebrauch von Strumpf⸗
bändern und rät daher an Stelle
des langen Strumpfes kurze Soden
zu tragen; zum Schuß der Kniee
empfehle ich einen jeidenen Gummi:
jtrumpf.
Ich für meine Perfon führte
Eporen auf der Jagd nie, im
Nennen höchſt felten; weshalb ihn
Damen benötigen follen, will mir
ſchon deshalb nicht in den Sinn,
weil die Sporenwirkung ja nur
eine einfeitige wäre. Ueber den
Gebrauh des Sporns burd Die
Reiterin ſchreib White-Mel-
ville in feinen prachtvollen Reit:
Die kurze Sagdpeitjche mit Leder:
ſchlaufe ift auch für den Gebraud)
auf der Promenade und auf dem
Spazierritt übernommen worden.
Sn der Bahn führt die Dame
einen leichten Neitftod mit ein:
fachem Silberfnopf oder eine furze,
nicht zu weiche Peitſche. Soge—
nannte Drefjurpeitichen, die wie
die Angelruten ausfehen, und
brillantengefhmüdte Peitſchengriffe
gehören, ebenfjo wie Armbänder
und Eoftbare Brojhen, in den
Zirkus. Der einzige Schmud,
welcher im Sattel zuläffig, ift die
erwähnte goldene Nadel in der
Pikeebinde und allenfalls eine
Blume im Knopflod.
90. Ajuſtement des Pferdes.
Ohne unhöflich fein zu wollen —
noch wichtiger als die Toilette der
Reiterin erjcheint mir die Toilette
ihre8 Pferdes. Jedenfalls gibt
legtere häufiger zu Augftellungen
Anlaß, als die Reiterin feldft.
Während der gute Gejchmad der
Reiterin ihr bei der Wahl ihres
Anzuges zu Hilfe kommt, fehlt es,
was das Ajuftement des Pferdes
anbelangt, häufig an der unent-
bebrlichen Anleitung: Dies macht
fi) namentlich auf dem Lande be:
merkbar, wo Doch der Damenreitfport
in erfter Linie zu Haufe ift. Einige |
Winke über die „Zoilette” des
Pferdes find daher vielleicht auf
ſattelfeſten und gemwiegten Reite—
rinnen willfommen.
91. Der Sattel. Ein großer
Teil meiner Lejerinnen ift gewiß
in Tavalleriftiihen Dingen bewans
Ge er Da ———
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Il. 4. Bamenreilfport.
Nro. 91.
dert, und diefen dürfte e3 bekannt | lahm zu gehen. Ach habe wieder:
fein, daß in jeder Schwadron, d. h. holt das Experiment gemacht, wäh⸗
unter etwa 120 Pferden fi acht
bis zehn befinden, auf welche eih
normaler Sattel beim beiten Willen
nit beraufpaßt.
. daß der Sattel dem Rüden des
Pferdes — der Stellung der Rip:
Hieraus folgt, | geweht.
rend des Rittes mit meiner Be—
gleiterin das Pferd zu wechſeln,
und die Lahmheit war mie fort:
Es beweiſt dies, daß die
durh den Damenjattel bedingte
Gemwichtsverteilung der Reiterin die
pen, dem Anjat des Widerriftes | Nieren des Pferdes über Gebühr
uſw. — angepaßt fein muß. Wie
viel mehr noch gilt dies für den
Damenjattel, der doch den Pferde:
rüden auf einer viel größeren Fläche
belajtet, als der „englifche” Sattel
oder jelbft der Armeejattel es tut.
Es ift daher naturgemäß beim
Damenfattel vielmehr zu befürchten,
daß der andauernde Drud auf die
lebenden Gemebezellen der Haut
dieſelben zum Abfterben bringt, d.h.
milde ausgedrüdt: „fcheuert”, in
ernfteren Fällen Entzündungen her⸗
vorruft. Die bekannte Furcht aller
Herren, deren Pferde von einer
Dame geritten werden, vor dem
„Drüden” bedeutet nicht etwa ein
Mißtrauen gegen die Reitfertigkeit
unferer Amazonen, al® vielmehr
eine Beftätigung meiner Behaup-
tung, wie wenig Fürjorge im großen
und ganzen die Damen der Wahl
ihres Satteld zumenden. ch wette,
mehr als eine Dame, die bei ihren
Mitfchmweitern und bei der Schar
ihrer Bemunderer in dem Rufe
einer kühnen Amazone fteht, hat
es fich noch nicht einmal vergegen-
wärtigt, wie weit die Lage, oder
befjer geſagt die „unrichtige” Lage,
des Satteld den Gang des Pferdes
beeinflußt. Sch felbft habe ein Pferd
im Stalle gehabt, dag "jahrelang
mein Brotverdiener mar und mid
jede Saifon, von Mitte September
bis Ende November, wöchentlich
dreimal hinter den Hunden trug,
ohne auch nur eine Stunde zu ver:
fagen; aber jobald dieſes brave
Tier eine Dame im Sattel fühlte,
mar es unböfli genug, krücken⸗
!
|
belaftet. Aus diefem Grunde ſchon
bin ich gegen die übermäßig großen
Sättel eingenommen, die noch aus
der Zeit ftammen mögen, da „der
Großvater die Großmutter nahm“.
Es bedarf lediglich der Gewohnheit,
um fih in dem kleinſten Sattel
fiher zu fühlen; ich neige jogar
zu der Anfiht, daß ein großer
Sattel die Feftigfeit des Sitzes
nicht® weniger als erhöht. Gräfin
Sibylle Bismarck, eine der beiten.
„horse-women“, die je hinter
Hunden geritten ift, hatte fich zum
Galoppieren in der Morgenarbeit
eigens in Paris einen Sattel bauen
lafien, der vorn in der Kammer
faft fo fla wie unjere Rennfättel
war. Iſt fon für den Herrenfattel
die Forderung berechtigt, daß er
den Reiter in tunlihft nahe Be:
rührung mit dem Pferde bringt,
wie viel mehr noch muß dies für
den Sattel der Dame gelten, die
um fo mehr auf die Einwirkung
mit dem Gefäß und auf Gewichts⸗
hilfen angemwiejen ift, als ihre
Schenkelwirkung nur eine einfeitige
ift. Der Damenfattel darf darum
nur wenig gepolitert fein, damit
die Reiterin ihr Pferd „fühlen“ Tann;
vor allem aber erfordert es die
Sicherheit der Neiterin, daß ihr
rechtes Knie tiefer ruht als ihr
Gefäß. Iſt der Sattel nicht wage:
recht, fo muß dies unfehlbar die
Feftigfeit des Sites beeinträd)>
tigen.
Iſt der Sattel zu lang, fo leidet
das Pferd darunter; ift derjelbe
zu kurz, fo geniert dies u: Reite⸗
Nero. 91.
rin. Diejelbe ſollte daher bei Be-
ftellung eines Sattels es nie ver:
ſäumen, die gewünschte Größe bezw.
die Breite und Länge des Sitzes
anzugeben. Beffer ift e8 aber, man
ſcheut nicht die Heine Mühe und
ftattet felbft im Reitkoſtum dem
Sattler einen Befuh ab, um den
Sattel auf einem Bod zu erproben.
Sit die Dame eine Anfängerin, jo
rate ich ihr dringend, ſich zu diefem
wichtigen Gange die Begleitung
einer erfahrenen Reiterin zu fichern.
Wer aber in der Lage ift, nur
eigene Pferde zu reiten, der follte
lieber auf den Anfauf eines ferti-
gen Satteld überhaupt verzichten,
und einen folden nad dem Maß
des Pferderüdend arbeiten laſſen.
Es Tiegt auf der Hand, daß der
Damenfattel ſich nicht in gleichem
Maße dem Gebäude des Pferdes
anzufchmiegen vermag, wie es der
englifche Sattel tut. Hieraus folgt
die Notwendigkeit ftändiger erhöhter
Aufmerkſamkeit beim Satteln. Er:
weiſt ſich ein Sattel dennoch als
unbequem für Roß oder Neiterin,
fo fäume man nicht, den Sattler
zu Rate zu ziehen.
Der Sitz fei von glattem Leder.
Sol der Sattel mit einer Tafche
verjehen fein, jo muß diefelbe in
die rechte Klappe eingelaſſen fein,
nicht aufgejegt, wie man es fo
häufig ſieht. Für größere Reit⸗
erfurfionen, wie fie auf dem Lande
Sitte find, ermeift ſich die An⸗
bringung zweier kleiner Lederöfen
oder Ringe an der rechten Seite
des Sites praftifh zur Mitnahme
einer Negenpelerine, Sandmwid:
büchſe uſw. Wildlederne Sitzkiſſen
find nicht praktiſch und mit Ara⸗
besken und anderen herrlichen
Muſtern verzierte Sättel, in denen
unſere deutſchen Sattler zu erzellie-
ren lieben, find höchſt unſchik. üeber—
haupt befommt man einen wirklich
guten, richtig gebauten Sattel nur
Frhr. 5. R.
v. Efeberk.
in England. Bitte, breden Sie
nicht in Entrüftung aus, meine
Damen, aber unfere deutjchen
Sättel geben ausnahmslos Ihrem
Knie eine viel zu hohe Lage! Bei
den englifhen Sätteln zflegt die
Kammer ſehr meit ausgeſchnitten
und nur mit einer Lederklappe be-
det zu fein; dieſe gibt dem red):
ten Oberfchenfel die für die Feſtig—
teit des Sites unentbehrliche wage:
rechte Lage. Und dann entfinne
ich mich faum, einen in Deutjchland
gefertigten Sattel gejehen zu haben,
der nicht den unfinnigen Flaſchen⸗
zug:Bügelriemen aufmweift, der um
das ganze Pferd herumläuft, und
durh melden die Reiterin mit
ihrem ganzen Gewicht auf die rechte
Miderriftfeite drückt. Man könnte
ſchwerlich etwas Grauſameres er:
finden, um dem Pferde den Bruft-
korb zuſammenzupreſſen oder etwas,
das mehr geeignet wäre, den ſchön⸗
ſten Widerriſtdruck zu erzeugen.
Man wird vermutlich zugunften des
Flafchenzugriemeng anführen, daß
er der Reiterin geftattet, ſich im
Sattel den Bügel zu ſchnallen;
diefer Vorteil dürfte indeflen durch
die von mir ſoeben gefennzeichneten
Mebelftände mehr als aufgehoben
werden. Ein einfacher Bügel, analog
dem Herrenfattel angebracht, ver⸗
dient im Sntereffe des Pferdes
unbedingt den Borzug. Ich möchte
bei dieſer Gelegenheit glei vor
dem' Gebrauch eines Fomplizierten
Sturzbügeld3 warnen; ein foldes
Inſtrument bewirkt Häufig das
Gegenteil von dem, was die Sicher:
heitsvorrichtung bezwedt.
Shre Maj. die Kaiferin ritt einen
Sattel, den die Firma Champion
u.Wilton, 457159 Orford Sireet,
London W. geliefert hat. Ein
folcher fogenannter „Champion-side
saddle“ toftet fomplett 294 Marf;
aber befanntlich ift in ver Geſchirr⸗
und Cattelfammer das teuerjte
II. 4 Bamenreitfporf.
ftet3 das billigfte.
land fannih Erbu. Marfmann
Berlin, Paſſier u. Tiele, Han:
nover und Maad, Hamburg, der
Leferin empfehlen; diefelben arbei:
ten nad engliſchem Modell einen
recht brauchbaren Sattel.
Bon weientlicher Bedeutung für
die richtige Lage des Sattels ift
die Unterlegedede, oder vielmehr
da8 Fehlen derjelben; denn dag
Rutſchen des Satteld am Wider:
rift wird durch den Gebrauch eines
folden „Belleidungsftüdes” nur
befördert, meil die Kammer, die
zu beiden Seiten neben dem Wider:
rift liegen follte, durch die Unter-
legedede eine zu hohe Lage erhält.
Es ift jomit nicht allein das Ele-
gantefte, fondern auch fahlih am
ridtigften, wenn man den Sattel
auf den blanken Pferderüden legt.
Das Lederfiffen der modernen Sättel
madt in der Tat eine Sattelunter-
lage völlig überflüffig; läßt man
alte Sättel aufpolftern, fo benuße
man die Gelegenheit, um fie mit
einem Lederkiſſen verfehen zu lafjen.
Allerdings fett ein ſolches ſach—
gemäße Behandlung voraus, wenn
anders das Leder nicht hart und
brüdhig werden fol; ohnehin wird
ja aber der Damenfattel meniger
der Näfje ufm. ausgeſetzt fein, als
3.8. ein Offizierdfattel im Manöver.
Mer jedoh an der hergebradten
Unterlagedede feſthält, der wähle
eine ſolche aus weißem Filz, Reh:
fell oder Leder, nad) der Form des
Satteld gejchnitten. Bunte Scha-
braden, womöglich mit eingefticttem
Monogramm, mit denen man im
Tatterfal jo manche Amazone mit
Vorliebe prangen fieht, mögen ſich
auf dem Weihnachtstiſch ſehr hübſch
ausnehmen; ſie gehören aber auf
Schoßhunde und nicht auf Pferde!
92. Die Zäumung. Sch komme
jegt zur Zäumung. Dad Baum:
zeug follte rad Möglichkeit mit
Niro. 92,
In Deutfch- | dem Sattel in der Farbe überein:
ftimmen; zum mindeften, wenn die
Reiterin einigen Anſpruch auf Ele:
ganz erhebt. Zur Behandlung des
Lederzeuged empfehle ich weißen
„Meltonian-Sream”, mit dem das—⸗
jelbe eingerieben wird, nachdem
zuvor aller Shmut und vor allem
die alte Sattelfeife (jehr wichtig!)
gründlich abgewaſchen find, und
dann das Leder getrodnet it. Nach
der Behandlung mit dem ermähn-
ten Creme wird das Leder mit
einer reinen Bürfte bearbeitet bis
es Glanz erhält. Die Breite des
Lederzeuges ift Geſchmackſache; ich
fenne Reiterinnen, denen die ſchma⸗
len fogen. „Damenzaumzeuge” ein
Greuel find. In der Hauptfache
fommt es darauf an, daß die Zügel
weich find und nit in die Finger
ſchneiden. Der Martingal ald Aus:
puß ift eine Albernheit, querfeld-
ein eine Gefahr! Ich Habe ihn
zumeilen bei Hengſten aufgelegt,
die unter einer Dame gingen. Mit
dem Martingal wird auch das Bor:
derzeug überflüſſig. SHierzulande
ift ein farbiger Stirnriemen bezw.
ein folder in den Wappenfarben
geftreift, gang und gäbe; in Eng-
land verrät ein bunter Stirnriemen
den Stall des Pferdehändlers.
Jedenfalls find Rofetten oder ſon⸗
ftige Kinferlighen am Kopfjtüd
nit „comme il faut“,
Trotz Shrer weichen Hand, meine
Damen, würde ich ftet3 raten, hr
Pferd recht weich zu zäumen, natür:
lih auf Kandare oder allenfalls
a Eine Kandare mit kurzen
nzügen und großen Zügelringen
(fog. „englifche Jagdkandare“) legt
zugleich Scherenfängern das Hand:
wert. Korrekter Weiſe follen die
„Anzüge“ der Kandare in einem
Winkel von 45° dem Zügelanzıa
folgen; den Engländer jieht man
indefjen faft immer mit einer faſt
bi8 zur Wagerechten durchfallenden
Nro. 93.
Frhr. B. AR. v. Eſebeck.
Kandare! Wie ſchon früher gefagt, | Seite, die des Trenfenbadenjtüdes
ift unter allen unvergleichlichen
Eigenſchaften des „Hunters“ dejjen
„angenehmes“ Maul die unver:
gleihlichite; und ich ſchreibe das
Verdienft hieran nicht am wenig—
ften der weichen Jäumung zu. Die
Lage des Gebiſſes — einen Stroh-
balm breit über den” Hafenzähnen
— ift jedenfall3 dann forreft, wenn
die Kinnkette, die dem Mundftück
genau gegenüberftehen joll, tatjäch-
reht3, jo daß mit den beiden
Schnallen des Kandarenbadenstüdes
auf jeder Seite zwei Schnallen
figen. — Hiergegen wird oft ge:
fehlt! Ein, übrigend auch bei der
Herrenmwelt häufig zu beobacdhtender
Toilettenfehler ift die „Dienſtkan—
dere‘ und Militärkinnfette im Zivil:
zaumzeug: es macht dies etwa den
nämliden Eindrud, als wenn Sie
mit einer Militärmüge auf dem
|
18. Damenpreisfpringen. '
ih in der Kinnfettengrube liegt.
Da es fih immer empfiehlt, von
zwei Uebeln das kleinere zu wäh—
ten, fo rate id, das Gebiß lieber
etwas höher zu legen, als zu tief.
Für Damen, welche häufig ihre
Pferde wechfeln, erweiſt jih ein
Zaumzeug praftifch, in welches das
Gebiß mit unfichtbar auf der Innen—⸗
feite des Backenſtückes und der
Zügel angebradten Drudfnöpfen
eingefnöpft wird. Muß e3 aber
durchauseinSchnallenzaumzeugjeitt,
dann nur feine bezogenen Schnallen,
fondern mwenigjtens jchmale, ovale
Metallignallen. Die Schnalle des
Kehlriemens gehört auf die linke
Kopfe fpazieren ritten, meine Gnä—
digfte !
93. Sis und Führung. Ich
glaube, die Toilette der Reiterin
wie des Pferdes vorjtehend ein—
gehend genug erledigt zu Haben
und möchte noch in aller Kürze
einige Benterfungen über Sik und
Führung Hinzufügen, welde id
gleichfall8 als Toilettenfrage be—
zeichnen möchte, weil fie nicht fo
jehr die Regeln der Reitkunſt be=
treffen, als vielmehr den Eindrud,
welchen die Erſcheinung der Rei—
terin hervorruft. Findet man der—
artige, ich möchte es „Schönheits⸗
fehler” nennen, grade bei routinier⸗
‚II. 4 Damenreillport.
Niro. 93.
ten und geſchickten Reiterinnen ſchwierigſten Pferde und auf der
häufig, fo gebietet mir die Pflicht |
der Höflichkeit, von vornherein zu
ertlären, daß wir Herren der
Schöpfung keineswegs von ſolch
Heinen Unarten und Angewohn⸗
beiten im Sattel frei jind. Im
Gegenteil! Aber gegen das jchönere
Geſchlecht pflegt das Auge des Be:
obachters bHinfihtlid der Regeln
des Graziöſen und Schönen ftrenger
zu verfahren, als gegen ung, die
wir häufig auf ungehorjamen und
ungerittenenPferden zur Abweichung
von der korrekten und gefälligen
Form verführt werden. Aus diejem
Grunde jollte die Reiterin ſich auf
einem rohen unbotmäßigen Pferde,
fofern fie überhaupt Fertigkeit und
Verſtändnis befigt, ein ſolches zu
reiten, nie den Bliden und damit
der Kritif eines unberufenen Publi-
kums ausfegen. Daß das fchöne
Geflecht die Fähigkeit befigt, un-
fertige Pferde zu reiten, mage ich
nicht zu beftreiten, dazu kenne ich
zu viele Damen, die auf dem Lande
jede zurüdgeftoßene Remonte ohne
weitere? reiten, und die in der
Bahn ein Pferd anfafjen und bear:
beiten fönnen. Immerhin bilden
derartige Amazonen die Ausnahme.
Die große Mehrheit aller reitenden
Damen kann und darf nur „Damen:
: pferde” reiten. Zum mindeiten,
wo die Reiterin an die Deffentlich:
feit tritt — auf der Promenade,
im Sagdfelde, im Tatterjall — follte
dies nur auf einem durchaus fiche-
ren und rittigen Pferde geichehen.
Es liegt in der Natur der Sache
(den beichräntten Hilfen des ein-
feitigen Sites), daß man von einer
Dame nidt eine annähernd ähn-
liche Einwirkung auf das Pferd er-
wartet, wie von dem Reiter, aber
dafür um fo mehr eine dem Auge
wobhlgefällige, anmutige und freie
Haltung. Wenn man von dem
Soldatenreiter jelbft' auf dem
jungen ungerittenen Remonte jeder-
zeit einen tadello8 korrekten und
eleganten Sig verlangen muß, un
wieviel mehr follte dies bei der
Dame der Fal fein, die nur gut
gehende durchgearbeitete Pferde
reitet! „Aber leider,” fchreibt
Keudell, „glaubt die Mehrzahl
unferer Damen, daß, wenn fie fo
weit find, fich grade auf dem Sattel
zu halten, fie die nötige Vorübung
haben, um fich öffentlich bewundern
zu lajjen.” In den Jahren, die feit
dem eriten Erſcheinen der Keu—
dellfchen HReiterinnerungen ver—
floffen find, bat fih unter dem
Einfluß unjerer Fachliteratur und
der hippologifchen Preſſe, nicht zum
mindeften durch das Vorbild der
Concours hippiques und anderer
derartiger Beranftaltungen unjerer
Sportvereine viel, ſogar jehr viel
auf dem Gebiete der Damenreiterei
wie des Reitſports überhaupt ge-
bejjert; aber immerhin muß id) be=
fennen, meine Damen, daß Ihnen
hinſichtlich Ihrer Kunft im Sattel
doch Shre Eitelkeit oder die Sucht,
al® sport-woman zu gelten, nod)
recht häufig einen Streich ſpielt;
und ich glaube, daß mander von
ung, der von einer hübſchen Ama—
zone zu Rate gezogen wird, oder
die Ehre hat, ihr al Tavalleriftijcher
Mentor zu dienen, feiner Schülerin
durch größere Ehrlichkeit einen Dienft
erweijen würde. Die Zahl unferer
Fachſchriften, welche das Reiten
der Damen zum Gegenjtand haben,
ift keineswegs gering und man
findet in ihnen gewiß vortreffliche
Anleitung, aber derartige Bücher
teilen dag Los der großen Klaſſiker,
d. 5. man kauft fie, um fie zu be=
fiten; fodann aber iſt e3 eine
Eigentümlichfeit jedes reitenden
Menihen — Sei ed Mann oder
Weib — und ich will mich ebenjo=
wenig davon freifprechen, als irgend
Niro. 93.
einen meines Geſchlechts — fi
für einen befonder8 von Gott be-
gnabeten Reiter zu halten, mag der
oder die Betreffende auch auf jedem
andern Gebiete des Sport3 noch
fo ehrlih von der eigenen Talent-
lofigfeit überzeugt fein. „Das was
der Reiterin die Sicherheit gibt,“
fagt Meifter Fillis, „verleiht ihr
gleichzeitig die elegante Haltung.“
In Diefer Hinfiht begehen Ans
fängerinnen einen bedauerlichen
Fehler, indem fie, wohl in dem
Beſtreben, nad recht? herunter-
zufigen, mit der linken Hüfte gegen
die rechte zurüdbleiben. Dies ift
nicht nur unfchön, fondern Direkt
gefährlich, denn es erhöht zweifeld-
ohne die Gefahr, nad rechts her-
untergemorfen zu werden. Sit die
jchiefe Haltung von Hüften und
Schultern ſchon im Schritt häßlich,
fo ift dies noch mehr im Trabe der
Fall und die bekannte forfenzieher-
artige Bewegung beim Engliſch⸗
traben ijt obendrein gejundheits-
IShädfihd. Würden unjere Damen
fich in jeder Gangart eines korrekten
Sites befleißigen, d. h. Hüften und
Squltern parallel zu den Ohren
des Pferdes — jo märe ein jehr
wirkſames Argument der Geitfih:
gegner, die den Herrenfiß in der
Damenteiterei einbürgern wollen,
hinfällig. Ein anderer Schönheits⸗
fehler beim Englifchtraben — eine
andere Art zu traben mödte ich
der Dame überhaupt nicht konze⸗
viert fehen, tft ed, wenn man eine
Bewegung des linken Beines nad)
auswärts fieht. Es entjpringt dies
aus einem zu furzen Bügel und
dem Beftreben der Reiterin, ſich im
Bügel zu heben. Letzteres iſt grund:
falſch, man überlafje dag Heben
des Körper8 der Bewegung des
Pferdes und trete den Bügel nad
hinten meg, wobei Knie und Fuß:
gelen? federnd wirken. Es erhellt
hieraus, von welcher Wichtigkeit
Frhr. B. R. v. Eſebeck.
| die richtige Bügelfchnallung ift. Ich
| habe die Bemerkung gemacht, Daß
grade die beften NReiterinnen aud)
in fohwierigen Situationen, auf der
Sagd, auf der Galoppierbahn, auf
ungezogenen Pferden u. ſ. w. den
Bügel auffallend lang Ichnallten,
jo daß die Fußfpige nad) unten
zeigte. Sicher befördert der lang-
geichnallte Bügel eine weiche elafti-
jche Tätigfeit des Knies und be—
feftigt den Sit, während bei zu
furzem Bügel die Reiterin leicht
nach rechts aus dem Sattel fommt
und, um dem vorzubeugen, in die
bereit3 oben gegeißelte Verdrehung
der Hüften fällt.
Damen, melde viel in der Bahn
reiten und ſich dabei in ihre Pferde
vertiefen, neigen mit Borliebe zu
der Angemohnheit, das Kinn vor:
zuftreden und bei jedem Tritt des
Pferdes mit dem Kopf zu niden. —
Tröſten Sie fi, meine Damen,
wir Herren machen e3 nicht beffer!
— Dean findet grade dieje Feine
Unart häufig. bei beſonders pajlio-
nierten und verftändnigvollen Reite⸗
rinnen, die den Wunfch haben, mit
Gefäß und Mittelpofitur energifch
vorzutreidben. Wird dies über:
trieben, fo verfällt die Neiterin
leicht in den Fehler, den Leid ein-
zuziehen und mit bochgezogenen
Sdultern und rundem Rüden zu
figen, was ein höchſt unvorteil-
haftes Bild macht. Für die Dur:
ſchnittsreiterin jollte jedenfalls das
Geſetz der Schönheit noch über
dem reiterlichen Gebot Stehen, —
nebenbei find diejelben faſt immer
identiſch, — ich gebe daher der An⸗
fängerin unbedingt die Snftruftion:
Oberförper lieber hinter die Senf:
rechte neigen, als vornüber, nament:
ih beim Anreiten und beim Ber-
ftärfen der Gangart, bezw. des
Tempo8. Der regelmäßige Fehler,
den man bei Anfängern beiberlei
Geſchlechts zu bekämpfen bat, ift
II, 4 Damenreitfporf.
da8 Vorneigen des Oberkörpers
beim Bortreiben und Hintenüber-
werfen in den Paraden. Reiterlich
wäre es logifcher, in das entgegen-
gejegte Ertrem zu verfallen; aber
jelbftredend liegt der goldene Weg
in der Mitte, d. h. in der tun:
lichſten Innehaltung einer jenf:
rechten Lage über dem Schwerpunkt
des Pferdes. Das Herunterjehen
auf den vorgreifenden Fuß beim
Angaloppieren ift ein Schönheits-
fehler, den jede Reiterin wohl mit
den hippologiſchen Kinderjchuhen
auszieht. Grade beim Angalop-
pieren macht das Vorbeugen des
Oberkörpers und Cinziehen der
Mittelpofitureinendilettantenhaften
Eindrud. Der Kopf fei ein wenig
zurüdgenommen, das Kinn leicht
angezogen, ohne daß die Haltung
etwa Krampfhafte® annimmt;
Sdultern und Oberarme feien weit
zurüdgenommen. Die berühmten
Henkeltopfellbogen find ein Spezial:
fehler älterer, routinierter Reite-
rinnen, und weder jchön, noch faval-
Niro. 93.
Veriftifch motivierbar. Ich möchte
bei diefer Gelegenheit gegen ein
Dogma proteftieren, das allgemein
in den Damentreitinftituten von den
Herren „Damenreitlehrern“ ge:
predigt wird: die einhändige Füh—
‚rung! Sch glaube, erjt als Soldat,
wenn man gezwungen ift, im Dienft
beim Reiten mit der Waffe 2c. jedes
Pferd mit einer Hand zu führen,
lernt man es erfennen, welche un:
geheure Erleichterung die angefaßte
Aus dem Album der Sportwelt.
19. Damenpreisfpringen.
Trenfe oder gar die geteilten Kan-
darenzügel gewähren. Nun ift die
Gefahr der Ermüdung und damit
einer franfhaften, harten Führung
bei dem zierlicheren Handgelenf der
Dame wohl noch größer. Noch aus
einem anderen, vielleiht einleuch-
tenderen Grunde bin ich gegen die
Führung mit einer Hand: ein un—
beftreitbarer Nachteil de8 Damen:
jattel8 — hierin haben feine Gegner
unbedingt Recht! — ift die durch
den Reitfit bedingte hohe Führung.
Teilt die NReiterin alle 4 Zügel und
jegt die Hand auf der Sattelflappe
0 ...........sss.n.———————— ———————
Nro. 94.
auf, etwa da, wo die Taſche zu ſein
pflegt, die linke an (nicht auf) den
linken Oberſchenkel, ſo iſt dem an—
gedeuteten Uebelſtande weſentlich
abgeholfen. Dieſe Art der Führung
hat den ferneren Vorteil der langen
Zügel und in dieſem liegt ein Haupt:
faltor der „weichen Damenhand“.
„ie viel öfter,” ſchreibt White-
Melville in jeinem unvergleid):
lihen Buch über Sagdreiten, „wür-
den wir Damen im Sagdfelde ftürzen
jehen, wenn nicht der Sig im Damen-
fattel fie zu dem langen Bügel
nötigte.” Ohne Frage wird Die
Reiterin in der von mir befchrie-
benen Weife weicher führen, als
wenn die oben auf dem rechten
Knie thronende Zügelhand alle vier
Zügel vereinigt. Leicht gibt auch
die Führung mit einer Hand der
Reiterin etwas Linkiſches, weil die
Rechte, die nur die Peitſche führt,
gewiſſermaßen beſchäftigungslos ift,
wohingegen die Führung mit ge:
teilten Zügeln auch) auf die grade
Haltung der Schuttern und Hüften
förderlih wirtt. Der Oberarm ift
leicht angelegt, der Unterarm bildet
am Ellbogen einen rechten Wintel.
Die Hand fteht, ob höher, ob tiefer,
ſenkrecht und jo, wie fie am Unter:
arm angewadhlen ijt; das ift das
ganze Geheimnis der weichen Füh—
rung! Eine in den Pulsadern ein-
gezogene, ebenfo wie eine zu ſtark
eingerundete Yauft wird Erampf: |
haft und unnachgiebig. Sp un
mefentlich es fcheinen mag, fo wirft
eine verderfte Fauſt, bei welcher der
Handrüden'nad) oben zeigt, nach⸗
teilig auf den Gefamteindrud der
Reiterin. Der höchſte Punkt der
Hand ift der Knebel ded Daumensg,
die Finger find lang zugemadt,
nit in die Handfläden
eingefralft.
94. Im Jagdfeld. Wohl jede
Dame, die fich jattelfeft genug fühlt,
um einen Ritt „querbeet“ zu wagen,
|
1
I
Frhr. B. AR. v. Eſebeck.
hat den Wunſch, wenn ſich Gelegen-
heit bietet, eine Schniteljagd oder
Schleppe zu reiten und darum glaube
ih, einen Augenblid bei diefem
Punkt verweilen zu dürfen.
„Ladies in the hunting-field are
a nuisance,“* pflegt der Engländer
zu jagen, aber ich kann dem nicht
beipflichten, dazu fenne ic) zu viele
Damen, die hinter den Hunden
manchen Rotrod befchämen Tünnen.
Freilich jenen Amazonen, die den
Reitjport ald eine Art Bentinktur
betradjten, oder ihn um der Mode
willen betreiben, täten allerdings
befier daran, von vorneherein auf
die Freuden einer guten Jagd zu
verzichten, denn mo gehobelt wird,
fallen Späne, oder wie Cramford
in feinem Buche „horsesandriders“
jehr bezeichnend ausdrückt: „Wer
Gierfuchen efjen will, muß Eier
zerichlagen, und wer Jagd reiten
will, ohne zu fallen, der hat nur
den halben Sport und ficher nur
ven halben Spaß.” Auch die er-
fahrenfte und fattelfeftefte Reiterin
muß — wenn fie ehrliih und mit
Vergnügen den Hunden folgen will,
auf einen gelegentlichen Akeident
gefaßt fein; da aber — ganz ab⸗
gefehen vom äfthetiiden Stand⸗
punkt — ein Sturz für die Dame
leicht erniter abläuft, als für den
Herrn, ſo mödte ich an daS Jagd⸗
reiten der Damen zwei Bedingungen
telen und von diefen auch Die
perfekte Reiterin nicht frei machen:
einmal ein unbedingt fichereg Jagd:
pferd, jodann einen gemandten und
befonntenen Piloten. Die Aufgabe
des letzteren ift feine ganz leichte;
por allem muß der Herr, welcher
die Ehre hat, im Sagpdfelde einer
Dame als Kavalier zu dienen, felbit
auf einem erprobten, abfolut ficheren
hunter figen, denn er kann und
darf fih nicht um fein Pferd küm⸗
mern. Sch denfe noch mit Grauen
an einen Tag, an dem ich ein neue?
II. 4 Pamenreikſport.
Pferd zum erftenmal Hinter den
Hunden ritt; plötzlich machte ich zu
meinem Schreden die Bemerkung,
daß eine Dame auf mich Border:
mann hielt. Alles Rufen und
Winken war vergeblid, alfo mag
tun? Ich verfudte, den Abftand
zu vergrößern, aber je mehr Dampf
ich aufjegte, dejto mehr drückte auch
mein Verhängnis auf dad Tempo.
Cine Weile ging alles gut, dann
fom ein ganz fleiner, aber mit
hohem Kraut zugemadjfener Graben,
und — da lagen wir! Die Frau
Generalin famt Pferd auf mir und
überflüffiger Weiſe mählten noch
2 Herren den gleihen Ruhepunkt.
Abgefehen von einem entlaufenen
Pferd, einem zerrifjienen Reitkleid
und einigen blauen Flecken hinter:
ließ dieſes Maffengrab bei feinem
der Beteiligten Yolgen, aber id
möchte doc bitten, meine Damen,
ſich durch diefe Heine Epifode warnen
zu lafjen und nie auf Shren Border:
mann Strid zu reiten, ſonſt kann
eine ganz harmloſe Lerche, die dag
Pferd desſelben jchlägt, Ihnen
beiden verhängnisvoll werden.
Nah dem Anlegen gilt ed für
den Piloten zunächſt, fich mit feiner
Scupbefohlenen aus dem üblichen
Gedränge zu retten. So lange man
fih mitten im Jagdfelde befindet,
rate ih dem Herrn, links neben
der Dame zu bleiben. Es verftößt
dies gegen die Regel, empfiehlt ſich
aber im Gedränge, um die Dame
vor Anreiten zu ſchützen. Sobald
man freie Fahrt hat, eilt der Pilot
vorauf und, lafjen Sie es ſich bitte
nochmal and Herz legen, jchönfte
Zeferin, folgen Sie demfelben nicht
in feinem direkten Kielwaſſer, fon=
dern in gehörigem Abftande ein
wenig feitmärtd; dann „Volldampf
vorauf“ und ih wünſche Shnen
guten Sport! Am angenehmften
reitet es fich naturgemäß auf den
Flügeln. Hinter einer Hafenmeute
Nro. 94.
muß man fi allerdings fehr hüten,
nicht den Unwillen des Mafters zu
erregen, denn bei den Widergängen.
die Lampe zu machen liebt, Tann
man leicht die Fährte überreiten
und außerdem madht man häufig
Relaishafen hoch, die dann vor die
Hunde laufen und diefe von der
Fährte des Jagdhaſen abziehen.
Hinter anderem Wilde oder auf
der Schleppe hat es hiermit feine
Gefahr, und wenn man hinter
größeren Hunden reitet, fo ſorgen
diefe ohnehin durch ihre größere
Schnelligkeit dafür, daß das Feld
bald auseinander gezogen ift. In
jedem Falle rate ic), von vorn:
herein jeinen Platz im erften Treffen
zu wählen; einmal ijt das Ber:
gnügen des Jagdreitend® doc nur
vollfommen, wenn man die Hunde
bei ihrer Arbeit auf der Fährte
beobadten fann, zweitens pflegt
jedes Pferd hier am angenehmiten
zu geben, und fchließlih kommt
man dort auch am ficherften über
unfaire Hindernifje, Gräben mit
jumpfigen Rändern u. dgl. hinweg.
E83 folgt hieraus, daß die Dame
nit nur eines ficheren, fondern
auch eines fchnellen Pferdes be-
nötigt, um den Hunden folgen zu
können und beim Halali zu fein.
Zur Schande meines Geſchlechts
muß ich geftehen, daß es Leute
gibt, denen die Anmwefenheit von
Damen immer und überall ein
Dorn im Auge ift und zumal im
Sagdfelde. Diefe behaupten, daß
eine Frau niemald® die Pace zu
beurteilen vermöge und darum kopf⸗
108 auf alles losjtürme. Da, wo
das Pferd eher einen Pul nötig
hätte, um fi aufzunehmen, wie
3. B. im tiefen Boden vor einem
großen Hochſprung, wird die Gefahr
des Sturzes dur blinded Gegen:
ftürmen zweifellos erhöht; aber
meiner Meinung nach entjpringt
diefer Schneid nit aus einem
Nro. 94,
Mangel an Urteilsfähigkeit, ſondern
aus der Unkenntnis der Gefahr.
Verzeihen Sie den etwas un:
galanten Vergleich, meine Damen,
aber e3 ijt mit Shrem Mut wie
mit der Courage unjerer Refruten.
Dort muß der Lehrer ängſtlich dar—
auf bedacht fein, den angehenden
Reitfünftler vor dem Herunterfallen
zu bewahren, ehe derjelbe nicht volles
Vertrauen zu feinem vierbeinigen
Kameraden gewonnen hat und
Fchr. B. AR. v. Efeherk.
tung beftätigen. Der Schneid
unferer jagdtreibenden Damen tft
eine Eigenjchaft, um die mander
Rotrod fie beneiden darf; und jeder
— fei es Gatte, Vater oder Lieb:
haber — der eine Dame zum Jagd—
reiten beritten macht, oder fie dabei
haperoniert, jollte es für jeine vor-
nehmſte Pflicht anjehen, unferen
Gefährtinnen im Sagdfelde den
„pluck* zu erhalten! Sn erfter
Linie kann dies durd die Auswahl
20. Damen beim Ballali.
ebenjo müfjen wir jeve Dame, die
Sagd reitet, jorgjam vor‘ der Bes
kanntſchaft mit einer ernitlichen Ge—
fahr bewahren, denn „wo Feine
Furcht auch feine Gefahr”. So
parador Dies Klingen mag, jo
zweifellos hat es, was die Sicher:
heit im Sattel anbelangt, jeine
Berechtigung; es ijt geradezu Fächer:
lich, wie die Unficherheit des Rei—
ter8 oder der Neiterin ſich dem
Pferde mitteilt. Auch die befannte
Tatjahe, daß gerade Furzjichtige
Damen häufig die Fühnjten und
fiherjten NReiterinnen Hinter den
Hunden find, dürfte meine Behaup-
des Pferdes gefchehen, welchem wir
eine Dame querfeldein anvertrauen.
Sch habe bereits früher betont, daß
dag ganze Geheimnis bei Auswahl
eine Damenpferdes im Tempera:
ment liegt; dies muß in nod
höherem Maße gelten, wenn es ji)
um die Beichaffung eined Jagd—
pferdes handelt. Dur den Sitz
im Damenjattel ift e3 der Reiterin
verfagt, ihr Pferd gegen einen
groben. Sprung „gegenzureiten”,
fie bedarf daher im Jagdfeld ein
Pferd, dag aus fich jelbit das
Hindernis anzieht, ohne dabei jeiner
Reiterin die Hand zu nehmen.
II, 4. Pamenreiffporf.
Andrerfeit3 vermag die Dame auch
nicht, ihr Pferd vor einem feier:
lihen Hochſprung durch die Schenfel-
wirfung „aufzunehmen“; wenn es
daher für unfereinen ſchon fein
Vergnügen ift, hinter den Hunden
einen kopfloſen Puller zu reiten,
jo ift Died für die Dame eine direkte
(Sefahr. Freilid maht man zu:
weilen mit Bullern die über:
rafhendften Erfahrungen, wenn man
fie einer zarten Hand anvertraut;
aber, verzeihen Sie, wenn ich ehr:
lid bin, meine Gnädigite, id
Ihreibe diefe mwohltätige Wirkung.
nit Ihren Heinen Händchen zu,
jondern dem langen Zügel, zu dem
Sie der GSeitfig im Damenjattel
wohl oder übel benötigt. „Give
them plenty of rope* ift ein Re-
zept des englifchen Jagdreiters, das
ihn vor mandem Sturz bewahrt
und in diefer Hinfiht können wir
von den Damen, die wir hinter den
Hunden ſehen, viel lernen. Drei
Punkte bat das ſchönere Geſchlecht
im Jagdfelde vor dem ſtärkeren
voraus: das leichtere Gewicht, den
feſten Sitz und den langen Zügel.
95. Querſitz. Man kann heut⸗
zutage das Tema „Damenreiterei“
nicht anſchneiden, ohne den Quer⸗
ſitz wenigſtens geſtreift zu haben.
Meines Erachtens ſind die Argu⸗
mente, die auf beiden Seiten ins
Feld geführt werden, häufig nicht
ganz zutreffend, während andrer⸗
ſeits in beiden Lagern manches
überfehen wird, was zugunften
der eigenen Sade ind Gewicht
ällt.
Ich möchte den Verſuch machen,
vom objektiven Standpunkt das Für
und Wider beider Auffaſſungen zu
beleuchten.
Madame Durand, die in ihrer
Zeitſchrift „La Fronde* fi zur
Vorlämpferin des Herrenfattelg ge:
madt bat, madt für den Duerfit
geltend, berfelbe fei günftiger:
Nro. 95.
1. für die Feftigfeit des Sitzes,
2. für die richtige Zügelführung.
Man begegnet vielfach der Anz
fit, eine gute Reiterin müßte von
frühefter Jugend an und zuerft im
Herrenfattel geritten haben.
Gräfin Wilhelm Bismarck ift erft
nah Mitte der Zwanzig in den
Sattel gejtiegen und konnte bereit
nach verhältnismäßig kurzer Zeit
hinter den Hunden der hannover-
ſchen Reitſchule debütieren, wo fie
ſelbſt nach den ſchwerſten Jagden
beim Ende zu ſein pflegte. Ich
kenne andrerſeits Damen, die von
ihrem 5. Lebensjahr ab auf dem
Pony geſeſſen haben und erſt mit
dem 15. Jahr auf den Damen—
ſattel gekommen ſind und die trotz⸗
dem auf letzterem ein wenig glück⸗
liches Bild machen. Mag nun das
eine wie das andere ein Ausnahme⸗
fall ſein, ſo wird jeder, der ſelbſt
Rekruten ausgebildet hat — und
die Mehrzahl meiner Leſerinnen
hat doch gewiß zum mindeften eine
Rekrutenabteilung bei ihren An:
fangstünften beobadhtet — es mir
betätigen, daß nicht der Schluß
dem jungen Kavalleriften die Haupt-
ſchwierigkeit bereitet, jondern bie
Erlangung der Balance.
In unferer Soldatenreiterei ift
es heutzutage Grundſatz, nicht von
dem Schüler zu verlangen, mas
fein Können, die von ihm bereitd
erlangten Fähigkeiten überfteigt.
Der Rekrut darf nicht herunter:
fallen, denn nicht wäre mehr ge=
eignet, ihm die unentbehrliche Liebe
zu feinem ſchönen Handwerk zu
nehmen. Trogdem paſſiert es nicht
gerade felten, daß die angehenden
HZentauren fi mehr oder minder
unfanft von ihren Roſſen trennen.
In den Tatterfallbahnen, wo un=
jere Amazonen ihre Anfanasjtudien
maden, fieht man dagegen hödit
jelten, um nicht zu fagen „nie —
ein derartiges Afcidend. Ergo ber
Nro. 95.
Damenfattel gewährt von vorn:
herein einen jicheren und fefteren
Sit, als ihn der Anfänger im
Herrenfig, jelbft mit Hilfe der
Scentel findet; ganz abgejehen
davon, daß die von dem Herren
fit geforderte flache Schenfellage
aus anatomiihen Gründen ven
Damen verjagt iſt. Den Verehrern
von Filliß dürfte eg in der Mehr:
zahl. nicht bekannt fein, daß der
Meifter auch zum „Spreitfi” Stel:
lung genommen hat; ich zitiere ihn
daher wörtlich (Grundſätze der
Dreffur und Reitkunſt, ©. 39).
„Was fehlt dem Reiter im allge-
meinen? Der fidere Sig! Der
Sit wird den Damen noch mehr
fehlen, welche doch einen runderen
und viel energielojeren Schenkel
haben, als der Mann. Pferde, die
gewöhnlich feine Höflinge find,
werden denjenigen Damen, welche
diejer neuen Art der Reiterei hul-
digen, jo oft Unfälle bereiten, daß
fie nicht jäumen werden, darauf zu
verzichten.”
Ich für meinen Teil ftehe auf
dem Standpunft, daß Pferde, „die
feine Höflinge find”, ſich überhaupt
für Damen nicht eignen. Damen:
gehören eben nur auf Damenpferde,
und dieſe find durchgeritten, be-
dürfen feiner Kraftaufwendung und
bereiten feine Unfälle. Die Reiterin
darf alfo ebenjomwenig in die Lage
fommen, die beiderjeitige Schenfel-
wirkung zur Dreſſur des Pferdes
zu gebrauden, wie in die Möglich-
teit, mit dem Kleiderrock an der
Gabel des Seitjattel® hängen zu
bleiben. Gerät eine Dame in Ge-
fahr, gefchleift zu werden, jo tft
das Tier fein Damenpferd und
man hätte fie auf eine ſolche Krea-
tur nicht berauffegen dürfen. Die
Gefahr wäre auf dem Herrenfattel
die gleiche, wofern fih am Seit:
jattel ein einfacher Herrenbügel
ohne Tomplizierte Sturzuorrichtung
Frhr. B. R.
|
v. Eſebeck.
befindet. Selbjtverftändlih fol
nicht geleugnet werden, daß ed aud)
Damen gibt, die troß des einfeis -
tigen Sites jedes rohe Pferd reiten
und durcharbeiten; dieſes find aber
Koryphäen und es ift feine Frage,
daß derartig präbeftinierte Reite⸗
rinnen im Herrenfattel es zu der
gleihen Vollkommenheit gebradt
hätten, wenn nicht zu einer höheren, :
Eine Dame, die auf den Ren
pferden des Gatten häufig bei der
Arbeit im Sattel war, bat mir
verfichert, DaB fie oft den impul-
fiven Wunſch fühle, dad rechte Bein
über den Sattel zu fchlagen.
Die berühmte Tatfache, die id
übrigen? an meinen eigenen Pfer:
den unzählige Male erfahren habe,
daß heftige, diffizile Pferde und
berüchtigte Puller in Damenhand
weich und manierlih gehen, hat in
der Regel ihren Grund darin, daß
die Neiterin ficherer und darum
ſtiller jigt und daß die daß Pferd
irritierende, den Sit unruhig
macende Schenkelwirkung fehlt. —
Verſuchen Sie es mit dem Duer-
fit, meine Gnädigfte, ich wette, Die
Kalamität ift diefelbe, wie unter
einen ungefchictten Herrn. Sch bin
nämlich unhöflih genug, an die
jogenannte leichte Damenhand nit
zu glauben. Berzeihen Sie, meine
Damen, Sie fönnen mit Ihren
niedlichen Heinen Händen — Die
th für meinen Freimut reuevoll an
die Lippen führe, den Pferden ger
börig weh tun und eine arme Krea⸗
tur genau fo fefthalten und in dad
Maul reißen, wie unjereind mit
feiner fogenannten Klaue. Der
unbejtreitbare Nachteil des Geit:
fiße8, die zu Hohe Fauftjtellung,
würde freili durch den Querſitz
abgeftellt, aber der Porteil der
tieferen Führung wird in den
meijten Fällen durch den unruhigen
Sit im Herrenfattel mehr wie auf:
gehoben werden. Was für den
II. 4 Damenreilfport.
Rekruten am ſchwerſten zu erlernen
ift, eine vom Si unabhängige
Sügelführung, wird der NReiterin
durch den ficheren Sit im Damen-
Jattel von vornherein gegeben.
Andrerjeit8 darf man ſich den
Vorzügen des Herrenjattel3 nicht
verjchließen : zugegeben, daß der von
den Anhängern des Herrenfiges ing
Feld geführte Vorteil des beider:
jeitigen Schenkeldruckes aus den
bereit3 eingangs gejtreiften Grün:
den tatjächlich gar nicht vorhanden
ift, — ausgenommen vielleicht ein
Fall, in dem die Beinmusfeln fich
von Kindheit auf der jahrelangen
Gewöhnung angepaßt haben —
jo bleibt es doch außer Frage, daB
der Duerfit die Gemichtöverteilung
erleichtert und dadurch der Reiterin
ein feinere® Gefühl und größere
Meichheit gibt. In der fleinen
Reitinftruftion für Damen jchreidt
die Berfaflerin, Fräulein von Wo—
bejer: „Ohne Gefahr ift allerdings
daß Reiten nicht, am mwenigiten dag
Damenreiten; es fehlt der Dame
nidt nur die größere Muskelkraft
des Mannes, fondern fie ift aud
durch den einjeitigen Sit, wie durch
die geringen Hilfen, die ihr zu
Gebote jtehen, jehr behindert, einen
nachhaltigen Einfluß auf das Tier
auszuüben. Stünde ihr felbit das
nötige Verſtändnis zu Gebote, ein
Pferd gründlich und regelrecht durch—
zureiten, fo würden felbft, wenn
dasjelbe feinerlei Schwierigkeiten
böte, doch die beſchränkten Hilfen
des einjeitigen Sites daS volle
Gelingen unmögli machen.”
Wenn. ic) audj meine perjönliche
Anfiht über das Reiten roher
Pferde Durch Damen im vorftehen-
den bereit? ausgeſprochen habe, jo
liegen doch die Vorteile, die der
Herrenfattel in der von Fräulein
von Wobeſer angedeuteten Be-
zrehung gewährt, zu augenfällig auf
der. Hand, um einer bejonderen
-
Niro. 95.
Hervorhebung zu bedürfen, auch
ohne die tatſächliche oder illufori-
ſche Wirfung des rechten Schentelß.
Selbjt daS beftgerittene und tem=
peramentlojefte Pferd ift noch lange
fein mechaniſches Transportmittel,
fondern bleibt allen möglichen, nicht
vorher zu jehenden Einflüffen und
Eventualitäten unterworfen, Stall
mut, Scheumwerden, Stolpern ujw.
Nicht unerwähnt möchte ich laſſen,
daß der Herrenfattel hinfichtlich des
Auf: und Abfteigend, namentlich)
des erfteren, die Reiterin viel felb-
jtändiger madt. Wenn es aud
möglid ijt, mit Hilfe des ganz lang
gejchnallten Bügels allein in den
Damenjattel zu gelangen, jo ver:
fügen doch die wenigiten Damen
über dieje Kunft, abgefehen davon,
daß die auch in der Regel den
ominöſen Flajfhenzugbügelriemen
bedingt. Last not least ift der
Herrenfattel für das Pferd be-
quemer. Bei einem gut gemachten
Damenfattel gehören ja Druckſchäden
zu den Seltenheiten, aber der Seit-
fig greift die Nieren des Pferdes
mehr an, als man denkt.
Sch fomme nun zu der Gefund-
heitsfrage, zu der die Deutſche
medizinische Wochenfchrift unter der
Ueberſchrift „Wie jollen die Damen
zu Pferde ſitzen“ Stellung nimmt.
Die Verfafjerin dieſes Artikels, eine
enragierte Berfechterin des Seit-
fies, hält den Querſitz auf die
Dauer für höchſt geiundheitsjchäd-
lid. Endlid, um mit ihren eigenen
Worten zu reden „raubt der Herren:
fig der Frau dauernd unmieder-
bringlich den ſchönſten weiblich äft-
hetiſchen Reiz, ihre ſchlanke Figur.”
Selbitredend hat diejer Artikel eine
Ermiderung gefunden, in mwelder
zugunften des Querſitzes geltend
gemadt wird, daß die Damen beim
Radeln den analogen Sit unbe
Ihadet anwenden. Meines Eradı:
tens handelt es fi) auf dem Rade,
-
Niro. 95.
Frhr. B. A. v. Efebech.
zum mindeften auf dem Damenrad, | größere Macht über ihr Pferd, ohne
um einen reinen Stuhlfit, d. h. daß ich deshalb von ihrem Schenkel,
einen Sitz auf dem Gefäß, während
man zu Pferde im Herrenfattel doch
auch auf der Spalte fit und hierin
gerade liegt die Gefahr für Die
weibliche Gejundheit. Im übrigen
habe ich Anfängerinnen auch auf
dem Rade darüber Hagen hören,
daß ihnen der Drud des Sattels
Schmerzen verurſacht. Jedenfalls
iſt die Analogie mit dem Radelſitz
inſofern unzutreffend, als die „Nad-
lerin“ auf dem Herrenſattel noch
ſeltener iſt, als die „Reiterin“.
Einleuchtend iſt unbedingt, daß
der bequemere engliſche Trab und
überhaupt die freiere Bewegung
im Herrenſattel vorteilhafter für
die Geſundheit iſt, als die gebun—
dene und gedrehte Stellung im
Damenjattel. Die richtige Körper:
haltung — beide Hüften und Schul-
tern der Reiterin parallel zu den
Schultern des Pferdes —, kann
allerdvingg auh im Damenfattel
nad) diejer Richtung vieles befjern,
aber immerhin bleibt eg bemerkens⸗
wert, daß einer an Erkrankung
innerer Drgane leivenden Dame
von einer ärztlichen Autorität dag
Reiten nur unter der Bedingung
geftattet wurde, daß es im Herren:
fattel geſchähe. Eine Bekannte von
mir legte vor einigen Jahren an-
läßlich einer fünftägigen Bergpartie
in das turfeftanifche Gebirge täg-
ih 70 Werft im Herrenfit, teils
auf Kofatenfattel, teils auf eng⸗
liſchem Sattel zurüd, ohne jemals
die geringften nachteiligen Folgen
an fi verfpürt zu haben. „Dies
bemeift,* ſchrieb mir damals ihr
Gatte, „L. die Ermüdung im Herren=
fig it infolge der richtigen Körper-
haltung eine weit geringere, 2. Nach⸗
teile oder Beſchwerden find nicht
zu befürdten, 3. die Reiterin ift
mehr Herrin ihrer Kräfte und Be:
mwegungen und damit gewinnt fie
eine ähnliche Einwirkung wie beim .
Denn die Lei .
ftungen, die unfere Damen be .
aſiatiſchen Crpedition im .
Manne erwarte.
jener
Herrenſitz vollbrachten, — Leiftungen
deren fie im Damenjattel nie fähig
geweſen wären — bezogen fid
nit nur auf die geforderte Aus:
dauer bei anftrengenden Nitten, als
vielmehr auch auf das nötige Ger
[hie zur Erlangung der Herrſchaft
über recht bösartige und ſchlecht
gerittene, unbändige Pferde.”
Was die äjthetifche Frage des
Querſitzes betrifft, jo glaube id, .
daß wir deren Löſung getroft den
Parifer und Miener Toiletten
fünftleen überlaffen können. 68
unterliegt feinem Zweifel, daß dies
felden einen Ausweg finden mwer-
den, der die weibliche Eitelkeit, wie
das Auge des ftarfen Geſchlechts
gleichermaßen befriedigen wird.
Dem Einwand der „Hervenfiggeg-
ner”, daß eine Dame in Reithojen |
zu Fuß unmöglih fei, ift mit
Leichtigkeit Durch einen Radmantel
oder Umhang abgeholfen, deſſen
man fi auf dem Wege zum Stall
oder nad der Neitbahn bedient,
Ich möchte jedoch dem langen ge '
teilten Rod, der nur Fuß um
Bügel freiläßt die meifte Anmart:
haft auf eine Zukunft zuſprechen. £
An der Bahn, wo die eine Seite
der Neiterin dem Zufchauer durd
die Bande entzogen wird, hat man
auf den erften Blick volllommen =
den Eindrudf, eine Dame im alt
gewohnten Seitfig zu ſehen. Einer
ſchlanken, elaſtiſchen Figur wird der
Duerfit in dem befchriebenen Roftim
feinen Abbruch tun, und die Wir
fung ift nit nur im ſtrengſten
Sinne dezent, fondern überraschend
anmutig und elegant.
Den Leferinnen find gewiß die
|
N
reizenden Skizzen „Seitfig” un
|
J
IE
— Du
II. 5. Yahrfport.
„Duerfig” gegenwärtig, in denen
auch die „Jugend“ ſ. Zt. zu diefer
bippologifchen Tagesfrage Stellung
genommen hat: eine fchlagenvere
Löſung derjelben ift nicht denkbar.
Zu deutfh: quod licet Jovi, non
licet bovi. Uebrigend wird der
geteilte fogenannte Scürzenrod
ſchon heute vielfah nicht nur von
unfern beiten, jondern von den
vornehmften Amazonen auch im
Damenfattel getragen. Db der
Duerjit von den Damen der Ge-
ſellſchaft je allgemein akzeptiert
werden wird, wage ich nicht zu
entfcheiden. Sch möchte jedoch da=
ran erinnern, daB vor wenigen
Sahren eine Dame auf dem Rade
ebenfo unmöglid war. Bor gar
nicht allzu langer Zeit radelten die
Damen der „guten“ Gejellfchaft
nur unbeadtet in der Abgeſchieden⸗
heit ihres Gartens oder in ge—
ſchloſſenen Räumen, fo etwa wie
Niro, 96.
man in. Spanien zur Zeit der In⸗
quifition die Bibel lad: heute zählt
der Radſport mehr ald eine ge-
Ichloffene Krone zu feinen An
hängern, offenfundig.e Wer von
den Damen jemald einen einzigen
ernfihaften Gedanfen über Reiterei
und Pferdedrefiur gehabt hat, die
wird gewiß auch ohne meine Aus⸗
laſſungen zur Würdigung der Vor:
teile gelangt fein, die der Querſitz
für die Neiterin im Gefolge hat.
Den andern aber, denen das
Reiten nichts ift als ein faſhionables
„Passer le temps“, die auf dem
Pferderüden mit unmöglichen Hüten,
Armbändern und bunten Krawatten
prangen und denen beim erften
Galopp die Frijur aufgeht, rate ich
dringend von jedem Berjuh im
Herrenfattel ab.
Schon Wilh. Buſch hat gejagt:
„Erſtens weil es ſehr gefährlich,
Zweitens gar nicht nötig iſt!“
Fahrſport.
96. Einleitung. Wenn wir uns flüſſigen Summen den Löwenanteil
fragen, warum Deutſchland, das
einen Karoſſier liefert wie den Hol-
fteiner, einen Hunter wie den Hans
noveraner, ein Kampagnepferd wie
den Djtpreußen, im Pferdefport —
abgejehen von dem Herrenfport auf
der Hindernigbahn — hinter dem
Auslande unverfennbar zurüd:
geblieben ift, jo müſſen wir hier-
für neben fozialen und Himatiichen
Momenten in erjter Reihe die Ent-
widlung des Wafferfportes ver:
antwortlih machen, der in dem
festen Jahrzehnt das Intereſſe der
fapitalträftigen Sportöfreunde im—
mer mehr auf die „Kieler Woche”
fonzentriert hat und von dem in
unferem Vaterland für Sportzwede
abforbiert. Ein meiterer Konkur⸗
rent, der namentlich dem Fahrſport
Einbuße tut, ift neuerdings in der
mwachfenden Popularität des Auto—
mobilismug zu erbliden: nicht
allein, daß derjelbe viele wohl:
fituierte Privatleute zur Aufgabe
ihrer Equipage veranlaßt hat, auch
in den fürftliden Marjtällen, die
bisher berufen fchienen, auf dem
Gebiete des Luxusfuhrwerkes vor-
bildlich zu mirfen, beginnt das
Automobil immer mehr die Wagen—
pferde zu verdrängen. In heutiger
Zeit ſcheint darum ein mwerbendes
Wort für den Sahriport doppelt
angebracht; denn je mehr die Zahl
der PBrivatequipagen fi in unjerem
Nro. 96.
Baterlande verringert, defto unren-
tabler wird fi die Warmblutzucht
für den Landwirt geftalten. Auch
der Fahrſport Hat eine nationale
Bedeutung, indem ein ausgedehntes
und blühende® Luxusfuhrweſen
wirffam dazu beitragen wird, den
Rückgang der Edelzudt und das
für unfere militärifhe Schlagfertig-
feit bereits höchft bedenkliche Leber
bandnehmen des Kaltblutes zu
hemmen.
Wer in der Lage ift, fich beides
zu gönnen, der wird ehrlich einge:
ftehen müfjen, daR es ein unver:
gleichlich höherer Genuß ift, vom
hohen Bod herab einen PViererzug
Ichneller Pferde durd die Gottes:
welt zu lenfen, als auf ftaubiger
Chauſſee in einem Benzinduft aus:
ftrömenden Auto „Kilometer zu
freſſen“. Um nicht einfeitig oder
voreingenommen zu fcheinen, will
ich konſtatieren, daß ich gerade ala
pafftonierter Sagdreiter die Bor:
züge des Automobils ſchätzen ge:
lernt habe, die unbeſtreitbar in der
Schonung des Pferdematerials und
dem Gewinn an Zeit für andere,
berufliche Zwecke liegen; allein im
nachſtehenden ſoll nicht die Equi—
page als Fortbeförderungsmittel
empfohlen, ſondern dem Fahren als
Selbſtzweck, d. h. als ſportlichem
Vergnügen, das Wort geredet wer—
den. Wenn der oben angeführte
Vergleich — die Handhabung einer
Maſchine und das Lenken von vier,
ja ſelbſt von zwei edeln, tempera—
mentvollen Pferden, ausnahmslos
zugunſten des Fahrſportes aus—
fallen muß, und trotzdem viele
Leute ſelbſt zu reinen Luxuszwecken
den Kraftwagen bevorzugen, ſo
dürfte dies ſeinen Grund nicht zu—
letzt darin haben, daß mit den
nötigen Barmitteln ſich jedermann
zum Herrn eines dem verwöhn—
teſten Geſchmack genügenden Auto—
mobils machen kann, wohingegen
Frhr. B. A. v. Efeberk.
der Beſitz eines erſtklaſſigen Ge—
ſpanns ein reiches Maß von per:
jönlihem Verſtändnis, eigener
prattiiher Erfahrung und theore—
tiiher Sachkenntnis voraugfegt.
Das Koftjpieligfte ift bier nod)
lange nit das Chickſte und Kor:
rettete; während man einerfeits
bei einer mit dem größten Koften-
aufmand zufammengeftellten Equi—
page oft genug grobe Berftößel
gegen die äſthetiſchen und ſport—
lichen Regeln Eonftatieren Tann,
wird andererfeits fich ebenfo häufig
auch mit verhältnismäßig geringen;
Mitteln eine ftilgerehte und ge—
Ihmadvolle Anjpannung erreidhen
lafien. Selbftredend kann es ſich
bier nit darum handeln, alle
Einzelheiten zu erjchöpfen, die ganze
Bände der Fadjliteratur anfüllen,
nur in großen Zügen fol das ein:
Ichlägige Gebiet fkizziert werden.
Bor allem gilt e8, einer Auf:
fafjung entgegenzutreten, die es
zum großen Teil mitverſchuldet hat,
daß die Leiftungen unferer Ama:
teurfahbrer — wenige Koryphäen
ausgenommen — fih im allgemei:
nen nicht über Mittelmäßigfeit er:
heben: es ift dies die in Deutich-
land landläufige Anficht, daß jeder
Reiter auch ohne weiteres auf dem
Bode Meifter ſei. Wenn auch zu:
gegeben fein mag, daß vielleicht der
Si auf dem Kutſchierkiſſen eine
ruhigere Führung gejtattet, als fie
mandem im Sattel möglich ift, jo
verlangt doch das Wagenpfert:
immer noch eine fehr viel mweichere
Führung ald dag Reitpferd; fchon
aus dem einfahen Grunde, weil
dem Fahrer feine andere Einwir:
fung als allein durch den Zügel zu‘
Gebote fteht. Ach bin zwar etwas
jfeptilch gegen die fo oft gerühmte
„weiche Damenhand“, aber die Tat-
jache, daß unter den perfekten Fah—
rern das ſchöne Geſchlecht verhält-,
h
nigmäßig zahlreicher vertreten ijt
A Tau nn ent Bene
Le
“
—
a N
I. 5. FJahrſport.
Nero. 97—98.
al® das ftarfe, ift jedenfalls auf: | pferded. Schon bei der Produf-
fallend.
97. Drefinr des Wagenpferdes.
Sn den im großen Stil gehal-
tenen Ställen, die auf WMufjter-
gültigfeit Anſpruch erheben, iſt es
wohl Brauch, die Wagenpferde vor
dem Einfahren durchzureiten. Man
ſollte indeſſen nicht vergeſſen, daß
das Reitpferd durch die Dreſſur
auf die Hanken gerichtet werden
ſoll, während das Wagenpferd not⸗
gedrungen auf die Schulter ge-
richtet fein muß. Für ein reines
Zurußgefpann, von dem nur
Schnelligkeit gefordert wird, dürfte
fih daher eine gründliche Durchs
bildung unter dem Sattel gar nicht
einmal empfehlen: für das Reit-
pferd iſt Rüdenaufmölbung Bor:
ausfegung, für dad Wagenpferd
ein Hemmnig, — das find nun
einmal unvereinbare Gegenjäte!
Um dies zu illuftrieren, vergleiche
man einmal da8 Bild eines im
abjoluten Gleichgewicht befindlichen
Reitpferdes, wie es beigezäumt,
mit gebogenen Hanken im verjam-
melten Trabe unter feinem Reiter
zu ſchweben fcheint, gleichjam ba-
lanciert, mit der Silhouette des
Renntraber®, der mit hochgewor⸗
fenem Kopf und abgeipanntem
Rüden über den Boden fliegt. Aus
analogen Gründen bin ih auch nicht
für das von vielen empfohlene
vorbereitende Longieren der Wagen⸗
pferde; und Autoritäten bejtätigen
meine Grfahrung, daß die Pferde
hierdurch nur auf das Gebiß ge-
trieben werden, den Gang aber
verlieren. Durch die Spannung in
die Beinahmezügel und das Her-
untertreiben der Hinterhand mit
der Peitſche lernt dad Pferd bei
der Longenarbeit auf dem Zirkel,
den Rüden aufzumölben: dies ge⸗
trade aber ift mit den „Allüren‘
des „fort trotteur“ unvereinbar!
98. Die Zucht des Wagen:
tion eine Karoſſiers jollten die
Züchter auf die oben gekennzeich⸗
neten Gegenſätze in der Verwen—⸗
dung des Reit: und Wagenpferdes
Rüdfiht nehmen; noch mehr aber
tut es not, dies den Konjumenten
an das Herz zu legen: eben daß
man von unferer Zudt ein „Mäd:
hen für alles“ verlangt, läßt dieſe
nie über die Mittelmäßigfeit hin—
austommen. Ein Karojfier, wie
ihn die deutſche Zucht in Olden—
burg und Holftein liefert, märe
ohne den meiden Rüden und.
fladen Widerrift gar nit im
Stande, den ſchönen elevierten Tritt.
zu zeigen, der feinen Weltruf be-
gründet hat. Die Armeeremonte
andererfeits, die ein Gemwichtäträger
fein fol und weite Streden in ge⸗
ftredtem Galopp zurüdlegen muß,
fönnte die von dem Luxuswagen⸗
pferd geforderte Trabaktion ſich nur
auf Koften ſeines Galoppierver-
mögen? aneignen. Wodurch hätte
England, das der Welt nicht nur
das befte Rennpferd, jondern auch
dag Ideal des Jagd- und Wagen-
pferdes geliefert hat, diefe Zucht⸗
erfolge erreicht, anders als durch
die Begründung von Spezialzuchten
(Shire, Hadney u. ſ. w.) und deren
ftrenge Konfolidierung auf den für
ihre Beftimmung geeignetejten
Tore. So lange wir aber in
Deutfhland Leinen Luxusmarkt
haben, ift an ſolche Spezialzucdten
im engliſchen Sinne bei uns nicht
zu denten; Sade eines blühenden,
in allen Kreifen der Bevölkerung
populären Reit- und Fahrſports
wäre e8, hierfür erſt die Voraus:
fegungen zu fchaffen.
Was von dem Wagenpferd —
ob leicht, ob ſchwer — unter allen
Umftänden gefordert werden muß,
ift: eine lange, fchräg gelagerte
Sdulter und Trabaktion mit er-
hobenem Knie; zugunften = let:
—
Nro. 99 - 100.
Irhr. B. A. v. Eſebeck.
teren wird man hinſichtlich der | hinter dem Pferde hergehen kann,
Korrektheit des Ganges ſchon etwas
weniger rigorog jein müffen, al?
3. B. dem Soldatenpferd gegen:
über. Bor allen Dingen aber follte
der Karoffier oder Jucker von un:
bedingt gutartigem Temperament
fein, da, wie wir gejehen haben,
die Drefjur vor dem Wagen längft
nit die Rolle ſpielen fann, wie
unter dem Sattel, vielmehr Er:
ziehung und Gewöhnung einen viel
breiteren Raum in der Ausbildung
des Wagenpferdes einnehmen
müſſen.
99. Das Einfahren. Als vor-
nehmſter Grundſatz bei der Ge:
mwöhnung des jungen Tieres an
Wagen und Geſchirr muß gelten,
daß beim erſten Verſuch unbedingt
jeder Alzident vermieden werden
muß; it die erjte Arbeit im Zuge
für das junge Pferd mit Schreden
verbunden, jo wird es denjelben
auf lange Zeit hinaus, vielleicht
Zeit feines Lebens, nicht vergeffen.
Es geht beim Einfahren, wie mit
dem erjten Reitunterricht eines
Rekruten: alles fommt darauf an,
daß der Schüler nicht die Nerven
verliert; deshalb ſollte man beim
Einfahren das Pferd nie jchlagen.
Der übereifrige Gebraudh ver
Peitſche wird unmeigerlich einen
Schläger erziehen.
Die erfte Schwierigkeit, Die zu
überwinden ift, ijt die Gewöhnung
des Neuling? an das Geräuſch des
Magens; daher tut man gut, das
junge Pferd zunächft recht? neben
einem alten, ruhigen und vor allem
zugfeften Tier vor die Egge oder
noch befjer vor eine Schleife zu
fpannen. Sch ſetze voraus, daß das
einzufahrende Pferd zuvor durch
Führen mit hochgehobenen Strän-
gen an dieje gewöhnt it. Zu
diejem Zwecke verlängert man die
Stränge durch Stride Hinreichend,
fo daß ein Mann ohne Gefahr
wobei er die Strangenden jo trägt,
daß diefe geſpannt find; hierdurd)
gewöhnt ſich das Pferd ohne mei:
tere8 an die Berührung durch den
Strang. Wählt man ald Schau:
plag der erften Uebungen einen
Sandplat, fo wird faft jedes das
Pferd beunruhigende Geräuſch von
vorneherein vermieden; und nach⸗
dem diefes die Scheu vor der neuen.
Beihäftigung überwunden bat —
was jehr bald der Zal iſt —,
wird man ohne Gefahr das Tier
mit jeinem Lehrmeifter vor einen
mäßig ſchweren, aber auch nicht
zu leichten Kaftenmagen oder Break
jpannen können. Auch jest noch
77
wird es ſich empfehlen, anfäng=-
lih beide Pferde anführen zu
laſſen, damit nicht der Beteran,
duch feinen jungen Nachbarn irri-
tiert, fich allzu ungeftüm in die
Sielen wirft. Sobald dag Pferd
auf dieje Weife ficher im Zuge ge-
macht ift, beginnt der Unterricht in
der Schere.
100. Das Einfpännigfahren.
Borausjegung beim Einfahren ift
ein vierräderiger Wagen, und es
wird dem Kutfcher jedenfalls be-
Haglicher zu Mute fein, wenn der:
jelbe „unterwendet”. Die grund:
legende Arbeit bilden ſtundenlange
Zrabreprijen, ohne daß das Pferd
überanjtrengt würde; dabei muß
die Hand jtet3 dafür jorgen, daß
das Pferd bei leichter Anlehnung
am Zügel maultätig bleibt. Die
linfe Hand ergreift die Zügel, den
linfen Zügel oben unter dem Dau-
men, den rechten Zügel unter dem
Mittelfinger, fo daß zwei Finger
die Zügel teilen. Bei den Wen:
dungen und auch fonft, fobald es
fi nötig erweift, einen Zügel zu
verfürzen, greift Die rechte Hand
zu. Ganz befonders liebevolle Auf-
merffamteit muß darauf verwandt
werden, daß das Pferd in voller
II. 5. Fahrfporf.
Nero. 101.
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21. Ein preisgefrönter Dogcart.
Ruhe und Gelafjenheit anziehen
lernt; zu diefem Zmwed kann man
bei den erften Fahrten nicht oft
genug halten, um fich minutenlang
mit dem Pferde zu bejchäfligen, es
zu liebfofen, mit Zuder zu füttern,
anzureden u. ſ. w. Dabei lernt das
junge Tier mit dem Anziehen auch
gleichzeitig das Stehen, was ebenjo
unentbehrlich ift..
Sch bin bei den eriten Stadien
des Einfahrens jo langatmig ge—
mwejen, weil man allzuoft Zeuge
fein muß, mie junge Pferde durd
Unverftand und Uebereilung bei
diejen einleitenden Manipulationen
für geit ihres Lebens verdorben
werden, zu Strangjchlägern ge—
madt und dergleichen. Beim Ein-
fahren — wenn möglich noch mehr
als beim Einbreden unter dem
Sattel — halte man fich jtet3 vor
Augen, daß man nie auf die Ver-
nunft des jungen Pferdes zählen
darf, ſtets aber mit jeinem Ge—
dächtnis rechnen muß.
101. Zweifpännigfahren. Das
wichtigfte bei der Zuſammenſtel—
lung eines Zweigeſpannes ijt, daß
die Pferde im Gange zujammen-
paſſen; erſt in zweiter Linie fällt
die Größe und zulegt Gleihmäßig-
feit der Farbe in das Gemwidt.
Damit die Pferde nicht jchief wer—
den, vielmehr die Musfelpartien
auf beiden Seiten gleichmäßig aus—
gebildet werden, iſt e8 wünſchens—
wert, daß die Pferde täglich um:
geipannt werden. Niemals jpanne
man von vorneherein gleich zwei
junge Pferde zufammen. Zum Ein—
fahren empfiehlt ſich Die jog.
„Wiener Leine‘, bei der man jedes
Pferd mit zwei Zügeln fährt; dieje
dürfen bei jungen Tieren nicht zu=
jammengejhnallt fein, ſondern
müflen vor der Hand nur durd)
eine Schlaufe oder einen Ring ver:
einigt jein, jo daß alle vier Zügel
frei durch die Hand laufen. Sehr
wichtig ift e8, daß beide Pferde
gleihmäßig anziehen und gleich:
Nro. 101. Frhr. 5.9.
mäßig im Strang ftehen. Eine zu
lange Anjpannung mit lofen Strän:
gen ift ebenſo unvorteilhaft für die
Pferde, als es auch falopp und
unfchid ausfieht; andererſeits dürfen
Stränge und Aufhalter aud nicht
fo kurz fein, daß die Pferde fi
im Kummet jpannen. Letztere
müſſen genau verpaßt fein, die
Aufhalter jo verjchnallt, daß fie
dem Kummet Spielraum laſſen,
ohne daß dieſes fcheuert; dies iſt
der Fall, jobald die Aufhalter zu
lofe find, fo daß die Pferde im
Gefchirr hängen. Ballen die Pferde
nicht genau in der Länge, fo muß
diejed durch den Strang reguliert
werden; ed empfiehlt jich beim
Einfahren loſe Schmengel und eine
fpielende Wacht zu wählen. Geht
ein Pferd nicht genügend in das
Geſchirr, jo gebe man ihm mehr
Zügelfreiheit, fuche dies aber nicht
durch Verfürzen des Zügels aus—
zugleichen.
Was ſchon vorher über die
Führung beim Einjpännigfahren
gejagt wurde, gilt hier in ver:
doppeltem Make: je mehr Pferde
man in einer Hand vereinigt, deſto
unerläßliher wird es, diejelben
maultätig zu erhalten. Man jollte
an feinem Tage verfäumen, die
Pferde auf ebenem Boden vor dem
Magen zurüdtreten zu laffen; dies
muß ohne jeded Herren vor fidh
gehen, die Hand dabei ſtets am
Pferdemaul bleiben; nur im aller:
äußerſten Falle darf diefelbe zurüd-
genen. Auch dag Berfürzen der
Zügel darf nur nad) vorwärts ge—
ſchehen, indem die rechte Hand Die
Keinen hinter der, Zügelfauft ers
greift und Dieje vorgleitet. Um
das Pferd Stets weich zu erhalten,
muß von vorneherein jeder Laden—
drud vermieden werben; hierauf
wird beim Einfahren junger Pferde
ganz bejonders zu achten jein. Daß
man auch auf den Beſchlag fein
v. Eſebeck.
Augenmerk richten muß, ift wohl
jelbftverftändlich, zumal junge Tiere
fi bei der ungewohnten Arbeit
leicht jtreichen werden.
Wenn man jhon mit’ Rüdficht
auf den Straßenverkehr und zur
Sicherheit der Wageninfaffen ge-
wiſſe BorfihtSmaßregeln nit um=
gehen Tann, jo follte man zum
nindeften dabei alles vermeiden,
was dem Pferd unnötige Unbequem-
lichkeit, wenn nit gar Schmerzen
verurſacht. Scheuflappen find nun
einmal von vornherein unentbehr-
lid; allein fie werden dem Pferde
zur Dual, wenn fie nicht richtia
verpaßt find, oder gar das Auge
des Pferdes verlegen; dies ift
leicht der Kal, wenn die Scheu-
flappen zu Hein find. Diefelben
erfüllen ihren Zwed nur, wenn fie
groß genug find und fo liegen,
daß das Pferd nur von vorne
jehen kann; die fog. halben Scheu—
tappen find darum ein Unpding.
Eine ebenfo falfhe Humanität wie
die halben Scheuklappen ift das
Fahren auf Trenfe. Häufig fteht
man Gebifje, die jo jcharf wie ein
Mefferrüden, für Zunge und Laden
des Pferdes die reine Tortur fein
müfjen, eine weiche, bewegliche
Kandare mit didem Mundftüd ift
unter allen Umftänden vorzuziehen.
Muß es ſchon eine Trenje fein,
etwa weil es der Etil der An:
jpannung erheifcht, fo folte man
wenigſtens eine ganz dide Hohl:
trenje wählen. Die Kandare follte
ganz durchfallen und die Leine fo
hoch eingejchnallt werden, daß nur
dag Mundftüd wirkt, die Hebel:
wirkung alfo möglichſt gering ift.
Die Peitſche hält der Fahrer ftet3
ruhig in der Hand; gänzlich ver:
pönt iſt es, mit derfelben zu Inallen.
Tritt die Peitſche in Gebrauch, um
eine Strafe zu erteilen, ſo ſoll
dies auch energiſch geſchehen; dabei
darf man die Pferde nie hinten
)
I
II. 5. Jahrſport.
berühren, fondern fchlage fie auf
Bauch oder Schulter, bezw. vorn
an den Hald. Schon aus dieſem
Grunde ift die „Fahrgerte“ un-
brauchbar; Bogen und Schnur
der Peitſche müfjen jo lang fein,
daß man gegebenenfalls die Schnau-
zen der Pferde damit erreichen
fann.
102. Tandem. Diejenige An-
jpannung, die an Ruhe und Ge-
borfam der Pferde die höchſten
Niro. 102.
reiter, die in der „guten alten Zeit“
in ihrem zmweirädrigen „cart“ zum
Stelldihein fuhren und ihr Jagd:
pferd al3 „leader“ davor fpannten.
Hieran erinnert noch heute eine bei
den amerifanifhen Schauen jehr
beliebte Kofurrenz, bei der ſich die
Mitglieder anerkannter Jagdvereine
im Huntingdreß mit einem Tandem
produzieren; als Spitpferd ift ein
„Hunter“ zu fahren, der dann aus—
geipannt, gejattelt und über ſechs
22. Dierrädriger Dogcart.
Anforderungen ftellt und auch auf
dem Bod die größte Kunftfertigfeit
vorausjegt, ift da8 „Tandem“, bei
dem die beiden Pferde voreinander
gejpannt find, derart, daß beide
an denjelben Strängen ziehen; die
Stränge des Vorderpferdes werden
mittel8 Karabinerhafen in der
Strangihnalle des Hinterpferdes
eingehaft. Der hiſtoriſche Urſprung
diefer typifch englischen Anjpannung
ift der Brauch der engliichen Jagd—
je 4'/, Fuß hohe Sprünge geritten
werden muß. Die Gejamtleiftung
— fowohl des Tandems wie die
des „Leaders“ über die Hindernijje
— mird beurteilt.
„Ih halte jeden, der Tandem
fährt, für einen Narren,” läßt der
Herzog von Beaufort einem be:
fannten Bierdehändler jagen: „er
läßt die Arbeit eines Pferdes von
zweien verrichten und bricht dabei
höchſtwahrſcheinlich den Hals!” —
Nro. 103.
„Mag immerhin,“ fo fährt der
Berfafjer des unjterblihen Werkes
über „Drivina“ fort, „ein geringer
Grad von Gefahr mit diejen Ber:
gnügen verbunden, und der Menſch
ein Narr jein, um diefen Sport
zu lieben, jo dürfte es dennod) fein
größeres Vergnügen geben, als eine
TZandemfahrt durh ein Gelände, |
da8 beiden Bierden Hinreichend
Arbeit gibt. Es liegt jedoch kein
Grund vor, weshalb das Tandem '
eine bejonders gefährliche Art der,
Beförderung fei. Wer es verſucht,
jolange er jung ift, gute Nerven,
ein jcharfed Auge und die Aus:
dauer hat, es gründlich zu erlernen,
den wird ed nicht reuen. Zunächſt
jtudiere man die Beipannung, den
Zwed und die Wirkung jeder
Schnalle; dann ſetze man fid neben .
einen quten Lehrer und beobadıte
ihn. Sat man hinreichend er:
trauen erlangt, um fich ſelbſt zu
verjuchen, jo wähle man einen feft:
Irhr. 5. R. v. Elebeck.
ihon der bloße Schreden Binrei-
hend fein, um dasſelbe für dieſen
Beruf ein für allemal zu verderben.
Die Zügelführung ift derartig, daß
mit dem linfen Zügel oben liegend,
die Zügel des Vorderpferded® um
den Zeigefinger, die des Hinter:
pferdes um den Mittelfinger lau:
fen. Wendungen merden Ddurd)
Einfchlaufen der inwendigen Bor:
der- und event. Verfürzen der äuße-
ren SHinterleine ausgeführt; bei
Iharfen Wendungen läßt man
nötigenfall® das Hinterpferd zurück:
treten. Das Gabelpferd muß ein
ganz Fein wenig inter dem Zügel
gehen; dag Borderpferd darf nur
bergauf fo viel ziehen, daß Die
Stränge ftraff find. Bor den
Wendungen muß man fo viel ver-
fürzen, daß die Stränge des Spitz-
pferdes faſt auf der Erde fchleifen,
das Scherenpferd jedoch nicht hin—
eintreten fann. Beim Anziehen ift
es jehr wefentlich, daß das Vorder:
gebauten Dogcart, ein ruhiges, gut | pferd mit lofen Strängen angeht,
gezäumtes und weichmäuligesGabel- : dabei darf fi dasfelbe nicht am
pferd und ein gängiges Spitzpferd, Gebiß ftoßen. Beim Halten muß
auf einer Vierringtrenſe.“ zuerſt das Vorderpferd pariert wer:
Nach den heutigen, von Geſchmack den, desgleichen beim Bergabfahren
und Mode aufgestellten Regeln joll dasjelbe zuerft verfürzt werben ;
das Spigpferd eine Idee kleiner andernfalls zieht e8 dem Gabel:
jein, als das Pferd in der Gabel, | pferde den Wagen auf die Haden
ein fofette8 Tier mit fehr viel. und das Unheil ift unausbleiblich.
Sana; es muß abfolut fcheufrei Der genügende Abjtand des Hinter:
fein und unbedinat fein Echläger. pferdes ift bei allem Vorbedingung.
Vorteilhaft ift es, wenn das Vorder: ' 103. Dreifadhes Tandem. Wäh-
pferd aeritten tft; daß beide Pferde rend dag Tandem in England gang
todficher einipännig gehen, ift feibft: und gäbe tft, und man ſolche Ge-
redend Borausjekung, ehe man ſich ſpanne alle Tage als Transport:
an das Erperinent einer Tandem= mittel auf der Yandftraße begegnen
fahrt heranwagt. Selbft dann aber ı faıın, iſt das fog. „Randem”, —
noch wird man bei diefer alle Vor— drei Pferde voreinander — mehr
ſicht walten laſſen, damit die eine Spielerei, die nur bei Con—
Brerde dieſen eriten Verſuch in
angenehmer Grinnerung bebalten
und zu der ungewohnten Anſpan—
nung Vertrauen fallen. Paſſiert
dagegen beim eritenmal 3. B. dem
Spispferd etwas, fo kann auch
cours, Korſofahrten od. drgl. eine
Rolle ſpielt. Leinenführung und
die Handgriffe beim Wenden ꝛc.
regeln ſich nach denſelben Grund:
ſätzen, wie beim Tandem; die Zügel
des Gabelpferdes teilt der vierte
11. 5. Yahrfport.
Nro. 104—105.
Finger, die des Mittelpferdes laufen | im Tandem — ein Pferd von auf:
um den Mittelfinger.
gut tun, Gabel- und Mittelpferd
auf Kandare zu zäumen; jedenfalls
dürfen beide nicht zu jehr auf die
Hand gehen; während das Spit-
pferd fiher am Zügel ftehen und
flott vorwärt® gehen muß.
Mas über dad Spibpferd im
Tandem gejagt wurde, gilt bier
noch in erhöhtem Maße, und ent:
ſprechend auch für das Mittelpferd.
Während man zwei Pferde vor:
einander zur Not auch vor einem
beliebigen zweirädrigen Wagen fah—
ren Tann, ift für dieſe Art Der
Anjpannung der hohe „Tandem:
cart“ nicht zu entbehren.
104. Biererzug. Biel leichter
al3 das Tandemfahren ift e8, einen
Viererzug zu lenken, da dag Ge—
ſpann gewiſſermaßen ftabiler ift.
Wie Shon beim Tandem müfjen
auch bier Hinter- und VBorderpferde
“unbedingt auf Vorderrichtung gehen.
Die Borderpferde dürfen etwas
Heiner fein, fofern der ganze Zug
im Gange möglichjt überinjtimmt;
erwünjcht ift e8, wenn die Vorder:
pferde etwas mehr Aktion haben.
Mit Borliebe fährt man vorne
links — mie aud) als Spibpferd
>, Im '$& J
m Rau)
PR- ara)
J - **
Man wird fallender Farbe oder Zeichnung.
Jedenfalls müſſen die Vorderpferde
ſehr gutartig ſein (keine Schläger!),
weil ſie zu dicht vor den Stangen—
pferden gehen. Zügelführung und
Theorie des Fahrens find genau
diefelbe wie beim Tandem, mit
dem Vorbehalt, daß alle Berfür-
zungen viel fchärfer fein müſſen.
Als Grundſatz ift ftet3 feftzuhalten,
daß die linfe Hand alle vier Zügel
in der fejtgejchlofjenen Kauft ver:
einigt, während die rechte Hand
die Peitjche führt und zum Zus
greifen beim Wenden, Parieren ꝛc.
frei bleibt. Im Kaiferlihen Mar:
jtall werden die Vorderleinen durch
einen Ring geführt, der ſich an der
Außenfeite des Hauptgeftelle8 der
Stangenpferde befindet. Fährt
man SHinterpferde mit unrubiger
Kopfhaltung, jo dürfte es fich mehr
empfehlen, die Zügel der Border:
pferde durch zwei= event. dreifache
Ringe zu führen, welche auf den
Kreuzleinen der Stangenpferde
ſchweben; hierdurch werden Die
ersteren bei etwaigem Kopfichlagen
od. drgl. jeitens der Hinterpferde
nicht geftört.
105. Mehripänner. Bei Sechs-,
e *
W AT 5, RT 1 u 107 2
25. Zehnerzug des Kal. Landgejtüts Celle.
Rro. 106. Frhr. B. R. v. Eſebeck.
Sieben: und Achterzügen nimmt | befonder®, wo es fi um öffentliche
man die beiden Zügel der Vorder: | Schauftellungen handelt, wie beim
pferde, bei einem Zehnerzug die | Concours Hippiques, ift e8 uner-
vier Zügel der fünf VBorderpferde | läßlih, daß die ganze Aufmadhung
durch je einen Ring an den Haupt- des Gefährtes korrekt und ftilgerecht
Babure) bie 1eop, Beau. ac Süget nit wen Aula Kae
bejjer uberſehen zu können; Die | fie nur tadellos Gebalien find.
Zügel laufen aber dann wieder Nachſtehend einige Regeln, die bei
weiter durch Doppelringe, melde | der Beurteilung in Fahrkonkurren⸗
auf den Kreuzzügeln der Mittel: | zen maßgebend fein dürften:
pferde ſchweben. Die Stränge der | Welder Art das zu mwählende
gen — en a ee — — —
aken in eine Defe am Kummet Geſpanne odell de agen
nn Mittelpferde eingehaft. und Schlag der Pferde) ebinnte
106. Anfpannung. Auf alle Geſchirr aud immer fei, Grundfag
Variationen und Nuancen der Anz | bleibt, daß jede Schnalle, jede Ber:
jpannung einzugehen, verbietet der . zierung zu vermeiden ift, die irgend
es a 1a RE Ä eher werben un die unOlle
andeln, die marfanteften Grund: ! Befhirrung wird immer den vor=
fäte zu unterftreihen. Obenan | nehmften Eindrud hervorrufen. Das
fteht die Negel, daß das Geſpann
einen ausgeſprochenen, in allen
Teilen — Wagen, Beipannung und
Beihirrung, Livree ꝛc. — Tone:
quent durchgeführten Type tragen ı
jol. Schon die Pferde müſſen in
ihrer Größe und Figur zum Wagen
paffen; man unterfcheidet nad) den
vom Deutſchen Sportverein gege—
benen Concours-Regeln: Wagen:
pferde fchweren Schlags (über
1,70 m Bandmaß); mittleren
Schlags (1,60—1,70 m); Teichte
Wagenpferde (über 1,55 m), Jucker
und Ponys (unter 1,55 m). Dem:
gemäß gehören Suder nit vor
einen Yundauer, jo wenig wie
ſchwere Karoſſiers vor einen leichten
Selbjifahrer paſſen; Hackneys oder
Hunter fünnte man nit in ruſſi—
jher Anſpannung (Troifa) fahren
und ebenſowenig im Trabergeſchirr
(amerikaniſche Anſpannung); Traber
dagegen wären undenkbar vor einer
Coach oder in Tandemcart u.1.f.
Die Phantaſie oder der perſön—
liche Geſchmack des Equipagen-
beſitzers Dürfen in dieſer Hinſicht
nicht willkürlich kombinieren; ganz
Kummetgeſchirr, ſchwerer oder leich⸗
ter, wird die Regel ſein; das
Kummet darf niemals frei liegen,
ſondern muß auch im Halten auf
der ganzen Schulter ruhen. Prin⸗
zipiell ſollten die Pferde ſo dicht
als irgend möglich an den Wagen
gebracht werden — (mit der allei⸗
nigen Ausnahme des Vorderpferdes
beim Tandem, ſ. oben!); die
Deichſel iſt demgemäß nach der
Länge der Pferde bemeſſen.
Sielen ſind nur für Jucker⸗
geſpanne und bei amerikaniſcher
Beſchirrung zuläſſig; bei letzterer
tritt an Stelle des Aufſatzzügels
der fogen. „Overchec“, ein Trenjen-
gebiß, deſſen Zügel ſich vor der
Stirn des Pferdes kreuzen, um
dann zwifchen den Ohren hindurch
nah dem Kammdeckel zu laufen.
Der Auffaßzügel, der heute nicht
mehr obligatorifh tft, follte nie—
mals das Pferd in eine unnatür=
lihe Haltung zwängen; entjprechend
geichnallt wird derfelbe niemals zur
Qual, vielmehr dem Pferde beim
Aufhalten, Parieren u. dergl. eine
Hilfe jein. Zum Juckergeſchirr ge—
‚beider Pferde abhängt.
II. 5. Yahrfporf.
hören lederne Aufhalter, fonft
Stahlfetten. Bei der amerikanischen
Anjpannung können die Scheuflap:
pen eventuell fortfallen; in diefem
Falle ift auch ein farbiges Kummet
oder eventuell braunes Sielen—
geijhirr angängig; während im all-
gemeinen nur ſchwarze Geſchirre
„Stil“ find. Für die Concours
des deutjchen Sportvereins ift die
„englifche Leinenführung‘” vorge:
Ihrieben. Hierbei ift das richtige
Nro. 107.
zelnen Pferdes zum mindeften eben
jo viel Verſtändnis vorausſetzt, als
das Verpaſſen der Kreuzleinen.
107. Die Wagen. Während
man die Technik des Fahrens und
die zur Vollendung erforderliche
Routine nur auf dem Bod er:
werben kann, jet die für den
Amateurkutſcher ebenfo unentbehr-
lie Kenntniß der Wagen, ihrer
Konftruftion, des Zweckes der ein-
zelnen Bejtandteile uſw. ein ein-
24. Im Tor.
Verſchnallen der Kreuzleinen am
Kreuz befonders wichtig, weil da:
von das gleichmäßige Arbeiten
Sm praf:
tiihen Gebrauch bevorzugt man in
Deutichland heute vielfach die „Wie:
ner Leine‘, die es gejtattet, jedes
Pferd (mit 2 Zügeln) getrennt zu
führen; diefer Vorteil kommt mei-
ned Erachtens nur in der Hand
eines gemwiegten Fahrers zur Gel-
tung, während da3 richtige Ver:
ihnallen diefer vier Bügel ent—
jprehend dem Temperament, der
Hals» und Kopfhaltung jedes ein:
aus. Nachftehend einige Geſichts—
punfte, die dem Laien bei Zuſam-
menjtellung einer Gquipage von
Nuten fein dürften.
gehendes iheoretijche8 Studium vor⸗
I. Einfpänner:
1. Damenparfwagen (Duc). Be-
fpannung : Hadney, Cob oder
Pony bis 1,50 m. Beldirrung:
Leichtes Kummetjellettegeichirr, Kan—
dare beliebig.
Der „„Duc” erinnert im Bau an
die ‚Viktoria‘ mit dem Unterfchiede,
ro. 107.
daß er feinen Bod führt, Dagegen
hinten einen Dienerfig aufweilt.
2. Bmeirädriger Wagen, von| „Trap”,
Herren oder Damen zu fahren:
Frhr. B. A. v. Efeberk.
tbon. Ein ungewöhnlich praktiſches
Model eines GSelbftfahres ift der
ein niedrig gehalterter
Magen amerilaniihen Urjprungeß,
Rabriolett, Buggy (englifch), Dog: deſſen Hinterfig ſowohl eingetlappt
cart, Rallycart, Charette, Roadcart
(amerifaniich).
Beipannung: Hadney, Hunter,
Cob, Pony, Amerikaner; vor dem
Kabriolett (ſtark gebogene Scher:
bäume mit eifernen Tragdjen),
leichter Karoffier in plattiertem Kum-
metiellettegefhirr, Burton oder
Liverpoolfandare; in den übrigen
Fällen Giggefhirr; zum Noadcart
Trabergejchirr, fall Pferd lang-
ſchwänzig.
Um nicht zu ſtoßen müſſen die
zweirädrigen Wagen genau der
Größe des Pferdes entſprechen. Ein
richtig balancierter Dogcart darf
weder nach vorne überfallen, d. h.
auf das Pferd drücken, noch nach
hinten überhängen, in welchem Falle
er das Pferd hochheben würde; um
bei der je nad) der Perſonenzahl
wechjelnden Belaftung ein jtändiges
Gleichgewicht zu erreichen, muß ſich
der Sit durch eine Spindel ver:
Schieben lafjen, derart, daß derjelbe
bei einer Belaftung durch drei big
vier Perſonen nad vorne gejtellt
wird, während man ihn bei ein
bis zwei Perfonen gan; zurüd-
ſchraubt.
II. Zweiſpänner:
A. Selbſtfahrer für Her—
ren: Mailphaethon, Demi-Mail—
phaethon, Curricle, vierrädriger
Dogcart (Trap), Americain. Der
hohe VBorderfig des Phaethon iſt
nach Art des Cabcart mit einem
Klappverdeck verfehen ; der Hintere,
für den Diener beitimmte Sitz, ijt
zum Einſchlagen eingerichtet; eine
elegantere Spielart des Phaethon
ift der auf Parallelogrammfedern
und Langbaum ruhende Mailphae-
(wie beim vierrädrigen Dogcart),
als auch dos-ä-dos und vis-A-vis
geftellt werden kann; der Wagen
bietet Raum für vier Berjonen.
a) Engliſche Anfpannung:
Hackneys oder Hunter mit viel Auf:
ja und Aktion; englifche Kummet⸗
geſchirre, für Mailphaethon ſchwerer,
fonft leichter; Kandaren mit oder
ohne Auffaßzügel; polierte Auf:
balterfette.
b) Ungarifde Anſpan—
nung: Suder in Sielengefdirr,
eventuell mit Schalanten oder Ring:
gehängen, Zuderfandaren oder Tren⸗
jengebiffe, ohne Aufjagzügel, Leinen
mit Fröſchen, Juckerpeitſche; am
Wagen bewegliche Schwengel (Orts.
ſcheit); wenn Kuticher in National:
tracht Schnurrbart gejtattet.
c) Amerikaniſche Anjpan-
nung: NRoadcart, Buggy, Runa⸗
bout ujw., davor. Xraber oder
leichte, jchnelle Pferde, wenn ku⸗
piert im leichten Kummetgeſchirr,
für Traberund langfchweifige Pferde
amerifanifche8 Geſchirr mit Over:
hec oder Sielen, eventuell ohne
Scheuflappen.
d) Ruſſiſche Anfpannung:
Driginaltroila.
B. Selbftfahrer für Da—
men: Phaethon, Spider, Dur,
Americain; Pferde unter 1,60 m,
ſehr edel und gängig; leichte Kum—
metgeſchirre mit polierten Aufhalter-
fetten (Stahl); eventuell Jucker in
entſprechender Beichirrung (ſ. unga=
riſche Anſpannung).
Der „Spider“ iſt dem „Duc“
ſehr ähnlich, nur erheblich höher,
und daher mehr für größere Pferde
geeignet; die Lackierung wird wie
beim Duc meiſt dunkel, die Polſte⸗
rung in hellem Tuch gehalten.
II. 5. Jahrſport.
III. Tandem:
Tandemcart bezw. hoher “Dog:
cart; Gabelbäume durcdlaufend und
faft grade, in der Anfpannung
horizontal liegend, bewegliche Ort-
heit, durch eine Kette an der Achſe
befeftigt, fo daß dad Pferd an
diejer zieht. Kummetſellettegeſchirr
mit Kandare; Gabelpferd mit Hinter-
zeug; beim Spitpferdb Siele und
Trenſe zuläffig.e Die Borderleinen
laufen durch bewegliche Zeinenaugen,
die fich direft an das Kummet des
Gabelpferdes anlegen, dann durch
deſſen Sellettejchlüffel, der fichel-
fürmig geteilt ift, jo daß der untere
Zeil desfelben zum richtigen Ein-
ziehen der Hinterleine Raum ge-
währt.
Die Balance pflegt beim Tandem:
cart auf drei bis vier Perjonen
berechnet zu fein; da der Sit nicht
verftellbar iſt, jo empfiehlt es ſich,
unter dem Hinterfiß ein entſprechen⸗
des Gewicht anzubringen, falls der:
felbe nicht belaftet ift.
IV. Bier- und Mehrfpänner:
Drag, Coach, Charäbanes, Break;
Pferde im Huntertype oder Jucker;
für leßtere, vor Charäbancs oder
ungariihem Wagen, ungarifche Ge:
Ihirre; bei Drag und Coach eng-
lifde Anjpannung: ſog. Draghar-
neß, bezw. Roadgeſchirre, niemals
zwei zuſammengeſtellteZweiſpänner⸗
geſchirre.
Das Haupterfordernis eines
„Drag“, wie der Fachmann die
„Four in hand-Coach“ kurz be-
zeichnet, ift: daß der Schmerpunft
tief liegt, der Wagenkaſten alfo
niedrig gehalten wird, damit die
Dedbelaftung nicht ein Schwanken
des ganzen Fahrzeuges hervorruft,
das bei raſcher Fahrt nicht ohne
Nro. 108.
großer Teil jener Unfälle zuzu:
fchreiben, die die Reiſekutſchen der
guten alten Zeit fo häufig erlitten,
und die und den Vorwurf zu vielen
heiteren Bildern geliefert haben.
Heutzutage ift durch eine Vermin-
derung der Radhöhe und dadurch,
daß man Kaften und Langbaum
einander genähert hat, die Geſamt—
höhe des Wagend allgemein ver-
tingert worden. Die Mailcoach ift
das Meifterwerf moderner Wagen-
bautechnif, die bier für die Ent-
faltung des raffinierteften Luxus
Spielraum findet. Nicht minder
elegant, wenn aud nicht jo raffi⸗
niert ausgeſtattet, ift die offene,
fog. „Sommercoad”, deren Hinter:
fig mit einem Klappverded verjehen
it. Geſchmackvoll Hinter einem
Juckerzug wirkt aud der ſoge—
nannte „Herrenbreak“, der ſechs bis
neun Perſonen faßt. Um mit Ver:
gnügen vierfpännig zu fahren, muß
der Bod jo hoch fein, daß man
beim Wenden den Bogen jehen
fann, den das linfe Hinterrad be-
ſchreiben wird.
108. Fahrkonkurrenzen. Alle
näheren für den Wettbewerb in
öffentlihden Preisaugsfchreibungen
maßgebenden Grundjäße findet der
Sintereffent in den bereit3 ermähn-
ten vom Deutſchen Sportverein
herausgegebenen „Anhaltspunkten
für die Beihirrung und Anſpan⸗
nung bei den Yahrpreißbemerbungen
des Deutfchen Sportverein?” , die
von einem Experten wie Benno
Achenbach bearbeitet find. Ohne
Zweifel hat die Tätigkeit des Deuts
Shen Sportverein, der durch feine
Ausſchreibungen nad diefer Rich: _
tung bin aufflärend wirft, bereits
fihtbar dazu beigetragen, das In—
terefje am Fahrſport zu beleben.
Sade des zurzeit in der Bildung
begriffenen SKartellverbandes für
Gefahr wäre. Dem Außerachtlaſſen | Reit: und Fahriport wäre es, durch
diejes Punktes ift zweifeldohne ein | Vermehrung und einheitliche Aus:
* — — —
— — ——
Nro. 109 - 110.
geſtattung der Concours Hippi-
ques das Verſtändnis für korrekte
Anſpannung in immer weitere Kreiſe
zu tragen. Allein, man darf nicht
verkennen, daß, wie überhaupt die
deutſche Nation kein Volk des P
Sportes im engliſchen Sinne iſt,
jo ganz beſonders für einen Lurus-
fahrfport bei und der Boden fehlt.
Hieran werden alle Preisaufbefie-
rungen in den Fahrlonfurrenzen
nicht3 ändern, denn unfere Haute-
finance und die Machthaber der
Suduftrie und des Großhandels
ftelen ihre Paſſion und Mittel
immer mehr in den Dienft des
Automobils. Selbft in Berlin ver:
mochte der Fahrſport, der ohnehin
auf die großen Städte, wie Köln,
Frankfurt, Hannover uſw. ange:
wiejen ift, ſich nicht Hinreichend ein:
zubürgern, um die vom Deutſchen
Sportverein inſzenierte Korjofahr-
ten lebensfähig zu machen.
109. Korſofahrten. Bereit3 1860
hatte fich in der preußifchen Haupt:
ftadt ein Verein der „notabelften
Equipagenbeſitzer“ Berling gebildet,
der neben der Beranftaltung regel:
mäßiger Korſofahrten, die Einfüh-
rung einer Fahrordnung für Berlin
und die Gründung eines Inſtitutes
zur Ausbildung von Kutfchern und
zur Drefiur von Wagenpferden an
ftrebte. Im Mai des genannten
Sahres fanden bereits vier Korſo—
fahrten ftatt, an denen fi u. a.
auch jämtlihe in Berlin anmejen-
den Brinzen und Brinzeffinnen des
Königlichen Hauſes beteiligten; die
Korſoſtraße, zu deren Seiten ver-
ſchiedene Militärfapellen pojtiert
waren, führte die „Große Stern:
allee” und die Charlottenburger
Chauſſee Hinauf vom „Kleinen
Stern” bis zum Brandenburger
Tor. Am 21. Suni 1861 fand in
der SHofjägerallee im Tiergarten
ein „Prämienfahren“ ftatt, zu dem
alle Gefpanne (auch Droſchken) zu=
Irhr. B. R. v. Efeberk.
gelafjen waren; Gegenftand der
Prüfung war die Haltung des
Kutſchers, Anſpannung und Lenken
der Pferde; die Kutſcher, welche
ſich hierin auszeichneten, erhielten
rämien von 30, 20 und 10 Talern.
Gelegentlid der Berliner Rennen
fhrieb in jenem Jahre der Fahr:
verein ein Trabfahren für Ein-
fpänner, von Herren zu fahren,
aus, für dag durch Subfkription
bei den Mitgliedern 300 Rtr. auf:
gebracht wurden; es ftarteten ſechs
Gefpanne, darunter eins aus Wien;
Sieger blieb ein Berliner, Herr
Neuß, der die englifhe Meile in
drei Minuten vierundzmanzig Se:
funden zurücdlegte.
Angeſichts des noch in frischer
Erinnerung befindlichen Mäglichen
Schickſals der jüngften Berliner
Korjofahrten, mutet diefe biftorifche
Erinnerung ganz eigentümlidh an.-
Verhältnigmäßig größerer Beliebt:
heit au in meiteren Kreiſen er-
freuen ſich die „Blumenkorſo⸗
fahrten”, wie fie gelegentlich der
Concours an größeren Pläten ab-
gehalten zu werden pflegen. Dem
Sportjinn kommt bei diefen Ge:
legenheiten ein wirkſamer Bundes:
genoffe zu Hilfe in Geftalt der
weibliden Eitelfeit, die in den
blumengeſchmückten Gefährten, mit
fiherer Hand ein paar zierliche
Jucker oder fofette Hackneys lenkend,
ihre höchſten Triumphe feiert. Die
bedeutendſten, an Eleganz und
Luxus alles übertreffenden Veran:
ſtaltungen dieſer Art, finden all⸗
jährlich während der Rennen zu
Nizza, in Monte Carlo und auch
bet ung während der internatio-
nalen Woche in Baden-Baden ftatt;
allein jelbjt bier beginnt bereits
dag Automobil der. Equipage Kon:
furrenz zu machen.
110. Diftanzfahrien. Selbft-
redend bleiben derartige koſtſpielige
und einen großen fachmännijchen
II. 5. Jahrſport.
Apparat erheiſchende PBeranital-
tungen ein Borredht der fajhio-
nablen Luxusbäder und der vor:
nehmen Weltſtädte. Auf dem
Lande werden alle Goncours in den
Provinzialhauptitädten einen Luxus⸗
fahrſport nicht in das Leben rufen
können: es fehlt hierzu ſelbſt den
größeren Grundbeſitzern nicht nur
an Verſtändnis, ſondern vor allem
auch an finanziellen Mitteln; daher
ſind die Fahrſportkonkurrenzen in
der Provinz meiſt recht ſchwach be⸗
ſtritten. Wollte man hierbei von
einer Bewertung der Aufmachung
— Livreen, Kutſcher ohne Schnurr⸗
bart, Wagen u. ſ. w. — abſehen,
die Anſprüche an die Beſchirrung
und Anſpannung herabſetzen, und
nur die Leiſtungsfähigkeit des
Pferdematerials beurteilen, ſo wäre
die Beteiligung an dieſen Kon—⸗
furrenzen aus agrarijhen und
Züchterkreiſen vorausfihtli eine
größere, als es heute in den Preis-
fahren der Sal iſt. Dabei wären
derartige Leiftungsprüfungen als
Empfehlungsmittel für unfere ein-
beimifchen Wagenjchläge, zur Hebung
ihre8 Renomeed weit wirkſamer,
als reine Erterieurprüfungen, bei
denen obendrein die Korrektheit,
der „Stil“ der Anjpannnng den
Ausſchlag gibt. Daß auch heute
noch im Beitalter des Automobilg
für Diftanzfahrten Intereſſe vors
handen ijt, lehrt der Erfolg, den
der SHerrenfahrerfiub jüngft mit
feiner Etappenfahrt Berlin- Münden
hatte. Der glänzende Verlauf diejer
Ausſchreibung erbrachte zugleich den
Beweis, daß ſolche Leiftungsprü-
fungen keineswegs eine Tierquälerei
bedeuten. Es war dies mohl das
unmittelbare Verdienft der Propo-
fition, welde die Prüfung als
Etappenfahrt zum Austrag bradite.
Die Gejamtftrede von 685 km war
in fieben Tagen zurüdzulegen. Die
Etappen waren: I. Berlin-Süter-
Niro. 110.
bog — 80 km, II. Züterbog-
Grimma = 100 km, ILI. Grimma:
Plauen — 110 km, IV. Blauen:
Bayreuth — 90 km, V. Bayreuth:
Regensburg —=180km, VI. Regen?-
burg=Freifing = 90 km, VIL rei:
fing-Münden — 35 km.
Die Zweckmäßigkeit der Etappen-
fahrt wird wohl am beften durch
die Kondition der eingefommenen
Geſpanne iluftriert: Diejelben
famen ohne Ausnahme in tadel:
Iojer Berfafjung and Ziel. Der
Sieger „Nibelung” hat bereit3 nad)
24 Stunden, nahdem er aus Mün⸗
chen mit der Bahn wieder in Berlin
angelangt war, mit völlig intakten
Beinen und ganz gejund wieder
im Privatfuhrwerk feines Befiters
Dienft getan. Bon den Gefpannen,
melde die Fahrt aufgeben mußten,
waren hierzu gezwungen:
2 wegen Ermüdung, reip.
Beinmüdigfeit,
1 megen Gefdirrdrud,
1 wegen Lahmbeit, diejes
Pferd war bereit3 beim
Start ſchulterlahm,
wegen ſtarker Maufe,
wegen Fiebers, reſp. Darm⸗
katarrhs,
aus unbekannten Gründen,
wegen Darmkatarrh und
darauf folgendem Ein-
gehen.
Sa. 10.
Bis auf das letztere Gefpann
find alle Pferde wiederhergeftellt;
vier davon haben fogar das in
Münden ausgefchriebene Diftanz-
fahrtrennen mitbeftritten, nachdem
fie dorthin transportiert waren,
und hiervon find wieder zwei auf
den erften. refp. den zweiten Plak
geendet, ein Zeichen, daß es ſich
nur um ganz vorübergehende Afzi-
dent? handelte. Das einzige Pierd,
deſſen Verluſt zu beflagen ift, ging
infolge infettiöfen Darmkatarrhs
ph juh &
Pro. 111.
ein, und die Sektion ergab, daß | Fahrt“,
pro Kilometer ca. 7’, Minuten bes
das Pferd Thon vor Beginn der
Fahrt daran gelitten hatte, ohne
daß der Beſitzer dies bemerken
konnte. Wahrſcheinlich hat ſich das
Pferd bei dem Trangport von Frank⸗
furt a. M. nad) Berlin infiziert.
Das obige Reſultat beweift zur
Genüge, daß die gewählte Form,
Ausfchreibung der Fahrt in Etappen,
derart, daß an jedem Tag nur eine
beftimmte Strede zurüdgelegt wer:
den durfte, richtig und ſegensreich
gewejen iſt. Erſtens wurde im
Intereſſe der Pferde Ueberanitren-
gung vermieden, — die Gefpanne
hatten ja obligatorische Nachtruhe
von 15—18 Stunden — hingegen
mwurde gleich wohl die Leiftung der
Pferde heraufgefchraubt. Die Durch⸗
ſchnittsleiſtung ded Sieger pre
Kilometer beträgt unter 4 Minuten,
während 1899 bei der legten Di-
jtanzfahrt Berlin-Totis, bei unge:
fähr gleicher Diftanz, aber „freier
Frhr. B. A. vo. Efeberk.
die Durchſchnittsleiſtung
trug, beide Male unter Abrechnung
der Ruhepauſen. Dadurch aber,
daß Geſpanne, welde bis 12 Uhr
nachts nicht am Etappenziel einge-
troffen waren, ohne weiteres aus:
jhieden, murde wiederum erreicht,
daß nicht allzu eifrige Konkurrenten
mit notdürftig hergeftellten Pferden
nadhjagen und den Berluft einzu:
holen verſuchen konnten.
Selbſt in kleinerem Maßſtabe
werden Dauerfahrten — etwa von
50—70 km — in Verbindung mit
Konditiond- und event. Aktions⸗
prüfungen ihre Wirkung nicht ver:
fehlen. Die Produktion eines auf
dem Luxusmarkt gangbaren Wagen:
pferdes ift für die Rentabilität
unferer inländiſchen Edelzucht von
jo mwefentlicder Bedeutung, daß es
für den Staat eine Chrenpflicht
wäre, derartige Prüfungen durch
Zücdterprämien zu fubventionieren.
6. Traberfport.
111. Allgemeine Bedeutung des
Traberſportes. Auf der Mitte
zwiſchen Fahrſport und Rennjport
ſteht der Traberfport, der weder
mit dem Galoppjport auf dem
grünen Raſen identifiziert, noch
ohne weiteres in den Begriff des
Fahriport mit hineinbezogen werden
fan. Immerhin ließe fidh ein Zus
fammenhang zwiſchen Zrabrennen
und Fahrſport jehr wohl fon
‚ ftruieren, fofern es gelingt, eine
hinreichende Zahl geprüfter und
allen Anjprüden an einen Yand-
bejchäler genügender Traberhengite
im Reiche aufzuftellen, um diefer
Zucht einen durchgreifenden Ein:
fluß auf die Produktion ſchneller
Magenpferde zu fihern; Die immer
mehr hervoriretende Forderung des
Luxusmarktes nad ſchnellen Wagen:
pferden und das allgemeine Ber:
langen nad Trabaktion bei unſeren
deutſchen Halbblutfchlägen feheint in
der Tat geeignet, dem Ehrgeiz der
Traberfreunde die Wege zu ebnen.
Ob freilich das erfehnte Heil von
den Trabern zu erhoffen ift, bildet
heute noch eine in Fachkreiſen heiß-
umftrittene Frage: Die Traberzucht
ift verhältnismäßig noch jungen
Datum; e8 wäre aljo mohl er:
Härlih, wenn ihr Blut noch nicht
hinreichend fonfolidiert ift, um ſich
durdfchlagend mit BZuverläffigfeit
zu vererben; andererjeit3 wurde
II. 6. Traberſpork.
der Traber bisher nur nad) Leijtun-
gen gezogen, wobei man natur-
gemäß zuguniten der Schnelligkeit
binfichtlich der Korrektheit von Gang
und Gebäude mandes in den Kauf
nehmen mußte, was man einem
Regenerator der Landespferdezucht
ſchwerlich wird nachſehen können.
Wenn unſere fiskaliſche Geſtütsver—
waltung, die bisher aus den ſoeben
geſtreiften Gründen der Verwen—
dung von Traberhengſten ſkeptiſch
F,
5
gegenüberjtand, jich in allerjüngiter
— W — —
— — AG —J N
— —J MN |
Niro. 111.
deutſchen Fahrſportes bereit3 aus—
üben: Die Verwendung von Tra—
bern auch in zahlreichen Privat—
equipagen zeigt, daß das Bedürf—
nis nach ſchnellen Wagenpferden —
trotz, oder vielleicht grade unter der
Rückwirkung des Automobils —
immer weitere Kreiſe zieht; der
Sieg eines Trabers, Herrn Fel—
ſings „Nibelung“ (Züchter W.
Möſſinger-Mariahall), der die
635 km der Etappenfahrt Berlin—
Tg
5. Nibelung“, der Sieger der Diitanzfabrt Berlin-München, am Start.
— — zfah
ı Münden in 49 Std. 12 Min.
Beit zu zwei bemerfenswerten An: | (7 Etappen) zurüdlegte, wird nicht
läufen nah diejer Richtung ent- | verfehlen, für die Verwendung von
ſchloſſen hat, jo beweiſt dies einer-
jeit8, daß es bei hinreichend forg-
fältiger Auswahl ſchließlich doc
möglich ift, Traber zu finden, die
den bewährten Grundſätzen unjerer
Gejtütverwaltung, den unerläß-
lihen Anjprühen an Korrektheit
entſprechen; andererjeits fennzeich-
nen dieſe Ermwerbungen charaftes
riſtiſch, welchen Einfluß die Trab:
rennen auf die Entwidelung des
Traberblut des weiteren Propa—
ganda zu machen. Unter den 21
Gejpannen, die in Berlin für die
Fernfahrt jtarteten, befanden fich
13 ZTrabergefpanne, und zwar 12
orthodor gezogene, 1 aus rujlilch-
amerifanijcher Kreuzung. Unter
den 10 Gejpannen, welche die Fahrt
aufgaben, waren 5 Traber; dafür
belegten dieſe aber die erjten fünf
Pläge mit Bejchlag. Beide Eltern
Nro. 112.
Frhr. B. A. v. Eſebeck.
des Sieger? waren wie diefer feldft | Traberbahn gezeigten Leiftungen
in Deutichland gezogen.
Der in Frankreich angelaufte
Onragan (1:38) ijt im Kgl. Land»
geftüt zu Neuftadt a. D. aufgeftellt
worden, um unmittelbar in der
Halbblutzucht Verwendung zu finden;
mohingegen der Amerikaner Wain⸗
jeott (1:20) auf der neuen Trab-
rennbahn Ruhleben (bei Berlin) den
Traberzüchtern unmittelbar zur Ber:
fügung gejtellt ift. — — Im Gegen:
jag zum Galoppſport ift das Gros
der Rennftallbefiger im Trabrenn-
fport felbit Züchter. — Daß man
nicht gemillt ift, die mit dem An-
fauf des Hengſtes verbundenen
Opfer umfonft gebracht zu haben,
geht aus den Bedingungen hervor,
die an die Benügung Wainſcotts
geknüpft find: nur Stuten im Be-
fig deutfcher Züchter werden in be-
grenzter Zahl zu dem neuen Bes
ſchäler zugelajlen werben, bei deren
Auswahl dur die „Technische Kom-
milfton für Trabrennen” neben dem
eigenen Rekord und den Leiftungen
der Nachzucht auch das Exterieur
in Betracht gezogen werden fol.
Sit e8 auf dieſem Wege der in-
ländifhen Traberzucht gelungen,
ein für die Halbblutzucht geeignetes
Beſchälermaterial zu liefern, fo
dürfen auch die Trabrennen darauf
Anſpruch maden, als Zuchtprüfun⸗
gen im Sinne der Landespferde⸗
zucht zu gelten und dem legitimen
Rennſport ebenbürtig eingefchätt zu
werden.
112. Rekord. Die der Traber⸗
zucht durch den Ankauf von
Wainſcott ſeitens der Geſtüts⸗
verwaltung gewordene Unterſtützung
erſcheint vollauf berechtigt, wenn
man ſich vergegenwärtigt, welchen
Aufſchwung die deutſche Traber⸗
zucht aus eigenen Mitteln während
der letzten Jahre genommen hat;
es jpricht fich Died am deutlichſten
in ber Berbefjerung der auf der
aus: Bei den Trabrennen wird.
die Zeit, in welcher die ein-
kommenden Pferde die Bahn zurüds
legen, genau regiftriert, und hier⸗—
durh die Schnelligkeit feitgeftellt,
in der eine gewifje Strede zurüd-'
gelegt wurde. Diejer Rekord, dem’
in Amerika die engliſche Meile, in:
Deutfchland ber Kilometer zugrunde:
gelegt wird, bezeichnet das pofttive:
Reiftungsvermögen eines Pferdes
und gewährt jomit einen mwefent
Rekordlifte aufgenommen; in einem
analogen Verzeichnis merden Die’
deutſchen Traber eingetragen, die!
den Kilometer in 1:40 zurüd-
legten. Ein Vergleich diefer jähr⸗
liden Zuſammenſtellung zeigt am
beiten Fortichritt oder Rückgang
der Gejamtleiftung. Obwohl die!
Zahl der ftartenden Pferde in
Deutjchland gegen dag Vorjahr um|
16 zurüdgegangen ift, ftieg Die
Zahl der den Kilometerreford hal:
tenden Pferde heuer von 181 auf
206; die Zahl der Pferde, welche
einen Rekord von 1:30 und
darüber erzielten, betrug 1908 12,
d. 5. fie Hat ſich feit 1907 ver-
doppelt. Der Rekord des vorigen
Sahres, der von einem einzigen
Pferde mit 1:28 aufgeftellt wurde,
ift in der legten Saijon (1908):
dreimal erreicht worden. Am deut⸗
lichſten fennzeichnet fich die Hebung
des allgemeinen Zuchtniveaus durch
die jtändige Zunahme der 1 : 40: |
Klaſſe, die in den legten vier Jahren N
einen Zuwachs von 61 Pferden!
aufweilt. Die Leiftungen der
jüngften Altersklaſſe im verflofjenen
Rennjahr verjprechen einen weiteren
Fortichritt in der kommenden Sai⸗
$ loan gun auyspn®
lI. 6. Traberſport.
Jon; während 1907 der 1:40:
Pelord nur viermal von Zwei:
jährigen erreiht wurde, vermochten
2 908 fieben Zweijährigeihnzu halten.
2eider ift die ſchnellſte Stute
Deutſchlands, „Nelly Grattan”,
Die den SKilometer in 1 Minute
21 Selunden trabte, nad Italien
»»erlauft worden.
Defterreid. In unferer Nach⸗
Barmonardie jenfeit3 der ſchwarz⸗
gelben Grenzpfähle waren die beiten
Rekords 1908: 1:33 auf 1700 m
Fiir Zmweijährige; 1:27 für Drei:
jährige, Diſtanz 2260 m; den Re-
Tord für ältere Pferde Hält ein
Sechsjähriger mit 1:24°, über
2800 m in 3:57 zurüdgelegt.
Charafteriftifh für den öſterreichi⸗
ſcchen Traberjport find die Prü-
Furngen auf weite Diftanz und die
errenfahren für Mebhripänner.
m 6. Oktober 1904 wurde in
einem Bierfpänner-Herrenfahren
iıher 10 km der Rekord 2: 01°
azufgeitellt; das fiegende Gejpann,
in welchem ſich zwei PVierjährige
Defanden, abjolvierte die Geſamt⸗
Strede in 20 Min. 16? Sek. Am
18. Juli 1900 wurde auf der
Zrabrennbahn Baden bei Wien mit
1 :323 ein Zweifpänner-Kilometer:
zelord für Europa geſchaffen; der-
Telbe wurde am 2. Sept. 1906 auf
Der Weſtender Traberbahn mit
41 : 30 gejchlagen, wobei die von
i Hrem Befiger, Herren C. Schmidt,
gefahrenen Stuten Glüdsfind und
Queen Foreiter 3120 m in 4 Min.
239° Gef. zurüdiegten. 1908 er:
zielte ein öſterreichiſches Zwei—⸗
geſpann im Rennwagen 1: 32°,
‚uährend zwei andere im Inlande
g ezogene Traber im Kutichiermagen
mit Bneumatifrädern) 1:39? über
75000 m erreichten. Ueber 6 km
‚uurden von einem Viergeipann im
Frutſchierwagen 1: 49° gezeigt.
Auch in Frankreich bradte
„ie Trabrenntampagne 1908 eine
SD
A
Nro. 113
Verbeſſerung der Rekords: Die
| befte Zeit eines Dreijährigen be=
trug 1: 31° über 4000 m; eine
vierjährige Stute bradte es über
2800 m auf 1:29? und der Re—
ford für ältere Pferde wurde auf
1: 24° verbeffert.
In Amerika, der eigentlichen
Heimat der Trabrennen und Traber:
zucht, wurden 1908 folgende Meilen
rekords aufgeftellt: 2:30 von einen
Sährling, 2:12", für Zmweijährige,
2:07 für Dreijährige, 2: 06'/,
für Vierjährige. Es ift auffallend,
daß dieſe Leiftungen fämtlid auf
dad Konto von Stuten famen;
nur der Rekord für ältere Pferde
wurde von einem Walacdh gedrüdt,
der die engliiche Meile in 2:03'/,
trabte. Es findet dies feine natür-
liche Erflärung wohl darin, daß in
den älteren Sahrgängen weniger
Stuten von Klaſſe noch auf die
Bahn fommen, die Mehrzahl viel:
mehr vierjährig in die Geſtüte
wandert. Faſt in allen Ländern
läßt fich verfolgen, daß die „Rekord⸗
traber” in der Wutterlinie auf
Vollblut zurüdgehen.
113. Der amerifanifche Traber-
fport. Traberzucht und Trabrennen
find in Nordamerika ein nationaler
Sport, der in der „neuen Welt”
die Role des klaſſiſchen Renn—
ſportes vollkommen erſetzt; auch
der Entwicklungsgang der Trab—
rennen iſt dem des Galoppſportes
in deſſen engliſcher Heimat ganz
analog: Zu Anfang des vorigen
Jahrhunderts ſpielten ſich die ame⸗
rikaniſchen Trabrennen meiſt auf
5—10 Meilen ab; dieſe Vorliebe
für meite Diftanzen fteigerte ficy
in der Mitte des 19. Jahrhunderts
bis zu den „100 Meilenrennen”
für ältere Pferde, die unter 10
Stunden abfolviert werden follten.
Heute ift man in dag entgegen:
geſetzte Extrem verfallenund ſchreibt,
entjprehend der Fliegerrennen im
9
£ — one a
Niro. 114.
Achr. B. A. v. Eſebeck.
legitimen Sport, faſt nur nod | ftammvater der heutigen Traber-
Meilenrennen aus, die als Stich⸗
rennen zur Entiheidung fommen
und in der Regel nur für Zmeiz,
Drei: und Bierjährige offen find.
Don der Ausdehnung des ameri-
fanifhen Traberjportes geben die
Zahlen ein Bild, die Landftallmeifter
v. Dettingen in feinem 1894
erichienenen Neifebericht über die
„Pferdezucht in den Bereinigten
Staaten“ mitteilt. Danach eriftieren
dort etwa 1300 Trabrenngefell-
haften mit eigenen Bahnen, auf
denen ca. 6000 Renntage im Jahre
mit über 4 Millionen Dollars (ca.
17 Millionen Mark) zur Aus:
Ichreibung fommen. Die Zahl der
im Training befindfihen Traber
bezw. Pacer ijt mit 30000 mohl
nicht zu niedrig gegriffen.
Man unterjcheidet zwiſchen Tra-
bern (trotters) und Paßgängern
(pacers) ; für die lesteren werden
befondere Rennen ausgejchrieben,
in denen es zur Disqualifizierung
führt, wenn der Pacer in Trab
fallt, — ebenfo wie das „Pacen“
in Trabrennen; beides kommt
namentlih in Stihrennen infolge
von Uebermüdung häufig vor. Die
höchſte Leiftung eines Traberg
1:58',, die von ber berühmten
Lou Dillon erreicht wurde, iſt von
dem Pacer „Dan Path“ gedrückt
worden, ber im Paßgange die
Meile in 1: 56%/, zurüdlegte, d. h.
den Kilometer in 1:12°/,. Die
Beranlagung zum Paßgange iſt
erblich und wird einzelnen Hengiten,
ſo bejonder8 den Nachkommen von
Hambletonian nachgeſagt.
114. Traberzudt. „Standard
bred trotter” nennt man in
Amerika die in das Traberftutbucd)
eingetragenen Pferde. Die Auf—⸗
nahme in dasfelbe hängt, jofern
nicht Thon beide Eltern des Tieres
eingetragen waren, von dem er-
zielten Reford ab. Der Haupt-
raffe ift der 1786 aus England
importierte Vollbluthengſt „Mehr
enger”. Zurzeit laſſen fich drei
Hauptblutrihtungen unter den
amerilanifchen nachmeifen: 1. Die
Electioneerdeszendenz, derdiegrößte
Schnelligkeit nacdgerühmt wird;
2. die Nachzucht von Abdalla XVI,
die den meiften Adel zeigt; B. die
George Wilkesprodukte, die Die
derbften aber korrekteſten find.
Da ſowohl vielfach Vollblutſtuten
als auch Stuten unbekannter Ab:
kunft in die Zucht hineingebracht
worden find, fo iſt, wie ſchon er:
mwähnt wurde, das heutige Trabers
blut noch nicht hinreichend Ton:
jofidiert, um mit Zuverläffigfeit in
unjere abgeichloffenen europäifchen
Haldblutfchläge hineingekreuzt zu
werden. Dies hat fi namentlid
bei der Verwendung von Traber
hengjten in der Normandie gezeigt
Der Traber ift im allgemeiner
Heiner und in feiner ganzen Statut
derber als das VBollblutpferd, ohne | -
diefem an Adel viel nachzugeben;
die Muskulatur der Hinterhand if | .
naturgemäß oft in abnormem Gradt |
entwidelt. Wenn auch feine Anochen:
jtärfe, die dur) eine harte Aufzucht |
erlangte Genügfamfeit und dal
dur den Zraßtraining erzielt -
gute Temperament den Traber für : ‘
die Kreuzung mit unferen Halbblur
Schlägen zu empfehlen ſcheinen, j
darf Doc nicht überjehen werden
daß eine fteile, abgefchlagene Kruppe,
ftarf gewinfelte bezw. zu weit ber
ausgeſtellte Hinterbeine und fchlechtt
Einfhienung der Sprunggelentt
ebenjo häufig typiſche Merkmal
diefer Raſſe find.
Was, abgefehen von den guten
Eigenſchaften und der vielfeitigen
Bermendungsfähigfeit des Traber
deſſen Zucht im Mutterland de
Trabrennfportes jo populär macht
ift die große Mohlfeilheit des Be
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Aa: 2 .— er ut- nr
— — —
—
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It. 6. Craberſport.
triebe8 im Dergleih zu den ge-
waltigen Geldopfern, die die Voll:
blutzucht erheifcht. Auch der Hleinfte
Züchter Tann einen Klafjetraber
ziehen, der einen Weltrekord jchlägt,
weil ihm die berühmteften Hengite
gegen eine für unfere Verhältniſſe
faum nennenswerte Derfgebühr
zugänglich find. Dies wird dadurch
ermöglicht, daß die Beſchäler nad
beendeter Deckzeit wieder auf ber
Rennbahn ausgenütt werden. Die
den amerilanifhen Hengſten noch
im hohen Alter nacdgerühmte
Sruchtbarfeit mag hierdurch nicht
unmwejentlich gefördert werden. Nach
vollendetem dritten Sahr pflegen
die Traberhengfte .in jedem Früh—
jahr zu deden; daß ihre Renn-
fähigkeit hierdurch nicht leidet, zeigt
u. a. das Beilpiel von „Cresceus“,
der bereit3 mehrere Nachkommen
im Training hatte, al3 er ſelbſt
den Weltrelord von 2 :02'/, auf:
ftellte.
115. Der Training des Trabers.
Der für die Rennbahn beftimmte
Traber wird fchon in früheitem
Alter, vielleicht noch früher als dag
Bollblutfohlen, für feinen Beruf
eingebroden; kommen in Amerika
im Spätjommer und Herbft doch
bereit3 Ssährlingsrennen über die
halbe Meile zur Entfheidung. Das
Charafteriftiihe des Trainings für
die Trabrennbahn liegt darin, daß
der von dem Traber geforderte
Renntrab nicht wie der Galopp des
Bollblutpferde® eine natürliche
Gangart ift, ſondern durch fünft-
lie Mittel entwidelt und gejteigert
werden muß. Hierzu bedarf es
einer unnatürliden, durch den
„overchec“ hervorgerufenen Kopf:
haltung und einer Fünftlihden Ber:
ſchiebung des natürlihen Schwer:
punktes auf die Borhand. Dieſes
„Ausbalancieren“ des Traberg, das
durch Zehengewichte bewirkt wird,
fpielt in der Vorbereitung für die
Niro. 115.
Rennbahn eine mwejentlihe Rolle.
Vielleicht noch mehr als fein Kollege
im Flach: oder Hindernigftall muß
der Trabertrainer zwiſchen feinen
Pflegebefohlenen zu individuali-
fieren wiffen. Da bei der Aktion
des Traberd die Knochen und
Sehnen des jungen Tieres viel
mehr als im Galoppfport ver
Gefahr ausgefegt find, durch An:
fhlagen, Greifen und dergleihen
Berlegungen zu erleiden, fo betritt
der Traber die Renn= oder Trainier:
bahn mit einem ganzen NRüftzeug
von Schutzvorrichtungen, Kappen,
Gamaſchen u. f. w. an den Glied:
maßen. Um die Kraftleiftung des
Trabers richtig einzufchägen, muß
man fi vergegenwärtigen, daß
um eine. Strede, die. man mit 100
Galoppfprüngen bededt, in der
gleihen Zeit im Trabe zurüdzu-
legen 150 Tritte erforderlich find,
die Muskeln mithin um einhalbmal
öfter gefpannt werden, ald im
Galopp; dies drüdt fih in der
leicht feitzuftellenden Erhöhung der
Körpertemperatur aus, die im
forcierten Trabe unverhältnismäßig
raſcher eintritt, al8 im natürlichen
Galopp. Selbitverftändlih wäre
es ein Unding, durch die oben er⸗
mwähnten Hilfsmittel: Auffagzügel,
Hufbelaftung u. ſ. w. irgend einem
beliebigen Pferd den Renntrab an=
gewöhnen zu wollen, die natürliche
Anlage zu diefem muß vorhanden
fein und ift durch Zudtwahl und
die Paarung nad) Xeiftungen in
die Traberrafie ebenfo hinein
gezüchtet, wie das Galoppierver-
mögen beim PBollblut; ohne die
natürliche, namentlih im Gebäude
liegende Beranlagung vermöchten
auch der erfahrenjte Trainer und
alle Kunft nicht3 zu erreichen. Mit
welchem Aufgebot von Hilfsmitteln
der Training in den amerifanijchen
Traberetabliffements betrieben wird,
erhellt allein ſchon daraus, daß in
Nro. 116—117.
den großen Trainingzentralen für
den Winter verdedte Trainier-
bahnen erbaut find, die die Länge
einer engliihen Meile erreichen
und mit den Stallungen der Trainer
durch überdachte Zugänge verbunden
find. Mit diefem Aufwand ftehen
freilich auch die Preife in Einklang,
die der Züchter mit gut gezogenem
Material zu erzielen vermag; ein
Zraberjährling, der etwas verheißt,
findet mit 10000 und mehr Dollar
jeinen Käufer.
116. Der techniſche Betrieb der
Trabrennen. Der gefamte Trab-
rennfport fteht heute im Zeichen
des niedrigen Pneumatikſulky, der
den Kilometerreford um fünf Se-
funden verbefiert und damit das
Schickſal des früher gebräudlichen
hochräderigen Gigs befiegelt Hat.
Die in Frankreich üblichen Trab-
prüfungen unter dem Reiter ge=
hören ftreng genommen nicht unter
die Rubrik des Traberfportes, da
fie ausgeſprochen im Dienfte der
Halbblutzucht ftehen; und felbft bei
den ffandinavischen Trabrennen auf
ı geahndet.
julfy den Rennſchlitten zu erjegen. |
dem Eiſe beginnt der Pneumatik—
Während der Galoppiport, nament-
lich wo es fi) um Hindernisrennen
handelt, ſich mit Vorliebe natür—
liher Bahnen bedient, bedarf der
Traber zur vollen Entfaltung feiner
Fähigkeiten und um den hemmen:
den Einfluß des hinter ihm befind=
lichen Gerährtes zu neutralifieren,
einen fünftlich hergerichteten Kurs,
der in feinen Bedingungen faft an
cine Nadrennbahn erinnert. Mit
einer Jolden hat auch der Verlauf
eines Trabrennens fait mehr ges
mein, als mit einer Prüfung auf
den Hafftiichen Turf. Mangels der
Möglichkeit, einen Ausgleich der
Chancen durch Gewichtsbeſtimmun—
gen herbeizuführen, wie dies beim
Vollblutſport in den Altersgewichts—
rennen durch Erlaubniſſe und Pö—
Frhr. B. A. v. Eſebeck.
nalitäten bezw. durch Handikaps
geſchieht, werden im Traberſport
die Pferde verſchiedener Klaſſen
durch Vorgaben zuſammengebracht.
Für Pferde, die noch nicht geſiegt
haben, wird z. B. der Kurs um
25 oder 50 Meter gekürzt; während
für erprobtere Pferde die Diſtanz
nach der Höhe ihrer Gewinnſumme
oder ihrem Rekord entſprechend
verlängert wird. Analog wird in
den Prüfungen verſchiedener Alters⸗
klaſſen der Kurs für die älteren
Jahrgänge durch Extrazulagen (etwa
25 Meter pro Jahr) verlängert.
So gleicht in der Tat der Start
auf der Traberbahn mehr einer
Regatta, als einem Pferderennen.
Nur in den Klaſſenrennen für
Pferde gleichen Alters oder mit
gleichem Rekord gehen alle „vom
Start“, d. h. ſie werden von der
gleichen Stelle abgelaſſen. Neben
der Zeitmeſſung fällt bei Entſchei—
dung des Rennens die Reinheit
des Ganges weſentlich in das Ge—
wicht; wiederholtes,In⸗den⸗Galopp⸗
fallen“ wird mit Disqualifizierung
117. Traberſport auf dem
Kontinent. Auf dem Kontinent
dürfte der Traberfport feinen Aus:
gangspunkt von Holland genommen
haben; ja die Annahme fcheint faft
ı begründet, daß er von bier erft
'nah der neuen Welt verpflanzt
wurde. Jedenfalls ift der ruffifche
„Harttraber“, der lange Zeit die
fontinentalen Trabrennbahnen be-
berrichte, auf Importationen aus
den Niederlanden zurüdzuführen.
Sn der alten Welt fcheint fih Der
Traberfport meift au den Iofalen
Verhältniſſen entwidelt zu haben,
wo diefe das Zurüdlegen weiter
Strecken in einjpännigem Gefährt
‚erheifhten, jo haben das Karriol
und der norwegifhde Bergponny
wohl zuerft dag gerade in Skandi—
navien von alter® her befonders
II. 6. Traberſpork.
rege Antereffe für Trabrennen ge-
we, Somohl die Holländer als
auch die Ruffen haben in der Ent-
wigtung ihrer Traberrafje Anleihen
bei däniſchem Blute gemacht, man
Dill ſogar die dem ruſſiſchen Traber
eigentümliche Unregelmäßigkeit des
Ganges, das ſog. Bügeln auf dieſe
Kreuzung zuruͤckführen.
118. Orlowtraber. Die Orlow⸗
tolle, welcher der ruſſiſche Traber—
pport feinen Weltruf verdankt,
wurde im erſten Jahrzehnt des
19. Jahrhunderts vom Grafen
Orlow-Tſchesmens ki in Chre—
nowoje gegründet. Am 1. Januar
1906, kurz bevor das hiſtoriſche
Geftüt durch die aufſtändiſchen
- Duuern vernichtet wurde, ift das
— —
Geſtütsbuch der Orlowtraber ge—
ſchloſſen worden. Als Kern der
Itlowrafje gelten die Nachkommen
des Chrenowſchen und Schiſch⸗
kinſchen Originalgeſtüts,
—
t ſoweit
ſolche bis 1845 geboren find, und
‚ ber Nahmeis erbracht wird, daß
— *F
—
—
in ihnen kein Blut von Pferden
iſt, die nad) 1810 angekauft wur—
den. Unter dieſem Geſichtspunkt
waten ale Pferde als „Orlow⸗
traber“ eintragungsberechtigt, bei
denen entweder beide Eltern in
- R
—
— —
—
vier Generationen reinblütig, wenn
and nicht auf der Rennbahn ge:
prüft waren, oder Vater und Groß—⸗
vater in der männlichen Linie ge-
laufen, in der mütterlihen Äb⸗
ſtammung aber Mutter und Groß=
‚ mutter reine Traber find bezw.
; umgekehrt.
— *
=
Diefe Bejtimmung
wurde 1889 dahin eingefchräntt,
dab die nad) dem Jahre 1889 ge-
borenen Pferde nur dann als rein-
raſſig anzufehen feien, wenn beide
‚ Eltern nicht weniger als ?|, Tra-
— —
berblut führen. Die 1908 und
ſpater geborenen Pferde find als
‚ Drlomtraber qualifiziert, wenn nad):
weisbar in drei aufeinanderfolgen-
den Generationen bei jeder Baarung
|
Neo. 118.
ih auf einer Geite Drlomblut
findet. Mit der zunehmenden Ein-
fuhr von amerifanifshem Zucht:
material wurde es unerläßlich, auch
Kreuzungsprodufte ald Traber an-
zuerfennen; demgemäß werden zu
den Rennen für Inländer auch
jolde Traber gemijchter Rafje zu:
gelafjen, melde mindeſtens |,
Orlowblut führen. Intereſſant ijt
eine Öegenüberftellung der Rekords,
die auf der Beterburger Trabrenn-
bahn von drei Vierjährigen ver-
ichiedener Abftammung über die
Strede von 1, Werft erzielt
wurden: es trabten ein reinblütiger
Orlowtraber 2:21’|,; Kreuzung mit
amerifaniihem Blut 2:20°|, ; Kreu=
zung mit engliſchem Vollblut 2: 23°|,.
Der bier erwähnte Amerikaner
marjdierte mit einer Gewinnſumme
von 6788 Rubeln an der Spite
der fiegreihen Traber des Jahres,
in welcher erjt an adjter Stelle der
befagte Orlow mit 2884 Rubeln
figurierte; ein weiterer Beweis, daß
der Stern jener berühmten Rafje
im Sinten ift und da$ „Sternen:
banner” der Standard Trotters
aud) auf dem Traberfurs des Zaren-
reiches heute unbeftritten weht.
Wie in Rußland, fo erfreut fich
auch in den ſkandinaviſchen Reichen,
Schweden und Norwegen - der
Traberjport auf dem Eije
großer Beliebtheit. Diefe Kon:
kurrenzen fommen ſowohl mit hohen
und niedrigen Schlitten als auch
mit dem Pneumatikſulky zum Aus-
trag. Selbſtverſtändlich bedürfen
die mit Zehenſtollen verjehenen
Pferde ganz bejonderer Schugmaß-
regeln an den Gliedmaßen; mit
dem entjprechenden Bejchlage traben
diejelben auf der jpiegelblanfen
Fläche mit der gleichen Sicherheit,
wie auf dem idealſten Trakt. Ge—
legentlich der Nordiſchen Spiele in
Stodholm fand dort ein zmeitägiges
Trabermeeling auf dem Norra
u
4‘
11
1)
J
Nro. 119.
Brunsvifen ftatt. Es war ein in
jeiner Eigenart mir unvergeßliches
Bild, die gewaltige Eisflähe von
Hunderten von Gefährten, Schlitten,
Droſchken, Automobilen u. ſ. w.
und von Taufenden von Menſchen
bevölkert zu jehen. Die Konkur—
renzen — es famen an jedem Tage
deren ſechs zur Enticheidung über
2000— 3000 Meter — dienten meijt
als Prüfung für den einheimijchen
Halbblutjchlag, der vielfach mit
J
e 3—
4 4 u
#7’ 114
= = 1 -
”
26, Trabrennen
Orlowblut gefreuzt iſt; ein folcher
„Halbbluttraber‘ erzielte in einem
„Sudtfahren”, das vom Gtaate
mit Züchterprämien ausgeftattet
war, 1:54. Durchweg ſahen die
Kennen zehn bi zwölf und mehr
Geſpanne am Ablauf, die meift von
ihren, dem Mittelftande angehöri-
gen Beſitzern gelenkt wurden.
Eine Hochburg des Traberfportes
im Norden iſt die Trabrennbahn
Charlottenlund bei Kopenhagen;
dort gelangt u. a. das ‚‚Dänifche
Traberderby‘ zur Entſcheidung, eine
Prüfung für vierjährige Hengſte
und Stuten über 3000 Meter, die
vom Daäniſchen Traberfiub mit
Frhr. B. A. v. Eſebeck.
10000 Kronen dotiert ift. Drei-
jährig werden die Derbykandidaten
über 2400 Meter in dem mit 8000
Kronen ausgeftatteten „Traber:
friterium‘‘ geprüft; im Jahre zu:
vor meſſen ſich die Zweijährigen
im Qugendprei® (6500 Kronen)
über 1609 Meter. Die Ausdeh-
nung und Bopularität des Traber-
jportes in Dänemarf überfteigt dort
bei weitem die Bedeutung de
Vollblutſportes; während im Elaj-
auf dem Eije.
ſiſchen Lande des leßteren die en
lichen Trabrennen neben der hiſt
riihen Bedeutung der Bollblu
rennen nur eine untergeordne
Rolle jpielen. Daß zwiſchen Trabe
und Fahriport ein gewiſſer pra
tiiher Zufammenhang bejteht, zei
auh die Entwidlung des öſte
reichiſchen Traberjportes, der n
mentlic) in Ungarn, dem Lande de
Juckers, im Aufblühen it. Au
in Stalien befindet fih der vo
nehmlich auf ruſſiſchem Blute b
fierte Traberfjport auf dem au
jteigenden Aſt.
119. Traberfport in Sranfrei
Eine Sonderjtelung im Trab
rm m "ur = — — —
r—m 2
— — — — — — — — = nn.‘ wi u 1 11
II. 6. Graber[pori.
Nro. 120.
rennfport nehmen die Prüfungen | find. An der Spige der erfolg:
der Traberraffe in Frankreich ein,
injofern als diefe ausgefprodhen im
Dienfte der Halbblutzucht ftehen;
die Normandie, die den auf dem
Luxusmarkt fo Hoch bezahlten Ka-
rojfier produziert, ift denn aud) das
Zentrum der Traberzudht in der
Republif, die für die anglo-nor-
manniſche Raſſe feinen Bejchäler
abnimmt, der nicht dreieinhalbjährig
4000 Meter in 7 Min. 4 Sekunden
— 1:46 zu traben vermag. Diefe
Prüfung des fisfaliihen Zucht:
materials findet unter dem Reiter
ftatt, und diefem Umijtande ift es
vielleicht zuzuſchreiben, daß der
franzöfifhde Traber in feinem Er-
terieur nicht jo ausgeſprochen an
den Standard Trotter erinnert.
Vielleicht ift er im Blute auch kon⸗
folidierter, als der an Schnelligkeit
allerdings erheblich überlegene
Amerikaner, da bei Bildung der
franzöſiſchen Traberraſſe immer
wieder auf die alten bodenſtändigen
Blutſtröme zurückgekreuzt wurde.
Eine fundamentale Bedeutung in
der franzöſiſchen Traberzucht hat
der ſoeben im Staatsgeſtüt Le Pin
an Altersſchwäche eingegangene
Fuſchia erlangt. Der Rekord dieſes
Hengftes war 1:36; fein Berdienft
liegt jedoh auf anderem Gebiete:
er hinterließ nicht weniger als 347
Produkte in der ZTraberlifte, und
während er felbft unter den erfolg:
reihen Baterpferden des Jahres
1907 mit 161774 Franks an
zweiter Stelle ftand, brachten fünf
feiner Söhne mit ihren Produften
711961 Franken zufammen auf das
Ehrenfonto des Erzeugers. Das
fchnellfte Produkt Fuſchias mar
Charles Angot, der 1:25 trabte;
mehrfach murde von feiner Nach—
zudt 1:29 erzielt. Biel mehr be=
deutet aber die Tatfahe, daß
59 Söhne des Fünfundzwanzig⸗
jährigen heute in der Zucht tätig
reichen Baterpferde marjchiert nad)
der legten Zufamntenjtellung der
Fuſchiaſohn Narquois mit 182 504
Franks; Narquois (1891 geboren)
fteht mit 138 Nachkommen in der
Traberlifte, bat der Zudt aber
nur zwei Bejchäler geliefert. Nun
geht Narquois durch feine Groß:
mutter (mütterlicherfeit3) auf die
englifche Vollblutſtute „Debutante“
zurück, die der Running-Familie1
entſtammt; Fuſchia ſelbſt erhält
durch ſeine mütterliche Großmutter
Sympathie (engl. Vollbl.) das Blut
der Dutfiver- Familie 22; dieſe neigt
aber ohnehin mehr zum Sire—
harafter und ift bei Sympathie
überdied durch Sire- (Familie 12)
und Running-Sire-Blut (Fam. 3)
verſtärkt. Der Pedigreeaufbau
Fuſchias liefert jomit einen inter:
eflanten Beitrag zu der viel be—
ftrittenen Theorie Bruce: Lomweß.
Abgefehen hiervon iſt Fuſchias
Vater Reynolds für einen Traber
ungewöhnlich Eonfolidiert (Inzucht
im dritten Grade auf La Juggler)
und dieſer vermochte wiederum bei
Fuſchias Mutter (Reveuſe) durch
eine Inzucht auf The Norfolk Cob
bezw. Did Phoenomenon anzu—
knüpfen. So erklärt ſich der durch⸗
ſchlagende Einfluß Fuſchias, der in
ſeiner Tragweite vielleicht der
Wirkſamkeit eines St. Simon im
Vollblut oder der Rolle Chamants
im deutſchen Halbblut vergleichbar
iſt. Jedenfalls zeigt der Einfluß
des Sireblutes bei Fuſchia eklatant,
daß die von Bruce-Lowe ſo
bezeichneten Stämme in der Tat
den Namen „Baterpferdfamilien”
verdienen.
120. Der deutſche Traberfport.
Da man jene im Kapitel „Fahr:
port“ erwähnten Wettfahrten des
Berliner Yahrvereind? mit einer
ernften Zrabprüfung unmöglich
identifizieren kann, fo iſt ber
ro. 121.
Irhr. B. A. v. Efeberk.
deutfhe Trabrennfport noch jungen | jeit 1900 (603135 ME.) bis 1908
Datums. Erft mit der Gründung
des Berliner Traber:Klub8 am
5. Dez. 1877 erhielt derfelbe offi-
zielle Geftalt. Am 16. Juni 1878
wurden die erjten Trabrennen in
Weißenſee gelaufen. 1889 erhielt
die Neihshauptitadt im Weftend
eine zweite Trabrennbahn, auf der
1894 das erite „Traber-Derby“
gelaufen wurde, das, außer mit
dem Wanderehrenpreije des Kaiſers
für den Züchter des Sieger? mit
40 000 Mt. ausgeftattet ift. Fortan
wird dag „Blaue Band“ der Traber
auf der neuen Bahn der vereinigten
Berliner Trabrenn = Sefellicgaften
zu Ruhleben zum Austrag fommen.
Insgeſamt wurden im verflofienen
(1248145 ME.) mehr ald verdop⸗
pelt hat. An der Spite der er-
folgreiden Rennjtälle, deren 167
in der legtjährigen Siegerlifte figu-
rieren, marſchiert das Geftüt Klein-
Helle mit 77 455 ME., das fid) da-
mit feit 1904 in führender Stellung
behauptet.
121. Traberzucht in Deutichlaud.
Dank dem Brinzip der maßgeben-
den Vereine ihre Ausſchreibungen
— vielleiht mehr als eg im Boll-
blutfport gefchieft, — der inlän-
diſchen Zucht zu refervieren, bat
fid in Deutfchland eine fchnell
emporblühende, auf amerifanifche
Smportationen bafierte Traberzucht
entmwidelt. Die bedeutenditen Zucht-
Jahre an 21 Plätzen 98 Meetings | ftätten find da8 vom Grafen Aug.
mit 591 Rennen abgehalten. An
der Spite marſchieren die haupt:
ftädtiihen Bahnen, Weißenſee
(Rennklub) mit 24 Tagen und 175
Rennen (= 425 300 ME.) und Welt:
end (Trabrennverein) mit 20 Kenn:
tagen und 158 Konfurrenzen (=
440 400 ME.). Nächjtdem ift Altona—
Bahrenfeld der bedeutendite Traber-
plag, auf dem 1908 an 10 Tagen
17 Rennen gelaufen wurden, und
165500 ME. an Preiſen zur Ber:
teilung famen.
Beſonders lebhaft |
Bismard geleitete ſog. Haupt-
trabergeftüt XYilienhof in Baden,
und dad fhon genannte medlen-
burgifche Geftüt Kl.-Helle. Obwohl
erft 1898 in das Leben gerufen,
bat das bei Neubrandenburg be=
legene Geftüt ded Herrn Shwa=
niß diefem ſchon manden Hajft-
ihen Sieger geliefert; 1904 und
1908 ſah das Traberderby Die
weiße Jade mit den blauen Ster-
nen in Front. In Summa ge—
mwannen die Produkte des medlen-
ift das Intereſſe für die Traber= burgiichen Geftütes 93 885 Mark,
Jade in Bayern, wo auf vier ver:
Ihiedenen Plätzen Trabrennen ge=
laufen werden; in Münden, mo
übrigend der Traberfport fon
früher heimiſch war, als in Berlin, |
wurden, abgejehen von den mit
96090 Mk. ausgeſtatteten drei Rennen
des „Oktoberfeſtes“, im letzten
Jahre 15 Trabrenntage ausge:
Ichrieben, an denen 93 Nennen mit
142 150 Mk. dotiert waren. Der
allgemeine Aufihwung des deut—
jchen Traberjportes im legten Sahre
zehnt fennzeichnet fich am deutlich-
jten darin, daß fih die Geſamt—
fumme der jährlich gegebenen Preiſe
Rekord hält,
'jeit 1904, Proſe mit 41 fiegreichen
während die Lilienhofer 118207 M.
im verflofjenen Jahre heimbradten.
Sanio, der Beichäler des „Haupt-
geftütes”, rangiert mit 18 erfolg:
reihen Produkten und einer Ge-
winnfumme von 61678 ME. in=
dejien erſt an vierter Stelle unter |
den erfolgreichen Baterpferden. Den
wie ununterbroden
Nachkommen und 118629 Marf
' Siegesfonto. Unter den 75 Bater-
pferden, deren Nachzucht 1908
Siegedehren einheimfte, ift Die
Traberzucht Frankreichs, Rußlands,
Italiens und Oeſterreich-Ungarns
wrr.,ns‘a 5 se
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BWRRrTEELAGTE
zz 5%
— —
zur m
men ws ya 3 ua FE BETZ NE:
II. 6. Graberfporf.
je einmal vertreten; 17 Hengfte
waren in Deutſchland gezogen;
der Reit aus Amerika importiert.
Es ift auffallend, daß in der
Lifte der 1908 erfolgreichen Züchter
bezw. Geftüte von 127 nicht we—⸗
niger als 58 in Bayern beheimatet
find. Der Zufammenhang zwiſchen
Zudt und Rennbahn tritt bier
deutlih zutage, wenn man ſich
vergegenmärtigt, daß nicht nur der
Münchener Trabrenn- und Zudt:
verein für jeden bei feinen Mee-
tings fiegenden Hengft oder Stute
aus bayriſcher Privatzucht eine
Züchterprämie von fünf Prozent
des erſten Preiſes zahlt, ſondern
auch Bayern der einzige Bundes-
fontingent ift, der Staatspreife für
Trabrennen auswirft. Wenn der
preußifche Fiskus dieſem Beifpiel
bisher nicht gefolgt ift, fo dürfte
dem die Erwägung zugrunde liegen,
dat eine Traberzuct, die in For:
cierung der Refordleiftungen ihren
Endzweck fieht, mit den Bielen
einer in erfter Reihe der Landes
verteidigung dienenden Edelzucht
ju wenig gemein hat. Gelingt es
der Traberzudht, Hengfte zu produ=
. zieren, die ihre Trabaktion in die
Zandespferdezudt hineinzupflanzen
vermögen, ohne daß dies auf Koften
der von dem Soldatenpferde uner-
bittlih zu fordernden Korrektheit
und Harmonie ded Gebäudes ge:
ſchieht, jo wird aud die ftaatliche
Beihilfe nicht ausbleiben.
Um jene? Ziel zu erreichen,
wäre e3 jedoch Borausfegung, daß
die eigentlihen Zucdtprüfungen nad)
franzöfiidem Vorbild in Trabreiten
über meite Diftanzen umgewandelt
würden. Einftmweilen find bereits
die Zuchtprüfungen auf der Berlin:
Nublebener Bahn, d.h. die fürHengſte
und Stuten refervierten Rennen, fajt
durchgehende mit Prämien von
1000 ME. für den Züchter des ſiegen⸗
den Pferdes audgeftattet worden.
Nro. 122.
122. Soziale Bedeutung des
Traberfported. Der im Borftehen-
den gefennzeichnete Charakter des
Traberſportes, feine geringe Be—
deutung für die Landespferdezucht,
baben die Trabrennen fajt aus—
ſchließlich zum Selbſtzweck gemadt.
In gewiſſer Hinſicht ift dies aller-
dings auch im Hindernisſport der
Fall; allein bei dem großen Riſiko
und der Unſicherheit des Gewinnes
wird es niemandem einfallen, ſich
einen Hindernisſtall zu halten, der
nicht ſelbſt aktiver Sportsmann
wäre und perjünlid am NReiten
über Hinderniffe Gejhmad findet.
Die Beteiligung am legitimen
Sport aber verlangt vollends von
dem Rennmann und Vollblutzücdhter
eine jo erorbitante Opferfreudigfeit,
daß ohne diefe im idealjten Sinne
felbft die reichiten Mittel einer
Reihe von Mißerfolgen nicht ftand
halten werden.
Wer etwa aus Gewinnjucht oder
perjönlicher Eitelkeit den Rennſport
betreibt, der wird nad den erjten,
fih häufenden Enttäufchungen jehr
bald dem Zurf den Rüden Tehren.
Anders im Trabrennfport: — Die
Konkurrenz ift eine Zleinere, Die
Gefahren, denen das vierbeinige
Material auf der Rennbahn aus:
gejegt ift, find verhältnismäßig
geringere ; vor allem aber find die
Produktionskoſten des Traberg nie-
driger, um jo mehr al? ein Traber,
der nicht die Rennklafje erreicht,
vermöge feiner Härte und feines
meift guten TQTemperamentes als
ſchnelles Wagenpferd auf den Luxus⸗
markt ftet3 Liebhaber findet. So
fommt ed, Daß bei ung, mie
aud) in anderen Ländern, die Trab:
rennen der Sport der breiten
Maffe wurden und Elemente zur
Traberbahn drängten, die von
nicht8 meniger als von idealer
Sportpaffion dorthin gelodt wur⸗
den, die im Traber nicht das edle
——— — — *
Nro. 123.
Pferd, ſondern nur die rollende
Kugel im Lotterieſpiel der Wette
erblicken. Die Urteilsloſigkeit der
Menge, unter der ohnehin der
Rennſport in Deutſchland ſo viel
zu leiden hatte, macht ſich auf der
Trabrennbahn mit beſonderer Vor⸗
liebe bemerkbar. Dieſe Geſtaltung
der Dinge hat es bewirkt, daß
bisher die ſogenannte erſte „Geſell⸗
ſchaft“ ſich dem Sport auf der
Trabrennbahn gegenüber reſerviert
verhielt.
123. Herrenfahren. Seitdem
die bedeutendſte Körperſchaft des
Landes, der Weſtender Trabrenn⸗
verein, ſo klangvolle Namen, wie
Irhr. B. A. v. Eſebeck.
den des Prinzen Salm, des Grafen
Bismarck u. a. an ſeiner Spitze
führt, iſt das Anſehen der Traber:
ſache unverkennbar geſtiegen. Vor
allem aber dürfte dies das Ver⸗
dienſt des Herrenfahrerklubs ſein,
der es ſich zur Aufgabe gemacht
hat, durch Ausſchreibung von
Herrenfahren dem Traberſport in
jenen Kreiſen Freunde zu werben,
die ihm bisher verſchloſſen waren.
In den Herrenfahren bürfte ber
Vierrad-Sully mehr zu Ehren
fommen, und namentlich die Zwei:
ſpännerkonkurrenzen werden auch
auf den Fahrſport im weiteren
Sinne anregend wirken.
— — —— — —
fachausdrücke im Reit- und Fahrſport.
Abklappen, Abſchlagen der Hunde von | Bread, Wagen, eine Art offener Omnibus.
einer Fährte.
Ablauf (beim Rennen), ſ Start.
Altersgewichtsrennen, Rennen, in dem
die Pferde nach ihrem Alter gewichtet ſind.
Anzug, der längere, untere Hebelarm der
Kandare.
Aufgalopp, Kanter vor dem Rennen, von
den Tribünen nad dem Ablaufpfoſten.
Aufbalter, Riemen oder Kette, mit der
die Pferde an der Deichfel feftgemacht find.
Aufridtung, Biegung des Genickes bei
erhobenem Halfe.
Auffagzügel, Zügel zum Auffegen bes
Pferdehaljes im Geſchirr.
Auffegen, j. Krippenſetzer.
Ausbrechen, Ein Hindernis refufieren.
Ausgleihsrennen, ſ. Handikap.
Ausheben, das Wild beim Halali den
Hunden entreißen.
Ausreiten (im Rennen), ein Pferd zur
Hergabe ſeines beſten Könnens bringen.
Bahn (ganze, halbe), rechteckiger Reitplatz.
Bande, Einfafjung desfelben burd Bretter
wand ober Hede.
Beagle, Raſſe kleiner Haſenhunde.
Betzäumung, Einſtellung des Halſes am
Zügel bei ſenkrechtſtehender Stirn des
Pferdes.
Beſchäler, Zuchthengſt.
Bitch, Hündin,
Blanke Kandare, ausſchließlicher Ge—
brauch der Kandare, ohne Anfaſſen der
Trenfe.
Bodeneng, ⸗æeit, Stellung ber Vorder⸗
gliedmaßen nach innen bezw. außen.
Bor, Losftall.
Breeches, Neithofen nach engliſchem
Schnitt.
Bruch, Eichen: oder Tannenzweig, die der
Mafter nah erfolgreiher Jagd an die,
Teilnehmer verteilt.
Buchmacher, Perſon, vie Buch legt, d. 5.
Wetten zu feſtem Kurſe annimmt.
Bügeln, fhaufelnde Bewegung bed Pfer:
des im Gange mit den Vorberbeinen
nad außen,
Canter, kurzer Galopp („Hanbgalopp”).
Sapriole, Lektion der Hohen Schule.
Caſt, Umſchlag des Huntöman, wenn bie
Hunbe die Fährte verloren ober über:
ſchoſſen haben.
Changement, Wechſel der Hand bezw.
Stellung und Fußſetzung (. 3. im Ga⸗
lopp) beim Reiten. _
Ched, Stopp auf ber Jagb.
Coach, Hoher Wagen zum Vierſpännig⸗
fahren, nah bem Modell der alten
Poſtkutſchen.
Cob, kleines, tiefes Pferd.
Condition, Futterzuſtand, Muskel⸗ und
Lungentraining des Pferdes.
Coupieren, Abhacken ver Schweiirübe.
Crack, das beſte Pferd eines Stalles.
Cross-country, Querfelbein.
Curée, Aufbruch des Wildes, den dic
Hunde nad der Sagd erhalten.
Dauerritt, ſ. Diftanzritt.
Disqualifizieren, ein tim Rennen fieg-
reiches Pferb des Preifes verluftig er-
flären.
Diftanz, Entfernung eines Rennens, bzw.
Zänge des Einlaufes.
at 0m
Zachausdrücke im Reit- und Jahrſport.
Diſtanzritt, ein⸗ oder mehrtägiger Ritt
über weite Entfernung.
Dogcart, Zweiräbriger Wagen (niebrig).
Doghound, Hund (Baterbund).
Doping, die Behandlung des Pferdes
mit Reizmitteln zur Erhöhung feiner
Leiftungsfähigleit im Nennen,
Dreß, feidene Jade der Jockeys.
Dreffur, Ausbildung bes Pferdes unter
dem Reiter.
Einlauf, Strede vom legten Sprung
(Einlaufshürde) bis in das Ziel (Sieges-
pfoften).
Cinfag, Die vor dem Rennen (Abwiegen)
gemachte Einzahlung, dur welde ein
Pferd die Berechtigung zur Teilnahme
an dem Rennen erlangt: die Höhe des
Einfages wird durch die Propofition
feftgejegt.
Erklärt, ftartet ein Stall 2 Pferde in
einem Rennen und beabfichtigt, das eine
derjelben nicht ausreiten au laflen, jo
muß berfelbe eine Erklärung abgeben,
welde3 Pferd für ben Sieg in Betracht
fommt. Dieſes ift der „Erflärte” des
Stalle3.
Erlaubnis, die einem Pferde durch die
Bropofition zugeftandene Gemwidtser-
mäßigung.
Fahrt, Tempo, 3. B. in guter Fahrt,
voller Fahrt u. dgl.
Fährte, Spur des Wildes (j. Ecent).
Faires Hindernis, Sprung, den das
Pferd zu tarieren vermag.
Favorit, das am meiſten gewettete Pferd
im Rennen.
Fehljagd, Jagd ohne „Halali“, bei der
das Wild entkommt.
Feld, die Zahl der Jagdreiter oder Starter
im Rennen.
Finiſh, Endkampf im Rennen.
Flaggen, zwiſchen den Rennen auf der
Hindernisbahn.
Flankierbaum, Baum, der zwei Nach⸗
barſtände trennt.
Flieger, Pferd, das auf kurze Diftanz
große Schnelligkeit entwickelt.
Form, Leiſtungen eines Pferdes auf der
Rennbahn.
Forhound, Fuchshund.
Führung, Einwirkung der Hand auf das
Pferdemaul.
Gabel, Einſpännerdeichſel (Scherbäume).
Ganaf hen, Genickmuskeln bes Pferdes.
Geläut, Boden einer Rennbahn.
Gig, zweirädriger Wagen (bod)).
Grade, Einlanf der Rennbahn , von ber
legten Ede bis in das Biel.
QBurtentiefe, Umfang des Pferdes hinter
dem Widerriſt.
Had, Reitpferb.
Halbe Barade, Einwirkung ber Hand
sum Verkürzen des Tempos.
Halfter, —— zum —— des
re im S
Halali, bie —— beim Ende einer
Nro. 123.
erfolgreichen Wildjagd, wobei das Wild
verblafen wird, mit dem Rufe „Halali,
Halali, Halali !"
Handikap, Ausgleichsrennen, bei bem bie
Chancen ver einzelnen Pferde durch das
ipren Leiftungen entiprehende Gewicht
ausgeglichen werden.
Handıltapper, offizielle Perjönlichkeit,
die die Gewichte in den Ausgleichsrennen
feftfegt, für die Flachrennen der Hanbi-
fapper des Union-Klubs, der Handi-
tapper des Hindernid-Bereins (in Berlin)
für die Hinderniärennen im Reiche.
Hanten, Hinterbeine des Pferdes.
varrier, vaſenhund.
Hindernisſtall, -pferd, Rennſtall
bezw. Pferd für HDindernisſport.
Hinterhand, hinterer Teil des Pferdes.
Hofe, Muskulatur des Oberſchenkels.
Hubertus, 3. November, Tag des Jagd⸗
ſchutzpatrons.
Hufſchlag, Linie, auf der man in der
Bahn reitet.
Hülfe, Einwirkung durch Zügel, Schenkel,
Gewicht.
Hunter, Jagdpferd.
Huntsman, Oberpikör.
Se Sagdgefeufchaft, die den Hun:
ven folgt.
Sagbdfolge, bie Erlaubnis über das Ge:
lände den Hunden zu folgen.
Sährling, einjähriges Fohlen.
Illegitimer Sport, Hindernisrennen.
Inländer, im Inlande geborened Pferd.
$uder, fchnelles Wagenpferd leichten
Schlages, meift ungarifcher Herkunft.
Kammdeckel, Teil der Beſchirrung.
Kammer, Hoblraum des Sattel über
dem Wiberrift.
Kandare, Stangengebiß.
Kartätſche, Bürfte zum Bugen der Pferde.
Kaftenftand, Pferdeitand mit fejten
Wänden.
Kenneld, Zwinger der PBarforcemeute.
Kettenhbang, Verlegung durch Ueber:
treten über die Halfterkette.
Kinnkette, Kette, die bie Lage der Kan-
dare regelt.
Klaffe (beim NRennpferd), bemiefene Lei—
ftungsfäbigfeit.
Kolik, Erkrankung der Verdauungsorgane
bes Pferdes.
Kontraftellung, Stelluna nad augen.
KRontragalopp, Rechtsgalopp auf der
linten Hand und umgekehrt.
Koppel, ein Paar Hunde.
Köte, Beuge des Fefjelgelentes.
Krippenfeger, Aufjegen mit ben Zähnen
auf den Rand der Krippe, mobei die
Pferde die Luft einziehen.
Kreuzleine, die Inneren, fi kreuzenden
Zügel beim Zweilpänner.
Kummet (Gefdirr), Halsjtüd, an dem
die Stränge befeftigt find.
Kurs, Bahn eines Rennen?.
Xampe, Hafe.
ne
Nro. 123. Frhr. B. A.
Lancieren, das Wild zu Beginn der
Jagd in eine beſtimmte Richtung drücken.
Leader, Spitzpferd (Tandem).
Legitimer Sport, Flachrennen.
Longe, Leine zum Bewegen des Pferdes
auf dem Zirkel.
Loſung, Exkremente des Wildes (Fuchs
oder Schwein), mit welchen der zum
Legen einer Schleppe benutzte Schwamm
oder Strohwiſch getränkt wird.
Maiden, Pferd, das noch nicht geſiegt hat.
Mailcoach, Poſtkutſche, auch moderner
Vierſpännerwagen.
Martingal, Hilfszügel.
Mafh, Pferdefutter aus Leinſamenbrei,
Hafer und Kleie.
Mafter, Präſident einer Jagdgeſellſchaft
bezw. Meute.
Match, Privatrennen zwiſchen zwei Pferden.
Maucke, Hautkrankheit in der Feſſelbeuge.
Melaſſe, Pferdefutter, aus Rübenzucker
gewonnen.
Meét, Stelldichein zur Parforcejagd.
Meeting, Reihe aufeinanderfolgender
Renntage.
Mittelpofitur, Hüſte, Gefäß und Ober:
ſchenkel des Neiters.
Modinländer, bei Fuß der Mutter ein
geführtes Fohlen.
Odds, Kurs einer Wette; „Odds auf”
über Bari.
Dutfider, ein auf bem Wettmarkt nicht
beachtetes Pferd, das ohne Chancen ftartet.
Overchek, Auffagziügel beim Trabergeidirr.
Pace, Schnelligkeit, Tempo, in dem ein
Nennen gelaufen wird.
Pace-Macder, ein Stallgenofje des er-
Härten Pferdes, ober ein zu dieſem
Zweck nemietetes Pferd, das dafür forgt,
daß das Nennen, in dem für den Er-
tlärten bed Stalles nötigen Tempo ge⸗
laufen wird, fall3 dieſer ein ſchnelles
Rennen braudt, um feinen speed aus⸗
zujpielen (fiehe Flieger).
Pacer-Paßgänger (Trabrennfport).
Bad, Meute,
Barade, Einwirkung ver Hand, bie das
Pferd zum Halten bringt.
Parforcejagd, Neitjagb auf freier
Wildbahn.
Paſſage, Lektion ber hohen Schule.
Paßgang, Gangart, wobei das Pferb mit
ven gleichjeitigen Füßen gleichzeitig vor-
greift.
PVedigree, Stammtafel des Pferdes.
Pelham, Stangengebiß mit gebrochenem
Nundftild.
Peſade, Lektion ber Hohen Schule.
Piaffe, Gangart der hohen Schule.
Pilaren, Pfeiler, zwifchen denen das
Pferd an der Hand gearbeitet wird.
Bi 9 — Jagdbedienſteter, der die Hunde
Polo, Bauſpiel zu Pferde.
oint⸗to⸗Point, Kirchturm⸗ ober
Flaggenrennen.
v. Eſebeck.
Pönalität, Aufgewichtmit dem in den
Altersgewichtsrennen ein Pferd für Siege
ober beflimmte Gewinnſummen mehr bes
laftet wird.
Propofition, die im Wochen: Rennla:
lender veröffentligten Bebingungen eines
Rennens.
Proteft ‚Einfpruch gegen den Sieg eines
Pferdes.
Pull (einen — geben), das Pferd ver:
halten.
Pullen, fih auf die Zügel legen.
Puppy, junger Hund.
Duerfeldeinrennen,
nah Richtungspunkten oder
ohne Fünftlih angelegte Bahn.
Raid, Diftanzritt verbunden mit Duer-
feldein: Prüfung.
Nation, Futterfag pro Tag ıc.
Raufutter, Heu, Stroh 2c. im Gegen:
fat zu Kornfutter.
Relais, frifcher Borfpann.
Nelaishafe, während ber Jagd vor ben
Hunden aufipringenber Hafe, der dieſe
ehe ber Fährte bed „Jagdhafen“ ab-
sieht.
Rekord, Höchſtleiſtung auf einer beſtimm⸗
ten Entfernung, z. B. km oder engliſche
Meile.
Remonte, junges Pferd. j
Nennfarben, bie beim Unionklub ein:
getragenen Farben (dress) eines Nenn:
ſtalles.
Renvers, Seitengang in Kontraſtellung.
Reprife, Dauer einer Lektion beim Reiten.
Neugeld, ber bei Abgabe einer Nennung
gezahlte Betrag, der, wenn das Pferd
nicht ftartet, ber Kaffe des Nennvereins
verfält, meift die Hälfte des Einſatzes.
Roaren, Geräufb des Pferbes beim
Atmen , infolge Lähmung eines Muskels
im Kehlgang.
Rogue, Verbreder, b. h. ein Pferd, befjen
Temperament verborben.
Rübe, Schweifanfag bed Pferdes.
Rumpler, Fehler bes Pferdes beim
Springen, der dasfelbe nit ganz zu
Fall bringt.
Nute, Fuchsſchwanz.
Sattellage, Stelle des Pferderüden, auf
welcher der Sattel ruht.
Sattelpferd, das linke Stangenpferb.
Sattelzmwang, Wehren des Pferbes
gegen den Sattel durch Budeln und
Boden.
Scent, die Witterung des Wildes, bie
deſſen Fährte ven Hunden verrät.
Scherbaum, Einſpännerdeichſel (f. Gabel).
Schere, untere Teil der Kandare.
Scherenfänger, Pferd, welches mit der
Unterlippe den Anzug der Kandare fängt.
Scherriemen, Niemen, ber bie3 ver:
Binder.
Schleppe, künſtlich hergeftellte Wilbfährte
(f. Loſung).
Schluß, Feſtigkeit des Sitzes durch An-
Gelaͤnderennen
⸗Marken,
8
.“ BURHsashH
Jachausdrücke im Reit- und Jahrſporlt.
Nro. 124.
klemmen der Oberſchenkel und Kniee Tipfter, Agent der Wettbureaus, der die
ESpaltſfitz.)
Schnitzeljagd, Reitjagd, bei der die
Fährte durch Streuen von Papierſchnitzeln
bergeftellt wird.
Shrammer, ein Pferd, das durch Boh—
ren auf den Zügel feinem Reiter bie
Hand nimmt.
Seitengang, Xeltion, bei der ba3 Pferd
auf zwei Hufſchlägen gebt.
Sielen, Bruftplattgefdirre.
Skala, vom Rennreglement feftgejegte
Gewichtstabelle.
Speed, Fähigkeit auf kurze Diſtanz große
Schnelligkeit zu entwickeln (ſ. Flieger).
Stamina (Stehvermögen), die Fähigkeit,
auf lange Diftanz die gleiche Schnelligteit
beizubehalten. (Stehber im Gegenjag zu
Flieger).
Stangenpferde, die Pferde an der
Deichſel.
Start, das Ablafſſen des Feldes zum
Rennen.
Steeple-chase, urſprünglich Kirch⸗
turmrennen, im modernen Sinne jedes
Jagdrennen.
Stellung, Biegung des Pferdes im Genick.
Steward (beim Nennen), Richter.
Strahl, Innerer Teil des Hufes.
Strang, Geſchirrteil, an dem das Pferd
zieht.
Stride, Galoppſprung.
String, die Pferde eines Stalles.
Striegel, Werkzeug zum Pferdeputzen.
Sulky, Zweirädriger Rennwagen (Traber⸗
ſport).
Sweep-stakes, Rennen, deſſen Preis
von den beteiligten Ställen aufgebracht
wird.
Tandem, Zweigeipann, vor einander.
Team, Geſpann Pferde, meift Viererzug.
Temperament, Charaktereigenſchaften
des Pferdes.
Tempo, Geſchwindigkeit einer Gangart.
mutmaßliden Sieger nambaft madit.
Tips, die von der Fachpreſſe ausgeſpro⸗
chenen Mutmaßungen über den Verlauf
eines Rennen?.
Totalifator, Wettmafdine.
Traber, Pferderafje, für die Trabrennen
gezüchtet.
Training, Vorbereitung bes Pferdes
zum Rennen oder bergl.
Trakt, Geläuf der Traberbahn.
Trap, amerilaniiher Wagen mit Stellfigen.
Travers, Seitengang.
Trenfe, Gebif mit beweglidem Mundjtüd.
Trial, Probegalopp.
Turf, der „grüne Raſen“, die Rennbahn.
Weberfhießen, die Hunde vermögen,
weil in zu raſchem Tempo, einen Bogen
der Fährte nicht inne zu halten, fondern
laufen in der biäherigen Richtung weiter.
WMeberzäumen, zu tief ftellen des Pfer:
bed, ſodaß die Etirn hinter bie Sent-
rechte fällt.
Unfair, ein Hindernis, das das Pferd
nit Mar zu erfennen vermag.
Berfammlung, Zufammenftellung bes
Pferdes im Gleichgewicht.
Volte, Kreis von ſechs Schritt Durchmefier.
Vorhand, der vordere Teil bed Pferdes.
Waage oder Wacht, Schwengel am Wagen
zum Befeftigen der Stränge.
Weben, Angemohnheit mander Pferde an
der Krippe, fih auf ben Vorderfüßen
bin und ber zu wiegen.
MWendeflagge, Flagge, bie im Rennen
die Wendungen anzeigt.
Whip, Whipper-in, bie Gebilfen des
— (Oberpikörs), die mit der
eitſche die Meute zuſammenhalten.
Widerriſt, Teil des Pferdes (Bug) der
Hals mit Rücken verbindet.
Witterung, die Ausdünſtung des Wils
des, die auf deſſen Fährte zurüdbleibt
(f. Scent).
7. Notbilfe bei Unglücksfällen und plötz-
lichen Erkrankungen der Pferde.
Von
Dr. Goldbeck, Stabsveterinär, Schwedt a. ©.
124. Notwendigkeit der ceriten
Hilfeleiftung durch den Sport-
treibenden felbft. Bei allen fport-
fihen Uebungen, welde mit Hilfe
der Pferde oder anderer Tiere ab-
gehaltenwerden, und beidenenes ſich
„Wo gehobelt wird, da fallen Späne.“
in der Hauptſache nur darum han:
delt, das Höchſte an Leiſtungsfähig—
feit berauszuholen, werden Ver:
legungen und Erkrankungen diejer
Tiere unvermeidlich fein. Dieſelben
find fogar häufiger, als beim
. — — — — —
Nro. 125.
Dr. Goldbeck.
Menſchen, da den Tieren zwar meift | dabei die Haut zerriſſen iſt, fo
derſelbe Sporteifer wie den Herren |reden wir von einer Quetſchung.
innewohnt, ihnen aber der Verftand
fehlt, um ſich vor drohenden Ge:
fahren zu ſchützen. Bei den meiften
größeren fportlichen Beranjtaltungen
3. B. bei Rennen ift es Daher Sitte,
dafür zu forgen, daß ein Veterinär
am Plage ift. Hier wird es alſo
leicht möglich fein, rechtzeitig ſach—
verftändige Hilfe zu erlangen;
anders jedoch bei denjenigen Ueb—
ungen, melde den Neiter oder
Fahrer allein in die Welt hinaus:
ſchicken. Bei allen Dauerritten, bei
jeder größeren Reitertour, bei Dauer:
fahrten, bei fajt allen Pferdeipielen,
jo beim Polo, wird es nicht mög:
fih fein in jedem einzelnen Falle
fofort veterinäre Hilfe zur Hand
zu haben.
Grade dieſe fportlichen Mebungen
find ja wichtige Vorbereitungen für
den Ernſtfall der Lundesverteidi-
gung, und hier heißt eg: „Selbſt
ift der Mann“. Auf dem Felde,
weit ab von menidhliden Woh—
nungen, auf der Jagd muß der
Reiter oder Fahrer in der Lage
jein, bei Bejchädigungen oder Er-
franfungen feines Tieres felbftändig
eingreifen zu fTönnen. Er muß
willen, was er zu tun hat bis es
gelingt, bei ernften Erkrankungen
einen Veterinär heranzuziehen.
Grade dieſe Fälle, bei denen fo-
fortige Hilfe unbedingt erforderlich)
iſt, ereignen fi) im Sportgebiete
außerordentlich häufig. Hier wird
oft durch unzweckmäßiges Eingreifen
fo fchwer gejündigt, daß es felbjt
dem tüchtigſten Veterinär nicht mehr
möglich ift, den Schaden wieder
gut zu machen.
125. Quetfchungen. Wird dur
irgend. eine ftumpfe Gewalt, Stoß,
Fall oder Schlag ein tiefer liegen
ver Teil des Pferdekörpers, 3. B.
Blutgefäße, Muskeln in dem Zus
fammenhange getrennt, ohne daR
Dabei fammelt fi) naturgemäß das
Blut in größeren oder geringeren
Mengen unter der Haut, und die
Stelle fängt an zu fchmellen.
Beſonders häufig treten dieſe
Quetſchungen da auf, wo der Sattel
oder das Geſchirr jeine Lage Bat.
Sie werden dann ald Sattel:
drud oder Geſchirrdruck be
zeichnet. Man bemerkt dann bald
nad dem Abfatteln eine mehr oder
minder große Anſchwellung, die zu:
weilen 5-Markſtückgröße und mehr
erreichen kann. Diefe Stelle ijt
vermehrt warm und trodnet daher
von dem nad dem Reiten meilt
naſſen Budel ſchneller ab, als die
andere Haut, zugleich zeigt das
Pferd beim Befühlen Schmerzen.
War ber Drud fehr lebhaft oder
Batte er längere Zeit gedauert, jo
fann auch wohl ein ganzes Stück
der Haut ausfallen. In der eigent-
lien Sattellage pflegen Die Schwel⸗
lungen hart und derb zu fein,
während fie nach der Gegend des
Miderriftes zu, mehr in Form einer
mit Flüffigkeit gefüllten Blafe auf-
treten. Leßtere enthält Häufig im
Anfange nur Blutmwaffer, jpäter
fann fie eitrig werden. Der Er:
öffnung folder frifhen Blutblafen
pflegen häufig langwierige Eite:
rungen zu folgen.
Auch in der Gurtlage, insbeſon⸗
dere an der Stelle, wo die Schnalle
figt, treten folde Quetſchungen als
„Scähnallendrüde, oder Schwellun
gen” auf.
Meift entjtehen diefe Drudichäden |
bei Pferden mit flachen Rippen, bei
jehr unruhigen zudelnden Zieren; |
bei Pferden, welche früher ftärfer
waren, und in leßterer Zeit abge:
magert find, ſo daB der Sattel
nicht genau paßt. Ebenſo werden
Thlecht verpaßte Sattel, unjaubere
oder ſchlecht aufgelegte Deren, Auf-
|
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II. 7. Rothilfe bei Unglücksfällen.
ro. 126.
liegen der Schnallen direlt auf dem | 3 Stunden abgenommen und er:
Pferdekörper Drud verurfacden. | neuert wird.
Endlich ift es befannt, daß Sattel-
drud dann leicht entjteht, wenn der
Reiter ermüdet ift und ſchief auf
dem Pferde hängt.
Da mo es möglich ift, wird man
ein ſolches Pferd außer Dienft
ftellen, 6i8 die Duetfhung abge-
heilt ift. Dies ift natürlich auf
Dauerritten und ähnlichen Veran-
lafjungen nit möglid. Hier wird
es fi) darum handeln, die Quet⸗
ihung jo bald ald möglich zur Hei-
lung zu bringen und die Urſache
zu befeitigen.
Zu dieſem Zwede verwenden wir
zunädft Fühlende Umſchläge. Da
man jedoch nicht genau weiß, ob
nicht feinere Stellen der Haut ver-
legt find, wird man dem Wajler,
mit meldem das Kühlen erfolgt,
etwas eſſigſaure Tonerde zufeten.
Das Kühlen ſelbſt erfolgt dann
durh Auflegen meißer, jauberer
Leinwandlappen, oder durch Riejeln.
Ganz unzweckmäßig ijt das oft ge⸗
übte Aufbinden von Steinen, Fla⸗
fhen, oder Raſenſtücken. Durch
erjtere wird die Haut leicht zum
Abſterben gebracht, durch letztere
Innen ſchwere Wundfrankheiten,
Eiterungen u. dgl. hervorgerufen
werden. Länger ald 24 Stunden
fol man nit fühlen, jondern es
wird dann zwedmäßig ein Prieß-
nitzſcher Umſchlag umgelegt. Zu
dem Zweck taucht man ein größeres
Stüd Leinwand in eine ſchwache
Löſung von effigfaurer Tonerde
oder einem anderen Wundmittel,
legt diejes auf das Pferd und dar-
über eine größere Dede oder Woy⸗
lad. Letzterer wird dann mit zwei
Dedgurten, je einen vor und hinter
der verlegten Stelle fo feft ange
zogen, daß Feine Luft an die
Duetfhung beranlommen Tann.
Sit der Umſchlag richtig gemacht,
jo dampft er no, wenn er nad)
Gleichzeitig ift es erforderlich,
den Sattel, die benugte Dede und
jo weiter, genau nachzuſehen, und
vorhandene Uebelftände abzujtellen.
Muß man meiter reiten, fo wird
man aus der Bolfterung des Sattels
diejenige Stelle herausjchneiden
lajjen, welche dem Drud entſpricht.
Nötigenfalg kann man auch unter
dem Sattel eine Strohmatte, Filz:
unterlage, oder dgl. anbringen und
die gequetichte Stelle durch Aus⸗
ſchneiden ſchützen.
Derſelbe Weg wird bei Gejdirr:
drüden eingefchlagen werden. Hier
handelt es fich beſonders um Duet-
fhungen de Kammed vor dem
Widerrift der beiden Schulterjeiten
und der Vorderbruft. Bei allen
Sattel- und Geſchirrdrücken, welche
nit in 2—3 Tagen bejeitigt find,
ift Dringend zu empfehlen, die Be-
bandlung dem Veterinär zu über:
lajien.
126. Wunden. Hat ein Körper
die Haut durdtrennt, jo erzeugt
er eine Wunde. Eine Wunde
ift alfo eine blutende Ber-
legung. Wir bemerfen bei der
jelben, glei nah) dem Entſtehen
die Blutung, den Schmerz und das
Auseinanderkflaffen der durdtrenn-
ten Zeile. Nah der Art ihres
Entfteheng unterſcheiden wir Stich»,
Schuß⸗, Schnitt:, Riß-, Biß-, Hieb-
und Quetſchwunden. Lebtere zeigen
die fchlechtefte Neigung zur Heilung.
Se nach der Tiefe der Wunden
unterfcheiden wir Haut-, Muskel—⸗
und Knochenwunden. Dabei nennen
wir Wunden, weldhe nur die ober:
flächlichſten Teile der Haut betreffen,
Abſchürfungen. Erftreden ſich die
Wunden big in die tieferen Höhlen
hinein (Brufthöhle, Bauchhöhle, Ge—
lenkhöhle), fo reden wir von durch:
dringenden Wunden. Sehr wichtia
ift es, die Wunde genau nad dem
ee —
I’
Nero. 126.
Dr. Goldbeck.
Sit zu unterfheiden. Befonders | vor dem Ahfterben geſchützt werden,
wenn der Tierarzt benachrichtigt | die Sporen.
werden fol, ift es von größter
Wichtigkeit, Diefem ganz genau
den Si und ben Umfang der
Munde angeben zu fünnen, da er
danach imftande ift, die erforder:
lihen Vorbereitungen (Auswahl der
Inſtrumente, Wurfzeug, Verband:
zeug) zu treffen. Berüdjichtigt man,
daß ſolche Berlegungen ſich oft an
ſolchen Orten ereignen, die vom
Wohnſitz des Arztes weit entfernt
find, wird ınan die Wichtigkeit dieſes
Umftandes leicht begreifen. Aber
aud für Die gefamte Pflege des
Pferdes ift es nötig, fi einen
Ueberblid über die einzelnen Gegen-
den dieſer Tiere zu befchaffen.
Die Gefährlichkeit der Wun—
den bängt in der Regel ab von
ihrer Größe und Tiefe, ſowie von
dem Sit. Sind widtige innere
Organe, Knochen, Nerven, Lunge,
Gehirn, Eingeweide, große Adern
ufw. verlegt, jo ift die Wunde
natürlich jehr viel gefährlicher, als
wenn einfahe Musfelmunden vor⸗
liegen. Stih und Schuß müſſen
deshalb als gefährlicher angeſehen
werden, weil man nie weiß, wohin
. der betreffende Kanal führt, und
weil die tiefer gelegenen Teile des
Stichkanals fi fehr ſchnell ver:
ſchieben. Auch können gerade in
jolden Stichwunden leicht abge-
brochene Teile des verlegenden
Körpers ſtecken geblieben fein.
Die Hauptgefahrjedodhliegt
in der Berunreinigung, welche
die Wunde dur das Eindringen
von Fremdkörpern, vor allen Dingen
aber durh das Eindringen der
Heinften, nur mit ftarfen Vergröße-
rungen jichtbaren Lebewefen, der
„Bakterien“ erleiden. Letztere fiten
an allen fih in der Natur befind-
lihen lebenden und toten Gegen:
ftänden. Häufig zeigen fie eine
bejondere Dauerform, bamit fie
Man kann dieje mit
dem Samen der Pflanze vergleichen.
Gelangen fie auf einen geeigneten
Nährboden, 3. B. in eine Wunde,
jo wachſen fie wieder zu Bakterien
aus. Sie vermehren fi) außer:
ordentlich, erzeugen ſchwere Gifte,
reizen die Wunde — es entjteht
Eiterung, Wundfieber, Starrframpf .
und andere jchmere Folgen.
Man fieht alfo, die Gefahr
jeder no fo kleinen Wunde
liegt in ihrer Berunreini
gung durch die Meinften Lebe:
weſen. Diejelben find fehr viel
ſchwerer zu entfernen, als die ein-
gedrungenen größeren Fremdkörper.
Eine folde Runde hat nun drei
Wege zu ihrer Heilung:
1. Durch direkte Vereinigung der
Wundränder ohne Eiterung. Hier:
bei verfleben die Ränder unmittel-
bar, es bildet fih nur eine kleine
Narbe. Diefe Heilung wird in
jedem Falle angeftrebt, kann aber
nur zuftande kommen, wenn die
MWundränder aneinander gebradt
werden fünnen, und die fo her:
geftellte Verbindung nicht wieder
duch Blut oder äußere Veranlaſſung
getrennt wird. Cine ſolche Wunde
muß in Ruhe gelafjen und vor
äußeren Schädlichkeiten geſchützt
bleiben, ſie muß rein ſein und darf
nicht verunreinigt werden.
2. Unter Bildung einer breiten
roten Narbe durch Eiterung.
Dieſe Wundheilung tritt ein, wenn
der Verſchluß nicht völlig gelingt,
oder wenn dieſer durch Blut oder
Wundflüſſigkeiten auseinander ge⸗
drängt wird, ſodann wenn die
Wunde nicht in Ruhe gelaſſen wird,
z. B. beim Gehen oder Stehen,
endlich wenn die Wunde nicht ge⸗
nügend gereinigt war, oder verun⸗
reinigt wurde.
3. Unter einem trockenen
Schorf. Derfelbe entfteht häufig,
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ıı Apotheten käuflihen Verbandftoffe
1
. anftreben.
. haben,
II. 7. Bothilfe bei Unglürksfällen.
wenn ed nicht möglich ift, die | benugen kann.
Munde verbunden zu halten. Da
wo die Wunde genügend gereinigt
ift, wird oft durch Brennen oder
Aetzen abfihtlih ein folder Schorf
erzeugt. Demgemäß darf ein trodener
Wundſchorf nicht abgefragt werden.
Unter demfelben heilt eine Wunde
meift wie unter einem Berbande.
127. Behandlung von Wunden.
Was baben wir zu tun,
wenn ein Pferd eine Wunde
erlitten bat und der Bes
terinärnidtzur Stelle ift?
Wir werden dann ftet3 eine
Heilung nad dem erjten Verfahren
Die Hände der Be-
handelnden werden durch Wajchen
mit warmem Seifenmwafjer und mit
einer der noch anzugebenden anti-
feptifchen Löfung gründlich gereinigt.
Sodann erfolgt die Reinigung der
Wunde des Tiered. Da die Pferde
an allen Körperftelen Haare
jo werden dieje zunächſt
und zwar noch ehe man die Wunde
wäſcht, abgefchnitten oder rafiert.
Se nad der Größe der Wunde hat
man einen Umkreis von zwei Fingern
big zu einer Handbreite von Haaren
zu befreien, jodann wird die Wunde
ſelbſt peinlichſt gejäubert. Dies ift
der allerfchwerfte Punkt. Es iſt
ſchon ſchwer in die Wunde nichts
Unreines hineinzubringen. — Man
darf alſo zur Säuberung keine ge-
braudten Schwämme, ſchmutzige
Zappen, die auf der Erde gelegen
haben, Scharpie die aus unjauberer
Leinwand hergejtellt ift, noch un⸗
reine Watte hierzu benutzen. Das⸗
felbe gilt von ſchmutzigen Fingern,
oder ſchmutzigen Inſtrumenten. So⸗
weit es die Gegenſtände vertragen,
werden fie am beiten vorher 5 bis
10 DWinuten lang in Waſſer ge-
kocht; dies gilt beſonders, wenn
man mit einfadher Leinwand ver:
binden muß und nicht die in den
Niro. 127.
Rah der erften
Säuberung, durch genügend Wafler
und Seife — gerade lettere iſt jehr
empfehlenswert, da fie die fettigen
Beitandteile der Pferdehaut auflöft
— töten wir die kleinſten Lebeweſen,
welche eingedrungen find, durch anti⸗
feptifche Mittel ab. Als jolche fom-
men für Pferde in Betradt: Kreo-
lin, Lyſol, Bazillol, Formaldehyd⸗
feifenlöfung Bengen, Karbolfäure,
ejfigfaure Tonerde, Hergejtellt aus
einem Gewichtsteil Alaun und zwei
Teilen Bleizuder. Bon all diejen
Mitteln genügt eg 1—1'/, Eßlöffel
in einer Flaſche mit 1 Liter Wafjer
zu löſen und damit die Wunde
gründlich auszujpülen. Jedes Mittel
hat feine Vorteile und jedes feine
Nachteile; für die erjte Behandlung
können fie aber alle angewendet
werden. Nur am Auge wirken fie
zu reizend. Hier nimmt man Bor:
ſäure, ein weißes Pulver, in der-
felben Stärfe, oder wenn dieſe
nicht zur Hand ift, einfach abge:
kochtes Waſſer.
Eins der beſten antiſeptiſchen
Mittel, aber außerordentlich giftig
bei innerem Gebrauch, alſo nur für
den chemiſch gebildeten verwend⸗
bar, iſt das Sublimat. Dasſelbe
wird in Form von feſten, ſehr
handlichen Paſtillen, mit je 1
Inhalt in den Handel gebracht und
gibt eine ſolche Paſtille mit 1 Liter
Waſſer ein vorzüglihes Wundheil-
mittel.
Bielfah wird nun grade bei
Notfällen keines der genannten
MWundmittel zur Stelle fein, da
muß man fih dann anders hel⸗
fen. Man benugt dann eine %-
fung aus Seife in abgekochtem
Waſſer, oder aber 1, Eplöffel
Aaun auf 1 Liter Waller. Faſt
in jedem Haushalt vorzufinden find
Ablohungen von Kaffee, ſowie
folde von Eichenrinde, die aber
nicht in eifernen Gefäßen eeent
5 — — —— nr
— —
Nro. 128.
Dr. Goldbeck.
werden dürfen und gut filtriert durchtränkt iſt, ſich verſchoben hat,
werden müſſen. Sehr günſtig wirkt wenn Fieber, ſtarke Schmerzhaftig⸗
Spiritus mit ?/, Waſſer verdünnt,
auch reiner Schnaps, im Notfalle
auch Rotwein.
Die fo gereinigten Wun—
den müffennun reinerhal-
ten werden. Zu dem Zweck
werden diefelben mit einem anti:
ſeptiſch zubereiteten Stoffe verbun-
den. Solche Stoffe erhält man in
den Apothefen vorrätig als präpa=
rierte Verbandmittel, Gaze, Mull,
Jute. Diefelben find meift mit
einem der obengenannten. antijep-
tifhen Mittel durchtränkt. Hat man
folche Verbandsſtoffe nicht zur Hand,
jo benugt man Xeinmand, die
möglihft vorher ausgekocht wird.
Wenn e3 irgend angängig iſt,
werden die Wunden verbunden.
Sitzen diefelben anden Gliedmaßen,
fo geht dies meift leicht, ſitzen fie
am oberen Körper, fo muß man
etwas erfinderifch fein, und bie
Leinwand durch BZujammennähen,
Bänder u. vergl. fo am Körper be-
feftigen, daß der Verband fißen
bfeibt. Am Huf benußt man be-
fondere Schuhe oder legt Splint-
verbände an (ſ. fpäter bei „Huf”).
Glaubt man, daß die Wunde ge-
reinigt ift, fo verbindet man am
beften ohne bejondere Streupulver.
Fürchtet man aber, daß noch Eiter:
erreger in der Wunde find, jo be=
ftreut man dieſelbe zunächſt mit
einem Wundftreupulver, von denen
ed eine große Anzahl gibt. Am
befannteften ift eine Zuſammen⸗
feßung von 1 Teil Sodoform, auf
4 Teile Gerbfäure oder 1 Teil
Dermatol auf 2 Teile Borſäure.
So lange als möglih läßt man
den Berband fiten, da Orund-
bedingung für daß Heilen
ver Wunden die möglidfte
Ruhe ift. Abgenommen werden
ſoll der Verband erft dann, wenn
er von Eiter, Sekret oder Schmuß
teit, oder Schwellung in ber Um:
gebung der Wunden auftreten.
Bei der großen Gefahr, melde
ſelbſt die Heinften Wunden für die
Tiere bieten, ift die Hinzuziehung
eines Veterinärs, ſobald al3 viele
möglich ift, Dringend zu empfehlen.
128. Blutungen. Das, ma?
den meilten Wenjchen bei der
Wunde befonder® gefährlich er-
jheint, die Blutung, pflegt beim
Pferde nur jelten große Gefahren
in ſich zu Schließen. Bei Aderläfjen
entnimmt der Arzt oft dem Pferde
einen halben Eimer und mehr Blut
abjichtlich aus der Halsvene. Solde
große Blutmengen werden bei zu-
fälligen Wunden, nur felten ver-
loren, die Blutung jteht in ber
Regel bald, und nur der Ume
ftand, daß das herabriefelnde Blut
mit dem Waſſer auf der Erde
fih mifht, und eine große rote
Fläche bildet, läßt in dem Zur
jhauer den Eindrud auflommen, |
daß höchſte Gefahr vorliege.
Diefen Verlauf der Selbftftilung —
nimmt die Blutung dann, wenn
das Blut aus der Wunde, wie aus
einem Schwamm herausrieſelt, wenn
alſo keine größeren Gefäße verletzt
find. Hier genügt die oben ange⸗
gebene Art der Behandlung in
jedem Falle auch zur Blutftilung.
Gefährlicher iſt es, wenn dunkel⸗
rotes, blauſchwarzes Blut, gleich⸗
mäßig aus einem größeren Gefäße
aus der Wunde herausquillt. Am
ſchlimmſten und zuweilen in ganz
kurzer Zeit tödlich ſind ſolche Ver⸗
letzungen, bei denen das Blut mit
hellroter Farbe und in ſtarkem
Strahl ſtoßweiſe (pulſierend) aus
der Wunde herausſpritzt. Es iſt
dann eine kleinere oder größere
Pulsader durchſchnitten, und ſolche
Verletzungen können zum Tode
durch Verblutung führen. Es heißt
II. 7. Bothilfe hei Unglürksfällen.
Niro. 129.
kr dann alfo unbedingt, die Blutung zuſammengebunden und angefeuch⸗
i ſofort ſtillen. Man verſucht durch
1 Drücken mit dem Finger, mit dem
ı Daumen, nötigenfal3 der ganzen
ns Hand, das biutende Gefäß zu-
», jammen zu fchließen. Durd Ver⸗
x ſuche muß man diejenige Stelle
„ feitjtellen, bei welcher das Gefäß
w nicht mehr jprigt, und hier einen
kräftigen Drud ausüben. Wenn
ed irgend geht, faßt man nicht mit
den Fingern in die Wunde. So-
dann kann man Poljter aus reiner
Leinwand, Werg, Jute oder Watte
auf die Wunde auftragen, und um:
m Tchnüren.
# _ Selbitredend wird man aud) hier-
;i bei nah Möglichkeit für abjolute
FReinlichkeit forgen, doch kommt in
„ erfter Linie die Blutitillung in
Frage. Man muß deshalb zuweilen
Gegenftände anmwenden, die nicht
ftreng desinfiziert, jondern nur ges
waſchen find.
Das herausquellende Blut wirkt
auf die Gegenftände ebenfall3 des⸗
infizierend. Man drüdt diefe Watte
ufmw. feft auf die Wunde und hält
„ fie mit den Händen oder den
* Fingern feſt. Die vollgeſaugten
‚„ Pfropfen darf man nicht entfernen,
„, jondern e8 werden immer neue auf-
„ gedrüdt. Gelingt auf dieſe Weiſe
— die Blutftilung noch nicht, fo verſucht
man mit Hilfe eines elaftifchen Gum⸗
miſchlauches oder eines elaftifchen
4 Hofenträgerd den höher gelegenen
Teil, 3. B. mit der Gliedmaße ab-
zuſchnüren. Hierbei muß der Gegen:
; ftand fo feit und wiederholt um⸗
, widelt werden, daß auch die Blut-
„ gefäße in der Tiefe zufammenge-
“ orüdt werden, ſonſt würde die
a Blutung nur beftiger auftreten.
Fehlt auch ein folder Hojenträger,
"fo nimmt man ftarlen Bindfaden,
' over eine leinene Binde, die jo
F sımgelegt wird, daß die nädjite
Wickeltour immer die vorhergehende
; pedt. Sodann wird die Schnur
tet, wodurch fie ſich noch meiter
zufammenzieht. Fehlt auch eine
Binde, jo kann ein einfaches
Tuch an ihre Stelle treten. Man
fnotet es zufammen, fchiebt einen
Knebel (Hol, Stod, Schlüfjel,
Mefjer, Säbel) dazwifchen und dreht
den Knebel jo lange herum, bis die
Blutung geftilt ift.
Ale chemiſchen Blutſtillungs⸗
mittel (Eiſenchlorid, Alaun, Eiſen⸗
vitriol) ſind zu vermeiden, da ſie
die Wunde ſtark reizen und die
Heilung verzögern. Auch die An—⸗
wendung mander fog. Hausmittel,
z. B. der leider noch immer be⸗
nutzten Spinngewebe, führt häufig
zu fchwerer Verunreinigung der
Wunde. Gelingt die Stillung der
Blutung auf feine andere Weife,
fo nimmt man zweckmäßig ein weiß⸗
glühendes Eifen und hält dies feſt
auf die biutende Stelle. In diefer
Form werden 3.8. die Blutungen
beim Kupieren des Schweifes ge-
ftilt und ift das Brennen bei wei-
tem nicht fo fchmerzhaft, als das
Aetzen mit hemilhen Mitteln.
Bor allen Dingen heilen unter
dem trodenen Wundfchorfe Die
Wunden vorzüglid.
129. Wunden an bejonderen
Stellen. Einige Wunden erfordern
wegen der Körperitellen, an denen
fie fiten, bejondere Mapregeln.
1. Wunden der Gelente.
Ale Gelenftwunden find ala jehr
ſchwere Berlegungen anzujehen, auch
wenn fie ganz klein find. Sie ent-
ftehen meift durch Berlegungen mit
ſcharfen Stollen, durch Stechen mit
Heugabeln und dergl., auch durch
Sturz. Gelentwunden find ſtets
dann anzunehmen, wenn die Ber-
legungen ihren Si in der Nähe
der Gelenfe haben, und find be:
wiefen, wenn aus den Gelenten
Hare, fadenziehende Gelenkſchmiere
abfließt. Hier heißt es, jede un-
meins Ve
= - 2... —
Nro. 129.
Dr. Goldbeck.
nütze Berührung der Wunde und | welcher nur von der Maulſchleim⸗
jede Bewegung des Pferdes ver:
meiden. Die Wunde ift eiligit zu
. besinfizieren und fofort zu verbin-
den. Läßt fich ein Verband nit
anlegen, jo muß fo lange mit einem
Nundmwaffer gefäubert werden, big
ärztliche Hilfe zur Hand ift.
2. Wunden der Sehnen.
Wunden der Sehnen und Sehnen-
ſcheiden entjtehen beſonders durch
Zerſchneiden, Treten in einen ſchar—
fen Gegenftand, Stih oder Auf-
ſchlagen auf ſcharfen Kanten. Sie
gehören zu den ſchweren Ber:
legungen und laſſen ſich fat ſtets
verbinden. Das beliebte Einftellen
des Fußes in Waffer ift ſehr fehler-
baft, und Daher zu unterlafjen.
3. Wundender Augen. Die
Wunden der Augen betreffen ent:
weder die Schugorgane oder ben
Augapfel felbft. Sehr Häufig ent:
ftehen Verlegungen des Auges da⸗
durch, daß fih Tiere in der Nacht
den Halfter abftreifen. Zur Ber-
meidung dieſer Untugend gibt eg
eine zweckmäßig konſtruierte Vorrich⸗
tung, welche von der tierärztlichen
Snftrumentenfabrif, Hauptner,
Berlin NW, Luiſenſtraße 56 ge-
liefert wird. Bei der Empfindlich-
teit des Auges müſſen alle die
reizenden desinfizierenden Mittel
bei der Reinigung vermieden wer⸗
ven. Man bringt über dag Auge
durh Feftnähen am Stirnriemen
der Halfter einen fauberen Leinen:
lappen an und fühlt die Wunde
mit gelochtem Waffer. Lehterem
wird zwedmäßig fo viel Borfäure
zugejeßt, Daß immer noch ein Boden
fa des weißen Pulver in der
Flaſche liegen bleibt.
4. Wunden in der Maul:
höhle. Sn der Maulhöhle werden
nicht jelten die Kinnlade, die Zunge,
der Gaumen, die Lippen oder Backen
verlegt. Als Laden bezeichnen wir
den oberen Rand des Unterkiefers,
haut bedeckt ift. Hier entjteht zu:
weilen durch Drud des Gebiſſes,
beſonders bei plötzlichen Paraden
(Ruck mit dem Zügel), zu ſtraff ge⸗
legter Kinnkette oder ſchlecht paſ⸗
ſendem Gebiß eine Verletzung. Die
Wunde iſt mit reinem Waſſer, dem
etwas Eſſig zugeſetzt wird, mehr⸗
mals zu ſäubern, das Gebiß ſorg⸗
fältig zu verpaffen und nötigenfalls
höher oder tiefer zu legen, Bei
alten Berfegungen im Maule muß
den Tieren Wafler nad) Belieben
zur Berfügung geftellt werden, da⸗
mit fie fich ſelbſt das Maul fort:
während reinigen können.
5. Wunden des Hufes. Beim
Beichneiden des Hufes zum Zwed
des Beichlagend, werden zumeilen
oberflächliche Verlegungen (Durch⸗
fchneiden) erzeugt. Meift genügt
es, den Huf zu reinigen, die Wunde
mit Holzteer zu beftreihen. Nur in
ſchweren Fällen ift ein Verband
erforderlihd. In letzteren Fällen
wird naturgemäß ftetS der Bete:
rinär zu Rate zu ziehen fein.
Die häufigfte Veranlafjung zum
A =
jeldfttätigen Eingreifen des Reiter? _
oder Fahrers geben die VBerlegungen
des Hufes, hervorgerufen durdy Ein: | |
treten von Fremdförpern (Nagel:
tritt). Beſonders häufig find es
Radnägel mit breiten Köpfen, melde
bei den Pferden eingetreten werben.
Die Tiere lahmen dabei ftarf und
forgfältige Unterfuhung des Hufe
läßt den Fremdkörper bald er-
fennen. Sede ſolche Verlegung ift
wegen der Gefahr des Starrframpfes
als gefährlich zu betrachten. Am
größten ift die Gefahr, wenn der
Nagel hinter der Strahlipige ein-
gebrungen war, da hier die Huf-
beinbeugejehne und das Hufgelenk
dicht über dem Horn liegen. Natur-
gemäß wird die Gefahr um Jo
größer, je tiefer der Nagel einge-
drungen ift.
zz re
c—
a
Bra —7*
=
aa Re z—serÄr nn Br 3B *
II. 7. Bothilfe bei Unglürksfällen.
Die Hilfeleiftung hat in der Ent-
fernung des Fremdkörpers zu be-
ftehen, wobei man forgfältig darauf
achtet, daß nicht ein Teil desjelben
in der Wunde zurücbleibt. So—
dann wird der Huf gründlich ge:
reinigt, mit Waſſer und Seife, der
Stichfanal etwas erweitert und ein
Bad in einen halben Eimer Wund⸗
wafjer gegeben. Sofern e3 möglich
ift, wird der Huf nunmehr ver-
bunden und über den Verband ein
Schuh angelegt. Muß weiter ge⸗
ritten werben, jo wird auf die
wunde Stelle etwas Berband-
material gelegt, und dieſes durch
zwei über Kreuz gelegte, biegjame
Hölzer, welche zwiſchen Huf und
Eifen gehoben werden (Splint-
verband) befejtigt. Auch Tann man
durch einen Blechdedel, der mit
einer Naſe am vorderen Teil unter
das Eifen gefhoben wird und am
hinteren Teil mit Hilfe der Schraub-
ftolen angefchraubt wird, einen
feften Verband berftellen, der es
gestattet, daS Pferd weiter zu be=
nügen.
Zumeilen wird in der Schmiede,
befonders bei zu ſtarkem Bejchneiden
der Hufe, ſowie bei brödlichen
Hufen ein Nagel, anftatt in das
MWandhorn in die Fleifchteile des
Hufes Hineingejagt. Wird Diefer
Nagel ſofort entfernt, fo find üble
Folgen damit nicht verfnüpft. Man
hat dann aber ftet3 dafür zu forgen,
Daß in der Nähe fein anderer
Nagel gefchlagen wird, fonjt ent-
ftehen meift nadteilige und lang:
Dauernde Folgen.
Durch Auftreten des Hufeiſens
des einen Hufe auf den andern
entjtehen, beſonders im Winter,
wenn Scharfe Stollen vorhanden
find, gefährlihe Verletzungen an
der Krone des Hufes (Kronentritt).
Diefelben erfordern forgfältige
Reinigung und Verband.
130. Lahmheit. Als Lahmheit
Nro. 130—131.
bezeichnen wir denjenigen Zuſtand
einer Gliedmaße, bei dem dieſelbe
durch irgend eine Erkrankung in
ihrer freien Benutzung gehindert
iſt. Meiſt empfinden die Tiere
Schmerzen und ſuchen die Belaſtung
abzukürzen. Sit die Lahmheit hoch⸗
gradig, ſo wird der erkrankte Fuß
entweder gar nicht aufgeſetzt oder
nach vorn geſtellt. Läßt man das
Pferd im Trabe vorführen, ſo tritt
es mit dem lahmen Fuß weniger
ſtark auf, auf den geſunden ſtärker.
Man hört lup, dup, lup, dup.
Der ſchwächere Ton rührt dann
alſo von dem erkrankten Fuße her.
Hierbei darf man aber nur die
gleichnamigen Beine, entweder
Vorderbeine oder Hinterbeine be⸗
trachten. Auch dann iſt die
Erkennung des Sitzes der
Lahmheit nicht in jedem
Falle leicht. Sind nicht deut-
liche Verletzungen (Wunde, Nagel⸗
tritt) als Urſache der Lahmheit
feſtzuſtellen, ſo überlaſſe man
die Behandlung ſtets dem
Veterinär. Dies iſt um ſo
zweckmäßiger, da die erſte Behand-
lung in jedem Yale in Ruhe be-
ftehen muß. Bleibt dag Pferd bis
zum Eintreffen des Tierarztes ruhig
im Stalle ftehen, fo ift damit meijt
für die Behandlung mehr getan,
als wenn es an irgend einer Stelle,
die oft gar nicht der Sit der Lahm⸗
heit ift, gefühlt wird, oder gar das
Tier zu einem meit entfernten
Bache oder Fluß geführt wird. Hat
der Arzt ein bejtimmtes Gelent
oder Sehne als erfrantt feitgeftellt,
und verordnet Kühlen desſelben,
fo erfolgt das legtere da, wo Stal-
lungen mit fejtem Unterboden vor⸗
handen find, am beſten im Stalle
jfelbft, weil bier die Tiere am
rubigiten ftehen bleiben.
131. Knochenbrüche. Eine plötz⸗
lihe Trennung des Zufammenhanga
des Knochens bezeichnen wir al?
ur. rn —
Top. a en: he er
Nero. 132.
Bruch. Die Urfaden find meijt
äußere Gewalten (Stoß, Schlag,
heftiges Parieren, Sprung). Es
kann der Knochen in feinem ganzen
Zufammenbange durchbrechen, oder
er kann wie ein Topf einen Sprung
(Fiffur) erhalten. Wer das Bild
des Anochenftelettes fih gut ein
prägt, wird meift imjtande fein,
durch Bewegung der unteren Slied-
maſſe feftzuftellen, um welche Anos |
hen es fih handelt.
Die Tiere feßen in der Regel
den gebrochenen Fuß gar nicht auf,
fondern halten ihn frei in der Luft.
Meiſt erſcheint er kürzer als Die
gefunden Gliedmaßen und läßt man
das untere Ende von einem Ge-
hilfen aufheben, fo bemerkt man
an der gebrochenen Stelle ein
knirſchendes Geräufch, das beſonders
gut beim Auflegen der Hand ver:
jpürt wird.
Es gibt Zerreißungen von Sehnen,
die fehr wohl heilen können, und
vollftändig das Bild eines Knochen:
bruches vortäufhen. Wenn aljo
der Bruch nicht ganz ficher feitge-
ftellt wird, fei man mit dem Urteil
vorfichtig. Leider ift bei der Körper:
ſchwere der Pferde der Bruch von
Knochen meift das ZTodesurteil für
das Pferd. Wo ed alfo möglich
ift, laſſe man das Tier ruhig ftehen
und Hole ſobald als möglich den
Veterinär herbei. Dies kann um fo
ruhiger gejchehen, ald die Tiere
in den erſten Stunden fo gut
wie gar feine Schmerzen zeigen;
fie verzehren vorgelegtes Futter mit
größten Appetit. Dasſelbe Ber:
fahren gilt auch dann, wenn der
Bruch oder Sprung eined Knochens
nur vermutet wird. Grade in leh-
teren Fällen trägt unbedingte Ruhe
zur Heilung außerordentlich viel bei.
Iſt natürlid der Knochenbruch
fiher feftgeftellt, liegen 3. B. die
gebrochenen Knochenenden frei, fo
bleibt nicht8 anderes übrig, al3 dag
Dr. Goldbechk.
Zier zu töten. Da Pferde immer:
bin noch einen gewifſen Schlacht:
wert haben, fo liegt es im Intereſſe
der Allgemeinheit, ſolche Tiere dem
Schlächter zu überliefern.
132. Kolik. Als Kolik bezeich⸗
nen wir eine Reihe von krankhaften
Zuſtänden, bei denen die Tiere als
Haupterſcheinungen Schmerzen im
Bereiche der Bauchhoͤhle zeigen.
Die Tiere ſind unruhig, ſcharren,
ſehen ſich nach dem Bauche um,
ſchlagen nach demſelben, ſie ſtrecken
den Körper, legen ſich nieder,
ſpringen auf, legen ſich auf den
Rücken oder verſuchen ſich zu mwälzen. -
Dabei verfagen fie die Aufnahme
von Futter und Wafjer, drängen
auf den Kot, zumeilen auch auf den
Horn. Im leßteren Falle nehmen
die Vferdepfleger meift irrtümlich
an, daß die Pferde nicht ftallen .
fönnen. Jede, auch die leid -
tefte Kolik, Tann in ihrem
weiterenBerlaufezumTode
führen. Es gibt feine andere |
Krankheit beim Pferde, welche jr |
viele Berlufte aufweiſt, als grade '
die Kolif. Deshalb wird man be
ſonders bei wertvollen Pferden, um
die es fich beim Sport meift handelt,
in jedem Falle von Kolik den
Veterinär hinzuziehen. Bis
zum Eintreffen desſelben wird das
Tier in die friſche Luft geführt
Grade diefe wirft bei der Kolil ı
wie bei allen inneren Erfrantunger
außerordentlih heilend. Zuden
wird durch die ruhige Bewegun—
des Tieres die Tätigfeit de Darmel
angeregt, und das Pferd daran ge
hindert, ſich rückſichtslos niederzu
werfen. Sodann läßt man dit
beiven Bauchwände kräftig mil
Strohwiſchen reiben, 20 big 30
Minuten lang. Befteht feine Kot
oder Gasentleerung, jo wird dei
Bauch von zwei Leuten, anftatt zu
reiben, gedrückt. Die beiden av
beiten jo, als ob fie jich mit ihren
3.8
=
AFTER R
EEE en
I. 7. Boihilfe bei Unglürksfällen.
Fäuften dur den Bauch des Pfer-
des hindurch die Hand reichen
wollten. Endli legt man eine
feuchte Komprefje um den Baud).
Es wird ein Sad in einen Eimer
falten Waſſers getaucht, und jo
ausgerungen, daB er eben noch
feucht if. Der Sad wird auf
einen Woilach gelegt und fommt
derart um den Bauch des Pferdes,
daß ein luftdichter Abſchluß erfolgt.
Durch Dedgurte am vorderen und
hinteren Ende des Umifchlages
wird das Ganze feitgehalten.
133. Borbeuge innerer Er:
frantungen. Eine große Anzahl
von inneren Erkrankungen des
Pferdes lafjen fich durch forgfältige
Pflege dieſes Tiere vermeiden.
Insbeſondere gehört dazu die Ber-
wendung nur guten Futters, guten
Strohes, Negelmäßigfeit in der
Fütterung, gute Lüftung des
Nero. 133.
Stalles. Grade in le&terer Hin-
fiht wird meift viel gejündigt.
Die Pferde find Lufitiere, und
werden dur den Aufenthalt in zu
warmen Stallungen, über 10 Grad,
derart verweichlicht, daß fie den
Anftrengungen des Sportes nicht
mehr gemadjen find. Endlich ift als
ein wichtiges Mittel zur Vorbeuge
vieler Erkrankungen (Kolik, Hitz⸗
ſchlag) das regelmäßige und reich-
liche Tränken der Pferde zu nennen.
Wenn auch die Tiere von Wafler
in ſehr verſchiedener Weife Ge-
brauch maden, jo fehlt ihnen doch
die Eigentümlichkeit des Menjchen,
dag Trinken im Uebermaß zu be-
treiben. Durch Verabreichen von
Waſſer zur beliebigen Aufnahme,
durch Gelegenheit zum Saufen bei
der Arbeit, Tann man deshalb
viele Berlufte an wertvollem Pferde⸗
material vermeiden.
ERFERTERFEFERRTELTRIE REIT Tr TEE T Te
Il. Der Alpinismus.
Von
Alfred Steinitzer, Major a. D., München.
(Mit Driginalgeihnungen von Carl Moos : Planegg.)
„Sn Die Berge!” ruft ein jeber,
Miündlich teils, teil mit der Feder.
Und es iſt aud wirklich fo.
Dort erft wird man frei und froh!
(Fliegende Blätter.)
1. Der moderne Alpinismus, Pygiene und Pbylio-
logie, Bekleidung und Husrüftung, Allgemein-
Touriftilche
Alpinismus und Bod-
touriltik,
134. Vom modernen Alpinis-
mus. Die antiten Bölfer, das ge-
famte Mittelalter und noch ein
großer Teil der Neuzeit ſtanden
dem Hochgebirge fremd, ja feind-
felig gegenüber. Allerdings treffen
wir auch einige Ausnahmen, Dante
und Betrarca werden vom Baus
ber der Gebirgswelt geftreift und
in den Zeichnungen Leonardo
da Bincis befundet fi ein be=
wunderungsmwürdiges Gefühl für
die Bergformen. Die beiden
Schweizer Naturforfher K. Geßner
und Scheuchzer bezeugten ein
lebhaftes Intereſſe an den Schön
heiten der fie umgebenden Hoch⸗
alpen und Haller Pidtung
„Die Alpen“ fand froß ihres
trodenen und lehrhaften Tones
mächtigen Widerhall bei feinen Zeit:
genoſſen.
Grundlätze.
|
Der erfte aber ift Jean Jacı Ä
.
ques Roufjeau, der nicht nur
die Empfänglichkeit für die Schön:
beit und Erhabenheit des Hoch—
gebirges befitt, fondern fie aud
mit flammender Begeifterung ver
fündet; an die Stelle jcheuen,
furchterfüllten Anſtaunens tritt bei
ihm die äſthetiſche Würdi—
gung Mit dem Eintritt der
wiflenfhaftliden Beobachtung wird
das ftürmifche Naturempfinden bei
Goethe zum bewußten Ge;
nießen; der Gedanke der Ent:
widelung, eine der größten Taten
ſeheriſchen Menfchengeiftes und
forfchender Wiſſenſchaft zeigt dem
Menſchen feine ewige Heimftätte in
der Natur, im Kosmos.
Etwa in der Mitte des vorigen
Jahrhunderts tritt als neues Ele:
ment die Hochtouriſtik Hinzu,
die „körperliche Betätigung des
Menſchen im Hochgebirge und deren
Rückwirkung auf das feelifche Emp⸗
ın
|
|
be
m
II. Der Alpinismus.
Nro. 134.
finden“. Sie findet ihre Wurzeln | feren und Gipfelfreffer beißen.
in dem unabweisbaren Bedürfnijle | Leiftung, Schwierigkeit und Gefahr
des modernen Menſchen, die bes | find großenteils fubjektive Begriffe
engenden Feſſeln der Zivilifation
zeitweife abzuftreifen, um die brach⸗
gelegten Kräfte und gebundenen
Snitinkte im Kampfe mit der Natur
zu betätigen.
Es ift dies das ſportliche
Moment, „mit dem die geiſtige
Bewegung, die mit Rouſſeau
begann, ihr letztes und bezeichnend⸗
ſtes Merkmal empfängt; ſie wird
zu der Erſcheinung, wie wir ſie in
der Gegenwart ſehen und der wir
als Geſamtheit mit allen ihren
Nebenwirkungen den Namen Al⸗
pinismus beilegten.“ (Hegen-
auer.)
Durd die Entwidelung des Ber:
kehrsweſens, die Erſchließung der
Gebirgswelt durd die Weg- und
Hüttenbauten der alpinen Vereine
u. dgl. hat der Alpinigmus einen
noch vor einigen Sahrzehnten un⸗
geahnten Aufſchwung genommen,
fo daß die Kenntnig der Alpen
heutzutage zu einem Inventar un
ſeres allgemeinen Bildungsjchages
gemorden ift.
Die Bedeutung des Alpinismus
anderen Sporten gegenüber liegt
in der Bereinigung des äfthes
tifhen Genießend, des bemußten
Naturerfenneng mit der rein ſport⸗
lichen Betätigung. Dazu fommt noch
die ethifche Seite, denn fein Sport
fordert in gleihem Umfang ruhige
Ueberlegung und rafchen Entfchluß,
entfagende Selbjtüberwindung ,
ftandhaftes Ertragen von Entbeh-
rungen und ausdauernde Tatfraft,
fowie aufopferungsvolle Hilfäbereit-
Tchaft gegen den Kameraden. End-
lich tritt beim Alpinismug das Mo-
ment des Wettbewerbs zurüd, der
Rekord verſchwindet, der Gewinn ift
ein rein idealer. Das letztere gilt
für alle, mögen fie nun Jochfinken
und Bergbummler oder Sletter:
und deshalb ift Geringihätung auf
der einen Seite ebenſowenig am
Plage, wie auf der anderen Ber:
ftändnislofigfeit denen gegenüber,
die ihre Ziele höher ſtecken. Die
Liebe zu den Bergen vereint aud)
die Ertremften und jeder empfindet
in feiner Weife die Freuden des
Sieger3.
Etwas anderes iſt's um die
Gegner des Alpinigmus.
Der Alpinift geht feine eigenen
Pfade, er bietet den Mitmenfchen
fein Schaufpiel wie andere Sporte.
Bei diejen ift der Laie wenigſtens
Zujdauer, er fennt die Elemente,
wenn auch nur oberflädlid, und
findet dabei für ſich felbft Unter:
haltung. Nicht jo beim Alpinis⸗
mus und deshalb hat er mehr und
erbitterte Feinde, als jeder andere
Sport. Müßiggänger und Denf:
faule find es zumeift, welche feine
Kulturmacht nicht erfajlen können;
auf ſolche iſt das Wort gemünzt:
„Du gleichſt dem Geift, den du be⸗
greifft.“
Ich darf hier bemerfen, daß
ih im Hinblid auf den Zweck des
Buches und den zur Berfügung
ftehenden Raum im nachfolgenden
dasjenige eingehender behandeln
zu müſſen glaubte, was mir für den
angehenden Bergfteiger zu
wiflen als vordringlihd erichien.
Deshalb mußte die alpine Ted:
nit verhältnismäßig furz
gefaßt werden, da ihre Be—
herrſchung erſt von dem verlangt
werden kann, der wenigſtens mittel:
fhwere Touren führerlos zu
unternehmen imftande ift, aljo fchon
einige Erfahrung befitt. Für mid
fonnte es fich alfo nur darım han
deln, einen allgemeinen Leber:
blic über das geſamte Gebiet zu
geben, das die Hochtouriftif umfaßt,
Nero. 135.
fowie auf diejenigen Fragen und |. Tſchudi,
Verhältniſſe Hinzumeifen, die der
Hodtourift Ternen und beberrichen
muß.
135. Zur Entwidelung der
Hochtouriſtik. Die Alpen find er:
ſchloſſen, was noch Neues geleiftet
werden kann, hat nur mehr aus⸗
ſchließlich ſportliche Bedeutung. Die
Begründer der Hochtouriſtik hatten
es nicht ſo leicht, wie die ihnen
techniſch allerdings weit überlegenen
Bergſteiger von heutzutage. Für
ſie galt es noch zu entdecken und
das Entdeckte feſtzuhalten, auf un⸗
bekannten Pfaden ohne die Er—
leichterung hochgelegener Schlaf⸗
plätze eine fremde, noch feindliche
Welt zu erobern. Schon um an
den Ausgangspunkt der eigentlichen
Beſteigung zu gelangen, um die
Fülle von Unverſtändnis und
Widerſtänden zu beſiegen, die ſich
jedem hochalpinen Unternehmen
entgegenſtellten, war meiſtens mehr
Willensſtärke, Zähigkeit und Bes
geiſterung vonnöten, als heutzutage
zu mehrwöchigen Bergfahrten. Es
ziemt den Epigonen, die in der
Bewältigung einer mit dem ſtolzen
Ausdrucke „alpines Problem“ be-
zeichneten Variante echten alpinen
Lorbeer zu erringen glauben, in
Ehrfurcht und Dankbarkeit jener
Männer zu gedenken, die uns
neue Ziele wieſen und die Wege
ebneten.
Die erſten bedeutenden und bahn⸗
brechenden Gebirgsexpeditionen wa⸗
ren die Beſteigung des Montblanc
durch Sauffure 1.3.1787 und
des Großglockners i. 3. 1800, die
durch den Fürftbifhof Graf Salm
ing Werk gejegt wurde. Die ei-
gentlihe Wiege der Hochtouriſtik
it die Schweiz, unter den älteren
Schweizer Gebirgsforichern find be⸗
fonder8 zu nemen 9. Chrijt,
General Dufour, M. Ulrid,
D. Heer, ©. Studer, F. und
Alfred Steiniker.
% J. Weilen-
mann und €. Savell. Eine
befondere Förderung nad der rein
ſportlichen Seite erfuhr der Alpi-
nismus durch die Engländer, die
fih hauptſächlich in den Weftalpen
betätigten; unter ihnen find als
die hervorragendften J. Ball,
VB.M. Conway, W.A.B.Coo-
lidge, C. T. Dent, D.W. Fres⸗
field, E. ©. Kennedy, A. F.
Mummery, L. Stephens,
F. F. Tuckett, J. Tyndall
und E. Whymper zu verzeichnen.
In den Oſtalpen eröffnen V.
Stanig und P. K. Thurwieſer
den Reigen, ihnen folgen Fried—⸗
ri Fürft Schwarzenberg,
A. v. Ruthner, J. A. Spedt,
. 8% BWeilenmann, 9. v.
arth, 3. v. Bayer, K.Hof—⸗
mann, J. Stüdl, $. Senn,
P. Grohmann. Unter den neue:
ren Vertretern find u.a.: v. Hecht,
P. Güßfeld, M. v. Dedy,
E Richter, K. Schulz, T.
Harpprecht und A. Madlener
zu nennen.
Die Bahnbrecher des modernſten
Alpinismus im beſten Sinne des
Wortes ſind L. Purtſcheller
und die Gebrüder Zſigmondy.
Ihnen war das führerloſe Gehen
Ideal; harmoniſch verbindet ſich in
ihnen die Begeiſterung für die
ewige Schönheit des Hochgebirges
mit dem rein ſportlichen Element
kühnſten Wagens. Die jüngſte
Schule der Alpiniſten betont nahe⸗
zu ausſchließlich das letztere, es
ſind die alpinen Stürmer, die vor
keiner Schwierigkeit zurückſchrecken;
ſelbſtverſtändlich gehen ſie führer⸗
los und ſchlagen mit ihren Lei⸗
ſtungen die beſten Führer. Von
den alpinen und noch mehr von
den anderen Philiſtern angefeindet,
muß man doch anerkennen, daß
auch ihrem Handeln ein rein ide⸗
aler Zug zugrunde liegt, ein in
„zu veuTre _S.. EWR _ 5: gg:
UI. Der Alpintsmus.
unferer materiellen Zeit nicht hoch
genug zu jhätendes Moment. Für
fie gilt dag Dichterwort: „Und
ſetzet Ihr nicht das Leben ein, nie
wird Eud dag Leben gewonnen
fein.” Die Alpiniften älterer Ge:
neration, die da nicht mehr „mit
tun“ können, dürfen fie immerhin
beneiden. Daß in den letten Sahr-
zehnten auch dag ſchwächere Ge-
Schlecht fi den Bergen gegenüber
ſtark erwies, bezeugen die Namen
Jeanne Jmmint, Hermine
Tauſcher, Beatrice Tomaſ—
fon, Louiſe v. Chelminski,
Zenzi v. Fider, Jlona und
Rolanda v. Eötvös u. a.
Hygiene, Geſundheitsſtö-
rungen, Leiftungsfäbigkeit.
136. Zur Hygiene und Phy:
fiofogie. Was in Abjchnitt I. über
die hygieniſche Bedeutung des
Sport8 im allgemeinen gejagt
murde, trifft für den Alpinismus
in erhöhtem Maße zu.
Prof. Zung faßt die Wirkungen
des Sports in folgendem Sate
zujammen: „Wir erreidhen durch
die fportlihde Tätigfeit und ſpe⸗
ziell durch Ausübung des
Bergiports ein Anwachſen un:
ſerer Körpermugfulatur, eine Stär⸗
fung des Herzens und der Lunge,
eine Uebung des Nervenfyftems und
eine Stählung und Stärkung un:
ferer pſychiſchen Funktionen.” Das
Bergiteigen ift demnach (nach Prof.
Örtel) als eine Bewegungskur
anzuſehen, bei der durch intenfive
Arbeitsleiftung vornehmlich Herz:
muskel- und reſpiratoriſche Gym⸗
naſtik getrieben wird. Durch die
ſtarke Schweißabſonderung wird
der Körper bedeutend entwäſſert,
unter der Einwirkung des Höhen:
klimas — deſſen Einfluß auf den
gefamten Organismus des Berg:
fteiger8 in den Werfen der Pros
Nro. 136—137.
fefloren Moſſo und Zung eine
Haffifhe Darftelung erfahren hat
— die Blutbildung gejteigert und
eine befjere Ernährung aller Kör:
perorgane bewirkt. Durch Die
Tätigkeit der Bein, Arm: und
Bruftmugfeln ſowie die erhöhte
Herztätigfeit wird die Blutzirfu-
lation verbeflert, dur Anregung
jämtliher Ausſcheidungsvorgänge
und Steigerung de3 Verbrennung?-
prozeſſes, d. h. des Stoffwechſels
wird der Appetit gehoben.
Durch die anhaltende geiſtige
Ruhe erholt ſich das Nervenſyſtem,
ed wird umgeſtimmt und neu ge-
ſtärkt.
So kann man mit vollem Recht
behaupten, daß eine mehrwöchige
Bergtour den ganzen Organismus
regeneriert und die körperliche Wi⸗
derſtandsfähigkeit und die geiſtige
Spannkraft gegen künftige Anfor⸗
derungen ſtärkt.
137. Die häufigſten Störungen
in Wohlbefinden und Geſundheit.
Der häufigſte, das Wohlbefinden
und damit die Leiſtungsfähigkeit
beeinträchtigende Zuſtand iſt die
Uebermüdung. Sie entſteht da—
durch, daß in den Muskeln durch
große Anſtrengungen Ermüdungs⸗
gifte gebildet und vom Blut auf:
genommen werden. Mit größerer
Höhe wächſt die Bildung der Er—⸗
müdungstorine infolge des Sauer:
ftoffmangeld. Hand in Hand mit
der Webermüdung geht das Nach—
laffen der geiftigen Spanntraft und
der Willendenergie, das ſich bis
zur völligen Lethargie fteigern kann.
Der Uebermüdung kann dadurd
vorgebeugt werden, daß man ans
fänglih einige Kleinere Touren
unternimmt und entjprechende Rait=
tage einlegt, bi ſich der Organis—
mus an die phyfifhen Anftrengun:
gen gewöhnt und dem Höhenklima
angepaßt bat. Hat man ich ven:
noch übermüdet, was auch dem
Niro. 137.
I—————
Alfred Steinihher.
trainierten Bergſteiger nach ſehr | Momente; die Tour fol deshalb
anftrengenden Tourenzuftoßen kann,
fo ift e8 notwendig, fi gründlich
auszuruhen, bis die Leiftungsfähig-
feit wieder normal it.
Verdauungßftörungen
fegen die körperliche Leiftungs:
fähigkeit jehr herab. Am häufig-
jten iſt die Urſache das Trinken
von zu vielem und zu falten Waſſer;
oft werden fie auch Durch äußerliche
Berfältung hervorgerufen. Nach
großen Anjtrengungen ift ſchwere
Nahrung, indbefondere Fleiſch, nicht
befömmlih; erſt wenn ſich der
Körper wieder erholt hat, ſoll man
ihm eine ergiebige Mahlzeit zu—
muten. Leichter Tee, heiße Limo⸗
nade, Suppe, weiche Eier, Ome—
lette mit Marmelade u. dgl. find
unmittelbar nad) Beendigung einer
großen Tour am bekömmlichſten.
Die Bergfranfheit tritt bei
einzelnen ſchon in 3000 m Höhe, bei
andern erft von 4000-5000 m ein.
Sie hat ihre Urſache in dem Sauer:
ftoffmangel der dünneren Luft-
Schichten, die allgemeinen Sym-
ptome find Mattigfeit, die fich bis
zum völligen Verfagen der Musteln
fteigern Tann, Kopfichmerz, Herz-
Hopfen und Atmungsbeſchwerden,
Abneigung gegen Nahrung, Nebel-
feiten bis zum Erbrechen, allges
meine Apatbhie. Diefe Erjcheinungen
treten bei förperlicher Anftrengung,
alfo beim Bergfteigen, in geringerer
Höhe und intenfiver auf, als wenn
man paſſiv in die Höhe gelangt.
Sm Luftballon werden deshalb weit
größere Höhen ohne Befchwerden
erfragen.
Nachdem als mitwirkfende Ur:
ſache die ftarfe Förperliche Anftreng-
ung bedeutungsvoll ijt, fo iſt bei
Touren, die in großeHöhe führen, ein
vorausgehendes Training in mittle=
ren Höhen erforderlid. Ermüdung,
unzureichende Nachtruhe und mangel⸗
hafte Ernährung ſind disponierende
ausgeruht angetreten werden, für
genügende und zweckmäßige Nah:
rung iſt zu ſorgen. Tiefes Atem⸗
holen, das die Sauerſtoffzufuhr zu
den Lungen ſteigert, beugen dem
Eintritt vor. Belebende Mittel, wie
Kognak, Hoffmannſche Tropfen, Kola
können für kurze Zeit Erleichterung
ſchaffen; wenn die Beſchwerden zu
intenſiv werden, erübrigt nichts als
in niedrigere Höhenlagen abzu—
jteigen.
Sonnen: und Gletjder:
brand entjtehen burd die ftärfere
Sntenfität der chemiſchen Licht:
jtrahfen in größerer Höhe. Die
Symptome find Rötung und‘
Schwellen der Haut, die fich in der
Folge ablöft, Bildung von juden-
den Bläschen; bei hochgradigem
Sonnenbrand tritt jchmerzhafte
Entzündung ein, die von ftarfem
Fieber begleitet ift. Am Jeichteften
treten dieſe Erfcheinungen bei friſch⸗
gefallenem Schnee auf, weil dieſer
das Licht am intenfivften reflel-
tiert.
Grundfäglih find Geficht und
Hände vor Antritt einer Schnee:
oder Eistour nicht zu waschen, am
wenigjten mit Seife, die das eigene
Hautfett aus den Voren entfernt.
Ein guter Schuß tft, die Haut, und
zwar alle unbededten Teile, mit
einer ſchwer ſchmelzbaren Fettſchicht
(Ichtyollanolin, Zinkſalbe) zu be:
decken; Paulke empfiehlt Dr. H.
Lorenz's Gletſcherſalbe beſonders.
Nach der Entzündung hilft Ein-
reiben mit fetter Milch, die einen
fühlenden Einfluß ausübt, Damen
jhügen fi außerdem durd einen
Schleier (grün ift am beiten), der
jedoch andererfeitS den Nachteil
hat, die Erhigung zu fteigern.
Schneeblindheit wird durd
die Reflerwirkung des Schnees auf
die Augen erzeugt, fie tritt indeſſen
auch bei diffufem Licht, felbft bei
HE ren. Pe
II. Der Alpinismus.
Nro. 138.
Nebel auf. Den einzigen Schuß | anftrengung auch längere Zeit hin-
gewährt eine Schneebrille von rauch⸗
grauer Farbe; für große Eis- und
Schneetouren nehme man dunlle
Gläfer. Kalte Umfchläge lindern
den Schmerz, Schuß der erkrankten
Augen vor jeder Lichteinwirkung
und die Heranziehung eines Arztes
bei bochgradiger Schneeblinpheit
find unbedingt nötig.
Um dad Wundlaufen der
Füße zu vermeiden, ift die erjte
Bedingung Reinlichfeit. Laue oder
falte Fußbäder find marmen vor:
juziehen, da lettere die Oberhaut
zu jehr erweihen und empfindlich
maden. Nah dem Bad ift der
Fuß ordentlich zu frottieren. Wunde
Stellen werden am beiten mit
Zinkſalbe beftriden; an der be—
treffenden Stelle einen Leinenfled
einzunähen, der das Eintrodnen
der Salbe in den Soden verhin-
dert, ift praktiſch. Gegen Schweiß:
füße Hilft das Salizyl-Fußitreu-
pulver; zur Verhütung des Wolfes
wird Zink⸗ oder Gletſcherſalbe vers
mendet.
Erfrieren. Scmwerere Yälle
werden im Abſchnitt XV beſpro⸗
hen; fie werden, wenn in bezug
auf Kleidung die erforderlichen
Borfihtsmaßregeln getroffen find,
nur als Folge von Unglüds-
fällen eintreten. Leichtes Erfrieren
der Füße, Hände, Ohren bejteht in
bloßer Erftarrung und Abgeftorben-
fein; die erfrorenen Körperteile
werden weiß und gefühllos, die
Haut wird runzelig. Die betroffe-
nen Glieder dürfen nur langjam
eine höhere Temperatur erlangen;
Reiben mit Schnee ift das beite
Mittel durch die folgende Reaktion
Die normale Empfindung herzu⸗
ftelen, deren Eintritt fi durch
ein ftart pridelndes Gefühl und
Rötung ankündigt.
138. Leiftungsfähigfeit. Ein ge-
übter Bergfteiger kann ohne Ueber-
durch jeden Tag gehen. Cine
durchſchnittliche Marjchleiftung von
7—10 Stunden und die Bemälti:
gung eines Höhenunterjchied3 von
1500 m genügt, um in den Oft:
alpen die weitaus meiſten Hoch—
touren auszuführen. Ungünſtiges
Wetter erzwingt ohnedem zur rechten
Zeit auch unwillkommene Raſttage.
In den Weſtalpen iſt es wegen
der größeren Höhenunterſchiede
kaum möglich, mehr als alle zwei
Tage einen Gipfel zu beſteigen.
Einmalige Leiſtungen können we:
ſentlich größer ausfallen als Dauer⸗
leiſtungen; bei Beginn einer Reihe
von Bergtouren ſoll man mit einer
nicht zu anſtrengenden Tour an⸗
fangen und dann einen Raſttag
einſchieben, denn auch der rüſtigſte
Menſch bedarf einiger Tage der
Uebung, ehe er zu großen Leiſtungen
fähig iſt.
Was die Steigegeſchwin—
digkeit anlangt, ſo gilt als Regel,
daß man auf Saummegen und Fuß:
fteigen in der Stunde 400 m Höhen⸗
differenz zurüdlegt. Bei Touren,
bei denen der Aufitieg 5—8 Stun-
den dauert, ift e8 empfehlengmwert,
nicht mehr al3 300 m zurüdzulegen.
Auf Schneehängen wird man bei
guter Schneebejchaffenheit 250 bis
300 m rechnen dürfen. Bei großen
Höhen von über 4000 m wird fidh
die Marichgefchwindigleit im Ber:
hältnis zum abnehmenden Luftdrucke
verlangjamen.
Durch Schlecht verbradte Nächte
oder Biwaks wird die Leiftungs:
fähigkeit nicht unweſentlich herab:
gejegt, ebenfo durch Schneewaten
und Steigen in loſem Geröll.
Klettertouren ftrengen erfahrung®:
gemäß weniger an als Gletjcher:
touren, weil die Muskulatur viel-
feitiger in Anfpruh genommen
wird und fie auch meiſt mehr Ab-
wechslung bieten. Großen Einfluß
Niro. 139-141. Alfred Steiniker.
auf die Leiftungsfähigteit hat end: | Korpulenz neigt, Tann mit Vorteil
lid dag Gewicht des mitgeführten | vor Antritt feiner bergfteigerifchen
Gepäcks. Tätigkeit ein paar Dampfbäder
139. Training. Ein eigentlich nehmen, um den Körper etwas zu
ſportliches Training (wie z. B. beim entwäſſern; hierdurch wird Das
Ruderſport) iſt beim Bergſteigen übermäßige Tranſpirieren bei den
ſchon deshalb nicht nötig, weil der erſten Touren erſpart.
Vergleich der Leiſtungen, die Er: 140. Raſttage. Wenn der Abend
zielung des „Rekords“ wegfällt. ſchönes Wetter verſpricht, und der
„Jemand, der im allgemeinen nach Gedanke, früh aufſtehen zu müſſen,
den Regeln der Hygiene lebt, ein gelindes Grauen erweckt, fo iſt
braucht fic) deshalb feiner bejon= | man müde, fei e8 körperlich oder
deren Trainierung für Alpentouren auch geiftig unter der Wucht der
zu unterziehen; andererfeit3S aber empfangenen Eindrüde. Wer Die
dürfen jene, die ihr Beruf zuhaufe Hochgebirgdnatur genießen will,
beftändig zu einer ſitzenden Lebens— | zwingt fich dann nicht zu der Tour,
weiſe zwingt ... ſich nicht einbil- jondern fchaltet einen Rafttag ein,
den, daß eine einzige Uebungstour | ehe er dur‘) Ermüdung die Genuß-
allein genüge, um die Wirkungen ' freudigfeit völlig einbüßt. Sie
einer acht- bis zehnmonatlichen fommt aud) nad) den größten An-
alpinen Untätigfeit aufzuheben.”
(Dent.) Es iſt demnach, je nad)
der förperlihen „Kondition“, ein
mehr oder weniger langſames Vor—⸗
gehen in den Anforderungen, die
man fi) zumutet, zu beobaditen.
„Man muß vor allem wieder Tritt:
fiherheit geminnen, die Gejamt-
musfulatur und dag Nervenſyſtem
müffen erft wieder leicht zufammen-
jpielen.” (Baulfe) Wer aus
geringer Seehöhe fommt, braucht
auch einige Tage, bis ſich der Or⸗
ganismus an das Höhenflima ge—
wöhnt. Nach wenigen Tagen der
Uebung wird der Energieverbraud)
bei der gleichen Yeiltung bis auf
50%, berabgejegt, wie Zung bei
jeinen Verſuchen ziffernmäßig fon-
jtatieren fonnte; daraus geht um—
gefehrt hervor, daß man nad) eini-
gen Uebungstagen mit der gleichen
Anjtrengung doppelt fo weit kom—
men fann.
Ein richtiger Alpinift wird aud
dann, wenn ſich ihm während des
Sahres feine Gelegenheit zu Berg-
touren bietet, durch irgend welche
Uebungen feinem Körper die Elafti-
zität zu erhalten fuden. Wer zu
ftrengungen fpätejtend am zweiten
Tag wieder. Die fportlide Selbit-
überwindung beſteht darin, das
angefangene, ſoweit vernünftig
möglich, durchzuſetzen, aber nicht in
förperlich und geijtig mindermwerti-
ger Berfaflung neues zu beginnen.
Körper und Geift haben ein Recht
auf Ruhe, und nervöſes Heben
Ichließt von vornherein jeden wirk⸗
liden Genuß aus.
Ernährung.
141. Ernährung und Berpro-
viantierung. Die Ernährungsfrage
ift beim alpinen Sport im Ber:
gleih mit anderen Sporten bes»
halb von bejonderer Wichtigkeit,
weil erfterer ſchon an und für fich
eine Reihe länger dauernder kör—
perliher Anftrengungen erfordert.
Wer nur eine Bergtour unter:
nimmt, wird wenig NRüdficht zu
nehmen haben; wer hingegen meh—
tere hintereinander durchführen will,
muß darauf bedacht fein, feine
Leiftungsfähigfeit dauernd zu
erhalten, |
Die Anforderungen, die an die
way 3
AR TRXın.
. I
—
*
II. Der Alpinismus.
Niro. 141.
Nahrung des Bergfteigers geftellt kann, viel wichtiger ift als Fleifch-
werden müflen, find: Ausgiebig⸗
feit und leichte Berdaulid-
keit. Bezüglich erjterer ift zu be⸗
merten, daß der arbeitende Musfel
Fett und Kohlehydrate benötigt,
die Koft des Bergfteiger8 alfo an
diejen beiden reicher fein muß, als
bei gewöhnlicher Tätigkeit. Wenn
einerjeit8 Fett bei Höhenwan⸗
derungen, namentlid bei Kälte,
in weſentlich größerer Menge ver-
tragen wird, ald im Rubhezuftand,
fo macht andererſeits, vornehmlich
bei Beginn der Tourenfaifon, Die
größere körperliche Anftrengung den
Magen weniger leiftungsfähig, weil
ihm durch die Muskelarbeit ein
beträchtlicher Teil feiner Blutzufuhr
entzonen wird. Bon vielen wird
deshalb Fett nicht gut vertragen
und muß durd erhöhte Aufnahme
von Kohlehydraten erjegt werden.
Durh die Bemwirtichaftung bez.
Berproviantierung der Hütten ift
in den Dftalpen eine rationelle
Ernährung heutzutage jehr er:
leichtert ; in den Weftalpen ift die
Schwierigkeit deshalb größer, weil
die Hütten meift nicht verprovian-
tiert find und deshalb die Nahrung
bei größeren Unternehmungen für
einige Tage mitgeführt werben
muß. Die Frage wird alfo erft
dann jchwierig, wenn es fih um
den Tourenproviant handelt.
Die Gefihtspuntte find biefür
wie folgt, gegeben: Höchſter Nähr⸗
wert bei geringjtem Gewicht (d. i.
möglihft geringem Waffergehalt)
fomwie ein Bolumen, das zur Stillung
bes Hungers genügt, alfo den Darm
ausreichend fült. Weiter ift zu
beachten, daß die Zufammenfegung
der Nahrung den großen An:
forderungen an die Arbeitsleiftung
der Muskeln entiprehen muß, daß
aljo eine fett- und kohlehydratreiche
Koft, wobei das Fett auch teilweife
durch Kohlehydrate vertreten fein
foft. So ftellt fi die Frage nad)
der zweckmäßigſten Zufammen-
fegung als ein reine8 Rechen:
erempel der Ernährungsphyfiolo-
gie dar.
Es ift nicht möglich in Einzel:
heiten weiter einzutreten und muß
bier genügen, wenn die Auswahl
der Lebensmittel kurz beiprochen
wird, die ſich auf Grund der obigen
Forderungen ergibt. Vielleicht ift
es nicht überflüffig zu bemerken,
daß die praktiſchen Konfjequenzen
der theoretifchen Erwägungen (na-
mentlih was den Nährwert und
die Befömmlichkeit des Zuders an⸗
langt) vom Berfaffer im Berlaufe
einer mehrere Jahrzehnte langen
bergfteigerifchen Tätigkeit erprobt
wurden und er fich dabei ſtets
fehr wohl befunden bat.
Brot ift zurFüllung ded Darmes
(Stillung des Vagushungers) un⸗
entbehrlich. Fleiſchpains in
Dofen, event. Mettwurſt, find
auf Brot geftrihen ſchmackhaft und
ausgiebig, erregen feinen Durft,
(namentlich die erfteren), find ſehr
fettreih und können für mehrere
Tage jede andere Fleiſchnahrung
erſetzen.
Als Fett kommt außer dem in
den Konſerven und der Schokolade
enthaltenen eigentlichnur Butter,
Käſe und Speck (möglichſt wenig
geſalzen!) in Betracht. Butter und
Speck erleichtern den Genuß des
Brotes, das ſie mit ihm zugleich
genoſſen ſchmackhaft machen; Speck
iſt außerdem in kleine Würfel ge—
ſchnitten als Einlage in Erbswurſt
und Reisfuppevorzüglid.Schinfen
ift nur zu empfehlen, wenn er
wenig geräuchert bezm. geſalzen iſt;
die meift ftarl gewürzte Salami
wird von vielen nicht gut ver-
tragen, während der Zonr macht
fie Durſt. Sehr nahrhaft und
mohlihmedend find ferner Sar-
Neo. 142.
dinen, Tunfifh und Lad 8
in Büchlen.
Bon Suppenkonſerven find
Erbswurſt- und NReigfuppe, die ein
jehr glückliches Verhältnis von Ei:
weiß, Fett und Kohlehydrate re-
präfentieren, die bejten. Bei Ber:
proviantierung für einige Tage
ziehe ic) rohen Reis wegen feines
geringeren Gewichtes und reicheren
Gehalte® an Kohlehydraten vor;
mit wenig Waſſer als Rifotto ge=
focht, fann er durch Zugabe von
Spedmwürfeln, Scinten, Mett-
wurſt 2c. ſehr ſchmackhaft gemacht
werden. Schokolade iſt wegen
ihres Nährgehaltes an Fett und
Zucker jederzeit außerordentlich
wertvoll, Frühſtücksbiskuits
und Kakes kommen wohl als die
einzige „Jüße Speiſe“ in Betracht
und bilden bejonders zum erften
Frühſtück eine wertvolle Zugabe.
Borzüglich find ferner, wegen ihrer
erfrifhenden Wirfung und Des
Zudergehalteg, Zruhtmarme:
laden, die jet in Tuben in den
Handel gebracht werden. Der hohe
Bedarf an Kohlehypdraten
wird? vor und während der
Zour am beiten durch Zuder ge—
jtillt, namentlich auf größeren Tou-
ren, wo jedes Gramm wertvoll
ift, das man nicht zu tragen ge—
nötigt iſt. Guter Würfelzuder be—
jteht zu 99,8°%/, aus Kohlehydrat,
Gewicht und Nährwert find alfo
identisch. Er wirkt anregend auf
das Nervenjyftem und wird ohne
Derdauungsarbeit ſehr raſch affi-
miliert, Bei vorübergehender Er:
müdung genügen 50—100 g (10
bi8 20 Stück) um innerhalb einiger
Minuten wieder frilch zu fein. Bei
ftarfen Touren werden big zu 500g
gut vertragen. Bedingung ift, daß
er in Waſſer, Tee 2c. gelöft ge-
nommen mird.
142. Setränfe. Sch befenne mich
von vornherein als ein entjchiedener
Alfred Steiniker.
Gegner des Alkohols während .
und vor Antritt der Tour, auıch |
des Abends vorher. Die Schäd⸗
lichkeit des Alkoholgenuffes unter :
gewöhnlichen PBerhältnifien wird |
verjchieden gewertet ; ganz einwanid=
frei erhärtet aber ift die Tatjache, |
daß er nit im ftande tft, eine |
Steigerung der Leiftungsfähigkeit !
zu bewirken, es jei denn ganz vor= :
übergehend, bei momentanen Er—
Ihöpfungszuftänden. Hier dient
er dann ald Peitſche, deren‘:
Wirkung beineuerlicher Anftrengung
bald verjagt.
Die beiten Getränke find Tee;
und Kaffee, die zudem mäßig
anregend wirlten und Limonade,
die den Durft am beiten jtillt ; alle
drei Getränfe find, foweit fie
während der Tour genommen
werden, ſtark mit Zuder zu ver-
fegen. Limonade hat den Vorzug,
daß fie jederzeit mittelft Zitronen-
fäure oder Baftillen frijch hergeftellt
werden Tann, wo fih nur Waſſer
findet. Die von der Firma %. Kath-
reinerd Nachf. neuerdingd in den
Handel gebrachte Teekonſerve, Turi“
Löft fich gleichfalls in kaltem Waſſer.
Nah Zuſatz von Zuder, Zitro-
nenfäure 2c. fann auch Schnee- und
Gletſcherwaſſer ohne Nadteil ge:
trunfen werben.
Sm allgemeinen bat man id
während der Tour davor zu hüten,
mehr zu trinken ald unbedingt zur
Stillung des Durſtes nötig ift. Zu
viele8 Trinten erhöht nur Die
Tranfpiration, macht fchlapp, ftört
die Verdauung und erzeugt leicht
Magenkatarrhe. Das Durftgefühl
wird vermindert durch Frucht:
drops ꝛc.; läßt man zugleich ein
Stückchen Eis oder Schnee auf der
Zunge vergehen, jo bat man den
Genuß eines Fruchtgefrorenen, ein |
bei vielftündigen Gletſcherwande⸗
rungen außerordentlich erquickendes
Mittel.
un
Heberjchreiten einer Randfluft.
(Zu Nro. 185.)
III. Der Alpinismus. ro. 143—145.
143. Anregungsmittel. Hier fön- | zu einer Hütte. In letzterem Falle
nen nur die Kolapräparate interef | empfiehlt es fih namentlich auf
fieren, die in verfchiedenen Formen : Fleifchkoft in größerem Umfang
in den Handel gebracht merden. | zu verzihten, weil dieſe eine
Am meiften zu empfehlen find Kola= ; längere Berdauungsarbeit verlangt.
tropfen, von denen eine Dofig von | Unridtig ift ed, am Morgen
8-15 Tropfen ausgezeichneteDienite | mit leerem Magen aufzubrechen ;
tut. Indeſſen ift ihre Wirfung, wie ‚am längiten hält ſtark gezuderter
die des Alkohols, nur ald Peitiche ; Kakao oder Schofolade mit Milch
anzufehen; fie ift weit fräftiger vor. Sit lettere nicht erhältlich,
und nachhaltiger als bei legterem, fo tut man gut zum Tee viel
aber die ſchädlichen Folgen find , Zuder, Kakes, Schokolade, Butter-
bei fortgejegtem Gebraud) dauern= | brot u. dergl. zu nehmen.
der. Sie fünnen deshalb nur als
Arzneimittel gebraucht werden, alſo Eignung.
bei plößliden Schmwädezuftänden
oder allenfall® noch wo es gilt, zur 145. Welche Eigenſchaften ver:
legten Anftrengung zu fpornen; langt das Bergfteigen? Die
ein dauernder Gebrauch würde ſich | Frage ift natürlich nur vom Stand-
dur
bitter rächen. Hier ift es am Plate,
der viel verbreiteten Anfchauung
entgegenzutreten, daß man ſich
durh den Alfoholgenuß erwärmen
könne. Allerdings erzeugen Kognak,
Schnaps u. dergl. ein augenblid-
liches Wärmegefühl in der Speije-
röhre und im Magen; unter dem
Einfluß des Alkohols werden aber
die Blutgefäße der Haut ermeitert,
und durch den Temperaturaus-
gleich gegenüber der umgebenden
fälteren Luft tritt ein MWärmever-
luft ein. Thermometermefjungen
haben tatfächlich ergeben, daß nach
Altoholzufuhr felbit in nur Heinen
Mengen die Körpertemperatur im
Snnern abnimmt.
144. Einteilung der Mahlzei-
ten. Zur Verdauung einer größeren
Mahlzeit beanſpruchen die Ber:
dauungsorgane fo viel Blut, daß
die arbeitenden Muskeln nicht ge-
nügend verforgt werden. Deshalb
fol man während der Tour öfter? |
Heinere Mahlzeiten nehmen und
die Hauptmahlzeit auch da auf den
Abend verlegen, wo man Gelegen:
heit hätte, fie untertags einzuneh-
men, wie 3. B. vor dem Aufitieg
Schädigung des Herzens | punkt des Hocdhtouriften aus geftellt
und fol aud in diefem Sinne be
antwortet werden. Denn gelegent:
lih einen bequemen Ausfichtäberg
wie den Wendeljtein oder den Rigi
befteigen, Tann jchließlich jeder, der
nicht frank oder gebrechlich ift.
Die Eigenſchaften, die von einem
Bergfteiger gefordert werden müfjen,
find förperliher, geiftiger und
moraliiher Art; fie beruhen auf
natürliher Anlage, können aber
durh ſachgemäße Webung und
Selbjterziehung wejentlich gefteigert
werden.
Das erfte Erfordernis ift völlige
förperlidhe Gefundheit und
zähbe Ausdauer im Ertragen
von Strapazen und zwar in er:
höhterem Maße wie bei allen andern
Sporten, denn eine angefangene
Bergtour läßt fih nicht fo leicht
unterbrechen, wie 3. B. eine Rad:
tour und elementare Creignifje
tönnen auch bei einer relativ leid):
ten Befteigung unvorhergejehene
Schmierigkeiten fchaffen, die ein
außerordentlihe8 Maß von Zähig-
feit und Ausdauer erfordern, joll
es nicht zu einer SKatajtrophe
fommen. Daraus —— daß
Nro. 146.
ſchwächliche oder gar kranke Menjcen | |
ungeeignet find ; insbejondere ſollen
Herzkranke,
ſchwere Rheumatiker und Gichtiker,
Nierenkranke und Leute mit Lungen—
emphyſem keine Hochtouren unter—
nehmen.
Körperliche Kraft und Ausdauer
ſind etwas gänzlich verſchiedenes;
ſehr häufig ermüden Leute ra ih, |
die im ftande find, ftaunenswerte
furze Mugfelleiftungen zu volle
bringen. Umgefehrt finden mir
oft bei wenig fräftigen Menichen
eine zähe Ausdauer, wofür u. a.
die bergfteigenden Tamen ein Bei:
jpiel bieten. In zweiter Linie iſt Ge—
wandtheiterforderlich; der Berg-
fteiger muß einen gefchärften Muskel—
finn bejigen, um injtinktiv jederzeit
die jwedmäßigftendemegungen ( aus⸗
führen zu können. In dritter Linie
wäre das Maß körperlicher Kraft
zu nennen, das zum Klettern,
Seilgebrauch und Stufenſchlagen
gehört.
Weiters ſind noch gute Augen,
namentlich für den Leiter einer
Expedition und für Alleingeher ein
unbedingtes Erfordernis. Bei Regen,
Schneetreiben, Dämmerung und
Nebel verſagt die Brille und auch
unter gewöhnlichen Verhältniſſen
beeinträchtigt ſie den weiten Ueber—
blick und die unmittelbare Orien—
tierung.
Schließlich muß der Hochtouriſt
abjolut ſchwindelfrei ſein; auch
nur einigermaßen ſchwierige Touren
werden durch das Schwindelgefühl
ausgeſchloſſen. Indeſſen laſſen ſich
leichtere Grade von Schwindel durch
Energie und Gewöhnung über—
winden.
An geiſtigen und moraliſchen
Eigenſchaften ſind notwendig: ſtarker
Wille (Energie), ſcharfe Be—
o bachtungsgabe und Mut.
Namentlich iſt Energie zum Berg—
mäß die
‚ist.
müſſen
Alfred Steinitzer.
lich als bei andern Sporten, da die
Dauer der Anſtrengungen und der
— Blutarme, Verzicht auf die gewohnten Bequem—
lichkeiten ein weitaus größerer iſt.
Wer nur mit Führern geht,
ſeien es Berufsführer oder führende
Alpiniſten, für den ſind naturge—
erwähnten körperlichen
Eigenſchaften im allgemeinen wich—
tiger als die geiſtigen.
Z3ſigmondy ſagt: „Bon einem
Anfänger verlange ich nichts als
Ausdauer und einen gewiſſen Grad
von Entſchloſſenheit, damit er ſich,
am Seile gehalten, eine ſchwierigere
Stelle zu bewältigen getraut und
Unterordnung unter die Befehle des⸗
jenigen, der reichere Erfahrung be—
Das ſind die einzigen Er—
forderniſſe, alles andere eignet er ſich
erſt im Laufe der Zeit an.“ Ein ganz
ungeheurer Vorteil liegt deshalb
darin, früh anzufangen und zwar
unter Leitung erfahrener Alpiniſten,
denn die Jugend iſt eindrucks- und
aufnahmefähiger, wie das reifere
Alter, und der jugendliche Taten:
drang Spornt zur höchſten An-
fpannung der Willengenergie. Die
alpine Schulung, die der Anfänger
3. B. in den afademifchen Sektionen
des D. und O. Alpenvereind ge—
nießt, kann als vorbildlich bezeichnet
werden. Aber auch jede ſportliche
Betätigung auf anderweitigen Ge—
bieten wird dem Alpiniſten in irgend
welcher Richtung zugute kommen.
146. Ueberlegung und Vor—
ſicht. Das Korrelat zum Mut
ſind Ueberlegung und Vorſicht. Vor
jeder hochalpinen Unternehmung
iſt abzuſchätzen, ob man dem Kampfe
mit den Naturkräften auch gewachſen
iſt; die Gefahren, die in der Perſon
und im Objekt begründet ſind,
wohl abgeſchätzt werden.
„Mut beſteht nicht darin, daß man
die Gefahr blind überſieht, ſondern
dab man fie ſehend überwindet.“
jteigen in höherem Maße erforder: ı (Jean Paul.) Unter Umftänden
III. Der Alpinismus.
Nro. 147—148.
darf man ſich nicht ſcheuen eine Terrain, ſondern auch Beurteilung
begonnene Tour abzubrechen; es
gehört manchmal mehr Mut dazu als
Geſchlagener heimzukehren, als
weiter zu gehen. Als Grundſatz
muß aufgeſtellt werden, daß der
Bergſteiger mit allen techniſchen
Hilfsmitteln verſehen iſt, die das
Rüſtzeug des alpinen Kampfes ſind;
ein Unglücksfall, der ſich infolge
ungenügender Ausrüſtung ereignet,
iſt ſelbſtverſchuldeter Leichtſinn.
Purtſcheller ſagt: „Wir
wiſſen aus eigener Erfahrung, daß
bei großen gefährlichen Touren die
Zahl der ſchwarzen und weißen
Kugeln gleich groß iſt.“ Und
F. Eckardt ſetzt hinzu: „Mehrt
ſich die Zahl der ſchwarzen Kugeln
fo, daß auf viele ſchwarze nur eine
weiße fommt, danır erfcheint ein
ſolches Unternehmen nicht mehr als
Kampf, jondern als Lotterie und
verliert damit völlig den jportlichen
Charalter. Wejen (Kampf, nit
Lotterie) und Zweck (leiblide und
aeiftige Erholung) des alpinen
Sports müfjfen als oberſtes Geſetz
für den Bergſteiger maßgebend
bleiben.“
147 .Orientierung.Drientierungs=
gabe ift eine angeborene Eigen-
ſchaft, wer fie nicht. befit, wird fie
auch durch Hebung nie in hervor:
ragendem Maße erwerben. Außer
der Anlage ift natürlid noch Er⸗
fahrung nötig. „Der Bergiteiger darf
nit nur oberflädhlich fehen,
er darf nicht nur allgemeine Ein:
drüde von Farben, Formen 2c.
empfangen; er muß jtet3 jcharf
beobadten, d. 5. mit Verſtand
fehen, ſich rafch über das Gejehene
Rehenjhaft geben und fofort
die richtigen Schlüſſe ziehen.
E3 haben viele Menſchen gute
Augen, aber nur wenige haben ge-
lernt damit zu fehen.” (Baulfe.)
Zur Orientierung gehört nicht nur
die allgemeine Weberfiht über dag
der Schnee= und Gletſcherbeſchaffen⸗
heit, Lawinengefahr, der Eigen:
ſchaften des Gefteing, der möglichen
Anftiegslinien, Kartenlefen, Ber:
gleich bezw. Webertragung der Lite:
raturangaben auf die Wirklichteit 2c.,
fowie der Gebrauh von Kompaß
und Aneroid. Ein gutes Mittel fich
zu üben ift für Anfänger, wo tun:
lih, voraugzugehen, wenn man
falſch geht fi vom Führer durd
Zuruf leiten zu lafjen und fich dabei
jedesmal klar zu maden, warum
man von der richtigen oder befjeren
Route abgewichen iſt. Wer dem
Führer nur blind nachſimpelt, er⸗
wirbt nie auch die nur für leichte
Touren erforderliche Drientierungs:
fähigfeit.
Das richtige und gewandte Lejen
von Karten in größeren Maßftäben,
wie fie der Bergfteiger benötigt,
fann nur durch Uebung erworben
werden. Das Lefen der Situation
ift ja leiht, größere Schmwierig-
feiten bietet jedoch die Kenntnis
und richtige Beurteilung des Ge:
ländes. Abgejehen von der genauen
Kenntnis der Signaturen der Ge:
ländedarftelung (Uequidiftanten,
Schraffen, Schummerung) iſt es
notwendig, durch häufige Vergleiche
der Karte mit dem dargeſtellten
Terrain ſich eine derartige Uebung
zu erwerben, daß man einerſeits
imſtande iſt, ſich auf Grund der
Karte das Terrain plaſtiſch vorzu⸗
ſtellen, andererſeits jederzeit auf
der Karte genau angeben kann, an
welchem Punkt man ſich befindet.
Bekleidung und Ausrültung.
148. Beffeidung. „Omnia mca
mecum porto“ ijt die für den Hod)=
touriften gebotene Devije. Unab—
hängigfeit vom Koffer für mehrere
Zage, Anpaffung der Bekleidung
für extreme TQemperaturmechiel,
— —
ED nn rn an —
m irn — — — — —
—— *
—
ro. 148.
Mitführung der notwendigen tech—
nifhen Hilfsmittel bei tunlichjter
Gewichtsbeſchränkung find die all:
gemeinen Gefichtspunfte. In den
Einzelheiten ift für Gefhmad und
perſönliche Bedürfniffe ein Spiel-
raum gegeben und deshalb können
abfolut bindende Vorſchriften, na—
mentlih was die Bekleidung ans»
langt, nicht aufgeftellt werden.
Kleidung. Am beiten eignet
fih gemufterter Cheviot aus reiner
Wolle und nicht zu ſchwerer Qualität.
(Segen die Kälte kann man id
durch Unterkleider ſchützen, nicht
aber gegen die Hiße.:: Die Farbe
jol jo gemählt werden, daß fie gegen
Flecken und dergl. möglidjt uns
empfindlich ijt.
fehnlich. Die fertig gefauften An:
züge find im allgemeinen in Stoff
und Arbeit von minderer Qualität.
Wer wochenlang auf einen Anzug
angewiefen ijt, für den genügt nur
das Beite. ALS Zoppenfchnitt ift der
gewöhnliche Saffo vorzuziehen; die
Länge ſoll fo bemejjen fein, daß
fie ven Unterleib ſchützt; die Weite
muß geftatten, eine Aermelweſte
unterzuziehen. Die verfchtedenen
Faffons von Faltenjoppen, wie jte
jest gebräuchlich, find wegen des
größeren Gewichtes zu verwerfen. |
Kragen und Aermel müſſen zum
Schließen, die Taſchen zum Zu—
knöpfen mittelft Klappen eingerichtet
eit,
Bei der Hofe, nur Pumphoſe
oder Breaches fommen tin Betradt,
ift darauf zu fehen, daß dem Knie
genügende Bemwegungsfreiheit ge—
währt wird. Ein Beſatz am Ge:
ſäß ift praktiſch; Reſervebeſatz im
Koffer empfehlenswert. Lederhoſen
ſind zwar zum Felsklettern ange-
Alfred Steiniher.
Loden iſt weniger
haltbar und wird ſehr bald unan-
legt, laffe den Stoff vor Fertigung
des Anzuges imprägnieren.
' Eine MWollwefte oder leichte Leder—
weſte mit Aermeln ift unentbehrlich.
ch ziehe letztere vor, weil jte gegen
Wind undurdläffiger ift, als die
eritere.
ALS Kopfbedeckung verdient die
Mütze mit nicht zu Heinem Schirm
‚vor dem Hut den Vorzug, da fie
bei Wind fefter fit und beim
Klettern nicht fo leicht abgeftreift
wird. Daneben führe ih noch
eine Zipfelmüte oder Schneehaube
ı mit mir.
28. Sonnenhut, zufammengelegt.
\ Das wichtigite find gut pafjende
und ſolide Bergfhuhe zum
Schnüren. PVorzuziehen iſt Die
amerikaniſche Form, die den Zehen
Spielraum gibt, mit niedrigem Ab-
ja. Die Sohle darf nicht weiter
vorjtehen, als e8 die Möglichkeit der
Nagelung erfordert, da Jonft die
nehm, auf Eistouren ımd bei
ſchlechtem Wetter aber gänzlid) un= |
brauchbar.
Wer auf Imprägnierung Wert
Trittficherheit beim Traverfteren von
fteilem Schnee und Grashalden be—
einträchtigt wird; der Schuh muß
jo angepaßt fein, daß der Fuß feſt
|
den zujammenlegbaren franzöfiihen |
Sonnenhut, für größere Kälte |
|
III. Der Alpinismux.
ie; darin fit und muß fo weit jein,
daß er nicht drüct, wenn der Fuß
. beim Geben anläuft. Poröſe Ein:
ix lageſohlen find für jeden erforder⸗
a lich, der nicht ſehr unempfindliche
Füße hat; außerdem find fie nicht
nur angenehm, jondern auch hygie⸗
;„. niſch wertvoll, weil fie den Fuß
„ trodener halten. Die befte Benage⸗
nn lung find Nietnägel aus Schmiede
eiſen, die in Abftänden von ca. lcm
paarweiſe eingejchlagen werden. Die
Sohle lafje man nur mit ganz Heinen
Nägeln gegen die rajche Abnügung
beſchlagen. Der obere Rand fol
'. mit Loden eingefaßt fein, um am
Strumpf feft anzuliegen, und da⸗
durch Das Eindringen von Schnee und
Heinen Steinen zu verhindern. Zur
Konjervierung und zum gefchmeidig
maden nehme man Marsöl; auf
= der Tour genügt fehließlich jedes
Fett. Soden follen aus weicher
dider Wolle und nicht zu feit ge-
ftriet fein; gewalkte Soden find
. hart und unelaftifh. Darüber ziehe
- man fußlofe Touriftenftrümpfe
(Stuten) aus nicht entfetteter Wolle,
die jo lang find, daß fie über das
za Knie gejichlagen werden können.
’ Gamaſchen find unpraftifch ; Waden⸗
binden oder Widel, die von Eng⸗
ländern bevorzugt werden, find jehr
,; warm und nur auf großen Eidtouren
; zu empfehlen.
? Für da8 Hemd kommen nur
2 Schafmwolle (Flanell) oder die jo-
genannten Touriftenhemden aus
-. Wolle mit Einſchlag von Baum-
"" wolle oder reiner Baummolle in Be-
Niro. 149.
Hettern find Kletterhandſchuhe
(ohne Fingerſpitzen) praktisch.
Welcher Mantel und au welche
Faflon am beiten ift, darüber find
die Anfichten ſehr geteilt. Die
fertig gefauften Lodenmäntel find
alle zu ſchwer. Ich trage nun ſchon
feit Sahren PBelerinen mit Drud-
knöpfen (nad) eigener Angabe), bei
denen jeder Einjchlag vermieden ift
und die deshalb nicht über 500 gr
wiegen. Billrotbatift oder Mafin-
toſch haben beſonders bei Biwaks
den Vorzug, daß ſie gegen Wind
undurchläſſig ſind; ſie ſind aber
wenig dauerhaft, das Gewicht ift
ca. 300—450 gr.
AS Reſervebekleidungs—
ftüde find ein paar Soden und
Taſchentücher, ein leichte8 Nacht:
hemd aus Seide oder Batift und
leihte Hausschuhe das Minimum.
Bei Wintertouren find weiters
Schneehaube und warmes Woll-
unterzeug, auch Sweater, nötig.
149. Ausrüftung. Der Rudjad,
der dem Tornifter wegen der viel
günftigeren Gemichtsverteilung auf
dem Körper unbedingt vorzuziehen
ift, muß leicht und waſſerdicht fein,
Außentafchen und breite Ledertrag⸗
riemen befiten. Toilettezeug,
(Zahnpafta und Mittel gegen Glet-
Iherbrand in Tuben), Reſervewäſche,
Hausfchuhe, Nähzeug, BProviant
(orgl. oben) und fonftige Kleinig-
feiten werden in Leinenbeuteln ver:
padt. Weiterd gehören zur Aus:
rüftung Schneebrillen aus
rauchgrauem Glas, Trinkbecher
‚tradt. Die Unterbeinkleider
" follen leicht fein; ich ziehe nur bis
zum Knie reichende vor, weil fie
* die Bewegung nicht behindern und
* trage dazu mit leichter Jägerwolle
" gefütterte Stutzen, die ohne Fütte-
rung auf der Haut zu rauh find.
Für die Hände find bei Gletjcher-
da wanderungen nur dide Fänit-
ar finge zu gebrauden, zum Fels⸗
vu
(ih gebraude einen dünnen Horn-
becher, der vor Gummi und Leder⸗
bechern den Borzug größererSauber:
feit hat), eine Gummi- (Alpina)
oder Aluminiumflafjche die im
Ruckſack untergebracht wird (die ſonſt
ſehr praktiſche Thermosflaſche iſt
leider zu ſchwer und zu voluminös),
ein Meſſer mit Korkzieher (feſt⸗
ſtehende Meſſer find in Italien ver:
Nro. 149. Alfred Steiniker.
boten), ein Verbandpäckchen, | fein, daß ein Teilnehmer ein qutes
eventuell Arzneimittel(Opium: Fernglas zum Rekognoszieren
tabletten, Aspirin und Kolatropfen) | befigen muß. Ein Kohapparat
und Schuhlöffel (beim Anziehen
32. Minimum:Touriften-Stativ.
50. Eispidel mit Schlinae.
aus Aluminium mit feitem Spiritus
nafjer Schuhe jehr angenehm). Für | iftbei Wintertouren äußerſt praktisch.
Führerloje jind zujammenlegbare | Hiezu fommen nod) die techniſchen
Xaterne, Kompaß, bei Nebel | Hilfsmittel, Eispickel mit Schlinge
u. drgl. auh Tajhenaneroid|zum Anhängen, den Schuhen ge
unentbehrli, ebenjo kann es nötig 'nau angepaßte Steigeijen, für
uf
III. Der Alpinismus.
Zouren im Kalfgebirge event. Klet-
terſchuhe, bei Führerlojen Seil,
Seilringe, Rebſchnur, und
event. Mauerhafen und Mar:
fierungspapier. Für Ama:
iS
„et —
J Dee
— AISLLIYTTE
33. Allgäuer Steigeifen mit Wiener
Derfchnürung.
teurphotographen find die beiden
Stativvorridtungen jehr zu
empfehlen, deren Anwendung fic
aus den nebenjtehenden Abbildun—
gen ohne weiteres ergibt.
Wer, mit Führer geht, wähle
einen leichten Pickel, ſchwere Modelle
ſind nur nötig, wenn man ſelbſt
Stufen ſchlägt. Von den Steig—
eiſen ſind die Algäuer und Stei—
riſchen (Tragöß) wegen des geringen
Gewichtes vorzuziehen; die „Wiener
Verſchnürung“ habe ich als ſehr
praktiſch befunden. Seit einigen
Jahren werden Manilahanfjeile in
jogenannter Kunſtwebung in den
Handel gebracht, die bei gleicher
Tragfähigkeit wejentlich leichter als
die gedrehten Seile find. Für
CT
—
Nro. 150.
leichtere Touren genügen 25—30 m.
Nicht zu vergejjen ſind endlich
Karten und die nötige Literatur.
150. Befleidung und Ausrüftung
‚für Damen. Für Damen gelten,
mutatis mutandis, die gleichen
Grundjäße wie vorſtehend. Rock
und Jacke werden am beiten aus
leihtem Cheviot gefertigt: der Rod
muß unter der Taille Batten und
Knöpfe zum Aufſchürzen befiten.
Die Auffhürzvorridhtung in der
Mitte ift durchaus unpraftifch, weil
die Horizontalfalten auf den Kinieen
aufliegen und beim Steigen hindern.
Eine Blufe aus Wolljtoff vervoll-
ftändigt das Koſtüm in der Haupt:
jade. Für Kleinere Touren genügen
gejchlofjene Krepp- oder Laſtingbein—
fleider; für jchwierigere Eistouren
und zum Klettern find Beinkleider
aus gleichem Stoffe wie das Kleid
notwendig. Was die innere Fuß—
befleivung anlangt, jo babe ich
mehreren Damen die oben unter 148
befchriebene empfohlen, die als jehr
zweckmäßig anerkannt wurde. Unter
den Stugen find anftatt des Futter
dünne Zmirnjiugen zu empfehlen,
da Wolle von den Damen gewöhn—
lich auf der Haut nicht ertragen wird.
Aus dem gleihen Grunde emp—
fiehlt jich das Tragen von dünnen
Netzhemden unter dem Oberhemd ;
Leinen und Schirting auf der bloßen
Haut müſſen ausgeſchloſſen werden,
will man ſich nicht ſchweren Er—
|
fältungen ausjeßen.
Zur Kopfbededung iſt — jei es
34. Gletjchergürtel für Damen.
—
—
— — — —*
pr
Neo. 151.
Alfred Sfeiniker.
Mütze oder Sonnenhut — ein | fist er die Eignung felbftändig zu
weißer, bei Schneetouren ein grüner | gehen? Und zwar müfjen bei diefer |
oder grauer Schleier zu nehmen.
Die Ausrüftung verringert fih auf
ein Minimum, da Damen immer
in männlicher Begleitung gehen;
für größere Gletjchertouren ift ein
Sletichergürtel angenehm, der das
bei Damen läftige Heraufrutfchen
des Seiles über die Bruſt verhindert.
Nicht ladylike ift eg, alte Kleider
im Gebirge auftragen zu wollen,
hingegen kann eine Dame aud in
einem fchon abgetragenen, aber für
den Zweck eigend gemachten, gut
gejcehnittenem Kleide reizend aus—
jehen. Gerade in der Befchränfung
der Toilettemittel kann fi die
Meifterin bewähren.
Allgemeine touriſtiſche Ge-
fibtspunkte und Grundfätze.
151. Mit Führer oder führerlos?
Diefe früher jo viel umitrittene
Frage iftjegtprinzipielleinmand-
frei gelöft, nachdem die Erfolge
zahlreicher Führerlojen im legten
Sahrzehnt gezeigt haben, daß fie
den Führern nit nur gemachlen,
fondern jogar überlegen find. Faft
alle großen Probleme der Neuzeit
wurden von Führerlojen gelöjt, das
glänzendfte Beijpiel hiefür iſt viel-
leicht die Beiteigung des Uſchba
im Kaukaſus. Bon den bahn=
bredenden Erfolgen Purtjchellerg
und der Brüder Zfigmondy an
haben die Sührerlofen gezeigt, wie
Sntelligenz und Idealismus tim
Dienfte der Hochtouriſtik auch Die
feit faft einem Sahrhundert gezüch—
teten Führerleiftungen der beiten
Schmeizerführer in den Schatten
ftellen.
Die Frage kann alfo nur mehr
individuell geftelli werden: „ift
der betreffende Alpinift
der Aufgabe, die er ſichſtellt,
auch völlig gewachſen,“ be—
Prüfung die denkbar ungünſtigſten
Bedingungen angenommen werden,
denn durch Eintritt von ſchlechtem
Wetter, Schneefall, Vereiſung,
Nebel ꝛc. können die beſten Ver-
hältnifſe in kürzeſter Zeit außer-
ordentlich ſchwierig werden. Für
den Leiter einer Unternehmung
kommt noch die weitere Frage hinzu:
„ob er den Schwierigkeiten
auch mit einem ſchwächeren
Begleiter gewachſen iſt.“ „Nie
ſoll ein Bergſteiger ſich in ein
Unternehmen einlaſſen, bei dem er
verraten und verkauft tft, ſobald
feinem Gefährten ein Unfall zu⸗
ftößt.” (Baulfe.)
Zweifellog macht den meiften
eine leichte führerlofe Tour mehr
jportliche Freude als eine ſchwerere
mit Führer, die Wonnen des Kampfes
und Siege? find eben ganz andere.
Leichtfinnig unternommene führer:
loſe Befteigungen find ein Frevel
gegen die Angehörigen und alle, diein
Mitleidenfchaft gezogen werben, wie
z. B. die oft mitäußerfter Gefahr ver:
bundenen Rettungserpeditionen ꝛc.
Dft geben die hohen Löhne den
Ausschlag, von der Mitnahme eine?
Führers abzujehen und eg muß zu:
gegeben werden, daß es ſchmerzlich
iſt, von einer Tour lediglich aus
diefem Grunde abftehen zu müſſen.
Allein das läßt ſich nicht ändern;
leider ift es nicht nur das Krieg—
führen, zu dem Geld, wieder Geld
und nochmals Geld gehört.
Ungewöhnlich ſchwere oder ob-
jektiv gefährlihde Touren jollten
grundfäglich nicht mit Führern unter:
nommen werden; wo ausſchließlich
das extrem fportliche Moment das
treibende Motiv if, muß man
jelbftändig kämpfen oder e8 bleiben
laſſen. Niemand fann vom Führer
verlangen, daß er gegen klingende
Entlohnung fein Leben bemußt von
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Pflichten der Gefährten.
III. Ber Alpiniemus.
Nro. 152-154.
vorneherein in Gefahr bringt. „ES | eine in eine Gletjcherfpalte, fo wird.
ift nun einmal fo, daß das Schwerfte
und Höchſte auch im Hochgebirge,
wie im Leben, nur wenigen beſchie⸗
den ift, und daß nur die es ver:
dienen, die es ſich ſelbſt erringen.”
(Paulke.)
152. Das Alleingehen. Das
Alleingehen bietet ohne Zweifel be=
fondere Reize; die Intenfität der
Eindrüde ift eine gejteigerte, jedes
Heine Vorflommnig wird zum Er-
lebniig, die gejchauten Bilder haften
unauslöfchlider in der Erinnerung. |
Die Selbftprüfung, ob man die
: nötige Bergerfahrung und das tech
nifhe Können befigt, muß aber,
ı eine noch viel ftrengere fein, als
beim führerlofen Gehen.
Schwere
Touren fünnen nur von ganz erft-
Haffigen Alpiniften allein unter:
nommen werden; „Alleingehen auf
Gletfhertouren ift der größte
Unfinn,” fagt Baulfe kurz und
bündig und mit vollem Recht.
153. Anzahl, Wahl und
Bei
reinen Felstouren find zwei,
höchftend drei Teilnehmer am vor-
teilhafteften. Bei Gletſcher—⸗
touren, abgejehen von ganz
leichten Touren, fol die Anzahl
nicht unter drei und nicht über
fünf fein. Je nad der Schwierig-
feit Tann bei legteren ein Führer
für zwei Touriften genügen. Prof.
Bonney, der ehemalige Präſident
des „Alpine Klub” fchrieb: „Sn
allen Fällen, mo das Seil (bei Glet-
fhertouren) in Anwendung fommt,
ſollte die Zahl der durch dasfelbe
verbundenen Perfonen weder größer
als fünf, noch Eleiner als drei fein.
Bier Perjonen — zwei Touriften
und zwei Führer — ift die emp-
fehlensmwertefte Rombination. Wenn
nur zwei Perfonen am Seile gehen,
wird, wenn einer außgleitet, der
andere in zehn Fällen neunmal
mitgerifien werden. Stürzt ber
fein Gefährte weder imftande fein
ihn zu halten, noch ihm heraufzu—
helfen. Ein unbedeutender Zufall
mag den beſten Bergjteiger plöglich
zum Weitergehen unfähig machen
und ein einzelner Gefährte ift dann
nicht imftande, ihm genügend Hilfe
zu leiſten.“
Muß ſchon bei gemeinfamen
Führertouren die Leiftungsfähigkeit
der Teilnehmer eine möglichft gleiche
fein, fo ift dies in noch höherem
Maße bei führerlojen erforderlid.
„Seder Teilnehmer muß vom
anderen genau wifjen, wie er fteigt;
jeder muß den moraliiden Mut
haben, nötigenfalls umzukehren,
jeder muß fähig fein, fih an der
Arbeit wirklich zu betätigen.” (Ch.
Pilfington.)
"Die Pflichten des Leiters einer
alpinen Unternehmung find ganz
befondere. E. Enzensberger
ftelt biefür den Grundſatz auf:
„Der Leiter übernimmt, wenn er
minder Geübte veranlaßt, im Ber:
trauen auf feine Tüchtigfeit an
Bergfahrten teilzunehmen, unter
allen Umjtänden die Garantie für
Leben und Gefundheit und hat, fo-
bald die Tour angetreten ift, big
zur letten Konjequenz der Ber:
pflidtung nacdzufommen, die er
freiwillig auf fi genommen bat.”
Andrerſeits muß ald Pflicht der
übrigen Teilnehmenden unbedingte
Unterordnung unter ale Maß:
nahmen und Anordnungen des
Leiters gefordert werden.
154. Der „Alpine Knigge”.
Jeder Sport hat fein eigenes Zere—
moniell, feinen Komment u. dgl.
Der Alpinift konnte fie entbehren,
folange das Bergjteigen nicht durch
Hütten, Wege 2c. jo leicht gemacht
mar, als jegt, folange nur eine
geringe Anzahl alpin Ausermählter
die Berge bejtiegen. Mit der Po—
pularifierung des Bergſports hat
Rro. 155. Alfıed Steiniker.
ih die Notwendigfeit einer Fodi-
Fizierten gegenfeitigen Rüdficht-
nahme ergeben; Dr. C. Arnold
und %. Friedengberg haben
in den Mitteilungen des D. u. De.
AB. „Die zehh Gebote des Berg-
fteiger8” vorgejchlagen, deren Be-
achtung bejonders den Anfängern
nicht warm genug ans Herz gelegt
werden kann, denn „bie meiften
jungen Leute glauben natürlich zu
jein, wenn fie unhöflid und grob
find,” jagt LaRodefoucaulp.
Dr. Arnold hat eine Erweiterung
derſelben, einen „alpinen Knigge“
in Ausſicht geſtellt, deſſen Erſchei—
nen und Beherzigung alle alten
Alpiniſten im Intereſſe des Alpi—
nismus und der Allgemeinheit er:
hoffen dürfen.
Die zehn Gebote lauten:
1. Du ſollſt auf der Wanderung
deine Erziehung und Bildung nicht
von dir tun; Unart und Roheit
find nicht dasjelbe wie Yreudigfeit
und Kraft.
2. Du follft feine Bergfahrt
unternehmen, der du nicht gemach-
fen bift; denn es ift ſchimpflich,
in fremde Hand gegeben zu fein.
3. Du ſollſt jede Bergfahrt ſorg⸗
fältig vorbereiten, gleichviel ob du
allein, mit Freunden oder mit
einem Führer geht. Deine Kennt:
nie, mo, wie und wie lange du
zu gehen baft, jei ebenſo vollkom⸗
men wie deine Augrüftung.
4, Du ſollſt deinen Führer ge⸗
ziemend behandeln. Du braudjft
dich nicht herriſch zu gehaben, aber
du darfſt Dich auch nicht gemein
maden.
5. Du ſollſt deinem Führer ein
kurzes und mwahrhaftiges Zeugnis
Schreiben. Die übertriebene Der:
herrlihung einer nicht aufßerge-
wöhnlihen Bergfahrt macht Dich
lächerlich, den Führer eingebildet.
Bei ſchwereren Berfehlungen mußt
du auch den Mut der Anzeige haben.
-
|
|
6. Du ſollſt dich in der Hüte !
befcheiden betragen und follft keine
Anfprühe machen, die fih nur in '
einem Großſtadthotel verwirkiichen
lafien. Denn du wirft nicht deines
Gelded wegen aufgenommen.
7. Du ſollſt die Hütte nicht zur
Kneipe herabwürdigen. Alkohol !
ift der übelfte Wandergefährte, die
Hütten aber find zur Erholung ber
Bergfteiger da und die Nacht zum
Schlafen. |
8. Du follft die Gegend, in der |
du wanderſt, nicht verunehren. |
|
Darum foljt du Feine Scherben
und feinen Unrat umberftreuen,
feine Gattertüre offen laffen, feine |
Einfriedigung überjchreiten, teine
Duelle verunreinigen, feinen Weg: |
weiſer bejchädigent.
9. Du folit die Alpenblumen
fhonen und Vieh und Wild nidt |
beunruhigen. Auch die Pflanzen
und Tiere find Gottes Geſchöpfe
und fie tragen ihr Teil dazu bei,
die < für di zu ſchmücken.
10. Du folft des Bergvolks
Glauben und Sitten nicht bewigeln
noch verbeffern wollen. Der un:
berufene Apoftel der Aufklärung
ſchadet der Sache des Alpenverein
und wird ausgeladt, wenn ihm
nichts Schlimmeres mwiderfährt.
Diefen Geboten möchte ich für
unbewirtſchaftete Hütten noch ein
elftes anfügen:
Du follft eine nicht bewirtſchaf⸗
tete Hütte immer in demjenigen
Zuſtande zurücklaſſen, in dem du
ſie vorzufinden wünſcheſt.
155. Touriſt und Führer. Die
Nichtbeachtung der Gebote 4 und 5
bat hauptſächlich dazu beigetragen,
das ſchöne perfünliche Verhältnis
zwiichen Tourift und Führer, wie
es früher war und ſich heute nod)
jofort ergibt, wenn ein erfahrener
Alpinift und ein alter Führer mit-
einander gehen, mejentlich zu ver:
ſchlechtern. Es ift bier nicht der
-
09»
er 2 es EEE ©. -
—
© Raum gegeben, auf das wichtige | zu halten.
Kapitel des Verkehrs zwiſchen Tou: | die Führerordnung zeige man un:
III. Der Alpinismus.
rift und Führer ausführlich einzu:
gehen; deshalb befchränte ich mich
nur auf die allernotwendigiten
Winke und empfehle im übrigen
; dem alpinen Anfänger das ein-
gehende Studium der „Beobad-
. tungen in Ausübung der Führer:
: auffiht” von 9. Menger (Mit:
teilungen de8D. u. De. X.:2. 1907,
Wr. 12, 13 und 15), er wird fidh
damit manchen Aerger erjparen
fönnen.
Alſo: Man nehme nur die von
den alpinen Bereinen autori-
fierten Führer — lafje fih den
Zarif geben und ftelle die Entloh—
t nung bei fombinierten, nicht im
Zarif enthaltenen Touren vorher
feſt — gehorhe dem Führer in
allen tehnifchen Dingen, denn
er hat die Verantwortung für Leben
und Gefundheit der Touriften —
beihränfe das Gepäd, denn der
Führer ift fein Tragtier — ver:
wöhne andererjeit3 aber den Führer
nicht durch Trinfgelder, zumal wenn
er nichts Beſonderes geleiftet hat;
der weniger Bemittelte, der feine
Trinkgelder zu den an und für ſich
hohen Tarifen geben kann, wird
ſonſt vom Führer als Tourift zweiter
Klafſe behandelt. In Wirtshäufern
und bemwirtichafteten Hütten hat der
Führer unbedingt für ſich zu forgen,
den Tourenproviant teilt der Tou=
rift üblichermweije mit dem Führer (in
Italien ift dies dem Führerregle—
ment zufolge obligat). Die Zeugniffe
jeien kurz und jahlih; wenn man
3.8. im Führerbuch bei leichten
Zouren Einträge lieft: er ift tritt-
fiher und jchwindelfrei, oder er
führte und ficher und mit großer
Drientierungsgabe über dad Pordoi—
job (auf der großen Straße! ich
habe diejen Eintrag ſelbſt gelejen),
‚ jo muß der Führer dazu fommen,
: den Touriften für einen — Trottel
Nro. 156.
Grobe Verſtöße gegen
nachſichtlich an.
Die Marimaldauer der Touren
ift im Tarif angegeben (benötigt
man mehr geit, fo werden Weber:
ftunden beſonders entlohnt). Die
angegebene Zeit ijt bei normalen
Berhältniffien auch für bequeme
Touriften völlig ausreichend und
der Führer bat fein Recht, fie
durch Hetzen zu verfürzen. Biele
Führer haben dag Beitreben, mög:
lichft früh wieder zu Tal zu fom:
men, um eine neue Tour zu be:
fommen, man lafjje fi deshalb
nicht durch nichtige Vorwände ab-
beten und den Genuß an der Tour
verfümmern.
Allen Differenzen wird am beiten
vorgebeugt, wenn der Führer fich
möglichft bald überzeugt, daß der
Tourift die einfchlägigen Vorſchrif⸗
ten kennt und einerſeits auf feinem
Recht beiteht, andererſeits aber auch
die Nechte des Führers reſpektiert.
156. Führerlofe und Führer.
Leider bejteht vielfach, ein gejpann=
tes Verhältnis zwiſchen Führerlojen
und Führern. Die Schuld liegt
zum geringeren Teil an den erſte—
ren, indem fie oft demonftrativ ihre
Ueberlegenbeit, feine Führer zu
benötigen, befunden oder fi) auch
durh Unerfahrenheit in Lagen
bringen, wo dann doch die Führer
wieder helfen müfjen, zum größeren
Teil aber bei den Führern, die den
Entgang des Verdienfted durch die
Zunahme der führerlojen Touren
unangenehm empfinden. Der Ge:
rechtigfeit halber muß id) jedod)
ausdrüclich bemerken, daß fich auch
viele Führer, namentlich unter den
älteren finden, die den Führerlojen
gerne mit Ratichlägen an die Hand
gehen.
In den lehten Jahren find mehr—
fach Klagen über ein direkt feind-
jelige8 Verhalten der Führer ver:
Niro. 157-159.
öffentlicht worden, 3.8. die ab⸗
ſichtliche Entfernung von Markie—
rungspapier. Jeder Führer iſt ſich
unbedingt bewußt, daß er bier:
durh die Gejundheit und das
Leben der Touriften gefährdet und
die Unterlaffung der Anzeige ſeitens
legterer aus falſch angebrachter
Sentimentalität muß als ein Un-
recht gegen alle anderen Führerloſen
angejehen werden. Die Strafgefege
geben genügend Handhabe, um fehr
energiſch gegen diejen Unfug ein-
chreiten zu können.
157. Neifezeit. Die befte Reife:
zeit ift von Anfang Juli bis Mitte
September ; vorher find häufig noch
die Schneeverhältniffe ungünftig,
namentlich fommt nad) fchneereichen
Wintern die Lawinengefahr in Be-
tracht. Andererfeit3 find Gletſcher⸗
touren in Suli häufig durch die
Schneebededung viel leichter aus:
zuführen, als es jpäter der Fall
it. Für die ſüdlichen Alpen ift
die Zeit von Anfang Auguft bis
Mitte September wegen der ge:
ringeren Hitze und der reineren
Ausficht vorzuziehen. Wenn nicht
frühzeitige Schneefälle eintreten,
ft auch noch die zweite Hälfte
September und ſelbſt noch der
Dftober für nicht zu lange Fels-
touren fehr fhön; die Kürze des
Tages wird teilweife dur die
Kühle und die dadurch vermehrte
Leiftungsfähigfeit aufgehoben. Er-
ſchwert werden Spätherbittouren
dadurd, daß die Hütten mit jehr
wenigen Ausnahmen gejchlofjen
find.
Mintertouren werden heutzutage,
außer imBorgebirge,faummehr ohne
Stier ausgeführt und fallen daher
außerhalb des Rahmens diejer Be⸗
ſprechung. (Vergl. Abſch. IV. 1.)
158. Aufbruchszeit. Im allge⸗
meinen ſoll man möglichſt früh
aufbhrechen; in der Morgenkühle
geht man leichter, bei Gletſcher⸗
Alfred Sfeiniker.
touren hat man den Vorteil des
hartenSchnees, und auch die Anwart⸗
Schaft reine Ausficht zu haben, ift,
zumal im Sommer, größer. Auch
Steinfall- und Lawinengefahr ma:
hen oft frühzeitigen Aufbruch un: |
bedingt nötig, Das gleiche gilt
bei viel Zeit erfordernden Touren;
nicht8 ift unangenehmer, als mit
jeder Minute geizen zu müſſen.
Alzufrüher Aufbrud ift dann nidt
rätlih, wenn man bald an fchwie:
rige Stellen fommt, zu deren Be:
wältigung das Tageslicht erforder: .
li ift oder bei Felstouren, wenn
e8 jehr kalt ift, wodurch das Klet:
tern fehr unangenehm und aud
[hwieriger wird. Ein erfahrener
Bergfteiger wird, wenn er mit
Führer geht, die Aufbruchsftunde
jelbft feftfegen, nachdem er ſich mit
ihm gegebenenfalls über die maß:
gebenden Verhältniſſe beſprochen
hat. Bei den Führern ſpielen oft
nicht ſachliche Rückſichten eine
große Rolle für die Aufbruchszeit.
Unternimmt man keine Beſtei⸗
gung und geht nur zu einer Hütte,
ſo iſt es üblich, ſo ſpät aufzubrechen,
daß die Unterkunft erſt abends er-
reicht wird. Wenn es nicht zu heiß
iſt, empfiehlt es ſich, jo früh auf:
zubrecdhen, daß man mindestens zwei
Stunden vor Sonnenuntergang auf
der Hütte ift, denn der Abend ift
oft das ſchönſte; man hat Zeit, die
Vorbereitungen für den folgenden
Tag in Ruhe zu treffen und Tann
trogdem früh zu Bette geben.
Außerdem ift es namentlich bei
führerlojen Touren häufig notmwen-
dig, am Abend vorher noch zu re:
fognoszieren. Für mich waren immer
die Tage mit die ſchönſten, wo ich früh)
auf der Hütte anlangte und die
Hochgebirgswelt in volliter Muße
genießen konnte.
159. Literaturfunde und Karto-
graphie, Wer führerlos geht, muß
felbjtverftändlih die einfchlägige
— ——
— — — — —— — — — —
Ill. Der Alpinismus.
; Literatur genau fennen und mit
dem beften vorhandenen Karten:
material verfehen fein. Aber auch
der Führertourift wird mehr Ge:
nuß haben, wenn er die allgemeine
Zopographie der Alpen und fpeziell
diejenige de8 von ihm bereijten
Gebiete Tennt. Das lebtere ift
auch deshalb notwendig, um bei
eintretendem Witterungsmwechlel, der
die Durchführung einzelner Touren
unmöglich machen Tann, jeinen Plan
entijprechend ändern zu können.
Die fiterarifhe Grundlage für
Bergtouren in den Weftalpen find
Studers „Ei und Schnee”,
Tſchudi „Der Tourift in der
Schweiz” ſowie die leider noch nicht
ind Deutjche überfegten „Climbers
guides“ von Conway; für bie
Oftalpen der „Hocdtourift” von
Purtſcheller und 9. Heß.
Zur Einführung in die Hoch—
touriftit find vor allem das klaſſi⸗
Niro. 160.
he Wert „Hochtouren, ein Hand:
buch für Bergjteiger” (dem nur
mit Rüdficht auf die jegige alpine
Technik eine Neubearbeitung zu
wünſchen wäre) von C. T. Dent
und „Die Gefahren der Alpen” .
von Zſigmondy-Paulke zu
nennen.
Als Weberfichtsfarte kommt die
Ravenſteinſche Karte der Schweiz
und der Oftalpen (1: 250000) in
Betracht, als Detailfarten für die
Schweiz der Siegfried: Atlad
(1:50000), für die Dftalpen die
Spezialfarten des D. u. De. A.⸗V.
(für die vom D. u. De. A.⸗V. noch
nicht bearbeiteten Gebiete Yrei-
tags Touriften-Wanderfarten (1:
100000), in letzter Linie die öjter-
reihilhe Spezialfarte (1: 75000),
für Stalien die Carta topografica
(1: 75000 und 1: 100000), für
Frankreich die Carte de la France
(1:100.000).
2. Die Technik des Berglfteigens.
Die Gefahren der Alpen.
160. Bon den Gefahren der
. Alpen. Das Hochgebirge birgt
. durch feine Eigenart für den Berg:
. jteiger eine nicht unerhebliche An—
zahl
von Gefahren. In ihrer
Ueberwindung befteht zum größten
Teile die Technik des Bergfteigens.
Eine eingehendere Würdigung wer:
den fie bei Beſprechung der alpinen
Technik jelbft finden. (Val. insbef.
Nr. 171 u. 182.)
Die Gefahren der Alpen find
ihrer Natur nach zweifach; nämlich
erſtens jolche, welche ausſchließlich
in den elementaren Gemalten und
ſolche, welche in der geiftigen und
förperliden Unzulänglichkeit des
Menſchen begründet find. Die Be-
zeichnung der erfteren als „objek—⸗
tive”, der legteren ala „ſubjek—
itive* ift feit © Zfigmondy
allgemein geworden.
Die objektiven Gefahren find
bedingt durch die befonderen Eigen:
tümlidhfeiten des Hochgebirges,
(Beſchaffenheit der Felſen, des
Schnees, Eiſes) und deſſen unter
dem Einfluß der Atmoſphärilien
wechſelnden Zuſtänden und Ver—
änderungen (Steinſchlag, Schnee:
und Eislaminen, das Wetter jelbft).
Die fubjeltiven Gefahren beftehen
im Berfagen der geiftigen mie
förperliden Kräfte, unzureichender
Orientierungsgabe, mangelnder Er:
fahrung, nicht erfannter Schwierig:
feiten u. dgl. Aus legterem Um—
ftand refultiert gewöhnlich die große
Gefahr der Selbſtüberſchätz—
ung des eigenen Können?
al8 der häufigsten Urjade
von alpinen Unfällen.
Nro. 161-162. Alfred Steiniker.
Während die objektiven Gefahren | Unfälle *°/,, und hochalpine Unfälle
jedem Menjchen gegenüber gleich | *%/,,, mobei der Nenner die Zahl
bleiben, ift die Größe der fubjef: | der Umpgelommenen angibt und
tiven Gefahren für jeden Menſchen unter halbalpinen Unfällen ſolche
verfchieden; fie ift proportional | im Gebiete der Bor: und Mittel:
feinem bergfteigerifhen Wifjen und | alpen, bei leichten Paßübergängen
Können. Paulke führt aus: |und Gipfeln und auf Spazier:
„wie manche Gefahren injofern fie zu | gängen verftanden find.
den fubjeltiven aehören, al3 ohne] Wenn man bedenkt, daB das
das VBorhandenfein des Menjchen | Automobilfahren eine weit größere
ihr Eintritt nicht erfolgt, aber die! Zahl gänzlih unbeteiligter Opfer
Momente, die dem Menschen ver: | erfordert, fo ift der Vorwurf, Der
hänanisvoll werden, doch im Ob: |in diefer Richtung dem Alpinismus
jet ruhen und erft durch den Pien= | gemacht wird, gänzlich unbegründet.
hen zu unheilbringender Wirkung | Died fann denen gegenüber, Die
veranlagt werden.” vom Wefen des Sport und ſpe—
Hiezu gehören alle die Gefahren, | ziell ded alpinen Sport® nichts
die man durch Beherrihen der | verftehen, nicht fcharf genug betont
bergfteigeriijhden Technik werden, wie e8 aber aud) anderer:
vermeiden kann und die er deshalb ſeits geboten ift, die durch Leicht:
verfhuldete Gefahren nennt. |finn veranlaßte Gefährdung des
Diefe anfcheinend rein theoretische | eigenen Lebens oder dasjenige an:
Auseinanderfegung ilt Deshalb von | derer (mag oft Hand in Hand geht)
praftiiher Wichtigkeit, weil fie die | ftrenge zu verurteilen.
allgemeine Nichtlinie bietet, nad)
der alpine Unternehmungen — Vom Geben im allgemeinen,
auf Durdführbarfeit und Unglüdg:
fülle auf die veranlafjenden Ur: das Abfabren.
fachen zu prüfen find. Eine ein | 161. Allgemeined. Die för:
aehendere Kharafterifierung der | perlide Haupttätigkeit des Berg:
alpinen Gefahren ift gelegentlich | ſteigens beſteht im Geben; die
der Beipredung der alpinen Tech- Technif des Gehend im Gebirge
nik vorbehalten. muß gelernt werden, foll unter
Die alpinen Unfälle dienen den | möglichiter Schonung der Kräfte
Gegnern de8 alpinen Sports | die größtmöglichfte Leiftung erzielt
als größte Handhabe; die fenja= | werden. Der Anfänger wird zuerii
tionelle Behandlung durd die weniger deshalb ermüden, meil
Tagespreſſe leiftet hierin Borfchub. , Musfeln, Herz und Lunge nod
Abgefehen davon, daß mit dem | nicht entiprechend gewöhnt find,
Sport immer eine gemwilje Gefahr als weil er nicht rihtig, nidt
verbunden ift — fie bildet, wie wir rationell geht; die Mecha nik
wien, einen integrierenden Be- des Gehens zu erlernen, muß Des:
jtandteil des Begriffs — zeigt die | halb für jeden das erite fein.
Statiftif, das die Anzahl der ale) 162. Bom Bergaufgehen. Alle,
pinen Inglüctsfälle außerordentlich | Anfänger gehen zu ſchnell. Ge—
überfhägt wird. Obwohl jährlich Hwindigfeit und Tempo!
Hunderttauſende die Berge beftei: |de8 Steigend? muß danach be—
aen, iſt der Durchfchnitt der legten | meſſen werden, daß weder ein]
7 Zahre (nad Morigal) wie weſentlich vermehrter Herzſchlag
folgt: Winterunfälle ®;,, halbalpine noch ein erjchwertes Atmen eintritt. |
|
r
—
1.
if
II. Der Alpinismus.
Eine gute Kontrolle bildet die
Leichtigkeit, mit der man fpridt.
Wer fih beim Sprechen anftrengen
muß, fteigt zu fchnell.
Im allgemeinen vermeide man
viel zu reden, rauchen ift ganz zu
unterlaffen; das Einatmen fol
durh die Najfe, das Ausatmen
dur den Mund erfolgen. Aimet
man durh den Mund ein, jo
trocknen die Schleimhäute ſehr raſch
aus; bei ſtarkem Wind benimmt
es den Atem.
Die Schnelligkeit richtet ſich im
allgemeinen nach der Steigung; je
größer dieſe, deſto langſamer muß das
Tempo ſein. Bei vorübergehend ge—
ringerer Steigung beſchleunige man
jedoch nicht das Tempo; möglichſte
Gleichmäßigkeit iſt von großem
Vorteil. Gehen mehrere gemeinſam,
ſo muß ſich das Tempo nach dem
Schwächſten richten.
Sehr wichtig iſt, wie ſchon be⸗
merkt, die Mechanik des Gehens.
Die Bewegungen ſollen langſam,
gleichſam bedächtig, ausgeführt wer⸗
den, der Anfänger hat immer zu
haſtige Bewegungen.
Der vordere Fuß ſoll den rück—
wärtigen hebend nachziehen; das
Abſchnellen des hinteren Fußes er-
müdet Waden- und Fußmuskeln.
Der richtige Gebraud) des Pik—
.tel8 oder Bergftodes, dem die
. Aufgabe zufält, einen Teil des
Körpergewichtes während des Nach:
ziehens des rüdmärtigen Fußes
aufzunehmen, erleichtert dag Stei-
gen in hohem Maße.
Bei jedem Tritt muß die richtige
. Stelle gewählt und der Fuß mit
der ganzen Sohle aufgejett werden ;
ftolpern und auggleiten wird hie:
: Durch vermieden.
Sehr empfehlendmwert ijt, einen
Grashalm in den Mund zu nehmen;
das regt die Speicheljefretion an,
‚ zwingt den Mund gejchlofjen zu
halten und verhindert dadurd das
Nro. 163—165.
Austrodnen der Rachenſchleimhäute.
Noch befler ift es, Drops oder
andere Bonbond auf der Zunge
zergehen zu lafjen, namentlich bei
großen Gletjchertouren.
163. Das Bergabgehen. Es ift
befannt, daß das Bergabgehen viel
mehr Uebung erfordert, al® das
Bergaufgehen, da die Trittficherheit
und das richtige Finden des Gleich-
gewicht3 jchwerer ift. Die Kniee
jolen leicht gebogen fein und
federn. Se fteiler der Hang,
defto mehr joll man fih mit dem
Oberkörper nad) vorne neigen und
gegen den Berg Ireten, dadurd
wird einem Ausgleiten am beiten
vorgebeugt. Auf Schneehängen tritt
man mit den Abjäten feft in den
Schnee ein, je fjchüchterner man
auftritt, deſto leichter gleitet man
aus. Den Birel halte man mit
beiden Händen ſo nach rückwärts,
daß er in jedem Moment das
Körpergewicht aufnehmen kann. Auf
harten Schneehängen ſchlägt man
die Spitzhaue, bei weichen die
Schaufel ein, um bei etwaigem
Ausgleiten daran Halt zu finden.
Bei ſehr ſteilen Schneehängen ſteigt
man, die Bruſt gegen den Hang
gekehrt, ab, tritt mit dem Vorder⸗
fuß in den Echnee und rammt den
Pickel ein, um beim Ausgleiten
einen Halt zu haben.
164. Traverfieren von jteilen
Hängen. Hiebei trete man auf
Gras- und fteinigen Hängen feſt
mit der inneren Kante der Sohle
und des Abſatzes auf und halte
den Biel mit beiden Händen gegen
den Hang, um, wie beim Bergab:
gehen, eine Stüße daran zu finden,
wenn man außgleitet. Den Pidel
wie einen Spazierftod mit der
vom Hang abgewendeten (äußeren)
Sand zu gebrauden, indem man
auf dieje Weife eine Stüte jucht,
ift falſch. (Firnhänge f. Nr. 187.)
165. Das Gehen auf loderem
Nro. 166—168.
Alfred Steiniker.
Geröll iſt im Aufftieg wegen des | weicht; der Erfahrene geht jpielend
Nachgebens jehr mühfam, im Ab- | darüber hin.
jtieg madht e83 Anfängern aus dem
aleihen Grunde Schwierigkeiten.
Am fiheriten und rajcheiten fommt
man beim Abjtieg vorwärts, wenn
man den Pickel nah rückwärts
horizontal hält oder in die lodere
Maſſe drücdt und gänzlich unbefüm-
mert um die ausmweichende oder ſich
bewegende Unterlage mit etwas
vorwärts geneigtem Oberkörper
und leicht gebogenen Knien jtetig
vorwärts geht.
Beim Traverfieren hält man den
Pickel jeitwärtd® gegen den Hang;
auch hier ift e8 am beften, immer
in Bewegung zu bleiben; der nächite
Schritt muß gemacht werden, ehe
unter dem vorhergehenden die Un:
terlage ing Rutſchen gekommen ift.
166. Das Gehen auf Moränen.
Die Moränen beftehen, nament:
[ih im Urgebirge, der eigentlichen
Heimat der Gletjcher, aus großen
Blöden, die meift nur lofe auf:
einandergejchichtet find. Dem An:
fänger fällt das Gehen jchwer,
weil er fürchtet, daß die labile
Unterlage unter jeinen Tritten
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55. Geben auf Moränen.
Die Tritte werden
dur das Auge feitgeftellt, man
bevorzuge die Felſen, die auf breiter
Baſis liegen und trete lieber auf die
Kanten; auch Hüte man fich davor, in
die Löcher zwiſchen den Steinen zu
treten. Man halte immer ſchon
die näcdjten Tritte im Auge, um
fie rajch zu erreihen, wenn die:
jenigen, die man gerade inne hat,
nachgeben. Das Gehen wird eigent-
lih zur fortwährenden Balance, je
weniger man bejorgt ift, defto ſicherer
geht man, dejto rajcher fommt man
vorwärts.
167. Das Gehen auf aperem
Gletſcher erfordert feine befondere
Uebung; die fürnige Struftur des
Sletjchereijes bietet eine jo rauhe
Oberfläche, daß bei mäßiger Neigung
die Trittjicherheit ohne weiteres
gemwährleiftet ift. Die Spalten find
jihtbar und bieten deshalb Feine
Gefahr. Noch bequemer iſt das
Gehen auf nidht zu fteilem
Firn, da bier die Oberfläche
weniger unregelmäßig ift, als auf
dem Gletſcher. Schwieriger und
ermüdender ift
168. Das Gehen auf weichem
Schnee. Der Hauptvorteil be—
fteht darin, flah aufzutreten und
das Gewicht möglichſt auf beide
Füße zu verteilen, weil man dann
weniger einfinft. Bejonders bei ver-
harſchtem Schnee bietet diefe Art
des Sehens, wobei man gleich einer
Kate jchleicht, ohne feſt aufzutreten,
große Vorteile. Der geübte Schnee:
gänger geht jtredenmweit ohne ein-
zufinfen, wo der Ungeübte bei
jedem Schritt einbridt. Wenn ein
Fuß einfinktt, jo jtrebe man mehr
danach, den nicht gebraudten Fuß
vorwärts zu bringen, als zu ver:
juchen, dem Einfinfen des andern
Einhalt zu tun.
Wo man bei mildem Wetter die
Wahl des Weges hat, bevorzuge
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Sicherung in einer fteilen Eisrinne. (Zu Nro. 186.)
man in früher Morgenjtunde die
Seite, die ded Nachmittags im
Schatten lag; ſie iſt ftärfer ge=
froren, als diejenige, welche der
Einwirkung der legten Sonnenjtrah:
len ausgejegt war. Nach Sonnen=
aufgang tft jelbjtredend die Schatten
jeite zu wählen, da die Sonne
den Schnee unglaublich rajch er:
weicht.
169. Abfahren nennt man das
abjichtliche, fjtehende oder ſitzende
Hinabgleiten auf Schnee. Es iſt
ein herrliches Vergnügen, auf dieje
Weiſe im Abftieg Hänge in wenigen
A)
vr
⸗
36. Abfahrt.
Minuten zu paſſieren, zu deren Er—
klimmung man morgens Stunden
benötigte. Zwei Vorbedingungen
ſind nötig, um ſich dieſes Ver—
gnügen zu erlauben: genaue Kennt—
nis oder Möglichkeit der Beurteilung
des ganzen Hanges und dann des
Terraing unter ihm. Man fahre
nur da ab, wo man gegebenen
Falles jederzeit jofort anhalten kann.
“ A
III. Per Alpinismus.
Niro. 169.
Deshalb fann man nicht abfahren,
wenn der Schnee häufig mit aperem
Eis wechjelt, wenn die Eißunter:
lage nur dünn mit Schnee belegt
ift, wenn der Schnee zu hart ift
u. dergl. Dem Anfänger kann nur
dringend geraten werden, lieber
hundertmal auf das lodende Ver—
gnügen zu verzichten, al3 einmal
unvorfichtig abzufahren, denn ein
Aufhalten auf jteilem Hang ift,
wenn man fällt und ins Rollen
u. dergl. fommt, für den Geübten
jchwierig, für den Ungeübten une
möglich; er iſt dann ausjchließlich
dem Zufall preisgegeben. Am beiten
lernt man das Abfahren, wenn das
Seil in der Hand eines jicheren
Führers oder Kameraden tft, oder
auf Hängen, wo auch im “Falle
eines Sturzes nichts zu befürchten
iſt. Lebteres fann aber wieder nur
der Bergerfahrene beurteilen.
Die Regel ift, ftehend abzu—
fahren. Die Hauptſache ift, den
Körper und die Kniee gerade zu
halten; man gleitet auf beiden
Sußfohlen, je flacher die Sohle
gehalten wird, deſto jchneller iſt
die Fahrt. Das Bremjen gejchieht
durch Heben der Fußſpitzen, wo—
durch die Laſt auf den Abſätzen
ruht und durch das Eindrüden der
rückwärts gehaltenen Pickelſpitze.
Den Pickel faßt man dabei mit
einer Hand an der Haue. Wenn man
ſtürzt, halte man nur einen Gedanken
feſt: den Pickel nicht auszulaſſen und
die Klinge in den Schnee einzu—
treiben. Am beſten erfaßt man
auf feſtem Schnee hiezu die Schaufel
und ſtößt die Spitzhaue wie einen
Dolch in den Schnee. Nur auf dieſe
Weiſe konnte ich mich am Gran Saſſo
bei einem Sturz, der infolge Ein—
brechens der Füße in eine Höhlung
erfolgte, wieder zum Halten bringen
und vor dem Abſturz bewahren.
Fahren mehrere am Seil ab, jo
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Nro. 170—171.
bezug auf Gejchwindigfeit erforder:
ih, damit fih niemand in das
|
4
Alfred Steiniker.
deren PBeränderung durch Ber:
witterung und Bereifung. Der
Seil verwidelt oder einen plöglichen | Steinfall wird teild dur Men-
ſchen oder durch Tiere (Gemjen,
Rud erhält.
Sitend fährt man ab, wenn
der Schnee fo weich ift, daß man
nicht ftehend abfahren kann oder
wenn er mit einem dünnen Harich
überzogen ift, Durch den man ftehend
einbricht. Man bremſt durch Ein:
jtoßen der Abjäte, Aufftehen und
Einhauen des Eispideld. Genaue
Beurteilung der Bejchaffenheit des
Hanges ift beim figenden noch viel
wichtiger als beim ſtehenden Ab-
fahren.
In den felfen.
170. Bejonderer Reiz der Fels—
touren. Naturgemäß ftrebte der
Menſch zuerit danad), die höchiten
eis- und firnbelajteten Gipfel der
Alpen zu bejiegen. Erſt jpäter
wandte er jich den niedrigeren Kalt:
alpen zu und heutzutage ift das
Felsklettern die bevorzugteite Be—
tätigung des alpinen Sports. Der
Grund liegt in der viel größeren
Abwechslung der Musfelarbeit in
den Felſen — jeder Schritt, jede
Stelle ift ander8 — und dergrößeren
Unabhängigfeit des Einzelnen felbft
bei Führertouren. Dazu fonımt, daß
die ungeheure Entwidlung der Fels—
technit eine unabjehbare Anzahl
neuer Erſteigungswege und Er—
fteiqungSsmöglichfeiten geſchaffen
bat, die vom fportliden Stand.
punft aus reizen. Allerdings ift
als Schattenfeite nicht zu verfennen,
daß aus diefem Grunde für viele
die Alpen faft nur mehr zum Turn—
gerüjte geworden find, daß faljcher
Ehrgeiz, Senjation, Ruhmredigfeit
und Rekord auch hier fih zum
Schaden des idealen Weſens des
AUlpinismus eingeichlicden haben.
171. Die objektiven Gefahren
der Felſen jind Steinfall, Brüdig-
feit infolge der Geſteinsart und
a en rn nn je EFF a a Er Fe a a a ne a a en ——
Ziegen) veranlagt, teil$ hat er
natürliche Urſachen. Die Steinfall:
gefahr nimmt zu mit der Höhe des
Berges und der Bermitterung des
Geſteins; fie ift auch abhängig von
dem Wetter, der Tages- und Jahres⸗
zeit. Am bäufigiten und ergiebigjten
find Steinfälle bei und nad) Regen-
güffen, nah Schneejchmelze und
nad der Beitrahlung durch Die
Sonne inden erftien Morgenftunden
infolge der Loderung ded durch
Froſt verfitteten Gefteind durch die
Erwärmung.
Der natürlide Weg der fallen:
den Steine find Rinnen und Cou⸗
loird; da die Steine im großen
ganzen den gleihen Weg nehnten,
jo find fteinfallgefährlide Stellen
durch Anhäufung des herunterge-
fallenen Materiald ſchon von ferne
erfenntlich.
Müffen fteinfallgefährliche
Stellen paffiert werden, was oft
nicht zu vermeiden ift, fo gibt es
fein anderes Mittel, als fie tunlichit
Schnell zu überwinden. Wo der Auf:
jtieg nur in fteinfallgefährlichen
Rinnen und Kaminen unternommen
werden fann, ift es notwendig, ihn
in den früheſten Morgenjtunden
und bei einem Wetter zu voll:
führen, das Steinfall möglichft au$-
ſchließi.
Sehr häufig werden Steine durch
Menſchen losgelöſt und man muß
daher auf häufig beftiegenen Bergen
ebenfojehr darauf bedacht fein, Feine
Steine lo3zutreten, die unterhalb
befindliche Partien treffen fönnten,
als man auch ſelbſt auf Steinfall
von oben gefaßt fein muß. Bor:
fichtige8 Klettern ift in ſolchen
Fällen nötig, jeder Stein, der mit
Hand oder Fuß berührt wird, ift
zu prüfen; ein gefchieter Kletterer
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II. Ber Alpinismus.
Nro. 172.
bewegt fich lautlo8 da, wo der fih| 3. B. die Spite in eine Spalte
baftig bewegende Anfänger - den zwängt und ihn fo hält, daß der
halben Berg in Bewegung jest.
Auch der Pidel oder dad am Feljen
fchleifende Seil können Steine los⸗
machen.
Der Schaden, den ein fallender
Stein anrichtet, iſt von ſeiner Größe
und Geſchwindigkeit abhängig; aus
letzterem Grunde iſt es notwendig,
daß die Teilnehmer einer Partie
möglichſt nahe beiſammen bleiben;
bei ſehr ſteinfallgefährlichen Routen
kann es vorkommen, daß auch
mehrere Partien nur mitſammen
ſteigen können und an den gefähr-
lichſten Stellen die unteren Teil:
nehmer Dedung juchen und die
oberen nach dem Paſſieren der bez.
Stellen wieder auf die unteren
warten müſſen.
Wenn troß aller Vorſicht Steine
herabfommen, jo gibt e3 nichts
anderes, als raſch Dedung unter
einem Felſen zu juchen oder fidh
zum mindeften aus der wahrſchein⸗
lichſten Fallrichtung zu entfernen,
an die Wand zu ſchmiegen und
feinem Glüd zu vertrauen.
Se größer die Brüdigfeit
der Felſen, deſto fchwieriger ift
eine Klettertour wegen der Unver⸗
läßlichkeit der Griffe und Tritte,
defto größer die erforderliche Vor:
fiht. Bereifung der Yeljen
fann eine jonft unfchwierige Tour
unmöglid maden. (Lawinen, die
fih natürlih aud bei mit tiefem
oder loſem Schnee bededten Felſen
bilden können, fiehe Nr. 182).
172. Die Hilfsmittel des Klet-
terers find Pidel,Steigeifen, Kletter-
ſchuhe und last not least das Seil
mit Zubehör (Seilringe, Mauer:
baten :c.) und Marfierungspapier.
Der Pirel, der im Abitieg als
Stüte verwendet wird, ift ſchon er-
mähnt worden. Außerdem kann
er dazu dienen, einen künſtlichen
Tritt berzuftelen, indem man
Genofje darauf treten fann. Im
allgemeinen ift er jedoch beim
Klettern hinderlich und wird beſſer
beim Einftieg in die Feljen zurüd:
gelafjen, wenn man den gleichen
Rüdmeg nimmt und ihn während
der weiteren Tour nicht benötigt.
Muß er mitgenommen werden, jo
befejtigt man ihn mittelft der Pickel⸗
ſchlinge am Handgelenf.
Die Steigeijen find vorzüg-
lich auf bratfhigem und morjchem
Geſtein und auf mit Schutt bedeckten
Platten (wie 3. B. im Karmendel-
gebirge); ferner auf vereiften und
verjchneiten Felſen, auf fteilen
Rajenhängen und gefrorenem
Schutt; fie ermögliden Touren,
die. ohne fie ſchlechterdings nicht
ausführbar wären. Auf harten und
trodenen Felſen (wie 3. B. in den
Dolomiten) find die Kletterfchuhe
von unübertrefflihem Wert dadurd,
daß fie gegenüber den genagelten
Schuhen einen unglaublich ficheren
und fejten Stand geben.
Das wichtigſte Hilfsmittel iſt
das Seil; es dient nicht nur zur
gegenfeitigen Berficherung, fondern
auch zur Bewältigung von Stellen,
die ohne Seil überhqupt unüber:
mwindbar wären.
Wann dag Seil zur Siherung
angelegt wird, hängt von der
Schwierigkeit der Felſen und von
der Qualität der Steiger ab. Maß-
gebend ift in letzterer Hinficht, daß
das Seil genommen wird, wenn
dem ſchwächſten Gefährten Gefahr
drohen könnte. Grundſätzlich müſſen
die Teilnehmer der Partie durch
dag Seil fe ft verbunden, „angeſeilt“
werden (da8 Halten mit den Händen
allein genügt nicht), im fchweren
Fels darf ſich nur immer einer be—
wegen, während der ander fo fejten
Stand haben und womöglid das
Seil um einen Feldzaden ſchlingen
Alfıed Steiniker,
uß, daß er aud im Falle eines | fo daß e8 vom zweiten (von unten)
turze® des Gefährten nicht aus
Stellung herausgeworfen
Die Länge des auszu- nützt wird, um fih ziehen zu
ebenden Seiles richtet ſich nad |
iner
ird
er Entfernung der Haltepunkte
er Kletternden, der feſtſtehende
ibt ſo viel aus, als der ſich be—
vegende benötigt. Bei unbekannten,
chwierigen Touren, namentlich im
Abſtieg, muß deshalb für ent-
prechende Seillänge vorgejorgt fein.
Die einfachſte Art des Anſeilens
ift mitteld de8 Führerknotens
(Sadftich), der ſich ſowohl für die
Endſchlinge,
angezogen werden kann. Wenn
das Seil vom Nachſteigenden be—⸗—
laſſen, fo iſt das infofern eine miß—
bräudlide Anwendung, als Der:
jenige, der folder Hilfen benötigt, .
der Tour nicht gewachſen ift. reis |
lich werden heutzutage viele Unbe: .
rufene auf ſchwierige Gipfel hinauf: :
gehißt.
Beim Abftieg ift e8 umgekehrt,
beſſer
Mittelmann (bei Dreien) eignet nnd erſter, im Abſtieg als letzter gehen.
am leichteften zu maden ift.
37. Führerknoten.
Aus: Anwendung des Seiled der Alpenvereinsſektion
Bayerland.
Seilfhlinge wird um den Bruſt⸗
forb gelegt (bei Damen um die
Taille) und fo angezogen, daß man
noch gut atmen, aber nicht aus der
Seilfehlinge herausgleiten kann. Sit
das Geil zu lang, jo wird dag
überflüffige Ende vom PBorderften
um den Leib (von einer Schulter
zur andern Hüfte) gejchlungen.
Beim Aufmwärtsfteigen fann der
Untenftehende den Borausflettern:
den im Falle eined Sturzes nur
bedingt vor dem völligen Abfturz
bewahren, während der Nachfol—⸗
gende vom Obenftehenden am leicht
gejpannten Seil fofort gehalten
mwerden fann, wenn er ausgleiten
follte. Unter Umjtänden Tann
hd aud der erjte von oben
fihern, wenn es ihm gelingt,
dag Geil über einen Feldpor-
jprung (ev. Mauerhaken) zu legen,
Die
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‚indem der Vorauskletternde vom
Obenſtehenden
werden kann. Deshalb wird der
als auch für den beſſere Kletterer im Aufſtieg als
verſichert
— — — ——
Schwerer, unter Umſtänden un:
möglich iſt die Verſiche⸗
rung beim Traverfieren,
— weil der Stürzende in
die Wand hinausgeworfen
wird. Wenn das Seil in
ſolchen Fällen nicht mit
Hilfe eines Felszackens
und dergl. feſtgelegt wer⸗
den kann, iſt es praktiſch
wertlos, weil der Feſt⸗
ſtehende durch den Ruck mitgeriſſen
wird; höchſtens kann ihm „mora⸗
liſcher“ Wert zugeſprochen werden.
Unbedingt nötig iſt, daß der
Nahfommende — fei e8 im Auf
oder Abftieg — ruhig fteht, während
der andere klettert, was von An-
fängern Häufig nicht genügend
beadhtet wird.
Außer ala Sicherungsvorrichtung
oder zugleich mit diefer wird das
Seil zur Ueberwindung von ted:
niſchen Schwierigfeiten verwendet.
Beim Aufwärtsflettern ge
Ihieht dies in der Weife, daß der
Erſte das Seil nad oben um einen
Felszacken wirft, derverläſſigen
Halt gewährt (was zu beurteilen
oft die größte Schwierigkeit bietet),
während der Untenſtehende das
Seil feſthält. Findet ſich Fein ge:
eigneter Haltepunkt für das Seil,
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III.
Schnur zum Zurückholen
des Seiles
4 kann man fi) nur mitteld eines
x eingetriebenen Mauerhakens helfen.
4 Auf ähnlihe Weije Tann man fi
ı auch bei fchwierigen Traverjen
ſichern.
# Biel mannigfaltiger und wid:
tiger ift der Gebrauch des Seiles
beim Abſtieg. Wo die Felſen fo
fteil, überhängend oder griffarm
find, daß man nit mehr in
der gemöhnliden Weife flettern
fann, ift man genötigt fih abzu=
: feilen. Der PBorausfletternde
wird hiebei durd) almähliches Nach—
lafien des Seiles herabgelaſſen,
mobei er fi mit den Füßen tun-
lichſt an den Felfen zu ftügen hat,
um fein Gewicht zu erleichtern und
nit ind Pendeln zu kommen.
Wenn der Abfeilende hiebei das
Seilende um einen Borjprung und
dergl. laufen läßt, gewährt dies
den Borzug größerer Sicherheit ;
empfehlendmwert ift zur Schonung
des Seil mehrfach gefaltetes Papier
unterzulegen.
Wenn die Füße feinen Halt mehr
„) finden, fo ift eg am vorteilhafteften,
« Sich frei abzufeilen, ein Verfahren,
das vom Letztſteigenden immer an-
ö gewendet werden muß. Die ein:
# fachite Methode ift die am doppelten
„ Seil, dad um einen Felsvorſprung
gelegt wird. Bei nicht entiprechend
ns Kletterern muß allerdings
der Poranfletternde noch mittels
‚ eined® zweiten Geiles gefichert
i werden. Wenn die beiden Seil—
; jtränge enge aneinander liegen, jo
RAT RIM.
*
—
Fu Ai,
= ei = ee
—
it
Per Alpinismus.
N
Nero. 172
—
2.
>
>
38. Derwendung der ganzen Seillänge.
Aus: Anwendung bed Seiled der Alpenvereinsjeltion Bayerland.
werden beide, wenn fie weit aus:
einanderftehen, nur einer benütßt;
der Untenjtehende muß im leßteren
Fall das andere Ende feithalten.
Muß die ganze Seillänge zur
Verwendung kommen, oder ift zu
befürchten, daß das Seil fih am
Haltepunft leicht feſtklemmt und
dann ſchwer oder gar nicht abzu=
Ihnellen oder durchzuziehen ift, jo
benügt man Seilringe, von
denen man einen Vorrat im Rud-
39. Derwendung der ganzen Seillänge.
Aus; Anwendung des Seiles der Alpen—
vereindfeltion Bayerland.
Nro. 172.
eingefnüpfter Eijenring, durd den
das Seil läuft. Wenn fich feine
geeigneten Punkte zum Anbringen
eines Seilrings darbieten, bleibt
auch hier nur dag Einfchlagen eines
Barrenringes übrig.
Eine einfahe und fichere Art
für den Lesten ift, fih an einem
Alfred Btkiniker.
ja mitführt. Sehr praftijch ift ein |
Schnur herabgezogen. Das Klettern
am einfahen Geil ift immer
ſchwieriger, als am doppelten und
deshalb nur ganz geübten Kletterern
anzuraten.
Beim freien Abjeilen muß guter
Kletterjhluß mit den Füßen
genommen werden, der ed ermög-
licht, fi Tangfam herabzulaffen und
40, Kletterfchluß.
Aus: Anwendung bed Seiles der Alpen-
vereinsjeftion Bayerland.
Ende des Seiled, das durch
41. Freies Abfeilen.
einen durch ſtärkeres Aufdrücken aud)
Seilring läuft, anzubinden und völlig zu bremſen.
herabzulajjen, während der Ge:
jährte das andere Ende entfprechend
nachläßt.
Wenn die Abfeilftelle fo hoch ift,
daß die Yänge des doppelt ge-
nommenen Seiles nicht ausreicht,
jo wird daß Geilende mit einem
größeren Eifenring oder einem Holz-
Inebel verjehen, der nicht durch den
Abjeilring durchgleiten kann. Nach
Beendigung des Mbfeileng wird
das Geil mittel3 einer dünnen
Wenn Piel und Gepäd beim
Klettern hinderlih find, werden
auch dieje aufs bezw. abgefeilt.
Ein Beifpiel origineller Seil:
verwendung, die allerdings fast den
Charakter jenfationeller Equilibriftif
trägt, zeigt Bild 43. Die „Be:
jteigung” eines touriftifch gänzlich
belanglofen Dolomitzadens, wie
man taujende finden fönnte, wurde
dadurch ermöglicht, daß von dem
benachbarten Gipfel eine an einer
Il, Per Alpinismus. Niro. 173.
einem Stein beſchwert
an marfanten Bunften
feftgelegt wird, man
markiert fih alfo den
Meg. An befonders
wichtigen Stellen emp:
fiehlt jih die Errich-
tung von mweither ſicht⸗
baren Steindauben.
In den Bentralalpeu
und öſterreichiſchen
Dolomiten find Die
Führer im allgemeinen
mit guten Seilen au3:
gerüftet, in allen an—
deren Gebieten über-
zeuge man fih von
der Befchaffenheit des
Seild, mofern man
fein eigenes mit ſich
führt. Die Staliener und Fran:
zoſen bringen öfter Seile mit, Die
höchſtens zum Anbinden eines Kal:
bes brauchbar find.
173. Grundregeln des Klettern®.
Wenn vie Beichaffenheit des Ge:
ländes eine derartige wird, daß
— der Gebrauch der Füße als Stütz—
I * und Taſtorgan nicht mehr ausreicht
! und die Hände hHiezu in Anſpruch
genommen werden müſſen, jo nennen
N wir dieſe Bewegung „Klettern“.
ı Man bezeichnet hiebei die Gtüß-
! punkte für die Füße als „Tritte“,
42. Abfeilen am doppelten Seil, | diejenigen für die Hände als
„Griffe“. Jeder Tritt und Griff
Schnur befeftigte Bleitugel hinüber | tft Durch dag Auge und durch Taſten
geworfen wurde, die ein an der | forgfältig auf feine Feſtigkeit und
Vaſis der Guglia aufgeftellter | Verwendbarkeit zu prüfen, ehe wir
Träger auffing und daran ein Seil | ung ihm anvertrauen. „Man nimmt
hinüberzog, daB die Verbindung | am richtigiten an, daß jeder Zeljen,
zwiſchen den beiden Gipfeln her- | der mit der Hand und dem Fuß
ttellte. Diefes benüßten dann die | berührt mird, Ioje jein kann.“
Befteiger als luftigen Pfad. (C. 7. Dent), In erponierten
Wo der Rückweg ſchwer zu finden | Tagen ſoll der Körper ſtets an brei
iſt — und das ift häufig der Fall, | Punkten — alfo durch beide Füße
denn im Abftieg ift das Terrain | und eine Hand, oder durch beide
viel ſchwerer zu überblicken al8 im | Hände und einen Fuß geftüßt fein.
Aufftieg — verwendet man rotes Sit die Neigung fo fteil, daß ein
Martierungspapier, dag mit Ausgleiten gefährlich werden kann,
—
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we
— — —
an En
||
ro. 173.
43. Seilverwendung als Brücke.
fo darf fein Haltepunkt aufgegeben
werden, ehe man fich nicht eines
anderen geeigneten verjichert hat.
Der Griff ift an ſolchen Stellen
wertvoller wie der Tritt,
Sehr Häufig hängt die Bewälti—
gung einer Stelle davon ab, wie
man die vorhandenen Tritte und
Griffe benützt und einteilt. Es
ift daher nötig, das nächte Weg:
ſtück vorher anzujehen und nicht
blindlingS zuzugreifen. Das An—
treten mit dem richtigen Fuße 3. B.
it oft der Sclüffel zu einer
ichiwierigen Stelle. Der Anfänger
achte genau auf jeinen Führer und
made es jich dabei Far, warum
diefer e8 jo und nicht anders an—
padt.
Sm allgemeinen ift der Abjtieg
fchwerer als der Aufjtieg, was zum
Teil daran liegt, Daß e8 viel leichter
ift, die Gangbarfeit der Feljen vor
unten zu beurteilen, als von oben.
Dazu kommt noch, daß es beim
Abstieg ſchwerer iſt, die Tritte zu
prüfen; deshalb find die Griffe
Aifred Sleiniher.
hier ganz bejonders mwidtig. Es
muß zum Grundſatz gemacht werden,
nie eine Stelle zu erfteigen, die
man nicht mit Sicherheit auch im
Abjtieg wieder bewältigen kann,
voraudgefeht, daß man die gleiche
Route auch zum Abftieg benügen
muß. Dies ift vornehmlich dann zu
beachten, wenn man nicht mit dem
Seil ausgerüftet ift, was bei einiger:
maßen jchwierigen Touren aller:
dings conditio sine qua non iſt.
Beim Abftieg über mäßig ge:
neigte Felshänge kann der Pidel
eine gute Stüße fein und aud)
zum Prüfen eines Trittes gebraucht
werden, indem man ihn an der
Klinge faßt und mit der Spihe
jondiert. Bei fteilen Feljen kann
man diejen den Rüden zumenden
oder mit dem Geficht gegen die
Feljfen abfteigen., Das erftere Ver-
fahren ift immer vorzuziehen, wenn
die Steilheit nicht zu groß ift, weil
e3 jo viel leichter ift zu überbliden,
wo ſich Griffe und Tritte finden.
Bei der lebteren Art des Abſtiegs
4
—
III, Der Alpiniemus.
ift e8 notwendig, fich an den Griffen
fejthaltend ſoweit mit geftredten
Armen hinauszulehnen, daß man
das nächſte Stück überfieht.
Der Anfänger jehe in eriter
Linie darauf, daß er ficher Elettert,
denn es fommt zunächſt nicht darauf
an, eine Stelle rafch zu bewältigen;
Öfteres Ausgleiten macht, auch
wenn gar nichts pajfiert, nervös
und zaghaft.
„Dengutenfelsfletterer
erfennt man daran, daß er alle Be-
mwegungen ruhig, langjam, geräufch-
los und ſtillſchweigend : vollzieht.
Ruck- und ſprungweiſes Vorgehen
ift beim Klettern felten am Plate,
+4. Klettern in der Wand. Berftellung eines künſt—
lichen Trittes mit der Schulter.
ro. 173.
45. Traverfierung in der Wand,
Sicherung durch eingefchlagenen
Mauerbafen.
der gewiegte Felfenmann
bewegt ſich vorfihtig, er
taftet fi mehr über die
Felſen hinauf, als daß
er fie erflimmt; er madt
feinen Schritt nach vor
wärts, ehe er nicht für
Hand und Fuß einen
neuen jicheren Halt er:
jpäht hat. Er ift ftet3
auf das Ausgleiten, Los—
breden eines Steines,
auf die Verforgung des
Pickels und auch auf
Schonung feiner Kleider
bedacht, er wird, wenn er
in Geſellſchaft Llettert,
feine Nachfolger vor trü—
geriihen Griffen warnen,
Neo. 174-175.
4 a a Ai a da
u 5
das Seilvonihren Füßen wegziehen
und lodere Steine möglid) weg—
räumen. Er faßt nit nur das
Nächftliegende fjondern aud das
Entferntere ind Auge, er erfennt
die Gefahr und weiß ihr zu be-
gegnen; er wird am Ende der
Tour ebenjo vorfihtig über die
Feljen hinabfteigen, wie zu Beginn
der Bergfahrt." (Burtjcheller.)
174. Das Klettern in Wänden
jieht häufig viel jchlimmer aus, als
es in der Tat ift. Die abmweifend-
ten Wände löſen fich oft bei
näherer Bejichtigung zu einer zahl:
reihe Griffe und Tritte bietenden
Stiege auf. Da die Erpofition
im Gemwände jehr groß iſt, fommt
es mehr auf die Feſtigkeit der
Haltepunfte an, ald auf die Steil-
heit. Brüdige Wände find weit
gefährlicher als feſtes Gejtein bei | Eijenhaten (ſ. o.).
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46. Am Band. Sicherung durch Seil, das | kann es notwendig werden, gebüdt
über einen Selszaden (Mauerhafen)
geleat ift.
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Alfıed Steiniker.
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größerer Steilheit. Namentlid
beim Mbftieg über ausgejeste,
griffarme und brüdhige R
ift das Seil eine ganz unentbehr-
lihe Hilfe.
Beim Traverfieren, —
im brüchigen oder plattigen, griff⸗
armen Geſtein iſt Seilverſicherung
allerdings ſehr erwünſcht, aber
meiſt ſehr ſchwierig. Das Seil it
hiebei jo furz zu nehmen, ala es
die Wahl des feiten Standes >
den Berfichernden geftattet, dan
im Falle eines Sturzes der Aud
möglichjt ‘gemildert und er
jelbft mitgerifjen wird. Im
gemeinen wird eine —S
Verſicherung überhaupt nur möalich
ſein, wenn das Geil an einem
Felsvorfprung fejtgelegt werder
fann oder mittelſt eingejchlagener
Die Sicherung
wird bei einer Partie von mehre
ren wenigſtens für die in der
Mitte befindlihen leichter ſein
weil jie von beiden Geiten ge
jihert werden können.
175. Bänder. Die Schwierigfeit
der Bänder hängt von der Breite
der Neigung gegen den Abgrund,
und den vorhandenen Griffen ab.
Die ſchmalſten Felsleiften find un
jchwer zu begehen, wenn fich ober
halb gute Griffe bieten; nach außen
geneigte, plattige Bänder find, went
griffarm, viel gefährlicher. S m
die Bänder mit Schutt bedeckt, ji
ift große Vorficht geboten, da 08
Gerölle leicht ins Rutſchen * mm *
Oefters find die Bänder
Riſſe u. dgl, unterbrochen; we ent
die Unterbrechung überhaupt he 12
ihritten werden fann, jo ift ee |
zu achten, jenjeit3 einen fo
Tritt und womöglich zugleich
feften Griff zu erfaffen. Wenn bie
Felſen ober dem Bande ber 4
zu gehen, zu kriechen oder J
in den Abgrund baumelnden — Fuß
ef.
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u
- aA Fe
zei. 8
==
ee
= _. "Bass: 2 #72.
—— en Ss ER an
niederzujegen und jich mit den Hän-
den jeitwärt3 zu jchieben.
Der Gebraud) des Geiles ift
ähnlich wie beim Traverfieren von
Wänden. Die Sicherung wird we—
jentlich erleichtert, wenn es gelingt,
das Seil über einen oberhalb der
zu pajjierenden jchwierigen Stelle
gelegenen Haltepunkt zu führen.
176. Platten nennt man mehr
oder weniger fteile, glatte Felſen,
die wenige oder feine Griffe und
Tritte bieten.
Im letteren Fall hängt die Mög—
lichkeit der Begehung nur von der
Neigung ab. Kletterſchuhe find
beſonders im glatten Gejtein der
Kalfalpen jehr vorteilhaft ; bei ver:
eiften Platten find Steigeijen note:
wendig. Beim Abjtieg wird man:
öfter das Gefäh verwenden, um
die Reibungsflähe zu vergrößern.
Seilverfiherung ijt nur verläßlich,
wenn mindeſtens einer feiten Stand
findet; manchmal wird es gelingen,
durch Einzwängen des Pickelſtiels
47. Auf einer Platte.
ns Dorn li a =.
III, Der Alpinismus.
4
2
ei
h
*
—
Nro. 176-177.
sa 2;
48. Einjtieg in den Kamın.
oder der Spithade in Kleine Spalten
einen Griff oder Tritt zu improvi—
fieren. Grponierte Platten jind
mit das unangenehmjte und ge—
fährlichite, was beim Klettern vor:
fommt.
177. Im Kamin. Gut gejtufte
Kamine find leichter als gleich ge=
ftufte Wände, zudem find fie we—
niger ausgejegt. Sehr häufig find
fie jedoch durch Schmelzwaſſer und
Steinfall plattig und griffarm, dann
ift e8 erforderlich, ji mit dem
Rüden und Ellenbogen an die eine,
mit den Füßen oder Knien an die
andere Wand zu ftemmen und jich
jo nad) Art der Kaminfeger weiter
zu arbeiten. Sit der Kamin hiefür
zu eng oder zu jeicht, jo dab man
nur mit einem Teil de3 Körper
hineinfommt, jo ift die Schwierig:
ER hl ae a EZ a
Nrv. 178. Alfıed Steiniker.
Kletterers und die meift große
’ | Brücigfeit des Gefteind. Bei
Eu jteilen Graten, die wie eine Wand
! ji \erflettert werden, ift die Brüchig-
) feit geringer, weil das loje Geftein
von jelbjt in die Tiefe ftürzt. Die
Gejtaltung der Grate ift jehr ver—
7 „ |Nhieden; oft find fie mit Nadeln,
/ Baden und Türmen gejpidt, zer:
jpalten und zerfägt, oft beftehen
| ſie nur aus lojen, aufeinanderge-
| 'Y Ihichteten Platten und Trümmern,
ı)\ Ze die fih im labilen Gleichgewicht be=
| 7 / finden, jo vernehmlich ein Urgebirge.
jj } / $ Genaueſte Prüfung der Tritte und
a Griffe ift daher ganz bejonders
4 fi unerläßlid. Sehr jchmale Grate
/ müſſen reitend oder hangelnd über
I AR — werden. Eine gute Seil—
/
/
il
49. Stemmfamin. Sicherung durch
Mauerhaken.
keit weſentlich größer; iſt er ſehr
breit, ſo muß man oft zu recht
heiklen Spreizſtellungen greifen. Wi
Ein tücifche® Hindernis bilden PN
häufig eingeflemmte Blöde, die 9
überklettert oder durch Hinausklet— Ri
tern in die Wand umgangen werden | N
müſſen.
Die Seilverſicherung erfolgt ähn—
lich wie beim Klettern in der Wand;
im Abſtieg bietet eine gute Ver—
ſicherung häufig geringere Schwie—
rigkeiten, da unſchwer die ganze
Seillänge benützt werden kann.
178. Auf dem Grat. Die Cha—
rakteriſtik des Gratkletterns iſt die
hervorragende Ausgeſetztheit des 50. Abſtieg im Kamin.
IHN, Per Hlpinismus.
verfiherung ift dann unjchwer, wenn
man es jo einrichten kann, daß fich
die Kletternden auf verfchiedenen
Seiten des Grates befinden. Tiefe
Einſchnitte im Grat maden es oft
nötig, ſich abazufeilen und ein Seil-
ftüd zurüdzulafjen, um gegebenen-
falls die Stelle auh im Rückweg
bewältigen zu fönnen.
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51. Am Grat.
179. Befchneites oder vereiſtes
ſicht erfordert das Paſſieren ſelbſt
ſchwach geneigter Platten, da ſie
wenig oder gar keine Reibung
geben.
180. Bewachſene Felſen und
ſteile Grashänge ſind griffarm,
der Kletterer iſt daher nahezu gänz⸗
lich auf ſeine Füße, d. h. auf Tritt⸗
ſicherheit angewieſen. Steigeiſen
find daher unerläßlich. Durch Ein⸗
hacken des unmittelbar unter der
Haue gefaßten Pickels kann man
ſich das Gleichgewicht erleichternde
Griffe ſchaffen; das Körpergewicht
darf denſelben jedoch auch nicht
zum geringſten Teil anvertraut
werden. Seilverſicherung iſt mei⸗
ſtens nicht möglich oder ganz illu—
forifch, weil der Berfichernde feinen
fejten Stand findet. Nach längerer
Trodenbeit ift da3 Erdreich bröcke—
lig, nad naſſem Wetter reißen die
Raſenſchöpfe ſehr leicht aus, mas
die Gefahr erheblich erhöht. Bei
gefrorenem aperen Boden ift hin
gegen die Beiteigung häufig des—
wegen erleichtert, weil die Steig-
eifen in dem durch Froſt gefeitigtem
Boden befjeren Halt finden. Schnee,
der immer nur lofe auf der Gras⸗
unterlage liegt, fteigert die Gefahr
außerordentlich.
Eine große Zahl der jährli in
den Alpen vorfommenden Unglücks⸗
fälle ereignet ſich auf fteilen Gras:
hängen, oft unmittelbar neben dem
guten Steig, der verlafjen wird,
um eine lodende Blume zu pflüden.
Geftein erhöhen die Schwierigkeiten | Der alpine Anfänger und noch
und Gefahren einer Felstour ganz
bedeutend, wenn jte diejelbe nicht
überhaupt unmöglich machen. KRletter:
Ihuhe find gänzlid unbrauchbar,
hingegen leiften Steigeijfen vor:
zügliche Dienfte. Die Brüfung von
Griffen und Tritten erfordert des:
halb die allergrößte Vorficht, weil
jie oft durch Anfrieren feft erjchei-
nen, unter dem Körpergewicht aber
doch nachgeben. Bejondere Bor:
mehr der Spaziergänger kann vor
dem Betreten derartigen Terraing
gar nicht genug gewarnt werden.
In Eis und firn.
181. Zur Charafteriftif der
Eistonren. Die Gletfchertouriftif
führt uns in die großartigjten Re-
gionen des Hochgebirged, in bie
Märdenpradt ſchillernder Eispa⸗
Nro. 182.
läfte, abenteuerlichiter Schnee und
Firnbildungen, in eine Welt, die
durch die gänzlich anders gearteten
klimatologiſchen Bedingungen eine
jo ganz andere ift, als die uns
gewöhnlich umgebende. Wenn der
reinen Felstfetterei injoferne mehr
Abwechslung zugeſprochen werden
muß als den Gletichertouren, ala
bei erfteren faft jeder Schritt neue
Kombinationen in der Art des
Vorwärtskommens bringt, wenn die
Felstechnik vielleicht, was aus:
Ichließlich die turneriiche Gewandt-
heit betrifft, größere Anforderungen
ftelt als die Eistechnik, fo ver:
langt andererfeit3 die Touriſtik in
Eid und Firn ein weit höheres
Maß von Gebirgsfenntnis. Denn
die elementaren Gemalten find in
den Regionen ded ewigen Eiſes
mwechjelnder und mannigfaltiger,
die Gefahren vieljeitiger, die An-
forderungen an Urteil und rajches
Handeln deshalb größer.
Während bei Felstouren die
Muskulatur vielfeitiger beaniprucht
wird, leiſten bei Gletichertouren
(dag Stufenfchlagen ausgenommen)
die Füße Die gejamte Arbeit;
Trittficherheit ift auch in höherem
Make erforderlih, meil Griffe
fehlen.
182. Die objektiven Gefahren
von Schnee und Eis find in der
52. Schnesfchild.
Ablagerungsgeblet für
„Schneeichilder”
— gefährlichiter
Störungsort
Alfred Steiniher.
Hauptſache: Lawinen, Schneewäd;:
ten und Gleiſcherſpalten.
Lawinen entitehen, wenn ber
Schnee durd die Eigenſchwere ins
Rutſchen fommt; ihre Bildung it
abhängig von der Beſchaffenheit
des Schnee jelbft und derjenigen
der Unterlage.
glatter die letztere, deſto mehr iſt
die Lawinenbildung begünftigt. Ein:
teilung und Benennung der Lawinen
ift eine verfchiedene; ich zähle fie
bier nad der von Prof. Paulke
vorgenommenen Unterjcheidung auf.
l. TZrodene Neujdnee
lawinen(Staublamwinen); Schnee:
beichaffenheit troden, pulverig,
ftaubig, feinfandig, luftreich, locker;
der Schnee ballt ſich nicht, feine
Maffe fest fih nur langfam. Bor:
bedingung: Schneefall oder Schnee:
treiben bei Kälte oder rajcher Ein-
tritt von Kälte und Anhalten der:
jelben nah Neufchneefal. Nach
ftarfen Neufchneefällen Tann bei
andauernder Kälte Trorenjchnee:
lawinengefahr verhältnismäßig
lage andauern.
Hieher gehören aud) die Schnee: '
Schilde (Öuflen, Guxen) und die
Schneebretter. Erfteres find
kleine Schneefelder, die fih in
muldenartigen Vertiefungen fteiler
Hänge anjammeln; die letzteren
find vom Wind angeblafene und
oberflächlich feitgewehte
Heinere Schneefelder, die
beim Betreten in einzel-
nen Schollen gleichfam
zeriplittern und dann als
Lawine zu Tal fahren.
2. Feuchte Neu—
chneelawinen;
Schneebeſchaffenheit
feucht, ſchwer, der Schnee
ballt ſich leicht und ſetzt
ſich verhältnismäßig ſehr
raſch. Vorbedingung:
Neuſchneefall bei höherer
Temperatur (Flocken⸗
Je ſteiler und
III, Der Alpinismue.
ichnee), oder Eintritt von Regen,
warme Lufttemperatur, beziehungs⸗
weiſe ftarfer Sonnenftrahlung nad
Neufchneefal. Zwiſchen ihnen und
den Trodenfchneelawinen gibt es
mannigfadde Webergänge.
Die feuchten Neufchneelaminen
find für den Bergfteiger am ge⸗
fährlichiten; erft durch Feitfrieren
des friſch gefallenen, feuchten Neu-
ſchnees wird eine fejte Verbindung
mit der Unterlage gejchaffen, mas
einige Tage dauern Tann.
3. Altſchneelawinen (Grund-
lawinen) ; Schneebejchaffenheit
nafler, ſchwerer, zufammengefinter-
ter, körnig verfirnter, alter Schnee.
Borbedingung für Abbruch: Alt-
fhnee, warme Witterung, Yöhn,
Regen oder ſtarke Sonnenftrahlung.
Die Lamwinengefahr ift natur:
gemäß im Spätwinter und Bor:
frühjahr am größten, wo mehrere
Schichten Schnee mit verfchiedener
Konſiſtenz und Spannung über:
einander liegen; fie ift bei Neu=
jchneelaminen von der Tageszeit
nahezu unabhändig, während Alt-
fchneelamwinengefahr ded Morgens
und ev. Abends geringer, oft aus:
geichloflen ift (vgl. Nr. 168 Ab. 2).
Sn der Region der Firn- und
Eisbrüche bilden fih durch ab-
bredende Eiäftüde, Zufammenfturz
von Eidnadeln und
dgl. die fog. Eiß-
lawinen Ihr
Borhandenfein und
ihre Bahn mird
gewöhnlih durch
die zerftreuten Eis⸗
trümmer ſchon von
weitem verraten.
Bei ftarfem Wind
und warmen Wet:
ter follen von Eis⸗
lawinen beftrichene
Räume grundfäßs
lich nit über:
ſchritten werben.
Niro. 182.
Firnlawinen entftehen durd
Abbrechen von Wächten und durch
Zufammenfturz von Firnferacs.
Schneewächten find eine im
vergleticherten Hochgebirge außer:
ordentlich häufige Erfcheinung. Sie
beitehen in Schneedächern oder
Balkonen, die fi weit — bis zu
6 Meter und mehr — in die Luft
hinauswölben und durch Anmwehen,
Tauen und anfrieren des Schnees
an Gipfeln, Kämmen und Graten,
auch außerdem an jehr fteilen
Feld: oder Gletjcherabbrüchen
gebildet werden. Die Gefahr
befteht darin, daß der Bergſteiger
wähnt, ſich noch auf feitem Boden
zu bewegen, während er jchon das
Iuftige Gebilde betritt, das plöß-
üb mit ihm zur Tiefe ftürzen
fann.
Durch die Bewegung der Gletſcher,
die wechjelnde Breite und Die
Krümmungen des Gletſcherbettes
und die Unebenheiten des Unter-
grundes entjtehen die Spalten.
Wo das Gletjcherbett fteile Ab:
ftürze aufmeift, entjtehen Glet⸗
fherbrüde; das Eis ift dann
in Türme und Nadeln, „Seracs“,
welche die bizarrften Formen zeigen,
zeripalten.
Wenn die Gletjcher aper find
und die Spalten zutage treten,
„. Schnee
...... Selsgerüft
53. Schneewächte.
RR ———
Nro. 183.
Alfven Steiniker.
bieten fie keinerlei objektive Ge- firnlawinengefährliche Strecken nicht
fahren.
Anders iſt es, wenn eine Schnee-
dee die Spalten verdedt. In
früher Jahreszeit find die Schnee-
umgangen werden fünnen, fo durc —
ſchreite man fie mit tunlichſter Eile:
Die Gefahren der Gletſcherſpalten
werden durch fachgemäße Anwen—
brücden noch ftarf und tragfähig; | dung des Seiled vermieden (Nr.183).-.
Neufchnee beſitzt feine Tragfähig-
feit. In früher Morgenftunde oder
bei falten Wetter bejigen die ge—
frorenen GSchneebrüden auch bei
geringer Dide eine bedeutende
Tragfähigkeit; je mehr der Schnee
ermweicht, deſto unverläßlicher find
fie. Bei gleicher Dide und Schnee:
bejchaffenheit ijt eine kurze Brücke
naturgemäb tragfähiger als eine
längere. Die größten Schwierig-
feiten bietet gewöhnlich die lebte,
den Gletfher vom Bergmajfiv
trennende Spalte — Bergfhrund
oder Randfluft — wegen ihrer
Breite und der häufig überwächteten
Ränder.
Die Gefahren bei Baffieren von
Gletjcherbrüchen beftehen, abgejehen
von der Spaltengefahr, noch in
dem Iabilen Gleichgewicht der Se-
rac8; bei warmer Temperatur und
Sonnenftrahlung wächſt die Wahr-
ſcheinlichkeit des Einſturzes der bi-
zarren Rieſenkriſtalle.
Der einzige Schutz gegen La—
winen beſteht darin, die Beſteigun—⸗
gen jo einzurichten, daß bei be—
ginnender Lawinengefahr, aljo nadj=
dem die Tageswärme den Schnee
ꝛc. erweicht hat, die gefährlichen
Stellen ſchon paffiert find. ft dies
nicht möglich, jo bleibt nichts übrig,
als fich größerer Unternehmungen
folange zu enthalten, bis fich Die
Schneeverhältnifje gebefjert haben.
Iſt man troß alledem gezwungen,
einen laminengefährlihen Hang
queren zu müfjen, jo gejchieht es
möglihft am oberen Ende des
Lawinenhangs; die Spuren werden
feft eingetreten und der Pidel als
Berjiherung bis in die feſte Unter-
lage eingerammt. Wenn eiß- oder
Befondere Borficht ift beim Ueber—
Schreiten der gänzlich ungefährlid; -
ausfehenden alten amwinenrefte
nötig, die fich oft big in den Spät—
fommer hinein erhalten und Tobel:
und Bergbäche überbrüden. Durch
die Unterjpülung des Waſſers bil⸗
den fih große Hohlräume, über‘, \
denen fi nur mehr eine bünnel ‘
Dede fpannt, die unter der Be!
laftung des Menſchen einbricht. bh
Fr. In
‘
Zweifellos ift weit mehr Erfah:
rung und Bergkenntnis zur Beur⸗
teilung und Würdigung der Schnee=*'
verhältniffe, des Vorhandenſeins '.
und Verlaufe von Spalten u. dal.
nötig als zur Durchführung tech—
nich fchwieriger Felstouren. Der
junge MAlpinift kann nicht genug“)
davor gewarnt werden, die Gebiete
des ewigen Eiſes zu betreten, die '
führerlos erft dem offen ftehen, J
der in jahrelanger Uebung den ık'
Blick geſchärft hat. 5
183. Die Hilfgmittel bei Eis: A
touren find wie auf Felfen Piel, N
Steigeifen und Geil; jeboh iſt IR
Zwei und Gebrauch großenteils |.
verschieden. Der Pidel wird al?
Stod, zum Verſichern, als Sonde
und zum Stufenfchlagen benüßt.
Auf fteilen Schnee- und Firn⸗—
hängen wird der Pidel ſenkrecht
eingetrieben und der Schaft mög-
licht weit unten angefaßt. Sit
der Schnee weich, fo ftedt man
ihn bis an die Haue ein und faht |
dieje mit der Hand. Sit der Schnee
oder Firn fo hart, daß man den
Pickelſtock nicht feft genug einjteden |
Tann, jo benügt man den Piel ald \
Anker, ebenfo auf Eis, wobei mit
der Spishaue ein Loch ausgeſchlagen
werden muß. Beim Traverfieren
— — — m — — * .>
7
7
* >
I,
Am Grat.
(Zu Nro. 189.)
m
er —
N —
III. Der Alpinismuz.
Nro. 183.
fteiler Hänge fol jeder der Touren- | der Fuß genügenden Halt findet,
teilnehmer, ausgenommen demjeni= | eine leichte Neigung nad innen
gen, der Stufen fchlägt, den Bidel
zur Berfiherung als Unter ge-
brauchen.
Als Sonde benützt man den
Piel zur Prüfung der Schneetiefe,
der Schneebefchaffenheit — 3.
wie tief Pulverjchnee, Neufchnee ift,
ob die Unterlage unterdiejen harter
Schnee, Eis ift — zur Unterſuchung
von Schneebrüden über Gletjcher-
fpalten und Brüden, die von
Zaminenreften gebildet werden, in
bezug auf Dide und Haltbarkeit und
von Wächten.
Wo infolge Steilheit und Härte
des Schneed, Firns oder Eijes der
Fuß feinen fiheren Tritt mehr
findet, müſſen fünftlide Tritte
„Stufen“ geichlagen werden. Jeder
Tourift fann in die Lage fommen,
wenigfjtend vorübergehend einige
Etufen berftelen zu müſſen; es ift
deshalb notwendig, daß er die
elementaren Grundfäge fennt und
ſich zum mindeften eine geringe
Uebung aneignet.
Auf mäßig hartem Firn und
Schnee genügt ed, mit der Schaufel
des Pidels eine Stufe auszufragen.
Bei einiger Fertigkeit genügt hiezu
ein Schlag. Das Stufenjchlagen
in bartem Firn und noch mehr im
Eis geſchieht mit der Spikhaue;
e3 bedarf großer Hebung, um nicht
jehr rafch zu ermüden. Es fommt
hiebei weniger auf Kraft als Ge-
fHid an, man muß mehr mit dem
Schwung des Pickels als mit der
Armkraft arbeiten. Dabei muß
das Gleichgewicht bewahrt werden,
das gemwöhnlid nur auf einem
Fuße ruht.
Die Stufen müfjen an der Stelle
gefchlagen werden, wo der Fuß in
natürlicher Stellung hintritt, aljo
nit in einer Linie, jondern fo
wie man die Füße beim Gehen
jegt. Sie müflen jo groß fein, daß
und eine ſcharfe Kante nad)
außen befiten. Grade aufs oder
abwärts Stufen zu fchlagen, ift
fehr unbequem, man zieht e8 daher
vor, fie in ſchräger Richtung zu
B. | Schlagen und im leichten Zidzad
anzufteigen. Die Stufen beim
Wendepunkt macht man zweckmäßig
etwas größer, ſo daß man mit
beiden Füßen hineintreten kann.
Benützt man die gleichen Stufen
zum Abſtieg, ſo müſſen ſie größer
bezw. tiefer geſchlagen werden, weil
beim Abſtieg die Trittſicherheit
ſchwieriger iſt. Wenn die folgenden
Gefährten den Erſten, während er
Stufen ſchlägt, nicht zu ſichern
brauchen, iſt es vorteilhaft, wenn
ſie inzwiſchen die Stufen für den
Abſtieg verbeſſern. Bei ſehr ſteilen
Stellen kann es nötig werden,
auch Stufen für die Hände (Griffe)
herzuſtellen, die kleiner wie die—
jenigen für die Füße ſind, aber
ſtärker nach innen geneigt ſein
müſſen.
Steigeiſen erhöhen die Tritt-
ficherheit außerordentlih und er-
möglichen deshalb da noch ficher
und raſch fortzufommen, wo ſonſt
das Gehen fehr bejchwerlich wäre;
fie erjparen in vielen Fällen das
Schlagen von Stufen und aud in
den Fällen, wo Stufen geſchlagen
werden müſſen, fann man ſich mit
rafher und flüchtig bergeftellten
Stufen begnügen, da man mit
dem Eijen viel fefter und ficherer
in der Stufe fteht als ohne
fie. Namentlih ift die erhöhte
Trittfiherheit beim Abftieg von
großem Borteil. Die große Er:
jparni? an Zeit und Kraft, die
durd) den Gebrauch der Eiſen er-
zielt wird, kann bei größeren Touren
gar nit hoch genug bemertet
werden. Bei einer dünnen Eis—
ſchicht, die nicht ml, Stufen
Niro. 183.
zu Schlagen, können fie allein noch
ein Fortfommen ermöglichen, bei
weichem, fich ballenden: Schnee find
fie nicht angebradt.
Das Seil ift auf fchneebededten
Gletſchern und in der Firnregion
die unbedingt nötige Sicherheits—
vorfehrung gegen die Gefahr des
Einbrechens; außerdem kann e8
ähnlich wie in den Feljen zur Ber:
Alfred Steiniker.
beiteht, wird das Seil am beiten
doppelt genommen. Daß lofe Ende h
wird beim Geben an der Bruft-
jchlinge befeftigt. Wenn der Vorder:
mann in eine Spalte bricht, jo
wird der Piel durch die Schlinge a
geftedlt und eingerammt ; bricht Der
Hintermann ein, jo bindet er das
Endftüct b feft an die Bruftfchlinge,
der Vordermann zerfchneidet das
fiherung an techniſch ſchwierigen Seil bei ce und madt eine Schlinge
und objektiv gefährlihen Stellen
gebraucht werden. Das Betreten
von befchneiten Gletſchern undFirnen
ohne Seil bezeihnet Whymper
al8 eine Dummdreiftigfeit; ein
großer Teil der alpinen Unglüds-
fälle wird durch unfachgemäße An:
wendung und Handhabung des
Geiles verurfadt.
Das Anfeilen erfolgt wie unter
172 Abf. 5 beichrieben. Der nor:
male Abjtand ift bei zwei Mann
ca. 10m, bei drei Dann ca. 7m.
Das Seil muß leicht gejpannt ge—
halten werden, fo dab es nicht am
Boden fchleift; am beften läßt man
e8 durch eine Hand laufen. Der
Bordermann tft durch die Auf:
merfjamfeit auf den Weg, Son:
dieren 2c. in Anipruch genommen;
es iſt Pflicht des Nachfolgenden,
daß dag Seil rihtig gehandhabt,
und inSbejondere der Vorangehende
beim Sondieren gefährlicher Stel:
len gefichert wird. Die Reihen:
folge ift wie in den Felſen, beim
Aufſtieg der Geſchickteſte als Eriter,
im Abjtieg als Letzter, der Schwächſte
event. in der Mitte.
Wenn die Partie nur aus Zweien
Vordermann
8-10m
wie bei a zum Befeftigen am ein>
gerammten Pickel.
Wie in den Feljen (vgl. Nr. 172)
ift e8 auh im Firn und Eis ge=
boten, daß man an gefährlichen
Stellen — alfo da wo der Sturz
eine® Gefährten zu einer Kataſtrophe
führen könnte — nicht gleichzeitig
marjcdiert, fondern den fih be:
mwegenden Gefährten aus feitem
Stand tunlidit ſichert. „Das
jpannraupenartige Gehen einer
Partie. in gefahrvollem Gebiet
mag weniger raſch von ftatten gehen
und weniger elegant ausjehen, es
ift aber ficherlich die einzig richtige
Art, wie man unter den genannten
Berhältniffen zu marjchieren hat.
Und vor allem nur feine faljche
Scham vor anderen Partien, die
unrichtig gehen!" (Paulke.)
Die Berfiderung ift auf Eis
ſchwerer als auf Felſen, da Die
natürlichen Haltepunfte fehlen, an
denen man dag Seil befeftigen
fann. Sn fehr vielen Fällen wird
ed indefien gelingen, durch den
eingerammten Bidel einen Halte:
punkt herzuftellen, um den dag Seil
ähnlich geführt wird, wie um einen
Hintermann
54, Mnfeilen anf Gletſchern.
Aus: Anwendung des Eeiles der Alpenvereinsjeltion Bayerlanb.
III. Der Alpinismus.
Nro. 184.
Felsvorſprung (Bild 58). Beim di- | Spalte bewegt, To bredden voraus-
reften Auf- und Abitieg ift der Rud, ſichtlich alle zugleich ein. Der Ge-
den der oberhalb Befindliche durch
das Ausgleiten eines Gefährten be⸗
fommt, bei gefpanntem Seil gering
und Tann von einem ftandfeiten
Steiger im allgemeinen ausgehal⸗
ten werden.
Am fchwierigften ift die Ber:
fiherung beim Traverjieren von
fteilen Eishalden; wenn man nicht
die Spighaue tief einſchlägt, ift es
faum möglich, einen Stürzenden zu
halten. Auch auf Eisgraten ift eine
ausreichende Sicherung nur aus:
nahmsweiſe möglid).
Einige hervorragende Alpiniften
find der Anficht, daß an foldhen
Stellen, wo das Ausgleiten eines
Gefährten die ganze Partie mit
fih reißen müßte, dag Seil abzu—
legen ift. Diefe Forderung märe
ganz richtig, wenn nicht Gefühls-
imponderabilien dagegen jprechen
würden. Sedenfalls iſt der mora-
liſche Wert des Seils nicht zu unter:
ſchätzen.
Anders liegen die Verhältniſſe
beim Paſſieren von mit Schnee= und
Eislawinen beftrichenen Räumen.
Hier ift das Seil unbedingt ab⸗
zulegen, wenn nicht große Spalten:
gefahr vorhanden ift oder in Rinnen
u. dgl. die Sicherung von unge:
fährdeten Punkten aus erfolgen
fann.
184. Gletſcherſpalten. Durch die
unabläffige Bewegung der Eis:
und Firnmaſſen find aud die
Spaltenjyfteme einer fortwährenden
Veränderung unterworfen. Es ge-
hört ein langjähriges Studium und
ein geübte® Auge dazu, um bei
Schneebevedung das Vorhanden⸗
ſein und die Richtung der Spalten
beurteilen zu können. Die Spalten
müſſen grundſätzlich ſenkrecht zu
ihrem Verlauf überſchritten werden;
wenn ſich eine Partie in der Längs⸗
rihtung auf einer verfchneiten
braud) des Seiles beim Marjchieren
auf verſchneiten Gletſchern ift ſchon
in Nr. 183 Abſ. 8 erwähnt. Wo
Spalten vermutet werden, muß der
Schnee vom Vordermann bei jedem
Schritt durch Sondieren mit dem
Pickel auf feine Tragfähigkeit ge-
prüft werden. Stößt man hiebei
auf feiten Grund, fo Tann man
auftreten; fticht man aber ins Boden⸗
fofe, jo ift man ſicher, vor einer
verjchneiten Spalte zu ftehen. Man
prüft dann zunächſt dur) Sondieren
ihre Breite und jpringt darüber,
55. Sondieren bei vermuteter Gletfcher:
fpalte.
wenn man jenjeit3 fejten Boden
findet, oder ſucht eine geeignete
Uebergangsſtelle. Während des
Sprung® muß das Seil jo meit
gelodert werden, daß der Springende
nit zurüdgerifjen wird; ift ber
Erfte drüben, folgt der Zweite am
ftraff angezogenen Seil un. j.f.
Bemerkt man ſeitwärts eine
offene Spalte, fo ift anzuneh-
ze ir a
1. 185
n, dab fie fih unter unjerem
be fortjeßt und wir auf einer
chneebrücke jtehen (ver-
ꝛiche Nr.184 Abi. 1). Die Trag-
Jigfeit derjelben wird geprüft,
e oben bejchrieben. Ueber Schnee:
üden gehe man behutjam ohne
ſt aufzutreten, mitmöglichſter Ber:
— Gewichtes auf beide
üße.
Bricht man trotz aller Vorſicht
weine Spalte,” jo hält man ſofort
en Bidel quer zu ihrer Längs—
ihtung oder, man wirft ſich mit
em Lberförper nad vorne und
verankert ſich mit dem Pickel.
Sinft man troßdem ein, jo muß
er Nachmann den Gtürzenden
energiſch zurüczureißen ſuchen, da—
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56. In eine Spalte gebrochen.
mit er nicht unter die nachbrechen—
den Schneemaffen gerät, dann
werden die Pickel eingeranımt und
das Seil daran befeftigt. Iſt die
"Spalte nicht breit, fann man den
Pickel quer überlegen, den der Ge—
ftürzte vielleicht mit den Händen
regen fann.
Alfred Steinifer.
Am beiten unter: Raftieren Be ‚Kluft —* wi n
⸗
-
jftügt man ihn GeimSerautmeneh
wenn von beiden Seiten greige R
mäßig gezogen wird; dazu ift es
nötig, das Seil durchzufcneiden; i
der Geſtürzte befeſtigt das von der
andern Seite zugeworfene Ende
an ſeiner Seilſchlinge. Bei nur
zwei Teilnehmern ift dad Herauf⸗
ziehen eines Geftürzten meift un-
möglich, wenn es lebterer nicht
ſelbſt kräftig zu unterjtügen ver:
mag. Das doppelt genommene‘
Seil (vergl. Nr. 183 Abf. 9) iſt
ein ganz vorzüglicher Behelf. Um
am Spaltenrand das Einſchneiden
des Seils in weichem Schnee oder
das Durchſcheuern an ſcharfen Eis—
kanten zu verhindern, legt ma
einen Pickelſtock, eventuell einen
Lodenmantel u. dal. unter.
185. Ueberjchreiten einer Rand⸗
kluft (Bergſchrundes). Die gefähr⸗
lichſten und techniſch am ſchwierigſten
zu bewältigende Spalten ſind Rand⸗
klüfte. Man kann ſie mit Sicher⸗
heit überall da vermuten, wo ſich
das Firnfeld an das eigentliche
Bergmaſſiv legt, oder auch unter
halb fteiler, mit Schnee und EIS]!
bevecdter Wände oder eiserfülter]
Couloirs, wo fich beim Beginn dei
flacheren Firnfeldes der Neigung
winfel erheblich ändert. In ſchnee
reihen Jahren iſt die Nandklufl
häufig verdedt und kann dei
Morgend, wenn der Schnee not
hart iſt, unbedenklich überjchritten
werden.
Im Spätfommer oder im Herbild
went die Kluft offen ift oder went
die Schneebrüden nicht mehr trag!
fähig find, bietet die Meberjchreitung
oft große Schwierigfeiten.
Die den Bergjchrund überſetzer
den Schneebrüden find genau zl
fondieren; wenn fie nicht ganz ver
läſſig find, fo überfchreitet man fit
friechend, um das Körpergewicht i
möglichft zu verteilen. Nach dem
— er Art
III. Ber Alpinigmus. Nro.-186—188.
nötig, der Pidelftiel eingeftoßen, Aufmerffame und forgfältigite
um fich Daran'emporzuziehen. Wenn Seilverfiherung ift womöglich in
Schneebrüden nicht vorhanden oder noch höherem Maße geboten, als
nicht pajfierbar find, fo müffen | beim Ueberjchreiten gewöhnlicher
Stellen gefucht werden, an denen Spalten.
der Bergfchrund zum Teil mit| 186. Eis— und Schneerinnen find
' wegen der Stein:
fallgefahr nur bei
altem Wetter zu be⸗
gehen. Der Weg der
fallenden Steine ift
durch die ſchon von
weitem fichtbaren
Furden gekenn—
zeichnet. Das Eis
iſt in ſolchen Rin—
nen meiſt ſehr hart
und erfordert müh—
ſamſte Stufen—
arbeit. Bei Schnee:
bedefung ift ins
folge der Steilheit
die Lamwinengefahr
If;
" al J
EX pi
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f 7
7
h) I — \ TE N zu berücfichtigen.
1 nl Sur 187. Firm: und
y ® Eishänge, nament-
lich letztere ftellen,
wenn fie jteil find,
an die Trittjicher-
heit die größten
Anforderungen.
Whymper jagt:
„Ser Auf einer
Treppe, die in
einen Eishang ge-
hartem Lawinenſchnee aus- | hauen ift, auf jeinen Füßen bleiben
gefüllt ift; injolden Fällen | kann, der mag dieſe eigentümliche
iſt meijt das GErklettern | Art von Treppe benüßen. Kann er
des jenfeitigen höheren | das nicht, fo tut er beſſer, von folden
Randes jehr jchwierig. Es Plägen ferne zu bleiben.” Das
fann erforderlich werden Griffe zu | „Ipannraupenartige” Gehen (Nr.183
ſchlagen und für den Erften Fünftliche | Abſ. 10) wird fich häufig empfehlen.
Tritte mit dem eingeftoßenen Pidel- | 188. Gtetjcher- und Firnbrüche
jtiel herzuftellen. Zeichtergeftaltetfich | bieten bei größerer Ausdehnung
die Sade im Abjtieg, wo man die | Gelegenheit "nahezu ale Arten
Spalte einfach überjpringt, wenn | der Eistechnik im verfleinerten
der tiefer gelegene jenfeitige Rand | Maßftabe anzuwenden. Offene
iheren Stand bietet. Schneebrüden | und verdedte Spalten, Schnee:
werden durch vorfichtiges Abfahren | brüche, kurze Eiswände und Balan-
paſſiert. cieren auf ſcharfen Eisrändern fol-
*
ir
57, MHeberfjpringen der Randluft.
189—190. Alfred Steiniker.
in bunter Reihenfolge. Das geht man, fomeit tunlid, ba deren |
(immite hiebeiift die Gefahr von | Ueberkletterung zeitraubend ift;
lawinen und der Zufammenfturz | mandmal ift das Ausweichen in
; Seracs unter Einwirkung der | den fteilen Eisflanken indefjen noch
nne und des Windes (vgl. Nr. 182 | fehmwieriger und gefährlicher. Der
1.8). Daß der Schall der Stimme | Gang auf fhmaler Eiskante, vor:
3 Gleichgewicht von Eisnadeln | nehmlich im Abftieg und dazu nod)
ftören vermödte, wie mande ; Stufen fehlagend ift vielleicht die
hrer behaupten, ift unbedingt größte Probe auf Trittficherheit
glaubhaft. und Balancierfunft, die uns das
189. Am Grat, Bei Gratwande: | Hochgebirge bietet. Hier gilt der
ngen wedjeln Eis, Schnee und | obenzitierte Ausfpruh Whympers
8, „wir können alle Arten der Eis: |in höchſtem Make. Eines der un-
id Felstechnik, ſowie den ganzen | angenehmften Hinderniſſe bei Grat-
touren find Die
190.Schneewächten.(Nr.182). Auf
ihr Vorhandenjein kann meijt aus
der gejamten Terrarmnfiguration ge:
ſchloſſen werden; die Breite läßt
fich Häufig bei Biegungen des Grates
vom feitlihen Standpunkt aus über:
ſehen. Müffen Schneewädhten über:
ſchritten werden, jo ift mit dem
Nickel zu fondieren, ob man fid
auf feftem Grunde befindet. Im
Bmeifelsfale weicht man befjer
nah der Flanke aus, feldft wenn
dadurch zeitraubende Eidarbeit er-
forderlih ift. Gegenfeitige Seil
verfiherung und „Ipannraupen:
artiged” Marſchieren ift felbftver-
ſtändlich.
Bricht eine Wächte ab, während
ſich die ganze Partie darauf be:
Mfindet, fo beſteht die einzige Rettung
m. darin, daß ein Teil der Teilnehmer
:tauf der andern Seite herabjpringt,
58. Traverfieren eines Eishanges. fo daß die Bartie, durch das Seil
gehalten, zu beiden Seiten des
IpparatbergfteigerifcherBehelfeund | Grate8 hängt. Es erjcheint dies
tunftgriffe anwenden.” (Purt⸗ | abenteuerlich, doch wurde Durch die
heller.) Das Charafteriftifche | Geiftesgegenwmart eine? Führer?
olcher Touren ift die außerordent- | auf diefe Weife am Piz Palü da?
ihe Ausgefegtheit und die Be⸗ | Leben einer ganzen Partie gerettet.
chränkung in der Wahl des Wegd;| Muß ein Grat von der Flante
ft ift jeder Schritt und zwar gerade | au8 gemonnen werden, fo kann ed
n den fehwierigften und gefähr- | vorfommen, daß die Wächte von
ichjten Stellen vorgezeichnet, ein | unten her durdhgefchlagen werden
lusweichen unmöglid. TQTürme, | muß, indem ein Kamin audgehauen
jaden und ſcharfe Schrofen um | wird, den man zum Auffteigen be-
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II. Der Alpinismux.
nüßt. Der damit Bejchäftigte muß
gut verfichert jein, damit er beim
Losbrechen größerer Schneeftüde
nit herabgeworfen wird. Im
Augenblide des Abbruches muß der
Bordermann raſch zurüdweiden,
eventuell von dem Sichernden
zurüdgerifjenwerden. Das Schlagen
eines Tunnels, was bei großen
Wächten zur Anwendung kommen
kann, bezeichnet Prof. Paulke
für ſehr gewagt, weil der am Durch—⸗
ſchlag Arbeitende von der id
jenfenden Wächte erdrückt oder von
den abbredenden Schneemafjen
herabgefchleudert werden kann.
Wintertouren, Kletterf&ulen,
Aufseralpine Hochtouren.
191. ®intertouren. Unbejchreib-
lih großartig ift die Pradt des
Winters im Gebirge. Die Emp⸗
fänglichfeit für die Eindrüde der
Natur ift für den der Nebel- und
Kohlendunftatmofphäre der Stadt
Entfliehenden eine im Vergleich mit
dem Sommer noch geiteigerte; der
Kontrajt zwiſchen den Theater:,
Konzert: und Ballfälen und dem
traulihen Berggafthaufe oder gar
der Hütte, in der man jelbft kocht
und maltet, ift von unjagbarem Reiz.
Das Wefen des Sports als „Real:
tiongerjcheinung” gegen die Zivili-
fation findet hier feinen ſtärkſten
Ausdruck. Wintertouren find daher
feit ein paar Dezennien, ganz ab⸗
gejehen vom Skilaufen, das hier
nicht behandelt werden ſoll, gerabezu
populär geworden.
Wenn auch jchon eine große An:
zahl erftllaffiger Hochgipfel im
Winter bezwungen worden iſt,
fo bleibt das eigentliche Gebiet für
BWintertouren immerhin das Mittel-
gebirge, das durch Die winterlichen
Schneeverhältnifje gleichſam in die
Nro. 191—192.
betont deshalb den Wert von Winter:
touren im Mittelgebirge für die
technische Ausbildung des Alpiniften.
Er weiſt darauf hin, mie felbjt
leihte Partien im Winter den
Charakter hervorragender Hoch:
touren gewinnen fönnen, wie el:
jenfteige, die im Sommer in einer
halben Stunde zurüdgelegt merden,
fchwierige, ftundenlange Arbeit er-
fordern, wie man durch die wech—
jelnde Bejchaffenheit des Schnees
in den verjdhiedenen Höhenlagen
Gelegenheit für ale Arten des
Gehen? vom Schneewaten bis zum
Stufenfchlagen findet. Die im
Sommer harmlojen Hänge drohen
mit Laminengefahr, Graskämme
find mit den prädtigjten; Wächten
geſchmückt; die Wege find im Schnee
verfhmwunden, jo daß es gilt, auf
Grund der Geländegeftaltung und
Schneebejchaffenheit fich feinen Weg
felbft zu juchen und zu kombinieren.
Schneejturm, Nebel und Kälte, die
bei Hochgebirgstouren zu Kataſtro⸗
phen führen, find im Mittelgebirge
meift mehr unangenehm und „in-
ſtruktiv“, als eigentlich gefährlich,
weil man rajcher zu Tal fommen
fann; kurz, der Bergjteiger findet
bier gerade für das führerloje
Gehen eine überaus wertvolle Bor:
Thule.
Die vorftehenden Ausführungen
folen aber durchaus nicht fo ver-
ftanden werden, ald ob der Unge-
übte aufs Gerademwohl im Mittel:
gebirge promenieren könnte; die
zahlreichen Unfälle beweijen, mie
falfch diefe Anſchauung wäre.
192. Kletterfchulen. Eine aus:
gezeichnete VBorübung für Erlernung
der Yelstechnit bieten die ſoge—
nannten Kletterfchulen. In Den
Felspartien der Borberge der Alpen,
des Sura, Schwarzwaldg, der Säch—
fifhen Schweiz ufw. finden ſich
Hodregion gehoben und geadelt | Kamine, Wände und Bänder, welde
wird. Th. v. Smoluchowski die ſchönſte Gelegenheit zur appli-
Neo. 193.
tatorif hen Unterweilung in den
im
Gebraud) des Seild: gegenjeitige
Verſicherung, Abjeilarten, Auf: und
Abjeilen des Gepäds u. dgl. ge—
einigen Seftionen
finden Unterweifungen im Geil:
gebraud an den Klettergerüjten der
Gerade Die
Grundſätze der Seiltechnit müſſen
von jedem, der Kletterer werden
will, praktiſch eingeübt werden, ehe
„Es gibt
Grundregeln des Kletterng,
währen.
In
Turnſchulen ſtatt.
er in die Berge geht.
nichts Unangenehmeres und Zeit:
raubenderes, als einen Gefährten,
der nichts vom Seilgebrauch ver—
ſteht, er iſt geradezu eine ‚objek—
tive Gefahr‘, auf welche man
dauernd aufpalien muB” (Paulke).
Dies gilt auch bei Führertouren,
will man nidt als bloßes Gepäd-
jtüct behandelt werden, daß auf
einem Berg auf- oder abgeſeilt
wird. Endlich ift die Uebung in den
Kletterichulen aud ein vorzügliches
Mittel, Mustelkraft und Muskelſinn
zu erwerben und zu erhalten.
Freilich darf man nicht glauben,
daß es das gleidhe iſt, an einem
drei Meter hohen Wand! zu tur-
nen oder in einer ausgeſetzten Tage
zu Hettern. Sch möchte behaupten,
dab ein Menſch, der feiner Glieder
einigermaßen Herr ift, jede Kletter:
ftele, die nicht befondere Kraft:
anjtrengung erfordert, bewältigt,
wenn man fte ihm auf dem Gras:
boden jtellt. Am Berg wirkt eben
alle® doch ganz anders.
193. Außeralpine Hochtouren.
Nenn aud) die alpinen Autoritäten
darüber einig find, dag die Alpen
alle andern Webirge Europas nicht
nur an Großartigfeit, fondern auch
an Rieljeitigfeit ihrer landſchaft⸗
lichen Schönheiten übertreffen, fo
hat doch der Drang, Neues zu
jehen und den allzu „frifierten”
Gebieten zu entgehen, etwas un-
gemein Berlodendes. „Den ganzen
Alfıed Steiniker.
Duft des Alpinigmus in feiner
höchften Vollendung,” jagt D. W.
Freſhfield, „genießt doch nur
der, der zuerft kommt, ber fühne
Mager, der über das Gelingen
noch ungemwiß bleibt big zu dem
Augenblid, wo der Horizont für
ihn unbegrenzt ift. Und diefe feine
Würze des Genuſſes kann man heute
in den Alpen nicht mehr koſten.“
Sn den Karpathen, einem großen
Teile der Pyrenäen und ber Ge
birge Norwegens findet man zwar
Hütten, melde die Beteigungen
erleichtern, aber im allgemeinen
Doch noch eine gewiſſe Urſprünglich⸗
feit, die der wahre Alpinift in
vielen Gruppen unferer Alpen |;
ſchmerzlich vermißt. Waährend
die außereuropäiſchen Gebirge |
früher ausnahmslos im Intereffe |
der Erforfhung, alfo aus willen:
ſchaftlichem Interefſe, aufgeſucht
wurden, ſind auch ſie in der
neueſten Zeit zum Schauplatz der
reinen Sportbetätigung erkoren;
insbeſondere ſind der Himalaja
und der Kaukaſus „en vogué“.
Die von W. Rickmer-Rickmers
geleitete „Deutſche und öfterreichifche
alpine Raufajuserpedition” (1903), |
deren größter Erfolg die Bezwin: |. m.
gung des Ufchba war, darf als Merl:
ftein bezeichnet werden, außereuros |" ::
pätfhe Hochgebirge dem „modernen
Alpinismus“ vienftbar zu machen.
Ob die höchſten Gipfel des
Himalaja ſich dem Fuß des Alpi-
nilten beugen werden, ift fraglid;
es Scheint, Daß hier dem Vordringen
des Menjhen in der durch die
dimne Luft herabgeſetzten Leiſtungs⸗
fähigkeit eine Grenze geſetzt ift.
‚ Die Augrüftung einer Erpedition
im außereuropätfchen Hochgebirge
verlangt jelbftverftändlich Die ein-
gehendſte Vorbereitung von langer
Hand. Im Hinblick auf Zweckund Um⸗
fang des Buches dürfte es bei diefen :"
Andeutungen jein Bewenden haben. “:
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III. Ber Alpinismus. Nro. 194—195.
3. Vom Wetter.
194. Wetterprognofe, DieDurch- | Himmel Klar erfcheint, fo ift meift
führbarfeit von Hochgebirgstouren | auf ſchönes Wetter zu rechnen.
ift meift, da8 Vergnügen, da8 man | Ein jchlechtes Wetterzeihen find
dabei hat, ift immer vom Wetter | die fi an den Hängen bildenden
abhängig. Die Wetterprognofe | Wolkenfahnen. „Hat der Berg einen
ipielt deshalb im Leben des Berg: | Sabel, wird das Wetter mijerabel,”
fteiger8 eine große Role. An den iſt ein durch die Erfahrung be-
zelegraphenftationen der öfter: | währter Tiroler Sprud).
reihifhen und bayriſchen Alpen] Wenn fernere Berge auffallend
wird jeit einigen Jahren täglich | nahegerüdt und ihre Einzelheiten
die Prognoſe von der meteorolo: | bejonder3 deutlich erfcheinen, jo
giihen Zentralftation von Wien | deutet dies auf einen hohen Grad
bezw. München angefchlagen. Dieje | des Feuchtigkeitögehalte8 der Luft
Prognoſen, welche fih auf die all- | und ſomit auf die Wahrfcheinlich-
gemeine Witterungslage gründen, keit baldiger Niederjchläge.
fönnen natürlich nicht immer zu: | Das befte Mittel, ſich eine ge-
treffend fein, da insbefondere in wiſſe Uebung in der Stellung der
den Bergen örtliche Verhältniſſe Wetterprognofe anzueignen, ijt täg-
(3. 3. Föhn) eine große Rolle | liche Hebung und Beurteilung der
jpielen. Die Einwohner kennen | harakteriftifchen Anzeichen und Ver-
ih gewöhnlich gut aus, mas Iofale | gleih mit den von den meteoro-
Nebelbildungen anlangt, im übri⸗ | logiihen Stationen ausgegebenen
gen möchte ich ihrer Prophetengabe | Berichten.
feinen bejonderen Wert zumefjen. 195. Einfluß des jchlechten
Ueber die Hauptfrage, ob der Ein: | Wetters im allgemeinen. Schlecd-
tritt ſchlechten Wetters zu befürch- |te8 Wetter kann entweder felbjt
ten ift, fan man fich durd) Beob: | zur Gefahr werden, oder es Tann
achtung der Cirruswolken (Feder: | die Schwierigkeiten und Gefahren
wolfen) orientieren. Wenn diefe | einer Befteigung erhöhen. „Das
weißen, in leichten Streifen wie | bergfteigeriiche Können, die körper⸗
Federn hoch ziehenden Wolfen im | liche wie geijtige Leiftungsfähigfeit
Weiten oder Südmeften auftauchen, | wird erft auf die richtige Probe
jo kündigen fie das Herannahen | geftellt, wenn ungünftige Verhält-
einer Depreffion an, der fchlechtes | niffe eintreten, wenn Wetter-
Wetter zu folgen pflegt. Insbe- umſchlag, Sturm und Kälte, plötz⸗
jondere wenn bei ſonſt klarem | liche Bereifung der Felſen, un-
Himmel der Horizont im Weften | erwarteter Neufchneefall in ſchwe—
oder Südweſten eine weißgraue rem Gelände das Können des
Färbung annimmt und diefer graue | Bergfteigers prüfen. Es kommen
Schleier rafch immer näher heraufz | aber auch Fälle vor, wo die Natur:
zieht, kann man ficher auf baldigen | gemalten auch den Beſten bezwin-
Eintritt von NRegenwetter rechnen. |gen. Jedenfalls follte fein Berg-
Bemerkt man dagegen die Cirrus⸗ | fteiger eine Tour unternehmen, der
wolfen im Dften oder Nordoften, | er nur unter günftigen Berhältnifjen
10 zeigt Died an, daß eine nur gewachſen ift.“ (Paulke.)
Heine Depreffion bereit im Ab-| Die hauptfählichften Formen des
zuge ift, und wenn dabei ber Weit ſchlechten Wetters find Sturm und
Sirv. 196-197.
Kälte, Nebel, Schneefall und
Schneeſturm, Gewitter.
196. Sturm und Kälte. Der
Sturm fann allein durd) feine Ge-
malt da8 MWeitergehen unmöglich
maden; ich erinnere mic eines
Abſtieges von der Dufourjpige,
wo wir am Grat minutenlang ge:
zwungen murden, ung nieder
zufauern und an die Feljen anzu:
klammern, um nicht heruntergemweht
zu werden.
Schlimmer ift no, daß Sturm
und Kälte innig zufammenhängen,
weil der erjtere, namentlich an den
der Luft ausgeſetzten Hautſtellen
eine intenfive Abkühlung bewirkt;
ein jtarfer Sturm bläft jelbjt noch
durch eine Nehlederweite genü=
gend, um die Kälte recht fühlbar
zu maden. Bejonders unangenehm
wird die Kälte beim Felsklettern
und insbejondere dann, wenn es
die Bejchaffenheit der Griffe not—
wendig madt, die Handſchuhe aus:
zuziehen und man oft warten muß,
bis durch Reiben der Finger für
einige. Minuten dag Gefühl wieder
hergeftellt ift. Sind die Feljen gleich:
zeitig vereift, jo fann nur durd)
raffinierte Abwechſſung im Ge—
braud) der Handſchuhe, Reiben und
in die Taſche ſtecken die Gebrauchs—⸗
fähigkeit der Hände erzwungen
werden.
Zur Erhaltung der Körperwärme
find neben warmer Kleidung Be:
wegung und Nahrung, bejonderg
Fett und Zucker die beften Mittel.
Der Genug von Alkohol iſt Selbit-
täuſchung (vgl. Ir. 142).
197. Nebel kann zu einem der
Ihlimmiten Feinde des Bergſteigers
werden. Nicht nur Die weitere
Orientierung it außerordentlic) er:
Ihwert, auch die nächitgelegenen
Gegenjtände nehmen ein fremd—
artigeg, veriwirrendes Ausjehen an.
Auf Schnee und Firn kann man
im dichten Nebel kaum unterſchei—
Alfıed Sfeiniker.
den, wohin man den Zuß feßt. So
erlebte ih e8 auf dem ſonſt un⸗
ſchwierigen Firngratdes Mt.Siffonef
daß wir bei jedem Schritt fon
dieren mußten, um nicht ftatt auf
den Firn in die Luft zu treten.
Auf gebahnten, gut marlierten
oder verjicherten Steigen iſt es
faum möglich, bei entjpredhender
Aufmerkjamtfeit den Weg zu ver-
lieren. Auch auf Gletjchern ift der
Nebel im Abſtieg nicht zu fürchten,
wenn man den Fußſpuren des Auf-
ftiegS$ folgen kann. Iſt zu erwarten,
daß Nebel einfällt, fo wird man
auf hartem Schnee den Weg durch
Einriffe mit dem Pidel, in den
Felſen dur Steindauben und Mar—
fierungSpapiere bezeichnen. Gänz⸗
lid) unzuverläffig ift es, ſich mar—
fant fcheinende Stellen merken zu
wollen, da, wie erwähnt, der Nebel
alle8 verändert.
Schmwieriger ift ed, wenn man
im Nebel ausgedehnte Schneefelder,
Plateaus, "Almen und SKare zu:
durdichreiten hat, um einen be=
ftimmten Punkt, Einftieg, Scharte,
Kamin u. dal. zu finden, zumal,
wenn dem Bergfteiger das Ge—
lände unbekannt ift. Hier bietet
der Befig einer guten Karte, Die
Fähigkeit, fie lefen zu können, und
der Kompaß, mitteljt deſſen die
Karte orientiert, d. h. nad) der
Himmelgrichtung geftellt wird, Die
einzig mögliden Drientierungs=
mittel. _ Ein mefentliche8 Hilfs⸗
mittel ift außerdem ein gutgehendes
Aneroid, das im Verein mit einer
in Schichtlinien gezeichneten Karte
die Ortsbeſtimmung jehr er
leichtert.
Sft man nicht im Beſitze der ge:
nannten Hilfsmittel, jo kann nur
dringend geraten werden, bei Nebel
feine Tour zu unternehmen, oder
bei einfallendem Nebel rechtzeitig
umzufehren, insbejondere in ben
Gebieten, wo man einer guten
III. Der Alpinisſsmus.
Karte ermangelt. Sch würde e8 5.8.
einzig aus dieſem Grunde nicht
magen, bei unficherem Wetter das
Plateau der Balagruppe ohne orts⸗
kundigen Führer zu überjchreiten.
198. Schneefall und Schnee:
fturm. Schneefall allein bei ruhiger
Luft Tann die objektiven Gefahren
einer Tour erhöhen und die Schwie:
rigteiten fteigern. Gejellt fih zum
Schneefall der Sturm, der wiederum
Nebel und Kälte im Gefolge hat,
dann gilt e8 nur eines: möglichft
raſch die. jchügende Hütte oder das
Tal zu erreihen und, ift man im
Aufitieg begriffen, umzukehren.
Alles, was über die Schmwierig-
feiten der Drientierung im Nebel
gejagt ift, gilt in vervielfachten
Grade vom Schneefturm; dazu
fommt noch der Kampf gegen die
phyſiſche Gewalt des Winddruds,
des Schnee und der Eisnadeln,
die das Geficht peitihen und kaum
ermöglichen, die Augen auch nur
vorübergehend offenzuhalten. Wer
nur einmal auf Bergeshöhen den
Kampf mit diefen elementaren
Mächten durchfechten mußte, weiß,
welche Erfahrung, Willenskraft und
— welches Glück dazu gehört, ihn
fiegreich zu beſtehen
199. Gewitter und Wetterfturz.
Die nur in der heißen Jahreszeit
auftretenden lokalen, die fogen.
„Hitzegewitter“, find häufig
raſch vorübergehend. Die Haupt-
gefahr befteht in Bligjchlägen, denen
man befonder® auf den Gipfeln,
Graten und auf verſicherten Steigen
ausgejegt ift, weil der Blik natur
aemäß den als Blittabel wirkenden
Seilen folgt. Das Summen der
Pidel kündet die elektriſche Span:
nung der Atmofphäre meift ſchon
an, ehe dag Gemitter zum Aus-
bruch gekommen iſt.
Um der Blitzgefahr zu entgehen,
Nro. 198-199.
Wand u. dgl., wobei man jedod)
auf die durch den Regen eintretende
Steinfallgefaht zu achten bat.
Kamine und Rinnen find deshalb
zu meiden. Pidel und Steigeijen
legt man beijeite; muß man mäl)-
rend des Gemitterd gehen, fo um—
widle man die Haue mit einem
Tuche. Bei Fels- und Eistouren
ift dringend zu raten, bei Gemitter-
gefahr dann Sofort umzufehren,
wenn man eine ftein=, eisfall- oder
laminengefährlide Route begehen
müßte. —
Weit mehr zu fürchten ſind die
„Depreſſionsgewitter“, de—
ren Urſache in ausgebreiteten
Gleichgewichtsſtörungen der Atmo—
ſphäre beſteht. Ich erinnere mich,
Gewitter erlebt zu haben, die über
vierundzwanzig Stunden währten;
Hand in Hand geht eine ſtarke und
plötzliche Abkühlung, die in den
höheren Regionen Schneefall und
Schneeſturm bringt; das ſchlechte
Wetter dauert meiſt einige Tage,
ehe es wieder aufzuklaren beginnt.
Dieſe „Wetterſtürze“ kommen
auch außerhalb der warmen Jahres⸗
zeit vor, wo fie aber nicht durd)
Gewitter eingeleitet werden.
Der mwetterfundige und aufmerk—⸗
ſame Beobachter wird jelten völlig
überraſcht werden, denn ſtarkes
Fallen des Barometerd geht dem
Wetterfturz immer voraus; graue,
gleihfam ineinandergewilchte Hauf-
wolken erjdeinen am weſtlichen
und nordweſtlichen Horizont, wäh:
rend der Himmel eine mweißgraue
Färbung annimmt. Von größeren
oder jchwierigeren Partien hat man
bei diejfen Anzeichen unbedingt ab:
zuftehen; wird man auf der Tour
von einem Wetterjturz überraicht,
fo gelten für das Verhalten die
gleihen Grundſätze mie beim
Schneefturm — ſchleunigſt ing Tal
jude man einen gededten Pla | oder wenigftens in niedere Regionen
unter einem Yelsblod, an einer | abzufteigen.
Nro. 200-202.
Alfred Sfeiniker.
4. Nacht und freilager.
200. Die Dunkelheit jchafft noch
größere Schwierigfeiten wie der
Nebel, wenn auch letterer wie 9.
Dubhamel fchreibt, deshalb mehr
zu fürdten ift, weil die Nacht ein
Ende hat, der Nebel aber unbe
rechenbar ift. Für längere Touren,
fomwie zu Jahreszeiten, in denen der
Tag nur kurz ift, wird man fid
grundjäglich mit einer Laterne aus⸗
rüften. In fehwierigem Terrain
und beim Klettern ift auch die La—
terne unzureichend. Auch auf Mond-
ſchein kann nicht mit voller Sicher:
heit gerechnet werden, weil ein
tretende Bewölkung ihn illuſoriſch
madt.
„Sorgfältige Berechnung des Zeit—
aufmandes für eine beabfichtigte
größere Tour mit Berüdfihtigung
muß man rechtzeitig einen geeig-
neten Pla hierfür ausjuden. Sn
erster Linie ift darauf zu achten,
daß dasſelbe nach Tunlichteit gegen
den Wind gejhüst ift ; überhängende
Felſen, Löcher, Nifchen find will-
fommen und können durch Stein-
mauern an der Windjeite noch
„häuslicher“ geftaltet werden. Sind
Latſchen zu haben, jo kann man fich
ein ganz erträgliches Lager her—
'ftellen und ein märmendes Feuer
entzünden.
Jeder Romantif bar find er—
zwungene Biwaks in den Felfen,
wenn fie fo erponiert find, daß man
. gezwungen iſt fich anzubinden und
abwechjelnd Wache halten zu müfjer,
ferner bei Kälte und im Schnee.
Im legteren Falle gräbt man eine
aller möglichen Verzögerungen durch : Höhle, die mit den Wettermänteln
bejondere Umjtände
Bereifung 2c.), dann fehr früher
Aufbruh am Vlorgen, oder wenn
nötig, Biwak in höherer Yaye vor—⸗
her, für welches man ſich mit Deden,
Feuerungsmaterial uſw. verjehen
und einen geeigneten Platz wählen
kann, eventuell ſelbſtverleugnender
Rückzug, wenn ſich während der
Tour ergibt, daß der Rückweg in
die Nacht fallen müßte, das ſind
die Vorſichten, welche dem Touri=
ſten zur Verhinderung eines unfrei—
willigenFreilagers zuGebote ſtehen.“
(JI. Meurer.)
Wenn es nicht mehr möglich iſt
eine Schutz- oder Alphütte vor Ein
bruch der Nacht zu erreichen, fo
da man zum
201. Freilager gezwungen ift, fo
(Neufchnee, | austapeziert wird; die Füße ftedkt
'man in den entleerten Rudfad.
ı Die Stiefel werden nur ausgezogen,
wenn es nötig ift, die Füße durch
Reiben vor dem Erfrieren zu [hügen,
denn dag Wiederanziehen gefrorenen
Schuhwerks ift jehr mißlich. Sit
man gezwungen auf dem Eije zu
bimalieren, fo wird es nur bei un—
gewöhnlich milder Temperatur mög-
lich fein, jich vorübergehend nieder-
zulegen. Auch unter günftigen Ber-
hältniſſen ift der Ausfpruh Gü $-
feldtS zu beherzigen, „daß die
Wohltat eines fchügenden Daches
und eines hellen Feuers ftunden-
weiten Ummeg rechtfertigt” und
man wird deshalb gut tun, alles
zu verjuhen, um ein Biwak zu
| vermeiden.
5. Verhalten bei Unglücksfällen.
202. Grundſätze. „Es ift Pflicht
eines jeden Bergſteigers fich über
die wichtigſten Maßnahmen bei Un-
fällen zu unterrichten und ftet3 etwas
geeignete8 Verbandmaterial mitzu⸗
führen, da oft nur durch ſchnelles,
— — nn
III. Der Alpinismus.
richtiges Handeln das Leben eines
Menjchen gerettet werden Tann.“
(Paulke). Die erjte Hilfeleiftung
bei Unglüdsfälen wird im Kapitel
XV befonders beſprochen werben,
hier ſei nur darauf hingewieſen, wie
gerade der Alpinift in die Tage
kommen fann, längere Zeit auf
Niro. 203-205.
müfjen deutlich fichtbare Spuren
hinterlafien werden.
204. Sicherung von Verletzten
an erponierten Stellen. Wenn
durch DVerlegungen ein Gefährte
nit mehr imftande ift weiterzu-
geben und, um Hilfe zu holen, allein
gelafjen werden muß, fo ift es not⸗
ärztliche Hilfe verzichten zu müffen, | wendig, ihn an eine vor Abfturz
wie die Hilfeleiftung allein ſchon | fihere Stelle zu bringen, oder wenn
dur die äußeren Berhältnifjfe er:
ſchwert iſt und wie unbedingt not-
wendig eg daher ift, über dag ein-
fhlägige Wiſſen zu verfügen. Die
Führer erhalten zwar beiden Führer:
lehrfurfen Unterricht, aber bei der
Menge des dort gelehrten Stoffes |
fann nicht erwartet werden, daß fie
das Gelernte vollftändig behalten
und anwenden fünnen. Der Führer:
loſe ift unter allen Umftänden auf
fih allein angewiejen. Im folgen:
den feien nur einige Punkte er-
mwähnt, die ausſchließlich für den
Bergfteiger in Betracht fommen und
außerhalb der eigentlichen, zunächſt
den Arzt erjegenden SHilfeleiftung
liegen.
203. Einbrechen in eine Spalte.
Wenn ed nicht möglich ift, einen
in eine Spalte Geftürzten heraus-
zuziehen und aud das Notfignal
(f. unten) nicht angewendet werden
kann, fo tft Hilfe zu holen. Zus
nächſt muß der in der Spalte Be:
findlihe jo gefichert werden, daß
er nicht weiter ftürzen fann; wenn
tunlid, ift er mit Mänteln und
Proviant zu verjehen. Von der
Anzahl der Gefährten und der
Spaltengefahr des Rückweges wird
ed abhängen, ob ein Mann genügt,
um Hilfe zu holen oder ob er allein
gelaffen werden muß. Im letzteren
Falle muß die Unglüdsftelle durch
Hinterlegung eined weithin ficht-
baren Gegenjtandes Tenntlich ge=
macht werden, denn es Tann fonit
vorfommen, daß fie nicht mehr ge:
funden wird. Bei nebligem Weiter
dies nicht möglich ift, ihn mit dem
Seile fo anzubinden, daß ein Ab-
fturz ausgeſchloſſen ift. Soweit tun⸗
lich ijt er mit Kleidungsftüden und
Ruckſack bequem zu betten und zu⸗
zudeden; Broviant ift zurückzulaſſen.
205. Transport Berlester. Sehr
ſchwierig gejtaltet fich der Trans
port, wenn ein VBerlegter nicht mehr
in der Lage ift, jelbjt gehen zu
fönnen. Für einen wird eg, er fei
denn ungewöhnlich kräftig, meijt
unmöglich jein; in den Felſen wer:
den immer mehrere nötig fein, wo—
bei die komplizierteſten Abfeilkunft-
ftüde zur Anmwendung kommen
fönnen. Die nachftehenden Ab-
bildungen zeigen verjchiedene Arten
von improvifierten Tragbahren, die
feiner meiteren Grläuterung be—
dürfen (angegeben von Dr. D.
Bernhard).
Eine ſehr praftifhe Tragbahre
beſchreibt Dr. Lieber, die
(ähnlich derjenigen mit Kleidungs-
ftüden) aus Rudjäden hergeſtellt
ift, die vieredig ausgeftrichen find;
die Strife werden jo gebunden,
daß fie oben und unten gleich weit
find, die Riemen werden abge:
fhnitten und die Pidel dur die
Säde geſchoben, nahdem in die
unteren Zipfeln Löcher gefchnitten
wurden.
Auf Gletfhern kann es vorteil-
haft fein, den Verletzten zu ziehen,
inden man ihn auf einen Wetter:
mantel oder auf geleerte, zujammen-
gefnüpfte Rudjäde legt, an denen
man dag Seil befeitigt.
06. Alfred Steiniker.
59. Tragbaren. Aus Bernhard, Samariterbdienft. N
206. Notſignal. Von den alpinen | Hilfe braudt. Es ift natürlich nidt |
ereinen ifteininternationales in allen, aber immerhin in vielen
otfignal eingeführt worden für | Fällen verwendbar. IM
ne Fälle, in denen eine Partie Das Notfignal befteht darin, daß %
5
— — — ⸗ ur |
Ill. Der Alpinismus.
innerhalb einer Minute ſechs—
mal in regelmäßigen Zwiſchen⸗
räumen ein Zeichen gegeben wird,
hierauf eine Pauſe von einer
Minute eintritt, worauf wieder
das Zeichen ſechsmal in der Minute
gegeben wird, und fo fort, bis Ant:
wort erfolgt.
Die Antwort wird gegeben, in-
dveminnerhalbeinerMinute
dreimal in regelmäßigen Zmi:
Ihenräumen ein Zeichen gegeben
wird.
Die Art des Zeiheng hängt von
den Umftänden ab; es fünnen op=
tiihe oder afuftifche fein.
1. $laggenfignal. Ein an
einem Stode oder Piel befeftigtes
Tuch, ein Wettermantel 2c. wird
gejchwentt.
2. Wechſelweiſes Heben
und Senten irgend eine auf-
fälligen Gegenftandes, 3. B. eines
Brettes, einer ausgehobenen Hütten-
türe u. dgl.
3. 2Laternenfignal (bei
Duntelheit). Wechfelmeifes Hoch⸗
heben und Verdunkeln einer Laterne
oder eines brennenden Latſchen⸗
zweiges 2c.
4. Bliglidt. Iſt ein gut
ipiegelnder Gegenftand zur Ber:
fügung — entweder ein wirklicher
Spiegel (ein Tafchenjpiegel von
10—12 cm Durcdmefjer genügt)
oder eine blante Metallflähe —,
ſo können, fei e8 mit Benützung
des Sonnenlichte8 oder bei Nacht
mit einer Laterne Blitlichtzeichen
gegeben werden.
5. Rufen. Kurzes lautes
Schreien, ſchrille Pfiffe in den an-
gegebenen Zwilchenräumen.
6. Stoßmweiße in den angegebenen
Zwiſchenräumen wiederholte Sig-
nale mit einem Horn (Trompete,
Sprachrohr oder fonft weithin
Ihallendem Snftrumente).
Welches von den genannten Zei-
Nro. 207.
hängt eben von den Umftänden ab.
Die NRegelmäßigkeit der Zwiſchen⸗
räume wird entweder nad) der Ahr
oder einfacher derart erzielt, daß
man taftmäßig von 1—20 zählt,
dann das Zeichen gibt, wieder von
1—20 zählt und fo fort. Nach
dem ſechſten Zeichen wird die Mi-
nutenpaufe durch Zählen von 1 bis
120 bemefjen, morauf wieder die
feh3malige Abgabe des Zeichen?
erfolgt.
Bei der Antwort — dreimaliges
Zeiden in der Minute — wird
zwiſchen jeder Zeichenabgabe von
1—40 gezählt.
207. Rettungswefen. Sm Gebiete
der deutfchen und öfterreichifchen
Alpen beiteht einvom D.u.De. A.⸗V.
organifierteg Rettungsmwefen. Für
den Bergiteiger fommen in erjter
Linie in Betradt:
Die NRettungsftellen im
Alpengebiete, welche die zur Ret-
tung und zur Bergung von Verun⸗
glüdten erforderlichen Maßnahmen
treffen.
Die Wohnungen der Leiter diejer
Stellen find durch Aufichrifttafeln
gefennzeichnet, wie auch
die Meldeftellen im Alpen⸗
gebiete, welche eine raſche Benad):
richtigung der Nettungsftelle bei
Unfällen zu vermitteln haben. Dieje
Meldeitellen find gleichfall3 durch
Aufichrifttafeln gekennzeichnet; ei—
nige derjelben auch mit Rettungs=
mitteln ausgejtattet.
Alles nähere erfährt man an den
genannten Stellen, in den Schuß:
hütten, bei den Führern ꝛc.
Für die Schweiz beftehen in den
Hauptorten des Touriftenverfehrs
ähnliche Einrichtungen, wenn aud)
in geringerer Ausdehnung; man
fann fih hierüber in den Hotels
informieren. Für Italien hat man
fih (telegraphiih) an den Klub
Alpino Staliano, Turin, Via Monte
hen zur Anmendung gelangen fol, | di Pietà 28, für Franfreid) an den
tro. 208.
mb Alpin Francais, Paris, Rue
u Bac 30 zu wenden.
208. Schluß. Ich glaube, das
Rapitel über den Alpinismus nicht
yefier Schließen zu können, ald mit
den Schönen Worten des viel zu
früh verftorbenen Purtſcheller:
„Auf den Bergen erhebt fi) der
Geiſt zu dem Unendlihen, Unman:
delbaren, ewig Schönen und Großen;
fie wirkten auf die Jugend beleh-
Rlfred Steiniker.
auf den Greis tröftend und neu:
belebend. Der Alpinismus Tann
ung — mehr ald alle Weisheit und
alles Geld der Welt — Eines geben:
Gefundheit und Lebensfreude, Kraft
und lörperliche Wiedergeburt, Liebe
zur Natur und Menschheit, Aus:
dauer und Geelenftärfe im Kampf
mit Schwierigfeiten; er ijt ein Ele:
ment gejunder Lebensäußerung,
äſthetiſchen Genuſſes und innerer
vend, auf ven Mann weltverjöhnend, Herzensbefriedigung.“
ES
|
[4
|
hr;
y =
6. Erklärung der gebräuchlichlten berglteigerifchen
Ausdrücke.
Abfahren, auf einem Schneehang ftehend
oder figend hinabgleiten.
Alpe, Alın, Matten, die ald Viehmeide
dienen; wird aud für die auf ihnen
ftehenden Baulichkeiten (Hütten) ge-
braudt, mandmal auch als Beziehung
für den ganzen Berg (Raralp).
Aper, jchneefrei, bei Felſen auch eizfrei.
Ausapern, Wegichmeljen des Schnees.
Aperer Gletſcher, die Teile des
Gletſchers, wo das blanke Eid zutage
tritt.
Band, eine mehr oder weniger horizontal
verlaufende Leifte, Über und unter ber
dag Terrain fteil abfällt. Man unter:
ſcheidet Eis-, Fels-, Gras-, Schnee: und
Schuttbänder.
Bergſchrund, ſ. Randkluft.
Bergſturz, das Herabſtürzen großer
Felsmaſſen ſowie auch als Bezeichnung
für die herabgeſtürzten Trümmer,
Bratihen, Fellen aus weihem, ſchiefrig⸗
brüdigem unb blättrigem Geftein.
Couloir, fteile, ſchmale Rinne in einem
Berghang, vgl. Shludt, Runje und
Rinne. .
Ferner, Bezeichnung ber Gletſcher in
den Stubaier= und Destaleralpen.
Firn, der fefte, körnige Schnee, der die
oberen Teile eines Gletſchers bildet.
Firnbrud, analoge Erjdheinung im
Firngebiet wie Gletfherbruc beim Glet⸗
er, j. d.
PA: ndeden, Moräne (Schweizer Aus-
drud).
Gendarm, Gratzaden, Feliturm im
Grat,
Gerdll, durch Bermwitterung zerkleinerte
Geröllmafjen, die in ven Karen am Fuß
von Rinnen und Wänden 2c. liegen.
Gletſcher, Eisftrom, der dem Firn⸗
gebiet entjpringt. Gletſcher erfter Ord⸗
nung (primäre) find folde, bie ihr Eis
ins Tal hinabjenden; Gletſcher zweiter
Kamm, jchmälerer Bergrüden.
Ordnung (fetundäre) füllen nur bie hoch⸗
gelegenen elfentäler aus. Dazwiſchen
find viele Uebergänge vorhanden.
Gletfherbrudc(sfturg), ftark zer⸗
tlüfteter Teil des GI., der dadurch ent-
ſteht, daß das Eis durch bie Unregel-
mäßigleiten der Unterlage unb die hier:
durd bewirkte Spannung zerteilt wird.
— mühle, durch bie Tätigkeit des Waſſers
entſtandener ſenkrechter Schadht.
— tiſch, Steinblock, der auf einer Eis⸗
ſäule ruht, findet fich auf aperen Glet⸗
ern
ſchern.
— tor, Eishöhle am unteren Ende des
Gletſchers, die durch ben dort entſpringen⸗
den Gletſcherbach ausgeſchmolzen wird.
— ge, das unterſte Ende des Glet—
ers.
Grat, Schneide eines Eis-, Fels- oder
Schneekammes.
Griff, ein Haltepunkt für die Hände
(beim Klettern).
G f — Linie, Moräne (Schweizer Aus⸗
rue).
Halde, Bergabhana; es gibt Geröll-,
Gras-, Schnee-, Schutt, Steinhalben.
Hängegletiger — Gletſcher zmeiter
Drbnung, |. d.
Kar, ſchutt- ober fchneeerfüllte Hochmulde.
Kamin, enges Couloir (ſ. d.), fo baß
man mit beiden Händen zugleid die
beiden Seiten erreichen fann.
!
Karrenfelder, durch Vermitterung von i
parallelen Riſſen und Furchen durch⸗
zogene, meiſt wenig geneigte Felsmaſſen
im Kaltgebirge.
Kees, Bezeichnung für Gletſcher in den
hohen Tauern und im Zillertal.
Klamm, enge Felsſchlucht, bie meiſt durch
einen Wildbach in bag Geftein eingerilien
wurde.
Kluft, größere Spalte im Eis ober Firn
ber Gletfher, |. aud) Randkluft.
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Durchſchlagen einer Schneewächte. (Zu Nro. 190.)
— — 4—*
—
— -
III. Der Alpinismus.
Latſchen, Zwergkiefern, die die Hänge
der Kalkgebirge beveden.
Zamine,Lahne, abftürzende Ei3-, Schnee-=,
auch Felsmaſſen. Stanblamwinen ent
ftehen durch fich löjenvden, loderen Schnee ;
Grundlamwinen find foldhe, bei denen
infolge des Schmelzprozeſſes eine ganze
Schneeſchicht niedergeht ; bei Gletſcher—
(Eis:)lawinen bridt ein Teil bes
Gletſchers ab.
Moräne, Trümmer, die dur die Ver—
mitterung der ben Gletjcher begrenzen-
den Felſen losgelöſt werben, auf ben
Gletſcher hHerabfallen und durch deſſen
Bewegung ſich in langen Reihen wall—
ähnlih aufbauen. — Die Seiten:
moränen laufen den Seiten des Glet—
ſchers parallel. Mittelmoränen bil:
den ſich durch die Vereinigung der beiden
Seitenmoränen zweier ineinander fließen-
der Gletſcher. End- oder Stirn—
moränen find die Ablagerungen am
unteren Ende des Gletjchers.
Muhren, Muren, Geröll:, Sand- und
Schlammafjen, die durch das Waſſer zu
Tal getragen werden.
Bas, Einjentung des Kamms zwijchen zwei
Gipfeln.
Platten, glatte Feljen ohne oder mit
nur geringen Griffen und Tritten.
Randktluft, die große Spalte, die ge—
wöhnlich den Gletſcher, Firn- und Schnee=
felder von dem Feldgerüft des Berges
trennt; fie entfteht durch Abſchmelzungs—
prozeß.
Rinne, unbedeutende Schludt, ſ. auch
Gouloir.
Runſe, daS gleihe in Ioderem Ge—
ftein.
Scharte, ſcharfer Einjhnitt in einem
Eis- oder Feldgrat.
Schneebrett, in ihrer Ausdehnung be—
grenzte Schneeſchichten von dichtem, fein—
Nro. 208.
körnigem Gefüge und harter Oberfläche.
Es iſt mit der Unterlage nur wenig ver—
bunden und löſt ſich deshalb leicht trotz
der anſcheinenden Feſtigkeit.
Schneeſchild, kleines Schneefeld, das
ſich in einer kleinen Depreſſion ſteiler
Hänge bildet und beim Betreten leicht
ins Rutſchen kommt.
Schrund, f. Randkluft.
Schulter, ein mehr oder weniger hori—
zontal verlaufender Abſatz in einem ſteilen
Gipfelgrat.
Schutt, feineres Geröll.
Seracs, Firn= oder Eisnadeln und Türme,
die durch ſtarke Zerklüftung des Glet—
ſchers entftehen.
Steinfall, Steinfhlag, die durch
die Vermwitterung herabfallenden Steine;
in größeren Mengen Steinlamine.
Steinmann, aus Steinen errichtetes
Mertzeihen, bejonders auf Gipfeln;
Steindaube, kleinere Steinmänner,
die zu Drientierungszweden (als Markie—
rung) errichtet werben.
obel, Schweizer Ausdrud für Klamm.
Traverfieren, einen Hang quer über-
ſchreiten, wobei man fich mehr oder we—
niger horizontal hält. Unter Traver-
fieren eines Berges verfteht man den—
jelben auf einer Seite zu erfteigen und
auf der andern binabzufteigen.
Tritt, Stütz- oder Haltepuntt für den Fuß.
VBerjhneidung nennt man das Bus
fammenjtoßen zweier Wände unter ftump=
fen Wintel; wenn fie parallel oder in
ſehr jpigen®intel zufammentreffen, bilden
fie einen Kamin bezw. Rinne oder Runfe.
Wächte, Gemädte, eine überhängende
Schnee= oder Firnmaſſe, die ſich auf der
Höhe eines Kammes oder Grates durch
Anwehen des Schneeg auf der dem Wind
abgemwendeten Seite bildet.
14
Nro 208.
Alfred Steiniker.
7. Die wichtiglten alpinen Husdrücke
in deutjcher, franzöfilcher, italienifcher und engliſcher Sprade.
Abfahren
Abgrund
Abhang
abjeilen
Alm, Alpe
Alphütte
aper
Band
Bergkette
Bergſchrund
Couloir
Ebene
Felsabſatz
Felsabſturz
Felsvorſprung
Felsblock
Felſen
Felsrippe
Selsturm
Firn
Firnbruch
Firngrat
Firnhang
Slanke (eines Ber:
ges)
Gemſe
Gendarm
Geröll
Gletſcher
Gletſcherbruch
Gletſcherſpalte
Gletſcherſturz
Gletſcherzunge
Grat
Gratabbruch
Gratkante
Griff
Dalde
Hängegletidher
Hügel
Jod
glisser
precipice
escarpement,
pente
devaler a la corde
pacage
chälet
‚sans neige
corniche vire
chaine de mon-
tage
rimaie
couloir
plaine
gradin rocheux
precipice
contrefort, eperon
bloc de rocher
roc, rocher
eperon
tour rocheuse
neve de taite
rupture de neve
arete de neige
pente de neige
versant
chamois
gendarme
eboulis
glacier
| rupture de glacier
|
: crevasse
chute du glacier
| langue du glacier
arete, crete
: cassure de l’arete
linge de faite
prise
. pente
. glacier suspendu
colline
| col
t
ı
1
I
ıp
scivolare
precipizio, abisso.
pendio
calarsi alla corda
astura
casolare, malga
senza neve
cengia
catena di monte
crepaccia termi-
nale
canalone, colatoio
pianura
bastione di roccia
dirupo
contrafforte, epe-
rone
macingo
roccia
sperone
torre di roccia
. nevato
‚ frattura del nevato
cresta nevosa
. pendio di neve
versante
camoscio
. spuntone
j
!
i
|
j
detriti
ghiacciaio (vedret-
ta in den Ortler-
alpen)
colata di ghiacci-
aio
crepaccio
cascata del ghiac-
ciaio
lingua del ghiac-
ciaio
‚ cresta, crestone
intaglio nella cres-
ta
. spigolo della cresta
‚. appiglio
china
‚, ghiacciaio pensile
collina
: forcella, colle
to glissade
precipice
slope
to lower by the rop
alpine pasture
hut
dry, freefrom snow
ledge
range
Bergschrund
gully
plain
tier
cliff, precipice
rocky spur
boulder
rock
rib of rock
rock-tower
neve
brocken-up-neve
snow-ridge
snow-slope
side, face
chamois
rock-tower
Scree
glacier
ice-fall
crevasse
; ice-fall
tongue of a glacier
)
| crest
| drop in a ridge
edge of a ridge
hand-hold
ı slope
. hanging-glacier
| hill
col, pass
2
108
En
Kabel
ne
Oaß
Bet,
Randkluft, ſ. Berg-
rund
* I. Der Alpinismu
. cheminee
cröte
cirque, combe
lapiaz
gorgez
souliers à varappe
gouffre, fissure
avalanche
moraine
combe
aiguille
neige fraiche
niche
col
piolet‘
plaques
coulisse
fissure
dos, croupe
selle
bröche
orge
eye .
pont de neige
nev6es
Epaule
eboulis, pierrier
cabane, refuge
face
chute de pierres
marches
tailler des marches
vallee
un pas
tour
verglas
eperon
face, paroi
corniche
dent
dentelure
a5
ixc22
a 07
5.
camino
spigolo
conca
lapiaz
gola
scarpe di corda,
scarpetti
burrone
valanga
morena
conca
guglia
neve fresca
nicchia
colle, bocca, bo-
chetta, passo
picozza
lastroni
canale, canalone
fessura, spaccatura
dosso
zaino
sella
bocchetta
gola
occhiali
ponte di neve
nevaio
racchette
spalla
detriti (-tini)
capanna, rifugio
lato
seracchi
ramponi, ferri
ometto di pietra
caduta di pietre
gradini
tagliare gradini
valle
appoggio
torre
vetrato
contrafiorte
parete
cornice
dente
dentello
u
5
wall
y > ze [=
. Nro. 208.
chimney
crest
corry
karst phenomenon
ravin, canyon
scarpetti
gulf, rif
avalanche
moraine
hollow
needle
new snow
recess
pass
iceaxe
plates
gully
cleft
ridge
saddle
gab
gorge
goggles
snow-bridge
snow-field
snow-shoes
shoulder
debris
club-hut
side
seracs
climbing-irons
cairn
falling stones
steps
to cut steps
valley
foot-hold
tower
to be glazed
promontory
cornice
tooth
crag
Kl...
STE
TS
Jetcktekafetekstektsiekskekkkstekskteketsektstekakih eh
|
IV. WDinterfport.
1. Das Schilaufen
Von
Denry Hoek, freiburg i. Br.
Geldidte und Charakteriftik
des Schilaufes.
209. Urſprung des Schilaufes.
Schi und Schilauf find höchſt wahr:
fcheinlich eine Erfindung mongoli-
her Etämme und ftammen ur:
jprünglid aus dem Innern Des
nördlichen Aſiens. Schon in vor
geijchichtlicher Zeit wanderten Gerät
und Kunft mit deren Befiger weſt—⸗
wärts und wurden jo den Ger:
manen Standinavieng übermittelt.
Sn den erften Sahrhunderten
chriftliher Zeitrehnung muß im
Norden der Schilauf eine ritterlich
vornehme Kunft gewejen fein. Denn
in vielen altnordifchen Helden—
gefängen rühmt fich der Held unter
anderen vornehmen Künften auch
ver des „Schreitend auf Sciern“
(„Sfriva fann ef a ſtidom“).
Es iſt wohl fraglid, ob man
diefe Ausübung des Schilaufens
als „Sport“ bezeichnen darf, Ganz
fiherlid) aber wurde das allmählich
in allen Bevölferungsihichten uns
entbehrlih gewordene winterliche
Derfehrsgerät im Mittelalter ſchon
gelegentlich „rein jportlich”“ benützt.
Ganz unzweideutig erfahren wir
das aus des italienischen Biſchofs
ODlaus Magnus fhöner Schilde:
rung eines norwegiſchen Bauern:
rennens um junge Pferde und bron:
zene Gefäße. Olaus Magnuß:|:
„Historia de gentibus septen-
trionalibus etc.“ Rom 1555.)
Ueber die ganze Geſchichte des
Schilaufd von da an Big. zum
Ende des 19. Jahrhunderts wifjen
wir dann recht wenig. r ge
wiffermaßen zufällig erfahren mir,
daß gelegentlih nordiide Berg:
leute den Schilauf nah Mittel:
europa gebradt haben, daB das
Gerät dort aber feine dauernde
Heimat fand. Auh in Skandi—
navien felbft ſcheint der Schi im
Laufe der Jahrhunderte zu ziem-
liher Bedeutungslofigfeit herab:
gejunfen zu fein. Nur in einzelnen
Diftriften benügte die Landbevölfe-
rung noch das althergebradite Ge—
rät. Dem Städter war es völlig
unbefannt geworden.
210. Der Schilauf als Sport.
Erſt im Laufe der fiebziger Jahre
des vorigen Jahrhunderts griff
dann eine kleine Gruppe von
Sport3leuten in Chriftiania den
Schilauf wieder auf. Und ihrer
tatfräftigen und begeijterten Pro-
paganda, die weſentlich unterftügt
wurde dur das Beifpiel guter
Bauernläufer aus Telemarlen, ift
IV. 1. Das Sıhilaufen.
wohl Hauptfählic zu verdanten, | nale
dag
Rorwegen der Schilauf zum Na—
tionalſport geworden ift. Zahlreiche,
über dag ganze Land zeritreute
Meine Vereine, gemöhnlih im Be:
fig eigener „Hütten“, pflegen den
Schilauf. Die bedeutenderen haben
fih zu einem Landesverband zu=
ſammengeſchloſſen, der über die
Dettlampfregeln wacht und nament-
li dafür Sorge trägt, daß dem
Schilauf der Profeſſionalismus
fernbleibe.
Außerhalb Skandinaviens ſind
im 19. Jahrhundert zahlreiche Ver⸗
jude unternommen worden, um
den Schilauf einzubürgern. Bon
einem wirklichen Erfolg dieſer Be⸗
ſtrebungen kann man erſt ſprechen
ſeit Anfang der neunziger Jahre.
Größere Verbreitung fand der
Schilauf zuerſt in Süddeutſchland
und Steiermark. Es folgten in
ziemlich kurzer zeitlicher Folge
Rieſengebirge, Harz und Oeſter⸗
reich und vor allem die Schweiz,
wo ſich unter dem Einfluß günſtiger
klimatiſcher Bedingungen an vielen
Orten der Schilauf zu einer Art
Nationalſport zu entwickeln ſcheint.
Bedeutend ſpäter fällt das Er-
wachen allgemeinen Intereſſes in
England, Frankreich und Ober⸗
italien.
Zur raſchen Ausbreitung des
Schilaufs trugen viele günſtige
Umſtände weſentlich mit bei, ſo
das Erſcheinen und der Erfolg des
Nanſen ſchen Buches „Auf Schnee⸗
ſchuhen durch Grönland“, die auf:
opfernde und begeifterte Lehr⸗
tätigfeit nordifcher Studenten, eine
gerade in diejen Jahren fait un-
glaublich wachſende Borliebe für
Sport im allgemeinen, die fonft
im Winter menig Auswege fand,
die zielbewußte Hilfe mancher
alpiner Sportvereine unter
denen in erfter Linie der internatio-
Nro. 211—212.
„Ofterreichiſche Alpenklub“
in wenigen Jahrzehnten in | zu nennen iſt —, ſowie ſchließlich
die ausgiebige Propaganda man⸗
her Enthuftaften, jo 3. B. des
Schiapoſtels Zdarsky, der ganz
aus eigener Kraft und Snitiative
eine jehr große Schiläuferſchar
berangebildet bat.
211 Scivereine und literatur.
Hand in Hand mit dem rafchen
Wachstum des Sportes felbft ging
(namentlich in den deutjchjprecdhen-
den Ländern) eine ausgiebige Grün-
dung von Schivereinen und Zeit-
ſchriften, die fi allerdings nicht
immer als lebensfähig erwiejen
haben. Die Mehrzahl der deutjchen,
öfterreihifchen und jchmweizerifchen
Vereine haben fich zu Landesver-
bänden zuſammengeſchloſſen, die
Landesmeiſterſchaften ausfchreiben.
Außerdem kommen natürlih faft
zahllofe Vereins- und Lolalrennen
von größerer oder Fleinerer Be⸗
deutung zum Austrag. Auch ein
zufammenfafiender ° „Mitteleuro-
päifcher Schiverband” tft gegründet
worden; er umfaßt aber nur
deutfche und öfterreichifche Vereine.
Schließlich wären noch zu er:
mwähnen der ſchwediſche Landes-
verband, einige oberitalienijche
Bereine, der Klub Alpin Francais,
der fih ſchon rege der Schiſache
angenommen bat, ſowie einige
Heine, aber jehr tätige englijche
Klub.
212. Allgemeines über den
Schilauf. Seinem innerften Wefen
nad) ift der Schilauf in der Haupt-
fade ein Wanderfjport, wenn dies
Wort geftattet ift. Und als folder
ift er dem Alpinismug in vielen
Zügen weſensverwandt.
Abgeſehen vom Springen, dienen
alle Uebungen des Schilaufg eigent-
lih nur dazu, die nötige Gewandt⸗
beit für den Geländelauf zu er-
langen. Der reine Schilauf um
feiner felbft willen ala nur äfthett-
o. 213. henry
e Uebung oder Wettkampf wird
ir von einer verſchwindenden
inderzahl ausgeübt. Das ſchließt
ttürlich nicht aus, daß der Ge—
ndeläufer alle Uebungen Des
chilaufs beherrfche und ſich ihrer
usübung als folche freue.
Die Leiftungen nun, die mit
en Schi vollbradt werden, find
atürlich außerordentlich abhängig
on der Schneebejchaffenheit. Im
roßen und ganzen kann man
agen: In der Ebene find Ge:
hwindigfeiten zwifchen 5 und 7 km
ie Stunde etwas Gewöhnliches.
Bergauf ift 200 big 300 m Stei-
aung in der Stunde ein guter
Durchſchnitt. Die Abfahrtsgeſchwin—
digkeiten können unter beſonders
günftigen Bedingungen bis 80 km
in der Stunde, ja felbft darüber,
ſteigen.
Die Maximalweiten des als be—
fondere Kunſt gepflegten Tiefmeit-
fprunges legen um 40 m herum
(mobei die ſchiefe Bahn auf etwa
33° geneigten Hängen gemejjen
wird).
Bei wirklich guten Läufern, die
die Uebungen des Scilaufd voll-
ftändig beherrſchen und die gleich—
zeitig einen harmonisch ausgebil-
deten Körper befigen, kann der
Scilauf Fehr ſchön und graziög
ausjehen. Doc ſieht man bei und
fetten wirklich elegantes Laufen,
und die Grazie des Schlittſchuh—
läufer8 3. B. ift dem Schilaufen
fremd. Dafür ift ein korrekter Tief:
weitiprung von etlihen 30 Metern
ein derartig überwältigendes Schau
ipiel, wie das fein anderer Sport
in einer Einzelleiftung zu zeigen
imstande tft.
Die ftarfe Bewegung in ſtaub⸗
freier Luft, fern dem Dualm der
Städte, und die ausgiebige Ans
ftrengung nicht nur der Bein, ſon⸗
dern auch der Arm, Bruft- und
Bauchmuskulatur ftempeln das Schi-
Bork.
laufen für gejunde Menfchen zu
einer der beiten Sportarten über-
haupt. Da der Schilauf aber auch
hinausführt in die winterlich pfad:
Iofe Natur, in den Kampf mit dem
Wintermetter, und da auch unfere
Mittelgebirge im Winter immerhin
ein gewiſſes Maß von Gefahr
bieten, fo ftellt der Schilauf auch
Anforderungen an Geifteögegen:
wart, Findigkeit und Verantwor:
tungsgefühl.
Aehnlich wie in Norwegen wird
es auch in der Schweiz und in
Süddeutſchland immer mehr Sitte,
daß namentlih die Jugend auf
ihren Fahrten Heine anfpruchslofe
Hütten zum Uebernachten benüßt,
in denen man fich jelbjt kocht und
den ganzen primitiven Haushalt
beforgt. Sollte diefe ſchöne Sitte
größere DVerbreitung finden, jo
fönnte der Schilauf durch Erziehung
zur Einfachheit und Selbſthilfe jehr
ſegensreich auf einen Teil unferer
ſtädtiſchen Jugend einwirken.
Ausrüftung.
213. Der Schi. Im Gegenjat
zu vielen anderen Sports ift beim
Schilauf dag Gerät felbft billig im
Verhältni® zur fonftigen Aus-
rüftung. Es gibt der Schiformen
zwar beinahe unzählige, und fait
jede Landfchaft und jedes Tal
Standinaviend hat eigene Typen
aufzumweifen. Für den fportlichen
Gebrauch hat fich aber nur eine
Form als überall gleichmäßig
brauchbar erwieſen, das ift der jo:
genannte „Telemark“⸗Schi, der aus
dem füdlihen Norwegen ftanmt.
Ale Benügung in Zentraleuropa
und in ferneren Zändern hat an
diefer Form des Gleitholzes nicht?
MWejentlihes geändert, jehr im
Gegenfag zur jogenannten „Bin
dung“, die viele Erfinder beihäf-
tigt hat.
— — — —— —
—F
—
— 2
Bi
Iv. 1. Pas Schilaufen.
Der Sportichi jelbit, faſt aus⸗
nahmslos aus Eiche oder Hidory
bergejtellt, ift ein langes, ſchmales
Brett mit aufgebogener Spitze,
aufgemwölbter Mitte und mit gegen
die Mitte zu ſchwach konkav ver:
laufenden Längslinien.
Die Spitenaufbiegung, die höch-
ftend 20 cm beträgt, muß in ganz
flacher Kurve in das SHinterende
übergehen, ſie beanjprucht etwa ein
Fünftel der gejamten Schilänge.
Die mittlere Aufmölbung oder
„Spanne” (au „Federung“) be:
trägt im Marimum 2'/, cm. Sie
richtet fi natürlich nad) dem Ge:
wicht des Läuferd und der Elaſti⸗
zıtät des Holzes. Ihr höchſtes Aus—⸗
maß erreicht fie unmittelbar unter
dem Fuße des Läufers, alfo ſchon
in der Mitte zwiſchen Ende des
Schies und Ende der Aufbiegung.
Die Dide des Scies ift an ver:
fchiedenen Stellen ver⸗
ſchieden. Am dünnjten
ift der Uebergang der
Aufbiegung in das Hin⸗
terende, am kräftigſten
die Partie unter dem
Manche Schier
zeigen verſtärkte Quer⸗
Lange 2.20-
III LUIS III);
ro. 213.
profile. Dieſe dürfen aber (aus
Federungsgründen) nicht bis in die
Aufbiegung durchgeführt werden.
Die Länge de zu benußenden
Schies ſchwankt zwiſchen 2 und
2,60 m, je nach Körpergewicht des
Läufer und Art des Terraing.
Ein Blid auf den beigegebenen
Aufriß und Duerriß eines richtig
gebauten Schneejchuhes zeigt die
üblichen anderen Maße.
Beionderes Gewicht muß natür=
li gelegt werden auf die Aus⸗
wahl ajtreinen, teodenen, aber doch
nit brüdigen Holzes, ſowie auf
die Art, wie das Brett für den
Schi aus dem Stamme herausge-
Schnitten wurde („Kernholz“ oder
„Splintholz”). Bei der Anmen:
dung „grünen“ Holzes werfen oder
tordieren fich die Schier, jobald fie
naß werden, fie werden „mwind-
ſchief“ und unbraudbar. Alle
falſch
richtig
60. Spanne und Aufbiegung.
em
amlNINm
62. Neuere Sormen.
- 2,0 Mrtr.
er Mas
63. Telemarkſchi.
64. Splinthols.
65. Balbliegendes und reines Kernholz
(A u. B iſt die wirkliche Breite der Jahresringe.)
tro. 214.
Schier, die quer verlaufende Holz=
truftur zeigen („Widerholz“), oder
yeren Struftur auf der Oberfläche
itarf mwellig verläuft („Uuerholz“),
find fehlerhaft und jollten vom
Käufer zurücgemwiejen werden.
Die meisten Schier zeigen außer:
dem auf der Laufflähe eine ſoge—
nannte „Führungsrinne“, die die
grade Abfahrt ftetiger macht, die
aber bei der Ausführung von
Schwüngen gewiß ein — wenn
68. Rohrbügel:Riemen=Bindung.
auch kleines — Hindernis ift. Mar
läßt fie deshalb gerne fort bei
Schiern, die ausſchließlich für den
Gebrauch in jehr ſchwierigem Ges
lände beftimmt find.
Die Laufflähe des Schi mird
faft ftet8 mit Fettſtoffen irgend-
welcher Art imprägniert, einmal
um das Holz gegen Näfje wider—
ftandsfähiger zu maden, zum ans
deren um das Anſetzen von Eis
während der Fahrt nah Möglich:
feit zu vermeiden. Seitenfanten
und Oberfläche des Holzes werden
zum Schuß gegen Näffe entweder
durhfichtig oder farbig ladiert.
Sm allgemeinen ift dem durch—
jihtigen Lad der Vorzug zu geben,
Benry Borh.
da die Farbe häufig dazu dient,
Fehler im Holz zu verbergen.
Mer feine Schier ftet? im beften
Zuftande erhalten will, der muß
fie Ddementfiprechend behandeln.
Dazu gehört eine gewiſſe Schonung
beim Gebraud (ausziehen, went
die Steine durch den Schnee durch—
drüden!) und eine ſachentſprechende
Behandlung während des Som—
mers: die Yaufflächen werden geölt,
die Hölzer werden „aufgeipannt“
und dann an einen
(uftigen, aber ſehr
trodenen und vor
allem dunklen Ort
gebracht zumlleber:
jommern.
214. Die Bin-
dung. Bindung
heißt der Apparat,
der Zuß und Schi
verbindet und der
die Steuerung der
gleitenden Hölzer
ermöglicht. Es
gibt eine ſchier
rieſige Schar ver—
ſchiedener Modelle,
die alle ihre Lieb—
haber haben. Wir
können hier natür:
ch nur in Kürze eine Auswahl
der gebräuchlichſten Bindungsty-
pen beiprechen, ſoweit fie fi
im Gebrauch bewährt haben. Die
Ichließlihe Auswahl wird immer
Geſchmacksſache bleiben.
1. Riemen=- oder Lappen
bindung: Einfache, leichte Bin-
dung ohne Metallteile. Etwas
mangelhafte Führung. Sie ift
bauptjählih am Pla auf langen
Fahrten in faſt ebenem Gelände
und bei großer Kälte (da fie fein
Metall enthält)).
2. Huitfeldt-Bindung, Mo
dell A: Leiftungsfähige, einfache
Bindung, Deren Lederteile aus
einem langen Riemen beftehen und
au
h
EI Zn Auge
IV. 1. Das Schilaufen.
jehr leicht reparierbar find.
Durch Ziehen läßt fie fich jehr
genau einjtelen und gibt
tadelloje Führung. Das An-
und Ausziehen dauert aber
ein Weilchen. Sie ift deshalb
nur am Pla, wo man ficher
it, ven Schi unterwegs nicht
gelegentlid ausziehen zu
müfjen (aljo nit in Hoch—
gebirge).
3. Huitfeldt-Bindung,
Modell B: Bei ihr ift der
Ziehriemen des älteren Mo:
dell3 durch Schnallenanord=
nungen erjegt. Das ermög-
licht raſches An- und Aus—
ziehen, allerdings auf Koſten
des „Sitzens“, ſofern die
Bindung nicht ganz genau
verpaßt iſt. Es iſt wohl die
in Mitteleuropa meiſt ge—
brauchte Bindung.
4. Schuſter-Hoek—
Bindung: Sehr einfache
und leiſtungsfähige Bindung.
Steht im Prinzip der Huit-
feldt-Bindung jehr nahe.
Bermeidet aberdie Duer-
durchbohrung des Scieg,
die viele als Schwächung
des Holzes betraditen.
5. Sohlenkappen—
bindung: Biel benutzte
Bindung. Namentlich
Ausleihſchier find mit
Borliebe mit ihr ausge:
ftattet, da fie immer eine
gewiſſe Führung gibt,
aud wenn jie nicht paßt.
Bielerjeit3 werden häu—
fige Sciverlegungen
aı u. 72. Buitfeldt:Bindung, Modell B. (Liner Fuß.)
73. Schufter-Hoef-Bindung.
Nro. 214.
69. Huitfeldt- Bindung, Modell A.
(Ohne Behenriemen und Baden. Linker Fuß.)
(Rechter Fuß.)
(Lint3.)
74. Sohlen-Kappen=Bindung.
Nro. 214.
(Knie und Knöchelverftauchungen)
dem Fahren diejer Bindung zuge:
ſchrieben.
75. Ellefſen-Bindung.
a Fußplatte, b Abfagriemen, e Eiferner Abſatz—
flügel, d Umgehämmerte Zunge der Zehen:
baden, f Balatajohle.
* — ar
Benry Hoek. |
6. Ellefjen:Bindung: Eine
jehr gute und leiftungsfähige Bin-
dung. Dabei leicht und relativ ein
fah. Doch muß fie ganz aus:
gezeichnet verpaßt fein und muß
ganz genau nad Vorſchrift auf:
montiert werden, oder der
Fahrer erlebt wenig Freude
an ihr. Sie wird namentlich
in Norwegen viel benugt.
7. gLilienfelds oder
Alpen-Schibindung: Diefe
Bindung, aus einer biegjamen
Stahljohle, mit verftellbaren
Baden und Abjatfappe und
einer ‘Feder, die fich bei jedem
Gleitſchritt fpannt,
hat jehr viel Zanf
hervorgerufen. Sie
wurde ebenjo ver—
himmelt wie ver:
dammt. Die Nad:
teile diejer Bindung
jind: jchweres Ge:
wicht, Koften und
Kompliziertheit. Die
Vorteile find: eine
außerordentlich weit-
N gehende Beherrſch—
728 ung des Schies und
ein jchnelle8 Erler-
nen des Laufens.
77. Müller-Bindung mit
gehobenem Fuß.
76. Lilienfeld oder Alpen=Schi:Bindung. (Links.)
a le, b Pufferfeber, © yehenbaden, d Staplfohle, unfih in Gebraud
Wir fehen fie dem—
entjprechend haupt
‚bei älteren Leuten,
pie im vorgerüdten
Alter anfingen, ſo—
—* in dem außer—
ordentlich ſchwierigen
78. Müller-Bindung.
(Ohne Zehenriemen, rechts.)
IV. 1. Das Schilaufen.
Nro. 214.
LD ———— —
79. Bilgeri-Bindung,
Gelände] dern öfterreihiihen Vor⸗
alpen.
9. Müller-Bindung Das
Prinzip der Huitfeldt-Bindung, ver-
bunden mit dem der Feder. Sehr
leiftungsfäbige Bindung, die aber
genau verpaßt fein muß.
10. Bilgeribindung. Eine
der Lilienfeldbindung ſehr nahe:
verwandte Form. Die Anordnung
der Feder ift eine andere, den
Schi nit ſchwächende, und die
ganze Bindung ift viel leichter und
eleganter, wie es jcheint aber doch
ſtark genug für fräftige Benüßung.
Gleichgültig, welche Bindung je=
mand fährt, es ift vor allem auf
tadelloſes Material und tadellofe
Arbeit zu achten. Beſonders bei
dem jtändig jtarf ftrapazierten und
dem Schmelzwaffer ausgejegten
Riemenzeug, madt fi die Wahr:
heit des Satzes „Billig ift gleich
ſchlecht“ jehr bald und unangenehm
bemerkbar.
Der üblihe Preis für ein Paar
guter Schier mit Bindung wird je
nad Auswahl ded Holzes und der
80. Stöde.
Nro. 215 —216.
Bindung zwifhen 20 und 35 Mart
liegen.
215. Hilfsgeräte. Die Zahl der
Hilfsgeräte, die der Schiläufer zum
Sport als jolhem braudt und Die
nit der allgemeinen Ausrüftung
(Kleidung 2c.) zuzuzählen find, ift
nicht fehr groß. Da wären zunächſt
die Stöde zu nennen. Entweder
benüst man einen fräftigen,
ſchulterhohen, eiſenbeſchlagenen
Eſchen- oder Haſelſtock oder zwei
leichte bruſthohe Bambusſtöcke mit
beweglichen Schneetellern am Unter⸗
ende und ſtarken Handſchlaufen oben.
Ueber die Art der Benützung werden
wir weiter unten reden. Es gibt
viele brauchbare Modelle. Haupt⸗
ſache iſt auch hier wieder ſaubere
Arbeit und gutes Material.
Vielfach werden die Schier mit
Fußplatten verſehen, um ein
Ballen des Schnees unter dem
Abſatz zu verhüten. Als Material
kommen in Betracht: Zelluloid,
Leder, Ballata, Gummi und Birken⸗
rinde, Aluminium, ſowie Linoleum.
Feſte und flüſſige Schmier—
mittel (Wachs mit Teer und
Stearin 2c.) dienen dazu, Die Lauf:
fläche bei Elebendem Schnee einzu—
reiben und dag „Ballen“, „Biden“
oder „Eifen” zu vermeiden oder
wenigſtens zu vermindern.
Abnehmbare Fellbeſätze, die
mittels Schnallen oder Schrauben
befeftigt werden und die dag Rüd-
wärtgrutfchen jelbft bei ſehr glattem
Schnee und an recht teilen Hängen
verhindern, find auf Hochtouren
jehr ſchätzenswert. Für rein ſport⸗
liches Laufen (im Mittelgebirge)
bedient man fich ihrer lieber nicht,
da fie (befonders bei Anfängern)
infehlbar eine Verfchlechterung des
„Stiles“ bergauf zur Folge haben.
Ein Tragriemen ift oft fehr
angenehm. Am zmedmäßigften ift
er dann fo eingerichtet, daß man
ihn auch gleih zum Ziehen der
Benen Boek.
Schier benügen kann, wenn man
lange Zeit vereifte ober bloß
ſchwach verfchneite Straßen zu be:
gehen hat.
Als ſehr nützlich —— ſich A
ein Reparaturbeutel, Er
enthalte zum mindeften: Schrauben:
zieher, Mefler, Säge, Feile, Zange,
Pfrieme (vielleiht in der Form
eine? „Univerjalinitrumentes”),
Schrauben, Nägelchen, Draht, etwas
Zinkblech, ftählerne Verſteifungs⸗
ſchienen und einen langen kräftigen
Riemen. Abgebrochene Spitzen (bei
weiten das häuftgfte Unglück) kann
ein geſchickter Mann in der Regel
irgendwie wieder ſo befeſtigen, daß
ein Nachhauſekommen ermöglicht
iſt. Iſt der Schi dann ſonſt noch
gut, fo läßt man dem Patienten
vom Fabrifanten mittels Leim und
Nieten eine neue Spike anjeßen.
Wenn dieje Arbeit (ca. 4—5 MI.)
gut beforgt wird, fo hält ein fo
reparierter Schi io lange, wie ein
nie gebrodener.
216. Kleidung und fonftige Aus⸗
rüſtung. Wie die allermeisten im
Sreien betriebenen Sportsarten,
erfordert auch der Scilauf eine
den Bedingungen. der Bewegung
und des Winterwetters angepaßte
eigene Kleidung, jofern man wenig.
ſtens fih vor Schaden bewahren
und möglichſt großen Genuß aus
dem Sport ziehen will. Und die
allgemeine Ausrüftung ift leider
bedeutend teurer als die fpezielle
Sportausrüftung; während lehtere
faum mehr ald 40—50 Mark koſtet,
wird man für eine fachgemäße all-
gemeine Kleidung u. ſ. w. immer:
hin feine Hundert Mark aufwenden
müſſen.
Der Schiläufer wandert durch
Wind und Wetter, in Schneeſturm,
Kälte, glühender Sonne und manch⸗
mal leider auch in Regen. Die
meiſten fallen oft in den Schnee.
Auf ihren Fahrten, wo jeder ſein
j
IV. 1. Das Schilaufen.
ganzes Gepäd jelbft zu tragen hat,
legen fie weite Entfernungen zurüd
und kommen in Hoteld und Ort⸗
Ihaften mit vielerlei Menjchen zu⸗
fammen.
Daraus ergibt ji als allge-
meinfte Regel: Die Kleidung des
Schiläufer® ift eine angepaßte
Touriſtenkleidung, d. h. praktiſch,
warm, nicht zu ſchwer und nach
Möglichkeit elegant und unauf-
fällig.
Unterfleiver find zu Fehr Geſchmack⸗
und Gewohnheitsſache, ald daß da
irgend etwas zu raten wäre. Die
Allgemeinheit wird? wohl mäßig
dide Wolle wählen. Schneeſchuh—
läuferinnen aber jei gejagt, daß
die gemöhnlide Damenunterflei-
dung recht wenig für Sport ge-
eignet ift. Die amerikaniſchen Hemd⸗
hoſen („Combinations”) feien in
empfehlende Erinnerung gebradt.
Strümpfe und Soden find dann
aber nicht mehr Geſchmacksſache.
Der Sciläufer braucht unbedingt
ftarfe mwollene Soden und zwar
trägt er zwei Baar übereinander,
das äußere ein wenig größer und
momögli aus unentölter Wolle,
die einigermaßen waſſerdicht ift.
Den Anzug jelbft wähle man
aud einem dunklen, baltbaren,
warmen, nicht zu ſchweren Stoff,
der vor allem aber möglichft glatt
fei, damit im Schneefturm oder beim
Stürzen fich fein Schnee daran an:
fegen Tann.
Lange Hojen haben fih im Laufe
der Jahre ald die für den Sci-
Läufer bequemjte und auch elegantejte
Beinbefleidung erwiejen. Unbedingt
nötig ift es aber, daß man das
Eindringen von Schnee unten in
die Hofenbeine verhütet. Am beften
geſchieht dies durch Zubinden mit-
telft kurzer Widelgamajchen. Die
Weſte fei leiht und ſchmiegſam,
Nro. 216.
empfinden. Die Soppe fei Furz,
eng in den Hüften, bis oben zu=
Inöpfbar und mit verjchließbaren
Tafchen verjehen. Sie jollte einen
großen aufflappbaren Kragen haben
und eine Vorrichtung, die Aermel-
löher an den Handgelenfen eng
zu ſchließen. Die Mübe muß einen
großen Schirm haben, zum Schuß
für die Augen, und einen großen
niederflappbaren Rand, der aud
die Ohren noch mit bededt.
Als Handſchuhe find nur Fäuft-
linge verwendbar und zwar folde
allerbeiter Arbeit mit langen Arm-
ftulpen, die auch noch einen Zeil
de Aermels aufnehmen können.
Fingerhandfchuhe taugen nichts auf
Schneefhuhtouren und dürfen nur
unter den Fäuftlingen getragen
werden. Nebſt den Händen und
Ohren find auf Scifahrten vor
alem die Zehen der Gefahr des
Erfrierend ausgejegt. Die Aus-
wahl der Fußbefleidung muß des⸗
balb ſehr vorfichtig und forgfältig
vorgenommen werden. Am beiten
bemährt haben fich fräftige Leder:
ſchuhe; über Rift und Knöchel müfjen
fie genau pafjen und gut jchließen.
Die Zehen follten aber nicht ein-
geklemmt fein, jondern auch unter
zwei Paar Soden eine gewiſſe
Beweglichkeit haben. Ein Füttern
des Stiefeld mit Pelz ift in unferem
Mittelgebirge und in den Boralpen
wohl nidt nötig Wem aber
zwei Baar Socken noch nicht ge=
nügen, der lafje ſich lieber ein Baar
Fellſocken machen, als daß er fich
fejten Belzbefat in die Schuhe nähen
läßt
Selbſtverſtändlich ſollten die
Schuhe ſo waſſerdicht ſein, wie
dies möglich iſt und eine einge—
nähte bis oben reichende Laſche
beſitzen. Für die meiſten Bin—
dungen find doppelte Sohlen Er⸗
am beften geftriet. Lange Nermel | fordernig und um einen Drud ber
an ihr wird man oft angenehm | Bindungsbaden zu vermeiden, jollten
Neo. 217- 218.
fie einwenig (vielleicht ’/, cm) über:
ſtehen. Wer feine Schuhe ſtets
gut im Stand haben will, wird
gut tun, fie in Gafthöfen ſelbſt zu
behandeln, da ſchlechtes (jäure-
haltiges) Schmiermaterial die beiten
Nähte alsbald zerjtört. Sehr be-
liebt geworden find in letter Zeit
die jogenannten „Lauparſchuhe“,
deren fteife Seitenleder die Zehen
etwas vor dem Drud des Zehen:
riemeng behüten. Doch empfehlen
wir nicht ſolche normwegifcher Her-
kunft. Eine leichte Benagelung der
Sohle ift oft fehr angenehm. Sie
ihadet auch der Oberfläche des
Schies weniger ald man annehmen
ſollte.
217. Was die Kleidung unſerer
Schi Ianfenden Damen betrifft,
fo müfjen wir ung hier mit einigen
wenigen Schlagworten begnügen:
Selbftverftändlih trägt die Schi⸗
läuferin eine Hofe und zwar eine
jiemlih anliegende Kniehoſe, Die
unter dem Rod nicht auffällt. Sie
ift am vorteilhaftejten, fo gearbeitet,
daß draußen im Wald oder im
Gebirge der Rod in den Rudjad
wandern kann, was fatjächlich eine
weſentliche Erleichterung bedeutet.
Der Rock ſelbſt ift natürlich zum
mindeften „fußfrei” aus glattem,
ſtarkem aber möglichft leichtem Stoff.
Eine einfache Flanelldlufe und ein
joppenartiges Jackett wird für den
Oberkörper noch Die praftijchite
Kleidung fein. Die möglichſt feite
und einfache Frilur deckt eine
Müte, die das Naßwerden ver:
tragen kann.
Gerade beim Schiſport ift es
nicht leicht, in der Frauenkleidung
Brauchbarkeit und Eleganz glüd-
lich zu vereinigen. Es ijt bier
dem perjönlichen Geſchick ein dank⸗
bares Feld eröffnet.
Selbjt auf kleineren Schitouren,
überhaupt fobald man die unmittel-
bare Nähe bemohnter Orte verläßt,
Benin Bork.
nehme man jtet3 etwas Referve-
Heidung mit und zwar zum min:
deften ein Paar trodene Soden, :--
ein zmeites Paar
guter ftarker
Füuftlinge, fomie Sturmhaube und —
Halstuch. Bei größeren Fahrten
kommt dazu dann noch, je nach
Geſchmack Lederjacke oder Sweater.
Schon weil man faſt ſtets Reſerve⸗
kleidung mitnimmt, — außerdem
aber auch auf kleinen Touren oft
Schiwachs u. ſ. w. iſt der Ruck—
ſack der unentbehrliche Begleiter
des Schiläufers. Er ſoll geräumig
(aber eher hoch als breit!) und
waſſerdicht ſein, aber nicht ſchwer,
(alſo kein für Schitouren unnötiger
Lederbeſatz). Die Tragriemen
müffen breit und kräftig fein, ſo⸗
dag fie nicht einfchneiden und eine
Klappe follte die zugefchnürte Deff-
nung zudeden, um gegen eindringen:
den Schneeftaub zu ſchützen.
Fe ——
218. Proviant ift auf großen
Touren felbftverjtändlich und durde
aus Geſchmackſache. Für eine Diät
des Sportes ift hier fein Platz.
Aber auch auf Kleinen Ausflügen
tut man gut, ftet3 eine Kleinigkeit
mitzunehmen, etwas gute Schofo-
lade, ein bißchen gezudertes Brot
oder dergleichen. (Sergl. Abſch. II .
und XIV).
An fonftiger, eigentlich gangfelbfte ° *
verftändlicher Auzrüftnng ded Shi |.
läufer8 erwähnen wir dann nod:
Tafchenmeffer (kräftig und groß,
mit Lochpfrieme und Korfzieher),
zufammenlegbare Taſchenlaterne
mit Glimmerfcheiben, am bejten
die befannte Alpiniftenlaterne „Ex-
celsior Lux“
italieniſchen Alpentlubs), Kompaß
(mindeſtens 7 cm Durchmeſſer und
mit Schutzdeckel über dem Glas),
Landkarte (und zwar neueſte Auf—⸗
lage!), ſowie ein klein wenig Ver-
bandzeug.
Die allermeiften dieſer Sachen
ſind natürlich durchaus entbehrlich,
nr
(das Model dei
en Ha
zn
.\ASRARAEN
IV. 1. Das Sıchilaufen.
jolange man fich bei feinen Schi-
Lernverfuden in unmittelbarer
Nähe eines Winterfportplaes oder
großen Hotels befindet. Wer aber
auch nur die kleinſte Tour unter-
nimmt, ſich auch nur auf einige
Stunden | von jeinem Stüßpunft
entfernt, der Tann beim Schilauf
jehr leicht in die Lage kommen,
einen der oben genannten Gegen:
ftände, in unangenehmfter Weije
zu vermiflen. Und andere um Aus:
bilfe und Gefälligfeit bitten müſſen,
ift für die meiften auch feine An-
nehmlichfeit, ganz abgejehen, da-
Nro. 219-220.
nie richtig auf ihnen jtehen,
am wenigften wird er in der Ab:
fahrt richtig „ftehen“, wie der
Norweger das zu Talfahren be-
zeichnet.
220. Das Wenden oder Um⸗
drehen ift an und für ſich recht
einfah. Man ftellt einen Sci
nach außen, joweit dies geht, ohne
die Hinterenden übereinander zu
bringen. Dann ftelt man den
anderen daneben und fo fort bis
die entgegengejette Front erreicht
ift. Biel einfader als diefe um-
ftändlide und häßliche Art, Die
81. Bilder vom Umdrehen oder Wenden.
von, daß nicht immer „andere” da
find
für Schihodtouren ift dag ent⸗
ſprechende zu finden in dem Kapitel
„Schilaufen im Hochgebirge”.
Die Bewegungen des
Schilaufs.
219. Das Stehen auf Schiern
ift ein Belaften des VBorderfußeg,
ein „Nachvornelegen“ des Ge—
wichtes, ſoweit dies angängig iſt,
ohne die Abſätze von den Schiern
zu heben und ohne die Hüften zu
beugen. Wer in der Ruhe nicht
richtig auf den Schiern ſteht, wird
Ueber die bejondere Augrüftung
dazu am geneigten Hang natürlich
nicht anwendbar ift, ift eine andere,
die viel Fniffliher ausſieht als ſie
ift. Man hebt ein Bein und ftredt
ed grade nad) vorne, jo daß der
Schi, mit der Lauffläche nad vorne
Ihauend, genau ſenkrecht jteht.
Dann ſchwingt man die Schijpihe
nad) außen, um dag aufdem Schnee
ftehende Hinterende als Drehpuntt.
Man ftelt dann diejen berumge-
ſchwungenen Schi wieder in den
Schnee, neben den anderen ftehen
gebliebenen. Natürlich ſchaut die
Spite jet aber in die entgegen
geſetzte Richtung. Dieje „Uebers⸗
freuz”= Stellung, in der die meiften
die Anie ein Hein wenig merben
Nero. 221—222. Benrn Bopek.
beugen müſſen, ift dag einzig
Schwierige an der ganzen Sache.
Fernerhin hebt man die Spite des
anderen Sci, bemegt fie über das
Hinterende des zuerſt umgeftellten
hinweg und jtellt den zweiten Schi
neben den eriten.
Man beginnt diefed „Menden“
mit Stod zu üben. Die Haltung,
Griffwechſel, jobald der erjte Schi
umgeftellt ift, ergibt ſich ganz von
ſelbſt. Gewandte Menjchen können
die Uebung ohne weiteres auch ohne
Stock ausführen.
221. Das Wenden am Hang kann
nur in dieſer Weiſe ausgeführt
werden. An wenig ſteilen Hängen
tut man gut, die Bewegung mit
dem oberen Bein und Schi zu be-
ginnen, da man auf diefe Weije
etwad an Steigung gewinnt. An
wirklich fteilen Hängen muß man
aber mit dem unteren Schi anfangen,
da man fo fejteren Stand hat. Vielen
macht das Wenden am Hang
Schmwierigfeit, weil der Blic in die
Tiefe fie unfider madt. Solde
tun gut, an ganz Keinen Hängen,
Straßenböfchungen u. f. w. ihre
Vebungen zu beginnen. GSelbjtver-
ftändlih muß man zuerft gut und
fiher ftehen, mit den Schiern ganz
quer zur Fallrichtung, ehe man an=
fängt zu wenden,
222. Das Laufen in der Ebene
it etwas weſentlich anderes als
gewöhnliches Laufen oder Sclitt-
jchuhlaufen. Man holt weder aug,
noch ſtößt man fih ab. Es ift
ein Vorwärtsſchleifen mit langen
Sleitjehritten. Nie werden die
Schier gehoben und vorwärtsgejeßt.
Man legt ſich nach vorne und unter
ftüßt den fallenden Körper durch
Borführen eines Beines mit ges
beugtem Knie. Dabei bejtrebt man
fh, diefen Schi noch möglichſt
weit gleitend nach vorne zu drüden.
Dann ftredt man das Knie wieder,
fällt wieder vor und jchiebt das
andere Knie mit dem anderen Schi
nach vorne. Wenn es die Schriee='
befchaffenheit irgend erlaubt, be=
ftrebe man ſich das zweite Knie,
ſchon vorzufdhieben, während Der:
erfte Schi fih noch bemegt. Man
unterlaffe alle Verſuche, ih mit
dem hinteren Schi abzuftoßen, fie
führen unmweigerli nur dazu, daß
der hintere Schi nad) rüdmärts
rutſcht. |
Beim Laufen in der Ebene ſoll⸗
ten die Schier möglich nahe bei—
einander gehalten werden, fo nahe:
wie died die Bindung En
geitattet.
Erft wenn jemand ohne Stöcke
raſch und ſicher in der Ebene laufen
kann, ſollte er ſich der Doppelſtöcke
bedienen, um durch rhythmiſches Ab⸗
ſtoßen die Geſchwindigkeit zu er:
höhen.
Das Laufen in der Ebene ſieht
außerordentlich leicht und einfach
aus; es iſt auch gar nicht ſchwer,
ſich einfach vorwärts zu bringen.
Das wirklich ſtilvolle, fördernde
Laufen muß aber geübt und gelernt
werden. Dafür ermöglicht es dem,
der es kann, dann auch große]
Streden ohneübermäßige&rmüdung
raſch zurückzulegen.
Bei wirklich pappendem Schnee,
wenn ſich dicke Eisknollen an die
Laufflächen der Schies anſetzen, iſt
ein richtiges Vorwärtsſchleifen natür: | |
lich ausgefchloffen. Man ift dann
manchmal gezwungen jededmal einen
echten Schritt zu machen und den
Schi dabei zu heben (wie es jeder:
Anfänger überhaupt tut). Es madt
dies das Laufen in der Ebene aber,
zur ermübdenden Dual, Wer i immer
es maden fann, tut dann gut daran, : |
einige Stunden zu warten. Der
allerfchlechtefte Zuftand des Schnee | |
liegt gerade. bei Temperaturen um :
0° herum. Sobald es kälter wird |
ift der Schnee wieder glatt, fobald
ed wärmer wird, wird er jo naß, |
ash Fe. ra Fri El
=
Schi-Wettſpringen an der Neuen Schlefifchen Baude.
IV. 1. Das Schilaufen.
daß ſich wenigftens feine Eisftollen
mehr bilden und ein, wenn auch be-
fcheidenes, Gleiten ermöglicht wird.
223. Das Berganfgehen fommt
dem Anfänger im Schilauf ge:
- wöhnli wie ein kleines Wunder
vor, das ihm nad) einigen Ver:
fuhen mehr imponiert als die
fchnellfte Abfahrt. Doch ift es
leicht genug zu erlernen, jofern man
nur regelrecht ein bißchen übt und
ein bißchen nachdenkt und je nad)
Schnee und Steilheit des Hanges
die entjprechende Art des Bergauf:
gehen? anwendet.
Tatjählih laſſen fih Hänge
jeder Steilheit mit Schiern erfteigen,
fofern fie nicht hart vereift -find
oder Laminengefahr droht: Im
allgemeinen — abgejehen von er-
zeptionell günftigen oder fchlechten
Berhältniffien — werden die Auf-
ftiegzeiten ein wenig Hinter den
fommerlidhen zurüdbleiben, was ſich
zum Teil ſchon daraus erflärt, dab
man eben doch aud die Scier
mitzuheben hat, die immerhin ein
Gewicht von ungefähr zehn Pfund
befigen.
Das Bergaufgehen wird nun je
nach der Neigung des Hanges in
ſehr verjchiedener Weife bewerk⸗
ſtelligt. So lange der Hang nur
ſchwach geneigt ift, geht man genau
wie in der Ebene. Wird er etwas
fteiler und fängt man an zurüd-
zurutfchen, jo hebt man am Ende
eines jeden Gleitjchrittes die Spite
des Scieg ein wenig und drüdt
fie mit lei ftampfender Bewegung
in den Schnee. Bei richtiger Ge—
wicht3verteilung kann man fo über:
rajchend gut bergauf gehen. Sobald
man allerdings durch irgend welches
unruhiges Schwanten dag Gewichts⸗
zentrum nicht mehr über der Bin-
dung liegen bat, rutjcht man fofort
zurüd,
Iſt auch diefe Art bergan zu gehen
nicht mehr anwendbar, jo wird man
Niro. 223.
beginnen, den Hang quer bergauf
zu gehen und eine Zidzadipur ans
zulegen. Dabei kommt es dann für
ein rationelles Laufen ein wenig
auf die Beobachtungsgabe des Län:
fer an. Die große Kunft ift hier,
„ih dem Gelände anzupafjen”, d.
h. unter allen Umftänden fo fteil
zu geben, wie die gerade noch
möglich if. Man wird aljo je nad
der Steilheit die Richtung ein wenig
ändern müflen. Am Ende einer
jeden Linie der Zickzackſpur heißt
ed natürlich umdrehen.
Diefes nah Möglichkeit zu ver:
meiden wird man einmal die Spur
jo weit wie irgend möglich anlegen
um weniger Eden zu befommen,
zum anderen findet man beinahe
an jedem Hange Kleinere, ſchwächer
geneigte Stellen, die die Anlage
eines Bogens (an Stelleder ſcharfen
Ede mit Wenden) geftatten.
Auf langen Fahrten, bei ſtunden⸗
langen alpinen Aufftiegen wird man
faft ftet8 diefe Art des Zidzad-
aufftiege® als die wenigft an—
ftrengende anwenden.
Wil man aber fürzere Hänge
Schnell erfteigen, eine Terrain:
wellen überwinden, oder gilt eg,
auf beichränften Raum (Hohlmege
ujm.) zu fteigen, jo gibt es nod)
eine Reihe anderer ee
l
—— 11
rn — ç ——
u, u - Br wu Tai m de 08
a
Niro. 223.
Da wäre zunächſt ver „halbe Grä—
tenjchritt“ zu nennen.
Der Schi wird bei jedem Schritt
gehoben und im jpigen Winkel zur
Anftiegsrichtung in den Schnee ge:
ſetzt. Dabei wird er ftarf nad
innen gefantet und man madt &=
Beine vom Knie an abwärts.
Wächſt der Neigungswinkel des
Hanges, jo wird der halbe Gräten-
Ichritt zum großen „Grätenſchritt“.
Jetzt heißt es jeweild den unteren
Schi über das SHinterende des
vorderen hinweg heben und im
ftumpfen Winkel zur Anftiegsrich-
tung wieder hinftellen. Dieje Art
des Bergaufgehens ift auf Die
Dauer ſehr ermüdend. Sie wird
deshalb gewöhnlich nur an fürzeren
Hängen oder zur Abwechslung ein-
mal angewandt.
Wird der Neigungsmwinfel des
Hanges fo groß, daß auch die Ans
wendung des Grätenjchrittes ſchwie—
rig wird, jo fann man fich mittelft
des „Treppenjchrittes“ bergauf
All 3 De
83. Treppenfchritt aufwärts und
defien Spur.
helfen. Man jtellt fich quer zum
Hang und tritt mit ſtets paralleler
Schiern jeitwärts höher.
Bei feitem Schnee fann man jo
jehr fteile Hänge überwinden.
Der Treppenjchritt jeitwärts läßt
ſich auch recht gut vereinigen mit
dem Duer-Bergaufgehen.
Benry Boek. — —
Man ſchleift dabei zunächſt nor—
mal vorwärts, hebt nach Beendi—
gung dieſer Bewegung den Sci
und jest ihn jeitwärt® höher in
den Schnee. Es rejultiert jo eine
„Treppenſpur“, die jchräg bergauf
84. Spur des Treppenfchrittes fchräg
bergauf.
führt. Dieſe Art des Steigens ift
außerordentlich fürdernd und auch
nicht beſonders ermüdend.
Ein Stod ift bergauf feine wejent-
(ihe Hilfe; an jehr jteilen Hängen,
namentli) wenn man quer berg—
auf geht, kann er zur moralijchen
Stüße werden. Das ift aber auch
alles.
Beim wirklichen Ueben wird der
Anfänger gut tun, jeinen Stod zu—
nächſt einmal zu Haufe zu lafjen.
Jedenfalls hat er alle Gedanken,
fih mit dem Stod bergaufzudrüden
oder ih an ihm emporzuziehen,
fahren zu lafjen. Das Bergaufs
gehen ijt im wejentlichen eine Ba=-
lanceſache.
Zwei Stöcke können allerdings,
beſonders beim Gräten- und Halb⸗
grätenſchritt eine große Erleichte
Br "70
dr»
IXLEXE
IV. 1. Das Schilaufen.
und Hilfe ſein, doch tut man gut,
auch dieſe Uebungen zunächſt ohne
Stock zu erlernen.
Und im übrigen
gilt für das Stei⸗
gen auf Schnee⸗
ſchuhen, wie für
jedes Steigen, die
gute alte Regel:
Langſam aber
ftetig !
224. Die Ab-
fahrt gibt dem
ſportlichen Schi⸗
lauf ſeinen Reiz.
Es können dabei
große Geſchwindig⸗
keiten erzielt wer⸗
den; wenn die Ver⸗
hältniſſe günſtig,
(glatter Schnee und hindernisfreier
Hang), find 80—90km die Stunde
auf Entfernungen von 1—2km feine
Seltenheit. Solche Geſchwindig⸗
keiten bergen aber naturgemäß Ge⸗
fahren in ſich. Man kann den An⸗
fänger deshalb nicht genug darauf
aufmerkſam maden, daß ed für ihn
feinen Sinn hat, die Abfahrt in
größter Gefchwindigfeit zu verfuchen,
bevor er recht weiß wie abzufahren,
wie jeine Balance bewahren, wie
Hinderniffen auszuweichen und zu
bremien. j
Mit Schneid allein meiltert man
die Sache nit; ſowenig wie bei
jedem anderen Sport! €3 fällt
feinem Bernünftigen ein, feine Berg⸗
fahrten mit einer Matterhornüber:
fchreitung einzuleiten oder nad) drei
Tagen Automobilrennen mitzu⸗
maden. Es ift aber ein gewöhn⸗
liches Scaufpiel, wenn ſich der
Anfänger im Schilauf oben an einen
fteilen Hang hinſtellt, der total ver-
eift ift und nun verfudht, dem aus:
gebildeten Läufer die Sache nad
zumachen, in geraderjaufender Fahrt
binunterzugleiten. Der Erfolg ift
felbjtverftändlich ein ſchwerer Sturz,
Nro. 224.
der gewöhnlich harmlos ausgeht,
weil man eben in den Schnee fällt;
unter Umftänden aber auch weniger
85. A. Richtige fchmalfpurige Abfahrtsitellung,
2. u. 3. falfch und unter Umjtänden gefährlich.
harmlos, weil unter dem Schnee
harter Boden ift, oder weil fich ein
Sci tief einbohrt, oder aus hundert
anderen möglihen Gründen.
Aus alledem geht hervor, dal;
der Anfänger gut tut, ſich für feine
eriten Abfahrtverjuche kleine leichte
Hänge und guten gleichmäßigen
Schnee auszuſuchen. Und ferner,
daß er bejtrebt fein fol, zuerft das
Bogenfahren und Bremjen (f. unt.)
wenigſtens einigermaßen zu erlernen,
bevor er ſich an große Abfahrten
in fohneller Fahrt macht.
Was er nun aud) fieht und hört,
er halte fich ftet3 gegenmärtig, daß
es (abgefehen von ganz mwenigen
Ausnahmen) nur eine einzige rich:
tige Haltung für die Abfahrt gibt.
Das ift: Schier möglichft nahe zu—
fammengedrüdt, womöglich bis zur
Berührung, einen Fuß jtet3 etivas
vor, Körpergewicht möglichft nad)
vorne gelegt, Hüften nicht gebeugt,
aufrecht und gerade aber nach vorne
gelehnt, fo daß man einigermaßen
jenfreht zum Hange fteht. Mit
den Stöden wird nichts getan, man
läßt fie (oder ihn), nadjchleppen,
weil fie fo bei einem Sturze
Neo. 225— 227.
am menigften Unheil
können.
Es iſt ja zweifellos richtig, daß
die Balance nach links und rechts
leichter iſt mit breit auseinander⸗
genommenen Schiern. Dafür iſt
aber die Balance vor: und rüd-
wärts, und das ift die bedeutend
wejentlicdere, faſt ganz unmöglid.
Mit enggeſchloſſenen Sciern ift
e3 leicht Durch entiprechend weites
Borführen des einen Fußes die
unterftügende Gleitflähe zu ver-
längern und fo Unebenheiten bes
Bodeng auszubalancieren. Breit-
jpurig fahrend befommt man bei je=
dem Heinften Graben oder ähnlichem
einen Stoß, der gewöhnlich einen
jehr unangenehmen Sturz nad vorne
oder nach rückwärts nach fich zieht.
Nur unter beitimmten BVerhält-
niffen, wie jchon gejagt, wird man
diefe Normalabfahrtitelung auf:
geben. So 3. 8. beim Befahren
gleichmäßig geneigter vereifter Stra-
Ben, auf denen die feitliche Balance
ausnahmsmeife ſchwerer ift als die
nad) vor= oder rückwärts.
Manche gute Läufer lieben es
auch bei jteilen Abfahrten und
wechfelnder Schneeglätte fich tief
niederzufauern, umden Schwerpunft
tiefer zu verlegen und um ſo un=
empfindlicher zu fein gegen Stöße.
Das alles ändert aber nicht daran,
daß die oben bejchriebene Stellung
dem Anfänger auf lange Seit hin-
aus die einzig richtige bleibt.
Sm Beginne macht es mandmal
Schwierigfeit an fteilem Hange zur
Abfahrt „los“ zu kommen. Das
ift nun lediglich eine Sade des
Schneids. Wer mutig den einen
Schi in die gewünſchte Abfahrt$-
richtung ftelt und den zweiten
Schnell daneben, der wird faft ftet3
ohne Fallen ablommen.
225. Auch das Fallen kann man
falſch und richtig machen. Vor
allen Dingen iſt es ſehr viel weniger
Benry Boek.
anrichten | häufig unumgänglich notwendig zu
fallen, ald man im Anfang glaubt.
Mer nicht gleich alles aufgibt, jo-
bald feine Balance ein wenig frag:
li wird, merkt jehr bald, daß man
oftrecht verzweifelteSituationennod)
retten fann. Sit aber jede weitere
Abfahrt außer Frage, jo verjude
man womöglich) nad) rückwärts oder
ſeitwärts zu fallen. Am gefähr:
lichſten find immer die Stürze nad)
vorwärts, bei denen man fi oft
überſchlägt und die Schiſpitzen oder
Enden in den Schnee bohrt, mas
dann wieder die Knie: und Knöchel⸗
zerrungen zur Folge hat. Ein Fall
nach ſeitwärts oder rückwärts da⸗
gegen endet gewöhnlich mit einem
harmloſen Bergabrutſchen und Ta-
ſchen voller Schnee.
226. Das Aufſtehen, namentlich
in tiefem Schnee oder an ſteilem
Hang, macht manchem Anfänger
bittere Pein. Gewöhnlich liegt die
Sache daran, daß der verunglückte
Läufer verſucht, mittelſt großenKraft⸗
aufwandes ſich mit ſeinem Stock in
die Höhe zu ſtemmen, was ihm faſt
ſtets mißlingt.
In der Ebene ziehe man die Knie
möglichſt eng an den Körper, ſuche
dann in eine ſitzende Stellung zu
kommen und richte ſich auf, indem
man einen Schi moglichſt nach hinten
bringt, fo daß das Körpergewidt
dauernd unterjtügt if. Am Hang
ift vor allem darauf zu achten, daß
die Schier bergabmwärts,pom Läufer
find und genau fenfrecht zur Fall⸗
richtung des Hanges ftehen. Sonft
bringt jeder Verſuch des Aufrichtend
nur den Aerger eined erneuten
Hinfallens.
227. Das ſogenannte Schlitt⸗
ſchuhlaufen iſt eine Art der Fort⸗
bewegung auf Schiern, die nur auf
ſchwach geneigten Hängen bergab
anwendbar ſind. Die Bewegungen
dieſes Schlittſchuhlaufens ähneln
ziemlich denen des Laufens auf
ig mie TA FR Ta FH To mM 1:7
,
IV. 1. Das Sıhtlanfen.
langen Tourenſchlittſchuhen. Der
Nro. 228.
228. Das Bremfen mitdem Schi
Körper ruht abwechjelnd ganz auf| ift eigentlih Die Bremsart. Alles
einem Schi, während der andere
frei in der Luft ſchwebt. Am Ende
der Öleitbewegung einesjeden Fußes
ftößt man fräflig mit der ganzen
86. Schlittfchuhlauf-Spur.
Fläche des ſtark nad innen gefan-
teten Schies ab und holt gleidh-
ur
Be —
—
andere Bremſen mittelſt des Stockes
iſt nur gelegentlicher Notbehelf.
Ein guter Läufer ſollte bergauf wie
bergab vom Stocke unabhängig ſein,
dazu gehört aber
n natürlih, daB er
dann ſonſt irgend⸗
wie imſtande iſt,
bei der Abfahrt
ſeine Geſchwindig⸗
keit zu regulieren
und auf das wünſchenswerte
Maß zurückzuführen. Und tat-
zeitig mit dem anderen Schi mit ſächlich iſt auch keine Bremsart
möglichſt viel Schwung zu einem
neuen Gleiten aus. Die Spur der
ganzen Bewegung beſteht aus ein⸗
zelnen, im ſpitzen Winkel zur Fahrt⸗
richtung verlaufenden Furchen von
mehrfacher Schilänge. An flachen
ängen kann man durch Schlitt⸗
ſchuhſchritte die Abfahrtsgeſchwin—
digkeit weſentlich ſteigern.
Durch ſtändiges Verkürzen des
einen Schrittes, z. B. des linken,
im Verhältnis zum anderen iſt es
möglich, ſelbſt ziemlich ſcharfe Bögen
zu machen ohne an Geſchwindigkeit
einzubüßen.
Um eine gewiſſe Freiheit der
Bewegung auf Schiern zu bekommen,
eine natürliche Vertrautheit mit
ihnen, die ſich als nonchalante Ele⸗
ganz äußert, gibt es keine beſſere
Uebung als das ſogenannte Schlitt⸗
ſchuhlaufen und überhaupt das zeit⸗
weiſe Abfahren auf einem Schi.
Man bekommt dadurch auch die
ſelbſtverſtändliche Gewohnheit ein-
gefrorenen Straßenſteinen durch
Hochheben eines Schies zu entgehen,
Pfadabbiegung durch Anwendung
von ein paar Schlittſchuhſchritten
zu nehmen uſw. Es ſind das lauter
Sachen, die ſpäter ganz natürlich
erſcheinen, und deren Nichtkönnen
ſofort ein eckiges unbeholfenes
Laufen zur Folge hat.
wirkungsvoller, als die mit den
Schiern ſelbſt ausgeführte. Doch
gehört zu ihrer Beherrſchung ein
wenig Uebung, wie dies mit allen
körperlichen Bewegungen der Fall
zu fein pflegt. Es gibt nun ver:
ſchiedene Möglichkeiten mit dem
Schi felbjt zu bremfen.
Fanrichtung des Hange P
87. Schneepflugfahren.
1. Die Schneepflugftellung.
Sie wird angewandt, um in gerader,
abwärts gerichteter Fahrt die Ge—
Ihwindigteit zu breden. Dan
nimmt die Knie etwas auseinander
und drüdt die Fußſpitzen nad innen
und die Abſätze nach außen. Die
Nro. 228.
Schneefhuhe ftehen in der Form
eines V niit ftark genäherten Spiken
und auseinander gedrängten Hinter:
enden. Es entfteht jo eine Art
Schneepfiug, deſſen bedeutende
Schneeverdrängung die nötige Nei-
bung hervorruft. Je nah dem
wünjhendmwerten Ma des Bremſens
muß man das V größer oder Heiner
machen, oder die Schier mehr oder
weniger kanten. Es ift ftrenge
darauf zu achten, daß das Körper:
gewicht gleichmäßig auf beide Schier
verteilt ift, jonft überfreuzen fich die
Schier.
Die Uebung als ſolche iſt nicht
ſchwer. Schwieriger iſt es aber
während einer ſchnellen Abfahrt
„ei
n des ——* ER
Na J
ar Falirıchtun — *
Benry Dorf,
eine Schi bremſend und zwar der
untere. Wir nennen dieſen den
Stemmſchi und den anderen den
Gleitſchi. Der obere (der Gleit⸗
ii) fährt in der Richtung der
Fahrt. Seine Spur ift eine Linie.
Der’andere (der Stemmſchi) fteht
mehr oder weniger quer zur Fahrt:
tihtung. Er bürftet über den
Schnee weg und feine Spur ilt
eine langgezogene Fläche.
Die Hauptſchwierigkeit bei dieſer
Bewegung liegt darin, die Spiken
zufammen zu behalten und die Ab:
ſätze nicht von den Schiern zu heben.
Die Intenfität des Bremjens kann
ftark beeinflußt werden durd dad
Maß des Kantens des Stemm-
ſchies ſowie durch die Größe
des Winkels, den die bei-
den Schier miteinander bil-
den. Im allgemeinen liegt
bei dieſer Art des Fahrens
dag Hauptgewicht auf dem
oberen Gleitſchi. Durch ein
Verlegen auf den unteren
(Stemmjdi) Hat man die
Möglichkeit in der Hand,
recht kurze Bögen bergwärts
zu machen und ſo raſch zu
halten.
88. Stemmfahren.
diefe Stellung einzunehmen. Es
geht dies beſonders bei einiger-
maßen tiefem Schnee nur allmäh-
ih. Bei plötzlicher Notwendigkeit
des Bremſens wird man deshalb
die Fahrtbrechung durch einen
Schwung (f. weiter unten) einleiten
müffen.
2. Die Stemmftellung wird
angewandt, um bremjend mehr oder
weniger quer zum Hange abzu-=
fahren. Diesmal wirkt nur der
3. Das Seitwärts—
fahren iſt die allerwir⸗
kungsvollſte Bremsart in der
Fallrichtung auf ſehr ſteilen
oder vereiſten Hängen. Das
Prinzip der Bewegung iſt
eigentlich ſehr einfach: Man
ſteht quer zum Hang und rutſcht
mit dauernd quer geſtellten Schiern
ſeitwärts hinunter. Das gibt
natürlich eine ſehr ſtarke Brems⸗
wirkung, die durch Kanten noch
geſteigert werden kann.
In praxi wird man aber finden,
daß diejes Seitwärtsfähren durch⸗
aus nicht jo fehr einfach ift. Auch
wird man gut tun, die Schier nit
genau parallel zu halten, jondern
ein wenig im Winkel zueinander
— — — —— — — — — 0 _
Le —
_ —
—
1V. 1. Das Sıhilaufen.
Nro. 229 —230.
89. A Richtige Bremsitellung.
2 u. 3 falfch und zum Sturz nach rüdwärts führend.
zu ftellen. Man bat ed dann in|fo wie etwa die Here auf dem
der Hand, das Seitwärtsfahren
fofort in ein Stemmfahren vor:
wärts übergehen zu lafien. Ein
Belaften der Borderenden und des
oberen (etwas geneigten Scies)
wird dann eine Vorwärtsbewegung
zur Folge haben, ein Belaften der
Hinterenden und des unteren Sci,
ein ausgeſprochenes Seitwärts⸗
fahren u. ſ. w. Sehr elegant iſt
ja dieſe Art des Fahrens ſicherlich
nicht, ſie iſt im Gelände außer⸗
ordentlich nützlich und iſt wohl
wert, daß man ſie ein wenig plan⸗
mäßig übt.
229. Das Bremfen mit dem
Stod ift unter normalen Verhält⸗
niffen ſehr viel weniger wirkungs⸗
vol al? dag mit den Sciern
ſelbſt. Es fönnen aber Verhält⸗
niſſe eintreten, wo es unmöglich
iſt, mit den Schiern zu bremſen,
« jo zum Beiſpiel auf engen Hohl⸗
wegen, bei Knöchelverrentungen ꝛc.
Deshalb muß jeder, der als aus—⸗
gebildeter Tourenfahrer gelten will,
auch mit dem Stod bremſen können.
Wir bemerken aber von vornherein,
daß unter feinen Umftänden der
Läufer auf dem Stod fiten darf,
Bejenitiel. Denn dann verliert er
jede Einwirkung auf die Richtung
der Fahrt und bei Stürzen kann
dieſes Stodreiten zu jehr unange-
nehmen Berlegungen führen.
Das Weſen allen Bremjend mit
dem Stod ift natürlich eine mög:
lift große Reibung hervorzurufen.
Deshalb muß man den Stod mög-
licht fteil Halten. Se fpiter der
Winkel zwiſchen Stod und Boden
ift, um jo geringer wird die Brems⸗
wirkung. Se mehr Drud man auf
den Stod legt, umſo beſſer. Das
Bremfen mit dem Stod erfordert
eben ein gehörige® Duantum
Muskelkraft. Andererjeit3 darf
man fih nicht mit dem Körper:
gewicht nah rückwärts auf den
Stod legen, denn ein Aufrichten
aus diejer Stellung ift fait un-
möglih und das Ende tft ftet3 ein
„Sitzfall“.
230. Große Bögen zu fahren,
namentlich auf freiem Hang, der
keine Hinderniſſe aufweiſt, iſt nicht
ſchwer. Man kann das leicht durch
eine geringe Gewichtsverlegung und
ein Drehen der Front. Schon wer
unausgeſetzt ſeitwärts blickt, wird
Nro. 231.
Benry Bork.
bemerken, daß er ganz von felbjt | Worte links und rechts zu ver-
anfängt in die Richtung zu fommen, | taufchen.
wohin er fchaut.
231. Stemmbögen nennen wir
furze Bögen bergabwärt3 in ver—
langfamter Fahrt unter ftarfer
Bremsmirfung und ohne Fahrt:
unterbredung. Es muß offenbar
für jeden Fahrer ein großer Bor-
teil fein, jolche Bögen fahren zu
fönnen. Ganz abgejehen von dem
ſchnellen Ausweichen von Kinder:
niffen ift es natürlich jehr ange:
nehm, wenn man einen fteilen,
langen Hang befährt, der zu fteil
ift, grade herunter zu fahren, nicht
ein Zickzackſpur mit jemweiligem
Umdrehen anlegen zu müfjen, fon
dern in, fontinuierliher Fahrt in
Schlangenlinien herunterfommen zu
fönnen.
Das Prinzip des Stemmbogeng
ift einfah genug. Es iſt eine
Kombination von Stemmfahren,
Schneepflugftelung und wiederum
Stemnfahren — aber diesmal in
die andere Richtung.
Wir geben im folgenden die
Anweifung für Ausführung eines
Stemmbogend nad links. Ebenſo
wie weiter unten beiden „Schwün=
gen” wird immer nur die DBe-
wegung nad) einer Seite bejchrie=
ben. Die Vorſchrift für die andere
Seite lautet natürlich wörtlich ge=
nau jo, bloß find jeweils Die
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90. Stemmbogen nach links.
Einen Stemmbogen nach links
zu machen:
1. Der Fahrer kommt von oben
in der Richtung der Pfeile. Er
ſtemmt kräftig mit dem linken Schi.
Das Gewicht liegt faſt ganz auf
auf dem linken Schi. Beide Schier
liegen ganz flach. Die Abſätze ſind
auf den Schiern.
2. Der Läufer legt ſich ſich ſtark
nach links vorwärts. Er drückt die
Abſätze (und damit die Schihinter—
enden) noch weiter auseinander.
Die Schier liegen flach. Das Ge—
wicht liegt zu °/, auf dem linken
und '/, auf dem reiten Sci.
3. Der Läufer fieht jetzt grade
bergabwärt. Einen Augenblid
früher bat er feinen Stod umge-
ftelt. Das Gewicht liegt einen
Augenblid gleichmäßig auf beiden
Schiern. Beide Scier find gleich—
mäßig ein Elein wenig gefantet.
4. Der Fahrer geht über in die
Stemmitellung rechts. Dad Haupt-
gewicht liegt auf dem rechten Sci.
5. Er fährt weiter in Stemm=
jftelung recht8, verlegt aber das
Gewicht mehr auf den linken Schi,
um die Fahrt wieder zu beichleu-
nigen.
Der hauptjädhlichite Fehler, den
alle Anfänger immer und immer
wieder maden, ift, daß fie ſich von
3. an nicht genug nad) vorn legen.
Am fteilen Hang geht einem das
am Anfang fozufagen wider Die
Natur. Das Refultat ift aus:
nahmslos ein Sturz nad) rückwärts.
Sonjt werden noch Fehler gemadht,.
indem man nicht die Spiken zu:
jammen behält, die SHinterenden
nicht auseinander drüdt oder Die
Schier zu fanten verſucht.
Schlieglich noch etwas über den
Stod. Richtig angewandt unter:
ftüßt er die Nebung wefentlid. Er
|
N
|
N
IV. 1. Das Sıhilaufen.
ift aber fein fejter Drehpunkt, um
den man ſich herumſchwingt! Alle
derartige Berjuche enden mit einem
Sturz nach innen, da der äußere
Schi „mwegläuft“, jobald der innere
belajtet wird.
Der Stemmbogen wird im Ge:
lände jehr viel angewandt, und zwar
um fo mehr, je fchwieriger das
Gelände ift.
Stemmfahren und Stemmbogen
find für den Tourenfahrer unbeding-
te8 Erfordernis für
ein genußreiches Lau⸗
fen, jedenfalls viel
mehr als Schwung
und Sprung.
Dafür ſtehen aller⸗
dings die letzteren,
rein „ſportlich“ be⸗
trachtet, viel höher
und ſehen auch un⸗
vergleichlich viel ele⸗
ganter aus.
232. Der Tele⸗
markſchwung iſt ein
kurzer Bogen mit ſtar⸗
ker Bremswirkung
(bis zum Halten!) 1
aus unverminderter |
Fahrt. Er ift ein
Bogen, der haupt
ſächlich auf der In⸗
nentante des be:
lafteten, etwas vors
gejchobenen, äußeren
Schies gefahren wird. Ein guter
Fahrer hält mittelft des Telemark⸗
ſchwunges in jeder Fahrt und bei faſt
jeder Art Schnee. Doc) ift der Tele:
markſchwung der Hauptfchwung bei
tiefem Schnee und auf weniger ge-
neigten Stellen nad) der eigent-
lichen Abfahrt, jo 3.8. beim Aus-
lauf nad dem Sprung ıc.
Einen Zelemartihwung nad)
rechts zu maden:
1. In der normalen Abfahrt:
ftelung ſchiebt ver. Läufer den
Iinten Schi fo meit vor, daß die
2 Schistellung während
!
'
! 3 Spur des Schwunges.
‘
Nro. 232.
Bindung etwa neben der. Aufbie-
gung des rechten Scierd fteht.
(Diefe Angabe ſchwankt natürlich
je nah Schi- und Beinlänge, Ab-
fahrtsgeſchwindigkeit, Schnee u.ſ.w.)
Er hebt dabei den rechten Abſatz
und legt faſt ſein ganzes Gewicht
auf den linken Schi. (Das nennen
wir „Telemarkſtellung“.)
2. Er kantet nun den linken Schi
nach innen und drängt gleichzeitig
das Hinterende des linken Schi
1 ‚„Telemarkstellung r
vor Anfang des Schwunges
des Schwunges
1
P
91. Telemarkſchwung nady rechts.
fräftig nad) außen (unten) und die
Spike dieſes Schneejchuhes mit
der Zehenmwurzel nad) innen (oben).
Die Schier kommen dadurd im
Winkel zueinander zu ftehen und
bleiben während der ganzen folgen
den Bewegung in dieſer gegen:
jeitigen Stellung.
Der rechte Schi (und Fuß) wies
derholt die Bewegungen des linten,
aber mit viel weniger Kraft und
faft ohne Belaftung; er bleibt da=
bei ftet3 nur Bruchteile einer Se⸗
funde hinter den Bewegungen des
Niro. 233. Beniy Bork.
linfen zurüd. Der Fahrer legt fich
(je nach Gejchwindigfeit und Steil-
heit) nach vorne und innen.
Es ift wohl ganz ſelbſtverſtänd—
li, daß vorbereitende Stellung
und Schwung felbit ſich nach einiger
Uebung unmittelbar folgen. Der
Lernende wird qut tun, mit ganz
großen Telemarfbögen (Schier bil:
—XX
XX& nun N
J X \\\ \ WR
N WWX \\\\ \\ \ ls
SIR LALLLIDINT
RN NN \
\ \ \\
\ '
92a. Spur des „gezogenen“
Chriſtianiaſchwunges.
— — —
92b. Spur des „geriſſenen“
Ehriftianiafchwunges.
den einen ganz
ſpitzen Winfel
miteinander)zu
beginnen und
jeineSchwünge
4 allmählich klei—
Fr ner und ſchnel—
J ler zu machen.
Der Stock hilft
bei dieſem Schwunge gar nicht
mit, höchſtens als Balancierſtange.
Man tut gut, ohne ihn zu üben.
Ein Telemarkſchwung aus großer |
wird bei
zu beſprechende Chriftianiafhmwung.
Doch ift er nicht jo nützlich wie
jener, da er nie fo plöglih zum
Halten bringt.
allerbeiten Läufern wird ein Tele=
marf aus ganz großer Fahrt ſtets
mehr oder weniger zum Bogen.
Aehnlich wie mitteljt aneinander-
gereihter Stemmbögen fann man
Seldft bei den
auch mitteljt nicht
ganzdurdgeführter
Telemarkſchwünge
einen ſteilen Hang
in Schlangenlinie
abfahren. Doch iſt
das nicht leicht, da
man ſtändig den
führenden Fuß
wechſeln muß.
233. Der Chri-
ſtianiaſchwung ift
ebenfall® ein kur—
zer Bogen (aus
unverminderter
Fahrt!) unter ftar=
fer Bremdwirfung.
Aber diefer Bogen
wird der Haupt—
jahe nad) auf der
Außenfante des
führenden inneren
Schies gefahren.
Der Chriſtiania—
Ihwung iſt der
eigentliche „Ge—
brauchsſchwung“. Er iſt am leich—
teſten bei nicht zu tiefem Schnee
und am ſteilen Hang.
Schwünge gleich gut beherrſcht,
plötzlich
Hinderniſſen zweifellos den Chri—
ſtianiaſchwung anwenden.
der ſchnellere und beſonders des—
halb im Gelände ſehr brauchbar,
weil man die Ausübung dieſes
Schwunges ſehr weſentlich durch
Stockhilfe unterſtützen kann.
Einen Chriſtianiaſchwung nach
Wer beide
auftretenden
Er iſt
Fahrt ſieht ſehr hübſch aus. Hüb- rechts zu maden:
ſcher als ſein Bruder, der unten
1. Der Fahrer kommt in nor⸗
|
IV. 1. Das Schilanfen.
maler Abfahrtftelung von oben.
Er hat den rechten Zuß ein wenig
vorgefchoben. Die Schier ftehen
ganz enge, fie fahren zufammen
bloß eine Spur. Der rechte Sci
ift ein wenig mehr belaftet al? der
linfe. Die Knie find ein wenig
gebeugt.
2. Beinahe ruckweiſe ſchwingt
der Läufer feinen Körper, vor allem
aber die Mittelpartie — Hüften und
Gefäß — nad) rechts, gleichzeitig
legt er fih nad innen, bergwärts.
Beide Abfäge Stehen auf den
Schiern und drüden die Scdi-
binterenden gleihmäßig nad links
außen, bergabmwärt?.
Man kann den Chriftianiafhmwung
mebr „ziehen oder mehr „reißen.
Der Unterſchied geht deutlich aus
der Spur der Bewegung hervor.
Sm erſten Falle rejultiert ein
fäherförmiger Bogen, im zweiten
ein chief verzerrteg Dreied. Der
„gerifjene” Schwung ift der bei
weitem plößlichere und wirkungs⸗
vollere.
Ein Fehler, den faſt alle An⸗
fänger machen, iſt, daß ſie nicht
gleichzeitig den Körper herum⸗
Ichwingen und die Schienden mit
den Abjägen nad) außen drüden.
Gleichgültig, welde Bewegung zu:
erft fommt — Sobald fie nicht
gleichzeitig find, ift die Folge ſtets
ein Sturz.
Bei einer Yahrt quer zum Hang
(chief bergab) kann man feine Ge⸗
fchwindigfeit auch fehr gut regu=
lieren durch eine Reihe von
halb durchgeführten . Chriftiania-
mwüngen.
Es ift ſchließlich wohl faſt un:
nötig zu fagen, daß zwiſchen all
den oben befchriebenen Bögen und
Schmüngen eine Reihe von Ueber:
gangsformen und Zwilchenftufen
liegen, ſowie, daß fie fich in der
mannigfadften Weife verbinden
und aneinander reihen lafjen. Wer
Nro. 234.
die Uebungen einmal wirklich be-
herrſcht, der wird das ganz inſtink—⸗
tiv tun.
234. Der Sprung wird häufig
bezeichnet ald8 „Krone des Schi—
laufs“. Tatſächlich gibt es wohl
feine andere körperliche Einzel-
übung, die einen jo übermältigen-
den Eindrud madt. Andererjeits
darf man aber nicht vergefien, daß
der Sprung faft ausnahmslos ein
Kunſtſtückchen ift, eine (turnerifche)
Uebung, der feine andere praftifche
Bedeutung zufommt, als daß fie
dem Fahrer ein weiteres Mittel
ift, feine Hölzer in vollfommener
Weiſe meiftern zu lernen. -Im
freien Gelände kann e8 wohl mal
vorlommen, daß man Kleinere
Sprünge (gewöhnlich au8 Freude
an der Sade) ausführt. Eine
Notwendigkeit dazu wird faft nie
vorliegen. Im Gegenteil, nament:
lich im unbefannten Gelände, wird
der Läufer Sprüngen nad) Möglich⸗
feit ausweichen. -
Und wirklich weite Sprünge,
jagen wir mal von über 15 m,
werden, abgejehen von verjchmwin:
dend feltenen Ausnahmen, nur an
fünftlich vorbereiteten Sprungſchan⸗
zen, auf fünftli vorbereiteten
Sprungbahnen möglich fein. Der
Sprung verhält fi zum übrigen
Schilauf wie eiwa die „Hohe
Schule” zum Reiten, wie dag
Kunftfahren zum jonftigen Rad:
fahren. Es gibt daher auch viele,
viele Schiläufer, die tadello3 gut
laufen, ohne weite Sprünge madjen
zu können, und recht gute Springer,
die feine erftflaffigen Geländeläufer
ind.
Abgeſehen von alledem ift aber
der Sprung eine jo ausgezeichnete
Balanceübung und bietet an und
für fih jo viel Freude, daß mir
allen jungen Läufern nur eindring-
lich raten fönnen, auch diefe Hebung
nad Kräften zu erlernen.
Nro. 234.
Ein Schifprung ift immerund aus—
nahmslo8 ein Tief= Weitjprung.
Irgend etwas ähnliches wie einen
gewöhnlicher Hochſprung, oder wie
einen Weitjprung auf ebenem Bo-
den, gibt es überhaupt nicht.
Der Läufer kommt jtet3 einen
Hang hinunter, auf einer Art Klei-
nen (natürliden oder künſtlichen)
Schanze jpringt er ab und die
Eigengeſchwindigkeit wirft ihn weit
in die Luft hinaus. Tief unten
95. Zwei Arten im Gelände Mebungsfprunghügel zu bauen.
a Untergrund; b Schneedede; c Künftliche Auffüllung.
Benry Boek.
werden und faft jtet3 künſtlich ge—
Ihaffen werden müſſen.
Zu Heinen Sprüngen wird fidh
unterwegs auf Touren häufig Ge—
legenheit finden. Jeder Zaun,
Straßenrand, Baumftumpf Tann
unter Umijtänden als „Schanze“
dienen, da es bei kleinen Sprüngen
nicht jo genau auf die Neigung des
unteren Hanges ankommt. Auch
fann man fich in furzer Zeit eine
Sprungfchanze und Bahn jchaffen,
an der ſchon
vecht beträchtliche
Sprünge möglich
find. Das „Wie“
geht deutlich ge=
nug aus unjeren
Ihematijchen
Beihnungen
hervor.
Zu adten ift
nur darauf, daß
die Aufjprung-
bahn fteiler fei
als die Anlauf=
bahn und hin—
dernigfrei jei, fo=
wie ferner, daß
der Schnee nicht
gefährlich ift, alfo
nicht fruftig oder
flebrig oder gar
zu tief. Einen
fruftigen oder tie=
fen Schnee fann
berührt er dann wieder den wo- | man dadurch forrigieren, daß man
möglich noch fteileren Hang und | auf der Aufſprung- und Auslauf:
fährt weiter.
Gemeſſen wird die | bahn durch wiederholte Stampfen
wirkliche jchiefe Sprungbahn und | mit quergeftellten Schiern die eifige
nicht etwa die Projeftion auf die Kruſte zerbricht oder den Schnee
Ebene.
Aus dieſer ganzen
Sprunges ergibt ſich ohne weiteres,
daß die Vorbedingungen für einiger—
maßen weite Sprünge
niger ſteil als unten — Sprung—
ſchanze, freie Bahn 2c.) ſich in der
Natur nur äußerjt jelten finden
(richtige |
Neigungsverhältnifie — oben we
| zujammenpreßt.
Art des
ſchanze ganz allmählid in die An—
Im allgemeinen fol die Sprung=
laufbahn übergehen und jelbit noch
ziemlich geneigt fein. Schanzen, die
faft horizontal find oder fajt etwas
nad) oben zeigen, werfen den Läufer
ſehr hoch in die Luft und er hat
die Tendenz nah rückwärts zu
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IV. 1. Pag Sıhilanfen. Nro. 234
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fallen. Solche Schanzen find des— I N;
bald für Heinere Sprünge fehr gut, SI N.
um die Balance in der Luft, N, 2
R u an
namentlich das „Nachvornewerfen — N
ju erlernen, \
Viel ſchwieriger liegen die Ver: *
hältniffe, wenn es ſich darum Qi N
handelt, für Wettpringen Sprung- N IQ
bahnen für große Sprünge zu er: x NN
ftellen. Nach Möglicgkeit wird man NR N
verfuchen, geeignete Hänge in nörd- N N
lihen Lagen zu finden, die den I IQ
ganzen Tag vor Sonnenjtrahlen 28 AR
geihügt find. Doch fpielt bei der
Auswahl die allgemeine Windrid;- N.
hung natürlich eine große Rolle.
Nro. 234.
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Benry Boek.
prunabilder.
chematiſche 5
I Letztes Stadiun des Anlaufs.
S
95.
IV
II Mbiprung (Saß).
V das Aufflommen.
HE u. IV. im Sprung.
Es ift oft gar nicht leicht, geeigs
nete Sprungbahnen in der Nähe von
Winterzentren zu finden und manch⸗
mal wird ein Hang, der jonft der tage
nach geeignet ift, künſtlich ausgeebnet
und verbeflert werden müflen.
Viele Vereine bauen nun an
folden im Laufe der Jahre als
gut erprobten Bahnen feite Gerüjte
für die Sprungfdanze. Das muß
aber als verfehlt bezeichnet werden.
Die Schanze follte für große Wett-
ſpringer je nach der Schneebejchaffen-
heit vor= oder rückwärts gerüdt
werden und das ift in praxi fehr
wohl möglich, da eine Schanze von
2 m Breite fih aus Schnee und
Tannenreifig recht gut in einigen
Stunden aufbauen läßt.
Die hier beigegebenen Bilder vom
Solberg- und Feldbergiprunghügel
zeigen Profile guter Sprungbahnen.
Bor allem fommt es darauf an,
daß die größte Steilheit der ganzen
Bahn unterhalb der Schanze liege
und erſt einige Meter unterhalb
der Schanze beginne. Es hat dies
zur Folge, daß die Kurve der Bahn
einigermaßen in der Form mit ber
Sprungfurve übereinftimmt. Der
Läufer kommt fo, felbjt bei jehr
großen Sprüngen, nie
ſehr hoch über den
Ss Boden.
N Se fteiler die Auf:
I Iprungftelle,um fo ſanf⸗
I ter wird die fallende
\Q Bewegung in die glei-
tende übergeführt, um
jo geringer ift der
„Drud“ beim „Auf:
fommen”.
S WenigeMeter unter:
S> halbder Landungsſtelle
ſollte die Sprungbahn
SQ fid) verfladen um Aus-
lauf und Schwung zu
ermöglichen.
Und nun zu dem.
Sprunge felbjt: Das
Iv. 1. Das Siıhilaufen.
Niro. 235.
m
wa? wir beim Schilauf Sprung | um ihre Balance zu unterftüßen.
nennen, beiteht aus einer Folge
verjhiedener Bewegungen: Anlauf,
Abiprung, Flug durd die Luft,
Aufkommen und Weiterfahrt.
1. Ter Anlauf erfolgt in durch⸗
aus normaler Abfahrtjtelung bis
etwa 10 m vor der Kante - der
Sprungfchanze. Dabeugtder Fahrer
die Knie ein wenig, nimmt die Füße
faft genau nebeneinander und legt
fih von den Hüften ab ſtark nad)
vorne, wobei er die Arme gejtredt
nach unten hängen läßt, jo daß ſie
beinahe den Boden berühren. Diefe
Stellung fieht auch bei den aller:
beiten Läufern nicht gerade ele-
gant aus.
2. Der Abſprung: Plötzlich firedt
fih der Fahrer rudweile in den
Hüften, ftredt die Knie (ähnlich wie
beim Schlußiprung) und wirft die
Arme nah vorne und oben. Er
fchnellt fih jo vom Boden empor.
Diefe Bewegung zufammen mit der
dynamiſchen Energie der Abfahrt
wirft ihn über den Abbruch der
Sprungſchanze weit in die Luft
hinaus. Da die Gejchwindigfeit
des Anlaufs fehr groß ift, fo muß
mit dem Abjprung rechtzeitig be-
gonnen werden. Sonſt fommt die
Streckbewegung zu jpät, wenn der
Läufer ſchon in der Luft ift.
3.u. 4. Die Haltung in der Luft
ift das fchwierigft zu erlernende
am ganzen Sprung. Der Körper
ift ganz geftredt, aber jtarf nad)
vorne gelegt, fo weit, daß er jent-
recht zum Aufjprunghang fteht. Die
Schier dürfen nit, wie man das
oft fieht, mit den Enden „hängen“,
fondern der Läufer muß ihre Spiten
mit den Zehen nad) unten drüden,
fo daß fie während der Luftreife
parallel mit dem Hange verlaufen.
Die Haltung der Arme ift indi-
viduell fehr verſchieden. Die meiften
werden fi genötigt jehen, ein
wenig mit den Armen zu rudern,
— — — — —— — —ñ — — — — — — — — — — — — — — — m — — — — — — — —
Das Ideal ſind aber geſtreckt nach
hinten unten weiſende unbeweg—
liche Arme. Die Schier ſollten eng
zuſammengedrückt ſein, wie bei einer
guten Abfahrt.
5. Das Auflommen ift jelbft auf
den allerſchönſten Schifprungbahnen
mit einem gewiffen Chod verbunden.
Diefen Stoß juht man auszu—
gleihen durch Balance in den
Knien. Gleichzeitig führen die aller-
meiften einen Schi weit vor, um
die Unterftügungsflähe nad) Mög:
lichfeit zu vergrößern. Beide Schi
müffen aber unbedingt gleichzeitig
und zwar mit ihrer ganzen Lauf:
fläde auf einmal den Schnee wie-
der berühren. Aus der etwas zu-
fammengedrüdten Stellung des
Landen jucht fich der Läufer mög:
licht bald wieder zur normalen
Abfahrtsſtellung aufzurichten, damit
erden die Yahrt endigenden Schwung
ausführen Tann.
Sehr hohe Sprungfchanzen find
durchaus fein Erfordernis für weite
Sprünge. Eine richtig angelegte
Sprungbahn vorausgefett, wird ein
guter Läufer auch an ganz niederen
Schanzen weit fommen. Es hängt
eben alles vom Abſprung („Sat“)
ab. Daher jind für Wettfpringer
niedere Sprungfchanzen fehr ange:
bracht, um einen Eindrud von dem
wirklichen Können jich zu verfchaffen.
235. Sprungweifes Vendern der
Fahrtrichtung ift eine ausgezeich-
nete Balanceübung und gleichzeitig
eine jehr nützliche Kunft.
Sn der normalen Abfahrt ſchnellt
man fi, ähnlich wie beim Sprung,
in die Höhe und gibt gleichzeitig
Körper und Schiern eine Drehung.
Ein guter Läufer bringt es auf
Sahrtabmweichungen big zu 30°. Die
Schwierigkeit ift, die Schier gleich:
zeitig und parallel zueinander in
die neue Fahrtrichtung zu befommen.
Natürli) muß man fich bei dieſer
Nro. 236—238. Benty Bork.
Mebung ftark nah innen legen, um | ganze fonftige Rennbetrieb zeigen, .
der Zentrifugaltraft entgegenzu= | daß hierbei der Schi nur eine neue
wirfen.
Ueberhaupt ift es eine gute
Uebung, fih auch in der gewöhn-
lihen araden Abfahrt gelegentlich
möglichft in die Höhe zu ſchnellen und
zu verjuchen, wie große „Sprünge“
man fo maden kann. Unter Ume
ftänden ermöglicht dies aud über
plöglich auftauchende Steine, über
einen geftürzten Kameraden oder
ähnliches hinwegzukommen.
236. Schifahren mit Segel wird
in Zentraleuropa wohl faum irgend=
wo betrieben. Wir können ung
deshalb mit dem Hinweis be:
gnügen, daß in den langen flach:
bodigen Gletichertälern Sfandina-
viens oder auf den langageftredten
Talfeen des dortigen Gebirges
leichte Seidenfegel oft mit großem
Borteil verwandt werden. Ent:
weder hat jeder Fahrer eine Art
dreiefigen Segeld oder zwei zu:
fammen Haben ein langes redt-
edige8® Segel zwiſchen fi ge—
annt.
237. Schifahren mit Pferden
ift ein Sport der aus Schweden
ftammt. Auf gebahnten Straßen,
Schwach überfchneiten ebenen Feldern
oder auf gefrorenen Seen lafjen
fih große Streden in kurzer Zeit
zurücklegen. Entweder hält man
die Zualeinen in der linfen und die
Zügel in der rechten Hand, oder die
Keinen find an einen Leibgurt be—
feftigt mitteljt eines Berjchluffeg,
der ih beim Sturz automa=
tiſch löſt.
Da jedoch für die ſportliche Aus»
übung dieſes Fahrens das Pferd
durhaus im Vordergrund Steht, fo
fei auch hierbei mit dem Hinweis
auf die aanze Sache genug getan.
In nenefter Zeit werden aud in
der Schweiz richtige Nennen von
durch Pferde gezogenen Schiläufern
abgehalten. Totalilator, ſowie der
Senſation darftelt und daß es fid
nur um Pferderennen in einer et:
was anderen Form handelt.
Der Scilauf im Bodb-
gebirge.
238. Der Schilauf im eigent:
lichen Hochgebirge, alſo in der
RegiondesemwigenEifesundSchnees,
ift fein fportlicher Selbftzwed mehr
wie der Scilauf im Mittelgebirge
oder in den Boralpen. Er iſt Hilfs:
funft des Alpinigmus. Das Biel
ift die alpine Tour. Das Mittel
it der Schi. Daß viele Alpiniften
ihre winterlichen Bergfahrten in y
neuefter Zeit jo wählen, daß Dem
Schi eine große Gebrauhgmöglich-
feit gewährt wird, ift felbjtverftänd- }
lid. Trotzdem bleiben ſolche Fahr-⸗
ten ihrem inneren Weſen nach Berg- |
touren und find erft in zweiter
Linie Schitouren. Auf allerdeut:
lihfte wird das Kar, fobald man
die erforderlide Eignung des Schi—
läufers im Hochgebirge unterfudht.
Denn da zeigt ſich's alsbald, daß
Schitouren wohl unternommen wer:
| den können und dürfen von Leuten,
die nicht gerade hervorragende Schi⸗
läufer find, daß aber andererfeits
jeder, der nicht über eine ftattliche
alpine Erfahrung und über einen
alpin geſchulten Körper und Geift
verfügt, fi unverantwortlicdhen
Leichtfinnd ſchuldig macht, fobald
er fich ind winterliche Hochgebirge
wagt. |
Wir fönnen ung deshalb in die⸗
jem Abſchnitt des vorliegenden :
Buches ziemlich kurz faflen über :
das Schilaufen im Hochgebirge. |
Das wejentlie was hier zu jagen |
wäre, ift in dem Kapitel über den
Sport des Bergfteigend zu finden
und wir haben hier nur hinzumeifen
lauf eimge ganz fpeziele Eigen:
| [5 PERERENSE un om > m euer Ds ⏑—
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Schiſprung in korrekter Körperhaltung und Schiftellung
(Aus Sport im Bild.)
Iv. 1. Das Schilaufen.
Nro. 239 —243.
tümlichfeiten des Steigen? im Hoch⸗ nehmen leichte Bambusdoppelftöd-
gebirge mit Sciern.
239. Die Ausrüftung des Schi
laufenden Hochtourtiten wird im
großen und ganzen die des Hoch—
— und nicht des Schiläufers
ein.
Eine Anpaſſung an die winter⸗
lichen Verhältniſſe liegt vor allem
in der möglichſt ſorgfältigen Aus-
wahl der Fußbefleidung (ausgezeich-
nete, ein wenig ſchwächer genagelte
Schuhe, zwei Paar Soden, event.
Fellſocken und Filzüberfchuhe, ſowie
lange big übers Knie reichende Ueber⸗
ziehgamajchen), in der Mitnahme
entſprechender Reſervekleidung, eines
Spiritusapparates und möglichſt
fettreicher Nahrung. Alkohol iſt noch
ſtrenger als im Sommer zu meiden,
iſt nur „Medizin“, aber unter
keinen Umſtänden Erwärmungs⸗
mittel, am allerwenigſten im Falle
eines Biwaks. Hier kann er ge-
radezu verderbenbringend wirken.
240. Der Schi des Hochtouriſten
wird im allgemeinen etwas kürzer
ſein, als er ſeinem Körpergewicht
eigentlich entſpricht. Das hat ver⸗
ſchiedene Vorteile: Leichtere Trans⸗
portfähigkeit beim Klettern, leichteres
Gewicht und leichtere Lenkbarkeit.
Der letzte Grund iſt auch ausſchlag⸗
gebend dafür, daß der Hochtouriſt
oft auf die Führungsrinne verzichtet.
Es kommt eben im Hochgebirge
mehr darauf an ſchnelle Wendungen
und Bögen machen zu können, als
möglichſt große Geſchwindigkeit in
gerader Abfahrt zu erzielen.
241. Befondere Ausräftung für
Schi-Hochtouren. Bei leichteren
Touren follte jede Bartie wenig⸗
ſtens einen Pickel mithaben, bei
ſchwereren jeder einzelne Teilnehmer.
Manche bevorzugen nun ziemlich
lange Bidel, die ald Stock benut-
bar find beim Scilaufen, andere
laufen mit ihrem gewöhnlichen
Sommerpidel und wieder andere
chen mit und außerdem einen leichten
PVidel, der während des Schilaufeng
mit der Haue unter die Rudjad-
Happe gebunden wird. Wer nur
mit Pickel läuft, follte ein Futteral
für die Haue haben oder dieje in
Lappen einbinden, einmal um jeine
Hände gegen die Kälte des Metalls
zu ſchützen, zum anderen um die
Icharfe Haue beim Stürzen unjchäd-
lich zu machen.
Ein forgfältig zufammengejegter
Reparaturbeutel ijt im Hochgebirge
unerläßlih. Es genügt aber natür-
ih ein Beutel für eine ganze
Partie.
Abnehmbarer Fellbeſatz kann einem
bergauf ſehr viel Zeit und Kraft
erſparen. Und deshalb wird heute
wohl jeder ernſte Hochtouriſt ſich
ſeiner bedienen. Nicht ſo unbedingte
Anerkennung haben Schiſteigeiſen
gefunden. Ihre Anwendung iſt eine
zu beſchränkte, als daß es ſich häufig
verlohnte ſie mitzuſchleppen.
242. Schitechnik. Was nun das
rein ſchitechniſche im Hochgebirge
anbelangt, ſo iſt dies Hauptſache,
daß der Läufer imſtande ſei, an⸗
und ausdauernd in gutem Tempo
in der Ebene und bergauf zu gehen
und daß er bergab ſeine Geſchwindig⸗
feit durch Hemmen und Schneepflug⸗
fahren zur Genüge regulieren kann.
Sprünge, Schwünge und ſonſtige
Kunſtſtückchen werden äußerſt ſelten
zur Anwendung kommen. Die groß⸗
artigiten Schitouren im Hochgebirge
find zum guten Teil von Leuten
gemacht worden, die nichts weniger
als gute Schiläufer waren, dafür
aber um jo beſſere Alpiniften.
243. Die Gefahren des win-
terliden Hochgebirges. Abgejehen
von Kälte, Dunkelheit und lang-
andauernden Schneeftürmen und
Nebel — denen man genau jo be-
gegnet wie im Sommer, nur daß
man von vorne herein — mit
Nro. 243. Henry Bock.
ihnen rechnet — liegen die Haupt⸗
gefahren des winterliden Hochge-
birges in den Lawinen und Öletjchers
fpalten.
Lawinen gehen das ganze Jahr
im Hochgebirge, bloß naturgemäß
im Winter und Frühjahr unverhält-
nismäßig häufig und in viel tieferen
Regionen als im Sommer. Im
Abſchnitt „Alpinismus“ tft alles
wesentliche über Lawinen gejagt,
es genügt ung bier darauf hinzu
weilen, daB die typiſche Winter:
Iawine die „trockene Pulverſchnee⸗
lawine“ ift, die ohne vorgezeichnete
Bahn überall abbrechen fann und
daher eine ſtets drohende ſchwer
berechenbare Gefahr bildet. Die
typiſche Frühjahrslawine ift die
ſchwere nafje Lawine aus wafler-
durchtränktem Schnee („Grund
lawine“), die Lawine, die gewöhn-
lih dem Laufe der Wildbäcdhe folgt
und deshalb relativ leicht vermeid-
bar ift. Im Winter und Frühjahr
gleichmäßig treffen wir das tüdifche
Schneebreit.
Bor der mwinterlihen Lamwinen:
gefahr kann man nicht nachdrücklich
genug warnen. Ueber die Hälfte
aller winterliden Unglüdsfälle wird
verurfacht durch Leicätfinn oder Un-
kenntnis in diefer Beziehung.
Im Gegenfaß zu einer Beit, die
noch gar nicht weit zurüdliegt, ift
man jet zur Einficht gekommen,
daß die Gletfher im Winter wohl
noch gefährlicher find al8 im Som:
mer. Der tiefe Schnee verhüllt
alle kleinere Spalten, er bildet aber
nur ein Ioderes Gefüge und Feine
fefte Brüden. Daraus folgt, daß man
auf jedem einigermaßen zerrifjenen
Gletſcher auch auf Sciern ſtets
anſeilen ſollte. Bergauf iſt das ja
auch leicht getan. Anders bergab,
da liegt die Gefahr nahe, daß ſich
die Läufer überholen, gegenſeitig
iv. 1. Das Scilaufen.
umreißen uſw. Durd ein wenig
Uebung läßt es ſich aber fehr wohl
erreichen, daß man in gleichen Ab⸗
ftänden in gleichem Tempo abfährt
(Stemmfahren !). Jedenfalls jollte
bei Abfahrten am Seil ſtets der
befte Fahrer als lekter gehen.
Mir empfehlen aljo auf Gletſcher
das Seil au beim Schifahren für
Auf: wie Abftieg! Verwerflich iſt
fein Gebraud am fteilen Hang (fo
lange man auf Sciern ift, mohl:
verjtanden), beſonders jobald die
Spur von Lamwinengefahr vorliegt.
Nur beim Baffteren fchmaler, lawi:
nengefährlicher Couloirs ift fein Ge-
brauch unter Umſtänden angezeigt.
Doch wird man da ftet3 befjer tun,
die Schier auszuziehen, wie man
ſich überhaupt vergegenmwärtigen
muß, daß bei einer Neigung zur
Lawinenbildung der Schier zu:
fammenhängender Einſchnitt viel
gefährlicher ift, als die einzelnen
Löcher des Fußgängers.
Und zum Schluß noch einmal
den Hinweis auf alles im Kapitel
„Alpinismus” gefagte und die
Mahnung: Schihochtouren find aus:
ſchließlich Sache des Alpiniften und
nicht des bergunfundigen Schi⸗
läuferg !
Techniſche Ausdrücke.
A, Säit ESchneeſchuh):
Spite, NAufblegung, Spanne, Ende,
Stemmloch, Wiberholz, Querholz, Kernholz,
Splintholz.
Bindung: Backen, Zehenriemen, Zieh⸗
riemen, Feder, Sohle.
Stod: Schneeteller, Handſchlaufe.
B. Das Laufen:
Gleitſchritt, Grätenſchritt, Halb⸗Gräten⸗
ſchritt, Treppenſchritt, ſchräger Treppen⸗
ſchritt, Wenden, Abfahrt, Schlittfhuhlaufen,
Schneepflugfahren, Stemmfahren, Selt-
wärtsfahren, Stemmbogen, Bremen, Tele:
markſchwung, Chriftianiaſchwung, Schlan
genfahrt, Sprung, Anlauf, Satz (Ab
Sprung), Flug, Auffommen (Landen), Drud.
.
”
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— — — — — —
E. Gräfin Baudilfin.
IV. 2. Schlittſchuhlaufen.
Nro. 244.
2. Schlittfchublaufen.
Von
Eva Gräfin v. Baudilfin, München.
D Süngling, der ben Waſſer⸗
fotdurn
Zu befeelen weiß und flüdtiger
[4
ta
Laß der Stadt ihren Kamin!
Komm mit mir
Wo bed Kriſtalls Ebene Dir
- wintt!
. er 8 8 8 —*
Zu der Rechten bin halbkrei⸗
fend mid drehn;
Nimm den Schwung, wie Du
mich ihn nehmen fiebft:
Alfo! nun fleug ſchnell mir
vorbei!
Klopftod.
244. Räüdblid. Es ift natürlich,
daß fi die Völker des Nordens
etwas erfanden, das fie über Schnee
und Ei hinwegtragen fonnte und
innen half, auh im Winter der
Sagd zu obliegen, auf deren Ertrag
fte ja hauptſächlich angewieſen waren.
So finden fih ſchon in prähifto-
rifhen Gräbern Refte von Schlitt⸗
chuhen, die aus Bein und Holz
bergeftellt find; Wotan gibt Sieg-
fried unter feinen Lehrſprüchen
auch den, daß „das Eis zum Schlitt-
fhuhlaufen da fei” und in der
Heldenjage Tegnerd von „Frithjof
und Ingeborg” läuft der junge Held
auf Eiſenſchuhen vor König Rings
Schlitten her und rist mit ihnen
Runen in dieFläche, ſodaß ſchönInge⸗
borg über den eigenen Namen fährt —
eine Kunſtfertigkeit, die kaum einer
der beſten Kunſtläufer unſerer Zeit
ihm nachmachen wird! — Hollän⸗
diſche und engliſche Kupferſtiche,
die Schlittſchuhläufer und -läufe⸗
rinnen darſtellen, ſind uns ſchon
aus dem Mittelalter überkommen —
ſo gar eine holländiſche „Eisheilige“
gibts, Skt. Lydwina, die ſich als
junges Mädchen im Jahre 1380 auf
dem Eife eine Rippe brad, fortan
ein gottfelige8 Leben im Bett ver-
bradhte und feit Ende des vorigen
Sahrhundert3 zu den Heiligen ge-
rechnet wird. eo.
Wie man fich zuden frohen, lebens⸗
luftigen Tagen Ludwig. des XV.
auh dag Wintervergnügen nicht
entgehen ließ, jtellen verjchiedene
im Louvre befindlihde Gemälde
großer Meifter jener Zeit dar. Wir
geben den „Eislauf” von Lancret
wieder.
Dieerften Wettkämpfe auf Schlitt-
ſchuhen, von denen wir willen,
wurden in Holland 1801 in
Groningen und 1805 in Leeuwarden
und zwar zwifchen Frauen veran=
ftaltet, während England, das
Land, das fonft jedem Bergnügen
einen fportliden Charakter auf:
drüden muß, in diefem Falle hinter
den Dutchman zurüdtritt und erft
feitdenzwanziger Jahren des vorigen
Sahrhundert3? von regelmäßigen
„skating-matches“ ESchlittſchuh—
wettlämpfen) meldet. Die großen
Moorſtrecken Englands, die „fens“,
die leicht zufroren, boten auch dem
Sport günſtigſte Entwidlung ; troß
des härteren Klimas war in Deutſch⸗
land wohl nur in den Gegenden
des Spreewald der Schlittſchuh
von jeher ein Verkehrsmittel. Wer
heutzutage einmal einen Winter:
fonntag im Spreewald verbracdte,
dem wird der fröhliche Anblid un—
vergeßlich bleiben, wie ganze Fami⸗
lien, von den Großeltern bi® herab
zum Heinen Enkelkind, in luſtigſter
Niro. 244.
Stimmung über die glikernden
Waſſerſtraßen fort, die von be—
ſchneiten Büſchen eingefaßt find,
auf Schlittſchuhen zur weit ent-
legenen, ſonſt unerreichbaren Kirche
laufen. Im übrigen Deutichland
begann erft gegen Ende des acht⸗
zehnten Sahrhundert3 die Freude
und das Intereſſe an dem Ichönen
Sport; doch blieb er fait aus—
fchließlih auf die Männermelt be-
ſchränkt. Die Frauen ließen fid,
wie es dem zurüchaltenderen, ver:
zärtelten Wefen der damaligen Zeit
entfprah, höchſtens auf Stuhl⸗
fohlitten übers Eis ſchieben. Nur
in einigen Städten, wie 3. B. in
Stanffurt und Weimar, magten es
die Frauen der höhern Stände,
durch Goethe Enthuſiasmus für
den Eidlauf wie dur das gute
Beifpiel der Herzogin ermutigt,
dem Borurteil, daß Schlittſchuh⸗
laufen durchaus „unmeiblich” fei,
zu troßen. reilich zeigt das be-
fannte Bild, der junge Goethe auf
dem Eife, das ihn in feiner Frank⸗
furter Zeit darſtellt, auch ſchon
einige junge Yrauengeftalten mit
Stahljohlen doch ift es nicht ficher,
wie weit hier des Malers poetijche
Licenz geht. Denn obwohl Goethe,
Platen, Herder und Klopftod den
Eisfport in begeifterten Verſen
bejangen und Projafchriftiteller wie
Erzieher jeine günftige Wirkung
auf Gefundheit und Gemütsver⸗
faſſung betonten, verbreitete er fich
nur ſehr allmählid.. Ernte Männer
fanden in Deutjchland lange Zeit
jeden Sport ihrer Stellung und
ihres Weſens unwürdig, ſelbſt Jahn
hatte nicht viel an dieſer Vorein⸗
genommenbeit, die auch heute noch
nicht in allen Kreifen befiegt ift,
ändern fönnen. Ein im mörtlich-
fien Sinne „bahnbrechendes" Er⸗
eignis war daher im Anfang ver
dreißiger Jahre des vorigen Jahr⸗
hundert? das Erſcheinen der Gräfin
G. Gräfin Baudilfin.
Rofft, der ehemaligen vergötterten
Schaufpielerin Henriette Sonntag,
auf Schlittſchuhen. In einem blauen
Samtkleid, wie die Chronik meldet,
produzierte fie fih, an der Hand
ihre Heine Tochter, auf dem Eile
der Rouſſeauinſeln vor den er
ftaunten Augen der Berliner. Da-
mit war die Parole für die Frauen
ausgegeben; denn was man an
einer Andern gewiß getadelt oder
ſogar anftößig gefunden hätte, dad
wurde der ſchönen, tonangebenden
Frau nicht nur vergeben, fondern
an ihr laut bewundert und gepriefen;
und nachdem anfangs Taufende täg-
lid dem Schaufpiel ihres graziöjen
Laufe vom Ufer aus zugefchaut
hatten,begannen nebenden Männern
auch die Frauen fih auf die er-
ftarrte Fläche der friedlichen Tier-
gartenfeen zu wagen,
Bon jener Zeit an bat der Eis⸗
lauf ſich ftetig und immer zu:
nehmend alle Kreife erobert. Denn
ſeine Bedeutung für den im Winter
der Natur faft entfremdeten menjd-
lien Organismus ift gewaltig.
Die reine, ftaubfreie Atmofphäre
für die Lungen, die vonder ſchweren,
mit Kohlenſtaub durchſetzten Stadt⸗
luft verdorben werden, die Erzieh⸗
ung zur Energie, zur Freude am ein⸗
fachen, anſpruchsloſen Vergnügen,
zur Abhärtung — das find Fak—⸗
toren, die ein Gegengewicht gegen
die Schäden unfrer Lebensweiſe
bilden und daher nicht hoch genug
eingeſchätzt werden können. Ein
weiterer Vorzug des Eislaufes iſt,
daß er allen Volksſchichten zugäng-
lich ift, und Daß er von beiden
Geſchlechtern von frühefter Jugend
an bis ing fpätefte Alter hinein aus⸗
geübt werden kann. Ebenſo ſtark nun,
wie fi der Eislauf in den legten
Sahrzehnten ausgedehnt hat, find
die Anſprüche an feine Kunfifertig:
feit und an fein Ausdrucksmittel:
den Schlittſchuh gewachſen.
IV. 2. Schlittſchuhlaufen.
Während man früher einen
„Bogenläufer“ höchlichſt bewun—
derte, und von einer Frau nichts
als höchſte Grazie beim einfachen
Vorwärtslaufen forderte — übri—
gens bleibt „Grazie“ auch heute
noch bei allen Künſten das Er—
ſtrebenswerteſte für die Frau —
teilt man die Schlittſchuhläufer
heutzutage ſtrenge, mögen ſie Ama=
teurs oder Profeſſionals ſein —
in Schnelläufer und Kunſtläufer
Nro. 244,
auf dem Eiſe nun 'mal der „Wal—
zer“ bleibt.
Die erſten berühmten „Paar—
läufer“ waren die Amerikaner Miß
Nellie Dean und Mr. Callie
Curtis, die in den jechziger
Sahren in Europa auftraten; der
erite „Kunſtläufer“, Mr. Jackſon
Haynes, fam ebenfalld um die—
jelbe Zeit von „drüben“, mo das
Kunftlaufen damals Schon in voller
Blüte jtand.
96. Klubhaus des Berliner Schlittfchuhflub.
und ftellt zur Erringung der Meifter-
jchaft auf beiden Gebieten beftimmte
Bedingungen auf. Auch das Paar:
und Gruppenlaufen bat fih zu
hoher Vollendung ausgebildet und
grade in den Ländern, die fich durch
ihre klimatiſchen Berhältniffe zur
Anlage fünftliher Eisbahnen ver-
anlaßt jahen, wie 3.8. Franfreich
und Dejterreich, wird Hervorragen=
des in beiden Arten geleijtet. Eine
elegante Bariferin nachmittags im
palais de glace mit ihrem Partner
Figurenlaufen zu ſehen, iſt ebenſolch
ein anziehendes Bild wie die tanz—
luſtige Wienerin, deren Force auch
Aus Sport im Bild.
Die erſten internationalen Wett-
fämpfe zwiſchen Schnelläufern wie
zwiſchen Kunftläufern begannen in
Europa in den adtziger Jahren.
An ihnen beteiligten ſich neben
den fchon lange durch ihre Künite
rühmlichſt befannten Holländern
und Engländern auch Norweger,
Schweden, Finnen und Rufjen.
Deutihland hat die Europameijter-
ſchaftswürde des Schnellaufs zwei:
mal durh den Münchner Julius
Seyler erlangt; aud im Kunft-
laufen haben verjchiedene Deutiche
wie Gilbert, FZud3, W
Benger und andere es zur
Nro. 245.
Meifterihaft gebracht. Der beite
Läufer und jetzige Weltmeiſter ift
aber vorläufig der Schwede U.
Saldhom.
Mie ernft es jedoch unferem
Vaterlande mit jeinem Beitreben
it, aud auf dieſem jportlichen
Gebiet um die Krone zu ringen,
beweifen die Gründungen eleganter
Klubhäufer und künſtlicher Eis—
bahnen im ganzen Reich, die eine
gründlicdere und ununterbrochene
— ur a IL —
— —
E. Gräfin Baudiſſin.
245. Der Schlittſchuh. Lange
bewahrte man die ſeit der Eiſenzeit
bekannte, höchſt primitive Form
des Schlittſchuhs: Die eiſerne
Schiene, auf die eine Art Holz—
ſchuh mit lederner Kappe für Spitze
oder Hacken und mit viel Riemen:
zeug befejtigt war. Der jogenannte
„Holländer“ zeigte neben denjelben
Eigenjchaften nur eine nad vorn
mehr oder minder weit emporge:
bogene Spite der Schiene. In
Ra
=
Aus Sport im Bild.
97. Bonner Klubhaus.
Ausbildung des Schlittſchuhlaufens
gewährleiften. Natürlich die
feifche, Föftlihe Luft des fonnigen
Wintertages fehlt ihnen; aber fie
werden ja auch immer nur den
Schauplak der eleganteren Kreife,
wie der Profeffionierten, bilden
föonnen, das Gros der eifrigen
Läufer bleibt Gott fei Danf draußen
auf Flüffen, Seen oder übergoffe-
nen Wieſen!
Die beigefügten Darftellungen
zeigen ein paar hübſche und zweck—
mäßige Klubhäufer — zur Nach;
eiferung!
—
meiner SKinderzeit litten wir 3. B.
noch unter dem Borurteil, daß ſich
eigentlich nur mit diefer Art von
Schlittſchuhen regelrecht „hollän—
dern“ ließe, wie das Bogenſchlagen
nach vorn genannt wurde. Mein
Großvater demonſtrierte und da-
gegen, wie er fich mit feinen Ka-
meraden im befcheidenen Lande
Mecklenburg ſelbſt „Strittichoh”
aus dem Bruſtbein der Gänſe und
einer Handvoll Bindfaden gemacht
habe und in einem Wettlauf über
den Schweriner Eee trotzdem Sie:
ger gegen die vom Schickſal mit
—
* 2
IV. 2. Schlitffchuhlanfen. Nro. 245.
Eiſenſchuhen Begünftigte geworden | fanifhe Halifar, defien Grund:
ſei. Diefe einfahen Zeiten find | formen: Klammern von linf3 und
längſt überwunden; die Snduftrie | reht8 um den vorderen Fuß mie
wirft jährli neue Modelle mit | von vorn und hinten um den Hafen,
immer neuen „Berbejjerungen” auf | alle8 durch diejelbe Feder regu=
den Markt und die billigen Breife | liert, au) noch in jeinen Nach—
einfacherer Sorten geftatten troß: | folgern, dem Kaledonier und dem
dem fajt jedem den Befit der | Merkur beibehalten wurden. Nur
„Waſſerkothurne“, wie Klopfto d | fand man Methoden heraus, den zum
ul ſ
im | | m —
— ENDEN II
INN
Im
Da
II
ı
100. Bero.
fie nennt. Allmählich ift das Holz (| Schrauben nötigen Schlüfjel ent:
am Sclittfhuh vollftändig ver= | behrlih zu machen. Anbei Die
fchwunden, ebenſo die Nille, die | Abbildungen der alten Fabrifate in
früher der Stahljohle das Aus- | „neuefter Aufmahung”. i
fehen einer der Länge nad) durch⸗ Zu ihnen gejellt fi der „Hero” =
Schnittenen Röhre gab — aud das | Schlittihuh, ein Konglomerat des
Riemenzeug ift bei den meiften Mo: | Kaledonier- und Merkurſyſtems.
dellen ganz fortgelaffen. Der erſte, Weſſen Ehrgeiz nit auf eine
den großen Umſchwung herbeifüh- | Weltmeifterihaft in Kunſt— oder
rende Schlittfhuh war der ameri= | Schnellaufen geftellt ift, wird gut—
Nro. 246.
tun, fih an diefe Modelle und ihre
jährlich auftauchenden Ab- und
Spielarten zu halten. Die Sclitt-
ſchuhe find nicht koſtſpielig, dabei
leiftungsfähig und figen feſt am
Fuß. Vorausgeſetzt natürlich, daß
der Stiefel eine vernünftig dicke
Sohle, fein Zaubblatt hat und daß
der Hafen von mäßiger Höhe und
ganz grader Form ift. Die böfeften
Stürze find die Folgen des in den
Klammern abbrecdhenden, zu ſchma⸗
len oder zu hohen „Stöckels“, wie
der Süddeutſche faat.
246. Der Schnellauf - Schlitt-
ſchuh. Baffionierte Läufer wie
Profeſſionals verbinden jett, um
jedem Unfall durch einen fchlecht-
figenden oder fih von der Sohle
trennenden Schlittſchuh vorzubeu:
gen, Stiefel und Sclittfchuh direkt
dur Schrauben miteinander; die
beiden werden dadurch ein unlös—
bares Ganzes. Der einzige Uebel:
ſtand an diefer jonft gewiß genialen
Idee ift nach meiner Meinung die
entjeßliche Kälte in den mitgenom=
menen Schlittjchuhitiefeln. In der
Schmeiz halfen wir diefem Fehler
mit Bratäpfeln oder heißen Kafta-
nien ab, die wir in die Stiefel ſteckten
und fanden nachher jogar auf
Bergeshöhen nach längeren Eijen-
bahnfarten nocd eine erträgliche
|
€. Gräfin Baudiſſin.
Temperatur in ihnen vor. Kleine
Handmwärmer, wie die Offiziere fie
im Norden während des Dienftes
oft in den Baletottafchen tragen,
täten jicherlich dieſelben Dienjte.
Was den Erfolg madt, ift einerlei;
aber die Kraft, die man vergeuden
muß, um der „Eisbeine“ erft "mal
Herr zu werden, läßt fich befier
auf den Sport jelbjt anwenden.
Der Schnellauf-Schlittſchuh ver—
langt eine vollſtändig gerade, aus
beſtem Stahl hergeſtellte Schiene
und eine nur mäßige Höhe. Der
holländiſche Rennſchlittſchuh, der
noch auf der vorn emporgebogenen
Schiene eine Holzſohle trägt, mit
Riemen befeſtigt wird, und unter
dem Namen Ilſter-Shaͤtes lange
im Gebraud war, ift jet durch
den norwegiſchen Schlittſchuh faſt
ganz entthront. Auch ſeine Eigen—
tümlichkeit: die ungefähr um ', mm
höhere Kante ſeiner inneren Schiene,
der man dadurch eine ſtärkere
Schärfe nachſagte, wird kaum mehr
nachgeahmt.
Der Schnellaufſchlittſchuh par
excellence iſt alſo der „Chriſtiania⸗
Schlittſchuh“; er iſt in faſt allen
deutſchen Eislauf-Klubs eingeführt
und wird wegen ſeiner Leiſtungs⸗
fähigkeit und Leichtigkeit von
den Meiſterſchaftsläufern bevorzugt.
102. Rennſchlittſchuh.
IV. 2. Schlittſchuhlaufen.
Seine Stahljchiene ift mit kupfer—
nen Nieten an einer Stahlblech-
Ihiene befeftigt, während der Fuß
vorn und hinten auf Stahlblech-
förpern ruht.
247. Der Tourenſchlittſchuh.
Der Tourenſchlittſchuh, der in der
Hauptſache diefelben Eigenſchaften
wie der Schnellaufſchlittſchuh ver:
ſchuh Eonftruiert, den „Lohengrin“,
der nur eines einzigen Riemens
überm Spann bedarf, während der
Fuß vorm wie der Haden von ver:
jtelbaren Klammern gehalten wer:
den; die Schiene ift nach vorn be=
deutend verlängert und leicht em=
porgebogen.
248. Der Kunſtlaufſchlittſchuh.
|
DALE
ruriiununaraa OT) n⸗
105. Grenander.
langt, muß leicht an- und abge—
ſchnallt werden können, denn nichts
verdirbt die Schiene ſchneller und
gründlicher, als das Gehen über
Land. Das läßt ſich ja bei
weiteren Ausflügen nicht verhin—
dern, und doch wird man natürlich
nicht noch ein zweites Stiefelpaar
mitnehmen wollen. Man hat nach
Art des Kaledoniers einen Schlitt-
Der für den Kunftlauf bejtimmte
Schlittſchuh verlangt bedeutend
mehr Höhe als der Schnellauf- und
Tourenſchlittſchuh, damit auch bei
den jchärfjten Kurven jede Berüh-
rung des Eiſes mit den Stiefel:
johlen vermieden wird. Die Höhe
wird ſich aljo nad der Haltung
des Läufer® wie nad der Breite
der Fußſohle richten. Allerdings
Neo. 2AT—248.
Nro. 249.
wird der höhere Schlittfchuh immer
der unfichere bleiben, ift dem An:
fänger daher nicht zu empfehlen.
Die Schiene weift bei dem jeßt
gebräuchlichiten Modell, dem Jack—
ſon-Haynes, eine ftarfe Kurve
wie eine Breite von mindefteng
E. Gräfin Baudilfin.
find ferner noh „Rival“ und
„Rehm“. — Grfahrene Läufer
lafjen ji übrigen® nah ihren
eigenen Angaben und felbftverftänd-
lich aus bejtem Material Schlitt-
ſchuhe anfertigen; jeder hat beim
Lauf eine oder die andere Kleine
4—6 mm auf, um den Anfprüden, Eigentümlichfeit, die er berückſich⸗
die an ihre Unbiegſamkeit geſtellt tigt haben möchte.
108. Damen-Merkur.
werden, genügen zu können. Auch
dieſerSchlittſchuh wird durchSchrau—
ben direkt am Stiefel befeſtigt.
Der „Grenander', gleichfalls
ein Kunſtlaufſchlittſchuh, zeigt im
Gegenſatz zum „Jackſon-Haynes“
eine vorn ganz ſpitze Schiene. Sein
Erfinder, der ſchwediſche Kunſt—
läufer Grenander, verwendete
gerade dieſe Spitze zur Ausführung
ſeiner Figuren.
Neuere Modelle beider Arten
249. Der Schlittſchuh für Da—
men. Für die Damen, die bisher
um die Meiſterſchaft des Schnell—
laufens noch nicht konkurriert haben,
auch kaum je in diefen Wettfampf
mit den Männern treten werden,
ift alfo nur ein guter Schlittſchuh
zum SKunftlauf nötig. Natürlich
gelten hier diejelben Regeln wie
für die Herrenjchlittichuhe, doch be—
vorzugen die befanntejten Kunft-
läuferinnen Schienen ohne Kurven.
IV. 2. Schlifffchuhlaufen.
Nro. 250-251.
Nebenftehend das Modell des leich: | „Smweater” zum Laufen iſt prat-
ten und eleganten „Damen-Merfur”. | tif, fürs Tourenlaufen außerdem,
50. Das Aufbewahren des
Schlittſchuhs. Sobald man vom
Eislauf zurüdfehrt, veibt man die
Schlittſchuhe mit einem weichen
Tuche ab und legt fie dann neben
den Ofen zum völligen Trocknen.
„Weberfommert” werden fie an
einem trodnen Pla, nachdem fie
dünn mit Fett eingerieben worden
find. Roſtflecke entfernt man fofort
mit feinftem Schmirgelpapier.
251. Die Kleidung beim Eis:
lauf. Paſſionierte Schlittſchuhläufer
wie alle Profeſſionals tragen das
richtige „Sport⸗Dreß“ — nicht nur
aus Eitelkeit, die bei jedem Sport
immer erſt in zweiter Linie ſteht
— ſondern hauptſächlich aus praf-
tiſchen Gründen. Für die Herren,
die ſich nicht in Kniebeinkleidern
und kurzem Wams zeigen mögen,
kaäme höchſtens noch der Jackett⸗
anzug in Frage. Gehröcke auf dem
Eiſe wirken geradezu grotesk. Auch
den Mantel läßt man jetzt fort
oder bewahrt ihn höchſtens, wenn
man ängſtlich iſt, in der Garderobe
zum Nachhauſeweg auf. Doch iſt
die Gefahr des Erkältens bedeutend
geringer als man denkt. Durch
die lebhafte Bewegung beim Laufen
wird genug Wärme im Körper
aufgeſpeichert, um noch für den in
gutem Tempo zurückzulegenden
Heimweg zu reichen. Natürlich, wer
ſich lange Zeit im Freien zum Aus⸗
ruhen hinſetzt, darf ſich nicht über
den folgenden Schnupfen wundern,
der drei Wochen dauert, wenn man
im Bett bleibt, und einundzwanzig
Tage, wenn man ſich nicht „unter⸗
kriegen laſſen will.“
Das beſte und kleidſamſte Koftüm
für Herren iſt ein Kniebeinkleid
mit kurzem Wams aus demſelben
Stoff, Wadenſtrümpfe, Schnür⸗
ſtiefel und eine leichte, warme Woll⸗
mütze. Auch der helle oder dunkle
falls man über verſchneite Strecken
gehen muß, Lodengamaſchen.
Die Damen, die heutzutage zum
Teil ſchon faſt abgehärteter ſind
als die Männer, ſieht man ſelten
mehr in ſchweren Mänteln auf dem
Eiſe. Oft wird ſogar die kurze
Velziade verſchmäht — die Wie—⸗
nerin wie die Pariſerin verſtecken
ihren ſchlanken Wuchs unter keiner⸗
lei winterlicher Umhüllung und
laufen faſt durchweg „per Taille“
nur eine weiche Pelz- oder Feder⸗
boa als Schuß um den Hals. Dar:
über mag perfönliher Geſchmack
und mehr oder minder große Emp-
findlichfeit gegen Kälte entſcheiden;
Bedingung für dag elegante Aus—
jehen der Läuferin ift jedenfalls
ein durchaus fußfreier, gutfigender
und :fallender Rod von nicht zu
großer Weite. Verpönt ift der
Schleppro® und ebenjo der mit
Schlingen oder Nadeln verkürzte
Rod, der immer die Figur verdirbt.
Helle Farben wirken gegen die
Schneelandſchaft leicht „fad“; kräf⸗
tige dunkle Töne in Blau, Schwarz,
Braun oder Grün, als Folie der
weiße Hintergrund, ſind vorzuziehen.
Schnürſtiefel breiterer, ſogenannter
amerikaniſcher Faſſon mit dicker
Sohle und flachem, ganz geradem
Hacken ſind jetzt auch für Damen
durchweg „Uſus“; ſie geben dem
Knöchel den beſten Halt und laſſen
dem Fuß Spielraum und infolge⸗
deſſen Wärme genug. Ein einge
engter Fuß erftarrt bald, da der
Blutumlauf gehemmt wird. Aus
demfelben Grunde müſſen die Hand-
Schuhe weit und bequem fein und
das Mieder, wenn eg nicht über:
haupt ganz fortgelaffen wird, loſe
gefhnürt und von kurzer Form,
gleih dem Reitkorſett, um dem
Körper jede freie Bewegung zu
geftatten. Als Kopfbededung wählt
Nr. 252.
man enganliegende
Pelz:
&. Gräfin Baudiffin.
oder | wechfelnd beide Füße vorwärts:
Wollmützen oder Kleine, zierliche | zufhieben und beim Abftoßen nicht
Hüte mit beſcheidener Ausſchmückung.
Große, überladene Hüte fiten jelten
ganz feſt auf dem Kopf und wirken
mit ihrer Neigung, auf ein Ohr zu
rutschen, immer lächerlich. Unter:
röde vermeidet man am beiten ganz;
man trägt Statt deſſen ein Inapp=
geſchnittenes Neformbeinkleid in
der Farbe des Rockes. Nicht wirkt
bei einem Sturz unjchöner und
unäfthetifcher als der Anblick ver-
jchiedenfarbener Röcke und der
Wäſche.
Für ſchwache Gelenke werden die
„Knöchelhalter“ empfohlen. Ein
genau nach dem Fuß angefertigter
Schnürſtiefel macht ſie aber faſt
überflüſſig und bietet denſelben
Halt; für Läufer ohne dieſe Stiefel—
form, z. B. für Offiziere, die zur
Uniform nur Zugſtiefel tragen
dürfen, mögen ſie allenfalls eine
praktiſche Ergänzung ſein.
252. Die Schule des An:
fängers. Zum Schlittſchuhlaufen
werden ſicherlich noch weniger
Meiſter geboren als zu einer an—
dern Kunſt. Selbſt graziöſe Men—
ſchen verlieren dieſe Eigenſchaft bei
ihren erſten Verſuchen auf dem
Eiſe vollſtändig. Und die erſte
Regel, die ſo ſelbſtverſtändlich
klingt und ſo ſelten beachtet wird,
iſt die, daß niemand auch nur das
einfachſte Kunſtſtückchen verſuchen
ſollte, bis er nicht abſolut ſicher
im einfachen Vorwärts-, Ruückwärts⸗
laufen und Bremſen iſt. Um es
zu lernen, ſich erſtmal auf den
tückiſch fortgleitenden Sohlen im
Gleichgewicht zu halten, ſchiebt man
anfangs einen Stuhl oder einen
Schlitten vor ſich her und verlaſſe
ſich nur auf die eigene Geſchicklich—
keit. Wer ſich von fertigen Läufern
oder Lehrern unterſtützen läßt, er—
ſchwert ſich nur das Lernen. Von
Anfang an achte man darauf, ab—
hinten auszuſchlagen, ſondern ſich
mit der inneren Kante des Schlitt⸗
ſchuhs abzuſtoßen. Der auf dem
Eiſe ruhende Fuß wird der Stanb-
oder Gleitfuß genannt, der in Be⸗
wegung befindliche, ſchwebende Fuß
heißt der Spielfuß. Sobald man
gut balancieren Tann, ſchiebt man
den Schlitten mit Träftigem Stoß
von ſich fort und verjudt ihn in
möglihft langen, gleichmäßigen
Zügen, bei denen das Knie des
Gleitfußes leicht gebogen und der
Spielfuß mit fanften Schwung
dit neben den Gleitfuß nieder-
gejegt wird, wieder zu erreichen.
Beſſer als auch die genauejten
theoretiſchen Anleitungen es zu tun
vermögen, hilft das aufmerkſame
Beobachten guter Läufer. Und das
ganze Streben des Lernenden ſei
darauf gerichtet, niemals die Herr⸗
ſchaft über eines ſeiner Glieder zu
verlieren. Nur wer bei jeder Be⸗—
wegung eine freie, natürliche Hal-
tung bewahrt, der fi Arme und
Beine ungezwungen, nicht gemalt-
ſam, anpafjen, kann die Wirfung
vollfter Harmonie erzielen. Kein
anderer Sport fordert fo ftreng,
den Körper in abfolut harmonifcher,
Schöner Bewegung zu zeigen, wie
der Eislauf; kaum ein anderer
bietet hierzu aber auch ähnliche
Möglichkeiten. Durch feine Aus:
rüftung bejchwert, die Kraft durch
die Gewandtheit im Zaum gehalten,
an den Füßen Stahlfohlen, die
jede Bewegung unterftügen und
den Willen im Augenblid, da er
zum Bemußtfein fommt, in die Tat
umjegen fünnen, jo wagt im mo:
dernen Leben eigentlich nur noch
der Schlittfhuhläufer, angeborene
Anmut auszubilden und vor Aller
Augen zu entfalten. Der NRund-
tanz bat faft jede Gelegenheit,
Grazie zu entwideln, verloren. Die
IV. 2. Schlifffchuhlaufen.
wieder eingeführten NReigentänze
find noch auf gemiffe Kreife be—
ſchränkt, ihr Erfolg auch meiſtens
vom Partner mit abhängig, wäh:
rend der Schlittſchuhläufer ſich ganz
allein auf die eigene Geſchicklichkeit
verlafien und bei jeder Wendung
und Drehung feines Körpers be-
mweifen muß, daß Abficht und Aus-
führung fih in volliter Weberein-
ftimmung ineinanderpafien. Ein
gefchulter Schlittihuhläufer bietet
deshalb dem Auge einen vollendeten
äfthetifchen Genuß.
253. Die Schule des Kunſt⸗
läufers. Bon dem unficher über
die Fläche frarelnden, mit den
Armen wie mit Windmühlenflügeln
Niro. 253.
aus ihm ſetzen fi alle Figuren
des Kunftlaufes zufammen. Man
teilt ihn in Bogen, Schlangen:
bogen, Dreier, Doppel:
bogenoder Dreierumd Schlinge
ein; diefe fünf Figuren werden
auch am Pla ald „Achter“ aus—
geführt.
a) Den Bogen wiederum zer:
legt man in vier Formen, in den
1. Vorwärts⸗Auswärts-Bogen,
2. Vorwärts-Einwärts-Bogen,
3. Rückwärts-⸗-Auswärts-Bogen,
4. Rückwärts-Einwärts-Bogen.
Zum Vorwärts-Auswärts—
Bogen müſſen die Füße in knap⸗
pem rechten Winkel aneinander ge⸗
ſtellt werden, die rechte Schulter
—
109. I. Bogen, 2.
um ſich fchlagenden bis zu dem in
Haffifher Ruhe dahinſchwebenden
Künjftler, der mühelos die ſchwie⸗
rigften Figuren bejchreibt, ift nun
ein harter Weg, obgleich es ficher
auch für diefen Sport „Geborene“
gibt, die mit Leichtigkeit die Schwie-
rigteiten überwinden, während es
wiederum auch hier von Anderen
heißen mag: „Mander lernt's nie
— und dann noch unvollflommen.”
Aber das wichtige Abc des Schlitt= | fuß
ſchuhlaufens müffen ſich Mehr wie
Minderbegabte durchaus aneignen.
Dazu gehört in erfter-Linie, nach⸗
dem das Vorwärts- und Rückwärts⸗
Iaufen beherrſcht wird, der Bogen;
er ift die Grundform des Eislaufes;
Schlangenbogen, 3. Dreier oder Herz, 4. Doppeldreier, 5.
Schlinge.
wird leicht zurüdgenommen, das
Gewicht auf den rechten Fuß (den
Stands oder Gleitfuß) verlegt und
mit dem Spielfuß abgeftoßen. Man
läßt den Standfuß ausgleiten, faft
folange der Schwung anhält, den
man durch das Abftoßen und das
Berlegen des Körpergewichts auf
eine Seite erhalten hat. Che je-
doch die Kraft des Schmunges
ganz nachläßt, führt man den Spiel:
neben den Standfuß nieder,
verlegt auf ihn das Körpergewicht
und ftößt nun mit dem redten,
jet dem Spielfuß, ab.
Der Vorwärts-Einwärts—
Bogen beginnt in gleicher Weije
wieder Vorwärts⸗Auswärts⸗-Bogen,
|
| Nro. 253.
doch wird der Spielfuß nicht ſeit⸗
wärts, ſondern direft Hinter den
Standfuß gehalten, die linfe Schul-
ter wird etwas zurüdgezogen und
während des Schwunges der Spiel-
fuß langfam neben den Standfuß
gebracht, jo daß die Kraft im
rehten Moment gleih auf das
linke Bein übertragen und num die
rechte Schulter zurüdgenommen
werden kann.
Diejer Bogen ift bedeutend leich-
ter als der zuerjt befchriebene, er-
fordert aber troßdem große Uebung,
bis er vollitändig beherrfcht wird.
Zum Rüdmwärt3-Auswärt$-
Bogen werden die Füße neben-
einander gejtellt, das rechte Knie
wie bei jedem Bogen leicht gebeugt,
Kopf und linke Schulter ſtark nad)
links rückwärts gewendet und der
Spielfuß nad) rüdmwärts hinter den
Standfuß \gebradt. Nimmt die
Stärke des Zuges ab, jo wird der
Spielffuß nah vorn neben den
Standfuß geſchwungen, nad er:
folgtem Abſtoß mit dem rechten
Fuß werden Kopf und Schulter
nad rechts rückwärts gewendet.
Beim Rückwärts-Einwärts—
Bogen Stellt man die Füße mit
der Spige gegeneinander nad) ein⸗
wärts, verlegt dag Körpergewicht
auf den rechten Fuß, nimmt die
rechte Schulter zurüd, um gleich
nad erfolgtem Abſtoß den Spiel-
fuß rückwärts mit dem Standfuß
zu Treuzen. Um denſelben Bogen
mit dem linken Fuße auszuführen,
wird der Spielfuß wieder parallel
neben den Standfuß geftelt und
nun diefem das Amt des Abſtoßens
und Kreuzens übertragen.
Der Schlangenbogen ent-
fteht aus Auswärts- und Einwärts⸗
bogen, d. 5. er muß fich immer aus
zwei der Richtung nach diametralen
Bogen zuſammenſetzen. Infolge⸗
deſſen hat er ebenſo wie der Bogen
vier Arten: Vorwärts-Auswärts⸗
E. Gräfin Baudiffin.
Vorwärts: Einwärtd-
Rückwärts-Auswärts
Einwärts;
Auswärts;
Einwärts und Rückwärts-Einwärts⸗
Der Schlangenbogen -
Ausmärt?.
wird abwechſelnd mit der inneren
und äußeren Kante des Schlitt⸗
ſchuhs ausgeführt, dem fogenannten
Kantenwechfel, der durch ruckweiſes
Bor: und Rüdjchwingen des Spiel:
fußes erreicht wird.
Der Dreier bringt eine neue
Jt 17
[2
>
Schwierigkeit, nämlih außer dem
Kantenwechfel auch die Frontver:
änderung des Körpers. Nach jedem
halben Bogen wird eine halbe
Mendung ausgeführt, fo daß fi
3. B. an einen halben Ausmwärt?-
Borwärtsbogen immer ein Rück⸗
wärts-Einmwärt3bogen ſchließt. Aud
beim Dreier, einer fchönen, aber
ſchwierigen Figur, unterjcheivet
man vier Arten: Dreier Borwärtd-
Auswärts, Dreier - Vorwärts - Ein:
wärtg, Dreier-⸗Rückwärts⸗Auswärts,
Dreier - Rüdmärts- Einwärt3.
Der Doppeldreier fegt fid
aus zwei Dreiern zufammen und
kann deshalb ebenfo wie ber Dreier
Vorwärts-Auswärts, Vorwärts⸗
Einwärts, Rückwärts-Auswärts
und Rückwärts-Einwärts gefahren
werden.
Auch die Schlinge hat die
felben vier Formen: Vorwärts⸗
Auswärts,
Rückwärts-Auswärts, Rückwärts⸗
Einwärts. Sie iſt die ſchwerſte
der Grundfiguren. Bei all ihren
Arten wird immer nach einem
halben Bogen der Spielfuß mit
dem Standfuß ſo weit gekreuzt,
daß eine halbe Wendung vollbracht
wird.
Die Kraft für diefe fünf Grund:
formen des Kunſtlaufens wird in
der Hauptfache aus dem einfachen
Mittel des Kniebeugens geſchöpft.
Das Geheimnis beiteht darin, ge
nau abzumefjen, wie lange der durch
das Beugen gewonnene Schwung
Vorwärts - Einmärtd,
Y
u
*
a ım. w
IV. 2. Schlittfihuhlaufen. Nro. 253.
aushält: warn man das Bein all» | nod) einige gebräuchliche ſchwediſche
mählich ftreden und fi empor= | und deutjche Schulfiguren für den
rihten muß, und wann man den | Lernenden hinzu.
Körper wieder hinabgehen läßt, | Die dur bedeutenden Anlauf
um neue Kraft zu gewinnen. Das Iund Schwung vergrößerten Grund-
( NS 5
0888
130. Bogen- I11. Achter auf 112. Gegendreier: 113. Schlinge-
achter. einem Fuß. Rüdwendungs Rüdwendung:
Gegendreier. Schlinae. 114. Rückſchritt.
Jar 117. Maiglöcdchenjtern.
115. Schwedifcher Stern. |
116. Seeftern. 118. Doppelfpirale.
läßt ſich durch feine theoretifche | figuren heißen Spiralen. Be:
Erklärung erlernen, ſondern eben | fonders jie geben Gelegenheit zu
nur durchs Ueben, Heben — und äußerft graziöfer Haltung und Be—
nochmals Ueben! wegung, da man ſich dem durch
Zur Vervollftändigung fügen wir | Anlauf gewonnenen Schwung bis
— —2—
—
— mean
— —
Nro. 254.
E. Bräfin Baudiſſin.
zuletzt in derſelben Haltung hingibt. mals auf⸗ und abbewegen, er muß
Spiralen mit Wendungen heißen parallel zur Oberfläche des Eiſes
Ueberſetzer.
119. Pirouettenroſe.
254. Die Schule des Schnell⸗
läufers. Die Aufmerkſamkeit des
Schnelläufers hat ſich naturgemäß
auf ganz andere Dinge zu richten,
als die des Kunſtläufers. Ob er
im Lauf und in ſeinen Bewegungen
ein harmoniſches Bild bietet, iſt
ihm ziemlich gleichgültig, er ver⸗
wendet Kraft und Geſchicklichkeit
nur auf das eine große Ziel:
möglichft viele Kilometer in mög-
lichft kurzer Zeit zu durchfliegen
und an Schnelligkeit alle feine Kon-
furrenten zu überflügeln. Daber
unterjcheidet er fich auch in Hal»
tung und Bewegung vom Kunſt⸗
läufer. Während dieſer bei den
meiften Figuren die Arme leicht
und ungezwungen jeiner Körper-
haltung anpaßt, fie hebt und ſenkt
und in ihrem geſchickten Gebraud
eine Unterftüßung bei Wendungen
und Drehungen findet, wird der
Schnelläufer, befonders der Anz
fänger, die Arme auf dem Rüden
verſchränken; erft in vorgerüdteren
Stadien hängen die Arme oje
herunter oder folgen dem leichten,
gleihmäßigen Hin- und Herpendeln
des Körpers, einer weiteren Be:
dingung für den Schnellauf. Da⸗
gegen darf der Oberkörper fich nie=
ftehen, um dem Wind mödglichſt
wenig Angriffsfläde zu bieten.
Shen: Das Starten,
Spurtten.
Zur Veranfchaulichung des Starts F
Vier Sachen bat der Schnee. —
läufer zu lernen und zu beberr:
das.
Laufenüber grade Streden, r
dad Rurvennehmen und das
Ihalten wir das Bild eines Vaters %
und Sohnes ein, des böhmifchen *
Meifterläufers 3. Po tucef (recht)
und feined Sohnes bei einem 5000
m:Schnellauf gegeneinander. Beide
ftehen leicht vornübergeneigt, einen &
Fuß im Winkel zur Bahn geitellt,
den andern ſeitlich vorgefchoben; .
die Arme werden nicht vorge: '
ſchwungen, jondern bei den erften '
furzen Schritten, die jchnell auf:
einanderfolgen müffen, um Ge:
ſchwindigkeit zu gewinnen, dicht am
Körper gehalten. Beim Start darf *
nicht volle Kraft eingeſetzt werden,
fondern die Gejchmwindigfeit muß
allmählich zunehmen.
Nach wenigen Stößen geht man |
zum Laufen auf grader
Strede über. Das Abftoßen
darf niemals mit der Spike des
Spielfußes erfolgen, fondern mit
der ganzen Länge der Schiene und
muß von halb⸗ſeitwärts⸗rückwärts,
nicht direft von Hinten ausgeführt
werden. Der Spielfuß wird dicht
hinter dem GStartfuß gehalten und |
erſt allmählich nad vorn gejchoben,
wenn fih der Schmung feinem |
Ende naht. Ze länger jeder Stoß
ift, deſto beſſer. Der Spielfuß
muß jo feit auf dag Eis gejegt
werden, daB ohne weiteres der neue
Abſtoß erfolgen kann. Viele der
beiten Läufer Halten auf graden
Streden den Iinfen Arm im Kreuz,
während fie den rechten fchwingen.
Zu den Kurven merden die
Züge verkürzt und der Oberkörper
Der junge Goethe auf dem Eife von Wilhelm von Kaulbac.
IV. 2. Schlifffehuhlaufen.
. 255.
120. Potucef und Sohn. Aus Sport im Bild.
jo tief als möglich zur Innenfeite
der Bahn geneigt. Sehr oft wird
die Kurve durch Ueberſetzen ge—
nommen; jedes Springen ift jedoch
verboten.
Unter Spurt verfteht man den
Verſuch, möglidft viel Stöße in
einer Minute zu maden. Durd)
dieje Anftrengung, die gewöhnlich
den Schluß eines Wettlaufs bildet,
wird die Geſchwindigkeit aufs höchſte
gejteigert. Man hält den Ober—
förper genau wie auf den graden
Streden parallel zur Eisfläche, doch
hängen die Arme tief und loſe
herab und folgen jeder Bewegung
des Körpers. Auch hier ift jedes
Springen zu vermeiden, da es zu
viel Kraft vergeudet.
255. Das Tourenfahren. Diefes
dem Großftädter faft ganz unbe—
fannte, herrliche Vergnügen erfor-
dert ein gute Training; denn zum
ftundenlangen Laufen ohne Raſt,
vielleiht jogar gegen den Wind,
braucht man Kraft und Ausdauer.
Aber wie lohnend ift auch jold
ein längerer Ausflug auf Schlitt-
ihuhen! Gemwöhnli wird man
fih nicht allein auf die Reife be—
geben, jondern in Geſellſchaft an—
derer, froher und gleich leiſtungs—
fähiger Menfchen, die ebenjo nur
der Wunſch, einen ganzen Tag den
geheizten, dumpfen Zimmern zu
‚entfliehen, ins Freie führt. In
unjerem Klima, vorzüglich in den
legten Wintern, ift jelten anhalten=
der Froft gewejen — plant man
aljo eine Tour, jo zögere man nicht
zu lange, bis die Gelegenheit glück—
li) wieder vorüber ift.
Bei mehreren Teilnehmern an
einem Ausflug läuft man am bejten
hintereinander und wechſelt Die
Führung regelmäßig von Zeit zu
geit. Große Vorſicht ift bei uns
befannten Eisflähen geboten. Er:
ſcheint das Eis mürbe, fo jeile
man ſich BEINEN RUND. nu wie
Niro. 256. E. Gräfin Baubilfin.
im Gebirge. Paſſiert ein Unglüd | Haff oder die Dftjee, befahren, fo
und bricht jemand ein, jo zieht iſt wegen der Nebelgefahr ſtets ein
man ihn, fobald er auftaucht, lang= Kompaß mitzunehmen.
ſam am Seil heraus und auch noh 256. Die Dame auf dem Eijfe.
auf dem Eife ein Stüd fort, bis Erſt in den legten zwanzig Jahren
er auf ganz feites Eis gelangt ift. | hat fich das Kunftlaufen der Damen
Der zu Errettende darf ſich nicht | ausgebildet, jo daß fie jogar gegen
aufrichten, fondern muß flach liegen | die beften Kunftläufer der Welt
bleiben, um jein Gewicht recht zu | zu fonfurrieren begonnen haben.
verteilen. Die erite Dame, die um Die
Will man weite Flächen, wie ein | Weltmeifterjhaft ftartee, war
12). Mrs. E. M. Syers, Weltmeijterin im Kunftlauf.
IV. 2. Schlitffchuhlaufen.
Mrs. Syers aus London — fie
fann die Bahnbrederin für den
Damenfunftlauf genannt werden.
Grade für die Frau, deren Haupt:
reiz Grazie in Gang und Bewegung
it, bringt ja dag Schlittihuhlaufen
die beiten Chancen und es ift da—
ber faum erjtaunlich, daß ſich das
Kunftlaufen in kurzer Zeit jo ftarf
unter den Frauen verbreitet hat.
Die beiten Läuferinnen ahmen nichts
blindling® nad, jede Hat ihre
Eigentümlichkeit und ein Talent,
den befannten Figuren neue Nu=
ancen zu verleihen, jede findet eine
andere, natürliche Poſe, die ihre
bejonderen Borzüge zur Geltung
bringt. Das SHauptbeftreben ver
Frau auf dem Eife richtet ſich eben
trogß aller Kunitfertigfeiten doch
darauf, abfolut harmoniſch zu wir-
fen. Sehr vorteilhaft ift daher für
die Damen das Spiralenlaufen,
da dur den Schwung, den es
verleiht, Geftalt wie Bewegung
gleihfam von allem Srdifchen,
Schweren loSgelöft werden.
Eine gute, auf Beachtung hoffende
Kunftläuferin muß die Grundfigu—
ren des Kunftlaufens vollitändig
beherrſchen fünnen; an fie werden
bei Konkurrenzen dieſelben Ans
fprüde geftelt wie an den Kunit-
läufer. Im Schnellauf Haben
Frauen fich bisher noch nicht neben
den Männern in die Deffentlichfeit
binausgemagt, es ift auch kaum
anzunehmen, daß ihre Kraft je dazu
reichen wird. |
257. Das Paarlaufen. Durchdie
lebhafte Teilnahme der Frau am Eis⸗
[port ift auh das Paar: und Gruppen-
laufen in ein neues Stadium ge⸗
‚treten. Die Möglichkeiten, Figuren
zu laufen, find zu Zweien nod
größer als allein und laſſen vor
allem bedeutend mehr Abwechſelung
zu. Während man fich früher da-
mit begnügte, Hand in Hand gra-
ziöjfe Bogen zu laufen, oder zu
Neo. 257.
„bolländern”, gibt es jetzt eben-
falls feſte Vorfchriften, die ſich
alle zu Paaren oder in Gruppen
Laufenden, die zu Vereinen oder
Klubs gehören oder an Wett:
fümpfen teilnehmen wollen, an
eignen müſſen.
Selbftverftändlich verlangt das
Paarlaufen eine noch intenfivere
Uebung als das Sololaufen. Denn
der Läufer muß fo ficher fein, daß
er den Partner niemals durch eine
Ungeichidlichfeit zum Entgleifen
bringt und daß er feinen Schritt
abfolut dem des andern anpafjen
fanın. Den Läufern muß alfo
gleihe Art und vor allem gleicher
Schwung eigen fein; daß es aber
nit jtörend wirft, wenn ihre
Geftalten verfhieden find, 3. 2.
ein großer Herr neben einer Kleinen
Dame, das hat das ungleiche Baar
Hübler-Burger bemwiefen; nur
im Stil müfjen fie übereinjtimmen.
Laufen zwei Herrn oder zwei Damen
miteinander, ijt- allerding® gleiche
Größe und ähnliche Figur vorzu=
ziehen.
Drei Arten des Laufen® muß
das Paar beherrichen:
Das gewöhnliche Figuren:
laufen; das Tanzen und die
Ueberſetzer.
Beim Figurenlaufen unterſcheidet
man zwei Arten, je nach der Stel:
lung der Läufer zueinander: ent-
weder die Stellung gegeneinander,
vis-&-vis, oder die Stellung neben:
einander. Die Art, in der die
Läufer fich zu einander verhalten,
wird ihre „Bindung“ genannt. Alle
Grundformen des Kunftlaufens
fönnen beim Figurenlaufen aus:
geführt werden; und zwar führen
beide Läufer dasjelbe aus oder
ergänzen die einzelnen „Parts“
ſymmetriſch.
Je nach der Stellung halten ſich
die Läufer an den gleichnamigen
Händen, mit vorn verjchräntten
Armen, oder auch nur an einer
Hand; bei Drehungen und Wen:
dungen muß natürlich losgelaſſen
werden. Biel mehr Freiheit ver
Bewegung geftattet die Erfindung
des Kunftläuferd Engelmann:
Die gleichnamigen Hände fallen
fih aucd hier, doch nur eine von
vorn, die andere von hinten. Tiefe
Haltung eignet fi aber nur für
Figuren, in denen feine Schlingen
vorfommen.
Die Grundfigur des Paar- oder
Duolaufens ift der Amerikaner:
Achter.
Das Tanzen ift bejonders
durch die Wiener Schule be-
fannt gemadt und gepflegt wor—
2/
10 * 4
E. Bräfın Baudiſſin.
einzelnen kleinen Bogen, die nicht
den Muſiktakten gleich zu ſein brau:
hen, fondern über mehrere au®:
gedehnt werden können; doc müfjen
fie dem Tempo angepaßt jein.
Bekannte Schritte find der „Kiebitz⸗
Ihritt”“, die „Monddrehung” und
die „Rebenſchritte“. Das „Kontra⸗
laufen” wird in der Art getanzt,
daß fih die Partner Rüden an
Rüden aufftellen, fi voneinander
entfernen und wieder zueinander
zurüdfehren.
Die Ueberſetzer find ähnlich
den Spiralen befonderg große, mit
ftarfem Schwung weit audgeführte
Bogen. Sie werden in einfade
und zufammengefette eingeteilt.
„ —
se 6 —
7 5 *
N
/ \
⸗
⸗ \ j
1
9
\
N
322. Schöller-Marſch.
den. Der Amerikaner Haynes
erfand den erſten Sechsſchrittwalzer,
den „Haynes-Walzer“, dem der
„Amerikaner“ von Gallie Eur:
tis folgte. Die befannteften, übri-
gen Eiswalzer, die in der üblichen
Zanzhaltung des Ballſaals ausge:
führt werden, ſind der Sodl-Mazur,
ver Schöller-Marſch, der Links—
walzer, bei dem beide Läufer die
Schritte in gleiher Richtung aus:
führen, und die Tänze in Engel:
mann=Haltung.
Die Tanzichritte beitehen aus
Die Partner halten fi entweder
an einer Hand, in Tanzhaltung, in
Engelmann-Haltung oder auh an
beiden Händen Rüden an Rüden.
Ein Paar, das fih an einem
Wettkunftlauf beteiligt, hat fich ein
vollfommened® Programm zuſam⸗
menzuftellen, das alle drei Gruppen
des Kürlaufens, Figuren, Tanz:
ſchritte und Ueberſetzer, umfaßt.
Das Programm muß möglichſt ab-
wechslungsreih fein und fordert
zudem die harmonische Verbindung
der einzelnen Leiſtungen durch
—— ——
IV. 2. Schliftfchuhlaufen.
„Berbindungsfiguren“ und „Zwi-
fhenjcritte” ; den Schluß bildet
eine jelbjterfundene „Abgangs-
figur“.
Die Kunſt⸗ und Paarläufer halten
ihre Neuerfindungen ebenjo ängſt⸗
lich und ftreng geheim, wie Erfin-
der, die fich goldene Berge von
ihrer Idee erhoffen. Der Schlitt⸗
fchuhläufer bat zwar nur einen
Preis oder eine Auszeichnung zu
erwarten, aber jein Ehrzeiz ift
ebenfjo brennend — "dafür aber
unfportlid und unfameradjchaftlidh.
258. Das Gruppen: oder Ge-
ſellſchaftslaufen. Cine Ermeite-
rung des Paarlaufens ift das
Öruppenlaufen. Es verlangt noch
Niro. 258.
mehr Anpafjungsvermögen ald das
Duolaufen; denn iſt es fehon
ſchwierig, bei fomplizierteren Figu-
ren, mit einem Partner genau in
Schwung und Form übereinzuftim-
men, fo verlangt dag Gruppen-
laufen natürlich die exakteſte Auf-
merkſamkeit aller Teilnehmer auf
fih felbjt und aufeinander.
Da das Gruppenlaufen erſt in
den legten Jahren vom Inter⸗
nationalen Eislauf-Verein zur Kon:
furrenz zugelafien worden ift, mar
es nach dem Aufichwung, den dag
Kunſt- und PBaarlaufen genommen
hatte, arg vernachläſſigt worden.
Es bleibt eine vortreffliche Hebung
für alle Läufer und Tann, gut
mehr Training und vor allem noch | ausgeführt, von grandiojer Wir:
123. Sternlaufen für 4 Käufer.
Nero. 259.
fung fein — der draw-back bei
allen Unternehmungen, die von
mehr als einer oder zwei Perſonen
abhängen, ift aber auch hier, daß
oft durch einen Unfall oder eine
Erkrankung die feit Wochen müh—
famft einftudierten Tänze oder Rei-
gen im legten Augenblid nicht zur
Ausführung gelangen fünnen, Es
verfteht ſich von ſelbſt, daß nur
abfolut „firme” Kunftläufer ſich
zum Geſellſchaftslaufen melden dür-
fen. Die gebräuchlichen Formen
find das Figurenlaufen, dag Kontra-
laufen und die „Moulinet3”, Die
glei der befannten Tour der
Duadrille in Sternform, von einem
Mittelpuntt aus, gefahren werden.
Zum Laufen in der Engelmann
haltung eignen ſich der „Ameri-
faner" und der „Leykaufachter“,
benannt nah Ignaz Leykauf,
der fih neben Diamantidi in
Wien am meijten um die Förde-
rung des Gruppenlaufend verdient
gemacht hat. Auch ermöglicht die
„zeyfauf-Aufftelung” es vier Läu-
fern, zufammengefegte Figuren zu
laufen, während die Echulfiguren
in diefer Aufitelung von beliebig
vielen Bartnern ausgeführt werden
fönnen. Ihre Anordnung ift der:
art, daß die Front der neben—
einander in einer Linie ftehenden
Läufer abwechſelt und immter die—
felben Läufer zufammen Moulinetg
laufen.
259. Beitimmungen für Welt:
und Curopa - Meifterfchnft im
Schnellaufen. Bon den Gefegen
der Weltlaufordnung der Inter—
nationalen Eiälaufvereinigung nen:
nen wir folgende:
„Alle internationalen Rennen
müflen über 500, 1000, 1500,
5000 und 10000 m abgehalten
werden und zwar entweder über
einzelne dieſer Streden oder auch)
über mehrere Stredfen unter einer
Preiszuerfennung.”
&. Gräfin Baubdilfin.
„Alle internationalen Rennen
müſſen zu zweien ftattfinden.”
Die Ausschreibung zu einem
internationalen Lauf muß die Höhe
bes Einſatzes, die Bezeichnung der
Preiſe, die Länge der Bahn mit
Angabe der Biegungen und ihrer
Grade, Bezeichnung desKruͤmmungs⸗
radius und ferner die Angabe, ob
doppelte oder einzelne Bahn benutzt
wird, enthalten.
„Bei Laufen über mehrere
Streden ift derjenige der Sieger,
der die Mehrheit der Streden ge:
wonnen hat. Hat feiner die Mehr-
beit der Streden gemonnen, fo
entfcheidet die Summe der Platz⸗
ziffern über alle Streden. Iſt die
Summe der Plabziffern gleich, fo
wird die Entiheidung nad der
Punktwertung getroffen.“
„Als Punktzahlen gelten bei
500 m die Selundenzahlen der er-
reichten Seiten, bei 1000 m die
Hälfte, bei 1500 m der dritte Teil,
bei 5000 m der zehnte Teil und
bei 10000 m der zwangzigfte Zeil
der in Sefunden ausgedrüdten er⸗
reichten Zeiten. Steger ilt, Der
die niederſte Gejamtpunftzahl bat.“
„Die Welt: und Europameifter:
ſchaften müſſen auf doppelter Bahn
ftattfinden (Bahnlänge, wenn mög:
ih, 500 m, doch mindejten?
400 m).“
„Der Radius bei der Welt: und
Europameifterfchaft ſoll mindeftens
20 m betragen.”
„Die Streden ſowohl für Die
Welt: wie. auch für die Europa-
meilterfchaft find 500, 5000, 1500
und 10000 m.’
„um die Welt: und Curopa=
meifterfchaft zu gewinnen, muß der
Sieger fih an allen Streden be>
teiligen und diefelben auch voll:
ftändig durchlaufen.”
„Derjenige iſt Sieger in der
Weltmeiſterſchaft, welcher drei oder
vier Streden gewonnen hat.”
—— -
IV. 2. Schlittſchuhlaufen.
„Um die Europameiſterſchaft zu
gewinnen, muß der Läufer über
wenigſtens zwei Streden gefiegt
Haben. Wenn zwei Läufer zwei
SStreden gewonnen haben, ift der:
jenige diejer zwei Läufer Sieger,
woelder die niedrigfte Summe der
Platzziffern auf allen vier Streden
bat. Sit die Summe der Platz⸗
ziffern gleich hoch, fo entſcheidet die
Punktwertung.“
„Das Laufen um die Welt⸗ und
Europameiſterſchaften dauert zwei
Tage. Am erſten Tage wird ge—⸗
laufen über 500 und 5000 m, am
zweiten Tage über 1500 und
10000 m.”
260. Beftimmungen für Welt-
und Europameifterfchaft im Kunſt⸗
laufen. Die Ausfchreibungen für
eine Konkurrenz geſchehen nad) den
Beftimmungen der Intern. Eislauf⸗
vereinigung, der die meilten Ber:
eine der Welt angehören, für Neu:
linge, Junioren, Senioren, Europa:
meiſterſchaft und Weltmeifterfchaft.
Die „Pflichtübungen“ find durch
den internationalen Kongreß 1897
feftgelegt worden.
Zür das „Kürlaufen”, dag fich
aus gefälligen Figuren zujammen-
ſetzen muß, bei denen e3 weniger
auf die Schwierigfeit als auf har-
moniſche Vollendung ankommt, ift
für die beiden erften Klaffen (Neu:
linge und Sunioren) eine Zeitdauer
von 3 Minuten, bei den übrigen
Klaffen von 5 Minuten fejtgejekt.
Für das Kürprogramm eignen
fi) bejonder8: Spiralen, Ueber:
feger, Flügel-Achter, Reben, Tanz:
fchritte, Kombinationen der Brille,
der Wende u. ſ. w. Die meiften
Kombinationen müfjen ſowohl auf
dem rechten wie auf dem linken
Fuß gelaufen werden.
Die „Spezialfiguren” find, da
fie ganz verfchiedene Anforderungen
ftelen, vom Kürprogramm getrennt
worden. Sie verlangen eine ori-
NMro. 260.
ginele Kombination von Figuren,
die eine Schöne Zeichnung auf dem
Eije ergibt. Die Schwierigfeit der
Figur wie die tadellos forrefte
Ausführung der Zeichnung find
Hauptbedingung — die Körper:
haltung tritt gegen dieſe Forde—
rungen zurüd. Für Spezialfiguren
eignen ſich „Kombinationen der
Bremsfiguren mit Schlinge, Rebe,
Brille und Sterne, die aus den
Schwierigften Wendungen zufammen:
geſetzt fein können.“
„Das Programm der Spezial⸗
figuren muß vorher in Wort und
Zeichnung zum Gebrauch der Preis⸗
richter eingeſandt werden.“
Berechnet werden die Rejultate
des Kunſtläufers beim Pflichtlaufen
durch Multiplizierung der bei jeder
Pflihtübung gegebenen Note mit
der Wertzahl, welche der betreffen-
den Hebung nad) dem Grade ihrer
Schwierigkeit zufommt.
Beim Kürlaufen werden die für
den Inhalt des gezeigten Pro-
gramm wie für die Art und Weije
der Vorführung gegebenen beiden
Noten addiert und die Summe mit
der in der Augfchreibung befannt
gegebenen Zahl multipliziert.
„Die Punktzahl für Kürlaufen
der Punktzahl für Pflichtlaufen
binzugezählt, ergibt für den einzel-
nen Läufer die Gefamtpunftzahl,
welche derjelbe bei dem einzelnen
Preisrichter erzielt bat. (Es
müſſen mindeftens fünf Preisrichter
vorhanden fein.) „Das Endrejultat
wird feftgeftellt durch Zufammen-
zählung der von den einzelnen
Preisrichtern gegebenen Plab-
ziffern.”
Für das Damenkunftlaufen um:
faßt das Programm 4—6 Pflicht-
übungen; das Kürlaufen ift auf
3 Minuten fejtgejegt und bejteht
aus Spiralen, Ueberjegern, Kom—
binationen von Dreiern, Achtern,
Amerifanern und Tanzſchritten.
Nro. 261. &. Gräfin
Schwerere Figuren find nur für
hervorragende Läuferinnen zuläffig,
denn fie müfjen nicht nur korrekt,
fondern auch graziös gelaufen wer—
den. Die jhöne Ausführung der
Figuren wird beim Damenkunftlauf
höher bewertet als ihre Schwierig:
keit.
261. Das Schlittſchuhſegeln.
Eine bedeutende Erhöhung der
Geſchwindigkeit und damit auch ein
noch größeres Vergnügen erreicht
man beim Eislauf durch das Se—
geln. Auch dieſer Sport hat ſich
erſt in den letzten Jahrzehnten ent—
wickelt, findet nun aber unter den
geſchickten Läufern immer mehr
Anhänger. Denn je größer die
Anforderungen an Gewandtheit
und Kühnheit eines Sports ſind,
deſto mehr Reize bietet er. Das
Schlittſchuhſegeln kann natürlich
nur der betreiben, der neben dem
Eislauf auch in alle Geheimniſſe
des Segelns eingeweiht iſt; denn
im Aufkreuzen gegen den Wind
liegt der Hauptreiz. Sich ein
Schlittſchuhſegel auf die Schulter
zu legen, ohne eine Ahnung deſſen,
welchen Wirkungen durch den Wind
vn
Baudilfin.
es ausgejegt ift — dieje Leicht:
fertigfeit wird fich Schnell und gründ-
lihjt an dem Unternehmer rächen.
Mer aber diefen Sport beherricht,
wird ihn faſt dem Eisjachtjegeln
vorziehen, obgleich die Gewalt, die
Dort durch das Ruder und die Ta-
felage gegeben wird, ja bedeutend
größer ijt. Dafür hat die einfade
Ausrüftung beim Sclittfchuhlegeln
den Vorzug beqguemerer und leid:
terer Beförderung vom und zum
Schauplag der Tätigkeit.
Als Schlittſchuh verwende man
zum Segeln feinen hohen, da jonjt
die Füße zu leicht ermüden. Prak—
tiſch ift der bei den Schnellanf:
ſchlittſchuhen erwähnte liter:
Shätes oder ſonſt ein flacher, Janger
Tourenſchlittſchuh. Auch Knöchel⸗
halter ſind beſonders für den An—
fänger zu empfehlen. Die Kleidung
darf beim Schlittſchuhſegeln wärmer
ſein als beim Eislauf; beſonders
ſchütze man die Ohren mit Ohren:
klappen oder einer dehnbaren Mütze
und die Hände durch gefütterte
Handſchuhe. — Das Segel wurde
früher faſt viereckig zugeſchnitten;
eine neuere, hinten ſpitzer verlau—
124. Schlittſchuhſegelregatta auf dem Müggelſee. Aus Sport im Bild.
hen
Aus „Madame et Moufieur”, Paris.)
„Eislauf“ von Nicolas Kaneret.
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IV. 2. Sıhlittfchuhlaufen.
fende Form zeigen die Segel des
Jachtklub „Müggeljee‘ (Bild 124).
Die Größe des Segeld richtet fich
nach der Perſon des Segler3; denn
die Höhe des vorderen Stabes muß
jo ausgemefjen fein, daß jein Ende
nicht das Eis berührt, wenn der
Läufer mit leicht gebeugten Knieen
fteht und die Duerftange ihm auf
der Schulter ruht; dieſe Duerjtange
hat vorn einen Griff, während die
Leine zum Bedienen des Segels
oben und unten am vorderen Stab
angebradt iſt. Da deſſen Länge
meiſtens über 3 m geht, jtellt man
ihn aus zwei Teilen her, die fich
zufammenfcdieben lafjen und um
die beim Transport das Segel ge=
rollt wird. Der hintere, fleinere
Nro. 262.
den Schlittfchuhjegeln ganz außer:
ordentlihe Gejchwindigfeiten er—
reicht, 3. B. brauchte bei einem der
legten Wettfämpfe auf dem Müggel—
jee der Sieger für eine Strede von
18km nur 20 Min. 35 Sef.! Und
grade dadurch, daß die richtige
Handhabung de3 Segel Webung
und Geiftesgegenwart erfordert,
kann man das Sclittjchuhjegeln
zu den interefjantejten und ſchönſten
Winterſports zählen.
262. Das Rollfchuhlaufen. Eine
in Deutjchland faft vergejjene Kunft
ift die des Rollſchuhs; und doch
hatte fie auch einmal in Deutjchland
eine Blütezeit, in den ftebziger und
achtziger Sahren, a8 Jackſon
Haines und Callie Curtis,
Stab hat das Segel ſtramm zu | die beiden berühmten Schlittjchuh:-
halten. Als Material verwendet
man das leichtefte, nämlich Bambus.
Bei gutem Winde werden mit
wie Roljchuhläufer, fie von „drü—
ben“ importierten. Damals gab
es in Berlin verjchiedene „Skating-
125. Einfache Grapevine.
Niro, 262,
rinks“, die viel benutt wurden;
jegt ijt feine Spur mehr von ihnen
vorhanden, noch kaum ein einziger
Roljchuhläufer in Deutfchland zu
a
E. Gräfin Baudilfin. IV. 2. Schlifffehuhlanfen.
dem glatten Zementboden faft gar
feine Reibung finden. Im Lande
feiner Geburt, in Amerifa und im
jportluftigen England hat das
finden. Im Zirkus erfchtenen früher Rollſchuhlaufen auch heute noch eine
nob dann und wann bei den
Schlußpantomimen „Schwälbchen“
und andere merkwürdige Erfchei-
nungen auf Rollſchuhen — aber
in Deutjchland findet man dieſe
Kunft augenscheinlich jogar für die
Manege zu altmodijch. Und doc
wäre e8 bei den mäßigen, dem
Schlittſchuhlauf fo unvorteilhaften
Wintern der letzten Jahre nur
vorteilhaft, fie neu zu beleben.
Denn fie bietet dem Läufer Ge-
legenheit zum Trainieren, ja ver:
langt eigentlich eine noch größere
Geſchicklichkeit, da die Schiene des
Schlittſchuhs immer etwas ins Eis
ſchneidet, während die Rollen auf
126. Pirouetten-Spirale.
große Anhängerſchaft; und dem—
entſprechend elegante und gute
Skating-Rink-Halls, in denen ſich
bei Muftkbegleitung geſchickte Läufer
und Läuferinnen zeigen und aud
Konfurrenzen ausgefochten werden.
Die Entwidlung des Rollſchuhs
iſt natürlich auch nicht ftehen ge:
blieben; er hat jede Schwere und
Plumpheit verloren und wird mei:
jtend wie der gute Schlittihuh am
Stiefel mit Schrauben befeftigt,
um jedes Riemenzeug überflüffig
zu maden. Jackſon Haines
Rollſchuh beftand aus zwei Schienen,
zwiſchen denen fih vier Rollen
hintereinander befanden; Good:
ridgeund Fuller, ebenfalls be:
rühmte amerifanifche Läufer, jegten
die Rollen zu zweien nebeneinander
und diefe Art wird auch von der
modernen Form bewahrt, trogdem
dazwiſchen Schuhe mit fieben oder
mit drei Rollen hintereinander auf:
tauchten.
Die Rollen find aus härteften
Holz gearbeitet und bei den Schuhen
für Kunftläufer mit Kugellagern
verfehen. Um die Linien der ge
fahrenen Figuren verfolgen zu kön—
ten, werden die Rollen die mit
Kreide beftrihen. Auch Rollſchuhe
von Motoren betrieben, die zwijchen
den Rädern liegen, find kürzlich
erfunden worden; ihnen ift aber
feine Zufunft zu prophezeien —
noch zu wünschen.
Die beliebteften Rolfchuhlauf:
figuren find die „Srapevine” (beim
Eislauf als „Rebe“ bekannt), der
Bogenachter, die, KRompaß- Acht” und
das „Malthefer: Kreuz. Die „Bi:
rouetten-Spirale” Tann von den
beiten Läufern nur durd) jahrelange
Vebung erlernt werben.
7
Mdolf Rziha. IV. 3. Schlittenſporte.
Niro. 263—264-
3. Schlittenfporte.
Von
Dr. Adolf Rziba-Mödling (Wien).
Das Welen der Schlittenfporte.
263. Schlitten nennt man jedes
zum Perjonen: oder Laftentrang-
port geeignete Fahrzeug, dag mit
mindeſtens zwei Gleitflähen auf
einer glatten Fahrbahn ftabil auf-
ruht und auf diejer gleitend fort-
bewegt werden Tann. Yür den
Begriff ift es gleichgültig, welcher
Art die fortbewegende Kraft ift.
In der Regel ift ed die Zugkraft
von Tieren oder Menjchen. Ber:
einzelt wird auch die Kraft des
Windes mittelft Segel zur Fort:
bewegung verwendet. Neueſter
Zeit find Berfuhe mit dem An:
trieb durch einen Erplofionsmotor
im Zuge. Eine große Anzahl von
Gebrauchsſchlitten ift derart gebaut,
daß die menschliche oder animalijche
Zugkraft nur dazu verwendet wird,
dag Yahrzeug an einen höher ge:
legenen Punkt der Fahrbahn zu
bringen. Die Bergabfahrt gefchieht
dann lediglich durd die Einwirkung
der Schwerkraft. Be nah dem
Grade der Gleitfähigkeit der Fahr:
bahn ift eine größere oder geringere
Neigung derjelben erforderlich, damit
die Schwerkraft dag Reibungs⸗
moment der Gleitflädhen auf der
Fahrbahn überwinden Tann.
Sleihgültig für den Begriff
Schlitten ift e8 endlich) auch, welcher
Art die glatte oder richtiger gleit-
fähige Unterftügungsfläde be⸗
ziehungsmeije Fahrbahn ift. In der
Negel werden Schlitten freilich nur
- zur Befahrung fchneebederter Wege
oder Eisflähen verwendet. In
manden Gebirgsgegenden benützt
man jedoch auch Schlitten, die auf
feuchten Wieſenhängen, in Hohl:
wegen, die mit Waſſer beriejelt
werden, auf Geröllhalden und auf
feuchten Holzprügelwegen gleiten.
Die Gleitfähigkeit gefetteter Holz-
laden iſt ſogar von ſpekulativen
Unternehmern zur Anlage von
„Sommer-Rodelbahnen“ benützt
worden.
264. Sportſchlitten. Weitaus
enger iſt der Begriff des ſportlich
verwendbaren Schlittens. Zunächſt
ſcheiden alle Fahrzeuge aus, welche
nicht auf Schnee und Eisdecke fort⸗
bewegt werden. Bi3 heute ift der
Schlittenſport ganz ausſchließlich
ein Wintervergnügen. Die in der
Schweiz an verſchiedenen Orten
üblichen ſommerlichen Schlitten—
fahrten auf Gletſchern, können keinen
Anſpruch auf ſportliche Bedeutung
erheben.
Allein auch die fortbewegende
Kraft kommt bei Abgrenzung des
Begriffes „Sportſchlitten“ in Be:
trat. Unter Sportſchlitten ſchlecht⸗
weg verfteht man derzeit nur ſolche
Fahrzeuge, die fi durch die Ein-
wirkung der Schwerfraft, alfo ver-
möge ihre® und des Gemictes
ihrer Fahrer auf einer geneigten
Fahrbahn fortbewegen. Die Bes
mwegung des Schlittend kann daher
nur in einer Richtung, nämlich talab
erfolgen. Die Aufmärtöbeförderung
des Fahrzeuges ift niemals eine
ſportliche Betätigung. Vielfach
geſchieht ſie gar nicht durch die den
Sport ausübenden Perſonen.
Im weiteſten Sinne können
allerdings auch Schlitten, die durch
Nro. 265- 266.
animaliſche oder motoriſche Kraft
bewegt werden, als Sportſchlitten
aufgefaßt worden. Die Grenzlinien
zwiſchen dem Winterſport und
einigen anderen Sporten fallen auf
dieſem Gebiete eben zuſammen. So
könnte das Fahren mit Traber-
pferden vor leichten Rennſchlitten
oder fog. Gaſſeln eher dem Pferde:
Iport, die Benügung eines Motor:
Schlitten dem Automobiljport, der
Segeliglittenfport dem Segelfport
überhaupt mit mehr Berechtigung
als dem Schlittenſport zugezählt
werden.
265. Schlittenſport nennt man
jene nicht berufsmäßige, aber nad)
beftimmten Regeln und technifchen
Kunftgriffen vorgenommene Betäti-
gung mit fportlih anerkannten
Sclittentypen, für welche dieſe je
nach ihrer Eigenart beſtimmt find.
Die Ausübung des Schlitten—
ſportes befteht im Tunftgerechten
Bergabgleiten mit dem Fahrzeug.
Die bloße Fortbewegung allein ge⸗
nügt jedoch hiezu nicht ; es ift ſport⸗
li, die größtmöglide Schnellig-
feit der Fortbewegung zu erzielen.
Diefer Zweck wird objektiv er:
reiht Dur Verwendung einer
möglichft brauchbaren, den Terrain
verhältniffen angepaßten Schlitten⸗
type und Befahrung einer geeig-
neten Bahn. Der Zwed wird aber
auch jubjeftiv erreicht durch Ent:
faltung der perfünlichen Fähigfeiten,
die demjelben förderlid) find.
Diefe perfönligen Fähigfeiten
find hier wie bei allen Sporten
und insbeſondere allen Bewegungs⸗
iporten: Geſchicklichkeit und tech—
nifches Können, Mut, Geiftesgegen:
wart und Körperfraft. Lebtere hier
erft in zweiter Linie, während ſie
bei anderen Bemwegungsiporien
(Rudern, Radfahren) anerfter Stelle
Adolf Riiha.
ift Sportlich, das Ziel jo raſch wie
möglih zu erreichen. Wie nun
gleich gezeigt werden wird, haben
fih verſchiedene Formen von
Schlitten entwidelt, die aber nidt
alle ihrer Bauart auch diefem Haupt:
zweck gleich dienfibar gemadt find.
Entwidlung und Einteilung
der Schlittenfporte.
266. Die ältefien Formen der
Schlitten, die unjeren heutigen
Sportſchlitten zur Vorlage dienen,
dürften die ſchweren Zugſchlitten
der Holzknechte fein. In vielen
Gebirgdgegenden wird das gefällte
Holz zur Winterdzeit in eigens
hiefür gebauten Schlitten zu Tal
gefördert. Der Lenker des Schlitten
zieht zwar an Stellen des Weges,
die ein zu geringes Gefälle haben,
den Schlitten, aber in der Regel
erfolgt die Fortbewegung nur durch
die eigene Schwere des Schlittens.
Pferdebefpannte Schlitten Haben
den heutigen Sportfchlitten kaum
zum Borbilde gedient. Ihre Baus
art ift derartig, daß fie bei einer
Fortbewegung dur die eigene
Echmere gänzlich unlentbar wären.
Auch die oben erwähnte Type
der Holzſchlitten hat aller Wahr:
icheinlichfeitt nach nicht den um
mittelbaren Anjtoß zur jportlichen
Verwendung des Schlitten gegeben.
Dazu hat es noch eined Umweges
bedurft, merkwürdigerweiſe
über den Kinderſchlitlen.
Zu einer Zeit, in der noch nie
mand das Wort „Bobsleigh“ kannte,
war der Kinderiglitten, dag un
mittelbare Borbild des heutigen
Skeleton? einerfeit3, der Rodel
andererjeit8, bei der Jugend in
hoben Gnaden. Der Schlitten
diente als harmlofes Spielzeug zu
Heinen Rutſchpartien über janfte
—
fteht.
Der Schlittenſport ift alfo in erfter | Hügel. Wenigſtens in den Stäbten
Linie ein Schnelligfeitsfport.
E3 | und wenig gebirgigen Lanborten
— An * = Br 4. Far
ir Bes) ae ee RT
en — Dr Ba = .
IV. 3. Schliftenfporfe.
wurden die Kinderfchlitten nur in
diefer Weife verwendet.
Anders hatte ſich die Sade in
den gebirgigen Gegenden entmwidelt.
Dort war langjam aus dem ſchweren
majfigen Holzjclitten, für den
Einzelgebrauch ein leichterer, ihm
fonft ähnlicher Schlitten entjtanden,
defien fih auch Erwachſene be:
dienten. Der Holziclitten war zu
ſchwerfällig, um überall ficher ge⸗
lenkt zu werden, auch war -jeine
Bergaufbeförderung eine mühſame
Arbeit. Wenn es fih alſo nur
darum handelte, von einem hoch-
gelegenen Arbeit3plaß, einem Berg:
gehöft raſch hinab ind Tal zu
fommen oder nur geringe Lajten
talmärt3 zu befördern, dann ergab
fih das Bedürfnis nad einem
leichteren Fahrzeug. Seiner Be:
ftimmung nad mußte dieſes Yahr-
zeug auch für Fußſteige vermend-
bar fein, auf welden Fuhrwerk
nicht verfehrte. Damit war eine
ſchmälere Bauart gegeben und dieſe
wieder hatte zur Folge, daß der
Schlitten vom Fahrer in Reitjig
benüßt wurde.
In diefer Form, wenigſtens dem
Grundgedanfen nad, im Detail
natürlih ſtark verſchieden, waren
Handfdlitten im Gebirge bereits
zu einer Zeit im Gebraudh, in
welcher die Träger des Sportes,
die erwachfene Jugend der größeren
Städte, überhaupt den Winter im
Gebirge noch gar nicht fannten.
267. Die erfte annähernd fport-
liche Berwendung dieſer Handſchlit⸗
ten begann mit der „Entdeckung“
des Winters durch die Städter. Die
Zeit liegt nicht weit Hinter ung,
in der man in Mitteleuropa außer
dem Eislauf und Sclittenpartien
mit pferdebefpannten Schlitten ein
Wintervergnügen für Erwachſene
nit kannte.
Die Kinder hatten ihre Heinen
Schlitten, außerdem betrieben fie
Niro. 267.
das Schneeballen werfen, Schnee-
männer maden und dergl. Die
Erwachſenen ftanden in Pelz und
Ueberfchuhen dabei und freuten ſich
der luftigen Jugend. Diegumutung,
fi felbit eines ſolchen Schlittens
zu bedienen, wäre mit Entrüftung
zurüdgemwiejen worden.
Das Belanntwerden der Winter-
furorte und der Giegedzug des
Schi, den diejer aus feiner nordi-
ſchen Heimat durch alle deutfchen
Lande antrat, find die Faktoren,
die ung den Schlitteniport gebracht
haben.
Freilich fpielt noch ein dritter
Umjtand mit: die wieder ermachende
Liebe zur Natur, die gemaltige
Sehnſucht, die feit einigen Jahren
die Kulturmenſchen erfaßt hat, in
den freien Stunden und Tagen, die
uns das Berufsleben übrig läßt, fich
dem Zauber der Natur hinzugeben. -
Die Winterfurorte bewirkten die
feinere Differenzierung der Sclit-
tenfporte, die wiederkehrende Natur⸗
freude deren Verallgemeinerung.
An den Kurorten fanden jidh,
angelodt durh Die begeijterten
Schilderungen der Kranken, bald
auch die Gefunden in Scharen ein.
Ein genußfreudige® und gutfi=
tuierte8 Publikum fam. Engländer
mit ihrem untrügliden Sinn für
Sport griffen als erjte die Mög-
lichkeiten auf, die ihnen die Kleinen
Handſchlitten boten. So entftanden
die ſpezifiſch anglo-amerifanifchen
Sportilitten der Bobsleigh und
der Steleton.
Die große Menge der Winter:
touriften, mit Schi, Schneereifen
und ohne dieſe Behelfe, wendete
fih den genügfameren Scdlitten-
formen zu, fie ſchufen die fportliche
Rodel und den Hörnerfchlitten. -
Einige Typen wurden endlich
direft importiert: der Toboggan
aus Canada, der Rennmwolf und
Kiälfer aus Norwegen.
Niro. 268— 269.
268. Die Einteilung der Sport-
jehlitten ergibt ſich aus der eben
in Kürze dargeftellten Entwidlung |
des Sclittenjportes.
Das älteſte jportlihe Fahrzeug
ift die Rodel, der unmittelbare
Nachkomme des Handſchlittens wie
ihn die Gebirgsbauern benüßten.
Von ihr aus vollzog ſich die Ent:
wicklung der zwei ganz augjchließ-
lich für ſportliche Zwecke verwend-
baren anglo-amerifanijchen Sclit-
tentypen, des Sfeleton zunädjt,
de8Bob8leigh in weiterer Folge.
Die Rodel ſelbſt fand bleibend
eine hochſportliche Berwendung,
wurde aber daneben aud ein
Touriftenvehifel und ein bloßes
Winterbeluftigungsmittel,wenn auch
mit jportlidem Charakter. Der
Hörnerſchlitten ift der unver-
änderte Holzichlitten der Gebirgler,
lediglich angepaßt für die Aufnahme
von Berjonen — ftatt von Scheit-
holz. Importiert wie der Schi,
aber nicht annähernd mit demjelben
Erfolg murden in unveränderter
Form der Rennwolf, der To-
boggan und der Kjälfer.
Eine noch nicht
jehv bedeutende
Rolle jpielt der Eis—
ſchlitten. Der Se—
gelſchlitten dagegen
fällt in das Gebiet
Adolf Ryiha.
diefer wieder den Bobsleigh ent:
ftehen laſſen.
Dieje beiden Formen nehmen
neben der Rodel ſportlich den höchſten
Rang unter den Sportſchlitten ein.
Allen übrigen Typen kommt
dann eine beträchtlich geringere
Bedeutung zu, weil ſie einerſeits
nicht überall gute Lebensbedingniſſe
finden und andererſeits nicht Sen—
ſationen von gleichem Maße wie
die zuerſt genannten drei zu geben
vermögen.
Bei jeder Type wird deren Bau—
art, die Art der erforderlihen Bahn
und die Technik ihrer Benügung
getrennt zur Beſprechung fommen.
Die Rodel.
269. Die Rodel ift das Ge-
meingut aller Winterfreunde und
erfreut fich gleicher Beliebtheit bei
alt und jung, bei bedächtigen
Wintertouriften und mwagemutigen
Nennfahrern. Wenn der Laie von
Sportichlitten und vergl. hört, denkt
er zunächit überhaupt nur an die
Rodel. Sie fann verwendet werden
des Gegeljportes
und findet hier nur
gelegentlih eine
Würdigung.
Die folgende Daritellung wird |
fh der hier gegebenen Einteilung
anſchließen. Zunächſt joll Die
Rodel inihren verjchiedenen Formen
und DBerwendungsarten zur Be:
jprehung fommen, weil fte das
verbreitetite und univerjellite der
Sportfahrzeuge ift und mehr oder
weniger auch bei allen Bate ftand.
Die jpeziell jchweizerifche Form
der Rodel hat dem Skeleton und
127. Norweger Kjälfer.
auf fteilen furvenreichen, mehrere
Kilometer langen Bergmwegen ſowohl
als auch auf fanften Hügellehnen.
Wie der Schi ein Gemeingut
faft aller Winterfreunde geworden
ift, fo iſt's auch die Rodel, ja noch
in größerem Maße. Cbenjo wie
die Schiläufer ſehr ungleiches
Können zeigen, find auch die Rodler
nicht mit gleichem Maße zu mejjen.
‚Den Schiläufern, die vor der Ber
IV. 3. Sıhlitfenfporfe.
Nro. 270.
zwingung eines Hochgipfels nicht | Boden auffteht. Sie ift ein 70 big
zurüdichredfen, ftehen die Rodler | 110 cm langes Holz oder Metall:
gegenüber, die in Eilzugstempo
ihre Fahrzeuge beim Rennen über
Tchwierige Streden jteuern. Bon bei-
den geht dann die Stala herab bis zu
den Beſuchern fanft geneigter
Uebungswieſen und den fröhlichen
Wieſenrutſchern. Alle fommen auf
ihre Rechnung. Und wie im Sci-
fporte die Heine Schar der kühnen
Springer gemifjermaßen die Elite
der Sportjünger bildet, fo ſtehen
die Bobsleigh-⸗Leute und die wag-
balfigen SteletonsFahrer an der
Spige der großen Gilde der
Sdlittenfportler.
Eine Befhreibung der Rodel
ift ungeachtet der Annahme, daß
das allgemeine Ausfehen des Fahr⸗
zeuges wohl befannt jein dürfte,
unbedingt geboten. Bei allen
Sportvehifeln fpielen ja die De-
tail8 eine große Rolle.
Die Industrie hat mit dem raſchen
Aufblühen des Winterfportes nicht
nur volllommen Schritt gehalten,
fie bat fogar ein noch fchnelleres
Tempo eingefchlagen und gerade
auf dem Gebiete der Rodelfabri-
fation eine Anzahl Typen und For⸗
men auf den Markt gebracht, die
nicht gerade durch wirklich praftifche
Erwägungen, vielmehr häufig nur
durch das Beftreben, wieder etwas
„Reue“ zubringen, entſtanden find.
Es empfiehlt fih daher eine Art
Normalform der Rodel aufzuftellen
und mit diejer die verjchiedenen
marktgängigen Formen auf Güte
und Zweckmäßigkeit zu prüfen.
Die Rodel ift ein zur Vorwärts⸗
bewegung durch die eigene und die
Schwere de Fahrers beftimmter
Schlitten mit einem in fefter Spur
laufenden Kufenpaare, auf welchem
ein bis drei Perſonen im Reitſitz
Pla nehmen können.
Kufe nennt man den Beftandteil
der Rodel, mit welchem diefe am
ftüd, da8 vorne ungefähr in einem
ViertelfreiS aufgebogen ift. Zwei
jolde Kufen, parallel und ſym—
metriſch in einer Entfernung von
30—40 cm nebeneinander auf den
Boden gejtellt, bilten das Auflager
der Rodel. Ober den Kufen laufen
zwei Längsleiſten, durch zwei oder
mehrere Duerleiften verbunden, die
den Sit tragen. Borne find die
Längsleiften mit dem Aufbug (Hör-
nern) der Kufen verbunden, rüd-
wärts unter dem Sit befinden ſich
ein oder zwei Paare von GSib-
ftreben, die hier die Verbindung
zwifchen Sit, Leiten und Kufen
berftelen, fo daß der Sitz etwa
20—25 cm ober den Kufen ſteht. Die
untere Fläche der Kufen trägt eine
feft aufgenietete Metallfchiene.
270. Das Material ift, wie
Ion erwähnt, Holz oder Eifen.
Urfprünglid wurden die Rodeln
nur aus trodenem Eſchenholz,
jpäter auch aus anderen Holzarten,
insbefondere Hickoryholz, Heute
vielfah aus Stahl, u. zw. Winfel-
oder U-Eiſen oder Mannesmann-
rohren, hergejtellt. Hölzerne Rodeln
bedürfen ſehr erafter Arbeit an
den Perzapfungen, die übrigens
vielfah mit Metallſchuhen ver:
ftärtt werden. Trodenes, zähes
Holz: ift unerläßlih, ebenfo ein
Metallbeichlag der Kufen, da Holz
allein zu wenig Gleitfähigfeit be=
fist. Den fchmiedeeijernen Bän-
dern, die im Anfang zum Beichlag
verwendet wurden, find Schienen
aus Werkzeugſtahl, an der Auflage:
fläche etwa 12—16 mm breit und
nicht zu Scharflantig, entſchieden
vorzuziehen. In jedem Falle müfjen
die Köpfe oder Nieten gut verjenft
jein, damit die „Sohle“ der Kufe
nicht kratzt.
Se weniger Verzapfungen und
Verbindungen eine Nodel zeigt,
— — — —
v *
A ee
> ai Zi De Di De En ——
‘ ö .
IT — we
u
Nro. 271,
Adolf Ryiha.
deito mehr Garantie bietet ſie Der Sit befteht in der Regel
gegen Brüche und Ausfprengungen | aus einem Gurtengefleht; auch
der Zapfen. Darin liegt der Vor- Holzleiften werden verwendet, find
zug der Metallrodeln, die meift | aber nicht jehr zweckmäßig.
aus einem Stüd gebogen werden | Das Gewicht einer Rodel b
und deren Teile mit Muffen zu: |trägt 3—6 kg; jchwere Formı
Jammengehalten find. die bejonders für Rennen weg
| des größeren Eig
gewichtes und d
beträchtlichen
derſtandsfähigk
bevorzugt werd
wiegen auch bis
10 kg und dar
über. uf
271. Die ge-
bräudlichiten For⸗
men find die Da—
vofer Rodel,
u‘
ein langes, niede= |
— ——— — — res Fahrzeug mit
HE Breiten Bandeijen-
johlen, Holzleiſten⸗
fig über die ganze
Länge, kurzen Hör-
nern, jtarf gebaut
aber nicht jehr praf-
tiſch. Die Breite
der Sohlen, die |
Länge und der zu
niedere Bau er:
jchweren die Lens
fung, die fehlenden |
Hörner laſſen den
Fuß die Stübe vers |
mifjen, der Holzes
leiftenfis iſt une
bequem; dennoch
find fie in der
Schweiz am mei-
jten verbreitet.
Das Gegenſtück
ft die Salz
burger Rodel,
ein hoher, kurzer
Schlitten, auch mit
Holzleiiten und et—
was Ddurchfedern-
den, leicht konver
131. Tiroler Rodel, gebogenen Kufen,
|
4 | * a)
Dr. Rziha (Mödling bei Wien): der Begründer des NRodeljportes.
Ein flinfe8 Fahrzeug, das aber
leicht fippt.
Die Halltaler Rodel, ein
rihtig Dimenfionierter
mit größeren Hörnern, Sitleiften,
die gegen rüdmwärts etwas tiefer |
ftehen, kurzem,
zurücgelegenem
Gurtenſitz, mittel-
breiten Bejchlägen;
eine handliche und
Ichnelle Form, nur
nicht immer ganz
verläßlich.
Die Vordern-
berger NRodel,
ein Mittelding zwi—
hen Galzburger
und Halltaler, mit
feinen Stahlbe—
Ihlägen und hohen
Kufen, die gut den
Schnee _ jchneiden.
Die Bayrifde
Rodel, ein ftarf-
fnodiger, wider—
ftandsfähiger, et—
was furzer Schlit-
ten, der bejonderg
dadurch auffällt,
daß fich die Längs-
leiftten vor dem
Sit kreuzen, die
linfe aljo zum
rechten Kufenhorn
führt und umge—
fehrt, wa3 zur Ber-
fteifung dient. Die
Tiroler Rodel,
gleichfall3 ein jtar-
fer, gebrungener
Schlitten, charak—
terifiert dadurch,
daß die Hufen durch
den Aufbug und
die Hörner jofort
in die Längsleiſten
übergehen, mit
ihnen aljo ein Gan⸗
ze bilden. Die
“ er . \ B #7 en
vn - * J
IV, 3. Schlittenſporte.
Leobner Rodel,
Niro. 271.
aus einem
Stück Stahlrohr gebogen, mit einer
bogenartigen Berbindung der Hör:
Schlitten | ner, die eine gute Handhabe bietet,
154. Phönirrodel.
ähnlih auch die Bhönirrodel.
Die Leobner Rodel ift in Oeſter—
18
= 272. Mdolf Rziha. ou
reich ſehr beliebt und wird in | portieren, für jehr jharje Fahrten
ftärfer gebauten Typen von den aber etwas zu wenig verläßlih.
befanntejten Nennfahrern benutzt. Mit diefer Aufzählung find nur”
Nanſen-Rodel, aus fevernden | einige der marktgängigen Typen
Bandeifen, daher etwas unficher. | erwähnt. Es gibt natürlich eine‘
Menge Zwiſchen—
formen, je nad
ihrer Brovenienz
der einen oder
anderen Grundtype
näherfommend und
von jehr ungleichem
Werte.
272. Kleidung -
und Ausrüſtung
der Fahrer bedür—
fen, wie bei allen
Winterjporten,
einer bejonderen
Sorgfalt. Für ges
135, Phönir:Rodel nach Leobner Modell. legentlihe Kleine
Rodelfahrten mag
Klapprodel, zwei zufammenleg- | bald ein guter Winteranzug ges
bare Kufengeftelle, die aufgeklappt |nügen, wer aber Ausflüge auf
durch einen Gurtenfit und einzus | alpine Bahnen zu machen gedenkt,
hafende Eiſenſpreizen verbunden | fol in diefer Richtung ja nicht leicht=
werden. Sie jind bequem zu trang- | finnig fein. —
-
EEE ZT ———— EL — —— rrr— FTIR
136. Nanfen=Rodel im Gebrauch. 137. Keobner
IV. 3. Sıhlitten[porfe.
Der Rodler iſt bedeutenden
Temperaturjchwanfungen ausgejeßt.
Beim Aufftieg erhigt das Steigen,
verbunden mit dem Tragen oder
Ziehen der Rodel den Körper, bei
der Abfahrt dringt ein Falter Luft-
jtrom durch alle Boren der Klei-
dung. Es empfiehlt fich, über einer
. wollenen Unterfleidung ein Paar
Kniehofen aus ftarfem glatten
Zrifotjtoff, der den ftaubenden
Schnee nicht fejthält wie die rauhen
Stoffe, zu tragen. Ein Leibchen
aus gejtridter Wolle mit Nermeln
it als Kleidung
für den Oberförper
dem Smweater vor:
zuziehen, weil es
nötigenfall3 geöff-
net werden fann.
Der Rod, au glei-
chem Stoffe wie
das Beinfleid, muß
am Halſe gut zu
Ichließen ſein. Sehr
zweckmäßig ift eine
furze Lederjade,
weil fie feinen Luft-
zug durdhläßt. Die
Kappe joll über
die Ohren zu ſchla—
gen fein. Die Wa:
den merden am
beiten mit Loden—
gamaſchen, engli=
hen Wideln oder
ftarfen Stutzen befleidet, lebtere
bedürfen aber eines Wickelſtreifens,
der das Eindringen von Schnee in
den Stiefel verhindert. Unerläßlich | ſ
auh für Kleinere Fahrten find
ftarf genagelte Bergihuhe und
grobe Fäuftlinge, die mit Stulpen
über die Aermel gezogen werden
fönnen. Fäuftlinge, die ſchwer
wafjerdurdläffig find oder minde—
ftend über die Fingerjpigen einen
Beſatz aus weichem Leder haben,
find für Fahrer, die bereits in die
Geheimnifje der Handlenfung ein-
Nro. 272.
zudringen vermochten, unerläßlid).
Jedenfalls ift ein ſehr warmer
Handihuh notwendig.
Den Damen jei dringend das
Tragen von ſog. Reformbeinflei-
dern aus jtarfem, aber nicht rauhem
Stoff empfohlen. Wenn irgend
tunlich, dann bleibt der lange Rod
(Schoß) überhaupt weg oder wird
wenigſtens zur Abfahrt aufgefchnallt.
Auf der Rodel wirkt der Frauenrod
geradezu al3Schneefänger, durchnäßt
I außen und innen und ift aljo
direft geſundheitsſchädlich. Auch
138. Klapper-Klapp=Rodel.
— —
139. Klapper-Alapp-KRodel.
ſieht das Aufſchlagen und Einklem—
men des Rockes unter die Beine
gewiß nicht ſehr ſchön aus. Mag
ein, daß bei andern Sporten das
Tragen von Männerfleidung jeiteng
der Damen nicht gerade notwendig
mar, beim Winterjport, insbeſon—
dere Schilauf und Rodeln, ift es
aus bygienifchen Gründen geboten.
Ein gut gejchnittenes® Beinfleid
und eine über die Hüften reichende
Sade wirken bei allen nicht zu
ftarfen Figuren ſehr hübſch.
An Ausrüftungsftüden bedarf
—R
Nro. 273.
der Rodler eigentlich nur eine gute
Rebſchnur zum Ziehen der Rodel.
Der Ruckſack iſt bei ſchneidigen
Fahrten hinderlich; tft feine Mit:
nahme unentbehrlich, dann muß er
vor der Abfahrt an den Leib feft-
gebunden werden, damit er nicht
beim Zurüdlegen des Oberkörpers
nachjchleift.
140. Keobner Stahlrennrodel im Gebrauch.
Schugbrilfen find bei Schnee—
treiben fehr gut, doch laufen fie
raſch an; beſſer ift eine neue Form
der Automobilbrilen mit einem
Shmalen Augenfhlig. Zu warnen
iit vor der Mitnahme von Stöden.
Selbft wenn fie bei der Abfahrt
unter den Sig gebunden werden,
befteht dod) die Gefahr, daß man
bei eventuellen Stürzen fi oder
andere mit der meiſt eifenbejchla-
genen Stodfpige verlegt.
| gabemeg,
;10°, und darüber hat, deffen
Adolf Rıiha.
273. Als Rodelbahn Tann jeder
der ein Gefälle von
Oberfläche aus hartgefrorenem oder
gut niedergetretenem Schnee be:
flieht und der nicht zu fehr von
Fußgängern oder Pferbefuhrmerl
benüßt wird, in Verwendung kom:
men. Auch geeignete Wiefenhänge,
wenn fie nicht zu
hoch mit Schnee
bededt find, oder
wenn die Schnee
dede hart gefroren
iſt, geben jchöne
Nodelbahnen.
Allein man wird
eine gewiſſe Unter:
Scheidung vom
Standpunkte der
müffen.
Für den Anfän-
ger und für be
quemere Fahrer
eignen ſich breite,
möglihft gerade
verlaufende Wege
ohne befondere
Hinderniffie und
Schmierigfeiten
und mit feinem al:
zugroßen Gefälle.
Alſo etwa ein
Stück Landſtraße,
ein gut ausge⸗
fahrener Wieſen⸗
hang, der unten in
ein flaches Stück (den Auslauf)
übergeht, ein ſanft fteigender Pro:
menadenmweg, alles mit eima 10
bis 15°/, Gefälle, einige hundert
Meter lang, ohne ftarfe Windungen
und Kurven.
Auch die Schneedede folder An:
fänger- und Beluftigungsbahnen
fol nicht zu hart gefahren jein.
Dann kann ſich ein luſtiges Rodler⸗
— — — — ee stem
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—*
Fahrer aus machen
— — — — — — — — — —
völkchen ungeſtraft tummeln, die
unvermeidlichen Stürze werden
— ——
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IV. 3. Sıhliffenfporfe.
harmlos verlaufen, die Bahn kann
zehn-, zwanzigmal befahren mer:
den, und dazwiſchen gibt es noch
immer Gelegenheit zu plaudern
und über die drolligen Stürze der
andern zu laden.
Bon diefem Standpunkte au?
fann man alſo ſolche Bahnen als
gute Rodelbahnen bezeichnen. Sie
find wichtig, denn fie ziehen die
erften Freunde des Sportes heran
und geben ihnen Gelegenheit, fich
auszubilden, die Feinheiten der
Lenkung zu lernen und dienen als
Borftufe für das Befahren echter
fportlider alpiner Bahnen.
Dieje wieder find die Domäne
der gejchulten Rodelfportleute. An⸗
fänger tun gut, ſich auf ſchwierige
Bahnen erft zu wagen, bis fie die
Lenkung volljtändig erlernt haben.
Bedauerlihe Unfälle, die ja leider
ziemlich häufig vorlommen, find in
der Regel darauf zurüdzuführen,
daß unerfahrene Rodler fich auf
Bahnen wagen, denen fie nicht ge-
wachſen find.
Für den wirklich geübten Fahrer
Dagegen gibt es nichts Köftlicheres,
als eine ſchöne Bahn, ſchön von
feinem Standpunfte. Die Kunft
des Sportrodlerg befteht eben darin,
das Fahrzeug in möglichſt großer
Schnelligkeit auf einer fchwierigen,
bindernigreihden Bahn zu Tal zu
fteuern. Der fportlide Reiz liegt
ja doch überall in der Befiegung
von Schwierigkeiten.
Diefe fchönen Bahnen, die ihm
dag ermöglichen, findet man in ge⸗
birgigen Gegenden in großer Zahl.
Sie führen entweder von verein-
zelten Gehöften, von Schughäufern,
Alpengafthöfen oder Holzichlägen
ind Tal, oft find ed auch Alpen
ftraßen — .aber nit aus der
jüngften Epoche des Straßenbaug,
der nie über 10°, Steigung
trafjiert —, die prächtige Abfahrten
gewähren.
Nro. 274.
Eine gute Bahn in diefem Sinne
muß lang fein, ein entſprechendes
Gefälle von 12—15°/, im Durd-
Schnitt und zahlreiche, vom Stand:
punkte des Rodlers aus inter-
efjante Kurven befigen. Eine Länge
von 2—3 km und darüber ift jtet3
erwünſcht, damit fi die Mühe
des Aufſtieges lohnt. Sol eine
folde Bahn auch zu Rennen be-
nützt werden, dann find diefe Er-
forderniffe doppelt geboten, damit
die Fahrer ihr volles Können zur
Geltung bringen können.
Die Oberfläche der Bahn bedarf
einer gewiſſen Beachtung. Ber:
eijungen follen womöglich vermie-
den werden. Auch fol die Bahn
nit von ſchwerem Fuhrwerk aus—
gefahren, geleiſig ſein. Tiefe
Schneelage bei lockerem Schnee be-
einträchtigt die Fahrgeſchwindigkeit
ſehr. Wo eigene Vereine fich die
Erhaltung folder Bahnen zur Auf:
gabe machen, läßt fich mit geringen
Mitteln leicht ein fchöner Erfolg
erzielen. Aber auch dag Fuhrwerk
fann bei richtiger Ladung (Holz
nicht in einzelnen Stämmen, jons
‚dern verfettet mit Reiftgunterlage)
die Bahn befahren und fie dadurd
befiern.
274. Die Ausübung des Rodel-
ſportes gefchieht in drei Arten.
Bloße Beluftigungs= oder Uebungs⸗
fahrten auf leichten Bahnen al?
Selbſtzweck oder zur Ausbildung
in der exakten Lenkung; Rodeln
als Beigabe der Touriftit, Ab-
fahrten von Schughütten, Paß-
übergängen u. dgl.; Rennfahren
und deſſen Vorübung, das Trai-
ning. Als fportliches Bravourftücd
kommt endlih noch dag Springen
mit der Rodel dazu.
Welche Art immer gewählt wird,
um dem Sporte zu huldigen, immer
halte man fi vor Augen, daß es
eben ein Sport ift, den man be-
treibt, und kein Kinderſpiel. Das
J Nro. 275.
vermietet.
wertige Fahrzeuge, Die leicht den
Dienſt verſagen. Auch find folche
- Abfahrten meift nicht unſchwer und
daher nur Geübteren zu empfehlen.
Rennfahrten bieten wohl das er-
leſenſte Wintervergnügen. Der | Große Gefchwindigfeiten können
4
u
Adolf
Außerachtlaſſen dieſer goldenen
Regel hat ſchon viel Unglück ver—
ſchuldet. Auch Uebungsfahrten wer:
den trotz aller guten Laune, allem
Uebermut doch beſſer ſtets mit
einem gewiſſen Maß ſportlichen
Ernſtes zu unternehmen ſein. Die
Grundprinzipien einer richtigen Len—
kung ſollen nie aus dem Auge ge—
laſſen werden.
Touriſtiſche Rodelausflüge zählen
1
zu den ſchönſten Vergnügungen, die
Rıiha.
Fahrer weiß, für welden Zmwed er I
jein Können einjeßt,; die raſche
Fahrt, die Aufregung des Kampfes’
und die Hofinung auf den Sieg, °
dabei die verhältnismäßig geringe
Anftrengung laffen die Teilnahme
an einem Nodelrennen ald eines
der ſchönſten Wintervergnügen, das.
der Allgemeinheit zugänglich iſt,
ericheinen.
275. Die Lenkung der Rodel
geſchieht durch die Füße, die Hände
141. Nehmen einer Kurve nach der veralteten Sahrmethode,
der Winter bietet. Eine Heimfahrt
durch den ftillen weißen Wald, bei
Mondichein etwa, ift etwas ganz
Köftliches. Nicht ſehr zu empfehlen
it e8, fih auf die Rodeln zu ver-
lafien, die der Schutzhauspächter
E3 find meift minder-
— —— 2
und die Verlegung des Körper:
gewichtes. In einigen Gegenden
Zirol8 und Salzburgs lenkt mat
auch mit einem langen Bergftol.
Dieje Methode wird bei Belchrei-
bung des Kiälferfahrend genauer
geichildert und ift für die Rodel
nicht zu empfehlen.
Anfänger müſſen zuerft die Len-
fung mit den Füßen erlernen, bie
im allgemeinen für Heine umd
mittlere Geſchwindigkeiten ausreicht.
—* —** ——
—
— TN
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** m.
.
Yale
Ya
(ie
In
au
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mr
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&
J
8
J
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IV. 3. Schlittenſporte.
nur dur Lenkung mittel® Ge-
wichtSverlegung und Handfteuerung,
die nur an ſehr ſchwierigen Stellen
mit der Fußlenfung unterftüßt wird,
erzielt werden.
Es werden in neuefter Zeit fog.
„lenkbare Rodeln” in den Handel
gebracht. Sie haben meijt entweder
zwei zueinander drehbare Kufen-
paare oder eine dritte drehbare
Lenkkufe. Da aber das Wefen der
Rodel in den zwei feiten Kufen
beiteht, fo gehören dieſe Fahrzeuge
eigentlich gar nicht in die Kategorie
der Rodel, jondern find eigentlich
Miniaturbobgleigh3. Sie bewähren
fih in der Regel auf jteilen Bah—
nen nit, da die Lenkvorrichtung
nicht ausreicht, um das Beharrungs⸗
vermögen der Rodel zu übermwin-
den, und find eigentlich) nur eine
Spielerei. Der Volljtändigfeit halber
werden fie mit den Eleineren Bobs⸗
leightypen (Boblettes) bejprochen
werden.
276. Die Fußlenkung beruht
auf dem Prinzip, dab durch Ekin-
feitige Bewirtung einer Reibung
auf der Bahn die Rodel nach jener
Seite abgelenft wird, an welcher
der MWiderftand verurſacht wird.
Die Rodel wird alfo dadurch ge—
fenft, daß je nad) Bedarf der linke
oder rechte Fuß mit dem Abjah
auf den Boden gedrüdt wird, wenn
die Rodel fih nah links oder
recht3 wenden foll. Die Stärke und
Dauer dieſes Drudes richtet fich
nach dem Grade der erforderlichen
Ablenkung der Rodel von der im
Momente ded Lenkens eingeſchlage—
nen Ridtung. Zum Ausfteuern
der Rodel auf gerader Bahn ge:
nügt ein ganz fanftes Streifen mit
dem Abfat. Bei Wegbiegungen und
ftärferen Kurven muß der Drud
entjprechend ftärfer fein und folange
fortgejegt werden, bis die Kurve
durchfahren ift.
Der Fahrer fitt, un diefe Fuß—⸗
Nero. 276.
bewegungen ſicher ausführen zu
fönnen, mit etwas zurüdgelegtem
Oberkörper ziemlich am rückwärtig—
ften Teil des Sites, fo daß die
Füße über die Hörner hinausſtehen,
und legt die Innenſeite der Knie
an die Rodel feit an; mit den
Händen wird die rüdmwärtige Ber:
längerung der Sißleiften, eventuell
der Lenkbogen erfaßt. Schlecht ift
es, die Rodel an einem Stück
Strick wie mit einem Zügel lenfen
zu wollen.
Beim Durchfahren ftärkerer Krüm—
mungen legt ſich der Oberkörper
von jelbjt in die Innenſeite der
Kurve.
Die Handlenfung und Yen:
fung durch Gewichtsverlegung be=
ruht auf demjelben Grundfaß, ein
feitig einen Widerftand zu verur-
ſachen. Statt mit dem Stiefel:
abja wird diefe Reibung mit der
Snnenfeite der Hand und Finger
bewirkt. Der Fahrer legt zu dieſem
Zwecke den Oberkörper meiter nad)
rückwärts und bei ftärferen Kurven
auch mehr einwärts und läßt mit
ftärferem oder ſchwächerem Drud
die leicht gefrümmte Hand auf der
Fahrbahn ſchleifen. Der Vorteil
diefer Methode liegt darin, daß
einerfeit3 die Hand für die Lenkung
viel empfindlicher ift als der Fuß,
alfo daß UWeberfteuern des Schlit—
tens vermieden wird, andererſeits
aus phyſikaliſchen Gründen ein viel
geringere®? Maß von Widerjtand
notwendig ift, um fchon den ge—
wünſchten Effekt hervorzurufent.
Außerdem wurde bei beſonders
ſcharfen Wegbiegungen die Hand
noch durch gleichzeitiges Einſetzen
des Stiefelabſatzes unterſtützt und
kann ſo eine ausgiebige Lenkwirkung
erreicht werden.
Die bloße Verlegung des Körper—
gewichtes und die dadurd bewirkte
Mehrbelaftung und erhöhte Reibung
einer Kufe reicht allein bei geringerer
Niro. 277-279.
Schhnelligfeit aus, um ſchwache
Drebungen der Rodel zu veran-
laſſen.
277. Das Bremſen des Fahr⸗
zeuges geſchieht bei nicht zu raſcher
Fahrt durch gleichmäßiges Einſetzen
beider Abſätze. Bei raſcher Fahrt
werden dagegen beide Füße mit
der vollen Sohle auf den Boden
aufgefegt und mit den Händen die
beiden Kufen vorne aufgehoben.
Dabei ftüßen ſich die Ellenbogen
auf die Oberjchenfel. Durch dag
Aufheben des vorderen Teiles der
Rodel gräbt ſich das rückwärtige
Ende der Kufen in die Bahn ein
und bemirft im DBereine mit dem
fräftigen Aufdrüden der Sohlen
ein Stehenbleiben auf fürzefte Di-
ſtanz.
278. Hinderniſſe und ſchwierige
Bahnſtücke bedürfen beſonderer
Sorgfalt ſeitens des Fahrers.
Waſſerablaufgruben werden über:
jprungen, wobei die Füße gut hoch—
gehalten werden müfjen und der
Oberförper fi) etwas nach vorn
neigt. Ebenſo werden fandige,
felfige Wegftellen mit feft an die
Hörner gelegten, hochgehaltenen
‚süßen überfahren. Während ber
Paſſierung folder Stellen darf
feine Lenkung vorgenommen werden.
Eifige Bahnftüde Haben Teicht
ein Schleudern der Rodel zur Folge.
Dieje Stellt fih dann quer zur
Fahrtrichtung, behält aber diefelbe
bei. In folden Fällen muß mit
dem Fuße fräftig abgeftoßen mer:
den, um dad Fahrzeug wieder in
die Richtung zu bringen.
Iſt ein Sturz unvermeidlich, fo
jol er vorweg genommen werden.
Der Fahrer läßt fich alfo, ftatt in
der Fahrrichtung abgefchleudert zu
werden, im leßten Moment freie
willig gegen die Fahrrichtung fallen
und ſchwächt jo den Sturz.
Anfänger verfallen gerne in den—
felben Fehler wie angehende Rad:
Adolf Riiha.
fahrer und Automobiliften. Sie
firieren die ihnen gefährlih er-
Iheinenden Hinderniſſe, Bäume
Pflöde ıc. und Ienfen dadurch auto⸗
matiſch, ohne es zu wollen, ihr
Fahrzeug auf das Hindernis zu.
Man gewöhne fih an, immer dort⸗
bin zu jehen, wohin man fahren
will.
Alles in allem genommen ift der
Rodelfport nicht ſonderlich gefähr-
lid. Wenn dennoch zahlreihe und
mitunter auch ernite, ja tödliche
Unfälle zu verzeichnen find, fo liegt
died nur darin, daß die Mehrzahl
aller Freunde des Sportes fich
nicht die Mühe nehmen, die wenigen
Griffe zu erlernen, deren Kenntnis
zu einer halbwegs fchnellen Abfahrt
unerläßlid ift. Man übe aljo an=
fang nur auf ganz gefahrlofen
Wiejenhängen und breiten, janft
fallenden Straßen und wird jo
jehr bald die allernotwendigften
Kenntniffe erwerben. Freilich, zur
Feinheit des Sportes vorzudringen,
dazu gehört viel Fleiß und Liebe
zur Sache.
279. Das Zweifigigfahren ge⸗
Thieht nad denfelben Regeln wie
da8 Fahren am Einſitzer. Ganz
verfehlt iſt es aber, Rodeln, die
als Einfiter gebaut find, zwei⸗ oder
mehrfigig zu befahren und noch
ſchlimmer ift ed, wenn ein mäßig
geübter Fahrer, Perjonen die gar
nichts von der Technif des Sportes
wiljen, mit fih nimmt. Gut 70
Proz. aller Rodelunfäle find auf
diefe Kapitalfünde zurüdzuführen.
Ein einzelner kann das doppelt
belaftete Fahrzeug allein nicht
fteuern und es wird unfehlbar in
einer Kurve die Lenkung verjagen.
Ein gutes Zweifiterpaar muß alfo
aufeinander „eingejpielt” fein und
alle Lenkbewegungen rhythmiſch und
gleihmäßig vornehmen.
Mehr Perſonen als zwei follen
eine Rodel nicht befegen. Das
"quawmgau gaany auio vqiſg ‘ıa "chi
ro. 280.
Fahrzeug müßte, um allen Pla zu
gewähren, übermäßig lang gebaut
jein und würde dadurch unlenfbar.
Kürzer gebaute Fahrzeuge dagegen
find überlaftet und haben daher die
Tendenz zu pendeln und zu fehleu-
dern. Zwei qut eingefahrene Rodler
auf einem entfprechend langen Fahr:
zeug von 80—100 cm Xauffläche
erzielen im Durdichnitte eine per
Kilometer um etwa 10 Gefunden
bejiere Seit als ein Einzelfahrer.
Andere Verwendungsarten der
Rodel, ausgenommen das Springen
über eine niedere, wellenförmige
Sprungichanze, haben feinen fport-
lichen Charafter; insbejondere nicht
das Jahren auf Rodeln, die an
einen Pferdeichlitten angehängt find.
Doc, bietet dies in heiterer Geſell—
jhaft ein beliebte und luſtiges
Wintervergnücen.
280. Tas Nodelrennen gilt wie
jeder ſportliche Wettkampf als die
vornehmſte Ausübungsart dieſes
Sportes. Selbſtverſtändlich gilt
dies nur von den wirklich ſportlich
geleiteten Rennen auf ausgeſpro—
chenen, langen Rennſtrecken. Rodel—
rennen auf Bahnen, die nicht min—
deſtens 1’, km lang find und ein
Durchichnittsgefälle von etwa 13 big
15 Proz. beſitzen, gewähren feine
Sicherheit für eine forrefte Aus:
tragung Des Kampfes.
Die Art der NRennftrede, ein
ſchmaler Bergweg u. dgl. gejtattet
nicht den gleichzeitigen Start aller
zeilnehmer. Die Nennen werden
daher nur nach Zeit gefahren, in-
dem ein Fahrer nad dem anderen
in der Neibenfolge der durchs Los
bejtimmten Startnunmern mit In—
tervallen von Y, bis 3 Minuten,
je nach der Schwierigkeit der Strede
vom Start abgelaffen werden. Die
Zeit, die jeder Fahrer zur Zurück—
legung der Nennftrede benötigt,
wird Durch zwei genaueit repaifierte
Stoppuhren abgenommen. Die
Adolf Ryiha.
Geſchwindigkeiten, die bei Rodel-
rennen erzielt werden, find relativ
ſehr bedeutend, wenn man bedentt,
daß abfichtlih Furvenreihe Wege
gewählt werden, deren Gefälle aud
nicht ftet3 genügend groß fein kann,
um die Rodel zur vollen Geſchwin—
digkeit kommen zu laffen.
So murde im Jahre 1906 die
Meijterfhaft der öfterreichifchen
Alpenländer auf einer 3200 m
langen Paßſtraße, die im oberften
Drittel ſtark verfchneit war und
neben vielen Krünmungen zwei
ftarfe S-förmige Kurven befigt mit
der Zeit von 4 Minuten und 11°),
Sekunden gewonnen. Der Fahrer
(Dr. Rziha) legte den Teßten
Bahnkilometer auf leicht vereifter,
ziemlich gerader Bahn in 57 Se—
funden zurüd, hatte aber dabei vier
Wafjerablaufgräben zu überspringen,
die von der Rodel in zirfa 4 bis
5 m langen Säßen genommen
wurden.
Die befte Zeit, die mit einer
Rodel nah offizielen Mefjungen
je gefahren wurde, erreichte Karl |
Markel (Graz) am Anninger bei |
Wien auf einer 1000 Meter langen
Bahn in 1 Min. 10%, Sek.
Zu folden Rennfahrten gehört |
Mut, Gejchidlichfeit und Geiftes:
gegenwart. Die Anftrengung iſt
nicht jehr bedeutend, nur dag Kreuz
jhmerzt durch Die zurückgelegte
Haltung und die Augen brennen |
infolge de3 eindringenden Schnee: |
ſtaubes.
Eine eigenartige Technik erfordert
der Start. Der Fahrer läuft, um |
jofort in Schwung zu fommen, an,
und fpringt von rückwärts auf die ,
Rodel, die er vor fih berfcdhiebt
oder mit der Hand hält. Für bie
Fahrt felbjt gilt der Grundfag, auf
geraden Streden fo jchnell als
möglich; die Rodel wird durch
Körperjchwingungen angetrieben.
In den Kurven jo vorfihtig als
— — —
IV. 3. Sıhliltenfporte.
möglich ohne allzuviel an Echnellig:
feit einzubüßen.
Die Preiſe find entweder Deko—
rationsgegenjtände aus Edelmetall,
insbefondere auch die Wanderpreije
oder Plafetten au8 Gold, Silber
und Bronze.
Sie ftehen natürlich, darin liegt
ja der fportlihde Wert, in feinen
Verhältnis zu den Mühen der Reife,
des Trainings und den Anjtren-
gungen des Rennen jelbft, und doch
find fie als fichtbared Zeichen des
Nennerfolges heiß erfehnte Ziele.
Der Skeleton.
281. Der Steleton ift wie fchon
fein Name fagt, engliihen bezw.
amerifanifhen Urjprunge® und
wurde an den befannten Schweizer
Winterkurorten zuerft in Benügung
genommen.
Einer unverbürgten Mitteilung
zufolge, ſoll ſchon im Sahre 1887
ein Amerikaner Namens Chield
einen Sfeleton im Engadin vor-
geführt haben.
Bei Belprehung der gebräud)-
lichjten Rodeltypen wurde nicht
ohne Grund an erfter Stelle der
Schweizer: oder Davoferfdlitten
genannt. Als Rodel nicht fehr
verwendbar hat er doch eine große
Bedeutung für den Winterjport, da
er den Skeleton und diefer wieder
den Bobsleigh ind Leben rief. So
ift die Davofer Rodel aljo der
Vater des erjteren und der Groß:
vater des „Bob“, des Königs unter
den Sportfdlitten.
Wann der Skeleton zum erften-
male gebraucht wurde läßt fich nicht
genau feitjtellen, doch dürfte feine
Entftehung in die 80er Jahre des
vorigen Sahrhunderts fallen.
282. Die Bauart des Skeleton
greift auf die lange, niedere Da⸗
vojer Rodel zurüd. Wer jemals
Knaben beim Sclittenfahren beob=
Nro. 281—282.
achtet hat, wird den einen oder
andern Fahrer beobadtet haben,
der ſtatt auf feinem Schlitten
im Reitſitz zu fiten, mit dem
Bauhe darauf lag und mit
den nachſchleifenden Fußſpitzen
lenkte. Dieſe nicht gerade ſehr
äſthetiſch wirkende Fahrmethode hat
auf den kurzen Rodelſchlitten keiner—⸗
lei beſondere Vorteile. Die langen,
niederen Davoſer Rodeln dagegen
eignen ſich für dieſe Methode ge—
radezu beſſer als für das Fahren
im Reitſitz. Nur reicht die Lenkung
mit den nachſchleifenden Fußſpitzen
nicht immer, beſonders nicht auf
kurvenreichen Hohlwegen, aus. Der
Fahrer wird daher naturgemäß
trachten, das Fahrzeug auch mit
den Händen zu lenken, indem er
die Hörner in die gewünſchte Yahırt-
richtung reißt.
Diefem Verfahren entipricht die
Bauartdes Skeleton. Kufen, Hörner
und GSigleiften find für jede Seite
aus einem einzigen Stüd Rund
eilen gebogen und zujfammenge-
ſchweißt. Die Länge diejes Eijen-
gerippes beträgt etwa 1 m big 1 m
20 cm. Beide Bögen find quer
mit Eifenftangen verbunden und
die rüdmärtigen ?/, der Länge
tragen Statt des Sitzes ein mit
einer Matrage verjehenes Brett.
Das vordere Drittel der Längs—
leijten ift mit Schnüren ummunden,
um der Hand einen ficheren Griff
zu gewähren. Der Teil des Eiſen—
bogens, der die Kufe bildet, weijt
einen gleichmäßigen runden ober
ftehend ovalen Querſchnitt auf, die
rüdmärtigften 10 cm aber find
bäufig Fantig zugefeilt.
Außerder Steletontype mit feſtem
Polſter ftehen aud) folche mit Gleit—
politer, Sliding, in Gebraud. Der
Sliding ermöglicht es dem Fahrer,
den Körper je nad) Bedarf mehr
gegen das Schlittenende zu legen
oder fih mit famt dem auf Schie—
Nro. 283—284.
nen gleitenden Polfter nad) vorn
gegen die Schlittenfpige zu ziehen.
Dieje Bewegungen find bei der
Lenkung oft notwendig.
Auch Holzifeletong werden ge=
baut, find aber nicht beliebt.
283. Zur Augrüftung des Stele-
tonfahrer8® gehört unbedingt ein
Paar Fußeiſen zum Bremjen und
zur Unterjtügung der Lenkung, da
die bloßen unbemwährten Stiefel:
ſpitzen auf glatter Bahn nicht an=
greifen würden. Sie beftehen aus
einer der Sohle angepaßten Metall:
platte, die vorne einige ſcharfe ge—
radeftehende Stacheln trägt. Mit
Niemen oder Gurten werden die
Eifen feit an den Fuß gefchnallt.
Adolf Rıiba,
Fahrzeug ganz fabelhafte Geſchwin⸗
digfeiten erreichen Tann.
Diefe Umftände zufammen ge-
nommen und endlid die Unmög-
lichfeit, den Schlitten im vollen
Laufe zu bremien, lafjen es begreif:
lich erfcheinen, daß der Skeleton
nicht auf jeder Bahn gefahren wer:
den kann. Gigentliche ſchwierige
Rodelbahnen find für ihn über:
haupt unbefahrbar. Nur ganz leichte
Bahnen, Straßen, Bromenademwege
fönnen mit dem Skeleton befahren
werden, gejtatten ihm aber aud
nicht die volle Entwidlung feiner
Fähigkeiten.
Der Steletonjport braudt daher
eigene Rennbahnen. Freilich laſſen
Als weitere Ausrüſtung find ſich auch gut gehaltene Fahrwege
Knieſchützer häufig in Verwendung, | benügen, allein die größten Ge—
die nach Art der Meißelſchützer des
Fechters die Kniejcheibe mit einer
aepoliterten Lederkappe, die in der
Kniekehle feitgefchnallt wird, ein-
hüllen. Auch Ellbogenſchützer glei-
cher Art, ja fogar Sturzfappen aus
Leder zum Schutze des Schädels
und der Ohren bei Stürzen ſtehen
manchmal und nicht mit Unrecht
in Verwendung.
Die Kleidung darf keinerlei Haken,
Taſchen, Knöpfe u. dgl. haben, mit
denen ſich der Fahrer am Schlitten
verhängen könnte. Skeletonfahrer
benützen daher regelmäßig den
Sweater und befeſtigen ihn um den
Leib mit einem Riemen.
284. Skeletonbahnen. Die
charakteriſtiſche Fahrmethode für
den Skeleton iſt die Bauchlage des
Fahrers. Kollidiert der Fahrer
alſo mit einem Hindernis, ſo iſt
unfehlbar der Kopf zunächſt in Mit—
leidenſchaft gezogen. Außerdem
bewirkt aber die Bauart und
Schwere des bis zu 30 kg wiegen:
den Sclitteng, der geringe Luft:
widerftand den der liegende Körper
bietet, der geringe Schnelligfeitg-
aufbraud) bei der Lenkung, daß das
Ihmwindigfeiten erfordern unbedingt
einen eigenen Bau der Kurven,
damit der Fahrer nicht durch die
Flugfraft aus der Kurve gejchleu-
dert wird. Auch genügt eine bloß
harte Schneedede nicht zur Ent:
faltung der vollen Geſchwindigkeit,
die Dede muß vielmehr Fünftlich
vereift werden.
Ausſchließliche Steletonbahnen
befigen nur Davos und St. Morit
in der Schweiz u. 3m. letzteres bie
klaſſiſche Skeletonbahn: den Creſta
Run. Die Bahn hat die Länge
einer engliſchen Meile (1206 m)
und ein Durchſchnittsgefälle von
122/, Proz. Die zahlreichen Kurven
ſind nach Art der Radrennbahnen
beträchtlich überbaut. Außerdem
hat St. Moritz den 600 m langen
Dimfon-Run mit 9 Proz. Gefälle
und Davos den Ice-Run 600 m
lang mit 10 Proz. Gefälle, beide
natürlich mit hochgeböſchten Kurven
und blanter Eisdecke.
An den Sportpläßen Deutſch⸗
lands und Dejterreichg, fowie an
anderen Schweizer Kurorten werden
die bejtehenden Bobsleighbahnen
für Sfeletonrennen verwendet.
IV. 3. Sıhlitfenfporte.
285. Die Lenkung des Skeleton
erfolgt, wie jchon angedeutet, in
der Weife, daß der auf dem Fahr:
zeug liegende Fahrer mit den Hän-
den, die den vorderen Teil der
Zängsftangen und die vordere Quer⸗
fpange erfafjen, den Schlitten um
den rückwärtigen Teil der Kufen
berum in die gewünſchte Richtung
reißt. Dazu muß ſich der Ober-
törper etwas aufrihten und mit
gefrümmten Cllbogengelenten in
Stüß gehen. Die Fußſpitzen helfen
nur in dem Falle mit, wenn gleich⸗
zeitig dad Tempo verlangjamt wer:
den fol.
Außerdem folgt natürlich der
ganze Körper der Lenkung mit und
pendelt in den Kurven je nad der
Flugfraft aus.
Die Lenkung eines Skeleton auf
fchneller Eisbahn ift ungemein
ſchwierig. Die ſchweren Schweizer
Bahnen dürfen auch nur von ge-
übten Fahrern befahren werden.
Es iſt ganz unmöglid, in Furzen
Worten die Detail® der guten
Lenkung näher auszuführen.
286. Die Ausübung des Ste-
letonſportes befteht fait nur im
Nennen und dem vorbereitenden
Training bezw. in Rekordverſuchen.
Die Schwierigfeiten des Sportes,
wenn er richtig, — das heißt auf
eigens erbauter Bahn, — ausgeübt
wird, laflen feine Halbheiten zu.
Die nad) Zeit gefahrenen Rennen
bilden an den großen Schweizer
Winterfporiplägen Senfationen.
Dies ift begreiflih, wenn man
die Zeiten vernimmt, in welden
die Rennftreden zurückgelegt werden.
Grefta:Run (1206 m) Thornton in
59,7 Sek., Dimfon-Run (600 m)
Moegli in 41 Sek., Sce-Run (600 m)
Gaudy in 49°, Sek.
Weſentlich weniger inıpofant find
die Zeiten des GSteletond auf
Bobsleigh-Bahnen 3.8. Poftitraße
Aroja bis But 3200 m in 5 Min.
Niro. 285—287.
18 Sef., Schlittenbahn in Friedrichs:
roda 1600 m in 1 Min. 56 Sek.,
Bob8leighrennbahn am Semmering
(1907 noch in halber Länge mit
1300 m) in 1 Min. 54 Self. 1909
gewann die Meiſterſchaft Jar Gouſſi
mit der Zeit von 2 Min. 38 Se.
(über 1908 m).
Aus diefen wenigen Beijpielen
geht hervor, daß der Skeleton ein
ausſchließliches Rennfahrzeug, aber
nur auf ganz jpeziellen Bahnen, ift.
Auf einer Bobgleigh-Bahn vermag
er weder gegenüber dem Bob noch
gegenüber der Rodel aufzulommen.
Bei einem Rennen dag im Winter
1908 auf der ausgebauten 1908 m
langen Bob8leighrennbahn am Sem⸗
mering bei Wien gefahren wurde,
differierte die befte Zeit zwiſchen
Rodel und Skeleton um 1 Sekunde,
ein Beweis dafür, daß der Skele⸗
ton nur in ganz bejchräntter An-
wendung eine ſportliche Berechti-
gung hat.
Bei den ganz enormen Schnellig-
feiten aber die der Skeleton auf
eigenen Bahnen entwidelt — 3. B.
bei den Creſta Leaps, ber fteilften
Bahnitele rund ein Tempo von
125 km per Stunde — fommt dem
Sport auch eine bedeutende Gefähr-
— 2— zu.
287. Zeitnehmung. Intereſſant
iſt es, die Methode zu kennen, nach
welcher die Fahrzeiten auf Skeleton⸗
bahnen gemeſſen werden. Bei den
ungeheueren Schnelligkeiten die alle
Fahrer erzielen, ergeben ſich natür⸗
lich zwiſchen den einzelnen Favorits
nur ganz geringfügige Zeitdiffe—
renzen. Um dieſe nun bis auf
eine Zehntelſekunde genau feſt—
ſtellen zu können, geſchieht die
„Zeitnehmung“ automatiſch mit
Benützung der Elektrizität. Am
Ziele befindet ſich eine elektriſche
Uhr mit einem großen, in Zehntel:
(Fünftel-)Sefunden geteilten Ziffer
blatt. Der Strom, der die Uhr
Niro. 288.
in Gang feßt, ift für gewöhnlich
nicht geſchloſſen. Ein einfacher
Mechanismus am Start von dem
eine Drahtleitung zum Ziele führt,
Schließt den Stroinfrei3 in Dem
Moment wo der Fahrer ftartet und
unterbricht ihn im Augenblid wo
der Schlitten dag Zielband berührt.
Die Uhr läuft daher gerade jo
lange als der Fahrer Zeit zum
Durchfahren der Strede benötigt.
Die Zufeher können dadurch den
Derlauf des Rennens fontrollieren.
Das Deffnen und Scließen des
Stromkreiſes gefchieht, indem der
Fahrer in fliegendem Start eine
quer über die Bahn gefpannte feine
Schnur zerreißt. Dadurd) fällt ein
geſpannter Kontafthebel nieder.
Am Biel wird wieder eine Schnur
durchriſſen, was aber hier das Ab—
reißen eines Kontaktes zur Folge
hat.
Eine Zeitnehmung von gleicher
unfehlbarer Verläßtichfeit ift bisher
in feinem anderen Sportzweige in
Uebung. Die Rennrefultate, welche
durch Die automatisch-eleftrifche Zeit⸗
nehmung fejtgejtellt werden, find
ſchlechterdings unanfechtbar.
Die Rennen werden ſowohl mit
dem Skeleton als auch mit dem Bobs⸗
leigh meiſt in mehreren „Läufen“
gefahren, jeder Fahrer bezw. jedes
Fahrzeug hat alſo die Rennſtrecke
zweimal oder öfter und zwar das
zweite Mal mit umgekehrter Reihen—
folge des Startes zu befahren. Die
in den einzelnen Läufen erzielten
Fahrzeiten werden addiert.
Der Bobsleigb.
288. Entwidlung. In Kanada
benübte man, wie aud) bei ung,
zum Transport von Langholz im
Minter zwei voneinander unab—
hängige Kufenpaare, auf welden
dag Langholz fo befeftigt war, daß
die Kufenpaare fi drehen können.
Adolf Ryiha.
Dabei pendelt dad Langholz natur:
gemäß hin und ber, was zu dem
Namen Bobsled (bob = pendeln, bau:
meln) für diefen Schlitten Anlaß
gab. Sm Sabre 1890 Fam der
Ameriluner Wilfon Smith auf
die Idee, zwei Skeletons mitteld
eines Brettes in gleicher Weile zus
Sammenzufoppeln, um mehreren
Perſonen Pla zu ſchaffen Der
vordere Skeleton erhielt eine ein
fache Lenkvorrichtung und der Bobs⸗
leigh mar fertig. Zunächſt wurde
er, da die fporttreibenden Ameri⸗
kaner und Engländer nur die Schweil
zu ihren Wintervergrügungen er
wählten, auch nur in der Schweiz
befannt und erft um das Jahr 1903
begann diefe prächtige Schlittentype
auch in Deutfchland und Defterreid
Anhänger zu finden.
Die Verbreitung des Automobild
und damit die Webertragung der
Lenfradfteuerung auf den Bobsleigh
bildet den lebten Schritt in deſſen
Entwidlung.
Sp jung der Sport ift, fo hat
er doch ſchon eine erftaunlich große
Verbreitung, wenn man bedentt, daß
wenige der vorhandenen Wege und
Straßen fi für den „Bob“ (die
gebräuchlide Abkürzung) eignen,
daß die Anlage eigener Bahnen
fer Eoftjpielig ift, und daß auf
der Betrieb des Sportes nicht ge
rade billig ift.
Im Winter 1907 eriütierten in
der Schweiz, in Deutſchland und
in Defterreich bereits je zwei künſt⸗
liche Bobbahnen. Beſonders die
Bahn am Semmering bei Wien,
deren Anlage ſtellenweiſe 4 m hohe
Stüß- und Futtermauern erforderte,
ift ein Kunftwerf der Straßenbau:
ingenieure. Die Geſamtbaukoſten
diefer ſechs Bahnen repräjentieren
ein ftattliche8 Vermögen, die Er:
haltung derſelben verjchlingt jähr-
li einen Betrag, von dem eine
Familie luxuriös leben könnte.
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3 >- 2: 23. Ge sr BE hr
IV. 3. Sıhliffen[porfe.
Nr. 289.
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143. Ein Bobsleigh-Crew in der Kurve,
Dabei breitet fich der Sport im—
auf einer Drehicheibe oder Dreh—
mer mehr und mehr aus und neue | jchiene des vorderen Kufenpaares
Bahnen find teild in Bau teils
projeftiert.
Auch die Fahrzeuge ſelbſt geben
Gelegenheit zu neuen Verfuchen und
Verbefjerungen und es läßt fidh
heute noch gar nicht ermeſſen, welche
Ausgeftaltung diefer jüngfte aber
enorm lebensfähige Winterjport
noch erfahren wird.
289. Das Fahrzeug bejteht im
Weſen, wie jhon erwähnt, aus
einem Syftem von zwei zueinander
drehbaren, mit einem langen Sib-
brett verbundenen Kufenpaaren. Der
Drehpunft liegt, wie bei einem
Magen, ober der Mitte des vor:
deren Kufenpaared. Bei gerader
Fahrt laufen beide Kufenpaare in
gleiher Spur. Das Sitzbrett iſt
gepoljtert und gibt Raum für vier
bis ſechs Fahrer, die im Reitſitz
auf demjelben jo Play nehmen,
daß der Vordermann zwijchen den
Füßen des Hintermannes fit. Am
vorderen Ende des Sitbrettes be:
findet ſich die Lenfvorrichtung, die
auf das vordere Kufenpaar wirft
und dieſes bi zu 45°/, gegen die
Längsachſe des Schlitten? beider-
feit3 drehen läßt. Der Sig ruht
mit einem Drebzapfen auf.
Die Lenkvorrichtung älterer Mo—
delle bejteht in zwei Seilen, die
über fejte Rollen laufen und an
dem vorderjten Teile der Kufen
befeftigt find, der vorderfte Fahrer
(Lenker) hält diefe Seile mit zwei
Griffringen und bewirkt durch einen
Zug linf3 oder rechts die analoge
Drehung der Kufen. Die neueren ,
Modelle befigen die ſchon erwähnte
Steuerung mit dem Lenfrade. Am
unteren Ende der, wie beim Auto-
mobil oben das Lenkrad tragenden
Bolantjtange, unter dem Site, iſt
eine Seiltrommel aufgejchraubt, um
welche die beiden Seile gegengängig
laufen. Die Lenkvorrichtung iſt häu—
fig mit einer rammſpornartig zu—
laufenden Blechkappe geſchützt. Dieſe
dient auch dazu, die Luft leicht zu
durchſchneiden.
Sm Winter 1908/09 hat man
an den Schweizer Sportplägen
vielfah auf den Bob mit Seil:
fteuerung zurüdgegriffen, während
jonft noch der Volant-Bob domi—
niert. 1
Bon großer Wichtigkeit ijt beim
Bob die Bremfe, die beim Sfeleton
“
Nro. 290-291. Adolf Rıiha.
überhaupt unbelannt, bei der Rodel
eine feltene, immer höchſt unfport=
liche Beigabe ift. Sie wird vom
rückwärtigſten Fahrer mit zwei bei-
derfeitigen Hebeln betätigt und be—
fteht in einem quer hinter den rück—
wärtigen Kufen liegendem Eijen
mit mehreren fcharfen Baden.
Das Material der alten Bob-
modelle war — abgeſehen vom Sitz⸗
brette — Eifen. Die neueren Mo—
delle find aus Holz mit Stahl:
befchlägen, ja bejonderd gut Fon:
ftruierte Fahrzeuge werden mit
maffiven Nideljtahlkufen hergeftellt.
Die alten Modelle haben Sfeleton-
fufen aus Rundeifen, die Rufen der
neueren Formen find jchmale, etwas
über Handbreite hohe, vorne ge—
pist zulaufende Bretter.
Zum Schute der Füße befinden
fich feitlih am Sigbrette Fußraften,
längs derer eine Schutzſtange aus
Metall oder Holz parallel zum Siß:
brette läuft.
Die ganze Bauart ift Außerft
folid und eraft.
290. Die Kleidung der Fahrer
ift ähnlich, wie beim Steletonfport.
Es gilt aber als fportlih, daß die
Fahrer eines Bobs ſich gleich Fleiden
und irgend ein gemeinjames Ab:
zeichen auf der weißen Müte oder
an der Bruftfeite der Smeater ein
gefticlt tragen. Es ift üblich, dem
Schlitten einen Namen zu geben.
Tiefer Name bietet dann öfter Ge-
legenheit zur Auswahl des erwähn—
ten Abzeichens auf der Kleidung.
Sp trug die Mannschaft des Bobs
„Beetle“, der im Winter 1907 in
St. Mori Triumphe feierte, mäch:
tige Käfer in jchwarzer Wolle ge:
jtidt auf den weißen Smeatern,
die Mannihaft des Bobs „Kis—
mei” Halbmond und Stern.
291. Bobsleighbahnen find ent-
weder eigene Kunjtbahnen oder
Gebirgsitragen. Mangelhaft traf:
fierte Mege mit mechjelndenm Ge-
fälle eignen fih ſchon nit mehr
jehr für Bobfahrten, Rodelbahnen
find nicht befahrbar. In der Schmeii
werden die berrlihen Poſtſtraßen
an verfchiedenen Orten dazu be:
nüßt, haben aber natürli Den
Nachteil, daß ihre Kurven nidt
überböjcht, bezw. nur notdürftig mit
Schneewällen ohne Unterbau über:
böfcht find.
Solde Bahnen hat u. a. Aroſa,
Grindelwald und GCaur.
Die tonangebenden Orte Davos
und St. Morig haben natürlich ihre
eigenen Bobbahnen, die nicht nur
für Rennen, fondern au für Ver:
gnügungsfahrten benügt werben.
Erftere8 hat im Jahre 1907 die
Schaßalpe-Bahn mit 3400 m Länge
und 9%, Durchſchnitt-Gefälle neu:
erbaut. (Befte Fahrzeit 4 Min.
52 Sef.) St. Mori hat eine Bahn
von 1600 m Länge und 8°/, Ge
fälle. (Befte Zeit Prinz H. Reuß
XXXVI in 1 Min. 39,5 Self.)
Deutſchland befitt die Bahnen von
Friedrichsroda mit 1600 m und 9 °/,
Gefälle (1Min. 41 Sek.) die im Jahre
1905 errichtet wurde, von Uber:
hof und Bad Kohlgrub eine 2000 m
lange Bahn, die 1907 erbaut wurde.
In Dejterreih wurde im Sabre
1905 mit dem Bau einer Nenn:
bahn begonnen, die 1907 auf die
Länge von 1908 m ausgebaut
wurde. (2 Min. 08 Sek.) Sm
gleichen Jahre wurde in Kitzbühl
eine 1000 m lange Bahn erbaut.
Außerdem dienen die Bergftraßen
bei Gofjenfaß, St. Anton am Arl⸗
berg und am Präbichl ald Bob:
bahnen. Die Bahnen in St. Morig|
und am Semmering find mit autos:
matijchseleftrifdereitnehmung ver:
jehen. Vielfach erfolgt auch die Zeit:
nehmung telefonifh, indem ver’
Starter fein „Los!“ in die Tele:
fonmufdel ruft und der Zeitnehmer
am Ziel im jelben Momente die
Stoppuhr in Gang feßt. '
nicht 8
topelbaht
der Sr
Bott
day!
türlich!
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thüefi!
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9
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u)
iv. 3. Schliffenfporie.
Die obigen Angaben über Bahnen
werden wohl bei Erfcheinen dieſes
Buches Schon wieder überholt fein.
Die Erhaltung einer guten Bob-
bahn bedarf vieler Sorgfalt. Die
Bahn foll täglich gekehrt und glatt
‚gerecht, gewalzt oder geftampft und
fodann mit Waſſer befprigt werden.
Beionderd in den Kurven, in wel—⸗
hen der Schlitten durch die Flug:
fraft ganz befonders ſtark auf die
fchräg ftehende Bahndede drüdt,
muß dieſe Pflege jehr gewiſſenhaft
geſchehen, da eine lodere gleifige
Dede dad Einbreden einer Kufe
und jo einen fchweren Sturz ver:
ſchulden kann.
292. Die Lenkung des Bob3-
leighs obliegt in allererjter Linie
dem Steuermann. Durch Zug an
den Lenkfeilen oder Drehung des
Lenkrades gibt er dem vorderen
Kufenpaare die gewünſchte Richtung,
welcher dann der ganze Schlitten
folgt. So einfach ift jedoch diefe
Lenfung nidt. Schon auf gerader
Bahn wird dag vordere Kufenpaar
durch Heine Unebenheiten der Bahn
oder unrichtige Bewegungen der
Fahrer ftet3 ein wenig aus der
Richtung gebradt. Der Lenker muß
daher ununterbroden die Richtung
forrigieren. Dazu gehört vor allem
Feinheit und Weichheit in der Hand.
Wie ein gutes Reitpferd will der
Bob gelenkt werden; niemals derb,
aber unter fortmährender Füh—
lung.
Sehr jchwierig ift dag gute Be-
fahren ftärferer Wegtrümmungen
und beſonders der eigentlihen Kur:
ven. Die größte Kunft liegt im
Einfahren in die Kurve. Der Lenker
muß das richtige Gefühl für die
Triebfraft feines Schlitten in jedem
Momente haben. Er muß genau
fühlen, wie fharf oder janft er die
Kurve einfahren darf, damit die
Flugkraft eben durch den feitlichen
Drud der in der überhöhten Kurve
Niro. 292.
fohief ftehenden Kufen aufgehoben
werde. Fährt er die Kurve zu ſpät
an, fo fann bei ftarfen Trieb der
Schlitten über die Böſchung ſchießen,
bei ſchwachem aber auf derſelben
ſtecken bleiben oder ſeinen ganzen
Schwung verlieren. Fährt er die
Kurve zu früh an, ſo wird er bei
ſtarkem Trieb die Drehung nicht
zuwege bringen, bei ſchwachem aber
von der Ueberhöhung abgleiten und
in beiden Fällen ſtürzen. Will er
im letzteren Fall den Sturz ver-
meiden, fo muß er von der Ueber—⸗
höhung herunter gegen die Innen
jeite der Kurve halten, fährt alfo
in der Kurve eine Schlangenlinie
und verliert allen Schwung.
Das richtige Anfahren der Kurve,
der gemifje goldene Mittelweg iſt
nicht leicht zn treffen. Sit die Kurve
richtig angefahren, dann halte man
fo lange als möglich die äußere
überhöhte Seite, was beim Weber:
gang in die Gerade eine Verſchär—
fung des Tempos bemirft.
Viele Kurven enden in eine
Gegenkurve vor dem Uebergang in
die Gerade, die meift bejondere
Schmierigfeiten bietet.
Die Mannſchaſt des Bobs ift
feinesmegs untätig. Zunädjt hat
der Bremfer die verantwortungg:-
volle Aufgabe, im Notfalle, aber
aud nur dann, das Tempo ent-
ſprechend zu vermindern. Auch er
fann durch einen Bremszug im rich-
tigen Moment die Einfahrt in die
Kurven erleichtern oder dag Schleu-
dern des Schlittens aufheben, einen
drohenden Sturz abwenden. Sm
unrichtigen Moment kann ihm aber
auch gerade das Gegenteil glüden.
Nur dur Mebung läßt fich bier
dag richtige Gefühl erwerben.
Die Mittelleute (2 —4 Mann
zwiſchen dem Lenker und Bremjer)
haben zweierlei Funktionen. Sie
treiben zufammen mit dem Brem-
fer den Scdlitten zu NEN
Nro. 293.
Tempo an und jorgen für
tige Gemichtsverteilung
Kurven.
Eriteres gejchieht durch rhyth—
miſch pendelnde Bewegungen der
Oberkörper („boben“ vom — eng—
lifden: to bob). Auf Kommando
des Bremferd werfen alle gleich—
zeitig mit einem jähen Ruck den
Oberförper nach vorn über, legen
fih dann langjam wieder nad) rüd-
wärts, wiederholen wieder auf Kom—
mando den Rud ujw.
Durch, das gleichzeitige Vorfallen
144. Detail aus dem Bobparf.
der Oberförper erhält auch der
Schlitten einen kräftigen Ruck nad)
vorne.
Die Unterftügung in der Lenkung
gefchieht durch das jeitliche Aus⸗
legen der Oberkörper in die Innen—
feite der Kurve. In der Regel iſt
nämlich die Flugkraft des Schlit—
tens in Biegungen noch größer, als
der feitlihe Widerſtand der Ueber—
böhung. Dieſes Plus an Flug:
fraft wird durch das „Auslegen“
der Oberkörper nach der Innenjeite
der Kurve aufgehoben, außerdem
bewirkt die Mehrbelajtung der in—
Adolf Ryziha.
die rich- Ineren Rufen eine Erleichterung der
in den | Lenkung. Natürlich dürfen dieje Be:
nur befördern.
wegungen nicht plötzlich, jondern
ſanft, entfprehend dem Einfahren
in die Kurve ausgeführt werden
und muß der Grad des Auslegens
dem Zwecke angepaßt jein. Dat
der Lenker aljo die Kurve zu früh
angefahren und läßt die Triebfraft
des Schlitten auf der Höhe Der
Böſchung ftarf nad, jo würde das
„Auslegen“ den Sturz nadhinnen
Sehr geübte Mannſchaften fönnen
das „Auslegen” mit dem „boben“
verbinden.
Man fieht aus dem ganzen, daß
ein fehr feines Zufammenjpiel der
Bobmannſchaft unbedingt erforder:
lich ift.
293, Die Ausübung des Bob3-
leighſportes geſchieht, wie gejagt,
meift nur auf Kunſtbahnen oder in
Ermangelung derjelben auf guten
Alpenftraßen. Straßen niederer
Ordnung eignen fih ſchon Ichlecht,
Waldwege und überhaupt alle eigent-
lichen Rodelbahnen find, ebenſo wie
die ausfchlieglich für Skeleton ge-
IV. 3. Schliftenfporfe.
bauten Kunftbahnen nicht zu be-
fahren,
Das ſchwere Fahrzeug kann von
der Mannschaft nicht transportiert
werden. Es wird durch ein Zug:
fer auf die Bahnhöhe gebracht. In
Defterreich ſowohl als in der Schweiz
beſtehen Bobbahnen (Straßen), deren
Traſſe die Aufwärtsbeförderung
der Schlitten durch eine Gebirgs⸗
bahn geſtattet.
Der Bob iſt nicht in dem Maße
wie der Skeleton ausſchließliches
Rennfahrzeng. Mit einem ficheren
Lenker und einem vorfichtigen Brem⸗
fer kann aud) eine zuſammengewür⸗
felte Mannſchaft getroft eine Ber:
gnügungdfahrt wagen. Da aber
die Bobrennen an allen Winter:
jportpläken den Höhepunkt der
Iportlihen Veranſtaltungen bilden
und die Bobmeifterfhaft in St.
Morik, Oberhof und am Semmering
nahezu ſchon Die Rolle eines Winter-
derbys einnehmen, ift Nennen und
Renntraining doch die michtigfte
Form der ſportlichen Betätigung
mit dem Bobsleigh.
‚ Die Zeitnehmung der Nennen ift
in vielen Fällen elektro-automatiſch
oder telephoniſch. Da die Nenn:
bahnen meift fo angelegt find, daß
eine legte ſchwierige Kurve knapp
vor dem Ziele und in Sicht der
Zufeher liegt, fo geftaltet fich auch
für den Unbeteiligten ein Bobrennen
ſehr fpannend, wenn er an der
elelttifchen Uhr die Zeiten verfolgt
und die großen Rennſchlitten in
wilder Fahrt über die fteile Kur:
en oung in den Einlauf fommen
ieht. :
Die übrigen Sclittenformen.
294. Boblett (Boby) und „Ienf-
bare Rodel“. Aus dem Beftreben
der Fabrikanten einerfeit3 neue
Schlittentypen auf den Markt zu
bringen, andererfeit3 die beftehen-
den für andere Zwede verwendbar
zu machen, ift eine Reihe von Ient-
baren Sportſchlitten entftanden.
Zunädjft ſei feftzuftellen, daß der
Begriff „lenkbare Rodel“ einen un=
bedingten Widerſpruch enthält, da
ein einziges ftarre8 Kufenpaar zum
Begriffe einer Rodel unerläßlich ift.
Immerhin wird der unlogifche Name
viel angewendet und joll daher auch
bier beibehalten werden.
Dieje Typen lehnen ſich meift an
die Bauart der Bobsleighs an. Die
beften und verwendbarjten find
furze, leichter gebaute Schlitten,
ganz nah der Form von Bobs—
leigh3 mit Bolantjteuerung für zwei
oder höchſtens drei Perſonen. Sie
fönnen auf jeder Bobbahn und auf
leichteren Rodelbahnen verwendet
werden, laufen recht brav und find
für bloße Bergnügungsfahrten fehr
verwendbar.
Weniger verläßlih find Rodeln
mit Lenkoorrichtung. Es gibt foldye
mit zwei drehbaren Kufenpaaren,
mobei das vordere Paar entweder
duch eine einfahe Zug- oder
Steuernorrichtung oder aber durch
feitlihe Handhaben gedreht werden
fann. Andere Formen befiten zwi⸗
fchen zwei ftarren Kufen vorne oder
rückwärts eine drehbare Lenkkufe,
wieder andere haben nur zwei Au-
fen, die aber elaftifch find und mit
ihrem vorderen Teile gedreht werden
können. Alle diefe Yahrzeuge laufen
auf guten Bahnen ganz erträglich,
verfagen aber auf fteileren und
furvenreihen Rodelbahnen fofort
den Dienft.
Im allgemeinen fpielen fie heute
noch im Schlittenſporte eine ziem:
fih untergeordnete Rolle.
295. Der Hörnerſchlitten. Eine
allgemeine jportlihe Bedeutung
fommt den weiters noch zu be—
handelnden Sportſchlitten nicht zu.
Dagegen haben fie vielfach eine
Iofale Bedeutung. Am meiften ver-
Niro. 294—295.
Niro. 296— 298.
‚ breitet ift der Hörnerjdlitten.
Er ift ein großes Fräftiges Fahr—
zeug mit mehr als Doppelt fo großer
Spurmeite wie die übrigen Sport
Schlitten. Seine Hörner find hoch
aufgebogen. Zwilchen diejen nimmt
der Lenker Bla. Hinter dem Lenker:
fit befinden fich zwei phaethonartige
Site für Fahrgäfte. Das Fahr:
zeug wird durch Fräftige Riſſe an
den Hörnern unter gleichzeitigem
jeitliden Cinjegen der Füße ge:
lenkt. Bei diefem Einjeßen befindet
fih der Lenker in halbfigender Stel-
lung und läuft gleichzeitig mit dem
Schlitten, da ihm fonjt die Füße
nad rückwärts gerifien würden.
Eine bedeutende Kraftaufwendung
ift alfo bei diejer Art der Lenkung
nicht zu vermeiden.
Einige Formen haben vonein-
ander unabhängige Bremshebel an
beiden Kufen. Wenn Ddiefe ein:
jeitig betätigt werden, erfolgt die
venfung nach der Eeite der ab—
gebremiten Kufe. Da diefe Schlitten
meift nur in ausgefahrenen Gleifen
verwendet werden, laufen fie mit
ziemlicher Sicherheit.
Sie find bejonderd im Rieſen—
gebirge, aber auch in einigen Ge—
genden Defterreichg in Bermendung,
in der Schweiz dagegen jo gut wie
nicht befannt. Sn der Regel er-
folgt die Lenkung durch Holzknechte
und überhaupt dur gewerbs—
mäßige Xenfer, die Benübung eines
jolchen Fahrzeuges ift daher über:
haupt Teine Sportliche Betätigung.
Es gibt jedoh auch unter den
Sportleuten der betreffenden Ge—
genden jehr tüchtige Lenker.
Verhältnismäßig wenig befannt
find der Rennwolf, der Kjälfer und
der Toboagan.
296. Der Rennwolf ift nordi—
Ihen Urſprunges. Er beiteht aus
einem langgeitredten Kufenpaare,
daß auf feiner vorderen Hälfte einen | eine große Gleitfähigfeit, ift aber
Rdolf Rıiha.
erhebt fich über den Kufen je eine
ſenkrechte, etwa bruſthohe Stütze;
beide Stützen ſind mit einem Ouer⸗
griffe verbunden. Der Sitz dient
zur Aufnahme eines Fahrgaſtes
oder des Gepäckes. Der Führer
ſelbſt ſteht auf den Kufen hinter
dem Stützgeſtell, das er mit den
Händen feſthält. An den Füßen
trägt er ſteigeiſenförmige Stahl—
ſpitzen und ſtößt abwechſelnd mit
einem und anderem Fuße ab. So
bringt er den Schlitten auf harter
Bahn in rajhe Vorwärtsbewegung
und lenft durch mehr oder weniger
Ichliefes Abftoßen. Auf ebenen oder
ſchwach geneigten Bahnen gleitet
der Schlitten ſehr raſch vorwärts.
Das elegante Fahrzeug hat bisher
in der Sportswelt wenig Beachtung
gefunden.
297, Der Kjalker ift nit an-
deres als die norwegiſche Rodel.
Er ift ziemlich lang, fehr nieder
und nad vorne zu fpig gebaut.
Die Lenkung gefchieht nicht mit den
Füßen, fondern mit einer nach—
gefchleiften, 3—4 m langen Stange,
die der rüdmärtige Fahrer unter
der rechten Achfel eintlemmt und
mit Untergriff fefthält. Diefe Stange
wird wie ein Steuerruder nad
links oder recht3 gedreht und der
Schlitten folgt dDiefem Steuer augen-
blicklich und fehr ficher.
Nah Schilderung von Augen-
zeugen follen einzelne Fahrer in
Norwegen, die diefen Sport be-
treiben, ein hohe Maß von Ge-
Ihielichfeit befiten und den Kjälker
auch auf fteilen, gemundenen Wegen
mit verblüffender Sicherheit fteuern.
298. Der Toboggan ift ein
Fahrzeug des fchneereihen Kana=
dag. Er fieht aus mie ein fehr
breiter Schi, auf welchem der Fah—
rer liegt. Dieſes vorne aufgebo-
gene Brett befigt unter Umſtänden
Sig trägt. Ungefähr in der Mitte ſchwer lenkbar und daher nur zum
— — — — — — —
IV. 3. Schlittenfporte,
Befahren freier Schneeflähen ge-
eignet. In Kanada follen mit die-
fem Fahrzeug vereifte Holzrinnen
befahren werden, was an und für
fih ganz gut denkbar wäre.
299. Eisjchlitten werden von
den Uferbemohnern einiger Alpen-
feen verwendet. Es find dies nur
furze Schlitten, zum Stehen geeig-
nei, die der Fahrer mit einem
Stadelftod über die gefrorene Ober:
fläche des Sees forttreibt. Die Be:
wohner des Königfees follen darin
eine bejondere Fertigkeit befiten.
Bon einer durchgebildeten fport-
lichen Verwendung dieſer Yahr-
zeuge ift bißher nichts bekannt.
(Segeljdlitten fiehe Ab-
ſchnitt V. 1.)
Verzeichnis der widtigften
Fachaus drüũcke.
Auslauf — gerades, ebenes Bahnſtück,
am Ende der Bahn.
auslegen — Seitwärtsneigen des Ober⸗
körpers.
boben — den Lauf des Schlittens durch
Körperſchwingungen beſchleunigen.
Bobsleigh (Bob) — ein langer, mehr:
fpigiger, lenkbarer Schlitten.
Boblett (Boby) — dasfelbe Fahrzeug in
tleineren Dimenfionen.
Brate — die Bremfe des Bobäleigh3.
Brater — der Fahrer, welder Die Bremfe
betätigt.
Dede — die Dberfläde der Fahrbahn.
Durchſchnittsgefälle — die Gejamt:
fteigung einer Fahrbahn auf die Längen-
einheit rebuziert.
Durchſchnittsgeſchwindigkeit — die
Gefamtfahrzeit eined Fahrers auf einer
Niro. 299.
beftimmten Bahn auf eine Längeneinheit
reduziert,
einfahren — die Lenkung zu Beginn
einer Wegfrümmung.
Fußraften — feitlide Stügen, zum Auf-
fegen der Füße am Schlitten befeftigt. _
Handlentung — Steuerung der Rodel
mit der Hand.
Hörner — der aufgebogene Teil ber
Kufe.
Hörnerfdlitten — großer, breiter
Schlitten.
Kjälker — die norwegiſche Rodel.
Kufe — der am Boden aufſtehende Teil
des Schlittens.
Kurve — Wegbiegung.
Lenkung — Vorkehrungen, um den
Schlitten in der richtigen Bahn zu halten.
Lenkkufe drehbare, als Steuer
dienende Kufe.
Rennwolf — norwegiſcher Schlitten,
zur Fortbewegung auf ebener Bahn ge⸗
eignet.
Rodel — kleiner, zweikufiger Sitzſchlitten.
Run — Schlittenrennbahn.
Schleudern — unbeabſichtigtes Quer:
ſtellen bes Schlittens während der Fahrt.
ſchneiden — Befahren einer Wegtrüm:
mung, die als Kreisbogen gedacht iſt,
in ber Sehne desſelben.
Steleton — amerikan. Liegeſchlitten.
Sliding — Gleitfig.
S
S
ſitz
ohle — der Eiſenbeſchlag der Kufe.
pur der Abftand zweier paral⸗
Spurweite leler Kufen.
Start — der Beginn einer Rennftrede
oder eined Rennens.
Starter — der Rennfunftionär, welder
das Zeichen zur Abfahrt gibt.
Toboggan — kanadiſcher Schlitten, aud)
Sportſchlitten ſchlechtweg.
Tobogganing — Schlittenſport be⸗
treiben.
Training — Vorübung zum Rennen.
nueberhöhung — halbkreisförmige Auf⸗
böſchung der Kurven.
verſagen (bie Kurve) — die Lenkung
reicht nicht aus, um dem Schlitten die
gewünſchte Richtung zu geben.
UCHEUEIETCIHLETTCIHETEITCH TEDE TEE TEE REDE TIEDIE
V. Waijferfport.
— —
1. Segellport.
Von
Eva Gräfin v. Baudiſſin, München und
Korvettenkapitän Titus Türk, Kiel.
Einleitung.
300. Geſchichtlicher Rückblick
und Entwicklung. Wann die Kunſt
des Segelns entſtanden iſt, läßt
ſich nicht nachweiſen. Sie mag faſt
ſo alt ſein wie die Geſchichte der
Menſchheit, wenigſtens der Küſten—
bewohner. Es war zu natürlich,
daß ſich die am Meer Lebenden
aufs Waſſer hinaustrauten und ihre
Kenntnis des Windes und der
Strömungen ausnutzten. Unſere
deutſche Literatur bringt uns übri—
gens in ihren älteſten Denkmälern
davon Beweiſe. Im „Nibelungen
Liet“ lieſt man „als Gunther gen
Iſenlande nach Brunhilt fur“:
„Ir wil ſtarchen ſegelſeil diu wur:
den in geſtraht;
ſie furen zweinzech miele, n daz
ez wurde naht,
mit einem guten Winde nider
gegen dem ſe;
ir ſtarchez arbeiten taet ſit den
hochgemuten we.“
Alſo zwanzig Meilen ſegelte das
gewiß doch noch kunſtloſe Schiff, bis
es Nacht wurde; es iſt wohl der erſte
Rekord auf dem Gebiete des Se—
„andern Lied von Sigurd dem
Fafnirstödter“: als König Hialprek
dem Sigurd Schiffsvolk zur Vater⸗
rache gab:
„Wer reitet dort auf Räwils
Hengſten
Ueber wilde Wogen und wallen-
des Meer?
Vom Schweiße fchäumen Die
Segelpferbe:
Die Wellenrofje werden den Wind
nicht halten.“
Und Regin antwortet:
„Hier find wir mit Sigurd auf
Seebäumen::
Wir fanden Fahrwind in den Tod
zu fahren,“
ein Beweis, wie genau die nordi⸗
jhen Helden Wind und Wetter be:
rechneten und ein Schiff zu fteuern
veritanden.
Welche gefhichtlihe Bedeutung
die Seefahrt — morunter wohl
meijtens für dag offene Meer nur
die Segelei zu veritehen iſt —
Ihon in den erſten Jahrhunderten
unferer Zeitrehnung annahm, ift
befannt. Die Angeln, Sachſen und
Süten, die ſchon längft als See-
räuber an den Küften der Nordfee
gend, von dem mir Kunde haben. | berüchtigt waren, wurden im Jahr
In der Älteren Edda heißt e8 im | 449 von den Briten zur Hilfe ge—
V. 1. Segelſport.
Nro. 300.
rufen, und brachten das germaniſche abzulaufen, iſt wohl von jeher
Element auf die britiſchen Inſeln
hinüber. Und da von jeher die
Briten ihre Kräfte bei Kampfſpielen
gegeneinander abmaßen, ſo iſt doch
— auch ohne daß wir direkte Nach—
richt darüber hätten — anzunehmen,
daß Eroberer und Beſiegte in der
Kunſt des Segelns miteinander
wetteiferten.
Die Wikinger Schiffe, wie die
Koggen der Hanfa, von denen ung
Bilder und Modelle überliefert find,
weiſen ſchon einen jehr entwidelten
Schiffstyp auf; er genügte, um die
damals befannten Meere zu be-
fahren und alle kaufmänniſchen
Märkte der Hanja zu unterwerfen.
Nefte des alten „Drachen“ der
Wikinger find noch heute die Laft-
fahrzeuge im nördlichiten Norwegen.
Die Einzelrace — das Wetteifern,
der Erjte am Platz zu fein, um Ware
zu holen oder zu bringen und dem
Konkurrenten buchftäblich den Rang
—
= —
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& 2 —
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Brauch gemwejen. Bon der Kunit,
überall der Erjte zu fein, iſt ja
eigentlich der ganze Handel bedingt.
Zwiſchen den Kapitänen der fogen.
„zeeflipper” — jchnellen und jcharf
gebauten Barkſchiffen, die Tee aus
Dftindien holten —, wurden jchon
zu Anfang des 19. Sahrhunderts
Wetten abgeſchloſſen: dieſe erwei—
terten ſich bald zu Wetten zwiſchen
den Reedern, denen ſich wieder
die Börſenagenten anſchloſſen. Auch
die engliſchen und holländiſchen
Fiſcher veranſtalteten ſchon vor
langen Zeiten Wettfahrten unter—
einander auf der Themſe und dem
Zuider See und haben damit auch
wohl mitgewirkt am Zuſtandekom⸗
men des ſportmäßigen Segelns.
Die erſten Privatjachten, ein aus
dem holländiſchen Wort „Dagt” ent:
ſtandener Name, der das einmajftige
Küftenjchiff mit langem Klüverbaum
und hohem Hinterjchiff bezeichnete,
145. Kaftfahrzeug aus dem nördlichiten Norwegen, Reſt des alten „Drachen der
Wilinger”.
—— —* ns ar en | - — —
209PUT "YdY
- — ——— — —————— rm m Tu
V. 1. Segelfpori.
befaßen im 17. Sahrhundert englijche
Prinzen; auch der erjte Jachtklub
wurde bereit3 im Sabre 1720 in
Cork gegründet, während die an-
deren europäifhen Länder, 3. B.
Deutichland, erft in den dreißiger
Sahren des legten Jahrhunderts
fih zu regelrechten Segelverbänden
auffchwangen. Wie fich inzwifchen
grade in Deutjchland und haupt:
ſächlich unterſtützt durch das große
Intereſſe, das Kaiſer Wilhelm II
und ſeine Söhne dieſem wahrhaft
„königlichen“ Sport entgegenbrin⸗
gen, die Segelei entwickelt hat, be⸗
weiſt ſich alljährlich aufs beſte in
der „Kieler Woche“ und den ihr
vorangehenden und folgenden Ra⸗
cen, an dem Boote aller Nationen
teilnehmen. Die „Kieler Woche”
ift feit den 16 Sahren ihres Be-
ftehend — die erjte fand im Sabre
1892 ftatt — zu einem internatio-
nalen Meeting geworden, auf das
die Deutſchen, denen man fo lange
Schwerfäligfeit und Ungemandt-
heit in jedem Sport nachſagte, mit
Recht ftolz fein fönnen. Welch eine
Freude und Genugtuung ift es
nicht auch für jeden Deutihen, daß
der „Meteor“ des Kaifers jeit zwei
Sommern den bisherigen englifchen
„Skipper“ wie aud die. gejamte
fremde Mannfchaft gegen Deutjche
eingetaufcht und den Wechfel durch
zablreihe Siege gerechtfertigt Hat!
Damit, daß fi der höchſte Herr
zur Anerkennung deutfcher See⸗
mannſchaft entſchloſſen hat, ift au
dem Auslande hoffentlich der letzte
Zweifel an deutſcher Tüchtigfeit
auf fportlidem Gebiet genommen.
Dem erften deutjchen Seglerver-
ein, der „Tavernen-Geſellſchaft“,
die 1835 in Berlin-Stralau ge=
gründet wurde, find einige fünfzig
Klubs gefolgt, deren Zahl noch ſtän⸗
dig im Wachſen begriffen ift. Als
die drei Zentren Deutfchlands für
den Segelfport gelten Kiel und die
Nro. 301.
Elb-⸗ und die Wejermündung im
Norden, Königsberg und Memel
im Often und als Treffpunft für
die Binnenfegelei die Haveljeen bei
Berlin. Auch über den Zeitpunft
der fportliden Veranjtaltungen eint
man fich jest untereinander, jo daß
die Zeiten der Regatten möglichſt
wenig follivieren und allen Sport3-
freunden eine Teilnahme ermög:
lien.
Boote und Jachten.
301. Kiel- oder Schwertboot ?
Das Model der erjten englifchen
Jachten lieferten jchwerfälige Kü-
ftenfahrzeuge, die erft am Ende des
18. Jahrhunderts dur den Typ
franzöfifher Schmuggelfahrzeuge
leidlih verbefjert wurden. Der
große Umſchwung des Jachtbaus
und die Einleitung zu der allmäh—
lich aufſteigenden Entwicklung der
heutigen Boote datiert von dem
Erſcheinen der „America“, die im
Jahre 1851 von Amerika herüber⸗
kam, um ſich in England um den
Pokal der Königin zu bewerben.
Da jedoch die Regatta nur für eng—
liihe Boote ausgeschrieben war, jo
wurde vom Klub „Royal Yacht
Squadron” ein neuer Pokal ge-
ftiftet, den die „America“ ji in
einem geradezu glänzenden Siege
über die englifhen Boote errang.
Auch waren es drei amerifaniiche
Jachten, die im Jahre 1866 die
| erfte „Oceanrace“ madten.
Der Unterſchied zwiſchen den bis⸗
her gebräuchlichen Jachten und der
„America“ lag in ihrem ſchmäleren
und bedeutend ſchärferen Bau —
die Engländer hatten immer noch
an dem etwas romantiſchen breit—
ausladenden Typ der Seeräuber
feftgehalten, dem man auch auf
deutfhen Waflern begegnete! —
und fortan wurde das Schwertboot
Feldgeſchrei.
u
Nro. 301. E. Gräfin Baudiffin n. Hapilän €. Gürk.
Jedes Segelboot bebarf ald Ge: | Sie blieben aber bei diefer Erfin-
: gengewicht für das Seitwärtäbrän- | bung nicht ftehen , fondern verbef:
gen dur den Wind eines Kieles, ferten unermübli am Typ ihrer
den fchon frühzeitig die Oftfeefifcher | Nennboote herum und troß aller
bequemlichfeitähalber für Haches | Anftrengungen gelang es den Eng:
Waffer durch ein ſeitwärts herab: | ländern nicht, den „Amerika“⸗Pokal
zurückzugewinnen.
Denn wäaͤhrend die
Engländer am ſchma⸗
len Kutter, dem Kiel:
ichuner, fefthielten,
gingen die Ameri—⸗
faner wieder zur
flachen „Sloop“ mit
Mittelſchwert über,
bis dieſe im Jahre
1881 von der kleinen
engliſchen „Madge“
ausgeſtochen wurde.
Der neuen ameri⸗
kaniſchen Konftruf-
tion, einer Miſchung
147. Schunerjacht „America“. Aus Seglers handbuch. von Kutter und
Derlag Waflerfport, Berlin. „Sloop”, mußten
wieder die Engländer
zulaffende3 Schwert erſetzten. Die unterliegen. Der Kampf zwiſchen
Amerikaner verlegten das Schwert | Kiel und Schwert blieb aber dem
in einen bejonderen Kaften in die | noch unentſchieden.
Mitte des Boote, von bem aus | Eine neue, große Ummälzung im
es mit leichter Mühe an Ketten , Bau des Racebootes vollzogen Die
auf: und abgezogen werden Tann. | Gebrüder Herreshof durd die Er:
ende
148. Bubble.
V. 1. Segellport.
findung des fogen. „Wulſtkiels“.
Das Blei wurde nicht mehr wie
bißher direlt am Kiel, ſondern an
einer bejonderen Metallplatte unter:
halb des Kiel befeitigt — die be=
rühmte „Bubble“ und „Wenonah”,
päter im Befit des Prinzen Hein-
ri unter dem Namen „Gudruda”,
find die erften berühmten Typen
der Wulftkieler. Der Gewinn liegt
in der geringeren Raumbean=
jpruchung bei großer Stabilität und
großer Segelflädhe.
Aber auch dag alte Schwertboot
blieb Mode, bildete fih jedoch all:
mählich zu einem Ertrem, den ganz
flachen Rennflunder, aus, dem jetzt
die Regatten verjchlofjen find. Man
unterjcheidet übrigend neuerdings
nad) den Gejeten der „Snternatio-
nal Yacht Racing Union”, denen
fih 1907 der deutſche Seglertag
anjchloß, für Wettjegeln nur noch
nad dem Rennwert des Bootes.
Diefer wird nad einer jpäter noch
zu bejprehenden Meßformel feft-
geſetzt. Hierbei handelt es fich aber
ftet8 um Kielboote, fie feien nun
Kreuzer: oder Rennjachten. Schwert-
jachten dürfen überhaupt nicht mehr
mit Kieljadhten zufammen oder al?
Klaffe für fih an offenen Wett-
fahrten teilnehmen, es jei denn,
daß ihre Zulaffung befonders in
der Ausschreibung ausgeſprochen ift.
Wann wird nun ein Boot zur
Jacht? Wenn in feinem Bau wie
in feiner Tafelage das Hauptgemwicht
auf Schnelligkeit und geringe Waſ⸗
ferverdrängung, nicht auf Sicherheit
gelegt wird, es in der Hauptjache
alfo für den Sport beitimmt ift;
und zwar muß eine Kreuzerjacht
eine Schnelligfeit erreichen, die
ihrem Bau und ihrem Wert ent-
fpriht, während eine Rennjacht be-
dingungslos ale ihre Konkurren⸗
tinnen überflügeln fol.
Ueber den Bau einer Yacht
laſſen fi nicht fefte Regeln auf:
Niro. 301.
ftelen; mathematifhe Berechnung
ſpielt ebenfo viel Role wie Er:
fabrung, Ueberlieferung und ge—
junder Menjchenverftand bei Felt:
legung der Linien eined Schiff:
fürperd. Es gibt beftimmte Prin-
zipien, die jedem Bau als Grund:
lage dienen, die aber dem Erbauer
viel Möglichkeiten zu eigenen Speen,
Borteilen und — unangenehmen
Ueberrafchungen freilaffen.
Winke zum Bau einer Jacht zu
geben, iſt auf diefem bejchräntten
Raum unmöglih, liegt auch nicht
in der Aufgabe des Buches. Ein
Laie wird, follten ihm feine Be—
rechnungen und Zeichnungen noch
jo unumftößli Zar und ridtig
vortommen, am bejten tun, fid)
lange an ihnen zu erfreuen, immer
wieder an ihnen herumzubajteln
und fie als fo heilig zu betrachten,
daB es eine Profanie wäre, fie je
durh grobes Material ausführen
zu laſſen. Nur fo wird ihm das
reine Wohlgefallen an feinen Auf:
riffen und Längsſchnitten erhalten
bleiben, denn ein gutes Boot zu
bauen, heißt ein Kunftwerf herzus
ftelen. Und das ift eben nicht
jedem gegeben! Dagegen jollte ſich
jeder Segler fo viel Verſtändnis
aneignen, daß es ihm leicht wird,
den Bau und die Vorzüge eines
Bootes auch nach einer Zeichnung
zu erkennen. Ebenſo genau muß
er über die Eigenfchaften und et=
mwaigen Nachteile feine eignen
Bootes Beſcheid willen — leider
hat ja auch das beite Mängel, da
es eben nichts Bollflommenes gibt
— um im Momente der Gefahr
mit ihnen zu rechnen und danad)
zu handeln. Se nad) dem von ihm
zu befahrenden Wafjer wird ſich
der Segler für ein Kiel- oder ein
Schwertboot entſcheiden; und je
nah feinem Geldbeutel wird ſich
die Größe feines Bootes beitimmen.
Sid eine Jacht mit vielköpfiger
Nro. 302.
Bemannung zu halten, iſt wohl
neben einem Rennſtall der teuerite
Sport. Ein Heinered® Boot kann
fih Schon ein weniger Bemittelter
geftatten, bejonder8 wenn er ſich
als echter SportSmann nicht ſcheut,
tüchtig mit Hand anzulegen und
jelbft Sorge für die Inſtandhaltung
zu tragen.
302. Boot: und Jachttypen.
Wir geben eine kleine Auswahl
der verjchiedenen in Betracht kom⸗
menden Boot3: und Jachttypen. —
Ein Boot kann in der Regel von
einem Mann bedient werden. —
Die Jacht jest faſt immer die Be—
dienung durch mehrere „Hände“
voraus.
Das Kanoe, fozufagen das Ur:
jegelboot aller feefahrenden Völker,
zeigt auch heute noch fait dieſelben
Merkmale wie der Kajak der Es—
fimo$, der allerdings für Paddeln
wie für Segel eingerichtet ift, wäh—
rend die beiden Arten jegt bei ung
wenigfteng für Racezwecke gejchie-
den find.
G. Gräfin Baudillin u. Rapitän €. Türk.
das erfte Modell, der „Nautilus“
von Baden-Powell nad) Amerika
gebracht und fand hier ungeteilten
Beifall und ebenfo große Nach»
ahmung. Es gibt jegt in Amerifa
ungezählte Kanoeklubs, deren Boote
an Rennen teilnehmen und als
Reifeboote per excellence auf den
großen Strömen und Seen ſchwim⸗
men. Moderne Kanves haben im
Unterfchied zu den alten faft durch-
gehendg Schwerter ftatt der Kiele;
für ihre Tafelage eignet ji am
beiten die einfache Lateinertafelage,
ein dreiediges, jpigig auslaufendes
Segel an langer, fat jenfrechter
Raae; ferner eine Bereinigung des
Lateiner- mit dem Luggerſegel: das
Mohikan-Setteejegel und die Shar-
pietafelage mit ftengenlojem, ſich
nach oben ſtark verjüngendem Majte.
Kanoes find durch ihre Form eins
der bequemjten Boote, da fie nod)
mit dem feichteften und fchmalften
Waſſerarm zufrieden find — aud)
für ihre Tafelage lafjen ſie die
Dem Paddelkanoe hat | größten Variationen zu.
149. Rob:Roy.
man die urfprüngliche, breite Form
gelafjen, das Segelfanoe, dejjen
Vorzüge von jeher von den India—
nern Nordamerifad anerkannt und
ausgenußt worden find, wurde
zuerft von dem Schotten Mac
Gregor eingeführt. Sein würdiger
„Rob-Roy“ ftand Sahrelang un:
angefochten da und fungierte haupt—
ſächlich als „Reiſeboot“. Die heu—
tige ſchmale Geſtalt des Segelkanoes
iſt jedoch eine engliſche Erfindung;
anfangs der ſiebziger Jahre wurde
Aus Seglers Handbuch. Verlag Waſſerſport, Berlin.
Auf der Münchner Ausſtellung
1908 war das Modell eines aller⸗
liebſten Kajaks aus Segelleinen zu
ſehen, das nur ein Gewicht von
15 kg beſitzt und ſich bis auf die
Segel in einen Rudjad paden läßt,
aljo bequem über Land zu tragen
ift. Das Boot „Delphin“ hat fi
auf den gar nicht ungefährlichen,
böigen oberbayriſchen Seen bereits
gut bewährt und mag wegen feiner
leichten Trangsportfähigfeit eine Zu=
kunft haben.
Der
=
— — 0 r2 77er. 95 5353 ;_ 707535 BR, — 8 „n35
=
Pz
— —
151. Delphin.
Nro. 302. E. Gräfin Baudilfin u. Rapilän €. Türk.
Das Dingy, ein fiheres kleines | einem einzigen, an einer Raa unter:
Boot mit einem cockpit für | geſchlagenen Segel, das in einen
2—3 Perfonen, und einem einzigen , am Maft auf- und niederzuziehenden
Segel, ein bei den Racen in Kiel | Ring eingehalt wird. Das laufende
viel gebräuchliched Fahrzeug. Gut ift auf das Außerfte bejchränft
und befteht aus Fall,
Hals und Schoot.
a ee ——— Das Catboot,
a ee ae ausgestattet mit ei-
DEIIERELLIL. REN, nem Gaffelſegel, kann
152. Grundriß ei Di Mus Sealers Bandbud jomahl Kiel me
32; iß eines Dinay. Aus Sealers Ban? j i
Derlag Wafferfport, Berlim —— ——— es ‚je
: für Schlechtes Wetter.
Aus der in Hamburg berühmten | Die Gig, ein Kielfahrzeng, it
Alfterjolle find die Heinen fehr | eigentlich ein Ruderboot und ur-
ſchnellen „Fliegen“ oder „Mot: | Jprünglich das Boot des Komman⸗
ten” entftanden, die auf der Kluge: | danten auf engliſchen Kriegsſchiffen
gewefen. Zum ©e:
geln rüftet man fie
entweder mit einen
Luggerſegel aus oder
mit einer Gleittafe:
lage; d. h. mit zwei
bis drei Gleitſegeln
von dreieckiger Form
und einem Vorſegel.
Die Spriet—⸗
boote, die haupt
ſächlich im Norden,
in Dänemarf unter
dem Namen „Krage
jole* und in Ror-
wegen Mode find,
fahren ein vieredige?
Segel, das vom
Spriet diagonal ge
ſpreizt wird. Es
ſind ſehr ſichere und
praktiſche Boote, aber
in andern Ländern
155. Segelplan der „Laprice” Catboot. Aus Seglers wegen des ungrazid-
Handbuch. Verlag Waſſerſport, Berlin. ſen, ſteif wirkenden
Segeiſchnittes nicht
ſchen Werft in Potsdam gebaut beſonders beliebt.
werden. Die Alfterjolle wieder | Unter Südjeebooten in ihrer
ift der eigentlihe Lugger, das |einfachften Geftaltung und mit fo-
bejte und zugleich wohl billigfte | genannten „Auslegern“ verſehene
Uebungsboot für Anfänger. Die Kanoes, verfteht man Doppelboote
einfache Luggertakelage befteht in | oder Katamarans. Sie fegen ſich,
Nro. 302.
Ar
— — TAN
N RRX N AD.
\ —— —— —
— — —
154. „Gig“. a) Beſan, b) Großſegel, c) Fock d. Klüver.
Aus Seglers Handbuch. Derlag Wafferjport, Berlin.
wie ſchon der Name bejagt, aus | ten find Variationen de Kutters
zwei einzelnen, durch Querbalfen | oder des Schoners.
verbundenen Booten
zufammen, die ſchwie⸗ j
rig zu mandprieren
find, da beim Ueber-
ftaggehen nicht wie
gebräuchlich Zuv und
Lee, jondern Bug
und Heck vertaufcht
werden. Außerdem —*
machte die Berbin- — IN
dung die Boote zu —— — ö
ſchwer, bis es dem = SL
AmerifanerHerre3- RL I a
hoff gelang, einen N J
leichten Deckverband Sr \ Er
herzuftellen. \ F
Waährend es ſich J
bei den bisher ge— Es \
nannten Typen fat
immer um Ffleinere,
ee oder * er
dboote handelt,
verlangen Die fol: f —
—— —* größere T —— —
gebräud- 155. Segelplan eines Sprietbootes.
4 — — Aus Seglers Handbuch. Verlag Waſſerſport, Berlin.
REN u Py
Nro. 302. €. Gräfin Baubdilfin u. Rapitän T. Türk.
Der „Kutter“, d.h. der Schnei- Gaffel befeftigte Segel, die am ,—
| dende, ift, wie fein Name jagt, ein | Großmaft Großfegel, am Fodmalt
"Bl Icharfgebautes Fahrzeug. Seine | Schonerfegel heißen. Dreimaft-
I0 Kennzeichen ſind: ein einziger Maſt Schoner ſind für den Sportsge-
mit einer Stenge (Verlängerung), brauch ſeltener. Der „Meteor“ des
ein Großſegel, ein Gaffel-Topp- Kaiſers, die „Iduna“ der Kaiſerin,
4 jegel, Klüver, Flieger und Stag- ebenſo die in der Kieler Woche
Ef fod. Dazu der Spinnader, aus | 1908 zum erftenmal erfchienene
|! leichtem Stoff, oft aus Seide her: | „Germania“, find Schonerjadten;
geftellt,; er dient zum Segeln vorm
Winde, wird am Maſt geheißt und
durch einen Baum feitwärt3 aus—
land entworfene und auf deutjcher
Werft erbaute Boot diefer Größe,
während „Meteor” und „Iduna“,
auch die beiden früheren „Meteore"
des Kaiſers, der eine jebt noch als
1 gebreitet. Diefe Urform des Kut-
N 44 ters hat nun durch den Wunſch
|
|
die letztere ift das erfte in Deutſch— |
)
nad immer fchnelleren, bequemeren |
We
min Chi Phot. Strumper & Cie, Hamburg. R
| 156. Rennfchoner Hamburg vormals engl, Rainbow. *
und dabei ſicheren Booten die „Komet“, der zweite als „Orion“
mannigfachſten Veränderungen er- bekannt, amerikaniſchen oder eng—
fahren. Die größten Rennboote liſchen Urſprungs find. Die „Ger:
find heutzutage Schonerjadhten, | mania” Hat inzwiihen alle im jie
deren Takelage fi dahin ums | geftellten Erwartungen erfüllt, er:
änderte, daß ein zweiter Majt, der | wies fich befonders als vorzüglicher
Fofmaft, vor den Großmaft ge= | Flautenläufer. Jedenfalls hat mit
ftellt worden ift. Der Zweck ift, | diefem Refultat eine neue Xera
Statt der Niejenflähe in einem |für die deutſche Schiffsbaufunft
Stüf, die ſonſt nötig wäre, geteilte, | begonnen. _
leichter handliche Segel zu haben; Yawls, zu denen jebt der
beive Maften führen Gaffeljegel, | erfte „Meteor” und der „Komet“ ge:
nat d.h. nit an grader Raae, jondern | hören, haben neben dem Groß—
HE an fhräg geitellter Stange der | maft, den furzen Befanmaft mit
L/
— — — —— oo
en EU
157, Der „Kom et”
— auf dem Heck; bei der
er 2 ‚ ebenfalls eine Variation
— ers, ſteht der Beſanmaſt
Steuerpinne. Das Groß⸗
ge hi e beiden etwas verkürzt.
78400p“ ift wegen ihre
Kin, leichten — an
5 henmwafjer geeignet, ala für die
ee. Die Stenge iſt fortge=
\ V. 1. Segelfport. ro. 302.
Phot. Hinz, Flensburg:
von der „Armgard“ aus gefehen, in der Slensburger Söhrde.
lafjen, auch führt fie nur das Gaffel-
jegel und ein Borjegel, zumeilen
auch Fock und Klüver. Der Maſt
Heinerer „Sloops“, die eben meiſtens
zu Binnenfahrten dienen, beſteht
aus zwei Stücken, um leicht ver—
kürzt werden zu können. Eine
jetzt viel gebräuchliche, aber kom—
pliziertere Art der ag eg
Eu
Nro. 303, €. Gräfin Baudilfin u. Rapilän €. Türk.
die der H ouari, ftellt die Gaffel
fo fpig, daß fie am Mafte auf:
wärt3 gleiten fann. Sie ijt von
den Fahrzeugen der provencalifchen
Küfte entnommen und nur zu Nenn:
zwecken zu verwenden. Sie ſieht | benugten die nordiihen Fifcher
hübſch, faft keck aus, ift aber nicht | primitive Kufen mit ein paar Sitz—
ungefährlich, da der Segelſchwer- brettern und einem Segel zum
teile: ungeteilte Segelflähen wie
Leichtigkeit liegen auf der Hand.
Große Jachten behalten die Kutter:
tafelage bei.
303. Eisjachtſegeln. Schon lange
—
N EM T.ı nam
—
158. „Orion“ Rennjacht I. Klaſſe früher „Meteor“ II.
punkt jehr hoch liegt und dadurd | Eisfegeln. Zum Sport ift Diejes
das Boot „rank“ wird, d. h. zum | wundervolle Vergnügen durch die
Umfallen neigt. Amerifaner geworden, deren große
Für Heinere Rennjachten ift jett | Seenflähen und breite Ströme das
die Slooptafelage, d. h. eigentlich | Eißfegeln jehr begünftigen. Den
die eines Kompromijjes zwiſchen | fportliebenden Engländern fteht das
Sloop und Houari weitaus die | weihe Klima entgegen — denn
gebräuchlichſte. Die großen Vor- | natürlich: je glatter und fefter das
\
N Tr ei
———
Eis iſt, möglichft
ohne jeden Schnee⸗
fall, um jo vorteil-
hafter iſt es für
das Schlittenſegeln.
Das Eisſegeln
erfordert dieſelben
Künſte, vielleicht
noch etwas mehr
Geiſtesgegenwart,
wie das Segeln
auf dem Waſſer.
Denn die Ge—
ſchwindigkeit kann,
wenn der Wind
direkt von Achtern
kommt, geradezu
ins Ungeheure
wachſen. Die Rei—
bung durchs Waſſer
fällt fort, man hat
auf glatten Flächen
nur mit dem Wind
zu rechnen. Zu be⸗
nugen jind Eis—
jchlitten, wie fie
3. B. auf den Ha=
veljeen Mode find;
oder joldhe, die im
Bau mehr an ein
Boot erinnern, auch
deſſen Schwimm—⸗
fähigkeit beſitzen,
ſodaß bei offenen
Stellen oder von
Fiſchern geſchla—
genen Waken jede
Gefahr ausge⸗
ſchloſſen iſt. Für
weiches Eis ſind
ſtumpfe, für hartes
ſcharfe Kufen nötig.
In Schweden ge:
braucht man leichte,
dreiedige Schlitten,
die ruffifchen find
aus bedeutend ftär-
ferem Material her:
gejtellt und haben
ED I.
kn
Um die harten Stößebei Hindernifjen | aufzufangen, wird der Maft auf eine
7* 2 —
wm
-—_ m r
v1. Segelfport. Nro. 303,
DEI TER
— — & — wi
— — — 2
—— — —
— —* *
159. Hawl. Aus Seglers Handbuch. Derlag Waſſerſport, Berlin.
—— *8 Er A u ale NN ER |
160. BHouari-Tafelage.
Aus Seglers Handbuch. Derlag Waſſerſport, Berlin.
Kuttertafelage. | oder unvorhergefehenen Wendungen >
Nro. 304
elaftiijche Unterlage geſtellt. Auch
ift, um das Herausfchleudern der
Segler zu verhindern, ein Godpit
fehr angebradt. Das Eisſegeln ift
jolch ein herrlicher, amüjanter und
für einen quten Segler wenn aud)
sicht ungefährlicher, jo doch jo an:
regender Sport, daß er fi in
Deutjchland, wo die Bedingungen
E. Gräfin Bawilltn u. Kapitän @. Türk.
liches Vergnügen diefer Sport be:
reitet und bald zu feinen Anhängern
‚gehören. Das Eisjegeln verlangt
mindeſtens fo viel förperliche Ge—
ſchicklichkeit wie das Schlittſchuh—⸗
laufen, gibt aber vielleicht nicht ſo
viel Gelegenheit Bewunderung zu
erregen; dagegen bietet es unge:
heuer viel Abwechfelung durd den
161. Fahren mit Eisfegeljachten auf dem Müggelſee bei Berlin.
durchweg günftig find, jedenfalls
mehr und mehr einbürgern wird.
Er ift auch durchaus nicht jo koſt—
jpielig, wie man bis jet annimmt,
da ein Fahrzeug einfachſter Kon—
ftruftion genügt und man nad
eigener Zeichnung fich leicht einen
Schlitten oder eine Feine Jacht mit
Kufen von einem einfachen Tijch-
ler herſtellen laſſen kann, während
die Segel — zum Eisſegeln wird
ſich hoffentlich immer nur ein tüch—
tiger Segler entfchließen, der Er-
fahrung Hat — von einem Segel:
macher auch nad eigener Berech—
nung gemacht werden können. Wer
jemals auf einer Eisjacht über eine
gligernde Fläche gejagt ift, in einem
Tempo, das kaum je ein Eilzug
erreicht, wird verftehen, welch föft-
luſtigen Kampf mit dem Wind und
‚das Beftreben, ihn ſich möglichſt
dienſtbar zu machen.
Die Segelkunſt.
304. Grundregeln der Segel⸗
kunſt. Das Wort „ſegeln“ bedeutet:
ein Schiff unter Segel fortzubewe⸗
gen; die Kunſt des Segelns beſteht
alfo darin, für dies Fortbewegen
die dafür zu Gebote stehenden Mittel:
‚den Bau de3 Schiffes, die Form
und den Stand der Segel, Die
Reibung durch das Waſſer, den
Wind und jeden Wechſel des Wet:
ters richtig auszunützen oder zu
paralyjieren.
Wie bei jedem Sport, ijt die
Pratis alles; die Theorie nur in—
4
V. 1. Segelfporf.
ſofern geboten, als jeder Segler
genau den Bau ſeines Bootes und
die durch denſelben bedingte Ver⸗
teilung der Gewichte und der Segel
kennen ſollte. Deshalb iſt es er-
wünſcht, aber nicht nötig, daß er
ſich von feinem Boot eine Zeich—
nung anfertigen und von einem
tüchtigen Schiffer in die große und
geheimnisvolle Kunft der Berech-
nung des Segelſchwerpunktes ein-
mweihen läßt. Hauptſache bleibt
aber: praftifche8 Segeln, Führen
des Ruders, Bedienung der Tale:
lage! Fehler am Rumpfbau find
nicht wieder gut zu maden, aber
oft durch richtiges Segeljegen aus⸗
zugleihen oder doch zu mildern;
faljch bemefjene Segel dagegen ver:
derben die fchönfte Yacht und ihre
Rennfähigkeit, find allerdings durch
andauerndes Ausprobieren und Aen⸗
dern zu befjern. Selbſtverſtändlich
handelt es fih auch bier darum,
ob ein Boot nur zu Rennzweden
oder auch zu Vergnügungs⸗ und
Reifezweden benugt werden joll;
große Segelflähen bieten größere
Chancen, find aber unbequemer zu
handhaben. Infolgedeſſen führen
jegt viele achten doppeltes Zeug;
ungeteilte Segel zum Rennen und
geteilte für die übrigen Zwede.
305. Berechnung der Segel.
Die Hauptregel für eine gute Be-
fegelung bleibt aljo: daß fie richtig
verteilt ift und in ihrer Größe in
abjolut richtigem Verhältnis zur
Größe und Schwere des Bootes
fteht, d. 5. dem Wind genügend
Fläche bietet, um das Boot zu
treiben. Dabei fprechen jelbftver:
ftändlid auch noch die örtlichen
Berhältniffe mit; ein fefter Grund:
ja für den Umfang der Segel
dem Areal des Rumpfes gegen:
über kann nicht aufgeftellt werden,
wohl aber für ihre Verteilung.
Nachdem die Segel berechnet wor:
den find, dreiedige nad) der Formel
Niro. 305.
abe = ab) (ed) nn
vieredige nach der Formel
— 9)
muß das Areal des Rumpfes be:
74
o D
162. Berechnung eines dreiedigen Segels.
Aus Seglers Handbuh. Derlag Waſſer—
fport, Berlin.
74
163. Berechnung eines vieredigen Segels.
Aus Seglers Handbuch. Derlag Waffer:
fport, Berlin.
Nro. 306.
meſſen werden. Tür Heinere Boote
bis zu 10 m gilt die Formel
S = Länge mal Breite (W. L.)
>< 38 big 4’ (für Schwertjadhten).
S = Länge mal Breite (W.L.)
> 1], bis 3 (für Kutter und Bar⸗
kaſſen).
Für größere Jachten käme nach
beſonderen Formeln, deren Angabe
bier zu weit führen würde, Die Be—
rechnung des Deplacements (d. h.
der vom Schiffsrumpf verdrängten
Waſſermenge), der benetzten Ober:
fläche, der eingetauchten Fläche des
Nullſpants (d. h. des am meiſten
ausgebauchten Schiffsſpantes) und
des Waſſerlinienareals hinzu.
Sind beide Reſultate gefunden,
dann könnte man biernad) tbeo:
retifch die Segel zujchneiden. Es
find aber, wie ſchon früher beim
Bootsbau erwähnt, neben der grauen
Theorie au für den Segelzufchnitt
eine Unmenge von Erfahrungsregeln
maßgebend, und mer nicht Zeit
noch Geld dafür verſchwenden mill,
rein empiriſch die jeinem Boot gut
tnenden Segel herauszuprobieren,
der richtet fich bei Bemefjung des
Areals am beiten wohl nad dem
Beifpiel guter Boote ähnlichen Typs.
Die Kunft des Segelzujchneideng
ernährt 3. B. in England Firmen
von Weltruf, die die Segel für
nennendwerte Jachten feit Jahr⸗
zehnten liefern und in ihren Kom:
binationen aus Theorie und Praxis
unerreicht find.
Das vorteilhaftefte Boot zum
Lernen für den Anfänger iſt eine
Schwertjolle; niemals fange man
in einem zum Segelboot umfrifier-
ten Ruderboot an, da gerade alle
die Durch den Bau bedingten Gigen:
tümlichteiten des Segelboots bei
einem NRuderboot fortfallen und
man fih für immer Auge und
Hand, vor allem das feine Gefühl
für das empfindliche Nachgeben
nes Segelboot3 bei jedem Wind
—
&. Graäfin Baudiſſtn u. Rapitän €. Eück.
und jeder Strömung verberben
fann.
306. Segelfeten und Abfeten.
Ein gutes Segelboot wird, falls
man nicht einen eigenen Schuppen
zur Verfügung hat, an einer Boje
vertäut und forgfältig mit einer
wafferdichten Prejenning zugededt.
Man rudert nun vorſichtig an das
Boot heran, befreit es von feiner
Hülle, die fauber aufgerollt oder
zujammengelegt wird und fteigt
dann an Bord, dad Nuderboot
bi zur Nüdfehr an die Boje le
end.
Es kommt auf den Wind an,
ob man gleih die Segel jekt;
liegt man zmwijchen viel anderen
Jachten oder vielleiht in einem
Heinen Boot3hafen, jo fucht man
fih erſt vorſichtig rudernd feinen
Meg heraus. Auf alle Fälle müflen
aber die Segel, falls fie nicht vorm
Loswerfen ſchon geſetzt find, Kar
zum Setzen ſein, d. h. ſie müſſen
von ihren Bezügen befreit werden
und die für fie nötigen Enden
(Taue) Kar laufen,
Kommt der Wind von vorn, So
fee man zuerft das Großjegel,
dann den Klüver, hole deffen Schon!
nad der entgegengefehten Seite,
nad der man abfallen will und
werfe los; das Ruder lege man,
fo lange das Boot noch achteraud
ſackt, gleichfall3 fo, daß das Blatt
nad) der, der abfallenden entgegen:
geſetzten Seite zeigt, damit man
ſchneller abfällt und den Wind ind
Großfegel befommt. Steht dieſes
vol, fo nimmt man die Klüver-
ſchoot über und fteuert nun, bie
Segel immer voll Wind haltend,
auf und davon. £
Bei Wind von acdhtern jekt man
erft den Klüver, wirft dann 108,
[dert mit dem Ruder aus und
jegt dann, fobald die Boje jrel
pajftert ift, dag Großfegel.
Man überzeuge fi noch vorm
v. 1. Segelfporf.
Ablegen, ob die Ruderpinne mie
das Schwert in Ordnung find.
Nunmehr fteuert man, wenn die
Windrichtung ſolches geftattet, da⸗
hin, wohin man will, gleichzeitig
die Segel fo ftellend, daß der Wind
möglichſt günftig, d. h. rechtwink⸗
lig in ſie fällt. Kommt der Wind
aber aus der Richtung, wohin man
will, ſo iſt man gezwungen, gegen
ihn „aufzukreuzen“. Hierzu holt
man die Schooten dicht an und
ſteuert das Boot nun ſo zum Wind,
daß dieſer, mehr von vorn als von
der Seite kommend, die Segel
gerade noch füllt. So ſegelt man
„an“ oder „beim Winde”. Hierzu
ift beſonders angeftrengte Aufmerk⸗
famteit nötig; jedes unnötige Ruden
am Ruder bringt dad Schiff aus
der Fahrt und dem Kurs, ebenjo
allerdings jede Heine Veränderung
des Wetters. Genau auf Wind und
Wetter zu achten, ja, auch nicht auf
Setunden beide, wie die Bewe—
gungen des Bootes außer acht zu
laffen, ift die erfte Bedingung für
richtiges und gefahrloje Segeln.
Sollte dennoh ein Unglüd ge-
fchehen und eine plöglich einjeßende
Bd oder eigne Nadläffigkeit dag
Boot kentern, fo merke man fidh,
daß man nie nad Lee, d. h. in
der Richtung, in die der Wind
bläft, ausfteigt, da man fonft unter
die Segel gerät, die ja natürlich
nach diefer Seite ind Waſſer ge:
drüdt werden, fondern nad Luv,
d.h. in der Richtung, aus der der
Wind kommt, über Bord fpringt.
Man bleibe, bi8 Rettung naht, in
der Nähe des Boote, um fidh,
fal3 die Kräfte erlahmen, am
Bootsförper oder font umber:
ſchwimmenden Gegenftänden zu hal⸗
ten. Bei diefer Gelegenheit muß
bemerkt werden, daß es für jeden
Segler unerläßlih ift, ſchwimmen
zu lönnen, nicht nur, um fich bei
Gelegenheit zu retten, ſondern aud),
Niro. 306.
weil dad Gefühl, ſchwimmen zu
fönnen, mehr Ruhe und Geijtes-
gegenwart verleiht. Der Nicht:
ſchwimmer wird leicht kopflos und
gefährdet dadurch auch feine Be-
gleiter. Bei kritiſchen Momenten
ift es angebradt, die Stiefel, wo⸗
möglih aud das ſchwere Jackett
auszuziehen.
Der Steuernde, d. 5. alſo der:
jenige, der das Boot führt und
der die Kommandos gibt, falls
noh mehr Hände an Bord find,
figt Iuvmard von der Pinne und
tft für alles verantwortlich; er hält
in einer Hand die Pinne, in der
andern die Schoot. Beſonders An-
fänger jollen die Schoot nie be=
legen. Bei langen Schlägen und
längerm Segeln in einem Kurs
fann man fie mit einem Kneifſteek be⸗
legen, d. 5. fie um einen dazu an⸗
gebraditen Holznagel fchlagen, Doch
ftet3 jo, daß fie beim leichteften
Ruck loskommt. Im allgemeinen
hake man ſie aber nur über den
Nagel, ſo daß man die meiſte auf
ſie kommende Kraft auf dieſen
überträgt, aber ſie ſofort loslaſſen
und auslaufen laſſen kann.
N
—
MN
JM
164. Kneifiteel. Aus Seglers Handbuch.
Derlag Wafferfport, Berlin.
Steht der Klüner gut voll Wind,
ohne Falten zu werfen, jo liegt
das Boot gut am Wind. Beginnen
jedoch die Segel zu „Eillen”, d. h.
hin⸗ und berzuflattern, jo ift das
Boot zu hoch an den Wind ges
fommen, der Wind fommt zu viel
von vorn. Drängt ein Boot zu
fehr in den Wind, fo ift es luv—
gierig, eine Eigenſchaft, die in ge:
wifjem Grade jedes gute Fahrzeug
Nro. 307-308.
haben fol; man Torrigiert daß
E. Sräfn Baudilfin u. Hapttän €. Gürk.
Längsfciffsebene des Bootes weg
duch ein „Auflegen” der Pinne, kommen und nicht mehr auf ſeit⸗
liche Umfallen (Kentern) wirken ;
d. 5. man läßt das Boot unter
dem Kommando: „Auf das Ru—
der!” abfallen. Iſt ein Boot lee⸗
gierig, eine weit unangenehmere
Eigenſchaft, da fie die Manövrier⸗
fähigfeit einjchräntt, fo wird Die
Pinne unter dem Kommando:
„Ruder in Lee!” in Lee gelegt, um
wieder anzıluven.
307. Am Wind fegeln. Segelt
man am Winde, d. h. wenn der
Wind fchräg von vorn fommt, fo
bat men darauf zu achten, daß die
Schooten nicht zu feſt angeholt find.
Die Segel müſfſen „willig“ bleiben,
da fte fonft von ihrer treibenden
Kraft auf das Boot verlieren. Ge-
rade beim Am-Wind-jegeln, das
die größte Kunft verlangt, ift
ſchärfſte Aufmerkſamkeit nötig, be-
ſonders auf Waſſerflächen, die durch
hohe Ufer begrenzt ſind. Jede
Aenderung der Küſte, jedes kleine
Gehölz, ein Hügel oder ein Tal,
verurſacht einen Wechſel des Win⸗
des, oft auch eine vermehrte oder
verminderte Windſtärke und eine
zu ſpät beobachtete Bö bringt ge:
rade ein am Wind liegendes Boot
am leichteften zum Kentern. Die
beften Anzeichen für eine ſolche Bö
find die vom Wind hervorgerufenen
dunklen Streifen auf dem Waſſer;
man begegnet ihr durch „luven“,
indem man den Bug des Bootes
mehr in den Wind fteuert und fo
dem nunmehr längs der Gegel
wehenden Wind die Kraft nimmt.
„Schralt“ der Wind, d. h. dreht
er fih gegen den eingenommenen
Kurs, jo muß dag Ruder vorjid;-
tig aufgelegt und entfprechend ab⸗
gehalten werden. „Raumt” die ein=
fegende Bö jedoch, d. h. ift fie von
Borteil für den Kurs, fo müffen
entweder die Schooten geſchrickt
oder gefiert, d. 5. nachgelafien
werden, damit Die Segel von der
können, oder man Hält mit dem
| Boot ab und erzielt fo, daß ber
Wind achterlicher als quer zur
Längsebene kommt. Wird der Wind
überhaupt ftärfer — er frilct
dann auf, wie der technifche Aus:
drud lautet — fo muß man Segel
bergen ober reefen. Reefen ift,
auch wenn man Batenteinrichtungen
bierfür Hat, immer ein längeres
Manöver. Zumweilen wird man da
ber, 3.8. bei zu großer Nähe ded
Zandes in Lee, feine Zeit mehr
zum Reefen haben. Dann Bolt
man in Lee des Großfjegeld den
Klüver nieder, luvt auf und fert
die Piek (oder Gaffel) weg.
308. Bor dem Wind fegeln.
Das Segeln vor dem Winde oder
raumſchots, d. h. bei günftigem
Wind von einer mehr achterlichen
Richtung als querein, iſt bedeutend
einfacher und ungefährlicher; zu
vermeiden ſind nur grobe Seen
bei einſetzenden Böen, die nicht
recht von achtern, ſondern ſeitlich
von achtern kommen. Man weicht
ihnen aus, indem man möglichſt
recht vor den Wind geht und erſt,
wenn ſich das Fahrzeug achtern
hebt, die alte Richtung wieder auf-
nimmt. Sollten die Seen jedoch
—*
ſchneller laufen als das Boot, jo |
iſt darauf zu achten, daß das Boot
nicht plötzlich in den Wind gedreht
wird oder weiter abfällt. Dies
kommt dadurch, daß das Ruder
nicht mehr wirkt, weil das von
achtern auflaufende Waſſer ſeine
Wirkung aufhebt; man nennt dieſen
Moment: das Boot läuft aus dem
Ruder. Hierbei kann leicht der
Großbaum übergehen dieſer ſchlägt
dann mit großer Gewalt von der
einen Seite, nach der hin er ab-
gefiert war, über dag Hed herum
nach der andern und es können
;
V. 1. Segelfport.
nun leicht Unfälle dadurch ent»
ſtehen, daß die Schoot, oder der
Baum ſelbſt bricht, oder durch den
Ruck der Maft gefährdet mird.
Auch zum Kentern Tann ein über:
gehender Baum das Boot bringen.
War dag UWebergehen unvermeid-
lich, fo hole man wenigſtens jo
Schnell als möglich die Großjchoot
mit ein, um fo den Baum zu halten
und wieder in die Gemwalt zu bes
fommen.
Der Segler auf beichräntten
Wafferflähen, Binnenfeen, Haffs
oder Flüflen, hat auh noch mit
den Strömungen zu rechnen. Es
fann fih um die viermal täglich
wechſelnde Ebbe und Flut oder
auch nur um das Talmärtsftrömen
des Waſſers handeln; dies leßtere
fann vom Wind verftärkt oder auch
ganz geändert werden, d. h. der
Strom fann ein- oder ausgehen.
Selbftverftändlihd müſſen dieje Be-
dingungen berüdfichtigt werden,
bejonder® auch beim Unterjegel-
gehen. Da die Berhältniffe auf
beſchränkten Gebieten überall va—
riieren, jo lafjen fich feine feiten
Negeln geben. Die Praxis muß
den Segler lehren, auch die ge-
ringjte Veränderung von Wind und
Wetter zu erfennen und fi) durch
allerlei Anzeihen am Land oder
die ſchon oben erwähnten Wafler:
ftreifen ein genaues Bild des je-
weiligen Standes der Witterung
zu madıen.
Bor längeren Ausflügen mit dem
Segelboot jtudiere man die überall
aushängenden Wetterberichte und
Barometer; man wird bald lernen,
auch als Laie aus ihnen richtige
Schlüſſe abzuleiten.
309. Reefen. Niemals wird fich
der tüchtige Segler — wie fo oft
der Laie! — genieren, zu reefen,
falls es ihm nötig fcheint. Bei
ſehr ftarfer Brife alle Segel un⸗
gereeft zu führen, ift ein Leicht
Nro. 309.
finn, der dem Vergnügen des Un⸗
fundigen, ein Ruderboot ind Schau
fein zu bringen, entfpridt. Es it
feine Torheit und durchaus fein
Mangel an Mut, wie eben wieder
nur Laien behaupten können, lieber
eine Stunde zu früh ala eine Mi-
nute zu jpät zu reefen. Man wird
daran nur erfennen, daß ein Mann
das Boot führt, der Wind und
Wetter fennt und fie fich richtig
zunuge macht, ftatt ihnen über:
mütig zu troßen. Außerdem hält
ja das Boot die Windftärfe nur
bis zu einem gewiſſen Grade aus;
es gehört zur Kunft des Segelng,
genau abfehägen zu können, warn
diefer Grad erreicht ift. Und dann
veeft man eben; das Boot, das
vor dem Reefen zu jehr überlag,
d. 5. zu tief mit der Seite ing
Waſſer gedrüdt war, wird fich nad)
der Erleichterung des Segeldruds
wieder aufrichten und feine Ge—
Ihmwindigfeit wird zunehmen. Die
fleinere Segelfläcdhe ift alfo in die-
fem Falle von Borteil.
Den richtigen Zeitpuntt fürs
Reefen zu finden, muß fich jeder
Segler angelegen fein lafjen. Bald
wird er lernen, daß durch eine zu
ftarte Krängung, d. h. Ueberliegen
des Schiffes, der Wind die Segel
nicht mehr ſenkrecht, fondern in
einem Fleineren Winkel trifft und
dadurd feine Wirkung für die Vor:
wärt3bemegung vermindert wird;
es fei denn, daß das Boot bei jehr
vollen Uebermwafjerformen durch die
tief einfchneidende Leefeite näher
an den Wind gedrüdt wird und
dadurd) höher liegen Tann. Das
Reefen vollzieht ſich am einfachſten
und müheloſeſten, wenn man das
Boot in den Wind ſchießen läßt
oder doch ſo hoch am Wind ſteuert,
daß die Segel loſe kommen. Man
bindet unter gleichzeitigem Fieren
der Fallen die Reefe mit den Reef—
bändſeln ein oder dreht, falls Pa⸗
Nro. 310.
tenteinridtung vorhanden, den
Baum um feine Längsachſe, fo das
Segel um ihn aufwidelnd. Schooten
und Haljen werden in die für fie
vorhandenen Kaufhen verhaft, da=
nad das Segel wieder aufgeftredt
und dann geht man wieder auf den
alten Kurs. Sit man allein im
Boot, fo fiere man das Großfegel
mit alter Reefeinrichtung zunächſt
ganz herunter, das Boot jo lange
vor dem Klüver treiben lafjend. So
farın man die Arbeit ruhiger und
gründlider machen; danach reeft
man den Klüver und jegt dann nach
ihm dag gereefte Großſegel wieder.
310. Kreuzen. Will man ein in
der Windridtung nah Luv ge—
legenes Ziel erreichen, jo muß man
freuzen, d. d. man geht von einem
Bug auf den andern über und
zwar fo oft, bis man den Punkt
erreicht hat. Den Weg, den man
von einem Bug bid zum andern
macht, nennt man einen „Schlag“.
Je nach der Windftärfe wie nad)
der Breite des Fahrwaſſers handelt
es fih um fürzere oder längere
Schläge. Der Bug, der am fchnell-
ften zum Biel führt, beißt der
„Stredbug”. Das Kreuzen befteht
alſo in einer Zidzarlinie, in der
man bei einem guten Boot in einem
Winfel von 45 Grad gegen den
Wind fegelt. Man unterjcheidet je
nah dem Stand des Segels
zwiihen „Steuerbordihlag” und
„Badbordichlag”; ein Schlag wird
nach der Seite benannt, auf der
das Segel fteht.
Um nun auf den andern Bug zu
kommen, bat man zweierlei Mög:
lichfeiten, entweder „wendet“ man
oder man „halit”.
a) Wenden Beim Wenden
oder Lleber-Stag-gehen, geht man
gegen und dur den Wind. Dazu
wird das Ruder in Tee gelegt und
fo das Boot fo lange gegen und
durh den Wind gedreht, bis es
€. Gräfin Baudilfin u. Rapilän €. Türk.
über den neuen Bug abfält. Man
jhridt die ‚Schooten der Vorſegel
auf, damit Stagfod und Klüver
Iofe fommen. Die Großfchoot läßt
man fteif angebolt ftehen oder holt,
bei jchlecht wendenden Booten, mit
ihr den Baum bis mittihiff?. Die
Segel werden zu ſchlagen beginnen,
fobald der Wind recht von vorn
kommt; durch das in Lee liegende
Ruder dreht nun das Boot weiter
und allmählich wird der Wind von
der andern Seite in die Segel
fallen. Man läßt nun dad Groß-
jegel übergehen, holt danach die
Klüverfchoot über den neuen Bug
an und fommt mit dem Ruder auf,
fobald die Segel voll ftehen und
das Boot feine durch die Wendung
verlorene Fahrt wieder aufnimmt.
Se Schneller und gemwandter diefe
Manöver ausgeführt werden, deſto
weniger wird an Fahrt eingebüßt.
Die Größe des PViertelfreijes, den
man beim Wenden befchreibt, hängt
nicht nur von der Form des Booteg,
fondern auch vom Ballaft und
Eigengewicht desjelben ab. Se
größer beide find, defto ftärler wird
auch die Fahrt fein und deſto
größer kann der Bogen werden.
Was man an Zeit durch den weiten
Weg verliert, gewinnt man reichlich
an Höhe wieder.
Ein ridtig „geftautes” Boot
würde aud) wenden, ohne daß man
die Segel rührt; man tut es den-
no, um da8 Wenden zu bejchleu-
nigen und gleich wieder auf Die
alte Fahrtgeſchwindigkeit zu kommen.
Die verſchiedenen Kommandos
zum Wenden lauten:
„Klar zum Wenden!“
Die volle Fahrt wird beibehalten
und jeder ſteht klar bei der Schoot,
die er bedient.
Bei „Rhe!“ legt man das Ruder
langſam in Lee, die Großſchoot
wird aufgeholt und die Klüverſchoot
losgeworfen.
V. 1. Segellporf.
„Hol über!“ bedeutet, die Klüver⸗
foot überzuholen und auf der
anderen Seite zu belegen, die
Großſchoot wird aufgefiert, um das
Abfallen zu ermöglichen. Das Boot
muß dabei vol im Wind liegen.
165. Wendemanöper.
1. Klar zum Wenden. 2. Rhe. 3. Hol über.
Aus Seglers Handbuch. Derlag Waffer:
ſport, Berlin.
Bei „Klar Dei!“ wird das
Nuder etwas aufgelegt, das Tau
werk geklart und die Segel richtig
gefantet.
Das Tertbild veranſchaulicht
deutlich, wie dag Boot wendet, das
Segel übergeht und dag Boot über
den neuen Bug abfällt.
b) Haljen. Das Halfen ift
ein bedeutend jchwierigered und
oft nicht ungefährlide® Manöver.
Beim einfachen Vergnügungsfegeln
wird es deshalb auch nur dann
angewandt, wenn bei fchlecdhtem
— — — — — — — —
Nro. 310.
Wetter das Wenden verſagen ſollte.
Bei Regatten halſt man dann und
wann beim Runden des Markbootes
oder der Boje, führt oft jedoch nur
die erſten Teile: das Abfallen oder
das Uebergehenlaſſen des Baumes
aus, je nach der Richtung des nach
dem Runden einzuſchlagenden Kur⸗
ſes. — Statt wie beim Wenden
durch den Wind zu gehen, fällt
man nach Lee ab und beſchreibt
einen vom Winde abgewendeten
Wind
166. Das Manöver des BHalfens.
1. Klar zum Balfen. 2. Auf das Ruder.
2. Klar zum Schiften. 4. Rund achtern.
5. Beim Wind überall. 6. Klar Ded.
Aus Seglers Bandbuh. Derlag Waffer:
port, Berlin.
Dreiviertelfreiß. Das Halfen koſtet
alfo außer den bedeutend ſtärkeren
Anfprüden, die an Segel und Tau—
werk geftellt werden, fajt die dop—
pelte Zeit wie das Ueberjtaggehen.
Das Boot muß big vor dem Winde
abfallen, die Schooten müſſen über-
geholt und dann über den neuen
Bug bi8 an den Wind angeluvt
werden.
——
Zune
ro. 311—312.
Die Kommandos zum Manöver
des Halſens lauten: „Klar zum
Haljen!” Das Leegroßbaditag
wird losgeworfen, die Großſchoot
zum Fieren Tlargehalten,
Bei „Auf das Ruder!” wird bag
Ruder hart aufgelegt und die Groß⸗
ſchoot gefiert, damit das Großfegel
„lebend“ bleibt und für den Augen
blick keinerlei Einfluß ausübt.
„Klar zum Sciften!” mahnt die
Leute zum Aufpaffen. Man gibt
dies Kommando erft, wenn der
Mind direft von achtern kommt,
das Zuvbarlitag wird überholt und
das Leebaditag mit dem Herum⸗
holen des Großſegels fteif geſetzt.
Die Großſchoot wird von allen
übrigen Händen allmählich wieder
mit durchgeholt. Died Hat den
Zweck, zu verhindern, daB das
Großſegel noch mit loſer Schoot
übergeht, weil hierbei ſehr leicht
Havarien duch Breden von
Blöcken, Schoot uſw. entjtehen.
„Rund achtern!“ bedeutet, den
Großbaum übergehen zu laſſen; der
Wind muß dazu jchon über den
neuen Bug fommen. Die Grob:
ſchoot wird langſam ein wenig mit-
gefiert, bi das Segel wieder am
Mind über den neuen Bug jteht
und mit dem Ruder mird auf:
gefommen. Das neue Lupbackſtag
wird angeholt, das Leebaditag los⸗
gemorfen.
„Beim Wind überall!" Heißt,
daß alle Schooten getrimmt werden
müffen, um fofort wieder hoch am
Wind liegen zu können.
Bei „Klar De!“ wird das Tau-
werf aufgeffart.
Aus der Beichreibung wie dem
eingefügten Tertbild, dag auch dieſes
Manöver Kar illuftriert, fieht man,
um wieviel fchmwieriger und zeit-
raubender das Halfen ift ala das
Menden. Man follte ed, beſonders
bei kleineren Booten, die den bef-
E. Gräfin Bawilfn u. Raptlän ©. Cürk.
des Großſegels oft fehlecht ftand:
halten, nach Möglichkeit vermeiden,
fann dag aud häufig, indem man,
wie beim Wenden, durch den Wind
geht und dann erſt den Dreiviertel:
kreis befchreibt.
311. Beidrehen. Will man aus
irgend einem Grunde die Fahrt
unter Segel hemmen, fo „breit
man bei"; dag Boot wird durch
das Badholen des Klüverd ver:
hindert, anzulunen, am Abfallen
hindert das Großjegel. Die Wir:
tung beider Segel hebt ſich dadurch
gegenfeitig auf. Man dreht bei,
3. B. um auf ein anderes Boot zu
warten, um etwas am Ballajt oder
an der Tafelage in Ordnung zu
bringen oder um fich vielleicht vor
einem Unwetter ind Schilf zu
retten. Doch iſt das nur dem
Segler zu raten, der genau weiß,
was feine Segel außhalten. Kleinere
Boote und Anfänger follten bei
aufziehendem Gemitter auf ftarf
einjegende Böen lieber fofort die
Segel bergen. Selbftverftändlid
richtet ſich auch die Stellung der
Segel beim Beidrehen nach dem
Ban und der Stabilität des Bootes.
312. Bor Anker gehen. Bill
man vor Anker gehen, fo muß das
Boot noch Fahrt voraus oder achter⸗
aus haben, damit die Kette nidt
auf den Anker fällt und ihn um
klar macht. Man rechnet drei⸗ bis
vierfach mehr Kette als die Waſſer⸗
tiefe beträgt, bei ſchlechtem Wetter
ſieben- bis neunmal fo viel. Da:
durch wird der Anſpruch an den
Anker bedeutend verringert, da die
ziehende Kraft erſt das Gewicht der
Kette heben muß, ehe der Anker
getroffen wird. Es iſt immer rat⸗
ſam, am Anker eine kleine Boje
oder ſonſt irgend etwas Schwimm⸗
bares zu befeſtigen, das den Plat
des Ankers angibt, ihn auch, falls
man aus irgend einem Grunde ihn
tigen Bewegungen beim Uebergehen „ſchlippen“, d. h. Die Kette kappen
V. 1. Segelf[port.
muß, leicht wiederfinden läßt. Die
Boje wird an einer Leine befeftigt,
deren Länge der Wafjertiefe ent-
ſpricht und die durch ein Webelein-
fteet um den Anker gelegt wird.
Gewöhnlich ſchießt man zum An⸗
kern in den Wind, um die Haupt⸗
geſchwindigkeit aus dem Boot zu
bekommen, und wirft den Anker,
wenn das Boot gerade noch Fahrt
voraus hat oder zu ſacken anfängt.
1067. Webeleinfteel. Aus Seglers Hand—
bud. Derlag Wafferfport, Berlin.
Hat man mit Strom zu rechnen,
fo wird das Ankern Tomplizierter.
Iſt der Strom entgegenlaufend, fo
beachte man, daß man mehr Fahrt
als gemwöhnlid beim Ankern be⸗
halten muß, um bis an den ge⸗
wünſchten Anferplag zu gelangen.
Bei Strom zu Luv birgt man das
Großfegel erft, wenn das Boot
querab vom Ankerplatz liegt und
legt dann das Ruder in Lee; bei
Strom zu Lee werden die Bor:
fhooten losgeworfen, Klau: und
Piekfall weggefiert, das Ruder
in Lee gelegt und das Vorſegel
niedergeholt.
Hat man auf ungeſchütztem
Ankerplatz ſchlecht Wetter zu be⸗
fürchten, ſo halte man alles bereit,
Nro. 312.
um eventuell den Anker gleich
ſchlippen zu können. Man hält die
dicht gereeften Segel klar zum
Setzen und befeſtigt an einem
Glied der Ankerkette, am beſten an
ihrem Tamp, eine Boje, wobei zu
beachten iſt, daß die Kette vorher
fo klar zu ſehen iſt, daß fie aus⸗
rauſchen kann, ohne durch die Boje
behindert zu werden. Die Boje
dient zum bequemeren Wiederfinden
der Kette. Man gehe nicht erſt im
letzten Moment unter Segel, da
dies um ſo ſchwieriger iſt, je gröber
der Wind wird. Zwei Anker aus⸗
zumerfen, ift oft nicht ficherer als
vor einem zu liegen; denn die
Ketten tragen nicht immer gleich;
befjer ift e8, bei fchlechtem Wetter
auf einen Anker möglichſt viel
Kette zu ſtecken und den zweiten für
alle Fälle bereit zum Fallen zu
halten. Zmei Anker find nur dort
108. Mooringfchäfel. Aus Seglers Band-
buch. Derlag Wafferfport, Berlin.
nötig, wo das Boot feinen Raum
zum Schwojen bat, d. h. um den
Kreis zu bejchreiben, den es unter
dem Einfluß von Wind und Strom
um den mit langer Kette ausliegen⸗
den Anker madt. Um zu verhin-
dern, daß fich die beiden Anferfetten
Mro. 313-316. E. Gräfin Baubdiifiin u. Rapitän 9. Türk.
vertörnen, benußt man einen Moo- | Navigation Tönnen auf viefem
ringsſchäkel. Raume nur einzelne Punkte an-
313. An die Boje gehen. Auch gegeben werden; ſolche, die auch
der Boje naht man fi von Lee | für den Amateurfegler von Wichtig:
und berechnet die Fahrtgeſchwindig- | keit find.
feit genau, um nicht über die Boje | Für die Seemannfdaft
fortzuſchießen, noch ein Stüd ab | kämen vor allem allerlei Winte für
von ihr die Fahrt zu verlieren und | Ereigniffe in Frage, die auf Binnen-
an ihr zum Stehen zu Tommen. wäſſern felten, auf See häufiger .
Ein gutes Bojenmandver erfordert | vorfommen. :
genaue Kenntnis des Drehfreifes 315. Wenden und Halfen bi...
und des Fahrtmoments des Boote | Secegang. Beim Wenden wie beim :...'
und ift beſonders fchmwierig und viel | Halfen ift ſowohl zum Abhaltn :.
Geſchick erfordernd. wie zum Anluven die ftet3 ein:
Statt das Boot für gemöhnlich | fegende Pauſe nad mehreren
an eine ſchwimmende Boje zu legen, | ſchweren Seen abzumarten, weil «8
follte man ſich lieber eine jogenannte | ungünftig ift, wenn gerade das in
Mooring herftellen laffen; bei der | der Wendung liegende, aljo wenig
Ihwimmenden Boje find Zufammen: | Fahrt machende Fahrzeug von
ſtöße mit dein Boot nicht zu ver: | gröberen Seen getroffen wird. Vor
meiden. Die Mooring ift ein ftarfer | der Wendung fteuere man zunächt
Zement: oder Betonblock, an ven etwas vollere Segel, damit dad |...
eine eijerne Kette in einen Ring | Boot tüchtig Fahrt befommt. Damı ...
gefchäfelt wird. Die Kette hat wie | beginne man das Manöver wie :.
beim Anfer ungefähr die dreifache | üblich und beachte ein befonded
Länge der Waffertiefe und trägt an | Jorgfältiges Bedienen der Vorjegel: .::.
ihrem leßten Glied eine Kleine, mit | ſchooten, damit die Iofen Segel nad ..:
einem Ende befeftigte Boje, um |der Wendung nicht unndtig lange
das leichtere Auffiihen zu ermög: ſchlagen. Oft ift e8 gut, die Stay‘...
lihen. Natürlid muß das Ende fock erft übergehen zu laffen, nad? :...
ftarf genug fein, um die Kette in | dem das Boot über den neuen Bug!
die Höhe ziehen zu können. abgefallen ift, weil häufig eine See | ::,
dag — in den haben = Di
tun i- zurückwirft. Hierbei entſtehen dann
nn: s And leiht Schäden am Vorgelhür. %.
Beim Halfen wird der Großhals
314. Seemannfdnft. Unter Eee: | aufgeholt, ehe "man abhält,; bei;
mannfchaft verfteht man das durd) | „Klar zum Schiften!“ die Piel weg: u
Grfahrung in See gefammelte | gefiert und die Leedirk geholt; bi ı
hauptfählih praftifihe Willen; | „Rund achtern!“ das Piekfall Har- |.
unter Navigation die Steuermanns= | gelegt zum Holen, die andere Dirt | x;
oder Sciffahrtsfunde, d. h. die |losgeworfen und die Piek wieder , ı
Wiffenfchaft ver Schiffsführung und | aufgeholt ;, Großfchoot angeholt und
Schiffsortsbeſtimmung auf See mit | zulegt Großhals heruntergeſetzt. vi
Hilfe von Kompaß, Logg und Lot | Died ganze hat den Zwei, die
und von Landobjelten, Seezeichen | Segelfläche während des Halfens :
und Geſtirnen. zu verffeinern und jo das Manöver ;
Was muß der Segler von beiden | ungefährlicher zu maden. J
wiſſen? 316. Bö auf See. Liegt man
Bon Seemannſchaſt mie von | „am Wind": Vorſchooten auffieren,
— | |
V. 1. Segelſport.
das Boot foweit anluven laſſen,
daß ein Teil feines Drudes aus
dem Großfegel fommt. Man ver:
meide es, die Segel loje zu fteuern,
weil dann das Boot zu viel Fahrt
verliert, daher dem Ruder fchlecht
gehorcht und Später nad) dem
MWiederabfallen daher nicht fteuert
und bei einer neu einfallenden Bö
fentert oder Havarie erleidet. —
Wird das Boot „vor dem Wind“
von einer Bö überrafcht, jo müſſen
als erſtes Piekfall und Großſchoot
losgeworfen werden. Dadurch fällt
das Boot wieder ab, falls es in
der Bö luvte und kommt wieder
vor den Wind; jetzt fiert man die
Vorſchooten und holt den Großhals
auf. Bei andauernd hartem Wind
ſteckt man Reefen ein und ſetzt in
Lee eine Stoßtalje, um das Schlagen
des Großbaumes oder ſein Ueber⸗
gehen beim Schlingern zu ver⸗
hüten. i
317. Lenzen. Wenn man „lenzt”,
d. 5. platt vor Sturm und See
läuft, fo ift eine gereefte Breitfod,
d. h. ein Raaſegel an fliegender
Raa und ein Sturmklüver mit an-
geholter Schoot das befte. Hat man
feine Breitfod, fo lenzt man vorm
abgefierten Tryfegel und birgt das
Großfegel. Dazu wartet man wieder
einige ſchwere Seen ab, luvt auf
und holt Großfchoot und Vorſchooten
an. Sit man am Wind, fo werden
Piek- und Klaufall gefiert, die
Stagfodfchoot zu luvward geholt
und beigedreht, bi8 das Großfegel
geborgen ift und das ftatt feiner
zu ſetzende Tryfegel oben ift.
318. Beiliegen. Auch beim Bei-
liegen auf See wird das Tryfegel
gejegt; und zwar bei einer Yawl
Tryfegel und GStagfod, beim
Schoner Großtryfegel und Sturm-
ftagfegel. Beim Lenzen wie beim
Beiliegen werden Luks und Cockpit
mit waſſerdichten Preſennings ge-
deckt oder verjchalft. Ueber die Luks
Niro. 317-319.
fommen zuerit feſtſchließende Deckel;
über dag Codpit, das bei größeren
Booten gegen die übrigen Räume
abgeichloffen fein muß, gemölbte
Bretter. Bei Windftille verjucht
man dag willfürlide Schlagen der
Segel und Enden möglidhft zu ver:
hindern. Die Piek wird herunter-
gefiert, der Klüver niedergeholt und
der Großbaum durch eine Stoß-
talje abgeftüßt, bis neue Brife ein
ſetzt. Nadeinander werden dann
die Stoßtalje losgeworfen und
Klüver und Piekfall geheißt.
319. „Auf Legerwall*. Ein Fahr:
zeug befindet ſich „auf Legerwall“,
wenn Wind und See oder Strö-
mung es auf den Strand zu ſetzen
drohen. Es bleiben dem Schiff in
diefer üblen Lage nur zwei Mög-
lichfeiten, die Strandung zu ver-
meiden, nämlid entweder durch
Segen von mehr Segeln und da-
durch durch Vermehrung der Fahrt
Seeraum zu gewinnen, d. b. fi
frei zu kreuzen von den gefahr:
bringenden Sänden, oder zu anfern.
Man reeft alfo zunächſt aus oder
ſetzt Gaffeltoppfegel und fonftige
Beifegel. Sett der Wind diefem
Segelpreflen ein Ende, fo bleibt
nur noch unter gleichzeitigem Segel⸗
bergen das Antern nad. Da es
beim Abreiten eines derartigen auf-
landigen Sturmes befonderd auf
Halten der Anker ankommt, jo tut
man gut, den Anfer, vor dem man
— natürlih mit möglichſt langer
Kette — liegen will, zu „verkatten“
oder zu „verwarpen”. Man ver-
bindet den Buganfer vor feinem
Fallen durch eine ftarfe Leine oder
ein Stück Kette mit den meift
an Bord befindlihen leichteren
Warpanfer oder fonft irgend ei-
nem jchmweren, nicht ſchwimmenden
‚Gegenftande, Rofteifen, Ballafteijen,
Steinen und ftert dieje Hilfsver:
ankerung zuerft ing Waſſer; danad)
anfert man wie fonft und ftedt Die
Nro. 320-321.
Kette vorfihtig aus, jo daß fie
immer fteif bleibt und trägt, um
ihr Brechen beim Loſekommen dur
Einrucken möglichſt zu vermeiden.
Die Haltbarkeit des Bugankers wird
durch diefe Verankerung weſentlich
erhöht.
Danach erleichtere man die Take⸗
lage, um den Windfang zu ver-
ringern, nehme die Stenge an Dec,
oder entjchließe fich unter Umftän-
den zum Kappen der Maften.
Treibt das Boot dennoch auf
den Strand, fo ſchlippe man gleicdh-
wohl die Anfer nicht, damit das
Boot nicht dwars auf den Strand
geworfen wird. Es pflegt dann
zu kentern und feine Snjafjen er-
trinten. Brechen die Ketten, fo
bemühe man fih, durch Geben
eines Vorjegeld das Boot vor dem
Winde auf den Strand mit dem
Vorſteven laufen zu lafjen.
320. Anterlichten. Zum Anter:
lihten, da8 auf fleineren Booten
mit der Hand gejdieht, gebraucht
nd
u
169. Putent:Dertifalfpill.
Mus Scalers Handbuch.
man bei größeren eine Anterwinde,
eine Hebelvorrihtung. Das jekt
gebräuchliche Vertikal- oder Brat-
ſpill befteht aus einer horizontal
Derlag Wafferfport, Berlin.
€. Gräfin Baudilfin un. Rapilän €. Cürk.
liegenden Ankerwinde mit verti:
Talen Speichen. Sobald die stette
ſoweit aufgehient ift, daß fie „auf
und nieder“ fteht, werden erft die:
Segel gejegt, ehe der Anfer voll:
ftändig gehievt wird. Er hat feinen
Pla vorn auf der Reeling oder
in einem bejonderen Lager, dem
„Schweinsrüden“, in den Kleinere
Anker mit der Hand, größere mit
dem „Fiſchdavit⸗ gebracht werden.
321. Anker mit Boot ans:
bringen. Wil man einen Anker
mit einem Boot ausbringen, was
feine Schwierigleiten hat, wenn es
fid um leichte Anfer handelt, fo.
muß man bei fchwereren genau
willen, ob das Boot Tragfähigkeit,
genug befigt. Iſt dad Boot zu],
ſchwach im Verhältnis zum Anker, |
jo wird er nicht an Bord des Bootes
genommen, jondern quer zur Längs⸗
achſe des Bootes unter dasjelbe
gehängt. Bon der Kette wird min:
deſtens eine Länge der anderthalb:
fachen Waflertiefe gerechnet, davon
möglihft viel ing
Boot genommen,
über die Duchten
aufgefhoffen und!
über .eine Spiere
zu Waffer gefahren.
ft das Boot auch
für die Kette zu
ſchwach, fo wird aud
fie außenbord3 auf: |
gehängt. Vorher
bringt man dort, wo
geanfert werden jo,
ein Warp aus, an
dem ſich das Boot
verbolen Tann, da
das Gewicht des
Ankers und der Kette .
das Rudern meifteng
ausfchließt. Bei jehr
ſchwerer Kette und größerer Ent:
fernung muß ein zweites Boot einen
Zeil der Kette aufnehmen. Dann
fteden die Boote die mitgenommene
„
nfee.
„Wannf
5 —— ehr te —
aan ——
— —
— — —
V. 1. Segelfport.
Kette aug und zwar zunächit das
nur mit der Kette beladene Boot
die jeinige, danad) das Boot, das
den Anker trägt, Kette und zu=
legt den Anfer.
322. Auf Spring anfern. Auf
Spring anfert man, wenn man das
Boot dward auf den Wind legen
will. Spring heit eine Leine, die
an der Anferfette oder am Anker—
jchäfel befeftigt it; fie wird von
achtern außenbord3 an der Luv—
jeite entlang genommen, vorn durch
die Klüfe geführt und am Anker—
ſchäkel oder an der Kette befeftigt.
323. Schleppen. Um ein an-
deres, größeres Boot zu jchleppen
und jelbft unter Segel zu bleiben,
belege man die Schlepptrofje nicht
am Hed, weil dort da8 Gewicht und
der Zug die Manöprierfähigfeit zu
fehr behindern, jondern um den
Maft; am beiten find jedoch zwei
Trofjen, je eine an Barbord und
Steuerbord, die das Gewicht gleich-
mäßig tragen. Das zu fchleppende
Boot wirft dann wie ein zweites
Ruder und kann durch Einholen
und Fieren der Trofjen beim Wen-
den dad Manöver unterftügen.
324. Geſchleppt werden. Wird
man von einem Dampfer gejchleppt,
jo. fann dies längsſeit mit zwei
gefreuzten Leinen oder von achtern
gejchehen. Längsfeit ift zwar dag
bequemere, macht aber dad Aus:
jcheren unterwegs unmöglid).
Beim Schleppen von adtern muß
man genau im Kurs des Dampfers
bleiben, damit jedes Hin- und Her—
Ichlagen des Bootes, eventuell auch
das Brechen der Schlepptrofje ver-
mieden wird. Beim Schleppen gegen
den Wind kann man unterwegs die
Segel jegen, um beim Loswerfen
gleich an den Wind zu gehen. Die
Sclepptrofie fol wie beim Selbit-
jhleppen am beiten um den Maſt
gelegt werden, nicht wie oft üblich
um die Beting oder die Voller, um
Nro, 322--325.
die die Anferfette aufgefchofjen
wird.
Sollen gleichzeitig zwei Boote
gejchleppt werden, jo iſt es befier,
fie nebeneinander als hintereinan-
der zu legen. Die Boote jcheren
120. Schleppen mit gefreuzten Leinen.
Aus Seglers Handbud. Derlag Waffer:
fport, Berlin.
mit dem Ruder beim Schleppen:
dann jo weit aus, daß fie fich nicht
gegenjeitig berühren.
325. Mann über Bord. Bei
dem Ruf Mann über Bord! ijt die
erjte Bedingung für alle im Boot
Befindlihen abjolute Ruhe und
Geiftesgegenwart zu bewahren.
Strenger denn je ijt nur auf die
Kommandos des Skipper oder
Steurers zu achten. Die Rettungs-
bojen müfjen immer Far und leicht
zur Hand fein. Eine Boje ift jofort,
wohlgemerkt, nicht über Bord, ſon—
dern dem im Waſſer Liegenden zu—
zumwerfen. Kleinere Boote werden
wenden, das Großjegel lebend halten
und dadurd, daß die Klüverſchoot
belegt bleibt, der Klüver aljo badt,
nad) Zee abfallen und jo auf den über
Bord Gefallenen zutreiben, bei deſſen
Anbordnahme jorgfältig EN
Nro. 326— 327.
ift, daß nicht weiterer Schaden da—
durch entfteht, daß mehr Menfchen
als nötig hierbei hilfreiche Hand
leiften. Die übrigen noch im Boot
Befindlihen ſollen ſich an der an:
deren Bordfeite des Gegengewichtes
wegen aufhalten. Größere Jachten,
die ſchwerer zu manöprieren find
und deren Fahrt nicht jo leicht zu
ftoppen ift, jeßen lieber ein Boot
aus und zwar jobald die Wendung
ausgeführt ift und Sich die Fahrt
etwas verlangfant hat; man nimmt
das Luvboot, da ed nad) dem Wen:
den der Jacht zum Leeboot wird.
Seder Segler follte dies wichtige
Manöver des Bojeauswerfen und
seinfifhen fo oft üben, daß im
Augenblid der Gefahr fein Moment
mit Zaudern, Ueberlegen und wo—
möglih falfhen Kommandos ver:
loren geht.
326. Kielholen. Muß ein Boot
zu Kiel geholt werden, d. h. ſoweit
zur Seite gehievt, daß der Kiel
freiliegt, fo benutt man dazu einen
Prahm, das jogenannte Kielfahr:
zeug, oder macht es mit einer Winde
von Land aus. Die Urſache zum
Kielholen kann ſowohl eine Havarie
wie eine notiwendig gewordene Bo⸗
denreinigung fein. Vollzogen wird
e8, indem man am Top, dem oberen
Ende des Majtes, einen ſchweren
Block lafht; ein zweiter Bloc ift
am Kielprahm in einem Kettenftropp
feit; durch beide Blöde fchert man
das Kielgien und holt mit diefem
den Top herunter, man „krängt“
das Boot. Selbftverltändlid) muß
jever Balaft und jedes loſe Gut
entfernt und der Maſt abgeftügt
werden; auf der heruntergefierten
Seite gefchieht dies durch Stüßen,
auf der andern mit ſchweren Tafeln,
fogenannten „Giens“.
Die Stabilität der achten er:
ſchwert das Aufzdie-Seite-legen des
Fahrzeuge8® und kann leicht zu
Brüchen des Maftes oder zum Leck—
E. Sräfin Baudiffin u. Rapitlän €. Türk.
Ipringen des Bootes führen. We
irgend angängig, holt man babe: |
das Boot auf ebenem Kiel in ein
Dock oder auf ein Slip.
327. Brühe und Beſchädi—
gungen. Bricht bei fhwerem See:
gang das Ruder oder wird es gar
volljtändig fortgejchlagen, fo fertig
man fi ein Notruder an. Hier:
benugt man den Spinnaferbaum,
nagelt an feine eine Nod einig:
Bretter, lajcht ihn danad) Über da:
Heck und fteuert mit am NRuderbla:
aufgeftedten Sorgleinen, deren Be
dienung man durch Arbeitstalie:
erleichtern kann. Bei größere:
Jachten, die ftatt der Ruderpinn:
ein Steuerrad haben, aljo ein
Uebertragung durch Zahnrad un:
Melle, ift e8 natürlich ſchwerer
Schäden dieſer Art auszubefjern.
In See wird man nad) Mög—
lichfeit mit den Segeln weiterfteuer:
und Schlepperhilfe requirieren, fo:
bald ein anderes Schiff in Sid:
fommt, unter bewohnter Küſte
anfern und dur ein an Land ge:
ſchicktes Beiboot Hilfe holen. Gi:
ift es immer, das Rudergefchir:
bei auflommendem ſchlechten Wette:
vor Beſchädigung zu hüten, in
dem man ein Steuerrad mit min
deſtens 2 Mann bejegt. Iſt ftatt de:
Rades eine Ruderpinne vorhanden
jo jegt man Rudertaljen auf die
felbe; fie erleichtern die Bedienun:
und unterftügen das Material beffer
als es die Fauſt ded Steuernder
allein vermag.
Iſt die Klüvernock gebrochen, |:
wird der Klüver niedergeholt, ei:
Steertblod für den Klüverauspol«
angebracht und ein anderer Eleiner«:
Klüver geſetzt; ift dagegen de
Klüver dit vor der Brille ge
brochen, jo dreht man bei, fiert di:
Großſchoot auf und Holt die Stag
fockſchoot zu luvward.
Unter den Klüverbaum, der nun
zu Lee treibt, nimmt man vorn
: mit diefem wieder eingefeßt.
Großſegel erhält ſoviel Reefe, wie
es der Verkürzung des Maſtes ent-
nicht hilflos iſt; je,
vn Segellport. .
und adtern ein Schrottau durch,
holt den Klüver nieder, haft ihn
: aus dem Augsholerring und ſchrotet
den Klüverbaum nun über, feilt
ihn zwiſchen den Betings feft und
ſetzt nach der Größe des gebliebenen
Stumpfes einen neuen Klüver.
Sft der Maft gebrochen, jo geht
‚ man fofort in den Wind und wirft
einen Treibanfer, Spiere mit Leine,
aus. Die Segel und dag laufende
Gut werden geborgen, Baum und
Gaffel übergeholt. Sit der Maſt
nicht allzuſchwer, jo verſucht man
ihn mit unter ihm durchgenommenen
Tauen an Bord zu fchroten. Se
nachdem der Maft gebrochen, wird
er entweder, wenn noch ein Stumpf
Niro. 328-329.
berechnung nad) Geftirnen, Bered):
nung von Stand und Gang der
Chronometer, Beftimmung der Kom:
paßdeviation, Berechnung der Ge:
zeitenftrömungen und anderes mehr.
Gelehrt wird fie auf den in den
meijten größeren Küftenftädten vor:
bandenen Navigationsſchulen, und
ihre Kenntnis ift unentbehrlich für
den Sachtjegler, der ſich auf den
Ozean hinauswagen will.
Hingegen ſollte ein jeder Segler
von den Anfangsgründen der
terreftrifen Navigation
fo viel wiſſen, daß er in einer
Seefarte leſen und die unentbehr-
lichten nautifchen Suftrumente —
zu Logg und Lot — bedienen
ftehen geblieben iſt, an dieſen ge: | Tan
laſcht; oder, falls er direkt über
„Deck gebrochen ift, wird ein Bod aus
: zwei Spieren, man Tann SKlüver-
. baum und Spinnaferbaum dazu
nehmen, aufgetafelt und der Maft
Das
ſpricht.
Sind Gafſel oder Baum ge—
brochen, ſo wird das Tryſegel ge⸗
ſetzt, falls Gaffel oder Baum nicht
. zu laſchen find.
Briht die Stenge und kommt
von oben, fo birgt man zuerft das
Topfegel, ſchert das Gut aus,
bringt die Stenge auf und nieder
an die Leewanten, ftreift das Gut
ab und läßt e8 durch einen Mann
am Eſelshoofd, der Verbindung von
.. Maft und Etenge, zeijen.
328. Navigation. Bon der Navis
gation muß der Segler ebenfalls
fo viel wiflen, daß.er auf See
ohne jede
Kenntnis der Navigation follte das
Binnenwaffer nicht verlaffen werden.
Die aftronomifhe Navi—
gation ift ein für diefe Ausfüh—
. rung zu umfangreiches Gebiet. Sie
. umfaßt die Längen- und Breiten-
"389. Seekarten. Die Seefarte
ift ein Abbild der Erdoberfläche,
auf den der Seemann Drt und
Meg des Schiffes darftellt. Eine
in allen Punkten getreue Abbildung
muß alle Flächen, Richtungen und
Streden den Berhältnifjen an der
Erdoberflähe entjprechend in ver:
kleinertem Maßſtab genau mieder:
geben. Sie muß den Forderungen
der Flächentreue, der Winteltreue
und der Abjtandstreue gerecht wer-
den — alle diefe Bedingungen er-
füllt aber nur der Globus. Der
Seemann kann nun aber einen
Globus nicht gebrauchen, er bedarf
einer Darftellung der Erdoberfläche
auf ebener Fläche: der Karte. Da
die Karte nun nicht imſtande iſt,
ein nach jeder Hinſicht richtiges
Bild zu liefern, begnügt man ſich,
je nach dem Zweck derſelben nur
der einen oder der anderen Grund⸗
forderung ſtreng nachzukommen und
hierdurch entſtehen dann die ver—
ſchiedenen Kartenkonſtruktionen. Je
nach dem Zweck unterſcheidet man
Ueberſichtskarten, Segelkarten, Kü—
ſtenkarten, Sonderkarten und Pläne.
Sie alle enthalten eine Abbil—
dung des Landes nur inſoweit,
Nro. 330-331.
als dieſe für die Schiffahrt von
Wichtigkeit oder vermertbar ift:
die Landmarlen. Sn der Das
Meer darftellenden Fläche der Karte
hingegen finden mir eingetragen:
die Waffertiefe, die Befchaffenheit
des Grundes, Untiefen, Watten,
Sände, Riffe und Klippen, An—
gaben über die Gezeiten, die
fünftlihden Hilfsmittel der Schiff:
fahrt, die Seezeichen, Tonnen,
Feuerſchiffe ufm. — Der ridtige
Gebrauch einer Seekarte ift nur
dem möglich, der es verjteht, vie
Karte zu lefen. Diefe Drientie-
rung darf nit dann erft er⸗
folgen, wenn die Karte zum Ges
brauch auf dem Kartentifch liegt,
jondern fie muß vorher, ohne Ueber:
eilung, vorgenommen werden. Man
ftudiere aljo vor dem Antritt einer
Segelfahrt die Strede, die man
abzujegeln beabfihtigt — dies ift
beſonders wichtig bei den Vorbe-
reitungen zur Regatta.
330. Der Kompaß. Der Kom-
paß, ein Inftrument, welches im
wejentliden aus einer mit einer
Windrofe verbundenen, in der
Horizontalebene freiſchwingenden
Magnetnadel befteht, dient zur Be:
ſtimmung der Himmelßrichtung, zur
Beftimmung und Snnehaltung des
Schiffskurſes und der Beftimmung
von Horizontalrichtungen zwischen
Schiff und anderen Gegenftänden,
zum Feſtlegen des Schiffsortes. Er
zeigt Die Richtung des magnetijchen
Meridiand an und fol unausge—
jet in einer beſtimmten, hierdurd)
bedingten Lage verharren.
Beim Anfauf eines Kompaſſes
achte man darauf, daß Derjelbe
einer Ablenkung aus Diefer Lage
einen möglichſt großen Widerftand
entgegenjegt — man nennt dieſe
Eigenichaft die „Nuhe“ des Kom—
paſſes — und daß er ferner, aus
diejer Lage abgelenkt, leicht und
ſchnell wieder in diefelbe zurück:
die 360 Grade des Kreiſes, außer:
&. Gräfin Baudiſſin u. Rapilän €. Gürk.
kehrt — daß er „empfindlich“ ift.
Am empfindliditen, nebenbei am
billigften, theoretiih am volfom:
menften ift der „Trodentompaß”.
Der „Fluidkompaß“ dagegen, defſen
Roſe in einem mit Flüffigfeit ge:
fülten Kefjel ſchwimmt, zeichnet ſich
durh eine größere „Ruhe“ aus,
ift daher für kleinere, leichter bin-
und hergierende Boote empfehlens:
werter. |
Die Roſe des Kompafjes ift in
dem in die 32 „Striche“ der Wind:
rofe eingeteilt. Zwifchen je zwei
ganzen Strichen find die drei Viertel:
ftride angedeutet.
Diefe 32 GStride auswendig,
vor» und rüdwärts, zu fennen un
berfagen zu können, follte eine At
ra jedes guten Segler
ein.
331. Das Lot. Die Beftimmuns
der jemeiligen Waffertiefe ift eines
der wichtigſten Erfordernifie für
die ſichere Sciffsführung, nid!
allein als ein Mittel zum Ber:
meiden unmittelbar drohender Ge]
fahr, jondern aud als weſentliche
Hilfe zur Beftimmung des Schiffs] '
Loted. Sie geſchieht mittelft dei
Lotes und beißt Loten. Mit den]:
2ot ermittelt man aud die Bei:
ſchaffenheit des Meeresgrundes.
Es iſt daher meiſt mit einer Vor—
richtung zum Heraufbringen der
ſogenannten „Grundprobe“ ver:
ſehen. Die Kenntnis der Grund
beſchaffenheit iſt als Orientierungs
mittel bei unſichtigem Wetter von
großer Wichtigkeit; die Art dei
Grundes i
Grundproben und ZBeitnotieruma.
welche man dann unter Berückfid:
tigung des Kurſes und der Fahr!
des Schiffes im Maßſtab der Karte
auf Pauspapier aufträgt. Die fo
V. 1. Segelfport.
it erhaltene Lotungslinie mit Grund-
nk bezeichnung verjchiebt man folange
„: in der Nähe des angenommenen
hm Schiffsortes auf der Karte, bis fie
nr ih mit einer entſprechenden Stelle
tr dieſer dedt.
Ar Für eine Jacht oder ein Boot
g, Tommt nur das Handlot in Frage,
ir; ein Bleigewiht von d—6 kg an
‚u; einer 50m langen Hanfleine, die von
2 zu 2m mit bunten Marten ver-
„+ ſehen ift, in der Reihenfolge: ſchwarz,
; „weiß, rot, gelb, Lederſtreifen. 10 m
„„bat einen Lederftreifen mit einem
in Loch, 20 m mit zweien ufw.
1, Zum genauen Loten bringt man
durch Anluven oder Beidrehen zu⸗
ige nächſt Die Fahrt aus dem Boot und
läßt dann das Lot auf den Grund
ig fallen. Man fühlt die Grundberüh-
rung fofort, zieht die Leine ftraff,
ſodaß das Lot eben no auf den
im Grund ftößt, und lieſt nad) der über
Waſſer befindlichen Marke ab, wie:
ir viel Leine ausgelaufen ift.
.. 332. Das Loggen. Der Schiff:
„weg wird nad) Richtung und Sirecke
se beftimmt. Die Richtung zeigt der
„Kompaß an, die Strede wird mit
dem Logg gemeflen. Die Maß—⸗
‚„ einheit hierfür bildet die Seemeile;
„, Die in einer Stunde zurücdgelegte
N Wegſtrecke, ausgedrüdt in Seemei-
„fen, wird als „Fahrt des Schiffes“
"pezeichnet. Diefe in Seemeilen
© ausgedrüdte Fahrt per Stunde ift
angenähert gleich der Anzahl halbe
„Dieter, melde das Schiff in ber
"Sekunde zurüdlegt. — Zur Zahıl-
"peftimmung durd das Waffer gibt
"3 verfchiedene Arten von Loggs,
"und zwar: das gewöhnliche Long,
u das Reelingslogg und Patentloggs.
Auch kann man die Fahrt des
Bootes über den Grund berechnen
" pur den aus der Karte entnom-
menen Abftand zweier Punkte (See-
zeichen oder Landmarfen) und die
‚zeit, die man zum Durdjfegeln
dieſes Abftandes gebraudte.
A
Niro. 332—333.
Rleidung, Ausrüftung und
Verproviantierung.
333. Kleidung des Beſitzers
und der Mannjchaft. Der Segler
bat aufeinfache, tüchtige Kleidung zu
halten, die vem Wechſel der Witte-
rung entjpricht und von einer Farbe
ift, die der ſcharfen Sonne und Luft
widerjteht. Ein Anzug aus dunkel⸗
blauem Cheviot, ein warmer ge=
ftridter Troier, eine feſtſitzende
Mütze und, fobald es fi nicht
mehr um offene Boote, fondern
um Sadten handelt, Schuhe mit
Gummifohlen find die nötigften
Beitandteile feiner Toilette, zu
denen noch ein komplettes Delzeug:
Hofe, Jacke und Südweſter, käme.
Der Schnitt, des Anzuges: ein
loſes, doppeltgeknöpftes Jackett
und ein etwas weites, allen Be⸗
wegungen nachgebendes Beinkleid,
ſollte immer beibehalten werden.
Ein ſogen. „Tagesanzug“ an Bord,
womöglich mit Taille und langen
Rockſchößen, wirkt direkt lächerlich.
Auf eleganten Booten wird ein
Smoling oder ein Fradanzug mit
an Bord genommen, den man bei
den gemeinjamen Mahlzeiten im
Hafen an Bord trägt.
Für Damen an Bord gilt eben⸗
falls als vornehmfte Regel, fich fo
einfah und vernünftig wie möglich
zu leiden, vor allem jeden un-
nützen Bub und Bejah zu ver-
meiden, der durch Wind und Wetter
leicht unanjehnlich werden würde.
Weiße oder duntelblaue warme
Kleider — auf See, beſonders des
Abends, ift es immer fühl —, war:
med Unterzeug und vor allem:
fejtfigende Hüte oder Mützen find
Bedingung. Jeder Sport foll er:
zieherijch wirkten, und auch die ver:
möhntefte Dame Tann bei einiger:
maßen gutem Willen an Bord leicht
lernen, ihre Anſprüche an Luxus und
Komfort etwas zurüdzufchrauben.
Niro. 334.
Für längere Fahrten ift auch
für eine Dame ein imprägnierter
Mantel oder ein Gummimantel
eine Notwendigkeit.
Wer fih ein Boot halten kann
und auch nur einer Hand zur
Hilfe bedarf, follte die Mittel an-
wenden, für eine anjtändige Aus:
rüftung des Mannes zu forgen.
Diefe Pfliht wird oft vernach—
läffigt, während der Eigner einer
Jacht natürlich für eine mehr oder
weniger elegante Kleidung feiner
Mannihaft Sorge tragen muß. Im
Durchſchnitt wird er jedem Mann
zwei Anzüge, einen zur Arbeit und
einen befjeren, aus dunfelblauem
Cheviot, zu geben Haben; dazu
fommt ein geftriefter Troier in be-
liebiger Farbe, dem quer über der
Bruft der Name des Bootes wie
die Anfangsbuchſtaben des Klubs,
dem der Eigner angehört, einge⸗
webt oder aufgenäht find, ferner
Mützen oder Hüte mit Namen?-
bändern, gutes Schubzeug: Segel:
ſchuhe aus Leinen und Lederitiefel,
und für ganz grobe Arbeiten
Leinenanzüge zum Schub, fogen.
„Hinz und Herbüxen“, wie die
Fiſcher fie im Norden tragen, und
paffende Jacken dazu. Das Unter:
zeug und Delzeug hat der Mann
ſelbſt mitzubringen ; zum Berftauen
jeiner Sachen find Kleiderfäde, mie
fie in der Marine Brauch find, am
rationelliten und nehmen am
wenigften Pla fort. Es ift in
Deutfchland im allgemeinen nicht
Ujug, wie in England und Amerifa,
dem für einen Sommer geheuerten
Mann die ganze Ausrüftung zu
jhenfen. Nimmt man ihn im näd:
ften Jahr wieder an Bord, fo
Ichafft man das Nötige oder Ver
brauchte nad, hat alfo nur einmal
die großen Anjhaffungstoften. —
Auch. dem „Skipper“, d. h. dem
Eriten der Mannjchaft, eventuell,
wenn der Befiger nicht jelbft fegelt,
E. Bräfin Baubiffin u. Rapilän €. Türk.
der Kapitän des Bootes, muß feine
Ausrüftung, die aus Anzügen aus
etwas beſſerem Tuch beiteht, ge:
liefert werden.
Zu vermeiden find in der Klei-
dung der Mannſchaft grelle Farben
des Troierd wie der Kopfbedeckun—⸗
ge, nur bei Regatten find ge:
jtridte Rennmützen mit grellroten
oder bunten Gtreifen geftattet.
Auch ift es durchaus unſeemänniſch,
zwei Sporte miteinander zu ver:
mengen und dad Boot wie die
Leute Namen und Embleme eines
andern Sportd, der mit Dem
Waſſer nit dag geringite zu tun
bat, tragen zu laflen. Auch Das
fommt leider vor! |
334. Ausrüftung des Bootes.
Segel wie Takelage müflen in
tadellofem. Zujtande fein, ebenjo
einige Srtraleinen, die man für alle
Eventualitäten, aud) für eine Segel:
partie von wenigen Stunden, mit:
nimmt. Ein Kanoe mit Cockpit
genügt ſchon für einen längeren
Ausflug; unter dem nachts über
da8 Codpit gededten Prejenning
it ein angenehmes und marmes
Schlafen; die Borräte werden gleich:
mäßig nad ihrem Gewicht rechts
und links vom Schwert im Schwert:
fajten verftaut oder zwiſchen Die
Bodenmwrangen gelegt, wodurch ihr
Hin: und Herrollen verhindert wird
und fie gleichzeitig als Ballaft wirken.
Bei Jachten teilt man den zur
Verfügung. jtehenden. Raum unter
Ded in Räume fürs Wohnen und
Schlafen — bei mittleren Booten
ein Raum, da die Sofas nachts
in Kojen verwandelt werden können
— und in die Kombüje ein; alles
übrige wird jorgfältig für Pro—
viant, Segelfoje, Taumerf ujm. aus:
genugt. Die große Kunft ift, immer
die Balance des Bootes zu berüd:
fichtigen, befonder8 aud, daB beim
Schlingern und Weberliegen jede
„Schlagſeite“, d. H. ein ftärferes
il m
I
ie
44 mu
06 3
Er a a Te
20=t:Kreuzerjacht.
chnitt Durch eine Futtergetafelte
=
17).
a ae |
Nro. 334. &. Grafin Baudilfin
Meberliegen nad einer Seite durd
ungleiche Gemwichtöverteilung, ver:
mieben wird.
Bei einer Jacht mittlerer Größe
ift neben der Schlaf- und Eßkajüte
ein Kleiner Raum mit eingebautem
Waſchtiſch und Klofett. Zur Kom:
büſe ift eine direkte Verbindungs-
tür. Die Eden der Kajüte find zu
Kleider, Gejdirr- und Karten
Ihränfen ausgenukt, die Wand:
ſchränke über den Kojen zu Wäjche,
Büchern ıc. Der Waſſertank be=
findet ft unter dem Kajütsboden,
die Segelkoje gewöhnlich achtern
beim Ruder, Hängematten bezw.
Kojen für die Mannfchaften im
Raum vor der Kombüfe. Die Leute
haben Anfpruh auf Hängematte |
mit Matrage oder Koje und Woll: |
deden. Das Inventar wird in die
Boot3manns-, Zimmermannd- und
Steuermannginventarien geteilt, zu
dem noch der Materialbedarf Hin-
zukommt. Je einer das Boot ift,
defto einfacher ift diefe Ausrüftung.
Sie wächſt natürlich mit der Größe
der Jacht.
Das Boot3mannsinventar
für eine größere Jacht müßte um⸗
faffen:
2 Großfegel, |2 Spannmwanten,
1 Sturmtryfegel, 1 Fodftag,
2 Stagfod, 2 Badftagen,
3 Klüver, 1 Wafjerftag,
ı Gaffel 2 Bugftagen,
ı Dreied | Topjegel,
1 —
1 Flieger,
1 ln
ı Sonnenſegel,
2 Schaltprefennings,
2 Bezlige für Grof- | ı Achter ) davits,
fegel und Stagfod, |2 Feftmacheleinen,
Segelfäde, 2 Warptroffen,
ı Buganter, 2 Dlarlipiter,
ı Warpanter, 1 Bootsmannſtuhl,
ı Heiner Draggen, !1 Kappbeil,
1 Stengeftag,
2 Stengewanten,
2 Stengebadftagen,
ı Stengenmwindreep,
1 Borber=| ftander f.
1 Mittels j Boots⸗
120 m Ankerkette, 1 Kleid=) Keul
1 Ankerdavit mit |1 Mug, (Keule,
Kattalje, Segelnadelt,
ı Anterliättalje, Segelhandſchuhe,
2 Ankerbojen v. Kork,
2 Spillſpaken, eiſern,
1 Mooringsſchäkel,
Schlippſtopper,
2 Decwaſchpützen,
1 — ——
1 agpüge,
Roten >
x. Rapifän €. Cürk.
Fürs Beiboot:
1 Bootömaft, 1 Bootsanker mit
1 Spriet, Reine.
1 Sprtetfegel, 2 Hetßtroppen,
1 Kluver, Wielings.
1 Bootsfonnenfegel,
Für Steuermannsinventar
braudt man:
ı Sertant,
1 Chronometer,
ı Fluidkompaß,
1 Aneroidbarometer,
1 Thermometer,
1 Doppelglas,Kieter,
ı Nebelhorn,
1 Batentlogg,
1 2ot mit 26 m Leine,
1 Parallellineal,
1 Zirkel,
2 Buglaternen,
2 Tauflaternen,
ı Anterlaterne,
1 Nadtfignallaterne,
2 Kompaßlaternen,
1 Kajütslampe,
4 Nettungsbojen aus
2 Bootäbede,
Korkweſten (entipre
chend der Kopfzahl
an Bord),
1 kompl. Tiſchgeſchirr
für die Rajüte,
1 Sag Kochgeſchirr,
1 Feuerzange ı für
ı Feuerfhaufels die
Kombilfe,
1 Zupfer. Raudfang,
1 Nautifche Tafel v.
Domte,
1 Nautiſch. Jahrbuch,
1 Berechnungsbuch,
2 Loggbüder,
1 Segelanweifung f-
die Oſtſee,
Kork, 1 Segelanweijung f.
1 Sag internation. | vie Norbfee,
Signalflaggen, ı internat. Signal;
4 Nattonalflaggen,
1 Lotfenflagge,
2 Klubftander,
ROHR Haggen nad) Be⸗
buch.
1 Jachtſfignalbuch,
3 Seemanndorbng,,
1 Loggiafel,
1 Leuchtfeuerver⸗
zeichnis,
1 Inventarienliſte,
1 Rolle mit Schiffe
art,
2 Bootsflaggen,
4 Hängematten,
4 —
4 Decken ojen, papieren,
8 Bootskifſen, 1 Mappe für See—
1 Stel-Tifchzeug; karten.
Das Zimmermannsinventar
umfaßt:
1 Maſt und Saling, 8 Stützen für See
1 Stenge m. Flaggen: | reeling,
kno 6 Farbentopfe,
12 Farbenquäfte,
4 Schaltbretter fir
1 Alitverbaum,
ı Großbaum,
2 GSaffeln, Cockpit,
1 Spinnakerbaum, 2 Hämmer,
1 Topſegelraa, 6 Bohrer,
1 Breitfockraa, 1 Axt,
1 Breitfodbaum, 1 Dediel, ,
2 eif. Bootsdavits, |8 Sägen, verſchied.
1 Pumpentolben, Größe ,
1 Pumpenſchlüſſel, 3 Hobel, verfchie.
2 bölgerne Ruder⸗ Größe,
pinnen, 1 Meißel
8 Sonnenfegelftügßen,
1 Flaggenftod, 2 Kneifzangen,
2 Stemmeijen,
1 Fallreeptreppe,
1 KlameisEifen,
2 Fallreepftützen,
— — —
zur
V. 1. Segelfporf.
1 hölzerner Sammer, ! Bandmaß,
1 Lineal, 1 Zirkel,
ı Winkelmaß, 4 Schraper,
1 Lot, 1 Leimtiegel.
Fürs Beiboot:
8 Riemen,
4 Bootshaken,
6 meſſ. Ruderkronen,
1 meſſ. Ruderjoch,
4 Sonnenſegelſtützen,
1 Delfaß,
2 Bootäwaflerfäffer.
Diefe zum Inventar gerechneten
Gegenftände werden durch den Ge:
brauch allmählich abgenußt; zum
Material gehören dagegen Joldhe,
die regelmäßig verbraudht werden.
Es wären daher zum Boot3mann?-
inventar vorrätig zu halten:
Taumerf, Segeltuch und Brefen-
nings, Blöde, Hafen, Kaufchen,
Schiemannsgarn, Hüfing, Kabel-
garn, Takelgarn, Segelgarn, Flagg⸗
leine, Loggleine, Teer, Fett, Talg,
Beſen, Abſetzer, Scheuerfteine, Putz⸗
ſteine, Twiſt, Oel;
zum Steuermannsinventar:
Lichte, Bleifedern, Seife, Nadeln,
Zwirn und Flaggentuch;
zum Zimmermannsinventar:
Farbe, Firnis, Spieker, Nägel,
Schrauben, Stifte, Leim, Werg,
Kitt, Spiritus, Terpentin, Blech in
Tafeln, Meſſing, Kupfernägel,
Schmirgelpapier, Putzpreſennings,
Putzketten (nach „Seglers Hand⸗
buch“).
Ergänzungen zu den gegebenen
Tabellen, reſp. Aenderungen wird
der Segler ſelbſt nach den erſten
Fahrten vornehmen müſſen, wenn
er die Eigenſchaften ſeines Bootes
erkannt hat. Außer dem ſchon er⸗
wähnten Patentreef wird jetzt auch
zum Reefen der Fock die Rollfock
gebraucht, die beide durchaus nicht
mehr als unſeemänniſch betrachtet
werden. Ebenſo iſt der alte Anker
moderniſiert worden; zwar behält
auch der gewöhnliche unbewegliche
ſeinen Anhängerkreis, denn er hält
gut und iſt billig. Der neuere, bei
dem Schaft und Arme durch Ge—⸗
Nro. 334.
lenke beweglich verbunden ſind,
bietet den großen Vorteil, daß
die zum Grunde ſpitzwinklig ſtehen⸗
den Arme ſich beide eingraben.
Der Anker muß nad feinem Ge—⸗
1 hölz. Ruderpinne, | wicht im richtigen Verhältnis zur
Größe des Bootes ftehen; der beite
ift der, der größte Haltbarfeit mit
geringftem Gewicht verbindet.
Die Glieder der Anferfetten
werden durch fogenannte „Stege“
verftärkt, die dem Recken der Ketten
172. Anker.
Derlag Wafferfport, Berlin.
Aus Scalers Handbuch.
glieder entgegenjtehen. Um die
Ketten nad) Gefallen verlängern
oder verfürzen zu können, find
„Schäkel“ eingefügt, die ſich durch
eiſerne Bolzen öffnen laſſen und
an denen zugleich die Ketten ge—
meſſen werden, von Schäkel zu
Schäfel nennt man eine „Ketten:
länge”. Anferfetten find unbedingt
Anfertroffen vorzuziehen. Der Kom—
paß fol genau mittſchiffs in Der
Kielebene jtehen und möglichſt nie
vom Plate gerücdt werden. Am
Neo, 335336.
beiten ift es, ihn auf einer Art
feftftehenden Säule einzulafjfen und
ihn mit einer Schuglappe von Meſ⸗
fing, über welche bei jchlecht Wetter
und außer Gebraud noch eine Bre-
fenning fommt, zu bedecken.
835. Verpropiantierung. Für
fürzere, auf Stunden oder auf
einen Tag berechnete Ausflüge im
kleinen Boot genügt der befannte
und beliebte. „Futterforb“ , der
leicht feinen Play unter einer
Bank findet. Leicht zerbrechliches
Geſchirr ift natürlich zu vermeiden,
ebenjo halbflüffige Nahrungsmittel.
Belegte Brötchen, ein paar Konjer-
ven und Getränke in gut verkork⸗
ten Flaſchen werden dem aud bei
fürzeren Touren fich einftellenden
„Bärenhunger“ genügen. Bei
mebhrtägigen Touren überlegt man
fih genau, was zu fräftigen und
reichliden Mahlzeiten nötig ift;
eine Kochgelegenheit wird dann ja
auch meifteng an Bord fein. Wenn
nit, genügt ein Spiritusfocher,
falls man nicht landet und ſich ein
Feuer madhen wird. SKonferven,
die ſich beim Deffnen der Dofe
ſelbſt wärmen, find ebenfalls praf-
tifch, aber ziemlich koſtſpielig. Man
nimmt bei kleineren Fahrten un⸗
gefähr das Doppelte des nötigen
Proviants mit, bei größeren min-
deitend das Dreifadhe, um für alle
Fälle geficdert zu fein. Wei Touren
für Wochen oder Monate ift e8
ratfam, den ganzen Bedarf an Kar:
toffeln, Mehl und Kolonialwaren,
Fleiſch- und Fifchlonferven, Ge⸗—
tränfen, Butter und Schmalz an
Bord zu nehmen. Ein Eisfchranf
wird dann auch meiſtens vorhanden
jein, um leicht verderbende Sachen
aufzubewahren; es ift bedeutend
einfacher und billiger, in fremden
Häfen höchftend dann und mann
friſches Fleifh, Brot und einiges
Gemüfe einzufaufen. Auf jeden
Tal hat man einen gehörigen Ap—
E. Gräfin Bawdilfin u. Rapilän €. Türk.
petit aller Teilnehmer an Bord zu
berüdjichtigen und ebenfo, daß auf
See ein folides, gutgekochtes Effen
befjer ſchmeckt und befjer befommt,
als auf die Dauer feine Delifa=
teffen. Für die Leute wird, abge-
jehen vom „Skipper“, der meiſtens
mit am Tiſch des Eigners fpeift,
immer ertra gekocht; und zwar feßt
man entweder dem Koh pro Mann
eine bejtimmte Summe aus —
nach heutigen VBerhältniffen unge:
fähr 1,30— 1,50 ME. pro Kopf und
Tag — oder man übernimmt die
Berproviantierung felbjt, kommt
dabei durchaus nicht billiger davon,
ift aber ficher, daß die Mannſchaft
gut genährt wird. In der Regel
beftebt die Hauptmahlzeit ver
Leute in einer Suppe mit hinein-
gejäänittenem Fleiſch, Gemüfen
oder Kartoffeln, zu welchem Ge-
richt meiſtens Konferven benust
‚werden. Morgend und abends er-
halten die Leute Kaffee oder eine
Suppe; an Brot in der Haupt:
jahe Hartbrot, an Schnaps täg-
ih Ys 1 Rum, welche Ration bei
befonderen Anläffen, nad Siegen,
Ihlecht Wetter oder grober Arbeit
erhöht wird.
Fehlen follte an Bord niemals
ein Mebdizinichrant oder -kaſten.
Enthalten foll er außer in geringen
Doſen vom Eigner zu verordnenden
Mitteln wie: Opium, Chinin, Rizi-
nusöl oder Bitterfalz, Hoffmanns:
tropfen und Wundfalbe, einige
Mull- und Leinenbinden, um vor:
fommende Verwundungen kunſtge⸗
recht verbinden zu können. Der
Eigner ſollte einige chirurgiſche
Kenntniſſe beſitzen, auch richtige
Mittel bei der Wiederbelebung Er:
trunfener anzuwenden wiſſen.
Indienftitellung und An-
multern der Mannfchaft.
336. Indienitftellen Des Bontes.
Schon in den erften warmen Früh:
V. 1. Segelfporf.
lingstagen, wenn Flüſſe und Seen
eisfrei werden, überfällt den Sport3-
mann die Sehnjuht nad feinem
Boot. Er weiß, daß auch bei dem
beftüberminterten Fahrzeug fich im⸗
mer Reparaturen finden werden
und denkt nicht daran, das Fahr⸗
zeug einfach aus dem Schuppen zu
holen, es ind Wafjer zu lafien,
Segel zu jegen und mwohlgemut
davon zu fahren. Denn nichts ift
fataler — oft auch verhängnisvoll
— al3 unterwegs faule Holz= oder
Eifenteile zu entdeden oder mürbe
Schooten und Leinen zu fahren. An
einem Boot muß von der oberiten
Nock bis zum Kiel alles in tadel:
loſem Zuftande fein. Der Anfänger
follte fih in den erften Sahren bei
diefer Mufterung nicht allein auf
feine eigenen Augen verlafien,
fondern eines Erfahrenen Rat er-
bitten. Bor allem wird ein Boot,
um genau unterfucht werden zu
fönnen, aufs Trodene. gebracht,
größere fommen zu einjchneidenden
Umbauten oder Reparaturen in?
Dod, ſonſt, wie die Heinen Boote,
auf Selling. Bei den troß aller
Berbeflerungen immer enipfindlicher
gewordenen modernen „Rennma-
ſchinen“ ift es ſogar Die Regel ge⸗
worden, die Fahrzeuge auf dem
Trockenen ſtehend und mit einem
Schutzdach verſehen, überwintern zu
laſſen.
Bei kleineren Booten ſind Take⸗
lage, Spieren, Klüver, Maſt, Pinne,
Anker zu unterſuchen, außenbords
vor allem die Verbände, die even⸗
tuell nachgedichtet werden müſſen
und der Kiel reſp. der Schwert-
faften, in dem fich leicht Fäulnis
bildet. Wünfcht man die Farbe zu
erneuern, was eigentlich jedes Jahr
zu gefchehen Hat und die Delfarbe
außerdem die beſte Erhaltung für
das Holz ift, fo muß zuerft jorg-
fältig die alte Farbe abgefragt
werden. Ganz neue Boote erhalten
Niro. 336.
nur einen Zadüberzug, ältere, deren
Außenbordsmwände nicht mehr tadel-
[08 ausſehen oder fchon geflict find,
werden ein- bis zweimal gefirnißt,
dann mit Delfarbe gemalt. Die
Ihönfte, und nur fcheinbar teuerfte
Sarbe bleibt „weiß“.
Die Revifton der größeren Sach:
ten ift natürlich zeitraubender, jeder
Tank, jeder Winkel, jedes Wert:
zeug des Inventars und Materials
muß geprüft werden. Falls Die
Jacht außenbords gefupfert ift und
fih Falten im Kupfer zeigen, fo
ift e8 ein Beweis dafür, daß der
Verband zu ftark angeftrengt ift.
Die Lafhungen am Border: und
Achterfteven werden auf ihre Halt-
barkeit Hin geprüft, an Ded die
Nähte, beſonders beim Maft und
zwiihen den Badftagen. Das Ded
der Jacht muß aus möglichſt ſchma⸗
len Blanten zufammengefegt fein;
foldes Ded fieht, jauber verfittet
und richtig behandelt, am ſchönſten
aus. Der Stolz des Jachteigners
ift das meißgejcheuerte Ded, das
auf eleganten Booten niemald ge:
ftriden wird — auf einfacheren, die
mehr zum Tourenjegeln dienen,
wird es zuweilen mit Leinenftreifen
belegt und dann gemalt, um jedes
Leden zu verhindern.
Die Reeling mit Mejfing zu ver:
fhalen oder auch außenbords als
Abſchluß einen Kupferftreifen laufen
zu laſſen, wirkt jehr hübſch. Kupfer
und Meffing find überhaupt ihres
fchwereren Zerfegend? wegen dem
Eifen vorzuziehen; daher ift es
auch vorteilhafter, ftatt des Eifen-
kiels einen aus Blei zu nehmen,
der außerdem ein höheres ſpezi—
fiſches Gewicht Hat, alfo von ge=
ringerem Umfang fein wird, al3
der eijerne.
Das Boot fol erit zu Waſſer
gelaflen werden, wenn die äußere
Farbe vollftändig troden iſt. Da—
ber beginne man rechtzeitig mit
Nro. 337.
der Inftandfegung und warte nicht
mit den Vorbereitungen bis zum
legten Moment, bejonderg nicht,
wenn als Erfted eine Regatta ge=
jegelt werden fol. Der Segler
muß fidher fein, daß fein Boot abs
ſolut „ſeeklar“ ift.
337. Anmnſterung der Mann⸗
ſchaft. Das Nächſte, um das man
ſich während der Inſtandſetzung des
Bootes kümmert, wird die Anmuſte⸗
rung einer guten ſeetüchtigen Mann:
Ichaft jein. Führt der Eigner jelbit,
jo braucht er als Erften und Be-
auffichtigenden feiner Leute nur
einen „Bootsmann“; übernimmt er
jedod die Führung nicht jelbit, To
bedarf er eines „Kapitäns“ oder
„Skippers“. In beiden Fällen ift
die Mannfchaft diefem Borgejegten
abjoluten Gehorfam jchuldig.
Seder in Dienjt tretende Schiffs⸗
mann muß ordnunggmäßig ange:
heuert werden und fteht unter der
Surisdiftion der Seemannsämter
und unter der Disziplinaritraf-
gewalt des Führers. Früher war
man für den „Skipper“ wie für
geeignete Sachtmannjchaft faft aus:
Ichlieglich auf England angewiesen.
Seit dem Wahlen unferer Marine
wie der Verbreitung des Gegel:
ſports bildet ſich allmählich auch
in Deutſchland ein gutes Material
heran und da der Kaiſer mit beſtem
Beiſpiel vorangegangen iſt und für
ſeinen „Meteor“ ſeit zwei Jahren
einen deutſchen Kapitän und deutſche
Leute geheuert hat — nachdem
ſeine engliſche Beſatzung wiederholt
geſchlagen war — ſollte jeder
Deutſche ebenfalls ſeine Ehre dar—
einſetzen, nur mit deutſcher Be—
mannung zu fahren. Den
„Skipper“ ſollte man für ein Jahr
heuern, damit er das Ueberwin—
tern der Jacht überwacht, die
Matroſen für die Dauer der Sai—
ſon. Die Bedingungen für einen
Jachtmatroſen ſind nicht gering;
E. Gräfin Baudiſſin vw. Rapitän €. Türk.
als Erſtes und Hauptjädhlichites
fol er natürlich ein tüchtiger See⸗
mann jein; aber man verlangt
von ihm auch noch eine gute ee
ein hübſches intelligentes Geficht
und gute höflihe Manieren. Daß
er tadellofe Papiere aufzumeifen
bat, ift ferner durchaus wün-
\henswert. Man fommt beim Jacht⸗
leben viel mit den Leuten in Be—
rührung und muß daher vorfichtig
fein, wen man an Bord nimmt.
Die Heuer für einen Jachtmatroſen
ift bei diefen Anfprüden an Die
Leitungen, das Aeußere und den
Charafter des Mannes, auch be=
deutend höher als für den Matro-
jen eines Kauffahrteifchiffes; fie
beträgt im Durchſchnitt 70—80
Mark pro Monat; für den „Stip-
per” je nad feiner Bildung und
jeinen Kenntnifjen 100 Marl und
darüber. Bom erften” Tage an
nehme man die Mannfchaft feit in
die Hand, richte eine Taged- und
Wocenroutine ein, d. h. eine regel-
mäßige Verteilung der Arbeiten
und ebenfo verteile man genau die
„Rollen“. Daraus erfieht ver
Mann, welde Funktion ihm bei
jedem Segelmanöver zufält. Die
Wade wird durh die Wadrolle
verteilt; im Hafen hat der Mann
24 Stunden die Wache, in welcher
Zeit er nit von Bord darf und
die Anferlaternen, fowie die Flag—⸗
genparade bejorgen muß; in See
wird die Wache alle 4 Stunden
abgelöjt. Man dulde feine Trunfen-
beit und feinen rohen Ton an Bord
und beitrafe Urlaubgüberfchreitun-
gen mit Urlaubsentziehungen. Auch
hat man das Recht, Leute, die den
Gehorfam verweigern, ſchmuggeln,
jih einer nad) dem Strafgefegbud)
zu ahndenden Tat fchuldig machen,
jofort zu entlafien. Zeigt fi ein
Dann des Dienftes, den er über-
nommen hat, unfähig, jo darf der
Eigner ihn im Rang berabfegen
V. 1. Segelfporf.
und feine Heuer verringern, muß
dies jedoch fofort ind Schiffsjournal
eintragen; nicht unterworfen diefem
Recht ift der Steuermann. Die
Heuer wird den Leuten erft nad
Beendigung der Reife oder des
Dienftverhältniffes ausgezahlt. Doch
hat jeder Matrofe von 6 zu 6 Mo-
naten Anſpruch auf die Hälfte feiner
Heuer. Kein Mann darf das Schiff
ohne Erlaubnis des Kapitäns ver:
laſſen; iſt für feine Rüdfehr keine
Zeit feftgejegt, jo muß er vor
8 Uhr abends wieder an Bord fein.
Sedem Mann ift bei der Abmuſte⸗
zung im Seefahrtsbuch die Dienft-
zeit wie feine Rangverbältniffe zu
bejcheinigen, über jeine Führung
muß, fald er ed wünſcht, ein
Extraatteſt ausgeſtellt werden. Falls
das Schiff die Flagge wechſelt, der
Kapitän fich einer groben Verlegung
feiner Pflidten dem Mann gegen
über ſchuldig macht oder vor Be⸗
endigung der Ausreife noch eine
neue Reife beichlofjen wird, jo kann
der Mann feine Entlafjung fordern.
Doch darf er fie nach beendigter
Reife nicht früher verlangen, als
bis dag Schiff gereinigt und im
Hafen oder einem anderen Orte
feftgemadt ift. Zu bemerfen wäre
noch, daß die Gültigkeit des Heuer:
vertrags nicht durch ſchriftliche Ab-
fafjung bedingt ift, doch ift mit
Rückſicht auf beide Teile — Führer
wie Schiffemann — dringend dazu
zu raten. Dieje bier angegebenen
Punkte find der „Deutichen See—
manngordnung” entnommen, die
über Seefahrtsbücher und WMufte-
rung, Vertragsverhältnis und Dis-
ziplinar- wie Strafbeitimmungen
Aufſchluß gibt.
Touren- und Tlcttfegeln.
338. Tonrenfegeln. Wie man-
ches Gute auß der Fremde haben
wir Deutfhen das Tourenfegeln,
verbunden mit wochen: oder mo:
Nro. 338.
natelangem Leben auf dem Waſſer,
auch erſt von den Engländern und
Amerifanern lernen müjfen. Seit
dem Heben des deutſchen Segelfport3
ſtehen jegt allerdings auch billigere
Wege offen, fich dieſes wunderbare
Vergnügen zu geftatten, das wie fein
anderes Erholung, Anregung und
abjolütes Leben in der Natur bietet.
Größere Bootsbauer vermieten Luft:
jachten für die GSaifon oder für
beitimmte Zeit — den Angehörigen
der Marine ftehen ganze Reihen
von guten, älteren Booten, wie
„zuft”, „Liebe”, „Aſta“, und dazu
auch Die immer noch modernen
früheren „Meteors“ Seiner Maje-
ftät „Komet“ und „Orion“ zur
Verfügung und find ſchon von Jahr
zu Jahr ziemlich für jeden Tag in
voraus belegt. Kleineren Gefell-
Ihaften von 3—4 Berfonen genügt
für dieſe köſtlichen Fahrten auf
Binnenwäflern und Flüffen das
„zamilienboot”. Den Engländern,
bei ihrer großen Naturliebe, der
Sfolierung ihrer Inſel, die fie
auf den Wafjerweg anmies, und
bei ihrer Neigung zu jedem Sport,
wurde von jeher die Ausübung
dieſes Sports durch ihre reichlichen
Mittel ermöglicht. Aber erſt in
den letzten Jahren iſt das Touren:
ſegeln in kleineren und größeren
Booten zu zweien und dreien oder
„en famille“ „Mode“ geworden und
hat infolgedeſſen einen Umfang an-
genommen, wie er leider in Deutjch-
land wohl faum erreicht werden wird.
Dem deutfhen „Familienboot”
ift nämlich — faſt noch ehe es
recht geboren — ein gefährlicher
Konkurrent erjtanden: im Auto—
mobil. Die Bemeife dafür hat fchon
die Kieler Woche 1908 erbradt;
fie war durchaus nicht weniger an:
regend oder gemütlich wie ſonſt —
im Gegenteil! — wies aber einen
geringeren Beſuch, vor allem nicht
die im Verhältnis ftehende, ermar:
Niro. 338.
€. Gräfin Baudilfin u. Rapilan ©. Türk.
tete Anzahl von Neu-Nennungen auf. |; geräumige Kajüte zum Speifen und
Das Automobil hat den Borzug,
zu jeder Jahreszeit dienftbereit und
von der Witterung unabhängig zu
fein, und da die Leute in Deutjch-
fand, die fich beides — Jacht und
Automobil — halten können, im—
mer noch nicht fehr zahlreich jind,
jo zeigt fi) vorläufig ein Ueber:
gewicht des „Töff-Töff“. Gegen
den Automobiligmus als folchen
ift ficher nicht einzuwenden —
nur mit den Genülfen, die dag
ftile friedliche Dafein auf einem
Segelboot bietet, der heiteren Un:
terhaltung,, der Beobachtung von
Himmel und Waffer, dem gemüt-
lihen Xeben, wenn man irgendwo
für eine Zeitlang an Land geht
und in eigenen Zelten Tampiert,
itt dag Reifen mit einem Auto
nicht zu vergleichen. Auch der Seg:
fer bedarf großer Geiftesgegenwart
und Kaltblütigfeit, auch feine Auf:
merkſamkeit darf nie erlahmen; aber
die Schöne, faft lautlofe Bewegung bei
aut Wetter — morunter der Seg:
ler durchaus feine Flaute, Jondern
eine tüchtige Naſe vol Wind ver:
fteht — geftattet doch ein ganz an=
deres förperliche8 und geiftiges
Ausruhen als das Nattern über
Landſtraßen und Chauffeen.
Die Bedingungen, die man an
ein richtiges „Familienboot” ftellt,
ind naturgemäß ganz andere, als
die an eine Kennjadt. Die Bor:
züge der lektern müfjen in ihrem
ſcharfen, leiten Bau und einer im
Berbältnis zu dieſem möglichit
aroßen Segelflähe beſtehen; Rück—
jihten auf Komfort wie Stabilität
treten hinter Ddiejen Forderungen
faft ganz zurüf. Tas „Familien:
boot“ verlangt abjolute Sicherheit,
größte Bequemlichkeit und dement—
jprehend viel Raum für den Eig-
ner und feine Gäjte. Ohne fid)
gleih in ein fchwimmendes Hotel
umzumandeln, wird e3 doch eine
Wohnen, vielleicht auch ein Rauch⸗
oder Leſezimmer, haben müſſen;
dazu dann ein oder zwei Bademög-
lichkeiten — man läßt die Wannen
in den Schlaflabinen oder Toiletten
im Fußboden ein, mit gut fchließ-
barem Dedel — und verfchiedene
Kammern für den Eigner und feine
Familie, wie für die Gäfte. Für
die innere Ausihmüdung ftehen
jest durch die Entwidlung des
Kunſtgewerbes ſehr viel Mögliche
feiten offen; gerade der moderne
Stil: einfahe Linienführung und
Anwendung fchöner Hölzer, Die
durch ihre Maferung wirken und
feinerlei Farbe bedürfen, eignet fich
vortrefflich zur Ausſchmückung eines
Booted. Wo man fimplere Holz-
arten anwendet, für Schlaffabinen
und Nebenräume, bleibt weiße Del-
farbe immer die fauberfte und feinfte.
Für eine qute Bibliothet und einige
Spiele (Schach, Domino 2c.) follte
Sorge getragen werden, um et=-
maiger Langeweile an Regentagen
vorzubeugen; Kartenſpiel, beſon⸗
ders Haſard, ſollte der Eigner
möglichſt wenig an Bord dulden,
ſchon wegen des ſchlechten Beiſpiels
für die Mannſchaft. Wie man bei
dieſer auf anſtändigen Ton halten
und feine Trunkenheit, Raufereien ꝛc.
dulden ſoll, ſo führe man auch „hinter
dem Maſt“ — dem reſervierten
Plag für den Eigner und feine
Säfte — ein ftrenges® Regiment.
Seden Einſpruch in Kommandos,
Befehle an die Leute, Kursrichtung
uſw. jol fi der Wirt gleich beim
erftenmal energijch verbitten, um
gar Teinen Irrtum auflommen zu
lafien. Meberhaupt tut er am
beiten, an jeine Säfte einen ähn-
lichen Maßſtab zu legen, wie an
jeine Leute beim Heuern. Und
einen unliebjamen Gaft wieder von
Bord zu befommen, ift bedeutend
ſchwerer, als ihn aufzunehmen.
V. 1. Segellpori.
Ein oder zwei Beiboote wird
jede Jacht führen, um die Berbin-
dung mit dem Lande aufrecht zu
halten, falls man nidt am Ufer
oder Bollwerk feftmachen will. Auch
zu Ausflügen in ſchmälere Gemwäfjer
tun dieje Boote gute Dienjte. Sehr
angenehm und von modernen Jach—
ten bevorzugt find Kleine Motor:
boote.
Zum behaglichen Leben an Bord
eines „Familienbootes“ gehört reich-
lihe Bedienung. Da der Kod
oder Steward immer als „Hand“
gerechnet werden, in Notfällen
alfo an Deck helfen müſſen, jo tut
. man ganz gut, falls Raum genug
vorhanden iſt, eine Köchin, ev. aud)
noch eine Jungfer refp. wenn Kin-
der an Bord find, ein Kindermäd-
chen, mitzunehmen.
Die Grundpläne der Reife wird
man ja im voraus ungefähr feit-
legen und ſich Boft 2c. zu beſtimm⸗
Nro. 339.
ten Terminen an die und die Sta-
tionen bejtellen können; einige
kleine Schwanfungen und Abmei-
Hungen des Fahrtplanes find un:
ausbleiblih und durch Wind und
Wetter bedingt. Mit diefen Un—
befannten hat jeder Teilnehmer zu
rechnen. Die legten Sahrbücher
des Kaiferl. Jachtklubs, befonders
das von 1908, enthalten allerlei
amüfante Berichte über deutjches
Tourenjegeln, die deutlich beweifen,
welch Gewicht man aud) bei ung jett
diejen ſportlichen Reifen beilegt.
339. Wettfegeli. Weber die An-
fänge des Wettjegelns ift in der
Einleitung zum „Segeljport” ge=
jproden worden. Es erübrigt nun
über das Wettjegeln, wie es nach
den heutigen Regeln und Gefeten
jtattfindet, einige Anhaltspunfte zu
geben.
a) Vermeſſen der Boote.
Die Haupteigenjchaft eines zum
123. „Rennmaſchine“.
Nro. 339.
MWettfegeln beftimmten Bootes iſt
Schnelligkeit. Um dieſe zu er:
reichen, gibt es zwei Grundtypen,
das ganz ſcharf gebaute, tief ein:
ſchneidende Boot oder die flache
Slunderform, deren Breite die Ba-
lance für die große Segelfläde
hält; die Flunder ift jet aber von
den Regatten ausgeſchloſſen wor⸗
den. Infolge der von Jahr zu
Jahr fteigenden Konkurrenz hat ſich
das Rennboot allmählich zur „Renns
machine” ausgebildet. |
Jede Rückſicht auf Bequemlic-
feit an Bord fällt fort, nur die
Devife „Höchſte Schnelligkeit“ ift
maßgebend. “Da die Boote nun fo
leicht wie möglich gebaut werden
und um an Deplacement zu ge:
gewinnen, der Segeldruck baber
natürlich ein äußerft ftarfer ift, jo
hält eine Rennjacht felten viele
Saiſons aud. Die Verbände wer
den überanftrengt, das Boot in⸗
folgedeffen undicht oder „weich“.
Um daher auch Unbemittelteren,
die fih nicht alle zwei oder drei
Sahre den neueften Typ bauen
taffen können, die fernere Teil-
tahbme an den Negatten zu er-
möglichen, läßt man in befonderen
Klaſſen ältere Kreuzerjachten wie
Tourenboote unter fich fegeln. Doch
auch hier gilt ed, den genauen
Unterfhied an Größe zwifchen den
verfchiedenen Booten feſtzuſtellen;
denn die Grundregel ift, daß bei
gleich gut gebauten Booten mit ent-
Iprechender Segelfläcdhe dag größere
das Heinere immer an Schnellig:
feit beftegen wird. Um aljo Boote
mit gleicher Takelage von verfchie=
dener Größe miteinander racen zu
lafien, tft ein befonderes Meßver⸗
fahren eingerichtet. Diefes teilt
die Boote nad) ihrer Größe ein
und zwingt die größeren, den flei-
neren eine entſprechende Zeit zu
„vergüten”. Ein abfolut ficheres
Mepverfahren gibt e8 kaum; das
E. Gräfin Baudiffin u. Rapitän U. Gürk,
Boot allein nad feinem Deplace:
ment zu bejtimmen, was das Nat:
famfte und Einfachfte zu fein ſchiene,
ift nit angängig, da dann bie
flaheren Bauarten zu fehr im Vor:
teil wären, man auch fein richtiges
Bild von der Leiſtungsfähigkeit des
Bootes erhieltee Man hat nun
preierlei Arten der Vermeſſung;
eine nach Raum und Deplacement
(alfo Höhe, Breite und Tiefe), die
zweite nur nad) Länge und Breite,
die dritte, die allein die Länge be
rechnet. Jede dieſer drei Ber:
mefjungen ift für beſtimmte Baus
arten von Vorteil und je nachdem
fte eingeführt find, wird fich der
Typ der Yachten nad) ihnen ver
ändern und öfters rechte Mif-
geburten, die alle Vorteile des be:
ftimmten Meßverfahrens wahrzu⸗
nehmen ſuchen, zeitigen. Außer⸗
dem kommen noch die örtlichen Ver⸗
hältniſſe in Betracht; z. B. die
Eigentümlichkeiten des Seeganges.
Eine Jacht, die in jedem Seegang
gleich gut läuft, wird ſich kaum je
bauen laſſen; aber auch dazu, um
ſie genau der Eigenart eines Re⸗
viers anzupaſſen, gehört eine große
Kunſt; z. B. verdankt die „Wann⸗
ſee“, die im Auguſt 1907 den
Kaiſer Wilhelm-⸗Pokal in der Kieler
Föhrde gewann, ihren Sieg mit
zum Teil dem Zufall, daß durd
eine Verkettung unglüdlicder Um:
ftände die amerikanischen Boote, bie
fih wohl am beiten dem „Schwer:
wetter” der Föhrde angeeignel
hätten, nicht zum Auswahlrennen
gelangten. Dagegen gewannen die
Franzoſen ebenfalls im Sommer
1907 den „Coupe de France“
zurüd, da fich in Deutjchland nut
ein dem veralteten franzöfijchen
Meßverfahren entjprechendes Fahr:
zeug, die „Felca“, meldete und nie
mand gewillt war, fi nur zur
Verteidigung dieſer Trophäe ein
fonft ungültige8 Boot hauen zu
re
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ro. 339,
lafjen. Die Franzofen aber, denen
die Schwächen der deutſchen Jacht
aus den lebten Kämpfen befannt
waren, batten ein leichtes Spiel,
die „Felca“ zu übertrumpfen und
entjandten die eigen? zu dieſem
med erbaute „Ar Men”. Beide
Boote mußten von gegenfeitigen
Bertrauengmännern neu vermefjen
werden bis auf die Berechnung der
Segel, die zweimal wegen zu ftarfen
Windes unterbrochen wurde und
deshalb zulegt ganz unterblieb.
„Felca“ wurde in beiden Wettfahr-
ten von „Ar Men” gejchlagen „und
zwar bat hier dag zweifellos jchnel-
lere Boot den Preis gemonnen“”, wie
es im Jahrbuch 1908 des Kaiferl.
Jachtklubs heißt. Die Boote waren
raumjchot3 und vor dem Winde
gleid, am Wind jedoh war die
„Ar Men” der „Felca“ weit über:
legen. Beide Boote wurden in der-
jelben vorzüglichen Weife gejegelt,
der Sieg ift folglich allein dem Kon=
jtrufteur und Erbauer zu danken,
„alfo ein Ergebnis der ftilen Ars
beit auf dem Reißbrett“.
Bei Kreuzerjachten fpielt dag
Mepverfahren, fofern fie ungefähr
den herkömmlichen Typ bewahren,
bei weitem nicht die große Rolle
wie bei den „Rennmaſchinen“.
Diefe werden in drei Gruppen
beim Meſſen eingeteilt: in flache,
mitteltiefe und tiefe Jachten.
Bon größter Wichtigkeit für
die Schnelligkeit und Leiſtungs⸗
fähigfeit der Jacht ift, wie ſchon
betont wurde, die Segelfläche, der
Schnitt der Segel und ihre rich-
tige Verteilung auf das Fahrzeug.
Das „Segel-Areal” muß im rid)-
tigen Verhältnis zur Größe des
Bootes ftehen. Die Enttäufchung,
die die neue „Germania“ des
Herrn Krupp von Bohlen u. Hal:
bach bei ihrem erften Auftreten in
E. Gräfin Baudilfin u. Rapilän €. Türk.
fie no nicht im richtigen „Segel:
Trimm“ war. Als die Segel nad
der erjten Niederlage erft gut
„ſtanden“, eilte der neue, herrliche
Schoner von Sieg zu Sieg, ein
Beweis, von welder Wichtigkeit es
ift, daß fi das Zentrum Der
Segelwirfung lotredt über dem
Zentrum des jeitlihen Widerftan-
des befindet.
b) Wettjegeln. Die große
Kunft des Wettjegelnd läßt fich
alfo auch nur durd die Praris
erlernen. Der Segler muß Die
tüchtigſten Segelfenntniffe befiten,
ferner eine fichere Hand und Die
Ihärffte Beobadtung haben für
Wind und Waſſer — wie für feine
Konkurrenten. Da faft alle Racen
durch das Auffreuzen, folglih am
Wind fi entjicheiden, fo bleiben
eben die erforderlichen Eigenfchaften
des Rennbootes: möglichjte Schnelle:
ligfeit und die Fähigteit, am Wind
am beiten zu laufen. Genauer und
pünktlicher noch al8 beim Spazieren-
oder Tourenjegeln müſſen die Kom:
mandos des Führers befolgt wer:
den, er muß feiner Leute und ihrer
Geſchicklichkeit abfolut ſicher fein.
Segeljegen, Fieren und Anbolen
der Schooten, Reefen — dies Alles
muß ohne Aufenthalt vollzogen
werden; jede Minute, ja, jede Se:
funde, die durh ein langjames
oder gar falihe8 Manöver ver:
Ioren gebt, iſt oft entſcheidend.
Schnell und vorfihtig müflen die
Leute beim Wenden oder Halfen
die Plätze wechjeln, jede unnüße
Erfhütterung des Bootes vermei-
dend. Beim Auffreuzen müſſen
die Leute in offenen Booten nicht
auf den Bänken, fondern zwiſchen
ihnen an Ded boden oder liegen,
um dem Winde möglichit geringe
Angriffsflähen zu bieten. Das
Setzen des Spinnakers, Ballonfock⸗
der Kieler Woche 1908 bereitete, ſetzen und Bergen, überhaupt alle
verdankte ſie dem Umſtand, daß etwas ſchwierigeren Manöver müſſen
... En} Ti m . Eu 3% = 4 3 er
rm Aa Te Im TH
= 1 cm
V. 1. Segelfporf.
ſo lange geübt werden, bis die
Mannſchaft vollkommen „einge:
trimmt“ iſt. Sich mit ſchlecht ein-
geſchulten Leuten am Start einzu⸗
finden, iſt gelinde gejagt, eine Un
verfrorenheit, kann auch beim Racen,
wo jede Rüdfiht auf den Nachbar
fortfält, von großer Gefahr für
alle Beteiligten werden.
340, Anfegeln. Sede ſommer⸗
liche Wettfegelfaifon beginnt mit
dem Anfegeln. Das ift die erſte
Öffentlihe Prüfung, nachdem vor⸗
ber das Boot „klargemacht“ und
die Mannfchaft einererziert wurde.
Man beicheinigt durch das Teil:
nehmen am Anfegeln, daß man in
den kommenden Monaten als Kon⸗
kurrent mitzählen will, gibt den
Rivalen Gelegenheit, fi ein Ur-
teil über Boot wie Leute zu bilden
— fann vor allem aber Tonftatieren,
in welcher Berfaffung ſich die alten
Gegner befinden, ob und melde
neuen Gegner hinzugelommen find
und wie man zu ihnen abjchneidet.
Das Anfegeln ift alſo fein eigent-
liches Wettjegeln, geitattet jedoch
„handicaps“. Das Anjegeln des
Kaiferl. Jachtklubs in Kiel findet
gewöhnlih im Mai ftatt. An ihm
nehmen alfo Klubjachten aller Klaſſen
teil; — falls einzelne Boote nicht
untereinander handicappen, d. h.
fih über Abfahrt, Geldeinſatz uſw.
verabreden, findet ein von Klub-
wegen angeſetztes Weitjegeln nicht
tatt.
841. Rennen, Beim Rennen
unterjcheivet man zwijchen internen
und offenen Wettfahrten; lettere
können wieder nationale oder inter-
nationale Wettfahrten fein.
Interne Wettfahrten bält nur
ber betr. Klub, für feine Boote und
Mitglieder ab, die anderen Arten
veranftalten ein oder auch mehrere
Vereine gemeinjchaftlih und er⸗
wählen dann aus ihren Vorſtands⸗
mitgliedern einen Ausfhuß als
Niro. 340-341.
Regattavorftand. Diefem fällt das
Programm des Wettjegelnd zu;
nämlid die Beſtimmung, melde
der oben angeführten Arten des
Wettſegelns ftattfinden fol, ferner
auf welchem Revier und zu mel-
chem Zeitpunft. Ebenſo beftimmt
der Ausschuß über die Zahl und
Art der zugelafjenen Klafjen, über
das anzumendende Bermefjungs-
und Vergütungdverfahren, entwirft
für jede Klaſſe die zurüdzulegende
Segelbahn und fett die Höhe der
Einſätze wie der Preiſe feſt. Die
Preife beftehen in Ehrengaben, bis⸗
lang in Deutſchland nur felten in
Geld. Der Ausſchuß muß die Auf-
forderung zu feiner Regatta meh-
tere Monate vor dem Termin er-
laſſen und die Einjchreibliften einige
Moden vor dem Regattatage jchlie-
Ben, um Zeit zu den Vorberei—
tungen zu haben. Eine Meldung
gilt nur dann als gültig, wenn ihr
der feſtgeſetzte Einſatz beigefügt ift.
Einige Mitglieder des Ausſchuſſes
haben das Nichteramt zu über:
nehmen, nämlich das Starten der
Boote, ihr Zeiten beim Runden der
Marten, ſowie endlich ihr Paſſieren
durchs Biel. |
Selbitverftändlich enthält die über
eine Regatta erlaffene Ausſchreibung
eine ſorgfältige Feſtſtellung aller
Punkte.
Bei ungünſtigem Wind laſſen
ſich die Boote zum Start ſchleppen
und ſuchen ſich dann eine möglichſt
vorteilhafte Lage vor der Start:
linie. Vom Anfer aus zu ftarten,
alfo mit feſtgemachten Segeln, ift
faum mehr Brauch, da Boote mit
einfacher Tafelage gegen jolche mit
großer, ſchwerer zu jehr im Vorteil
find. Man bevorzugt jet den
„fiegenden Start”, d. h. die Boote
laufen unter Segel durd die Start-
linie. Jedes Boot trägt am
Großfegel eine weithin ſichtbare
Nummer. Fünf Minuten vor Ber
Nro, 341.
ginn der Regatta fält vom Start-
dampfer ber Borbereitungsfchuß ;
die Jachten der zuerſt laufenden
Klaffe fchieben ſich vor der Start⸗
linie auf; die Startlinie wird vom
Startvampfer zu einer querablie-
genden Marke mit Flagge be—
zeichnet. Bon Minute zu Minute
jteigt auf dem in ſchwarze und
weiße Felder geteilten Maft des
Startdampferd ein roter
empor; ift das legte Feld erreicht,
fo fällt der Startſchuß und zugleich
fintt der Ball wieder zum eriten
Feld nieder, um in gleicher Weife
dag Zeichen für die folgende Klafje
zu geben.
Macht fi ein Boot beim Durd-
fegeln der Startlinie eine PBer-
ſehens ſchuldig, ſo ertönt vom
Startdampfer ein Pfiff und zu—⸗
gleich wird die Nummer der zu—
rückgerufenen Jacht gezeigt. Nur
wenn eine Jacht umkehrt, mo-
bei fie allen anderen Jachten aus
zumeidhen hat, und noch einmal
die GStartlinie pafjiert, hat ihr
Rennen Gültigkeit. Gibt ein Boot
. das Rennen auf, fo muß es den
MWimpel - F des internationalen
Signalbuchs ſetzen und fofort den
für die Regatta vorgejchriebenen
Kurs verlafjen.
Beim Fallen des Borbereitung-
Schuffes darf fein Boot mehr ge-
ihleppt werden, an einer oje
oder an einem andern Fahrzeug
feftgemadt liegen, noch Riemen
gebrauchen.
Alle Protefie gegen das Zurüd-
rufen, gegen einen Gegner, einen
Irrtum oder eine jiheinbare Un⸗
gerechtigfeit müffen zwei Stunden
sach der Beendigung der Regatta
Shriftlich eingereicht werden.
Ausgeſchloſſen von der Regatta
werden alle Boote, die faljche An
gaben über ihre Maße, den Ballaft,
ihre Mannschaft oder ihre Tafelage
gemadt haben, die zum Nachteil
Ball.
E. Bräfın Baudiffin u. Kapilän C. Qürk.
oder zur Störung der Mitjegler
falſche Manöver ausführen oder
während der Regatta gegen bie
Segelvorſchriften verjtoßen, gegen
die aljo ein Proteſt begründet iſt.
Ueber die Diftanzierung (Ausfchluß)
der Boote enticheiden die Schieds⸗
richter, die aus dem Regattaausſchuß
gewählt werden und gegen deren
Beſchluß es keine Berufung gibt.
Beim „fliegenden Start” kommt
ed darauf an, auf die Sekunde in
voller Fahrt dur die Startlinie |
zu gehen. Man dreht veshalb
beſſer nicht bei und treibt langjam
zum Start heran, wie es am ein—⸗
falten ſcheinen möchte; es würde
zu viel Zeit damit verloren, wieder
volle Fahrt zu gewinnen. Der
Mann am Ruder muß aljo genau
die Zeit und die Diftance berechnen
und das Boot abjolute Manövrier⸗
fähigfeit im gegebenen Moment be:
fiten; daher werden alle Beijegel
erit nach erfolgtem Start, dann
aber jofort gejeßt.
Natürlich gilt eg, außer Wind
und Kurs die Konkurrenten feſt im
Auge zu behalten. Weber die
Pflichten, die man ihnen gegenüber
bat, geben die Regeln im folgenden
Abſchnitt Auffchluß ; Über Die Rechte
ihnen gegenüber wäre zu bemerfen,
daß es erlaubt ift, einen Gegner
zu bededen, d. h. ihn in Lee zu
nehmen und ihm auf diefe Weile
den Wind aus den Segeln zu
ziehen. Verſucht der Feind ſich
aus dem Lee zu retten, fo muß
das eigene Boot hoch an den Wind
gehen, denn nur dadurch, nid!
durch Abfallen darf man das Ueber:
holen eined anderen Booted ver:
Bindern.
Beliebt und erlaubt find aud
Scheinmandver, um den Gegner
zum Nachfolgen zu reizen und ihm
dann, wenn er über den verfehrten
Bug gegangen ift, ftolz vorbeizu⸗
ſegeln.
V. 1. Segelſport.
Bei beſuchten Regatten iſt das
Runden der Bojen oder Markboote,
die den Segelplan markieren, be—
ſonders ſchwierig, da ſich hier oft
die Boote zuſammendrängen. Sieht
man an der Wendemarke bereits
einige Vorderleute in gefährlicher
Nähe zueinander oder gar ſich ſchon
berührend, ſo gehe man ſelbſt nicht
zu nahe an dieſe „kämpfende“
Gruppe heran, jondern fcheue einen
fleinen Umweg um diejelbe nicht
Nro. 341.
fieren, jo würde felbjtverftändlich
aud) dag vordere Boot anluven
und es entjtände ein „luffing
match“, aus dem vielleicht andere
Gegner inzwiſchen Vorteil zögen.
Hat man, wie e8 nicht jelten vor:
fommt, nur einen Gegner in
feiner Klafje, fo bleibe man ſolange
dicht bei ihm, big die eigene Ueber—
legenheit völlig ausgemadt it;
man bat bis dahin vielleicht dies
oder jenes Stüf der Bahn mit
— er madt fi meift bezahlt!
Ferner verfalle man beim Auf-
freuzen nidt in den beliebten
Fehler, zu hoch zu jteuern; dann
liegt das Boot fcheinbar höher als
die Gegner, aber macht feine Fahrt.
Alfo: immer volle Segel fteuern!
Wil ein Boot das andere über-
holen, fo ift das am beiten in Lee
zu maden, da ja der Gegner dies
durch Abfalen nicht verhindern
Würde man in Luv paf:|
fann.
175. Kuffing Maid.
„verjegelt“, genieft aber daneben
den Vorteil, daß der Gegner es
durch eine Zufallsgunit des Windes
nicht beſſer hat als man jelber:
man befommt eben alles gleich !
Stoßen zwei nebeneinander je-
gelnde Boote auf ein Äußeres
Hindernis, das von dem Boot in
Lee nicht genommen werden kann
und ift e3 durch das Boot in Luv
verhindert zu menden, jo ift dieſes
auf einen Zuruf verpflichtet, gleich:
Niro. 342—343.
zeitig mit dem erſten Boot zu
wenden.
Fällt ein Mann über Bord oder
fentert ein Boot, fo find die in
der Nähe befindlichen Jachten zur
Hilfe verpflidtet. Die Segel:
ordnung gibt feine Klaren Bor
Ihriften darüber, welches Boot am
meiften zur Rettung angehalten ift;
alle würden nur hinderlich fein.
Ungefchriebene Regel ift es aber,
daß jeder Mitjegler, wenn fich ihn
Gelegenheit bietet, fein Aeußerſtes
in Hilfeleiftung daran gibt, um den
Berlujt von Menfchenleben zu ver-
hindern. Gewöhnlich werben ja
jest auch die Regatten von Bolizei-
Motorbooten begleitet, die jeden-
falls am ſchnellſten zur Stelle fein
fönnen und denen man deshalb,
fobald man fie nahen fteht, Die
Hilfeleiftung unter Umſtänden
überlafjen Tann. — Wird jedoch
durch eine Hilfeleiftung eine Jacht
außer Konkurrenz gebracht, fo
muß die Regatta noch einmal ftatt-
finden.
Das erfte von der Wettfahrt
heimfehrende Boot — fei e8 Sieger
oder nicht — mird vom Gtart-
dampfer mit einem Kanonenſchuß
empfangen, der von der Mannſchaft
mit drei Hurras beantwortet wird.
Der Sieger fann natürlid erft
dann feftgejtellt werden, wenn die
Zeiten aller Jachten verglichen
worden find und die Bergütungen
ttattgefunden haben. Liegen einige
Boote jo weit zurüd, daß fie für
einen Preis doh nicht mehr in
stage fommen fönnen, fo zeigt ein
Kanonenjchuß den Schluß der Re—
gatta an, diefe „Poſthumen“ find
damit vom Wettbewerb audge:
ſchloſſen.
Die durch das Meßverfahren
die Unterſchiede in der Größe der
Beſegelung und des Rumpfbaues
feſtgeſtellt und berechnet werden,
ſo ſoll die Vergütung dieſe Unter—
E. Bräfin Baudilfin n. Rapitän ©. Qürk.
fhiede und Berechnung wieder aus⸗
gleichen.
Die Theorie der Vermeſſungs⸗
beftimmungen ift ähnlid der der
aftronomifhen Navigation ein für
dieje Schrift zu umfangreidhes Ge⸗
biet. Es genüge der Hinweis, daß
fid in Anbetradt der Wichtigkeit
diefe8 Punftes in diefem Sabre
(1908) eine internationale Welt-
feglervereinigung mit Neuaufſtellung
derſelben befaßt hat und daß ihre
Feſtlegungen vom Deutſchen Segler⸗
tag angenommen worden ſind. Dieſe
Geſetze der „International Yacht
Racing Union“ find in einem gleich:
namigen Heft Fäuflid.
342, Abfegeln. Unter Abjegeln
verfteht man das legte gemeinſame,
womdglih gefchloflene Auftreten
eines Klub8 am Schluß der Sommer:
fampagne. Es hat den Zwed, ſich
nod einmal gegenjeitig über Die
während der Saiſon gemadten
Berbefjerungen der Boote und ihre
Reiftungsfähigkeit zu informieren,
neue Wettfahrten zu beraten und
event. Käufe abzufchließen. Beim
Abjegeln find ebenfall® Handicaps
möglich. |
343. Negeln für Wettfegeln.
Siehe die oben erwähnten Geſetze
der „Intern. Y. Racing Union“.
1. Jede Yacht darf durch Luven
verhindern, daß eine andere ihr
vorbeiläuft, nie durch Abfallen.
2. Es find feine andern Fort:
bewegungsmittel gejtattet, al3 die
Segel.
3. Kommt eine Jacht auf Grund,
jo darf fie fih zum Fortkommen
lediglich ihrer Segel und Anfer
bedienen; benußt fie Riemen oder
Stangen dazu, fo wird fie ausge:
ſchloſſen.
4. Die zur Bezeichnung des
Kurſes dienenden Fahrzeuge oder
Bojen dürfen von keinem Teil der
Jachten oder ihrer Takelage berührt,
noch von einer andern als der vor⸗
— — —
V. 1. Segelfporf.
gefchriebenen Seite gerundet wer-
den.
344. Berficherungenfür achten.
Die Berfiherung einer Jacht ift
feldftverftändlih von großem Wert
für den Beliter. Da bisher die
Berfiherungen in Deutſchland noch
felten abgeſchloſſen find, fügen wir
als Schema für Verficherung mie
Jachteigner einen Abzug des Ueber⸗
einfommens bei, der zwifchen der
Afjekuranzfirma Eiffe u. Moos
in Hamburg und den Mitgliedern
des Kaiſerlichen Jachtklubs in Kiel
mit Gültigkeit bis inkl. 1909 ge=
troffen worden ift:
1. unbejchräntte Fahrt innerhalb
Europas, einichließlih der afri-
fanifchen und afiatifchen Plätze des
Mittelländiiden und Schwarzen
Meeres, ſowie Madeira und inkl.
Eifenbahntrangport ufmw.;
2. niedrige Befreiungsgrenze
ana) bei Partikularſchäden;
3. es findet im Schadenzfalle
fein Abzug „neu für alt“ ftatt;
4. Feuerfhäden während event.
Bahntransports, des Liegend auf
dem Lande oder im Winterlager
werden immer zu voll erjeßt;
5. Kajüt3einrichtung und Inventar
valedieren nicht „frei von Befchädi-
gung, außer im Strandungsfalle“,
fondern jeder durch einen Unfall
entitandene Schaden ift zu erjeten,
fobald er die Franchiſe überfteigt;
6. über Dampfjadıten ıc.;
7. im Falle eines Verlaufs wird
die verhältnismäßige Verkaufs—
prämie zurüdgegeben;
8. niedrige Prämie.
Aufserdienftftellung, An- und
Verkauf von Jachten.
345. Anßerdienftftelung und
Winterlagerr. Sit die Saiſon
herum oder befchließt der Eigner,
feine Regatten mehr mitzumaden,
fo wird das Boot außer Dienft ge-
Neo. 344345.
jtelt, und zwar fo rechtzeitig, daß
die Herbftunwetter dem Boot feinen
Schaden mehr antun fünnen. Hat
man fich einen Hafen als Winter:
quartier auserjehen, jo überlegt
man, ob das Boot im Waffer oder
an Land überwintern fol. Kleinere
Fahrzeuge wird man in einem
Schuppen unterbringen können,
größere wird man meiltend im
Waſſer lafjen.
Bleibt die Jacht im Waſſer oder
an Land — das Inventar, die
Segel und die Tafelage müfjen auf
alle Fälle entfernt werden. Und
zwar benußt man die Abtafelung
zugleih, um fich zu notieren, was
Thadhaft geworden ift, außgebefjert
werden fann oder was vollitändig
erneuert werden muß. Am vorteil-
bafteften ift es, ſich am Lande,
nit weit von der Jacht, einen
Heinen Schuppen zu bauen, der
die ganze Ausrüftung aufnehmen
fann. Bedingung ift, daß er nicht
feuht ift, ausreichenden Raum
bietet, um event. Arbeiten am Boot
jelbit zum Frühjahr hin vorzunehmen
und daß er fih gut lüften läßt.
Auch vor Ungeziefer, Ratten, Mäufen
und Schwaben tft er nach Kräften
zu fichern; befonder3 die Segel
find von ihnen gefährdet.
Man beginnt mit der Abtafelung
durch das Bergen der Segel; nur
ganz troden dürfen fie „aufgetucht“
werden, jonjt befommen fie un-
weigerlih Stodfleden. Man jonnt
fie an guten Tagen und hängt jie
im Schuppen auf, big jede Spur
von Feuchtigkeit aus ihnen ent-
Ihmwunden ift, beſonders aus den
Liefen. Dann werden fie „aufge-
tucht“ und in ftarken, mit Blech
ausgefchlagenen Käften verwahrt.
Hat man dieje nicht zur Verfü
gung, jo ſtreut man fie mit Pfeffer:
oder arena gegen das Un-
geziefer ein.
Das Inventar wird nachgezählt
Nro. 845. €. Gräfin Baudiſſin u. Rapitän C. Cürk.
und mit den vorhandenen LKiften
verglihen. Seder Mann muß für
das ihm übergebene Inventar auf«
kommen; daher entlaffe man nie-
mand, bid das Boot nicht voll:
ftändig abgetafelt worden iſt.
Die koſtbareren Teile des Ka—
jüt8inventard, wie Silber, Bilder,
Uhren und Teppiche, dürfen dem
Schuppen nicht anvertraut werden,
Sondern müffen ins eigene Haus
fommen, oder, bleibt dag Boot in
einem fremden Hafen, einem Spe-
diteur gegen Verſicherung über:
geben werben. Der Chronometer
wird zur Beobachtung einem Chrono-
metermacher anvertraut, der Kompaß
wird, fofern er nicht eine Arretierung
befitt, außer Funktion gefegt, in⸗
dem man zwiſchen Roje und Pinne
ein Stüdchen Kork ftedt.
Für Steuermanng- wie Zimmer:
manndinventar richtet man im
Schuppen verjchiedene Käften oder
Regale ein, damit alles leicht und
überfichtlich geordnet und im Früh:
ling bequem zur Hand ift.
Beim Abtafeln werden zuerft die
Gaffel und der Baum geborgen
und alle Schooten ausgefchoren;
dann folgen Stenge und Klüver-
baum. Alle Enden werden zu
Buchten aufgejchofjen, über Stangen
oder Knaggen gehängt und an jedes
ein fefter PBappftreifen mit Art⸗
bezeichnung befeftigt.
Den Maft läßt man bei größeren
Booten ftehen, falls man nicht einen
Krahn zum Heraußheben zur Ver⸗
fügung hat. Auf alle Fälle — ob
er ftehen bleibt oder nicht — muß
der Maſtkragen volljiändig abge
dichtet werden, da fih bier am
Veichteften Feuchtigkeit anfammelt.
Bleibt das Boot im Waſſer oder
om Lande, jo wird es mit Pre:
fenning3 oder Dachpappe zugebedt,
falls man nicht vorzieht, das Holz
— alle loſen Mejfingteile werden
im Schuppen untergebradt — ftarf
zu firniffen, was vor dem Zudeden
den Vorteil des befleren Luft:
umlaufs in den unteren Räumen -..
hat. Codpit, Kajütdeingänge 1.
werden trogdem natürlich abge |
Vie
Kine
-
dichtet. Die Waſſertanks werden
ausgepumpt und gereinigt, der be
—— —
wegliche Ballaſt entfernt; alle
unteren Räume aufs gründlichſte
geſäubert und mit Kalt oder
Mennige friſch ausgeftrichen. Diele .
Arbeit follte man bereit? im .'-
Herbft vornehmen, da fie dem
Faulen des Holzes vorbeugt,
Ueberhaupt, je forgfältiger die
Außerdienftftelung vorgenommen
wird, um fo mehr vereinfacht id
die Arbeit im Frühling und um fo
geringer find die peinlichen Ueber:
rafhungen und demnach — die
Ausgaben. Jede Nachläffigle
it
beftraft fig, — deshalb follten .
auch die Hölzer, die im Schuppen
untergebradht werden, gleich im
Herbft auf faulige gelbe Stellen
bin unterfucht und dieſe ausgemerzt
werden; die Ausbeſſerung kann
Ichließlich big zum Frühling warten,
aber man verhindert auf Diele
Weife, daB die Fäulnis weiter u
m
fi greift. Auch bedenke man, dat
zum Frühjahr Bootsbauer, Schiff?
zimmerleute 2c. mit Arbeiten über:
häuft find. Beibonte werben fiel
oben im Schuppen aufbewahrt und
ebenfo auf ihre Seetüchtigkeit b
in alle Nähte geprüft.
is
8
Zum Vertäuen der Jacht, ſoll
ſie im Waſſer bleiben, benutzt man |
Ketten, Teine Taue, da dieje vom '
ſchlechten Wetter im Winter zu
fehr mitgenommen werden.
Ob man umgreifende Berände
rungen oder Umbauten eines Bootes
wünſcht, ob die Verbände, bejom '
ders bei Aupferbelag, erneuert
werden, ob das Der neu gedicht
et j
werden muß, über all dies wir
man ſich im Herbft, beim Kielholen
oder Abtafeln des Bootes, am beiten :
|
4
V. 1. Segelfport.
Har werden, wenn man die Er⸗
fahrungen und Refultate der ver-
gangenen Saiſon noch in frifcheiter
Erinnerung bat. Man jchiebe alſo
nichts auf die lange Bank, fondern
benütze die ftillen Monate, um mit
einem Bootsbauer zu fonferieren,
gebe die Yacht event. auch jeht in
Umbau, da die Werften im Winter
mehr Zeit haben.
Sft die Abrüftung vollftändig
beendet, fo werden die Leute ent-
lafien, der Reit der Heuer wird
ihnen ausgezahlt, je nach Ablommen
ihnen ein Teil ihrer Equipierung
übergeben und ihnen ihre See-
fahrtsbücher behändigt. Ueber die
Führung darf, wie ſchon ermähnt
wurde, nicht8 ins Dienſtbuch ein-
getragen werden; auf Wunſch ftellt
man ein Führungsatteft aus. Das
zujtändige Seemannsdamt, aljo das⸗
jenige, in deſſen Hafen fich Die
Außerdienftftelung vollzogen hat,
muß die Dienftbücher unterfchreiben
und erhält die Mufterrolle.
Gebräuchlich ift es, eine Flagge
und einen Stander wehen zu lafjen,
bi8 die Mannſchaft abgemuftert ift.
Bei der Entlafjung, wenn der
Eigner an die Leute ein paar
Worte des Dankes oder des
Wiederſehens richtet, werden beide
niedergeholt und drei Hurras auf
den Klub oder feinen Kommodore
ausgebradt eine hoffentlich
ſchöne und erfolgreiche Segelfaifon
ift damit beendet! —
346. Winfe für An und Ber-
fauf von Booten. Wie im Anfang
diefer Heinen Abhandlung der Laie
verwarnt worden ift, ſich nad
eignen Zeichnungen ein Boot bauen
zu lafjen, jo wende er auch beim
Anlauf eines fertigen Bootes größte
Borfiht an. Beim Boot3verfauf
gilt im allgemeinen die jchöne
Regel wie beim Pferdelauf: „Augen
für Geld!" Man beginne den
großen Sprung in® GSeglerdafein
Niro. 346.
alfo nicht damit, fi als Erftes
einen flotten Klubanzug mit Müte
zuzulegen und auögeftattet mit
diefem zu einem Boot3bauer zu
wandern, um ihm fon äußerlich
als „connaisseur“ zu imponieren;
denn der Bootsbauer tariert einen
Menfhen auf einen halben Blid
oder ein halbes Wort richtig auf
feine Kenntnifje hin und der ftolze
Segler wird fih nur zu oft im
Beſitz einer alten, würdigen Schiff3-
filte wiederfinden.
Eine Anzahl Firmen find im
Anhang des Buches genannt, die
als folide und gut befannt find
und bei denen alle Einkäufe vom
fertigen Boot bis zum Meffing-
nagel gemadt werden können.
Begleitet von einem anerkannt
tüchtigen Segler, deflen Boot man
auf feinen Fall übernehmen will,
der folglich unegoiftifch raten wird,
begibt man fi) zum Einkauf, im
voraus Klar über die Art, die Tafe-
lage, die Größe und — die Summe,
die man anlegen will. Man büte
fih vor Booten, die ſich durch auf-
fallende Form auszeichnen, da man
fie ſchwer wieder verlaufen Tann.
Neubauten laffe man im Herbit
beginnen, damit das Holz gut aus—⸗
trodnen Tann. Früher war man
für Jachten faft ausſchließlich auf
England angemwiefen, heutzutage
bieten deutfhe Werften diefelbe
Auswahl und diefelbe Vorzüglich-
feit des Materials.
Für Binnenfeen und Flüſſe wähle
man ein Schwertboot mit Cat= oder
Stooptafelage; für fürzere Touren
in See oder auf Haffs Kielboote,
für längere Touren Kielboote mit
Kutter-, Yawl⸗ oder Cchonertafelage.
Den Typ des Rennbootes wird
fih jeder nad feinem Geſchmack
und Geldbeutel felbjt ausmählen.
Anfänger follten eher ein zu
Heined als ein zu großes Fahr—
zeug wählen. Die Revijion des zu
ro. 346.
faufenden Bootes muß fich auf alle
Teile innen wie außenbords be=
ziehen. Ein beftimmtes Alter als
Norm für die Leiftungsfähigkeit
der Jacht anzugeben, ijt nicht mög-
lich; falls der Typ nicht zu ver:
altet iſt, kann ein guterhaltenes
Boot lange feetüchtig und ficher
bleiben. Es iſt Regel, von einer
alten Jacht nad den erften fünf
Sahren 10 °/, des urfprünglichen
Preijes, nach je weiteren 5 °/, ab⸗
zuziehen. Selbftverftändlih muß
jedes Boot zum Verkauf auf Helling
gebracht werden. — Der Preis für
eine Jacht richtet ſich darnach, ob
fie für Wettfegeln oder nur fürs
Zourenjegeln bejtimmt if. Wie
Ihon gejagt, werden in Deutſch⸗
land bisher noch faum Geldpreije
für GSegelracen ausgeſetzt, ein
Sachtbefiter Tann alſo nicht wie
der Eigner eines Rennſtalles hoffen,
allmählid auf feine Koften zu
kommen, oder womöglich jogar ein
Bermögen zu verdienen — im Ge:
genteil, eine Jacht bleibt eine lau=
fende Ausgabe, — deren Umfang
ſich allerdings nach den Anſprüchen
richtet, die man an Modernität,
Größe und Schnelligkeit des Boo-
tes ftellt. Die Koften für eine
ganz moderne, mit allen Chifanen
gebaute Rennmaſchine find fehr
bedeutend und ebenfalls das Halten
einer vielföpfigen Mannſchaft. Für
jolhe Boote werden „Liebhaber:
pretje” gezahlt. Ein Eleineres Boot
von ca. fünfzehn Vermeſſungsein—
heiten, dag Raum für 3—4 Pers
jonen in der Kajite und 3 Mann
Befagung böte, würde 40—50 000
Darf koſten; entſchließt man ſich
dagegen zum Ankauf einer ältern
Jacht, die vielleicht fünf bis ſechs
Saiſons mitgemacht hat, ſo wird
kaum die Hälfte — für ein vom
Wettſegeln ausgeſchiedenes, aber
zum Tourenſegeln noch vorzüglich
zu verwertendes Boot derſelben
€. Bräfın Baudiſſin u. Kapitän C. Cürk.
Größe aber höchſtens noch 3 big
5000 Mark zu rechnen fein. Die
Snftandhaltung eines ſolchen Fahr-
zeuge8 betrüge bei jachgemäßer
Behandlung und eigener, vielleicht
von Freunden unterftügter Tüch-
tigfeit nicht mehr als 2500 bis
höchſtens 3000 Mark pro Bahr.
Dafür bietet fih für mehrere Per:
fonen ein monatelanges, herrliches
Reifen — alfo ift die Ausgabe für
den Einzelnen ſicherlich nicht höher
als der Aufenthalt in einem Mode:
bad für wenige Wochen!
Auh beim Neubau einer Yacht
handelt es fich darum, ob fie zum
Wettfegeln beftimmt ift oder nicht;
im erjteren Fall ift fie natürlich
durch Material ꝛc. koſtſpieliger.
Verzichtet man jedoch von vorn⸗
herein darauf, ſein Boot an Racen
teilnehmen zu laſſen, ſo ſollte man
nach amerikaniſcher Art vom V⸗
oder Uförmigen Querſchnitt ab:
feben und einfache, gerade Linien
wählen, wie fie 3. B. der beliebte
„Skippjack“ aufweiſt. Sein Bau,
an Größe für 3—4 Perfonen ge-
nügend und von vorzüglidher See-
tüchtigfeit, beanfprudt nicht mehr
als 2c. 4000 Mark Kapital.
Segelfportlibes Wörter-
buch.
Abfallen, dem Fahrzeug durch Auflegen
des Ruders eine mehr vom Winde ab—
gewendete Richtung geben.
Abflauen, Abnehmen ber Windſtärke.
Abhalten, auf etwas, dem Fahrzeug
die Richtung auf biefes Ziel geben.
Abihlagen, die Segel von den Rund»
bölzern (Gaffeln, Raben 2c.) abnehmen,
Abfegeln, 1) den Abgangdort unter Se—
gel verlaffen; — 2) eine Strede zur
Probe durchlaufen.
Abtateln, von einer Spiere oder von
einem Mafte das ftehende und laufende
Gut entfernen.
Abtreiben, durch Wind und See nach
Lee getrieben werben.
Abtrift, dag Ergebnid bed Abtreibeng.
Achtern, hinten, in zahlreihen Berbin-
dungen, wie Achterfteven, Achterholer,
Achterwind u. f. w.
V. 1. Segelfporf,
Am Winde jegeln, fegeln mit Wind
von vorn.
Anterboje, eine kleine Boje, die zur
Bezeihnung ber Stelle, wo. der Anter
gefallen ift, dient.
Anterlidten, ben
Grunde Holen.
Antern, zu Anter geben, dad Mand-
ver des Fahrzeuges bei der Ankunft auf
dem Anterplag.
Antermade, die Nachtwache auf einem
zu Anker ober an einer Boje liegenden
Fahrzeug.
Anlegen, längsfeit bet einem Schiffe oder
an ein Bollwerk legen.
Anliegen, einen Kurd —; bie durch den
Kompaß gegebene Kursrichtung alten.
Anluven, in den Wind geben.
Anmuftern, Mannſchaft in Dienft nehmen.
Anjegeln, 1) auf einem beftimmten
Puntt halten; — 2) die Segelfaifon dur
eine gemeinjame Segelfahrt eröffnen.
Anfegen, das ftehende But; — das
ftebende Gut fteif fegen. j
Aufbringen, die Stenge nad oben am
Mafttop bringen.
Aufentern, ins Takelwerk fteigen.
Auffriſchen, Stärkerwerden des Windes.
Aufgeien, ein Segel durch Geitaue zu⸗
ſammenſchnüren und es dadurch vorm
Wind bergen.
Aufkreuzen, ein in Richtung des Windes
befindliches Ziel durch Kreuzen erreichen.
Aufſchießen, die holende Part eines
Endes in regelmäßigen runden Buchten
übereinander legen.
Auge, eine durch Spliffung hervorgebrachte
runde Deffnung am Tau.
auf dem Vorſchiff
Ausgud, der Poſten
oder im Bortopp.
Ausholen, das2iefeinesSegels fteif holen.
Ausholer, der — des Klüvers oder des
Großſegels; ein Ende ober Kette, welches
den Hals be3 Segels fteif nad) außen belt.
Ausklarieren, Meldung beim Zollamt.
Auslaufen, in See geben.
Ausrüften, ein Fahrzeug für eine See-
reife vorbereiten.
Ausfheren, ein Ende aus ben Blöden
sieben.
Ausfegeln, eine Jacht —;
Schnelligkeit übertreffen.
Außentlüpver, ein Borfegel, das auf
dem Außenflüverbaum fährt.
Ausfteden, ein Reef — ; das Segel durch
Befeltigung des Reefs vergrößern.
Anler aus dem
biefe an
Baaken, Segzeihen an der Küfie.
Badbord, die links liegende Seite bes
Fahrzeugs. Alle auf der gedachten Seite
befindlichen Teile ded Rumpfes, ber Take⸗
lage u. ſ. w. werden durch Vorjegen des
Wortes „Badbord” (abgekürzt B. 3.)
bezeichnet. 2
Bacbordſchlag Heißt der bei dem das
Segel an Badbord fteht.
Badfpiere, jede horizontal und vierkant
Nro. 346.
zur Kiellinie ausgeſetzte Spiere; meiften-
teild wird der Spinnaferbaum vor Anker
al3 Backſpiere benugt.
— ckſtag, den Maſt nah achtern ſtützende
au
Backſtagwind, achterlich kommenderWind.
Bändſel, dünne Leine, ev. zum Zu:
fammenzeifen zweier Enben.
Ballen, Dedsballen, die quer zur
Kiellinie laufenden Hölzer, auf denen
bie Decksplanken ruhen. i
Ballonfegel, leihte große Segel, die
bei raumer Brife gefegt werden.
Baum, eine fhwere Spiere, 3. B. Groß,
Klüver-, Spinnalerbaum.
Bededen, ein Manöver beim Wettfegeln,
indem man einen gefährliden Gegner
unter Lee nimmt und feinen Segeln ganz
oder teilweife den Wind entzieht.
Beidrehen, die Segel io ftellen, dag die
Wirkung des Windes auf Voriegel und
Achterfegel ſich aufhebt, das Fahrzeug
aljo nahezu auf einer Stelle bleibt.
Beilegen, ein Fahrzeug auf Sturm und
. See derart legen, daß das Kielwaſſer
der Abtrift einen Schug gegen die
Brecher gewährt.
Beiliegen, die Tätigleit ded Fahrzeuges,
nachdem e3 beigelegt fit.
Beim Wind Segeln, eine Jadt fegelt
beim Wind oder am Winde oder voll
und bei, wenn der Wind ſchräg von vorn
tommt, daß die Eegel vom Winde unter
möglichit [pigem Wintel getroffen werden.
Beimmindfegel, alle die Segel, die
eine Jacht beim Winde zu jegen vermag,
im Gegenſatz zu den Ballonfegeln.
Beifetgen, Segel fegen.
Bekalmen, einem Segel durch irgend ein
Hiridernid den Wind entziehen.
Belneifen, ein Ende wird befniffen,
wenn es irgendwo eingellemmt tit.
Belegen, ein Ende um Poller, Nagel
oder Ducht mit einigen „Echlägen” oder
einem „Steek“ feitmaden.
Bergen, 1) Segel —; die Segel nieder-
holen; — 2) Fahrzeug oder Ladung; —
ein geſtrandetes oder verunglüdted Fahr:
zeug abbringen oder die Ladung eines
folden in Sicherheit bringen.
Beſan, dad Segel am Hintern Kleinen
Maft, dem jogen. Befanmait.
Befhlagen, die Segel —; bie Segel
feſtmachen.
Beſchlagzeiſing, die zum Beſchlagen
eines Segels dienenden kurzen Enden
oder Streifen Segeltuch.
Beting, ſtarke Poller auf dem Vordeck
zum Feſthalten der Ankerkette, auf Jachten
auch zur Lagerung des Spills.
Block, eine Rolle, über die das Tauwerk
geführt wird.
Bodenplanten, die Außenhautplanten
am Schiffsboden.
Bd, ein plöglich einfegender Wind.
Boje, ein auf dem Wajjer ſchwimmender
Körper, zur Bezeichnung des Fahr—
Neo. 346.
waffers, zum $eftmaden von Fahrzeugen
wie zur Bezeichnung des an ber Stelle
liegenden Anters.
Bojereep, Ende, durch weldes die Boje
am Anker feftgemadt ft.
Boot ahoi? Anruf an die bem Fahrzeug
fi nähernden Boote.
Bord, der obere Relingsrand bed Fahr⸗
zeuges; ülbertragen auf das ganze Jahr:
zeug, 3. B. an Bord, außenbord3, über
Bord u. ſ. w.
Braffen, die Enden an ben Noden einer
Rabe, um dieſe horizontal zu bewegen.
Bratfpill, Horizontal liegende Anter-
winde mit vertifalen Speichen.
Breitfod, Raheſegel an fliegender Rabe.
Briſe, leiter, guter Wind.
Buchfe, die Lagerung der Welle, 3. 8.
beim Spill.
Bucht, die Biegung eined Endes beim
Aufſchießen.
Bug, 1) das Vorderteil des Fahrzeuges;
2) die Bezeichnung der Seite, auf der
die Schoten der Segel angeholt ſind; —
3) der Streck — bezeichnet beim Kreuzen
den kürzeſten Schlag; — 4) Ueber den
andern — gehen, durch den Wind wen—
den.
Bugfpriet, Rundholz, welches vorn über
ben Steven horizontal oder fchräg auf:
wärts hinwegragt.
Bugftag, die feitlihen Taue des Bug:
fpriet oder Klüverbaum?.
Bullentau, Bullentalje, ein Ende,
beziw. eine Talje, um das Schlagen der
Bäume zu verhüten.
Cattakelage, Takelage eines kleineren
Fahrzeuges mit nur einem Maſt dicht
am Vorſteven und nur einem Gaffelſegel
mit Baum.
Chartern, ein Fahrzeug auf beſtimmte
Zeit oder für eine beftimmte Netfe mieten.
Cockpit, ein auf dem Adhterded befind⸗
liher Sigraum.
Davits, eiferne Kräne an ben Seiten
des Fahrzeuges zum Heißen der Seiten
boote.
Deck, horizontale Plankenbedeckung über
den Deckbalken.
Deplacement, das Gewicht der von dem
Fahrzeug verdrängten Waſſermenge.
Deviation, die durch den Magnetismus
des Fahrzeuges verurſachte örtliche Abs
lenkung des Kompaſſes.
Dicht, das Gegenteil von leck.
Dichten, die Decksnähte durch Eintreiben
von Werg oder Lampendocht und Ueber—
gießen von Pech oder Marineleim waſſer—
dicht machen.
Dingy, ein kleines Beiboot einer Jacht,
aber auch ſelbſtändig zum Rudern und
Segeln.
Dippen, die Flagge —; zum Gruß |
langiam halb niederbolen und gleich |
darauf wieder langſam vorheißen. |
E. Gräfin Baudiffin u. Hapifän €. Türk.
Dirt, Tau, in dem bie bintere Nod bes
Baumes hängt.
Dollbord, oberer Rand eines Bootes
sur Aufnahme der Dollen.
Dollen, Gabeln zum Einlegen ber Riemen.
Ducht, Bank im Boot und Teil einer
Kabeltroffe.
Duc d’Alben, ſchwere Pfähle im Waſſer,
deren Köpfe durch ein gemeinfames ſtarkes
Eifenband zufammengehalten werben;
zum Feſtmachen von Yahrzeugen.
Dünung, regelmäßige langfante Bewegung
der See, bejonders kurz vor oder nach be=
deutenderen atmofphäriichen Störungen.
Durchdrehen, wenn ein Fahrzeug beim
Winde plöglid den Wind von vorn be—
tommt.
Dwars, querab,.
Einfheren, ein Ende in einem Blod.
ginfteden, ein Reef —; bie Segel um
bie Fläche des Reefs verkleinern.
Ende, jedes Tau des laufenden Gutes.
Entern, aufs, bezw. nieders —; an den
Banten in die Talelage binauf: und
binablaufen.
Eſelshoofd, ein Band oder ein Klog zur
Verbindung von Mafttop und Stengefuß.
Etmal, ber Zeitraum von 24 Stunden,
von Mittag an gerechnet.
Faden, Tiefen und Längenmaß —
1,829 Meter oder 6 Fuß.
Fahren, Bezeihnung für den Lauf der
Enden und Rundhblzer, fowie für
„haben“; 3. B. bie Enden „fahren“
durch Blöde, die Jacht „fährt“ 8 Mann
Beſatzung.
Fahrt, Bezeichnung für die Geſchwindig⸗
keit des Fahrzeuges wie für das Revier;
„große“ und „kleine“ Fahrt.
Fall, das, Ende, zum Heißen und Fieren
der Segel.
Fall, der, der Winkel, den die Maſten
mit der Senkrechten bilden.
Glen Eingang am Reling.
allreepstreppe, Treppe vom Falls
reep aus zum Waſſer.
Fangleine, Ende zum Feitmahen bes
Bootes am VBorfteven.
Sender und Wielings, mit Korkftüden
oder altem Tauwerk gefüllte Säde aus
Segeltuch, die zwifhen Schiffswand und
Bollwerk gehängt werden, um die Bes
rübrung zu verbüten.
Feft! Kommando zum Aufbören mit Holen
oder Fieren.
eftfommen, auf Grund geraten.
eftmaden, dad Schiff oder die Eegel
unter ben Rahen oder Gaffeln.
Feftfteden, ein Ende an ein anderes
oder um eine Spiere feſtmachen.
Fieren, ein fteif nejegted Enbe nachlaffen,
um e3 „lebender” zu maden.
Flaggengala, das Ausflaggen ber Sig⸗
nalflaggen über die Toppen von achtern
bi3 zur Nod des Klüverbaums, ebenſo:
V. 1. Segelfporf.
Slaggenparade, Heißen oder Nieder:
bolen der Nationalflagge.
Fliegender Start, Art bed Starts,
bei dem die Jachten unter Segel ftarten.
Flieger oder Toppklilver, ein Vorſegel auf
Jachten, welches am Stengeftag vom Topp
der Stenge gefahren wird.
% A under, ganz fladhes, breite Schwert⸗
oot.
Fockmaſt, der vordere Maſt auf zwei⸗
oder dreimaſtigen Fahrzeugen.
odftag, Tau des Fockmaſtes.
reiwache, der freie Teil der Mannſchaft.
Gaffel, ein Rundholz achtern am Maſt,
um das Oberliek des Gaffelſegels aus⸗
zuholen.
Gafffelſchoöner, Schoner, ber außer
Breitfock nur Schratſegel führt.
Gaffelſegel, ein trapezförmiges Schrat⸗
ſegel an einer Gaffel.
Gaffeltoppſegel, auch nur Toppſegel ge⸗
nannt, ein dreiecki ges oder trapezförmiges
Segel.
Bangfpill, Ankerwinde mit ſenkrecht
ftehender Welle. “
Garn, Kabelgarn, zum Tauwerk; Tatels
garn, für Tafelarbeit; Segelgarn, für
Segelmaderarbeit,;, Fiſchgarn, leichte
Nege; — Ipinnen, Geſchichten erzählen.
Gaſt, Bezeihnung für die zu einer bes
ftimmten Station ober Yunltion abges
teilte Mannſchaft, 3. B. Gigsgaft.
Beitau, ein Ende, um dad Segel zus
fammenzuholen.
Gezeiten, Bezeichnung des Wechjeld von
Ebbe und Flut.
Gieren, pendelartige Bewegung des Fahr:
zeuges um feine Vertikalachſe.
Gig, ein ſchmales Beiboot.
Giffung, die Schägung bed Weged und
des Ortes mit Hilfe ded Logs, des Lotes,
des Rompafjes und ber Karte. Ergebnis:
das gegißte Befted.
Slafen, die feit Beginn der vierftündigen
Bade abgelaufene Anzahl halber Stun:
den durch Schläge an die Schiffsglocke.
Gode Wind! fegelfportliher Gruß.
Göſch, eine YBugiprietflagge bei feftlichen
@elegenbeiten.
Gräting (vom Englifden „grate”), höl⸗
zernes Gitterwert zum Bededen ber
Luken; auch Bierat.
Großmaſt, bei dreimaſtigen Fahrzeugen
der mittelſte, bei Schonern und Briggs
ber achterſte, bei Yawls der vordere Maſt.
Großfegel, Hauptfegel.
Großſchote, zum Bedienen ded Groß⸗
fegel3.
Grundtakelung,
geſchirr.
Grüßen, der Gruß mit der Flagge beſteht
im Dippen der Sıagpe‘ beim Begegnen
mit einem Kriegsſchiff entweber in drei-
maligem Dippen der Ylagge ſeitens der
Sr ober indem bie nn t gefentter
lagge das Kriegsſchiff paffiert.
bad ganze Anter-
Nro. 346.
Gut, alled Tauwerk mit Ausnahme ber
Verbol-: und Feſtmacheleinen. Das ftehende
Gut dient zur Stüge ber Maften und
Spieren; das laufende Gut zur Hand⸗
babung der Segel und Rundbölzer.
HSalberfhlag oder Halber Steel,
halber Knoten.
Halber Wind, Wind querein.
Hals, vordere, untere Nod eines Schrat⸗
fegel8 und untere Nod eines Unterjegels.
Halfien, Manöver, um ein beim Wind
liegendes Fahrzeug vor dem Wind herum
über den andern Bug zu bringen. Gegen⸗
teil von „Wenden”.
Halten, Bol-Segel; — beim Winde fo
fteuern, daß die Segel nicht Fillen oder
lostommen.
Hed, der binterfte, übers Waffer ragende
Teil des Schiffes.
Heißen, aufziehen eined Gegenftanbes,
Gegenteil von fieren.
Heuer, Monat3lohn eined Matroſen.
Heuerbaa3, Agent zum Vermieten von
Geeleuten.
Hieven, aufmwinden.
Hinterliet, hintere Kante des Segels.
Yacht, ſ. Yacht.
Jager, kleiner Außenklüver.
Jigger, Ende, das durch einen bemweg=
lichen Block geſchoren iſt im Gegenſatz zur
Jolle, welche durch einen feſten Block
geſchoren iſt. Die Verbindung von Jigger
und Jolle ergibt die zweiſcheibige Talje.
Außerdem bedeutet Jolle ein kleines
Beiboot.
Jungfer, Blöcke mit Löchern zum Steif—
ſetzen der Wanten.
Kabbelung, Bewegung im Waſſer, durch
zwei verſchiedene Strömungen, oder durch
Wind gegen die Strömung.
Kabellänge, nautiſches Maß, der zehnte
Teil einer Seemeile, alſo rund — 185
Meter.
Kalfatern, die Decksnähte dichten mit
Werg oder Lampendocht und mit Pech
oder Marineleim ausgießen.
Kanten, Segel —; die Segel beſſer ſetzen
alſo „trimmen“.
Kappen, die Tallreeps durchſchlagen.
Kardeel, Verbindung mehrerer Kabel:
garns.
Karvel, Planken, die mit den Kanten
ſt umpf aneinanderſtoßen.
Kauſch, eiſerner Ring mit konkaver
äußerer Rinne, um welche ein End ge:
fplißt wird.
Kentern, Umſchlagen.
Kiel, unterfter Längsbalken des Bootes,
als Widerſtand gegen das Seitwärt3-
treiben.
Kielholen, ein Fahrzeug zur Boden⸗
ae auf eine Seite herunter-
even.
Kielfhwein, ein Balken, der über dem
Kiel figt und die Spanten mie bie
Maften Hält.
Nro. 346. E. Gräfin Baudilfin
Kielwaſſer, Spurwaſſer des Fahrzeuges.
Killen, Schlagen der Segel, wenn der
Wind ſie grade von vorn trifft.
Kint, Knoten in einem Ende, das das⸗
felbe „untlar” madt.
Klameien, lalfatern oder dichten.
Klar! bei Tauwerk oder Eegeln; bereit
zum Gebraud, fonft al3 Meldung; fer-
tig, bereit.
Klar Ded! Kommando nad) jedem Ma⸗
növer, das Ded aufzullaren, das Taus
wert aufzufhießen und alles in Ordnung
zu bringen. A
Klaren oder Klarieren in Drbnung
bringen.
Klar zum Wenden! Kommando vor
dem Manöver ded Wenden.
Klau, gabelförmige Gaffel.
Klaufall, Fall zum Heißen der Gaffel.
Kleid, die Klau, einzelne Streifen Tu
eines Segels.
Klinter, Blanfen, bie mit ven Kanten
iibereinander greifen.
Klüfe, mit Eiſenbeſchlag gefütterte Deff«
nungen an beiden Eeiten des Bugd zum
Ausfahren der Ankerketten.
Klüver, Borfegel der Jachten.
Klüverbaum, beweglicdhes Bugipriet zum
Segen des Klilvers.
Knoten, ein Abfchnitt der Logleine, von
6,84 Meter Länge.
Kombüje, Echiffstitche.
ompromisfloop, Mittelding zwischen
Sloop und Kutter.
Krängen, auf die Seite neigen oder
überliegen.
Kreuzen, im Zidzad gegen den Wind zu
fegeln,, auch eine Gegend längere Beit
befahren.
Kreuzerjadt, zu Vergnügungs- und
Kreuzfahrten beftimmte Jacht.
Kutter, einmaftige Jacht mit zwei Vor⸗
fegeln, Stenge, Klüverbaum und Groß-
fegel; auch mittelgroßes Kriegsfciffs«
boot zum Rudern und Segeln.
Landmarke, Kennzeichen am Lande, ges
wöhnlich Torrefpondierend mit Boje.
Laft, unterſter Raum im Sdiff, zum
Verftauen von Proviant.
Lateralplan, Bootsflähe, die fih dem
Seitwärtstreiben widerjegt; bei Eegel:
jachten Kiel oder Echwert.
Lavieren, Laienausprud für Kreuzen.
xebend, ein Segel ift lebend, wenn der
Wind ed in der Nichtungslinie beftreicht,
es aljo weder voll noch bad fteht; Re—
fultat das „Nillen”.
Led, Undidtigfeit im Schiff.
Lee, die von der Windrichtung abgefehrte
Seite eines Fahrzeuges.
Leegierig, zum Abfallen geneigt.
Leine, jedes dünne Ende.
Lenz, leer, Lenzpumpe zum Leerpumpen
des Schiffes.
Lenzen, vor Sturm und See laufen.
Li ek, ſchwachgeteerte Taueinfaſſung derSegel.
u. Rapitän ©. Türk.
209, Apparat zum Meffen ver Geſchwin⸗
digfeit bes Fahrzeuges; beſteht aus
Logglas, Logbret und Logleine.
Logbuch, das Schiffstagebuch oder Journal.
Loggen, durch das Log die Fahrtgeſchwin⸗
digkeit meſſen.
Los! Befehl zum Loswerfen eines Endes
und Meldung, wenn das Fahrzeug zu
nahe am Wind liegt: „Los vorn!”
Loskiel, ein bölzerner Balken, zum Schut
be3 eigentlichen Kieles; jet meiftens
aus Blei. ’
Lot, Bleigewiht mit eingeteilter Leine,
um bie Tiefe des Wafjers zu ntefjen.
Zuggerfegl3, Segel in Trapezform.
Luk, Zugang zu den unteren Räumen.
Zuv, die dem Winde zugelehrte Seite.
Zuvgierig, Neigung des Bootes in ben
Wind zu drehen.
Meldefhluß, Termin, bis zu dem bie
Meldungen zu einer Wettfahrt angenom«
men werden.
Meldung, Mitteilung, daß eine Jacht an
der betreffenden Wettfahrt teilzunehmen
wünſcht.
Meßbrief, amtliche Urkunde über Größe
des Fahrzeuges.
Meßverfahren, Verfahren,
Zeiftungsfähigleit einer Jacht feftzus
ftellen.
Metazentrum, Punkt oberhalb des
Syſtemſchwerpunktes im Fahrzeug.
Muiterrolle, Urkunde, zur Ans und
Abmufterung.
Nachtſignal, mit Lihtfarben ober
:blinten gemachtes Eignal.
Naht, Fuge zwifchen zwei Planken.
Nautik, Seefahrtäfunde.
Navigation, Steuermannsfunde, Wiffen:
fhaft der Berechnung des Schiffsortes
auf See mit Hilfe der Geftirne.
Nicht Höher! Kommando, nicht dichter
an den Wind zu geben.
Nock, äußerfted Ende einer Nabe, Gaffel
oder Spiere.
Notzeihen, Leihen, daß man fich in
Not befindet und augenblidliih Hilfe
nötig bat. Bei Tage Schüffe und bie
Flagge im Schau, bei Nacht Leuchtkugeln
und regelmäßig wiederholte Schüffe.
Nullfpant, bezeichnet den breiteften Um:
fang des Boote3.
Oberliek, obere Liek eines Segels.
Ochſenauge, rundes, burd) ſtarkes Glas
verſchloſſenes Feniter.
Oktant, Spiegel:Infirument zur Höhen:
mefjung der Geſtirne.
Orkan, ftärtfte Luftbemegung.
PBagaien, kurze Ruder mit löffelförmigem
Blatt, und das Rudern mit benfelben.
Pardun, Haltetaue, die Stenge und
Majt nah achtern ftügen.
Part, Teil eines laufenden Endes, fefte
und bolende Part; ferner Anteil am
Befis eines Schiffes.
um bie
Segelſpork.
an n, etwas meſſen oder Ioten.
eilung, genaue, nautifhe Beobachtung.
Perſenning, geteerted oder geöltes,
ftarted Segeltud.
Viel, äußere Nod der Gaffel.
Bie ten ‚etwa3 aufftreden ober hodbringen.
„Riemen vielen” oder „Riemen hoch“
nehmen beißt die Riemen gleichzeitig als
Ehrenbezeugung bochwerfen.
Pielfall, Fall, zum Heißen ber “Biel
einer Gaffel oder eines Gaffeljegels.
Pinne, die bes Ruders, Hebel-
arm zum Dreben bed Ruders.
Poller, hölzerne oder eiferne Pflöde zum
Belegen der Enden.
Preien, Anpreien, anrufen.
Preſſen, ——— ſo viel Segel als mög⸗
lich führen
Proteſt, veſchwerdefuhrung beim Schieds⸗
gericht über eine bei einer Wettfahrt
vorgefommene Ungebörigfeit.
Querfaling, über die Längsfalings ges
Thraubte eiferne oder hölzerne Stange
zum Einlegen und Spreizen ber Stenge-
wanten.
Rabe, Rundholz, horizontal vor Maft ober
Stenge aufgehängt; Rabefegel, trapez:
förmig, an der Rabe.
Rank, Gegenfag zu fteif, Eigenfchaft des
Fahrzeuges, das leicht überliegt.
Raum, der — eines Schiffes, Raum
vom unterften Deck bis zum Kielfepwein ; :
auch: Raum, vom Binde, günftiger
Wind von aditern.
Raumen, vom Winde, günftiger werden.
Raumſchots, wenn man mit raumer
Shot jegeln fann.
Neef, zum Berkleinern des Segel3 einges
ridteter Teil.
Reefen, Segel durd Aufrollen verkleinern.
Reefta ij je, dreiſcheibige Talje, zum Nieder⸗
holen des Reefs. |
Regatta, Wettjegeln.
KReling, Geländer um die Bordwand
über Ded, bei Jachten oft waſſerdicht.
Rhe! Kommando zum Veberftaggehen oder
Wenden.
Riemen, Ruder.
Rip, Konftruftiongzeichnung eines Schiffes.
Rollen, pendelnde Bewegung eined Jahre
zeug3 um feine Längsachſe; basfelbe wie
ſchlingern.
Roller, brechende hohe See.
Ruder, zum Lenken und Steuern des
Fahrzeugs am Achterſteven drehbar auf⸗
gehängte Balkenverbindung.
Ruder le gen, Ruder nach einer Seite
bewegen.
Rudertalje, an der Ruderpinne bes
feftigte Lleine Talje, zur Erleichterung
des Steuers.
N Su mp 2 Fahrzeug ohne Takelage und
Ruͤndooiz, Sammelname für alle zylin⸗
driſchen Hölzer an Bord.
Nro. 346.
Saling, Quer⸗oder Längsholz oder ⸗eiſen
als Unterlage für den Mars und zum
Spreizen der Stengewanten.
Schäkel, U-förmiges, eiſernes Verbin⸗
dungsglied, um zwei Teile einer Kette
zu verbinden, aneinander zu „ſchäkeln“.
Schamfielen, ſcheuern, durch Reibung
beſchädigen.
Pannen Belleivung der NReling3-
ftüg
Sal, All Schoten fo dit wie möglid
— Tauwerk, durch Blöcke und
Scheiben leiten; auch für Herankommen
eines Dampfers er „ſchert“ längſeit.
Scheibe, Rolle, um welche ein Ende ge-
legt wird.
Schiemannegarn, aus zwei ober brei
Kabelgarns zuſammengeſetzte Leine.
Schiften, Segel wechſeln, übergeben.
Schlag, mit dem Riemen, einmaliges
Durchziehen; beim Kreuzen, die über
einen Bug abgelaufene Strede.
Scälagfeite, Neigung ded Fahrzeugs
nad einer Seite.
= — ein Schiff durch ein anderes
ziehen
Schlingern, dasſelbe wie „Rollen“.
Schlippen, plötzliches Loswerfen oder
Kappen von Tauen und Ketten.
Schot, Ende, durch welches die hinteren
unteren Nocken der Segel angeholt werden.
Schralen, Aenderung des Windes zum
Ungünſtigen; Gegenteil von „Raumen“.
Schrapen, mit ſcharfen Snftrumenten
etwa3 abfragen.
Schratſegel, fämtlide Segel, die nicht
an Raben gefahren werben, aljo Gaffel-
und Borjegel, ſowie Gaffeltopfegel.
Schwabber, aus altem Tauwerk herge-
fielter Bejen zum Trodnen des Ded3.
Schwanenhals, gebogen. eiferner Bolzen,
sum Einhaken bes Spinnaterbaumd in den
Maftring.
Säweres Wetter, Sturm.
Schwert, bölzernes oder metallened Brett,
fentrecht ins Waffer gelafjen, um den La⸗
teralplan des Fahrzeuges zu vergrößern,
die Abtrift zu verringern, und dadurch
befjeres Kreuzen zu erzielen.
Schwertkaſten, zum Aufnehmen ber jegt
am meiften gebraͤuchlichen Mittelſchwerter.
See, offenes Waſſer und Bezeichnung des
Seeganges.
Seetlar, fertig unb bereit in See zu
geben.
Seemeile, ſechzigſter Teil eines Yequator:
grades oder eine mittlere Meridianminute
= 1852 m,
Seemwärts, nad) See zu.
Seewind, anflandiger, aus See fommen-
ber Wind
Segel, zur Fortbewegung durch den Wind
dienende Zeinwandfläcden.
Segel-abfhlagen, Segel von den Spier
ren abnehmen und verftauen.
Segelbergen, alle Segel fejtmaden.
Niro. 346. &. Gräfin Baubilfin
Segelfertig, fertig zum Segeln fein.
Segelmebhren, mehr Segel jegen.
Segel mindern, einige Segel bergen.
Segelreefen, Segel verlleinern.
Segelfegen, Segel aufziehen.
Segeltuch, Stofj zur Anfertigung der
Segel.
Segelunterfhlagen, die Segel an ihre
Spieren befeftigen.
Setbord, abnehmbare Erhöhung der
Bordjeiten auf Meinen Fahrzeugen, zum
Schuß gegen das Waſſer.
Sigen, aufgerannt fein.
Sloop, einmaftige Jacht mit feftem Bug:
fpriet und feit an den Baum gereihten
Großjegel ; Lleinere haben nur Pfahl:
maften ohne Stenge und nur ein Borjfegel.
Sog, Nadftrömung des durch das Fahrzeug
verdrängten Waſſers in das Kielwaſſer.
Sonnenfegel, Zelt aus Segeltud gegen
die Sonne.
Spanten, Rippen eines Fahrzeuges, tra«-
gen die Außenhaut und vermitteln den
Quer: u. den Längsverband des Echiffes.
Spiegel, flacher Abſchluß des Hecks.
Spieren, dünnere Rundhölzer d. Takelage.
Spill, Ankerwinde.
Splißen, zwei Tampen durch Verflechtung
der Kardeele verflechten.
Spriet, dünne Spiere zum diagonalen
Spreizen des Sprietſegels.
Spring, vom Heck an Anterfette ober
Unter befeftigte Leine.
Stag, Haltetau von Maſt- oder Bugipriet-
fpige zur Stütze nad vorn.
Stag, über — gehen, dasſelbe
Wenden.
Stagfod, am Fockſtag fahrendes Vorfegel.
Stagjegel f. Stayfod.
Stampfen, pyendelnde Bewegung des
Fahrzeugs um feine Querachſe.
Stander, gleichſchenklig dreisdige, ge—
flammt rechteckige oder geflammt dreieckige
Flaggenabzeichen eines Klubs
Start, Entlaſſung der wettſegelnden Jach⸗
ten zur Wettfahrt.
Stauung, richtige Anordnung d. Ballaſtes
oder der Ladung.
Stecken, fieren, außfteden, 3. B. bei ber
Ankerkette.
Steek, Verknüpfung zweier Tampen.
Steekbolzen, kurze, ſtarke Enden, durch
die Reefkauſchen der Segel geſchoren und
das Reef auf der Rahe oder dem Baum bes
legen.
Steif, Gegenteil von rank beim Schiff;
beim Tauwerk, wenn es feft angeholt ift.
einge, Verlängerung bes Untermaftes,
zum Setzen des Topfegeld, Fliegers,
Ballontliivers und Spinnafers.
Stengewindreep, zum Heißen und
Streichen der Stenge dienendes Ende,
Steuerbord, redte Seite des Fahrzeugs.
Steven, die den Bug (Vorfteven) und da3
Heck (Achterfteven) bildenden Hölzer.
Stille, Mangel an Rind.
Stoppen, fefthalten.
5
wie
u. Kapifän €. Türk.
Stoßtalje, basfelbe wie Bullentalje.
Stredbug. Bug beim Kreuzen, ber am
nächſten ans Ziel „ftredt”.
Streden,an ein Ziel —, ba3 Biel mit
einem Schlag beim Wind erreichen.
Streiden, bie Stenge —, bis der Flaggen⸗
Inopf überm Eſelshoofd iſt, auch : die
Flagge nieberholen.
Talel, Flajchenzug mittlerer Stärke.
Talelage, alles Tauwerk nebft Blöcken,
Spieren, Rundhölzern und Segeln.
Tatels oder Segelriß, Teil ber Kon:
ſtruktionszeichnung eines Fahrzeugs, wel:
der das tote Werk, Form: und Größen:
verhältnis enthält.
Talje, Kleiner Flaſchenzug, beftehendb aus
Blod und Ende.
Tallreep, Ende, welches durch die Jung⸗
fern gefhoren wird und zum Anfegen ber
Wanten dient.
Tamp, letztes Ende eines Taues.
Tiefgang, ſenkrechter Abftand d. Waſſer⸗
linie eines Fahrzeugs von dem am tiefften
taudenden Punkt des Kiels.
Totes Wert, oberhalb ver Waſſerlinie be:
findlicher Teil des Schiffärumpfes.
Tonne, Seezeichen, zylinderförmig : ferner
Schiffsmaß: in Deutfchland — 1000 kg.
Top, oberes Ende ber Maften und Stengen.
Topjegel, ander Stengeeines mit Schrat:
fegeln getalelten Maſtes heißbares Segel.
Törnen, unklar maden oder feft machen.
Treiben, forttreiben durch Wind, See
oder Strom.
Trimmen, etwas in Drbnung bringen.
Troffe, ein aus drei Karbeelen befteyendes
Ende auf ſtarke Verhol⸗ und Feſtmache⸗
leinen, eine noch nicht angefchnittene,
ganze Rolle Tauwerk.
Ueberholen, revibieren; auch die Segel
überholen, d. 5. auf die andere Seite;
Talje überholen, d. 5. Talje verlängern.
UVeberlegen, Krängung bes Fahrzeuges
bei Winddrud.
BVeberliegen, durch das Ueberlegen ver:
urſachte Zage.
Ueberſchießen, Ballafl oder Ladung geht
bei ſtarker Krängung nad) einer Seite über.
— Stag geben, dasſelbe wie
en
" ‘
Untlar, verwirrt, befniffen, vertörnt, das
Gegenteil von „Klar“.
Unterlief, untere Liek eines Segels.
Unterjegel, an ben Unterraben befinb-
liche Segel.
Verband, bie Verbindung ber einzelnen
Teile des Rumpfes.
Vergütung, Ausgleichsverſuch der infolge
verſchiedener Größe, Bauart und Takelage
differierenden Leiſtungsfähigkeit der Jach⸗
ten beim Wettſegeln; wird als Zeit oder
als Abzug an gemeſſener Größe gewährt.
Verholen, ein Fahrzeug von ſeiner Stelle
auf eine andere bringen.
Verklicker, Windfähnchen.
V. 1. Segellport.
Verſagen, von einer Wendung, wenn das
Fahrzeug nicht durch den Wind geht.
Verſtauen, ordnungsmäßig, verladen.
Vertauen, Boot anlegen, feſtmathen.
Vierkant, rechtwinklig.
Bollund bei, möglichſt dicht am Wind.
Vorbereitungszeihen, beim Wett⸗
fegeln da3 Zeichen, das bie Bewerber ſich
* au halten haben ; Schuß oder Flaggen
gnal.
Vor dem Wind, mit Wind redt v. achtern
fegeln.
Vorgeſchirr, Bugipriet, reip. Klüver-
baum nebft Talelage und Segel.
Vorſchiff, vorderer Teil des Schiffes.
Bor Top und Takel, dv. 5. vor ben
nadten Spieren, ohne jedes Segel.
Want, feitliche Haltetaue eines Maftes oder
einer Stenge. *
Warpen, mittels des Ankers verholen.
Waſſerlinie, Linie des Fahrzeuges, bis
zu der es im Waſſer liegt.
Waſſerſtag, Ende oder Kette, die Bug⸗
ſpriet oder Klüverbaum ſtützt.
Wenden, durch den Wind über d. anderen
Bug gehen.
Nro. 346.
Wettfahrt, gemeinſames Segeln mehrerer
Jachten auf gleichem Kurs und unter
gleichen Bedingungen.
Windreep, Ende zum Aufbringen einer
Stenge.
Wulſtkieler, Kielboot mit ſtarkem, extra
befeſtigtem Bleikiel.
Yacht, urſprünglich holländiſches Außen⸗
fahrzeug: Yagd; jetzt Jacht, ausſchließlich
zum Vergnügungs⸗, Touren- und Wetts
ſegeln dienende Fleinere Dampf- u. Segel-
fahrzeuge, als Sloop, Kutter, Yawl oder
Schoner getatelt.
Yaml, Yacht, als ein Kutter getakelt, jedoch
mit Heinem Befan (Treiber). .
Beifen, etwas mittels eines dünnen
Bändels feſtmachen.
Zeiten, wettſegelnde Jachten, —
beim Paſſieren einer Marke oder des Ziels
die Zeit notieren.
Ziel, Linie, welde das Wettfegeln bei einer
Wettfahrt beendet.
Zurren, zufammenfhnüren, 3. 3. von
Hängematten ; auch feftbinden.
Verzeichnis der hauptfäclichften technifchen Ausdrücke.
Block
Deutſch Engliſch
Abhalten to bear away
Abſtoßen to put off from shore
Achtern aft
Achterliek leach
Achterſteven sternpost
Auf das Ruder! hard up the helm!
Aufgeien to brail up
Aufholering traveller
= - Aufichießen to coil up
Auftakeln to rig
Auftakelung rigging
Bad back
Backbord port
Backbord das Ruder! | port the heim!
Baden bows
Badeftag back-stay
Balkenknie knee
Ballonklüver ‚| balloon-jib
Baum - boom
Beiboot boat
Beidrehen to come up, to bring to
Beilegen to come to
Beiliegen to lie to
Bejan mizzen
Bejanmaft mizzenmast
Befanfegel ‚| mizzensail
Befanftag mizzenstay
Beſitzer (Eigner) owner
Betings bitts
block, pulley
Sranzöfifch
tenir le large
deborder une chaloupe d’un
vaisseau
de l’arriere
chute d’arriere f.
etambot m.
la barre au vent!
carguer
rocambeau m.
lover
greer
greage m.
en arriere
bäbord
bäbord la barre!
jouteraux m. pl.
pantotre de bastaque m.
courbe f.
foc-ballon m.
guy m.; böme f.
embarcation f. .
mettre en panne
se mettre a la cape
prendre la cape
tapecul m. [m.
mät de tapecul, mät d’arriere
flöche-tapecul m.
etai du tapecul m.
proprietaire m.
bittes f.
poulie f.
23
ro. 346.
Deutich
Bodenplanken
Bramfegel
Brajjen
Breitfock
Bugjpriet
Bugitag
Dapits
Deck
Decksbalken
Decksplanken
Dirk
Durchſcheren
Entern
Fallreep
Senfter (rund)
Sieren
Slaggen
Slaggenknopf
Slaggenſtock
Sackmaſt
Fockſegel
Sockſtag
Slieger
Gaffel
Gallion
Gangjpill
Geitau
Großmafjt
Großſchoot
Großſegel
Großtopſegel
Bals
Halſen
Halstalje
Halt ab!
Hart Backbord!
Holende Part
Hol nieder!
Hol weg!
Sungfern
Rabelgarn
Kapitän
Kentern
Kiel
Kieljcdwein
Klar
Klar zum Wenden!
Klaue, Klaufall
Klüver
Knoten
Kreuzen
Kutter
Kateinjegel
Taufendes Gut
Tebendes Werk
Englifch
ceiling-planks
main-top; gallant-sail
braces
square-sail
bowsprit
bowsprit-shrouds
davits
deck
beams
deck-planks
topping-lift
to reef
to grapple, to board
gangway, ladder-rope
bull-eye
to veer, to lower
to hoist the flag, colours,
to dress ship
truck
flag-mast
foremast
foresail
fore-stay
flying-jib
gaff
gallion
capstan
clew-line
mainmast
mainsheet
mainsail
maintopsail
tack
to wear ship
tack-tackle
bear away!
hard a-port!
fall, hauling part
haul down!
haul away!
dead-eyes
yarın
captain, skipper
to capsize
keel
keelson
ready
ready about!
main-halyard
jib
latin-sail
running rigging
| quick work
E. Gräfin Bawdilfiun u. Rapitän €. Türk.
Sranzöfifc
bordages du fond m.
voile de perroquet f.
bras de vergue m.
fortune f.
mät de beaupre m.
haubans du beaupre m. pl.
davies m. pl.
pont m.
baux m. pl.
bordages du pont m. pl.
balancine f.
passer une manoeuvre.
aborder
[mon f.
passavant m., e’chelle d’arti-
bulleye
amener
pavoiser
pomme f.
mät de pavillon m.
mät de misaine m.
voile de misaine f.
etai de misaine m.
foc-volant m.
vergue ä corne f.
figure de poulaine, du vais-
seau
cabestan
cargue f.
grand mät m.
grande écoute f.
grande voile f.
grand flöche m.
amure f.
amurer
palan d’amure m.
faites porter!
bäbord tout!
courant de manoeuvre m.
amenez!
halez!
cap-de-moutons m.
caret m.
capitaine, maitre m.
chavirer, cabaner
quille f. carene f.
carlingue f.
degage, pare
paré à virer!
drisse de mat f.
foc m.
noeud m., &talingue f.
louvoyer, croiser
cotre m.
voile latine f.
manoeuvres courantes f. pl.
oeuvres vives f. pl.
Deutſch
Cee
Liek
Cotfe
Los!
£Zugger
Cuken
Cuv
Cup!
Cuven
M
Amina
—ã
Niete
Nieten
Nock (einer Raa)
Nod (eines Segels)
Norden
Oberlicht
Oſten
ieck
ieckfall
reſenning
Ruderbank
Ruder in Lee!
Ruder in Luv!
Rudern
Ruderpinne
en
uderfhlag
————
—
5a ädel
emannsgarn
Sch =
p
Sonnenfegel
Spieren
Spinnaker
Sprietfegel
V. 1. Segelfpprt.
Engliſch
leeward
bolt-rope
pilot
le’ (t) go!
lug-sail
hatches
windward
luv!
to luv
crew
top
top-halyard
marline
top-square
square-topsail
mast-head
midships
rivet
to rivet
yard-arm
sail-arm
north
| sky-light
east
n. —— to gauge
—2 yard
arpaulin
yard
square sails
steady!
reef
to reef
reef-tackle -
rail
oar
rudder
thwart
helm ’s a lee!
helm windward!
to row
rudder-helm, tiller
wheel
pull, on of the oar
helm-tack le
huN
shackle
spun-yarn
bulk-head
screw
schooner
fore-sail
centerboard
:gäll
sloop
awning
spars
spinnaker
sprit-sail
Nro. 346.
Stanzöfifch
sous le vent
ralingue f.
pilote m.
larguez!
voile de lougre .
panneaux m. pl.
au vent
au lof!
aller au lof
equipage m.
hune m.
drisse f.
merlin m.
vergue du grand hunier m.
hunier m.
ton du mät m.
au milieu du pont
rivet m., rivure f.
river
bout de vergue m.
pointure d’une voile
nord m.
claire-voie f., jour ä plomb m.
est m.
sonder
empointure du pic f.
drisse de pic f.
prelart m.
vergue f.
voiles carrees f. pl.
comme ca!
ris m.
prendre des ris..
palanquin de ris m.
lisse f.
rame f.
gouvernail, timon m.
banc de nage
barre dessous!
barre au vent!
ramer
barre du gouvernail m.
roue du gouvernail f.
coup de rame m.
palan du gouvernail m.
coque f.
manille f.
bitord m.
paroi f.
vis f.
goelette, schoner f.
misaine-goelette f.
derive f.
voile f.
sloup f.
banne f., tenderolle f.
espars m. pl.
tangon m.
voile aurique f.
Nro. 347.
Rorveffenkapifän €. Türk.
Deutſch En gliſch
Stag stay
Stagfoc staysail, foresail
Stander standard
Steckbolzen reef-earning
Stenge top-mast
Stengenftag topmast-stay
Stenge jtreifen to house the topmast
Steuerbord starboard
Sturmklüver stormjib
Süden south
Südwejter southwester
Takelage rigging
Takeln to whip
Talje tackle
Tamp end
Tauwerk cordage
Top top, head
Totes Werk dead work
Trojje hawser
Tryſegel trysail
Vierkanttopſegel gaff-topsail
Doraus forward
Dorftenge foretopmast
Dorijteven stem
Dortopfegel foretopsail
Wade watch
Warpen warp
Warpleine warp
Waffergang waterway
Waſſerſtag bobstay
Waſſerſtiefel jack-boots, water-boots
Wenden to veer, to turn ship
Weiten west
Nawl yawl
Zeiten to seize
Sranzöfifch
etai m.
trinquette f.
gun m.
fague de ris f.
mät de fläche m.
etai de mät de fläche m.
caler le mät de fläche
tribord m.
tourmentin m.
sud m.
suroit m.
greement m.
surlier
palan m.
bout m.
cordages m. pl.
&te f.
oeuvres mortes f. pl.
fil d’acier m.
voile de cape f.
flöche carre m.
de l’avant
petit mät de fläche m.
etrave f.
petit fläche m.
quart m.
touer un vaisseau
grelin m.
gouttiere f.
sous-barbe f.
bottes imperme&ables f. pl.
virer de bord
onest m.
cotre-dandy m.
genoper.
2. Ruderfport.
Von
Titus Türk, Korvettenkapitän, Kiel.
347. Geſchichtliches. Nach Ben
Akiba ift alles ſchon dageweſen.
Und wenn auch Virgil der einzige
Schriftſteller iſt, der uns ein
Längeres von einer trojaniſchen
Ruder-Wettfahrt zu Aeneas Zeiten
berichtet, ſo erzählen uns ägyptiſche
Wandgemälde von Jahrtauſende
älteren Menſchengeſchlechtern, daß
der Ruderjport wohl ſchon von den
Erfindern des erften Floßes oder
des erften ausgehöhlten Baum:
ſtammes her datiert. Wo aud
immer Menſchen gelebt haben, die
nicht geradezu Engel waren — und
dieſes ift die feltener aufzufindende
V. 2. Ruderiporf.
Sorte — Hat ed auch die rein
„menſchlichen“ Triebe des Neides
und des „Beflerfeinwollend“ ge=
geben. Und wenn mein guter
Freund und Nachbar in feinem
Einbaum ſchnell rudert, dann ru⸗
dere ich noch etwas ſchneller: denn
wer zuerſt das gegenüberliegende
Ufer erreicht, iſt der erſte auf dem
gemeinſamen Jagdgrund im kühlen
Schachtelhalmenwalde — ſo denkt
der eine Urmenſch. Der andere
ſieht ihn mit Ihaumumfprühten
Bootsbug näher kommen und fagt
fih troden: den lafſen wir keinen⸗
fal8 vorbei. Er legt fih ing
Zeug, die Riemen biegen fi, daß
das Holz kracht: Hurra, die erfte
Ruder⸗Regatta ift fertig!
Tatſächlich ift in unferem alten
Europa dag Sportrudern auf mo=
derner, noch heute gültiger Grund:
fage wohl zuerft im Lande des
Sport3, im Iuftigen „old England“,
ausgeführt worden, und zwar erft
zu Beginn des neunzehnten Jahr⸗
hunderts. Wir wifjen, daß 1822
an der Uiniverfität Oxford die erſten
NAuderrennen unter den ftudenti-
fhen Bereinigungen ausgefocdten
wurden, daß 1826 zum erftenmal
die noch heute in Henley ftatt-
findenden Regatten zwifchen Oxford
und Gambridge ftattfanden, und
daß von 1839 an regelmäßige
Ruder-Wettfahrten in England
überhaupt Brauch wurden.
Ausübung eines Sporte3 pflegt
im Leben der Bölfer ein Zeichen
von Wohlitand, von politifchem
Sicherheitsgefühl, von behaglicher
Ruhe zu fein; man hat neben dem
notwendigen Kampfe um das täg-
liche Brot noch zu etwas anderem
Zeit. Die infulare Lage Groß:
britanniens gab feiner Bevölkerung
in erjter Linie Gelegenheit, ſich
nad) den die Nationen zerfleifchen-
den Napoleonifchen Kriegen zu er:
holen und auf ſich felbft zu be⸗
Werd. 348,
finnen — fie erfand nicht nur den
Namen „Sport” für ein Muskeln
und Sinne ftärfendes Spiel, ſon⸗
dern ungezählte Sportarten jelbit.
Und fo verdanken mir die Ein-
führung des Ruderfports in unferem
deutſchen Baterlande jenen Eng-
ländern, die, auch auf fremdem
Boden fich niederlafjend, an hei-
mifhen, liebgemordenen Gewohn⸗
heiten eifern feftzuhalten pflegen,
und in Hamburg den „English
Rowing Club“ als erjten grün-
beten. Ihm folgte dann 1836 der
„Hamburger Ruderklub“. Mitte
der vierziger Jahre hatten ſich ſchon
mehr Vereine in Hamburg aufge-
tan, und das erfte Wettrudern
fonnte jtattfinden, und nun folgten
almählid auch andere, an dem
Ruderſport günftigen Gemäfjern
liegende Städte, wie Frankfurt im
Sahre 1865, Kiel 1862 — die dann
folgenden Kkriegsjahre ließen unſe⸗
rer mannhaften Jugend nicht Zeit
zum Auftun von Sportvereinen,
noch den Alten das Geld zu Be—
zahlen der notwendigen Inventa⸗
rien. Erſt 1876 folgte Berlin,
und heute gibt es kaum eine Stadt
am Waſſer ohne einen nennens⸗
werten Ruderklub.
Die Ruderboste.
348. Tonrenbonte. Zur Aus:
übung des Ruderſports gibt es
überall da, wo überhaupt ſchiff—
bares Waſſer iſt, mehr Gelegen-
heit als zu jeder anderen Art
der Sportausübung. Es ift ja
durchaus nicht nötig, daß jemand,
der das Rudern erlernen will,
einem Ruderklub Beitritt. Sogen.
„Vergnügungsboote“ und „Diet:
boote“ gibt es in Hülle und Fülle
und es ijt einer der Hauptvorzüge
des Ruderns, daß es zu jeder
Sahreszeit und von jedermann —
Männlein wie Fräulein — aus—
Nro. 348.
geübt werden fann.
auch Kinder, die an fih noch nicht
„klubfähig“ ſind, rudern gern, und
gerade für fie ift das bequeme,
ftabile „VBergnügungsboot“ das
geeignete Werkzeug zur Erlernung
der Ruderei.
Unfere Abbildung zeigt und
einen bejonders geeigneten Typ
Korveitenkapitän C. Türk.
Beſonders
Dimenſionen, die ſchließlich nach
Art der größten Kriegsſchiffsbei—
boote bis zu hundert Menſchen be—
quem faſſen können, und bei doppelt
beſetzten Riemen von 24 Mann ge—
rudert werden, heißen Kutter,
Pinaſſe und Barkaſſe. Wenn
auch in dieſen ſchwerfälligen Ko—
loſſen heutzutage das arbeitsmäßige
— —
—
— ——
—— —
177. Jolle mit 4 Riemen.
des „Vergnügungsbootes“, Rudern vom ſportsmäßigen kaum
wie er in dieſer vollendet elegan—
ten, leicht beweglichen und dabei
ſicheren Form von der berühmten
Bootswerft von Lürſſen — Bremen
hergeſtellt wird. Die Bezeichnung
eines ſolchen Bootes iſt nach ſeiner
Größe verſchieden, und läßt ſich
nicht leicht in ſcharfen Grenzen
halten. Ein Boot für 2 Perſonen
nennt man „Dingi“, ein ſolches
noch zu trennen ift, jo verdienen
fie doh der Erwähnung, da in
allen Marinen der Welt in ihnen
der Nuderfport des einfachen Ma—
trojen gepflegt wird.
Man baut folde Boote nad
verſchiedenen Syftemen aus Fichten=
oder Zedernholz, ſchwere und ftär:
fere Boote aus Eiche oder Maha—
goni. Letztere Holzart wird be:
für 3 bis 6 Berfonen heißt Jolle ſonders für die größten Rennboote
oder Gig, Boote von noch größeren | gewählt, weil fie eine enorme Halt-
v2. Ruderfport. Nro. 348.
..une
*F
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*
—8
178. Gig für Vergnügungsfahrten, 1—5 Perſonen, Gewicht nur 70 kg.
(Erbauer Kürffen, Degefad.)
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‘
129. Ein Stuller als Tourenboot.
Heck des Bootes. Bug des Bootes.
r
Spiegel. Ruderducht.
180.
barkeit beſitzt. Dieſe geftattet dann | bat, Wände von nur einem halben
wiederum, die Planken jehr dünn | Zentimeter Stärke aufzumweifen hat.
zu maden, jo daß das Boot trog | Das PVergnügungsboot ift ſtets
großer Tragfähigkeit verhältnis- | auf Kiel gebaut, d. h. ein langer,
mäßig feberleicht if. Nur fo ift | aus einem oder mehreren Stüden
es möglich, daß der moderne, faft | beftehender Längsbalfen bildet jo-
20 Meter Jange Nennadter, der | zufagen das Rüdgrat ded Boote,
neun erwachſene Menfchen zu tragen | an welchem fich die Rippen, „Span
Nro. 348.
— Dollbord.
Dudht.
Krawehl.
181.
ten’ genannt, in der Querſchiffs—
Rorvettenkapitän T.
Türk.
Klinkerartige
CLage der Planfen.
182.
Diefe Bauweiſe iſt die leichtefte
rihtung anfügen. Auf die Spanten | und am bequemiten auszubefjernde.
legt man die Blanfen, die die Wand
des DBootes bilden.
fih die längsſchiffs angebrachten
Planfen miteinander, jo daß das
Boot außenbords glatt erjcheint, jo
Bedeutend miderftandsfähiger,
Vergleichen | aber auch etwas jchwerer, wird dag
Boot mit Hlinferartiger „Außen—
baut’. Hier „überlappt‘‘ die höher
liegende, längsjchiff laufende Planke
ijt dasjelbe „Eramwehl’artig gebaut. | die darunter liegende um ein we—
Dollbord.
Diagonal,
niges, und in dieſer Stellung
werden dann die Blanfen miteinan=
der und den Spanten verbolzt und
vernietet.
Befonders jtarfe Boote baut man
nach dem Diagonaljyjten, indem
man die nicht längsjchiffs, jondern
vom Kiel ſchräg oben zum „Doll
bord“ verlaufenden Planken in zwei
Schichten, etwa in einem Winfel
von 90° fich freuzend, aufeinander
legt und befeitigt.
Man verwendet bei einem guten
Boot ald Nägel, Bolzen, Nieten 2c.
nur jolhe aus Kupfer, d. h. man
baut das Boot „kupferfeſt“.
Der Borderfteven trägt Metall»
bejchlag, der Achterjteven, der, wenn
nicht Scharf, ſondern flach gehalten,
auch „Spiegel“ genannt wird, er—
hält in der Mitte, lotrecht über:
einander, Metalldjen zum Einhaten
V. 2. Ruderfport.
ih
Kopf des
Ruders.
| Schere.
Singerlinge.
184.
Ruder.
der „Fingerlinge” desSteuerruders.
Dieje Dejen nennt man „Scheren“.
Ueber den „Kopf“ des „Ruders“
— 0 jagt man in der Sport= und
Seemannsſprache kurz ftatt „Steuer:
ruder“ — ift das „Ruderjoch“ ge—
ſtreift, durch das die zum Steuern
dienenden „Jochleinen“ „geſchoren“
werden. Die „Duchten“ ſind die
querſchiffs angebrachten Ruderbänke,
auf denen der Ruderer Platz nimmt,
— Ruderpinne.
Ruderjoch.
ws
111
185.
um die in Gabeln — „Dollen” —
liegenden „Riemen“ zu bedienen.
Nicht unerwähnt darf hier eine
Art von Tourenboot bleiben, die
ſich allerdings in Deutſchland bis—
her wenig eingebürgert hat, dafür
aber in England und Amerika,
feinem Mutterlande, jich bejonderer
Beliebtheit erfreut. Es iſt das
urſprünglich aus Birfenrinde er-
baute indianifche Kanoe, zum Se:
186. Kanoe.
ee ee BE
Biornetienkapilän €. Türk.
ro. 349.
geln wie zum Rudern gleich ges
eignet. Man verwendet es bejon-
ders auf ſchmalen Wafferläufen,
wie in den fleinen „Creeks“ und
Bächen der Urwälder, die eine
Verwendung von Riemen nicht ges
ftatten. Es wird mit der „Paddel“
(fiehe fpäter) vorwärts getrieben.
Auch der „Kajak“ ſei erwähnt. Er
ift grönländifchen Urfprungs, der
einzige Ruderer fißt ohne Ducht
auf dem Boden des völlig einge:
dedten, vorn und achtern ſcharf ge⸗
bauten Bootes und arbeitet mit
einer Art von Doppel-Paddel.
349. Rennboote. Ein Rennboot
hat eigentlid von den eben be=
fchriebenen Tourenbooten nur noch
die Benennung feiner einzelnen
Teile behalten und mit feinem
Vorgänger weit weniger Form und
Geſchwindigkeit gemeinjam als fonft
irgendwie ein zur Ausübung eines
Sports dienendes Inſtrument. Die
ze,
t — > >55 HESS GE > —
liche, äußerſt empfindliche Renn⸗
maſchine bedienen zu können.
1. Reunſchulboote. Soent-
ſtanden — nachweislich auch erft
in der erſten Hälfte des neunzehn⸗
ten Jahrhunderts beſondere
Schulboote, in denen die Klub⸗
mitglieder eines Klubs, der Wett⸗
rennen belegen will, vorgebildet
werden. Es wären bier zu erwäh—⸗
nen das „Wherry” von 7 bis8
Meter Länge und nur 60 cm Breite.
Es dient als Schulboot für „Shff":
Fahrer, ift zwar etwas langjamer
aber dafür ftärker und „jeefähiger“
als das „Skiff“, wenn überhaupt
der Ausdruck „feefähig” noch auf
ſolche Nupfchalen Anwendung finden
darf. Ein Wherry wird von einem
einzelnen Menfchen ohne Eteuer-
mann gerubert.
„Auslieger-Gigs“ werden
bejonder8 zum Einfahren von
Mannſchaften für das Rennboot
BE a en one
187. Wherry.
meiften Sportarten, wie das Ten
nisjpiel, das Golfſpiel, die edle
Schießkunſt, Polo, Fußball — ſie
alle verwenden denſelben Schläger,
dasſelbe Gewehr beim Erlernen
des Spiels wie nachher beim Wett⸗
kampf. Das direkt zu einem Kunſt⸗
werk gewordene Rennboot bedarf zu
ſeiner Bedienung einer ganzen
Reihe von Vorbereitungsfahrzeugen,
in denen der Ruderer zunächſt ler-
nen muß, um nachher die eigent-
benügt und haben nebenbei. den
Vorteil, daß fie räumig und ftabil
genug find, um auch als Touren
boote gebraucht werden zu Fünnen.
Es gibt diefe Gigs in allen erdenk⸗
lihen Größen für zwei bis adt
Ruderer. (Siehe Abbildung.)
2. Das eigentlide Renn—
boot. Das kleinſte Rennboot iſt
das bereit8 erwähnte „Skiff“
Aus den feinften Hölzern — meill
Bedernplanfen und eichene Spanten
V. 2. Ruderfpori.
— iſt e3 gerade imjtande, einen
einzelnen Menſchen zu tragen, mwel-
cher mit zwei Riemen — in diefem
Falle „Stullen” genannt — das
Boot vorwärts treibt und gleich:
zeitig fteuert. Unfer Bild zeigt
ung, wie diefer Miniatur:Renner,
faum 10 kg mwiegend, leer fajt
ohne Tiefgang wie. eine Blafe auf
Yiro. 349.
in die Deffnung für den Sit des
Ruderers hineinlaufen. Selbſtver⸗
ſtändlich iſt das Boot auf ſeine
ganze Länge mit einem Verdeck
nach oben abgeſchloſſen, dieſes be⸗
ſteht jedoch aus Gewichtserſparnis
nur aus geölter Leinwand. Um
den Waſſerwiderſtand auf das
äaußerſte zu reduzieren, iſt der
190. „Stiff“, auf deutfch „Einer“.
dem Wafjer ſchwimmt. Sikt der
Nuderer drin, fo erhebt fih das
Dolbord nur noch wenige Zoll
mit feiner Oberkante über Die
Waflerflähe, fo duß ein Xleiner,
faftenartiger Aufbau mittſchiffs
verhindern muß, daß nicht ſchon
bei ganz glattem Waffer Dampfer-
wellen oder ähnliche Erfchütterungen
„Einer“, wie alle Rennboote über:
haupt, ohne äußeren Kiel konſtru⸗
iert und vorn wie adtern fait
meſſerſcharf zulaufend gehalten.
Um ferner aud) das Gewicht des
rudernden Mannes für die Yort-
bewegung des Bootes augzunügen,
ift die Ruderducht nicht eine feſt
eingebaute Bank, wie wir jie vom
Niro. 350.
Tourenboot her kennen, fondern
fie bejteht in einem auf Schienen
oder Rollen vorwärts und rüd-
wärts gleitenden Si, der den Be:
wegungen des Ruderers folgt: die
lebendige Kraft des nach vorn ſchnel⸗
lenden Körpers hilft das Boot mit
nad) vorwärts treiben!
Aber nicht genug damit. Noch
ein dritter Faktor kommt binzu,
welcher geftattet, die das Boot be-
wegenden Kräfte bis zum äußerjten
auszunügen. Das kaum einen
Viertelmeter breite Boot würde nur
den Gebraud jehr furzer Riemen ge:
jtatten, oder der innere Hebeldarım
des Riemen? müßte im Vergleich
zu der ganzen Länge desjelben
Rorvettenkapitän €. Türk.
folgen nun Dollen-Rennboote
und Ausleger- Rennboote
für zwei, vier und acht Mann. Die
Dollen-Rennboote erreihen nie
ganz die Gejchwindigfeit der Aus:
legerboote, da fie ein wenig breiter
find; dafür find fie aber ficherer
und ftetiger im Waffer und werden
mit Vorliebe für Erftlingsrennen
jüngerer Mannſchaften, der ſogen.
Aunioren, verwendet.
Das fchönfte und ſchneidigſte
Rennboot iſt und bleibt ver Nenn:
achter, wie ihn in modernfter
Ausführung unfer Bild zeigt. Er
ift nahe an 20 Meter lang, alfo fo
lang wie ein mehrftodige® Haus
hoc, und dabei nur 60 cm breit,
Auslieger mit Dolle.
unverhältnismäßig fur; werden,
wenn die Auflage der Riemen, ihr
fejter Bunft, wie beim gewöhnlichen
Boot, direkt auf dem Dolbord
wäre. Auch hier hat menfchlicher
Scharffinn ausgeholfen. Man hat
ven fogen. „Auslieger” Tonftruiert,
ein aus feinem Stahl gearbeiteteg,
feichte8 Geftänge mit Drei an der
Bordwand befeitigten Streben, die
nach außen zu in einem Punkt zu—
fammenlaufen; Hier iſt dann die
Dole für den Niemen drehbar
befeftigt. Auf diefe Weife ijt die
Entfernung von Dolle zu Dolle auf
ca. 1'/, Meter erhöht, und gejtattet
die Benüsung von faſt 3 Meter
langen „Skulls“ für den Einer.
Dem „Skiff“ für einen Ruderer
fürmahr ein Extrem des Boot3-
baues; und bei faum !/, cm Planken⸗
ftärfe gleichzeitig ein Triumph des⸗
jelben, wenn wir bedenken, daß
fonft der mit Stahl und Eijen nad)
Belieben fchaltende Schiffbau ſich
ungern an Schiffe heranmagt, deren
Verhältnig von Breite zur Länge
die Zahl 1:10 überfteigen fol!
Allerdings koſtet fo ein Nenner
bereit3 1200 Mark und. ift dabei
empfindlich wie ein rohes Ei.
350. Riemen, Stulls, Baddeln,
Pagaien. Die Injtrumente, mit de⸗
nen der Ruderer das Boot vorwärts
treibt, nennt man Riemen. Die
Abmefjungen der Riemen find ver⸗
jhieden nad Zweck, Größe des
Bootes und Körperkraft des Ru—
a A
2 a AM en ee , =
1 *
——
WER
192, Rennellchter.
uderſpork.
al ar
Nro. 350.
derers, ebenſo wie ihr Gewicht, je
nachdem man fie aus Tannen- oder
Eſchenholz fertigt.
Für die Sportzwerde der Ruder-
vereine jind allgemein Schaufel:
riemen eingeführt, deren Blatt ein
wenig gebogen ift.
Die Länge eines Niemens wird
im allgemeinen 3,75 m nicht über:
Ihreiten dürfen, da derſelbe ſonſt
zu unhandlich wird.
„Skulls“ find die in Skiffs
und Wherrys gebräuchlichen Rie—
men. Sie ähneln in der Form dem
Riemen, find aber naturgemäß
fürzer und leichter, da der Ruderer
mit zwei Riemen gleichzeitig zu
arbeiten hat. Sie erreichen jelten
die Yänge vorn 3 m.
Paddel, zum Rudern im Kanoe
und im Kajak benußt, nennt man
einen Riemen, der an jedem Ende
ein Blatt hat. Man rudert mit ihm
freihändig ohne Auflage; Tektere
wird durch die beiden in entgegen-
gejegter Richtung arbeitenden Arme
erſetzt.
Die halbe Paddel, d. h. ein
ganz kurzer Riemen von nur einem
Blatt, wird auch im Kanoe benützt.
Man nennt ſie „Pagai“.
Die Dollen ſind die Auflage
des Riemens und ſitzen entweder
direkt auf dem Dollbord oder auf
dem Ausleger. Sie können feſt
ſein und beſtehen dann aus dem
vorderen und hinteren Dollenſtift.
Die Drehdolle hat die Form einer
Gabel, deren Zinken ſich zu—
ſammenbiegen (ſiehe beide Bilder)
oder auch eines Rhombus, der
durch einen Ueberfall geſchloſſen
wird. Sie ſteckt drehbar in einem
Metallfutter und folgt den Be—
wegungen des Riemenſchaftes.
Ueber die Vorzüge der Drehdollen
wie der feſten Dollen ſind die „Ge—
lehrten“ ſich nicht einig; Tatſache iſt
jedenfalls, daß Drehdollen auf allen
Skullbooten eingeführt ſind.
ro. 351.
Rorveifenkapifän ©. Türk.
193. Schaufelriemen.
Die feften Dollen müffen näm-
lih eine größere lichte Weite ha-
ben, als die Drebdollen, um eine
gleich weite Auslage wie die fidh
mitdrehende Ga⸗
bel zu geitatten.
Dafür ift die feſt⸗
ftehende Fläche
der feften Dolle
einem fcharfen
Durchziehen gün⸗
ftiger, als eine
fih ftändig ein
wenig drehende
Anlage, auch be⸗
bauptet ein er-
fahrener Trainer
wie unjer Hugo
| Borrmann,
— daß ihre Hülſe
= zur Herbeifüh⸗
rung eines gleich-
mäßigen Taktes
durch den gleich-
mäßigen „Anad“ beim Ausheben
ihm feine Arbeit gemaltig erleichtert
habe.
351. Der Sitz. Der Sit des Tou-
renbootes befteht in der quer über
194. Dolle.
das Boot reichenden „Ducht“. Der
allein Rudernde fett fih genau auf
die Mitte der Ducht über dem Kiel
des Bootes, damit er, gleich weit
ab von beiden Bordwänden, gleid)
lange Innenhebel Hat und Das
Boot bei gleichmäßiger Arbeit
beider Arme geradeaus läuft.
Wollen zwei Menfhen, auf einer
Ducht figend, mit je einem Riemen
rudern, fo achte man auf gleiches
Gewicht der Betreffenden. Sonft
legt ſich das Boot auf eine Seite
über, läuft fchlechter, ſieht ſchlechter
aus und kann unter Umſtänden
ſogar umſchlagen, „kentern“.
Beim Rennboot iſt, ſchon aus
Gewichtserſparnis, die Ducht nicht
mehr durchgeführt, ſondern beſteht
lediglich in einem feſten oder rol⸗
lenden Sitz für den einzelnen
Ruderer. Oft ſind dieſe Sitze
hintereinander über dem Kiel ge-
jegt, neuerdings aber bringt man
diefe Site an der Borbwand, und
zwar „verſchränkt“ an, d. 5. Rude-
rer Nr. 1 fit an Steuerborbfeite
des Bootes und führt den erften
Badbordriemen, Nr. 2 fitt an
Badbord und rudert an Steuer:
bord uſw. Diefe Art des Sites
erfordert eine genaue Gewichts⸗
verteilung, um das Boot genau
wagerecht und auf „ebenem” Kiel
liegen zu laflen. Das Sitzen
hintereinander fieht Dagegen beſſer
—— Jaus.
195. Seite Dolle mit Neberfall.
Die Einführung des ſchon unter
„Skiff“ erwähnten Rollfiges
ift für Wettruderei eine allgemeine
V. 2. Ruderſport.
geworden. Der Rollſitz enthält
ſoviel Gewinn an Kraft, daß bei
gleich kräftiger Körperbeſchaffenheit
der ſchlechtere Ruder auf Rollſitz
den beſſeren Ruder auf feſtem
Sig ohne weiteres fchlägt!
Ausrüftung, Hnkauf, Behand-
lung der Boote.
352. Die Ausrüftung des Rude-
rer8. Zu jeder Sportbetätigung
gehört eine entſprechende Klei-
dung, die ſowohl zweckmäßig fein
muß, als aud äußerlich zu dem
Sport und feiner Umgebung paßt.
In der Hinfiht wird in unferm
deutſchen Baterlande noch recht
oft, bewußt und unbemwußt, gefün-
digt; mwahrlid, man braucht fein
„Sportgigerl” zu fein, um fid
dennoch zu entjegen, wenn man
Sonntags den Süngling im Braten:
rod mit Melonenhut auf dem
Kopfe und bi8 an die Fingerſpitzen
vorgerutihten „Röllchen“ feine
„Flamme“ vahinrudern fieht, die
mit Federhut und fliegender Boa,
mit Schleppe und Aermelhand⸗
ſchuhen Iuftig durch den friſchen
Morgenwind zerzauſt wird. Man
vermeide zunächſt bei der Betäti⸗
gung des Waſſerſports jegliches
Kleidungsſtück, das durch Berüh⸗
rung mit dem feuchten Element
Form und Farbe verändert oder
dem eigentlich immer auf Fluß
und See wehenden Wind beſondere
Angriffspunkte bietet. Man rui⸗
niert nicht ſeine guten Sachen
und ſieht dennoch entſprechend und
anſprechend gekleidet aus. — Die
Dame, die ſich ind Ruderboot be⸗
geben will, wähle einen dunklen,
fußfreien, nicht zu ſchweren Rock,
eine bequeme Woll- oder Lein⸗
mwandblufe, die fehliht und ohne
viele Falten, Schleifen und jonfti-
gem „Behang” geſchnitten ift, und
halte dies Koftüm durch einen
Yıro. 352.
elaftifchen, nicht zu engen Gürtel
zufammen. Nicht zu ſchwere, mög-
lichft hackenloſe Schuhe oder Stiefel,
eine blaue, ſog. Sportmüße mit
event. dicht und feſt umgebunde-
nem Schleier vervollftändigen den
äußeren Menſchen. Gehört die
Dame mit ihrer Sympathie oder
gar ald Mitglied einem Wafler-
port treibenden Klub an, fo ift
ein Klubabzeihen an der Mütze,
ein gleiches am Gürtelfhloß und
womöglich ein Schlips in den
Farben des Klub3 dic und für
jedermann zu erſchwingen. — Will
das ſchöne Gefchleht fih am Ru:
dern perjönlich beteiligen, jo: fort
mit dem Lungen und Herz beengen:
den Korjett! Statt defjen vielleicht
ein Leibchen und jtatt der Blufe
eine enganliegende gejtridte Woll-
jade, ein ſog. „Smweater”, der dem
Körper jegliche Bewegung geftattet,
vor allem die Handgelenfe freigibt
und dem Stoffwechjel der Haut
günſtig ift.
Nie verfäume man, einen wär:
menden Umhang oder Paletot mit-
zunehmen, der nach getaner Arbeit
den Körper vor Erkältung ſchützt.
Der junge Mann kleidet ſich
finngemäß. Blaue Kniehoje, dunkle
Strümpfe und harenlofe Schuhe,
ein heller oder dunkler Smweater
und ein Zadett, womöglich in der
Farbe der Kniehofe, dazu eine feit,
aber bequem figende Mütze, geben
einen durchaus richtigen, immer
gut ausſehenden und dabei billigen
Anzug her, mit dem er fi aud)
in Damengejellfchaft zeigen Tann.
Zum Rudern wird das Sadett aus:
gezogen und „aufgetucht” ind Boot
gelegt; man achte darauf, es jo
hinzulegen, daß es nicht durch etwa
eindringende8 Leckwaſſer durchnäßt
werden kann, ein Umſtand, der jo-
fort den Neuling verrät. Die
Mübe nehme man beim Rudern
nur dann ab, wenn man nicht im
Nro. 353—354.
Sonnenbrande rudern muß; Die
Temperatur erfcheint auf dem
Waſſer immer fühler ald an Land,
und gar mander bat fich gerade
beim Rudern einen Sonnenſtich
zugezogen.
Ruderklubs pflegen für ihre Mit-
glieder beftimmte Anzüge, ſowohl
für Rennen als auch für Touren-
fahrten, vorzufchreiben. Für Rennen
gibt es befondere „Race“-Hoſen;
fie find aus Leinen, liegen nur
lofe an und reichen nur big ober:
halb der Knie. Die Waden und
Knie bleiben ganz nadt, die Füße
fteden im dünnen Tropenftrumpf
von faum Sodenlänge und leichtem
Leinenſchuh, der Oberkörper in
einem dünnen Trikot, der weit
herab bi auf Bruft und Scdulter-
blätter ausgejchnitten ift und die
Arme völlig bloß läßt. Den Kopf
Ihügt eine papierdünne Trifot-
müßte; der Trikot ift oft in den
Klubfarben gehalten oder trägt das
Klubwappen auf der Bruft. Der
zum Rennen fertig „angezogene”
Ruderer fieht eigentlih, wie aus
obigem hervorgeht, ziemlich „aus
gezogen” aus. Aber dies Minimum
an Belleidung ift nötig, um allen
Musfeln des Körpers ungeftörte
Betätigung zu geftatten, um une
nützes Gewicht zu fparen — man
rechnet im Rennboot mit Gram⸗
men! — und ſchließlich, um bei
gelegentlih immer auftretenden
Bootsunfällen unbehindert folange
Ihwimmen zu fünnen, bis Begleit-
boote uſw. Hilfe bringen.
Es ſei hier gleich ermähnt, daß
das vollgefchlagene oder gefenterte
Nennboot bei der geringen Holz—
menge, aus der es fonftruiert ift,
nicht den genügenden Auftrieb be=
fit, um feine Inſaſſen über Waffer
zu halten.
353. Schwimmen lernen. Jeder
Rorveffenkapilän €. Türk.
ſchwimmen. Es ift fhlimm genug, |_
wenn wir in der Statiftif Iefen, —
wieviel Menſchen jährlich ertrinten, '-
die, des Schwimmend unfundig, -
fih aus Verkehrs- oder Berufs: '?
rüdfichten dem Waffer anvertrauen .
mußten. Wer aber aus Sportluft
fih freiwillig auf das Element,
⸗
Ya?
.71
rs
welches nun mal feine Balten hat, :
begibt, der Handelt an fih und an 7
feinen Mitmenſchen unverantwort- ;
li, wenn er ſich der Heinen Mühe | *
nicht unterzieht, die Schwimmkunſt
zu erlernen. Ueberall mo Boote
fahren, pflegt auch fonft noch Ver⸗
fehr auf dem Wafler zu fein —
eine kleine Kollifion, eine vor-
witige Dampferwelle können ein
leichtere8 Ruderboot ſchon in eine
fritifhe Situation bringen, und
nun ift e8 immer der Nichtfchwim-
mer, der fofort den Kopf verliert,
denn er bat inftinktiv Angft, ins
Waſſer zu fallen, wo ihm ftatt
eine® den Schwimmer höchſtens
erheiternden „impromptu“-Bades
der fichere Tod’ erwartet.
354. Der Ankauf des Ruder⸗
boote8. Will man ſich einzum Sport-
rudern pafjendes Boot anjdhaffen,
jo überlege man vor allem: wel:
hem Zwed foll dag Boot
dienen? Ein guted und bequemes
Tourenboot wird nie ein zum
Wettrudern fjonderli geeignetes
fein, und ein Rennboot ift nie ein
richtige Vergrügungsfahrzeug, in
weldem man Pafſagiere, Proviant
und ähnliche Gewichte laffen kann.
Es ift ferner zu berüdfichtigen, ob
man das Boot in einem Seehafen
oder auf einem Fluſſe, für einen
größeren Binnenjee oder auf flachem
Gebirgsbache haben will.
Das Boot, dag eventuell See-
gang und Sturm auszuhalten hat
— aud wenn man nidht gerade
darin rudert, fondein es feitge-
Menſch erierne daher, ehe er ſich macht liegen hat —, muß natur:
dem Ruderſport hingibt, zunächſt
gemäß das ſtärkſte ſein. Man
E
*
n.deia
J 4
— —————— —— —
Ein engliſcher Damen-Doppelachter beim Training.
V. 2. Ruderſport.
wähle alſo ein auf ſtarkem Kiel
gebautes Eichen: oder Zedernholz⸗
boot mit hohem Dollbord, tüchtiger
Tragfähigkeit und einer Breite, die
nicht weniger als '/, der Länge
beträgt, um ein abfolut ficheres
und feefähiges® Fahrzeug zu be=
figen. Natürlih muß es kupferfeit
gebaut fein, da gerade das Salz-
waſſer der See andere Metalle
zu fchnell zerfegt. Die eigentliche
Größe beftimmt fih nach der An:
zahl Menſchen, die in dem Boot
die Riemen handhaben follen, jo=
mie nad) der Zahl der „Mitreijen-
den“. Es ift immerhin ratlam,
nicht zu viele Menſchen im Boot
zu haben und fich dementſprechend
für feine Tourenfahrten nicht eine
„Arche“ zu kaufen, die nachher
trog aller Anftrengungen nicht
durchs Waffer zu „prügeln” ift. —
Dana tue man noch einen Blid
in feinen Geldbeutel und erfundige
fih nun nad) einer Bootsbauerei,
womöglich an dem Ort, mo man
den Ruderfport zu pflegen gedenft.
Faft jeder Hafen, jedes Gewäſſer
bat feine Sonderheiten, und man
weiß an feinen Ufern am beiten,
wie ein Sportboot pafjend zu jenen
zu entwerfen ift. Die angerufene
Bootsbauerei wird dann Profpelte
ſchicken; ein Borfichtiger mendet
fi vielleicht an mehrere derartige
Zirmen mit der Bitte um Bor:
fhläge, um Vergleiche zu haben,
und außerdem iut dann nod) der
Neuling gut, Sachverftändige außer:
halb der betr. Bootswerft mitzu Rate
zu ziehen. Nicht als ob er ſonſt über:
vorteilt würde, denn die Solidität
unſerer deutſchen Werften iſt welt⸗
bekannt und konkurriert überall mit,
wohl aber, um ſich in der Wahl des
Bootstyps nicht zu vergreifen.
Ein ganz nettes, ſeetüchtiges,
leichtlaufendes Ruderboot Tann
man, mit völliger Ausrüſtung an
Riemen, Bootshaken, Dollen uſw.,
Nro. 354.
ſchon für 500 Mark haben; ein
ſolches kann dann von vier bis
ſechs Mann gerudert werden und
bietet dazu noch Platz für vier
Menſchen. Ein Dingi für einen
Ruderer und einen Steuerer koſtet
kaum 120 Mark.
Für Binnengewäſſer und Flüſſe
wähle man eine leichte Gig mit
feſten Dollen, ledernen Sitzkiſſen
und einem über den hinteren Teil
des Bootes aufklappharen Sonnen:
ſchutz. Dieſe leicht und ſcharf ge⸗
bauten Boote ſehen reizend aus
und ſind beſonders handlich zu
rudern für Damen und Kinder.
Auch können fie, wie alle Touren
boote überhaupt, weil auf ihnen
Platz ift, durch waflerdichte kupferne
Luftläften unverfinfbar gemacht
werden. Diefe werden unter den
Ducdten, an den Bordwänden
innen und in den beiden Boot3-
enden angebradt und gewähren
ihren Inſaſſen abfolute Sicherheit
gegen Untergang des Boote.
Gigs erhält man in allen be=
liebigen Größen.
Kanoes, die nur in gemijjen
Gegenden zu gebrauchen und felten
für mehr als zwei Menſchen ein-
gerichtet find, kann man in Deutſch⸗
fand auch bereit3 erhalten. Zu
ihrem Anlauf fei auf das Firmen⸗
verzeichnis am Schluß verwiefen.
Der Anfauf von Rennbooten er⸗
fordert von vornherein die Kennt:
nid der Ruderei, der Maße und
Gewichte von Boote und Riemen
und wird auch dann felten von
einzelnen Ruderern gejchehen, fon-
dern in der Regel von dem ganzen
Borftand eines Vereins.
Rennboote find felten auf Lager
zu haben. Es fommen für ihre
Konftruftion fo viele individuelle
Wünfde in Frage, daß man jie
faft immer für jeden einzelnen
Fall in Beftelung geben muß.
Die Preije der N richten
Nro. 355.
Rorvettenkapilän €. Türk.
fih einfah nad der Länge des | liegende Boot wirkten Näffe, Son:
Bootes in Metern, und man madt nenſchein, Klimawechſel zerftörend.
feinen großen Fehler, wenn man
den laufenden Meter mit rund 50
Markt berechnet. So koſtet ein
Stiff von 7'/, nm Länge 350 Mk.,
ein ſolches von 9 m ca. 500 ME,
ein „Zweier“ von 11 m 550 Mk.,
ein „Bierer” von 13,5 m 700 ME.,
— der „Achter“ macht wegen feiner
Konftruftionsfchwierigkeiten aller-
dings einen Sprung und Loftet,
19 m lang, von 900 bis zu 1200
Marl.
3595. Behandlungder Boote. Das
neuangefaufte Boot fommt an —
es entiteht die Frage: wie bringen
wir es unter, wie erhalten wir es
ung? — Kommt das Boot per
Bahn an, fo fee man es möglichſt
direft mit einem Krahn von dem
auf das Hafengeleijfe gefchobenen
Gütermagen zu Waffer. Ein qutes
Boot tft enıpfindlih und verträgt
nicht gern das Gerumpel eines
Frachtwagens auf dem Straßen:
pflaiter.
Ein NRennboot, beſonders ein
Achter, der wegen feiner Riejen-
länge leicht dDurdhbiegt, wird aud)
beifer nicht einem Krahn anver:
traut. Die betreffende Rudermann—
Schaft darf es ſich nicht nehmen
alien, in gleichmäßigen Anzug
unter Führung ihres Schlagmannes
auf dem Bahnhof anzutreten und
den vorsichtig und gleichmäßig vom
Wagen abgehobenen Eoftbaren An:
kömmling auf ihren Schultern ang
Waſſer oder in fein Bootshaus zu
tragen. Bedenft man, dab 3. 2.
ein 9 m langes Sfiff nur 16 kg
wiegt, fo tjt die Kraftleiftuna hier:
bei nicht Ihlimm und — fieht gut
aus!
Jedes Boot, welches während
der Zeit, da es nicht benutzt wird,
unter Dach und Fach gelagert
wird, bewahrt länger fein gutes
Ausfehen. Auf das im Freien
Die Farbe wird zuerft riffig, ſpringt
ab, das Holzwerf beginnt zu faulen,
die Beſchläge roften durd).
Iſt trogdem feine Möglichkeit,
dag Boot ſchwimmend oder aufge:
jegt in einem Bootshauſe unter:
zubringen, fo fpare man in den
erften Jahren nicht an Del, Lad
und Farbe; das irodene Holz faugt
diefe Stoffe begierig ein und wird
dadurch widerftandsfähiger gegen
Feuchtigkeit. Das Boot wird innen
ganz, außen auf der Fläche von
der Wafferlinie big zum Kiel mit
Farbe beftriden, dem Reſt Täßt
man am hübſcheſten die Farbe Des
Naturholzes und verfieht ihn nur
mit Leinöl- oder Ladanftrih. Man
fol zum Ladieren eines Bootes
nur das feinfte Bootsmaterial
verwenden, wie ſolches beſonders
im Handel verkauft wird. Die
Eigenfchaften eine guten Boots—
ladeg find nämlich grundverfchieden
von jedem andern Lad. Der erfte
Anftrih wird ganz dünn aufges
tragen, erft wenn er völlig getrod:
net ift, fommt ein zweiter und wo:
möglih noch ein dritter auf das
Boot.
Led: und Regenwafler fchöpfe
man täglich aus, aufgejprungene
Nähte zwiſchen den Planken dichte
man jofort mit heißen Wachs
oder Ped.
Rennboote werden immer in einem
Bootdhaufe aufbewahrt, wo fie
trocken auf Gerüften oder Böden
gelagert werden. Sie werden nicht
mit Farbe gemalt, jondern bleiben
naturholsfarben und werden mit
Leinöl oder Lad geſtrichen. — Sind
beim Gebrauh Stellen am Boot
abgeftoßen oder abgejcheuert, fo
müſſen diefelben jofort wieder mit
etwas Lad ausgebeſſert werben,
und zwar auch wieder mit zwei:
maligem Anſtrich.
— —
— — —
— —
V. 2. Ruderſport.
Bevor man ein Rennboot ganz
neu lackiert, wird die alte, meiſt
dunkel gewordene Lackſchicht völlig
entfernt. Dies geſchieht, indem das
Boot innen und außen mit heißem
Seifenwaſſer und einer ſcharfen
Bürfte abgeſcheuert und dann mit
reinem Waſſer nachgeſpült wird.
Nachdem es völlig getrodnet ift,
wird es tüchtig mit grobem Sand⸗
papier abgerieben, fauber abgefegt,
und nun beginnt man mit der
Zadierung, wie oben bejchrieben,
mit feinftem Bootslack. Se dünner
die einzelne Schicht aufgetragen
wird, um fo härter und glänzender
wird der Anſtrich.
Mit den Riemen verfährt man
ähnlich, für fie genügt aber der
billigere Zeinölanftrich.
Das Rudern.
356. Allgemeines. Das Ruͤdern
erfordert durchaus nicht die körper⸗
fihe Anftrengung, wie fie oft an-
genommen wird, und deshalb gilt
das bier zu Sagende für jeder-
mann, er fei Mann, Frau oder
Kind, der dem Ruderjport huldigen
möchte. In Seeftädten fieht man
halbwüchſige Knaben mit derjelben
Ruhe und Geihidlichkeit ihr kleines
Boot zu den auf Reede liegenden
Schiffen Hinüberrudern, um dort
irgend eine Beforgung zu erledigen,
wie alte, weißbärtige Männer. Und
die Filhfrauen der Kieler und
Lübecker Föhrde find bereits Hifto-
rifche Perjönlichfeiten, mie fie mor⸗
gen? in ftundenlangem Rudern
den naht? von den Männern ge⸗
madten Fang in die Stadt brin-
gen müſſen. Dies ift zwar fein
Sport, aber feiner der eben ange⸗
führten Menſchen könnte fich etwa
Tennigsjpiel, Fußball- oder Rad⸗
fahrfport leiften; man denke nur,
wie ſchnell ihre Körperkonftitution
verfagen würde — rudern dagegen
Niro. 356—357.
fönnen fie! Alfo: wer fchwächlich
ift oder fih ſchwächlich fühlt, der
nehme eben zum Rudern ein leichtes
Boot und einen kurzen Riemen, —
die gefamte Leibesmugfulatur ent:
wickelt ji ſchon von ſelbſt bei der
Ausübung des Ruderſports. —
357. Der Amateur. Wir
fteigen nun ind Boot. Man
holt dasſelbe zunächſt längsſeits
eines Stegs oder des Ufers ſelbſt,
macht es vorn und achtern kurz
feſt und ſteigt, ſich mit den Hän—
den irgendwo feſthaltend, ein. Man
ſteigt hinein; nie ſpringe man
in ein Boot. Sein unebener Bo—
den, auf dem zum Schutz der
Planken ein Holzgitterwerk, die
ſogen. „Flichten“ und „Grätings“
liegen, läßt den Fuß leicht um⸗
niden, ein leichtere Boot Tann
durch Hineinfpringen kentern oder
fogar direkt led jpringen oder zer-
breden. Man trete ftet3 in den
„Raum“ des Bootes, nicht auf die
Dudten, denn man würde jonjt
unter Umftänden den Pla mit
dem unfauberen Schuhmerf verun-
reinigen, auf den ınan nachher zum
Rudern fiten will, und man fteht
auch nicht ficher genug jo hoch über
dem Schwerpunft des fchmimmen-
den Bootes auf der Ducht, fondern
fann leicht das Gleichgewicht ver:
lieren. Sm Boot glüdlic ange-
langt, jege man fich fofort nieder;
dag Sieben im Boot ift ebenfo
unfachmänniſch wie das Hinein-
jpringen und das Betreten der
Duchten.
Nachdem man die Dollen einge:
jeßt oder zum Einlegen des Riemens
geöffnet hat, nimmt man „Riemen
bei”. Die Riemen werden im
Boot ſtets mit dem Blatt nad
vorn niedergelegt und, fall® meh:
tere Duchten vorhanden, je nad)
der zugehörigen Ducht gezeichnet.
Man legt den Riemen mit dem
Scheuerleder in die Dolle, ergreift
Niro. 358.
ihn mit beiden Händen am Griff,
jet fi bequem und feit und in
- aufrechter Haltung, die Füße gegen
„Fußbrett“ oder „Zußleifte” tem:
mend auf die zugehörige Ruder:
ducht, „ar zum Anrudern“ mit
dem Geficht nach achtern. Die zu
der betreffenden Ducht gehörende
Dolle befindet ſich ſtets achterlich
von derſelben, und zwar ſo weit,
daß Raum zwiſchen Achterkante,
Ducht und Dolle genügend iſt, um
dem Körper des Ruderers Platz
zum „vierkanthalten“ des Riemens
zu gewähren. Der „vierkant“ ge⸗
haltene, mit Aufgriff gefaßte Rie—
men ragt im Winkel von 900 ſenk⸗
recht zum Kiel des Booted mit
feinem „Außenhebel” wagrecht über
die Bordwand hinaus, da3 Blatt
liegt flach und parallel zum Waſſer⸗
fpiegel. Dieſe Etellung nennt der
Auderer: „auf Riemen” halten.
Man bringt nun dur) Vorbeugen
des Oberförpers und ohne denjel-
ben zu verdrehen den Innenhebel
de3 Riemens vor, gleichzeitig die
Handgelenfe, die in der Stellung
„auf Riemen durchgefallen” lagen,
nad) oben und vorn fo weit biegend,
daß der Riemen ſich während diefer
Bewegung mit feinem Blatt ſenk—
recht zur Wafferoberflähe dreht.
(Tempo 1 nennt man dieje Bemwe:
gung.) Auf Tempo 2 taucht man
das weit nach vorn gebradte Blatt
ins Waſſer und zieht nun, mit bei:
ven Füßen ſich Fräftig abftemmend
und den Oberkörper hintenüber
beugend, durch. Der Riemen foll
hierbei nicht ganz bis zum Hals
eintauchen. Die Arme bleiben bis
zur Beendigung der Bewegung des
Oberförpers lang ausgeſtreckt, erft
nach dem Ende des Schlages zubiegen
fie fich gleichzeitig an der Schulter
und dem Ellenbogen, während And
chel und Handflächen noch in der-
felben Ebene verbleiben. Beide Dau—
men liegen unter dem Riemengriff.
Rorveltenkaptlän ©. Türk.
Nur wenn bei diefer Körper:
haltung gerudert wird, kommen
aud) die Rücken, Lenden: und Bein:
muskeln mit in Tätigfeit; es ift
von Anfang an zu vermeiden, nur
mit den Armen zu rudern.
Mit dem Schluß des Schlages
jenfen fi die Hände ein menig,
damit da8 Riemenblatt aus dem
Waſſer fommt und nun läßt man,
während man fi kurz aufrichtet,
die Handgelenfe nad unten durch—
fallen, damit der Riemen wieder
flah gedreht wird. (Tempo 3.)
Dreht man die Hände, ehe man
fie ſenkt, fo dreht fi} dag Riemen-
blatt no im Wafler, der Riemen
„ſchneidet unter”.
. Hat man in diefer, nur furz und
abfichtlih nicht zu detailliert ge:
ſchilderten Weife einige Zeit im
feftgemachten Boot geübt, jo werfe
man los und begebe fih in Be
gleitung eines erfahrenen Ruderers
auf die erjte Fahrt. Es ift um
bedingt notwendig, das Rudern
zunädft nur mit einem Riemen
zu erlernen, man wird ftet3 jeman:
den finden, der die Bedienung des
zweiten übernimmt.
Hat man die nötige Gefchicklid;
feit mit einem Riemen erreicht, fo
mag man almählih zum Rudern
mit zweien übergehen. Aber aud)
bier nehme man zu Anfang einen
Erfahrenen mit ind Boot, der,
gleichzeitig fteuernd, auf Fehler
aufmerkſam macht, die einem, wenn
ſie ſich erſt feftgefegt baben, zum
Nachteil in Ausbildung der Körper:
fraft und Ausdauer gereichen
fönnten.
358. Der Renuruderer. Wir
jheiden in unjerer Beſprechung
den berufgmäßigen Rennruderer
aus. Ein jeder diefer Kämpen
bat wohl feine eigene Ruder=, feine
eigene Ausbildungsmethode.
1. Auf feitem Sit. Dad
„aktive“ Klubmitglied, welches Luft |
me ie — —
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ro. 359.
hat, ſich als Herren-Ruderer zu
betätigen, wird ſeine Laufbahn
ähnlich, wie oben beſchrieben, auf
einem breiten und ſchweren Boot,
und auf feſtem Sitz beginnen
müſſen. Ein erfahrener Kamerad
nimmt mit ihm im Boote Platz
und nun wird „Schule gerudert“.
Es iſt ſelbſtverſtändlich, daß bei
dieſer Art der Ausbildung eine
Unmenge von Fineſſen beobachtet
werden müſſen, wenn es dem Klub
daran liegt, möglichſt viele ſeiner
Boote mit erſtklaſſiger Mannſchaft
für die ausgeſchriebenen Wettfahr⸗
ten zu geſtellen. Wir finden über
ſie ſehr beachtenswerte Worte in
„Kunſt des Ruderns“ von Hugo
Borrmann ımd in dem engli-
ſchen Bud) von Walter Woodgate:
Rowing and Sculling. Es ift un:
möglich, bier auf ſolche Details
einzugeben — man fönnte ein
neues Buch über die Ruderkunft
abfafjen.
2. Auf Rollfig. Erft der auf
fejtem Sitz außgebildete Neuling,
der „Sunior”, wird dann in ein
Boot mit NRolfigen hineingeſetzt.
Für das Rudern auf Rolfig fei
hier beſonders noch darauf binge-
wiefen, daß nicht? unberüdfichtigt
bleiben darf, was für den feiten
Sit Geltung gehabt hat. Hinzu
fommt dann aber noch dag ſchwie⸗
rige Halten des Gleichgewichtes,
die Gemwöhnung an dag VBorrollen
und Zurüdrollen ded Sites, dag
Negulieren dieſer Bewegung durch
die Beine und anderes mehr.
3. Sm Kaften. Eine weitere
Vorbereitung für den angehenden
Nennruderer, der den langen Winter
oder andauernd ſchlechtes Wetter
nicht ungenugt hingehen laſſen will,
ift dag Rudern auf dem Trodenen
im fogen. „Kaſten“, oder das
„Baflinrudern”, bei dem das Boot
durch einen unbeweglich befeftigten
ſchwimmenden Kaften erjegt wird.
Rorvelfenkapitän €. Türk.
Man jagt zwar, daß diefe Art der
Uebungen zur Vernadläffigung ge:
wifler Feinheiten in der Ruder:
technik verleitete, ficher ift aber,
daß fie zum mindeſten den Körper
gefhmeidig und die Musteln ftraff
erhält, alſo immer noch beſſer ift,
ar ‚gar feine Uebung.
Das Kraining. Hat fo
S — ſeine Vorübungen
erledigt und zeigt Anlage zum
Rennruderer, ſo wird er ins „Trai—
ning“ genommen — auch wieder
ein engliſcher, aber durch ein, das⸗
felbe jagende, deutfches Wort kaum
überfegbarer Ausdruck. Jeder
größere Ruderklub hält ſich einen
Trainer, einen Lehrer, der die
Ruderei berufsmäßig betreibt.
Die jungen Ruderer werden für
die Dauer des 7—8 Wochen dauern:
den Trainings am beiten in einem
gemeinjchaftliden Wohnhaufe unter:
gebracht, etma in einem An= ober
Aufbau des Bootshaufe®, um
dauernd unter Aufſicht des mit
ihnen baufenden Trainers zu fein
und davor geſchützt zu werden, daß
fie auch nicht unbemußt gegen die
für die Trainingszeit von ihnen
freiwillig unternommene Leben?:
weiſe verftoßen. Man jteht früh
auf, nimmt ein Glas Milh und
ein Stüd trodenes Brot und be: !
ginnt mit einem halbftündigen
Spaziergang, der mit einem kurzen
Wettlauf endigt. Erſt hiernach
findet gründliche Abwaſchen und
Duſchen ftatt — körperliche Rein:
lichfeit ijt immer gleichbedeutend
mit Körperpflege. Dann folgt ein
kochte Eier, gebratenes Fleiſch oder
Fiſch nicht fehlen ſollen und auf
dieſes das ca. 1';,
Rudertraining. Schon i in den erften
Wochen des Trainings finden Heine
interne Wettrudereien innerhalb
|
handfeſtes Zrühftüd, in dem ge: |
bis 2ſtündige
]
|
des Klub3 ftatt, um den Junior
an „Offenfivgeift” zu gewöhnen, :
V. 2. Ruderfporf.
an da® Gefühl: rudere tüchtig, mit
Körper und mit Sinnen, und dein
ift der Sieg!
Das zweite Frühſtück gegen halb,
2 Uhr mittags ift meiftend aus
falten Speifen mit viel Gemüfe
und Salaten beftehend; ein Glas
Wein oder Bier dazır ift durchaus
geftattet. Danach wird ein Stünd-
chen geruht und die Zeit bis 5 Uhr
nachmittags der Selbſtbeſchäftigung
überlaſſen. Ein einſtündiges Ru⸗
dern ſchließt die Tagesarbeit; das
gemeinſame Abendeſſen darf aus
Fiſch und Fleiſch mit Kompott und
Früchten beſtehen; Suppe vermei—
det man, ebenfalls alle fetten und
ſchwer verdaulichen Speiſen. Bier,
Rotwein oder ein Glas Portwein
kann in mäßigen Mengen genoſſen
werden; jeder Exzeß, jede Kneiperei
ift verpönt. Punkt 10 Uhr geht's
zu Bett, acht Stunden Schlaf iſt
das Mindeitmaß für die Geijt
und Körper wieder ſtärkende Nacht⸗
e
ruhe.
360. Das Stullen. €3 ift hier
der Ort, über das Skullen wenige
Worte zu fagen. Das Skullen ift
das Rudern im Stiff mit zwei
Riemen ohne Steuermann. Nur
ein gejhidter und bewährter Rie-
men-Rennruderer, der fich für den
Rennſkuller talentiert zeigt, fol fich
an dag Training für dieje Ruder:
art heranwagen. Sie ift bei wei⸗
tem die fchwierigfte und erfordert
mindeftend 10—12 Wochen Bor:
übungszeit, da der Skuller in feiner
Perſon alled da8 vereinigt, was
im NRennboot fonft Steuerer,
Schlagmann und Mannſchaft ge:
meinjam leilten. Er muß völlig
Herr des Bootes und des Elementes
fein, welches dagjelbe trägt, denn
nachher beim Nennen muß er feine
ganze Aufmerkjamfeit auf den
Gegner oder gar die Gegner fon:
zentrieren, muß nad ihren Abfich-
Nro. 360-362.
dann bligichnel und entſchloſſen
durdführen. Es erfordert oft jahre-
lange Webung, bis ein Skuller ſich
al dieje Eigenschaften fo weit zu
eigen gemacht hat, daß fein Name
ein befannter in den Kreifen des
Ruderſports wird. — Der Stuller
wird vom Trainer ausgebildet, in-
dem diefer neben oder hinter dem
Stiff in einem Dampfboot her:
fährt, oder, wie es beſonders in
England meift gefchieht, am Ufer
nebenher läuft oder reitet.
361. Der Schlagmann. Den
fräftigften, erfabrenften und ent:
Ihlofjenften Ruderer einer Mann:
ſchaft wählt man zum Schlagmann.
Er führt den binterften Riemen,
gibt den Schlag an fowie die Wucht,
mit der durdhgeriffen werden joll.
Er behält nah Möglichkeit den
Gegner im Auge und richtet ſich
mit der Veraudgabung der Kräfte '
feiner Mannſchaft nah ihm. Er
hält gelegentlich weiſe etwas zurück,
damit feine Leute nicht vorzeitig
ausgepumpt werden oder er gibt
da8 Beiden zum Einjegen des
legten, wenn die endgültige Ent:
fheidung im Nennen droht, zum
Rudern auf fiegen oder zufammen:
breden. Er allein vermag, weil
er jeldft mitrudert, zu beurteilen,
was er den hinter ihm fitenden
Ruderern noch zumuten fann — er
ift die Hauptperfon im Boot.
62. Der Steuerer. Schlag:
mann und Steuerer ergänzen fich.
Der Steuerer in jedem Ruderboot
bat zunächſt die Aufgabe, das Boot
auf dem Fürzeften zuläffigen Wege
zu dem verlangten Ziel zu fteuern.
Man kann dag Boot mit der Ruder:
pinne oder den Leinen des Ruder:
joches fteuern; Grundregel ift, mit
fo wenig NRuderlage wie möglich
bei Kursänderungen auszulommen,
weil der Widerftand des Ruder:
blatte8 im Waſſer, der das Boot
ten feine Pläne machen und dieje | zwingt, nad) Steuerbord oder Bad=
Niro. 363.
bord abzufallen, auch gleichzeitig
hemmend auf die Gefchmindigfeit
einwirkt.
Etwa nötige Kommandos für
die Ruderer gibt der Steuerer.
Die landläufigſten find: „Riemen
hoch” — es werben dann die Rie-
men ſenkrecht aufrecht gejtellt, mit
dem Griff auf die Flichten; der
Schaft fteht zwiſchen den Knien
des Ruderers, das Blatt ift längs⸗
ſchiffs gerichtet, die äußere Hand
hält den Riemen oberhalb Der
inneren. „Laßt fallen“ — die Nie-
men werden in die Dollen fallen
gelafjen, aber am Griffe jo feft-
gehalten, daß das Blatt nicht das
Waſſer berührt, fondern der Rie-
men wagrecht über demselben fchwe-
bend „vierfant“ Tiegen bleibt.
„Ruder — an“ ift ohne weiteres
verftändlid. „Auf Riemen” be
deutet: aufhören mit Rudern, „halt
Waſſer“ oder „ftreih überall”
bringen das Boot zum Stillftand
oder zum Gang über den Achter-
fteven. Statt „Riemen hoch“ und
„laßt fallen“ nimmt man, befonders
in leichten Booten, fofort „Riemen
bei”. Died Kommando geftattet
das Herauslegen des Riemens von
den Ducten in die Dolle ohne
weiteres. Nach Beendigung des
Ruderns kommandiert man „Ries
men ein“, oder, wenn man gleich
zeitig eine Ehrenbezeugung beab-
fichtigt, zunächft „Riemen hoch“; bei
geſchloſſenen Dollen heißt es: „laß
laufen”; auf dies Kommando läßt
der Ruderer nach beendetem Schlag
vor dem Wiederaufrichten den Griff
des Riemens einfach los. Letzterer
klappt dann durch die Fahrt des
Bootes längsſeit bei.
Der Rennſteuermann hat nun
außer dieſer, man möchte ſagen,
beruflichen Tätigkeit noch die Ehren⸗
pflicht, durch rechtzeitiges Anfeuern
ſeiner Mannſchaft, durch richtige,
Rorvelfenkapilän T. Türk.
zelnen das Marimum der Leiſtung
aus ſeinen Ruderern herauszuholen.
So wie ein guter Schlagmann eine
Mannſchaft zum Siege mit ſich
fortreißen kann, ſo vermag ein ge⸗
ſchickter Steuerer, der natürlich auch
ein guter Ruderer ſelbſt ſein muß,
den Schlagmann ergänzend den
Löwenanteil eines Sieges gelegent-
lich an ſich zu bringen. Der
Steuerer iſt ſozuſagen der Kopf
des Geſamt-Bootskörpers; feine
Kunſt und ſeine, ſtets in knappe
und klare Worte einzukleidenden
Anordnungen und mit lauter, kräf⸗
tiger Stimme zu erteilenden Kom⸗
mandos drücken der Muskelarbeit
der Mannſchaft die Seele auf.
Zum Steuerer wähle man unter
Berückſichtigung des eben Geſagten
einen Mann von möglichſt geringem
Gewicht.
863. Start und Eudſpurt.
Unter Start verjteht man beim
Rennen den Moment des Abruderns
nad dem Zeichen zum Beginn der
Wettfahrt. Meift befteht dieſes in
dem Kommando des „Starters” :
„Los“ unter gleichzeitigem Senken
einer Heinen Handflagge. — Es
ift wichtig, Thon gleich beim Start
der vorderfte zu fein. Die Mann⸗
haft legt ſich aljo gleich für die
erften Ruderſchläge gehörig ind
Zeug, der Schlagmann gibt eiten
ſchnellen Schlag an, denn nur ſol⸗
cher fchafft, und das derart mit
Schneid losgelaſſene Boot ſchießt
an die Spitze, „es übernimmt die
Führung”. Die Mannſchaft des
vom Start aus führenden Bootes
hat eigentlich da3 Nennen meiſtens
Thon Halb gemonnen es ift verhält-
nismäßig leicht, an der Spihe zu
bleiben, weil man alle zurüdge-
bliebenen Gegner in Ruhe über:
ſehen kann und ſich mit dem eige:
nen Schlag nad ihrer Geſchwindig⸗
feit einzurichten vermag. Kommt
individuelle Behandlung des ein- | einer von ihnen auf, fo legt der
—X mann —
Be ie aa ne u en —— in ar ER
a a ae "rl. er * 2. 6, DAN -.! . — u } £ N ? —
Erle Ze Die Aa 72 ee PN er N . 2 x Fr
V. 2. Ruderfporf.
Schlagmann ein wenig zu, um
gleichen Abftand vom Gegner zu
halten; jchießt man ſchnell vor den
zurüdbleibenden auf, jo läßt nıan
in Ruhe etwas nad: das Gefühl,
vorn zu fein, fichert meifteng das
Fortbeſtehen der moraliſchen Kraft.
Unendlich viel ſchwerer iſt es, einen
verlorenen Vorſprung wieder „auf⸗
zupullen“, und nur eine tatſächliche
Ueberlegenheit im Rudern, ein
großes Quantum von Willensſtärke,
eine faſt „wurſchtige“ Seelenruhe
geſtatten es, einen mißlungenen
Start wett zu machen.
Der „Spurt“, beſonders der
„Endſpurt“ hat den Zweck, durch
eine plötzliche Erhöhung des Schla⸗
ges an Schnelligkeit dem zurüd:
bleibenden Boot nochmal eine
Chance zum Siege zu verleihen.
Hat man fih, ruhig und lang
durchziehend, bis nahe an’ feinen
Vordermann aufgefchoben und neigt
die Regatta fi ihrem Ende zu,
fo ift e8 an der Zeit, einen „Spurt“
zu risfieren. Der Schlagmann
geht von feinem Durchſchnittsſchlag
von 36 bi8 39 Schlägen pro Mi-
nute auf das äußerſte der men:
fhenmöglichen Leiftung. Es find
dies rund 44 Schläge in der Minute,
und das bedeutet eine Anftrengung,
welcher der menſchliche Körper jel-
ten länger als auf zwei Minuten
gewachſen ift. Das nunmehr fchnel
aufrüdende Boot zwingt den Gegner,
mit zu jpurten, oder, merkt er den
Spurt zu fpät, bezw. ift er ſchon
„ausgepumpt”, es fiegt mit Sicher:
beit. Natürlich hat diefe Tempo-
verjhärfung ihre zwei Seiten; miß-
lingt fie das erjtemal, fo ift damit
für das fpurtende Boot jede Sie⸗
gesaugficht gefhwunden, denn ein
nochmaliges Spurten verträgt feine
Mannſchaft.
364. Allgemeine Wettfahrts⸗
beſtimmungen. Die Wettfahrts⸗
beſtimmungen enthalten die Aus⸗
von Unglücsfällen.
Nro. 364-365.
ſchreibungen zu Wettfahrten, die
Vorſchriften über Meldung und
Nennung, über die zu rudernde
Bahn, über Startplätze und Start,
Richter und Schiedsrichter, Kolli⸗
fionen und Protefte u. ſ. w. Für
Deutichland find dieſe Beltins
mungen allgemein durch den Deut
ſchen Ruderverband feitgelegt und
in einem befonderen, jedermann
zugängigen Bude veröffentlicht.
Sonderbejtimmungen erläßt dazu
der einzelne Verein, der Rennen
augsfchreibt, jomeit Abweichungen
von den allgemein gültigen Regeln
dur) DertlichfeitSverhältniffe ge-
boten find. Selbſtverſtändlich ſchlie⸗
Ben fih unfere Regatta-Regeln an
jolde anderer Nationen an, jo daß
im allgemeinen ein "Bufammen-
rudern mit Ausländern und fomit
eine internationale Sportbetätigung
jedem deutichen Ruderer ohne wei-
tered möglih it.
365. Berhalten zur Verhütung
Auch Das
Ruderboot ift, wie alles, was mit
dem tüdifchen, feuchten Elemente
in Berührung kommt, Zufälligfeiten
und Unglüdsfälen unterworfen,
und feine Bedienung erfordert daher
überall und unter allen Umftänden
Borfiht. Es genüge, bier nur auf
einzelne Punkte Hinzumeijen, gegen
die der Neuling zu verftoßen 2
neigt iſt.
1. Ueberlade nie dein Boot.
2. Nimm keine Nichtſchwimmer
mit, noch weniger Angetrunfene.
3. Rudere nicht, ohne felbft
ſchwimmen zu können.
4. Vermeide es, quer zum See—
gang zu fahren.
5. Staue alle Gewichte im Boot
feſt, ſo daß ſie nicht von ſelbſt ihre
Lage ändern können. Das Boot
iſt ſo zu beladen, daß es hinten
tiefer liegt als vorn.
6. Mache dich mit den für jo
Niro, 366.
ftimmungen über Ausweichen und
Lichterführung befannt.
7. Kentert dein Boot oder jchlägt
es voll, fo verſuche nicht, an Land
zu Schwimmen, jondern halte dic)
am Wrare feft, bis Hilfe kommt.
Sit das rettende Yand ganz nahe,
jo entfleide dich wenigſtens vor-
her nach Möglichkeit, ehe du Los
ſchwimmſt.
366. Damenrudern. Daß es
für Damen ein leichtes iſt, ſich
Rorveffenkapitän T. Cürk.
gebiet an der Spitze zu marſchieren
gleichſam das hiſtoriſche Vorrecht
zu haben ſcheint, hat ſich der Ruder—
ſport nicht nur im Tourenboot mehr
Eingang in Damenkreiſen verſchafft
als bei uns, ſondern es haben ſich
dort bereits Verbindungen aufge—
tan, die das Damenrudern im
Rennboot pflegen. Unſer Bild zeigt
uns einen Damenachter, am Steuer
der greiſe Trainer, der in väter—
licher Fürſorge ſeine niedlichen
197. Damen-Ruderſport in England: Klarmachen zur Sahrt.
an der Betätigung des Ruder—
fport3 zu beteiligen, erwähnten
wir ſchon früher, denn die all-
gemein verbreitete Meinung iſt
irtig, daß nur Athleten fich als
Nuderer eigneten. Und nad) den
ihönen Reſultaten, die unſere Da-
men in dem Lungen und Herztätig-
feit durchaus angreifenden Tennis:
ipiel zu erreichen pflegen, nad) den
vielen Erfolgen als fühne und
musfelftarfe Reiterinnen oder beim
dur langes Marjchieren ermüden-
den Golfjpiel muß es in Erftaunen
verfegen, wie jelten unfere Schönen
ſich ind Ruderboot wagen. In
England, welches auf dem Sport-
Schülerinnen anlernt; das zweile
Bild zeigt uns in vollendeter Weile
das ſchon im früheren Kapitel be:
ſchriebene Sportloftüm, nur mit
dem Unterſchied, daß die felbit-
rudernden „Suniorinnen“ ohne
Kopfbededung arbeiten. Hoffentlich
macht das gute Beifpiel auch bei
ung Schule, um jo mehr, als der
Durchſchnitt der deutſchen Frauen
es an Kraft und Gefundheit un:
zweifelhaft mit der enalifchen
Schweſter aufnehmen fann. Jeden—
falls ift die Zeit in England nidt
mehr fern, da mir das erfte für
Damen außgefchriebene Ruder—
rennen erleben werben.
— ———— ———— — —
|. > 00° 2 DEzee Eu u
V. 2. Ruderfporf.
367. Wanderrudern. „Das
Wandern ift des Müllers Luft” —
ja, weshalb eigentlich hat ver Müller
das Vorredht, an der Bewegung in
freier Luft Luft zu empfinden ?!
Eine ganz bejondere Luft ift es,
gerade im Boot in die fchöne
Gotteswelt Hineinzurudern. Ein
Körbchen mit zurechtgemachtem
Butterbrot, hartgekochten Eiern
oder dergleichen, ein Fläſchchen
Moſel und eine wärmende Decke
Nro. 367.
laſſen. Ein Leinwandzelt iſt leicht
beſchafft und im Boot verſtaut;
hat man Raum genug, nehme man
auch einige zuſammengerollte dünne
Matragen mit, Kochkeſſel und dazu
gehörige Rohmaterialien, und ge=
rade da, wo es einem am beiten
paßt, da fchlägt man feine Wohn
ftatt auf. Man trifft in Amerika
Bootspartien, die oft ſchon 3 bis
4 Wochen von Haufe fort find und
fih in Selbſtkochen, Zeugwaſchen,
198. Ein Srühftüd im Sreien.
— und die Augrüftung für eine
Tagesfahrt ift beendet. Wer ein
mal die Wonne empfunden hat,
allein oder in froher Geſellſchaft
am Scilfesrand oder unter den
überhängenden Zweigen der Bäume
am grünen Ufer im ftillen Boot
dahinzugleiten, der wird bald fich
auch zu größeren und längeren
Fahrten entjchließen. In bejon-
ders warmen Sommern braucht
man fi nicht einmal auf Unter-
funft für die Nacht in den im Boot
Aus „Die Woche”.
Fiſchfang jo eingearbeitet haben,
daß fie gar feine Luft verfpüren,
ind Großftadtgetriebe mit feinem
Geräufh und feiner Hetze um das
tägliche Brot zurüdzufehren. Immer
weiter im ruhigen, behaglichen
Ruderſchlag, dem „Wanderjchlag“,
unabhängig und felbitzufrieden, und
dabei mit weniger Geld aus:
fommend, als man es ſonſt für
feinen täglichen Lebensunterhalt an
Land nötig hat. Und dazu ermei-
tert fich der Blick, der Körper ftählt
zu paffierenden Ortichaften zu ver: | und fräftigt fich, die Nerven fommen
Niro. 367.
Rorvelfenkapilän €. Türk: V. 2. Ruderſport.
zur Ruhe, dazu gleitet Wald und ı Jodleine, bient zum Steuern, wirb anı
Flur, Dorf und Stadt in buntem,
ftet3 wechjelndem Bild an ung vor-
über, über ung lacht die. Sonne,
ftrahlt der Himmel, zwitfchern die
Bögel — da lat auch das Herz
und wir ſegnen den Tag, da mir
uns dem edlen, befreienden Ruder:
ſport zuwandten!
Verzeichnis der techniſchen
Ausdrücke.
Außenbebel des Riemen, der Teil
bed Riemens, der beim Bullen außen
bords ift,
Audleger, gabelförmiger Anfag an ber
Seite des Bootes, in welchen der Riemen
beim Pullen gelegt wird.
Auslegerboot, ſchmales, langes Boot
mit Auslegern.
Barkaſſe, großes Ruderboot für 80—40
Mann.
Bootslad, ein bejonders fir Boot3-
anftrich zubereiteter Lad.
Diagonalboot, einnad bem Diagonal-
ſyſtem gebaute3 Boot. Beplankung Läuft
kreuzweiſe.
Dingi, Dinghi, kleines Ruderboot für
1i—2 Mann.
Dollbord, oberer Rand der Borbwanb.
Dolle, zylindrifhe Pflöde aus Rundeifen
. oder Holz, welche paarweiſe in die Löcher
des Dollbords eingejegt werden und als
Widerlager für bie Riemen dienen.
Dollenftift, Stift, welcher die Dolle an
dem Herausfallen hindert.
Dollenzmweier, ein Ruderboot für, zwei
Ruderer mit Dollen.
Drebdolle, eine eiferne Gabel, in einem
zylindriſchen Pflod endend ; Widerlager
für Riemen.
Dreier, Ruderboot fir 8 Mann.
Ducht, Querbant in einem Boot als Sit
für die Mannſchaft.
Einer, Ruberboot für 1 Mann.
Endspurt, bejchleunigter Schlag beim
Rudern gegen Ende des Wettruderns.
Flicht, Gräting zum Schug der Beplankung,
39 „Fußbodenplanke zum Schutz bed
iels.
Fingerling, einer ber eiſernen Bes
thläge am Adterfteven, in deren Augen
n a —— *
ußbrett, zum Feſtſchnallen der Süße
— Roll⸗ bezw. Gleitſitz. duß
Gig, leichtes, ſcharf gebautes Ruderboot.
Gleitſitz, ein auf Schienen gleitender Sitz.
nnenhebel des Riemens, innerer
Teil des Riemens, der beim Pullen binnen⸗
bords iſt.
Ruderjoch befeſtigt.
Jolle, Ruderboot für 6—8 Mann.
Aunioren, Anfänger beim NRuberfport.
Klinterartig, Bauart, beider bie Außen:
plantentanten nicht ftumpf zuſammen⸗
ftoßen, jondern von oben nad unten
überfaffen.
Kramelartig‘, Bauart, bei ber die Plan:
ten ftumpf aneinander ftoßen und eine
glatte Außenhaut bilden.
Kupferfeft, wenn bie Unterwaſſer⸗Be⸗
feftigungsteile, Bolzen, Niete 2c. aus
Rupfer find.
Kutter, Ruderboot für 10—14 Mann.
Nennung, Anmeldung zu einer Regatta.
Paddeln, Schaufeln zum Vorwärtsbe⸗
wegen bes Bootes.
Pinaffe, ſchweres Boot filr 30—40 Mann.
Racehofe, kurze, leichte Nniehofe.
Rennachter, Rennboot für 8 Mann.
Nennboot, leichtes Boot für Rennzwecke.
Riemen, zum Vorwärtsbewegen (pullen)
des Bootes.
Riemenblatt, fhaufelförmiges Ende bes
Riemens, welches beim Pullen ind Waſſer
getaucht ift.
Rollfig, ein auf Rädern laufender Sig.
Ruderjoch, wird auf ben Kopf bed
Nuderd gefegt und dient zum Steuern.
Ruderpinne, Holzgriff, welder, auf den
Ruderkopf aufgejegt, zum Steuern dient.
Ruderſchlag, Tempo.
Scähaufelriemen, Riemen mit breiten
Blättern (Gig). u
Scheuerleder, Schutzleder am Schaft
des Riemens, welches beim Pullen in bie
Dolle zu liegen kommt.
Schlagmann, adterfter Mann im Boot,
der den Huberfchlag angibt und nad
dem fi bie übrigen Mannfchaften zu
richten Haben, —
Skiff, Einriemer mit Auslegern.
Skull, kürzerer Riemen, zum Rudern mit
2 Riemen dienend EGciff).
Spiegel, plattes Heck eines Schiffes oder
Bootes.
Spurt, plötzliche Anſtrengung beim Pullen,
Beſchleunigung des Schlags.
Stemmbrett, ſiehe Fußbreit.
Tourenboot, ſtärker als ein Rennboot
ebautes Boot, zum Zurücklegen großer
trecken.
Verſchränkte Ruderſitze, Site, die
abwechſelnd an St.B. und an BB. an
den Bootöfeiten angebradt find.
Vierer, Ruderboot für 4 Mann.
Wanderrudern, Dauerrudern, um große
Streden zuridzulegen.
Wanderfhlag, mäßig ſchneller, aber
kräftiger Ruderſchlag.
Wherry, Fährboot, jollenähnliches Fahr⸗
zeug, dem Skiff ähnelnd.
Zweler, Ruderboot für 2 Mann.
E. Gräfin Baudilfin: V. 3. Schwimmſport.
Nro. 368.
3 Schwimmiport.
Von
Eva Gräfin von Baudilfin.
368. Geſchichtliche Nachrichten
über das Schwimmen und Baden.
Bei allen Nachrichten, die ung von
den aſiatiſchen Völkern überfommen
find, finden wir auch Berichte über
das Baden und Schwimmen. Die
regelmäßigen Abwaſchungen des
ganzen Körpers gehörten 3. B. bei
den orientaliiden Bölfern zum
Gottesdienft. Zoroafter und Moſes
nahmen die Gejete darüber in ihre
Sittenlehre auf. Mofes jelbjt wurde
nach der Bibel nur vom Tode ge:
rettet, weil „die Tochter Pharaos
herniederging und wollte baden im
Waſſer.“
Das natürliche Bad boten die
Flüſſe, Teiche, Seen und das Meer;
deshalb wird auch die Schwimm⸗
funft jo alt fein wie dag Baden
jelbjt, denn naturgemäß verjuchten
die Menfchen, fich gleich den Tieren
vom Wafjer tragen zu laffen und
auch wie diefe ohne Hilfe von
einem Ufer zum andern zu ge
langen. Erſt die Griechen, die
den hohen Wert des Bades und
des Schwimmeng für die Körper:
und Hautpflege voll erfannten,
begannen künſtliche Bades und
Schwimmanftalten zu erbauen. In
ihren Gymnafien, deren Bes
deutung ja für und eine gänzlich
andere, faſt entgegengeſetzte ge=
worden ift, da fie bei ung zur
geiftigen, in Griechenland jedoch
hauptſächlich zur förperlichen Aus⸗
bildung dienten, fand fich jtet3 ein
Bad mit Schwimmbajfin vor, das
Motto: „D, dreimal ſchwimme gefalbt
durch den Tibrig,
Wer feligen Schlafes begehret.”
Horaz.
alle Männer nach beendetem Spiel
benutzten; verließen ſie das Bad,
ſo wurde der Körper mit feinem
Oel eingeſalbt. Den höchſten Luxus
in Bade⸗ und Schwimmhäufern ent:
widelten die Römer; die Refte der
Thermen des Caracalla, des Titus,
des Diocletian, des Konſtantin geben
von der praftiichen Einrichtung,
zugleich aber auch von der wachſen⸗
den Ueppigfeit des römischen Leben?
ein gutes Bild. Selbft im Fleinen
Pompeji finden ſich jehr wohler⸗
haltene Räume eleganter Thermen,
die fogar im Kaldarium einen dop⸗
pelten Fußboden und hohle Wände
aufweifen, um den Raum durd)
heiße Luft zu erwärmen. — Die
Römer verbreiteten die Sitte des
Baden und Thermenbaueng über:
alpin, wohin fie famen oder wo
fie Kolonien bejaßen. Doc erwäh-
nen ihre Schriftfteller bereits rüh-
mend, daß die Gerinanen auch im
Winter Talte Bäder in Flüffen und
Teihen nähmen und vorzügliche
Schwimmer feien.
Sn den erſten Sahrhunderten
nad Chrifti wurde das Baden je-
doch als fündig von der Geiftlich:
feit unterfagt, und es ift aus—
ſchließlich das Verdienſt Karla des
Großen, der ſelbſt ein vorzüglicher
Schwimmer war, daß die Kunſt
des Schwimmens in Deutſchland
wieder in Aufnahme kam und im
Mittelalter bereits eine der ſieben
ritterlichen Künſte ausmachte. Die
„Bader“, unter welchem Namen,
iro. 369.
venn er noch je angewendet wird,
nan jet die Barbiere veriteht,
waren einft in den Städten wid
tige, fpäter ihres Lebenswandels
wegen aber ſchlecht angejehene Per:
onen, die die Bedienung des Ba—
denden in den Öffentlichen Bädern,
das Scheren, Kopfwalchen, Aneten,
Abreiden 2c. zu bejorgen hatten.
Das Unweſen in den Badehäufern
bradite es fogar dahin, daß im
18. Sabrhundert das Baden als
unſittlich, das Schwimmen ala
lebensgefährlich verboten wurde
und daß erjt Aerzte und Päda—
gogen ſich der verrufenen Kunft
wieder energiich annehmen mußten.
369. Hygieniſche und fportliche
Wertung des Schwimmens. Wel-
chen Wert man heutzutage dem
Schwimmen beilegt, das als beftes
Abhärtungsmittel zu betraditen ift
und außerdem die ganz gleich:
mäßige Ausbildung und Entwid-
lung aller Musfeln des Körpers
zur Folge hat, die wiederum den
Kreislauf des Blutes befchleunigt
und infolgedeffen Herz und Lungen
fräftigt, das fieht man an dem
Eifer, mit welchem in allen Län—
dern, in denen das Klima nur
furze Monate das Baden im Freien
geftattet, Schwimmhallen erbaut
werden. Deutfchland ift diefer von
England ausgehenden Anregung —
dort wurde bereits im Jahre 1828
das erfie Volksbad in Liverpool
eröffnet — endlich gefolat. In
den Schulen wird auf die Nüß:
tichkeit wie Annehmlichfeit des
Schwimmen? hingewieſen, Frei—
und Volksbäder erſtehen in reicher
Anzahl, und der Deutſche, der ſich
fonft nur Sonnabends vorfichtig
die Füße wuſch, lernt es wieder
einjehen, welde Kräftigung ber
Gejundheit und welde Quelle
neuer Lebensfreude und -Iuft ihm
das Schwimmen bietet. Architekten
&. Gräfin Baudiflin.
Aufgabe im praktiſchen und [chönen
Entwurf und Bau moderner
Schwimmhallen; denft man jebt
an die früheren primitiven Einrich⸗
tungen der Dampf und anderer
Bäder zurüd, die mit ihren un-
günftigen fanitären Verhältniſſen
jeder Hygiene geradezu Hohn ſpra⸗
hen und denen ein Schwimmbajfin
ja ftet8 fehlte, fo ſchaudert man!
Melde Prachtbauten jetzt — melde
künſtleriſch wie hygieniſch allen
Anforderungen entiprechenden Ein-
richtungen in den Schwimmhallen!
Denn wie dad Wafjer der beite
Freund des Menfchen fein und ih
helfen muß, die jchredlichfte aller
Krankheiten, die Tuberkulofe, zu bes
tämpfen, fo fann es auch z. B. bei
Epidemien al3 Bazillenträger ein
böfer Feind werden. Daher hat
jedermann die Pflicht gegen fid
und feinen Nächſten, ein öffentliches
Bad nicht mit ſchmutzigem Körper
und ebenfalls niemals vor voll
ftändiger Rekonvaleszenz nad) ir
gend einer anftedlenden Krankheit
aufzufuchen. Außerdem find in
jeder modernen Schwimmhalle
Räume zum Abjeifen und Duſchen
vorgejehen, die nicht oberflächlich,
fondern gründlich benugt werden
müjfen.
Das ideale Bad bleibt natürlid
dag im Meer, im See, im reinen
Fluß oder raufhenden Bergjtrom.
Als gejundheitlicde Faktoren treten
dann noh Sonne und Luft zur
ftählenden Wirkung des Waſſers
hinzu. Die Möglichkeit, ſich auch
in Winter dem feuchten Element
nit zu entfremden und dem
Körper die rechte Pflege angedeihen
zu laſſen, ift aber bei und nur
durch künſtliche Schwimmbaffins
geboten. Der Staat follte daher
noch mehr als bisher den Bau
diefer Gebäude unterftüßen. In
England ſetzen die Schulbehörden
und Künftler finden eine dankbare Preiſe aus für die beften Schwim-
—W—
“
“
.
—
N,
V. 83. Schwimmfport.
mer unter den Schullindern. Die
London-School-Swimming-Asso-
ciation, die der großen Amateur-
Swimming-Association angeglie=
dert ift, bildet jährlich viele Tau-
fende von Schulkindern unentgelt-
ih im Schwimmen aus.
370.Modernedeutfche Schwimm⸗
halfen. Das größte Schwimmbad
in Deutſchland ift das in Han:
nover (404 qm), den aber das
von Frankfurt a. M. mit 400 qm
nur wenig nachſteht. Die künſtle⸗
riſch am fchönften ausgeführten
Bäder dürften das in Karldruhe
fowie in Berlin das in der Denne-
a und in der Bärmwaldftraße
ein.
371. Wann fol man ſchwim⸗
men lernen? Wie Vater Jahn das
Verdienft gebührt, das Turnen in
Deutfchland neu belebt zu haben,
jo muß der Bater der Schwimm⸗
anftalten General v. Pfuel ge—⸗
nannt werden, der im Jahre 1817
die erjte Schwimmidule an der
Spree, unterjtüßt vom Brinzen
Auguft, eröffnen konnte. Aber
diefe Schwimmſchulen wie die fol-
genden waren nur für Jünglinge
und Männer, hauptjädhlich für Sol-
daten, beitimmt. Und es dauerte
bi8 zum Anfang der Siebziger
Sahre des lebten Jahrhunderts,
bi3 die ſchon um 1830 erlafjenen
Beitimmungen über den Schwimm⸗
unterriht in Kraft traten. Sn
allen Seminaren ift feit 1873 das
Schwimmen obligatorisch geworden,
für die Schulen bejteht ein folches
Geſetz leider noch nicht. Das Rudern
und Teilnehmen am Segeln jollte
man Kindern aber ein- für allemal
erit dann geftatten, wenn fie tüchtige
Schwimmer find. Denn bei Hlei-
neren oder größeren Kataſtrophen
verliert der Nichtſchwimmer nur zu
leicht den Kopf und wird daher
auch für die übrigen Bootsinfafjen
von größter Gefahr, während der
Nero. 370-372.
Schwimmer weiß, daß er fich ent-
weder felbjt retten oder ſich doch
jolange über Wafjer halten kann,
bi8 Rettung naht. Der Schwimmer
wird ſich alfo in der Nähe des ge-
fenterten Boote8 aufhalten, Not:
ſignale geben oder vielleicht, wenn
die Strede bis zum Ufer weit ift,
mit Hilfe irgend eines Schwimmen:
den Gegenjtandes, den er vor ſich
hertreidt und dann und mann zum
Ausruhen benüßt, and Land zu
fommen verfuchen. Bei der Armee
wie der Marine ift dag Schwimmen
obligatoriſch.
Emil Rauſch, der berühmte
deutſche Meiſterſchwimmer, erzählt
zwar von ſich, daß er erſt mit 13
Jahren Schwimmunterricht bekam;
dann allerdings ging feine Ent-
widlung zu einem unjrer beiten
Schwimmer ſchnell vor ſich. Kin-
der im ſchulpflichtigen Alter von
6—7 Jahren dürfen jedoch un—
beſorgt das Schwimmen beginnen,
natürlich unter ſorgſamer Bewa—
chung, um jede Unvorſichtigkeit zu
verhüten. Auch bier ift „jung ge⸗
wohnt, alt getan”; der Menjch,
der fih von Hein auf ang Baden
und Schwinmten gewöhnt, wird es
bis ing hohe Alter hinein nicht ent⸗
behren mögen.
372. Die Kleidung beim
Schwimmen. Am gebräucdhlichiten
für Männer und Knaben ift die
furze Badehofe und die Hofe in
dreiediger Form. Sn den jet jehr
beliebten Samilienbädern oder den
gemeinfamen Bädern, wie fie in
Ausland viel üblih find, werden
geringelte Trifot3 getragen, die
den Oberkörper bededen und nur
Arme und Beine freilaffen. Klubs
und Vereine fehreiben oft eine be-
ftimmte Farbe der Badehofe oder
Abzeichen, Streifen, Sterne 2c. an
derjelben vor. Kopfſpringer ſchützen
den Kopf, befonderg beim Lernen,
duch wattierte Kappen; Dauer:
a
’
—— WW NEN TEILT EUIFWTT
- v .
\
2
— —39
er
Niro. 373.
E. Gräfin Baudiffin.
ſchwimmer ſchützen ebenfall8 Kopf | aus einer etwas weiten, furzen
und Augen: und laſſen fich die
Haut mit Talg einreiben. Bei
einer ſolchen „Toilette“ jehen wir
den Kanalihwimmer Wolffe, den
der Ruhm’Kapitän Webb8, des
einzigen, der je den Aermelkanal
durchſchwommen hat, nicht jchlafen
läßt.
Frauen,
Leiftungen ankommt,
denen es auf wirkliche
ignorieren
Hofe, an die das ärmelloje Ober—
fleid gleich angejchnitten ift; im
Familienbädern wird noch ein
furzer Rod über dem Beinfleid
getragen. Praktiſch find ſchützende,
über die Kappe geſetzte leichte Stroh—
hüte.
Für fteinigen Boden beim Baden
wie für das Gehen über jandige
Streden bedient man fich leichter
Sandalen, die am Knöchel feſtge—
bunden werden, für längeres
Schwimmen jedoch Hinderlich find.
Für längere Touren, ebenjo für
das Springen, ift es ſehr vorteil
haft, einen Keinen Wattebaujh in
die Ohren zu jteden. Dadurch wird
den leicht durch zurüdbleibendes
Waſſer veranlaßten Obhrenentzün=
dungen vorgebeugt.
373. Der Schwimmunterricht.
Die jet gebräuchlichen vielen Arten
des Schwimmend wird man guten
199. Kanalfchwimmer Wolffe wird mit
Talg eingerieben.
Aus Sport im Bild.
die in eleganten Konfektionshäu—
jern ausgejtellten „Spitengebilde”.
Ein enganliegendes Trikot bietet
jedenfall vollite Bewegungsfrei—
heit. Der üblihe Badeanzug für
Frauen und Mädchen bejteht jonft
200. Schwimmitellung, Seitenanficht.
Vorbildern abfehen können und jeit
man begonnen bat, Die erjten
“
DB
—
V. 3. Schwimmſpork.
Schwimmübungen trocken zu
lehren, d. h. auf dem Lande nach
der ſogenannten „d'Argyſchen Me—
thode“, wagt ſich der Unkundige
bereits mit einem guten Teil prak—
tiſcher Vorkenntniſſe ins Waſſer.
Beſonders hingewieſen werden muß
darauf, daß jede Art der Frei—
übungen, vorzüglich die Rüſt- und
Gerätübungen, ferner Armübungen
(Armſtrecken, ⸗beugen und -aus—
rollen) Kniebeugen und -ſtrecken und
Beinjpreizen eine vorzügliche Vor—
bereitung für das Schwimmen bil-
ven. Turnen und Schwimmen find
überhaupt zwei jehr nahe, fich abjolut
ergänzende Sportsarten; daher jollte
jeder Turnlehrer auch ausgebildeter
Nrv. 373.
Schwimmlehrer jein. E83 wäre
dann für ihn ein Leichtes, die
Kinder die rechten Borübungen fürs
Schwimmen in den Turnftunden
zu lehren.
Der Menſch, der ohne Ahnung
vom Schwimmen ind Waffer fällt,
ſucht fich zu retten, indem er wie
jede3 andere vierfüßige Tier Beine
und Arme freuzweije in Bewegung
jegt, alfo fich fo bewegt, wie der
Hund läuft und auch jchwimmt.
Dies mag die natürliche Art des
Schwimmens für den Menjchen
jein; doch ermüdet dies fogenannte
„Pudeln“ jehr jchnell und bringt
zudem nur wenig vorwärts.
Die Meinungen, ob das Bruft-
Nro. 374-375.
ſchwimmen als erſtes zu lehren fei
oder nicht, find heutzutage ſehr ge-
teilt; daß die meiften Rennjchwim:
mer fich anderer Arten (des Spaniſch⸗
ſchwimmens, des Seiteſchwimmens
2c.) bedienen, ſpricht wohl gegen
dag Bruſtſchwimmen, als zum Xer:
nen geeignet.
Die verjhiedenen Bewegungen
beim Schwimmen heißen „Tempi“
und laffen ſich entweder nad) der
d'Argy hen Methode oder nach der
in allen deutſchen Militärſchwimm—
202. Mn die Bruft führen der Arme.
anjtalten gebräuchlichen des Gene-
ral von Pfuel einteilen. Zu er:
lernen find fie leicht am Lande, und
zwar zuerft in „Schwimmſtellung“,
dann an eigens dazu bergeftellten
Apparaten in der „Schwimmlage”.
374. Die Schwimmſtellung.
Die Schwimmitellung lehrt Die
Körperhaltung, Die genau der
Schwimmlage im Waſſer entſpricht.
Die Haden werden gefchlofjen, die
Füße zueinander in einen Winkel
G. Gräfin Baudillin.
naturgemäß auch die Beine fchlie-
Ben, die geftredten Arme werden
über dem Kopf erhoben, die Hand:
flächen aneinandergedrüdt, der Kopf
leicht bintenüber gebogen. Das
Atmen gejchieht langſam und gleich—
mäßig durch die Nafe.
375. Führung der Arme nad
Pfuel. Tempo I löft die Hände
und führt die Arme jeitwärts-ab-
wärts, wobei ſich die Schultern
eimad anziehen, jo daß die Bruft
203. Dorführen der Arme.
hervor, der Baud) zurüdtritt; Die
Hände neigen ſich etwas nach innen,
die Daumen liegen alfo tiefer als
die feinen Finger ; darauf gehen
die Arme nad) vorn, Tempo IL, und
die Unterarme drehen fich, big Die
Handflächen wieder gejchloffen an-
einander liegen, aus welderStellung
fie mit kurzem Rud an die Bruft
gezogen werden. Die Oberarme
müſſen jest flach an den Seiten des
Oberförper8 anliegen, die Unter:
von ca. 45° geftellt, wobei fich arme liegen feft auf der Bruft.
— — —
V. 3. Schwimmſpori.
Tempo III ftredt mit ſtarkem
Stoß die Arme wieder aus, gibt
alfo die erſte Stellung zurüd.
376. Beinftelung. Auch die
Bewegungen der Beine werden
entſprechend der Armführung in
drei „Tempi“ eingeteilt. Ueber
die einzunehmende Haltung jchreibt
das Königl. preußifche CErerzier-
reglement vor: „Die Stellung muß
natürlih und ungezwungen jein.
Die Abſätze werden auf eine Linie
und fo nahe aneinandergejeht, als
204. Beintempos.
es der Körperbau erlaubt; die
Fußſpitzen find gleichmäßig jo weit
auswärts gedreht, daß die Füße
nit ganz einen rechten Winkel
bilden.
„Die Kniee find zurüdgezogen,
ohne fie fteif zu halten.
„Der Leib ruht ſenkrecht auf den
Hüften.
„ruft und Oberleib werden
etwas vorgebradt, die Schultern
Nro. 376 - 377.
Die Einnahme diefer Stellung
wie zugleih „Hfften feſt“, d. h.
die Hände auf den Hüften, Daumen
nach hinten, Singer gejchlofjen nad)
vorn, gleiht Tempo I.
Tempo II beiteht in Kurzem,
rudartigen Emporziehen des einen
Beined, bis der Haden fih in
Kniehöhe des anderen Beines be-
findet; e8 muß abwechſelnd mit
beiden Beinen geübt werden. Bei
Tempo III wird daS gebeugte,
emporgezogene Bein fchräg ſeit—
205. Derübung des Tempos II.
wärts-abwärts abgeftoßen und jo:
fort gegen dag geitredte Bein ge—
ihlagen, jo daß die Füße wieder
die Grunditellung annehmen.
377. Gemeinſames Ueben der
Arm: und Beintempi. Werden
die beiden Bewegungen einzeli
vollkommen beherricht, jo beginnt
man, die Tempi gemeinfam einzu—
üben. Bon. der Schwimmiftellung
ausgehend, werden bei „eins“ Die
mäßig zurüdgenommen und unge: | Arme zur Seite geſtreckt, bei „zwei“
zwungen in gleiche Höhe geſenkt.“ die Hände wieder aneinander ge-
Nro. 373-380.
Schloffen und vor die Bruft ge=
bracht und gleichzeitig mit gebeug:
tem Knie der Haden des einen
Beines bis zum Knie des feit-
jtehenden gebracht. Bei „prei“
wird dag Bein wieder abwärts
geftoßen, die Füße gefchloffen und
die Arme von neuem nach jeitwärtg
mit Turzen Ruf geftredt.
378. Zählmethode d’Argy. Ent-
gegen der eben dargelegten Zähl-
methode des General von Pfuel
bejtimmt d'Argy ald Tempo I das
Ausftopen der Arme und Beine,
als Tempo II das Zufammen-
Ichließen der Kniee und das Trennen
der Hände voneinander. Bei III
werden die Arme jeitwärts geftredt,
dann unter die Bruft gebracht und
die Haden emporgezogen. Nach der
d'Argyſchen Methode wird in Franke
teih noch allgemein gezählt; bei
uns befolgt man faft überall die
Tempi des General von Pfuel,
allerdings gibt e8 auch Lehrer, die
des leichteren Erlernens wegen für
den Anfänger vier Tempi vor«
Ihlagen —; doch die Methode,
überhaupt Schwimmbewegungen auf
dem Lande üben zu laffen, lernte
erſt im Sabre 1855 der Königl.
preußifhe Generalleutnant von
MWillifen in der ecole normale
de gymnastique in Bari fennen
und ließ mit ihr Verſuche in der
ihm unterftellten Divifion anftellen ;
fie bewiefen, daß nad) diejer Me—
thode fünfmal fo viel Soldaten
wie bisher das Schwimmen erlern=
ten; dieſer D’Argyfhen Methode
des Trodenfchwimmens ift bei ung
das Zählfyften des General von
Pfuel zugrunde gelegt worden.
379. Die Schwimmlage. So—
bald Arm- und Beintempi gemein
ſam beherrjcht werden, wird zum
Veben in der Schwimmlage über-
gegangen; aljo in der wagerechten
Stellung, die der Körper im Waffer
einnehmen muß. Das einfachjite
——_
E. Gräfin Baubilfin.
Hilfsmittel iſt der Feldſiuhl, deſſen
weicher Gurten⸗ oder Leinenſitz den
Bewegungen nachgibt. Vorteilhafter
find jedoch freifchwebende Apparate,
die es geftatten, die Aniee an die
Bruft heranzuziehen. Ein Barren,
zwiſchen deffen Holmen ein Tud
aufgehängt wird, eignet ſich bejon:
206. Hahnfcher Apparat in Anwendung.
ders gut zu diefen Schwimmübun:
gen; ebenfo der Zahnſche Apparat,
der dadurch, daB die Arme in ar
Gummijchnüren hängenden Arm:
baltern ſtecken, die zur Kraftanmwen:
dung zwingen, den Widerftand des
Waſſers nahahmt.
Bei Einnahme der Schwimmlage
werden Arme und Beine ausge
ftredt, die Hände aneinander ge:
Ichloffen und der Kopf möglidit
wagrecht zum Körper gehalten. Die
Tempi werden genau ausgeführt
und innegehalten, wie bei der
Schwinmftellung: bei I die Arme
zur Seite geftoßen, bei II Beine
wie Arme kurz und fehnell an—
gezogen, bei III die Arme nad
porn, die Beine nach hinten ge
ftoßen und gejchloffen.
380. Das Selbjterlernen des
u. 7 ®
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V. 3. Schwimmſpork.
Schwimmens. Für Manchen wird
doch oft kein anderer Ausweg übrig
bleiben, als das Schwimmen ſelbſt
zu erlernen, z. B. auf dem Lande;
und der Lernende, ſich Abmühende
mag ſich mit dem Gedanken tröſten,
daß ſchließlich, trotz mancher Miß—
erfolge im Anfang, ſeine Mühſal
belohnt werden wird. Der Selbit-
lernende verfude die am Lande
eingeübten Arm= und Beintempi
unter genauem Zählen im Wajjer
Nro. 381—383.
Schwimmfugelapparat, von dem
öfterreichifchen Schwimmlehrer
Himmel erfunden.
381. Schwimmen in Kleidern.
Da abgejehen von der Freude am
Schwimmfport und der vortreff-
lihen Einwirfung desjelben auf
Gejundheit und Gemütsverfafjung,
das Schwimmen auch eventuell dent
Schwimmer jelbjt oder andern das
Leben retten kann, jo jollte es
jeder Schwimmer, jobald er gut,
202. Korfengurt.
zu wiederholen; um für den eriten
Stoß — länger wird man fi
das erjtemal faum halten fünnen
— eine wagerechte Lage zu be:
halten, ftößt man fich kräftig vom
Baſſinrand ab — oder, badet man
208. Schwimmfugel-2lpparat.
im Freien, von einem Balken oder
der Treppe. Ferner bilden eine
große Hilfe beim Selbfterlernen
geeignete Tragemittel, 3. B. ſolche
aus Kork. Billig herzujtellen find
zwei fleine Leinenfäde, mit ge—
braudten Korfen gefüllt und durch
einen Gurt verbunden, von dem
der Körper getragen wird; ebenfo
Korkengurte, aus gebrauchten Kor-
fen, die auf jtarfen Bindfaden ge—
zogen werden, oder auch der
fiher und ausdauernd ſchwimmen
fann, lernen, auch in Kleidern zu
Ihwimmen. Natürlich ftellt dies an
die Kräfte hohe Anforderungen, da
fih die Kleider ſchnell voll Wafler
faugen und auf den Gliedern laften.
Daher fügt man allmählich dem An-
zug mehr und mehr hinzu, ſchließlich
aud) Stiefel, bi8 man in vollfom:
mener Kleidung das Element be-
zwingen kann. Der Nuten diefer
Verſuche kann nicht genug betont
werden.
382. Arten des Schwimmens.
Man teilt das Schwimmen jeiner
Art nah ein in Bruſtſchwim—
men, Seitefhmwimmen,
Rückenſchwimmen und Spa:
niſchſchwimmen, dazu fommt
das Ta uchen, Wenden, Waj:
ſertreten und Waſſerſprin—
gen.
383. Das Bruſtſchwimmen.
Das Bruſtſchwimmen, auch das
deutſche Schwimmen genannt, iſt
die Grundlage aller Schwimmkünſte.
Die Anleitung zu dieſer Schwimm—
art iſt ausführlich durch die Be—
ſchreibung der am Lande zu üben—
den „Schwimmſtellung“ und
Nro. 384 — 385.
„Schwimmlage‘, die man im felben
Tempo im Waſſer wiederholt, ge=
geben worden. Als fportliche Regel
gilt für die8 Schwimmen in Deutich-
land wie in den meijten anderen
Ländern, abgejehen von Oeſterreich,
daß der Kopf nicht zur Seite ge:
dreht werden und nicht weiter als
bis zum Mund eingetaucht werden
darf. Das Ziel und die Wenden
müſſen zu gleicher Zeit mit beiden
Händen berührt werden.
384. Das GSeitefhwimmen
oder engliide Schwimmen wird
recht3 oder links ausgeführt. Man
unterjcheidet zweierlei Arten: Die
ohne Herausgreifen und die mit
Herauggreifen (over arm stroke);
bei beiden arbeitet der untenliegende
Arm wie die Beine in gleicher
Weife; die Tätigfeit des oberen
Armes macht den Unterjchied aus.
Der untere Arm wird nad unten
geftreckt, dann der Unterarm ange:
zogen, bis er quer über der Bruſt
liegt, dann wieder langfam, mit
dem Handrüden nad oben,. nad
vorn gejtredt. Der obere Arm
wird beim Seitefhwimmen ohne
Herausgreifen rückwärts geftredt
und im Ellbogen leicht gefnidt;
die nach unten gefehrte Sand be—
Ichreibt einen Bogen.
Beim Seitefhwimmen mit Her:
ausgreifen muß der obere Arm
leicht geftrecdt über Waſſer bleiben,
wird im Halbkreis um die Schulter
geichwungen und befchreibt num erft
unter Wafjer einen Bogen. Beim
„double over arm stroke* führen
beide Arme einen Teil der Tempi
über Waſſer aus. Bedingung des
Seiteſchwimmens ift, daß die Beine
Itet3 unter Waſſer bleiben und daß
beide Arme immer in entgegen
gejegter Richtung fein müfjen, aljo
abwechſelnd vorn und hinten. Das
Seiteſchwimmen geftattetden Beinen
eine weitere Spreizung als das
Bruſtſchwimmen, nämlich das fo:
E. Gräfin Baudiffin.
genannte Scherenfußtempo; infolge:
dejien iſt ein ftärferer Stoß, eine
größere Gefchwindigfeit zu erreichen.
Das Deffnen und Schließen der
Beine muß genau den Bewegungen
der Arme angepaßt werden; jobald
der obere Arm fich vorftreet, ſpreizt
ſich das untere Bein nach rückwärts;
kehrt der obere Arm in die erfte
Stellung zurüd, müſſen fi
à tempo aud die Beine wieder
fließen. Um ein beſſeres Tempo
zu erzielen, legen fih viele Renn⸗
ſchwimmer beim Ausſtrecken des
oberen Armes auf die Bruft. Diefe
Weiſe, obgleich ganz erflärlih, da
der Körper ohnehin beim Ausftreden
und Wechſeln der Arme die Lage
etwas verändert, wird in Dejter-
reich nicht zugelafien.
: 385. Das Rüdenfhwimmen.
Dies Tempo, von allen Arten das:
jenige, welches am wenigiten er-
müdet, wird deshalb viel von
Dauerfhwimmern angewendet. Es
ift jehr leicht zu erlernen, und
ift außerdem die Art, durch
welche Ertrinfende am beten von
einem Andern gerettet werden fön-
nen. Ausgeführt wird es, indem
man fich flach, wie zum „Treiben“,
mit dem Rüden aufs Wafler legt,
die an den Schenkel gedrüdten
Arme im Bogen über den Kopf
ſchwingt und gleichzeitig die Unter:
ſchenkel mit leicht gebeugten Knieen
ſtark nad) unten tritt. Die Arme
fehren im Bogen unter Waffer
in ihre erſte Stellung an den
Schenfeln 'aırüd, à tempo mer-
den die Beine wieder feit ans
einander gejchloffen und geftredt.
Auh Tann man mit Hilfe der
Arme allein rückwärts ſchwimmen;
die Beine bleiben dann lang aus:
gejtredt und gejchloffen, die Arme
liegen loſe an den Hüften, die
Hände werden nur im Gelenf be-
wegt, fie „tellern” und bringen den
Körper durch dieſe Kleinen Kreig-
= >
V. 3. Schwimmſport.
bewegungen vorwärts. Will man
dagegen nur mit den Beinen rück—
wärts jhwimmen, jo nimmt man
„Hüften fejt“ oder verjchränft die
Hände im Genid. Die Grundlage
des Rückenſchwimmens iſt das
„Treiben“, d. h. man bemüht ſich,
durch richtiges Atemholen ſo viel
vom ſpezifiſchen Gewicht zu ver—
lieren, daß der Körper, der ſchwerer
iſt als das Waſſer, von dieſem ge:
tragen wird. Beim ſogenannten
„Rudern“ werden die Arme über
den Kopf gehoben, im Bogen unter
Waſſer zurückgeführt und kräftig
gegen die Schenkel geſchlagen,
gleichzeitig werden die Beine an—
gezogen und geſpreizt. Der double
over arm stroke beim Rückwärts-—
ſchwimmen befteht darin, daß die
Arme abwechjelnd über den Kopf
aejhwungen werden.
386. Das Spaniſchſchwimmen.
Das fpanifshe Schwimmen, aud)
1
Nro. 386.
Matroſen- oder Indianerſchwimmen
genannt, ſtammt aus Südamerika
und wurde von Mr. Trudgen im
Sahre 1873 nad) England impor-
tiert. Hier heißt e8 Trudgen
Stroke oder auch nad) jeiner Me-
thode: die Arme abwechjelnd in
Kopfhöhe zu bringen und dann ge—
jtredt nad hinten durchzuziehen:
double over arm stroke. In der
urjprüngliden Form wurde das
| Beintempo bejchränft; 3. B. halfen
nur, wenn der rechte Arm vorge-
jtrecft wurde, die Beine Schwimmen,
blieben dagegen während der Tätig-
feit des linken aeftredt. Das „un:
gariihe Tempo“ ift nur eine weis
tere Ausbildung des jpanifchen ;
entweder wird nurnach drei oder vier
Zügen mit den Beinen geſchwom—
men oder dieſe bleiben überhaupt
ruhig und überlajien den Armen
allein die Arbeit. Der Kopf liegt
bei dem „ungarijchen Tempo“ ganz
209. Burgeß, ducch den Kanal jchwimmend,
òIEIII —î —
Nro. 387.
im Waſſer und wird nur von Zeit
zu Zeit zum Atemholen gehoben.
Heutzutage hat ſich das Spaniſch⸗
ſchwimmen dahin abgeändert, daß
es vom Bruſtſchwimmen zum Seite⸗
ſchwimmen geworden iſt, wodurch
auch die Beine das Tempo wie
beim Seiteſchwimmen (Spreizen
und Aneinanderfchliegen ohne An⸗
ziehen), alſo das „Scherenfußtempo”
angenommen haben. Das Spaniſch⸗
ſchwimmen in biefer Form ift das
Tempo aller befannteren Meijter:
Ihwimmer. Daß auch die Frauen
es gelernt haben, ſich des Spaniſch⸗
ſchwimmens bei ihren Konkurrenzen
zu bedienen, beweiſt das Bild vom
„Feſt der Undinen“ in Soinville
bei Paris. Eine kleine Abweichung
des ſpaniſchen Tempos zeigt Das des
Mr. Tyldesley, der feine Beine
nicht fpreizt, fondern fie parallel
bewegt, als riebe er fie aneinander
auf und ab. Dem Stil Mr. Tyl-
desleys ähnlich ift das „Crowl⸗
Tempo“, bei dem von Zeit zu Zeit
die Beine aus dem Waſſer heraus⸗
ſchlagen. |
387. Das Tauchen. Zum guten
Tauden, d. h. ſowohl dem Flach:
taugen wie dem Tauden nad
Gegenftänden, gehört ein langes
und fchwierige8 Training Man
fann den Körper erſt jehr allmäh-
(ich an ein längeres Verweilen unter
Waffer gewöhnen und ebenfo die
Zungen daran, mit dem lem
hauszuhalten. Auch die Augen,
die fich allerdings meift von felbit
im Waffer öffnen, müffen e8 lernen,
Segenftände zu unterjfcheiden und
vor allem die Richtung der vor
gefchriebenen Strecke zu erkennen.
Das Flachtauchen, auch Streden-
oder Hechttauchen genannt, tft ein
Bruſtſchwimmen unter Wafjer ; ein=
zelne Glieder, aber nie ber ganze
Körper, dürfen von Zeit zu Zeit
an die Oberfläche kommen. Yürchtet
man, ganz aufzuiauchen, jo muß
E. Gräfin Baudiffin.
man mit den flachgelegten Händen
nad oben brüden, moburd der
Körper von neuem fintt. Zum Er-
lernen de Tauchens ift es am
beiten, an einer Kletterftange all
mählih mit den Händen immer
tiefer hinabzufteigen, bis man im:
ftande ift, fih eine Weile am
Grunde zu halten. Um wieder auf:
wärts zu kommen, ftößt man ſich
fräftig mit den Füßen vom Grunde
ab, worauf man in fenktrechter
Stellung an die Oberfläche gelangt.
Schwieriger ald vom Sprung au3
tauchen ift da8 aus der Schwimm:
lage. Man muß fi vornüber' ind
Waſſer Hinunterlaffen, mit ange
zogenen Beinen, bis man mit den
Händen den Grund erreicht. Hier:
auf wird der Körper langjam auf:
gerichtet, dann mit den Füßen
abgeftoßen, um wieder in die Höhe
zu kommen. Das „Ueberfchlagen”
vorwärtd und rückwärts ift eine
Art des Tauchens; beim Vorwärts⸗
überjchlagen werben bie gefchlofle:
nen Beine mit kurzem Rud an bie
Bruft gedrüdt, die Arme ebenfo an
die Hüften und der Kopf abwärts
gebeugt. Das Rückwärtsüberſchlagen
gefchieht durch Heben der beiden
fejt gejchlojfenen Beine aus dem
Waſſer, Hinabdrüden des Kopfes
nah Hinten und Abwärtsdrücken
ber Hände.
Um fih beim Flachtauchen zu
orientieren, merkt man fi im
Baſſin oder der zu durchſchwimmen⸗
den Strede unter Waſſer einige
leicht ins Auge fallende Punkte,
wie Treppen, Stangen, Abfluß-
röhren und vergleichen. Bei Kon:
furrenzen wird nur die gerade Rich⸗
tung gemefjen, niemald die Ab-
weichungen. Al Marximaldiſtanz
werden jeit einigen Jahren in
Deutſchland und Defterreid 50 m
gerechnet. Sieger ift, der die
fürzejte Seit zu dieſer Strede ge-
braucht hat.
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uamau aaq Jalwuunarps wg Jdwuvg 209109 uu
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V. 3. Schwimmſpork.
Das Tauchen nach Gegenſtänden
wird zuerſt an einzelnen, weithin
ſichtbaren Dingen geübt, bis das
Auge mehr und mehr das richtige
Sehen unter Waſſer lernt. Bei
sonkurrenzen gilt als Sieger, wer
die meiften Gegenftände ans Ufer
bringt.
Der „Schwimmijport”, das offi-
jiele Organ des „Deutjchen
Schwimmverbandes” jtellt aller:
dings folgende Punkte zur Beur- nutzt, die Beine blei-
teilung eines Sieges
beim Tauchen nad
Gegenjtänden auf:
1. Anzahl der Ge-
genfjtände ;
2. Fläche in Qua—
dratmetern, auf wel-
che fich diefe Gegen-
ftände verteilen;
3. Zeit, die Die
Leiftung erforderte;
4. Tiefe des Waſ—
|
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H
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b
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IN
Nro. 388.
Arm abzuftoßen; nun werden die
Beine geftredt und gleichfallg mit
ihnen abgeftoßen. Von den während
des Abſtoßes ausgeftrecdten Armen
wird der eine jofort angezogen,
damit glei das alte Tempo
(Seites oder Spaniſchſchwimmen)
begonnen werden fann. Zum Wen-
den an einem Balken wird nur
ein Arm und diejer
leiht gebeugt, be—
Pa
h
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eg ——
|
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|
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ſers;
5. Temperatur des
Waſſers.
Eine Minute gilt
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se Lg
beim Tauchen als
vortreffliche Leiftung,
für Konkurrenzen
find 70—80 Sekun⸗
den die Norm.
388. Das Wen:
den. Se fürzer das
Balfin einer Badeanftalt ift, um jo
häufiger wird der fich trainierende
Schwimmer „wenden“ müſſen.
Und dieſer Fertigkeit kann gar
nicht genug Aufmerkfjamfeit bei-
gelegt werden, da eg bei Wett:
fämpfen auf möglichft ſchnelles und
geſchicktes Wenden anfommt, ja dies
jehr oft für den Erfolg den Aus—
Ihlag gibt. Es ift Vorjchrift, ſich
beim Wenden vom Bajfinrand ab-
zuftoßen. Die Beine werden dazu
angezogen, der Kopf unter Wafler
gedrüdt, um über ihn fort mit dem
der neuen Richtung entgegengejegten
N
NIT
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. . *
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ar ne Ian
ben geichlofjen, der Körper wird
mit hohlem Kreuz am Balken vor:
beigezogen. Beim Rückenſchwimmen
darfmwährend des Wendens Bruftlage
eingenommen werden. Dann muß
jedoch, wie beim Bruftihwimmen,
die Wende gleichzeitig mit beiden
Händen berührt werden. Falfches
Menden (nicht berühren, beim
Rückenſchwimmen zu frühes Drehen
in Bruftlage, beim Bruftfchwimmen
nicht gleichzeitiges Berühren mit bei-
den Händen 2c.) hat in allen Ländern
die Ausfchaltung des Wettſchwim—
mers von der Konkurrenz zur Folge.
Hr
a
N 2 —
IAHMITTE
Nro. 389-390.
389. Das Wafjertreten. Das
Wafjertreten ermöglicht ſowohl das
Berharren auf einem Punkt, wie
ein Schnelles Anhalten, um eine
neue Nichtung einzufchlagen oder
um in ein anderes Schwimmtempo
|
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1
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211. Wenden an der Baffinwand.
überzugehen. Der Körper ſteht da=
bei, etwas hinten übergeneigt, fajt
jenfrecht im Waſſer, die Arme find
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€. Gräfin Baudilfin. Rrr Ka
—*
fie entweder einzeln oder zufammen
angezogen und ausgeftoßen werden.
Die Kniee bleiben leicht gebeugt.
Die Beherrichung des Wafjertretend
ift zu den meijten Wafferjpielen
nötig und last not least ein wich—
Aus NMordhaufen, Sport und Körperpflege.
tiger Faktor bei der Nettung Er:
trinfender.
390. Das Wajjerfpringen. Zur
in die Hüften gejtemmt, die Beine | höchſten Kunft des Schwimmens
allein beforgen die Arbeit, indem | führt da3 Springen; denn hierbei
212. Waffertreten.
ift nicht allein die ſchöne Ausfüh-
rung des Sprunges, fondern auch
jeine GSchmierigfeit maßgebend.
Allerdings gehen die Anfichten über
die Bewertung eines Sprunges
noch weit außeinander. In Schwe—
den und England wird 3. B. Die
Haltung und Bewegung während
des Sprunges nicht beachtet — in
beiden Ländern handelt es ſich nur
darum, daß das Wafjer beim Ein—
tauchen nicht aufiprigt; während
Deutjchland und Defterreich alles
von der Körperhaltung während
des Sprunges abhängig maden
und das Aufiprigen des Waſſers
ignorieren.
Zum Sprung holt man ſich die
Kraft entweder durch Beugen und
Streden der Muskeln oder durch
Anlauf. Der Sprung „aus Der
Ruhe” kann ftehend oder hockend
und außerdem vorwärts, rückwärts
— 8
—
—*
EN,
— —
V. 83, Schwimmfport.
oder feitwärt3 erfolgen. Zum Ab:
fprung mit Anlauf läuft man das
Sprungbreit entlang und jpringt
einen Meter vorm Rand in die
Höhe, jo daß man am äußerften
Ende des Brettes anlangt. Diefer
„Schlußſprung“, der durd Auf:
wärtdjchlagen der Arme unterftügt
wird, gibt dem Körper den nötigen
„Schwung“. Die Schönheit eines
Sprunges bängt von der Länge
der Luftlinie ab, die der Körper
zurüdlegt und, wie jchon gefagt,
von feiner Haltung und Bewegung
während desfelben. Se nach dem
Eintauhen mit Kopf oder Füßen
unterfcheidet man Kopf und Fuß⸗
jprünge. Die Arme werden mwäh-
rend des Sprunges wagrecht ge=
halten, auf der Bruft oder dem
Nüden gefreuzt, an die Schentel
gedrüdt oder über den Kopf ge⸗
ftredt. Der Schwung muß fo ab-
gemefien fein, daß man weder mit
Bruft oder Rüden auffchlägt und
daß Kopf und Füße am felben
Punkt ins Waffer tauchen, der Ein-
falt fi alfo in ſenkrechter Stel-
lung vollzieht.
391. Die Kopfiprünge. Der
Kopffprung aus Stand wird
entweder mit durchgedrückten Knieen
gemacht oder, um größeren Schwung
zu erzielen, aus der Kniebeuige mit
folgendem fräftigen Streden des
Körpers. Die Arme werden nad
vorwärts gefhmwungen und dann
über dem Kopf geftredt. -Beim
fladen Kopffprung liegt der
Kopf fenkrecht zwiihen den Armen,
und no ehe die Fußſpitzen eit-
tauden, müſſen die Hände bereits
wieder aus dem Waſſer emporragen.
Die Hehtjprünge Finnen
vorwärt3 oder rückwärts gemadıt
werden. Ihr Merlmal ift, daß
während des Sprunges fi) Füße
und Hände berühren, der Kötper
alfo in den Hüften quafi zuſammen⸗
klappt.
Nro. 391.
Kopfſprünge ſeitwärts
(ſogenannte Schwertſprünge) wer:
den nach rechts oder links ausge-
führt. Der dem Waſſer abgemendete
Arm ſtützt fich auf die Hüfte, das
forrefpondierende Bein ift geftredt;
an der dem Waſſer zugelehrten
Seite ift der Arm erhoben und das
Knie leicht gebeugt. Ferner unter-
ſcheidet man noch Kopfſprünge
rücklings, aus dem Sitz und
aus dem Hockſitz; letzterer kann
ebenfalls vorwärts, rückwärts und
ſeitwärts ausgeführt werden. Die
Beine werden beim Sprung aus
dem Hockſitz gekreuzt und die Zuß-
gelente fejt mit den Händen umfaßt.
Zu den Bohrern rechnet man
folhe Sprünge, bei denen fid) wie
bei den Hedhtiprüngen Hände und
Füße berühren, der Körper aber
gleichzeitig eine Halbe oder ganze
Drehung um feine Längdadjje aus—
führen muß. Unterftüst wird die
Bewegung durch) Ausfchlagen beider
Arme nach der einzunehmenden Rich:
tung. Bei den Schrauben fällt
das Berühren der Hände und Füße
fort, fie beftehen nur in Viertel= oder
halben Drehungen um die Längs—
achſe des Körpers und können
vorwärts, aufwärts und feitwärts
gemacht werden. Bei Bohrern
wie Shrauben dürfen die Dre-
bungen nie direft vom Brett aus
gemadht werden, fondern immer
erft dann, wenn fich der Körper in
jenfredter Lage befindet; beide
Arten find aus den Stand oder
mit Anlauf möglid. Der Kopf:
jprung mit Anlauf it die
Grundlage für alle jchmwereren
Sprünge und wird durd das Auf:
fpringen mit einem Fuß oder mit
beiden Füßen ausgeführt; die oben
genannten Arten der Kopfiprünge
laſſen fid) faft ale auch mit An—
lauf maden. Der fogenannte „Ab—
renner“ ift ein einfucher Kopf:
fprung mit Abftoßen durch das
Nro. 392.
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e \
\
\
2
v
rechte oder Das
linfe Bein, bei
dem der eine Arm
erhoben, der andere
geſtreckt wird.
Der Add
babjprung ift
ein Mittelding zwi:
hen Kopf- und
Fußiprung. Ans
fangs find die Füße
des Springers nad)
oben gerichtet,
durch das Zus
rüdnehmen des F
Kopfes be:
ſchreibt der
Körper dann ei—
nen Bogen, auch
taucht der Kopf
zuerſt ins Waſſer.
Der Kopf
weitjprung,
engliih einfach:
plunging, d. h.
tauchen, genannt,
ift von England
2 Der aus bei ung ein—
Schwertſprung. geführt. Der
plunging iſt ein
einfaher Kopfiprung aus dem
Stand, dejien Schmung durd
ſtarkes Armſchwenken verſtärkt wird.
Bewertet wird er nach der Weite
E. Gräfin Baudiſſin.
des Sprunges, der Ruhe
des Waſſſers beim Ein—
fallen und dem unbemweg-
lihen Ruhen des Körpers
auf der Oberfläde, ohne
jedes Tempo; das Geficht
liegt dabei vollftändig im
Wafjer, die Arme find
ausgejtredt, das Gefäß
muß aus dem Wafjer em—
porragen. Der plunging
joll nie vom Sprungbrett,
jondern vom wenig hohen
Balfinrand aus gejchehen,
da der Schwung eben
durch eigne Kraft gewonnen
werden fol. Für Kon—
furrenzen tft die Zeitdauer
de8 Sprunges (60 Se—
funden als Norm) maß:
gebend, ferner die Länge
‚der durch das Weitergleiten zurück:
gelegten Strede.
392. Die Fußſprünge. Auch
die Fußjprünge erfolgen aus dem
Stand oder mit Anlauf und find
vorwärts, rückwärts oder jeitwärts
zu machen. Ihre Variationen find
faft noch zahlreicher als die der
Kopfiprünge. Bei den Schritt:
jprüngen werden die Beine ge-
jpreizt und gleichfam mit dem hin-
tern, nad) vorwärtsjhmwingenden
Bein ein Riejenfchritt ind Waſſer
gemacht; fie lajjen fich vorwärts,
jeitwärt8 wie rückwärts ausführen.
Zu den Schlußfprüngen,
ebenfall® in den drei Arten, ge—
mwinnt man den Schwung durd)
Beugen und rüdmwärtiges Streden
des Körpers. Den Bohrern und
Schrauben des Kopfiprunges ähn-
ih find die Sprünge mit
Drehungen, es find Schritt:
oder Schlußjprünge mit halben,
dreivierteln oder ganzen Dreh—
ungen, variiert werden fie außer:
dem durch die verfchiedenjten Arm⸗
und Beinbewegungen. Beim Hock—
ſprung werden die Kniee an die
Pa SE ı BE I ee
.: =: ma u rm)
vr oe 75
vB > wi rn un
=. =.
V. 3. Schwimmſport. Nro. 393—395.
Bruſt gezogen, jo daß mit dem Ge: | men. Zum Dauerſchwimmen gehört
ſäß zuerſt eingetaucht wird. Bei | in erjter Linie das Rennſchwim—
den Fußjprüngen mit Anse|men. Emil Rauſch, wohl jegt
lauf, zu denen fih Schritt: wie
Schlußſprünge eignen, ijt auf die,
fenfrehte Haltung des Körpers
beim Eintauchen zu achten. Das
Ueberſchlagen, eine bejondere
Kunftfertigfeit, auch ſchon vorher
am Land zu üben, gejchieht immer
durch Schwingen der Beine über
den Kopf; es kann aus dem
Grätſchſitz wie aus dem Hand:
ftüt ausgeführt werden.
393. Der Salto mortale. Diejen
Namen tragen diejenigen Sprünge,
bei denen der Körper ſich nicht um
feine Längsachje, fondern ein= oder
mehrmals um feine Breitachje dreht.
Durch die verſchiedenen Richtungen,
die beim Salto mortale
angenommen werden — ——
können, hat auch er NH *5*
zahlreiche Variationen, E
nämlich: vorwärts—
vorlings, vorwärts—
rücklings, rüdmwärts-
vorlings, rückwärts—
rücklings ꝛe.
394. Sprünge an
Geräten. Die Sprüns
ge an Geräten jeten
gute Turnfünjte vor=
aus; auch werden fie
über Stangen, über die
Schranfe ıc. als Hoch—
jprünge ausgeführt.
Dem Flugjprung,
einem freien Barriere=
jprung, läßt ſich aud)
ein Salto mortale hin=
zufügen. Beim Bar:
rierejfprung wer—
den die Hände auf:
gejegt und nad er—
folgtem Abjprung die
Arme über den Kopf
genommen.
395. Das Dauer:
oder Tourenſchwim⸗ 215. Der Ueberſchlag mit der Handſtütz.
* \
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— —
1
IM
4 M
J
VDDVVVV———
Nro. 395.
216. der Salto mortale
vorwärts=vorlinas.
der beite deutſche Schwinmmer, er—
zählt in jeinem kleinen Buch über
„Zraining des Schwimmens“, daß
er jeden Sommer mit der täglichen
Ginübung von 150—200 m be=
ginnt; nad drei Wochen legt er
€. Gräfin Baudilfin.
die Strecke von 200 m bereits unter
3 Minuten zurüd. Trogdem er aber
„Langſtreckenſchwimmer“ ift, geht
er im Training nie über 600 m
binauf, jhwimmt für gewöhnlich
jogar nur 400 m und nur vor
einem längeren Rennen über 1000
oder 1500 m jchwimmt er diefe
Streden ungefähr 14 Tage vor dem
Wettſchwimmen zwei= bis dreimal.
Emil Rauſch iſt Seitejfchwimmer
und, wie er jelbjt zugibt, beim
Wenden gegen Bruſt- und Spanifd):
ſchwimmer im Nadteil, da diefe ihre
Strede jtet3 genau vor Augen haben
und deshalb nur halb jo gewandt
wie der GSeitefhwimmer zu fein
brauchen. Das Seiteſchwimmen hat
dagegen, wie Rauſch jagt, den Vor—
teil bejjerer Atmung.
Pflegt man das Dauer: ober
V. 3. Schwimmſport.
Tourenſchwimmen, ohne ſich zu
einem Meiſter ausbilden zu wollen,
ſo iſt es vorteilhaft, bei beſonders
langen Strecken, vielleicht 2 —8⸗
ſtündigem Schwimmen, die Tempi
des öftern zu wechſeln. Bei einem
Wadenkrampf, der jedes Schwim⸗
men mit den Beinen momentan
unmöglich madt, wirft man fich ſo⸗
fort auf den Rüden und ſchwimmt
jo lange mit den Armen, bis der
Krampf ganz vorüber if. Sind
nicht ganz ſichere Schwimmer oder
Ungeübtere bei der Partie, fo muß
in einiger Entfernung ein Boot
folgen. Bei größeren Touren
Ihwimmt man zu Beginn gegen
den Strom, mit dejlen Stärfe man
überhaupt zu rechnen hat, und zu—
rück mit dem Strom.
Niemals halte man beim Trai-
nieren für lange Streden oder
beim einfachen Tourenſchwimmen
plögli auf, noch fteige man ſo⸗
fort aus dem Wafler, fondern zur
Beruhigung des Herzens joll der
Trainierende noch einige langfame
Tempi ausführen, der Dauerſchwim⸗
mer allmählich feine Fahrt verlang-
famen.
396. Die Rettung Ertrinten-
der, Wie im Anfang betont wurde,
fol jeder Echwimmer ed lernen
und üben, in Kleidern zu ſchwim⸗
men. Dennod iſt e8 von größtem
Borteil, fi raſch aller oder doch
der beengenden Kleidungsftüce wie
der Stiefel, des Rodes, der Wefte ıc.
zu entledigen, ehe man zur Hilfe
ing Wafler fpringt. Ein unbeflei-
deter Menfch dagegen iſt ſchwerer
zu retten als ein befleideter. Vor
allem verjuche man ftet3, von hin⸗
ten an den Ertrinkenden heranzu=
fommen; ijt er bereit3 untergegan-
gen, jo laſſe man fi in feiner
Nähe auf den Grund und ftoße
feinen Körper mit Träftigem Stoß
nad oben, worauf man fi) ſelbſt
Nro, 396-397.
Gefahr für den Retter liegt immer
darin, daß der Ertrinkende ſich an
ihn klammert, vor allem feine Beine
umfaßt; um diefem für beide ver-
derbenbringenden Moment vorzu⸗
beugen, fucht man den Ertrinfenden
unfchädlich zu machen, indem man.
fi jeinen Körper auf die Bruft
zieht, eventuell feine Hände mit
einem Arm umklammert und ihm
verfichert, daß er gerettet fei. Ein
legte Mittel, fich feiner zu erweh—
ren, fall er durd) feine Todesangft
droht, auch den Retter hinabzu=
ziehen, ijt, ihn durch einen heftigen
Schlag auf den Kopf zu betäuben.
Einen befleiveten Menſchen dreht
man auf den Rüden, faßt ihn an
feinem Rockkragen oder fonft an
einem feiner Kleidungsftüde und
fchleift ihn Hinter fich her.
397. Wiederbelebung Ertrunfe:
ner, Iſt der Ertrinfende glücklich
gelandet, gibt aber fein Lebens—
zeichen mehr von fih, jo ftelle
manihn nit auf den Kopf
— wie es früher faft ausnahmslos
gefhah. Durch die obligatorische
Einführung der Esmarchſchen Sa=
mariterfurfe an den deutjchen See-
mannsſchulen werden heutzutage,
Gott jei Dank, die verantwortlichen
unter den Seeleuten (Steuerleute
und Schiffer) über die richtigen
Wiederbelebungsverjuche belehrt.
Als erites entlleide man den
Erirunfenen, reinige ibm Mund
und Naſe von Schlamm ufm., lege
ihn auf den Bau, jchiebe ein
Polſter, eventuell aufgerollte Klei-
dungsftüde unter feine Bruft und
drüde auf feinen Rüden, um das
eingejchludte Waſſer zu entfernen.
Darauf dreht man ihn wieder auf
den Rüden und beginnt fofort
mit Atmungsverjuhen, die man
eventuell ftundenlang fortjegt. Man
Ihiebt dazu das Polſter unter den
Nüden, zieht die Zunge aus dem
vom Grunde abſtößt. Die größte | Munde und bindet fie am Kinn
— — — —
—
J
* *
E. Gräfin Baudiſſin.
Neo, 398- 400.
By
— \.7 % 0 |
— Ya
-
——
—— — —— —
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N —9 e ä WW Vs 2b
Ya)
398. Vorſichtsmaßregeln
Schwimmanſtalten.
Schwimmanſtalten ſollen Geräte
zur Rettung Verunglückter vorhan:
den
Stangen, Rettungsgürtel mit auf—
fu)
es A)
in
allen
In
fein; nämlich lange, feſte
HAT, AR
9
—
en hi
geſchoſſenen, zur Handha—
bung bereiten Leinen; ferner
Boote mit brauchbaren Nie:
men und vor allem ftets
eine Wache.
0 RK;
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MA I N N AU NE
AR 7 N N N
I) L-
DELL.) —2* Hl
217? u. 218. Künftliche Ein und Ausatmung.
feft; niet zu Häupten des Verun—
glüdten, erfaßt beide Arme ober-
halb des Ellbogend und hebt fie
langfam über den Kopf — Ein—
atmung — zählt bis drei und führt
die Arme wieder hinab bis zum
Bruftlaften, den man dabei ſtark
zuſammendrückt Ausatmung.
Dies Berfahren wird nach kurzen
Pauſen 15—18mal in der Minute
wiederholt. Beginnt der Beruns
glücte zu atmen, jo hüllt man ihn
warm ein, legt ihm Wärmflafchen
an die Füße und in die Seiten,
reibt den Körper unter der Dede,
bürftet die Fußſohlen und Figelt
ihm Nafe und Schlund mit einem
Federbart. Sobald er fchluden
fan, beginnt man ihm heißen,
ſtarken Kaffee, Wein oder dergl.
einzuflößen.
In Schwimmanſtalten die von
Kindern beſucht werden, muß die
Aufmerkſamkeit der Wärter und
Bademeiſter ſtets wach ſein.
399. Freiſchwimmer. Ebenſo
dürfen nur Freiſchwimmer, d. h.
Schwimmer, die 15 Minuten ohne
Aufenthalt durchmeſſen haben, das
Baſſin verlaſſen und ins tiefe Waſſer
gehen. Unter der „Fahrt“ verſteht
man das Schwimmen von einer
halben Stunde, das von einer gan⸗
zen heißt das „Totenſchwimmen“.
Bei den letzten beiden Proben darf
der Schwimmer nad) Belieben die
Tempi wechſeln; die erfte Probe wird
durch Bruftihwimmen abgelegt.
400. Kunſtſchwimmen. Unter
„Kunftihwimmen“ verfteht mar die
exakte Ausführung berjelben Tempi
von mehreren Schwimmern zu glei-
V. 3. Schwimmſport.
cher Zeit. Es eignen ſich zu dieſen
gemeinſamen Künſten das Kette—
ſchwimmen (ſich an den Händen
halten oder die Arme unterhaken),
das Tanzen (gemeinſames Waſſer⸗
treten), gemeinſames Rückwärts—
ſchwimmen, beim Rückwärtsſchwim⸗
men einen Kreis bilden, oder einen
Stern, in dem die Füße gegenein—
ander geſtellt werden 2c. Das
„Srerzieren” wird bei jedem milis
tärifhen Shaufhmwimmen vorge
führt und zwingt zu ganz bejonders
forrefter Innebaltung der Tempi.
401. Wafferfpiele. Einfachere
deutiche Spiele.
Das Tauziehen gleiht dem
auf dem Lande: es werden zwei
gleich ftarfe Parteien gebildet, deren
Teilnehmer ſich die ind Tau ge-
nüpften Schlingen um die Bruft
legen und auf ein Signal hin mit
Aufmwendung aller Kraft nad) ent-
gegengefegter Richtung Schwimmen,
bis der Tetenjchwimmer einer Par:
tei ein beſtimmtes Ziel erreicht hat.
Das deutſche Waffjerball-
ſpiel, aus dem engliihen und
amerifanifchen Wafjerpolo entitan:
den, bat zwei Parteien zu fieben
Mann, zwei Tore und einen Fuß-
ball nötig; die fiegende Partei muß
in 2mal 7 Minuten den Bal am
häufigſten durch das feindliche Tor
geworfen haben; nach den erjten
7 Minuten findet ein Platzwechſel
der Parteien ftatt. Die von Ul-
rih Baer im Jahr 1898 aufge
ftellten Epielregeln find vom Bor:
ftand des Deutſchen Schwimmver:
bandes angenommen worden, folg:
lich maßgebend.
an re a
Nro. 401.
Das Fauftballfpiel hat wie
dad Polo zwei Spielfelder, von
denen jedes durch eine Partei von
8 Spielern bejegt wird; der Ball
ift aus Gummi und hat 25 cm
Durchmeſſer. Die Spieldauer be—
trägt 5 Minuten; die fiegende Bartei
muß am meijten „Punkte“ und
„Spiele” gewonnen haben. Ein
„Punkt“ wird gewonnen, wenn der
Bal die vor der Waflergrenze ge⸗
zogene Duerlinie, die von einem
5 m breiten, 1'/, m über das
Waſſer ragenden Tor unterbrocden
wird, überfchreitet; ein „Spiel“,
wenn der Ball das feindliche Tor
pafjiert. Hierauf findet Platzwechſel
der Parteien ftatt.
Das Kriegsballfpiel. Das
Spielfeld wird durch zwei Leinen in
ein größeres Mittelfeld und zwei
fleinere Seitenfelder geteilt, eben]o
die Spieler in drei Parteien. Der
leichte Gummiball bat nur 15 cm
Durchmeſſer. Die Mittelpartei ſpielt
gegen die beiden andern, die ſich
den Bau nicht zumerfen dürfen.
Trifft der Bal einen Spieler der
feindliden Bartei, jo bedeutet dies
einen Punkt Minus für diefe Partei,
der Ball darf das Waſſer nicht be=
rühren. Drei Minuspuntte gelten
ald ein „Gang“; drei „Gänge“
entjcheiden den Sieg. Nad jedem
Gang wechſeln Mittel: und Außen:
feld die Bläße.
Das Kriegsballfpiel wie das
Fauftballfpiel find von Herrn Otto
Scharf vom Krefelder Schwimm:
verein erfunden.
(Waſſerpolo fiehe bei Polo.)
26
HE IE IE IR IE IE IE IE IE SE IE SE SE IE IE IE SEE IE
VI. Die Jagd.
Von
f. v. Sichart, Major a. D., München.
1. Das deutfche Weidwerk.
1. Gelchichte, der Jäger und fein Werkzeug, Jagdwelen.
402. Die Geſchichte des Weid—
werks ift jo alt, wie das Menjchen-
geſchlecht und mit deſſen Geſchichte,
den Wechſel der Zeiten und Sitten
überdauernd, auf das innigſte ver-
flochten und bfeibt doch ewig neu
und reizvoll, wie die Gejchichte der
Natur, die mit ihren feiten Gejegen
des Werden? und Vergehens bis
auf die heutige Zeit noch jo viele
ungelöfte Nätfel birgt. — Sm
Ringen um dag Herrſcherrecht mit
den jtärferen Tierarten teild zur
eigenen Sicherheit, teils zum Schuße
der nutzbringenden Tiere, fand der
Menſch der grauen Borzeit allmäh-
lich im Uebergewicht die geeigneten
Kampfmittel und mit deren Ber-
vollkommnung wuchs in ihm die
Luſt am Grproben der eigenen
Kraft und Lift, die Freude an Er:
folg und Sieg. Aus dem Kampf
ums Dafein mar mit dem zuneh-
menden Bemwußtjein eigener Ueber:
legenheit und dem Reiz, der in der
Ueberwindung der Gefahr liegt —
die Luft am Weidwerk entftanden.
AB Sport im engeren Sinne
jehen wir das Weidwerk ausüben
von den Bölfern des Altertums.
Der Drient erfand die Beizjagd
und die Geftaltung von großen
Wildgehegen und Tiergärten. Im
Kultus ihrer Götter belehnten Die
Alten ihre jugendfchönen Gottheiten,
wie Apollo und Diana, mit den
Attributen der Jagd. Der große
Wildreihtum Germaniens hat auch
in unferen Altvordern die Luft am
fröhlichen Gejaide großgezogen.
Unter Karl dem Großen erhielt
die bejcheidene Art zu Sagen feſte
Formen, nach orientalifchem Beifpiel
ſchuf der Hohe, Teidenfchaftliche
Jäger ausgedehnte Yagdhofhal:
tungen und legte den Grund zu
dem, was man bis auf den heutigen
Tag nod das Vorrecht der Könige
und Herren nennt. Die freie Jagd
hatte aufgehört und das Jagdrecht
trat an feine Stelle. Mit ihm
bildeten fich feititehende Gebräuche
und Regeln beim Sagdbetriebe au.
Einen weiteren Abjchnitt in der
Geſchichte der Jagd bildete dag
Ende des 30 jährigen Krieged. Der
Wildftand war wieder gewachſen
und mit der Erfindung des Schieß-
pulver3 änderte fich der ganze Be-
trieb der Jagd felbjt.- Viele fünft-
VI. 1. Das deuffcdye Weidwerk.
lihe Yangapparate, wie die Netz⸗
jagden, fielen weg und die Dreijur
des Schmweißhundes und Borfteh-
Bundes gewann an Bedeutung.
‚Das Jagdrecht, noch ein befon-
deres VBorrecht der Fürften und des
hohen Adels, jogar der hoben
Geiftlichfeit verwandelte fih durch
Einteilung der Jagd in hohe und
niedere Jagd in Sagdregale, nad
denen die vornehmfte und edelite
Jagd, die hohe Jagd, ausschließlich
dem Herrſcher und hohen Geburts⸗
adel zufiel.
Dieſe etwas rauhe Zeit, in der
noch Fultur= und landwirtjchaftliche
Intereſſen in den Hintergrund ge⸗
rüdt waren, die Jagd ſelbſt noch
funjtgerecht geübt wurde und, wenn
nicht Krieg und Fehde die Feudal⸗
herren beſchäftigte, als vornehmiter
Lebenszweck herrſchte, könnte man
die Blütezeit des edlen Weidwerks
nennen.
Aus der Freude und Luſt am
Jagen hat ſich die Leidenſchaft
herausentwickelt. Die Befriedigung
derſelben, der unwiderſtehliche
Drang, ſich in den Beſitz des ſo
heiß begehrten Wildes zu ſetzen,
das durch ſeine Schönheit und
Farbenpracht, ſeinen feinen Inſtikt
und die ſcharfen Sinne ſo herrlich
in den Rahmen der großen, wunder⸗
baren Natur hineinpaßt, kommt den
gewaltigen Naturtrieben, die des
Menſchen Lebensinhalt beeinfluſſen
und von einſt bis jetzt die Welt
beherrſchten, vor allen anderen
Trieben am meiſten nahe.
Die rauhen Zeiten des Fauft-
rechts laſſen den alten englifchen
Sagdgrundfag erflärlih erjcheinen
„Edelmannns Sagdfreiheit, ſoweit
der Himmel blau“. Doch hinterließ
dieſer Grundſatz auch in unſeren
deutſchen Jagdgründen manche un⸗
heilvolle Spuren. Die zu ſcharfe
Betonung dieſer Jagdrechte einer⸗
ſeits, die im Volke heranwachſende
Nro. 402.
Jagdleidenſchaft andererſeits führte
zu jenen grauſamen Strafen, mit
denen der Wilderer ſeine Luſt am
Weidwerk büßte, und bildet noch
jetzt den Anlaß zu den erbittertſten
Kämpfen zwiſchen dem Jagdfrevler
und dem Jagdberechtigten.
Entfeſſelt wurde dieſe Jagdleiden⸗
ſchaft, als nach der franzöſiſchen
Revolution durch die National-
verfammlung die Freigabe der
Jagd Geſetzeskraft erhielt, welchem
Beiſpiel auch einzelne Staaten
Deutſchlands folgten. Die Tage
der pompöſen Parforcejagden waren
vorüber, auch der Leithund ver:
ſchwunden und die privaten Jagd⸗
rehte mit einem Schlage ver:
nichtet.
Die legte Periode, welche bedeu⸗
tende Veränderungen der Yagdver-
hältnifje bervorrief und von ent:
jheidendem Einfluß auf das Jagd:
mwejen unjerer Tage wurde, trat im
Jahre 1848 in die Erſcheinung.
Das Jagdrecht in feiner urjpüng-
lichen Form erhielt fi nur in der
Ausübung auf eigenem Grund und
Boden und der Jagdſport in feiner
jegigen Geftalt fand in dem Jagd—
gejeg eine in jeder Beziehung das
edle Weidwerk fördernde Baſis.
Als Gegenftand auf dem Geſamt⸗
gebiete des Sportes nimmt das
Weidwerk durch die große Neid):
baltigfeit der Materie und viel-
feitige Abwechslung eine hervor:
ragende Stelle ein troß der Gegen
vorftellungen der Nichtjäger, die it.
dem Meberliften und Töten des
Wildes eine graufame unäfthetifche
Betätigung erbliden.
Nur der echte Weidmann ift im-
ftande, die hohen ethiſchen Begriffe,
die in den verfhiedenen Momenten
ihn feelifh jo befriedigen, ihren
vollen Wert nach zu beurteilen.
Das Gefühl der Erwartung
großer Sägerfreuden und die viel:
verfprechenden Vorbereitungen, das
ro. 403.
3. v. Sichart.
Borfpiel gewiffermaßen, ferner | man mit dem Wort „meidgeredhi“
die Erreichung des fehnlichen Wunz= | bezeichnen muß. Dieſen Charatter
ſches und der endlihe Befig, der
un glüdliiden Schuß feinen Ab-
ſchluß findet, der Höhepunkt
derbetätigten Jagdleiden—
haft, und die Erinnerung,
die in der Jagdtrophäe als Geweih,
Gehörn, Federſchmuck oder als na-
turgetreues Präparat die Gedanken
jo reizvoll rückwärts Fonzentriert,
ſozuſagen das Nachſpiel, alle
dieſe drei Momente mag der Weid⸗
mann nicht miſſen, ſie erſt geben
feinem Jägerleben den rechten In-
halt. Sm modernen Leben der
Ueberfultur entrüdt ihn dag Weid—
werf aus der erftifenden Luft und
der Unnatur des gejellfchaftlichen
Lebens, er fühlt ſich wieder als Kind
der Naturvon drückender Taft befreit.
403. Der Jäger und Weib-
mann. Die Dualififation zu einem
wetdgerehten Jäger erwirbt
man fich nicht durch Geſchicklichkeit im
Tontaubenſchießen, obwohl dieſer
Sport zur Erhöhung der Schieß⸗
fertigfeit fehr nüglid) genannt wer=
den mag, auch nicht, wenn man
auf den Hühnerjuchen oder bei den
großen Hafenmorden, gen. Kejjel-
jagden, gewohnt ift, ftet3 mit dem
beten Rekord abzujchlieken, over
wenn man burdh ſeine hohe Streden-
zahl an Hirſch, Rehbock, Auerhahn,
Fafan 2c. in regelrechten Jubiläen
jeine Schießfertigfeit in breiter
Deffentlichfett rühmen läßt. Bei
diefer Art zu jagen ſpielt die Eitel-
feit Die Hauptrolle. Die teuerften
Gewehre, die eleganteften Jagd⸗
anzüge, die venommiertefien Hunde,
die durch den Mammon erleichter:
ten Sagdgelegendeiten und der
ſchrankenloſe Gebraud der fogen.
jilbernen Kugel geben dieſem
Sportsmann wohl das Relief zu
einem gewaltigen Säger. vor dem
Herrn, zu einem richtigen Kern
fehlt ihm jedodh eben das, was
fann man ſich nicht erwerben, weder
durch Fleiß noch Geld, er muß an-
geboren fein. Diejer Charalter
findet feinen Inhalt in der großen
Liebe zur Natur, in der Gabe, im
Buche derfelben zu lejen, in dem
Verſtändnis aud für die kleinſten
Freuden des Wildes und in dem
warmen Herzen für feine. großen
Leiden, ferner in dem fcharfen und
geübten Blick im Beitätigen und
Anſprechen des Wildes, ſowie in
der Enthaltjamfeit und der weid:
männiſchen Art der Erlegung.
Neben dieſen Eigenſchaften ift
erforderlich ein gründliches Eingehen
auf die Lebensgewohnheiten des
Wildes. Kein Studium, auch der
beiten Werfe, genügt, hier muß in
der zwar goldenen, aber rauhen
Jägerpraxis erſt der Bruch erwor⸗
ben werden, der den Sportsmann
zum weidgerechten Jäger
ſtempelt.
Hirſchgerecht und fährten—
gerecht nennt man den Säger,
der imftande ift, aus der Fährte
des Wildes, der Art ihres Ein:
dvruds im Erdboden, ferner aus
den vom Wildkörper herrührenden
Veränderungen in der Umgebung
der Fährte jede Wildart, auch in
bezug auf Stärke und Geſchlecht,
feftzuftellen, fein Verhalten und
Benehmen im gegebenen Augen:
bit richtig anzuſprechen und den
Sik der Kugel, die Schwere der
Verwundung und ihre Art ficher
zu beftimmen.
Was die Förperliche Befähigung
die Schießfertigteit und Wider:
ttandsfähigfeit des Jägers gegen
Mitterungseinflüffe betrifft, fo
dürften erflärende und erläuternde
Worte überflüfftg fein, der Begriff
von Sport jeglichert Art ftellt die
Beherrſchung des abgehärteten und
geftählten Körpers als feftftehenden
Kr
5
———— — — u —
VI. 1. Dax deutſche Weidwerk.
oberiten Grundfag an die Spibe
feiner Theorien.
404. Die Bekleidung und Aus:
rüftung des Jägers bildet einen
wichtigen Zweig bei der Ausübung
ver Jagd. Sm allgemeinen kann
als Grundfag gelten, fih im Som:
mer nicht zu leicht, im Winter nicht
zu warm zu fleiden. Naturfarben
und widerſtandsfähig ſoll das
Kleid des Jägers ſein. Der Hoch—⸗
gebirgszjäger wird andere Anfor⸗
derungen ſtellen, wie der Flachland⸗
jäger.
Der eine liebt leichtere, loſe
Kleidung, der andere feften, ge-
ſchloſſenen Sit. Geſchmack und
Mode, Zahreszeit, Witterung, Höhen-
lage und Sagdart, ob Pirſche oder
Anftand, Sudhe oder Treibjagd,
find von entjheidendem Einfluß,
ebenfo ob der Jäger längere oder
fürzere Zeit auf dem Stande fidh
befindet, ob er genötigt ift, viel
und anhaltend in ebenen oder ber:
gigem Gelände zu jagen.
Auch in der Wahl des Sagd-
ftoffed, od Loden oder Mancheſter,
Molle oder Leinen, Glaceleder oder
ſämiſches Leder, geben Liebhaberei
und Grfahrung den beiten Aus—
Thlag. Jedes Land mit feinem
vorherrfchenden Iandwirtfchaftlichen
Charakter, mit den verschiedenen
Sitten und Gebräuchen hat feine
eigenen Bariationen, feine bejtimmte
Mode und Bedarfsgrundfäge. Die
am Schlufje des Werkes aufgeführ:
ten großen Sportmagazine und
renommierten Fabriten geben von
der Neichhaltigfeit diefer Materie
genügenden und für. die nähere
Auswahl treffenden Aufſchluß.
Die Unterfleidung fei je nad
Sahreszeit nicht zu leicht, von großer
Aufjaugungsfähigfeit, nicht läftig
für die Haut und doch ein wirk—
famer Schuß gegen Verkühlung.
Der Schuh oder Knieftiefel ſei nicht
zu ſchwer, bequem am Fuß, mit
Niro. 404.
niederen Abfäten verfehen und
waſſerdicht, gleichviel ob Sommer
oder Winter, Schnee oder Regen
und Tau feine Feftigfeit auf die
Probe ftellen. Die. Feuchtigkeit,
die durch das Leder ſchlägt und
den Fuß durchnäßt und erfältet,
fann zur größten Gefahr für Die
Gejundheit des Jäger werden und
Ihlimme Erkrankungen zur Yolge
haben. Die Frage, ob Schnürſchuh
oder Schaftftiefel, genagelt oder
glatt und mit Gummifohlen ver:
jehen, muß die Jagdart entjcheiden.
Sm Sommer find für den Schnür=
ſchuh hohe Wadenftrümpfe oder
Leinengamafchen, im Herbit und
Winter Gamaſchen von Leder mit
oder ohne Vorſchuh und ſolche von
Loden oder Filz zu empfehlen. Die
Kopfbedeckung ſoll möglichſt leicht
und weich ſein, ſie darf die Stirne
nicht zur Schweißbildung reizen
und ſoll die Augen ſchützen gegen
blendendes Sonnenlicht. Die Joppe
ſelbſt, gleichviel aus welchem Stoff
fie gewählt wird, ſoll viele Innenz,
wenig Außentafchen "haben, im
Winter find fog. Mufftafhen fehr
praftifih. Die Weſte kann aud)
Aermelweſte ſein, im Sommer und
Herbſt aus leichteſtem Gewebe, be—
quem im Ruckſacke zu tragen, im
Winter aus weichem Leder oder
feſter, warmer Wolle. Auch die
Pelzjoppe hat große Vorzüge. ALS
ganz vorzüglich hat fich der Wetter:
mantel bewährt, der in jeder Form
den Jäger vor den Unbilden der
Witterung zu ſchützen vermag, ohne
ihn, wegen feine geringen Ge:
wicht, zu beläftigen. Er: wird
praftifch zufammengelegt, teil® auf
der Schulter, wie im Hochgebirge,
teil® Durch die Lederriemen des
Ruckſackes gezogen, den Jäger nicht
ſehr belaſtigen Der gleiche Stoif
wie für die Sjoppe ift auch für
die Sagdhofe maßgebend.
Die weitere Ausrüftung Des
ro. 405.
Jägers befteht in einem feſten, ſo⸗
livden Jagdmeſſer mit feftzuftellender
Klinge, Korkzieher ꝛc., in Jagdtafche,
Patronentaſche oder Rudjad und
Jagdglas. Letzteres ift für den
Pirſchjäger unerläßlid. Die op-
tiihen Fabriken ftellen dasfelbe in
vorzüglicher Güte her, eine nähere
Aufklärung hierüber erfcheint mir,
als zu befannt, überflüffitg. Große
Lichtſtärke und weites Geſichtsfeld,
auch bei fehlechter Beleuchtung, ift
unerläßlid. So groß die Vorzüge | f
der modernen Prismengläfer find,
die einfachen, aber lichtſtarken
Sagdgläfer haben fie big jetzt noch
nicht zu verdrängen gewußt. Die
jchwierigfte Probe für das Jagd:
glas ift die Dämmerung, bei der
das Wild am häufigſten austritt
und melde eine große Lichtftärke
des Glaſes verlangt.
405. Die Kunft des Schießens
befteht in der Fertigkeit, ven Schuß,
Schrot oder Kugel, dahin zu werfen
bezw. zu dirigieren, wo er tödliche
Wirkung hat. Beim jtehenden oder
ziehenden, d. i. langſam ſich bewegen⸗
den Wild, ift dag ja feine Kunſt, nicht
aber beim anlaufenden, flüchtenden
oder fliegenden Wilde, das ab:
warts oder aufwärts, in der Ebene,
vom Säger weg, d. h. jpi von
hinten, oder zum Jäger, ſpitz von
vorn, Jich bewegt, oder halbſpitz,
im Hafen abjpringt, die Schnellig-
feit ändernd unter leichten oder
fchwierigen Berhältniffen, auf kurze
Dauer oder längere Zeit ſichtbar
wird und Dadurd) die Trefflicherheit
auf harte Proben ftellt. Ungemein
zahlreich find die Variationen, na⸗
mentlich wenn ſchlechte Beleuchtung,
Nebel, grelle® Sonnenlidt und
Schneeblende ihren Einfluß dazu
äußern, verjchiebt und erjchwert
fih der Zielpunkt, mit ihm in
naturnotwendiger Folge der Treff:
punti, wenn auch oft unmerklich,
aber im entſcheidenden Moment
3. v. Sichart.
ausſchlaggebend. Nicht in Anrech⸗
nung iſt hiebei das Jagdfieber ge⸗
bracht, d. i. die mehr oder minder
hochgradige Aufregung, die ſich des
Jägers beim Anblick beſonderer
Wildarten bemächtigt und im
Hirſchfieber den Höhepunkt zu er⸗
reichen pflegt, ein fieberhafter Zu⸗
ſtand, der den Jäger oft außer
Stand ſetzt, den Schuß abzugeben,
in weniger aufregenden Fällen die
Treffſicherheit zum mindeſten ſtark
chädigt.
Der Schrotſchuß iſt nur auf
Niederwild und Federwild anwend-
bar und bietet dur die ſtarke
Streuung der Schrote größere
Treffwahrjcheinlichkeit, findet aber
feine Grenze auf 45 m, d. i. die
normal zuläffigfie weiteſte Entfer-
nung, darüber hinaus wird jelbft
von den beiten Gewehren eine ver:
läffige Leiftung nicht immer zu er:
warten fein. Das MWild verdient
nicht, daß es nur zur Erreichung
einer hohen Stredenzahl erft lange
Leiden zu ertragen hat, bis e8 end-
lich von diefen erlöft wird. Wohl
haben die Gewehrtechnik wie die
Patronenfabrifen vorzügliche Ge:
wehre und Munition in den Handel
gebracht, die bei genauem Zielen
eine weite Schußbiftang zu redt:
fertigen fcheinen, aber die von
Stimmung, Laune, Witterung und
Gewandtheit abhängige Treffſicher⸗
heit auch des ſonſt zuverläſſigſten
Schützen iſt nicht immer fo gleich⸗
bleibend, daß dieſer zur Aufſtellung
des Grundſatzes ſich berechtigt halten
darf: „Mein Gewehr hat bis auf
80 Schritte Durchſchlag und Deckung,
alfo ſchieße ich auf 80 Schritte.“
Bleibt nun dad Wild auf Diele
Entfernung .nicht im Feuer, dann
glaubt der. betreffende Herr gefehlt
zu haben, während das betreffende
Wild frank abgeht. Eine gemiffen-
bafte Prüfung des Anfchuffes und
Nachſuche dürfte wohl felten von
|
t
1
VI. ı. Das beuffche Weidwerk.
diefen Herren erwartet werden,
namentlich wenn die Streden groß
find und jagdlide Genüffe noch
mehr in Ausficht ſtehen. Weid-
geret nennt man ſolche Säger
De Kugelſchuß verlangt große
Uebung und wird jehr jchwierig
auf flüchtendes oder eilig ziehendes
Wild, das von Bäumen und Sträus
ern gededt wird. Im allgemeinen
fol man die Kugel im Lauf be:
halten, wenn man das Blatt des
Wildes nicht frei befommt. Weid-
wundihüffe und Laufihüfle gelten | m
im allgemeinen als ſchlechte Schüffe.
Ueber die Theorie des Zielen und
Schießens ſehe ih in Anbetracht
des beſchränkten Raumes hinweg
und befchränfe mi nur dem Cha-
ratter des Werkes als „Goldenes
Buch des Sportes“ entſprechend
einige goldene Regeln anzuführen.
Grelles Sonnenlidt gibt Kurz
ſchuß, ſchwaches Büchſenlicht Hoc:
ſchuß. Wild im dunklen Hinter:
grund erjcheint weiter, man über:
fhätt hier häufig die Diftanz, beim
Schießen bergab und aud in der
Ebene wird die Diftanz häufig
unterfhäßt. Sonnenlicht von der
Seite ergibt Abweichung des Ge-
ſchoſſes nach der entgegengejetten
Seite, ebenfo Verdrehen oder Ber:
fanten des Laufes, auch das zu
fefte Anftreiden an einem Baum
ergibt gleichfeitige Abweichung.
Kommt der Hafe jpig oder halb—
fpig von vorn, fo ilt der Schuß
vor den Hafen in defjen Laufrich-
tung binzumerfen, fpringt der Hafe
vom Schügen weg, muß über ihn
binausgefchoffen werben.
Nah aufftehendes Flugmwild joll
erſt bejchofjen werden, wenn es
Flugrihtung genommen hat, den
ſpitz auf den Schüßen zuftreichenden
Faſan jchießt man am ficherften ins
Geſicht oder nach raſchem Umdrehen
ihm nad. Der alte Kobell jagt:
| Feinkorn,
Nro. 405.
„Am Huhn von vorn, von hinten
am Haſen,
Iſt leicht das Schrot vorbei⸗
geblaſen.“
Der eingangs erwähnte Grund—
ja, den Schuß dahin zu werfen,
wo der bejte Treffpunkt zu liegen
fommt, der abfolute Tötung ver:
ſpricht, erhält noch die Erweiterung,
daß der Schüge auf flüchtendes
oder fliegende® Wild eine nad
Schnelligkeit des Wildes bemefjene
Vordiſtanz, das jogen. Borhalten,
fich jtedden bezw. zu eigen madjen
uß.
Diefe Geſchicklichkeit wird ſich in
der Praxis jo geftalten, daß man
in der Richtung des fich bewegen:
den Wildes, indem man Kopf oder
Blatt anvifiert, mit dem Gewehr:
lauf folgend eine bejtimmte Ent:
fernung (halbe oder ganze Wild-
länge) vorfährt und im Vorfahren
den Schuß abgibt, fehlerhaft wäre,
wenn man nad dem Borfahren,
wie ed manche Säger oft unbemußt
tun, einen furzen Moment ftehen
bleibt, was natürlich die beabfich-
tigte Wirkung aufhebt, die darin
befteht, ven Zeitraum zwiſchen Ent-
ſchluß, Abdrüden und Ankunft der
Schrote örtlih auszugleichen.
Es muß das Geſchoß im Mit:
ziehen des Gemehrlaufes denjelben
verlaffen. Diefe Marime ift aud
für den Kuaelfhuß auf flüchtendes
Wild mit der Modifikation maß-
gebend, daß man in Anbetracht der
bedeutenden Anfangsgejchwindigfeit
des Büchſenlaufgeſchoſſes dieſe Di-
ftanz des Vorhaltens fo verringert,
daß man bei Großmild das erite
Haar an der Blattjpike als Ziel:
punkt nimmt, bezw. an den Border:
läufen abzieht und den Moment
des Aufipringens auf die Border:
läufe als Zeitpunft des Schuſſes
wählt.
Die Unterfchiede von Grobforn,
Geftrihenforn, vom
ro. 406. v. Sichark.
Hineingehen in das Ziel, dasſelbe
auffigen oder verſchwinden laſſen,
hängen von Beleuchtung, Entfer:
nung und der Güte der Schuß:
waffe ab und find fo bekannt, daß
ih fie hier nicht näher erklären zu
müſſen brauche,
406. Bon den Jagdwaffen
fommt eingehend nur die Schuß: | 5
waffe zur Beſprechung. Die
blante Handmwaffe, der Hirſch—
fänger und dad Weidmeſſer find
nur als Beiwerk anzufehen, gehören
aber zur unbedingten Ausrüſtung
des Weidmanns, wenn es gilt,
dem angejchofjenen größeren Wild,
Hirſch, Sau, Gems oder Nehbod,
den Fang zu geben oder dag er-
legte aufzubrechen und zu zerwir⸗
ten. Diefe Tätigkeit bejchäftigt
wohl großenteil3 den Berufsjäger,
muß aber auch vom Herrenjäger
nicht nur als befannt, fondern aud)
in der grünen Praxis als wohl
geübt verlangt werden, da aud
diefer Häufig genug in die Lage
fommt, den richtigen Gebrauch da⸗
von maden zu müffen. Ein trau
riger Säger muß der genannt wer:
den, der nicht imftande wäre, den
erlegten Hirsch zu lüften oder den
Rehbock aufzubredhen. In welcher
Meife dies weidgerecht zu gejchehen
fei, findet bei der Jagd auf den
Gemsbock noch kurze, nähere Er-
klärung.
Die Jagdgewehre. Die
Entwickelung und Technik der Jagd⸗
gewehre hat mit der der Kriegs—
waffen ſtets gleichen Schritt ge⸗
halten trotz der feſten und zähen
Art, mit der im Weidwerk ergraute
Jäger an der ihnen ſo lieb ge—
wordenen alten Waffe hingen. Die
alten Borderlader mit Steinſchloß⸗
und dann Perkuffionzzündung hat-
ten in den fechziger Jahren des
vorigen SahrhundertS begonnen,
Damaft, eine Verbindung von
Stahl und Eifen, erforderte bald
nad Einführung der Handfeuer⸗
waffen viele Mühe und Sorgfalt
und die kunſtvoll, jolid und jchön
bergeftellten Läufe mit den feinen
Muftern erfreuten fich noch die
legten Sahrzehnte großer Beliebt:
eit.
Drahtdamaſt, Hufnageldamaſt,
Bernarddamaſt und türkiſcher oder
Roſendamaſt waren die in Deutſch⸗
land beliebteſten Damaſtmuſter und
werden noch heutigen Tages gerne
geführt. Die Herſtellung der Läufe
aus Eohlenftofffreiem Gußſtahl
brachte eine gewaltige Ummälzung
und Berbilligung der Läufe.
Die meilten Hinterlader
tragen das Kipplauffyften oder
wie dag Dreyfefche einen auf ber
Bewegung der LZäufe erjt nad) vor:
wärts, dann nad) ſeitwärts beruhen:
ven Mechanismus. Schon in den
eriten fünfziger Jahren de8 19. Jahr⸗
hunderts waren die franzöfilchen
Lefaucheur- und Dreyfe-Zündnadel:
gewehre in Gebrauch gekommen.
Anlehnend an die Berkuffionszün-
dung der alten Vorderlader, bür-
gerten fih die Lancaftergemwehre
raſch ein, die noch heutigentags
vielfach im Gebrauch ftehen.
Das hahnenloſe Schrot—
gewehr, das in der Dreyſeſchen
Schlagbolzenzündung eine weſent⸗
liche Verbeſſerung erhalten und in
dem Teſchner⸗Collathſchen Gewehr⸗
ſyſtem eine große Vervollkomm⸗
nung und Verbreitung gefunden
hatte, findet in der Neuzeit allge⸗
meinen Eingang und wird von den
großen renommierten Gewehr⸗
fabrifen Deutſchlands in vorzüg-
lider Qualität bergeftelt, melde
den engliihen Fabrikaten in nicht?
nachſteht.
Die Herſtellung von rauch—
den Hinterladern Platz zu machen. ſchwachen Pulverſorten mit
Die Fabrikation der Läufe aus ſtarkem Gasdruck bereitet dem
— —
VI. 1. Das deuifche Weidmwerk.
Schhwarzpulver gewaltige Konkur⸗
renz, bedingt jedoch einen hohen
Grad von Feitigkeit in den Ver⸗
fchlüffen und tadellofe Sicherung. | |
Ohne amtlihe Beſchußprobe follte
fein Gewehr gefauft werden.
Die Leiftung eined guten Ge-
mwehrlaufes ijt bedingt durch den
Grad der Streuung und des Durd)-
ihlagd. Die Chofbohrung,
auh Würgebobrung genannt, d. i.
die Verengung des Laufes auf 10
bis 15 cm vor der Mündung, hat
diefe Frage glüdlich gelöft. Diefe
Bohrung bezwedt, den vorderen
Zeil der Schrotjäule derart in
ihrer Bewegung aufzuhalten, daß
die mit großer Gefchwindigfeit auf
die vorderen aufprallenden Schrot:
förner in diefe eindringen, fich ein
feilen und ihre größte Kraft auf
dieje übertragen. Die Bibrationg-
und GlaftizitätSverhältniffe der
Läufe müffen auch hierbei in Be:
rüdfihtigung treten, denn es hat
fid in der Erfahrung oft genug
ergeben, daß nicht ein Chokhohr⸗
lauf wie der andere fchießt. Un⸗
gleichmäßigfeiten in der Wand:
ftärfe und im Zuſammenlegen der
Läufe ift gleichfalls beftimmend auf
die Güte der Chofbohrung.
Die Steigerung der Schußbereit-
fhaft hat auf dem Gebiete des
Schrotſchuſſes die Schrotrepe-
tiergewehre geſchaffen, unter
denen das Windejterfgftem und das
Bromningrepetiergewehr die Füh—
rung übernommen haben. Die Zahl
der Schüffe ift 5—6. Leider müfjen
diefe Gewehre jehr ftarf gebaut wer:
den, find deshalb ziemlich ſchwer und
Ladehemmungen nicht immer zu
vermeiden, jo daß gegebenen Falles
ein derartige® Gewehr jchließlich
auf das Niveau einer einläufigen
Zlinte im günftigen Falle zurüd-
fintt, ein Vergnügen, das durch
da8 hohe Gewicht ziemlich ‚teuer
und gemwährleijtet
Niro. 406,
befferungen find ja nicht ausge-
ſchloſſen, eine abfällige Kritik joll
auch von meiner Seite dies nicht
ein.
Die Kugelgemwehre finden
in Berbindung mit Schrot—
läufen Verwendung als Büchs—
flinten einfachen Syſtems, Bod-
büchsflinten, bei denen der Stugel:
lauf unter dem Schrotlauf fich be-
findet, als Schrotdrillinge mit
einem Kugellauf unter den Schrot-
läufen oder als Doppelbüchsdril:
ling mit dem Schrotlauf unter den
Kugelläufen, als PVierling mit je
zwei Schrot: und Kugelläufen ꝛc.
Ich fege voraus, daß diefe Waffen
alle zu befannt find und begnüge
mich, noch beizufügen, daß die Be-
nügung des zylindrischen Schrot-
laufes für den Kugelfhuß durd)
die Erfindumg paffender Gefchoffe
mit bejonderer Führung, wie der
Witzlebenſchen Yanggeichoffe und
der Stendebachgefchoffe, eine fehr
glüdlihe Löfung gefunden hat, fo
dag ſowohl Büchsflinte wie Schrot-
drilling bei Rotwildjagden eine Ver=-
wendung als Doppelbücdjen er:
halten können. Diefe Gejchojie
geben auf 80 m nody einen recht
guten Schuß.
: Reine Kugelgemwehre find
die Doppelbüchſen, einfachen Pirjch-
büchfen und Repetierbüdjjen. Leb-
tere finden, mögen fie Mannlicher-,
Maufer: oder Martinifyftem führen,
Verwendung bei den Jagden auf
Notwid, Tamwild, Gams und
Sauen und werden aud), wie Büchs-
und Drillinge, mit Ziel-
fernrohre verjehen viel ge—
braudt. Dieſes Fernrohr firiert
auch auf weite Entfernung durch
dag im Glas an Etclle des Bifiers
‚enthaltene Fadenkreuz, den Ziel:
ftachel oder Zielknoten, das Objekt
einen ficheren
Schuß. Für alte Augen, die fern-
erfauft wird. Doc — künftige Ver⸗ ſichtig geworden find, ift das Ziels
Rev. 407.
fernrohr ein guter Notbehelf. Die
Möglichkeit, durch Die große Schuß⸗
leiftung der kleinkalibrigen Waffe
einen weiten Schuß zu wagen, ent:
bindet den meidgeredhten Jäger
nidt von der Berpflichtung, nur
im äußerften Notfalle einen der:
artigen Schuß zu wagen, denn es
iſt unmöglid, das Pirſchzeichen
des getroffenen Wildes auf weite
Entfernung zu erkennen, den An⸗
ſchuß richtig feitzuftellen, abgejehen
davon, daß nad meiner Anficht
gerade in ber Weberwindung
größerer Schmierigfeiten und im
längeren und näheren Beobachten
und Anpirihen des Wildes mit
der Hauptreiz der Jagd zu fuchen tft.
Das Kaliber ver Kugelläufe
variiert zwiſchen 6 und 11,5 mm,
das Fleinere Kaliber 6 und 7 mm
wird ſich wohl nur auf Kleinwild
und bei Schonzeitbüchſen (geringes
Gewicht, geringer Knall) erhalten.
8 mm dürfte auf größeres Wild
wohl dag zuläffig Heinfte Kaliber
bleiben, es beiteht Gefahr, daß
namentlich bei größeren Wildarten
der Wildförper glatt durchſchlagen
wird, wenn das Geſchoß nicht auf
Knochen zu treffen fommt. “Das
Mild hat geringen Schweißverluft,
und kommt in den feltenften Fällen
zur Strede, leidet jedoch große Not
und geht meiſt aud ein.
Ringgefchoffe, Reifringgeſchoſſe,
Randkegelgefhoffe und folde mit
Kupfermantel haben fämtlih die
jagdlihe Probe mit Erfolg beſtan⸗
den, jedes für fih hat feine Be—
rechtigung und erfordert bei Be-
rüdfihtigung der Stärke der Ladung
und der Dualität des Laufes erſt
die Beftätigung feiner Leiftung in
der grünen Praxis. |
Die gebräuchlichſten Schrotfaliber
find 12, 16, 20 und entfpreden
einer Lauffeelenweite von 18,6,
17 und 16 mm.
407. Der Jagdhund, der
EIl————— —
J. v. Sichart.
treueſte Freund und Begleiter des
Jägers, findet ſeine Verwendung
faſt in allen Zweigen der Jagd.
Seine ſcharfen Sinne, vor allem
die feine Nafe, laſſen ihn geradezu
als unentbehrlich ericheinen. Es
gehört ein angeborenes Verftänd-
nig dazu, alle die Eigenſchaften,
die in dem befähigten Hunde liegen,
audzulöfen und fih nußbar zu
machen. |
Ich befchräufe mich darauf, nur
fur; die Verwendung der verjdie:
denen Jagdhundearten zu jfizzieren.
Der Vorſtehhund dient zum
Auffuden und Vorſtehen des
Wildes in Wald und Flur, mag
er nun Deutſchkurzhaar oder Lang⸗
haar oder Pointer, Stichelhaar oder
Griffon, Gordonfetter, iriſcher
Setter oder engliſcher Setter fein.
Er fol eine vorzüglide Naje und
unbedingten Gehorfam befigen, ein
verläjfiger Apporteur zu Waſſer
und zu Land fein und auch Schneid
auf Raubzeug haben. Schweißfährte
verläfftg zu halten, Tod verweiſen
oder verbellen läßt ihn noch wert:
voller erſcheinen. Befist ein Bor-
ſtehhuud nun alle diefe Eigen:
ſchaften, und zwar mit der Durd-
ſchnittsnote gut, jo wird er dem
Jäger geradezu unentbehrlich wer:
den. Das Ausbauen diefer Eigen:
ſchaften erhöht den Wert, die Be
deutung und den Reiz der Jagd
in hervorragender Weiſe und ift
von unverfennbarem Einfluß auf
das Prädikat der „Weidgerechtig⸗
keit“ des Jägers ſelbſt. Jeder Jagd⸗
herr ſollte die ſtändige Führung
ſeines Jagdgenoſſen ſtets ſelbſt
übernehmen und nicht allein auch
der bewährteſten Hand ſeiner Be:
rufsjäger überlaſſen.
Im Hochgebirg bei der Jagd
auf Hirſch und Gams findet der
genannte Vorftehhund feine Ber:
wendung, feine Eigenjchaften Fön:
nen ji dort bei dieſem Jagd—
VI. ı. Das deutſche Weidwerk.
betrieb nicht entfalten. Hier ift der
Shmweißhund und Dachshund
mehr am Pla. Auch der beſte
Hochgebirgsjäger kann den Schweiß
Hund nicht entbehren. Die Auffin-
dung der Anfchußitelle, der Schweiß:
fährte ift durch den Gebirgs—
charakter ſo erſchwert, Felſen, Ge⸗
röll, Schnee und Eis verwiſchen
dort in kurzer Zeit jeden Eindruck,
daß es ſchon der feinen, findigen
Naſe des auf kurzen, gedrungenen
Läufen ruhenden Schweißhundes
bedarf, das Wild zur Strecke zu
bringen. Der Schweißhund, ob
Dachshund oder hannoverſcher oder
ſog. Gebirgsſchweißhund, führt an
der Leine den Jäger verläſſig zum
Wild oder verbellt das verendete
Stück oder hetzt den Angeſchoſſenen
mit hellem Halſe zu Stande, bis
ihm der Jäger den Fangſchuß zu
geben vermag. Seine Dreſſur be⸗
ruht mehr auf Anlage und lang⸗
währende Praxis, verlangt einen
ſehr geübten, geduldigen und er-
fahrenen Jäger.
Einen Erſatz bildet der oben
ebenfalls erwähnte krummläufige
Dachsſshund oder Dackel, ein
ungemein intelligentes, aber eigen⸗
ſinniges und ſchwer abzurichtendes
Tier. Er findet vornehmlich als
Bauhund Verwendung, um Fuchs
und Dachs zu ſprengen, iſt wegen
feiner großen Schneid und Ge:
mwandtheit aud) an Sauen zu ver:
wenden und leiſtet wertvolle
Dienfte bei Waldtreiben in dichtem
Unterholze durch feinen eminenten
Sagdeifer, namentlich wenn er ge=
mwöhnt wird, nicht über den Bogen
hinaus zu jagen, auch beunruhigt er
den Wildftand nicht, da das Wild,
namentlid Reh und Hafe, den
furzläufigen, mehr eifrigen als
fchnellen Kleinen Kerl bald zu fürd:
ten verlernt. Auch ald Schweiß:
hund leiftet er an der Leine her⸗
vorragende Dienite.
Nro. 408.
Ihm ähnlich, aber viel drefjur-
fähiger ift der Spaniel oder
Machtelhund, eine Hunderaffe,
die nah vielen Dezennien Ber:
gefienheit jett durch Züchtung
neuen Auffhwung erhält. Der
Spaniel ift wenig größer als der
Düdel, befigt guten Appell, läßt
fih leicht abrichten, lernt raſch
kleineres Wild zu apportieren,
zeigt gute Naſe und ſtöbert laut
jagend im dichteſten Geſtrüpp durch
ſeine ſtarke Behaarung geſchützt auf
Haſe, Huhn, Faſan, Schnepfe, Reh
und lernt mühelos totverbellen.
Die Beſchreibung der Dreſſur
des Jagdhundes überhaupt fällt
nicht in den Rahmen des Sports,
die Kenntnis derſelben iſt aber für
den Sportsjäger ſehr wichtig, da
von der Tüchtigkeit und Verläſſig—
feit des Hundes zum größten Teil
der Erfolg des Jägers abhängt.
408. Einzeljagd. Die vor:
nehmfte und genußreichite Art zu
jagen, ift die Pirfhe. Sie foll
am beiten allein ausgeübt werden
und erhält erſt dann ihren Haupt-
reiz, wenn der betr. Säger ohne
Hilfe oder Anmweifung und Führung
eines Sagdbegleiters dieſe ausübt.
Selbftverftändlich ijt genaue Kennt:
nis des Nevierd wie des Stand-
ortes und der Wechſel des Wildes
Grundbedingung. Lautlos, im lang:
famften Tempo, häufig ſtehen⸗
bleibend, jedes Geräufch vermei-
dend, mit gutem Winde, überall
binfehend und =hörend, pirfcht der
Jäger alle die Stellen ab, wo er
das Wild vermutet. Er darf nicht
planlo8 feinen Weg gehen, die
Zeit und Dertlichfeit wohl bered-
nend und abmwägend, dem Wild
auf feinem Wechſel oder augen:
blilihen Aufenthalt entweder zu
begegnen oder ihm nachzuziehen
oder defien Wechfel Freuzend. Die
Iharfen Sinne des Wildes mohl
berücfichtigend,muß man jede heftige
Niro. 409-411.
Bewegung vermeiden, ftet3 Dedung
juhend, jede Fährte und jedes
Zeichen ift zu prüfen, und da man
immer mit der Möglichkeit rechnen
muß, plöglih mit dem erjehnten
Wilde zufammenzutreffen, foll man
ſtets jchußbereit fein. Die ftändige
Erwartung, die ſtarke Erregung
und Anjpannung aller Sinne läßt
diejfe Sagdart ald eine der reiz-
vollften erſcheinen.
409. Der Anftand. Hier er:
wartet der Säger entweder vom
Hodftand oder der Kanzel aus,
oder gededt Hinter Baum und
Straud, oder in einem durch
Zweige bergeftellten Schirm fißend,
dag an- oder dDurchwechjelnde Wild.
Der Bla hierzu, ebenfalld mit
Berückſichtigung des Windes, wird
ausgewählt entweder in der Nähe
von Aeſungsplätzen oder von be—
liebten, vom Wild mit großer
Regelmäßigkeit bejuchten MWechjeln.
Diefe Jagdart ift fehr bequem, weil
hierbei die Hauptarbeit der Berufs:
jäger oder Sagdaufjeher ſchon vor:
weggenonmen hat. Sie erfordert
nur viel Sigfleifh und Geduld,
namentlih wenn Wind und Wetter
und im Hochſommer Stechmücken,
Schnafen 2c. den Aufenthalt unge=
mütlich zu machen drohen. Der
über die Zeit Hinwegtäufchende
und die Nerven beruhigende Tabaf
it auf Hochſitzen und bei bejtem
Winde als wirtfamer Schnakenſchutz
nicht zu verachten. Gilt der Ans
ftand aber Hiric oder Sau, dann
muß fich der Jäger auch dies ver-
jagen, namentlich wenn er boden:
eben den Anſitz wählt. Die befte
Zeit für den Anstand ift der Mor:
gen vor Tau und Tag, wenn das
Wild von den Aefungsplägen zu—
rückwechſelt in die fchügenden
Dickungen, und der Abend beim
Ausmwechjel aus dem Hol;.
410. Die Suchjagd mit dem
3. v. Bidyarf.
genußreichiten allein oder in fehr
Keiner Gejellfhaft ausgeübt. Die
Hühnerfudhe im Herbit mit dem
gut arbeitenden Borftehhund iſt
ein frifches, fröhliches Gejaide.
Unabhängig von andern Weid—
genofjen wählt man jelbft jeinen
Weg, nad) eigenen Gejchmad fein
Zempo und überläßt fih ganz
feinen Neigungen, augenblidlichen
Gefühlen und dem Snftinkt des
fiher revierenden Hundes.
Ich vermeide abſichtlich, auf
nähere Detail3 einzugehen, da bei
der Befchreibung der verſchiedenen
Wildarten die Bejagung derjelben
noch. näher zum Ausdruck gebracht
wird. Die Jagden auf das balzende
Waldhühnerwild, auf Echnepfen,
Bekaſſinen und Enten, auf den
Brunfthirih, den brunftenden Reh⸗
bo und die Gamsbrunft gehören
in dad Bereich der Einzeljagd, Der
Pirfhe wie des Anftandes und
findet an geeigneter Stelle Er:
örterung.
411. Die Gefellihaftsjagd
findet in der Sudjagd eine Er-
weiterung, wenn eine größere An=
zahl von Herrenjägern fich zu einer
gemeinfamen Hühnerfuche vereinigt,
wobei in größeren Zwifchenabftän-
den ein bejtimmtes Feldrevier mit
den Vorſtehhunden abgeſucht wird.
Außerden findet die Streife im
Spätherbit oder Winter in ähn-
licher Weile ſtatt, zwifchen je zwei
Herrenjägern gehen ein oder zwei
Treiber zur Aufnahme des erlegten
Mildeg, und tag Kefjeltreiben,
wobei ein freisförmiger Dijtrikt
mit Schützen und Treibern abge—
ftelt wird. Sobald der Kreis ge=
Ichlofjen ift, geht alles konzentriſch
nad) der Mitte vor bi auf etwa
200 m Durchmefjer, hierauf bleiben
auf Hornfignal die Schüßen ftehen,
während die Treiber nad) der Mitte
des Kreijed zujammentreten. Die
Sorftehhund wird ebenfall® am jetzt noch nach außen flüchtenden
VI. 1. Das deutfche Weidwerk.
Hajen und Hühner dürfen von
“ diefem Augenblid an nur mehr
nad rückwärts bejchoffen werden.
Den Borjchriften des Jagdleiters
ift hierbei unbedingt Folge zu
geben. Die näheren Anordnungen
find ſtets vor Beginn der Jagd
genaueſtens befanntzumaden, und
jeder Säger wird verpflichtet, die-
felben einzuhalten.
412. Die Borftehtreiben find
Ctandtreiben, bei denen dag Wild
in Feld oder Wald auf die Stände
der Schützen von einer Treiber:
wehr zugetrieben wird. Es werden
von den meift in Bieredform an
gelegten Trieben Front und Flan⸗
fen von den Jägern befest, die "in
bequemer Schrotſchußweite augein-
anderjtehen, von der vierten Seite
gehen die Treiber an. Der Wald
fann nur als Vorftehtreiben bejagt
werden in größerer Gefellichaft.
Eine fehr beliebte Art ijt das Rie⸗
geln oder die Riegeljagd, die auf
eine bejtimmte Wildart nur von
wenigen Sägern ausgeübt wird.
Sft die Treiberzahl nur bes
ſchränkt, der Wald fehr dicht, die
beftodten Hänge fehr jteil und mit |
ftarfem Unterwuchs bewachſen,
dann werden als Erſatz von Trei⸗
bern Dackel zur Jagd verwendet.
Dieſe Jagd hat große Vorteile, es
wird kein Wild übergangen, die
kleinen flinken Hunde ſchliefen
überall hinein, machen das Wild
hoch, welches andererſeits durch
die nicht eben ſehr ſchnellen, kurz⸗
läufigen Dackel ſich wenig beun-
ruhigen läßt. Zu häufig darf eine
derartige Jagd nicht ausgeübt
werden, ohne daß Gefahr beſteht,
das Wild zum Meiden dieſer Jagd⸗
bezirke bezw. zum Auswandern zu
veranlaſſen.
Die Jagd mit hochläufigen
Bracken wird nur wenig geübt,
in den Donauländern, in Bosnien
und der Herzegowina iſt
Brackenjagd ſehr beliebt. Sie er—
fordert vorzüglich eingejagte und
abgerichtete Hunde.
Die Lappjagd findet auf Rot-
und Schwarzwild ftatt. Es werden
vor Beginn der Jagd beftimmte
Triebe, in denen dad Wild gerne
fteht, mit Feder: oder Tuchlappen
umzogen, um das Wild zu ver:
hindern, den Trieb zu verlaffen.
Das Einlappen Tann vollitändig
oder teilmweife gejchehen. Die
Schüten ftehen innerhalb der Lap—
pen, welche jichtbar am gegenüber:
liegenden Rand der Schneußen und
Waldwege in Mannshöhe ange:
bracht werden, jo daß dag Wild
diefe gut eräugen kann. Das Wild
wird dann von den Treibern rege
gemadt. Bei eingeftellten oder
Zeugjagden wird dag Wild, das
zum Abſchuß beftimmt wird, in
einem Triebe vereinigt, der der:
maßen von hohen Leintüchern,
Sagdzeug genannt, eingefaßt iſt,
daß dieſes Wild, wenn es getrieben
wird, nur an beftimmten offenen
Stellen, den Ständen hoher Jagd—
herren, den Bogen verlafjen kann.
Eine weitere Jagdart ift
413. Anfahren im Pirſchwagen,
welches auf dem Erfahrungsgrund:
fat beruht, daß dad Wild den
Magen weniger ſcheut ald den
pirjchenden Jäger. Es findet auf
Rehe, Dammwild, Trappen, Wild:
gänfe 2c. Anwendung. Das Wild
wird umfahren, der Schüte ſchießt
entweder vom Wagen aus oder
fteigt, wenn er Dedung findet,
unauffällig während des langſamen
Fahren? aus dem Wagen, das
Wild äugt dem Wagen nad), und
der Jäger ſucht das Stück zu er-
legen, das zum Abſchuß beftimmt
ift. Diefe Jagdart ift ſehr beliebt
bei Feldrehen, denen ſonſt nicht
gut beizufommen ift, wird auch im
Wald mit Vorteil angewendet. Das
die | Wild hält auf Schlägen, im lichten
|—m—
Nro. 414—415.
Hochholz 2c. den Wagen länger
aus, den ed von den Holzfuhr-
werfen gewöhnt ift, ohne zu flüch⸗
ten. Der erhöhte Sig im Wagen
ermöglicht auch dem Jäger befjere
Meberfiht in jungen Beftänden.
Trappen und Wildgänfe find nur
in bäuerlichen Defonomiewagen
anzufahren, ihre Scheu und ihr
Mißtrauen vereitelt auch hier Härifig
die Bemühungen bes Jägers.
414. Die Wildhege ift ein in-
tegrierender Zweig des deutſchen
Weidwerks, ich möchte ſie die Nähr⸗
mutter der Jagd nennen, ihr ſach⸗
gemäßer Betrieb ift an den Aus-
drud „Weidgerechtigfeit” gebunden
und zu Diejer gehörig, wie der Baum
zum Wald. „Kein Heger, fein Jäger.”
Die Wildhege findet ihren Aus-
gangspunkt in der treuen Fürſorge
für das Wild, in der Linderung
feiner Not, in der Hilfe in be=
prängten Berhältniffen, in der rich⸗
‚ tigen Beurteilung feiner normalen,
Ihönen Form, der Regelung des
Geſchlechtsverhältniſſes und dem
Schu vor den Jagdſchädlingen.
Ale Wild, dad nidt in Wild:
parks eingeengt ift, ſucht fich die
ihm am meiften zufagende Aeſung
felbft, legt oft große Streden zu⸗
rüd, ein Umjtand, der bei be-
fhränttem Jagdbetrieb, den Pacht⸗
fagden, meift das Mißvergnügen
des Jagdherrn hervorruft.
Dem Wilde zufagende Futter:
mittel zu gewähren, es vor dem
Auswechſeln zu bewahren und ihm
über die Zeiten der Not hinwegzu⸗
helfen, ift der Zweck der Fütterung.
Bei Eintritt des Winters ſucht
das Wild, in erfter Linie Rotwild
und Nehwild, die ſogenannten
Winterftände auf. Das find fon-
nige, trodene Lagen, Hänge gegen
Mind geihüst.
415. Dort werden praftifche
Sutterftelen ausgewählt, die eine
Störung des Wildes ausfchließen,
FT ⸗
X. v. Sichart.
am beſten im Schutz dichten Hoch—
holzes. Nähe des Waſſers iſt
wünſchenswert. Die Futter—
ftände beſtehen aus gedeckten
Raufen, um das Trockenfutter,
gutes Wald⸗, Wieſen⸗ oder Klee⸗
heu, vor Feuchtigkeit von oben wie
unten zu bewahren. Vor dem
alleinigen Gebrauch dieſer Futterart
muß entſchieden gewarnt werden,
da Erkrankungen des Panſens,
Darmkolik ꝛc. die häufige Folge
dieſer Fütterung ſein werden. So
mancher gute Rehſtand iſt dadurch
auf lange Zeit ruiniert worden,
namentlich, wenn die Natur ſelbſt
in Weichhölzern und Ranken nicht
Abhilfe getroffen hat. Es ſind alſo
nicht immer Nahrungsmangel, wohl
aber das Fehlen jeglicher Flüffig:
keit, ſowie Verdauungsbeſchwerden
die häufigen Urſachen von Erkran⸗
kung und Eingehen des Wildes.
Sind Pfriemenkraut, Wacholder,
Haſelſtauden, Himbeer- und Brom:
beerranken, Miftel, wilder Jasmin,
Salweiden und Aſpen reichlich im
Revier vorhanden und dem Wilde
durch Ausfhaufeln des Schnees
und Legen von Xeften und Zweigen
zugänglich gemacht, dann leidet das
Wild neben der Trodenfütterung
im allgemeinen feine Not. Al
Erſatz Diefer Pflanzen von reich⸗
lihem Gehalt an Wafjerftoffen
können Rüben, Kartoffeln, Kalte:
nien, Eicheln, Wildobft, auch Hafer:
gaben verwendet werden. Ohne
diefe Erjfagmittel darf das Salzen
des aufgefterften Heues nicht ver-
gejfen werden. Warm empfohlen
wird Das Auslegen von Laubreifig,
welches ſchon im Mai und Anfang
Juni no im Volfaft geſchnitten,
zu Wellen gebunden, an fchattigen
Orten für den Winter aufbewahrt
wird, Eine ſchwere Zeit beginnt
mit dem Eintritt des Frühjahres
für die ſchwächeren Stücke, die durch
die Larven der Haut- und Rachen⸗
Yin
Yun,
VI. 1. Das deuffche Weidwerk.
Nro, 416- 417.
bremfe viel an Lebenskraft ein- Hege durch die Büchfe Hand in
büßen, während die ftärferen,
widerftandsfähigeren Stüde leichter
diefe Parafiten aus dem Darm:
fanal ausſcheiden oder dieſelben
aus der Lunge auszuhuften und
durh den Windfang (Nafe) aus:
zuftoßen vermögen. Eine große Er⸗
leichterung bieten dem Wild bier
die Salzleden. Die Anlage
derjelben iſt frühzeitig zu beginnen,
die einfachſte Zufammenfegung be⸗
fteht aus 4 Teilen Lehm, 1 Teil
Kochſalz, gut gemengt und in einem
Kaften eingejchlagen mit einem
Salzftein verjehen und mit Anis
beftreut, der dag Auffinden der
GSalzleden mejentlih erleichtert.
Waſſer fol in erreihbarer Nähe
fih befinden. Die mit phosphor⸗
faurem Kalt verbundenen Lediteine,
wie das Holfeldihe Pulver und
das Wengleinſche Cervolith be-
günftigen nebenbei eine gute Ge:
mweihbildung.
416. Unter Hege mit. der Büchſe
verfteht man nit bloß, daß der
MWeidmann mit der Büchfe feinem
Nutzwild den nötigen Schuß ver-
leiht, durch rationelle Abjchießen
Schlechter Wildſtücke, die durch Ber:
erbung auf den Wildftand degene-
rierend einwirken fönnen, muß auch
dag Geſchlechtsverhältnis geregelt
werden, e8 muß aber aud) dem
guten Bol und ſtarken Gemeih-
träger die Gelegenheit zur Ber-
erbung gegeben und der Abſchuß
erft nach diefer Zeit betätigt wer—⸗
den. Auch dieſe Art der Hege mit
der Büchſe gehört zur Weidgered):
tigkeit und Tann nicht ſcharf genug
al3 goldene Regel betont werden.
Geht rationelle Fütterung mit der
Hand, dann wird aud ein Wild:
ftand erftarfen, ein Berftändnig für
beide Arten muß von jedem Weid:
mann verlangt werden, denn erft
die fahgemäße Durchführung und
Ueberwachung wird dem Jagdheren
die Jägerfreuden garantieren, die
er von feinem Wildftand erhofft.
Macht fich trogdem in einer Wild-
bahn eine ftarfe Degeneration be:
merfbar, dann kann nur Blutauf-
friſchung Helfen, indem ſtarke,
widerftandsfähige Stüde beider Ge:
ſchlechter eingeſetzt werden müſſen.
417. Bevor ich zur Anwendung
deutſchen Weidwerks übergehe,
möchte ich erſt einige Worte der
Weidmaunnsſprache widmen. Ihr
Urſprung iſt auf die Blütezeit des
Weidwerks zurückzuführen. Sie hat
ſich ſeitdem unverfälſcht erhalten
und ihr Gebrauch ſoll und kann
von jedem verlangt werden, der das
Weidwerk betreibt. Im Anhang
findet ſich nur ein kurzer Teil
dieſer Sprache. Doch ergeben ſich
viele Ausdrücke aus dem Zuſam⸗
menhang ſelbſt und laſſen durch
ihre Einfachheit und Kürze kaum
ein Mißverſtändnis zu.
Die Einteilung der Wild—
arten in Tiere der hohen und
niederen Jagd entſpricht nicht nur
der Anſchauung unſerer Altvordern,
ſondern wird auch heutigen Tages
mit kleinen Abänderungen gegen
früher von unſeren guten Jagd:
fohriftftelern gewählt, eine Bezeich:
nung, die ich vollfommen zutreffend
und auch für unſere jegigen jagdlichen
Berhältniffe und Begriffe geeignet
halte, fo daß ich gerne der Fährte
der bewährten Autoren folge.
Niro. 418.
J. v. Sichart.
2. Hohe Jagd.
Haarwild.
418. Der Edelhirſch, der König
der Wälder, das höchſte Ziel aller
Sehnſucht des Jägers, der Traum
jeiner Nächte. Seine Verbreitung
fönnte überall fein, wo große zu=
fanımenhängende Forſte und tiefe
Waldesruhe die notwendigen Le-
bensbedingungen liefern. Troß
unferes großen Waldreichtumg find
die guten Rotwildjtände Deutfch:
lands zu zählen und ein nennens⸗
mwerter Stand nur da, mo hoher
Herren Weidgerechtigfeit dem edlen
Wild eine Heimftätte bereitet oder
wo gejinnungstüchtige brave Weid-
männer geit, Geld und Mühe nicht
fheuen, den Hirih vor dem Aus-
fterben zu bewahren. Forftliche,
wie landmwirtfchaftlide Hochkultur
erfchweren dem Rotwild das Da⸗
fein, welches durch fein fcheueg,
heimliches Wefen und feine fcharfen
Sinne ohnehin jede Störung läffig
empfindet und noch obendrein durch
feinen Schaden an jungen Pflanzen
und bäuerliher Ausjaat fich ge—
ringer Beliebtheit der am grünen
Tiſch figenden Herren des Forft:
fachs, wie der ewig über Wild-
Schaden klagenden Agrifel erfreut.
Wenn der Wonnemonat der Natur
ihre Gaben verleiht, Wald und
Feld in friſches Grün hüllt, fett
das Nottier fein Kalb, felten zwei.
Das männlide Kalb mird im
1. Sahre feine Lebens Hirfchfalb,
dag weibliche Wild» oder Tierfalb
genannt. Der noch in den Kolben
(nenne Geweihbildung) befindliche
Hirſch Tebt mit feinen Artgenofien
von Beginn des Winter an ger
rudelt, iſt jegt ungemein fcheu und
meidet ängjtlich das weiche, im Baft
befindliche, noch nicht verecdte Ge:
weih anzuftoßen, gemeſſen find feine
Bewegungen. Im Juli, bei Beginn
der Schußzeit, hängt ihm der Baft
noch in Feten vom Gemweih, defjen
Enden noch nicht verhärtet und
blanf gefcheuert find ; feinen Stand-
ort und Wechſel maht er dem
Jäger durh Schlagen und Fegen
an jungen Stämmen befannt, doch
zu Geficht befommt diefer ihn nicht,
gar heimlich wird fein Wefen, wenn
dag Geweih verfegt ift und Die
Teiftzeit beginnt, man jagt, der
Hirſch fürchte jet fogar feinen
eigenen Schatten. Beim Kahlmwild
(Mutterwild mit Kälber, Schmal-
tiere und Gelttiere [unfruchtbar])
ftehen nur geringe Hirſche, Jung:
hirſche vom 1. Kopf, Spießer,
Gabelhirſche und ſchwache Sedjer.
Der gute Hirſch, deſſen Fraft-
ftrogender Körper ſich immer ge:
mwaltiger formt, zieht allein oder
nur mit Artgenofjen auf Aeſung.
Zuvor einige wenige Worte über
Gemweihbildung.
Im allgemeinen find die Hirfche
des Flachlandes ſowohl an Körper:
gewicht, wie an Geweihbildung den
Gebirgshirfhen überlegen. Die
ſtärkſten Hirſche mit befter Geweih—
bildung bringt Oſtpreußen hervor,
ebenſo die Donauniederungen in
Oeſterreich, alle aber übertrifft der
ungariſche Hirſch und zwar ſind
hervorzuheben die Leibgehege des
Kaiſers in Gödöllo, Bellye und der
Bukowina. Der bayeriſche Ge⸗
birgshirſch hat kurze gedrungene
Form und wenig Neigung zu
reicher Endenbildung und weiter
Auslage. Der Hirfch ift eben auch
ein Produkt feiner Heimat. Klima⸗
tiſche, Boden- und Nefungsverhält-
niffe bedingen die Konftruftion der
Geweihform. Gegenftand der Wild-
hege follte e8 bleiben, auf Wah⸗
rung der Eigenart der Gemweihbil-
dung hinzuarbeiten und nicht dur)
Einfegen fremden Gatterwildes den
— — — — — — — — *
— 7*
— — 0.
|
|
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deuffche weidwerk. No, 418.
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) 219. Geweihbildung des Birfches. Aus Grashey, Handbuch für Jäger.
8 1. Spießerjtufe. — 2. Gablerftufe. — 3. Sechferftufe. — 4. Achterjtufe. — 5. Zehner:
' ftufe. — 6. Zwölferftufe. — 7. Dierzehnerftufe. — 8. Schadhirfchgeweih. — 9. Abnormität.
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eigentlichen typiſchen Charakter zu auch an dieſer Stelle nicht ungehört
ſteöoören. Ernſte Worte find in dieſer verhallen.
Sinſicht bei den jährlichen Geweih- | Ungefähr im 15.—18. Monat
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ausſtellungen gefallen und möchten | hat der Spießhirſch, als Sir vom
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Niro. 418.
3. v. Sichart.
2. Kopf, fein 1. Gemweih fertig, im | legten Büchfenlicht3 verläßt cr das
April des fommenden Jahres wirft
er es ab.
Als 2. Geweihftufe gilt im all:
gemeinen das Gabelgeweih, doch
fommt e3 häufig vor, daß der Hirſch
vom 3. Kopf diefe Stufe überjpringt
und ein Sechſergeweih aufjeßt.
Das 3. Gemweih fest der Hirſch
vom 4. Kopf auf, indem er neben
der entwidelteren Augjproffe (Ende
über den Lichtern) noch die Mittel:
iprofje veredt, er fann zum zweiten
Mal ein Sechſer (guter) oder ge—
ringer Achter fein.
Nad) dem 3. Abwurf feßt der
Hirſch vom 5. Kopf fein 4. Geweih
auf, iſt Achter geworden und jagd=
bar, zählt aber immer noch nicht
zu den ſchußbaren Hirfchen, denn,
ift fein Wuchs kraftvoll und fein
Gemeih vielverfprehend, dann ver:
langt das ungejchriebene Gejek der
Wildhege die Schonung des Zus
kunftshirſches.
Das 5. Geweih iſt Zehnergeweih,
einfacher Kronenhirſch wird er,
wenn er an beiden Stangen die
Vereinigung von je 3 Enden zeigt.
Eine Vermehrung dieſer Krone um
je ein Ende wird als doppelte, in
manchen Gegenden als 4. Krone
(4 Enden) bezeichnet. Eisſproſſe
iſt das Ende zwiſchen Aug- und
Mittelſproſſe und iſt bei den baye—
riſchen Gebirgshirſchen im allge—
meinen nur angedeutet. In ſpäteren
Jahren, mit dem Zurückgehen des
Geſchlechtstriebes, ſetzt der Hirich
zurück und kann, wenn er die
Kronenenden verliert und vielleicht
nur Gabel oder Sechſerſtange zeigt,
als Schadhirſch viel Unheil ſtiften
beim Abkämpfen zur Brunftzeit.
Die Krone der Jagd auf den
Hirſch iſt die Pirſche. Der Feiſt—
hirſch liebt es, in großen Dickungen,
in Brüchen, im Geröhricht, ja ſelbſt
in hohen Getreide ſich unfichtbar
zu machen, erſt nad) Schwinden des
ſchützende Aſyl, um auf Xefung zu
ziehen, und lang vor Tagesanbrud
wechjelt er wieder ein. Anftand
und Pirſche erfordern viel Orts—
und Sachkenntnis, viel Geduld und
Erfahrung. Oft Hilft der Zufall,
dem wie ein Gefpenft plögli auf:
tauchenden, zu begegnen. Ohne Be:
finnen beißt es dann, dem ebenjo
Ueberrafchten mit fefter Hand und
fiherem Auge die Kugel anzu:
tragen. Scharf muß der Säger
nah Abgabe des Schußes dag
Pirſchzeichen beobadten, d. i.
da3 Zeichen, dag der Hirfch beim
Erhalten der Kugel madt und die
Art feiner Flucht.
Beim Blattſchuß in die Herz-
fammer zudt dag Wild nad) vorn
nieder, bäumt ſich ſofort hoch auf,
geht in rafender Flucht ab, um
dann zufammenzubrecden.
Beim Lungen, Leber- oder
Milzſchuß zeichnet dag Wild
ähnlich, ſchlägt auch mit den Hinter:
läufen aus, bleibt bald ftehen, ver
Schweiß liegt oft in großen
Tropfen, ja fogar Klümpden neben
der Fährte.
Beim Schuß auf den Hals
bleibt dag Wild im Feuer, wenn
der Haldwirbel oder die Drofiel
durchſchlagen ift, ſonſt ift es ſchwer,
das Stück zur Strecke zu bringen.
Der Weidwundſchuß geht
durch das Geſcheide oder den Pan:
fen, dag Wild geht mit krummem
Rüden ab, braucht unbedingt län
gere Ruhe nad dem Schuß. Der
Scmeiß ift gemifcht mit unverdauter
Aeſung, ſonſt ſpärlich.
Beim Laufſſchuß iſt der Schweiß
hellrot, das Wild ſtürzt wohl ge-
legentlich vorn oder hinten zufam:
men, kommt aber wieder N die
Läufe und gebt Häufig verloren
(ihleter Schuß).
Beim Krell: oder Feder:
ſchuß ftreift das Geſchoß Die
VI. 1. Pas dentſche Weidwerk.
Wirbelfäule, das Stüd bricht ſo⸗
fort zufammen, fommt auf die
Läufe und nicht zur Strede. Hohl:
ſchuß wird der Schuß zwiſchen Blatt
und Wirbeljäule genannt, ohne ein
edles Organ merklich zu verlegen.
Rad) dem Schuß muß der Schüße
den Anſchuß verbredden, ein joforti-
ges Nachgehen ijt unftatthaft, außer
wenn man den Hirjch hat zufammen-
brechen hören. Erſt nach 1—2 Stun-
den, je nach der Art des Schuffeg,
darf die Nachſuche beginnen.
Gegen Mitte September, wenn
die Nächte Fühler werden, tritt
der Hirſch in die Brunft, er
zieht den Brunftpläßen zu, die Alt:
tiere jchlagen ihre Kälber ab, die
fich oft zu Waiſentrupps zufammen-
rudeln. Allmählich wird das Brunft:
fonzert in den fälteren Nächten
vielftimmiger: Der Platzhirſch treibt
das Wildbret zu Rudeln zufammen,
verjagt die anderen Hirſche und
duldet nur einen Beihirſch beim
Nudel. Die raftlofe Unruhe Tag
und Nacht, der jtarfe Brunfttrieb
und die geringe Aufnahme von
Aeſung nimmt den Hirjch jehr mit,
er kommt ftart ab an Wilobret,
nimmt einen fcharfen, weithin duf-
tenden Brunftgeruh an, jein Hals
ift did geſchwollen, feine Mähne
ftarr und dicht. Mächtig ſchallt in
der Stille der Nacht der Brunft-
Ichrei ded Gemwaltigen. Die Füh—
rung und Sicherung übernimmt
das Wild, trogdem iſt der Rede
noch äußerſt vorfichtig, auch feine
Lebenszähigkeit nimmt zu, er braucht
einen guten Schuß anı rechten Fleck.
Wenn der pirfchende Säger dem
Brunfthirſch nicht näher zu fommen
vermag, ruft er ihn durch den
Schneden an (Muſchel, um das
Schreien des Hirfches nachzuahmen),
der Hirſch antwortet. Tritt er aber
aus der Didung nicht heraus, ge⸗
nügt oft das Mahnen des brünftigen
Tieres, defjen Ton hervorgerufen
Nro. 418.
wird, indem man die Nafenflügel
mit den Fingern zufammendrüdt
und den franzöfifhen Artikel un
herausquetfcht. Auch der Anſitz
auf Kanzeln und Hodfiten
wird gewählt, teils beim Auswechſel
zur Aeſung, beim Durchwechſel zur
Suhle oder beim Einwechſel, er:
fordert jedoch viele Ausdauer und
bietet oft nur geringe Chancen.
Am beiten gelingt dag Trei:
ben mit nur einem Treiber, der
die großen Didungen durchdrückt,
langjam hin und ber gebt, einen
dürren Aſt abbrechend und ſich ab
und zu räufpernd. Der beunruhigte
Hirſch verläßt den Beſtand und
fommt oft ziemlich vertraut auf
dem Wechfel dem Jäger. Guter
Wind unerläßlih. Alte gewißigte
Hirſche laſſen ſich nicht gerne trei=
ben, namentlich nicht von großer
Treibermwehr, fie gehen durch dieſe
zurüd und bleiben ſtehen. Manch—
mal glüdt es, vom Schüßen weg:
zutreiben und zwar ziemlich laut,
wenn der Hirsch ſich nun drüct, wird
zurüdgetrieben und zwar faſt laut-
108. Im Gebirg ſucht man die Hirfche
auf Zwangswechſel zu bringen.
Hat die Schußzeit auf den Hirſch
ihr Ende erreicht, dann beginnen
die Kahlmildjagden. Man ver:
meidet Kälberftüde zu ſchießen, d.h.
Tiere mit Kälber ; diejelben find im
Trieb leicht erfennbar, da das Kalb
der Mutter unmittelbar folgt. Das
Kopftier oder Leittier, welches die
Führung des Rudeld übernommen
hat, ift meiſtens ein Kälberftüd,
einzelne Stüde, wie Schmaltiere
und Gelttiere (unfrudhtbar), ſehr
ſchwache Kälber, auch Hirfche mit
ſchlechter Gemweihbildung, zurück—
geſetzte Hirſche ev. auch Kahlhirſche
oder Plattköpfe, auhMönche genannt,
d. h. Hirſche ohne Geweihbildung,
gehören auf den Abſchußetat.
Unbedingtes Erfordernis zur
Jagd auf Rotwild ift ver Schwe iß—
un ne —
Nro. 419—420.
3. v. Sichart.
hund, er mag reiner Schweißhund Weiden, Birken, Aſpen und andere
oder Dackel oder Vorſtehhund fein, in Schwarzholzbeſtänden vorkom-
ſobald er nur totverläſſig auf
Schweiß arbeitet oder verbellt.
Außer dem Mahnen des Tieres
hört man häufig das Schrecken,
ein ausgeſtoßener plärrender Ton
des Tieres, als Zeichen der Unruhe,
ſobald es etwas vernommen oder
eräugt hat oder windet, ohne richtig
erkannt zu haben. Iſt Rotwild un⸗
ruhig geworden, dann tut der Jäger
gut, die Pirſche abzubrechen.
Die Fährtenkunde gehört in
das Gebiet der alten Jägerzunft;
es iſt für den Pirſchjäger not—
wendig, ſie zu wiſſen und dieſe
Fähigkeit in dem großen Buche der
Natur zu leſen, ſich anzueignen.
Daß dem Hirſch nur die Kugel ge—
hört, darf ich wohl als bekannt
vorausſetzen. Poſten oder gar
Schrotſchuß gehört in das Gebiet
der Aasjägerei.
419. Der Elch, das mächtigſte
Wild Deutſchlands, ein Ueber⸗
bleibſel aus alter Vorzeit, war
früher über ganz Deutſchland ver⸗
breitet (der grimme Schelk des
Nibelungenliedes), kommt in kleinen
Reſtbeſtänden nur noch in Oſt⸗
preußen, im Ibenhorſter Forſt bei
Tilſit, vor und wird dort, dank
ſcharfer Schongeſetze und dank dem
hohen Weidmannsſinne des deut—
ſchen Kaiſers, vor dem Ausſterben
bewahrt. Der größte Feind des
Elchwildes neben dem Menjchen ift
das Waffer. Die großen Ueber:
ſchwemmungen im Frühjahr, der
harte Nachwinter mit feinem Harſch
und den halbgefrorenen, mit brüchi⸗
gem: Eid bededten und halb unter
Waſſer ftehenden Mooren und
Brüchen fegen dem Sungwild jehr
Schwer zu, mehr noch als Nahrungs⸗
mangel. Das Elchwild ift Fein
eigentliher Bodenäfer, feine hohen
Vorderläufe weiſen es mehr auf
Nahrung von Holzgewächſen, wie
mende Weichhölzer. Der Hirſch er:
reicht ein Gewicht von I—10 Ztr.
und eine Höhe, am Widerrift ge:
mefien, von 1,85—1,90 m. Seine
Sinnesorgane find ebenfo fein wie
die des Edelwildes und ebenſo
mißtrauifch flieht er jede Störung,
der er fich durch weite Flucht, ohne
aufzuhören, zu entziehen jucht.
Seine Gangart ift ein äußerft für:
bernder Troll. Die Pirſche ift
deshalb jehr erichwert und hat nur
zur Brunftzeit Ausſicht auf Erfolg.
Der Brunftruf des Elchhirſches ift
ein zweitöniges ſtarkes Plärren,
ähnlich dem des Damhirſches, we:
niger ftarf wie der Brunftſchrei des
Rothirſches, aber doch weithin
tönend. Im Treiben verbäft fid
das Elchwild genau wie unfer Edel»
wild, und die Entwidlung der Ge⸗
weihbildung ift ähnlich. Erſt vom
6. Kopf an beginnt die Schauffl-
bildung, der Abwurf erfolgt jtufen-
weile vom Oktober bis Januar,
wie beim Rehbock, indem die ſtärk—⸗
jten Hirſche am früheften abwerfen,
am eheften aber auch mit Dem ver:
eckten Geweih und dem Fegen
fertig ſind. Den beſten Elchwild⸗
ſtand in Europa hat noch Skandi⸗
navien und die ruſſiſchen Oſtſee⸗
provinzen.
420. Das Damwild gehört in
die Familie des Edelhirjches, kommt
in verjchiedener Färbung meift al?
Gatterwild vor und ift eine Biere
jeder Wildbahn. Sin freiem Stand
fehen wir daS Dammild in Mecklen⸗
burg, Schleswig:Holftein und in
Preußen, die beiten Schaufelgeweihe
liefert Württemberg.
Bei der dritten Gemeihbildung
zeigt fich beim Hirſch vom 4. Kopf
Thon die Neigung zur Schaufel:
bildung. Die große Genügfamteit
und fein ſchmackhaftes Wildbret
haben dem Dammild einen fehr
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VI. ı. Das deutſche Weidwerk.
beliebten Standort im Wildgatter
angemwiejen.
Die Neigung zum Schälen ift ſ ehr
unangenehm und kann nur in durch⸗
greifendem Abſchuß verhütet werden,
fie wirft oft geradezu anſteckend.
Der Damhirſch tritt nach dem
Edelhirfch in die Brunft, er wird
ungemein hitzig, gemalttätig und
bartnädig in der Berfolgung, feine
Bewegungen find troß der fürzeren
Läufe und des ftärferen Körpers
fehr flüchtig, im Trollen hebt das
Dammild die Läufe jehr Hoch und
federnd und Hatfcht beim Uebergang
zur Flucht mit dem Wedel auf das
Weidloch, was der Jäger, deſſen
Kugel vorbeiging, für eine Bet:
höhnung anfieht. Der Brunftruf
ift ein fchnarchendes hartes Blöken
oder Plärren. Der Beſchlag ift
furz, das Stüd tritt zwifchen den
Borderläufen des Hirſches heraus,
während der Edelhirſch das be:
ſchlagene Stüd in brutaler Weife
zwijchen den Borderläufen heraus-
wirft, wie mir ein Augenzeuge, ein
alter Fagdgehilfe, meldete, welcher
zuſah, wie das arme Stüd gegen
einen Baumjtamm fiel und eine
Zeitlang wie betäubt liegen blieb.
Da die Lebensweiſe ded Dam:
wildes der des Edelwildes gleicht,
fo ift es ſchwer, die Pirſche
auszuüben, natürlich in freier Wild-
bahn, das Wild fteht meiftens. ge-
rudelt und bei der ftändigen Un-
ruhe einzelner Stüde und ihren
ſcharfen Sinnen glüdt es fchwer,
einem guten Schaufler die Kugel
anzutragen. Auch im Treiben
find fie nit leicht vorwärts zu
bringen, zeigen immer Neigung,
feitwärt8 oder rückwärts durchzu—
breden. Der Anftand auf dem
Hodjfige bietet noch die befte Ge-
mwähr des Jagens, da der Dam-
fchaufler fehr verläffig den Wechfel
hält. Bei guter Maft und reich-
licher Aeſung verlangt der Hirſch
Nro. 421—422,
einen guten Schuß, da er viel Feiſt
anfegt und dieſes den Schußfanal
leicht verfchließt, jo daß die Rot-
fährte jehr wenig ergiebig ift. Dem
angefchoffenen Stüde ift längere
Zeit Ruhe zu geben, denn das
Wild geht jehr weit und .erjchwert
dem guten Schweißhunde das Hal-
ten der Schweißfährte,
421. Der Steinbod fol hier nur
furze Erwähnung finden, in früheren
Sahren war im Wetterfteingebirg
und im Berchtesgadener Land noch
ein guter Stand an Steinwild, jetzt
ift dasfelbe in Deutſchland aus:
geftorben und nur den Manen dieſes
edlen Wilde gebe ih hier ein
furzges Gedenken. Der König von
Stalien befigt noch einen Beſtand
von 300 Stüd in den grajejchen
Alpen am Südfuß des Monte Roja
und dank der Wunifizenz dieſes
hoben Herren auh der Fürft
v. Pleß im Tännengebirge im
Salzburgfchen Lande. Die Erhal:
tung diefer Wildart ift ſehr ſchwer,
da die Seßzeit in die 2. Hälfte des
Februar fällt und die Kitze in ſtrengen
Nachwintern ſtark Schaden leiden.
Die Brunft tritt im Auguft ein.
422. Das Gemswild ift eine
Wildgattung, die durch ihre ſeltſame
Eigenart und ihre Lebensweiſe als
Bewohner der Bergwelt das Intereſſe
des Weidmanns herausfordert.
Wie wir uns den deutſchen Wald,
das Mittelgebirge und ſelbſt das
Hochgebirge faſt bis hinauf, wo
ſchnee- und eisbedeckte Firnen und
Gletſcher den Abſchluß alles Lebens
bilden, nicht ohne den Hirſch, den
König der Wälder, denken können,
jo iſt das Gemswild, deſſen Stand:
ort in der Latſchenregion beginnt
und das im harten Geſtein und
Geſchröff mit der denkbar beſchei—
denſten Vegetation noch ſeine
Lebensfreude findet, als Kind
dieſer großen unverfälſchten Natur
eng mit dieſer verwachſen.
Nro. 422.
7. v. Stchart.
Ebenſo wie der Hirſch kein Freund die Böcke werden aber oft noch
von Berfchönerungsvereinen, Auto= | ſchwerer, 3. B. in den Allgäuer
mobilfahrten, Gejangvereinen und
Forftgärtnerei ift, jo meidet auch
dag Krickelwild die Stellen im
Alpengebiete, wo Zahnradbahnen
und die Hochflut der Bergferen bie
idyllifche Ruhe ftören und bevor-
zugt unzugänglicde Lagen mit dich⸗
teftem Latjchengeftrüppe. Bod und
Geiß, ſelbſt dag Kig trägt Krideln
oder Kruden, das Geſchlecht ift
ſchwer zu unterjcheiden, wenn auch
der Bord ftärfer gebogene Kruden
im allgemeinen trägt. Die Be:
baarung tft derb und geht bei der
Winterfärbung aus dem dunkelgrau
mit gelblider Spitze in ſchwarz⸗
braun über, der Spiegel iſt gelblich-
weiß, vom Narfen aus zieht fich ein
ſchwarzbrauner Streifen, der Aal:
ftreif, 6i8 über die Blume und um
das Weidloch. Neben dem ge:
bogenen Kopfſchmuck ift der Gams⸗
bart der begehrtejte Teil anı Gams⸗
bod, das find die ausgezogenen
Rüdenhaare an der oberen Kante
des Rückgrats, die in ihrer höchſten
Höhe in der Brunftaufregung eine
wallende (wachelnde) Mähne bilden.
Sie find dunkelbraun glänzend, mit
weißlichen Spiten (der Reif ge-
nannt). Schön gefaßt und am
Hut getragen, repräfentieren fie
einen Lieberhaberwert von 60 —80
Mark, wenn fie befonders lang und
ſchön gereift find. Die Stärke des
Bodes wird nah den Kruden ge⸗
meffen. Unter Höhe der Krucke
verjteht man die Meſſung von der
Baſis zur. höchſten Krümmung,
unter Länge die Meflung der ganzen
Krude über die Krümmung bis zur
Spiße, unter Weite die Entfernung
der Krümmungen voneinander,
unter Dide den Umfang des ein.
zelnen Horns. Mit ca. 17 cm
Höhe beginnt die Güte des Bockes.
Das Gewicht eines guten Gams⸗
bockes variiert zwischen 23— 30 Kilo,
verhärten.
Alpen erreichen fie ein Gewicht bis
zu 40 Kilo. Abnormitäten in der
Kruckenbildung fommen jelten, etwa
dur Steinjhlag oder Abkämpfen
vor, Unter Hauthörner, die id
am Kopfe vorfinden, verfteht man
bewegliche, in der Dede ſteckende
Hörner, den Krickeln ähnlich. Im
Verdauungsmagen älterer Stücke
befinden fich hie und da fog. Gams⸗
Ingeln (Bezoariteine), die eine grün:
lichgraue Färbung und rauhe Ober:
fläche haben, an der Luft fich ſofort
Diefes Gebilde rührt
von dem Harzgehalt der abgeäften
Latſchentriebe her, die ſich mitRinden:
faſern, Baumflechten zu einer feſten
Kugel verbinden, meiſt Störungen
im Ernährungszuſtand hervorrufen.
Der Warnungspfiff der Gemſe
wird von ihr aus ähnlichen Grün:
den ausgeftoßen, wie dad Schalen
und Schmälen des Rehbocks oder
das Schreien des Rotwildes.
Die Schußzeit auf Gams
variiert in Bayern und dem dfter-
reichiſchen Wipengebiete zwiſchen
dem 25. Juli und 1. bezw. 15. De
zember. Der gute Bod fteht als
Einfiedler fern ab vom Mutterwild,
bei dem auber den Schmal- und
Geltgeißen au Kitzböcke und Jahr:
linge, fogenanntes „Geraffel”,
fih aufhält. Die Leitgeiß über:
nimmt die Führung des Rudels.
Wer nie im Hochgebirg gejagt hat,
der wird fich fchwerlich einen Be:
griff maden von den enormen
Schmwierigfeiten, die mit ber
Pirſche verbunden find. Der
vielfah wechſelnde Wind, die
Iharfen Sinne des Wildes, die
große Hellhörigfeit in der Klaren, -
reinen Bergluft, das ſchwierige
Gehen auf dem fantigen Geftein
mit genageltem Bergſchuh, die
Deberwindung Iebensgefährlicher
Stellen und ſchließlich doch am
die Gamsbrunft.
VI 1. Das deuffihe Weidwerk.
Niro. 422.
faliden Plate fich befinden, die | die Gams, dag rollende Echo des
großen Ummege beim Einfteigen Büchſenknalls, und der Bock fchle-
in die Gamsſtände, plötzlich ein-
Tallender Nebel, das alles könnte
den Säger zur Verzweiflung brin-
gen, wenn die Jagdleidenſchaft nicht
wäre, die ihn anjpornt, alles zu
wagen. Der Anfis führt oft am
beiten zum Biel, Ausharren, „net
auslafjen“, und der gute Freund
des Jägers, der Zufall, muß eben
über vieles hinweghelfen. Ein ganz
veränderted Bild zeigt dem Jäger
Sieht man
im Sommer und Spätherbft die
Rudel in den Hängen und Lahnen
ftehen, auf Aeſung ziehen und in
die Wände einjteigen, fo find die
Bewegungen des noch hell gefärbten
Wildes, das fich wenig vom Berg:
boden abhebt, noch gemefjen und
ruhig. Sm November, jobald die
Geißen brünftig werden, zeigt ſich
ein total veränderte® Bild. Die
guten Böcke verlaſſen ihre einſamen
Stände, mit tiefem Windfange ſieht
man ſie herumwechſeln, die Fährte
des brünftigen Mutterwildes auf⸗
ſuchend. Von Tag zu Tag wird
das Treiben lebendiger. Der Gams
wird rogel (rege). Ungemein
hitzig rennen die guten Böcke von
einem Rudel zum anderen, dabei
einen blökenden Ton, den man nur
in der Brunftzeit hört, ausſtoßend.
Der Bock „plädert“. Treibt der
Bock eine Geiß oder jagt er hinter
einem Nebenbuhler her, ſo iſt das
ein herrlicher Anblick, es gibt kein
Hindernis für beide, wie ein
ſchwarzer Satan fleddert der trei⸗
bende Bock mit wackelndem Barte
hinter dem Stück drein, hinauf und
hinab in ſchier unmöglich zu er—
klimmende Wände mit ungeminder⸗
ter Schnelligkeit, ein Bild raſtloſer
Unruhe, ungezügelter Leidenſchaft.
Das iſt die gute Zeit für den
Gamsjäger, ein ſchriller Pfiff
von ſeinen Lippen, kurz verhoffen
gelt auf ſchneeigem Grund mit den
Läufen. Doch iſt die Sache nicht
immer ſo einfach. Viel muß der
Weidmann berückſichtigen, ob er den
Schuß wagen darf. Der geſchoſſene
Bock ſtürzt ab und iſt für den
Jäger verloren, gut ſitzen muß der
Schuß, ſonſt ſteigt der kranke Bock
mit großer Zähigkeit hinein in die
Wand an unzugängliche Stellen und
geht dem Schützen verloren. Die
Weidgerechtigkeit fordert vom Jäger
nur dann den Schuß, wenn ſichere
Ausſicht beſteht, das Wild zur
Strecke zu bringen.
Bequemer iſt das Treiben
auf Gams. Die Treiber nehmen
die ſchwere Arbeit den Jägern ab,
welche die beſten Wechſel beſetzt
halten. Auch im Treiben geht der
Bock ungern mit dem Rudel, er
ſtellt ſich gerne ein, d. h. er drückt
ſich in ſchwer zu treibende Stellen,
aus denen er auch durch Stein—
würfe nicht leicht herauszubringen
iſt, er durchſchaut ſehr raſch die
ganze Situation. Den im Rudel
anwechſelnden Bock heraus zu
kennen iſt trotz deſſen gedrungenerem
Körper und dem kräftigen Hals,
nicht leicht und erfordert große
Uebung. Wechſelt der Bock flüchtig
durch, dann ſoll man nicht hitzig
ſchießen. Der Gams macht ſtets
nach einigen Fluchten ein kleines
„Steherl“, um zu ſichern, auch läßt
er ſich anpfeifen und verhofft dann
einen kurzen Moment.
Einen Gamstrieb richtig an—
zulegen erfordert viele Mühe und eine
gut geſchulte Treiberwehr. Auf ein
gegebenes Zeichen den Hebſchuß
oder nach vorher genau kontrollierten
Uhren, haben die Treiber anzu—
gehen, deren Steige ihnen ſcharf
eingeprägt und zeitlich ausgemeſſen
ſein müſſen, die Flügel dürfen nicht
vorkommen, ſonſt iſt die ganze
Niro. 423—424.
Arbeit verloren. Seltentönnen mehr
ald 2 Triebe an einem Tage ange-
legt werden, da die Anftrengungen
und Gefahren für die Treiber zu
hoch find, die oft Schon furz nad
Mitternacht aufbrechen müffen.
Leider ift das Gamswild auch
verheerenden Krankheiten
ausgeſetzt. Ich erwähne hier nur
die Lungenwurmſeuche, die Räude,
die Klauenſeuche, den Milzbrand
und die Drehkrankheit (Blaſen⸗
würmer im Gehirn), welche einen
Gamsſtand oft ſehr ſtark mitnehmen.
423. Das richtige Aufbrechen
muß unbedingt vom weidgerechten
Jäger verlangt werden. Die Kennt:
nis desjelben gibt ihm erft den
rechten Aufſchluß, ob er feine Kugel
richtig angetragen bat, die enorme
Berftörung des Wildförpers, der
Gedanfe an die lange qualvolle
Zeit, bi8 das arme Wild zur
Strede gebracht wurde, ſollen dem
aufbrehenden Säger eine jcharfe
Mahnung fein, das edle Geſchöpf
nit in leichtfertiger Weiſe der
Schießwut zum Opfer zu bringen.
Sn Kürze folgt die weidmänniſche
Art des Aufbrehend: Die Haut
am Halfe wird vom “Drofjellopf
bis zum Stih aufgefchärft, die
Drofjel ausgelöft, von Fleiſchſtücken
gefäubert, der Schlund am Droſſel⸗
fopf abgejchnitten und gefnotet.
Das Wild liegt auf dem Rüden,
der Jäger tritt zwiſchen die Hinter:
läufe, durchſchneidet dag Kurzmild-
grat (Hoden), ſchürft die Haut big
zum Stich auf und löft die Brunft-
rute aus. Da wo der Wanft an
das Schloß anjtößt, erfolgt der
Einschnitt, in diefen ſteckt man
zwei Finger der linfen Hand, drückt
mit den Knöcheln derſelben Blafe
und Gefcheide zurüd und fchneidet,
die Spite des Weidmeſſers zwiſchen
die Finger der linfen Hand durch:
laufen lajjend, von unten nad) oben
die Bauchwand bis zum Stich auf.
3. ». Sichart.
Mit beiden Händen langt man nad)
vorn und Holt den Banjen mit dem
Schlund heraus auf dierechte Seite,
dann wird dag Schloß gelöjt, der
Weiddarn aus den Weidloch ge=
Ihält, nad innen gezogen. Die
großen Sclagadern der Keulen
werden geöffnet. Der Drofielfopf
wird jetzt erſt durchſchnitten, Die
Droſſel in die Herztammer gezogen
und das Geſcheide mit Gewalt
herausgeriſſen. Dann wird das
Stück vorne gehoben, um den
Schweiß auslaufen zu laſſen.
424. Das Rehwild. Es bildet
den Uebergang der Wildarten der
niederen Jagd zur hohen Jagd. Zu
den Zeiten mittelalterlicher Jagd⸗
gerechtigkeit, als noch der wilde Ur,
der Elch, der Hirſch, das Wildſchwein,
Bär, Luchs und Wolf in größerer
Zahl die deutſchen Wälder bevölker⸗—
ten,da bot diefesGropmild dem Weid-
wert mit feinen einfachen Jagd—
waffen noch genügend Raum zur
Betätigung deutſcher Mannesfraft
im frohgemuten Wagen und das
Rehmwild war der niederen Jagd
beigezählt. Sett, mo ed neben dem
befcheidenen Stand an Rotwild fajt
allein von allem Schalenwild noch
in großer Zahl über Deutſchlands
Forften verbreitet ift, muß es der
hohen Sagd beigerechnet werden. Es
gebührt ihm mie allem Schalenwild
wenigſtens auf Pirfhe und Anftand
die Kugel, wenn auch bei Treibjagden
wegen des ſchmalen zierliden Wild-
förper8 und der hohen Fluchten der
Schrotſchuß gerechtfertigt erſcheint.
Wie der Hirſch der König der
Forſten, ſo wird der Rehbock der
Freiherr des Waldes genannt. Der
Ende Mai im roten Rock erſcheinende
Rehbock bildet eine reizende Staf-
fage zu der im lidten Grün
prangenden Landſchaft und wunder⸗
voll hebt fich der ſchlanke, zierliche
Wildförper des Rehs mit feinen
graziöjen Bewegungen vom dunklen
VI. 1. Bas deuffihe Weidwerk.
Wald und der fonnbeglänzten Flur
ab. Seine weidgeredhte Jagd
und Hege jollte jedem Säger tief
ind Herz gejchrieben fein. Keine
MWildart ift fo dankbar für treue
Fürforge in Zeiten der Not dur
Anlage von Futterplägen, Salz.
leden und Wildäder als das Reh.
Sein Schaden ift fg gering in
Forftkulturen und landwirtjchaft-
lichen Erzeugnifien, ja man rühmt
fogar dem Reh nad), es habe goldene
Schalen. Die im Kapitel der Wild-
bege bezeichneten Futtermitttel wer-
den vom Reh gerne angenommen.
Sch möchte hier nur der Anlage
von VWildädern nod das Wort
reden, aber bei dem Ausdruck
„Wildader” den Eindrud ver:
meiden, al3 wenn dies Wort nur
an den Grundbefit gebunden wäre.
Es gibt auch bei Pachtjagden Ge-
räumte und Graswege, Bodenftrei-
fen, die zu land» und forftmirt-
ſchaftlicher Ausnügung unbeachtet
geblieben find, ferner Schutzſtreifen
an Eijenbahnlinien die mit etwas
Dünger bearbeitet und mit Klee-
famen angefäet die berrlichiten
Wildäder geben. Kahle Stellen
mitten in Beftänden, Rompofthaufen
lafjen fih mit Kuhkohl bepflanzen
und anderes mehr. Für alle dieſe
Wildfuttermittel, wie fte auch heißen
mögen, findet der Säger am Reh
einen danktbaren Abnehmer und
fefjelt dasſelbe an fein Revier.
Das Reh unternimmt troß eines
feftgewurzelten Heimatfinnes und
der Vorliebe für befondere Stand-
orte aus Wafjermangel oft große
Neifen, wie wir aus den Graf
Bernftorffihen Wild marken
fonftatieren Tönnen. Dieſe Wild-
marfen im Luſer des Kites oder
Wildkalbes beim Edelmwild eingeſetzt
haben den Zwed über Veränderung
des Standorte und über die Ent-
widelung der Geweihbildung nähere
Niro. 424.
große Anerkennung und Verbreitung
gefunden. Die Erfahrung hat
ferner gelehrt, daß von Rehen be⸗
ſonders bevorzugte Reviere fait
nit audgerottet werden können.
Immer wieder findet ſich neuer Zus
zug. Gute Nefungsverhältniffe, na-
mentlih im Winter und im Frühjahr
bei der Geweihbildung insbefondere
Suttermittel, die viel Phosphor:
ſauren Kalt enthalten, bringen gute
Gemweihe hervor. Ein Bod mit
normal entwideltem Geweih, ſtark
in den Stangen und gut und rei)
geperlt mit vollen Rofen, weit-
jtehend und mit fcharfen langen
Enden ift entjchieden einem mit
widerfinnigem oder abnor=
mem Gemweih vorzuziehen. Dieje
Bildungen verdanken meiften® ihre
Entftehung äußeren Beranlafjungen
und Beichädigungen der noch weichen
im Baſt befindlichen Geweihmaſſe,
fommen beim Rehbock auch viel
häufiger vor als beim Rothirſch,
der viel heimlicher und vorfichtiger
in diefer Zeit fih benimmt. Der
Rehbod ift viel mehr geneigt, durch
panikartige Flucht fih zu retten
und bfeibt hiebei leicht in Dornen
hängen oder verlegt ſich an vor:
ftehenden Neften. Die fogenannte
Perüdenbildung tritt mei-
ftend bei Berlegungen der Hoden
in der Zeit des Aufbaues des
Gemweihes auf, die Gemeihmafie
wuchert fort und bleibt ftet3 weich
mit baftartigem Ueberzug. Erft
mit dem Ende des Stüdes ver-
härtert fi die Maſſe. Man kann
im allgemeinen annehmen, daß
diefe Stüde Frank find. Hie und
da wird auch eine gehörnte Reh—
geiß als Bol gejchoffen. Diele
Gemweihbildung Tann als Herma:
phrodismus angejehen werden, doc)
ift auch ſchon eine Rehgeiß mit
Kit, die ein ganz veritable8 Ge—
weih gefchoben, aber nie abgeworfen
Auffhlüffe zu geben und haben | hatte, ald Bor erlegt worden. Bei
eo
Nro. 424.
220. Geweihbildung des Rehbods.
Aus Grashey, Handbuch für Jäger.
I. Erftlingsbildung des Rehbodgeweihs. — 2. Knopfjpießer. — 3. Spießergeweih. —
4%. Gabelgeweih. — 5. Sechfergeweih. — 6. Sechfergeweih ohne Nebenfproffen. —
2. Kreuzbodgeweih. — 8. Urbodgeweih. — 9. Schaufelgeweih. — 10. Tu engeweih.
VI. 1. Das dentſche Weidwerk.
derartigen vorflommenden Abnormi-
täten follte ftet3 dag ganze Stüd
von einem Sadverftändigen auf
das genauejte unterjucht werden.
Der Jäger, der jeden Bod ohne
Auswahl erlegt, wird nie einen
guten Rehftand großziehen.
Das ganze Geheimnis, jagdliche
Freuden zu erleben, beruht im
Verſagen zu rechter Zeit, am rechten
Ort und richtiger Auswahl. Es
gehört der junge Bod, mag er
Spießer, Gabler oder junger Sechler
fein, unbedingt geſchont, außer er
zeigt foviel Anormales in Körper:
form und rüdjtändiger Gemeih-
bildung, daß feine Vererbung un
bedingten Schaden bringen müßte.
Das Wort Kümmerer wird viel
gebraucht, viel mit Unrecht und’ zur
Ungzeit.
Sunge Böde werden als ſolche
geichoflen, die nichts weniger als
fümmern. Dem Ausdrude „Küm—
merer” muß mit aller Entjchieden-
beit die Bedeutung „krankhaft“
unterlegt werden und ſcharfes
Prüfen und Beobadten follte erft
Platz greifen, ehe man einen der:
artigen Bor auf den Abſchuß jest.
Auch dem braven Sechſer jollte,
namentlich wenn er in ſeiner Art
vereinzelt im Revier ſteht, die Ge-
fegenheit zur Vererbung erft noch
gegeben werden, ehe man ihm die
Kugel aufs Blatt jet. Auch dag
richtige Geſchlechtsverhältnis feſt⸗
zuſtellen, gehört zur Hege mit der
Büchſe. Bei Geißenabſchuß ſollen
nur Geltgeißen oder ſehr ſchwache
Schmalrehe auf die Decke gelegt
werden. Der Abſchuß derſelben
kann nur auf der Pirſche mit der
Kugel geſchehen. Ich ſpreche hier
in erſter Linie von Waldrevieren.
In ausgedehnten Ebenen mit ge—
ringem Baumwuchs, auch im Mooje
fommen fogenannte Yeldrehe
vor, die den Charakter ald Wald:
tiere ganz verlieren, Sommer wie
Niro. 424.
Winter im offenen Gelände ftehen.
Sie find deshalb nicht weniger
ſcheu, leben immer ſtark gerubdelt.
Das Bejagen verfelben, aud die
Hege mit der Büchſe wird dort fehr
ſchwierig. Das Anfahren der-
ſelben hat noch den meiften Erfolg.
Auch beim Rehbock vervient die
Pirfhe wie der Anftand den
Vorzug und gewährt die reichiten
Sägerfreuden. Der Wechſel des
Bockes während und auch nach der
Tegezeit läßt ſich leicht feftftellen.
Er liebt e3 beim Ein- und Aus:
wechſel die Rinde der kleineren
Bäume zu bearbeiten. Weichhölzer
und jeltenere Koniferen find vor
ihm nicht ſicher, vielfach ift Ueber-
mut die Urſache des Fegens. Troß-
dem er durch diejed Fegen feinen
Standort verrät, entzieht er ſich
häufig den Nachſtellungen des Jägers,
ſeine Schlauheit und Vorſicht iſt
groß, durch ſeine große Naſch—
haftigkeit liebt er einen fortgeſetzten
Wechſel der Aeſung, tritt häufig
ſehr ſpät aus und wechſelt noch
vor Tau und Tag zurück in die
ſchützenden Dickungen, die er unter
Tag nur verläßt, um auf graſigen
mit Steinklee bewachſenen Wald—
wegen, oft mitten in dichtem Be—
ſtand zu äſen. Zur Zeit der faulen
Pirſche, morgens zwiſchen 9 und
12 und nachmittags um 4 Uhr hat
jhon mander den SKapitalen ge=
ftredt, den er in aller Herrgotts—
frühe und am fpäten Abend ver:
geblich ſuchte. Der alte heimliche
Bock liebt ed auch unter Mittag
auszutreten, wenn Wald und Feld
von Forſt- und Landarbeitern frei
ift und die Mittagsbrotzeit und
Biehfütterung den Bauern an Haus
und Hof bindet, und leichter läßt
er ſich noch erfigen als erpirſchen.
Die zur Zeit von benachbarten
deutichen Staaten verfuchte Enquete
über Regelung der Schon:
zeiten und Einſchränkung der
ER
Niro. 424.
Schußzeiten — e8 wird z. B.
geplant, die Schußzeit auf den Reh⸗
bod für das ganze deutfche Neich
am 1. Juni und den Beginn der
Schonzeit am 1. Sjanuar feitzufegen
— fann nur mit Freude begrüßt
werden. Der Bord wird felten rot
vor den lekten Tagen des Mai
und in rauhen Tagen Tann man
graue Rehe noch lange im Juni
beobachten, wie alte Setzgeißen,
ſchwache Schmalrehe und geringe
Böde. Es gilt als unweid—
männiſch den Bock zu ſchießen,
bevorx er ganz verfärbt bat, er
ſteckt noch voll Engerlinge, ift arm
in Wilobret und gemährt einen
unſchönen Anblick, wenn er auf der
Dede liegt und womöglich noch im
Baft fteht. Steigt gegen Mitte
Suni die Sonne höher und fangen
die Inſekten an im Walde Täftig
zu werden und beginnt Die Heu—
ernte, dann wird die Pirſche wie
der Anfig fehr ſchwierig. Die Rehe
wechleln ind hohe Getreide und
finden dort Schug und Ruhe vor
dem Ungeziefer und den beeren-
ſuchenden Menfihen, verlafjen das⸗
jelbe nur, um auf furze Zeit auf
Aeſung zu ziehen in Grabenränder,
Rainen, ziehen oft weit in das
Feld hinein, das fie erft wieder
verlaffen, wenn die Roggenernte
beginnt und der Brunfttrieb den
Bock aus den ſchützenden Halmen
heraustreibt in den Wald. Die
Blattzeit beginnt. Jetzt ſucht
der Jäger mit der Blatte, ent-
weder einem Inſtrument oder
auf einem Buchenblatt oder
auf Birfenrinde, den feinen Lod-
ton des brunftenden Rehes nad):
zuahmen, um ben Bock zu betören.
Ungemein ftarf wirft auch das fo-
genannte Angftgefhrei auf die
erregten Sinne des Kapitalen. Nur
wenige Säger können fih rühmen,
dasfelbe in Wirklichkeit gehört zır
J. v. Sichart.
das brünftige Liebeswerben des
Bockes, das dieſer mit ſeinem ſpitzen
Geweih unterſtützt, in ſtarke Be⸗
drängnis gerät, ſtößt einen wie
Angſt klingenden Ruf aus. Doch
ſtößt auch der Vock einen ähnlichen
Ton dus, wenn er in feiner Er
regung mit den Läufen den Boden
Schlägt und Moos und Erde mil
dem Geweih in die Höhe wirft.
Der den Hauptreiz auf den Bol
ausübende Ton des Angftgefchreis
wird erft mit den leßten gedehnten
und ausklingenden höheren Tönen
feine vollendete Wirkung erreichen,
was vielleicht manchem Jäger nicht
ganz Har tft. Unter Herenringe
verfteht man die kreisförmigen aus⸗
getretenen Wege um einen Baum⸗
jtamm, um den der Bod das er:
mattete Reh herumtreibi. Der
Blattjäger, muß viel Geduld, viel
Ausdauer befigen, pirfchend ninmt
er feinen Stand ein unter Berüd:
fihtigung des Windes, geraume
Zeit wartend, bis er beginnt. Der
gute Bock kommt felten flüchtig
angeiprungen. Deshalb gefpannie
Aufmerkſamkeit und Vorficht drin:
gend nötig. Vernimmt der Bod
das geringfte, was ihn ftören Fünnte,
oder bekommt er den Jäger in den
Wind, dann geht er fchredend ab.
Gelegentlih der Herbft- und
Mintertreibjagden follte Fein
Bock mehr gefihoffen werden, am
allerwenigften einer, der bereits ab-
geworfen Hat. Auch der Geißen⸗
abſchuß zu dieſer Zeit ift zu ver:
werfen, denn der Sagherr hat es
nie in der. Hand auf einer Treibjagd
die Auswahl zu regeln und mande
brave Setzgeiß liegt oft. als Geltgeiß
auf der Strede und das Revier iſt
nicht um 1 Stüd, fondern um 3 Stuck
ärmer geworden. Wohl Tönnen
Berhältnifie eintreten, daß der Ab-
ſchuß zur Pirfchzeit nicht erreicht
wurde, dann Hilft fi der gufe
haben. Das Reh, welches durch Weidmann durch Veranſtaltung
3
m.
% — « |
u. 608
—8
——
—
VI. 1. Das deuffche Weidmwerk.
fleiner HRiegeljagden im
Herbft mit wenigen . verläffigen
Teilnehmern, wobei mehr gedrüdt
als getrieben wird.
Daß der Kugelihuß mehr Weib-
mannsart entipicht, als der Schrot-
ſchuß, das fteht wohl fejt beim
braven Jäger. Doc wird wohl
nicht jeder in der Lage fein, dem
flüchtenden Bod die Kugel auf den
richtigen Fleck zu jeßen, auf feinen
Tall darf aber der Jäger bei den
Kleinen Treibjagen mit Schrot auf
weite Entfernung und mit Schnapp:
ſchuß den Bor zu erlegen - juchen.
Meidmännifh ift Schrotihuß nur
Dann, wenn der Jäger mit Sicherheit
rechnen darf, das Wild zur Strede
zu bringen. Selbjtveritändlich find
nur Starte Schrote zu wählen. (Ueber
Aufdreden fiehe Gemswild.)
425. Das Wildſchwein. Mit
ungeftümer Kraft und Zähigfeit hat
das ritterlihe Wild den Sturm ber
Sahrhunderteüberdauert, mit feinem
wilden fcheuen Wejen und feiner
großen Widerftandsfraft gemahnt
es uns in den menigen freien
Mildbahnen, die ihm noch geblieben
find, an die Rauheit und Boritig-
feit alter Zeiten, trogend dem Ver⸗
nichtungsfampf, den es zu führen
gezwungen ijt gegen die Hochkultur
unferer Forſt- und Landwirtjchaft,
in deren Rahmen es faft nicht mehr
hineinpaßt. Gehegt finden wir es
noch in den Sauparks fürftlicher
hoher Herren, die dem Schwarz:
fittel no mit altangejtammter
Courtoifie ſympatiſche Regungen
entgegenbringen. Die freien Wild-
bahnen find zu zählen. In den
Reichslanden, im Spefjart, Oden:
wald, Schwarzwald, in der Rhön,
Eifel, im Sauerland, im Weiter:
wald und Dftpreußen gibt es noch
Heine Beltände an Schwarzwild.
Der Landwirt bringt ihm wenig
Niro. 425.
Nahrung brauden, es ift eben ein
rückſichtsloſes Wild, aber nur durd)
diefe Eigenjchaft widerfteht e3 der
Vernichtung. Im Walde ift der
Schaden nicht fo beträchtlich. Die
Sauen breden wohl in jungen
Kulturen, aber ihre Vernichtung
der Larven und Forſtſchädlinge ift
auch nicht zu unterjchäten.
Die Jagd auf Sauen im
Sommer und Herbit iſt fait
ausſichtslos. Das Schwarzwild
zieht erjt in der Nacht auf Aefung,
legt biebei große Streden zurüd,
ift heute bier und morgen da und
längſt wieder eingewechjelt, wenn
das Büchfenlicht des jungen Tages
Ausfiht auf einen guten Schuß
geben würde. Der alte Freund
des Jägers, der Zufall, bereitet
diefem manchmal einen guten An-
bli, wenn nicht mehr. Werden
die Nächte Fälter und tritt Schnee
fall ein, dann gewinnt die Mög:
lichfeit mit Hilfe des weißen Leit-
hundes die Sauen feft zu machen.
Wie alles Wild, ift auch die Sau
beim erften Neufchnee überrajcht
und hält oft feit im Kefjel au2.
Der ne Anblid der in
weißes Gewand gehüllten Natur
und die inftinktive Unficherheit bannt
fie mindefteng einen Tag lang feit.
Es erfordert große Hebung, Sauen,
die Schon gewechſelt jind, bei Schnee
fejt zu maden. Nah dem erften
Schnee laufen fie viel, aber nur
in der Naht. Bon großer Wichtig-
feit ift e8, eingefreifte Sauen aus
dem Keſſel zu fprengen, um zu
verhüten, daß fie alle, eines Hinter
dem andern nur einem Schüßen
anlaufen. Bei tieferem Schnee
liegen fie oft fo feit, daß fie halb
eingefchneit die Treiber an ſich
vorübergehen lafjen. Dann können
nur Hunde fie hochhringen. Der
grobe Keiler, auch Hauptſchwein
Sympathieentgegen, denn dieSauen | genannt, geht aldEingänger meijteng
ruinieren oft mehr, als fie an | allein, er fchlägt fich erjt zur Rotte,
Nro. 426.
wenn die Raufchzeit, (Begattungs-
zeit) im Dezember und Sanuar be-
ginnt. Es gewährt einen herrlichen
Anblick, einen ſtarken Keiler auf der
Suche nad der Rotte einen freien
Schlag überqueren zu jehen. Wetzend
mit ſchäumendem Gebräche überfällt
der alte Baffe im fördernden Jagd⸗
galopp den breiteften Graben.
Sauen, die im Treiben einmal
rege gemacht find, wieder feit zu
machen, hält ungeheuer jeöwer. Das
geringfte Geräufh beim weiteren
Einfreifen veranlaßt fie, abgefehen
davon, daß die Rotte große Wege
macht, fofort los zu gehen, bevor
der Trieb umftellt if. Der wirt:
ſamſte Schuß bleibt allemal der
Kugelſchuß, ſchwächere Stücke,
Ueberläufer und Friſchlinge können
wohl mit Poſtenſchuß im Feuer
bleiben, aber die Durchſchlagskraft
des Büchſengeſchoſſes allein iſt, und
da nur an geeigneter Stelle, hinter
den Gehören oder dem Blatt ge—
eignet, daB die grobe Sau, deren
ftarfe Schwarte namentlih nad)
veiher Buchen: und Gichelmaft)
einegroße Widerſtandskraft hat, mit
dem Gebrädhe oder dem Wurf in
den jtiebenden Schnee fährt, um
nach kurzen Fluchten zu verenden.
Der angefchoflenen Sau ſich zu
nähern ift nicht ratfam und mancher
fchneidige vorwigige Hund hat
feinen Eifer mit dem Leben zu be-
zahlen. Grundfag ſoll fein, ftet3
init dem Fangſchuß an guter Stelle
nicht zu jparen, folange noch Leben
in dem geſchoſſenen Stück fich zeigt.
Da das Schwarzwild durd feinen
Schaden, den e3 in Wald und Feld
verurjacdht, Feine Schonzeit in deut:
ſchen Revieren genießt, fo fann von
Hege nur in Sauparks Die Rede
fein. Dort werden fie mit Kar—⸗
toffeln, Kaftanien, Mais gefüttert.
426. Zum Raubwild der hohen
3. v. Sidyart.
vollftändig verfehwunden if, Der
Luch s kann nur ald Einwanderer
in Berüdfichtigung kommen, in
Dfjtpreußen wird zu Zeiten aus
Rußland ab und zu ein Luchs ge:
meldet, die Karpathen in Ungarn,
in Galizien, Siebenbürgen führen
ihn noch als Standmwild, jeine Fährte
ift der der Wildkatze ähnlid), doch
viel größer und runder. Dem Wilde
bringt er großen Schaden, da feine
Mordluft jehr bedeutend ift, Am
verläfjigiten Tann man ihm am ge:
riſſenen Stüde mit großen Zeller:
eifen beikommen. Bei Neufchnee
ihn im Treiben zu jagen, erfordert
viele Mühe und ſehr verläffige
Ihneidige Hunde, die den Luchs
zum Aufbäumen bringen und ver-
bellen. Der lebte Luchs in den
bayerifhen Bergen wurde in Hit:
delang im Sahre 1840 erlegt. Ohne
Hunde den Luchs im Treiben vor
dag Nohr zu bringen, ift beinahe
unmöglid. Er macht ſich wenig
aus dem Lärm der Treiber und
benüßt jede Gelegenheit ſich zu
brüden. Da dieje große Kate, fie
erreicht eine Höhe von 0,75 m, ein
Gewicht von 30 Kilogramm, nur
einzelne Teile aus dem gerifjenen
Stüf herausfrigt und den Reſt
meift liegen läßt, fo reduziert fie
einen Wildſtand ungemein. Die
verhältnismäßig befte Jagd ift, wie
Thon erwähnt, der Fang mit dem
Tellereifen. Der Luchs iſt feit
jo guter Kletterer wie die Katze
und nimmt nur. fchräg ftehende |
Bäume oder folche mit tiefer Ver:
äftung, wie freiftehende Buchen att.
Daß er Wild vom Baum aus über:
fät, ift eine Fabel, feine langen
hohen Läufe erleichtern ihm dei
Sprung gegen dad Wild, dad er
beichlihen hat, mit einem Biß und
den fcharfen Krallen reißt er die
Drofjel oder die Halgfchlagadern,
Zagd zählt in erfter Linie der | ſodaß das Wild zufammenbridt.
Bär, der in deutſchen Revieren
Der Wolf. Sind es die Mär
VI. 1. Das deulſche Weidwerk.
chen aus Kinderzeit oder ift es der
Sahrtaufende alte Haß des Men:
fchen gegen dieſes Raubtier, welches
troß jeines Gemiſches von Grau:
ſamkeit und Feigheit, Hinterlift und
Raubgier diefen jeltfamen Reiz auf
den Jäger ausübt? Wenn der
Wolf in einer Wildbahn erfcheint,
feine charakteriftiihe Fährte und
die große Panik unter dem Rot:
und Rehmild ihn unverfennbar dem
fpürenden Auge des Belaufjägerg
feftlegt, dann macht jelbjt ver
zahmite Nimrod mobil.
Faft immer find es diefelben
feit Jägergedenken bewährten Wald-
beftände und Sclupfwintel, die
nämlihen Wechſel, auf denen das
gefürdtete Raubtier gejpürt wird
und in denen es ich jtedt.
Die Fährte des Wolfes unter:
fcheidet fih von der des Hundes,
daß die Ballen der Tritte fchmal
und lang find, die Tritte ſelbſt
hintereinander ftehen, wie beim
fhnürenden Fuchs. Auch der Wolf
fhnürt. Eine Rotte Wölfe tritt
hintereinander, einer in der Fährte
des andern, jodaß die Anzahl ſchwer
feftzuftellen ift. Die Ranzzeit findet
in den Wintermonaten Dezember
bis Februar jtatt, die Wölfin geht
64 Tage did und wölft 4— 6 Junge.
Die Gemohnheit der alten Wölfe,
ihrer Brut zuzubeulen, wenn fie
Nachts auf Raub ausgehen, wird
vom Säger benugt, um dur An-
heulen den Ort des Neſtes feitzu-
ftellen. Hat man die Stelle genau
feftgemadt, dann wird der betref-
fende Trieb am folgenden Morgen
umftellt. Der weiße Leithund, der
Schnee, bietet die beſte Ausficht,
des fahrenden Gejellen habhaft zu
werden. Der Wolf braudt nur
geringe, aber gefchulte Treibermehr,
die der Fährte folgend ihn aus
dem Schlupfmwinfel aufſcheuchen. Er
geht beim geringften Lärm fofort
Nro. 426.
Dedung zu Dedung, und prüft vor
dem Berlafjen der letzten Dedung,
von den Treibern nad vorwärts
gedrängt, die Stelle, die ihm am
geeignetften jcheint zum Durd)-
brechen. Getroffen ftößt er einen
furzen heijeren Klageruf aus mie
ein Hund.
In Deutſchland wandert er ein
von unferen Grenznadhbarn im
DOften und Weiten, aus den Ar:
dennen in ftrengen Wintern ge:
trieben durch Hunger in die reich$-
ländiihden Waldungen, aus den
ruffiihen DOftfeeprovinzen nach Dit-
preußen. Sin der Oberförfterei Lyf
in Mafuren in Oftpreußen murde
im Winter 1907/1908 ver legte
Wolf gefhoflen. In Lothringen
murde im Kreife Altfirch ein Straßen:
wärter von einem Wolf angefallen
und eine Wölfin mit 2 Jungen im
Sommer 1908 im Walde nahe der
franzöfiihen Grenze angetroffen.
Aus den öfterreihifhen Kron-
ländern am Fuße der Karpathen,
wechjelt der Wolf über die Grenze,
in der Bulomwina in Bosnien ift
der Wolf noch Standwild.
Am Luderplag anzufiten, er:
fordert große Liebe zum Weidmerf,
ftrenge Kälte, das lange Aus:
barren im Dunfel der Nacht ift
nicht jedermanng Sade. Je ftin-
fender daS Aas, deſto größer der
Lederbiffen. Die Zahl deuticher
Jäger, die je das Weidmannsheil
hatten, einen Wolf zu ftreden, iſt
fehr Tlein. Nach dem deutich:fran=
zöfifhen Kriege taudte der Wolf
in den neuerworbenen Reichslanden
noch ziemlich häufig auf. Da er
gewöhnt ift, große Streden zu
durchlaufen, konnte man ihn allent=
halben ſpüren. Auch mit der
Haſenquäbke ihn anzureizen wie
den Fuchs, Tönnte gelingen, wenn
der Wolf nicht in weiten Bogen
den Platz erft umfreifte, wo er das
108, fchnürt wie der Fuchs von | vermeintliche klagende Wild ver:
Niro. 427.
mutete, und dabei auf die Fährte
des Jägers Täme. Seine enorm
Iharfen Sinne und dag große
Mißtrauen erjchweren die Jagd
auf den Wolf fehr.
federwild.
427. Der Auerhahnnimmtunter
dem Wildgeflügel der hohen Jagd
die erjte und vornehmſte Stelle ein.
Solange noch hoher Herren Jagd⸗
gerechtigkeit die Jagd auf den Ur⸗
bahn als Reſervatrecht für ſich be⸗
anſpruchte, ſolange auch in ſpäteren
Zeiten außer den berufenen Hütern
des Waldes und der Forſten nur
bevorzugte Perſönlichkeiten und
Weidmänner von beſter Art und
Ruf den großen Hahn auf der Balz
erlegen durften, da waren dies gol-
dene Tage für diejes herrliche Wild.
Set möchte man umgefehrt die
goldene Zeit für den ſpekulativen
Pachtjäger gefommen wähnen, der
den Hahn nur mit der goldenen
Kugel — felten unter einem blauen
Lappen — erlegen läßt von den
beatis possidentibus, die meift
aus Eitelfeit und Ruhmſucht oder
von Sportluft getrieben, weil es
Modefahe geworden tft, fi den
koſtbaren Schlaf zu verfneifen.
Der Hahn ift jeßt zum großen
Teil Spefulationgobjeft geworden.
Db es ihm zum Vorteil gereicht,
man möchte es bezweifeln.
Der Auerhahn ift wohl ein Be
wohner großer zufammenhängender
Waldungen, aber er liebt nicht
dihte Waldungen, die ihm freie
Umfhau und Bodenäfung ver:
wehren, dagegen ungleich altrige,
lückige, gemijchte Beftände, er weicht
der gejteigerten, auf hohe Renten
abzielenden Forſtkultur.
Da der Hahn zur Balzzeit in
feiner Berliebtheit wie mit Blind-
heit gejchlagen ift und feine Er:
J. v. Sichart.
|
feine Schwierigkeit bietet, da ferner |
die Henne zur Brutzeit in der al
berniten und ungefchieteften Weife
ihr Neſt oft mitten in das aus—
gefahrene Geleife alter Waldwege
oder an den Rand eines Beſtandes
legt, für jedermann zu haben, eine
leichte Beute für jegliches 2- oder f
4beinige Raubmwild troß der Boden: F
farbe der brütenden Henne, jo iſt
es wirklich ein Wunder zu nennen, 4
daß der große Vogel noch nicht Y
vollſtändig ausgerottet ift.
Eine ftarfe Weidmannshand müßte
feine Hege übernehmen, damit er
nicht der ungezähmteften Jagdluſt
zum Opfer fällt.
Die Aeſung des Auerwildes be=
ftebt in Snofpen, Nadeln und
jungen Zapfen, vornehmlich Der
Kiefer, Baum: und Strauchknoſpen,
auch Inſekten, Larven, Schneden. Y
Solange die Yungen noch zart find, F
werden fie von der Henne zu f
Ameijenhaufen geführt und mit |
Sämereien, k
Puppen, Beeren,
Spinnen, Würmern, Schneden ge-
füttert.
nah Hühnerart in raupenfräßigen
Revieren die Larven der Forft-
Ihädlinge au8 dem Boden. Der
Schaden an jungen Trieben ift von j
feiten unſerer Foritgärtnerei ent-
ſchieden als übertrieben anzufehen, |
auf feinen Fall rechtfertigt er die
Anordnung unbedingten Abjchuffes. f
Der Auerhahn ſoll nur auf der |
Balz erlegt werden. Ihn im Herbit
— der Treibjagden zu |;
hießen halte ich für ein direftes
Unrecht und unweidmänniſches Ges |’
aren.
Selbſtverſtändlich muß auch das
b
wie es in Skandinavien und Rußland
nn.
72
Die alte Henne ſcharrt
Bufchieren auf junges Auergeflügel, |
noch geübt wird, verurteilt werden.|:
„Denn die Buchen Inofpen, fo
denfe dran, Und fürze den Schlaf,
o Weidmann!” jagt der alte Kobell
legung für den Sachverſtändigen | in feinem Wildanger.
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— —— — — — — — — — — mem — — — — — a — —— —
2—— — * — — — en Dr ni —
—
VI. 1. Das deutfcdhe Weidiwerk.
Denn die Natur aus dem Winter:
ſchlafe erwacht, wenn warme Früh:
lingslüfte Schnee und Eis zum
Schmelzen bringen, dann erwacht
im Hahn der Begattungstrieb, er
ſucht aus den Winterftänden die
ültgewohnten Balzpläge auf, die
Hennen reifen bald nad) und mit
dem grauenden Morgen ertönt der
Balsgefang des Hahns. So groß
und jhön der herrliche Vogel im
Hochzeitskleide ift, fo Hein und un:
bedeutend erjcheint feine Stimme.
Beim Erwachen auf dem Balzbaum
ſchüttelt er erft fein Gefieder vom
Tau und der Feuchtigkeit der Nacht,
die harzige, aus Nadeln beftehende
Aeſung verjchleiert zunächſt feine
Stimme, er befreit fich von diefem
Reiz duch „Worgen” (Würgen),
‚dann ſtreckt er fich fichernd auf
jeinem Aft, äugt mit langem Kragen
nach allen Seiten und beginnt fein
Niro. 427.
Diefe Baufen, das oft Schwierige
Anjpringen, aufwärts oder abwärts,
in dunkler Nacht, auf ſchlechtem
Boden, über Gräben und durch
Aeſte verjegen den Jäger in ftarfe
Aufregung.
Weit hört man den Balzhahn ja
nicht, namentlich bei leichtem Wind
im Raufhen der Wipfel oder in
der Nähe eines gurgelnden Waſſer—
laufes, nur wenige hundert Schritte
weit. Das Sehen ift auch jehr er-
ſchwert; nicht immer balzt der Hahn
auf freiftehendem Afte, häufig dicht
im Wipfel, oft ſehr hoch, oft ganz
niedrig, Dazu kommt noch Die Nähe
der wachſamen Hennen, deren janf-
te8 Gegode der Säger beachten
muß, denn dad Abftehen der Hen-
nen bringt auch den Hahn zum Ab-
reiten. Iſt man gut auf Schuß.
meite am Hahn, gededt und die
Dunfelheit noch zu groß, um den
Minnlied, das er in drei verſchiedenen Schuß zu wagen, dann fommt für
Abftufungen ertönen läßt. Zunächſt
klippt er in größeren und allmählich
id) verringernden Zeiträumen, im—
mer ſcharf äugend, bis er im Haupt
ſchlag, der wie ein furzer, heller
Schnalzer erklingt, feinen Liebes-
‚drang und Sinnegerregung auf die
höchſte Stufe gebracht hat, -die ihn
alles vergeffen macht, ex ſchleift
dann und wetzt, ähnlich wie man
eine Senſe am Wesftein ſchärft.
Diefer furze Moment gleih nad)
dem Haupiſchlag ift das Zeichen
für den Jäger, die befannten drei An-
ſprünge (8—4 Sekunden dauernd)
zu wagen. Sat folgt nun auf Satz,
namentlich zur Zeit der beften Balz.
Verſtummt der Hahn, muß der Jäger
unbeweglich ftehen, denn ſorgſam
äugt der Wildvogel in der Runde,
Gut iſt's, wenn man ftet3 eine
Heine Dedung findet, um dem
Körper, der durch unwegſames Ge-
lände Häufig in Fährlichkeiten ge=
tät, wenigfteng in etwas einen
Ruhepunkt zu geben.
den Säger der jchönfte Moment, der
Anbli des balzenden Hahnes, fei-
ned Federſpiels, der charakterifti-
fhen Bewegungen, bis der rollende
Schuß dag Schweigen des Waldes
ftört und den großen Minnefänger
polternd auf die Erde wirft.
Sit der Balzmorgen ſchon vor-
gefchritten und der Hahn ſchon am
Boden bei den Hennen, dann er-
freut fi) des Jägers Auge an den
jpringenden Bewegungen des Hah-
nes, der mit fchleifenden Flügeln,
fächerndem Stoß den Hennen jeine
ganze Schönheit zeigt. Selten hört
man bier den Abſchlag, nur das
heftige Klippen und Weten. Bei
dem jtarken Gefieder bat nur der
gut deckende Schrotſchuß mit ſtarkem
Schrot und auf kurze Entfernung
Erfolg. Man ſoll nie ſpitz von
vorn ſchießen, entweder ſeitwärts
oder ſchräg von rückwärts. Der
Kugelſchuß hat bei einem Wilde,
das zur hohen Jagd gehört, wohl
feine Berechtigung, ie aber
Yiro. 428.
gewandten Kugelihüten, naments
Gh im Dunkel des Maldes und
bei meiſtens ſchlechtem Büchſenlicht,
zerſtört aber, wenn man nicht kleines
Kaliber führt, vielfach den Wild—
braten, der ohnehin nicht gerade
der Inbegriff alles Zarten iſt.
Die Balz beginnt ſchon im Monat
März. Im Gebirge beginnt ſie
erſt in der zweiten Hälfte des April
und dauert bis Mitte Mai. Sobald
die Hennen getreten ſind und der
hohe Sänger nur wenige oder keine
Zuhörer mehr findet, dann reiſt der
Heißblütige von einem Balzplatz zum
andern, er hält den Stand nicht
mehr ein, nur wenige „Geſatzeln“
hört man beim Anſpringen, man
hört den Hahn abſtehen, ſich wieder
einſchwingen und ruhelos folgt der
Hahn dem Drange ſeines Herzens.
Das Ausmachen bezw. Beſtätigen
des Hahns geſchieht auf folgende
Meile: .
Mit Einbruch der Dunkelheit
ſchwingt fi der Balzhahn von den
Thütenden Dickungen, wo er unter
Tags Aeſung gefunden, mit weit hör⸗
barem klatſchendem Slügelichlag auf
feinem Balzbaum ein, häufig über:
ſtellt er fi dann noch und fein Klip-
pen ſchallt durch die ſinkende Nacht.
Die unter dem Baum liegende
Loſung beftätigt dem verlufenden
Säger den Hahn, der regelmäßig,
wenn er nit beim Einſchwingen
geftört wird, den Baum einhält.
Wenn am Morgen ftarfer Wind
die Wipfel bewegt, Regen und
Schnee einfegt, dann verjchmeigt
der Hahn und geht ſehr bald zu
Boden. Iſt Tchlechted Wetter an
haltend eingetreten, dann geht die
Balz ftil vorüber, die dann bei
ſpäter aufflärender Witterung ſehr
rafch ihrem Ende zugeht. Da man
ven Hahn bei Wind überhaupt
ſchlecht hört, derſelbe aud viel
jchweigt, wird manche Jagd refultat-
los verlaufen.
3. o. Sichart.
1
\
An den Füßen zwilhen den «....
Zehen hat ver Hahn die fogen ... N
Balzftifte, die im Frühjahr weg ...” N
fallen. Der Hahn braudt fie ald -
Schneereifen, wie man fi im
Winter Teicht überzeugen Tann an 0
ben Tritten im Schnee. Mit der 7"
Balz Haben fie nichts zu tun. N
Erſchwert wird die Balzjapd . 7:
noch durch Die ungemein frühe Zeit. |. |
Noh vor Eintritt der Morgen: .. °\
dämmerung, der Hahn ift der erſte
aler Sänger, muß der Jäger in...
der Nähe des Balzplapes jtehen, .. ".
denn oft nur kurze Zeit währt der
Balzgefang. Iſt der Hahn am .,. 7
Boden, ift ein Anſpringen durd
die Nähe der zugeſtandenen Hennen
jehr erfchwert, Died rettet nod |...
am eheften dem Hahn das Leben —— £
in dem großen Vernihtungstampf |...
mit der Spekulation der Menſchen.
428. Der Birkhahn oder Spiel- |..." :
bahn, der Keine graziöfe Better |."
des Urhahns, Tiebt größere Ger |...
jelligfeit. Er ift weniger im Schuße | :...
großer Waldungen zu finden, bevor: |... “-
zugt aber die nämlichen Aefungd- —‚R5—
und Bodenverhältniffe Lüdige, |:
Ichlecht gepflegte Bauernwaldungen,
auf magerem, ſandigen Boden,
unterbrodden von Feld; Heide⸗ und
Moorflähen, auch die Latfchenregion
des Hochgebirges ift fein Tiebiter
Aufenthalt. Er kommt zahlreicher
vor wie der Auerhahn und iſt
faft überall in Deutjhland anzu“ | :.
treffen. Alien
Menn im Herbft die jungen |."
Hahnen das erjte Aungherrentieid | ,,,,
befommen, hört man den Heinen, |...
fhneidigen Hahn in übermütigem | 1.
Stolz und Liebeddrang fih im |“.
Kollern wie Schleifen üben. A
Aehnlich fieht man es bei den
meilten Wildvögeln, deren männ⸗
liche Glieder nad) der legten Mauſe⸗
rung vor Eintritt des Winters fih,
jedoch ohne viel Ernſt, im Liebes⸗
wert üben und regelrecht ohne Ber: | :,
“>
—
—
.
vl
!
Kr
Ri
VI. 1. Pax deutſche Weidwerk.
bindlichfeit treten. Bei MWildenten
habe ich es häufig beobachtet.
Macht der Ernjt des Winters
diejem Liebesjpiel ein Ende, dann
ftreihen die jungen Hahnen zu
großen Flügen zufammen und bleiben
vereint bis zum Frühjahr, wo die
Liebe jte wieder auseinander treibt.
Nun beginnt ein Iuftiges Rodeln
und Schleifen in Wald und Flur
und heiße, erbitterte Kämpfe werden
ausgefohten. Die Bewegungen
des balzenden Hahnes jind von
unbejchreiblider Schönheit. Mit
dem Schnabel am Boden und mit
ausgebreiteten,dvenBoden ftreifenden
Schwingen grugelt er in langjamen
Schritten umdie ummorbene Schöne,
um mit ziichendem Laut, mit jchla-
genden Echwingen und aufgejtellten
Spiel in die Höhe zu jpringen, als
Aufforderung zum Kampf und ge—
wijjermaßen zur Einihüchterung des
Nebenbuhlers. Wie fo manche ur—
alte Gebräuche ihre Entitehung dem
geheimnisvollen Walten und Wirken
der Mutter Natur verdanken, jo tft
auch der alte, beliebte Tanz, der
Schuhplattler, vem Gebaren unjeres
Spielhahns zur Balzzeit entnome
men:
„Spielhan gib acht, daß dich d' Bir
net derlangt,
Saager gib acht, daß dich 's Dirndl
net fangt.“
Vorzugsweiſe balzt der Spiel—
bahn am Boden und lange in den
fonnigen Morgen hinein (Sonnen=
balz). Gegen Ende der Balzzeit,
wenn die Hennen großenteils jchon
getreten find und nicht mehr zu=
ftehen, jondern dem Brutgejchäfte
fih widmen, follert der unermüd—
liche, leidenjchaftlihe Hahn noch
fort, vornehmlich auf dem Baum,
weithin ausjchauend mit feinem
ſcharfen Geficht, damit ihm feine
der noch etwa zuftehen fünnenden
Hennen entgeht.
Sede Feder iſt
ein Auge, jagt der alte Jägers:
Nro. 428.
mann. Zur auten Zeit wird der
Hahn vom Schirm aus gejchofien,
der unauffällig aus Bodenftreu ge-
arbeitet jein joll, nachdem der Balz:
ort erjt ausgemacht iſt. Sit der
Balzmorgen weiter vorgejchritten
und fein Hahn jteht mehr zu, dann
gelingt auch der Schuß, wenn man
jih die im Umkreis balzenden
Hahnen angehen läßt.
Bon hohem Reiz iſt das An:
pirjchen des follernden Hahns, ver-
bunden mit dem Anreizen, indem
man das Schleifen und Ziſchen,
nur etwas feiner abgetönt, nach—
ahmt, um den Glauben beim Hahn
zu ermweden, als frozzele (rveize)
ihn ein Nebenbuhler. Ich Habe
meine meijten Hahnen auf dieje
Art geſchoſſen, es bietet einen un-
gemeinen Reiz, jelbjt zum Gelingen
und Ueberliften des jchlauen Hahnes
beigetragen zu haben.
Sm Treiben zur Herbft-
zeit wird der junge Hahır gerne
geſchoſſen, er gibt einen vorzüg-
lihen Braten, auch zur Winters
zeit, wenn die Hahnen in großen
Flügen beijammen find, doch er:
fordert der Schuß auf den rapid
dahinftreichenden Spielhahn große
Geſchicklichkeit.
Gelegentlich der Hühnerſuche
im Moos und auf großen
Schlägen glückt es oft dem Jäger
mit vorſichtig und verläſſig re—
vierendem Hühnerhund eine Kette
Birkgeflug hochzumachen und auf
den jungen Hahn zu Schuß zu
kommen.
Doch lange hält das Birkhuhn
den Hund nicht aus.
Der Hahn der Bergregion
ift von jtärferer Form, jeine
frummen Federn, Sicheln, jind
zahlreicher, bi8 zu 5 auf jeder
Seite, während der Mooshahn
deren 3 frumme Federn in maximo
aufweift, an diefen frummen Federn
ift auch das Alter des Hahns leichter
er Yu
Niro. 429 - 430.
J. v. Sichart.
zu erkennen, indem der alte Hahn | häufig paarweiſe; im Sommer iſt
ftarf gefrümmte Sichelfedern befitt. | die Kette noch beilammen.
Ein Blendling zwijchen Auer:
und Birkwild ift
429. Rakelhahn undRakelhenne.
Bald nähert ſich dieſer Miſchling
mehr dem Typus des Auerhahns,
bald dem des Birkhahns. Ob
Rakelwild als Eigenart vorkommt
und fortpflanzungsfähig iſt, darüber
iſt die Jagdgeſchichte noch nicht einig
geworden.
Doch findet ſich häufig ab und
zu ein derartiger Blendling, zus
weilen auch mehrere, die ald Hahn
bald auf dem Boden, bald auf dem
Baume balzen, überall zuftehen, mo
es Krafehl gibt, ungemein rau f-
luftig und durd ihre Größe den
Birkhahnen entjchieden überlegen
find.
Dad Balzen des Rakelhahns
Hingt dem Ton nad wie der Auf
des Waldfauzes aus tiefer Kehle
herausgegurgelt, die Melodie ift
dem Blajfen des Spielhahng ent-
nommen; man hört es dem Sänger
an, daß es ihm große Anftrengung
fojtet ſich ſtimmlich zu betätigen.
Da die Größe des Rakelhahns fich
dem Auerhahn nähert, ift die An—
nahme gerechtfertigt, daß der Blend-
ling faft nur der Balz des Spiel-
hahns und der Auerhennen feine
Entjtehung verdantt.
430. Das Hafelhuhn ift ein
Bewohner der Borberge, kommt
nicht jehr zahlreich vor, ift aber
überall da zu finden, wo Baum
und Pflanzenwuchs fein Fortkommen
erleichtern. Es liebt Beerengewächſe
und gemifchte Holzarten, ift ein
zähes Wildgeflügel, fein Kleid ift
geradezu ideal in Baum und Boden
farbe.
Seine Sagd kann man nur ala
zufälliges Ergebnis betrachten, wenn
das Hajelgeflüg im Trieb gelegent-
lich der Herbſtjagden angeftrichen
fommt. Man fieht das Hafelmild
Sm
Frühjahr beginnt die jogen. Balz.
Der Hahn läßt ein hellklingendes
Pfeifen ertönen,dadman, Spifjen“
nennt, es Klingt ungefähr wie „ti
tfistfistfui”, die Henne antwortet
mit einem leiferen, tieferen Pfiff.
Mit der Locpfeife, aus einem
Hühnerknochen gearbeitet, vermag
man den ſehr erregten Hahn früh
morgen? oder abends anzureizen.
Doc es ift nicht jedermanng Sade,
große Wege zu machen und den
Hafelhahn anzufoden, außer wo er
zahlreicher vorfommt. Wird Hafel-
wild aufgegangen, jo fällt es ſehr
bald wieder ein und baumt auf,
drüdt fi) aber derart an den
Baumftamm, baß es große Mühe
madt, den Vogel von der Baum-
farbe zu unterjcheiden.
Dad Hafelfuhn ftreiht nie
weit troß des fchwirrenden, unge
mein fürdernden Fluges, und eg
gehören geübte Augen dazu, vie
Stellen ausfindig zu maden, die
es bevorzugt‘; dies find. meiftens
die niedrigeren Aeſte in höheren
Beitänden, auf denen es ſich oft ge:
drängt aneinander einftelt. Kommt
der Herbftingtand,danntrennt
ſich die Kette entgegengefegt
vom Auer=- und Birkwild, bei denen
die Gejchlechter ich zu Flügen ver-
einigen; der Hafelhahn ſucht fich
eine Henne, mit der er den gan-
zen Winter über zufammen gejehen
wird. Dies veranlaßte manche Jä—
ger, die Balzzeit des Hafel-
hahns in diefe Herbſtmonate
zu verlegen, noch obendrein, da der
Hahn auf den Lodruf des Jägers
zu diefer Zeit gerne zufteht. Die
tatfächlihe Balz ift März, April.
Der harmloſe Bogel, der niemand
Ihäbdigt, verdiente viel mehr Hege.
Da durd die gleiche Gefiederfarbe
die beiden Gefchlechter wenigſtens
im Streiden ſchwer auseinander:
VI. ı. Das deutſche Weidwerk.
zuhalten find, follte man den Hahn
nur auf der Balz hießen und die
Ketten möglichft ſchonen, bis fie ſich
fefter eingebürgert haben.
Der Hahn hat ftark verlängerte
Kropf: und SKehlfedern und eine
rote Roſe über den Augen, auch ift
die Kehle mehr weiß und ſchwarz,
bei der Henne gelblich weiß ein-
gefaßt. |
431. Der Fafan, urjprünglich
ein orientaliiher Vogel — feine
Heimat ift eigentlich Afien — findet
fih jegt über ganz Europa, mit
Ausſchluß des Nordens, verbreitet.
Das große Anpaffungsvermögen
dieſes herrliden Wildvogeld Hat
ihm das Eingewöhnen aus der
warmen, minterlofen Heimat in
unjer mitteleuropäifches Klima mit
den oft jehr rauhen Lagen erleid-
tert. Er findet fih im Mittel:
gebirge wie in den Tiefebenen,
wenn fie ihm bei günftigen Boden:
verhältnifjen den nötigen Schuß
gegen rauhe Winterjtürme fichern
und vor allem, wenn der Jägers:
mann e8 verfteht, durch reichliche
Fütterung über die Zeiten der Not
binwegzubelfen.
Dann wird er ein dankbares
Wild, das durch feine Fruchtbarkeit
die Aufzucht rentabel madt. Sin
‚großen Fafanerien urfprünglic) groß
gezogen, hat der jchöne Vogel durch
weites Berftreihen feinen Hegern
gezeigt, daß er auch auf eigenen
Füßen zu ftehen befähigt ift, und
dies ficherte ihm fpäter feine große
Verbreitung.
Wie alles Wild, das die forgende
Hand des Hegers inrauher Winters:
zeit ſchützen gelernt hat, verliert
der Faſan zu diefer Zeit und nur
an diejen Futterplägen feine ur-
fprünglide Scheu und fteht dort
auf den Pfiff oder den Ruf des
fütternden Hegers vertraut zu.
Man wählt hierzu Diedungen mit
Dornen und Geftrüpp, wie fie bei
Niro. 431.
Niederwaldwirtihaft gerne vor:
fommen. Niedere, gededte Schub:
hütten, der Boden von Schnee be=
freit, fhügen die Körner ‚vor dem
Naßwerden. Die Wege bierzu
werden den Fafanen durch aus⸗
geftreute Körner angezeigt. Weber
die Anlage von Fajanerien und
fünftlide Aufzucht gibt die ein-
oe Literatur Aufihluß. (Ans
ana.
Die Frage, ob der Faſan als
ein SchädlingderLandmirt-
haft anzufehen ift, ift glänzend
gelöft durch Unterfuchung des Kropf-
und Mageninhalts, hHauptfächlich zur
Saatzeit, die ja eigentlih nur in
Betracht kommen könnte.
Der Inhalt beſtand meiſtens aus
Kerbtieren, Larven, Würmern,
Schnecken, ſo daß man ihn eher
für einen Freund des Ackerbauers
halten möchte. Wohl mag er. wie
alle Hühnerpögel durch Scharren
den anfeimenden Samen austreten,
doch kann von einem nerinengwerten
Schaden abjolut feine Rede fein.
Der am meiſten verbreitete Faſan
iftderböhmifche, auh Kupferfajan
genannt, ferner der ihm verwandte
Ringfafan, als Biervögel- in
Faſanerien erwähne "ich noch den
Goldfajfan, Silberfafan,
Königsfafan, lekterer beginnt
fi ebenfald als Jagdfaſan ein-
zubürgern, kreuzt ſich aber gerne
mit dem Edelfafan. Albinismus
fommt häufig vor. Dieſe Abarten
müffen aber als Degeneration an=
gejehen werden und jollten nur der
Spielerei halber nicht , geduldet
werden, da fie den Faſanenſtand
entwerten, von den anderen in
Reinzucht gebliebenen gemieden
werden bezw. dieje zum Ausmechjeln
veranlaffen. Auch ift die Wider-
ftandsfraft dieſer buntjchediaen
Geſellſchaft gegen klimatiſche Ein—
flüſſe nicht ſehr groß; ihre helle
Farbe bildet noch obendrein eine
Nro. 432. 3.0. Sicharl.
Anziehungskraft für Raubzeug aller | Die Erlegung des Hahns
Art. geichieht am geeigneiiten im Spät \... ;
Solange der Tiſch gedeckt ift, |herbft gelegentlich der größeren :- ..
fieht man den Faſan in Feld und | Treibjagden, das junge Volk zut ..,,,
Wald, auf Wiefen und Schlägen; | Zeit der Hühnerjagd zu beihieken =...
wie alle Hühnervögel geht er zeitig | muß als unmweidmänniscd verworfen -...
zur Ruhe, baumt auf mit lebhaften | werden; der junge Faſan ift met >. _
Soden. Die Henne legt 8—10,| Haut und Gerippe als Fleiſch unnd
auch 12—15 Eier, führt ihr Ges | jollte eigentlich erft bei Schnee er: | -....
\perre wie die Auerhenne anlegt werden. Dann haben alle
Ameijenhaufen, wo die Kleinen zu: | Faſanen genügend Fleifch angeſetzt
nädft die Eier der Waldameife zu | und geben einen vorzügliden Wild» |
foften bekommen. Leider ift die | braten. Der Hahn geht beim
Zahl der Feinde eine unge: | Treiben mit Poltern und lautem :..
heuer große. Der Fuchs holt Geſchrei in die Höhe, ftreicht aber ı:-, ..
ih die brütende Henne vom Neft | dann ungemein raſch und ift im
und dezimiert ihre Brut. Der | hohen Holz nicht leicht zu ſchießen. |.
Dachs ift ein gefährlicher Eierdieb,| Wird nur auf Fafanen getrieben |
Marder, Iltis und Wiefel, daS ge: | und find diefe in größerer Zahl | —
fiederte Raubzeug und vor allem | vorhanden, dann muß die Treiber⸗ 3%
Bm He Er VEN
’ 2 zes 3» 72 =
dag gefährlichite Naubtier, der | wehr fehr dicht und fehr geordnet
Menſch, jegen der Ueberproduktion
Iharfe Schranken. Der Yäger
kann fein Wild nur ſchützen, indem
er gründlich mit dem Naubzeug
aufräumt, für tadellofe Ruhe und
Ordnung zur Brut: und Legezeit
Sorge trägt und rückſichtslos allen
den genannten Wildſchädlingen zu-
letbe geht.
gehen, ohne viel Lärm, auf Kom:
mando ftehen bleiben, mit den
Stöden auf den Boden jchlagen,
um die Fafanen zum Laufen zu
veranlaffen. Der Fafan bäumt
fehr gern im Treiben auf und iſt
in dichtem Stangenholz nit Zu:
ſehen, läßt die Zreiber vorüber, |.
wie er auch in Schlägen und
Die Balz des Hahn be- | Didungen fich feſt auf den Boden
ginnt anfangs März und dauert | drüdt. Da man auf einen Hahn
oft bis in den Juni hinein. So: |Teiht 6—8 Hennen rechnen darf,
lange nod eine Henne im Revier ſo jollten zur Erhaltung eines
ift, die noch nicht auf dem Nefte | guten Faſanenſtandes nur Hahnen 1:
fist, Hört die Eiferfucht der ſtrei- gejchoflen werden, alte Hennen |.
tenden Hahnen nit auf. Alte, | müffen unbedingt geſchont wer: 1:
meift gelte Hennen neigen oft zur | den, und der notwendig gewordene
Sahnenfedrigfeit, d. h. fte nehmen | Abſchuß der Hennen nur die
bei der Maufer verjchiedene charak: | ſchwächſten Stüde berühren.
teriftifche Merkmale vom Gefieder | 432. Die Trappen find nut
des Hahns an, find oftmals bei vor: | auf großen Ebenen heimiſch und
gejcehrittener Hahnenfedrigfeit nur | dad mächtigſte Flugwild Deutid:
am Fehlen des Sporns zu erkennen. | lands; ſie erreichen ein Gewicht
Wird die brütende Henne am | bi8 zu 30 Kilogramm, In größerer
Kefte geftört, dann verläßt fie | Zahl wird die Trappe in der Pro:
häufig, namentlih im Anfang, für | vinz Sadfen und in Brandenburg
immer ihr Gelege, daher große | angetroffen, dort ift fie auch Stand:
Ruhe im Revier Dringend ges |vogel. Man unterfcheivet Groß:
boten. trappen und Zwergtrappen. Letztere
VI. 1. Das deutſche Weidmwerk.
find nur 1 Kilogramm fehwer und
treten, wenn ftrenge Winter fie
vertreiben, als Zugvogel auf.
Wenn die Felder kahl geworden
find und die Jagd auf die Trappen
beginnt, ift es jehr ſchwer, 7.
habhaft zu werden. Wie alles
Federwild, äugen und vernehmen
fie ungeheuer weit, find ſehr miß-
trauifh und laffen fih nit an:
pirfhen. In unauffälliger Kleidung,
im Gemwande des Bauerdmanng
neben Aderwagen jchreitend, kommt
man ihnen manchmal auf 120—150
Schritte nahe. Die Trappen be-
dürfen des Windes, gegen den fie
laufen, um ſich zu erheben, ſtreichen
aber dann jehr fchnel. Man kann
fie auch ſich zutreiben laffen, wenn
man fih vor Tag in fog. Scieß-
löcher jeßt und die Trappen ans
gehen läßt; die Stellen der Löcher
müſſen genau ausgelundfchaftet jein
in der Nähe von Aejungsplägen,
an denen fich die Trappen. gerne
aufhalten. Da man nie auf gute
Schrotſchußdiſtanz rechnen kann, ift
es geraten, ſich der Heinfalibrigen
Büchfe zu bedienen.
Das Wildbret der jungen Vögel
it ſehr zart und delikat, das der
älteren zähe und bedarf jtarker
eize.
433. Der Kranich ift Zugvogel,
wird al8 Brutvogel nur in Pommern,
Medlenburg und Schlefien ange>
troffen. Wafjerreihe Niederungen
oder Sümpfe, moorige von Erlen-
gebüfch unterbrochene Wiefen find
fein Lieblingdaufenthalt. Zur Zug:
zeit im Frühjahr und Herbit kann
man fein Gefchrei des Nachts in
den Lüften mandmal hören, es
gemahnt an das Gejaide des wilden
Jägers. Die Jagd kann nur beim
zufälligen Aufgehen mit Erfolg be=
trieben werden, ſei es zur Zugzeit
im Herbſt, wenn die Kraniche zu
kurzer Raft einfallen, oder an ihren
Standorten beim Einftehen des
Niro. 433—434.
Abende am Sumpfrand oder auch
vom Entenſchirm aus.
Ihr größter Feind ift weniger
der Menjch als die rationelle Boden:
bewirtihaftung, die ihm feine
m raubt.
434. Auch der Schwan gehört
zur hoben Jagd. Er findet fi in
ben großen Landſeen Europas, er⸗
ſcheint zur Zugzeit im Frühling in
Oſtpreußen im Friſchen Haff mit
dem Brechen des Eiſes, zunächſt
vereinzelt, dann in größeren Scharen,
um dann ſpäter die Brutplätze auf⸗
zuſuchen. Es iſt ein Anblick von
unvergleichlicher Schönheit, dieſes
mächtige Flugwild mit den breiten
Schwingen und dem langen Halſe
ſich von der klaren Luft abheben
zu ſehen. Sein Geſchrei iſt weithin
hörbar. Da, wo dieſes ſchöne Tier
als Wildvogel auftritt, mag ſeine
Bejagung von unverkennbar gro⸗
Bem Reiz ſein, jedoch find auch
dort Stimmen laut geworden, daß
es eigentlich ein Unrecht ſei, den
Vogel, der ſich faſt in nichts von
unſeren zahmen Schwänen unter⸗
ſcheidet, zu erlegen. Der Schwan
führt das ſchönſte Familienleben
bis zum Ende.
Wird ein Stück getötet, dann
kommt an dieſe Stelle mehrere
Tage nacheinander der andere Teil
wieder zugeſtrichen, um zu klagen,
und ſucht nach ſeinem Gefährten.
Man unterſcheidet den Singſchwan,
den Höckerſchwan, der der größte
feiner Gattung iſt, und den Zwerg⸗
ſchwan. Diejer hält feine Zug:
rihtung ſehr ſcharf ein im Früh:
jahr und Herbit und wird zmifchen
Dftfee und Frankreich, wo er brütet,
in Holftein, Oldenburg, Hannover,
Weitfalen häufig angetroffen.
Der Schwan ſchwimmt ungemein
ſchnell; fteht er auf dem Waſſer
auf, kann er dies nur gegen den
Wind fertig bringen. Man ſchießt
ihn gelegentlich mit der Kugel.
Nro. 435.
Gefiedertes Raubwild.
435. Die Adler, Wie im Hoch—
gebirge, im deutjchen Bergwald und
in den weiten Forſten der Tief-
ebene der Hirſch ald der König des
Waldes gilt, fo herrſcht nach alter
Sägerfitte in den lichten Höhen des
Himmels, im Wolfengebirge, der
Adler ald König der Lüfte. Stolz
sieht der große Zlugfünftler, mie
ein Pünfthen am blauen Firma:
ment, feine gewaltigen Kreife, mit
dem ſchärfſten Auge, da3 die Natur
geichaffen, die Heinfte Kreatur er—
fennend und prüfend.
In den bayerifhen Alpen, im
Allgäu, als Steinadler, in
Oftpreußen als Goldadler be-
fannt, tft diefer Typus als Horft:
vogel nur in wenigen Gremplaren
verbreitet. Die verjchiedene Be—
zeichnung des gleichen Typs dürfte
wohl nur im Alter und der damit
verbundenen Färbung des Gefieders
zu juchen fein. Der Steinadler
wird fteinalt, wird erft nad dem
10. Sabre fortpflanzungsfähig und
joU in Gefangenſchaft ein Alter
von über 100 Jahren erreicht ha—
ben. Bon den 2—3 Jungen, die
ausgebrütet werden, bringen die |-
alten Horftvögel felten mehr als
2, oft auch nur eines auf. Die
meitt jehr jchmalen Felfenhorfte
vertragen eine größere Bewegung
der Jich drängenden und nad) dem
Naub jo gierigen, nimmerjatten
Jungen auf die Dauer nicht und
mancher der Fleineren Vögel ftürzt
vom Horſt. Der zugetragene Raub
beiteht aus Gemstitzen, Rehkitzen,
Haſen, Lämmer, Fuchs, Kate, Ge—
flügel, aber nie aus Aas. Daß
der Steinadler zur Horſtzeit großen
Schaden anrichten kann, iſt erklär—
lich. Eine methodiſche Jagdaus—
übung i ſich nur ſchwer feſt—
ſtellen. Wer die Elternvögel nicht
am Horſte abzuſchießen vermag,
J. v. Sichart.
der verſucht ſie am geſchlagenen
Raub mit dem Tellereiſen zu fangen.
Da die geringſte Veränderung in
der Umgebung des geſchlageuen
Wildes das Mißtrauen des Adlers
hervorruft, ſo iſt große Vorſicht und
Sachkenntnis notwendig.
Bei den Raubvögeln iſt das
Weibchen ftet? größer ald das
Männchen. Die befonderen Merk:
male in den Klaffen der Raub:
vögel finden Vortrag bei der Nie-
derjagd, gefiedertes Raubwild.
Der Kaiſeradler, kaum ſo
groß als das Männchen des Stein:
adlers, iſt in Deutſchland nur
Strichvogel, er findet fih häufig
im Dften Europas, in den Donaus
tiefländern, als Bewohner der
Steppen. Horftet lieber auf Bäumen.
Der Zwergadler ift ein Be-
mwohner der Waldberge, vermeidet
das Hochgebirge, mie die Steppe,
er hat Aehnlichkeit mit dem Buf:
ſard, ift ebenfo wie der Schrei-
adler nur ein vorübergehender
Befuher Deutſchlands. Beide
baflen gerne auf den Uhu. Der
Zwergadler ähnelt in feinem Wefen
jehr dem Steinadler, aud) in feiner
Geſtalt.
Häufiger verbreitet findet ſich
der Seeadler, er iſt Bewohner
der großen Landſeen und fiſch—
—
reichen Flüſſe, ſein Horſt iſt in der
Nähe derſelben auf hohen Eichen,
auch manchmal ganz niedrig im
Schilf und erreicht durch Zubau
eine ziemliche Höhe, ſo daß er auch
kleineren Vogeln, wie den Rohr:
ſperlingen, als Niſtplatz dient. Der
Flug des Seeadlers erſcheint durch
die großen Schwingen ſchwerfällig.
Die Farbe der älteren Adler iſt
lehmgelb, die der jungen Adler
dunkelbraun, welch letztere außer⸗
halb ihrer Brutplätze häufig mit
dem Steinadler verwechſelt werden.
Die größte Verbreitung in
Deutſchland hat der Fiſchadler.
VI, 1. Das deutſche Weidwerk.
Er ift ein ftarfer Fifchräuber und
gibt der Otter darin nicht? nad.
Erft fpät am Morgen, wenn bie
Gewäſſer nicht mehr dampfen, zieht
er auf Raub aus und wählt dann
gerne altbeliebte filchreiche Stellen,
an denen er leicht erlegt werden
fann. Da er gerne erhöht auf:
blodt, fo ift aud fein Fang im
Pfahleifen dort von großer Wahrs
Icheinlichkeit. Auf den Uhu haft er
nicht.
Der Shlangenadler fommt
am Rhein, in der Pfalz, in Schle—
fien, in Brandenburg häufig vor.
Die Nadenfedern find zugejpitt
und ftehen weit ab, an dieſen
Merkmalen wird er von feinen
Artgenofjen leicht unterfchieden,
feine Größe ift gering, er bildet
den Uebergang zu den MWeihen.
Der Schlangenadler macht jeinem
Namen alle Ehre, außerdem fängt
er Fröfche, Eidechjen, Krebfe, auch
Fiſche. Sein Schaden iſt gering
und verdient er deshalb eher Scho-
nung. Sch möchte bei diefer Ge-
legenheit nicht verfäumen zu be—
tonen, daß diefe Art Raubvögel,
deren Schaden fo gering und fo
wenig nachweisbar ift, vor der
gänzlihen Vernichtung bemahrt
werden jollten. Namentlich follte
das Ausnehmen der Horfte, Töten
der Brut möglichft verhütet werden.
Unfere jchöne Tierwelt, zu denen
diefe großen Flugfünftler in erfter
Linie zählen, ift durch den Ber:
nichtungskampf, den der Menſch
oft aus reiner Mordgier, ohne
wiſſenſchaftliches Intereſſe gegen
dieſe, die Natur belebenden Ger
ſchöpfe ausübt, ohnehin in Gefahr
ihrer jchönften Zierden beraubt zu
werden.
Ueber die näheren Unterfcei-
dungsmerkmale der Adler von den
anderen Raubvögeln fiehe „gefie-
derte® Raubwild“ der niederen
Sagd.
Niro. 436-437.
436. Der Uhn bietet, abgejehen
davon, daß er einer der fchönften
Raubvögel in Federzeichnung zc.
ift und daß er den Schaden, den
er anrichtet, vielfach wieder, wenn
auch unfreimillig, durch feine An-
ziehungsfraft auf das Raubgefindel
der Lüfte erjeßt, dem Jäger noch
andermweitige® Intereſſe. Er it
die Hauptveranlaffung von den
Sagen vom wilden Heer, vom
wilden Säger, dem Nacdhtgejaid
durch feinen fchauerlichen, unheim-
lichen Ruf, den er namentlich zur
Paarzeit im Frühjahr ausftößt,
wenn die Nacht hereinbricht. Wer
je dem Duett des dumpfen, weit
hörbaren Buhu! Hu! Hu! des
Männchens und dem gräßlichen
Kreifhen des Weibchens, dem
Schreien eines gemarterten Men-
ſchen nicht unähnlid, einfam im
finfteren Walde gelaufht hat, der
verfteht die Entſtehung diefer Sa:
gen. — Der Ahu ift Standvogel,
durdhftreicht aber weite Gebiete.
Obwohl Nacdhtraubvogel, ift er am
Tage doch aufgewedter ald alle
feine Bermandten und äugt auch
dann ungeheuer fcharf in die Ferne.
Man kann ihn von, feinen Artge-
noſſen den Beftgehaßten nennen.
Er nimmt mit allem vorlieb, was
da kreucht und fleudht, wird zum
Schaden für die Niederjagd, auch
Aas verihmäht er nicht. Ver—
Ihludte Federn, Haare und Knodyen-
jplitter wirft er jpäter als Gewölle
in längliden Ballen wieder aus.
Es follte, um das Ausſterben dieſes
Vogels zu verhüten, nur der junge
Neftvogel ausgenommen werden,
um ihn zum Sagdbetrieb in der
Auf- oder Krähenhütte zu verwen—
den.
437. Den Bau der Aufhütte
jege ich als befannt voraus. Vor—
zügliche Werfe (Anhang) und Jagd:
bilder bringen das Weſen Der
Hüttenjagd, ihren Betrieb zc. zum
Nro. 437.
Ausdrud, fo daß ih mich kurz
faffen kann und nur das Verhalten
des Aufs in Keiner Skizze aus
eigener Anſchauung bejchreiben
werde.
Sch habe in der Ausübung der
Hüttenjagd große, jagdliche Reize
empfunden und mich immer vor⸗
züglich dabet unterhalten, nament-
ih, wenn die Hütte jo gelegen
war, daß man aus den jchmalen
Schießſcharten überall bin freie
Ausficht Hatte. Der Auf hodt auf
dem Pfahl zunächſt faul und un
willig. Die große Eule weiß, daß
ihrer feine VBergnügungen harten,
trägt den dicken Kopf eingeſunken,
die Obrenbüfchel ſchräg jeitwärts
und etwas nach Hinten geftellt, das
Gefieder aufgeblafen. Nur das
Auge zeugt von Leben und Bewe⸗
gung. Es ift von munberbarer
Schönheit, die tiefſchwarze Pupille
ift von feuriger Iris umgeben,
jo daß das Auge oft förmlich
Funken ſprüht und vom Goldgelb
zum Orangerot ſpielt. Deutlich ver⸗
engert und erweitert ſich beim
Atemholen die Pupille.
Die kleinen Singvögel, die ein
furchtbares Gezeter erheben, be-
achtet er nicht. Sobald ſich aber,
wenn auch noch in weiter Ferne,
eine Krähe ſehen läßt, ſo wird ſein
Gefieder plötzlich glatt, er ſtreckt
ſich etwas und die Ohrbüſchel gehen
zuſammen und pfeilgerade in die
Höhe. Das Näherkommen oder
ſich Entfernen markiert er ſofort,
der Hüttenjäger muß ſtets ein gutes
Glas bei ſich haben, um den je-
weiligen Aufenthaltsort des aufs
geblodten Raubvogels Eonftatieren
zu können; der oft lange in der
Ferne figen bleibt und beobachtet.
Sit der Raubvogel größer und
ſcheint er dent Uhu ein gefährlicher
Gegner zu fein, fo wird der Auf
immer länger und jchmaler, Der
Kopf geht unruhig Hin und ber,
J. v. Sichart.
der Uhu knappt mit dem Schnabel,
er blockt ſchließlich ab und duckt
ſich mit geſträubtem Gefieder und
ängſtlich nach oben gewendetem
Kopfe auf den Boden oder er wirft
ſich auf den Rücken, die Fänge
nach oben gerichtet. Dieſer letzte
Moment tritt natürlich erſt ein,
wenn der Raubvogel ſcharf auf den
Auf haßt. Der Schuß auf den
Raubvogel muß fehr raſch erfolgen,
entweder wenn er auf den Krafeln
oder Fallbäumen aufgehodt bat,
oder über dem Uhu fteht, oder im
Stoßen fih wieder erhebt. Der
Jäger muß troß der verbergenden
Hütte ſehr vorfichtig mit der Hand-
habung der Schrotläufe fein. Diefe
dürfen nit zu meit aus den
Schießlöchern herausragen, ſonſt
ſchwenkt der Raubvogel, mißtrauiſch
geworden, ſchon von weitem ab.
Wenn ſich feine Raubpögel blicken
laſſen und der Auf mißmutig und
ſchläfrig auf ſeinem Pfahl hockt,
dann muß man ihn ab und zu
reizen. Dies geſchieht, wenn man
den Pfahl, Jule genannt, der in
einer Röhre läuft, durch eine Hanf-
ſchnur etwas aus der Röhre heraus:
zieht und den Pfahl dann wieder
in die Röhre zurüdfallen läßt.
Dieſe Erjchütterung veranlaßt den
Auf, mit den Flügeln zu fchlagen.
Kühles Wetter bei bemegter Luft
ift der Hüttenjagd zujagender als
jonnige, warme Tage. Der Uhu
wird am beften in einem Korbe
auf dem Rüden getragen, feite
lederne Handfchuhe find unbedingt
erforderlih, um ihn bei den Fängen
zu fallen, mit denen er jehr ener-
giſch zu greifen verfteht und ebenfo
wie mit dem jcharfgefrümmten
Schnabel ftarfe Berlegungen her-
vorrufen kann. Man kann aud) mit
dem Uhu eine Streife unternehmen,
indem man ihn in der Nähe von
Feldhölzchen auf den Boden oder
auf eine Krücke fett und fich ſelbſt
VI. ı. Das deutſche Weidwerk. Nro. 433 - 440.
in der Nähe in dichten Gebüfch, nicht zu viel Fleifh und nament-
vorzüglich nach) oben gededt, ver: lich nicht viel gejchoffenes Wild
birgt. halten, da er teild an Herzver-
Der Uhu iſt mit Mäufen, Kleinen | fettung, teils an Bleivergiftung
Vögeln, Pferdefleifch, Geſcheide 2c. | trepiert. Drei Krähen oder drei
ſehr beicht zu unterhalten, er braucht Eihhörnden pro Woche genügen
viel Waſſer, um zu baden und ſoll vollauf.
3. Niedere Jagd.
der Alpenflora, es hält einen aus⸗
Haarwild. giebigen Winterſchlaf.
438. Der Biber kommt in! Die Schußzeit iſt ſehr kurz, 15.
Deutſchland nur noch in geringen | Auguft bi8 31.Oktober. Das Mantei
Stämmen oder Kolonien vor, wie | braudt einen guten Schuß, weil
in der unteren Saale, an der Elbe es fonft in ven Bau einfahrt und
bei Alten und Wittenberg, und im | verloren ift, am beften Kugelfchuß
Anhaltifhen. Auch in Bayern war |in den Kopf. Da zur jelben Zeit
um die Mitte des vorigen Jahr: | die Jagd auf Hirſch und Gams
hundert3 der Biber an der Donau | auf dem Höhepunft fteht, jo kann
und an der Amper, allerdings in | man es ſich gut denken, daß
nur wenigen Eremplaren, nod) hei: | man fchon um der Ruhe im Hod)-
mifh. Der Biber ift der größte 'gebirgsrevier willen es meidet,
Nager, erreiht ein Gewicht von | einen Schuß abzugeben auf ein jo
20— 30 Kilo. Der breite, fchuppen= | kleines und jo wenig wertvolles
artige Schwanz wird Kelle genannt. | Tier. Das Graben der Winter:
Unter dem Weidloh hat er zmei | baue wird von Unberedtigten
Drüſen, die mit dem jogenannten | manchmal geübt und follte verhütet
Bibergeil, einer übelriehenden, aber | werden, um der Bernichtung des
von den Mpothefern geſchätzten barmlojen Nagers vorzubeugen.
Maſſe, gefüllt find. 440. Der Haſe. Bon allen
Die Nahrung des Bibers befteht Wildarten das vielgeplagtefte,
aus Fiſchen, aber auch vorzugs: | vielbegehrtejte, am meijten ver-
weife aus vegetabilifchen Stoffen, | folgte Tier. Der alte Wildungen
aus der Rinde weicher Holzarten, | jagt:
wie Bappeln, Aipen, Weiden, ebenfo Menfchen, Hunde, Wölfe, Lüchie,
aus Wafjerpflanzen und Wildobft. | Kagen, Marder, Wiefel, Füchſe,
Der Schaden ift unbedeutend, den Adler, Uhu, Raben, Krähen,
er anrichtet. Sn den noch vor: | eder Habicht, den wir fehen,
handenen Kolonien genießt der) Glitern ja nicht zu vergejjen,
Biber abfolute Schonung. Alles, alles will ihn freſſen.
439, Das Murmeltier, aud | Seine ungeheure Fruchtbarkeit und
Mankei in der Sprache der Aelpler | da8 große Anpafjungsvermögen
genannt, kommt in Deutschland nur | fegt ihn in den Stand, allen ge-
im bayerifhen Hochgebirge vor, | ftellten Forderungen nahzufommen,
das Männden heißt Mantfeibär, | jo gewiſſermaßen die Nachjtellungen
das Weibhen Mankeikatz. Seine | herauszufordern.
Heimat ift die Gefteindregion, feine) Faſt jede freilebende Wildaattung
Nahrung die aromatischen Kräuter | leidet unter den gefteigerten tultur-
—— ee le el a Ta ee a a a sm a an
.
se. on ee
| 3. v. Sichart.
— — — —.
Nro. 440.
verhältniſſen und geht quantitativ
und qualitativ zurück. Der Haſe
dagegen gedeiht nicht nur, ſein
Geſchlecht nimmt ſogar noch zu,
als wenn das alles nur für ihn
vorhanden wäre und auf ſeinen
ſchwachen Schultern ruht infolge-
deſſen oft allein die ſchwere Laſt
des Jagdpachtes.
Wird Zuwachs und Abſchuß in
ein richtiges gegenſeitiges Verhält-
nis gebracht, dann gedeiht Freund
Lampe und die Rente der Jagd
ſteigt, iſt das nicht der Fall, wird
unrationell gewirtſchaftet, dann ver⸗
ſagt ſelbſt ſeine große Fruchtbarkeit,
ſeine Zahl ſchwindet dann rapid.
Mitte September, wenn die Ge—
treidefelder abgeräumt ſind und die
Kartoffelernte beginnt, geht die
Schußzeit auf Haſen auf.
Leider, muß ich ſagen, denn wer
jetzt ſchon anfängt, Haſen zu ſchießen,
wird manche trächtige Häſin, mans
chen kleinen, hoffnungsvollen Jung⸗
haſen, der in 6 oder 8 Wochen
ſpäter das dreifache an Gewicht
betragen würde, erlegen. Der
Haſe iſt auch zu dieſer Zeit noch
nicht gut im Wildbret. Die reich:
liche, bequeme Sommeräfung läßt
an feinem Fleifche dag Kernige,
Feſte, Ausgereifte vermifjen, wel⸗
ches fein Wildbret im Spätherbit
und Winter fo auszeichnet. Der
Hafe, der in allernädhfter Nähe ſeine
Saß gemacht hat und nur bodelnd
oder hoppelnd zur Aefung gezogen
ift, Hat noch nicht gelernt, wie der
Herbithafe flüchtig die abgeernteten
Sluren zu durdeilen, Bier vor einem
tläffenden Bauernföter die Hafen
zujammenfchlagend, dort vom Kar:
toffel grabenden Agrifel oder von
Kindern aufgeſcheucht und planlos
das Weite juchend, er muß erft
wieder lertten, im Sampfe ums
Dafein die Läufe zu gebrauchen.
Dies gilt natürlih nur für den
Feldhajen, der Waldhafe,
der in großen, bergigen Waldungen
ohnehin nie zahlreih vorkommt,
und. dort weite Wege zur Aeſung
zurüdzulegen genötigt ift, ift nicht
fo verwöhnt, fein Wildbret aud
im Dftober nicht zu verachten, feine
Setzzeit hört auch früher auf, als
im flachen Lande.
Der Hafe liebt Feld und Wald
im Wechſel, ebenfo angrenzendes
Moos, Heide und ausgetrocdnete
Teiche, überall findet er das Zu:
fagende für feine Aefung, Die
Dedung für fein gefährdeteg Leben
heraus, er liebt die füße Ruhe über
alles, ebenjo wie er den Wind
haft und fih nie auf falten, dem
Wind ausgeſetzten Hängen aufhalten
wird Mit offenen Augen,
heißt es, fchläft der Haje. „Wa:
rum?" „Weil ihm feine Haut zu
fur; wird,” fagt der lateinische Jä⸗
ger, „wenn er die Lichter Schliekt,
muß er das Weidloch öffnen, und
diefen Zug verträgt er nicht." Die
Schnelligkeit feiner Läufe ift jeine
Hauptftärte und Hat den Ausdrud
Hafenfuß gefchaffen. Wer je eine
Häfin ihren Sat gegen Krähen hat
verteidigen fehen, der wird nicht
mehr von Yeigheit reden.
Die Einzeljagdb mit dem
Borftehhund oder in ganz
kleiner Gejellfhaft wird ausgeübt,
teils um einen Küchenhajen zu
ſchießen, teild um diejenigen Jagd:
diftrifte, die nicht zu größeren
Treibjagden vorgejehen find, zu
bejagen. Man läkt den Hund nur
fur; revieren und ſucht nur jene
Felder oder Schläge oder Plätze
auf, wo man Hafen vermutet. Die
fefter als der Rammler figende
Häfin läßt man am beiten durch.
Am flacheren Kopf und den tief
angevrüdten Löffeln fol man im
Lager die Häfin vom Rammler
unterjcheiben.
Großen Reiz bietet die Einzel
jagd mit dem Dadel. Sie
VI. ı. Das deutſche Weidwerk.
wird in größeren Waldrevieren
ausgeübt, die wegen des geringen
Haſenſtandes nicht getrieben mer:
den. Man läßt den kleinen, eifri-
gen Jagdgeſellen, am liebiten bei
fteilen Hängen, revieren, bi8 man
am Geläute hört, daß er einen
Haſen hoch gemadt hat. Man be-
gibt fih dann auf die Stelle, wo
man den Hafen und den Hund zu:
erft gejehen hat. Der Hafe läßt
fi nicht weit jagen und kehrt nach
1, oder 1, Stunde auf Ummegen
wieder an feinen alten Aufenthalt3=
ort zurüd, wo er vom Säger ge=
ſchoſſen wird.
Die Treibjagden können ver:
fchiedener Art fein. Sm Walde
find Borftehtriebe beliebt, bei
denen die Rückwechſel am beiten
nicht bejegt werden, um den zurüd-
gehenden Hafen, meiſt Käfinnen,
die Gelegenheit, ſich zu jalvieren,
nicht zu nehmen. Liegen die Hafen
bei feuchter oder warmer Witterung
und in großen Dickungen feft, dann
müſſen diefe Rückwechſel beſetzt
werden, ſchon deshalb, um den
Trieb wieder zurücktreiben zu kön⸗
nen. Die Verwendung von
Dadeln zum Treiben ift in fteilen
Hängen, dit mit Geftrüpp be—
wachſenen Waldungen, in denen
Niederwaldwirtſchaft getrieben wird,
fehr zu empfehlen, namentlich wenn
die Hunde gut jagen, d. h. nidt
weiter al3 bi3 zum Ende des Bo-
gend und das Aufgebot an Trei-
bern ein geringes ift.
Ein Dadel erfegt 6 Treiber.
Häufig empfiehlt es ſich zur Scho⸗
nung der Jagd, den einen oder
anderen Trieb liegen zu laj-
fen. Es follte nur einmal im
Sabre jeder Bogen getrieben
werden. Das Wild wird, abge⸗
fehenvon der großen Beunruhigung,
fonft ſehr ſtark dezimiert.
Seldvorftehtreibenfind da
anzumenden, wo die Ungunft des
Nro. 440.
mwelligen oder bergigen Geländes
ein Kefjeltreiben als zu gefährlich
erijcheinen läßt. Man wählt zu
diefem Treiben als Linie für die
Schützen abjchließende Höhenrüden,
die leicht mit Obftbäumen oder
Heden ꝛc. bewachſen find, große
Straßen mit Alleebäumen, Wald-
ränder. Auf drei Seiten werden
die Schüßen angejtellt, die vierte
Seite bildet die Treiberwehr. Lie-
gen die Hafen fehr feit, fo ift es
nötig, einige, aber wenige Schüßen
in der Treiberfette mitgehen zu
laffen, um die rückwärts heraus:
rutihenden Hafen zu jchießen. Da
dies aber meiſt Häfinnen find, fo
follte nur ein geringer Gebrauch
von diefer Methode gemacht wer:
den. Diefe Feldvorftehtrei-
ben finden gewöhnlich bei trocke—
nem Froſt und Schnee ftatt.
Einepraftifde Verteilung
derhundebefigenden Jäger
ift Sade des Jagdherrn. Grund»
jag muß bleiben, nie einen ‚Hund in
den Trieb zu lafjen, um einen an-
geſchofſenen Hafen zu holen. Erftnad)
Beendigung des Treibens werden
die angeflidten Hafen apportiert.
Beim Kefjeltreiben ift die
Anlage des Kefjeld von größtem
Wert, jeder Jäger follte es fich zur
Pfliht machen, den Anordnungen
des Jagdherrn gemifjenhaft nad):
zufommen, nur dadurch jchädigt er
nicht die Kafje des Sagdherrn und
den Anlauf der benachbarten Sagd-
gäſte 2c.
Die böhbmifhen Streifen
beruhen auf dem Grundjah, daß
der Hafe fih nur eine beftimmte
Strede vorwärts treiben läßt, dann
umkehrt und nach jeinem alten Platz
zurüditrebt.
Die Streife wird jo angelegt,
daß die Jäger auf einer langen
Linie mit verteilten Treibern in
gerader Richtung vorrücken, an bei-
den Flügeln zmweigen Seitenwehren
ro. 441.
im Hafen auf 300 Schritte ab.
Man kann auch das Ende des
Triebe durch Treiber mit Yeder-
lappen markieren, welche die Hafen
zur Umkehr zwingen. Auch die
Rebhühner Tcheuen fehr dieſe Lap—
pen und Streichen gegen die Schützen
zurüd.
Da der Hafe dasjenige Wild ift,
welches in größerer Zahl zur Strede
kommt, fo liegt die Gefahr nahe,
daß durch die meittragenden Ge-
wehre die Schüßen fich gerne ver:
leiten laffen, um die eigene Strecken—
zahl zu vergrößern, weit auf Hajen
zu jchießen, den armen Lampe
jämmerlih anzuſchießen und anzı-
flicken. Bei Waldtreiben ift jedes
angejchoffene Wild dem Revierjäger
genau anzugeben und der Anz
ſchuß zur leichteren Auffindung zu
verbreden.
Als Feinde, die dem armen
Löffelmanne dag Leben fehr er—
ſchweren, find auch innere Krank:
heiten zu rechten, die teil3 auf
Anſteckung, teild auf zu üppige und
fräftige Nahrung, Delſamen ıc.
zurüdzuführen find. Paraſiten in
Lunge, Leber, Milz und Einge—⸗
weiden vermögen einen Hafenftand
namentlich im Frühjahr nad) hartem
Winter arg zu dezimieren.
Ueber den Schaden, den der
fünftlide Dünger an Hajen
und Rehen anzurichten vermag, ift
viel’gefchrieben worden. Die Unter-
fuchung hat ergeben, daß nur dann
eine Gefahr für das Wild befteht,
wenn beim Ausftreuen des Düngerd
trodene Witterung bejteht und ber
pulverifierte Dünger nicht durch
Tau oder Wegen von den feinen,
Heinen Blätichen, die meiſtens dem
Milde zur Nahrung dienen, in den
Boden abgeihwemmt wird. Die
Aufnahme diejes Pulvers verurjacht
beim Wilde Entzündungen der
Magen: und Darmichleimhaut, an
denen dasſelbe eingeht.
F.v». Sichark.
So raſch ein Haſenſtand ruiniert
werden kann durch unrationelle
Behandlung und zu ſtarkem Ab-
Ihuß, jo ſchwer iſt derſelbe wieder
in die Höhe zu bringen. Es dauert
oft lange Jahre und erfordert ab:
folute Ruhe im Nevier, viel Hege
und Schuß des geringen, noch ver:
bliebenen Standes, Füttern im
Winter und Einjehen von wider:
jtandsfähigen, Träftigen Stämmen
im Frühjahr, um den Wildjtand
wieder zu heben. Außerdem muß
man zur Sabzeit fleißig im Revier .
fein, jede mwildernde Kabe, jeden
jagenden Bauern= oder Stadtköter
und dag Nabengefindel vernichten.
Die übrigen Räuber find durd
Legen von Eijen, durch die Hütten;
jagd 2c. kurz zu halten. Der erjte
Sat iſt in vielen falten Lagen mit
ſtarkem Nachwinter meiftend ver:
Ioren, wenn nicht das Hegen durd
Autterpläße und Freimachen von
Schnee auf Winterfanten Hilft. Die
alten Setzhaſen gehen manchmal
auch durch Milchfieber verlorent.
441, Das Kaninchen wird der
Heine Wetter des Hafen genannt.
Troß der großen Stammesver⸗
wandtichaft und der ziemlich ähn-
lichen Familienanſchauungen befteht
keine große Freundſchaft zwiſchen
ven beiden Nagern. Die beängſti⸗
gende Fruchtbarkeit des Karnikels
dürfte dem in dem nämlichen Glas⸗
hauſe fitenden Lampe wohl feinen
Grund geben, fein Betterchen mit
Steinen zu werfen. Gerade des⸗
halb liebt aber der Hafe die Nähe
des Karnikels nicht und halt fid
nur vereinzelt in der Nähe deren
Baue auf. Es mird wohl die
Liebe zur Ruhe fein, die ihn ver-
anlakt, den Verkehr mit den ewig
unruhigen und immer auf den
Läufen befindlichen Verwandten zu
meiden. Das Kaninchen lebt zu:
meift im Bau, der Aufenthalt in
der Erde gibt ihm feinen ange
nehmen Geruh und auch fein
Fleiſch, von Wildbret Tann man
freilich nicht reden, ift nicht fehr
begehrensmert, es ift füßlid im
Geſchmack.
Der jagdliche Nutzen iſt ſonach
minimal, ſein Schaden ſehr groß.
Es unterwühlt Waldungen, die der
Zerftörung entgegengehen, Dämme,
Hänge, verurſacht Erdrutſchungen
und iſt, wenn einmal heimiſch ge—
worden, nicht auszurotten. Es
liebt leichten, ſandigen Boden, der
ſich nicht gerade durch übergroße
Fruchtbarkeit auszeichnet und iſt
deshalb doppelt ſchädlich, genießt
aber auch das ganze Jahr über
keine Schonzeit.
Die Jagd mit dem Gewehr allein
bietet geringen Erfolg, obwohl es
einem flinken Schützen ein Ver—
gnügen bereitet, den über das Ge⸗
räumt flitzenden kleinen Kerl auf
den Kopf zu ſtellen. Am ergiebig-
ten ift noch das Frettieren. Das
Frettchen, ein Kleines, zur Familie
der Marder gehörendeg, ſehr biffi-
ges Geſchöpf, wird gezähmt, finger:
zahm gemacht und bringt die Kar:
nitel zum Springen aus dem Bau.
Ein Teil der Röhren wird von den
Sägern unter Feuer gehalten, ein
Teil mit Beutelnegen zugeſteckt, in
denen die ausfpringenden Karnifel
ih fangen, ein Teil wird zuge—
worfen. Dem Frettchen müffen die
Fangzähne gebrochen werden, denn
erwiſcht es ein junges oder viel-
leiht angefchofjenes Kaninchen,
dann jaugt e8 deilen Blut und wird
in dem gefättigten Zuftand müde,
rollt fih zufammen und fchläft, fo
daß es oft lange Zeit braucht, bis
es beraugfchlieft, am beften hilft
da noch im Bau angezündetes
Zaub, deſſen fcharfer qualmender
Geruh das Frettchen zum Ber-
lafien zwingt. Um die Kaninchen vor
eberrafhungen zu warnen, hängt
man den Frettchen auch Schellen an.
VI. 1. Das deuffche Weidiverk.
Nro. 442-443.
Die Zudt der Kaninchentefel
wird, jo hofft man in Jäger- und’
Züchterfreifen ein bejferer und
wirkſamerer Erſatz für die Frett—
chen liefern, die zumeiſt träge und
nicht immer disponiert find.
Sit das Wetter fonnig und warm,
trifft man das Kaninden auf den
Schlägen, wo es ziemlich gut vor
dem Hunde aushält, große Scho—
nungen werden am beiten mit dem
Hühnerhunde abgefuht, andere
Schützen jtehen an der Front und
den Seiten vor. Man nimmt fehr
feine, dedende Schrote zum Schuß
und muß gut vorhalten, um das
flinfe Geſchöpf zu treffen. Der
Schuß ift ähnlich ſchwierig, mie der
auf die Bekaſſine.
442. DerSchneehnfe oder Alpen:
haje ift im Sommer graubraun
und einfarbig, nicht gefprenfelt wie
unfer Feldhafe, im Winter ſchnee—
weiß mit ſchwarzen Löffelſpitzen.
Menn der Gamsbock ſchwarz wird,
wird der Haſe weiß, jagt der Ge-
birgler.
Er iſt nur ſpärlich in der Berg-
region vertreten, denn fein Leben
ift jehr fümmerlid. Die Jagd auf
ihn lohnt nicht, fein Wildbret ift
bläulic und hat füßlihen Geſchmack,
auch der Balg ift von geringem
Werte. Der Schuß auf ihn ge=
legentlich der Bergjagden, oder bei
der Pirfhe auf Gams verurjacht
jo viele Störung, daß höchſtens im
Tal beim Mbendanfit auf dem
Schnee der eine oder andere Schnee-
bafe erlegt wird. Es gewährt einen
ſeltſamen Anblid, einen Schnee-
hafen im Mondlichte laufen zu jehen
auf hellglänzender Schneefläche,
man glaubt bloß den Schatten des-
felben zu erbliden.
Baarraubwild.
443. Der Fuchs. UWeberall, wo
dieſes Schelmengeficht auftaucht, da
wachſen die Klagen und Berwün-
Nro. 443.
Ihungen wie Pilze aus der Erde,
der Bauer jammert über die fort-
geſetzten Räubereien an jeinem Ge:
flügelhofe, dem Jäger fchädigt er
die Niederjagd, er holt fich die
brütende Auerhenne, Birfhenne,
Fafanenhenne vom Neft, fängt den
Sunghafen im Klee, raubt daS Reh-
fig, nicht® ift ihm heilig, feine
Naubgier fennt feine Grenzen, ge-
rade zu derjelben Zeit, im Ueber:
gang vom Frühling zum Sommer,
wenn das Wild am ſchwächſten ſich
zeigt und am meiſten der Ruhe und
Schonung bedarf, iſt ſeine Raub—
luſt am größten, das nimmerſatte,
ewig hungrige Geheck und die alte
ſäugende Fähe verlangen ungeheuer
viel Nahrung, man ſehe nur ein—
mal bei einem Fuchsbau nad. Nur
wenige Wochen und der Jungfuchs
übt fich jelbft im Räubern, zunächſt
find es Fröſche, Grashupfer, Näufe,
denen er nachſtellt, aber der ge—
lehrige Schüler befindet ſich auf
einer eminenten Hochſchule der Spitz⸗
büberei.
Endlos ginge die Aufzählung
aller ſeiner Schlechtigkeiten und
Gemeinheiten fort.
Und doch zieht über des Jägers
Antlitz ein heimliches Schmunzeln,
wenn er dieſes roten Spitzbuben
gedenkt. Seltſam aber wahr. Er
kann ihm nicht ganz feind ſein,
wenn er ihn auch mit allen Mit-
teln verfolgt. Sagen wir — mit
alfen erlaubten Mitten. Dazu
vechne ich alle Sagdarten, die ihn
zu Bulver und Blei begnadigen,
die Heke aus dem Bau, den Fang
und das Töten im Bau mit dem
Dachshund, dag Tellereifen oder
den Schwanenhals mit der famofen,
unübertrefflihen Witterung — aber
nur fein Gift. Dazu ift der
arme Kerl doch zu edel, als daß
man ihn auf dieje Sheußlihe Art
der Bernihtung zuführt und jo
zahlreich ift feine Sippe nicht, daß
F. v. Sichark.
der Jäger zu dieſem Radikalmittel
greifen muß.
Ich glaube, daß mancher brave
Weidmann meine Anſchauung teilen
wird. Die Anhänger von Gift—
broden dürften wohl feine Ahnung
haben, welche große Gefahren das
Auslegen von Gift im Revier bei
unjeren ausgedehnten Kulturver:
bältniffen im Gefolge hat. Der
Broden kann von allen möglidhen
Tieren verjchleppt und verfhlungen
werden und wie viel Liebhaber von
Fleifh gibt es nit unter den
Menden, ich erwähne beijpiels-
meije nur die Zigeuner, die den
Hund, den gel, Fuchs, Raben,
Eihhörndhen, Nußhäher als Deli-
fatefje betrachten und ähnliche Lieb-
baber diejer Genüſſe gibt e8 auch
in der Bevölkerung von Stadt und
Land. Die Kochkunft hat meit-
gehendſte Fortſchritte gemacht heut-
zutage und der Erfahrungsſatz „mas
der Bauer nicht kennt, das frißt
er nicht“, gilt in der Jetztzeit nicht
mehr. Wie viel Hunderte von
Menſchen kennen das Revier min-
deſtens eben ſo gut, wie der Jäger,
wenn auch in anderem Sinne. Aus
dem Walde zieht der Menſch heut⸗
zutage heraus, mas nur möglich ift,
fein Schlupfmwinfel bleibt undurd-
ſucht, Holzmeiber und Grasmeiber,
Beerenjucher, Bilzjammler, Wurzel:
graber durchftreichen zu allen Tages-
und Abendftunden die Wälder und
auch zur Winterszeit gibt es immer
etwas zu juchen und zu jehen und
alles findet Verwertung, was auf:
gefunden wird, auch dag vom Gift-
broden getötete Tier.
Eine gute Eigenihaft muß id
dem Fuchs doch nachrühmen. Er
übt das Amt der Geſundheits—
polizei im Revier hervorragend
aus. Jedes angeſchoſſene Stück
Wild, das dem Jäger entgangen
war, jedes von verheerender Krank:
heit befallene und den Keim der
— — — —
VI. 1. Das deutſche Weidwerk.
Anſteckung in ſich tragende Wild
wird unfehlbar vom Fuchs gerifſen
und bei ſeiner großen Vorliebe für
ſchärfſten Hautgout verſchlungen.
Es werden alſo 3.8. Seuchen unter
den Hafen vom Fuchs im Entftehen
unterdrüdt. Der Jäger wäre allein
nicht imftande einer Epidemie wirk⸗
faın entgegenzutreten, Warum aljo
den Fuchs außrotten? Ter aus-
gewachſene Lampe fürchtet ſich nicht
vor dem Fuchs, der auch faft nie
den Verſuch madt, diefen zu über:
rumpeln, ich babe oft den äjenden
Hafen und den maujenden Fuchs
auf einem Ader beobadjtet, wäre
die Gefahr für den Meifter Lampe
wirklich fo groß, jo wäre er beim
erſten Erbliden feines Todfeindes
ausgeſchlitzt wie Schafleder.
Iſt ein Fuchs im Jagdrevier, jo
wird man feiner fehr bald gewahr.
Die Baue, die jeder tüchtige Revier-
jäger kennen muß, find befahren.
Sie werden bei fchlechter Witterung
jedesmal vom Fuchs aufgeſucht.
Dieje Baue zu bejeitigen, wäre ein
verkehrtes Mittel, im Oegenteil,
alte Baue, die vom Fuchs gerne
aufgejucht werden, müfjen erhalten
bleiben, um ihm dag Handwerk
legen zu können; nur ſolche ver-
Hüftete Baue, aus denen der Fuchs
nur mit Mühe und nicht ohne Ge-
fahr für den Dachshund zu fprengen
find, „Feljenbaue” follten zeritört
werden. 8 find nicht feine Räu-
bereien allein, die Meifter Reineke
verraten, gewöhnlich merkt man fie
erit, wenn e8 faft zu fpät zum Ein:
greifen geworden iſt; feine Viſi⸗
tenfarte findet man (Loſung) jehr
häufig an Kreuzwegen, auf Schneu-
Ben und Pirfchwegen.
Die Jagd auf den Fuds
ift fehr vielfeitig. Gelegentlich der
größeren Waldtreibjagden im
Spätherbft und Winter, wenn das
Wetter iroden ift, und auch fonit
beim Anjtellen der Schüßen und
Nro. 443.
Treiber ziemlich viele Ruhe herrſcht,
läuft der Fuchs verläffig an und
bildet eine Zierde der Strede. Da
er jehr bald los geht, eröffnet er
meiftend die Jagd, der erite ver:
einzelte Schuß der fällt, dürfte
meiftens ihm gegolten haben. Der
Fuchs pflegt feinen Wechfel genau
einzuhalten, außer er wird ver-
ftohen. Man verfteht darunter,
wenn der glüdlihe Schütze, anftatt
fih ruhig zu verhalten und abzu-
warten bi3 der Fuchs auf gute
Schußdiſtanz ſich genähert oder den
Trieb verlaffen hat, ſchon beim erften
Erbliden die Flinte hochnimmt.
Das verträgt Neinefe nicht, er
Ihlägt um, wie der Blit. Der
Schuß an und für fi iſt nicht
ſchwer, der Fuchs trabt und flüchtet
ſehr fchnell, aber gleihmäßig, da
aber feine lange Rute den Jäger
verleitet länger mitten auf dem
Fuchs mit dem Korn zu bleiben,
anftatt ihn gut am Kopf zu fallen,
oder genügend vorzufahren, fo geht
der Schuß mandmal hinten weg.
Aehnlide Wahrnehmungen kann
man am Fajanenhahn machen.
Sehr interefjant find Die Fuchs—
riegel bei Neuſchnee. Die
Treiben werden abgejpürt, der Fuchs
eingefreift und dann die Wechſel
beſtellt. Es genügen oft nur we—
nige Treiber, den Fuchs zum Los—
gehen zu bringen.
Die Ranzzeit Meifter Reinefes
fällt in die Wintermonate Sanıar,
Februar. Nah 60 Tagen wölft
die Fähe im Bau 5—6 Junge, die
bis zur Hauptſetzzeit und Brütezeit
des Nubmwildes im Mai und Juni
geradezu unerfättlich find.
Sit e8 dem Säger nicht gelungen,
mit Hilfe des weißen Spürhundes
der Hochzeitsgejellfhaft habhaft zu
werden, dann wird es Zeit mit
dem Tellereijen zu operieren.
Die Eifen werden zumeijt tm
Felde, dem Hauptoperationg-
29
— — —
—
Nro. 444.
gebiete des Fuchſes, in der Nacht
gelegt, in einer tiefen Furche, gut
verdeckt mit Erde und Dung ze.
Bevor man zum Legen der Eiſen
ſchreitet, werden am beſten am
Abend, um das Verſchleppen zu ver:
hüten, Broden gelegt, welche aus
einer für den Fuchdgaumen bered)-
neten Delikateſſe beftehen, wie
Katzengeſcheide, Haſengeſcheide, Eich-
hörnchen, angegangene und ange—
bratene Heringe ꝛc. ꝛc. Sind dieſe
angenommen, was man häufig an
der in der Nähe abgegebenen Lo—
ſung entdeckt, dann beginnt man
mit dem Legen von Eiſen, dem
Schwanenhals, Kaſteneiſen, Teller⸗
eiſen. Die Eiſen ſind natürlich
mit Kette und Widerhaken verſehen,
ſie müſſen täglich nachgeſehen wer—
den. Gar vielerlei Fangmethoden
gibt es, jedes praktiſche Handbuch
für Jäger gibt darüber ausreichende
Auskunft.
Fuchsſprengen und Fuchs—⸗
graben. Erzielt die Reviſion der
Baue, daß einer derſelben befahren
iſt, oder daß eine Fähin ihr Wochen⸗
bett darin aufgeſchlagen hat, dann
ſucht man der Räuber mit Hilfe
des Dachshundes ſich zu bemäch—
tigen, bezw. wenn der Hund im
Bau vorliegt und der Fuchs ſich
nicht ſprengen läßt. Durch Ein⸗
ſchlag im Keſſel mit Hake und
Schaufel die Räuberbande auszu—
heben. Genaue Kenntnis der Röhren
iſt notwendig, die entweder mit
verläſſigen Schützen beſetzt werden,
oder mit Steinen verrammt zu
werden pflegen, wenn Fluchtröhren
vorhanden ſind, die man wegen der
Bodenbeſchaffenheit nicht unterFeuer
nehmen kann. Erfahrene Dachshunde
würgen die Jungfüchſe meifteng ab
und ſchleppen fie aus dem Bau.
Auh der Anfig am Bau
bringt Erfolg, vorausgeſetzt, dag
der Jäger dag genügende Sitzfleiſch
und Ausdauer dazu befißt.
‚rm wu.
3. v. Sichart.
Eine Jagdmethode möchte ich neh
erwähnen, die weniger geübt wird,
aber nur deshalb, weil eine ziem⸗ | —
liche Fertigkeit dazu gehört, das |
Anreizen des Fuchſes mit,
der Hafenquäfe, aber fie erfordert
große Webung, guten Wind und
Ausharren. Aber mie gejagt,
fönnen muß nan ed. Wie beim
Angftgefchreiblatten, glaube ich, liegt
auch im Haſengeſchrei der Haupt:
moment des Reizes in dem Aus⸗
Hingen der lehten feineren Töne,
die den legten Zweifel ander &chtheit
des Gehörten im Rehbod, wie Fuchs
befeitigen. In den jchärferen, grö:
beren Tönen wird bei allen Inſtru⸗
menten vom Jäger die Aufmerl:
ſamkeit wachgerufen und je nach der
Qualität des Inftrumentes und der
Fertigkeit des Ausübenden gelingt -
auch ab und zu diefes Mittel, beim
einen beſſer, beim anderen weniger,
aber den entjcheidenden Moment
zu finden und das entjcheidende
Etwas im Tone zu produzieren
— — 1.0.
macht eben ben Meifter. Quod , ;,
erat demonstrandum, {
Diefe eben angeführten Metho: -
den, dem Fuchs möglichſt Abbruch
zu tun, können vollauf genügen,
namentlich wenn der edte und !
rechte Weidmann ſich ihrer bedient.
Ueber das Legen von Giftbroden ı
mag entſcheiden, wer will, ich ver:
zichte darauf.
444. Der Dachs. Meifter Grim-
bart, der ein ſehr weitläufiger Vetter
Reinekes ift, auf deſſen Kerbhol;
manches gejchrieben zu werden ver:
dient, was dem armen didfelligen
Burſchen angerechnet wirh, iſt eigent-
lich ein eingefleifchter Vegetari—
aner. Doch mo viel Licht ift, da
ift auch Schatten. Wenn er auf
feinen nächtlichen - Srrfahrten ein
Waldhühnerneſt findet, oder ein
Faſanen- und Nebhühnergelage, er
nimmt die Eier heraus, den Heinen
Junghaſen verfhmäht er auch nicht.
Pr
— —— —— — — —
—
tut
*
*
*
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VI, 1. Pas deuffche Weidwerl:.
Troßdem Tann man ihn feinen
eigentlihen Räuber nennen, Der
Dachs wohnt eben ziemlich benach⸗
bart mit den Fuchs, welcher jogar
gerne bei ihm einmietet und Da
lernt eben Meifter Grimbart viel,
was ihn mit der ſcharfen Auf:
faffung des Jägers in Konflikt
bringt. Den Dachs ſchützt haupt⸗
ſächlich ſeine Heimlichkeit, als Nacht⸗
tier läuft er nur gelegentlich dem
Pürſchjäger an in der Dämmerung.
Doc felten ereilt ihn das Geſchoß
des Jägers, der gerade zu dieſer
Beit dem guten Gemeihträger feine
Aufmertjamteit ſchenkt. SeineSchuß⸗
zeit beginnt mit dem 15. September
und hört Ende Dezember auf. Sein
Wert iſt nicht ſehr bedeutend. Die
Schwarte kann als Fußteppich ver⸗
wendet werden, die langen Haare
geben gute Raſierpinſel, das Fett gibt
eine vorzügliche Lederſchmiere, die
Hinterläufe werden gut geräuchert
und geben ganz vorzüglihe Dachs⸗
ſchinken von zarteftem Fleiſche. Das
ift fein Wunder, denn er nährt ſich
im Frühling und Sommer von Wur⸗
zeln, Kräutern, Schwämmen, Käfern,
Larven, Heufchreden, Schneden,
Negenmwürmern, im Herbite von
Obſt, Rüben, Buchen und Eichel:
maft und fchläft im Winter. Die
Ranzzeit findet nad neuejten
zuverläffigen Angaben nicht wie
bisher angenommen wurde, vor
dem Winterfchlaf, November, ftatt,
iondern Ende Juli und im Auguft.
Im Februar und Märsy wirft die
Dächſin 3 Zunge Es iſt ſonach
ähnlich wie beim Reh eine Ruhezeit
des befruchteten Eies zu konſta—
tieren.
Bei den Herbſttreibjagden
läuft er manchmal dem Schützen
an, wenn er vom Tageslicht über:
raſcht, feine Zeit oder vielleicht auch
feine Luſt gefunden hat, feinen Bau
zu erreihen. Er neigt fehr zur
Fettſucht. Es ift ein drolliger An-
Niro. 445.
blid, den feiften Burſchen fih an
einem Eichenſtock abmühen zu fehen,
wenn er nach Larven oder Wurzeln
fticht, er fchnauft und rohrt gewaltig,
wie ein von ärgjtem Aſthma ge:
plagter Menſch. Bei dieſer Ge-
legenheit fann man ihn, den man
ſchon meit blafen hört, bis auf
wenige Schritte anpürjchen. Das
verdugte Gefiht und der Verſuch
den Rückzug mit größter Beſchleuni—
gung anzutreten erwedt geradezu
Heiterkeit.
Auh der Anftand am Bau
bei Mondſchein wird geübt. Der
Dachs verläßt den Bau oft ſehr
jpät und erfordert der Anſitz viel
Geduld. Man muß den Dachs aber
gut einige 8—10 Schritte heraus:
lafien, da er ſonſt angeſchoſſen
wieder zurüdgeht oder verloren ilt.
Beim Graben aus dem Bau
und Aushetzen ſind ſehr ſcharfe
ältere Hunde notwendig, die den
Rummel gut kennen. Der Dachs
jegt fich jehr heftig zur Wehr und
verlegt oft ziemlich ftarf die Hunde.
Um den Einfchlag richtig vornehmen
zu fünnen, müſſen die Hunde fejt
vorliegen und den Dachs am Ende
des Keſſels halten. Sft der Dachs im
Kefjel freigelegt, wird er mit der
Zange, deren Griffe um feinen Hals
ſich fchließen, ausgehoben. Das
Anbohren mit dem Kräßer, einer
Schraubenzange, ift graufam und
unweidmänniſch.
445. Die Fiſchotter iſt ein ge⸗
waltiger Fiſchräuber und verdient
als ſolcher größte Beachtung und
Verfolgung von ſeiten des Jägers,
zu deſſen Pflichten es gehört, Schäd—
linge im Haushalte der Natur kurz
zu halten. Wenn Jäger und Fiſcher
bei der Verfolgung dieſes Räubers
Hand in Hand gehen würden, dann
dürfte wohl eine böſe Zeit für die
Otter kommen. Die Vermehrung
der Otter iſt ſehr groß, von einer
beſtimmten Ranzzeit kann nicht ge—
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Niro. 446. j 3. v. Sichart.
ſprochen werden, es finden ſich zu
jeder Jahreszeit Junge. Keine
Wildart iſt in Rückſicht des Auf:
enthalts ſo unſtet, wie die Otter.
Sie hat mehrere Wohnungen, die
oft ſtundenweit auseinanderliegen,
kehrt aber gerne an die ihr lieb
gewordenen Fiſchplätze und Wohn:
plätze zurück und verfehlt dann
ſelten den gewohnten Ausſtieg, der
faſt immer aus tiefem Waſſer ge⸗
rade ans Land führt. Diefe Plätze
ausfindig zu maden, ift Sache Des
Jägers, der dort mit Gejchid feine
Eifen zu legen hat. Das Teller:
eifen muß jehr ftarle Federn be-
fiten, denn fein Tier wütet jo im
Eiſen, als die Dtter,
Die Eifen können auf dem Lande
oder im Waſſer gelegt werden, je
nad den Waſſer- und Grundver-
hältnijlen, eine folide und feſte
Verankerung ift notwendig. Wäh-
rend des nächtlichen Fiſchens pfeift
die Otter jehr Scharf und weithin
hörbar, befonders zur Ranzzeit oder
wenn mehrere Ottern beifammen
find, im Kampfe mit dem Hunde
und bei heftigem Schmerze ſtößt
fie ein Kreiſchen aus.
Die Diter macht auch zu Lande
von einem Gewäſſer zum andern
große Wanderungen, fo daß
man fie gelegentlich fogar in einem
Fuchsbau antrifft. Ihren Bau im
Waſſer legt fie an überhängenden
Geftaden unter Baummurzeln an,
fo daß die Mündung noch unter
Waſſer fih befindet. Eine Luft:
röhre befindet fich ſtets am Ufer.
Man kann den raubhaarigen
Hühnerhund ala Otterhund ab-
richten, der lernen muß, die Luft:
röhren, die ſich wenige Schritte
vom Ufer ‚befinden, abzuſuchen.
Der Dtterjäger, der ungefähr die
Baue fennen muß, läßt deſſen An
wejenheit durch den Hund konſta⸗
tieren und dann graben, der Hund
muß lernen, der unter Waſſer
flüchtenden Otter zu folgen. Es
find hierzu mehrere Hunde erfor:
derlich und die größte Aufmerkjam-
feit des Jägers.
Der Anfig auf die Dtter ift
eine fehr zeitraubende Sagdmethode,
doch von Erfolg, wenn die Aus:
ftiege vielleicht in der Nähe einer
Mühle fich befinden und von dort
aus öfter des Nachts bei Monplicht
fontrolliert werden können. Iſt eine
Dtter nun einmal feftgemadt, dann
muß die nächſte, wenn monbhelle
Nacht dazu beitimmt werden zum
Anſitz. Doc ift der Fang mit dem
Tellereifen allemal vorzuziehen.
Es ift begreiflich, wenn der Jäger
beftrebt ift, die Otter, wo er nur
kann, zu verfolgen, denn ihre Mord»
luft ift groß, fie raubt Fiſche, die
fie nur zum Teil frißt und liegen
läßt. Dadurch verrät fie noch am
eheften ihren Ausſtieg. — Nah
dem neuen bayer. Fifchereigefet ift
der Fang der Dtter auch im die
Hand des Filchers gelegt.
Wer die Gewohnheit des Wildes
jeglicher Art kennt in den bewach—
jenen Rändern von Wafferläufen
und Teichen fich zu fteden, wo aud)
die Otter feine Wechſel und Aus:
ftiege bat, der wirb wohl über die
Unzulänglichkeiten diefer . Verord⸗
nung, die zwischen Jäger und Fifcher
großen Verdruß herbeiführen mül-
fen, nicht im unklaren bleiben. Biel-
leiht trifft. dann hier der Erfah:
rungsfat zu: duobus certantibus
tertius gaudet.
—
446. Die Wildkatze iſt ein
Raubtier, das über ganz Deutſch⸗
land verbreitet iſt, es findet über⸗
all feine Heimat, wo große Wal⸗
dungen Unterſchlupf bieten. Die
verwilderte Hauskatze wird vielfad
al8 echte Wildkatze gefchoffen, fie
nimmt aud Form und Yarbe häu-
fig von derſelben an. Wer aber
je Gelegenheit hatte, einen echten
ausgewachfenen Wildfater auf ber
ww en —
VI. 1. Das denifche Weidwerk.
Strede zu fehen, der ift fi nie
mehr darüber im Zweifel. Bor
allem die Größe und das Gewicht
ift harakteriftifh, 16—20 Pfund
ſchwer und eine Höhe von 45 cm.
Der über den Rüden ſich ziehende
Ihwärzlide Streifen und die be-
bänderte Rute ift auch bei vermil-
derten Katen zu Tonftatieren, die
Rute bat 22 Wirbel gegen 21 der
Hauskatze, das Geſcheide der Wild:
tage ift um ein Dritteil kürzer und
der Sohlenfled der Wildfage un:
verlennbar, der ebenjo wie die
Lippen vollkommen ſchwarz ift.
Sm ſcharfen Aeugen, auch bei
Nacht, in ebenfo ſcharfem Wittern
und ſehr leiſem Vernehmen wird
te von feiner Wildart übertroffen.
hre Nahrung find Kleinere Säuge-
tiere und Vögel, auch Filche liebt
fie über alles, Aas verfchmäht die
Kate.
Dem unverdrofjenen und fleißigen
Säger bejchert der alte Freund
„Zufall“ mandmal das jeltene
Weidmannsheil beim Revierbegang
dem gefährlichen Räuber zu begegnen,
oder er wird auf ihn aufmerkſam
durch das ängſtliche Geſchrei Heiner
Vögel, das Kreiſchen der Häher,
oder das Fauchen der Eichhörnchen,
alles Anzeichen, daß von einem Ge⸗
noſſen des lichtſcheuen Geſindels,
wie Marder, Wieſel, Katze, auch
Fuchs eine Untat verübt wurde,
oder werden fol. Wer im ent-
fcheidenden Momente mit Hafenquäfe
oder einer Vogelſtimme oder auch
mit dem Mäujeln aufzumwarten ver:
fteht, dem könnte leicht Hubertus
hold fein und ihm den Anblid einer
Wildfage beſcheren. Iſt die Kate
nit tödlich getroffen, fo geht fie
bei ihrem zähen Leben weit, und
it nur mit dem Hunde noch zu
befommen, der fie zum Aufbäumen
zwingt.
Auch hier beruht die Schwierig-
Nr. 447.
holzende, d. 5b. von Baum zu Baum
auf den Zweigen weiter flüchtende
Räuber in dichten hohen Beftänden
leicht dem Auge entichwindet. Der
brave Hühnerhund, der auf Marder:
jagden diefen Rummel kennen ge-
lernt hat, verfolgt oft ausgezeichnet
mit den Augen aud den Freund
Hinz, für den der ſcharfe Raubzeug-
mürger eine ganz bejondere Bor-
liebe befikt.
Hohle Bäume, Felsſpalten, auch
Dachsbaue liebt die Wildfage als
Aufenthalt. Aug den Bauen wird
fie mit dem Dachshund gefprengt,
aus den Bäumen ausgeräudert.
Bei großen Waldtreibjagden läuft
fie dem Säger an, wie der Fuchs.
Hier darf, ja fogar muß der Hund
jofort gelöft werden, um die Katze
zum Aufbäumen zu zwingen, wenn
fie angeſchoſſen ift.
447, Die Marder gehören zu
den gefährlichiten Schädlingen der
Niederjagd, da fie durch ihre Mord-
gier große Berheerungen unter dem
Kleinwild und namentlid) bei den
Hühnerjorten anrichten und durch
ihre große Heimlichfeit den Nach—
ftelungen des Jägers mit der
Schußwaffe ſich zu entziehen wiſſen.
Der alte Kobell ſagt von
ihnen:
Stein: und Edelmarder find
wohl zu kennen beide,
Senem ift die Kehle weiß, dem wie
gelbe Seide.
Willſt du aber Raub und Liſt an
dem Paar vergleichen,
Darzutun den größern Schelm, weiß
ich feine Zeichen.
Beide Marderarten kommen zu—
fammen vor im gleichen Revier,
mifchen ſich auch gelegentlih. Der
Edelmarder hat feinere Behaaruna,
ift um ein weniged größer, jein
Balg wertvoller, als der des Stein-
| marder?.
Der Edelmarder ift reines Baum—
feit der Jagd darin, daß der fort: | tier, hohle Bäume, verlaſſene Nefter
Niro. 448.
von Wildtauben, Eihhörndhen und
Raubvögeln find feine Wohnung.
Der Steinmarder hält fich mehr bei
den menfchlichen Wohnungen auf, in
Scheunen, Ställen, Gartenhäufern,
altem Gemäuer, Holzitößen ꝛc.,
niftet fi in Heulagern ein und
macht an der Wand und unter den
Balken feine Gänge und pflegt den
Landwirt ungleich mehr zu be:
jteuern, als den Säger.
Die Jagd auf den Edel-
marder mit der Shußmwaffe
allein ift ungemein fchwierig, jelbjt
für den guten Raubzeugjäger tft
e3 eine harte Aufgabe, die Spur
bei Neufchnee zu halten. Sie hört
auf, fobald der Marder holzt, d. 6.
von Baum zu Baum meiter flüchtet.
Die von den Meften abfallenden
Schneeflümpchen find unjchmer zu
jehen. Jeder Horft, jeder dicke Aft
muß geprüft werden, die Spur
führt durch Dickungen mit ftarkem
Anhang, zeigt häufige Wiedergänge.
Ohne verläffigen Hund tft es oft
unmöglich, die Fährte zu halten.
Bevor der Marder fih auf einem
Baume oder in einem Horjte ſteckt,
pflegt er zu näffen, wodurd) er auf
dem Schnee dem Jäger, oder deſſen
treuen Begleiter jich verrät.
Den beiten Erfolg verſpricht noch
der Fang des Marderd im Eijen
und in der Kaftenfalle. Die Eifen
müſſen fehr fauber gehalten fein,
event. vermwittert werden und bevor
fie gelegt werden, ift der Marder
anzufirren. Frifche Eier, gedörrte
Pflaumen, Anisöl und Kampfer
bilden ein großes Anreizungsmittel.
Der Iltis ift in gleicher Weiſe
Ihädlich, wechjelt Häufig mit feinem
Wohnort, den er im Winter in die
Nähe menihliher Wohnungen ver:
. legt, wo er größeren Raub findet.
Er wird aud) Rab oder Stänfer
genannt, foll Ratten und Mäufe
vertilgen, aber der Niederjagd wegen
jeiner Vorliebe für Eier fehr ſchäd—
J. v. Sichart.
lich ſein. Sein Balg iſt weniger
wertvoll, wird aber gut bezahlt,
behält jedoch den ſcharfen penetran=
ten Gerud, der unter der Rute in
zwei Stinkdrüſen aufgefpeichert ift.
Das Wiefel ift der Heinfte,
aber tüdifchjte Räuber der Nieder-
jagd, namentlid der Falanerien.
Kleine Eifen und Kajtenfallen find
allein imjtande feiner Gefährlichkeit
Halt zu gebieten. Lockſpeiſen in
Geftalt von Heinen Bögeln, die an
Stäben über dem Eifen aufgehängt
werden, oder Bilfendl und Moſchus
in der Kaftenfalle find zum Ankirren
anzuwenden.
Wie wenige fennen die Schäd-
lichkeit dieſer ſämtlichen eben ge—
nannten Räuber, die eine Wildbahn
vollkommen ruinieren können.
Entſprechende Prämien und Ueber⸗
laſſung des oft koſtbaren Balges
an den Revierjäger können allem
Einhalt gebieten.
Nützliches Federwild.
448. Das Rebhuhn. In Flur
und Feld wird es lebendig, der Vor⸗
ftehhund, der als Mädchen für alles
gelegentlich zu einer Schweißjagd das
mühſam Erlernte verwerten durfte,
oder zur Waflerjagd auf Sungenten
fih die nötige Bewegung machen
durfte, tritt jegt voll in feine Rechte.
E3 geht mandhem Säger nichts über
einen ſchönen Herbfttag im Kartoffel:
feld oder Rübenader, wenn er in
friftallheller Luft den Blid in Die
Ferne richtet, die ihm das ganze
Jahr über nie fo wunderbar ent
gegenihimmert, wie in den Zeiten
der herbitlichen Feldjagd.
Es liegt ein eigenartiger Zauber
in der Ausübung der Hühnerjagd,
namentlich wenn das Revier gut be=
fegt ift und der Hund fauber arbeitet.
Hühnerſuche. Der Hühner:
hund muß eine vorzüglihe Naſe
und eine geräumige Suche haben,
VI. 1. Das deuifche Weidmwerk.
mag er nun Setter oder Pointer,
Deutifchlanghaar oder Kurzhaar
oder Stichelhaar fein. Die Aus-
wahl desjelben ift meift Liebhaberei
und fol fi eigentlich mehr nad
dem Temperament des Jägers rich-
ten. In großen meiten Flächen
mag der flinfe Bointer Hervorragen⸗
des leiften, in bergigem und büge-
ligem Gelände kommt er häufig
außer Sicht und mancher zieht dort
den ruhiger juchenden deutſchen
Hund vor, der namentlid, wenn
die Kette gejprengt ift, die einzelnen
Hühner verläjfiger ausarbeitet. Der
Aufgang der Jagd richtet fi nad
den Ernteverhältniffen der Gegend
und wird von den einzelnen Regie-
rungsbezirken jeweilig durch Ver-
ordnung befannt gemacht.
Jagdart. Am angenehmiten
ift die Einzeljagd oder eine Jagd
in Heiner Gejellfhaft, wo jeder mit
eigenem Hunde die Ketten aufſucht
und ſich ganz dem Genuß der Jagd
bingibt. Es Tommt diefe Art zu
jagen an Reiz der Pürſche am
nächſten.
Auch in größerer Geſellſchaft in
breiter Streife kann die Hühner—
ſuche ausgeübt werden, namentlich
in ebenem Gelände. Es werden
hier die Hunde führenden Jäger
gleichmäßig verteilt, die Träger mit
Hühnerkörben, in denen die erlegten
Hühner aufgehängt werden, oder
mit kleinen zweirädrigen Karren
folgen zwiſchen den ſtreifenden
Jägern. In den Karren werden
in waſſerarmen Revieren Bled)-
kannen mit Waſſer gefüllt für die
Hunde mitgeführt.
Verhören und Abſchuß.
Das Verhören der Hühner in den
frühen Morgenſtunden, wenn der
Hahn das Volk zuſammenruft, bildet
eine große Erleichterung, nament⸗
lich wenn der Stand an Hühnern
ein geringer iſt. Die angenehmſten
Stunden zur Hühnerjagd ſind die
Nro. 448.
Morgenftunden von 8—11 Uhr
und nachmittags von 3 Uhr ab bis
abends. Bor 8 Uhr morgen? hindert
der an den Gräfern und dem Kraut
anhaftende Tau den Hund die
Witterung aufzunehmen, wodurch
enge gejchofjene Huhn verloren
ge
ieh das Volk auf, follen, wenn
möglih die Althühner gefchont
werden. Es ift ein großer Unter:
Ichied zwifchen dem im Aufgang der
Jagd fi mühſam aus den Halmen
herausarbeitenden Huhn und dem
im jpäteren Berlauf fich raſch er-
hebenden zur vollen Stärke heran-
gewachjenen Vogel, der namentlich
im Oktober wie ein Pfeil davon—⸗
ſchwirrt, aber den Hühnergalgen
befler ziert, den Wildbrethändler
und die Jagdkaſſe mehr befriedigt,
al3 die Kleinen unſcheinbaren halb:
gewadjfenen Böglein. Ein alter
Jägerſpruch lautet:
Zu St. Johann fangen die Hühner
das Streichen an,
Wer fie ganz erwachlen mag, ſchieß
nicht vor Remigiustag (1. Oft.).
Behandlung nad der Jagd.
Bei heißer Zeit ift es dringendes
Erfordernis die geſchoſſenen Hühner
gelegentlic der allererften Ruhe—
paufe auszuziehen. Die Gärung
im Geſcheide beginnt bisweilen
ſchon nad einer Stunde, ebenfo
find die Hühner frei zu hängen.
Fortpflanzung Nun nod
einige Worte über die Naturge-
Ihichte unferes Huhnes. Die Ehe:
verhältniffe des Rebhuhns find die
denkbar ſolideſten.
Die Henne zeigt fich fehr ober-
flächlich in der Wahl des Niftortes
und der Herſtellung des Neftes am
Rand von Getreideädern, neben
Fußfteigen 2c. und mit großen:
Eigenfinn ftrebt fie den gewählten
Ort fejtzubalten. Da fie befonders
Dedung bevorzugt, wählt fie häufig
Wieſen und Kleeäder zum Nijtorte,
z.o>
— — — ——
Nro. 449.
die dann häufig ausgemäht werden,
fo daß die Henne mitſanit dem Ge:
lege zugrunde geht. Man Tann
diefem Mißftand nur vorbeugen,
indem man täglich die Hühner aus
diefen Orten verſcheucht, um fie zu
zwingen im Wintergeireide einzu-
niſten.
Anlage vom Neſt. Das
Neſt ſelbſt wird durch Scharren und
Drehen des Körpers tellerartig aus⸗
gerandet. Der Hahn hilft mit Gras,
Stroh und Miſtteilen das Neſt not⸗
dürftig auspolſtern, das erſt mit
zunehmendem Inhalt beſſer aus—
geſtattet wird.
Sitzt die Henne feſt auf dem
Neſt, übt der Hahn dad Wächter:
amt aus auf erhöhterem Stand:
punft, mit langem Kragen fichert
er überall treubejorgt umher und
warnt die Henne vor Ueberra⸗
ſchungen, die fich dann tiefer in das
Neft drückt, ja er fucht fogar die
Aufmerkſamkeit auf fich abzulenken
und kehrt erft auf Umwegen wieder
zurüd. Sind die Küchlein ausge⸗
fallen, dann wacht und warnt der
Hahn unausgefegt über die Sicher-
heit der Familie und mehrt mit
großer Schneid den Feind ab.
Feinde. Als folde gelten alle
Kaubtiere vom Fuchs bis zum
Wieſel, verwilderte Katzen, jämt-
lihe Raubvögel und beſonders aud)
die Rabenvögel, welche als die ge-
fährlichften Gierdiebe befannt, die
Bruten der Nebhühner arg dezi«
mieren. Als weiterer Feind kommt
noch der Menſch hinzu. Der Sudt
unferer Jugend, Bogelnefter auszu⸗
nehmen, muß energijh entgegen:
getreten werden, auch von Jägern
wird viel gefündigt durch Schießen
der Althühner, zu frühes Bejagen
ver nod) nicht ausgewachſenen Ketten
und vor allem die geringe Auf:
merkſamkeit, die dem armen hungern⸗
den Huhn im Winter geſchenkt wird.
Der gute Wildheger wird bei Ein-
J. v. Sichart.
tritt des Winters an Hecken und
geſchützten Plätzen Futterſtellen er⸗
richten, die auch dem Rabengeſindel
gegenüber genügenden Schutz ge⸗
währen und ſich von wohlgeſinnten
Landleuten gegen kleine Geſchenke
den Getreideabfall verſchaffen. Daß
mit Eintritt des Winters die Jagd
auf Rebhühner einzuſtellen iſt, iſt
ſelbſtverſtändlich.
Geſchlechtsunterſchied.
Der Hahn unierſcheidet ſich von
der Henne durch das ſcharf ausge⸗
prägte hufeifenförmige Schild, wel:
ches der Senne entweder ganz fehlt
oder nur lückenhaft vorhanden und
wenig ausgeprägt ift.
Die mittleren Schwanzfedern de3
Hahns find roftfarben, bei ber
Henne heller. Beim Aufftehen leicht
erfennbar.
Bei jungen Hühnern find die
Ständer gelblich, bei den alten grau
bis ſchwarzgrau. Bei Beginn deö
Winters nehmen aud die Ständer
der jungen Hühner die Yarbe der
alten an und andere Kennzeichen
müflen jest an ihre Stelle treten.
Der Schnabel bei jungen Hüh-
nern ift hornſchwarz.
Der Schnabel bei alten Hühnern
ift blaßbläulich und heil.
Beim heurigen Huhn find 1. und
2. Schwungfeder fpig, deren Kiele
find feft, die Kiele der 3. und 4.
Schwungfeder find weich.
Beim vorjährigen Huhn find 1.
und 2. Schwungfeder ſchwach ab-
gerundet, deren Kiele weich.
Beim alten Huhn find 1. und 2.
Schwungfeder ftarf abgerundet,
deren Kiele feit.
449. Die Wachtel ähnelt in
äußerer Körperform und der Art,
wie fie menigjten® bei und ın
Deutfchland bejagt wird, dem Reb⸗
huhn. Bedeutend Kleiner als diefed,
liebt die Wachtel milde klimatiſche
Lagen und dort große Getreide
ftüde, die Familienverhältnifie
|
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VI. 1. Das deuffche Weidwerk.
tönnen aber, was bei dem großen
Wandertrieb erflärlih erjcheint,
nicht ebenfo als geordnet bezeichnet
werden, denn der Hahn Fümmert
fih um feine Brut gar nicht und
verſchwindet jehr rafh vom Schau⸗
platz, ebenjo löſt fi mit dem Er⸗
Starten der jungen Brut der Zu⸗
ſammenhang der Ketten. Die
Wachtel ift ein Zugpogel und auf
ihrer Wanderung nad) dem warmen
Süden großen Nadhftellungen un-
ferer ſüdlichen Nachbarn ausgeſetzt.
Bei ung in Deutjchland kommt fie
deshalb nicht jehr Häufig vor und
wird nur gelegentlih der Hühner:
fuche mit beſchoſſen. Das Verhalten
des PVorftehhundes vor der feit-
liegenden Wachtel ift ein eigen-
artiges, das dem Säger fofort auf-
fällt. Der Wilvbraten ift ausge:
zeichnet, namentlich im Herbft vor
der Zugzeit werden ſie oft fo fett,
daß die Fettjchichte beim Herab⸗
fallen des Vogels auf den Boden
häufig platt. Sehr zu empfehlen
ift es, die fette Wachtel in ein
Feldhuhn zu fteden und mit dieſem
zujammen zu braten. Beide bilden
dann eine hervorragende Delikateſſe.
450. Die Waldſchnepfe. Wer
fennt nicht den alten Jägerſpruch?
Reminiscere — richt die Gewehre,
Okuli — da kommen ſie,
Lätare — das ſind die wahre,
Judika — ſindſie auch noch da,
Palmarum — Tralarum.
Der Vogel mit dem langen Ge⸗
ſicht, dem zarten Wildbret und dem
geheimnisvollen Weſen iſt der Lieb⸗
ling aller Säger. Wenn der Lenz
beginnt der in Winterfälte, in Eis
und Schnee gehüllten Natur neues
Leben einzuhauchen, dann verkündet
aud die Waldichnepfe den Beginn
des Jagdjahres. Ihr Erfcheinen
als der erſte jagdbare Zugvogel
wird auf das freudigſte begrüßt, fie
eröffnet den Balzreigen und erfüllt
da8 ſehnende Herz des Jägers
Niro. 450.
durh ihr ſonores Duarren und
Iodendes Puitzen mit neuen Jäger⸗
freuden.
Schnepfenftrid. Wenn fie
aus den warmen jüdlichen Lagen
fommend — manchmal überwintert
fie auch bei ung in Deutfchland —
auf dem Zuge fich befindet zu ihren
altgewohnten Brutpläßen, dann
ftreicht fie in der Abenddämmerung
über die Wipfel der Bäume, an den
Rändern des Hochholzes entlang
und über dichte - Schläge. Das
Duarren oder Grohnen ift der
Balzton des Männchens, das Weib-
chen ftreicht meift niedriger. Häufig
fiebt man zwei bintereinander
ftreihen, oft aud aufeinander
jtechen, dies find vielfah Männden,
die fich verfolgen. Troßdem tut
man gut, nur auf die zmeite
Schnepfe zu ſchießen. Die Schnepfe
hält den Strich ſehr genau ein und
erjcheint gerne am nächiten Tage
an gleicher Stelle wieder, wenn fie
vorher gefehlt war. Es wäre wohl
beſſer für die Erhaltung des edlen
Vogels, die Jagd im Frühjahr auf
dem Strid mehr einzufchränfen.
Die Schnepfe ift zumeift auch durch
die lange Reife nicht jehr kräftig
im Wildbret und follte zu diejer
Zeit, da die Lege und Brütezeit ſehr
früh, oft ſchon Mitte März beginnt,
größere Schonung erhalten. Doch wer
möchte den Schnepfenftrich ganz miſ⸗
fen! Es ift ein Glüd für den Lang:
ſchnabel, daß der Strich jehr fpät,
erft nah 7 Uhr abends, beginnt,
wenn der Abenditern erjcheint und
der Dämmerung tiefe Schatten
ſchon auf Wald und Flur liegen,
und daß ferner ein jehr firer
Schüte dazu gehört, den oft jehr
Schnell und fehr hoch und auch laut
[08 ftreihenden Vogel gegen den
hellen Abendhimmel herunterzus=
holen und endlich, daß die Witte:
rung zu diefer Zeit meijt unver-
läfſig ift. Die Schnepfe liebt nicht
Niro. 450.
ftarfen Wind und trodenen Froft
zum Abendſtrich.
Zugvogel. Für die große
Reife ſelbſt liebt die Schnepfe
mäßigen Wind, fie erfcheint in
unferen Breiten, wenn Yöhnlage
eintritt und Südoſt- oder Südmeft-
auf Weftwind dem Strid günftig
find. Im allgemeinen lieben Zug:
vögel nicht bei ftarfer Luftftrömung
mit Wind zu reifen, das Gefieder
verträgt nicht einen ſtarken Luft:
ftrom unter die Federn, namentlich)
wenn die Windftärfe größer ift als
die gewohnte Fluggeſchwindigkeit.
Wer aber je das ungemein feine
und doch Dichte Gefieder Der
Schnepfe näher unterjucht hat, wird
erfennen, daß die Hautempfindlich-
feit der Schnepfe gegen Wind durch
die ftraff anliegenden Heinen und
feinen Federn jehr abgejchwächt
wird.
Arten. Man unterjcheidet die
großen Eulenköpfe und die Blau:
füße oder Dornjchnepfen. Ueber
die Verjchiedenartigfeit bezw. Zus
gehörigfeit diefer beiden Größen
von= und zueinander find in der
Sagdliteratur ſchon heiße Kämpfe
ausgefochten worden. Sm allge-
meinen neigt man der Anficht zu,
daß die Dornfchnepfen jüngere
Schnepfen find; fie find auch die
ersten, die im Frühjahr erjcheinen,
Tatſache ift, daß die Schnepfen, wie
alle Wildvögel, 2—3 Sahre brau=
chen, big fie ihre volle Stärke er-
reicht haben.
Auch die Gefchlechtsbeftimmung
tft nur für den Jäger möglich, der
mit dem Meſſer zu unterfuchen ver:
jteht und eine Kleine anatomifche
Kenntnis befitt, un die Eierſtöcke
und die Teitifel bloßzulegen.
Das Gefieder der Schnepfe ift
jo eigenartig ſchön, fo praftiich und
in den jo zart abgetönten reichen
Bodenfarben jo fein zuſammen—
geftellt, daB es auch beim alten
3. v. Sichart.
Schnepfenjäger immer wieder Be—
wunderung erregt. Das große
braunſchwarze Auge ſteht hoch und
weit rückwärts in dem ernſten Kopf
mit dem langen, zum Wurmen ſo
gut geeigneten Schnabel. Daß das
Wildbret ein vorzügliches iſt, dürfte
ſattſam bekannt ſein, ebenſo der
hiſtoriſche Schnepfendreck, der aus
den feingewiegten Eingeweiden mit
Herz, Lunge und Leber vermengt,
nur durch die kunſtreiche Hand der
Köchin den rechten Gaumenzauber
ausübt.
Wie ſchon eingangs erwähnt
wurde, wird als Jagdart am lieb:
ſten der Abendanſtand im Frühjahr
beim Strich ausgeübt. Dieſer
bildet den größten Reiz für den
Weidmann, ſo kurz dieſe Zeit auch
währen mag. Die noch halb im
Winterſchlafe ruhende Natur, das
erwachende Leben in der Vogel—
welt, das ſeltſame Tönen und
Klingen in Wald und Feld, der
wie Frühlingsahnen durch die
Wipfel ziehende milde Hauch er:
fährt durch das tiefe Quarren des
oft in ſchwerem Flug Ddahin-
fhaufelnden Langjchnabel® eine
ftimmungsvolle Unterbredung.
Saft noch fürzer als der Abend:
ftrid, ift der Strihd am Morgen.
Manche Säger verfuhen auch, Die
Schnepfe mit dem Borftehhunde im
Frühjahr aufzugeben, auch Feines
Schnepfenbufchieren mit ruhig fu:
chenden Hunden, mobei eine An:
zahl Jäger teils -vorfteht, teils feit-
wärt den durchdrückenden Jäger
mit den Hunden begleitet, wird
namentlich gerne in Zothringen be-
vorzugt. Wer feine Schnepfenlagen
fennt und über den richtigen Hund
verfügt, dem wird im Spätherbft,
wenn die Schnepfe fih zur Aus:
reife anfchiet, Diana mand guten
Anblid und Weidmannsheil be-
Icheren. Die meilten Schnepfen,
wenn man von diefem Zahlbegriff
VI. 1. Das deutſche Weidwerk.
überhaupt reden darf, werden bei
den herbſtlichen Treibjagden ge= ſuch
ſchoſſen. Es ſind dies teilweiſe in
der betreffenden Oertlichkeit aus⸗
gefallene Vögel, teils ſolche, die
ſich bereits auf dem Herbſtzuge be—⸗
finden und zu kurzer Raſt ſich ein⸗
geſtellt haben. Die Zeit, zu der
die Schnepfe reiſt, iſt meiſt die
Nacht und in größeren und kleineren
Flügen, doch wurde konſtatiert, daß
auch in den Mittagsſtunden beim
Herbſtzuge Schnepfen in größerer
Zahl einfielen. Es iſt dies viel—
leicht auf ſtarke Störungen in den
höherenLuftregionenzurüdzuführen,
die ein plößliches Einfallen herbei-
führten, auch beſonders beliebte
Plätze können die Beranlafjung ge-
mefen fein. Die Schnepfe, die in
der Nacht weiter zu ziehen gedenft,
ftreiht am Abend nicht, mit diefer
Gewohnheit fann man fi die
häufig vorfommende auffallende
Tatjache zujammenreimen, daß oft
bei geradezu idealem Schnepfen-
wetter der Schnepfenjegen
Adend ganz ausblieb.
451. Eine fehr nahe Verwandte
der Waldfchnepfe ift die Moos—
fehjnepfe oder Bekaſſine. Man
unterſcheidet hier wieder die Moor⸗
fchnepfe oder Himmelsziege, jo ge=
nannt wegen des medernden Toneg,
den der kleine Vogel bei jeinen
Flugkünſten, wenn er die Richtung
plöglih nad) abwärts nimmt und
ſozuſagen beidreht, mit denSchwung-
und Stoßfedern hervorbringt, ferner
die Tleinere Haarſchnepfe und Die
Doppelichnepfe. Haarfchnepfe und
Himmeldziege find nur in Größe
voneinander unterfchieden, leßtere
ift die Heinfte aller Befajfinenarten,
während die Doppelfchnepfe in der
Größe einer Turteltaube die größte
ihrer Art darftellt. Dieſe iſt fehr
felten in Deutfchland, da fie un:
gemein früh auf die Reife fich be—
gibt, zu einer Zeit, wenn der Jäger
am:
Neo. 451452.
noch das Huhn im Kartoffelader
ucht
Jagd. Die Belajfinen halten
fih vorzugsweife in Sümpfen und
Mooren auf, auf nafjen Wiejen
und Brücen. Ihre Bejagung findet
gelegentlich der Entenjagden und
zur Zeit der Hühnerſuche ftatt, nur
wo fie in größeren Mengen zu
Haufe find, verlohnt fich die eigene
Bejagung mit dem Borftehhund, der
bald lernt, den kleinen jchnellen
Flieger auszumachen, der zu Zeiten
oft ſehr feſt aushält, meiſtens aber
Thon meit hoch geht und gerne
nod) einige Kollegen zum Aufſtehen
verleitet. Beim Herausfahren im
Zidzadflug laſſen fie ein kurzes
ätſch, ätſch hören, dann erft ftrei=
chen fie gerade aus.
Der Schuß ift nicht leicht auf
die rasch ſich erhebende Bekaſſine
und erfordert viele Uebung. Ob:
wohl die Schußzeit auf die Moor:
ſchnepfe bereits am 15. Mpril
Ichließt, eine Zeit, in der fie eben
erft eingetroffen fein mag, jollte
man fie im Frühjahr doch möglichft
jhonen, denn wo fie nicht geftört
wird, brütet fie gerne, jo daß
im Spätjfommer die vier= big fünf:
fahe Zahl in den Brüden anzu:
treffen iſt, wodurch die Jagd eher
fi verlohnt, als durch die wenigen
mageren Bögel des Frühjahrs.
452. Die Berghühner. Unter
diefen ift das Steinhuhn befon-
ders ſchön gezeichnet, größer als
das Rebhuhn zeigt es diejelbe Form,
Oberſeite und Bruft find blaugrau
mit rötlidem Schimmer, der Leib
roftgelb, Kehle und Borderhals
weiß mit ſchwarzer Binde über
den Kopf, der Schnabel ift rojtrot,
ebenfo die Füße. Die Zuſammen—
ſtellung der Farben ift einzig fchön.
Das Schneehuhn ijt von
gleicher Größe, wechfelt im Winter
die Farben, wo der Hahn ganz
weiß erſcheint bis auf den Stoß,
Niro. 453—455.
der fchmarz und weiß gefäumt ift.
Am Hochzeitzkleid legt das Schnee: | D
huhn an Kopf, Hals, Bruft und
Oberrüden jchwarze Federn an,
auch die Schulterfedern find ſchwarz.
Steinhuhn wie Schneehuhn fommen
nur in der Alpenregion vor und
gehen in der rauhen Jahreszeit aus
den Höhenlagen in die milderen
Waldbeſtände herab.
Ihre Erlegung dürfte nur auf
zufällige Begegnungen ſich erftreden.
Es gibt viele Hochgebirgsjäger, die
wohl bie und da das abjtiebende
Schnee: oder Steinhuhn gejehen
haben mögen, aber troß großer
Sagdpaffion in dem jo überaus
fchwierigen Gelände fi) dag Nad)-
gehen fchenfen mußten. Troßdem
es nur wenig bejagt wird, ift fein
Vorkommen ein ſpärliches.
453. Das Steppenhuhn wird
in der neueren Zeit vielfach wieder
genannt, es ift ein Einwanderer
aus dem Inneren Rußlands und
ſcheint ſich jetzt deutſches Bürger-
recht erwerben zu wollen. Bereits
vor 20 Jahren wurden große
Scharen Steppenhühner in Mittel⸗
europa gemeldet, einzelne Paare
haben auch gebrütet, ſind aber
ebenſo raſch wieder verſchwunden,
wie fie erſchienen waren. Die da—
mals (1888) erlaffenen Schongejeße
haben jedoch die Hoffnungen, die
man auf ihre Afklimatifierung ge=
jegt hatte, nicht erfüllt. Da dag
Steppenhuhn nadhgemwiefenermaßen
im Sahre zwei Bruten, im April
und Suni, macht, fo wäre fein
Heimijchwerden fehr zu begrüßen.
Sm Sahre 1908 wurde dad Ein-
treffen von Steppenhühnern aus
Galizien, wo große Flüge fih ein-
fanden, in der Provinz Poſen ge—
meldet. Unjere deutjchen Säger:
zeitungen legen ein warmes Wort
für dieſen nüglichen Vogel ein, der
die Größe zwiſchen Rebhuhn und
Wachtel hat und über eine unge:
3. v. Sichart.
wöhnlih ſtarke Flugkraft verfügt.
as Steppenhuhn Hat Bodenfarbe,
it auf der Oberfeite lehmgelb mit
Ihwarzbraunen Duerfleden, Kopf
und Hals find aſchgrau, Kehle,
Stirn und ein Strich über den
Augen find roftgelb. Auf dem
Bauch tragen fie ein ſchwarzes
Schild. Die Hinterzehben fehlen
gänzlich. Die drei Vorderzehen find
miteinander verwachſen und bilden
eine gemeinfame Sohle ; Zehen, wie
der ganze Fuß find dicht beftedert.
454. Bon den Rallen wird nur
der Wadtellönig, auch Wiefen-
ſchnärrer genannt, als Wildvogel
erwähnt werden fünnen. Er wird
gelegentlich der Hühnerjagd ge:
ſchoſſen, mit der Wachtel jelbft hat
er nicht8 gemein, nur daß er den
Hühnerhund ähnlich wie diefe Durch
jeine ſcharfe Witterung, fein ſchnelles
Laufen und fi Steden in Grä-
ben 2c. in ftarfe Aufregung ver-
jegt. Er ift ſchwer zum Aufſtehen
zu bringen. Er ift Zugvogel, jehr
Ihön gefärbt und ſehr ſchmackhaft,
von der Größe zwiihen Wachtel
und Rebhuhn. -
Die zur Klaffe der Rallen ge-
hörenden Wafjerhühner find jagdlich
von feiner Bedeutung. Die Heinen
Teihhühner, auch Dudenten ge-
nannt, find harmloſe Gefchöpfe und
für die Küche nicht verwendbar.
455. Das Schwarze Wafferhuhn,
ein fehr jchiechter Flieger, wird ge=
legentlich der Entenjagden geſchoſſen.
Auch Bläßhuhn genannt, lebt es
nicht gerade in Frieden mit Den
MWildenten, die ihre Gefellichaft
meiden, da die Bläßenten zänkiſch
und unfriedfertig find. Im Spät:
herbſt vereinigen fie fi zu großen
Flügen. Ihr Wildbret ift nicht
hervorragend, wird aber 3. B. in
Lothringen von den eingeborenen
Landbewohnern, diein der Kochkunft
unferen Köchinnen beveutend über
ſind, jehr gefhägtund gerne gegefjen.
VI. 1. Das deuffche Weidmwerk.
456. Die Wildtauben find jehr
Thon gezeichnete Waldvögel, ver⸗
laffen ung als Zugpögel im Herbite
zuerft und find faſt die letzten, die
wieder bei und eintreffen. Als
Wildvogel fommt in Deutjchland
von den zahlreichen Arten nur die
Ringeltaube und die Hohltaube in
Betradt. Größer als die Haus:
tauben, beleben fie den Wald, be=
vorzugen als Niltpläte hohle Bäume.
Die Wildtaube brütet zweimal im
Jahr, wählt aber ftet3 ein anderes
Neit bei der zweiten Brut, da fie
durch ihre Unreinlichkeit, genau wie
die Haustauben, das erfte Neft für
dag Yahr volljtändig unbenügbar
madt. Nur der Baummarder ift
imftande, dasjelbe im Spätherbite
noch zu beziehen. Die Sagd auf
Tauben ift nicht unintereflant. Da
fie ihre Schlafhäume feſt einhalten
und auch gegen 11 Uhr zur Mittags⸗
‚ruhe gerne dort zuftehen, fan man
:fie, wenn man gededt jteht, Teicht
erlegen. Gemöhnli kommt ein
Borläufer zuerft, der aufmerkſam
in der Runde ſichert und dann
rudt. Alsdann ftehen die anderen
Tauben zu, die ſich gerne neben:
einander, auch untereinander auf
bie Zweige fegen, jo daß man leicht
mit einem Schuß zwei, auch drei
Stüd ſchießen kann. Auch der An-
jtand an der Sulze, die ebenjo wie
die Salzleden angelegt werden, ift
fehr beliebt. Man irrt fte dort mit
Anidfamen, Koriander und Fenchel:
famen an, den fie jehr lieben. Waſſer
oder ein Feiner Bach jollte in der
Nähe der Taubenfulzen vorhanden
fein. Im Herbit zur Erntezeit ftehen
fie gern auf den abgeernteten Ge:
treidefeldern ein, wo fie leicht, wenn
Dedungvorhanden, angepürjcht wer:
den können, landwirtfchaftliche Fuhr⸗
werfe halten fie jehr gut aus. Im
Walde ift das Anpurſchen dagegen
jehr erſchwert. Die junge Taube
gibt einen vorzüglichen Wildbraten.
Niro. 456—458.
457. Die Reiher find arge Fiſch⸗
räuber. Die größte Verbreitung in
Deutſchland hat der graue Fiſch—
reiher. Die übrigen NReiherarten,
mie der Burpurreiher, der Silber:
reiher, Seidenreiher und Schopf⸗
reiher find jeltene Gäfte bei uns.
Ihre Heimat find die Donautief-
länder, auch in den norbdeutjchen
Seen fommen fie gelegentlich, aber
fehr jelten vor.
Bom grauen Reiher, der an allen
größeren Wafferläufen mit Scilf-
rändern im Frühjahr ſich vereinzelt
einftellt, befinden jich in Deutjchs
land verjtreut NReiherkolonien, die
jedoch allmählich ihrem Untergang
entgegengehen, denn ihre Schäd-
lichkeit in den Fiſchwaſſern ift un—
gemein groß und zur Zierde gereicht
eine folde Stätte durch die Un—
jfauberfeit und dag mißtönige Ge:
jchrei ihrer Bewohner einer Land⸗
ſchaft gewiß nicht.
Der alte Vogel trägt am Kopf
drei lange Schopffedern, die den
fogenannten Reiherbufch bilden und
qut bezahlt werden.
Jagd. Die Sagd bejchränkt fich,
abgejehen von dem Abſchuß an den
Reiherfolonien, nur auf Zufällig:
feiten gelegentlich der Pürſche auf
MWildenten oder beim Abendeinfall.
Der Reiher iſt ſehr jcheu und hat
ein ungemein ſcharfes Sehvermögen,
fein Charafter ift heimtückiſch und
mißtrauiſch. Es ift nicht ratfam,
den geflügelten Bogel vom Hund
apportieren zu lafjen, da er mit
Iharf gezieltem Stoß das Auge
desſelben zu treffen fucht.
458. Der Zwergreiher, auch
fleine Robrdommel genannt,
iſt nicht jelten, er ift ebenfall8 Zug—
vogel und eigentlich Nachtvogel und
wird gelegentlih der Entenjagd,
wo er nur ſchwer zum Berlajien
des Schilfes ſich nötigen läßt, er-
legt. An Flußrändern fitsend, iſt
er nicht leicht zu fehen; er gleicht
Nro. 459—460.
3. ». Stchart.
mit dem hochgeftellten Schnabel | fand felbjt da, wo er nit Brut-
und dem an den Rüden gelegten
Kragen einem aus dem Boden
tragenden Stock.
459. Die große Rohrdommel
gleicht in ihrem Gefieder volljtändig
dem Heinen Zwergreiher, fie erreicht
die Höhe eines geringen Reihers
und die Stärke eined Raubvogels,
fie ift unverträglich gegen alle
Kreaturen und kann dem Hunde
ebenfall® ſehr gefährlih werden.
Das tiefe Gebrüll, das fie bei der
Paarung ausſtößt, könnte einen
einfamen Wanderer faſt erjchreden.
Der Bogel bringt den Ruf hervor,
indem er mit dem Schnabel tief in
das Wafler tauht und aus dem
Halje das Waſſer wieder heraus:
ftößt, man hört den dumpfen Ton
in den fpäten Abendftunden im
Frühjahr bis gegen Mitternacht und
auch gegen Morgen. Bejonderen
Schaden bringt diefer Sumpfvogel
nicht, er ift auch der Fiſchzucht nicht
Ihädlih. Sein Wildbret wird als
Ihmadhaft bezeichnet. Wenn die
Rohrdommel auch durch ihr Gebrüll
ihren Standort verrät, ſo iſt ſie
trotzdem ſehr ſchwer herauszu—
bekommen, ſie fürchtet ſogar den
Hund nicht. Ihre Bejagung iſt
auch nur zufälliges Ergebnis.
460. Die Wildgans.
„Alte Gans und alter Has
Geben einen Teufelsfraß,“
lautet ein alter Weidſpruch. Erſteres
ſtimmt, letzteres aber iſt nicht wahr,
denn ſo alt, daß man ihn einen
Teufelsfraß nennen könnte, wird
Freund Lampe nicht. Er muß eben
auch hier des edlen Reimes halber
herhalten, wie überall in der Welt,
wo es was zu nagen und zu beißen
und zu kritiſieren gibt. Das Alter
der Wildgänſe kann leicht kanoniſch
genannt werden, denn einen
ſchlaueren und vorſichtigeren Vogel
gibt es kaum und trotz der großen
Zahl, in der er auch in Deutſch—
vogel iſt, zur Zugzeit erſcheint, wird
er nur ſelten erlegt. Die Wild-
gans verjteht es eben, durch ihre
große Wachſamkeit und Scheue ſich
allen Mühen des Jägers zu ent-
ziehen. Wenn man fie nit am
oder im Waſſer erpürfchen oder auf
dem Abendeinfal wie die Wild:
enten erlegen fann, auf den großen
Winterjaaten bei Eintritt der rauhen
Jahreszeit, auf denen fie mit großer
Borliebe einftehen, fie zu beſchleichen,
gelingt nur mit Liſt und Schläue
im Aderwagen oder Dungkarren,
im Kleid des Landmanns oder
deffen Frau Gemahlin; viei näher
al8 auf 100—150 m laſſen die
Wildgänje auch diefe Gefährte und
deren Inſaſſen nicht herankommen.
Die Gans, Graugans oder Saats
gand, der Unterfchied ift nur in
geringer Federzeichnung zu fuchen,
ift ein prachtvoller Vogel, wenn fie
hoch in den Lüften zieht in Drei-
edform oder niedrig im Abendnebel
in berbftlider Dämmerung dahin:
ftreicht und ihr metalliiche helles
Gjak erſchallen läßt. Sowohl ihr
Anblick wie ihre Stimme, die ſcharf
durch die kühle Herbſtluft aus dem
grauen Himmel herab ertönt, ers
wet feltfame Gefühle im Herzen
des Jägers, fie ruft die Reifeluft
einerfeit3 wach, andererjeit3 reizt
fie zu fröhlihem Gejaid, Halb
mödte man ihr folgen in meite
Fernen, halb weckt fie die Luft zu
jagdliden Pürſchgängen. Ich habe
die Wildgans hier fpeziell ald Zug:
vogel erwähnt. Da wo fie Brut-
vogel ift, find die jagdlichen Ber:
hältniffe etwas befjer geartet, aber
nit viel. Die Zeit, wenn die
jungen Gänfe ihre Flugfähigfeit
beginnen, Ende Juni, muß fcharf
wahrgenommen werden. Die Jagd
hat nur Ausfiht auf Erfolg, wenn
die jungen Vögel ſich eben über
das Geröhricht erheben können.
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VI. 1. Pas deuffche Weidwerk.
Am beiten veranftaltet man Trei-
ben, indem man die Ränder der
Weiher bejett und mit Nahen und
guten Hunden im Schilf die Gänfe
zum Verlaſſen des Weiher und
zum Aufjtehen zwingt.
Später wenn die Felder abge:
räumt find, ftehen fie auch gerne
auf den Stoppeln zu, hat man
Dedung, dann gelingt es wohl auf
Schrotſchußweite beranzufommen.
Die Gang braudt einen guten
Schuß, man hüte fi, ſpitz auf fie
zu fchießen, das Federkleid ift ſehr
dit und die Schrote werden leicht.
wirkungslos. Beim Aufftehen aus
dem Wafler beeile man fich nicht
zu ſehr, man fann leicht erfolgreich
den zweiten Schuß noch anbringen.
Daß die Wildgang ſich auch mit
zahmen Gänſen paart, fann id) aus
eigener Anfchauung konſtatieren.
Am unteren Main frettierte ich
einft im März auf Kaninden, als
der Ganshirt in der Nähe, der ſi
mic) jchießen hörte, berbeilief und
bat, ich möchte den wilden Gauſer
fchießen, der täglich beim Austreiben
der Gansherde herangeftrichen fam
und große Beißerei verurfachte und
fonftige Allotria in der Gänfeherde
verrichtete. Sch trat Hinzu, der
Wildgaufer erhob fich Jofort, um ab⸗
zuftreichen, ich ſchoß ihn, er hatte
eine alte, aber gut geheilte Flügel:
verlegung und war vom Herbitzug
in der dortigen Gegend zurüd-
geblieben. Es war natürlich ein
Teufelsfraß. Der Braten der Jung⸗
gänfe fol aber nicht ſchlecht fein.
461. Die Wildente. Nächſt dem
Hafen, dem Rebhuhn und Fafan ift
die Ente diejenige Wildart, welche
die größte Verbreitung findet und
durd ihr zahlreiches Auftreten dem
Säger die meifte Gelegenheit zur
Sagdausübung bietet. Faſt überall,
wo größere oder Kleinere Binnen:
wäfler, Teiche und Weiher mit
Schilf und Binfen berandet, feichte
bewachſene
Nro. 461.
Waſſerläufe, wo ſie leicht gründeln
kann, vorhanden ſind, könnte die
Wildente vorkommen, wenn ſie nicht
ſo empfindlich gegen Störungen
jeder Art wäre. Ihr Schaden in
den Fiſchwaſſern fünnte gleichfal8
groß fein, denn durd ihre Ge—
fräßigfeit richtet fie große Der:
heerungen an der Filchbrut an,
wenn nicht gerade durch die hohe
Aufmerfjamtleit, die heutigen Tages
der Fifchzucht gemidmet wird, der
Ente die Lebensbedingungen ver-
fürzt würden. Die Ente verträgt
eine anhaltende Störung nicht und
wandert aus, fie verlangt gewiſſe
Urzuftände, mit Binfen und Schilf
Meiher, moorigen,
Ihlammigen Untergrund , jeichtes
Gewäſſer, bewachſene Brüche: und
Wajlerflähen, die heutigen Tages,
indem fie durch Trodenlegung der
landwirtfchaftlihen Kultur weichen
müfjen, nur jelten mehr vorhanden
ind.
Die Wildente iſt ein äußerft
Iheuer Vogel, mit hervorragenden
Sinnen begabt, fie äugt ungemein
weit und vernimmt fehr ſcharf. Daß
fie auch windet, wird vielfach be-
bauptet, doch ift dies irrtümlich.
Diefe Behauptung beruht auf fal-
hen Boraugfegungen. Da die
Ente jehr fein vernimmt, wird fie
natürlih den mit dem Wind an—
pirſchenden Jäger weiter hören,
ebenjo die leichten fich bewegenden
Rauchwölkchen aus der Pfeife des
Sägerd jofort eräugen, mag er
guten oder ſchlechten Wind beim
Einfall haben. Der Geruchsſinn
der Vögel ift äußerft ſchwach, wie
durh Prüfungen an gefangenen
Raubvögeln, welche doch die fchärf-
ften Sinne unter allen Vögeln be-
ſitzen, öfters feſtgeſtellt wurde, die
ein in ihrer Nähe leicht vergrabenes
und zugedecktes Aas nicht zu ent—
decken vermochten.
Die Wildente iſt un
“ dringend geboten.
Niro. 461.
zweigte Yamilie, die befanntejte
und verbreitetfte Art ift die Stod-
ente, außerdem gibt es Brandenten,
Roftenten, Löffelenten, Spießenten,
Schnatterenten, Kridenten, Pfeif:
enten, SKolbenenten, TQTafelenten,
Keiherenten, Schellenten, Eis—
enten 2c. ꝛc.
Ueber da8 Gefieder der Stor-
ente kann ich, als zu befannt, Hin
weggehen. Das Hochzeitskleid des
Erpels ift von wunderbarer Schön:
heit. Die Reihzeit beginnt im
- März und dauert big Anfang Mai.
Geradezu wüſt geht der Entvogel
mit feinem ſchönen Gewand um,
das ihm zum Ende der Reihzeit
beinahe in Segen am Leibe hängt.
Er ift zu dieſer Beit ein hitziger
Teufel, beißt fich mit feinen Ge:
ſchlechtsgenoſſen herum, läßt feine
Ente in Frieden und Solange er
eine Ente no nicht auf dem Neft
weiß, hören die erbitterten Kämpfe
um ihren Befig nicht auf. Sch habe
gefehen, dab ſogar die alte, ihr
Schoof begleitende Ente von einem
übriggebliebenen Heißkopf ſtark be-
läftigt murde. Es gibt eben mehr
Erpel als Enten und wer die Jagd
auf die Märzente, die eigentlich
ſehr ſchlecht in Wildbret ſteht,
durchaus ausüben will, würde gut
tun, nur den Entvogel zu ſchießen.
Dies gehörte durch Jagdgeſetz ge-
regelt. Es wäre das für die Er-
haltung der Ente als Wildart,. die
jo viel Fährlihfeiten, namentlich
in der Brut- und Legezeit ausge:
jet tft und durch die fortfchreitende
Kultur immer mehr verdrängt wird,
Dazu Tommt
noch), daß die alte Ente im nächſten
Sahre den alten Brutplag wieder
aufzufuchen pflegt und ein viel ftär-
teres Gelege macht.
Im Anfang Mai fallen die erften
Sungenten aus nnd find im Juli
Schon flügge. Obwohl Bodenbrüter,
jucht die Ente gelegentli auch er-
-
J. v. Sichart.
höhte Plätze für ihr Wochenbett
aus, Gipfel von Schopfweiden,
wagrechte Aeſte von Pappeln, auch
in den Kronen von Kiefern, nicht
immer in der Nähe des Waſſers.
Sie folgt darin eigener Erfahrung,
namentlich wenn ihr Gelege ſchon
einmal durch Hochwaſſer zerſtört
oder von Menſchenhand oder durch
Raubzeug, namentlich von Krähen,
ausgenommen wurde.
Die Mauſerzeit bei dem Erpel
geht bald nach der Neibzeit vor ſich
und vollzieht fich ſehr langjam, bis
das zerzaufte Gefieder wieder ben
vollen Glanz erhält. In der Mitte
diefer Zeit tragen die Erpel dad
Federkleid der alten Ente und find
von dieſer nur durch dag ruppige
Aussehen und den Schimmer am
Kopfe unterſcheidbar. Wenn fie
hierauf auch die Schwungfedern,
an denen fie allein fich noch unter:
ſcheiden laſſen, auswechfeln, machen
fie einen ſehr unglücklichen Ein⸗
druck, ſie halten ſich nur zu ihres⸗
gleichen, ſuchen einen verſteckten
Weiher ꝛc. auf, können nicht fliegen,
müſſen ſich nur durch Tauchen retten
und erleiden, wenn ſie bei den
Entenjagden entdeckt werden, dann
in gerechter Weiſe den Lohn für
ihre begangenen Sünden. Man
ſpricht von einer Frühjahr⸗ und
Herbſtmauſerung. Dies dürfte nicht
ganz ſtimmen. Mancher Entvogel
beginnt ſchon die Mauſerung noch
während der letzten Tage der Reih⸗
zeit im Anfang Mai, und mander
Erpel ift noch im Auguft mit feinem
neuen Gewand nicht ganz fertig.
Sch glaube, die eigentlichen Monate
der Mauferung find Juni und Juli.
Weniger auffallend vollzieht fich die
Mauferung bei der weiblichen Ente,
die erft im Spätfommer, wenn die
Sungenten gut flügge find, mit der:
felben beginnt. Am Oktober haben
auch die Zungenten die Gejchlecht3-
reife erlangt, die jungen Entoögel
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VI. 1. Das deuffche Weidmwerk.
ihr Jungfernkleid angelegt und
fangen bereit8 an, fi im Dienfte
der Minne zu üben, wie die jungen
Birkhähne.
Die Jagd auf Enten beginnt
am 1. Suli und Tchließt am letzten
März Man benötigt zur Enten-
jagd gute Wafferhunde, die auf die
rinnenden Enten Laut geben, die
taudenden angejchoflenen Enten
nit aus den Augen lafjen und
vorzüglich apportieren. Die Enten
werden getrieben. Ein Teil der
Säger fteht an den Weiherdämmen
vor, wo Schneifen im Schilf aus⸗
gemäht find, ein anderer Teil treibt
in Nahen mit den Hunden die
Enten auf. Große Vorficht ift beim
Schießen auf die niedrig ſtreichen⸗
den Enten zu beaditen, auch der
Schuß auf den Wafjerjpiegel kann
große Gefahr bringen, da die Schrote
mit derjelben Kraft aufftehen, mit
der fie auffchlagen. Die Sagd felbft
ift ſehr amüfant und gibt gute
Refultate, wenn die Zeit richtig
gewählt ift, bevor die Enten die
volle Flugkraft erreicht haben.
Die Pirfhjagd oder Sudjagd
auf Enten bietet ebenfal3 große
Reize. Man fuche beliebte Pläte
auf, an denen die Enten gerne
liegen, es find dies Altwäfjer, nafje
Gräben, Schlenten, Brüche, moorige
Wieſen 2c. Diefe Art zu jagen ift
vom Sommer bis zum Schluß der
Schußzeit offen und bereitet dem
Jäger viel Bergnügen, ebenfo der
Anfig im Entenfhirm am Abend
und morgend. Allzu oft darf man
den Einfall der Enten in diefer
Zeit an den gleihen Stellen nicht
ftören, fie lernen ſehr rafch diefe
noch fo beliebten Plätze zu meiden,
man muß für reichlide Abmwechie-
lung forgen. Auch ift eg gut, an
verjhiedenen Stellen zu gleicher
Zeit den Einfall zu nüßen, man
fommt dadurch viel häufiger zu
Schuß. Anfang März ftreihen die
keit gefunden wird.
Nro. 462.
Enten ſchon paarweife. Wer Brut-
enten im Revier hat, ftelle jet den
Abſchuß gänzlih ein, man könnte
höchſtens bei der Weberzahl von
Entvögeln im Verhältnis zu den
weiblihden Enten den Erpel ab:
ſchießen. Doch nimmt diefe Stö-
rung aud die Ente häufig übel
und wählt andere Brutpläße. Be:
fondere Aufmerfjamfeit verdient die
alte Brutente bei Anlage und Aus—⸗
wahl des Nefted. Es finden ſich
in den beliebten Weihern, die meijt
im Wald liegen, alte Erlenftöde
oder erhöhte Stände auf Kleinen
Reifighaufen, die der Jäger vor
der Legezeit praftifch herrichten kann,
fie werden leicht gefunden, denn
die Ente läßt nicht? ununterfucht,
hat ſcharfes Auge und fie ift der
Gefahr enthoben, ein Heft anzu:
legen, da8 dem Hochwaſſer ausge—⸗
fett ift, oder von ftreunenden Men⸗
fhen, Hunden, Kagen, Raubzeug ꝛc.
Die erſte
Brut ift meift ergiebig. Die zweite
Brut nad einer Störung bedeutet
wenig. Die Differenz fteht oft
wilden 4 und 16 Stüd.
462. Säger und Taucher. Die
verfhiedenen Sägerarten, jo:
wohl der Gänfefäger, wie der Kleine
Säger find Tauderarten, ihre Jagd
wird zufällig ausgeübt, fie kommen
auf den großen Waſſerflächen mit
den Enten gemifcht vor, wo ſich dag
Wafjergeflügel in großen Scharen
und verfchiedenen Arten herum
tummelt. Das Wildbret ift meift
tranig, ihr Nuten ift ebenfo ge=
ring, wie ihr Schaden.
Bon den Tauern kommt der
Haubenfteißfug am bäufigften
vor, er ift ein harmloſer Bogel,
lebt jehr vereinzelt und Hat ſich
faft überall eingebürgert. Das
Weibchen ift ziemlich ähnlich dent
Männchen gezeichnet, welches nur
am Kopf und Rüden etwas leb—
haftere Farben zeigt. Nah Tſchudi
Niro. 463.
fol die Begattung nicht durd) Tre=
ten auf dem Wafjer vor fich gehen,
fondern in.der Weile, daß fi
beide auf dem Waſſer jenfredt in
die Höhe ftellen und Bruft an Bruft,
Bauch an Baud) gedrüdt, den Be>
gattungsaft vollziehen. Die Jagd
iſt auch nur Zufall, denn der Vogel
ift [ehr ſcheu und taucht fofort unter.
Einmal im Fluge, ift derjelbe jehr
fürdernd. Das Aufitehen madt
ihnen entihieden Mühe. Der Steiß-
fuß ift Strichvogel, er wechjelt auf
eisfreie Gewäſſer, fommt aber im
Frühjahr ſtets wieder zurüd. Man
muß beim Schuß etwas tiefer ins
Waſſer halten, da der größte Teil
des Körpers unter Waſſer ift.
Gefiedertes Raubwild.
463. Raubvögel. Es Tann fidh
bier nur um Aufzählung der haupt-
ſächlichſten Schädlinge der Nieder:
3.2». Sicharf.
Beim Steinadler find die Fänge
befiedert bis zur Zehenmwurzel, diefe
mit großer Bindehaut.
Beim Fiſchadler find die Fänge
nur zur Hälfte befiedert, die Zehen
ohne Bindehaut.
Beim Flußadler find die Fänge
nadt, die Zehen ohne Bindehaut.
Die Klaſſe der Fallen bat
Schnabel mit ſcharfem Zahn im
Oberfiefer, der Unterkiefer den ent-
ſprechenden Einjdnitt. Der Schna=
bel ift an der Wurzel gebogen, die
2. Schwungfeder ift die längite..
Die Klaffe ver Weihen bat
ftumpfen Zahn und einen eulen—
artigen Schleier um dad Auge
(Kranz von kleinen bogenförmigen
Federchen). Sie bilden den Ueber—
gang zu den Nadhtraubvögeln; rau=
ben in der Dämmerung.
Die Klaffe der Milane hat
feinen Zahn, der Stoß ift gegabelt,
die Flügel überragen angelegt den
jagd handeln, die in Deutjchland | Sto
die größte Verbreitung haben und
dem Jager gelegentlih vor die
Flinte fommen. Ein Eingehen auf
ihre Lebendgewohnheiten ift an
diefer Stelle ausgeſchloſſen, ebenfo
die nähere Belchreibung der Unter:
Ihiede in Farbe und Art des Ge-
fiederd, das bei jungen und alten
Vögel einer Gattung fo großem
Wechfel unterworfen ift, daß jelbjt
berufene Kenner in Verlegenheit
fommen.
Sn Kürze follen die hauptjäd-
lichſten Merkmale feftgeftellt werden,
die bei einer Erlegung den Raub:
vogel wenigftens annähernd Haffi:
fizieren follen. Das Weibchen über:
wiegt beiden Naubvögelndas Männ—
chen bedeutend an Größe.
Die Klajfe der Adler hat
feinen Zahn im Oberjchnabel. Der
Schnabel ſelbſt ift an der Wurzel
gerade und feine Länge überjchreitet
die halbe Kopflänge. Flügel find
lang bis an das Ende deg Stoßes.
die Klaſſe der Habichte
hat keinen Zahn, die Flügel ſind
abgerundet und bedecken, wenn
angelegt, den Stoß nur zur
Hälfte, die 4. Schwungfeder iſt Die
längfte.
Die KlajfederBuffarde bat
feinen Zahn, abgerundete Flügel.
3, 4. und 5. Schmwungfeder find
gleih lang. Schnabel fürzer als
die Hälfte des Kopfes.
Die Schädlichkeit fämtlider Raub-
vögel ift nachgemwiefen. Einzig allein
der Turmfalfe wird vom Gefeb ge:
ſchützt. Beſonders ſchädlich find von
den Raubvögeln, die der niederen
Jagd angehören, der Hühnerhabicht,
der Wanderfalfe, der Merlin, let:
terer troß feiner geringen Größe
ein äußerjt frecher und ſchneidiger
Räuber. Beim Buffard überwiegt
der Schaden, den er der Jagd an⸗
richtet, den Nußen, den er der
Landwirtſchaft durch Vertilgung von
Mänfen und Hamjtern bringt.
we,
VI. 1. Das deutſche Weidmwerk.
Die Raubvögel find Wander:
vögel, ſuchen aber gerne ihre alten
beliebten Horfte wieder auf. Dort
fann man ihnen mit Erfolg bei-
fommen, indem man die alten vom
Neſt ſchießt, die jungen Horftoögel
ausnimmt. Auch mit Pfahleijen kann
man ihnen Abbruch tun. In Fa⸗
fanerien ftiften fie viel Unheil, dort
muß man mit aller Energie ihnen
entgegentreten und alle Mittel an-
wenden, die dem Jäger zu Gebote
ftehen. Den Habicht fängt man im
Habichtskorb, in deflen Boden eine
Zaube fejtgebunden wird, wenn der
Habicht auf dieje ftößt, ſchlagen die
Bügel des Netzes über ihm zu—
fammen.
Die Jagd mit dem Uhu, den
faft alle diefe Räuber mit großer
Heftigfeit haffen, bietet den meiſten
und durchſchlagendſten Erfolg. Die
Sagd mit der Krähenhütte ift be-
reit3 beim Uhu gejchildert.
464. Rabenvögel. Bon den
Rabenvögeln iſt der Kolfrabe
der Wildbahn durch feine Größe
und Kraft ſehr ſchädlich, fteht aber
auf dem Ausfterbeetat und erhält
deshalb auch in dem neuen Bogel-
ſchutzgeſetz Beachtung. Das übrige
NRabengefindel richtet viele Ber-
heerungen an durd) das maſſen⸗
bafte Auftreten und follte mit allen
Mitteln, troß des gewiß großen
Nutzens, den die Krähen der Land:
wirtfhaft bringen, fehr kurz ge-
halten werden.
Namentlih an Jungwild und
Eiern dezimieren fie ein Revier
fehr ſtark und vergreifen ſich in
harten Wintern am ausgewachjenen,
ermatteten größeren Wild.
Auch die Elfter, die ein großer
Nefträuber ift, darf nicht geduldet
werden und dem Nußhäher, dei die
Nefter der Singvögel nicht fchont,
folte ebenfall3 der Säger, wenn
immer angängig, da® Handwerk
legen.
Nro. 464469.
Zerftören der Rabenhorfte, Ab:
Ihießen an denjelben, Jagd in der
Aufhütte, Tonnen allein das Ge—
findel, dem man bei jeder Ge—
legenheit eine Batrone opfern follte,
in den gebührenden Schranfen
halten. Die Schädlichkeit der Raben-
frähe ift in vielen authentifchen
Berichten der Jagdliteratur feft-
gelegt, es vergeht faum eine Sai:
jon, ohne daß erneute Klagen über
dieſes ſchwarze Gefindel, dem fo
ſchwer beizufommen ift, einläuft.
Wenn auch ihre Erlegung mehr
Aufgabe des Berufsjägers ift, fo
jolte doch jeder Jagdbeſitzer dur
ausgejette Brämien den Eifer feiner
Belaufbeamten erhöhen. Kein Reb⸗
bühnerneft, kein Enten und Fa⸗
fanenneft ift fiher vor diefen Räu—
bern, die mit ungemein großem
Sehvermögen auf weite Entfer:
nungen alle Vorgänge in der Natur
beobadten. Es mird Häufig die
Wahrnehmung gemadt, daß 3. B.
im Winter beim Entenfall weit und
breit feine Krähe zu fehen ift. So—
bald man die angejchofjenen Enten
nad) kurzer Zeit aufſucht, kann man
entdeden, daß die Krähen bereits
reinen Tiſch gemacht haben. Sie
verraten häufig durch ihr häßliches
Gefchrei, wo man dag angefchofjene
Wild, natürlih in unbrauchbarem
Zuftande, zu ſuchen hat.
465. Rüdblid: Die Lebendge-
wohnheiten aller Wildarten hängen
innig zufammen mit ihren Lebens⸗
bedingungen, ihrer Widerſtands—
fraft. im Kampfe mit ihren Ber:
folgern und mit dem Klima. Die
einen haben die Fähigkeit, wie die
Zugvögel, diefem Kampfe teilweiſe
auszuweichen, andere zeichnen fid)
durch ihr Anpaffungsvermögen aus,
finden überall aud zur harten
Sahregzeit die ihnen zufagenden
Lebenserfordernifje, wie der Haje,
das Reh, das Waldgeflügel, wieder
andere können der forgenden Hand
Pro. 466.
des Hegers nicht entraten, wie das
Rebhuhn, der Faſan. Wie der
Jäger jagen, wie er hegen joll,
das gibt ihm das Wild am beiten
felbft an. Die überaus feinen Sinne
unferes Wildes werden noch unter:
ftügt durd feine Gedächtnistreue.
Der öfter8 von der Büchje bedrohte
Rehbock, der Hirſch, Die Ente, die
Wildgans, die Trappe lernen raſch
durh diefe Fähigkeit ihre durch
Mißtrauen gejchärften Sinne dem
mweidwerfenden Jäger mit famt
jeiner Weberlegenheit in Waffen
und Ausrüftung im Kampfe er-
folgreich gegenüberzuftellen. Diefe
Gedächtnistreue gibt aber auch bem
hegenden Weidmann die Mittel an
die Hand, feinem Wild die Lebens:
bedingungen zu erleichtern. Hirſch,
Reh, Fajan lernen rajch die Zutter-
pläße, Salzleden 2c. Tennen.
Auch Hier fann des Guten zu
viel gefchehen. Das Wild, an die
reihliden Fütterungen gemöhnt,
verliert den Widerftand im Kampf
3. v. Sichart.
mit der Natur, wird weich und er⸗
liegt - vafcher auftretenden Kranf-
heiten. In beiden Fällen, in Hege,
wie in Sagd, ift ein richtiges Maß
zu halten und die alten römischen
Lebendgrundfäße „ne quid nimis“
und „est modus in rebus“ dürften
au beim Weidwerk die richtige
Stelle zur Anwendung finden. Auf
der Empfindung froben Pflicht:
bewußtjeing, die den Säger und
Heger beim Begeben feines in weid⸗
männiſcher Behandlung ftehenden
Reviers hejeelt, auf dem warmen
Dantesgefühl für genoflene Jäger⸗
freuden baut fi der echte Weid-
mannsfinn auf, der das Weidwerk
zum Herrenwerk ftempelt. Daß der
deutijhe Säger das rechte Zeug
dazu befitt, ift eine unbeftrittene
Tatſache und ich vermödte diefen
Teil des Werkes nicht beſſer zu
befchließen al8 mit den Worten:
„Hie gut deutfh Weidwerk
allerwege!“
2. In fremden Jagdgebieten.
Europäilche FJagdgebiete.
466. Allgemeines. Diejenigen
Wildreviere, die au von deutſchen
Jägern aefannt und bejagt im
Brennpunkt jagdlichen Intereſſes
jtehen, follen in diefem Kapitel in
Kürze geftreift werden.
Wo das Weidwerk als Herren-
werf betrieben den Schuß des ftaat-
lichen Oberhauptes genießt, mo die
Herrſcher ſelbſt, wie in deutſchen
Ländern, der Jagd ihr allerhöchſtes
Interejje widmen und als echte
Säger und Heger vorbildlich er—
ſcheinen, da hebt fich der Wildftand
zum Segen des Landes und zum
Stolz der Nation. Werfen wir
einen Blid auf unſern nädften
Nachbar, die öfterreichifch-ungarifche
Monardie! Ihr Oberhaupt Kaifer
Franz Sofef ift der erfte und befte
Jäger des Reichs, kein Land weift
diefe kapitalen Hirfchreviere, dieſe
reihen Gam3= und Auerhahnftände
auf. Der enorme Reihtum an
Wild der Niederjagd, an Waffer-
geflügel, an Adler und Geier hat
von jeher die Aufmerkſamkeit der
Säger und Forſcher mwachgerufen.
Die Jagdtrophäen dieſes Landes
ftellen die der anderen europäischen
—
VI, 2. In fremden Tagdgebieten.
Staaten weitaus in den Schatten.
Der Reichtum an Wildarten bat
diefen Revieren ihren Weltruf ge-
fihert, die Kenntnis derjelben ſetze
ich als befannt voraus und wende
mid) nur denjenigen Revieren des
öfterreichifchen Kaiferreich® zu, die
weniger im allgemeinen Berfehr
ftehen, aber eine ungeahnte Fülle
von Wild in fih bergen. Es find
dies die Kronländer im Okkupations⸗
gebiet.
467. Bosnien und die Kerze:
gowina. Diefe beiden Länder
liegen auf der Waſſerſcheide der
Donau und des Adriatifchen Meeres,
welche durch die dinariihen Alpen
und ihre Ausläufer gebildet wird.
Bosnien? Gemäfjer ergießen fich
in Save und Donau, die Flüffe
und Bäche der Herzegowina ftrömen
der blauen Adria zu. Der Gebirgs-
charakter ift der Karjt, und zwar
nad) Dften der Waldkarſt, nach der
Meeresküfte und der Weitjeite der
dinarifhen Alpen zu der fterile,
nadte Karl. An Wildarten ift
das Dffupationdgebiet jehr reich).
Nutwild und Raubmwild verteilt ſich
in verſchiedenen Mengen und Arten
über das Land je nad Terrain:
bejchaffenheit und durch Boden-
und Rulturverhältnifje bedingt, und
da mehrere verjchievene Wild:
gattungen unweit nebeneinander
vorkommen, fo bietet fich jagdliche
Abwechslung und Reiz in Menge,
wenn aud in der Nähe der Städte
und größeren Ortſchaften der Wild-
ftand zurüdgegangen iſt. Um der
plan und wahlloſen Wildnugung
von Seiten der zum Glück fpärlichen
EinwohnerzahldesLandes zu fteuern,
find unter zwar jtrengen, aber ſchwer
durchführbaren Hegevorjchriften zur:
zeit 6 Wildichongebiete errichtet
worden. Wem Zeit, Paſſion und
Vermögen die Ausübung des Weid-
werks gejtattet, der findet in dieſem
Lande Gelegenheit, ſich Jagdgebiete
Niro. 467.
von hohem Reiz und großen Wild-
reihtums zu erjchließen und zu
ſchaffen.
F. B. Laska, der Verfaſſer von
„Das Weidwerk in Bosnien ꝛc.“,
ſieht in der Geſtaltung ſolcher
Wildbahnen die Möglichkeit, daß
dem bisherigen planloſen Jagd:
betriebe gejteuert wird.
Das Gems wild bevölfert die
Berge und fommt als echter Wald-
gams auch in der Holzzone häufig
vor. An Stärke des Wildbrets,
Größe der Krufen und Schönheit -
des Bartes gibt es dem fteierjchen
Gams nichts nad.
Schwarzwild tritt in ver—
ſchiedenen Orten des Landes auf,
genießt aber keine Schonung, in
den Wildſchongebieten hat es einen
befriedigenden Stand erreicht.
Das am häufigſten verbreitete
Nutzwild iſt Reh und Haſe.
Die Lebensbedingungen für das
Reh ſind verhältnismäßig rauh;
das zahlreiche Raubwild ſtellt harte
Anforderungen an die Lebens—
zähigkeit. Dementſprechend findet
man auch mächtige Rehkronen von
bedeutender Höhe und Stärke der
Stangen und reich geperlt und
ſcharf veredt. Der Haje findet ſich
ſehr zahlreich in der fruchtbaren
Saveniederung.
An größerem Raubwild kommen
Bär und Wolf nicht gerade felten
vor. Innerhalb 20 Jahren, vom
Sahre 1880— 1901, wurden für 1692
Bären und für 13768 Wölfe Prä-
mien gezahlt. Fuchs und Dachs,
Dtter, Stein= und Edelmarder und
Wildkatze find überall zu Haufe.
Der Auerhahn ift in guten
Ständen vertreten und dag Birk—
wild fommt in den Wildjchon-
gebieten in großer Zahl vor. In
den hochkultivierten Ebenen der
Save ift das Rebhuhn heimiſch.
Die Wachtel ſucht im Herbſte
von Norden kommend die Hirſe—
Niro. 468.
felder der Herzegowina in großen
Scharen auf und liefert ebenfo wie
die Wildtauben zur Erntezeit,
wenn ihre Bruten flügge geworden
find, reihe Ausbeute. In der
Felſenwüſte des Karſt, wo man
auch nicht die leiſeſte Spur ani⸗
malen Lebens vermuten ſollte, lebt
das prächtige Steinhuhn in
zahlreichen Völkern.
Die Sumpf- und Waſſer—
jagd in Bosnien und der Herze—
gowina iſt reich an Eigenarten und
von großer Ergiebigkeit. Die mäch—
tigen Waſſerbecken, die Mündungen
der Narenta in das Meer, das un:
geheure Beden des Mojtarsto
Blato, ein Sumpfgebiet von riefiger
Ausdehnung, der rätjelhafte Sumpf
Utomo, in welchem ein großer
Fluß, die Trebenjca, einige Meilen
vom Seeufer entfernt plöglih in
der Erde fich verliert; ferner im
Norden die Save, Drau und
Donau, im Often die Drina, im
Weiten das Adriatiſche Meer bilden
unergründlihe Raſtſtationen der
mwandernden Bogelmelt. Die Wald-
Ihnepfe genießt im Frühjahr
nah dem Geſetz Schonzeit vom
1. Januar bis 17. Auguft. Kein
Wunder, wenn der Jäger dann im
Herbfte, wie Laska mitteilt, mit
einem mittelmäßigen Hunde und
wenigen Treibern Streden erzielte,
mit denen unfere Säger auf der
Hühnerjagd hoch zufrieden wären.
Ueber den großen Wafferbeden
und den hohen Bergen ziehen Adler
und Geier im blauen Aether ihre
Kreiſe. Der Bart: und Lämmer:
geier horſtet in den dinarijchen
Alpen.
Wo zufammenhängende Wälder
an die Kulturgrenze reichen, bietet
das Hajelhuhn dem geübten Säger,
der mit der Locke vertraut ift, große
Meidmannzfreude und reiche Beute.
Die beite Sagdart in diefen
jtilen Revieren ift die Pirfche,
3. v. Sichart.
doch beſtimmen Terrainbeſchaffen⸗
heit, Lage, Zeitpunkt ꝛc. die Aus⸗
wahl verſchiedener anderer Jagd⸗
methoden.
Da das Land ſelbſt nur ſpärlich
bevölkert iſt und oft nur eine
größere Zahl von Treibern Erfolg
verſpricht, ſo hat ſich die Jagd mit
Bracken ſtark eingebürgert. Die
bosniſche Bracke gilt im Land als
der Typus der edelſten Form und
der größten Intelligenz des Jagd—
hundes. Sie verlangen eine voll⸗
fommene Dreffur und müflen an
Sagdfignale gemöhntmwerden. Leider
verfagt die Brade zur Jagd auf
den Wolf. Iſt der Wolf im Trieb,
dann bringt feine Macht der Welt
auch die jchneidigften Hunde mehr
vorwärts. Mit geiträubtem Haar,
eingeflemmten Ruten fchleidhen fie
hinter dem Rüdenmann ber, ohne
fih von ihm zu trennen, oder fie
fommen zu den Sägern auf Die
Stände.
468. Jagd in Norwegen und
Schweden. Das ftammverwandte
Land der Mitternahtsjonne bietet
dem deutſchen Jäger in feinen
großen Waldestiefen erwünjchte
Gelegenheit, das Tapitale Wild, den
Elch, in weidmännifcher Art zur
Strede zu bringen. Wo die Kron-
forften mit ausgedehnten Liegen-
Ihaften des privaten Großgrund-
beſitzers zuſammenſtoßen und dort
große Waldkomplexe bilden, kommen
noch ftärfere Elchbeſtände vor. Troß-
dem ift ein Ruckgang der Elchftände
zu Eonftatieren, obwohl die Schuß⸗
zeit auf den Elhbullen nur auf 20
Tage des September feitgejegt ift.
Es ift eben au der Elch Speku⸗
lationgobjeft geworden. Unter der
großen Zahl der alljährlih durch
Vermittlung von Spelulanten er=
legten Eichbullen find nur wenige
gute Elchſchaufler. Die meiften der
Jäger mußten fich mit jehr geringen
Elchgeweihen begnügen.
VI. 2. In fremden Tagdgebiefen.
. 468
223. Angefchweißter Elchhirſch von Elchhunden geitellt.
Der Elch befigt in weit geringerem
Grade ald das Rot: und Schwarz:
wild einen Gefelligfeitstrieb, feine
Manderlujt wird ihm häufig ver-
hängnisvoll, wenn er ohne erfenn-
bare Urfahe zu gemifjen Zeiten
aus den gewohnten und jicheren
Standquartieren in die minder vor:
forglich behandelten Kleinen Wälder
bäuerliher Jagdſchinder wechſelt,
und da jeder Elchhirſch wahllos ge—
ſchoſſen wird, jo muß der Stand
zurüdgehen.
Den analogen Fall hat man bei
unſerm Edelhirfch und dem Nehbod
leider jchon häufig beobachten fünnen.
Durch den Abſchuß in den Sep-
tembertagen wird allerdings ver:
hindert, daß wie früher zur Winters:
zeit mit Skiern das Wild verfolgt
wird. 68 follte auch eine viel
größere Schonung des Muttermwildes
gefeglich geregelt werden, da der
junge Ei mindeftend 19, Sahre
der mütterlichen Fürſorge bedarf.
Andererjeit3 jollten zur Fortpflan-
zung ungeeignete Stüde aus der
Wildbahn ausscheiden.
Zur erfolgreihen Ausübung der
Jagd ift der Elchhund unbedingt
notwendig. Diefer mit molfsartigen
Sinnen ausgeitattete Hund, der
nur niedriger auf den Läufen ift,
vermag allein dem Jäger den je-
meiligen Standort ded Elchs an-
zugeben.
Sn dem jungfräuliden Walde ift
ein Abfährten, Anlage von Buch:
fteigen, Spürbahnen ausgejchloffen.
Der Elchhund, welder jtet3 am
Riemen geführt wird, arbeitet die
warme Fährte aus und führt den
Säger, der nod) nebenbei Wind ıc.
berücjichtigen muß, an den unruhig
hin und her ziehenden Elch.
Der Bradierjäger macht fich die
Sagd bequemer. Er läßt feinen
Stöberer jelbjt finden, und wenn
das Stück rege geworden ift, be-
ginnt er ein Wettrennen über Berg
und Tal und ſucht dem Wild Die
Wechſel abzufchneiden ıc.
Der Elch ftellt fi) gern der Brade,
wenn dieſe nicht zu grob gebaut ift.
Abgefehen von der großen fürper-
lichen Anftrengung, die eine folche
Hetze mit ſich bringt, ift ed dem
folgenden Säger fehr ſchwer, dem
auperordentlich fein vernehmenden
Wilde fich zu nähern und in dem
dichten Unterholze auf den den
Hund abwehrenden Eld zu Schuß
zu fommen.
469. DiejagdaufSchneehühner,
den nordiſchen Ryper, wird auf vers '
|
3. v. Sichart.
der Henne nach, der Hahn antwortet
mit „err⸗reck und ſteht auf dem
Schneefeld zu, mit dem Schnabel
am Boden, herabhängenden Flügeln
und hHalbgeöffnetem Stoß, dem
Birkhahn ähnlid. Die Jagd im
Spätherbit auf die Ketten mit
dem Vorſtehhunde liefert jehr gute
Streden, verlangt aber auf dem
fteinigen Yield große Ausdauer
und Gemwandtheit des Jägers, Da
die Ketten nie gut aushalten, und
verftehen fehr niedrig zu jtreichen
und der Geftaltung des Fjelds fich
anpafjend ungemein raſch zu ver-
Ihwinden. Das Sommerlleid Des
Ryper hat Bodenfarbe. Wie oft
die Mauferung ftattfindet, ift noch
nicht feſtgeſtellt. Nur fo viel ift
fiher, daß bei eintretendem Schnee
das weiße Federkleid überrafchend
Ihnell angelegt wird. Der von
den norwegiſchen Jägern beliebte
„Vogelhund“ ift der iriſche Setter
oder Gordonfetter. Auch auf Birk:
hühner und Moorhühner wird Die
Jagd mit dem Vorftehhund bevor-
zugt.
470. Rußland. Der Bär ift
das größte europäiſche Raubtier;
er findet fih in Schweden und
Norwegen, in den Pyrenäen, Kar:
pathen und bejonders in Rußland,
im Ural, dem Kaukaſus und im
Norden Rußlands überall verbreitet,
wo ausgedehnte, zufammenhängende
und ſchwer zugänglide Waldungen
mit großem Beeren- und Wald:
früchtenreichtum den Lebensbedin-
gungen des Bären die richtige Unter:
lage geben.
Eigentlih ein harmloſer Gefelle,
ift feine Jagd nicht? weniger als
gefährlih, namentlih durch Die
Heinfalibrigen Büchſen. Er ericheint
im Trieb wie jedes andere Wild,
und wenn der Jäger es vermeidet
ſchiedene Art ausgeübt. Der gute ſpitz von vorn auf ihn zu ſchießen,
Jäger bevorzugt die Balz im Mai, | fondern ihn an fi vorbeiwechſeln
er ahmt den Lockruf „dji⸗-ak, djizat“ | läßt und Breit oder fchräg von
VI. 2. In fremden Jagdgebiefen.
hinten die Kugel anträgt, dann
wendet ſich auch der ſchwergeſchoſſene
Bär nicht leicht gegen den Schüßen.
Den Meifter Pet im Winterlager,
das vom ſpekulativen ruffiichen
Jäger angepriefen und verlauft
wird, aufzufuden und zu erlegen,
bietet natürlich größere Sicherheit
zu Schuß zu fommen. Die Zeit
des „Einfchlagend” oder Bezieheng
der Winterwohnung richtet ſich nach
dem Klima der betreffenden Gegend
und der momentan herrſchenden
Witterung. Die Bärin zieht ſich
meift ſchon Mitte November zurüd,
der Bär ſchweift oft noch im De-
zember umher. Nach der Berfiche-
rung ruffiiher Bärenjäger jol er
vor dem Schlafengehen die Um:
gebung feines Lagers genau unter-
ſuchen und dasſelbe jofort ver:
tauſchen, wenn er auf Spuren von
Menden ftößt. Tritt mitten im
Winter Taumetter ein, fo verläßt
er fogar in Rußland und Sibirien
fein Lager, um zu fchöpfen oder
auch Nahrung zu ſuchen.
Das Lager errichten die Bären
aerne auf erhöhtem Punkte in
Sümpfen, Moorbrüden, Wind:
brüden und in hauptſächlich mit
Fichten beitandenen Dertlichfeiten
ein und unternehmen hierzu aus
ihren Sommerftänden oft Reijen
bis zu 200 und 8300 Kilometer
Entfernung. Da, mwo der Bär
Standmwild ift, wird er dem Bieh-
ftand und den Bienen fehr gefähr-
lid. Das Wildbret eined jungen
Bären hat einen feinen, angenehmen
Geſchmack, die Keulen alter, aber
feifter Bären gelten, geräudhert
oder gebraten, als Leckerbiſſen.
Die Branten werden von Yein-
ſchmeckern ſehr geſchätzt, ähneln
aber, wenn ſie abgehaart und zur
Bereitung fertig gemacht ſind, in
widerlicher Weiſe dem menſchlichen
uß.
471. Die Jagd auf Waldhühner,
Nro. 471-472.
Auerhahn und Birkhahn in Rup-
land unterſcheidet fih im großen
und ganzen fehr von unferen deut-
[hen weidmännijchen Begriffen.
Die Balzjagd, ebenfo das Treiben
oder die Suchjagd wird von den
ruffifhen Jägern als zu unergiebig
nur wenig ausgeübt. Der rujfifche
wie der ſkandinaviſche Berufsjäger
erbeutet die Waldhühner, die durch
ihr zahlreiches Auftreten ein wich-
tige8 Volksnahrungsmittel und
Gegenftand des Ausfuhrhandels
bilden, in wenig meibmännifcher
Weife in Schlingen, Netzen, Schlag:
fallen, vor dem verbellenden Vogel⸗
hund, beim Anftand aufden Aeſungs⸗
pläßen, auf den Ruf, auch bei nächt⸗
liher Yadeljagd und mit Handnetz
aus den Schneegräben. Auch das
Anpiriden mit Skiern und im
Schlitten und das GCrlegen mit
Heinfalibrigen Büchſen wird geübt.
Intereſſant ift die Jagd auf Birk-
hühner mit dem fog. Bulvan, einer
Art Puppe. Diefe beiteht aus
einem ausgeftopften Birkhahn oder
in Ermangelung eines ſolchen aus
einem in Tuch und Holz nachge—
bildeten Phantom, das im Spät-
herbft vor Tagesanbruch auf einem
hochragenden, freiftehenden Baum
feftgemadt wird, in deſſen Nähe
ein dichter Schirm errichtet wird.
Es werden dann die benachbarten
MWaldungen, in denen das Birfwild
gerne ſteckt, in der Richtung nad)
dem Baum abgetrieben. Diejes
fteht fehr gerne auf diefem Baume
ein und wird dann erlegt. Bei
der großen Zahl der immer neu
zuftreihenden Birfhühner ift zu=
weilen die Ausbeute fehr ergiebig,
oft big zu 40 Stüd.
472. Das Renntier, der arktiſche
Hirſch, hat in Norwegen und Schwe:
den wie in Rußland große Ver—
tretung, doch nicht ſo häufig, als
es die Jagdluſt des Jägers ſich
wünſchte. Auf den ſkandinaviſchen
Niro. 473-475.
Staatsdomänen zu jagen tit aud)
dem fremdländiichen Jäger geftattet,
wenn er den 2dfadhen Betrag des
für den heimiſchen Jäger ange:
fegten Jagdſcheines bezahlt. Das
Renn ift ſehr ſcheu und wird felbit
durch 24jtündige Fährten des Jägers
vergrämt. In den Morgenftunden
zieht ed von Stand zu Stand, um
zu äſen, die einzige Zeit, es anzu=
pirfhen. Sn den Mittagsjtunden
ſchiebt es fich ein und ift dann
jehr ſchwer auszumaden. Dem
Elchhund bleibt es auch hier vor-
behalten, die friſche Fährte auszu—
arbeiten und den jeweiligen Stand
feftzuftelen.. Dad Renn mindet
fehr fcharf, und wenn die Dedung
gering ijt, verjpricht nur dag Zu-
drüden Erfolg. Der Hirſch mirft
fein Geweih unmittelbar nad) der
Brunftzeit im Oktober ab, dag
Mutterwild dagegen erjt im Früh:
jahr, wenn der junge Nachwuchs
eritarkt ift, um der Milchjpende
entraten zu Tönnen. (Brehm.)
473. Es fei in Rußland nod)
einer Wildgattung gedacht, des
Wifent oder Auerocdhfen, der im
Walde von Bialowitſch (2000
Quadratkilometer) in einem Bes
ftande von 7—800 Etüd noch vor⸗
fommt. Strenge Schongeſetze ſchützen
den riefigen Reden einer alten,
Ihon längſt dahingeſchwundenen
Zeit vor dem Untergang. In
Deutſchland iſt er nur in dem
fürſtlich Pleßſchen Wildgatter von
Mezerzitz in Schleſien in ſehr klei—
nem Stand noch heimiſch. Der
Wiſent gleicht dem nordamerifani-
ſchen Biſon in Behaarung, Farbe
und äußeren Kennzeichen und weiſt
nur geringe Unterſchiede von dieſem
auf in Stärke des Kopfes und der
Hörner.
Aufsereuropäilche Jagdgebiete.
474. Allgemeines. Die Scil-
derung der großen außereuro-
3. v. Sichart.
päifhen Wildreviere lag
noch in der zweiten Hälfte des
vorigen Jahrhunderts faft aus—
Schließlich in den Händen englifcher
und franzöfifcher Jäger. Mit gläu-
biger Bewunderung folgte man den
romanbaften Erzählungen der be:
fannten Lömentöter in Afrika,
Tiger= und Elefantenjäger in Sn:
dien 2c., die teild durch ihre ſchreck⸗
haften und abenteuerlih gefärbten
Beichreibungen, teild mit Beredh-
nung einer fremden Konfurrenz
entgegenzutreten wußten. Erjt al3
Deutſchland Kolonialmadt wurde
und deutſche Forſchung in der un—
jerer Nation eigenen Gründlichkeit
den Dunſtkreis der Phantafie Durch-
brad, war es deutſchen Büchfen
vorbehalten, die fagenummobenen
Erzählungen‘ in dag Bereich der
Wirklichkeit zurüdzuführen.
Unfer größter Afrifaner Wi ß⸗
mann, trat ald bahnbrechend in
Afrika für deutiche Sagdausübung
auf, lange Jahre erniter Forfchung
fejjelten ihn an den Schwarzen Erd⸗
teil. Ihm verdanfen wir die erfte
Kenntnis der Wildarten und ihrer
Gemohnbeiten in Afrika.
475. Der Elefant nimmt unter
den Großtieren die erjte Stelle ein.
Er ift durch fein wertvolles Elfen-
bein großen PBerfolgungen aus—
gejegt. Hier mögen Zahlen fprechen.
Nah Schillings wurde der Ant-
mwerpener Elfenbeinmarft in den
legten Jahren durchſchnittlich mit
den Zähnen von 18500 Elefanten
jährlich verforgt. In den Sahren
1888—1902 murden 3212700
Kilo Elfenbein dort eingeführt.
Das Durchſchnittsgewicht eines
Zahnes beträgt 8'|, Kilo.
Die ſchwarzen Elefantenjäger
üben die Jagd gewerbsmäßig aus.
Mit großer Energie trat Wißmann
dieſem Vernichtungskampf entgegen,
und ſeiner Anregung iſt das Zu—
ſtandekommen der internationalen
VI. 2. In fremden Jagdgebiefen.
Vereinbarung zweds Schußes der
Großwildbeftände in Afrika zu
danten. (Mai 1900,)
Die Natur kommt aud) hier dem
Menihen entgegen. Der Elefant
bat gelernt ſich den Verhältnifien
anzupajien.
Bon der Küfte big zum Kili-
mandſcharo ift der Elefant noch
anzutreffen, fein Aufenthalt ift die
Baumfteppe, zur Tageszeit jucht
er das Dickicht auf und durch⸗
wandert nachts große Streden.
Das Auffinden einer friſchen Ele—
fantenfährte garantiert dem Jäger
noch lange nit das Auffinden
und Erreichen der Herde.
Die SFortbewegungsart ift ein
ſehr fördernder Trab, geräufchlos,
fo daß. das mächtige Tier nament-
fich zur Nachtzeit ebenjo wie das
Nashorn und das Flußpferd fait
geifterhaft wirkt. Die Jagd ift
nicht eben gefahrlog und der Ele:
fant verlangt einen guten Schuß
an richtiger Stelle. Das Mantel:
gefhoß mit rauchſchwachem Pulver
am Rüſſelanſatz, am Blatt oder
feitwärt3 zwifchen Auge und Ohr
in das Kleine Gehirn ift allein im⸗
ftande den Rieſen zu fällen. Die
beiden ‚Sinne, zu wittern und zu
vernehmen, find jo ungeheuer fein
ausgebildet, daß es ſchwer hält,
den Elefanten, der fich durch große | R
Intelligenz auszeichnet, zu über-
lüften. Es ift ungemein ſchwierig,
bei einer rege gewordenen und
flüchtenden Elefantenherde die An⸗
zahl der Stüde feitzuftellen, da fie
lange Zeit einer in der Fährte des
andern wechjeln.
476. Vom Nashorn jagt Schils
lings, daß auch deſſen Untergang
in nicht ſehr weiter Ferne liege.
Das weiße Nashorn mit nur einem
Horn iſt im Süden Afrikas primi⸗
tiven Jagdwaffen erlegen, um ſo
eher dürfte es bei dem Doppel⸗
nashorn der Fall werden. Dieſes
Nro. 476—478.
fordert zur Jagd geradezu heraus,
es durchbricht die Karawanen, ge=
fährdet dieſe und bildet für den
Pirfhjäger, der allein die Jagd
ausübt, die gefährlichfte aller
Sagden, weit gefährlicher als die
Jagd auf Elefanten, Büffel, Löwen,
Leoparden. Mit feinem ungemein
ſcharfen Witterungsvermögen win
det ed den Menjchen und madt
jofort Front gegen ihn, um zum
Angriff überzugehen. Der in der
weiten Nyika (afrikanische Steppe)
auf Tleinere® Nutzwild ftreifende
Säger Sieht fih oftmals einem
Rhinozeros gegenüber, und von
vielen Sägern wird berichtet, die
einem ſolchen Zujammentreffen er-
legen waren. Es dürfte ſonach der
intenfive Kampf mit diefem Did:
häuter, der vorausfichtlich zu deſſen
Ungunften ſich entjcheiden wird,
begreiflich erjcheinen.
477. Länger ald Elefant und
Rhinozeros wird das Flußpferd
in Afrika erhalten bleiben, da ein
großer Teil feiner Aufenthaltsorte,
die riefigen Sumpfgebiete im
Weſten, außerordentlich ſchwer zu=
gänglih find. Der riefige Did-
häuter ift ein harmlofer Gefelle,
der aud die Nähe des Menfchen
nicht fürdtet. Die Jagd auf diefe
vorſintflutlichen Tiere ift ohne allen
eiz.
478. Der oſtafrikaniſche Wild-
büffel. Seine Sagd ift feine leichte,
er bewohnt die mit dichtem Schilf
beftandenen Sümpfe, iſt überhaupt
nur in geringen Beitänden nod)
anzutreffen. Der vermundete Büffel
ift ein gefährlicher Gegner, nicht
nur durd feine Lebenszähigfeit,
fondern durch die Ausdauer und
Schlauheit, mit der er den Jäger
verfolgt, auf deſſen Fährte er bleibt.
Die jeit 1890 herrfchende ums
barmherzige Rinderpeft, welche in
unheimlider Schnelligkeit in der
Steppe fih ausdehnte und durch
Niro. 479.
F. v. Sichart.
224. Oſtafrikaniſcher Wildbüffel.
Mit Bligliht und Büchſe, R. Voigtländers Verlag, Leipzig.)
(Aus Scillings,
das zahme Vieh gefördert wurde,
hat den Wildbüffel fait aus der
Reihe der oftafrifaniichen Tierwelt
ausgeſtrichen.
ſtände an Büffeln verſtecken ſich in
den dichten Sümpfen und ſind bei—
nahe unerreichbar. Abgeſehen von
der Undurchdringlichkeit dieſer Ver—
ſtecke, die ſie den ganzen Tag nicht
verlaſſen, verurſachen die Zecken—
plage und die der Malaria ſo
günſtige Ausdünſtung dieſer mit
Giftſtoffen geſchwängerten At—
moſphäre dem Jäger unüberwind—
liche Schwierigkeiten. Die von
Schillings erforſchte Maſainyika
weiſt nur geringe Beſtände an
Büffeln noch auf, ſo an den Pan—
ganiſümpfen und in der Nähe des
Manjaraſees. In dieſen Sümpfen
führen natürlich auch die großen
Echſen, die Krokodile, ein be—
ſchauliches Daſein.
Die geringen Be—
ſäule in der Nähe des Kopfes wirkt
Die Bernich-
tung Ddiejer Tiere jcheint dringend
geboten. Der Schuß der Klein
falibrigen Büchſe auf die Wirbel:
jofort und abjolut tödlich. Schilling3
fing Diejelben gelegentlich feiner
Büffeljagd mit Angeln und Ködern.
Diefe Echjen bilden eine Land—
plage, da fie alle Waſſerläufe be-
völfern, das Waſſerſchöpfen und
Baden, das Tränfen der Zugtiere
zur Unmöglichkeit machen.
479. Die Giraffe bildet eine
auffällige Erjheinung, wie eine Er—
innerung an eine entjchwundene,
unjerer Anfhauung nicht mehr ge=
läufige Fauna. Ihre Heimat ift
die Steppe, ihre Nahrung die
Blätter und dünnen Zweige der
Afazien und anderer Laubbäume,
an denen die Steppe nicht arm ift.
VI. 2, In fremden Jagdgebiefen.
Nro. 480—481.
225. Giraffe.
(Aus Schillings, Mit Bligliht und Büchfe,
R. Voigtländers Verlag, Leipzig.)
Eine freiwillige Aufnahme von menſchliche Auge aud auf nahe
Gras ꝛc. vom Boden aus wurde
nicht beobachtet.
Die Giraffe lebt jehr gerne in
Symbioſe mit anderen Tieren, die
durh die Grgänzung aus der
Schärfe ihrer Sinne gegenfeitig
Nuten ziehen.
Die Giraffe äugt vorzüglich und
verläßt ſich weniger auf den Ge—
ruhsfinn. So fommt es, daß fie
häufig mit Elenantilopen, vor allem
mit Glefanten fich rudeln. Sie
werden viel verfolgt, find durch
ihre Größe faum zu fehlen. Man
follte glauben, daß das farben-
reiche Kleid ihr zum Nachteile ge—
reichen jollte. Aehnlich wie Zebra
und Leopard paßt fich die Giraffe
derart barmonijch in der Färbung
ihrer Umgebung an, daß das
Entfernung fih täujchen läßt. |
480. Das Zebra kommt in
großen Herden in Afrika vor. Es
ift fein Sagdtier; fein Fleifch ift
füßlich ; es verdient aber das Inter—
eſſe des Jägers jchon deshalb,
weil die Hoffnung beruht, das
Zebra dereinft durh Züchtung in
mehreren Generationen zu einem
vorzüglihen Nustier, Zugtier ꝛc.
umzugeftalten. Nah Scillings
müßte der Staat eine derartige
Aufgabe in die Hand nehmen, die
bei dem gänzlichen Verſagen unferer
Zugtiere dur die Berheerungen
der Tietfefliege DraaenD geboten
erjcheint.
481. Der Löwe Afrikas iſt
überall verbreitet, wo reiche Wild—
ftände vorhanden find, denen er
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VI 2. In fremden Jagdgebteten.
zur Regenzeit folgt.
ihn deshalb überall antreffen, trotz⸗
dem iſt feine Jagd jehr erſchwert,
er gebt nur nachts auf Raub aus,
ab die Ausſicht, ihn unter Tags
aufzugehen, ift gering. Am Süden
Afrikas wird er zu Pferde gejagt
und mit Hunden aufgefudt, und
wenn er fich ermüdet jtellt, erlegt.
Diez ift im Aequatorialafrifa nicht
möglid, weil Pferde dort nicht
leben können und Hunde dort nicht
gebrauhsfähig find. So tft der
Säger auf zufällige Begegnungen
angensiejen oder auf den nächtlichen
Hochfi oder von der Dornenboma
(Berhau) aus in der Nähe eines
vom Löwen gerifjenen Stüd Wildes,
der ſtets, wenn gejtört, zu feinem
Raub in der Radt zurückkehrt.
Die Dunkelheit beeinträchtigt jehr
den Schuß, abgejehen davon, daß
in den ungejunden Gegenden der
fo notwendige Schlaf ohne Gefahr
Niro. 482.
Man Tann aus und werden, ba fie ſtarke
Fleckung haben, fälfchlihermeije oft
für Leoparden gehalten. Der Löwe
ift nachts fein fo barmlofer Ge⸗
jele, wenn er auch tagsüber vor |
dem Menjchen flieht. Shillings
fagt von ihm, daß er zur Nachtzeit
eine große Furchtloſigkeit dem Men⸗
ſchen gegenüber zeigt, angezündete
Feuer verhältnismäßig wenig ſcheut
und an dieſen ſogar Eingeborene
raubte. Dieſe Gleichgültigkeit gegen
den Menſchen tritt oft beim nächt⸗
lichen Anſitz im Dornenverſteck in
die Erſcheinung, wo er unbeküm⸗
mert um den Jäger, den er ſchon
lange gewindet oder eräugt hat,
den gefeſſelten Stier oder Eſel
ſchlägt und oft auf nur 3—4 Schritte
erlegt werden Tann.
Des berühmten Löwenjägers
Gerard Schilderungen weiſt
Schillings ald Ausgeburten einer
a Phantaſie in das Reich der
für die Geſundheit nicht verkürzt | Fabe
werden follte. So bleibt oft nicht?
anderes übrig, als den Löwen in-
Fallen zu fangen, eine Jagdart,
die ebenfall3 nicht gefahrlos ift, weil
der Löwe mit der Falle oft weit
flüdtet. Das zufällige Aufgehen
in der Steppe vollzieht fich meift jo
fchnell, daß man, vom Löwen ſchon
längit erfpäht, ven Moment zur Ab⸗
gabe des Schuffes häufig verfäumt.
Nah Schillings lebt der Löwe
auch rudelmeije. Der kühne Afrika⸗
forfcher erzählt von 30 Löwen, die
zu gleicher Zeit in feiner Nähe be-
obachtet würden, er ſelbſt Hatte
von diejen 14 mit eigenen Augen
gejehen. An 3 aufeinanderfolgen-
den Tagen fing er 9 Löwen, die
fämtlih ihr Grab in den Mägen
feiner fchwarzen Askaris (Träger)
fanden, deren Obmann nad dem
7. Löwen erklärte, er jehne ſich
: wieder für eine Weile nach anderem
Wildbret. Die jungen Löwen gehen
ſchon frühzeitig allein auf Raub
182. Der Leopard ift häufiger
anzutreffen als der Löwe, er ift
tatfählid überall und nirgend®.
Felſige, von ſchroffen Bergzügen
unterbrodhene Dertlichfeiten mit
reichlicher Dedung jagen ihm am
meiſten zu, mo er vielfach in den
Baumkronen fih aufhält. Seine
Bewegung iſt blisichnel. Auch
feine Begegnung beruht auf Zufall,
häufig verraten ihn die Paviane,
die ihn mit Gekreiſch verfolgen;
auch das andauernde Schmählen
der AImpallahantilopen und dag
Zautgeben der Buſchböcke künden
dem Säger zur Nadtzeit an, daß
der jchöne Räuber unterwegs ift.
Wenn aud) der ausgewachjene Pa: .
vian mit feinem jcharfen Gebiß,
deſſen Reißzähne an Länge die des
Leoparden übertreffen, ein nicht zu '
unterfchätender Gegner für die ges
fleckte Kate ift, jo gelingt es letz⸗
terer doch häufig, aus der jchlafen-
den Affenherde ſich ein ie zu
N N UT
(urrapg "Drja BrrSı Rise 6 pw Fun 31h FIR UM
‚0104093 "277
VI. 2. In fremden Jagdgebieten.
holen. Daß der Leopard mur
lebende Tiere reißt und das Aas
verjhmäht, wird von Schillings
beftritten, der gegen 40 Leoparden
im Eifen, die mit Geſcheide oder
irgend verendeten Tieren befödert
waren, gefangen hat. Die mit
lebenden Tieren beföderten Fallen
übten auf den Leoparden viel ge=
ringeren Reiz aus. Der gefangene
oder angejchweißte Leopard ift un⸗
gemein gefährlih, er geht mit
Bligesfchnelle auf den Jäger los.
Unfehlbar fonnte man rechnen, nad
einem glüdliden Fang am nächſten
Morgen den Gatten des Paares
im Eifen zu finden. Die gefangenen
männlichen Leoparden erreichten ein-
Gewicht bis zu 145 Pfund.
Große Verbreitung haben
483. Wildhunde oder Yagd-
byänen, die meift in Rudeln jagen
und überall auftreten, wo viel
Wild vorhanden. Sie jagen zu 2
oder 3 ftumm hinter einem Stüd
drein, teils à vue, teil® nad) der
Fährte. Ihre Opfer find alle Anti-
lopenarten, auch die große Elen-
antilope. Geftört, bellen fie den
Menſchen an, wie ſcheue Haus:
hunde mit eingelniffenen Ruten
ſeitwärts prellend und wieder bel-
lend verhoffend. Die Eingeborenen
behaupten, daß fie unbemwaffnete
Menſchen anfallen. Ihre Zähmung
bezw. Züdtung zu jagdliden
Zweden dürfte wohl bei ihrer
MWildheit und Biffigfeit und ihrer
ausgejprocdhenen Abneigung gegen
Haushunde auf große Schwierig-
feiten ſtoßen.
484. Der Serval, eine fchöne,
bochbeinige Kate mit jchwarzen
Zupfen auf gelbem Grund, öfters
auch ganz ſchwarz, die graue
Wildfage und der oftafrifanifche
Bertreter des Luchjeg, der Carra-
cal, ferner die fchlanfe, Kleine
Ginfterfage und die Fiſch—
otter am Viltoria Nyanza find
| wicht gegen 90 Kilo.
Nro. 483—486.
Heinere Vertreter der Raubtiermelt
Afrikas.
Hyänen und Schakale, ſo—
wie die zahlloſen Arten von Geiern
bilden die Totengräber der Steppe
und wiflen mit den größten Kada=
vern in unglaublich Turzer Zeit
fertig zu werden.
Unter den SHornträgern, den
Antilopen, find die Kuduanti-
lope und die Elenantilope die
größten Arten,
485. Das Kudu trägt den größ-
ten und ſtärkſten Hornjchmud und
ift im Süden von Deutſchoſtafrika
noh am bäufigften. Die Elen—
antilope ift an Wildbret die
ftärfjte Art, fie erreicht ein Ge:
Als ausge:
zeichnete Bergfteiger kommen dieje
großen Tiere fogar auf dem Pla—
teau des Kilimandſcharo 5000 m
über dem Meere vor. Sie war:
dert wie ein großer Teil der Tier-
welt, den oft ſehr unregelmäßigen
Regenzeiten entjprechend, perna=
nent, bald in der Niederung und
an der Seefüjte, bald in der Hoch—
iteppe oder im Gebirge ift fie an-
zutreffen. Bei Annäherung von
Gefahr pflegen fie fich zufammen-
zurudeln und in ſchwerfälligem,
aber förderndem Galopp flüchtig
zu werden. Sie zeichnen in außer:
ordentlih marlanter Weife auf
die Kugel.
Nur in der Steppe, faft gar
nit in den SHochländern, findet
man die BPferdeantilope, von
ftarfem, pferdeähnlichem Gebäude,
und die Kleinere Oryrantilope,
von gedrungenem Körper und ſehr
ſpitzem Gehörn, die felbft den
Leoparden abmwehren könnte.
486. Das Gnu, das als Weiß:
bartgnu in den Salzfteppen Djft-
afrikas in großen Nudeln häufig
mit Zebraberden zufammen in Sym⸗
biofe vorfommt, ähnelt in jeinem
Aeußern dem Büffel und wird
Nro. 487—489.
vielfach für denfelben, namentlich
in größeren Entfernungen, gehalten,
es liebt die weite, offene Steppe.
Alle dieſe Wildarten Augen fehr
ſcharf und fihern ftändig auch im
Zuftand der Ruhe. Die Lebeng-
zähigfeit diejer Tiere ift jehr groß,
und fie verlangen einen gutfiken-
den Schuß. Der zeitweije erfenn-
bare Wildreihtum könnte vielleicht
den Jäger verleiten, unbejonnene
Schüffe abzugeben. Im Intereſſe
der Erhaltung des ohnehin ftarf
dezimierten Wildſtandes — manche
Arten befinden fi in faum nen-
nenswerten Beftänden — ift eg
dringend geboten, die Jagd auch
in diefen Ländern nad, feften weid-
männifhen Gejeten auszuüben,
Das Beijpiel des Europäers wirkt
auf die Cingeborenen anſteckend
und mit Freude und Anerkennung
muß bier Tonitatiert werden, daß
unfere jüngeren Afrikaner, mie
Brandis, Paaſche u. a, dem
Beilpiee Schillings folgend,
mehr mit der Kamera al3 mit der
Büchſe weidwerkten und wohlüber-
legt ihre Kugel weidmänniſch an-
zutragen redlich bemüht waren.
ALS warnende Wahrzeichen leuch⸗
ten in der Steppe die gebleichten
Knochenüberrefte von Großwild
aller Art, die der Schießwut aus⸗
fändifcher Jäger und der Einge
borenen zum Opfer gefallen jind.
487. Als Nutzwild zum Lebens⸗
unterhalt liefert den Afrikajägern
hauptſächlich der Waſſerbock das
Wildbret. Dieſer trägt nur in
jeinen männlichen Sremplaren den
feierförmigen Hörnerfhmud, das
weiblihde Wild gleicht jehr ftarf
den Tieren unjeres Rotwilds. Zahl⸗
reich find die verfhiedenen Abarten
der Antilopen. Außer den bereitd
genannten größeren Cremplaren
gibt es Die XLeierantilope, Kuh⸗
antilope, SImpallahantilope, an
Gazellen die Granigazelle, Thom
3. v. Sichart.
-
fongazele, Biraffengazelle, den
Buſchbock. Dem Reh ähnlich tft der
1
4
hr
Riedbock. Diefer läßt einen pfeifen < :::.
den Warnungsruf erfchallen, der | ‘un.
von anderen Wildarten verjtanden
wird und auf den auch Die Bogel- | x...
welt achtet. Reiher und Ibiſſe
ſtehen auf dieſen Schreckruf hin
ſofort aus den Tümpeln und
Waſſerpfützen auf.
Wie die Tierwelt, ſo iſt
488. auch die Vogelwelt reich
vertreten. Sie findet in ihren größe⸗
ren und ſelteneren Arten, wie beim
Strauß, der Rieſentrappe, jagblide | z-. .
Beachtung, auch als Abwechflung für
den Küchenzettel in den verjchiede-
nen Hühnerarten, den PBerlhühnern,
Buſchhühnern, Frankolinen, Keinen
Schnepfenarten, Enten, Komoranen,
oder werden im Intereſſe willen: i &;.,,
ſchaftlicher Sammlung, wie die ! ii,
Ibiſſe, Reiher, Kraniche und zahl-
Ioje Geierarten, erlegt.
489. Wildſchutz. Wie ſchon oben
erwähnt, bejchäftigt fich die Ver:
waltung der europäijchen Kolonien
in Afrika danf den Bemühungen
Wißmanns ſehr eifrig mit dem
Wildſchutz duch ftrenge Erlaſſe.
Den Eingeborenen ift die Jagd
auf Nugmwild überhaupt verboten.
England hat bereits in Britiſch⸗
Oſtafrika, namentlich in der Nähe
der Ugandabahn, große Wildreſer⸗
ven angelegt, die unter ftrenger
ſtaatlicher Kontrolle ſtehen.
Große Gefahren für die Geſund⸗
heit des Europäers und ſeiner ihm
unentbehrlichen Nußtiere, wie der
Pferde, Efel, Rinder, beitehen in
dem tüdifhen Malariafieber und
der Widerſtandsloſigkeit der Laft-
und Reittiere gegen die tödlichen
Stiche der Tſetſefliege.
Geheimrat Dr. Koch nimmt an,
daß ein untrennbarer Zuſammen⸗
hang zwiſchen dem Büffel und der
<ietfefliege beſtehe und daß das
Wild latenter Träger der Tſetſe⸗
}
VI. 2. In fremden Jagdgebtefen.
krankheit fei und verlangt die Aus⸗
rottung des Großwildes als des
gefährlichiten Krankheitsherdes.
Diefen Ausführungen des Ge:
hbeimrats Dr. Kod, deſſen un
beſtreitbares Verdienſt es ift, die
deutſche Landwirtſchaſt auf den
Nutzen unſerer Kolonien hinge—
wieſen zu haben und für die Nutz⸗
barmadhung des Wildes im Dienjte
und im Haushalt der Landwirtſchaft
einzutreten, trat im Sommer d. J.
eine Kommiffion für Befjerung des
Wildſchutzes entgegen, die e3 fi)
zur Aufgabe madte, die in Be-
tracht fommenden zoologifchen, bio⸗
logifchen und bafteriologiichen Fra-
gen zu durchforſchen und ein ge⸗
jundes, auf Grundzügen der Selbit-
verwaltung ruhendes Jagdrecht
auszubauen und diejelben Grund⸗
fäge in den Kolonien zu feitigen,
die in der Heimat des Jägers
Ehrenſchild bilden.
In diefer Kommiſſion ftellte
Profefſſor Matſchie feft, daß es
heute noh Büffelherden ohne
Tietfefliege und zahlreiche
Tietfefliegen ohne Büffel
gäbe, daß ferner die Tjetjefliege
auch auf kleinere Tiere und auf
Menihen gehe, ferner daß durd)
Ausrottung der Gloſſina
(Geſträuch), die in den Hochländern
fehle und nur in den feuchten Di-
ftriften vorfomme, von feiten der
Buren eine Abnahme des Inſektes
hervorgerufen wurde. Dr. Sander
führte aus, daß man, um radikal
vorzugehen, auch die Eleinen Anti-
Iopenarten, die Wildfchmeine, Wild»
hunde, Zebra, Ejel, das Kleinwild
und die mit der Krankheit behaf-
teten Menſchen ausrotten müſſe.
Schriftſteller Bley erklärte, Die
afrifanifhe Tierwelt bilde große
wirtſchaftliche Werte, die erhalten
werden müßten. Das Krokodil
dagegen müßte ausgerottet
werden als der Träger der
Nro. 490-492.
Shlaffrantheit. Die Tſetſe—
fliege müffe direkt, nicht indirekt
befämpft werden. Sache der Wiſſen⸗
ſchaft jei es, entjprechende Mittel
Dagegen zu finden.
490, Wien. Allgemeines.
Diefer Erdteil, der neben feiner
enormen Breitenausdehnung von
der Region der arftiihen Zone
bi8 zum Aequator reicht, birgt
jagdliche Schätze und undurdhforfchte
Reviere in Menge. E83 fol bier
nur eine oberflächliche Schilderung
der Jagden und Sagdtiere Aſiens
folgen und unter diejen nur foldhe
näher berührt werden, die von
jagdlichen und wiſſenſchaftlichen Er-
folgen begleitet bereit3 auf breiterer
Baſis das Intereſſe der ſportlieben⸗
den Jäger gefunden haben. Wie
in allen Ländern der Erde in den
wärmeren Zonen, weiſt auch der
Süden Aſiens die größere Menge
von Wild auf. Es ſteht zunächſt
Indien und der indiſche Archipel
im Brennpunkt jagdlichen Intereſſes.
491. Indien. Der indiſche
Elefant ſpielt auch hier die erſte
Rolle. Er hat nur kurze bezw. kaum
nennenswerte Stoßzähne entgegen
ſeinem afrikaniſchen Vetter, iſt
ebenſo ſcheu und nicht weniger ge⸗
fährlich. Seine Bejagung beruht
auf denſelben Prinzipien wie in
Afrika, doch ſteht er gezähmt als
Nutztier und Jagdelefant auf viel
höherer Stufe. Eine beſſere Zahn—
entwicklung hat der Elefant Siams.
Unter den dortigen Dickhäutern
ſpielt das Nashorn wegen ſeiner
Bösartigkeit und Gefährlichkeit eine
ähnliche Rolle wie ſein Vetter in
Afrika; es hat jedoch nur ein Horn,
welches ſehr lang und ſpitz wird.
492. Der Büffel Indiens, der
ſogen. Waſſerbüffel, hat ſtarke, nach
auswärts gekrümmte Hörner von
dreieckigem Querſchnitt, iſt ſehr
gefährlich, von unglaublicher Wild-
heit und fürchtet jelbft die großen
— mn.
Mu eu
Nro. 493-495.
Katzen, wie den Tiger, den Panther
und Leopard, nit; auf die großen
zahmen Ninderherden übt er einen
verderbenbringenden Einfluß aus,
indem er fie gerne in den Buſch
entführt. Ein Meifter im Schwim:
men, erfcheint der Büffel auf dem
Lande unbeholfener als im Wafler,
in den er 6—8 Stunden des
Tages verbringt. Gezähmt wird er
von den Eingeborenen häufig zur
Jagd auf Wafjergeflügel und
Hirſche verwendet.
493, Nutzwild. Bon den Anti—
Iopenarten fei hier die Nilgai-
antilope genannt, mit kurzem
Gehörn und jhwerfälligem Körper,
und die VBierhornantilope,
ein Kleines, zierliche3 Tier mit vier
jpiten, furzen Hörnern, die vor-
deren 3—4 cm, die hinteren 10
bis 12 cm hoc.
Bon den Hirfhen iſt der
Samburhirih in Ceylon heimiſch.
Diefer Hirſch kommt unjerem Rot-
hirſch gleich, fett aber nur ein Ge-
weih von 6 Enden auf. Der Tidi-
talhirſch Ceylons, in Indien Axis⸗
hirſch genannt, iſt eine gefleckte
Hirſchart, deſſen Decke grau und
rötlichbraun mit weißen- Flecken
gezeichnet iſt, ſein Geweih trägt
auch nur 6 Enden.
Das Wildſchwein iſt überall
zahlreich vertreten, wird aber nicht
ſo ſtark wie unſer Schwarzwild,
es bildet ſtets eine reiche Strecke
für den Jäger und eine willkom—
mene Beute für die großen Kater.
In den indischen Garnifonen wird
es viel parforce gejagt und mit
Speerſtichen getötet.
494. Der Tiger Indiens und
Ceylons fteht im Mittelpuntt des
Ssntereffed aller Jäger. Der Ein-
geborene ſpricht von drei Gat-
tungen, dem Wildtöter, dem Vieh⸗
räuber und dem Menjchenfreifer,
die alle drei jedoch in einem folge:
richtigen Zufammenhang ſtehen.
3. v. SAichart.
Der junge Tiger wird zunächſt am
Wilde ſich ſättigen. Wo die Kultur
zunimmt und das Wild verdrängt
wird, tritt er als Viehräuber auf,
und wenn er alt und ſeine Zähne
ſtumpf geworden ſind und ſeine
Sprungkraft nachläßt, wird der
Eingeborene ihm eine leichte Beute,
und der Menſchenfreſſer iſt fertig.
Seine Heimat ſind die dichten
Dſchungeln, die er nur nachts ver⸗
läßt. Treibjagden werden ſehr be⸗
liebt, bringen aber nur geringe
Reſultate, da die Treiberſchar, aus
Eingeboxenen beſtehend, feige und
faul iſt. Am ſicherſten iſt noch der
Anſitz am geſchlagenen Wild oder
am lebenden, feſtgebundenen Rind
vom Hochſitz, der Madjan, aus.
Dieſer Anſitz hat nur in der Nacht
und da nur bei Mondlicht Erfolg.
Niedieck hat dort den Menjcden-
freffer, aud) den Panther, der an ; &
Wildheit dem Tiger nichts nachgibt,
den Bär, den wilden Hund, eine
Art Wolf, und die Hyäne geftredt.
Der Banther mird von indi-
ſchen Offizieren häufig parforce ge
jagt. In Fallen oder Gruben ge
fangen, wird die Katze auf dad
freie Feld bHinausgefahren, det
Käfig geöffnet, die Kate dann ger
hegt und wie das Wildſchwein mit
Speeren getötet.
Der Bär ift der Lippenbär,
tiefſchwarz, mit halbmondartiger
weißer Bläße auf der Bruſt und
langen Rückenhaaren.
Das Innere Aſiens,
495. Turkeſtan, mit den Steil⸗
hängen des Tiunſchangebirges, iſt
auch die Heimat von Cerviden.
Prinz Arnulph von Bayern jagte
dortſelbſt im Sommer 1907 auf
Rehe, Hirſche, Steinböde und Wild⸗
ſchafe.
panther, Fuchs und Murmeltier ſind
in dieſem Gebirgszuge nicht ſelten.
Das Reh iſt ftärker in Form
und Gehörnbildung als unſer hei⸗
Auch Bär, Wolf, Schnee⸗
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VI. 2. In fremden Jagdgebirten,
miſches Reh. Die Gebörne ähneln
in Berlung, Auslage, Höhe und
Beredung den Hirichgeweiben.
Der Maral hirſch ift ebenfalls
größer und ftärfer als unfer Rot-
hirſch, fein Geweih ftämmiger,
höher und kräftiger entwickelt, zeigt
jedoch niemal3 eine Krone und
felten eine ſchöne Rofe. Die Brunft-
zeit fällt in den Monat September,
der Brunftfchrei des Hirfches ift
ein jchrilles, auf nur geringe Ent-
fernung börbares Pfeifen.
Der Steinbod lebt im Tiun-
Schangebirge wie unfer Gemswild
in ſtarken Nudeln. Doc ftehen auch
die guten Böde allein und machen
fih fehr heimlich und ſuchen die
Rudel nur zur Brunftzeit auf. Die
Sagd ift infolge der enorm ſcharfen
Sinne und des teilmeife fchlecht
bewadfenen und nur geringe
Dedung bietenden felfigen Gelän-
des äußerft ſchwierig.
496. Muffelwild. Das Wild-
Ihaf, das Kaſchgar, fteht nur
in geringen Rudeln faft noch höher
als der Steinbod und iſt, wenn
möglih noch heimlider. Seine
Sinne und fein Mißtrauen find
ungemein ſcharf und übertreffen
noch faft die des Steinbodes. Die
alten Jäger jagen, daß das Haar,
da8 vom Jäger ausfällt, vom
Keiler gemittert, vom Hirſch ver-
nommen und vom Muffel geäugt
wird.
An Europa fommt dag Muffel-
wild, der Muflon, noch in Sar:
dinien und Korſika in kleinen Bes
ftänden vor. Bon größerer Form
und Stärke ala dieſes ift der
Argali der Mongolen, der Kaſch⸗
gar auf dem Hochlande Pamir er:
reicht die größte Höhe und Stärke.
Auh die Halbinfel Kamtichatla
führt das Dickhornſchaf ald Stand»
wild. Die Sagdichwierigfeiten be-
ftehben darin, daß das Wildſchaf
fih nicht treiben läßt, ſehr ſchwer
Nro. 496—497.
anzupirfhen ift und einen unbes
dingt tödlichen Schuß verlangt. Da
wo es wenig verfolgt wird, iſt es
nicht ſcheu. Seine Neugierde wird
von den Kirgifen häufig benugt,
um es zu erlegen, indem man
einen Stod mit einem Kleidung
ftüd behängt und jo die Aufmerf-
famteit des Rudels auf einige Zeit
zu erwecken ſucht. Inzwiſchen pirjcht
ſich der Jäger von einer andern
Seite an das Rudel. In Oeſter⸗
reich-Ungarn und auch in Deutſch⸗
land ſind verſchiedene erfolgreiche
Verſuche gemacht worden, das
Muffelwild einzubürgern. Es ver⸗
trägt ſich vorzüglich mit andern
Wildarten, wie dem Rotwild, ſo
zwar, daß in dieſen Wildbahnen
beobachtet wurde, wie Rotwild⸗
rudel von Wildſchafen geführt wur⸗
den. Die Vermehrung iſt ſtark und
ſicher.
An Deutſchland wurde aus Sar⸗
dinien das Muffelmild vor Jahren
im Herzogtum Anhalt eingefekt,
genießt dort jet in freier Wild:
bahn Hege, der Widder darf nur
im September und Oftober, das
Schaf nur im Oftober erlegt wer:
den. So haben die anbaltiichen
Reviere den Ruhm, nit nur die
legte Biberfolonie, ſondern auch
den erſten Muflonftand in freier
Wildbahn Deutſchlands zu befiten.
Die beiten Bärenreviere
Aftens befigt die Halbinfel
497. Kamtſchatka im äußerften
Nordoften an der Beringitraße.
Wenn der Bär aus dem Winter:
fhlaf erwadt, im Monat Mai, ift
die beite Zeit zu jagen. Sein Pelz
ift noch weich und fein wie Seide,
die Haare noch lang und glänzend.
Sobald die Witterung wärmer
wird, was fi in diefen Breiten
oft ungemein raſch vollzieht, tritt
der Haarwechſel ein. Im Herbit
und Winter zu jagen, ift durch Die
Ungunft des Klimas ausgeſchloſſen.
Niro. 498.
Auh Freund Pe ift dann ge⸗
zwungen, zu fchlafen oder Hungers
zu fterben. Sm Frühjahr geht der
Bär aus feinen Winterquartieren
herunter an die Meeresfüfte, um
dort den angeſchwemmten Seetang
ſich einzuverleiben. Wenn das Gras
auf den Halden zu fprießen be=-
ginnt, fieht man die Bären wie
Lämmer auf der Wieſe weiden.
Zur Laichzeit des Salm fteigt der
Bär flußaufwärts, Tchlägt mit ges
ſchicktem Brantenfchlag den Fiſch
ang Ufer, ſpäter lebt er wieder
vegetarisch von wilden Erbjen und
Beerenfrüdten, feine Jagdkünſte
verſucht er nur an den Erdziejeln,
Heinen Nagern, die er aus der
Erde gräbt. Niedied erlegte in
ganz kurzer Zeit 15 Bären, einen
Heinen Trieb, in den er 4 Bären
einwechſeln ſah, ließ er ſich von
feinem ruffifhen Säger durchgehen
und erlegte zwei davon. Der Bär
ift ein harmloſer Gefelle, greift
den Menjchen nie an. Trogdem ift
die Sagd nicht gefahrlos, allerdings
ohne Schuld des Bären, da da?
Land volljtändig unfultiviert, von
zahllofen Waſſerriſſen und Berg:
waſſern durchzogen ift, die nur auf
Heinen Nachen durchquert werden
tönnen. Das Klima felbft ift in
hohem Grade unmwirtlih und ftellt
hohe Anforderungen an die Ge—
fundheit des Jägers.
Der Dften Afiend, vor allem
China und Sapan, dürfte wohl mit
Ausnahme des Mafjenwildes und
Sumpfgeflügels und der zugereiften
Zugvögel dag jagdlich reizlofeite
Gebiet fein. Der Faſan bat dort
zwar feine Urheimat, namentlich
der mongolifhe. Er zeichnet fich
durch große Farbenpradt aus, er-
ſcheint im Sonnenlicht ftreichend
goldſchimmernd, die Flügel find
unten weiß, Hals und Bruft gold-
und fupferbraun, jedoch ift feine
Zahl ſehr beichräntt.
3. v. Sicharf.
498. Auftralien ift das Land
und die Heimat der Beuteltiere. |
Bon diejen ift das Känguruh
noch am eheſten geeignet, die Jagd⸗
luft zu reizen. Es wird leider viel
verfolgt, obwohl fein Schaden nicht
größer ift, al3 der der Hafen und
Kaninden, fie können nur, wenn
fie in eine Fenz eindringen, an
den jungen Pflanzen nennenswerten
Schaden anridten. Das Wildbret
ift nicht fehr berühmt, doch beſſer
ald fein Ruf; der Schwanz gibt
eine ausgezeichnete Suppe. Sie
werden von Eingeborenen und
Meißen nicht des Wildbrets halber,
fondern nur aus Mordgier gejagt.
Die Dede ift gegerbt feiner als
Kalblever. Ihre Jagd ift ſehr ein-
fah. Sie laſſen fih gut treiben,
wenn man verfteht, dad Rudel zu
ſprengen. Doch ift der Schuß nicht
leicht, da Kopf, Hald und Bruft
äußerſt ſchmal find und der Schuß
auf die ftarfe Hinterhand nie töd⸗
lich wirkt, ihre eigenartige Bewe⸗
gung in der ungemein fürdernden
Flut erfchwert dag Ablommen
ſehr. Vielfach werden fie von den
Squntterd mit Windhunden par:
force gejagt. Diefe Bufhmänner
lieben es ſehr, zu Pferd zu beten.
Ein eigenartiger Sport bildet Dort
auch das Einfangen und Hetzen
verwilderter Rinderher—
den, die im Buſch das Leben
wilder Tiere führen und nur nachts
auf Weide ziehen. Dieſe Mond:
fcheinritte über Stof und Stein,
dur Geftrüpp und didten Wald
hinter den flüdtenden Rindern be-
reitet hohen jagdlihen Reiz und
erfordert große Gemwandtheit im
Sattel. Aehnlich werden auch Die
verwilderten Pferde, ver
brumby, nädtlicherweile gejagt und
indie Gehege getrieben. Dies fei er-
wähnt, weil es als Herren und Jagd⸗
port viel zu den Annehmlichkeiten
des dortigen Jägerlebens beiträgt.
VI. 2. In fremden Jagdgebiefen.
Auh das Dpoffum, die
Beutelratte, die den Hühnerftällen
als Eierdieb fo ſchwere Beſuche
abſtattet, wird bei Mondſchein von
den Bäumen geſchoſſen. Dieſe
Ratte iſt eigentlich unbrauchbar und
widerlich anzuſehen, doch vermag
auch dieſe Jagd einigermaßen Reiz
abgewinnen durch die hellen Mond⸗
nächte im auſtraliſchen Buſch.
Bei Auckland, der Haupſtadt
Neuſeelands, jagte Niedieck
auf einer kleinen Inſel von 10 000
Morgen auf Dammild, das in
aroßen Beſtänden gehalten wird.
Man jagt die Damhirſche Dort
ebenfallg zu Pferd, fucht ihnen den
Wechſel abzufchneiden, fpringt ab
und erlegt fie mit der Büchſe.
Bon der Bogelmelt find Enten
und Faſanen heimiſch.
Eine große Landplage bildet zur⸗
zeit in Auſtralien das Kaninchen,
das dort eingebürgert wurde und
ſich jetzt ſo ſtark vermehrt hat, daß
feine Ausrottung eine Unmöglich⸗
keit wurde.
499. Nord⸗Amerika. Allge⸗
meines. Nordamerika, das Land
der Abenteuerluſt und der unge—
zügelten Jagdſucht beſaß einſt Wild:
reviere von unendlichem Reichtum.
Mit dem Untergang der Büffel
und der faſt der Sagenwelt an⸗
gehörenden Indianer war auch das
Schickſal anderer Wildarten, der
Wapiti und der Mooſe, beſiegelt.
Wohl hat das frühere Oberhaupt der
Vereinigten Staaten Nordamerikas,
Präſident Rooſevelt, mit ſtarker
und ſachlicher Hand durch Schaffung
von Schongebieten den Untergang
der Tierarten aufgehalten, ein
Wiederaufleben alter Zeiten noch
einmal herbeizuführen, wird wohl
unmöglich ſein.
500. Schongebiete. Eines dieſer
Schongebiete beſitzt Nordamerika in
dem Yellowſtone Park, einem Fels⸗
Neo. 499 -501.
gebirge zwiſchen den Staaten Wyo⸗
ming und Montana. Bon wunder:
barer landſchaftlicher Schönheit, in
weldem alle Wildarten des Landes
eine jtändige Schonung genießen
und ſcharf bewacht werden. Außer
diefem Parke find noch weitere
Wifdrefervate entjtanden, fogen.
Wildzuchtreviere, die ftrenge, ge:
feglich geregelte Schonung genießen,
aus denen dag Wild nah allen
Seiten hin fich verbreiten und an⸗
dere benachbarte Gegenden, indenen
ed nahezu ausgerottet ift, aufs
neue bevölfern fol. Die Anſchau⸗
ung, die Präfident Roofevelt ver-
tritt, da8 Wild zum Nationaleigen:
tum zu maden und es unter den
Schuß der ganzen Bevölkerung zu
jtellen, entjpricht dem demokratiſchen
Charakter des nordamerilanifchen
Volkes.
501. Biſon. So ſehen wir im
Nationalpark von Yellowſtone den
Biſon noch in Beſtänden von 200
bis 300 Stück erhalten. Nur ver⸗
einzelte ſchwache Rudel dieſes mäch⸗
tigen zottigen Wildes ſtehen noch
in der winterlichen Einöde von
Athabasfa und in den verödeſten
und unzugänglihen Gegenden ver
Rody Mountaind. Der amerifa-
niſche Jäger unterjcheidet den
Präriebüffel und den Walpbüffel,
der fi) durch ſchwächeren Körper:
bau, fürzere, aber ftämmigere Läufe
auszeichnet.
Beiondere auffällige Merkmale
zwiſchen dem europäifchen Wifent
unddemBifon,die fich imallgemeinen
ſehr gleihen, beſtehen in dem
größeren und fchwereren Kopf des
Bifong, defjen Rüdenlinie ſehr ſcharf
abfällt und eine auffallende Ber:
hmädtigung des Hinterteild auf-
weiſt. Im Haarkleid find fich beide
ähnlich. Da der Bijon jet voll-
ftändige Schonung genießt, um ihn
vor dem Ausfterben zu bewahren,
werden wohl wenige Jäger fi
Nro. 502-504. 3. v. Sichaxt.
mehr der Jagd auf dieſen rühmen
fönnen.
502. Eid. Der Moofe oder
kanadiſche Elch wird von vielen
Jägern für das edelfte Wild ge-
halten. Seine Heimat find Die
feuchten, Falten Fichten: und Tan:
nenmwälder, die fich aus den eifigen
Regionen Kanadiend? nah Süden
ziehen. Dem nordiſchen europäi-
Ihen Elch wie ein Zwillingsbruder
gleichend, liebt er wie diefer fühle,
moraftige Lagen mit dichtem Pflan-
zenwuchs. Die einzige richtige Art
zu jagen ift die Pirfhe. Während
der Brunftzeit im September find
die Schaufler weit und breit auf
der Sude nah den Tieren und
ftoßen während der Nacht ein kurzes,
lautes Schreien aus, das man jehr
weit hört. Die Tiere antworten
mit leifem, flagendem Mahnen.
Wie der deutſche Jäger den Brunft⸗
birfch mit der Mufchel oder dem
Schneden anruft, fo lodt der
amerifanifhe Jäger den brunften-
den Elch mittelft einer Locke aus
Birfenrinde. Doc fteht der Elch
nie fofort zu, fondern holt ſich erft
den Wind, jo daß diefe Art zu
jagen nur bei ganz ftillem Wetter
ausgeübt werden fann. In früherer
Zeit, als der Wildreihtum noch
bedeutend war, war die fogen.
Kruftenjagd jehr beliebt, eine Jagd⸗
art, die dem Säger feine Ehre
macht und aud von Roojevelt fcharf
verurteilt wird. Es werden die
Elche, wenn nad) Taumetter bei
tiefem Schnee Froſt eintritt, von
Schneejhuhläufern gejagt und er-
legt.
Ein Elchrevier von nahezu un:
berührter Schönheit und großem
Reihtum hatte Niedieck Gelegen-
heit in Alasfa zu bejagen; dem
äußerften Nordweiten von Nord:
amerifa. Dort erreiht noch ver
Elch eine enorme Körpergröße und
wird in Gewicht$bildung und Aus:
lage der Schaufeln in feinem an⸗
deren Lande übertroffen. Werdas
Wild den Menfchen ald das größte
Raubtier noch nicht erfannt bat,
bleibt e8 auch vertraut. So ftan=
den um Niedied, als er den ftärfs
ften El, der je erlegt wurde, mit
einer Geweihauslage von 1,96 m,
geftredt hatte, wohl an 20 Elche,
die alle den Jäger anäugten. |
503. Wapiti. Bon den Hirſch⸗
arten übertrifft der Wapiti, in
Amerika „Elk“ genannt, den Deut-
ſchen Rothirſch an Stärke und Ge⸗
weihbildung. Die beſten Beſtände
ſind noch im weſtlichen Colorado,
Wyoming und Montana, ſowie in
Idaho, Waſhington und Oregon.
Der amerikaniſche Jäger nennt den
Brunftruf „Pfeifen“. Rooſevelt gibt
hierüber in feinem Buh „Sagden
in amerilanifcher Wildnis” ein an-
ſchauliches Bild. Ein Wapiti mel:
dete an einem naßkalten Morgen,
ſtark röhrend, ab und zu plätzend
und ſchlagend. Anfangs glichen
die ſchmetternden Töne denen eines
Jagdhorns, ſteigend und fallend.
Beim Näherkommen nahmen ſie
einen mißtönenden, quikenden Klang
an, dann lauteten ſie wieder wie
das Brüllen eines gewaltigen Raub⸗
tieres.
504. Birginiahirſch. Die am
weiteſten verbreitete Hirſchart iſt
der virginiſche Hirſch, an
Größe und Form dem Damhirſch
gleichend, nur zierlicher und ge—
wandter und in Farbe gleichmäßiger.
Er findet ſich überall in allen
Staaten, kann jedoch ohne Waſſer
nicht leben. Er wird zu Fuß und
zu Pferd gejagt, und teils vom
Sattel aus geſchoſſen, teils ſpringt
der Jäger ab. In dicht bewachſenen
Wäldern wird mit dem Hunde ges
jagt. Intereſſant ift die Feuer:
jagd, wozu zwei Säger erforderlich
find. Der eine trägt eine Feuer:
pfanne auf der Schulter, der ans
VI. 2. In fremden Jagdgebieten.
dere das Gewehr. Das Wild bleibt
überrafht von dem Scheine der
Flamme ftehen. Der Jäger fieht
nur die Augen des Wildes, welche
die Flamme widerjpiegeln. Die
Gefahr, anftatt des Hirfches ein
Herdentier, Schaf, Rind 2c. zu er⸗
legen, ift biebei natürlich groß.
505. Maultierhirſch. Der lang⸗
obhrige Blaktail oder Maul:
tierhirſch ijt ebenfalls ziemlich
verbreitet. In Südamerika findet
fih noch der Pampashirſch mit fei-
nem einförmigen Sechjergemeih und
feinem, namentlid) zur Brunftzeit,
unangenehm bemerkbaren Geruch,
der Ausdünftung des Neger? ver:
-gleihbar. In Brafilien, Peru und
Guyana trifft man häufig den
feinen Rotſchießhirſch, der nad)
Art unjerer Rehe nie in Rudeln,
fondern nur paarweije lebt.
506. Renn. Dad Renntier
Amerifad wandert im Frühjahr
nordwärts zum Eigmeer, im Herbft
mieder ſüdwärts. Zu dieſer Zeit,
der eiftzeit, ift e8 Gegenftand
der Jagd. Die Indianer im Nor:
den der Vereinigten Staaten be:
nüßen es, wie die Lappen, al?
Herdentier. Der gefährlichjte Feind
des Nenn ift neben dem Menjchen
der Wolf, der den Wanderungen
der Tiere folgt und ihre Herden
ftark brandfhagt. Der Amerilaner
nennt das Renn Karibu. Niedier
jagte in Neufundlgnd auf Karibu
bei Eintritt des Winters, als die
Kenn die Reife nah dem Süden
antraten. Um den Abſchuß einzu:
ſchränken, der zu dieſer Zeit ſehr
ftarf betrieben wird, bat die Staat3-
regierung außer der gefeßlichen
Schonzeit vom 15. Febr. bis 15. Juli
noch den Zeitraum vom 1.—20.
Dftober zur Hege beftimmt, fo daß
die zehn Tage vor dem 1. Dftbr.
und zehn Tage nah dem 20. Okt.
als beſte Jagdzeit gelten.
Die Renn ſchwimmen vorzüglich
Nero. 505—508.
und betradten einen Wafferlauf
oder See nicht als Hindernis.
Läftig empfindet der Jäger die
Heinen jchwarzen liegen, vor de-
nen man ſich faum zu fchüten ver:
mag, fie bedeuten dasſelbe wie die
Ameife in Indien und die Mos—
fito8 in Afrika.
507. Bergichaf. Auch das Did-
born, das Bergſchaf, iſt ein
Bewohner Nordamerikas. Im fo:
genannten „Schlechten Lande“, wo
die runzelige, harte Erde zerriſſene,
düſtere und doch maleriſche Formen
zeigt, wo die Hügel ſich mit ihren
kahlen, ansgezackten und zerklüfte⸗
ten Abhängen und mit ihren Spitzen
ſcharf wie Nadeln ſich erheben, wo
die Bergwände mit dürftigem
Pflanzenwuchs bedeckt ſind und in
ſchwarzen, roten und grauen Far⸗
benjtreifen leuchten, ift die Heimat
des Muffeld, das ebenfo fcheu, wie
im Innern Aſiens ſich ſelbſt durch
ſeine ſcharfen Sinne und ſeine
Standorte vor der Büchſe des
Jägers ſchützt.
Die weiße Bergziege findet
wegen ihres ſtark nach Moſchus
duftenden Wildbrets nur geringe
Aufmerkſamkeit beim Jäger. Doch
übt die Jagd auf ſie durch die
Großartigkeit der Landſchaft be—
ſonderen Reiz aus.
Die Gabelantilhope und der
Springbod kommt überall in
der weiten Prärie vor. Letzterer
ift der einzige hohlhörnige Wieder:
fäuer, der jährlich fein Gehörn ab-
wirft. Die Jagd wird hauptſächlich
zu Pferd ausgeübt, entweder vom
Sattel aus geſchofſen oder abge-
jprungen.
508. Raubtiere. Als König
der jagbaren Tiere bezeichnet Rooje-
velt den Grislybär, die Jäger
der Rocky Mountaind nennen ihn
„Old Ephraim”, andere „Mocaſſin
oe”, eine Anfpielung auf feine
feltfame halbmenſchliche Fährte.
Er ift ein gefürchteter Gegner, der
feinen Mann ftellt und angejchweißt
ſehr gefährlich wird,
09. Ein Raubtier, dad dem
Jäger auf feinen einfamen Pirſch⸗
gängen nur felten zu Geficht fommt,
ift der Kuguar, der im Dften als
Panther, im Weften ald Berglömwe,
im Südweſten ald megilanijcher
Löwe, auf dem füdlichen Feſtlande
als Buma befannt ift. Es iſt faft
unmöglid, da er nur nadt3 feine
Sclupfwintel verläßt, ihn ohne
Hunde oder Luder zu jagen.
Das Gewicht eines augsgewad-
jenen Kuguar variiert zwiichen 80
und 200 Pfund. Das Geheimnis-
vole und Romantifhe, welches
die Sagd auf diefe Großraubtiere
mit fi) bringt, webt um den
Grisly wie um den Kuguar einen
Kranz von Sagen und Legenden,
die der Phantafie des einjamen
Jägers entjprungen am fladernden
Lagerfeuer ihre reizvolle Geftalt
erhalten, wenn die Stille der
Naht nur von den Stimmen der
Wildnis unterbrodhen wird.
510. Die Boblate ift der ame-
rikaniſche Luchs, fie wird wie der
Wolf und der Kuguar den Vieh—⸗
herden fehr gefährlih. Shr Ge:
wicht fteht zmifchen 20 und 40 Pfd.
Präfident Roofevelt hette fie im
Winter, wenn der weiße Leithund
die Kate feitgemadht Hatte, zu
Pferd mit der Meute, die vorzüg-
ih eingejagt, jede andere Wild:
fährte außer acht läßt. Diefe Meute
ift eigentlich eine bunte, zufammen=
gewürfelte (Sejellfhaft von Kreu—
aungsproduften aller Art, aller
Formen und Farben. Man unter:
ſcheidet Finder, die volllommen
wildrein fein müſſen, mit hervor:
ragender Naſe, auf deren Geläute
die Starken Packrüden, die hinter
den Reitern hertraben, mit grimmer
Wut einſtimmen, um die Hate auf:
zunehmen.
3. v. Sicharf.
Mit diefen Hunden wird aud
der Kuguar gejagt und der Grisly.
Die Hunde beten da3 Wild zu
Stande bezw. bringen ed zum
Aufbäumen. Die Yäger, die auf
flüdtigem Jagdroß der Hape fol-
gen, Springen ab und erlegen das
Tier mit dem Sagdfarabiner.
511. Zur Hate auf Wölfe ver-
wendet man Windhunde und rauh⸗
haarige Hirkhhunde.. Bon den
Wölfen unterfcheitet man die
Waldwölfe, mächtige. Gefellen, die
aber nur felten auftreten und große
Wanderer Kind, fie haben fi mit
den Büffeln verzogen, und die
Coyoten, die Heinen Präriewölfe,
mit einem Durchſchnittsgewicht von
30 Pfd. Diefe kommen überall
im Weſten in dünnbefiedelten Ge:
genden mehr oder weniger zahlreich
vor, verurfahen großen Echaden
unter den Viehherden.
512. Wildgeflügel. Ein echt
indianifcher Vogel ift der milde
Truthbahn,der Turfey. Seine
Jagd ift nicht fo einfach, ald man
ſich vorftellen follte, wenn man den
großen Vogel nur als Hofhuhn,
mit dem er abjolute Aehnlichkeit
hat, kennt. Der Turkey ift jehr
jheu und heimlich, Tann nur mit
dem Hund gejagt werden, läuft
vor diefem aber ungemein ſchnell
durch die dickſten Sträuder, um
dann plößlich, weit vor dem Yäger,
aufzuftehen. Shn an feinen Schlaf-
bäumen anzupirfhen, wäre wohl
das einfachſte, wenn in den Ber-
einigten Staaten N.⸗A. die Jagd
von Sonnenunter» bi8 Sonnenauf=
gang nicht gejeglich verboten wäre.
Der Turkey ftreiht am Morgen
von feinen Schlafplägen zur Aeſung
in die beerenreihen Hänge oder
Täler herab, die der Jäger genau
fennen muß. Man ſucht fie nun
mit einem Teil der Säger in diefen
Hängen mit Hilfe des Spaniels
oder eines Borftehhundes auf. Die
VI. 2. In fremden Jagdgebirken.
Kette hat die Gewohnheit, fh fo: | gattung nit zum Verkauf, aud
fort Beim Niederlaſſen meit zu
verteilen, und fo dauert die Jagd
ziemlih lange. Der andere Teil
begibt fih in die Nähe der Schlaf-
bäume und ftellt ſich dort gededt
auf. Sie ftreihen dann, wenn jie
aufgegangen werden, meijt wieder
zurüd und werden dann mit der
fleinfalibrigen Büchſe vom Baume
geſchoſſen. Das Wildbret ift delikat.
An weiterem Wildgeflügel ſind
noch die Grouſe und die Prairie⸗
hühner bemerkenswert. Die Wald⸗
hühner in den Rocky Mountains
ſcheuen den Jäger abſolut nicht
und werden, wenn man dur
Schießen das Revier nicht beun-
ruhigen will, mit Steinmurf ers
beutet ev. mit dem Flobert.
Die fultivierten Gelände des
Nordweitend meifen eine Menge
Seen, Flüfje und Mariche auf, die
einem zahlreihen Waſſerwilde als
Brutftätte und Aufenthalt dienen
und zur Sagdzeit ein Heer von
Sägern an ihre Geftade ziehen.
Der Jagdſchein (1 Dollar) geftattet
jedem zu jagen, wenn die Schußzeit
beginnt.
Es gibt eine Menge Enten,
Rallen,Strandläufer, Wafjerhühner,
in den Wiefengründen Belaffinen.
Wer einen guten Hund fein eigen
nennt, Tann gute Jagd machen.
Auch die Waldfchnepfe „Woodcoof“
fommt gelegentlih in den Bor:
hölzern zur Strede.
513. Jagdverhältniſſe. Die
Sagdverhältniffe der Vereinigten
Staaten Nord:Amerifad® können
durchaus geregelt genannt werden
dan? den unermüdliden Beſtre⸗
bungen Roofevelt3. Die Strafen
gegen die Berfehlungen find enorm
hoch und äußerjt empfindlich.
Iſt das Wild in einer Gegend
ſtark dezimiert, wird fofort eine
Schonzeit auf fünf Jahre angeſetzt,
während welcher Zeit diefe Wild
nit von auswärts, ausgeboten
werben darf bei hohen Gelpftrafen.
Die Schonzeiten ftimmen in den
einzelnen Staaten ziemlich überein.
Sn jedem Staat hat der betreffende
Bürger gegen ein mäßiges Entgelt
dag gejegliche Recht eine bejtimmte
Anzahl einer Wildgattung zu er:
legen und zwar nur von Sonnen:
aufgang bis Niedergang.
Die Gebühr in einem anderen
Staate zu jagen beträgt dagegen
10 Dollar (40 Mark). Ein Unter:
ſchied zwifchen Bürgern oder Frem⸗
den wird hiebei nicht gemacht.
Zum Schluß möchte ich noch die
Beitrebungen der „American Bifon
Society” erwähnen, die vor drei
Sahren fich Tonftituierte, eine Ver⸗
einigung, deren Ziel die dauernde
Erhaltung und Bermehrung des
Biſons ift. Sie erftredt fich nicht
nur auf dieBereinigten Staaten, ſon⸗
dern auch auf Kanada, welches die
einzige wirklich wildeBifonherde von
einiger Bedeutung noch befitt. Als
alleinige Mittel wurde die Bil-
dung von Bifonherden in räumlich
möglichft weit voneinander entfern⸗
ten Gegenden fejtgeftelt. Zunächft
wurde ein großes Terrain in der
Rejervation der Flathead Indianer
in Ausficht genommen, welches ein-
gefriedigt werden fol. Außer einer
Anzahl von Biſons follen aud)
Wapitis, Langohrhirihde, Weiß:
ſchwanzhirſche, Gabelantilopen, Dick⸗
hornſchafe, Schneeziegen, Wald⸗
hühner zc. in dieſem Park Unter:
kunft finden.
Vor ſieben Jahren hat man bereits
in Oklahoma in den Wichitabergen
aus einem Gebiet von 60 800 Acres
eine Wildrefervation gebildet, die
ſich ſehr günftig geftaltete. Dort
wurde im Borjahre eine Bifonherde
von 15 Stüd eingefegt. Dian hofft
in Sägerfreifen, daß auch der Kon-
greß der Vereinigten Stuaten auf
Ne. 513.
gegebene Anregung hin noch wei-
tere Nationalbijonherden einrichten
Sn den amerikaniſchen
werde.
Parks befinden fich zurzeit 1116
Bilons, in Kanada 476, die in
3. v. Sichart.
Freiheit lebenden Biſons beziffern
ſich ungefähr auf 25 in den Ber:
einigten Staaten, auf 300 in Ka⸗
nada, jo daß ca. 2000 reinblütige
Biſons zurzeit noch beftehen.
Weidmannsfprache.
Abäfen — wenn Wild Grad abbeißt.
Abfangen — ein angefchoflenes Wild
mit dem Jagdmeſſer totftechen.
Abfedern — einen angeſchoſſenen Vogel
mit einer Feder am Hinterkopf töten.
Abniden — Haarwild durd einen Stich
mit dem Jagdmeſſer ins Genid töten,
Haſe wird mit der flachen Hand durch
einen Schlag hinter die Löffel getötet.
Abkommen — gut oder ſchlecht, ift der
Moment beim Syuß, wenn Pifter und
Wild ſich gut oder fchlecht beden.
Abnorm — von der gewöhnliden Form
abweichend.
Abreiten — vom Auerhahn, wenn er
wegfliegt.
Abftreifen — Raubtier und Hafen den
Balg abziehen.
Abmwerfen — Gemweih verlieren.
Alttier-- weibl. Tier vom Edels, Dam⸗,
Elenhirih, das ſchon Kälber gebradt
hat
Anbrüdig — Wilbbret, das anfängt,
in Fäulnis überzugebhen.
Ankirren — Wild burd Futter an einen
beftimmten Pla gewöhnen.
Anlaufen — das Wild läuft dem Schügen
bei Treibjagd an.
Anludern — Füchſe durd Luder (faules
Fleifch) anloden.
Anſchuß — fomohl Ort, wo ber Schuß
auf das Wild gefallen ift, wie Die Stelle,
wo dasſelbe getroffen wurde.
Anftand — der Pla oder Stand, mo
der Jäger das Wild ermartet.
Aufbreden — dem Großmild die Därme
(Geſcheide) und die edlen Eingeweide
(Gerräufch) nehmen.
Aufbrud — da3 audgenommene Ges
fheide und Gerräufch. ;
Aufhütte — Krähen-, Aufs, Uhuhütte.
Aufſchärfen — Haut mit dem Meffer
durchſchneiden.
Ausriß — Eingriff mit den Schalen,
wenn Hirſch oder Steh nach dem Schuß
flüchtig geworden ift.
Ausſchuß — Einſchuß — Stelle im
Wildkörper, wo Geſchoß ein- oder aus⸗
gedrungen iſt.
Ausweiden — dem Haarwild das Ein-
geweide nehmen.
Ausmwirten — Rotwild, Reh, Sauen die
Haut abziehen. ’ i
Bahe — weiblies Wildſchwein.
Balz — Begattungdzeit und -art bes
Auers, Birk-⸗, Hafelmildes, Fafanen,
Trappen, Schnepfen.
Baft — ber baarige Hautüberzug der neu
aufgejegten Geweihe und Gehörne.
Behang — Uhren des Jagdhundes.
Beſchlag — Begattungdart beim Not-,
Rehwild.
Beſtätigen — ben Ort feſtſtellen, in dem
Wild ftedt.
Bett — Platz, wo Hirſch, Reh geruht hat.
Blatt — Suulterblatt.
Blatten — mit Baumblatt oder Inſtru⸗
ment Lokton ded Reh's nachahmen.
Blattſchuß — Schuß auf oder hinter das
Schulterblatt.
Blendling — Baſtard zwiſchen Hund und
s.
Wolf oder Fuch
Blume — Schmänzlein des Hafen.
Branten — Fliße de Raubbäarwildes.
Brechen — Wühlen des Wildſchweins.
Bruch — ein Aeſtchen zur Bezeichnung des
Anſchuſſes in den Voden geſieckt, auch
Ehrenſchmuck für den Hut nad Eriegung
eines größeren Wildes.
Brunft — Begattungseit und -art des
Edel, Dam⸗, Gems⸗, Rehwildes.
Büchſenlicht — die Dämmerung, bie
noch das Schtefen geftattet.
Bufdieren — Gebüſche mit dem Hund
abjuchen.
Dede — Haut bes Not:, Reh⸗, Gems-
ildes
w
Dohnenſtieg — Stelle zum Fangen von
Vögeln mit Echlingen.
Dreiläufer — junge Hafen von 3 Mos
naten.
Einkreiſen — bei Neuſchnee Wild aus⸗
machen, wo es ſteht.
Enden — Zacken am Geweih oder Gehörn.
Eisſproſſe-Augſproſſe — zweiter
bezw. unterſter Zacken am Geweih.
Fäh — weiblicher Fuchs.
ährte — Abdruck bezw. Spur des Wildes.
men — an Krankheit eingegangenes
Fegen — wenn der Hirſch ober Rehbock
ben Baſt vom neuen Gehörn abſcheuert.
Feiſt — Fett.
Feiſtzeit — Zeit bes beften Körper:
zuſtandes des Wildes.
Fiepen — feiner Brunftton des Rehs.
— — — —
= — ... 0
— — — — — — —
VI. 2. In fremden Jagdgebiefen.
Friſchen — wenn das Wildſchwein Junge
befommt.
Friſchlinge — die jungen Wildfchweine
im eriten Jahr.
Gebräche — der Rüffel des Wildſchweins.
Belt — Unfrudtbarteit bes weiblichen
Wildes.
Gewölle — ver Auswurf an Federn und
Haaren, den bie Raubvögel ausipeien.
® rind — der Kopf von Hirfh und Reh.
Jagdfolge — das Recht, ein angeſchoſſenes
Wild über die Jagdgrenze verfolgen.
Kahlwild — weibliches Edelwild und
Kälder.
Kanzel — ein künſtlicher Sitz auf einem
Baum.
Keſſel — das vertiefte Lager des Wild⸗
ſchweins. — Der Wind keſſelt, wenn er
bald von da, bald von dort kommt.
Kette — ein Flug zuſammengehörender
Hühnervögel.
Klagen — das ängſtliche Schreien des
Wildes.
Kopftier oder Leittier — das Alttier,
das an der Spitze des Rudels zieht und
die Führung übernommen hat.
Korallen — Stachelhalsband des Hundes.
Krellen — Streiffchuß am Dornfortſatz
der Hals- und Rückenwirbel.
Kümmerer — Wild, das infolge von
Schußverletzung oder aAranthei kränkelt.
KQurzwildbret — Hoden.
Zauf — Beine des Wildes.
Lauſcher — Uhren des Haarraubzeug3.
Lecker — Zunge von Hirſch und Reh, Sams.
Lichter, Seher — Aupen.
zZöffel — Uhren der Hafen.
z2ofung — Exkremente des Hundes und
alled Haarwildes, Federwilds: — fi
löfen — Zeitwort hiervon.
Zunte — Schwanz bes Yuchfes.
Zufjen — borden.
Zufer — zum des Rots, Dam⸗, Gems⸗,
Rehwild
Manlbaum — Bäume, an benen Hirſch
und Sau nad der Suhle fidy reibt.
Maufjer — Wildenten 5. 3. des Yeber-
—
elden — Brunftruf von Hirſch, Balz⸗
laut des Auerhahns. f —
Näſſen — Urin laffen.
Neue — frifder Schnee.
Drgeln — Schreien des Hirſches in der
Brunftzeit.
Nro. 513.
Panfen — Wagen bed wieberfäuenden
Haarwildes.
Pinfel — Haarbüfchel am UNE
Dan von Hirſch, Sams, Re
Plägen — Laub und Mood mit den
Läufen wegiharren (Rots, Rehwild).
Saffe — Lager bed Hajen.
Sat — die Jungen der Hafen.
Schalen — Klauen bed Rot- 2c. Rehwilds.
Schar, auh Schere und Sichel genannt
— Trumme Feder des Birkhahns.
Schloß — Bedentnodenhöhlung, durd die
der Maftdarm gebt.
Schmälen — Angftruf und Schredruf be3
Rot, Rehwilds.
Schnüren — Füährten des Raubzeugs, die
in Xinie laufen (Fuchs).
Shöpfen — Trinten.
Schweiß — Blut des Wildes.
Standarte — Fuchsſchwanz.
Ständer — die Füße Des Federwildes.
Stich — die Vertiefung auf der Bruſt des
Laufwildes, Schuß auf den Stich.
Streifen dem Haarwild der Niederjagd,
dem Raubzeug den Balg abziehen.
as — ſchlammige Pfüte, fi darin
uhlen
Saljlede, Sulze — Mifhung von Salz
und Lehm, aud Ant3, als Lede für Rot⸗
und Rehwild, Tauben.
Tot verbellen — das verenbete Wild
verbellen.
Treten — das Begatten bes Federwildes.
Verbrechen — den Anſchuß, Schweiß,
Fährte mit Aeftchen befteden.
Verenden, eingeben — fterben.
Vergrämen — ſcheu maden.
Verhoffen — plötzlich ftillftehen u. ſichern.
Verklüften — Dachs und Fuchs im Bau
vergraben.
Verlappen — einen Beſtand mit Tuch
oder Federlappen umſtellen.
Weidloch — After des Wildes.
Weidwund — Schuß durch den Panſen
oder das Geſcheide.
Weiß — Fett.
Werfen oder wölfen — wenn die Hündin
gebärt.
Windfang — Naſe des Rot: 2c. Rehwilds.
W a. m nn Suden nad Würmer,
Beinen — Belondere Zeichen des Wildes
nad dem Schuß.
Zerwirten — Wild in feine Teile zerlegen.
SEELE ES
VI Der Angelſport.')
Von |
Dr. Karl Deintz, München.
514. Die Entwidlung des
Angelſports. Fifcherei und Jagd
find als die älteften Betätigungen
des Sported zu betradhten. Das
engliide Wort „Sport“ wurde ur⸗
jprüngli nur gebraudt, um mit
einem Sammelbegriff das zu be⸗
zeichnen, was unſere Altvordern
Weidwerk und Wafjerweid zunennen
pflegten. Erſt im vorigen Jahr⸗
hundert begann man in England
auch die übrigen Vergnügungen,
welche den Zweck hatten, den Körper
zu jtählen und der Verweichlichung
entgegenzuarbeiten „Sport“ zu
nennen.
Dem mahren Sportdmann im
urſprünglich englifchen Sinne ftedt
noch ein Erbteil feiner Ahnen im
Blute, die mit Pfeil und Bogen,
Speer und Angelhafen ausgerüftet,
genötigt waren, fi unter Entbeh-
rungen, Widrigfeiten und Gefahren
ihren Lebensunterhalt in Gejtalt
von Tieren der Wildnis anzueignen.
Se mutiger, geſchickter und ge:-
wandter der einzelne war, dejto
höher ftand er in der Achtung
feiner Sippe und je mehr fich diefe
Eigenfchaften auf den ganzen Volks⸗
ſtamm erftredten, deſto mehr trugen
fie zur Entmwidlung der Kultur bei.
Aus alter Weberlieferung ift da=
her der Fiſcher und der Jäger in
erjter Linie berufen, dieſe Tugen-
den weiter auszubilden, indem er,
ftatt nach angeftrengter Geiftes-
arbeit fih auf die faule Haut zu
legen und jedes Tüftchen zu meiden,
feine Körperfraft, dabei aber auch
feine Geiftesgegenwart, Schlagfer-
tigfeit und individuelle Selbftändig-
feit jtählt und erhöht und Feine
Witterung ſcheut, um fih in der
freien Natur zu erholen, dankbar
für die Beute, ob groß ob Klein,
die ihm nebenbei noch zufällt und
die er befriedigt abends mit nad
Haufe bringt.
Der wahre Sportömann, ſpeziell
auch der Fiſcher, muß verjtehen
Maß zu halten. Er darf nicht
jeden Fiſch töten, der ihm an feine
Angel beißt, fondern er muß hegen
und jchonen, fein Ehrgeiz darf ich
nur darauf erjtreden, feine Geſchick⸗
lichkeit zu betätigen. Nur dann tft
bei ihm das ethiſche Moment, die
Weiterentwicklung einer gefunden
Mannhaftigfeit gegeben.
Während ſich die Sagdpflege bei
ung in wahrem, weidmännifchen
Geifte ftet3 weiter entwidelt Hat,
war das leider bei der Filcherei
lange nit in gleihdem Maße der
Fall; fie wurde faft ausſchließlich
ein Monopol des Berufsfilchers
und indem fie von diejem aus:
ſchließlich als Erwerbsquelle ange-
ſehen wurde, mußte fie den ſport⸗
lichen Geiſt verlieren.
Ganz anders in England, wo ſie
*) Mit 6 Tafeln am Schluß dieſes Kapitels,
VII. Angelflporf.
an Wertſchätzung nie hinter der
Jagd zurüdblieb. Davon gibt Zeug-
nis ein vortrefflich gejchriebenes
und Sportlich ſchon auf großer Höhe
ſtehendes Buch über die Angelkunft,
deſſen Verfaſſer, IJaak Walton,
geb. 1593, von den Sportanglern
heute noch als ihr Apoftel hoch
verehrt wird. Seitdem find in
England eine Unmenge vorzüglicher
Bücher über diefen, man kann wohl
jagen „Lieblingsjport” der Eng:
länder gejchrieben worden und ent⸗
fpredend groß ift die Zahl von
Waltons Züngern.
Aber auch wer in England nicht
ſpeziell Fiſcher ift, zeigt doch Inter⸗
eſſe und mehr oder minder Ver⸗
ſtändnis für die Fiſcherei und die
Fiſche ſelbſt.
Erſt ſeit verhältnismäßig kurzer
Zeit hat ſich auf dem Kontinent
das Verſtändnis für den Angel-
fport herausgebildet und haben
auch erfreulicherweife die Regie-
rungen der einzelnen Staaten, be=
fonders im Süden Deutfchlandg, den
hoben Wert der Filcherei in offenen
Gewäſſern erfannt und durch ver-
nünftige Fijchereigefege zu ſchützen
geſucht. Leider herrſcht dagegen
in einigen Regierungsbezirten Nord-
deutfchlands, 3. B. in Pommern,
noch eine unbegreifliche Rüdftändig-
feit. Dan follte e8 nicht für mög⸗
lich halten, daß dort die humane
Spinnangelei mit totem Köder bei
Strafe verboten, die Stopfelfifcherei
mit lebendem Köder aber erlaubt ift.
Ebenfo unglaublid ijt das noch
in vielen Bezirken troß aller Pro⸗
tefte aufrecht erhaltene Verbot der
Sonntagsangelei. Wie fann man
den Taufenden von leidenfchaftlichen
Fiſchern, welche den einzigen zur
Erholung freien Tag für ihre Ge:
fundheit am Fiſchwaſſer ausnützen
mödten, jede Freude verderben !
Nun, das wird ja alles beſſer
werden. Der Norden kann doch
Nro. 514.
nit Hinter dem Süden zurüds
bleiben. Sa es ift alle Ausficht
vorhanden, daß der Nimbus, der
nod die Jagd umgibt, immer mehr
und mehr der Sportangelei wird
weichen müflen.
Es ift außer allem Zweifel, daß
der Säger von heutzutage durch die
von Jahr zu Yahr zunehmende
Präzifion der Gewehre, Gefchofle
und Bielfernrohre einen großen
Teil der Eigenfchaften gar nicht
mebr zu erwerben braucht, die noch
für feinen Großvater unumgänglich
notwendig waren, jo vor allem dag
forrefte Anpirfchen an dag Wild
bi8 auf Schußnähe und die mweid-
gerechte Nachſuche. Er ift heute in
der Regel ſeines Schuſſes ſchon
aus einer Entfernung ſicher, in der
das Wild noch ahnungslos äſt; die
Geſchoſſe ſelbſt ſind aber meiſt von
einer ſo abſolut tödlichen Wirkung,
daß eine Nachſuche verhältnismäßig
ſelten erforderlich iſt. Durch die
modernen Repetiergewehre und Ex⸗
panſionsgeſchoſſe haben ſelbſt die
großen Raubtiere der Tropen den
größten Teil ihres Schreckens ver⸗
loren.
Bei der Sportfifcherei ift es aber
gerade umgekehrt. Es ift hundert⸗
fältig erwieſen, daß die Fiſche
immer ſcheuer und vorſichtiger wer⸗
den. Mit der gleichen Sicherheit
läßt ſich feſtſtellen, daß man je
feinerer Angelgeräte man ſich be—
dient, defto eher einen großen und
ſchlauen Fiſch zu überliften vermag.
Sn gleidem Maße muß fih dann
auch der Kampf mit dem geangelten
Fiſch länger und aufregender ge:
ftalten. Die Palme wird daher
nur jenem Sportfilher gebifren,
der am meijten Geiftesgegenmwart,
Ruhe und Falte Blut bewahrt und
genau abzumägen veriteht, wann
ein großer Fiſch mit Gewalt und
wann mit Nachgiebigkeit behandelt
| werden muß.
32
Nro. 515517. Dr. R.
515. Die Augelmethoden unter-
ſcheidet man in folche, die von der
Zurichtung des Angelgeräte? am
Waſſer angefangen bi8 zum Yang
und der glüdlichen Landung des
Files vom Angler in Perſon aus⸗
geübt werden und in folde, bei
welchen der Fifcher feine Angeln
zwar ſelbſt zurichtet und auslegt,
aber dann, gewöhnlich über Nacht,
ihrem Schidjale überläßt. Die
für erftere gebräudlidden Geräte
nennt man Handangeln im
Gegenfag zu den Legangeln,
an welchen die Fiſche nach längerem
oder kürzerem Auglegen mühelos
gelandet werden.
Fiihgereht ift die Legangel
nur dann, wenn der Sportfifcher
mit ihr den Zweck verfolgt, Raub-
fifhe, wie Hechte, Dudppen (Aal:
rutten) ıc. in einem Salmoniden-
mafler auszurotten. Es gehört
weniger Gefhid dazu, wie zum
Erlegen von Raubwild mit Yallen
und ſteht die Legangel ungefähr
auf dem Niveau des Giftbrodens
mit dem der Jäger feine Füchſe
vergiftet. Sie ift daher fo wenig
jport3mäßig, daß ihrer in einer
Abhandlung über Sportfifcherei
am beiten gar feine Erwähnung
gejchieht.
516. Die Handangelei wird in
den meiften Fällen mittels einer
Angelrute, oder noch fürzer gejagt:
einer Gerte, an der die Schnur
nit angefnüpft, fondern unter
Zuhilfenahme einer Rolle beweglich
befejtigt ift, ausgeübt. Nur bei
zwei Methoden, der fogenannten
Scleppanaelei oder Darrfifcherei
und dem Heben und Senken ift fie
eine Handangelei in engerem Sinne,
weil die Schnur ohne Vermittlung
einer Gerte auch unmittelbar von
der Hand abgelafien werden Tann.
Ein „Muß“ ift jedoch nur bei der
Scäleppfiicherei in großen Tiefen
vorhanden, bei allen anderen Me:
Reinh.
thoden ift der Sport feiner, wenn
von der Gerte geangelt wird.
Die mittel einer Gerte ge
übten Methoden zerfallen nun wie⸗
der in folde, die mit fo leichtem
und feinem Angelzeug ausgeübt
werden, daß die Gerte beim Wurf
nur mit einer Hand dirigiert zu
werden braucht und in ſolche, bei
denen zwei Hände zum Halten er-
forderlih find. Man unterfcheidet
daher nach dem Bau auch ein⸗ und
zweihändige Gerten.
Zum Angeln mittel® Gerte be-
nötigt man, wenn man von den
primitivften Methoden abfteht, einer
Rolle mit einer entiprechend
langen und ftarfen Shnur, die
3. 3. für den Fang von Lachfen
120—160 m lang fein muß, ferner
einesZwiſchenſtückes zwiſchen Schnur
und Angel, eines ſogenannten Vor⸗
faches oder Zuges, welches
möglichſt unſichtbar ſein muß und
ſchließlich der Angel ſelbſt. Die
Angel beſteht entweder aus einem
einfachen Angelhaken oder aus einem
ganzen Syſtem von Angeln, die an
einem mit einer Schlinge verſehenen
Vorſchlag oder Angelvor-
fach befejtigt find.
517. Die Gerte. Das Material,
aus dem die Gerten aufgebaut wer:
den, ift unendlich verfchieden, Die
fertigen, in den Handel gebrachten,
von einer jo unglaubliden Biel-
feitigfeit, daß e3 dem Anfänger
ohne fachverftändigen Rat Ichlechter-
dings unmöglich ift, eine richtige
Auswahl zu treffen. Nun kommt
dazu, daß die meiften Gerten im
großen fabrifmäßig, und zwar haupts
fähli in Amerika hergeitellt wer:
den und daß man einer foldhen
Fabrikware unter dem dien Lad:
überzug nicht anjehen kann, ob das
in Verwendung gekommene Holz
richtig gelagert, ajtfrei und in der
dernatürlicden Faſerung entſprechen⸗
den Richtung geſpalten war.
VII. Angelfporf.
Man wird daher immer gut tun,
fih jeine Gerten bei einem Geräte-
- händler zu faufen, der jie jelbit
fabriziert und dafür garantiert, daß
fie feinen Fehler haben.
Die Gerte muß für den Zwed,
dem ſie dienen ſoll, möglichit leicht
fein, fie muß aber den nötigen
Grad von Dauerhaftigfeit, Zähig-
feit und Widerftandstraft — was
der Engländer „backbone“ (Rück—
grat) nennt, befien, um den Fiſch
richtig anzuhafen, von Verſtrickungen
abzuhalten und ficher dem Landungs⸗
plag zuzuführen.
Eine gut gebaute Gerte muß den
Schwerpunkt möglichjt weit unten
am Griff haben, fie muß gleich:
mäßig elaftiich jchwingen und ſich
in einer ebenjo gleichmäßig elafti-
jhen Kurve nad unten abbiegen,
wenn man an der Spibe einen Zug
anbringt, aber auch fofort wieder
ganz gerade jtrecfen, wenn man das
Gewicht ausfchaltet. Am gebräuch—
lichiten find die dreiteiligen Gerten,
bei denen man Handteil, Mittel:
ftüd und Spite unterfcheidet.
Die Verbindung der Teile gejchieht
durch Hülfen und Zapfen, die mög-
lichjt genau gearbeitet fein müjjen.
Die Ringe, durd
welhe die Schnur ge-
führt wird, ſollen feit-
ftehend jein und haben
am beiten eine gejchlän-
gelte Form. Dieſe og.
Shlangenringe
find, damit fie fich nicht
verbiegen, aus hartem
Stahl gefertigt (Fig.
228).
Der Kopfring an
der Spite ift dagegen rund und
befteht bei den feineren und koſt—
jpieligeren Gerten aus einem Stahl:
ring, in welden ein zweiter Ring
aus Achat oder Porzellan oder auch
wieder aus Stahl N gefaßt
ist (Fig. 229).
228.
Schlangen:
ring.
Niro. 517,
An den befjeren Spinngerten
wird als einziger Ring am Hand—
teil zunächſt der Hülfe ein ——
nannter Schutzring (ſ. Taf. I
d und d‘) angebracht, der den
Zweck hat, den Winkel, in welchem
die Schnur von der Rolle zu den
Ringen läuft, mög⸗
lichſt Stumpf zu
maden, jomit die
Reibung und Ab—
nutzung der Schnur
einzufchränten, das
Ablaufen der Rolle
und den mühelofen,
weiten Wurf zu
erleichtern und zu
verhüten, daß ſich
die Schnur, mag
jonft jehr leicht
pajftert, um den
eriten Ring beim
Werfen vermidelt.
AmHandteil find
Schließlich noch zwei
Ringe angebracht,
von denen der eine beweglich, der
andere fejt ift, jie dienen zur Be-
fejtigung der Rolle.
An den mit einer Hand zu füh:
renden, leichten Fluggerten wird
die Rolle zu unterjt, hinter dem
Handgriff, an den übrigen Gerten
zweckmäßiger oberhalb desſelben,
alſo über der Hand angebracht.
Beim Wurf von der Rolle iſt dies
ſogar unerläßlich.
Während am Griff der einhän—
digen Fluggerten zur Bequemlich—
keit ein lanzenförmiger Spieß (Taf.
J, b) eingeſchraubt wird, welcher
den Zweck hat, die Gerte beim
Nichtgebraud aufrecht in die Erde
zu fteden, jollen alle Gerten, die
in die Seite geftemmt werden, mit
einem Holz- oder befjer noch mit
einem Gummilnopfe (Taf. I bei B
und C) verjehen fein.
Zur Fabrifation der Gerten
dienen jpeziell folgende Holzarten;
229. Kopfring.
Neo. 518. Dr. R. Beinf.
Greenheart, Hickory, möglich, die Schnur nad) Bedürfnis
Eihenholz zu Handteilen, die |zu verlängern und zu verfürzen,
beiden eriten, bejonders aber Green:
heart auch zu ganzen Gerten, am
häufigiten aber der ojtindijche
Bambus und das Tonkfinrohr,
während andere Holzarten, wie das
Lancewood, das Eijenholz u. a.
ziemlich aus der Mode gefommen
find.
Aus Bambus und Tonkin—
rohr werden die einfachiten und
billigiten, dabei leichten und halt—
baren Gerten aus einem Gtüd
bergejtellt, auch werden leichte und
recht brauchbare dreiteilige Spinn=
gerten daraus gefertigt, oft findet
das Nohr auch als Handteil allein
Verwendung. Ganz befonders aber
dient Bambus und Tonfinrohr zur
Fabrikation der jett jo weitver—
breiteten und beliebten gejpliß-
ten Gerten. Ihre Stärfe be:
ruht auf der fiejelharten, zähen
und dennoch elaſtiſchen Ninde,
welche fajt allein hiezu verwendet
wird. Mit eigens zu diefem Zweck
fonjtruierten Majchinen werden ſechs
Spliken in dreiediger Form her:
ausgejchnitten und an den Schnitt-
flähen zujammengeleimt, jo daß
die einzelnen Gertenbejtandteile
jehsfantig werden.
Für den Anfänger direkt zu
mwiderraten find die jogenannten
Univerfalgerten, die allen möglichen
Sweden dienen follen.
Die Stahlgerten, welde in
Amerika viel im Gebrauch jind,
pajjen nicht für unſere Berhältniffe.
Sie haben alle einen großen Fehler:
den der übergroßen Glaftizität.
Das forgfältige Trodnen
der Gerten nach dem Gebraud,
unter Serausnahme des Schuß:
zapfens, darf nie verfäumt werden.
518. Die Rolle ift außer Gerte
und Schnur in der Ausrüftung
des Sportfilchers der wichtigste Be-
ftandteil. Nur duch fie ift es
weite Würfe zu machen und den
gehakten Fiſch zu drillen.
Es gibt für unjere Verhältniſſe
nur zwei Syſteme, die Beachtung
verdienen: DieeinfaheChef:
rolle mit Trieb ander Platte
(Fig. 230) aus Meffing oder Bronze
230. Einfache Chef: 2351. Rolle im fog.
rolle, Nottinghamitil.
für die Flugangel, und die Rolle
im fog. Nottinghamftil (Fig.
231) in billiger Qualität aus Holz,
in feinerer Ausführung aus Ebonit
oder Phosphorbronze, für Die
Spinn- oder Grundangel.
Ale Multiplifatorrollen, welche
ein rafcheres Aufwinden der Schnur
ermöglichen, find außer für Die
Angelei auf große Meerfiiche,, wie
fie an den amerifanifhen Küften
getrieben wird, überflüjlig, ja ge:
radezu nachteilig, ebenjo alle die
Rollen im amerikanischen Stil, die
fih audh in England nit haben
einbürgern können, mit einer Kur:
bel und Gegengewicht, weil fi
die Schnüre um dieje verjchlingen.
Alle anderen Syiteme, die auf
anderen Brinzipien aufgebaut find,
wie die oft angepriejene Mallochs
MWenderolle 2c. halten feinen Ber:
gleich aus mit dem Nottingham:
ſyſtem.
Nie laſſe man ſich ferner be—
ſchwatzen, eine zu kleine Rolle oder
eine teure Aluminium= oder fog.
Coxonrolle zu Faufen, weil fie
un ME z 24.
wre
VII. Angelfport.
leichter feien wie die anderen. Ab-
gejehen davon, daß fie viel zer:
brechlicher und diffiziler find, haben
die allzu leichten Rollen zwei große
Nachteile, und zwar den, daß man
nicht fchnell genug aufmwinden Tann,
und den meiteren, daß fie nicht
dazu beitragen, dad Schwergewicht
an der Gerte hinter die Hand zu
verlegen. Se meiter unten der
Schmerpunft liegt, deſto leichter
gelingt der Wurf, deſto geringer
die Ermüdung, folglich fördert eine
zu leichte Rolle eher dieje lettere,
ftatt fie zu verhüten.
Man benüte daher für die Flug—
angel nie Rollen unter 6 cm, am
beiten aber mit 7—8 cm Durchmeſſer
und zwar mit Chef, d. h. einer
gewöhnlich durch eine Feder und
Zahnrad bewirkte Hemmoorrich—
tung. Die Feder muß gerade fo
ftarf fein, daß man einen Fild
durch einen Rud, ohne die Schnur
zu halten und ohne die liege ab:
zufchnellen, anbauen kann. Am
beiten find die Rollen mit ftillem
oder lautlofem Chef, bejonders die
von Slater in Newark (England).
Für die übrigen Angelmethoden
eignen fih die Nottinghamrollen
zweifello8 am beften. Für die
GSrundfifcherei, wie für die leichte
Spinngerte wähle man Rollen mit
8 cm, für die ſchwere folche von
10 cm Burdmejfer.
Sede Spinnrolle muß eine Chef-
vorrichtung haben, die fich durch
Fingerdrud raſch ein- und aus:
Schalten läßt, alle übrigen Zutaten
find überflüjfig.
Da eine Rolle, je voller fie ift,
deſto fchneller aufgewunden werden
fann, ift es wichtig, jo viel Re-
jervejchnur unter die Gebrauchs⸗
fhnur zu nehmen, als nötig ift,
um die Rolle faſt vollftändig zu
füllen. Die Reſerveſchnur fann
älter und von geringerer Qualität
fein, al8 die Gebrauchsſchnur.
Niro. 51 9.
Für die Flugangel genügen 20 m,
für die leichte Spinnangel 30 m;
für die Huchenangel 40 m und für
die Lachsgerte 60 m Gebraud3-
ſchnur.
519. Die Angelſchnur ſoll mög⸗
lichſte Haltbarkeit mit möglichſter
Feinheit verbinden und zwar im
richtigen Verhältnis zur Gerte und
—* Angelmethode, zu der ſie dienen
oll.
Das Material, welches die meiſten
Vorzüge bat, iſt unbeſtritten die
Seide. Hanfſchnüre find nur an—
gezeigt für die gemöhnliche Grund-
und Scleppangel.
Die Schnüre müſſen immer ge—
flochten fein, da gedrehte Schnüre
fich ſtets zu verwideln pflegen.
Bon der allergrößten Wichtig:
feit, aber doch leider viel zu wenig
beachtet, ift folgende Lehre:
Für ale Angelmethoden, bei
denen die Schnur mit der Hand
von der Rolle gezogen wird, alfo
bauptjächlich bei der Flugfiſcherei
und auch bei der Grund: und
Spinnfiiherei nad altem, befier
gejagt: veraltetem Stil, müflen
die Schnüre präpariert und fteif
jein, während fie bei allen Metho-
den, bei denen die Schnur un:
mittelbar von der Rolle geworfen
wird, aus reiner, weicher, unprä—
parierter, möglichjt dünner Seide
beftehen müjjen.
Fig. 232 ftellt unftreitig die befte
präparierte Schnur amerifanifchen
Ursprung? dar, welche ſich bejon=
der für die "Flugangel hundert:
fältig bewährt hat.
Was die Schnüre an den Spinn-
gerten am meiften erhält, das ift
die richtige Beichaffenheit der Ringe
an den Gerten, der bewegliche Leit:
und Kopfring aus hartem Mate:
rial und das Werfen, Einziehen
der Schnur und Drillen des Fi—
ſches mil der nach oben geſtell—
ten Role. Auch die Flugſchnüre
Neo, 520. Dr. R. Beinf.
umdrehen und gewinnt auf dieſe
Weiſe gleichjam eine neue, faft noch
intafte Angelleine. Borzügliche
Seidenjchnüre zum Wurf von Der
Rolle find die von Wieland in-
Münden und von Gamage in
London in den Handel gebrachten.
Eine der größten Unterlaffungs-
jünden für den Sportfifcher ift das
werden mehr gejchont, wenn man
nur den Wurf mit der abmärts
gefehrten Rolle macht, zum Auf:
rollen aber jtet3 die Gerte um-
dreht.
Die fteifen Schnüre für die Flug:
filherei find ohne Ausnahme ge-
u nn
er u — —
an rn ua -
252. Slugangeljchnur.
färbt, die weichen Schnüre für die
Spinnangel fommen meift in weißer
Farbe in den Handel. Es hat
Teinen Vorteil, te der ganzen Länge
nach zu färben, höchitens die un-
teriten 4—5 m. Man legt fie zu
diejem Zweck entweder einige Stun-
den in einen leichten Teeabſud,
wenn man in bräunlichen Moor:
gewäflern zu angeln vor hat, oder
in ftarf verdünnte Tinte, wenn man
ihnen eine grünliche oder bläuliche
Farbe geben will.
Nie joll man zu angeln beginnen,
ehe man ſich von der Haltbarkeit
der Schnur durch ſtarkes Ziehen
überzeugt hat. Man geize, wenn
die Schnur einmal länger im Ge—
brauh war, nicht mit ein paar
Metern, die man dann fo ziem=
lich jedesmal abreißen muß und
Ihaffe fich, dies vorausfehend, nur
Schnüre von einer folchen Länge an,
daß jie eine jpätere Kürzung gut
Verſäumnis, unmittelbar nad) jedem
Gebrauh die Angeljchnüre zum
Trodnen auszubreiten. Wer dag
nur einmal vergißt, wird es bitter
zu bereuen haben.
520. Der Angelhafen jol weder
jpröde noch weich jein. Man prüft
ihn am bejten, ehe man ihn in Ge—
brauch nimmt, indem man die Spiße
in einen Korf ſteckt
d und am Scentel
einen entjprechend
ftarfen Zug aus—
übt. Er darf dann
weder brechen noch
ſich abbiegen, jon=
dern muß federn.
Man nennt bei
dem Angelhafen
(Fig. 233) ab die
e Spite, be den Bo—
b gen,cd ven Schen-
fel, d den Kopf,
e den Widerhafen.
Der Hafen wäre
in bezug auf Fän—
gigfeit ideal, wenn die Linie ab
in ihrer Fortfegung die Linie cd
in d jchneiden würde, denn dann
würde beim Anhieb die Spige voll-
fommen jenfrecht in das Fiſchmaul
eindringen.
Ein Hafen von folder Konftruf-
tion wäre aber aus verjchiedenen
Gründen nicht zu gebrauchen; man
muß ſich aber gegenwärtig halten,
daß je mehr dieje beiden Linien
den Parallelen fih nähern oder
gar divergieren, die Spitze deſto
233. Angel:
hafen.
vertragen können. Auch kann man | jchwieriger eindringt. -
nad) längerer Benügung die Schnur |
Man wählt daher, wenn man mit
VII. RAngelfporf.
einzelnen Hafen fiſcht, von den zahl-
reihen im Handel vorkommenden
Hafenformen am
beiten folche, bei
denen der ſchäd⸗
lihe Winkel mög-
lichſt Hein ift. Fig.
234 jtellt einen
Angelbafen mit
mittelgroßem ſchäd⸗
lichem Winkel dar.
Bei Drillingen
kommt es viel we⸗
niger auf den ſchäd⸗
lichen Winkel an,
weil ein Haken
den anderen ſtützt,
wenn der Drilling
am Köder fo an-
liegt, daß er nicht
ausweichen Tann.
Die befanntejten
und am meijten ge-
braudten Haken⸗
fyfteme find aus Tafel II zu er-
fehen: Sig. 1 ftellt ven Limerickhaken,
Fig. 2 den Roundbend-, Fig. 3 den
Bennell: mit Ring, Fig. 4 den Sned-
bend⸗, Fig. 5 den Lipp- und Fig. 6
den Perfelthafen dar.
Zeider find nicht alle Hafen nad)
der gleihen Skala numeriert, die
gebräuchlichſte Skala ift die in
== — oa, 1. 2 oo. — ——— man
234. Schädlicher
intel.
Nro. 521.
nützt zur SHerftellung fünftlicher
Fliegen (Taf. VI, Fig. 11 u. 12)
und für die Schlud- und Froſch⸗
angel (Taf. IV, Sig. 21 u. 25).
Bon Drillingen find die ge-
bräuchlichſten Muſter auf Tafel II
zur Anfchauung gebradt, und zwar
Fig. 7 mit Limerid-, Fig. 8 mit
Snedbenphalen, Fig. 9 mit dem
leicht nach auswärts gebogenen,
extra ftarten Haken für große Raub-
fiſche. Fig. 10 ſtellt einen Drilling
dar, deſſen eine Spite pfeilfürmig
abgebogen ift und dazu dient, feit-
lich im Köder verſenkt zu werben.
Um den Halten den Metallglanz
zu nehmen und fie gleichzeitig vor
Rost zu ſchützen, werden fie häufig ge=
ſchwärzt oder bronziert. Geſchwärzt
werden fie meiſt für die Grund:
fifcherei und für fünftliche Fliegen,
während die bronzierten am häufig-
ften bei den verſchiedenen Spinn⸗
Iyftemen in Verwendung kommen.
521. Zug und Borfad) ftellen
die Verbindung zwiſchen Schnur
und Angel her. Dieſes Zwiſchen⸗
ſtück heißt bei der Flugfiſcherei
Zug oder Poilzug, da es ſtets
aus einer Anzahl von aneinander-
gefnüpften Poils oder Gutfäden
befteht, an welches die fünftlichen
Fliegen angefchlungen werden, und
IAKINKANNES
235. Skala der Pennellhafen.
Fig. 235 wiedergegebene mit den
für die Herftelung von Ringfliegen
beliebten Pennellangeln.
Doppelangeln find im ganzen
weniger in Gebraud) wie Drillinge,
am meiften werden fie noch be⸗
bei den übrigen Angelmethoden
Vorfach, zu welhem außer Poil
auch andere Materialien, wie Gimp⸗
Meifing und Stahldraht und in
der neueſten Zeit auch das Silkcaft,
Gut, Verwendung finden.
L« Dr. R. Beinf.
Poil, der Gutfaden, | mit eigens Eonftruierten Maſchinen
‚ut, Crin de Florence | hergeftelt und finden ihre Verwen⸗
18 der Subitanz gemonnen, | dung teils zu ftarfen Lachszügen,
elher Die Seidenraupe ihre | teil$ zu Vorfächern fir Die Spinn-
‚ fpinnt. Kein Stoff ver= | fifcherei.
in foldem Grade Feinheit,] Das Poil läßt fi wie die
rkeit, Unfichtlichleit und | Seidenfchnüre gut färben durch
tät wie das Poil. Se länger, | Einlegen in ſtark verbünnte Tinte
weicher, Duchfichtiger und | oder Teeabſud.
mäßiger abgerundet -e3 iſt, Zur Herftellung von Bor
mehr erhöht fi fein Wert. fächern wurde in früheren Zeiten
den Lachſsfang muß ed mög: | am häufigſten Gimp (Kern von
ftart, für den Fang der 0: | Seide mit Metallpraht überjponnen)
und Aeſche in Maren Ges | verwendet. Jetzt kommt es nur
sen möglichft fein fein. Das | noch mit Vorteil für gewifje Hecht:
lich fein gemadte „Aressed | angeln im Gebraud.
iſt nicht fo koftipielig wie ein) Nicht minder bat fi der Gal-
lich feines Poil, aber auch vanodraht (gevrehter feiner
iger dauerhaft. Meifingdraht), obwohl er viele
)a8 Poil läßt fh, wenn man | Borzüge vor dem Gimp aufmeilt, } ı,, nl
vorher längere Zeit angefeuchtet | ala Material für Vorfächer über |
‚ gut zufammendrehen und | lebt, nur zur Herftellung der Tief
pfen. In trockenem Zuſtande | fee-Schleppangeln ift er bis jeht
es Dagegen ſehr brüchig. noch unübertroffen.
Die Verbindung mehrerer Poils! Dagegen hat ſich der Stahldraht,
hieht mittels des einfachen | meldher vor einigen Sahren zuerit
er des noch haltbareren, ver⸗ von Hardy Broth8, drei bis
irkten Fiſcherknotens (Fig. zwölffach zuſammengedreht, unter
6u.237). Man legt beide Poils dem Namen „Punjabdraht“ einge:
| führt wurde, raſch eingebürgert
und die alten Vorfächer verdrängt.
Seitdem wurde auch noch der ein-
fache Stahloraht vielfah in An⸗
wendung gebradt.
Der Punjabdraht kommt meift
zu fertigen Vorfächern verarbeitet
und mit Wirbeln verjehen in den
neinanvder, bindet mit jedem einen | Handel, und zwar in Stärken von
infahen Knoten um das andere | 0,4—0,8 mm, entjprechend ben
Zoil, zieht die Schlinge feft zu verſchiedenen Fiſchgattungen, für
ind schneidet die vorftehenden | deren Yang er beftimmt ift (Taf. V,
Enden ab. Beim verftärkten Knoten | Fig. 5). So außerorventlich ftart
nat man mit den PBoilenden noch | und dauerhaft er ift, folange er
je einen einfachen Knopf, ehe man | nicht gefnict wird, fo haben dod
ſie abfehneidet, Man reiht jo Voil | die Borfäher eine gemilje Nei-
an Poil bis zur Länge von 1'/, | gung, durch den Gebrauch wellig
big 2'/, m, knüpft Die beiden zu werden und ihre ſchöne gerade
Enden zu je einer Schlinge und hat | Streckung einzubüßen. Obwohl der
jo den fertigen Poilzug. | Bunjabdraht weniger empfindlid
Gedrehte Poilzüge werben | ift wie der einfache Stahlbraht, fo
236 u. 237. Fiſcherknoten.
VII. Angellporf.
ziehe ih doch den lekteren aus
verfchiedenen Gründen vor: Die
Punjabvorfäher find verhältnis:
mäßig foftfpielig, mährend ver
Stahldraht fo viel wie nichts koſtet
und fich die Vorfächer jpielend zu
Haufe und felbft noh am Wafler
anfertigen laffen. Hat ein ſolches
Vorfach den geringften Defelt, jo
wirft man es einfach weg und holt
ein anderes hervor.
Ach benütze für die Spinnfifcherei
auf Forellen einen verzinkten
Stahldrahft aus der Yabrif von
Selten u. Guillaume in Mühlheim
a. Rh. von 0,3 mm Stärke (Taf. V,
Fig. 6), für die Hecht: und
Huchenangelei einen grau orxydier⸗
ten gemwöhnliden Stahldraht von
0,4 mm Querſchnitt (Taf. V,
Fig. 7). Die Drähte fchneide ich
in je 1m lange Stüde und drehe
das obere und untere Ende zu
einer einen Schlinge zufammen.
Meine Vorfächer find alfo weder
mit Wirbel noch mit Blei ausge⸗
ftattet, fondern nur ein wertloſes
Stück Draht, Senker und Wirbel
werden erft beim Gebrauch einge:
Tchlungen.
Ein foldes Stahldrahtvorfach
ift im Waſſer ganz unfichtbar, und
was es aushält, grenzt an Fabel⸗
bafte. In Norwegen mußte ich da-
mit im Suli 1906 einem 29pfün-
digen Lachs 2 km weit über eine
Anzahl Stromichnellen jtromab-
wärts folgen, der mich einen Kampf
von 40 Minuten koſtete. Der Fiſch
hatte jih von außen gefangen, das
Borfach erichnappt und eg während
der ganzen Zeit quer im Rachen
gefaßt. Es gelang ihm aber nicht,
es durchzuſcheuern oder abzudrehen,
vielmehr trug er tiefe Einjchnitte
an der Zungenbaft3 und an beiden
Mundwinkeln davon.
Niro. 522.
welchem das Angelſyſtem feſt ver-
bunden war, ein leicht abnehmbares
und raſch wieder zu erſetzendes,
25—50 cm langes Zwiſchenſtück,
welches ich Zwiſchenfach nennen
will, ein, das aus feinem Punjab⸗
oder oxyd. Stahldraht gefertigt und
an dem einen Ende mit einer
Schleife, am andern mit einem
Einhänger (Taf. II, Fig. 19) ver-
ſehen ift (Taf. V, Fig. 8). Meine
Spyiteme inkl. künſtliche Spinnköder
endigen am Kopfteil mit einem
Wirbel und find fo kräftig wie
möglich gearbeitet, die Verbindung
mit der Schnur, Zwifchenfad und
Borfach find dagegen jett fo fein
und unfichtlih, daß die Raubfifche
dadurch gar nicht mehr abgefchrect
werden können, wie das früher jo
oft der Fall war.
522. Die Wirbel oder Umläufe
haben den Zwed, dag Spinnen
der Köder zu ermöglichen, ohne
daß die Schnur fi gleichzeitig
verdreht. |
Man unterfcheidet gefchlofjene
und Einhängmirbel, die entweder
aus Stabl oder aus Meifing her⸗
geftellt find. Letteres hat den Bor:
teil, nicht zu roften, Stahl verbiegt
fih nicht fo leicht. Deswegen eignet
fih Meffing mehr für gefchloffene
Wirbel, Stahl mehr zum Einhängen
der Angel.
Taf. II Fig. 11 zeigt den ge—
bräuchlichſten geſchloſſenen Meffing-
wirbel, Fig. 12 den geſchloſſenen
Stahlwirbel, Fig. 13, 14 u. 15 den
Schlangen-, Karabiner- und Buckel⸗
wirbel. Der Buckelwirbel eignet
ſich nur für Schleifen, die ſich ab—
biegen laſſen, alfo nicht für ftarren
Draht, der Karabinerwinkel ſchließt
nicht immer bermetifch, jo daß feine
Drabtichleifen herausrutichen kön—
nen, der Schlangenmwirbel dagegen
Zwiſchen Blei und Angelflucht | hat nicht nur den Vorteil, für alfe
fchalte ich ftatt des in der bisherigen | Schleifen zu pafjen, fondern aud)
Praxis üblichen Angelvorfaches, mit | den, daß er der gebrungenjte und
Nro. 523.
am wenigften auffallende ift, fo
daß ihm, meiner Erfahrung nad,
die Balme gebührt.
Nicht unerwähnt darf der Nadel:
wirbel (Fig. 16) bleiben, der fi)
weitaus am beiten eignet zur An:
bringung an den verjchiedenen
Spinnſyſtemen und Tünftlichen
Köderfifchen.
Fig. 17 ftellt den Doppelfeder-
wirbel, Fig. 18 einen doppelten
Karabinerwirbel, wie er bei ber
Tieffeeangel zur Verwendung
kommt, um dide Drahtſchnüre mit-
einander zu verbinden, ig. 19
ſchließlich einen einfachen Einhänger
d
ar.
Meſſingwirbel werden rationeller⸗
weiſe mittels einer Metallbeize
ihres Glanzes beraubt. Ratſam iſt
es, ſämtliche Wirbel von Zeit zu
Zeit zu ölen.
523. Als Senker dienen je nach
den Angelmethoden Gewichte aus
Blei von dem einfachſten Schrot
bis zu 1 Kilo ſchweren Senkbirnen.
Für die Grundangel ſind
außer durchlöcherten und bis zur
Mitte geſpaltenen Schrotkörnern
Bleifolien, beſonders aber Blei-
draht, im Gebrauch, den man in
beliebiger Länge, je nach Bedarf, | F
um daß Vorfach windet.
Für die Spinnangel benügt
man am beiten erzentrijche Bleie,
welde das Berdrehen der Schnüre
verhindern.
Unübertroffen find die Farlow⸗
ſchen Bleie mit zwei Schlangen
wirbeln (Taf. II, Fig. 20 u. 21),
welche zwifchen Borfach und Angel-
fyftem eingefchaltet werden, wenn
das Vorfach nicht ſchon mit einem
Wirbel verſehen iſt.
Die Archer⸗ Jardineſchen Einhäng⸗
bleie (Fig. 22 u. 23) dienen dazu,
an bereits mit Wirbeln montierte
Borfächer angefchlungen zu werben.
Sie laſſen fih leicht halbmond⸗
förmig ausbiegen, wodurch - auch
Dr. R.
Keinh.
da8 Berdrehen der Schnur um:
gangen wird,
Daß Kopf: oder Kappen:
blei (Fig. 24) findet feine Ver:
wendung hauptſächlich bei der
Forellenfiſcherei mit Müblkoppen.
Zmweddienlich ift es auch bei meinem
Köhrchenipinner, wenn man den
Köder tief ſenken will.
Das Dee- oder Zapfen:
blei (Fig. 25) dient dazu, das
Gewicht in den Köderfiſch zu ver:
legen, ſpeziell zu dem Zweck klei⸗
neren Ködern mehr Eigengewicht
zu geben und dadurch den Wurf
zu erleichtern. Auf Taf. IV, Fig.7
und 8 iſt es im Syſtem zur An⸗
ſchauung gebracht.
Das Bodenblei (Fig. 26)
findet dann Verwendung, wenn es
ſich darum handelt, den Köder auf
dem Grund des Fiſchwaſſers liegend
zu erhalten.
Das birnförmige Blei
(Fig. 27) hat den Zweck, bei der
ſogen. Paternoſterfiſcherei Fühlung
mit dem Grund zu behalten.
Das Tiefſeeblei dient zur
Befiſchung großer Tiefen mit der
Schleppangel. Man benützt dazu
— birnförmige Bleie, wie in
ig. 27.
Das Lotblei (Fig. 28) dient
zur Ermittlung der Tiefe, in die man
die Örundangel zu verjenten hat.
Das Gleitblei (Fig. 29) tut
vorzügliche Dienfte bei der Schlepp-
fiiherei von ber Gerte. Einer der
drei Ringe ift doppelt, fo daß man
die Schnur in beliebiger Entfer-
nung vom Köder einklemmen kann.
Beißt ein Fiſch, fo löſt ſich die
Schnur durch den Ruck, das Blei
gleitet bis hinab zum Vorfach und
dem Aufhaſpeln der Schnur ſteht
kein weiteres Hindernis entgegen.
Fig. 30 ſtellt ſchließlich noch ein
exzentriſches Blei mit zwei End⸗
ringen, nach Geen, dar, die in
einer Meſſingleiſte beweglich rotie⸗
ren können. Die Ringe find mit
den von mir viel gebrauditen Ein-
hängern außgejtattet.
524. Das Floß oder der
Schwimmer hat den Zwed, den
Köder in einer bejtimmten Tiefe
fchwimmend zu erhalten und durd)
feine Bewegung zu zeigen, wenn
ein Fiſch gebiffen hat. Das Floß
ift beſonders zwedmäßig, wo der
Köder ganz nahe am Grunde über
eine weite Strede fortihwimmen
fol, oder da, wo der Grund mit
Waſſerpflanzen bedeckt oder jchlam-
mig ift, ferner, wo mit lebenden
Ködern nah Raubfiſchen geangelt
wird.
Man wählt das Floß fo leicht
als möglich, aber immer der Tiefe
des Waflers, der Stärke der Strö-
mung, der Schwere des Köders
entjprechend.
Die leichteften Flöße werden aus
Gänfe- oder Schwanentielen (Taf. II
Fig. 31), aus Stachelſchweinborſten
(Fig. 32) oder aus Zelluloid her:
geftellt. Dann kommen die Kork:
flöße in allen Größen, je nad) Be-
darf. |
Beliebt find auch Flöße mit
Hohlraum zur Aufnahme von
Schrotkörnern oder mit Bleidraht-
ummidelung, die fi genau jo
regulieren lafjen, daß nur der
Kopf eben fichtbar ift.
Für die Shnappangel mit
lebendem Köder dienen größere
Flöße aus Kork, die ſich ſchnell in
der gewünſchten Höhe einitellen
lafjen (Fig. 33).
Sehr zweckdienlich ift das fog.
gleitende oder Nottingham—
floß (Fig. 34), welches den Yang
von Fiſchen auf weite Diltanz er-
möglidt.
525. Landungsgeräte. Kleinere
Fiſche Tann man wohl, wenn das
Angelzeug ſtark genug ift, ohne
Zandungsgeräte direkt von der
Gerte aus auf das Ufer heben,
VII. Angellporf.
Nro. 524—525.
größere Fifhe auch auf eine flache
Kiesbank herausscleifen. Nie jollte
man aber, ohne die Schnur ver:
fürzt zu haben, einen Fiſch aus
dem Waſſer fchleudern, das ijt
roh und ſportswidrig und überan-
ftrengt nutzlos das Angelzeug, ins⸗
beſondere die Gerte. Gewandte
Fiſcher verſtehen es oft mit Geſchick,
auch ſchwere Fiſche durch einen
ſicheren Griff in die Kiemen oder
Augenhöhlen zu landen. Aber nicht
immer iſt die Situation ſo günſtig,
daß man ſo nahe herankommen kann.
Es iſt daher ratſam, ſich ſtets mit den
Landungsgeräten zu verſehen, die
man im ſpeziellen Fall nötig haben
könnte.
Es gibt zweierlei Geräte, jedes
in ſeiner Art unentbehrlich: das
Landungsnetz (Kejcher) und
denLandungshakenoder Gaff.
Das Landungsnetz gehört
zur Ausrüſtung des Flug-, Grund⸗
und Schleppangelfiſchers und kann
manchmal auch bei der Spinn—
fiſcherei dienlich ſein, obwohl hier
der Gaff, beſonders wenn man es
einmal mit Fiſchen über 4—6 Pfd.
zu tun bat, vorzuziehen ift.
Des bequemeren Tiransportes
wegen ift ein Net zum Anjchrauben,
eventuell auch zum Zuſammen⸗
Happen, angezeigt, auch der Gaff
ift leichter unterzubringen, wenn
er zum Schrauben gerichtet ift.
Praktiſch ift eg, wenn beide im
Gewinde an einen und denjelben
Stod paffen uud dieſer fi) noch
zufammenflappen und an den Rud:
ja hängen läßt (Zaf. I, Fu. G).
Das Landungsneß fei leicht, mo:
möglich aus Seide, baufdig und
imprägniert, fo daB es eine ge-
wiffe Steifheit behält. Für Die
Schleppfifherei haben Gaff und
Netz am beiten einen furzen Stiel,
während beim Spinnfiihen vom
Kahne aus der Stiel bis zu 2m
lang fein folte. Man kann ihn
Niro. 526-527.
bejjer dirigieren, wenn man das
Ende unter der Achjel einftemmt.
Angelt man auf große Raub-
fiide an nicht zu hohem Ufer ent:
lang, dann bewährt fich der fogen.
Telesfopgaff (Zaf. I, H), ver
fih im Moment des Bedarfes in
drei Teile augeinanderziehen läßt.
Dad Landungsneg wird unter
den Fiſch gehalten und im richtigen
Augenblick gehoben; den Gaff hält
man quer über den Rüden, Spike
nad unten, nimmt Fühlung, zielt
gut und madht zum Anfchlag nur
einen furzen Rud, dann hebt man
den Fiſch vorſichtig und nicht mit
Vebereilung heraus. Man merfe
fi die vier Tempi; blinder Eifer
fhadet nur. Hat man einen Ge-
bilfen bei der Landung, dann läßt
man ihn mit dem audgeftredten
Gaff, Spige nad) oben, unbeweg⸗
ih an dem Flußrand niederfauern
und zieht den Fiſch jo über dem
Gaff heran, daß jener nur einen
furzen Ruf zu maden braudt, um
ihn dingfeft zu machen.
526. Sonftige Gerätichaften.
Bei der Auswahl und Anſchaffung
der jonftigen, für die Sportangelei
beftiimmten Gerätichaften muß der
Neuling unterfcheiden lernen: 1.was
er für die von ihm bezwedte Angel
methode und das von ihm zu be=
fiidende Waſſer notwendig
braucht, und 2. dag, was zu einem
gewiſſen Luxus und zur perjün-
lichen Xiebhaberei dient. Der eine
hat nur Sinn für das abjolut Un:
entbehrlihe, der andere hat feine
Freude an einer hübſchen Ausftat-
tung und liebt es, einigermaßen
Aufwand zu maden.
Auf Tafel III find eine Menge
mehr oder minder notwendiger
Utenfilien zur Anſchauung gebradt,
aber genau betrachtet, dient jeder
Gegenftand einem fo prägnanten
Zwecke, daß ein jogen. all-round
Fiſcher, wie die Engländer jagen,
Dr. R. Being.
nad) und nach dazu fommt, fich jo
ziemlich die ganze Lifte anzufchaffen.
Fig. 1, 2 und 3 find die Löfe-
inftrumente für hängengebliebene
Angeln im Wafjer oder an Bäumen,
Fig. 4 eine einfahe Hechtichere,
um großen Raubfifchen beim Löfen
der Angel das Maul aufzujperren.
Fig. 5 und 6 find einfache Hafen=
löſer.
Fig. 7 ſtellt die Ködernadel,
Fig. 8 die Fiſchwage, Fig. 9 und
10 den Köderfiſchkeſſel mit Einſatz,
Fig. 11 eine empfehlengwerte Köder-
fiſchbüchſe, Fig. 12 den Fiſchkorb
dar. Fig. 13 ift eine praftifch
außgeftattete Brieftaſche für den
Grundfifcher, Fig. 14, 15, 16 und 17
zeigen das für die Ausrüftung des
Flugfiſchers wichtige Fliegenbuch,
die Büchſen zum Aufbewahren der
Ringfliegen und zum Wäſſern der
Züge. Die Büchſe, Fig. 18, dient
zur Aufnahme des Spinnzeuges,
Fig. 19, 20 und 21 zur Aufnahme
von Würmern und Heuſchrecken,
letztere iſt am Gurt zu tragen. Das
Netzchen, Fig. 22, dient zum Fang
von Pfrillen und ift gleichzeitig zum
Fang von Krebjen zu gebrauchen.
Fig. 23 ftellt einen fehr praftifchen
Miniaturftahl für die Weftentafche,
Fig. 24 den umentbehrliden Rud-
jad dar. Fig. 25 und 26 endlid)
find Transportgefäße für lebende
Fiſche. Das legtere, nah Ehmant,
läßt fich zufammengelegt bequem
im NRudjad transportieren und
bietet den großen Borteil, daß man
das Waſſer auf die-einfachite Weiſe
erneuern Tann. |
527. Zur Heritellung, Erneue⸗
rung, Ronjervierung und Färbung
von Angelzeug jollte jeder Sport:
fiider eine Anzahl Geräte und
Chemikalien vorrätig haben, um
nicht gezwungen zu fein, wegen
jeder Kleinigfeit oder unbedeutenden
Reparatur zum Gerätehändler
Ihiden zu müſſen.
VII Angelfporf.
So follten in feinem Anglerheim
fehlen: die unentbehrlihen Flach⸗-,
Rund» und Zwidzangen, ein
Heiner Sandfhraubftod, rote
und weiße Seide,Neufilbers,
Stahl: und Kupferdraht in
verfchiedenen Stärken und was jehr
wichtig ift: ein Blechtöpfchen mit
Tinol, der jett allgemein fäuflichen,
flüfftgen Lötmaffe, durch die die
ganze Brozedur des Lötens jo ein-
fach geworden ift.
Man ſteckt ein etwa 12 cm lan⸗
ges Stück Kupferdraht von zirka
l mm Dide durch einen Medizin:
flafchenforf der ganzen Länge nad)
dur und biegt dann etwa 2 cm
davon jo ftark zurüd, daß es mit
dem Hauptodraht eine enggeichloffene
Rinne bildet: In diefe Rinne bringt
man eine Eleine Spur Lötbrei, er:
bitt den Stab über einer Spiritus
lampe, hält den zu lötenden Gegen=
ftand dicht neben, aber nicht in
die Flamme, und dann die Rinne
mit der Lötmaſſe darüber, während
man den Kupferdraht noch meiter
erhitzt. Das nun überfließende
Zinn wird in die zu lötende Stelle
gleih mit der Kupferrinne einges
rieben und verteilt. Mit Hilfe des
Tinols Tann man fich feine Angel:
baten felbjt an Draht löten, nach⸗
dem man fie vor:
ber mit feinem
Neufilberdraht an:
gewunden hat. Zum
Befeftigen der Ans
geln an Gimp oder
Poil dient ein ge-
wichſter Seiden:
faden und fonmt
hiebei noch die alte
borgenen Kno-
ten, Fig. 238, zur
Geltung. Die Bün:
de werden mit
weißer Schellacklöſung überpinfelt
und je nachdem mit Aluminiums
238. Derborgener
Knoten.
Technik vom ver:
Nro. 528.
bronze bejtridden, wenn der Hafen
äußerlich an einem filberglänzenden
Köder anliegen foll.
Die Gerten müfjen öfter mit
Marsöl abgerieben und die Hülfen
gut eingefettet werden. Wenn die
Angelſaiſon vorüber ift, follte man
nicht verfäumen, jene mit Bernftein-
lad, bei braunem Holz mit Spiritus:
lad, zu behandeln und fie dann
bängend, nicht in einer Ede ftehen,
aufzubewahren.
528. Natürliche Köder. Unter
diejen jpielt, und zwar faft aus-
Ihließlich zum Fang der Friedfifche
und Barjhe, der Regenwurm
die Hauptrolle.
Man unterfheidet den Tau:
murm, der fih hauptſächlich im
arten und Feld vorfindet und mit
Borliebe unter Brettern aufhält,
den Rotwurm, der in Dünger:
haufen lebt, und den Gold-
ſchwanz, einen Kleinen, gelb und
rot geftreiften Wurm, der auch mit
Vorliebe in verrotteten Dünger:
haufen vorkommt.
Der Taumurm wird bauptfäd-
lih im trüben Waffer, Herbſt und
Winter, die beiden anderen bei
hellem Waffer und im Sommer ala
Köder benüst.
Man reinigt die Würmer in
feuchten Moos, entfernt die toten,
füttert die lebenden mit etwas
Mil und hebt fie an kühlem Orte
auf |
Sleifhmaden gewinnt man
durch Einlegen von etwas Leber in
einem Blechgefäß mit durchlöchertem
Dedel und Boden, welches man auf
einen Topf mit feuchten Sand ftellt,
wohinein die Maden fallen und fid)
reinigen.
Mehlwürmer fauft man bei
einem Mehl: oder Bogelhändler,
fie haben den Vorzug, appetitlicher
zu fein.
Bon anderen Ködern find zu er:
wähnen: Heufhreden, Mai:
Niro. 529.
und Bradfäfer, Fröſche,
Garneelen, große Fliegen,
bejonders die Mai- und Stein:
fliege, Shmetterlinge, Flie-
genlarven, Raupen.
Hat man feine Inſekten und
Würmer zur Hand, dann födert
man mit Teigen aus Brot und
Käſe, mit Honig, Waſſer und Mehl
verrieben.
Sehr gut find auch Halb gar
gefohte Mafaroni, die man in
2—3 cm langen Stüden über einen
Heinen Drilling ftülpt, halb gar
gefochte Erbjen oder nod) bequemer:
große Büchfenerbjen, Kirchen, Talg-
grieven 2c.
Fiſche dienen zum Fang von
Raubfiſchen, und zwar Pfrillen oder
Elrigen, Grundeln und Mühlfoppen
für Forellen und Barjche; Lauben,
Hajel, Kleine Döbel, Kreßlinge und
große Mühlfoppen für Hechte und
Huden. Kleine Plötzen find zur
Spinnfifherei weniger brauchbar
wie zu den anderen Angelmethoden.
Friſche Köderfiſche find beliebter,
nüßen fich aber rafcher ab, wie in
Formalinlöjfung aufbewahrte Köder.
Wichtig ift es, immer durch einen
Vorrat von legteren für alle Fälle
verjorgt zu fein.
Man legt eine Anzahl frischer
Köder in ein Konjerveglas mit luft:
dihtem Verſchluß und füllt es bis
zum Rande mit einer 2proz. For:
malinlöfung. Die Löjung muß,
wenn ſie nad einiger Zeit trüb
wird, erneuert werden. Wenn das
Glas nicht zu dicht mit Ködern ge-
füllt war, ift eine wiederholte Er—
neuerung oft erft nah Wochen
notwendig. Gut ift ein Zuſatz von
Glyzerin, welches die Fifche ge—
fchmeidiger erhält.
> Lebende Köderfifche wer:
den zum Fang von Hechten, Huchen
und Barjchen verwendet, ein ge:
rechter Sportfifcher jollte jedoch nur
davon Gebraud ‚machen, wenn die
Dr, R. Beink.
Berhältniffe fo gelagert find, daß
andere Methoden nicht zum Ziele
führen.
529. Künftlide Köder kommen
in erjter Linie für die$lugangel
in Betradt. Sie bieten die Hand
für die reinlichite, appetitlichite und
gleichzeitig kunſtvollſte Angels
methode, die leider nur auf gemiffe
Fiſcharten Verwendung finden fann.
Man nennt die fünftliben Köder
für die Flugangel kurzweg „Flie=
gen“, obwohl nur ein Teil ſolchen
nachgebilvdet ift. Viele find reine
Phantafiegebilde, andere find Nach:
bildungen von Raupen, Käfern,
Spinnen, Ameifen.
Man unterjcheidet demnach:
1. Raupenfliegen (af. VI,
Fig. 1) oder Palmer, ohne Flügel;
2. Käfer (Fig. 2);
3. geflügelte Fliegen (Fig. 3);
4. jummende oder Hechelfliegen
(Sig. 5);
5. PVhantafiefliegen (Fig. 6), zu
denen alle Lachs-, Meer- und See—
forellenfliegen (Fig. 12 und 7), aber
auch viele Aejchen- und Forellen-
fliegen zu rechnen find.
Die richtige Wahl einer Fliege
ift eine große Kunft, die fih nicht
jo leicht erlernen läßt, der An—
fänger ſuche ſich daher einen er-
fahrenen Lehrmeifter oder hole fich
Rat in einem größeren Handbuch
der Angelfiicherei.
Die Ftünft
3 lien Köder
= fürdie®rundangel,
= wie 3. B. die Nach:
=r bildung von Wür—
—9
mern, haben alle
keinen Wert, mit
Ausnahme der
Kohlraupe (Fig.
239. Künſtliche 239), welche in Eng⸗
Kohlraupe. land viel zur Win—
terfiſcherei auf Ae—
ſchen verwendet wird.
Dagegen ſpielen die künſtlichen
— — — —, —— ——— — — rn rm
VII. Angelſyort.
Köder bei der Spinn= und bejon-
ders bei der Schleppfifcherei eine
große Rolle.
Man muß unterjcheiden zwiſchen
ſolchen, die nur entfernt durch ihr
Sligern und Glänzen einen leben-
den Fiſch vortäufchen und zwijchen
jolhen, die auch in Form und Aus:
jehen einem Filche ähneln.
Zu den erjteren find zu rechnen:
der Löffel (Fig. 240), der Otter
(Fig. 241), der Sturm= und Heing-
föder, von denen fich bejonders der
l 242.
Phantom
240. Köffel. 241. Otter. Minnow.
legtere auf große Hechte 2c. bewährt
hat und der bei Wieland zu haben
ift. Von den letteren erwähne ich
in Kürze das Patent Phantom
Minnow (Fig. 242), welches in allen
Größen, vom Heinften Forellen bis
zum größten Hechtföder in den
Handel fommt.
Zwiſchen beide Grundfyfteme find
die jogen. Blinker einzureihen,
welche zwar der Form, dem Umrif
nad, bejonder8 wenn fie in Bes
wegung find, einen Köderfifch vor—
täufchen, aber nur aus einem Stüd
Nee. 529,
eine verfilberten Neufilberbleches
hergeſtellt find.
Da iſt nun zuerft der famofe
Sardablinfer (Fig. 245) zu er-
wähnen, der fi auf Saiblinge und
Geeforellen
vielfach be=
währt hat.
Ihm und dem
ähnlichen Co-
merjeeblinfer
habe ich meinen
von Wieland
patentierten
Silberblin
fer nachgebil-
det, von dejjen
Bortrefflichkeit
in allen Größen
und für alle
Raubfiſcharten
ich mich viel—
fältig überzeugt
habe.
243 u. 244. Silberblinker für Forellen
und Hechte.
Nro. 530. . Dr. R. Beinf,
Fig. 243 ift für die Fluggerte be-
ftimmt, eine Zwifchengröße für die
Spinnangel auf Forellen. Fig. 244
dient zum Fang von Hechten, Fig.246
246. Silberblinfer für £achfe und Buchen.
hat nur zu zahlreichen Lachjen
und Huden, bis zu 30 Pfund
Gewicht, verholfen.
jpinner, einen beliebten Spinnföder
für Forellen und Barfche, Fig. 248
diefpinnende Alerandra aus Pfauen⸗
federn für die Flugangel dar.
\
1
242. Devonfpinner.
248. Spinnende Alerandra.
530. Die Grundfifdherei, Bon
den Angelmethoden ift die
befanntefte und verbreiteifte Me⸗
thode die Grundfifcherei.
Leider wird die Grundfifcherei
vielfach von Tagedieben mit dem
gröbften Angelzeug auf eine nicht
weniger als kunſtvolle Art betrieben,
fo daß das große Publifum, welches
von der eigentlichen Sportfifcherei
feine Ahnung bat, die edle Kunft
des Angeln? mit Beratung zu
ftrafen pflegt. Sieht e8 ja für ge—
wöhnlich nur Topffiicher, die ſtun⸗
denlang am felben led figen und
nur hie und da ein elendes Schwänz-
chen erbeuten, und hat felten oder
nie Gelegenheit, einen richtigen
Sportangler zu beobadten.
Sobald fih die Grundfifcherei
vom groben Material emanzipiert
und fih auf die Erbeutung der
Fiſche mit dem denkbar feinften
Zeug, mit den, bejonderd von den
Engländern in Schwung gebradten,
| kunfivol ausgebildeten Fangweiſen
befaßt, hat fie volles Recht, neben
den fportlih am höchſten ſtehenden
Methoden, der Flug: und Spinn-
fifcherei, einen ehrenvollen Platz zu
beanspruchen.
Nicht alle Provinzen und Gaue
eines Landes find gefegnet mit Ge-
dig. 247 endlich ftellt den Devons- wäfjern, wo nur Salmoniden ge:
9
\
VII. Angel[port.
deihen, fondern wo in den trägeren
Flüffen und flahen Seen nur Ber-
treter der Barfchfamilie und Cypri-
niden, Verwandte des Karpfen, vor-
fommen. Unter diejen gibt es aber
gar mande Arten, von denen die
größeren Eremplare nur mit der
raffinierteften Vorſicht überliftet
werden können. Darum ift es
wichtig, fi nicht nur genau über
die verfchiedenen Fangweiſen zu
orientieren, ſondern auch dag feinfte
und bejte Angelzeug zu befchaffen.
Man unterfcheidet:
a) Die Grundangel ohne Floß;
b) „ r mit „
c) ” ” ” gleiten
dem
3ioß; —
d) die Grundangel mit feſtliegen⸗
dem Floß;
e) die Grundangel mit Bodenblei.
f) Heben und Senken.
a) Die Grundangel ohne
Floß findet Verwendung in ſeich⸗
ten Bächen und Flüffen mit un-
gleihem Grund, bei trübem Waſſer
und bei ſtarkem Pflanzenwuchs mit
wenig freien Stellen dazmijchen.
Material: Leichte Grundgerte,
3,20 m lang, 8 em Nottingham-
oder einfade Chefrolle, feinite
Seidenſchnur, .präpariert oder un:
präpariert, kurzes Vorfach von ein-
fachem Poil, etwa 80 cm lang,
fein Senter, höchſtens 1—2 Schrot-
förner. Köder: Wurm. Gignet fich
für den Fang der meiften Fried-
fiſche, beſonders aber aud für
Forellen. Taf. IV, Fig. 1 zeigt
die Anköderung auf die gewöhnliche
Art, Fig. 2 und 3 dag Steward⸗
he Hakenſyſtem allein und be-
füdert. Nah Fig. 4 oder 5 kö—
dert man den Wurm, wenn er auf
dem Boden aufliegen foll, nad
Fig. 6 mit einem ganzen Büfchel
auf große Filche.
- Man balte ſich möglichſt vom
Ufer entfernt, trete leife auf, lafje
den Köder in alle Löcher fpielen.
Nro. 530.
Mit der linken Hand halte man
etwas lodere Schnur, um, wenn
der Fiſch beißt, gleich nachlaſſen zu
fönnen, der Anhieb erfolgt nad)
etwa 3 Sekunden, aber nur durch
eine Drehung des Handgelenteg,
nicht mit einem ftarfen Rud. Man
gewöhne fih an, auf zwei Tempi
zu adhten: Im erften wird nur an
gehauen, vor dem zweiten hat man
zu überlegen, ob der Fiſch, wenn
er Klein iſt, herausgeſchleudert oder
gehoben, oder wenn er größer ift,
gejchleift oder gedrillt werden muß.
b) Die Grundangel mit
Floß wird hauptfählich in Flüffen
und Seen der Barben= und Blei-
region angewendet und beginnt nad)
der Laichzeit im Juli, wird aber
erft ſpäter einträgli. Sm Winter
beißen nur noch Barſch, Döbel,
Plötzen.
Wichtig iſt das Anfüttern mit
Grundködern (ſ. d.) an beſtimmten
Plätzen, wenn man Erfolg haben
will, auch iſt es ratſam, kleine
Mengen des eben benützten Köders
während des Angelns ins Waſſer
zu werfen.
Die Gerte muß an Stärke und
Elaſtizität im Verhältnis zu den
Fiſcharten ſtehen, auf die man
angelt, und dementſprechend auch
das übrige Angelzeug. So ver—
wendet man auf Barſche, Lauben,
Kreßlinge 2c. feinſtes Zeug, auf
Karpfen, Barben, Bleie 2c. ſtärkere
Sanggeräte. Wer auf beiderlei
ausgeht, kann fich helfen, wenn er
fih eine Gerte mit einer langen,
feinen und einer furzen, ftarken
Spike anſchafft. Lange Gerten
haben den Borteil, daß man nicht
jo nahe an die Fiſche heran kom—
men muß und die Spite direkt
über dag Floß Halten kann. Das
übrige Angelzeug fei wie bei a),
das Floß fei jo leicht wie möglich,
man bringe ed fo an, daß der
Köder eben den Sen
Nro. 530. Dr. R.
dabei ift darauf zu achten, daß das
Floß zu etwa |, feiner Länge unter
die Oberfläche finkt, was man durch
die entiprehende Beſchwerung mit
Bleifhrot oder Bleidraht erreicht.
Wichtig ift e8, die Tiefe der
Angelitelle auszumeſſen, zu welchem
Zwecke man ſich eined Lotes
(Taf. II, Fig. 28) bedient, in wel⸗
ches unten ein Stüd Kork einge:
lafjen if. Man führt den Angel—
hafen durch den Ring und befeitigt
ihn in dem Korf.
Sobald ein Fijch gebiſſen Bat,
was fih durch Untergehen des
Floßes bemerkbar madt, muß der
Anhieb erfolgen, ob aber fofort oder
nach einer kleinen Baufe, das hängt:
von der Fiſchart ab, auf die man
angelt.
c) Die Grundangel mit
gleitendem oder Notting-
hHamfloß (Taf. IL, Fig. 34)
findet Anwendung, wenn man in
Tiefen fiſchen will, die größer find
als die Länge der Gerte. Um zu
verhüten, daß das Floß weiter
als erwünfcht an der Schnur hin—
aufrutſcht, ſchleift man in dieſe
ein Stückchen Poil ein, das wohl
durch die Gertenringe, aber nicht
durch die engen Ringe am Floß
gleiten kann. Die Methode ermög—
licht einen weiten Wurf, da das
Floß, beim Ausholen zu dieſem,
bis an den Senker hinabrutſcht und
den Schwung begünſtigt. Der Wurf
von der Nottinghamrolle iſt bei der
Spinnfiſcherei beſchrieben.
d) Die Grundangel mit
jeftliegendem Floß bewährt
fich bei unebenem Boden und in
ſchwachen Strömungen. Der
Köder wird auf dem Boden durd)
eine Bleifuael feitgehalten, die am
Vorfach beweglich angebradt ift,
ein kleines Bleifchrot am Ende
des Vorfachs hat den Zweck, ein
weiteres Hinabrutſchen zu verhüten.
Das Floß muß flad) auf der Ober:
=
Beink.
fläche ſchwimmen. Beißt ein Fiſch
und geht mit dem Köder ab, dann
zieht er das Vorfach durch die
Kugel und dag Floß kommt in Be⸗
wegung. Angelzeug fonft wie
bei a), Köder am beiten die ver:
ſchiedenen Paſten.
e) Die Grundangel mit
Bodenblei (Taf. II, Fig. 26) hat
den Zwed, den Köder in ſtarken
Strömungen auf dem Boden zu er:
halten. Auf eine Entfernung von
30 cm unterhalb und oberhalb des
durchlochten Bodenbleies ift je ein
Bleifhrot angebradt, innerhalb
diejer Hinderniffe ift die Schnur
freibeweglich: Beißt ein Filh, dann
baut er fich jelbft an. Die Gerte
fei 3,50—4 m lang und fteif.
Köder: Würmer, Käſe, Pajten.
f) Das Heben und Senken
in Flüſſen ift eigentlich nicht an-
deres als eine Grundfifcherei ohne
Floß, bei der der Angler ununter:
brochen aktiv ift, indem er be:
ftändig den Köder bi8 zum Grund
fentt und zur halben Höhe hebt
und dabei alle Löcher und Schlupf:
winfel abſucht. Angelzeug wie
bei a), Köder: außer Wurm meift
Maden, Inſekten und Inſekten—
larven.
Das Heben und Senken wird in
Seen mit dem Zudfifh befonders
auf Barjche geübt, im Meere bildet
es eine Hauptbeluftigung von Den
Vergnügungsdampfern aus auf
Dorſche und andere Meerfijche.
Unter Grundköder verfteht
man die Köder, melde nicht zum
eigentliden Yang, fondern zum
Heranfüttern der Angelfifhe, und
zwar in erfter Linie der dem
Karpfengefchlechte angehörigen Ar:
ten, an bejtimmten Zutterpläßen
dienen.
Es liegt auf der Hand, daß wer
es verjteht, aber auch die nötige
Zeit und Gelegenheit bat, fich feine
Fiſche womöglich in Scharen an
VII. Angelſport.
gewiſſen Stellen heranzulocken, viel
mehr Ausſicht auf einen guten
Fang haben wird, als derjenige,
der an das Fiſchwaſſer kommt und
gleich aufs Geradewohl zu angeln
beginnt. Wer am Waſſer wohnt,
bat natürlih den großen Borteil
vor andern voraus, daß er bie
Fiſche mit einer gemwiffen Regel:
mäßigfeit anfüttern Tann.
Man füttere nie zu viel und
angle erſt 20—24 Stunden fpäter.
Wichtig ift es, mehrere Futter:
pläte gleichzeitig anzulegen, um
Abwechslung in den Angelftellen
zu haben.
In Seen und ruhigen Tümpeln
wird das Futter nur einfach ein-
geworfen, mo es aber. fortge-
ſchwemmt werden fann, formt man
es in Klumpen oder verjentt es
in durdlöcherten und bejchwerten
Säden oder in feinmafdhigen
Netzen.
Am beſten haben ſich Tauwürmer,
Käſe, Fleiſchabfälle, gekochte Kar-
toffeln, bis zum Aufſpringen der
Hülſen gekochte Weizenkörner, ein⸗
geweichtes, altbackenes Brot ꝛc. be⸗
währt.
531. Die Spinnfiſcherei iſt die⸗
jenige Angelmethode, bei welcher
ein toter oder künſtlicher Köderfiſch
ausgeworfen und ſo durch das
Waſſer gezogen wird, daß er eine
Drehbewegung um feine Längs⸗
achſe macht, welche die Bezeichnung
ae führt.
Sie fteht, was Feinheit und
Eleganz betrifft, der Flugfifcherei
am nädjften und wird mit diefer
in
höchſten Sport gerechnet.
Beide Methoden erfordern ein
ſolches Maß von Gefchidlichkeit,
daß Schon der Wurf allein, wenn
er richtig ausgefallen ift, einen ge-
wifjen Grad von Befriedigung ge⸗
währt, die natürlich noch bedeutend
gefteigert wird, wenn es gelingt,
ihrer Vervolflommnung zum.
Nro. 531.
einen ſich auf den Köder ftürzen-
den Fiſch nad) allen Regeln der
Kunft richtig anzuhauen und ſicher
zu landen.
Zur Spinnfifcherei bedarf man
einer am beften 3,20 m fangen,
dreiteiligen Gerte, und zwar ent:
weder einer einfachen und billigen
aus Bambus, oder wenn man fich
etwas wirklich ſolides anfchaffen
will, das allen Anforderungen ge—
nügt, einer geſplißten aus Tonkin—
rohr, Handteil Hifory. Die beften
deutjchen Fabrikate ſtammen aus der
Werkſtätte von Wieland in München.
An den englijchen Gerten ift ge=
wöhnlich aud das Handteil ge-
jplißt und dadurch big zum Hand:
griff dünner verlaufend, wodurch
die Gerte im ganzen biegfamer und
weicher wird, was wohl dem Wurf
zuftatten fommt, aber für den An-
hieb nicht fo vorteilhaft if. Auch
befommen die englifhen Fabrifate
dadurch leicht eine gemwille Vor—
ſchwere, was den jo angenehmen
und gar nicht anftvengenden Wurf
mit einer Hand unmöglih mad.
Sonft laſſen die englifchen Gerten,
befonderg die von Hardy und Farlom
gebauten, an Ausführung und
Solidität nichts zu wünſchen übrig,
als das, daß fie eben viel teurer
find wie die deutjchen, ja meift
da8 doppelte koſten.
Wieland fertigt gefplißte Spinn:
gerten in-3 Stärken, von denen
die leichtefte fih für Forellen und
jeldft noch für Hechte in träg flie-
Benden, nicht zu breiten Flüſſen,
vollfommen eignet (Taf. I,B). Die
mittlere (Taf. I, C) dient für den
Hecht-, Lachs- und Huchenfang und
it wohl allen Anforderungen ge—
wachſen, nachdem ich wiederholt
ſchon Huden von 34 Pfd. glatt
damit gelandet habe. Die ftärkite
Sorte jcheint mir demnad, menig-
ftens für Geübte, entbehrlich.
Als Role wählt man für Die
ro. 531.
leichte Gerte eine 8 cm, für die
beiden anderen eine 10 cm Holz:
oder Ebonitrolle nach dem Notting-
hanfyftem mit Hemmfeder, am
beften aber eine ſog. Marſton—
Croßlé-Rolle, welde durch ihre
finnreihe Konftruftion den Wurf
mit leihtem Blei auferordentlich
erleichtert, dazu eine 50—100 m
lange, feine Seidenfchnur ohne alle
Imprägnierung, entweder eine ge:
flotene von Wieland, Nr. 2
oder 3, oder eine plaited silk line
von Gamaae in London, die verhält:
nigmäßig billig und dauerhaft ift.
Vorfächer von Stahl: oder Pun⸗
jabdraht, erzentrifche Bleie, je nach
Tiefe und Strömung.
Die bemwäbhrteften An:
köderungsſyſteme find:
A. Ohne Turbine Das
Spinnen wird durch die Krümmung
des Köderfiſches bewirkt.
1. Das Deefyftem (Taf. IV
Fig. 7 u. 8).
Es eianet fih nur für Feine und
ſchmale Köpderfifhe, hauptſächlich
Pfrillen. Man bedient ſich zur
Einführung der Angel einer Köder:
nadel und ftülpt den Bleizapfen
über.
2. DagPBennell-Bromley-
Syſtem (Taf. V, Fig. )).
Man fticht den Stachel a an der
Seite des Köders unmittelbar hinter
dem Kiemendedel ein und krümmt
den Köder durch Einhafen des ein-
zelnen Hakens b auf der entgegen
gejegten Seite über den Rüden
hinweg. Mit dem beweglichen Lipp-
hafen c wird das Maul gejchlofjen
und das Angelvorfach aejpannt, fo
daß der Köder ein fihelförmiges
Ausjehen befonunt. Die Drillinge
bleiben fliegend, d. h. freihängend.
Man fängt damit Hauptjächlic)
große Forellen, Hechte und Hucen.
B. Mit Turbine. Die Tur:
binen haben den Vorzug, daß die
Dr. R. Beinp.
und zwar um ihre Längsachſe,
fpinnen, es wird aber vielfach be—
bauptet, daß nicht hungrige Raub—
filhe lieber auf Köder gehen, die
mehr fchwanfende Bewegungen
machen. Für den Anfänger emp:
fiehlt es fich jedenfall3 mehr, Sy:
fteme mit Turbinen, und zwar am
beiten mit den unfichtbaren aus
Zelluloid, zu befödern, außer zum
Fang von Forellen mit Kleinften
Köderfifchen.
1. Der Chapmanjpinner
(Taf. V, Fig. 2).
Der Stadel wird einfadh beim
Maule des Köderd eingeführt und
genau in der Mitte gegen die
Schweifwurzel vorgeftoßen. Es ift
ratfam, die Angeln an mehreren
Stellen anzubinden. Zum Binden
rejp. Nähen benüte ich in der jüng:
ften Zeit ausſchließlich feinen,
weichen Kupferdraht. Das Syftem
eignet fih bauptfählid für den
Fang von Hechten, nicht aber für
Huchen.
2. Der Perfektſpinner
nad Pennell (Taf. IV, Fig. 9
u. 10) und
3. der Krofodilfpinner
von Hardy (Taf. IV, Fig. 11),
find, bejonders in England, viel-
gebrauchte Syfteme im Chapman—
typus.
4. Der Röhrchenſpinner
(Taf V, Fig. 8) iſt außerordent⸗
lich fängig und geeignet für den
Fang von Hechten, Huchen, Forellen,
Seeforellen und Saiblingen. Wiſe⸗
land hat ihn genau nach meiner
Angabe patentiert, in allen Größen
auf Lager und verkauft ihn in
Hunderten von Exemplaren, was
für ſeine vielſeitige Brauchbarkeit
das beſte Zeugnis ablegt. Eine
genaue Beſchreibung findet ſich in
meinem ausführlicheren Werke:
„Der Angelſport im Süßwaſſer.“
Der Wurf des Köders ge—
Köder ſicherer und gleichmäßiger, ſchieht weitaus am beſten von der
VII. Angelfport.
Role, Wer heutzutage nod) lernen
wollte, nad) der alten Methode in
Schlingen zu werfen, wäre ent
fchieden als rüdftändig zu betradj-
ten, während die alten Pralftifer,
die da8 Werfen von der Hand
volfommen beherrſchen und Neue:
rungen abhold find, wohl zeitlebens
dabei bleiben werden.
Die Tehnit des Werfen?
von der Rolle Man rollt fo
weit auf, daß der Köder noch etwa
1'/2 Meter von der Gertenjpige
berabhängt, dann ergreift man mit
der rechten Hand das Handteil und
legt den Daumen auf den Rand
der nad oben gerichteten und
nicht gejperrten Role. Während
num die linte Hand die Gerte ober:
bald der Rolle faffend unterftükt,
ſchwingt man den Köder ganz lang:
fam wie einen Pendel nah rüd-
wärt3 und macht im Momente des
größten Pendelausſchlags einen
Schwung nad vorn, aber ja nicht
mit ſcharfem Ruck, fondern an-
fchwellend wie bei einem Stein:
wurf. Gleichzeitig lodert man den
Daumen ein wenig und ftredt die
Gerte wie einen Wegmweifer genau
nad) der Stelle, mo der Köder ein:
fallen fol. Iſt er noch einige
Meter vom Biel entfernt, dann
hebt man die Gerte ein wenig und
näbert den Daumen dem Rollen
rand, um ihn beim Einfallen des
Köderd feſt aufzubrüden. “Der
MWurf wird eleganter, der Köder
fällt leichter ein und die Ermüdung
ift geringer, wenn man die linke
Hand noch während des Schmunges
entfernt.
Man kann dad natürlich nur bei
leichten und nicht fopfichmeren Ger:
ten durchführen.
Sobald der Köder eingefallen ift,
ftemmt man die Gerte in die Hüfte
und rollt auf. Wer lieber mit der
rechten Hand aufrollt, hält die Gerte
Niro. 531.
und umgefehrt. Wer links rollt,
hat vorher raſch einen Griffwechſel
zu madhen. Auf alle Fälle muß
die Schnur oben von der Rolle
weg zu den Ringen laufen. Sch
bin genötigt, dies, obgleich es Jid)
eigentlich von felbjt verjteht, noch
jpeziell zu betonen, da es Abhand:
lungen von Dilettanten über Spinn-
fiſcherei mit Abbildungen gibt, die
den Anfänger vollftändig irre führen
und ihm daher direkt jchaden müſſen.
Man wirft am beiten ſchräg nad)
abwärts über den Fluß, oder läßt
den Köder in ſtarken Strömungen
ftromabwärt3 rinnen. Das Auf:
rollen gejchieht fo langjam wie
möglid und nit gleichmäßig.
Durch gleichzeitig ausgeführte pen—
deinde Bewegungen mit der Gerte
gibt man dem Köder Leben, indem
man ihn bald rafcher vorjchießen,
bald wieder, wie ermattet, zurüd-
finten läßt.
Beißt ein Fiſch, jo Haut man,
ſobald man ihn fpürt, fofort durch
einen kurzen, aber energifchen Rud
an und fchiebt gleich die Hemm—
feder vor. Neagiert der Fiſch nicht
durch ruckweiſe Befreiungsverfuche,
dann wiederholt man den Anhieb.
Beim Einziehen der Schnur ſo—
wohl, wie nach dem Anbiß, muß
die Gerte immer einen nahezu
rechten Winkel mit der Schnur
bilden. Iſt der Winkel zu ſpitz,
dann kann die ſtärkſte Gerte brechen.
Man forciere einen Fiſch nur aus:
nahmsweiſe, entweder wenn er jehr
Hein ift, oder wenn gefährliche
Hinderniffe im Weg ftehen, oder
wenn man ihn in Anbetracht eines
günftigen Landungsplages ſofort
heraugjchleifen Tann. Sonft ift es
beffer, ven Fiſch zuerft zu ermüden
und ihm ruhig Schnur zu geben,
wenn er Fluchten madt.
Zeigt er dann Ermüdung und
läßt fich geduldig führen, dann zieht
oberhalb der Rolle mit der linken | man ihn auf eine Kiesbanf, falls
Niro. 532.
eine folde in der Nähe ift, oder
ſucht ihn fonftwo zu ftranden. Da
ein gejtrandeter Fiſch hilflos ift,
wenn er den Kopf nicht drehen
fann, ergreift man die Schnur und
hantelt ſich an der ftraffgefpannten
big zum Fiſch, dann erft faßt man
das Landungsnetz oder den Gaff
und madt ihn ohne Ueberhaſtung,
fiher zielend, dingfeft. Im tiefen
Waffer, vom hohen Ufer oder vom
Kahne aus einen Fiſch zu landen,
ift ungleich fchwieriger und erfor-
dert mehr Ruhe und Kaltblütigfeit.
532. Die Schnapp- und Pater:
nofterangel mit lebendem Köder-
fiſch fommen fportmäßig erjt dann
und an folden Stellen in Gebraud,
wo die auf höherem Niveau ftehende
Spinnangel nicht angebradt er:
Scheint, alfo an Stellen, die ent-
weder zu tief oder im Raume zu
befhräntt find, um erfolgreich
fpinnen zu können. Am beiten
bewähren fi} die beiden Methoden
im Spätherbft und Winter, wenn
die Fiſche, insbeſondere die Hechte,
durch das kalte Waſſer träger ge—
worden, nicht mehr ſo raſch von
Entſchluß find, um einem Spinn-
füder zu folgen.
Man braucht fich für die Schnapp-
und Baternofterangelei feine be-
jondere Gerte anzufchaffen, außer
Dr. ®. Beink. |
Archer:Jardine Blei ald Senter,
welches in ein meterlanges Stahl:
drahtvorfach eingefchlungen wird.
Das beite Angelſyſtem ift das
von Jardine eingeführte (Taf. IV,
Fig. 12), welches jo wie aus Fig.
13 erfichtlid angelödert wird. Der
Hafen b ift beweglich, fo daB man
das Syftem jedem Köder der Größe
nah anpaflen kann. Der Hafen a
wird im Kiemendedel, der Hafen b
dicht unter der Rückenfloſſe mög-
lichſt ſchmerzlos angebracht. Ein-
facher, aber weniger fängig iſt das
Syſtem Fig. 14.
Als Köder eignen ſich größere
Haſel, Rotaugen, Kreßlinge ꝛc. von
12—20 cm Länge.
Man verfentt den Köder auf
mehr ald die halbe Tiefe des
Waſſers. Sobald ein Fiſch beißt,
ordnet man fchnell die Schnur
dur Hochheben der Gerte und
haut fofort, oder befier nod, nach
einigen Sekunden, an. Ein An:
bieb bei nicht ftramm gefpannter
Schnur ift immer von Webel.
Fig. 15 und Fig. 16 ftellt die
Schnappangel fowie die Art der
Anköderung nah Biderdyfe dar;
auch fte hat große Borzüge, nur wird
der Köder mehr verlegt.
Bei der Schnappfijcherei ſchwimmt
der Köder frei herum, ſoweit er
man hat Gelegenheit, fie oft und! Spielraum hat, beim Paternofter:
erfolgreich anzumenden.
übergehende Benügung eignet ſich
eine gewöhnliche Spinngerte. Wer
ji) aber fpeziell damit befaflen
will, wählt beſſer eine längere von
4 m und darüber, da eine Grmüs
dung durch das viel feltenere
Werfen nicht zu befürchten ift.
Schnur und Rolle find die glei-
chen wie bei der Gpinnfiicheret,
das übrige Material ift jedoch für
beide Methoden verfchieden.
Für die Shnappangel braudt
man ein großes Floß (Taf. II,
Fig. 33), ein entſprechend großes
Für vor= | angeln muß er dem auf ihn aus-
geübten Zuge.folgen.
Mit der Baternofterangel
fängt man die auch an tieferen
Stellen mehr am Grund ftehenden
Fiſche. Zuunterft ift eine Bleibirne
angebracht, in einiger Entfernung
darüber ift die Angel oder, wie
es zum. Fang der Barjche gebräuch-
lih ift, mehrere Angelhaken ange-
bradt. Wie das gefchieht, geht
für Hechte aus Taf. IV, Fig. 17,
für Barfhe aus Fig. 18 und 19
hervor.
Das PVerbindungsftüd zwiſchen
i | VI. Angelſpork.
Senkbirne und der unteren Angel,
welches nur das Bleigewicht zu
tragen bat, ift am beiten nur aus
ſchwachem Material, was den Bor:
teil bat, daß man bei einer Ber:
ſtrickung in der Tiefe nur das Blei
verliert. Der einfade, an Gimp
oder Drahtſchnur gemundene Angel:
baten (Taf. IV, Fig. 20 in halber
Größe) wird dem Köderfifh durch
beide Lippen gezogen. Beim Angeln
auf Barſche befödert man den un-
teren Hafen mit einem Wurm.
Nah dem Wurfe zieht man den
Köder ganz langjam, die Schnur
aufrollend, heran. Sobald ein Fiſch
gebiffen bat, läßt man ihn loder
abziehen, bis er ftehen bleibt. Dann
wartet man noch einige Sekunden
und baut bei gejpannter Schnur nur
mit einem kurzen Rud an. Der
Halen figt meiſtens im Mundwinkel.
533. Die Schiudangel ift nur
ſportsmäßig in ſtark verfrauteten
Waſſern mit menig Lüden. Die
Angel (Taf. IV, Fig. 21) wird
mittels Ködernadel dem toten Köder
vom Maule aus big mitten durch
die Schweifflofje geführt. Gerte ꝛc.
wie bei der Spinnangel, Vorfach
ohne Blei. Geangelt wird durch
Heben und Senfen. Nach dem An:
biß läßt man den Hecht — um den
es fich meiſtens handelt — abziehen
und zwar bei volllommen lockerer
Schnur. Erſt wenn er nad) länge
rem Stehenbleiben neuerdings
weiter zieht, fol man anbauen.
Da er feinen Fraß meiftend ge:
fchludt hat, ift die Landung fehr
einfad. Ein großer Nachteil ift,
daß man viel Eleine Exemplare ver-
angelt. Taf. IV, Fig. 22 ſtellt die
Schludangel zur Anköderung toter
Pfrillen dar. Fig. 23 und Fig.
24 ift die Shnappangel mit
totem Köder. Der Bleizapfen
wird beim Maule des Köders ein-
geführt, der Lipphafen an der
ro. 533-534.
da der Anhieb gleih nah dem
Biß erfolgt, humaner wie die
Schludangel, eignet fih aber nur
an nicht zu ſtark verfrauteten
Stellen.
Die Shludangel mit le—
bendem Köderfijch (Fig. 249)
findet ſportge⸗
mäße Anwen⸗
dung nur in
großen, flachen
Seen oder Alt⸗
wafjern auf Hech⸗
te und Welſe.
Man benügt ein
Flop und haut
nach) etwa 5 Min.
an. Sie ift die
tunftlojefte aller
Angelmethoden
und wird auf
Salmoniden nur
von Fiſchdieben
ausgeübt.
534 Die
Scleppangel ijt
faft ausschließlich RE u
in Seen gebräuch- 5
ih und zwar 249. Schludanagel
zum Fang von mit lebendem
Hechten, Ban: Köderfifch.
dern, Seeforellen
und Saiblingen. Auch Sciede
(Rapfen), Waller (Welfe) und große
Barfche werden damit gefangen.
Man unterfcheidet eine Schlepp:
angelei an der Oberfläche mit wenig
oder gar Feiner Bleibejchwerung
und eine Tiefjeejchleppfifcherei in
Tiefen bis zu 50 Meter, letztere
nur auf Saiblinge und Seeforellen,
wenn fie tief jtehen.
Man fiicht mit der Schleppangel
vom geruderten Boote aus; angelt
man an der Oberfläche, dann be—
nügt man am beften eine nicht zu
weiche Spinngerte; überhaupt den
ganzen bei der Spinnfijcherei be-
Tchriebenen Apparat, man fann aber
Schweifwurzel. Die Methode ift, auch die Schnur ohne Gerte und
Neo. 535. Dr. R.
Role von einem beliebigen Hafpel
ablaffen und mit der Hand führen.
Den meiften Erfolg bat man in
der Nähe des Ufers, an Waſſer⸗
pflanzen entlang, an der jogen.
Schar, wo das Ufer rafch abfällt,
in Tiefen von 3 big höchſtens 10 m.
Das Vorfach fei aus einfachem
Stahl- oder Bunjabdraht und 1'/,
bis 2 m lang, das Blei, von dem
man verjchiedene Größen vorrätig
haben foll, wird am zmedmäßigiten
zwiſchen Schnur und Vorfach ein⸗
gehängt. Man kann aber bei der
Handſchleppangel noch weitere Ar—
cher-Jardine Bleie in einiger Ent-
fernung an der Schnur anſchlingen.
Wil man von der Gerte aus den
Köder tiefer führen, dann benüßt
man die ſog. Gleitbleie von Hardy
(Taf. II. Fig. 29).
Hat ein größerer Fiſch gebiffen,
jo hüte man fi, ihn an das Boot
heranzuziehen, ehe er ermüdet ift,
bezw. ehe man ihn müde ge—
rudert bat. Dan reguliere das
Einziehen je nah dem Widerftand
des Fiſches und gebe ihm Schnur,
wenn er Fluchten macht, ziehe da=
gegen raſch ein und lafje raſch ru=
dern, wenn er vorwärts fchießt.
Um das Landungsgeräte geſchickt
anzubringen, hole man ihn an
der Handangel dicht heran und be-
nüße furzftielige Unterfangnete oder
Gaffs, führt man ihn aber an der
Gerte, dann foll der Stiel für beide
1'’r—2 m lang fein, um unter die
Achſel geſtemmt werden zu Tönnen.
Als Köder bewähren fi die
natürlichen wie die fünftlichen ziem=
lich aleih aut.
Der Fang mit der von mir fon
Itruierten Tieflee-Schleppangel ift
eine Epezialität für fih und kann
bei der Knappheit des Raumes hier
nicht zur Darftellung kommen.
535. Die Flugangel. Es gibt |
feinen eleganteren und kurzwei—-
ligeren Sport, wie den mit der.
Beink.
Slugangel. Er wird mit den feinften
Apparaten betrieben, ein gutes
Auge, ein ficherer Blick, kaltes
Blut, bligartige Entſchloſſenheit
find die nötigen VBorbedingungen.
Die Fifhe werden kaum verletzt,
die Verwundung verurjadt feine
Schmerzen und gibt dem Fiſcher
die Möglichkeit, die Heinen Exem—
plare zu fchonen und dem Waller
zu erhalten.
Da8 Angelgeräte befteht
aus einer einfachen oder geiplißten
Sluggerte, einer Rolle mit Schnur,
einem Poilzug und einem Vorrat
an künſtlichen Fliegen.
Dem Anfänger kann man nur
den Rat geben, fich zur Erlernung
der nicht gerade leichten Kunft des
Werfen? eine billige Gerte aus
Greenheart oder Lanzenholz anzu=
Ihaffen und erjt, wenn er fi) ge—
nügend Uebung verſchafft Hat, eine
geſplißte Bambusgerte zu erjtehen.
Die Hauptfache bleibt aber immer,
und beſonders für den Anfänger,
der richtige Bau der Gerte. Mit
einer jchlechten und zu fteifen ver-
dirbt er fich feinen Stil im Werfen
fo, daß er ed nie mehr richtig erlernt.
Ungemein viel fommt aud) auf
die Beichaffenheit der Role und
Schnur an, wie fon oben be=
ſprochen wurde.
Der Poilzug fol durchſchnittlich
eine Zänge von 1 m 50 cm haben
und nad unten dünner verlaufen.
An den beiden Enden find Scleifen
angebracht, die obere wird, wie aus
Fig. 250 oder 251 erfihtlih, mit
\
VII. Angellport.
der Schnur verknüpft,
in die untere wird die
Endfliege eingefcleift
(Fig. 259).
Meiſtens angelt man
mit 2—3 Fliegen, mehr
find nicht ratfam. Die
Endfliege nennt man
„Streder”, die Seiten-
fliegen „Springer“.
Das Boil, an dem
der Springer befeftigt
ift, ſoll 7—10 cm lang
fein. Bon den vielen
Methoden, den Sprin-
ger am Zuge zu be-
253. Springer. feftigen, ziehe ich aus
mehrfahen Gründen
die in Fig. 253 wiedergegebene
allen anderen vor.
Man verfertigt die künſtlichen
liegen ohne oder mit Poil, mit
einfahen oder mit Doppelhaten.
Die ohne Poil gebundenen nennt
man Ringfliegen, da fie mit einem
Auge verjehen find, um das Poil
erſt im Bedarfäfalle anzufnüpfen.
Da die Ringfliegen viele Vor-
teile, vor allem den der größeren
Haltbarkeit (dur die Möglichkeit
ein ſchadhaftes Poil auswechſeln
zu können) bieten, haben ſie in
England die am Boil gebundenen
ſchon größtenteild verdrängt.
Man befeftigt das Gut an den
Ringfliegen am ficherften durch den
108. „TZurlefnoten” (Fig. 254,
255, 256), defien Schürzung aus
den drei Stadien erfihtlid ift.
Der Jamknoten iſt noch ein-
facher, er eignet ſich aber nur bei
Fliegen mit ein⸗ und abwärts abge⸗
bogenen engen Ringen (Fig. 257 oder |
Nro. 535.
X
254—256. Turleknoten.
258). Knüpft man ihn nach
Fig. 258, dann muß die
Schlinge über den Ring
gezogen und das Poil nicht
zu kurz abgeſchnitten werden.
Fig. 259 und 260 ſtellen
| den ſehr brauchbaren, ein-
faden und doppelten Schleifen-
Inoten dar, mittels deſſen größere
257 u. 258. Jamknoten.
Ningfliegen mit weitem Ringe ein-
geichleift werden.
Man unterfcheidet zwei Methoden
der Flugfiſcherei, die mit der „trode-
u
259 u. 2060. Schleifenfnoten.
Nro. 535.
nen“ und die mit der „naflen”
Fliege. (Dry: und Wet⸗Fly der Eng-
länder). In den ruhigen und klaren
Flüffen Englands wird faft nur
mit der trodenen, in den Gebirgs⸗
flüffen Schottland mit der naſſen
Fliege geangelt. In Deutfchland,
befonderd im Süden, wo die Ge:
wäffer ein ſtärkeres Gefäll haben,
ift nur die letztere angezeigt.
Der Unterfchied beiteht haupt-
jählih darin, dag man mit der
trodenen Fliege, und zwar nur
mit einer, nur ftromauf fiſcht und
fie, damit fie ſtets an ber Ober:
flähe Bleibt, mit Baraffin tränft,
und vor allem darin, daß man fie
nur über einen Fiſch zu werfen
jucht, den man auf ein natürliches
Infekt fteigend beobachtet hat. Mit
der naſſen liege angelt man vor⸗
wiegend ftromab und benütt deren
2—3 gleichzeitig, der Streder darf
untergehen, die Springer follen
‚möglichft an der Oberfläche bleiben,
und was der Hauptunterjchied ift:
man wirft, auch wenn man feinen
Fiſch fteigen fieht, Man muß daher
jede Sekunde auf der Hut fein,
damit man einen bligfchnell ſtei⸗
genden Fiſch nicht überjieht.
Eine der größten Schwierigfeiten
für den Anfänger befteht in ber
Auswahl der richtigen Fliegen, je
nach Jahres⸗ und Tageszeit, Fiſch⸗
waſſer, Wafferftand, Wind, Wetter
und Beleuchtung,
Bon den Hunderten von liegen,
die es in allen Sarbennuancen und
Schattierungen gibt und die alle
Spezielle Namen und Nummern in
den Preisverzeichniffen der Geräte-
händler führen, wähle fi der An:
fänger für die erfte Zeit nur etwa
ein Dugend der gangbarften und be-
mwährteften Sorten, und zwar haupt⸗
ſächlich gewiſſer Univerfalfliegen,
die ſo ziemlich überall und für das
Dr. R. Beinſi.
Kulminationspunkt bei der Fliegen⸗
angelei, da man mit ihr die größten
Forellen und Aeſchen zum Steigen
bringt, die ſonſt das ganze Jahr
ſich ſcheu und mißtrauiſch von an⸗
deren Ködern, mögen ſie noch ſo
verlockend erſcheinen, abwenden.
Man verſäume nie die Fliegen,
die gerade ſchwärmen, anzuſehen
und womöglich einzufangen, event.
Sträucher und Ufergräſer darnach
abzuſuchen und wähle dann ud „u
feinem Fliegenbuch daB ähnlicfte 7 \r
Exemplar. Re
Das erfte, was der Anfänger .; "tk
lernen muß, ift der richtige Wurf, "dr
Dabei ift folgendes zu beobadten: ten
1. daß der Dberarm unbeweglid "ii
am Körper herabhängt und nur ie
der Borberarm, beſonders aber dad Cr
Handgelent, tätig ift; —
2. daß ſich Die Schnur bei jedem „th
neuen Ausfall vollfommen nad "Ya,
hinten ſtreckt, was nur möglid iſt, vw iv
wenn man zwijchen Rüde und :' ir
Vorſchwung eine Pauſe macht; , "ft
8. daß die Fliege nur mie eine „le,
Schneeflode auffallen darf, dab ," m
man bahber nicht auf die Oberflädhe — hi
des Waſſers, ſondern eima 1 m * h
darüber zielen muß; * I
4. daß die Schnur beim Schwung ||, leith
nach rückwärts, ſowohl von rechts | A
nach links wie umgekehrt, hinter " ig
dem Kopf des Angler eine Ellipfe you
beſchreibe; N
5. daß fich die ganze Bewegung 9—
der Gerte beim Wurf nur in einem Nil,
Winkel von 45° nad vorn und le
ebenfo viel nach rückwärts abjpiele; N
6. daB man zum Zweck, weitere - F
Würfe zu machen, nur Schnur von „Mi
der Rolle abziehen kann während N h
die Gerte im Schwung ift, weil |
man fonft immer hängen bleibt. Mi
Beim Wurf wird die Fluggerte | Ri
fo gehalten, daß die Rolle nad) Ri
unten gerichtet ift und die Schnur h
dı
ganze Angeljahr zu brauchen find. | frei über refp. außerhalb der hal-
Die Maifliege bildet geradezu den | tenden Hand zu den Ringen läuft.
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Die Cherdrollen haben den emi—
nenten Vorteil, daß man die Schnur
nicht zu faflen braucht und den
Fiſch frei von der Rolle anhauen
fann, ohne Gefahr durch zu große
Wucht eine Fliege oder den Zug
abzujprengen. Der Anhieb joll
nur durch eine Drehung des Hand:
gelenfes nad innen bemerfitelligt
werden, jo zwar, dab die Rolle
nah oben fommt, in mwelder
Stellung fie auch beim Aufrollen
der Schnur zu bleiben hat. Wer
lieber mit der rechten Hand aufrollt,
muß die Gerte vorher in die linfe
Hand nehmen.
Der Anhieb Hat in dem Mo- |
mente zu erfolgen, wo man den
Fiſch noch in der Tiefe bliten jieht,
nicht erjt, wenn er mit einem lauten
Schlag die Fliege erfaßt hat, ſonſt
fommt man, wenigſtens bei Sal:
moniden, fajt regelmäßig zu jpät.
Man Hüte fih dann, den Fiſch
zu forcieren und ihn rajch landen
zu wollen, fondern ermüde ihn,
indem man zwar die Gerte jtramm
geſpannt hält, ihn jedoch bei jeder
erneuten Flucht jo viel Schnur ab-
ziehen läßt, daß die Spannung
eine gleichmäßige bleibt. Zeigt er
fih ermattet, jo führe man ihn
mwomöglih einem günjtigen Lan—
dungsplage und, wenn man die
Mahl hat, ftromabmwärts zu. Kann
man ihn auf flachem Ufer heraus
jchleifen, dann ijt die Landung ge—
mwöhnlich leicht, bei hohem Ufer
jude man ihn womöglich zu ſtran—
den und hebe ihn dann mit dem
Unterfangneg heraus, indem man
mit der freien Hand die Schnur
ftramm geipannt hält. Zerren an
derjelben ift gewöhnlich von Nachteil.
Die Hedhtfliege oder der
fünftlidhe Eisvogel (Fig. 261)
wird von der Spinngerte geworfen.
536. Die Tippfifcherei oder
Bufchangelei kann mit jeder leichten
Grund-, Spinne oder Fluggerte
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1 4 — 7 2* = r _ s. —
VII. Angelſport.
Nro. 536-537.
ausgeübt werden, nur muß das
Vorfach kürzer und die Schnur ganz
kurz ſein.
Man fiſcht, indem man ſich vor—
ſichtig, event. nur kriechend, dem
Ufer nähert und den nicht be—
ſchwerten Köder nur auf der Ober:
fläche, je nach feiner Beschaffenheit
Ihwimmend, oder auf dem Waffer
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261. Hechtfliege oder der künſtliche
Eisvogel.
hüpfend, den Filchen anbietet. Man
benützt meift natürliche Inſekten,
wie Heufchreden, Käfer 2c., aber
auch Kunftprodufte werden viel ge=
braudt.
Angezeigt it die Methode im
engen Raume, wo man zu feinem
Wurfe ausholen fann, unter Bäu—
men, Büſchen, über hohes Schilf
oder bei kleinen Lücken zwiſchen
Waſſerpflanzen.
537. Fangarten der verſchie—
denen Fiſche. Bei den enggeſetzten
Grenzen dieſes Abſchnittes iſt es
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2 AT ui ar er ar:
hu "ED aa A
Nro. 538-540.
unmöglid ins Spezielle zu gehen
und den Fang jedes einzelnen beim
Angeljport in Betracht fommenden
Fiſches zu befchreiben. Für den
Anfänger mag ed, nachdem er fid
mit den SFangmethoden veitraut
gemadt, genügen, zu willen, daß
man die Friedfiſche, die zumeift in
das Karpfengefchlecht gehören, die
Zyprinier, als da find: der Karpfen,
Dr. R. Bein.
ftarfe Gewitter, raſcher Umſchwung
von gutem zu ſchlechtem Wetter
mit ſtark falendem Barometer.
Die Jahres: und Tage
zeit fpielt ebenfall® eine große
Role. Während in der Falten
Sahreszeit oft nur die Mittags:
ftunden günftig find, bringt in der
beißen gerade der frühe Morgen
und fpäte Abend am meiften Er:
die Schleie, den Dübel oder daß | folg
Aitel, die Barbe, die Plötze, den
Blei ꝛc. alle fo ziemlich mit den
gleiden Ködern mit der Grund-
angel fängt.
Hechte und Barſche, zu
welch letteren auch der Zander
oder Schill gehört, werden als
Raubfiſche mit der Spinn- und
Paternojterangel und den mit diefer
verwandten Angelmethoden er-
beutet, der Barſch aud noch mit
Wurm und anderen Grundfödern.
Zum Fang der Salmoniden,
lahSartigen oder Edel-
fiſche, die alle an der Fett- oder
Edelfloſſe kenntlich find, aljo’ der
Lachſe, Forellen, Huchen, Aeſchen ꝛc.,
wird hauptſächlich die Spinn- und
Flugangel benützt. Man fängt
zwar auch Forellen und Aeſchen
mit dem Wurm, doch wer wahren
Sport zu pflegen willens ift, wird
fit) außer bei trübem Wafjer bald
ganz von der Wurmfifcherei entan-
sipieren und dieſen für jo vornehme
Stiche viel zu gemeinen Köder den
Stimpern und Topffifhern über:
laſſen.
538. Wind und Wetter ſind
für den Sportfiſcher von großem
Einfluß auf das Fangreſultat.
Günſtigſind: Trübes Wetter,
milde Temperatur, Weſt- und Süd:
wind, Regen, ein überftandenes
Gemitter.
Ungünftig ift: Große SHite
und große Kälte, mwolfenlojer Him—
mel, falter und rauher Wind, be-
jonderd von Dften oder Norden,
olg.
539. Der Stand der einzelnen
Fiſcharten ift ehr verſchieden, Der
erfahrene Sportfifcher weiß aber
mit ziemlicher Sicherheit ihn un—
gefähr zu beftimmen. Mande Arten
leben mit Borliebe in der Strömung,
andere am Grund in tiefen Tüm⸗
peln, wieder andere unter den aus⸗
gejpülten Ufern, oder fie wechjeln
ihren Stand je nad) der Höhe des
Waſſers, jo ſuchen fie bei Hoch:
waſſer den Schuß des Uferd auf,
während ſie bei Niederwafler in
der Mitte des Fluſſes zu finden
find. Wer fich eingehender mit
dem Studium des Standortes der
Fiſche befafien will, wird gut tun,
ein ausführlihere® Wert über
Sportfifcherei nachzulejen.
540. Wie foll man fh am
Fiſchwaſſer verhalten? Die erfte
Hegel für den Sportfildder iſt:
Ruhe behalten und kaltes Blut.
Das ift nun leichter geraten wie
getan. Es wird wenig Anfänger,
ja ſelbſt ziemlich geübte Fifcher
geben, die nicht manchmal den Kopf
verlieren. Wer aber genau weiß,
was er im Einzelfalle zu tun und
zu lafien bat, und raſch gefaßt,
ohne langes Zögern, zum Entſchluß
fommt, dem Tann es an der Meifter-
Schaft nit mehr lange fehlen.
Das erfte, was ein Anfänger
natürlih lernen muß, ift die kor⸗
refte Behandlung der Angelgeräte,
der richtige Wurf, das richtige
Führen des Köders, fei e8 Wurm,
Spinnfifch oder liege.
wo Ein —— — — — Se
VII. Angelſpurt.
Man bleibe möglichſt weit weg
vom Ufer, trete leiſe auf und werfe
den Köder ſo leiſe wie möglich ein.
Der Anhieb ſei kurz, nie reiße
man den Fiſch heraus, denke immer
vor dem Landen an das Verkürzen
der Schnur, behandle einen großen
Fiſch vorſichtig, ermüde ihn zuerſt
nach allen Regeln der Kunſt, for:
ciere nur in Notfällen, ergreife das
Zandungsgerät erjt imlegten Augen⸗
blid, ohne den Fifch damit ſcheu zu
maden, und ziele gut, damit die
Zandung prompt gelingt.
541. Hegen und Sconen ift
eine der wichtigften Regeln für den
wahren Sportfiſcher. Wer nur an
den Magen und an ein Föftliches
Fiichgeriht denkt, oder gar an
einen Hingenden Erlös aus feiner
Beute, ift ein Topfjäger, aber Fein
fifchgerechter Sportangler.
Nie fol man einen Fiſch fangen,
der nicht Schon einmal gelaicht, aljo
für die Fortpflanzung feiner Art
mindeftend einmal gejorgt bat.
Die von den meiften Staaten feit:
gefegten Minimalmaße find leider
in der Mehrzahl zu niedrig ge-
griffen. Ein Fiſch, der noch Fein
entjprechendeg Maß bat, follte,
‚außer wenn er tödlich verlegt ift,
unbedingt wieder lebend in fein
Stammmajfer zurüdverjegt werden.
Der Genuß des Fanges, wenn man
bei einen fo kleinen Cremplar
überhaupt davon reden fann, bleibt
ja für den Sportfifcher der gleiche,
ob er ihn zurüdverjegt oder nicht,
es fol ihm aber nicht ſowohl auf
die Zahl, wie auf das Durchſchnitts⸗
gewicht feines Fanges ankommen.
Mer in feinen Gejamtrefultaten
das größte Durchſchnittsgewicht er⸗
reicht hat, das iſt der wahre Re—
kordmacher, nicht der, der die meiſten
Stücke erbeutet hat.
Wer auf dieſe Weiſe ſchont und
fleißig Brut oder noch beſſer Jähr⸗
| ftiefel bis zu den Hüften find für
linge nachſetzt, wird ftet3 ein gut
Nero. 541-543.
beſetztes Fiſchwaſſer haben, ſich und
anderen zur Freude und Genug-
tuung.
542. Bei der VBchandlung der
gefangenen Fiſche wird viel ge=
fündigt. Fiſche lebend nach Haufe
zu bringen ift eigentlidh eine Duä-
lerei für Menfch und Tier. Der
Fiſch ift am ſchmackhafteſten, wenn
er im vollen Saft feiner natürlichen
Nahrung getötet und nicht erft
ftunden- und tagelang, den Er-
ftiden nahe, zur Hungerkur ver:
dammt wird. Wer nicht zwingende
Gründe hat, wie die Verpflichtung
zur lebenden Ablieferung, töte feine
Fiſche gleich, weide fie forgfältig
aus, reinige fie mit Grad und
widle fie ohne fie zu waſchen
in ein trodenes Tuch oder beſſer
in reines Berbandgaze. Gewaſchen
ſollen fie erjt vor der Zubereitung
werden.
Hat man nicht weit nach Haufe,
dann ift bei kühlem Wetter das
Aufbrehen der gefangenen Fiſche
nicht zwingender Natur, zumal wenn
man jie in einem Fifchlorbe unter-
bringen kann.
543. Die Kleidung und Aus
rüftung muß vor allem Schuß gegen
Näfle von oben und Näffe von
unten bieten. In zweiter Linie
muß fie bequem und wie bei der
Jagd von unauffälliger Farbe fein.
Am beften find die leichten, im
Winter ſchweren, waſſerundurch⸗
läſſigen Khakiſtoffe, geradezu ideal
die Gabardineſtoffe von Bur—
berry in London, der ziemlich
hohe Preis wird durch die Unver⸗
wüſtlichkeit und das Ueberflüſſig⸗
werden eines Wettermantels wieder
ausgeglichen. Wer nicht ſo viel
ausgeben will, kleide ſich in Loden,
der ſich aber leider, wenn er naß
wird, vollſaugt und ſchwer wieder
trocknet.
Hohe, abfolut waſſerdichte Fiſcher⸗
Nero. 543.
Dr. R.
Bein.
den Watfiſcher unentbehrlih. Wan| macht“. Die rohe Gewalt, welche aud
hilft fich gegen Kälte mit warmer
Untertleidung, Leder: oder geſtrickter
Aermelweſte. “Die beften Fiſcher⸗
ftiefel, feien e8 nun Schnür=, Knie⸗
oder Hüftenftiefel, find unftreitig
die von Cording u. Co. in
London. Ich habe mich darüber
in „Angelfport im Süßwaſſer“ ein-
gehend geäußert.
Wettermäntel von Loden find
beim Angelfiihen ein unbequemer
Ballaft, beſonders wenn fie naß
geworden find. Entſchieden emp=
fehlenswerter ift ein leichter
Gummimantel. 1
Zur Ausrüftung gehört außer
dem unentbehrliden Ruckſack und
Fiſchkorb noch ein gutes Meſſer,
womöglich mit Säge, Schere und
Korkzieher, eine Feile, ein Biſtouri,
um im Noifall einen in die Hand
eingedrungenen Angelhafen heraus:
chneiden zu können, etwas Ber:
bandzeug, Heftpflafter, und im
Sommer ein Salmiakfläſchchen für
Müdenftiche.
Kiſcherſprache.
Anhauen, Anhieb, dem if durch einen
kurzen Ruck an der Angel den Angelhaken
ſo in die Weichteile des Maules treiben,
daß auch der Widerhaken eindringt und
das Entkommen verhindert. Man fpricht
daher auch von einem zu ſchwachen oder
zu ftarfen Anhieb, wenn enimeder der
Widerhaken nicht eingedrungen tft, ober
durch zu gewaltfamen Ruck Angel, Gerte
oder Schnur abgeiprengt wurde. Der
regelredte Anhieb tft von ganz ver-
ſchiedener Stärfe, je nad ber Methode,
die man gerade ausübt und je nad ber
Epannung, in der fi gerabe die Schnur
befindet.
Braudbar ift nur ein Fiſch, ber das
nefeglide Brittelmaß, oder das in dem
betr. Wafjer vereinbarte, aufweiſt.
Brittelmaß iſt das ftaatlich feſtgeſetzte
Minimallängenmaß, unter dem die ge—
fangenen Fiſche wieder in das Stamm⸗
waſſer zurückverſetzt werden ſollen.
Driklen, Gegenfag von Forcieren. Der
fiſchgerechte Sportangler drillt jeine Fiſche
an der Angel, d. h. er ermüdet ſie durch
Nachlaſſen ber Schnur, oder Schnurgeben,
wenn ber Fiſch zu fliehen fucht, oder,
wie man gu fagen pflegt: „Fluchten
ſchwereres, unfportsmäßiges Angelzeug
bedingen wiürbe, tft dem wahren Eport:
fiiher verbaßt. "
Fahne, Rilckeenfloſſe, beſonders bei ber
Aeſche gebräuchlich.
Fiſchdiebe, Raubfifcher,
oder freveln.
(Die) Fiſche find „gut“, „ſtark“, „Schwer
oder „Fapital“, auch Prachtexemplare.
Man ſpricht audı von „Fetzen“, „Mordd:
Rieſen“, Hechten oder Huden ꝛc., nid!
aber von „großen“, „Ichönen“ ober
„langen“ Beuteftüden.
Der Fiſchbeſtand iſt „gut“, wenn ein
Fiſchwaſſer gut befegt iſt. Der Beltand
ift „gemifcht”, wenn mehrere Fiſch⸗
arten vorlommen, „rein“, wenn bad
— —* nur eine Art hervorbringt.
öderfiſche, wie Pfrillen, Koppen 1.
kommen dabei nicht in Betracht.
Fiſchgerecht — weidgerecht iſt ein Sport⸗
fiſcher nur dann, wenn er ſein Fiſch⸗
wafſſer, wie ber Säger ſein Wild, hegt
und pflegt, d. h. fi zum minbejten ftreng
an die Schonvorjihriften hält, den Raub⸗
fiſchen zu Leibe geht und wenn es nottut,
fleißig Jungbrut, oder noch beſſer, Jühr⸗
linge audfest.
Gaff, Saffen, der Landungshaken und
bie Zunftgerechte Anwendung besfelben.
Griff zeigen, die Gerte im legten Ent:
ſcheidungskampf mit dem Fiſche jo zurück⸗
biegen, daß der Handgriff die Richtung
gegen den Fiſch einnimmt.
Mucken, das Steigen des Fiſches nach auf
— Waſſerſpiegel einherireibenden In⸗
ekten
„Petri Heil“ oder „Gut Waſſer weid“
milnfchen ſich bie Fiſcher gegenfeitig. Ver⸗
pönt find Zuruſe wie: „Biel Glüd“,
„Viel Vergnügen“ oder gar: „Machen
Ste gute Geſchäfte“. Die Engländer
‘rufen fih in finniger Weiſe: „Tight
Lines“, „ftramm geſpannte Schnur zu,
was infofern wohl einen Doppelfinn hat,
weil „to be on the tight rope“ (Seil
tänzerfeil) bedeutet: aufgeräumt und ganz
bei einer Sade zu fein.
Negionen ber Fiſche. Dan unter
fheidet bei größeren Flußläufen ver:
ſchiedene, immer nur für gemwiffe Fiſch⸗
nattungen und arten geeignete FJluß⸗
ftreden, wobei hauptſächlich die Tempe:
ratur des Waſſers und das Gefäll map:
gebend find.
Schar, plöglidier Abfall des ſeichten Ufer:
randes in Eeen nach ber Tiefe.
Schneider heißen die Fifche, welde has
geieglihe Minimalmaf noch nicht erreicht
haben. Bei Arten, die überhaupt keiner
ftaatlid) vorgeichriebenen Schonung unter:
liegen: alle jene Exemplare, bie ge:
ſchlechtlich noch unentwidelt find. Die
Sähußlaube (Alburnus bipunctatus) heißt
auch „Schneider“ im engeren Sinne, wohl
weil fie ein fo unanjehnliches Fiſchchen iſt.
mildern
fr
VII. Angelf[port.
Schneider ift man, folange man die
„Schneiderei nicht gerettet“,d. 5.
folange man nod keinen „brauchbaren“
Fiſch gefangen Hat.
Stand,Standort, ber Lieblingdaufent-
balt der einzelnen Arten, 3. 3. in ber
Strömung, in der Tiefe, am Ufer ꝛc.
Sm fpeziellen Fall: das Jagdrevier eines
größeren Raubfifche3.
Steigen. Während „Muden” nur das
Aufgehen der Fiſche nad Inſekten auf
dem Waſſerſpiegel bedeutet, bezeichnet
man mit „fteigen” allgemeiner das Auf-
fteigen der Fiſche aus der Tiefe auf Köder:
fifhe, die über ihnen hergezogen werden,
fowie auf Fliegen, die auch unter Waſſer
einhertreiben.
Strede bedeutet, wie in der Weidmanns⸗
fprade wörtlich genommen, dad Auslegen
der Beute nach beendigtem Tagmwert in
Nro. 543.
Reihen georbnet. Das Wort wird jeboch
von Fildern viel häufiger bildlich ge—
braudt, weil e3 nicht immer angeht, die
ſorgſam verpadten Fiſche im Revier
wieder auszupaden.
Umfteben, nur gebräudli für lebend
transportierte Fifche, wenn fie ſich matt
auf die Eeite legen und zu verenden
drohen.
Unterſtand, das Verfted des Fiſches.
Vergrämt iſt ein Fiſch, der entweder
ſchon Bekanntſchaft mit einer Angel ge—
macht hat, oder durch irgend ein Bor-
kommnis, wie Bewegung am Ufer, Bligen
der Gerte, Einfallen eines Schattens ıc.
vorfidtig geworden iſt.
Weidloch = After.
Wildwaſſer, Fluß oder Bach mit freiem
Zauf im Gegeniag zu Teich oder Aufzuchts⸗
graben, Kanal ıc.
Erklärung zu den nachftebenden Tafeln.
Zu Tafel I.
A. Dreiteilige, feinfte $luggerte mit Referveipige aus gefplißtem Bam—
bu3, 3 m lang. a Negftod, gleichzeitig zur Aufnahme der beiden Spigen, b lanzen:
förmiger Spieß, e c! Zapfen zum Schuf der Hülfen. Gewidt: 180 g.
B. Dreiteiltige $orellenfpinngerte (aud) leichte Hechtgerte) au3 geiplißtem
Tontinrohr, Handteil Hidory, mit Ebonit-Nottinghamrolle (zum recht3 aufrollen
geftellt), Schugring (d), Porzellan-Endring (f) und Gummiring (e), welder die
Hand vor dem an der Gerte berabrinnenden Waſſer ſchützt.
Gewidt: 550 g.
C. Dreitetilige, ſchwere Hecht- und leichte Hudengerte, aus dem
gleihen Material mit Holz.Nottinghamrolle (zum links aufwinden geftellt) und
Achatendring (fl). Gewicht: 650 g.
D. Dretteilige Spazterftodgerte mit abmehmbarem Leberring (1) zur Bes
feftigung ber Rolle (leichte Grund- und Spinngerte).
F. Landungs neztz in feinfter Ausführung von Farlow.
bei k mit Stahlfeder zum Anhängen verſehen.
Bierteilige Grundgerte aus Hidory. — Sämtliche Gerten aus der Wert:
ftätte von Hildebrand Wieland.
Bel i zum Umklappen,
(In ber Stahlfever hängt ein
Springring mit Klemmlarabiner, welder auch die Befeltigung am Rodtragen ꝛc.
ermöglicht.) Bei h ift dad Neg abfchraubbar.
ftattete Gaff:
G. paßt in das Gewinde bei h.
Der mit Schutzhülſe g ausge:
H Teleflopgaff, vierlantig, von Farlow, wird am bequemften in bem bei K
abnehmbaren Springring getragen.
Niro. 543.
a
.. oo. 08 0
—
10.3
Dr. R. Beink.
Zu Tafel Il.
Limerick⸗Haken.
Round-bend-Haken.
Pennell⸗ (mit Ring) Haken.
Sneck-bend-Haken.
Lipphaken.
Perfekthaken.
Limerick⸗Drilling.
Sneck-bend-Drilling.
Auswärtsgebogener Drilling.
Drilling mit Pfetlfpige.
Geſchloſſener Meſſingwirbel.
Geſchloſſener Stahlwirbel.
Schlangenwirbel.
Karabinerwirbel.
Buckelwirbel.
Nadelwirbel.
Doppelfederwirbel.
Doppelter Karabinerwirbel.
Einhänger.
Farlowſche exzentriſche Bleie mit 2 Schlangenwirbeln.
Archer-Jardineſche Einhängbleie.
Kopf⸗ oder Kappenblei.
Dee: ober Sapfenblet.
Bodenblei.
Birnförmiges Blei.
Lotblei.
Gleitblei.
Bootförmiges Blei, nach Geen, mit Einhängern.
Floß aus Gänſekiel.
Floß aus Stachelſchweinborſte.
loß für die Schnappangel.
loß für die Nottinghamfiſcherei.
Zu Tafel III.
Löſering, beſonders für die Schleppangel geeignet.
Löſeinſtrument zum Schneiden und Stoßen.
Löſemeſſer.
echtſchere.
Fr zum Umklappen für Ylugfifcher.
Hakenlöſer, einfad.
Ködernapel,
Fiſchwage.
Köderfiſchleſſel mit ſiebförmigem Einſatz.
Köderfiſchbüchſe von Wieland.
Fiſchkorb.
Ütenſilientaſche für Grundfiſcher.
Fliegenbuch.
Etui für Trockenfliegen.
ditto.
Poil-Wäſſerbüchſe von Farlow.
Büchſe für Spinnzeug.
Wurmbüchſe.
Heuſchreckenbüchſe.
Köderbüchſe zum Anhängen.
Pfrillen- und Krebsnetzchen.
Miniaturftahl.
Ruckſack.
Transportgeſchirr für lebende Fiſche Giſchlageh.
ditto, zum Zuſammenklappen (nad Ehmant).
N
VII. Angelfporf. Nro. 543.
Zu Tafel IV.
Gemwöhnlier Wurmköder.
Steward ſches Hakenſyſtem.
Dasſelbe, beködert.
Anköderungsmethoden bei auf dem Grunde aufliegendem Wurme.
Anköderung in Büſchelform auf größere Fiſche.
Dee⸗Syftem.
Dasſelbe beködert.
Perfektſpinner nach Pennell.
10. Derſelbe, beködert.
11. Krokodilſpinner nach Hardy.
13. Schnappangel nah Jardine.
18. Dieſelbe, beködert. (Man achte auf den Tiefſtand des Kopfes.)
14. Schnappangel nach Pennell.
15. Schnappangel nad Bickerdyke.
16. Dieſelbe, beködert.
17. Paternoſterangel nach Jardine für Hechte.
18. Paternoſterangel für Barſche.
19. Unteres Ende vergrößert.
20. a dazu in !je natürl,. Größe.
chluckangel mit 1 m langem Gimp und ausmechfelbarer Angel.
22. Schludangel für Forellen und Barfche.
28. Schnappangel für toten Köder.
24. Diejelbe, beködert.
25. Schnappangel für toten Froſch zum Hedhtfang.
26. Diefelbe, beködert.
waren enı
® Die 3
Zu Tafel V.
Pennell-Bromley- Flucht (Faclow).
Ehapmanfpinner mobdernifiert, mit Zelluloidſchaufel und 3 Nadelmwirbeln
ausgeftattet (Wieland).
Röhrchenſpinner in verbefjerter Ausführung, an Formalinfifh geföbert.
a Röhrchen; bb Führungsſtab; c Zentraljtab aus Neufilberbraht mit ans
geldötetem Schweifdrilling; d einfacher Kopfdrilling (fliegend), an Nabel-
wirbel und Ring; e doppelter Kopfdrilling (fliegend), an Doppelgalgen
mit Nabelwirbeln (Wieland).
Farlomblei im richtigen Größenverhältniß zu den 83 abgebildeten Angel
fluchten, 15 g ſchwer.
Punjabdrahtvorfach mit Wirbeln und Einhänger.
Verzinktes Stahldvrahtvorfah, 0,3 mm ſtark, für Yorellenfpinnangel mit
Farlowblei (abnehmbar).
Stahldrahtvorfah nah Geen, 0,4 mm ftark, für Hechte, Lachſe und Huchen.
Zwiſchenfach von feinem Punjabdraht mit Einhänger nach Heing (Wieland).
Zu Tafel VI.*)
Fig. 1. Naupenfliege (Palmer).
7 2. Käfer, ſummend dargeſtellt.
„3. Geflügelte Fliege (kleine Ephemara).
„4. Engliſche Trockenfliege.
„ 5. Spinnenartige Fliege (Hechelfliege).
„ 6. Schottiſche Phantafiefliege.
„ 7. Sees und Meerforellenfliege.
„ 8 Maifliege.
„ 9% Summende Waifliege.
„ 10. Heuſchrecke.
„ 11. Mitelfliege, zweihakig, nad Schneider.
„ 12. Lachsfliege.
+), Die auf biefer Tafel zur Anſchauung gebrachten, typiſchen Mufter Fünftlicher
5 können und ſollen nur den Wert haben, im allgemeinen zu zeigen, in welcher
eiſe die verſchiedenen Formen von Inſekten und Phantaſiegebilden zur Darſtellung
gebracht werden. Die Abbildungen nur der gangbarften Fliegen mit dem dazu not⸗
mwenbigen, erklärenden Text würben ben dem Angelfport gewidmeten Raum des Goldenen
Buches weit überfhreiten und muß Daher auf ausführliche Spezialmerte nn werben.
A
L
B.
9
—
262, Tafel I zu Angelſport.
3
!
f
i
!
263. Tafel IE zu Angelfport.
TRUE Ar —
nm
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t.
Angelſpor
[IV zu
265. Tafe
266. Tafel V zu Angelfport.
u nn
267. Tafel VI zu Angelfport.
TCIETTEITETEITET TEILTE TEE TEE TEE TE DE TTEIE
VI. Automobil: und Motorradfport.
Von
Max R. Zechlin, Charlottenburg.
1. Das Hutomobil.
544. Zur Entwidlung. Auto-
mobil- und Motorradfport entjpringt
dem bis zur Leidenschaft anwach⸗
fenden natürlihen Bedürfnis des
Menſchen zur fchnellen Fortbewe⸗
gung, dem Drange, ed dem Fiſche im
Waſſer gleich zu tun, dem Vogel in
der Luft, dem Hirſch auf der Heide.
Doc feine eng umgrenzten phyfie
ihen Kräfte und Fähigkeiten feiner
Gliedmaßen verfagen ihm diejen
Wettbewerb. Sein dem Tiere über-
legener Berjtand erfinnt den Motor,
und damit wird die erjte Möglich-
feit für die Entjtehung des Fort-
bewegungswerkzeuges gejchaffen.
Mährend die „Mafchine” groß und
wuchtig, ſchwer und maſſig ihre
Arbeit verrichtet, konzentriert der
„Motor“ ſeine Kraft auf den klein⸗
ſten Raum, mit geringſtem Gewicht,
in einfachſter Ausführung.
Schon Heron von Alexandrien
machte 120 Jahre v. Chr. Vor—
ſchläge zur maſchinellen Fortbewe—
gung von Fahrzeugen. Die Idee
lebte weiter. Sie wurde im Mittel:
alter wieder aufgenommen, wenn
auch erfolglos, und fand in der
Neuzeit erjt ihre praftifche Ver—
wirklichung. 1680 führte Siaac
Nemton die alte Idee aus, einen
Wagen mittelft nad hinten aus:
ftrömenden Dampfes vorwärts zu
treiben. James Watt baute 1781
zufammen mit William Murdod
ein Dampfdreirad, Cugnot 1765
einen wirklich laufenden Dampf:
wagen. Es folgten dann eine Reihe
mehr oder weniger geglüdter Ber:
ſuche ſeitens franzöfticher und Haupt:
fählih engliſcher Techniker, big
Walter Hancock 1833 mit neun
Dampfomnibuffen einen regelmäßi-
gen Betrieb zwischen London und
Paddington eröffnete.
Er fuhr felbft mit jeinem Dampf:
phaethon, welches auf eine Geſchwin⸗
digfeit von 20 englifhen Meilen
die Stunde gefommen fein foll, in
den Straßen Londond umher. Dann
begann in England der Wettfampf
mit dem in Entftehung begriffenen
Eifenbabnbetriede. Man hielt in
unbeſchreiblicher Kurzjichtigfeit eine
Entwidlung beider Verkehrsarten
nebeneinander für unmöglid. Die
„Schienenmänner“ hatten die Ueber⸗
madt und töteten die junge Auto⸗
mobilinduftrie durch eine Parla⸗
mentsbill, wonach 100 m vor jedem
nicht auf Schienen fahrenden Dampf:
wagen ein Mann mit einer roten
Fahne hergeben und das Publikum
warnen mußte, und die Fahr:
gejchwindigfeit auf 4 km begrenzt
VII. Aufomobil- und Motprradſport.
wurde. Dieje Bill wurde erft 1896
wieder aufgehoben. In Frankreich
und Deutichland verhinderten poli⸗
tifde Unruhen die Weiterentwid-
lung dieſes Fahrzeugs. Nach 1871
nahmen fich jedoch die Franzofen
derjelben mit großem Eifer wieder
an. Amédée-Bolls, Graf de
Dion, Ingenieur Bouton, Ser-
pollet und andere waren die
erſten erfolgreiden Vorkämpfer,
denen ſich in Deutſchland Gottlieb
Daimler, Marcus Siegfried
und Benz anſchloſſen. Daimler
in Cannſtatt baute 1885 nach vielen
Verſuchen das erite Motorfahrzeug
in Form eines Niederraded und
1886 den erften vierrädrigen Motor
wagen. Gleichzeitig baute Benz
in Mannheim fein erſtes Motor:
Dreirad. Aus ihnen entwickelten
fih in ungeahnter Schnelligkeit die
heutigen Fahrzeuge, bei welchen man
das Gemwollte erreiht hat: Die
fouveräneBeherrfhungeine 3
Werkzeugs zur beliebigen
ſchnellen Fortbewegung auf
dem Erdboden.
545. Daten über Wettfahrten
als Schnelligkeitsprüfungen und
Zuverläffigkeitsfahrten 2c. und die
erreichten Gejchwindigkeiten. Der
täglide Gebrauchswagen für den
Verfonen- und Laftentransport im
ftädtifchen oder Nachbarortsverkehr
fann oder darf nur mit 15—20 km
per Stunde fahren, der Automobil-
reifende oder Wanderfahrer begnügt
fih mit einer Durchſchnittsgeſchwin⸗
digkeit von 25—30 und mit einem
gelegentliden Höchſttempo von 45
bi3 60 km per Stunde. Zu mel-
hem Zwecke werden dann Rennen
mit Durchſchnittsgeſchwindigkeiten
von 70—100 und Hödjitleiftungen
von 120—150 km per Stunde ver-
anftaltet? Wozu werden Menjchen-
leben in Gefahr gebracht und enorme
Koften aufgemendet, um dieje Zei:
ten zu erreichen ?
Niro. 545.
Antwort: Zur Züchtung einer
gebrauchsfähigen Motorwagenraffe,
gleichwie die Pferderennen das beite
Mittel find zur verbreitenden Ver⸗
breitung eines weitgehenden In⸗
tereffes für gute Pferdeleiftungen
und zur Züchtung eine braud)-
baren Pferdematerials.
Reinigend und Härend wirken
bier die Rennen und Dauerfahrten.
Sie ermöglichen Vergleiche zwiſchen
den verfchiedenen Erzeugnifjen. Sie
ſchalten das unſchöne, unbrauchbare,
nicht bewährte Fahrzeug ſchnell
und ſicher aus. Der verbleibende
Reſt ſind wenige, den beſonderen
Zwecken entſprechende einheitliche
Bauarten, ſogen. Normaltypen. Sie
wecken das Intereſſe und erzwingen
die Beteiligung der Sport- und
Geldleute aller Geſellſchaftsklaſſen,
der hohen und höchſten Herrſchaften,
ſowie der regierenden Fürſtlichkeiten,
welches fördernd und befruchtend
einwirkt auf die Heranbildung einer
großen leiſtungsfähigen Induſtrie
zum Nutzen des einzelnen Bürgers
und der Geſamtheit, durch Ver—⸗
beſſerung der Verkehrsverhältniſſe
und durch Wehrhaftmachung der
Nation.
Es iſt erſtaunlich, in welcher
ſchnellen Weiſe die Geſchwindig⸗
keiten der Motorwagen ſeit den
erſten Wettfahrten gewachſen ſind.
Nachſtehend ſind die Rekordſtrecken
bezw. Rekordzeiten ſeit dem Jahre
1894 angegeben, in welchem die
erſte nennenswerte Automobilmett-
fahrt von Paris nach Rouen ſtatt⸗
fand.
1894: Die Strecke Paris-Rouen
war 133 km lang und wurde die
Wettfahrt von einem Dampfmotor-
wagen de Dion=-Bouton ge
monnen, er braudte 5 Stunden
40 Minuten, was eine Durchfchnitt3=
geihmwindigfeit von 29 km in der
Stunde gibt.
1895: 25km. Emile Zevaffor
Nero. 545.
durdlief auf einem Panhard-Tevaj-
ſor-Wagen mit VBollgummibereifung
eine Strede von 1200 km, ohne
einen Augenblid anzuhalten, er
blied genau 48 Stunden 17 Mi—
nuten an der Lenkitange ; daß jegige
Steuerrad kannte man damals noch
wenig.
1896: 25,2 km und 45 km.
Wiederum mar es ein Panhard-
Levafjor, Spferdig mit Vollgummi⸗
reifen, der erfte vierzylindrige
Panhardwagen, 1200—1300 kg
ſchwer, der die Strede Paris-Mar⸗
jeile und zurüd, 1707 km in 67
Stunden 42 Minuten 58 Seflunden
zurüdlegte, das find 25,2 km
Durchſchnittsgeſchwindigkeit. In
demſelben Jahre legte aber ein
Bollé⸗⸗Fahrzeug mit Jamin am
Steuer zwiſchen der kürzeren Ent⸗
fernung Paris und Trouville173 km
in 3 Stunden 5l Minuten zurüd,
entfprehend 45 km Stundenge⸗
ſchwindigkeit.
1897: Auf 38 km per Stunde
brachte e8 in diefem Jahre Rene
de Knyff zwiſchen Paris und
Bordeaux, er fuhr die Strecke von
573 km in 15 Stunden.
1898: 40 km in der Stunde
und 100 km in 118 Minuten.
Charron auf Panhard durdhfuhr
die GStrede von 1443 km zwi:
ihen Paris und Amfterdam in
35 Stunden 47 Minuten. 55 km
per Stunde durchfuhr derſelbe
Fahrer 1899 auf der Strecke Paris⸗
Bordeaux.
In dieſem Jahre fand das erſte
Kriterium der Motorräder ſtatt, bei
dem Leon Bollée den Weltrekord
aufftellte, er durchfuhr 100 km in
118 Minuten oder 1 Stunde 58
Minuten, alfo mittlere Geichwin-
digkeit rund 50 km in der Stunde.
1899: 50 km im Mittel und
den Kilometer in 34 Sekunden.
Im Laufe von drei Monaten ftei:
gern Jenatzy und Seantaud
M. R. Zechlin.
auf der Bahn von Achères mit
ihren eleftrifhen Ungeheuern den
Rekord auf 70 und 80 Kilometer,
ſchließlich durchfährt Jenatzy mit
fliegendem Start einen Kilometer in
34 Sekunden, das gibt eine Stunden⸗
geſchwindigkeit von 105,4 km.
Bei der Fahrt für Automobile
durch Frankreich (Tour de France)
leiſtete der Siege Rene de
Knyff auf Panhard 50 km im
Durdfänitt in der Stunde (2217
km in 44 Stunden 45 Minuten).
1900: 61,817 km, 70 km und
92 km. Dies Jahr bradte das
erite Gordon-Bennett-Rennen, für
weldes bis 1906 jedes Sahr in
dem Lande ausgefahren wurde,
dejlen Fahrer im Vorjahre Sieger
wurde. Durchdiefe Gorpon-Bennett:
Rennen ift das große Publikum
zuerft für die Automobilrennen in-
terejfiert worden und in Automobil:
fportfreifen herrſchte für dieſelben
fpäter größte Begeijterung. Des:
halb verlohnt es fich wohl, näheres
über die Entjtehung und den weis
teren Berlauf dieſes bahnbredhen-
den Rennens mitzuteilen. Auf dem
erjten diefer Rennen fiegte Char-
ron auf Panhard über eine Strecke
von 556 km Barig-Lyon mit 61,8
km mittlerer Geſchwindigkeit.
Mr.GordonsBennett,Eigen:
tümer des „New Dort Herald“,
großer Sport3männ und Mitglied
des Automobilliub de France,
madte 1899 diefem 10000 Frs.
zum Gefchenf, mit der Beftimmung,
daß der Klub für diefe Summe
einen Kunftgegenitand als Wander:
preis ftifte. Diejer Preis fol aU-
jährlich in einem Rennen verteidigt
werden, defjen Bedingungen von
dem A.C.F, feitzufegen find. Die
Herausforderung hat von einem
fremden Automobilflub zu geſchehen.
ALS Bewerber gelten nicht die um
den Preis fämpfenden Konkurren⸗
ten, jondern die Klubs, welde,
VIII. Aufomobil- und Mokorradſporkt.
wenn fie fiegen, nicht Eigentümer,
jondern Bemwahrer des Preijed wer:
den. Das Rennen fol jedes-
mal in dem Lande abgehalten wer:
den, welches den Preis hält, und
die ftartenden Fahrzeuge jollen voll:
ftändig in dem Lande hergejtellt
fein, für deffen Klub fie laufen.
Sie follen von einem Mitgliede
diefe8 Klubs. perfönlih geführt
werden, dem mindejtend noch ein
Begleiter hinzuzugejellen ift. Die
Länge der Strede joll 550 — 650 km
betragen. Die Fahrt fol zwiſchen
dem 15. Mai und 15. Auguft ftatt-
finden.
Das vorerwähnte erfte Gordon⸗
Bennett:Rennen im Juni 1900
war von bejonderem Intereſſe jo-
mohl wegen der jtarfen internatio:
nalen Konkurrenz al® auch wegen
der vielen Unfälle. Nur einer von
den fünf Gegnern ging über das
Zielband. Der fchlechte Zuftand
der Straßen und der vollitändige
Mangel einer Organifation waren
die hauptſächlichſten Umftände, die
den Konkurrenten die Fahrt er-
ſchwerten, wozu noch maſchinelle
Widermwärtigfeiten famen. Das
Durchſchnittstempo des Siegers
Charron betrug trotz einiger Un⸗
fälle immer noch 61 km. Im
zweiten Gordon = Bennett » Rennen
(1901) gelangte ein einziger von
vier Startenden and Ende. Gi:
rardot (mit 59 km per Stunde
Durchſchnittsgeſchwindigkeit), und
im dritten Rennen (1902) war
Mr. Edge der einzige von den
fünf Startenden, der da8 Ziel er-
reichte.”
In demjelben Jahr 1900 brachte
Rene de Knyff auf Panhard in
der Rundfahrt von Südweſt in
5 Stunden die mittlere Gejchwin-
digkeit von 70 km ein, den Schnellig-
feitöreford des Jahres lieferte aber
Senaty auf Bolide im Kriterium
Nro. 545.
37 km in 24 Minuten 45 Gef.
durdfuhr, was 92 km pro Stunde
bedeutet.
1901: 101 km im Mittel, das
Kilometer in 35,8 Sek. Gleich zu
Anfang des Jahres ftellte Ser:
pollet den Rekord auf, er durch⸗
fährt mit fliegendem Start den
Kilometer in 35,8 Sek,, was einer
Stundengefchmwindigfeit von 101 km
gleihfommt, und gewinnt damit
den erſten Rothſchildpreis.
Etwas ſpäter wird die Fahrt
Paris⸗Bordeaux organiſiert und
zugleich das zweite Gordon⸗Bennett⸗
Nennen. Letzteres gewinnt Gir-
ardot mit einer mittleren Ge—
Ihmwindigfeit von 59 km; bei
erjterer ift Henry Fournier
Sieger, der die 555 km lange
Strede mit einer mittleren Ge—
Ihwindigfeit von 85 km zurüd-
legt.
Sn demfelben Jahre fand auch
die damals bejonders in Deutlich:
land viel Aufjehen erregende Fahrt
vom 27.—29, Suni Paris-Berlin
ftatt. Es wurden 74,37 km per
Stunde auf der langen Strede von
1196,03 km erreicht. Letztere wurde
in drei Stappen zu je einem Tage
gefahren: Paris-Aachen, Aachen:
Hannover, Hannover:Berlin. Alle
nennenswerten durchfahrenen Ort»
ſchaften wurden „neutralifiert“, d.h.
die Rennwagen wurden in lang:
jamerem Tempo von Radfahrern
durchgeführt und mußten vor dem
Verlaſſen des Ortes die vorher be-
rechnete Bajfierzeit für den Ort
abwarten.
Es ergab fih die Durchſchnitts⸗
geſchwindigkeit, unter Abrechnung
der 8 Stunden neutralen Zeit,
von 74,37 km für Fournier.
Seine größte Schnelligkeit ftiea
zeitweife auf 110—120 km per
Stunde.
Fournier fuhr einen 7Opfer-
der Provence, indem er die lebten | digen Morswagen von 1450 kg
Niro. 545,
Gewicht und erlitt unterwegs elf
Pneumatikexploſionen. Girardot
al8 zweiter und Rene de Anyff
als dritter hatten PBanbard-, Bra⸗
fier als vierter gleichfalls einen
Morswagen, von etwa gleicher
Stärke. Es kam hier alfo der perfön-
liche Faltor: die Neberlegenheit des
Fahrer neben den Glückszufällen
zur Oeltung. Neben den Syſtemen
fümpften die Berjonen der Fahrer
miteinander. Hierdurch) wurde der
Iportlide Charakter des Rennens
gewahrt.
1902: 136,50 km und 90 km
im Mittel. Es fanden verfhiedene
Konkurrenzen über den Kilometer
mit fliegendem Start ftatt, die
folgende Refultate ergaben:
km pro Std.
120,420
122,477
132,000
Leon Serpolletmit
Deuf de Päques .
Vanderbiltauf Mors
in Ali. x...
Le Blon auf Serpollet
in Deauville . .
Chaudard auf Pan:
d 135,338
ar
Gabriel auf Mors. 136,350
Sn der Dauerfahrt Paris: Wien
erzielte Rens de Knyff 90 km
Durdhichnittsgefchwindigfeit.
1903: Den Kilometer in 26,4 Sef.
— 136,363 km pro Stunde. Dar:
racg nahm in Dourdan auf Go:
bron Brilie mit fliegendem Start
den Kilometer ın 26,4 Sef, und
ftellte den Weltreford auf.
Serpollet gewann in Nizza
abermals den Rothſchildpreis mit
123 kn in der Stunde.
Jenatzy, der Sieger des Gordon:
Benneit in Irland, legt auf Mercedes
9OkminderStunde zurüd, und Mors
auf der erjten Etappe Paris-Bor⸗
deaur des Rennens Paris-Madrid,
das infolge von Unglüdsfälen abs
gebroden wurde, 105 km in ber
Stunde.
1904: Den Kilometer in 21,6
4
7T· 11
M. R. ZSechlin.
Sek. = 166,66 km in der Stunde.
In Arras erreicht Gabriel über
eine Strede von 5 km 120 km
in der Stunde, hervorragender ift
Rigoly auf dem fehr günftigen
Strande von Dftende, er nimmt
bei fliegendem Start den Kilo:
meter in 21,6 Set, = 166,66 km
Stundengefchwindigteit.
Thery gewinnt auf Brafier dad
Gordon:Bennett im Taunus über
564 km, er braucht 5 Std. 50 Win.
8 Sef., was einer Stundengeſchwin⸗
digkeit von 96 km entfpridt.
1905 : 174,758 km in der Stunde
oder 1 km in 20,6 Self. Thery
gewann das eigentliche Gordon⸗
Bennett in Frankreich mit 78,428km
in der Stunde. Dann leifteten
km in der Std.
Hemery in den Ar⸗
dennen . . 100,450
Raggio in Breäcia . 105,300 .
Ssletiher . . . „ 123,600
Hémerp in Salon . 174,758
Diefet lebte Kilometerreford bei
fliegendem Start bedeutet rund
50 m in der Sefunde, das ift die
Geſchwindigkeit eines Sturmed.
1906: 205 km in der Stunde.
In den Ardennen bedeckte der Steger
Duret 105 km im Durchſchnitt
in der Stunde, Gabriel, der als
Dre einfam, immer noch 102,22
Szisz gemann ben Grand Prix,
Länge der Strede 1238 km mit
einer Stundengejchwinbigfeit von
101,300 km.
Lee Guineß flug in Dourdan
den im vorigen Jahre von Hoͤmery
aufgeftellten Rekord, er braudte
fliegend für den Kilometer nur
20 ©ef. = 180 km in ber Stunde.
Mariott überwindet in Florida
auf einem Serpollet:Dampfwagen
die Meile (1,6 km) in 28,2 Sek.
und das bedeutet eine Stunden:
en feit von 205 km.
1907: 113,600 km. Das Jahr
J
9
ws
—
wen
*
ve
VII, Rufomobil- und Molorradfporf.
verläuft bezüglich des Wachstums
ber Geſchwindigkeiten ziemlich ruhig.
Sn den Ardennen und in Brescia
erreichen die Sieger aber Doch noch
mebr al3 100 km in der Stunde, und |‘
Nazzaro gewinnt den Grand Prix
(770 km) mit 113,600 km Durd):
ſchnittsgeſchwindigkeit in der Stunde.
1908: Ein Erfolg, wie ihn die
deutſche Autoinduftrie und feine
andere bisher erzielt hat, wie ein
folder überhaupt wohl niemals auch
auf anderem Sportgebiet in einem
internationalen Wettbewerb erreicht
wurde, haben die deutichen Fahrer
am 7. Juli d. $. gehabt. Das
größte automobilfportliche Ereignis
der Welt, der „Große Preis“,
welder bei Dieppe in Frankreich
ausgefahren wurde und deſſen Ge-
winner als Weltmeijter angefehen
werden muß, bat mit einem über:
mwältigenden Siege der deutſchen
Fahrer und Wagen geendet. Die
Geſamtſtrecke, welche in 10 Runden
von je 77 km auägefahren wurde,
betrug 770 km. Der erfte Plaß
wurde von Lautenfhlager auf
einem Mercedeswagen belegt in
einer Zeit von 6 Stv. 55 Min.
43 Sef. entſprechend einer Stunden-
geſchwindigkeit von 112 km. Die
erften 7 Fahrer von 22 Angekom⸗
menen haben 100 km Durchſchnitts⸗
geſchwindigkeit trotz ſehr Tchlechter
Straßenbeſchaffenheit erreicht, und
damit ſind die Leiſtungen der
früheren Rennen über ſo lange
Strecken weit übertroffen worden.
Unter den 7 erſten Fahrzeugen —
zwifhen dem 7. und 8. und den
folgenden ift eine fo große Zeit-
differenz, daß die erften 7 Fahr⸗
zeuge allein betrachtet werden können
— befanden fih 6 deutſche und
zwar der erjte, zweite, dritte, fünfte,
ſechſte und ſiebente. Das End-
ergebnis war wie folgt:
1. Lautenſchlager
- (Mercedeg) .
Nro. 546.
2. Hemery (Benz) 7: 4:24
3. Hanriot (Ben) . 7: 5:13
4. Rigal(Bayard Cle-
ment) . . 7:30:36
5. Willy Poege
(Mercedes) 7:31:32
6. Jörns (Opel). 7:39:40
7. Erle (Benz) 7:43:21
Der Erfolg erfcheint noch befon-
ders groß dadurch, daß nur neun
deutfhe Wagen gegen 24 franzö:
fiihe zu kämpfen hatten, und daß
von diefen 9 Wagen 6 die erften
Pläge erreichten. Nur ein franzö-
ſiſcher Wagen beiten Yabrifats hat
fih zwiſchen die deutſche Phalanx
ſchieben können. Die ſchnellſte Runde
bei dieſem Rennen wurde dazu mit
einem der nicht plazierten deutſchen
Mercedeswagen durch den Fahrer
O. Salzer mit einer Durchſchnitts—
geſchwindigkeit von 126,5 km ge:
fahren.
Den Stundenreford für Auto-
mobile auf der Rennbahn erzielte
der italienische Rennfahrer Naz—
zaro auf der englifhen Broofland-
bahn im Mai 1908 mit 180 km
pro Std. Eine Runde legte er mit
einer Gejchmwindigfeit von 193 km
per Std. zurüd. Diefe Gefchwin-
digfeit dürfte mit der bisherigen
Gummibereifung nicht mehr mejent-
lich überjchritten werden können,
denn die Radumfangsgefchmindig:
feit beträgt bierbei jchon über 50 m
per Sef. und ift damit an einem
äußerft Fritifchen, fehr leicht Gefahr
bringenden Punkte angelangt.
Den Rekord der Motorräder auf
der Landftraße verteidigt zurzeit
Bucgquet, Frankreich, mit 90 km
pro Std.
546. Das Automobil mit Er-
plofionsmotor (franz. voitüre-ä-
petrole, engl. petroleum motor-
car), häufig auch Benzin- Automobil
genannt, erhält feinen Antrieb durch
einen Erplofionsmotor, in welchen
6:55:43 | Benzin-, Petroleum⸗ oder Spiritus-
Niro. 546.
dämpfe entzündet und zur Exrplo-
ftion gebradht werden, mobei dieſe
treibend auf den Zylinderfolben
einwirken. Da dieſe Antriebsart
die weitaus verbreitetite ift, jo foll
diefelbe nachſtehend etwas eingehen=
der behandelt werden als die übri-
gen, ſoweit die an diefer Stelle
möglich ift.
Borne, vor dem Führerſitz, liegt
unter der DBlechhaube der 1 bis
6 zylindrige Motor. Bei. größe:
rem Kraftbevarf wählt man einen
zwei⸗ oder einen vierzylindrigen,
ausnahmsweife auch ſechszylind⸗
rigen Motor; letzteren befonderg
dann, wenn man Wert auf einen
außerordentlich ruhigen, faft ge=
räufchlofen Gang legt. Denn bei
vier Zylindern gleichen fich die
durch die Erplofionen und Kolben-
ftöße bervorgerufenen Erfichütte-
rungen fajt vollftändig aus. Ein
Bierzylindermotor mit Induktor⸗
(Batterien:) Zündung läuft auch von
jelber an wie eine Dampfmafchine,
während man die anderen Motoren
nad jedem Stillitande anfurbeln
muß. Dreizylindermotoren werden
auch gebaut, find aber jeltener.
Beim Mehrzylindermotor find
die Zylinder derart untereinander
verbunden, daß die Kolbenſtangen
jämtlider Zylinder an einer ge=
meinfamen Kurbelwelle angreifen.
Die Kurbeln find dann um einen
MWinfel von 180° gegeneinander
verjegt. Diefe Anordnung gibt den
bejten Ausgleich der Hin und her
Ihmwingenden Maffen des Kolbens,
der Kolbenftange und der Kurbel
und infolgedeffen den rubigften
Gang.
Der Motor ift meift ftehend ein-
gebaut, alſo mit auf und nieder
gehendem Kolben, eine Anordnung,
von der heute nur felten abgemwichen
wird, während man früher mehr
liegende Motoren mit horizontaler
Kolbenbewegung bevorzugte.
mM. R. Zcıhlin.
über der Vorderachſe ftehende Mo-
tor ift äußerft leicht zugänglich, fo
daß feine Bentile und Zündung
bequem nachgejehen werden können,
und gejtattet den direften Angriff
an der in der Längsachſe des Fahr:
zeuges liegenden Hauptmelle.
Die Arbeitäweife des Motors ift
eine jehr einfache und ähnlich der⸗
jenigen der Dampfmafdine. Was
aber der doppeltwirfende, beider-
feitig gefchloffene Dampfzylinder
mit einer halben Kurbelumdrehung,
aljo mit einem einzigen Hube be-
forgt, dazu braucht der Grploftons-
motor zweivollefurbelumdrebungen,
alfo vier Hübe. Diefe umfafjen
eine „Arbeitsperiode”. Man jagt
— der Motor arbeitet im „Vier⸗
takt“.
Das Verſtändnis dieſer Arbeits⸗
weiſe erleichtert uns die ſchema⸗
tiſche Abb. 268. Bon I bi IV
ftellen die vier Hubperioden während
einer Arbeit3periode, aljo während
eines Viertaftes dar. Im Zylinderl
geht der Kolben 2 auf und nieder
und überträgt feine auf und nieder
fhwingende Bewegung mittels Kol-
benftange 3 und der Kurbel 4 in
eine rotierende oder Drehbewegung.
Ein auf der Kurbelwelle ſitzendes
Schmwungrad 5 ſorgt für die Stetig-
feit und Gleichmäßigfeit des Kurbel:
umlaufes.
Das zur Explofion nötige Gas⸗
gemifch gelangt durch Ventil 6 in
den Zylinder und wird durch eine
Zündferge 7 bei jedem vierten
Hube zur Entzündung und Explo-
fion gebracht. Das verpuffte Gas
wird dann durch PBentil 8 aus
dem Zylinder entfernt (außge-
ftoßen). Diejed Auspuffventil wird
durh ein Steuerungsgeftänge bei
jedem vierten Hub geöffnet, wäh⸗
rend ſich das Einlaßventil 6 felbft-
tätig öffnet infolge des beim Saug-
bube im Zylinder entjtehenden Va⸗
Der | fuums. Bei neueren Motoren wird
„--a BE meer .
=
=» 4
JEwE Ss -Ara@ran
|
268. Arbeitsweife des Motors.
J A
FJ
>.
Ki
4
j
J
N
y
4
4
\
r
|
|
l 4
Sie ri se
Niro. 546.
auch das Saugventil zwangläufig
durch die Steuerung betätigt. Das
Schließen beider DBentile beforgt
meiftens eine Yeder (9 und 10).
Ein auf der Kurbelwelle aufgefeilter
Zahntrieb 11 fteht im Eingriff mit
einem doppelt jo großen Zahnrad
12, welches eine Kurvenjcheibe 13
betätigt, diefe hebt bei jedem Aus-
puffhub (IV) die Ventilftange 14
und öffnet jomit dad Auspuffven-
til 8.
Bon der Kurbelwelle wird ferner
die oSzillierende oder rotierende
Bewegung für den Induktions- oder
magneteleftrifhen Z—ͤndungsmecha⸗
nismus 15 abgeleitet, welcher den
eleftrifhen Strom für die Zünd-
ferze 7 liefert.
Der Zylinderlörper ift doppel-
mwandig hergestellt bezw. mit einem
Waffermantel 16 zur Aufnahme
des Kühlmafjer, zur Abkühlung
des durch die Erplofionen erhitten
Zylinders verfehen.
Die Motorarbeit beginntmit:
l. dem Saughube. Der am
oberen BZylinderende befindliche
Kolben wird durch das in jchneller
Umdrehung befindlihe Schwungrad
nad unten gezogen. Es entjteht
ein Bafuum im Zylinder, wodurch
dag Einlaßventil 6 geöffnet und
das Gasgemifh, beitehend aus
Benzine bezw. Petroleum: oder
Spiritusdpämpfen und Luft, ein
gejaugt wird. Am Ende des Hubes
ift der Kolben unten angelangt und
der Zylinder ift mit dem Gas:
gemiſch angefüllt.
Woltte man das letztere nun
entzünden, jo würde e8 wohl bren—
nen, aber nur mit jehr ſchwachem
Drude erplodieren. Schießpulver,
auf den Zieh gejtreut und ange—
zündet, verpufft ohne weitere Wir-
fung. Dagegen in einer Patrone
zujammengepreßt und feft in den
M. R. Zechlin.
Kraft hinaus. Das gleiche gilt von
dem erplofiblen Gas. Wil man
feine treibende Kraft voll aus:
nugen, jo muß man es erft zu-
fammenprefjen. Alfo:
2. der Kompreffiong- oder
Verdichtungshub. Der Kolben
fhiebt von unten nad oben das
Gasgemiſch zufammen und preßt
ed zujfammen. Einlaß⸗ und Aus-
puffventil find gefchlofien. Auch
bei diefem Hube wird der Kolben
von dem umlaufenden Schwung:
trade getrieben. Oben angelangt,
ift der Kolben nunmehr bereit,
feinerfeit3 die Arbeit zu leiften
und dad Schwungrad anzutreiben.
Dies gejchieht im
3. Erplofiong- oder Ar
beitöhbub, indem in demfelben
Augenblid, wo der Kolben feine
höchſte Stellung erreiht Hat, der
elektriſche Funke von dem Mecha⸗
nismus 15 des Motors ausgelöſt
wird und an der in das Innere
des Zylinders hineinragenden Zünd⸗
kerze 7 überſpringt. Dadurch wird
das zuſammengepreßte Gasgemiſch
wirkungsvoll entzündet, dehnt ſich
mit kräftigem Stoße aus und treibt
den Kolben bis an das untere
Zylinderende. Hierdurch erhält das
Schwungrad eine derartige Be-
ſchleunigung, daß es infolge feines
Beharrungdvermögeng den Kolben
während der übrigen drei Hübe
allein auf und nieder bemegt.
Während dieſes Erplofionghubes
dehnt fih dag verbrannte und im
Augenblid der Zündung auf etwa
15 bi! 20 Atm. gefpannte Gas in
dem fich mit dem Kolbenniedergang
vergrößerten Zylinderraum aus.
Man jagt, „es expandiert”, und
nennt daher diefen Hub auch den
Erpanfionshub.
4. Der Auspuffhub. Bei
dem nun folgenden Aufgang des
Lauf eines Gewehres eingefchlofien, | Rolbeng öffnet die Kurvenſcheibe 13
treibt es die Kugel mit gewaltiger | durch Anftoßen ber Kolbenftange 14
VIII. Aulomobil- und Mopiorrad[pori.
das Auspuffventil, und die ver:
brannten Gaſe werden aus dem
Zylinder audgeftoßen.
Die hier gejchilderten Vorgänge
jpielen fih nun in außerordentlich
furzer Zeit ab, ein Hub folgt dem
andern in dem Bruchteil einer Se:
funde. Diefe Motoren machen in
der Minute 800— 1200 Umpdrehun-
gen oder 1600 bis 2400 Hübe oder
400-600 Viertaktperioden. Die
Hubdauer für einen Hub beträgt
aljo "no Bi = "0 bis
ee große Geſchwindigkeit er:
möglicht die Verwendung verhält:
nismäßig Kleiner Motoren und
Schwungräder von Fleinem Durch⸗
meffer für große Leiftungen. Sie
feßt aber andererfeit3 eine äußerjt
genaue forgfältige Ausführung und
fehlerfreie8 Material bei den ein-
zelnen Teilen des Motors voraus,
fofern häufige Störungen und koſt⸗
jpielige Reparaturen vermieden
werden follen. Dies ift wiederum
eine Mahnung, nur beftausgeführte
Motoren erſtklaſſiger Firmen, welche
ihre Brauchbarfeit durch lang=
jährigen Betrieb erwieſen haben,
zu faufen, nicht billige Marktware,
welche mit viel Rellamegejchrei in
die Welt gejegt wird.
Auch erjieht man hieraus, daß
das FZunktionieren des Motord von
der eraften Arbeit der elektriſchen
Zündung abhängig iſt.
Die Zündung gejchieht heute in
etwa 40 Fällen von 100 durd
Batterie: oder Induktionszündung,
in 60 Fällen durch magnet:eleftri-
ide Zündung. Bei erjterer wird
der eleftriihde Strom durch eine
Heine Batterie, beftehend aus
einigen Elementen, geliefert, bei
legterer durch einen Eleltromagnet.
Um fh nun von den übrigen
Organen des Wagen? und von der
Nro. 546.
heben wir nah Löſung einiger
Schrauben den Wagenkaften vont
Untergeftell ab und haben nun das
lestere und die Geſamtanordnung
der Majchinerie vor ung (Abb. 269).
Wir fehen hier den zweizylindrigen
Motor A mit dem Schwungrad F,'
in Verbindung mit erjterem die
übereinander liegenden Ein- und
Auslaßventile auf der linken Seite,
den Bergafer V, die Andrehkurbel D,
die im Schwungrad fitende Rei:
bungsfupplung F, das Wedel:
getriebe G für die verjchiedenen
Geſchwindigkeiten, dad Univerjal-
gelent H, die Gelentwelle J, en:
dend in einem zweiten Univerfal-
gelenk (Kardan), die koniſche Räder-
— — — — — — — — —— —— — — — — — —
überſetzung und das Differential⸗
getriebe L. Ganz vorn am Wagen
liegt der Zuftfühlapparat R für das
Kühlwaſſer des Motors, rechts
neben dem Lenfrad der Handhebel 1
zur Bremje, auf der linken Seite
der zylinderförmige Auspufftopf und
die beiden Bergftügen TT.
Der Motor A überträgt alfo
nah Einrüden ver Reibungskupp⸗
lung F feine Umdrehungen auf das
Geſchwindigkeitsgetriebe G, be—⸗
ſtehend aus mehreren Zahnräder⸗
paaren zur Verminderung und Ab⸗
ftufung der hohen Umlaufzahl des
Motor. Bon hier aus wird die
gelenfige Welle J, dag koniſche
Räderpaar und das Differential⸗
getriebe L in Bewegung geſetzt und
durch letzteres die Hinterradachſe
mit den Ddaraufgeleilten Rädern
angetrieben.
Sehen wir und die einzelnen
Teile des Getriebed näher an. Da
ift zunädft die an der Motormwelle
befeftigte ausrückbare Kupplung (F).
Diejelbe hat die Aufgabe, die Dreh:
bewegung der Motormwelle auf das
Getriebe zu übertragen. Eine ftarre
Verbindung zwiihen Motor und
Uebertragung der Motorfraft auf | Getriebe ift deswegen nicht an-
die Wagenräder zu unterrichten, | gängig, weil erſtens der az nur
5
Te een ee rn
Nro. 547. M. R. Zechlin.
269. Geſamtanordnung der Mafchinerie.
beim plögliden Ans
halten des Wagens
der Motor, wenn los—
gefuppelt, ruhig weiter
laufen und zum Weiter:
fahren jofort wieder
eingerüct werden kann,
und weil e3 drittens
häufig erforderlich ift
(3.8. beim Schleudern
und teilmeife auch beim
Bergabfahren), den
Motor auszurüden und
den Wagen ohne moto«
riſche Antriebsfraft
laufen zu lafjen.
Bor dem Führer ift
am Boden ein Fuß:
hebel angebracht, mit
welchem durch eine
leichte Fußbewegung
die Kupplung ausge—
rückt, alſo die Verbin—
dung zwiſchen Motor
und Getriebe unter
broden werden kann.
Das Einrüden ge:
ſchieht jelbfttätig durch
eine ſtarke, an der
Kupplungswelle ange—
brachte Feder.
547. Das Dampf—
automobil (franzöſ.
voiture-ä-vapeur,eng:
liih steam - carriage)
befigt einen Röhren:
dampffefjel, welcher
mit Petroleum (ſelte—
ner Spiritus) geheizt
wird, und eine ge:
wöhnliche, zweizylin-
drige Schiebers oder
Bentildampfmafchine
mit Kuliſſenſteuerung,
wie bei den Lokomo—
tiven.
Der Kefjel ift ein
im Leerlauf, d.h. im unbelafteten, | Labyrinth von Flußeifenröhren oder
nicht mit dem Wagen gefuppelten | ein Bündelvon Kupferröhren, welche
Buftande anläuft, weil zweitens | aufjehr hohen Drud (bis ca.50 Atm.)
VII. Auiomobil- und Motorradſport.
geprüft find und auch im rotglühen-
den Zuftande noch den Betriebs:
drud aushalten. In diefen Kefjel
wird mittel® einer von der Ma—
ſchine angetriebenen Kleinen Pumpe
während des Ganges der Maſchine
fortwährend Wafler, welches durch
den Auspuffdampfvorgewärmtwird,
in Heinen Mengen hineingeſpritzt.
Die Menge dieſes Speijewafjers
läßt ſich fo regulieren, daß fie ge-
nau der verbraudten Dampfmenge
entipricht. Sobald dag Speifewafjer
die heißen Rohrwände berührt, ver:
wandelt es ſich fofort in Dampf.
Diefe Zwergdampfteflel, welche
etwa die Größe eines Stalleimers
haben, erfordern je nach ihrer Be-
triebsdauer und der Bejchaffenbeit
des Keſſelſpeiſewaſſers eine mehr⸗
malige Reinigung im Jahre, welche
man entweder von dem Lieferanten
nach Auswechſelung gegen einen
Erſatzkeſſel oder aber auch von
irgend einem intelligenten Schloſſer
vornehmen läßt.
Unter dem Keſſel liegt der aus
dem Betroleumbehälter mittels einer
Heinen von der Maſchine ange-
triebenen Pumpe gefpeifte Brenner.
Sn ihm wird das zugeführte Pe⸗
troleum erhigt und verdampft, die
Vetroleumdämpfe miſchen ſich mit
der atmosphärischen Luft und geben
jo ein brennbares Heizgas, welches
die Kefjelröhren umfpült. Das für
den Brenner beftimmte Petroleum
befindet fich in einem luftdicht ab-
geſchloſſenen Behälter, welder
mittel3 einer kleinen Handpumpe
unter einen geringen Quftdrud ge-
fegt wird. Diefer bezwedt ein
leichte Weberftrömen des Petro—
leums in den Brenner und eine
befjere Bergafung desfelben.
548. Das Eleftromobil (franz.
voiture electrique, engl. electric
car) bat als Kraftquelle den jogen.
Akkumulator. Derjelde beiteht aus
siner Anzahl (ca. 40) vierediger
Niro. 548,
Käften aus Glas oder Hartgummi,
Zellen genannt, in melden zwei
präparierte Bleiplatten einander
gegenüber in verdünnter Schwefel:
fäure ifoliert aufgehängt find. Die
pofitiven und negativen Bleiplatten
find durch Kupferdrähte unter-
einander verbunden. Schaltet man
nun eine jolde Akkumulatoren:
batterie mittels zweier Kupferdrähte
oder Kabel in den Stromkreis
einer Gleichſtromdynamomaſchine
(mit Wechſelſtrom kann man nicht
laden), fo wird in den einzelnen
Zellen infolge eines eleftrolytifchen
Borganges eine eleftrifhe Energie:
menge erzeugt, welche ji an den
Oberfläden der Bleiplatten fammelt
und von diejen jo lange feitgehalten
wird, bis durch geeignete Verbin
dung der Bleiplatten untereinander
und mit einem Gleftromotor
(„Schaltung“) der elektriiche Strom
rückwärts wieder ausgelöft und zur
Wirkung gebradt wird.
Das „Laden“, d. 5. das Auf:
jpeihern der. eleftriijhen Energie
in der Batterie mittel einer Dy—
namomafchine dauert etwa 2—10
Stunden. Die im Akkumulator
aufgefpeicherte : Elektrizitätämenge
hält für eine Wagenfahrt von 80
bi8 120 km vor, je nad ver
Schwere des Wagens und nad) der
Größe der zu überwindenden Stei-
gungen. Dann muß von neuem
eine Ladung der Batterie oder ein
Auswechſeln derjelben gegen eine
bereit geladene ftattfinden.
Letterer Umſtand befchränft die
Verwendung eleftriiher Fahrzeuge
auf einen verhältnismäßig Kleinen
Wirkungskreis. Ein elektriſcher
Wagen darf im günftigften Falle
fih höchſtens 40 km von jeiner
Ladeitation entfernen, wenn er
unterweg3 feine Ladegelegenheit
bat, um fiher wieder an jeinen
Ausgangeort zurüdzufommen.
Der im Akkumulator aufgejpei:
“ro. 549.
cherte elettriide Strom wird zu-
nädft in einen am Führerſitz an⸗
gebraten Kontroller oder Fahr⸗
fchalter geleitet, welcher e8 dem Füh- |
rer ermöglicht, durch Einftellen der
Scaltkurbel den Wagen nach Wunſch
mit verſchiedenen Geſchwindigkeiten
fahren, ihn anhalten oder rückwärts
fahren zu laſſen ſowie ihn durch
Umſchaltung zu bremſen.
Aus dem Kontroller geht der
elektriſche Strom in den Elektro⸗
motor, mwelder unten am Wagen
aufgehängt, feine Rotation mit
Hilfe eines Zahnradvorgeleges auf
die Antriebadhfe überträgt. Dan
hat Eleftromobile mit Antrieb der
Hinterachſe und auch ſolche mit
Antrieb der Vorderachſe. Bei letz⸗
teren find die Vorderräder, welche
gleichzeitig al8 Lenkräder dienen,
jedes mit einem befonderen Elektro⸗
motor ausgerüftet. Auch beim
Hinterradantrieb verwendet man
entweder einen einzigen die Hinter:
radachſe unter Vermittlung eines
fogen. Differentialgetriebes in Um:
drehbung ſetzenden Elektromotor,
oder aber je einen für jedes Hinter⸗
rad, wobei dann das Differential⸗
getriebe überflüſſig wird, welches
ſonſt den Zweck hat, den Hinter⸗
rädern verſchiedene Umdrehungs⸗
geſchwindigkeiten zu geſtatten.
Der Elektromotor, welcher nur
rotierende, nicht aber wie der Ex⸗
ploſions- und der Dampfmotor hin
und her gehende Maſchinenteile hat,
zeichnet ſich durch feinen völlig ſtoß—
freien und geräuſchloſen Gang aus.
Auch geſtattet er eine weitgehende
Regulierung und Ueberlaſtung,
d. h. er läuft gleich vorteilhaft bei
kleiner wie bei großer Umdrehungs⸗
zahl, bei geringer wie bei ſtarker
Kraftbeanſpruchung, ohne daß man
befürchten muß, daß er plötzlich
ſtehen bleibt oder unverhältnis—
mäßig viel elektriſche Energie ver—
braucht (unwirtſchaftlich arbeitet).
M. R. Zechlin.
Infolgedeſſen bedarf es beim
Elektromobil, ebenſowenig wie beim
Dampfautomobil, eines beſonderen
Zahnradgetriebes zur Veränderung
der verſchiedenen Fahrgeſchwindig⸗
keiten und zur Einſtellung auf Vor⸗
und Rückwärtsgang, des ſogen.
„Geſchwindigkeitswechſels“ der Ex⸗
ploſionsmotorwagen.
Dieſen ganz bedeutenden Vor⸗
teilen des Elektromobils ſteht außer
dem vorerwähnten eng begrenzten
Wirkungskreis auch das hohe Ge—
wicht der Akkumulatorenbatterien
gegenüber, welches für die gewöhn⸗
lihen Berjonenfahrzeuge 300 bis
500 kg beträgt, eine tote Laſt,
welche ftet3 mitzufchleppen it.
Die Betriebskoften des Eleftro-
mobil® richten fih nad der Höhe
der Stromerzeugungstoften. Wäh⸗
rend öffentliche Elektrizitätswerke
für die Kilowattſtunde für Kraft⸗
zwecke etwa 16 Pfg. berechnen,
kann derjenige, welcher eine eigene
Elektrizitätsanlage zu Beleuchtungs⸗
oder Kraftzwecken beſitzt, ſich die
Ladung der Akkumulatoren unter
Umſtänden viel billiger beſorgen.
Am Vergleich zu dem Erplofiong-
motormwagen jtellen ſich die Betriebs⸗
fojten des Elektromobils etwa gleich
hoch, wenn man einen vorteilhaften
Vertrag mit dem Lieferanten ber
Akkumulatorenbatterie gemadht Hat,
da die Lebensdauer der letteren
nur eine mäßige und der Erfat
ziemlich koſtſpielig ift. |
Dem Fahrer des Eleltromobils
liegt außer der Bedienung des bei
allen Automobiljyjtemen gleicharti-
gen Lentrades und des Brems⸗
hebel8, fowie des Fahrſchalters auch
noch die Beobadtung des Strom:
verbrauchmefjerd (Ampereftunden:
zähler) und des elektriſchen Span-
nungsmeſſers (Voltmeter) ob.
549. Karofien- und Wagen:
bezeichnungen. Die Wagenforn
der Automobile lehnt fih an die
|
. Nro. 549. m. R.
der gewöhnlichen Berfonenwagen
an. Wenn auc in den einzelnen
Teilen der Motorwagen-Karofjerie
den Bejonderheiten des automobilen
Betriebes Rechnung getragen worden
iſt, indem diejelben vor allem kräf—
tiger und jomit ſchwerer gehalten
jind, jo iſt Doch die Einteilung der
Sitgelegenheiten und die daraus
entjpringende Fahrzeugbenennung
dem Wagenbau entnommen. Be:
jondere Erwähnung verdient die
Tatfache, daß das ſog. Tonneau,
die bis zum Jahre 1905 beliebtefte,
heute allerding® auch im Auto—
mobilbau nur noch wenig gebräuch—
lihe Form des Automobils, im
gewöhnlichen Wagenbau fo gut wie
gar nicht vorfommt. Seine Baus
art, welche den im hinteren Abteil
ſitzenden Perſonen ſowohl den Aus—
blick nach vorn als auch nach der
Seite geſtattet, hat nur dann volle
Berechtigung, wenn der Vorderſitz
in gleicher Höhe wie die hinteren
Site liegt, wie dies im Automobil—
bau üblih ift, nicht aber dann,
wenn der Vorderſitz, wie beim ge-
wöhnlichen Kutichwagen, höher als
die hinteren Site angeordnet ift,
wobei durch den Kutſcher und Die
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echlin.
Rücklehne des Kutſcherſitzes den
Fahrgäſten die Ausſicht nach vorn
abgeſchnitten wird. Dem Tonneau
wird daher bei Pferdebeſpannung
das Break vorgezogen, welches bei
gleicher Länge mehr Raum für
Sitzplätze bietet und einen vollen
ſeitlichen Ausblick gewährt.
Die im Automobilſport bis etwa
1905 am meiſten beliebte Wagen—
form war, wie ſchon geſagt, das
Tonneau. Auf Abb. 270 iſt in
Nr. 4 ein vierſitziges und in Nr. 7
ein ſechsſitziges Tonneau dargejtellt.
Man hat die Tonneauform jeit
1906 wegen des unbequemen Ein-
jtiegö von hinten faft gänzlich auf:
gegeben, nahdem man gelernt hat,
|die Wagenuntergeftele (Chafjis)
jo zu bauen, daß der jeitliche Ein-
jtieg fi ohne fonftige Nachteile
bequem anbringen läßt, was früher
noch nicht gelingen wollte,
Abb. Nr. 1 ftelt ein Break für
6—8 Perſonen einjchließlich Des
vorn recht? am Steuerrad fißenden
Führers dar. Daneben Nr. 2 eine
Boiturette mit Borderfig für zwei
Perſonen, einjchließlich Führer und
einem Notrüdji für eine weitere
Perſon oder zwei Kinder. Dieje
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I. Spider-Doiturettesform.
En
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[27
VIII, Automobil- und Motorradfporf.
jehr verbreitete Wagenform hat den
Nachteil, daß der Führer nicht freie
Ausfiht über die Fahrſtraße hat,
fobald der Rüdfit bejegt ijt, und
daß die auf legterem figenden Fahr:
gäfte meift ein Gefühl der Aengſt—
Jichfeit oder der Beflemmung haben
werden, da fich alle Yahrvorgänge
unmittelbar binter ihrem Rüden
abjpielen. Ein Genuß ift es ficher:
2722. „Wartburg”:Wagen.
lich nit, auf ſolchem Rüdfis zu
boden. Denn auch von einem be-
quemen Sitzen fann bei der niede-
rigen Sighöhe und dem bejchränften
Raum für die Beine nicht die Rede
—
Nro. 549.
ſein. Die aus dem Jahre 1903
ſtammende Spider-Voiturette-Form
iſt in Abb. 271 dargeſtellt. Der
Motor liegt vorn unter der „Haube“,
der Notſitz iſt fortgelaſſen und auf
Verlangen wird ein einklappbarer
Dienerſitz hinten angebracht.
Eine ſehr verbreitete Form iſt
die Viktoria (Nr.3, Abb. 270), bei
welcher der vordere Sit ſchmaler als
der hintere ilt. Sind beide Site
einander gleich, jo erhalten wir die
Form der vierfigigen Phaethon,
Nr. 10 Abb. 270 und Abb. 272,
welche jich heute der größten Be—
liebtheit inn Automobilfport erfreut.
Die Abb. 272 zeigt im bejonderen
den früher fehr beliebten „Wart-
burgmwagen”, der in der Auto:
mobilfabrifation befannten Fahr—
zeugfabrit Eiſenach. Erhält das
Vhaethon für fein hinteres Abteil
ein allfeitig geſchloſſenes DVerded
und ein über den Vorderjit hin—
überragende® Dad) mit vorderer
Abihlußicheibe, jo nennt man es
Brufh-Diligence,Abb.273. Die
Nr. 11, Abb. 270 ftellt die für große
273. Brufh=Diligence.
| Original Daimler = ne & F N * n et F
274. Doppel-Phaethon.
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1,9 WILFUTT Rh, ann 70 DZ * a a3 f l
Nro. 549.
— — — —
phaethon.
Die mittleren Sitze ſind dabei meiſt
drehbar oder verſchiebbar angeord—
net, auch können die Sitzlehnen um—
gelegt und der ganze Sitz ſeitlich
hochgeklappt werden.
Bei den größten Doppelphaethon—
wagen ſind dann außerdem noch
zwei Rückſitze vorhanden (Nr. 12,
Abb. 270) und man nennt dieſelbe
auch Triplphaethon. Abb. 274
zeigt die Seitenanſicht eines Doppel⸗
Aus der Viktoria wird
275. Mylord.
der Mylord, wenn der hintere Ab-
teil nicht mehr die jchlanfe Form,
wie 3. B. auf Abb. 275, fondern
mehr eine gedrungene fürzere Form
aufmweiit.
Die Viktoria kann in ihrem hin-
teren Abteil noch einen Rückſitz
haben. Iſt derjelbe nur ein Kleiner
276. Diktoria mit Rüdfit.
jogenannter Notfit, wie auf Abb. 276,
dann ſpricht man von einer Bil:
toria mit Rückſitz. Aus diefer ent-
wickelt fi der Landauer (Nr. 5,
7
ut de
. 4
— — a
un ae —
Abb. 270), wenn der Rückſitz ebenſo
breit und bequem wie der Vorder—
jig gebaut ift, bei gleichzeitig ver-
ſchließbaren Geitenteilen, derart,
daß die Oberfante der Seitentüren
in gleicher Höhe und gerader Linie
liegt wie die Geitenlehnen der
Site. Iſt diefe Tür niedriger, oder
fällt fie ganz fort, jo würde aus
dem Landauer die Halbkaleſche
entjtehen. Statt der Bezeichnung
Halbfalefche wendet man im Motor-
wagenbau häufiger den Namen vis-
a-visan. Ein Landaulet ift eine
Viktoria bezw. ein Mylord mit voll-
jtändig verjchließbaren Seitentüren,
deren Oberfante wie beim Landauer
in gleicher Linie wie die Seiten:
lehnen des Vorderfites liegt, das
Zandaulet unterjcheidet fi) vom
Zandauer daher nur durch den Forte
fall des Rückſitzes. Die Erhöhung
der Türen beim Landauer und Lan
daulet bis zur Höhe der Seiten
lehnen des Vorder- und Rückſitzes
bezwedt da3 leichtere Aufbringen
eines alljeitig gejchlofjenen Ber:
272. Coupe.
dedes, jo daß Feine Deffnungen
oberhalb der Tiiren entjtehen. Das
— vollſtändig gejchlofjene Landaulet
mit fejtem, nicht abnehmbaren Ver:
det und eventuell einem Front—
fenjter heißt Coupe, vgl. Abb. 277.
Eine in derjelben Art dauernd voll:
jtändig gejchlofjene Viktoria mit
Notjig und Frontfenfter nennt fi
Glarence (Abb. 278), ein desgleichen
wur
—
1
Be - nz —
— I a ee
*
rm "ENETR - u
— — — =
Nro. 549. mM. R. Zechlin.
Landauer, aber meiſt ohne Front- nung, welche wegen des Zuges
fenſter, iſt eine Berline, vulgär | oder Staubes lieber rückwärts
„Zukutſche“. Ein Landaulet- fahren wollen. Die Tonneaus wur—
Brougham iſt ein Landaulet mit | den häufig noch mit kleinen Not—
feftem, ringsum gefchlofjenem Ber= | Flappfiten an der hinteren Tür
def, auch für den Führerſitz, bei | oder an der Rückwand des vorderen
Sites verjehen. Abb. 280 zeigt
ein ſiebenſitziges Phaethon-Ton=
neau im Bejite des Königs von
England.
Die für die Tonneaus und
Vhaethonwagen üblichen abnehm-
baren Berdede bejtehen entweder
nur in einem auf umflappbaren
Stahlröhren oder Holzitangen
montierten Sonnen: und Regen
‘ dad für den Sommer oder aber
in einem volljtändig abgejchlofje-
278. Charence. nen, aufjegbaren Verdeck, wel—
ches das hintere Abteil durch
weldhem nur das Verdeck des Hin: | eine Glaswand von dem vorderen
teren Sitzes zurüdflappbar ift. | Abteil trennt. Letzteres enthält
Abb. 279. entweder nur eine vordere Glas:
Eine für militärijche Zmede, aber | wand, welche bis zum durchgehen:
auch zu Gejellihaftsfahrten jehr | den Dach reicht, während die Seiten:
geeignete Form ift das Break: | teile offen bleiben, oder aber aud)
noch einen ſeit—
lichen Abſchluß
durch Türen und
Fenſter. Das vier⸗
bis ſechs ſitzige Phae⸗
thon oder Tonneau
mit feſtem Verdeck
und geſchloſſenen
Seiten mit Glas—
fenſtern heißt Li—
mouſine, vergleiche
Abb. 281. Hier
ſind die vorderen
Sitze im Inneren
meiſt drehbar oder
aufklappbar, oder
verſchiebbar einge—
richtet.
Tonneau, Nr. 9 auf Abb. 270, Die im Wagenbau übliche Be—
Man kann in der Mitte des hin | zeichnung Dogcart, welches ſowohl
teren Abteild leicht einen kleinen für zwei, als aud) für vierrädrige
279. Landaulet:Brougham.
Tiſch für Landkarten oder andere | Fahrzeuge gilt, wird bei Motor:
Dinge aufftellen. Auch trägt dieſe wagen in dos-A-dos umgeändert,
Form denjenigen Perjonen Rech- | da beide Sie mit Rücklehnen an-
verjehen.
San, Aufomobil- und Mopforradfporf. Nro. 550.
he ftoßen. Bol. Nr. 6, Abb. 550. Sport-Ausrüftung und :Be-
270 und Abb. 282. Heidung. Gejchloffene Automobil:
ALS zweifigiger Motorwagen hat | fahrzeuge rechnen im allgemeinen
fih neben der Boiturette der | nur zu den Berfehrämitteln, nicht
Duc (Nr. 8, Abb. 270 u. Abb. 283) | aber zu fportlichen Werkzeugen. Bei
gut eingeführt. Derfelbe wird faft | ihrer Benußung find bejondere Bor:
immer mit Halbver-
ded und häufig mit
einem binter dem
Hauptfit befindlichen
erhöhten Dienerfib,
ähnlich wie bei den
Zondoner Hanjoms,
VHE =
— — —
Bisweilen findet
man noch die Be—
zeichnung Ameri-
cain, worunter ein
nah dem Borbild
der amerikaniſchen
Zandwagen gebauter
leichter Zwei: oder
Vierſitzer mit nicht
vertieftem in ge—⸗
rader Xinie durch⸗ 280. Phaethon-Tonnean.
gehenden Wagen:
faften und aufgebauten Siten nad) | fchriften in der Belleidung und
Art der Abb. 284 verftanden wird. | Ausrüftung nicht erforderlich. Ganz
281. £imuufine,
Nro. 550. mM. R. Berlin.
anders dagegen verhält es fich bei | welche fich über den Naden bis in
offenen Fahrzeugen. Man muß bier | den Hals hinein ziehen läßt, und
jtet3, auch an heißen Sommertagen, | welde im Sommer aus leichtem
mit einem frischen Luftzug rechnen, | Yeinen, Rohſeide oder Baummoll-
ftoff und im Winter
aus fejteren Geweben
getragen wird.
Damen tragen ent:
weder nur große
Kopftücher über dem
Haar, welche bis in
den Naden hinab—
reihen und vorn am
Halfe zugebunden,
bezw. zugejtecft wer⸗
282. Dogcatt. den, oder fie haben
der ſowohl von vorn fommt, als
auch vorzugsweiſe den Naden trifft.
Lebteres infolge von Wirbeljtrö:
mungen und Saugmwinden, die ſich
hinter dem Wagen und am Klapp:
verdef bilden. Dftmal3 wiegen
diefe Nadenwinde in dem Maße
vor, daß die jämtlihen Inſaſſen
nad) jtundenlangem Fahren auf
bejtaubter Landjtraße eine jtarfe
Staubjhicht auf Kragen und Schul:
tern haben, dagegen an der Vorder:
jeite der Bekleidung fauber bleiben.
Als Kopfihuß dient daher vor=
zugsweiſe die engliihe Sportmügße,
283. Duc.
Hüte, an melden
derartige Kopftücher
bereits befeftigt find.
Bismweilen werden
die Kopftüder auch
über die Hüte ge—
bunden, wenn dieſe
nit zu groß find.
Andere Damen da-
gegen ziehen die für
Herren gebräuchliche
englijhe Sportmüte
vor.
ein leichter Staub:
mantel mit hoch—
Inöpfbarem Kragen
284. Waverby:Eleftromobil. aus Leinen-, Baum-
Im Sommer ift
—
—
ER
Me: 4
VII. ARutomobil- und Motorxradſport.
woll- oder Rohfeideftoff ein unent:
bebrlicher Bekleidungsgegenftand, fo:
wohl für Herren, wie für Damen.
Derſelbe hält auch leichtere Regen:
fälle ab, jchütt dagegen nicht gegen
Kälte und Wind. Unternimmt man
daher Sommerreifen in Zonen mit
wechſelnder Temperatur, wozu aud)
Deutſchland zu rechnen ift, jo ift
ed durchaus nötig, fih noch mit
einem wärmes und windſchützenden
Kleidungsgegenftand zu verfehen.
Bei Benutzung der gewöhnlichen
Reifekleidung find in ſolchen Fällen
ſowohl für Herren, als für Damen
Mäntel aus gejchmeidigem Leber
mit leichter Yütterung zu empfehlen,
da diefe nicht winddurdläffig find
und Regen qut abhalten. Bei dem
Schnitte diefer Mäntel ift jedoch
ganz befonder8 auf den Umijtand
zu adten, daß beim Automobil:
fahren der Regen nicht von oben,
fondern horizontal von vorn fommt
und fi in den Seiten: und Rüden:
lehnen der Sie niederſchlägt und
in den Sitzkiſſen fammelt. Es ift
daber eine alltägliche Ericheinung,
daß die mit foldhen Regenmänteln
verfehenen Inſaſſen anjcheinend
troden aus dem Wagen fteigen,
jedoh in einer Pfütze gefeflen
haben, und daß durch den Bin-
teren Schlit des Mantelö das
Waſſer durch die Kleidung einge:
drungen if. Es find daher alle
diefe Mäntel entweder am beiten
ohne hinteren Schlig auszuführen
und unten fo weit und fo lang zu
madıen, daß fie beim Siten ſowohl
bis auf die Stiefel reihen, als
auch doppelt übereinander geſchlagen
und zugefnöpft werden fünnen, um
die Füße und Kniee vollitändig zu
ſchützen. Auch im oberen Teile
find dieſe Mäntel doppelreihig zum
ſtens in den Nähten.
Nro. 550.
nur bis über das Kinn hochklapp—
bar anzuordnen, fondern aud mit
einer, oder befjer zwei richtig ab=
gepaßten Batten zum Ueberfnöpfen
zu verjehen. Ebenfo find die Deff:
nungen der Nermel gegen Ein:
dringen von Wind und Feuchtigkeit
zu ſchützen, und zwar entweder durch
Schließen des Aermels mittel3 einer
übergefnöpften Batte oder durch ein-
genähte Windftulpen von (Sämifdj-)
Leder mit fejt anliegendem Gummi:
zug um das Handaelenf. Diefe
Kleidung wird vervollftändigt durd)
Lederhandſchuhe mit Stulpen, bie
über den Aermel reichen.
Gummilleider find nur in Form
jogen. „Parapluies de Chauffeur“
entweder am Rüden zufnöpfbar,
oder aber mit Dicht anfchmiegendem
Gummilragen am Hals ohne wei:
tere Deffnung verwendbar. Sie
bieten Herren und Damen einen
guten Schu gegen Wind und
Feuchtigkeit, find aber von geringer
Lebensdauer und unbequem beim
An: und Ausziehen, inäbejondere
für Damen. Im übrigen find
Gummimäntel für ftarfen Regen
nit verwendbar, da fe Jchließlich
infolge des Drudes, mit welchem
der Regen von vorn gegen den
Stoff ſchlägt, durchlaſſen, wenig:
Sportleute,
welche auch bei ftarfem Land» und
Gewitterregen zu fahren genötigt
find, bedienen fi am beiten eines
Deltodes, jowie eines aus Deltud)
bergeftellten Südmefter8 mit Hals:
und Nackenſchutz, ähnlich wie folche
auf See Verwendnng finden. Neuer:
dings werden fehr leichte und ele-
gantedelbefleidungsgegenftände aus
geölter Rohfeide von der Pinne—
berger Delzeugs und Gummimwaren-
fabrit 9. Wille in Pinneberg bei
Ueberknöpfen zu geftalten, weil jie Hamburg in den Handel gebracht.
nur in dieſer Form Schuß gegen |
Als Unterfleiver empfehlen ſich
da3 Eindringen von Wind und auch im Sommer Lederjaden und
Regen bieten. Der Kragen ift nicht | Tedermeiten, ſowohl für Herren, wie
ro. 550.
für Damen. Sie follen jedoch mög:
lift leiht und gefchmeidig fein
und ebenfo wie die Mäntel am
Hals und an den Vermeln durch
Patten feft verfchließbar fein. Bil-
liger, als dieſe und faft ebenſo zwed-
entiprechend find die von Hochtou⸗
riſten und Schneefchuhläufern be:
nutzten fogen. Windjaden aus jagd-
grünem imprägnierten Segelleinen,
melde in verfchiedener Stärfe erhält:
lih find. Lederbeinkleider emp:
fehlen fich für Herren weniger, da
fie bald unanfehnlidh und brüdig
werden. Statt deſſen find Knie:
bofen aus anderen Stoffen vorzu:
ziehen und dazu Stoff: oder Leder:
gamaſchen.
Für den Winter ſind Pelze das
beſte Bekleidungsmittel. Auch bei
ihnen iſt auf genügenden Verſchluß
der Hals- und Aermelöffnungen,
ſowie auf richtige Länge und Weite
des unteren Teiles zu achten. Die
Erfahrung hat gelehrt, daß die
Pelze mit der Fellſeite nach außen
einen noch beſſeren Schutz bieten,
als Pelze, bei denen die Fellſeite
nach innen gekehrt iſt. Sie ſind
auch weniger durchläſſig bei Schnee⸗
geſtöber. Nur wenn ſtatt deſſen
weicher Schnee oder Regen fällt,
nehmen ſie leichter Feuchtigkeit an,
es ſei denn, daß das Fell noch ge=
nügend Fettgehalt hat. Auch die
Tiere, welche dieſe Pelze hergeben,
tragen bekanntlich die Fellſeite nach
außen. Wäre der Schutz umgekehrt
ein beſſerer, ſo würde ſicherlich die
Natur ihn ſo geſtaltet haben. Ganz
beſonders iſt im Winter auf warmes
Schuhwerk zu achten. Bei längeren
Fahrten ſind daher für Leute mit
empfindlichen Füßen neben gefüt:
terten Stiefeln nod) befonders Belzs
ftiefel zum Ueberziehen von Wert.
Die Inſaſſen des Wagens können ftatt
deſſen Fußfäde und Deden benugen,
während der Fahrer ftatt Belzitiefel
m. R. Bechlin.
fanntlid) einen guten Wärmeſchutz
bieten, anziehen fann. Für Die
Hände find im Winter. ftarfe Pelz:
handſchuhe mit Stulpen, unter wel-
che noch wollene Handichuhe gezogen
werden können, empfehlenswert.
Für den Gefihtsfhug dienen
Brillen, am beften jolche mit einer
bi3 an die Nafenfpite reichenden
Klappe, da grade die Nafe dem
Zuftzug am meiften ausgeſetzt ift.
Die Ohren ſchützt man entweder
durch Die beruntergeflappte Müte,
durh ein Kopftuh oder durch be=
jondere Ohrwärmer. Bei jtarfenı
Froft find Die aus Kamelhaar oder
ähnlichen leichten Stoffen angefer-
tigten leichten Schneehauben, wie
fie von Winterfportleuten getragen
werden, einer Gejihtsmasfe vorzu⸗
ziehen. Letztere aus Zelluloid, oft
auh in Berbindung mit Seiden-
ftoff oder Leder bergeftellt, ift un-
bequem und behindert die Atmung.
Herren, welche Augengläjer tragen,
brauden ſolche nicht zu wechſeln
bei Benußung der Sportbrille, fon:
bern die leßtere in den Augenein:
fafjungen nur genügend groß zu
wählen, um fie über dem Augen:
alas befeftigen zu können. Brillen
jollte man in jedem Falle doppelt
mit fi führen, da fie leicht Be:
[hädigungen ausgeſetzt find.
Werden Tourenfahrer mit leichter
Sportaugrüftung durch kalte Witte:
rung überraſcht, fo belfen fie ſich
am beten dadurch, daß fie Zeitungs⸗
papier in mehreren Lagen unter
die Oberkleidung fnöpfen und Die
empfindlichſten Stellen ihres Kör-
per3 mit diefem befanntlih aus⸗
gezeichneten Wärmefhug Decken.
Ebenſo find die Papierjohlen zur
Not im Winter ein gutes Wärme:
ſchutzmittel.
Für Motorradfahrer gilt die vor:
jtehende Bekleidungsvorſchrift mit
der Abänderung, daß lange Mäntel
zur Not aud Gummiſchuhe, die be: | beim Aufs und Abfteigen binderlich
VIII. Rutomobil- und Motorradſport.
find. Der Motorradfahrer bedient
fih daher am beiten im Sommer
eines Anzuges aus ftarfem Loden
(Mandefterloden) und an Fälteren
Tagen eined ſolchen aus Leder,
wenn er nicht ſchon im Sommer
- auf größeren Reifen einen gegen
Regen und Wind fchügenden Leder:
anzug vorziehen follte: Auf jeden
Nro. 551—552.
Fall muß der Motorradfahrer Knie:
hofen mit Gamafden tragen, um
an den Beinen und Füßen nicht
durch berumfliegende Kleider be—
hindert zu fein.
Motorradfahrende Damen müſſen,
wenn fie nicht Beinkfleider anziehen,
auf jeden Fall einen fußfreien Rod
tragen.
2. Das Motorrad.
551. Zur Entwidlung. Zugleich
mit den Motorwagen mit Erplo-
fiondmotor find auch die Motor:
räder entjtanden. Die erften Motor:
räder waren Motordreiräder. Erft
fpäter, nachdem man die niedrigen
zweirädrigen Fahrräder bauen und
ficher fahren gelernt hatte, baute
man aud in diefe den inzwijchen
immer leichter und zuverläffiger
gewordenen Benzinmotor ein, wo⸗
durh die eriten Motorzweiräder
entjtanden. Im Jahre 1885 baute
Daimler dad erite Motorrapd,
welches mit den heutigen Fabrikaten
allerdings kaum noch Aehnlichkeit
bat. Dad Motorrad hat bis zu
feiner heutigen großen Vollkommen⸗
heit viele Wandlungen durchge
madt. Bejonderd in Deutjchland
bat dasſelbe jehr große Verbreitung
gefunden, ſowohl als reines Sport:
objett, wie ſportliches Vergnü-
gungsfahrzeug, aber auch als vor:
teilhaftes Beförderungsmittel von
Sivilperfonen in ihrem Beruf und
Militärordonnanzen, ſowie für die
verſchiedenſten Warenbeförderungen
ala Geſchäftsmotorrad. E83 befikt
die mejentlichften Borteile eines
Motorwagens bei etwa dem zehnten
Teil der Anihaffungs- und Be:
triebSfoften und die Vorteile eines
gewöhnliden Fahrrades hinfichtlich
bequemer Unterbringung und Be:
weglichteit, ſowie leichten Fort—⸗
fhaffung bei etwaigen Betriebs-
ftörungen.
Diefe preiswerten und handlichen
Fahrzeuge ermöglichen den Auto-
mobilfport aud) denjenigen, welche
niht in der Lage find, einen
größeren Wagen anzuſchaffen und
in der Nähe der Wohnung unter:
zuftellen.
552. Berwendbarfeit der Mo—
torräder. Cine eingehende Be:
handlung des Motorzmei: und
-Dreirades würde über den Rahmen
diejed Werkchens hinausgehen. Die
techniſchen Einzelheiten find für
diefe Fahrzeuge im Grunde die—
felben wie für die Motorwagen.
Sie haben, mit geringen Unter:
fchieden, denjelben Motor, Vergaſer,
diefelbe Zündung. Das Gefchwin-
digfeitSgetriebe dagegen ift bei
ihnen ſehr viel einfader.
Ein anſchauliches Bild über das
Motorzweirad gibt Abb. 285 mit der
nachſtehenden Tabelle.
Die wichtigſten Zubehörteile des
Motors: -
Nr. 1. Handgriff zum Kompreffionäventil.
„ 2. Handgriff zum Unterbreder (Bor:
und Nadzündung).
.Automatiſcher Bergafer.
. Benzinröhrden mit Hahn.
. % —— zum Gasdroſſelhahn.
asdroſſelhahn.
.Loch mit Verſchluß zur Petroleum:
einjprigung und zum Nachſehen
des Cinlaßventils.
Gehäufe für Kontaftftiit (Sicher:
heitsunterbrecher).
< gu. a » F —
Nro. 552. m. x. Ich. V—
Nr. 6. ET. I dem man zwischen den beiden neben=
. Kontaltgriff. : :
” 7a. Regter Lenkftangengriff. einanderliegenden Rädern, weld
„ 8. Reſervoir. vorn oder ‚hinten liegen, eine
" Ex ——— Kaſten für die zu befördernde War
| ee einbaut. Die Urfahen, weshal
ES — das Motordreirad ſich für ande
8d. Oeleinlaßſchraube.
| ” . d
| „ Be. Elemente. Zwede, 3. B. als Neijefahrzeu
| en ——— nicht eingeführt hat, ſind folgende
„11. AÄuspuffrohr. 1. Ein großer Fehler des Moto
| „12. Auspufftopf. dreirades war jein hoher Preis.
| RB RUE PE: 2. Da die Räder des Motordreid
„14. Rohrleitung bazu. . i j .
„15. Benzineinlaßjchraube, darauf vades in drei verjchiedenen Spure
Mi — Fe ya laufen, fommt das Fahrzeug a
„16. Benzina raube. 2 E *
„17. Schraube mit Gegenkompreſſions— ſchlechter Straße, b. B. einem van
ventil. digen Wege, ſchwer von der Stelle}
„18. ——— ei weil die drei Räder drei Spure
— An in den Weg ſchneiden müffen, wo
„21. NRiemenichnurfceibe. gegen beim Zweirade das Hintere
" 32 N EN, in der Spur des vorderen Rades
„ 23. Auspufjventi . M :
Au „24. Noden im Unterbreder. läuft und bie Straße ſchon g
14 n 25. Kontattfeder. wifjermaßen gewalzt vorfindet.
| „26. Verſtellbare Platinſchräubchen. 3. Ein dritter Fehler des Motor
| Motordreiräder verwendet man | dreirades ijt der, daß der Auto
| | heute faft nur no für Gejchäfts- | mobilift beim Fahren auf jchlechter
| zwecke innerhalb der Städte, ins | Straße ftark unter dem unruhigen
|
285. Die wichtigjten Zubehörteile des Motors.
* — — ⏑ —— —— Bit: > — — ha a mer ee TEE EN GERT GEHE ——
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— — — — —
—
— — — —
VIII. Aufomobil- und Mopforradfpori.
Gange des Fahrzeuges zu leiden
bat. Er erhält nämlid Stöße von
zwei Richtungen, mogegen für die
Zmweiradfahrer die jeitlihen Stöße
fortfallen.
4. Kann das Motorzweirad in-
folge feiner Einfpurigfeit auf Fuß:
pfaden und überhaupt auf Wegen
fahren, mo mit dem Dreirade durch⸗
zukommen fchwer möglich ift.
5. Stellt das Zweirad feine be=
fonderen Anforderungen an feinen
Aufbewahrungsort, mogegen da3
Motordreirad 3. B. eine gemilje
Breite der Einfahrt verlangt.
Bei diejen vielen Borzügen ſteht
das Motorzweirad dem Motordrei-
rade aber infofern nad, als der
Dreiradfahrer nicht jo ängitlich auf
den Weg zu achten braudt. Auch
ift der Zmweiradfahrer, wenn er bei
lebhaften Verkehr in größeren
Städten für furze Zeit halten muß
(weil 3.8. ein Fuhrwerk ihm den
Weg verfperrt), zum Abfteigen ge-
zungen, der Fahrer eines Dreis
rades braucht dagegen den Sattel
nicht zu verlafien. Das Dreirad
geitattet außerdem die Unterbrin-
gung von einigem Gepäd zwijchen
den Hinter» bezw. Vorderrädern.
553. Einteilung und Charafte-
riftit der Motorzweiräder. Man
unterjcheidet heute hauptſächlich zwei
Gruppen Motorräder, nämlich
jhwere mit Motorftärfen über
2 PS. und einem Eigengewicht über
50 kg und leichte mit Motorftärken
unter 2 PS. und Eigengewicdhten
von höchſtens 50 kg. Bei der erſten
Gruppe der ſchweren Räder ge=
ſchieht der Antrieb faft ausſchließ⸗
lich vermittels Riemen oder Kette
vom Motor aus auf das Hinter-
rad, nur felten findet man den An⸗
trieb durch Zahnräder. Diefe Rä-
der haben auch häufig ein Kleines
Getriebe mit zwei Ueberſetzungen
für verſchiedene Geſchwindigkeiten.
Man baut dieſelben auch mit zwei
Nro. 553.
oder auch vier Motoren von 2 big
6 PS. Eine befondere Art bilden
ſchließlich noch die Fräftigften und
Ichnelliten derjelben, die fogen.
Schrittmachermaſchinen, deren Sit
jo weit wie mögli nad hinten
gelegt ift, damit der dahinter fah-
rende Radrennfahrer dur den
Motorſchrittmacher möglichſt gün=
ſtigen Windſchutz erhält. Die Lenf-
ftange diefer Räder hat daher auch
eine auffallend große Länge.
Bei den leichteften Motorrädern
findet man auch noch vereinzelt den
Borderradantrieb. Meift gejchieht
diejer dann aber nicht dur) Rie—
menübertragung, fondern durch
fogen. Pneumatikantrieb, welcher
darin beſteht, daß auf der Motor:
welle des kleinen Motors ein Reib-
rad (Friktionsrad) angebradit ift,
welches fih gegen den Pneumatik
des Vorderrades preßt und diejes
antreibt. Es laſſen ſich durch dieje
Bauart auch gewöhnliche Fahrräder
leiht in Motorräder ummandeln.
Der Motor bedeutet die Seele
des Motorrades und ift ein Kunft-
wert ſowohl in feiner Arbeitsweiſe,
wie in der Herftelung. “Derfelbe
ift faft genau jo gebaut wie die
Automobilviertaftmotoren, nur alles
in geringjten Abmefjungen; er bat
dabei auch wenigſtens eine doppelt
fo hohe Umdrehungszahl wie diefer,
nämlich 2000 bis 3000 pro Minute.
Da die Wandſtärke diefer kleinſten
Motore jehr dünn ift, jo haben die=
jelben faft ausschließlich nur Luft-
fühlung. Neuerdings hat man auch
brauchbare Zweitaktmotoren für
leichte Räder verwendet. Sollten
dieſelben ſich weiter bewähren bezw.
noch vervollkommnen, ſo wäre das
ein bedeutender Gewinn für den
Motorradſport, weil dieſe Motoren
ſich außerordentlich einfach herſtellen
laſſen und nur etwa ?/, fo viel
wiegen wie ein Viertaftmotor. Man
verjucht jchon jehr lange, Sl Mo-
Nro. 554.
toren zu verwenden, jedoch liefen
fih die bisherigen Konitruftionen
immer zu jchnell heiß, die Zylinder-
Ihmierung verurſachte Schwierig-
feiten, und man fonnte den Kom:
prejfionsraum, mwelder durch das
Kurbelgehäuje gebildet wird, nicht
genügend dicht halten ıc.
Die Marimalgeihwindigfeit der
normalen Motorräder iſt 40 bis
70 km per Stunde. Mit Renn-
rüdern erreichte man vereinzelt Ge—
mM. R. Zechlin: VIII, Aukomobil- und Moforradfporf.
554. Die Cyklonette. Als eine
bejfondere Art von Automobilfahr:
zeugen, welche zwijchen ven Motor:
wagen und Motorfahrrädern fteht
und gemijjermaßen in bejierer
Form an Stelle des fajt ver:
Ihmwundenen gemwöhnliden Motor:
dreirades getreten ift, muß hier nod)
der in Abb. 286 dargejtellte kleine
dreirädrige, zweiligige Wagen er:
mwähnt werden. Dieferr Wagen,
welcher meift unter dem Namen
—* 8*c ah ie.
E Wie
N —
286. Cyklonette.
ſchwindigkeiten von über 100 km
per Stunde.
Der Benzinverbrauch eines Mo—
torrades von 2 big 2!|, PS. Motor
it 3 bis 3°), Ziter für 100 km.
Rechnet man 30 Pig. für 1 Liter
Benzin, jo foftet demnach der Kilo-
meter ca. 1 Pfg. Der Delver:
brauch koſtet hierbei ca. 0,1 big
0,15 Pfg. pro Kilometer.
Der EinfaufspreiS der leichten
Motorräder ſchwankt in Deutſch—
land zwijchen 300 und 600 Mk.,
derjenige der jchweren Räder zwi—
jhen 400 und 800 ME.
ı Eyflonette befannt iſt, weil er zu—
'erit und hauptfählid von ver
Cyklonmaſchinenfabrik Berlin ge—
baut und ſo benannt wurde, hat
ſehr große Verbreitung gefunden.
Wer die Anſchaffungs- und Be—
triebskoſten eines größeren vier—
räderigen Automobils ſcheut und
dem das Motorrad nicht bequem
genug iſt, der findet häufig in der
Cyklonette das gewünſchte. Auch
für den Warentransport bis etwa
4 Btr. Nublaft eradte ih die
Cyklonette für eind der allerbeft
geeignetjten Motorfahrzeuge.
v
EUER ULBILLALLIL BÄLLE REEL AL RL RED ALU RL LU HALLE L RER E
Radfahriport.
IX
Von
Breslau.
’
ich
555. Geſchichte des Fahrrades. | jehen.
Als Vater der Radelei wird der noch die
Koehl
R.
reis, nicht Dräs, ge—
baute 1817 das erſte
Drais (an deſſen Name
„Draiſine“ erinnert, und
ſprochen wird),
badiſche Oberforſtmeiſter Carl Frhr. der übrigens D
D rais von Sauerbronn ange—
—
4
* /
nn Se >>
7
RZ
VL
»4
wei 4’
N
287. Drais’ Kaufrad.
|
>.
— — ra Yan mn
Laufrad, das aus zwei durch ein
Gejtell verbundenen SHolzrädern
beitand; erjt jpäter fügte er nod)
einen Sattel hinzu. Ueber diejes
Vehikel jtellte ſich der Fahrer ritt-
ling, nahm die Lenkſtange in die
Hand und machte Laufichritte, hin
und wieder den Schwung oder ein
leichtes Gefälle benütend, um flüch—
tig im Sattel auszuruhen. Das
Germaniſche Mufeum zu Nürnberg
enthält zwar LYaufrädermodelle, die
etwa hundert Jahre vor Drais
gebaut jein mögen; Draiß hat je-
doch die Ausführung leichter und
eleganter gemacht; und die Ge-
Ihichte des Fahrrades hat in ihm
einen bejtimmten Namen jtatt der
unbefannten Erbauer der Nürn—
berger Modelle vor fih. Seine
Erfindung bezw. Nacherfindung ge-
riet jedoch bald, wie er ſelbſt, in
Bergefienheit,
ur , re, F — Ar Ber ww. er
ok audi ie nd in 2:
No, 555.
bi8 1859 in die
— — *
a —— —
— —
en a
Mihaur’ Sohn auf die Idee des
Vedalantriebes, und einige derart
umgebaute, erhöhte und mit Pe—
dalen verjehene Zwei- und Dreis
räder wurden von diefem Mihaur
1867 auf der Pariſer Weltausitel-
lung gezeigt, wo aud Napoleon
eines für jeinen Lulu faufte. In
Frankreich wiein Deutfchland famen
die konſtruktiven Verſuche jedoch
bald zum Stillftand durch den Krieg
von 1870/71; und England be—
mächtigte fich der Sade und erfand
alle diejenigen Verbefjerungen, Die
aus dem Mihaurfhen „Knochen
ſchüttler“ (boneshaker) das Hochrad
und daneben das Dreirad machten.
Die große Sturzgefahr des Hoch—
rades mit feinem 50—60 Zoll —
1'/,—1'/, Meter hohen Vorderrade
regte zur Konftruftion von Sicher—
heitsrädern an, die aber ihren
Zweck fo lange nicht erfüllten, als
Werkftätte von Mihaur in Paris | man die Grundlinien des Hochrad—
ein Laufrad zur Reparatur gebracht typs, fei es auch unter deſſen Ver—
wurde. Bei deſſen Anblid fam kleinerung oder unter Verlegung
4%
u 1 — — —— — ——
IX. Rabdfahrfporf.
des Schwerpunkte weiter nad
hinten, nit aufgab. So ver:
ſchwanden die Ronftruftionen des
„Sangaroo=”, des, Extraordinary⸗“,
des „Facile⸗-“ und des „Star”-
Bicycle bald nad ihrer Einführung
wieder, bi 1884 Starley in
Coventry im weſentlichen den Typ
des heutigen Niederrades erfand.
Aber die allgemeine Einführung
des Radfahrens wäre trogdem wohl
nie erfolgt, wenn nicht der ſchottiſche
Tierarzt Dunlop 1885 den Luft:
reifen erfunden hätte, der jedes nicht
ganz abnorme Hindernis durch feine
Nachgiebigkeit ſozuſagen verſchluckte.
Große Dauerfahrten, in Deutſchland
und Oeſterreich namentlich die Fahrt
Wien-Berlin 1893, erwieſen auch
für das große Publikum wie für
das Militär ꝛc. die Brauchbarkeit
dieſer Bereifung, deren Montier⸗
und Reparierbarkeit immer vollen⸗
deter geſtaltet wurde, in eben dem
Maße, wie der anfangs ſehr hohe
Preis ſank. In die Zeit von
1893—95 etwa fällt denn auch der
große Auffhwung des Radfahreng,
zugleich auch der Niedergang des
Hochrades und des Dreirades.
Erfteres ift ſeitdem ald Touren: |
maſchine völlig verſchwunden, und
das Dreirad erfüllt feine Haupt-
beitimmung als Transportvehikel
in den Straßen der Großſtädte.
556. Das moderne Niederrad.
Des Engländers Starley in
Coventry 1884 konſtruiertes Sicher⸗
heitsrad, der Rover, das in Deutſch⸗
land erſt um 1890 hier und da
Fuß faßte, bedeutete den Abſchluß
des Taſtens und Suchens nach der
Grundform des Fahrrades. Einzel-
beiten find fonftruftiv und materiell
in diejem PBierteljahrhundert ver:
befjert worden, aber die ausſchlag⸗
gebende Grundform ift nicht nur
bis jest unberührt geblieben, ſon—
dern man kann ruhig fagen: fie
wird es in alle Ewigkeit bleiben,
Niro. 556.
folange e8 Menjchen und Straßen
geben wird.
Das Charalteriftiiche des wahr:
haft Genialen — in der Kunft wie
in der Technik 2c. — größte Wir-
tungen mit einfaditen Mitteln zu
erzielen, kommt felten fo padend
zur Erfcheinung wie in der Form
und Funktion des Fahrrades, das
zu den größten Leiſtungen des
Menjchengeiftes zählt. Man braucht
es fih nur einmal aus unjerem
ganzen jetigen Verkehrsleben weg⸗
zudenken, um feinen Wert und feine
Unentbehrlichfeit zu erkennen.
Aeußerſte Material: und Raum-
dfonomie bei großer Dauerhaftig-
feit, Leiltungsfähigfeit und Billig-
feit charalterifieren das heutige
Normalrad, an dem es nicht? Leber
flüffiges gibt.
Zwei jfpielend leicht rollende
Räder, ein Antriebgmehanigmug
und ein Geftel zur Berbindung
der Räder und zur Aufnahme des
Fahrers und eine Vorrichtung zum
Lenten, — das iſt dad Fahrrad
in feinen jedermann befannten
Grundzügen.
In dem durd) die beiden Ketten⸗
räder nebft Kette dargeftellten Ge—
triebe, der Ueberſetzung, beruht die
Meberlegenheit des Niederrades
über das Hochrad, nit nur durd)
die dadurch erzielte ungleich größere
Gefahrlofigkeit und Bequemlichkeit
der ganzen Majchinenform, jondern
auch durch die direkte größere Lei-
ftungsfähigfeit. Denn während die
von der Beinlänge des Yahrers
ftreng abhängige Höhe des Hoch—
rade8® nur 4—4!/), m pro Um—⸗
drehung zu machen erlaubte, ift die
Ueberfegung des Niederradg un:
abhängig von der Beinlänge und
geftattet eine noch viel größere Ent:
faltung als die in der Negel,ans
gewandte von ca. 6 m.
Um die Ueberfegung zu berech—
nen, wenn man fie nicht ſchon
26 v.06
68:08
28
IX. Radfahrſport. Nerv. 556.
Teile des zerlegten Coronarades.
1. Unterrohr. 51. Bremshebelfcharnierfchraube.
2. Steuerrohr. 52. Bremshebeliharniermutter, untere.
3. Oberrohr. 58. Bremshebelſcharnierſchraube, obere.
4. Sattelrobr. , 54. Bremswinkelſtück.
5. Steuerverbindung, untere. 55. Bremäzugftange.
6. Steuerverbindung, obere. 56. Bremsſchuh mit Rohr.
7. Hinterftreben. 57. Bremswinkelmutter.
8. Hinterrobre. 58. Bremsfeder.
9. Endſtücke. 59. Bremsgummi,—
10. Ketienipanner. 60. Fahrrangriff.
11. Kettenſpannermutter. 61. Scheibe für Lenkſtangenſchaft.
. Kettenfpannerfappe.
« Auftritt.
. Sattelmuffe.
. Sattelftüge.
. Sattelftügtlemmbolzen.
. Sattelftügtlemmbolzenmutter
. Tretlagergehäufe.
. Tretlagerflemmbolzen.
Tretlagertlemmbolzenmutter.
Kapjel, rechte.
. Rapfel, linte.
Kapſelſchale.
Kugelhalterring.
.Kurbelachſe.
.Kurbelbefeſtigungsſchraube.
. Kurbel, linke.
. Kurbel, rechte.
Kettenrad.
Zahnkreuz.
. Konterring zum Zahnkranz.
Kette.
. Gabelrohr.
. Gabelkopf.
. Gabelſchale.
. Stenerjchale, untere.
. Steuerjchale, obere.
. Kugelfopfichale.
. Zaternenbhalter.
. Gabelzierdedmutter.
e —
eſtſtellergewindeſtück.
. Feftiteller-Reguliermutter.
Sicherheitsſchräubchen zum Feſtſtellen.
Lenkſtange.
.Lenkſtangenbefeſtigungsſchraube.
.Lenkſtangen⸗Keilſtück.
Unterlagsſchraube.
.Bremshebel.
. Bremshebelſcharnier.
97.
98.
| 99,
. Scheibe, untere für Anzugrohr.
. Mutter für Anzugrobr.
Gabel ſcheiden.
. Borderradnaben.
. Vorderradachſe.
. Borderradnabenadje.
. Konterring.
. Vorderradkonus.
. Vorderradbuchſe.
. Vorderradmutter.
. Vorderradoͤler.
. Hinterradadjfe.
. Hinterrabnabe.
. Hinterradnabenfcdhale.
. Hinterradfonterring.
HinterrabfonuS.
. Hinterrabbudjle.
. Hinterrabmutter.
Pedal.
.Pedalaußenblech.
. Pedalkappe.
.Pedalkonus.
.Pedalachſe.
.Pedalſteg, oberer.
.Pedalſteg, unterer.
.Pedalinnenblech.
.Pedalkonusmutter.
.Pedalgummiſchraube.
.Pedalgummiſchraubenmutter.
. Unterlegſcheibe.
.Pedalölfeder.
. Pedalgummi.
.Pedalrohr.
.Speiche mit Nippel.
. Unterlagplätihen zum Nippel.
Felgen.
Kettenrabfchraube.
Kettenradfchraubenmutter.
Nro. 557.
fennt, multipliziert man einfach den
Raddurchmeſſer mit der größeren
Zähnezahl und Dividiert durch die
tleinere, 3. B. 28 Z0l X 22:8
— 77 Zoll oder 195 cm. Diefe
Zahl multipliziert mit der Ludolf-
‚Shen Zahl m (rund ??|,) ergibt den
Weg bei einer Pedalumdrehung,
bier 3. B. 6,13 Meter.
R. Roehlich.
jeder Pedaldrehung in Zentimetern
an.
557. Der Freilauf. Der aus
England jtammende Freilauf. ge-
ftattet, die Pedale, und dadurch
auch die Beine, in jedem Fahrtempo
in Rubeftellung zu halten — jei es
3. B. für die ganze Dauer Feiner
Talfahrt, fei es für Sekunden, z. B.
290, Herrenrad der Toronasfahrradwerke, Brandenburg a. 5.
Aus der Zeit der englifchen Vor—
herrſchaft in der Radfabrifation,
die bis gegen 1890 dauerte, hat
ſich die Bezeichnung des Raddurch—
meſſers — und dadurch auch der
Ueberſetzung — in Zoll erhalten.
Ein Zoll ift ungefähr gleich 2'/, cm.
In Frankreich herrfcht die ver:
nünftigere Angabe der „Entfal-
tung“, d. h. des bei einer Pedal:
umdrehung zurücgelegten Weges,
in den Katalogen vor. Man kann
dieje Entfaltung nun am einfachſten
finden, wenn man die in deutſchen
Katalogen meift enthaltene „Ueber:
jegung in Zoll“ mit 8 multipli- | ohne deren Antrieb,
siert; daS Nejultat gibt den Effekt | ihrer
bei Durchquerung einer ſchlüpfrigen
Pflafterftelle. Er beruht darauf, daß
das Kleine Kettenrad nit auf der
Hinterradnabe ſelbſt befejtigt ift,
jondern auf einem um die Achje
rotierenden Gemwindefopf, der ſelbſt
erſt durch einen bHineingefräften
„Mitnehmer“ den entgegengefegt
gefräften Mitnehmer der Naben:
hülfe, und dadurch das Hinterrad,
nad) vorn bewegt. Dieje Mitnehmer
treten außer Funktion, jobald die
Pedale, und dadurch die beiden
Kettenräder, angehalten werden,
und die Majchine folgt, nunmehr
nur nod
eigenen Schwung: bezw.
IX, Radfahrfport. Nro. 558.
Schwerkraft. Bei dieſer einfachften | der gewöhnlichen nur wenig ſchwerer
Form des Freilaufes wäre ein und größer, auch das Plus an
wirffames Gegentreten unmöglich; | Reibung kommt praktiſch nicht in
allgemein ift deshalb innerhalb | Betraht, und der Mehrkojten-
preiß von etwa 15 Mt. jpielt
ebenfall3 feine Rolle gegenüber
der wejentlih höheren Bequem-
lichkeit des Fahrens mit Frei-
lauf. In England ſind ſchon
ſeit Jahren Räder mit feſter
Nabe nur vereinzelt im Ge—
brauch. Unſere Abbildung 291
gibt einen Schnitt der „Torpedo“ -
Nabe von Fihtel u. Sachs
in Schweinfurt, eine der größten
fie iſt das verbreitetite derartige
Syſtem in Deutfchland und Eon:
jtruftiv wie materiell von größter
Vollendung.
der Freilaufnabe jeldft ein Brems: | 558. Die Doppelüberſetzung.
mechanismus angeordnet, der ſchon Die Mehrzahl der Fahrräder ift
bei leichtem Gegentreten in der | mit einer Meberfegung von 70—80
Weife wirkt, daß durch eine fonifche | Zoll (Damenräder 65—70) aus-
Kuppelung ein gejchlitter hohler | gerüftet, wa8 einem Wege von
Netallzylinder auseinander getrie: | ca. 5—65 Meter bei einer Pedal:
ben und gegen die Innenfläche der umdrehung entſpricht. Die oben
Nabenhülfe gepreßt wird. Diefe | angegebenen Zahlen genügen für
Bremſung ift abjolut fiher und | allenicht rennſportlichen Zwecke, find
im Notfalle äußerst energifch. Die | dagegen bei bergigem Terrain oder
ganze Freilaufnabe ift gegenüber | Gegenwind jchon etwas zu reichlich.
294. Sreilaufnabe.
292. Doppelüberfegungsnabe.
Nabenipezialfabrifen der Welt;
Nro. 559.
Um nun je nad) Gunjt oder
Ungunft der Verhältnijje mit mög—
lichſter Kräftefhonung und Ber
quemlichkeit fahren zu können, dient
die während des Fahrens umjcalt-
bare Doppelüberjegung, die in der
Nabe des Hinterrades eingebaut ift.
Durch fie kann die reguläre Hinter:
raddrehung willfürlihd um 25 bis
30°%/, reduziert, alfo Kraft auf
Koften des Weges erjpart werden.
Die Doppelüberfegungsnabe, die
feineswegs plump ausjieht und
nur etwa 1 Kilo mehr wiegt al
eine gewöhnliche, ift auch ftet3 mit
Freilauf und Nabeninnen- oder
anderweitiger Rücktrittbremſe ver:
jehen und wird auch bei Kettenlojen
angemwendet, jo namentlich ſeitens
der „Wanderer“ Werfe.
Es gibt jogar Naben mit drei
während der Fahrt ausmwechjelbaren
Ueberjegungen und Freilauf (jedoch
ohne Nücdktrittinnenbremje), bei
denen die mittlere Weberjeßung,
als die normale, im direkten Ein-
griff fteht, während die kleine den
Lauf um ca. 25°/, verlangjamt,
die große ihn dagegen um ca. 30°),
E83 find demnach
bejchleunigt.
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rn. a a Fr .
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R. Roehlich. ? —
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z. B. die Ueberſetzungen von 57,
76 und 100 Zoll in einer einzigen
Maſchine vereinigt.
Die doppelte Ueberſetzung koſtet
etwa 40 Mk., die dreifache etwa
70 Mk. mehr als die normale Aus—
führung.
Räder mit drei Ueberſetzungen
ſind nur ganz vereinzelt, ſolche mit
zwei häufiger, aber immer noch als
Ausnahme, im Gebrauch.
559. Die kettenloſen Fahr—
räder. Anftatt durch die Kette,
wurde zu Ende der 1890er Sahre
im Auslande, namentlih in Amerika,
Franfreih und Belgien, von meh—
reren Fabrifen die Kraftübertra>
gung durch eine Welle mit kegel—
fürmigen Zahnrädern bevorzugt.
Der Hauptvorteil dieſes Syſtems
war und ift die abjolut ſchmutz—
und ftaubfichere Verkleidung Des
ganzen Getriebes, die aber durch
einen guten Blech- (nicht Zelluloid⸗)
Kettenkaften bei jeder Kettenma=
ſchine ebenfo gut erzielt werden fann.
Als Gebrauchs- wie als Sport3=
majchine fpielt die Kettenloje nur
eine ganz bejcheidene Role und
geht immer mehr zurüd; aus man:
4 a
295. Kettenlofes” Sahrrad der Wanderers$ahrradwerfe, Chemnit.
| * 1X. Radſahrſport. Nro. 560.
*
arg
hen Fabrikfatalogen ift fie jhon| Die Kettenlofen können ebenfalls
ganz verſchwunden. Ihre geringe | mit Freilauf und Rüdtrittbremfe
Verbreitung beruht weniger auf | auögerüftet werden; und die Wan-
294. Getriebe eines fettenlofen Fahrrades.
bejonderen Borzügen des Syftems, | dererwerfe, die dieſem Typ be-
als auf ihrem aparten Ausfehen ſondere Aufmerkſamkeit zugemwendet
und Höheren Preife, wodurch fie | haben, montieren fogar auf Wunſch
manchen ſozuſagen vornehmer als | eine Doppelüberfegungsnabe hinein.
das Normalrad erfcheint. Die Kettenloſe mit Freilauf und
Die Figuren zeigen eine kom- Doppelüberſetzung ſtellt das Teuerſte
plette Kettenlofe und ein Getriebe |dar, was es in motorloſen ein—
ohne Verfchalung, die Funktion | figigen Zmeirädern gibt.
desſelben ift ohne Erklärung leicht | 560. Das Damenrad gleicht dem
erfichtlich. Herrenrade in allen wejentlichen
295. Damenrad der Coronaszahrradwerke, Brandenburg a. 5.
mn
— u
fi
Nro. 561—562.
Zeilen, bi8 auf den abweichenden
Rahmenbau, bei dem, mit Rücjicht
auf die auch im Sport vorherrichende
weibliche Bekleidung, das obere
horizontale Rohr wegfällt. Das
untere Rohr wird dafür, um die
Feftigfeit des Gejtelld nicht in
Frage zu ftellen, verdoppelt. Selten
verlaufen dieje beiden Rohre grade,
meift ift entweder das untere grade
und das obere gejchweift oder es
find beide gejchweift. Die Iegtere
Form, wohl die häufigite, ift in der
Linienführung die jhönfte und auch
infofern die praftifchite, als fie beim
Aufiteigen den meiften Spielraum
gewährt. Da der Rod leicht
ins Hinterrad oder in die Kette
geraten könnte, jo jind diefe Teile
mit Schugverfleidungen verfehen.
961. Der Zweiliser, der analog
der Benennung zweier hinterein:
ander gejpannter Pferde meijt
„zandem“ genannt wird, gleicht
völlig dem Einfiger; nur ift der
Rahmen verlängert und es kommt
ein zweiter Gattel, eine zweite
Lenkſtange und Kette und ein
zweites Pedalepaar mit Trittlager
hinzu. Die ganze Ausführung ift
auch, für das doppelte Gewicht,
entjprechend verſtärkt. Wenn die
Maſchine für einen Herrn und eine
Dame dienen joll, jo ijt entweder der
vordere oder der hintere Rahmen
often, wie beim Damenrade. Die
Tandems ftehen übrigens ſchon feit
Jahren auf dem Ausfterbeetat.
Die Drei-, Vier-, Fünf» und
296. Felgenteil mit Pneumatiffchnitt.
R. Roehlich.
Sechsſitzer Hatten nur fportliche
Bedeutung als Schrittmacher—
maſchinen auf der Straße und
Rennbahn, ſie ſind aber durch die
Motorräder völlig verdrängt.
562. Die wichtigſten Zubehör—
teile. Unter dieſen nimmt die
Bereifung die erſte Stelle ein.
Ale Anjtrengungen von Erfindern,
den leicht verleglihen Quftreifen
durh eine andere Konjtruftion zu
erfegen, haben bisher nur ganz
befchränften Erfolg gehabt; und es
fommt praftiih nur der Pneu—
matif al3 Bereifung in Frage,
und zwar das ſog. Zmweifammer-
iyftem, bejtehend aus einem end=
Iofen Schlaude und einem Schuß:
mantel. Die Innenluft des Gummi-
ſchlauches tritt mit der Außenluft
in willfürlide Verbindung nur
mitteld eines Ventile. Die den
Schlauch beim Fahren umgebende
Schuthülle, der Mantel oder die
Laufdede, ijt ein endlojer Streifen,
deſſen Innenſchicht aus unnach—
giebigem Gewebe, die Außenſchicht
aus vulfanifiertem Gummi be—
ſteht. Längs dieſes Laufmantels
ſind auf beiden Seiten entweder
Drahteinlagen oder (vorwiegend)
Wülfte aus dem gleiden Stoffe
angebracht, die rings herum unter
die VBorjprünge der Radfelge ein-
greifen und jih um fo feiter an
diefe prefjen, je mehr der Reifen
vermittelft der Zuftpumpe auf-
geblafen wird. Unter den Bentilen
ift das verbreitetjte und einfachfte
dad Dunlopventil;
fomplizierter im Bau,
aber viel müheloſer zu
bedienen find die ſog.
Rückſchlagventile,
von denen in Deutſchland
das bekannteſte das
Gloriaventil der
Hann. Gummikammkom—⸗
pagnie iſt.
Bremſe. Die älteſte
m
Bi RD,
und heute noch allgemein übliche
Form iſt die auf das Vorderrad
wirkende Hebelbremje an der Lent-
ftange, die jedoch für fehr fteile
Gefälle nicht ausreicht und über-
dies bei langdauernder Anwendung
| IX, Radfahrfport,
Niro, 562.
bei der in genialer Weiſe überdies
das Hebelgeftänge durch einen ein: h⸗
fahen Drahtjeilzug innerhalb einer
Ihlauchartigen Drahtſpirale erjegt
ift. Die vordere Gummibremje
fällt dann natürlich weg.
297. Dentile.
die Hand aufs äußerſte ermüdet.
Die genialjte Löſung der wichtigen
Bremsfrage ijt der Freilauf mit
Nabeninnenbremſe (j. ro. 557), bei
der die Kraft der Beine und event.
dag ganze Körpergewicht die Bremie
bedient. Selbjt auf fteiljten Gefällen,
die überhaupt für Fahrverfehr in
Betracht kommen, ift diefe Bremſe
abjolut verläßlid. Man hält die
Pedale in horizontaler Lage und
von Zeit zu Zeit genügt ein mehr
oder minder leichter Rücktritt, bei
jehr jteilen Gefällen ein nachhal—
tige3, aber völlig mühelofes Nieder-
drüden des hinteren Pedals.
Will man ganz fiher gehen, jo
verwendet man neben diejer Innen:
bremje noch eine auf die Hinterrad-
felge wirkende Handbremje in Huf:
Laterne Für den Stadt—
verkehr ift dieDel-, Betroleums
oder eventuell Kerzen-Zaterne am
beiten, für die Touren auf der
Landftraße, im finftern Walde ꝛc.
dagegen die Azetylenlaterne,
Sonjtige Ausftattung,
Wenn man nit rennſportliche
Zwede verfolgt, wird man ſich
wohl meift für ein jog. „Touren:
rad“ entjchließen, d. h. eine nicht
zu leichte Mafchine von 14—15 Kilo,
mit Kotjhügern, nad) oben ges
bogener Lenkſtange, fräftigen Gum—
mis und durchſchnittlich 70—80*er
Ueberjegung, aljo 5—6 Meter Ent-
faltung, in ftarf bergigen Gegenden
vielleicht nur 60”, dann aber auch
mit Freilauf und Nabeninnenbrenie,
der jich übrigens ganz allgemein 7
eijenform: die Bompdenbremfe, | einführen wird, wie e8 in England ‘
ei
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Niro. 563—564.
längft der Fall ift. Man hält fi
beften an die normale Aus⸗
führung der gangbarften Modelle
in den Katalogen erfter Fabriken
und vermeidet 3. 3. auffällige
Ladierung, die teurer und viel
weniger haltbar ift als die ſchwarze
(und an den Felgen allenfalls elfen⸗
beinfarbige); hölzerne Yelgen, die
zwar leichter find als jtählerne,
aber auch leichter brechen; leichte
Nennreifen, die ſchwer oder gar
nicht reparierbar find u. a. m.
Bon den „Tourenrädern” unter:
jheiden fi die „Straßenrenner”
durch leichtered Gewicht, Wegfall
der Kotſchützer, größere Weber:
fegung, tiefgebogene Lenkſtange
und leichtere Gummis, aljo dur
ziemlid) geringfügige Aeußerlich-
feiten, außerdem noch durch etwas
höheren Preis. Sie bilden den
Uebergang zu den „Bahnrennern”
mit fehr hohen (big 150“er!)
Ueberfegungen und von noch ges
tingerem Gewicht.
563. Die univerjelle Verwen⸗
dung des Yahrrades. Die Be-
deutung des Fahrrades ald reines
Berfehrsmittel, im Dienfte des
einzelnen wie zahlreicher Behörden, | bezw. 50—300 km),
der Feuerwehr, der Poft, des
Heeres 2c., feine Bedeutung für die
ſoziale Hygiene der Arbeiter zc.,
nit nur durch den unmittelbaren
Sebraud, ſondern auch dadurch,
daß ſein Beſitzer entfernte Arbeits⸗
gelegenheiten wahrnehmen und des⸗
halb geſünder und billiger in den
Vororten der Großſtädte 2c. wohnen
kann, — alles das, was es zu
einem kulturgeſchichtlichen Faktor
von eminenter Bedeutung macht,
kann in einer Abhandlung über
den „Radfahrſport“ nur ans
gedeutet, nicht erſchöpfend dargeftellt
werden. In unfer Gebiet fällt hier
nur die tourenmäßige Benukung
des Rades und feine gymnaftifche
bezw. athletiihe Verwendung, mit
R. Roehlich.
Ausfchluß des profeffionelen Renn-
ort3.
564. Das Fahrrad im Dienfte
des Sportsmannes. Die Anfänge
des Radfahren? hängen eng zu=
fammen — entſprechend der Ge—
fährlichfeit des Hochrades, das nur
mutige, fräftige und geſchickte junge
Leute fuhren — mit dem Wett:
fahren, das anfangs ziemlich reiner
Herrenfport war. Im Laufe der
Sahre, als namentlich die Schauluft
der Menge den Rennbahnbefigern
hohe Einnahmen bradte und als
dadurch die Siegespreiſe immer
höher und nicht bloß als Ehren⸗,
jondern auch als Geldpreife ge⸗
geben wurden, bildete jih ein
Stand der berufgmäßigen Renn⸗
fahrer heraus, die überdies noch
im Dienfte von Fahrrad» und
Gummifabriten ftanden und deren
erfolgreichite in der Blütezeit nicht
viel weniger verdienten, als ein
Sodey erjten Ranges. Diefe Renn-
artiften oder vielmehr ihre Brot-
geber Hatten zum Teil ungeheure
Spejen, jomeitjenenämlidh „Steher“
waren, d. 5. Fahrer über lange
Streden (3. B. 1—6 Stunden
mweil die
„Führung“, die heute von Fahrern
auf Motorniederrad beforgt wird,
damals Mannichaften von Mehr:
(meift Fünf-) Sigern oblag. Der
Holländer Sordang Hatte z. 3.
5 Fünffiter, d. h. 25—30 Leute
zu feiner Führung jeitend ver
Dunlop-Brreumatilfabrif zur Ver⸗
fügung, die ihn zu allen großen
Dauerrennen, an denen er teilnahm,
begleiteten. Die Bejoldung und
die Reiſeſpeſen verjchlangen jähr-
ih ein großed Bermögen. Aud)
die Organifation des Schrittmacher-
dienftes auf einer einzigen großen
Straßenfernfahrt, z. B. der all-
jährliden „klaſſiſchen“ Bordeaur-
Paris, Toftete zu Ende der 1890er
Sahre jedesmal viele Taujende für
IX. Radfahrfport. Nro. 565.
eine Fabrik. Herrenfahrer Eonnten | (der Sieger Fiſcher braudte 31
da natürlih nit mittun; fie | Stunden gegen 71'/, Stunden des
fonnten es nicht, einmal als | Siegers Graf Starhemberg im
„Flieger“, d. h. als Fahrer über | vorangegangenen Diftanzritt) als
furze Streden von 1000-3000 m | aud) die Lebensfähigkeit des Pneu—
ohne Schrittmacher, weil die Pro- matiks erwied. Der damalige
fejjional8® feinen andern bürger: | agitatoriihe Zweck und Crfolg
lichen Beruf Hatten und jomit dem | diefer großen Leiſtungen jcheidet
Training, der Berbeflerung ihrer | heute aus, wo jedermann die
Form, der jportgerecdhten Lebens: Sache natürlich findet, jie haben
weiſe unter Leitung eigener Trainer, | nur noch interne Bedeutung für
augjchließlich obliegen fonnten, und den Verband und die Teilnehmer.
weil fie bei der Teilnahme an allen | Dasjelbe ift wejentlich der Fall bei
internationalen KRonkurrenzen weder den großen Sportfeften, die mit
nach Zeit noch nad) Geld zu fragen den Generalverfjammlungen der
braudten. Die beiten SHerren- Verbände im Sommer verbunden
fahrer, 3. B. ein Auguft Lehr, find und die dem Publiftum das
wurden denn auch — Berufsfahrer, | prächtige Bild eine impofanten
die andern zogen jich zurüd oder | Korjos zu bieten pflegen und im
fuhren nad) den reinen Herren= | gejchlojjenen Saale außerdem den
fahrerbeftimmungen des Deutjchen | Anblid von Kunft- und Reigen—
Radfahrerbundes, der größten und | fahren. Das Saalfahren ijt es
älteften (gegründet 1884) deutjchen auch namentlich, das den Sports—
NRadfahrervereinigung. Heutigen- mann im Winter entjchädigt, jo-
tages jteht jo ziemlich der ganze wohl im Reigenfahren als im Rad—
Radſport im eigentlihden Sinne |polo und ähnlichen Spielen.
dDireft oder indirelt unter der 565. Das Fahrrad im Dienfte
AHegide diefesBerbandes,desD.R.B. der Tonriftif. Die Ausübung des
und allenfall3 noch (jedod) mit Aus- Radſports im engern Sinne ftüßt
Schluß allen Rennmwefens) der All: | jih auf die großen Verbände und
gemeinen NRadfahrerunion, der | deren Unterorganifationen, die
ARU. Der vom D.R.B. gepflegte | Gaue und Bezirke, und auf die
Rennſport tritt felten auf den | größeren Vereine, im ganzen Reiche
Rennbahnen zutage, weil dieje letz- alſo auf vielleiht 100000 Radler.
teren, die rein gefchäftliche Unter- | Und von diefen ift e8 wieder nur
nehmungen find, nur durch „At- | ein fehr Kleiner Prozentſatz, der
traftionen” großen Stils ein großes | jelber das Radfahren jportmäßig
zahlendes Bublifum anloden können, | ausübt. Den forporierten Sport-
— öfter in großen Straßenfern- | radlern aber ftehen in Deutjchland
fahrten des Hauptverbandes jelbjt | vieleicht 3 Millionen Radler und
oder in fleineren Straßenrennen | Radlerinnen gegenüber, die mit
feiner Unterverbände (Gaue) inner: dem „Schnelligfeitsfport” nichts zu
halb von deren geographifchen oder | jchaffen haben. Das Gros davon be:
adminiftrativen Grenzen. Die erite | nüttja das Fahrrad vorwiegend oder
Straßenfernfahrt größten Stil3 in | doch teilweije zu Berufszweden ; aber
Deutjchlattd war 1893 Wien-Berlin, | daneben fteht noch die große Schar
die damals zuerjt das Fahrrad in derjenigen, die ed verwenden, um
Mitteleuropa populär machte, und | fih in Kontakt mit der Natur zu
die jowohl die enorme Ueberlegen- bringen und zu erhalten: die Rad»
heit des Radler über das Pferd | touriften. Das Tourenfahren im
Nro. 565.
großen Stile hat fih nicht ein-
bürgern bezw. behaupten können;
für diefe Zwede ift dad Automobil
und das fchnelle und billige Motor-
rad an Stelle ded Fahrrades ge-
treten, aber die Kilometerzahl ift
ja nicht der Gradmefjer für die
innere Kultur fozufagen, die der
Menſch einem Sport und einem
Sportgerät verdanken Tann, fo
wenig, wie der Bobsleigh über der
Rodel oder dem Sci fteht, weil
er ſchneller ift. Jedenfalls ift der
Tourismus die edelſte Blüte des
Radfahrend, daS zeigt fih aud
äußerlich 3. B. in den Bejtrebungen
des Münchener Touringflub und
feiner Elitefhar von Mitgliedern,
die unter Fernhaltung alles Sports⸗
athletiiden nur dem Tourenſport
dienen.
Wann das Radfahren nad den
individuellen körperlichen Voraus⸗
ſetzungen zu erlauben oder zu
widerraten iſt, darüber entſcheidet
am beſten ein ſelbſt radfahrender
Arzt, — falls der Kandidat Zweifel
in ſeine eigene Qualifikation ſetzt.
Das Für und Wider tft überſicht⸗
lich zuſammengefaßt in Prof. Dr.
Schiefferdeckers, Indikationen
und Kontraindikationen des Rad⸗
fahrens“ (Leipzig).
Die größte Gefahr, die der Rad⸗
ſport felber birgt, ift die Entfteh-
ung von Herzerweiterungen, durch
häufig wiederholte großeAnftrengun=
gen, namentlich beim Bergfahren ;
bei Lieberanftrengung oder bei vor-
handener Gefäßverfalfung, alfo be-
jonders bei älteren Berfonen, kann
dann auch leicht der Tod durch Herz-
zerreißung oder Schlagaderbrud ein
treten. Und dieſe Gefahr ift umfo
ernfter, weil der Syahrer die Ueberan—
ftrengung der innern Organe in fol:
hen Fällen erft an deren Erfchöp-
fung wahrnimmt, an völliger Atem-
not, an riefiger
R. Roehlich.
nornialen 70!), während die Bein-
muskeln noch nicht die mindefte
Ermüdung zeigen.
Weber die Diät iſt nicht viel zu
fagen. Man kann auf der Tour
genau fo leben, wie man e3 ge-
mwöhnt ift und wie man ed in den
oft befcheidenen ländlichen Gajt-
häuſern bekommen kann. Alkoholiſche
Getränke läßt man bei Tage am
beften ganz fort; auch die Abend⸗
mahlzeit jollte die reichlichfte Des
Tages fein; am Tage felbit ikt
man häufig, aber nie zu viel, wenn
man flott weiterfommen will.
Berge, die einem fauer werben,
erflimmt man lieber gehend, der
geringe Zeitverluft ift jedenfalls
dem möglichen Berlufte an Gefund-
heit vorzuziehen, und das Auge
wird im Gebirge no durd Die
Ausſicht reichlich entjchädigt.
Auh für die Belleivung find
feine befonderen Rüdfichten nötig,
die durch das Radfahren oder Durch
den Bau des Rades jelbjt geboten
wären. Damen werden ohnehin
nicht mit Schleppen und radgroßen
Hüten zu Rade jteigen; und Die
ganze jportlihe Richtung unjerer
Beit, die Aera der Körperkultur,
der Nadtkultur ꝛc. ift eine beſſere
Bürgihaft für vernunftgemäße Be-
Heidung auch beim Radeln, al? es
papierne Borfchriften wären.
Se nad) der Dauer der Tour
wird man etwas Gepäd mitnehmen,
— aber niemals viel! Es genügt
Leibwäſche für ein paar Tage,
Strümpfe und Taſchentücher und
eine Reſervehoſe einzupaden; das
alle8 jamt den Karten, die man
nicht am betreffenden Tage braudt,
rollt man in ein Stüd Wachstuch,
legt die Gummipellerine darauf,
die man für plößlich einjegenden
Regen mitnimmt, und jchnallt das
Ganze auf die Lenkſtange. Bor:
Pulsfrequenz (bis | fichtigerweife wird man noch einen
250 Schläge pro Minute ftatt der | Rejervejchlaud vorher hineinpacken,
— Fa m er
IX, Radfahrfport.
umnichtbeieinem ſchweren Schlaud;-
defeft die Tour unterbrechen zu
müflen, fall3 fein Händler in der
Nähe ift.
Viele Referveteile braudt der
Befiger eined guten Rades nicht
mitzunehmen. Zunädft muß die
Satteltafche ihren gefamten Inhalt
an Werkzeug haben, den die Fabrik
beigegeben bat. Dann iſt es
äußerft ratfam, ein paar Ketten-
glieder und eine Kettenſchraube mit
Mutter mitzunehmen, ebenfo aud)
ein Referveventil, bezw. diejenigen
Teile eines ſolchen, die in Berluft
geraten oder undicht werden fünnen.
Für längere Touren in wenig kul⸗
tivierten Gegenden oder im Aus⸗
lande, wo die Fahrradmarke, die
man fährt, nicht vertreten ift, emp⸗
fiehlt fi) au die Mitnahme der
wichtigſten Achfen, Konen und Mut-
tern. Der Freilauf ift öfters, d. 5.
alle paar Tage, mit Benzin ober
Petroleum ausdzufprigen und dann
nachzuölen.
Faft alle Reparaturen an einem
guten Rade beſchränken ſich auf
Nro. 565.
das Flicken eines Schlauches, das
Nachſtellen der Kettenſpannung oder
irgend eines Lagers und ſind leicht
und ſchnell von jedem Fahrer an
Ort und Stelle oder im nächſten
Gaſthauſe vorzunehmen, ſobald er
nur ein bißchen Anſtelligkeit und
guten Willen beſitzt. Für ſchwie⸗
rigere Reparaturen, die nicht jeder-
manns Sade find, enthält das
Büchlein „Die Behandlung des
Fahrrades“ vom öfterr. Haupt:
mann Smutny (Graz) viele nütz⸗
lihe Fingerzeige.
Für die Tagesleiftung eines Rad-
touriften bilden Alter, Gefchlecht,
individuelle Konftitution, Wind und
Wetter, Terrain, Straßenoberfläche,
die benützte Weberfegung 2c. zu⸗
fammengenoinmen den WMaßitab,
fo daß fih hierüber weder Vor⸗
ſchriften noch Angaben machen
lafien. Man Tann aber 80 bis
100 km pro Tag, auch für mehrere
Tage hintereinander, unter günfti-
gen Verhältniffen als gut erreich-
bar, auch in Damengeſellſchaft, an⸗
nehmen.
(Techniſche Ausdrüde fiehe Nro. 556.)
37
RKKKKKLKKKKKKKKFKRKKKKKFKRKFRRKKAKKKKKK RK NRL
X. Symnaftifche Sporte.
1 Der Turnfport.
Von
Dr. Max Hbles, München.
566. Geſchichtliches. Bon einem
Turnſport im Sinne unferer geit
weiß uns die Geſchichte nichts zu
berichten.
Eine mehr oder minder fyftema-
tifhe Pflege von Leibesübungen
finden wir zwar bei allen Völkern
und zu allen Zeiten vor, doch haben
diefe Mebungen nad) ihrer Art und
meift au nach ihrem Zweck regel-
mäßig nicht mehr als eine nur zu⸗
‚ fällige Aehnlichkeit mit dem, was wir
unter „Turnen“ verjtehen.
Die Erklärung für diefe Erjchei:
nung liegt nahe: Mebrgeftaltig ift
das treibende Clement, welches
unfere Turnhallen und Spielpläße
bevölkert; bei dem einen überwiegt
die Freude am Sport, beim andern
der Chrgeiz nah Beftleiftungen,
ein dritter wird durch feinen Hang
zur Gejelligfeit dem QTurnvereine
zugeführt. Weit mehr aber al3
dieſe Neigungen wirbt für Die
Turnſache die Erfenntnis, daß die
moderne Kultur ein ſchlimmes Miß—
verhältnis geſchaffen hat zwiſchen
Ausbildung des Körpers und ſolcher
des Geiſtes, und daß dieſes Miß—
verhältnis eines Ausgleiches be—
dürfe.
Ein derartiger Anfporn zu för:
perlicher Betätigung hatte vordem
nicht, oder doch nicht wie Heute,
für die Allgemeinheit beftanden.
Was ung die Geſchichte von
fyftematifchen Leibesübungen übers
liefert hat, ift denn auch anders
geartet ald das, was wir unter
dem Sammelbegriff „Zurnen” zu:
fammenfafjen.
Auch der Zwed folcher Uebungen
war ein anderer: Meiſt waren es
Uebungen, melde, ausgeſprochen
militärischen Charakters, die Krieg3-
tüdtigfeit des Volkes zu heben bes
ftimmt waren, daneben aber treffen
wir die Untermweifung in körper⸗
liher Gemwandtheit auch als einen
Unterrichtszweig der Schulen an.
567. Perſien. Von den Berfern
berichtet und Herodot, fie hätten
ihre Kinder vom 5. bis zum 20.
Lebensjahr nichts weiter gelehrt,
als Reiten, Bogenſchießen und Die
Wahrheit Iprechen.
Ganz wörtlich ift ja diefer Be⸗
richt wohl nicht aufzufaflen, we⸗
nigftens wollen wir zu Ehren der
alten Berjer nit annehmen, ihre
Kinder hätten fol großen Hang
zur Unwahrheit gezeigt, daB es
eines befonderen Unterricht3 in Der
Kunft des Nichtlügens bedurft Hätte,
foviel aber darf aus jener Auf:
zeichnung doch als richtig entnommen
X, 1. Der Qurnfport.
werden, daß die Erziehung der
Söhne vornehmerer Eltern eine im
wefentlichen Triegerifche war.
Das Tann aud nicht wunder:
nehmen: Waren doch zu der Zeit,
als Herodot feine Gefchichte ſchrieb,
die Berfer ein hervorragend krie⸗
geriſches Volk, welches erſt kürzlich
Aegypten, Thrakien und Makedonien
unterworfen hatte, und mit dem
eben damals Griechenland um ſeine
wirtſchaftliche und politiſche Exiſtenz
kämpfte.
Daß aber zu kriegeriſchen Zeiten
Kampf, Spiel und ritterliche Leibes⸗
übung bei der Jugend eines Volkes
eine hervorragende Rolle ſpielen
müſſen, liegt auf der Hand.
568. Griechenland. Anders in
Griechenland. Zwar haben auch
dort die uns von der Geſchichte
überlieferten, ſportähnlichen Ber:
anftaltungen ihren Ausgang von
dem Bejtreben genommen, dem
Zande wehrhafte, kriegstüchtige
Männer heranzuziehen, allein ihre
Entwicklung verlieh ihnen eine wei⸗
tergehende Bedeutung: Spiele und
friedliche Wettkämpfe waren im
klaſſiſchen Hellas Gemeingut der
Nation. Kein Feſt, mochte es reli-
giöſer oder profaner Natur ſein,
war ohne ſie denkbar.
Dieſe öffentlichen Wettkämpfe
hielten nicht nur im Volke den ge-
funden Sinn für edle Törperliche
Vervollkommnung wach, fie gaben
auch dem Ehrgeiz der Jugend reiche
Nahrung und fpornten fie ftet3 auf3
neue zu veger Arbeit auf den
Uebungspläten an.
Den Gipfelpuntt des allgemeinen
Intereſſes aber bildeten die alle
4 Sabre wiederkehrenden Wettjpiele
in Olympia, und wer dort einen
Zorbeerzweig oder einen Sieger:
franz errungen hatte, defjen Name
wurde in ganz Griechenland ge:
ehrt.
So wurde dort die Pflege körper:
Niro. 568.
licher Uebungen zu einem nationalen
Erziehungsmittel, wie wir ein ähn⸗
liche bei feinem anderen Volke
wieder antreffen.
Die Borrichtungen, welche zu den
Uebungen benügt wurden, waren
einfach, von eigentlichen „Geräten“
kann faum gefprocdhen werden.
Als Uebungsraum genügte dank
dem warmen, an Niederichlägen
armen Klima ein großer, freier
Platz; diefem fchloffen ſich erſt in
fpäterer Zeit Bauten an, welche
dann allerdingg mandmal aud
Hallen für bejondere Webungen,
auch Anfleive- und Baderäume er⸗
hielten.
Die Uebungen waren hauptſäch⸗
lich: Wettlauf, Hoch⸗ und Weit:
fprung, Speerwerfen, Diskuswerfen
und Ringen, aljo das etwa, was
man heute mit dem Sammelbegriff
„Leichtathletik“ bezeichnet.
Diefe Törperlichen Uebungen füll:
ten einen großen Teil des Er—⸗
ziehungsprogramms für die Jugend
aus, ohne daß aber dabei die geiftige
Ausbildung vernadhläffigt worden
wäre. Auch diefe letztere wurde im
„Symnafion“ („Anjtalt für Nadt-
übungen”; die Vebungen wurden
mit entblößtem Körper ausgeführt)
betätigt, und im Gymnaſion vers:
brachte auf folde Weiſe der junge
Grieche einen erheblichen Teil des
Tages und damit feiner Erziehungs:
jahre.
Sn Sparta, das ebenfall der
körperlichen Ausbildung der Jugend
die höchſte Sorgfalt zugemwendet
hatte, trug die Organijation und
die Art der körperlichen Uebungen
einen mehr militärifchen Charafter,
mie ja bier überhaupt als oberfter
Staatsgrundſatz die Erſtrebung
höchſter Kriegstüchtigkeit galt.
In Sparta war es auch, wo
man, anſcheinend zum erſten Male
unter den damaligen Kulturvölfern,
das weibliche Geſchlecht ebenfalls
Nro. 569-571. Dr. M.
zu den körperlichen Mebungen heran
309. Die Uebungen waren im all-
gemeinen die gleichen wie die von
der männlichen Jugend gepflogenen.
Ausgeſprochener Zweck dabei war,
dem Staate tüdhtige und gefunde
Frauen und Mütter zu geben.
Die Spartaner follen denn auch
die ſchönſten Frauen in ganz Grie⸗
henland beſeſſen haben (jiehe Dr.
Rühl, Entwicklungsgeſchichte des
Turnens).
Mit der Unterwerfung Griechen⸗
lands durch die Römer (im 2. Jahrh.
vor Chriſti Geb.), ſcheinen dieſe
Uebungen, welche ſo ſehr in das
öffentliche Leben eingegriffen hatten,
ihr Ende gefunden zu haben.
569. Das römiſche Reich. Den
römiſchen Eroberern fehlte offenbar
der Sinn für eine freie, ſportliche
Betätigung körperlicher Geſchicklich⸗
keit und Kraft. Sie beſchränkten
ſich darauf, im Zirkus ſich von
bezahlten oder auch gezwungenen
(Sklaven) Kräften körperliche Ue⸗
bungen als Schauſpiel vorführen
zu laſſen, wobei in ſpäterer Zeit
ſich der Geſchmack des Publikums
zu einer oft geradezu infernaliſchen
Grauſamkeit entwickelte.
570. Germanien. Von den
alten Germanen, unſeren Stamm⸗
vätern, wird berichtet, daß ſie, ab⸗
geſehen von Reiten und kriegeriſchen
Spielen, gewiſſe körperlichelebungen
mit Vorliebe pflegten. Es waren
dies: Springen, Wettlaufen, Stein⸗
ſtoßen und Speerwerfen.
Mit der Einführung des Chriſten⸗
tums in Deutſchland wurde das
Intereſſe für körperliche Uebungen
mehr und mehr zurückgedrängt.
Die Pflege des Geiſtes und zwar
vor allem die religiöſe Ausbildung
galt nunmehr als die vorwiegendſte
Aufgabe des Menſchen, und es war
nur konſequent, wenn man in kör⸗
perlichen Uebungen eine Ablenkung
von dieſem Zweck, eine Gefährdung
Ahles.
des Seelenheils erblickte, und ſie
deshalb verwarf.
So blieb nur dem Stande der
Ritter die regelmäßige Pflege kör⸗
perlicher Fertigkeiten vorbehalten,
wobei hier naturgemäß leitender
Geſichtspunkt die Erziehung zu
kriegeriſcher Tüchtigkeit war. Die
Uebungen beſtanden in Reiten,
Bogenſchießen, Fechten, Werfen mit
Stein und Speer, Springen.
571. Entwicklung des Turn:
fportes8 in Deutſchland. Einen
Turnfport im heutigen Sinn bat
ed ſonach in der älteren Gefchichte
nicht gegeben.:
Mas wir heute unter „Turnen“
verftehen, reicht in feinen nachweis⸗
baren Uranfängen in dag Ende des
18 Jahrh. zurüd.
Unter der Leitung Johann Bern:
hard Baſedows (geb. 11. Sept.
1723 zu Hamburg) wurde im Sabre
1774 zu Defjau eine „Muſter⸗
fehule”, das „Philanthropinum“,
eröffnet, in welchem befonderes Ge:
wicht auf die körperliche Ausbildung
der Zöglinge durch die offizielle
Einführung gymnaftifcher Uebungen
gelegt wurde.
Selbjt Lehrer an einer nad)
Baſedowſchem WMufter errichteten
Anftalt (in Schnepfenthal) gab im
Sabre 1793 Johann Chriftoph
Friedrih Guts-Muths dag erſte
deutfche Turnunterrihtäbuch „Gym:
naftit für die Jugend“ heraus.
Diefer Beröffentlihbung folgten im
Sabre 1796 ein „Spielbuch“, und
1817 ein „Turnbuch“ des gleichen
Berfaflers.
Sm Sahre 1794 erihien von
Gerd. Ulrich Anton Vieth eine
„Encyelopädie der Leibesübungen”.
Hatten Baſedow, Guts⸗Muths
und Vieth von rein pädagogiſchen
Geſichtspunkten aus für das Turnen
gewirkt, jo wurde mit dem Auf-
treten Friedrich Ludwig Jahn
(geb. 11. Auguft 1778 zu Lanz bei
X. 1. Der Turnfporf.
Lenzen), den wir mit Recht als den
Begründer des heutigen deutjchen
Zurniport3 bezeichnen, dad Turnen
auf das Innigſte mit der Politik
verquicdt und hierdurch wohl erit
zu eigentliher Lebensfähigkeit —
damals wenigftens empor:
gehoben.
Freilih war damit gleichzeitig
auch ſchon ein ernfte3 Hindernis
gefchaffen, mit welchem die Turn
ſache dann fo lange zu kämpfen
Haben jollte.
Am Sabre 1811 eröffnete Jahn
auf der Hafenbeide bei Berlin einen
Zurnplag und begann dort ein
regelmäßiges Yugendturnen einzus
richten. Sein Beitreben war von
der ausgeſprochenen Abficht geleitet,
eine neue Generation voll Kraft
und Mut heranzuziehen, melde
feinen, des glühenden BPatrioten,
ſehnlichſten Wunſch, ein freies, eint-
ges Deutſchland zu ſchaffen, erfüllen
ſollte.
Dieſe, von ſeinen Anhängern mit
Begeiſterung angenommene, poli⸗
tiſche Tendenz veranlaßte ſchon bald
die preußiſche Regierung zur Stel⸗
lungnahme gegen das Turnweſen.
Dur einen königlichen Erlaß vom
2. Januar 1820 wurde das Turnen
vollftändig und ohne jede Ein:
ſchränkung unterfagt. Erjt im Sabre
1842 wurde durch eine abermalige,
allerhöchſte Kabinettsordre das Tur⸗
nen wieder zugelaffen und nunmehr
fogar in den öffentlichen Lehran:
ftalten als Unterrichtäzweig allge:
mein eingeführt.
Seitdem hat das deutiche Turnen
von Jahr zu Jahr mehr Anhänger
gewonnen und heute haben wir in
Deutihland ein Heer von über
900 000 ovrganifierten Turnern,
deren Tätigkeit einen ganz außer:
ordentlich wertvollen Einſchlag von
Kraft und Gefundheit in dem Ge-
bilde unferes Volkskörpers dar:
ftellt.
Niro. 1572- 573.
572. Zweck des Turnens. Nach
dem Geiſte ſeiner Begründer und
nach der ſatzungsgemäß ausgeſpro⸗
chenen Abſicht der „Deutſchen
Turnerſchaft“, welche mit ihren
mehr als 800000 Mitgliedern die
weitaus meiften deutjchen Turner
in fich jich vereinigt, bezwect das
deutjche Turnen die förperliche und
fittliche Kräftigung, ſowie die Pflege .
deutfchen Volksbewußtſeins - und
vaterländifcher Gefinnung.
Dabei erjcheint es gleichzeitig als
ein vorzügliches Erziehungsmittel,
geeignet zur Förderung des Gemein:
finnes, des Sinned für Disziplin
und für Unterordnung des Einzelnen
unter ein größeres Ganzes.
Hiedurch dient es ſchließlich auch
in hervorragender Weiſe der Hebung
der Volkswehrkraft.
Dieſe Ziele und Folgeerſchei—
nungen des Turnbetriebes werden
in ihrem vollen Umfang erreicht
durch das Turnen in unſeren Turn⸗
vereinen (Volksſsturnen), während
bei dem Turnen in unjeren Er:
ziehungsanftalten (Schulturnen) das
erzieheriſche Moment in den Border:
grund gerüdt ift.
573. Das Schhulturnen. Wenn
beim deutſchen Schulturnen die
Eigenfchaft des Turnens als eines
Sports zurüdtritt, jo liegt das zum
Teil in der Natur der Sade: Dem
Lehrer, welcher die Aufgabe bat,
eine größere Anzahl von Schülern
mit oft ſehr verjchiedener körper⸗
licher Beranlagung im Turnen zu
unterweifen, ift von vornherein
eine Grenze dadurch gezogen, daß
er die gemeinjanen Uebungen regel:
mäßig nicht über da8 Map deſſen
fteigern darf, was die ſchwächſten
feiner Zöglinge zu leiften vermögen,
da ja andernfall® dieſe meniger
Leiftungsfähigen von den Uebungen
ausgeſchloſſen, oder aber zu Ueberan⸗
ftrengung von möglicherweiſe ſchäd⸗
liher Wirkung angetrieben würden.
Nro. 573. ‚Dr. M.
Aus diefem Grunde hat auch die
Pflege des turnerifchen Wettbewerbs
in dem Turnprogramm unferer
Säulen bisher feine Aufnahme ge:
funden. :
Die Uebungen, welde in den
Zurnftunden unferer Schulen vors
genommen werden, find nad) der
Reihenfolge der Klafjen und damit
nad dem Alter der Schüler abge-
ftuft.
In den unterjten Klaffen bilden
Drdnungsübungen (Reigen) und
Spiele einen erheblichen Beſtand
im QTurnprogramm, Freiübungen
werden in ausgedehntem Maße, oft
verbunden mit Ordnungsübungen,
betrieben, während an den Geräten
nur die einfachjten Uebungen vor:
genommen werden.
In den höheren Klafjen fommen
die Ordnungsübungen in Wegfall,
in den fonjtigen Uebungen bringt
jedes folgende Schuljahr den Schü⸗
lern einen Uebergang von Leichterem
zu Schwererem.
Schon oft ift der Wunſch laut
geworden, es möge unjerem Schul:
turnen eine größere Beachtung und
vor allem auch mehr Raum als
bisher im Lehrplan zugewandt
werden.
Der ſchöne Sat „mens sana in
corpore sano* ift ja freilich fajt
an jeder unſerer Mittelfhul-Turn:
ballen irgendwo, außen oder innen,
deforativ verwendet, aber die Art,
wie er in die Praris umgejeßt
wird, ift denn Doc recht unzu⸗
reichend.
Durchſchnittlich zweimal in der
Woche je 1 Stunde lang dürfen
die Schüler „turnen“. Ja, wenn
es nur für jeden 1 Stunde lang
wäre. Aber da iſt eine Klaſſe von
40, 50, 60 Jungen, denen die
Turnſtunde vielleicht das Liebſte,
wir wollen gar nicht ſagen, das
einzige nicht Unſympathiſche vom
ganzen großen Lehrplan ihrer An⸗
Ahles.
ſtalt, jedenfalls aber viel, viel lieber
iſt, als der ganze Horaz mit ſeinen
Höflingsverſen, als der unſterbliche
Homer, deſſen Schönheiten der
Dozent wohl mit Begeiſterung zu
genießen vermag, der aber die Schü⸗
ler regelmäßig ſehr kalt läßt; und
dieſe 40 und mehr jungen, lebens⸗
friſchen Burſchen, die jede Woche
beiläufig 30 lange Stunden hin⸗
durch die Schulbank drücken, die
außerdem noch zu Hauſe ſich auf die
Schulſtunden vorzubereiten haben,
werden nur zwei kärgliche Stunden
in der Woche zu körperlichen
Uebungen angehalten. Dabei ift,
abgefehen von den Ordnungs- und
Fretübungen, von denen die erfteren
gar feinen, die leßteren feinen er-
heblichen Wert für die Kräftigung
des Körpers haben, die Zeitfpanne,
welche dem Einzelnen zum Turnen
gewährt werden fann, jtet3 natur-
gemäß nur ein geringer Bruchteil
der Stunde, wenige Minuten bloß
da ja bei den Uebungen an den
Geräten regelmäßig nur jeweils
ein einzelner Schüler turnen fann,
während die anderen indefjen zur
Untätigfeit verdammt find.
Sit eine ſolche Schulturnftunde
zu Ende, und ruft die Glode des
Pedells die Jungen wieder auf die
Schulbank zurüd, fo iſt faum einer
unter ihnen, dem es feine Muskeln
in wobltätiger Ermüdung fagen,
daß er foeben „geturnt“ babe.
Der gewiß jehr wünſchenswerte
Wandel zum Befferen ließe ſich
unſchwierig fchaffen: Bor allem
wären die offiziellen Turnſtunden
ganz bedeutend, mindeſtens auf das
Doppelte zu vermehren. Sodann
müßte die Tätigkeit in diefen Stun:
den eine weit intenjivere fein, als
fie e8 bei der bisherigen Methode
jein fann, bei welder der Turn:
lehrer allein die Leitung der Ue⸗
bungen zu verſehen bat, jo daß
bei den Geräteübungen infolge Beits
gen, übertragen Tann.
Weiſe würde ed ermöglicht, die in
x. 1. Der Aurnfporf.
mangels der Einzelne immer zu
furz fommen muß. Hier Tönnten
‚unfere Schulen jehr wohl dem
Beifpiel der Turnvereine folgen:
Der Zurnlehrer wird fchon nad)
furzer Zeit unter: jeinen “Pfleg:
Lingen eine Elitemannfchaft heraus
gefunden haben, die er nun zu
Vorturnern ernennt, und denen er
jeweil3 die Beauflichtigung und
Zeitung eines Teiles der turnenden
Klaffe, zumal bei einfacheren Uebun—⸗
der gleiden Turnſtunde verfammel-
ten Schüler in vier und mehr
Gruppen zu teilen, welche zu gleicher
Zeit unter verjchiedenen Borturnern
beichäftigt find, und melde nad
Erledigung der einen Hebungsart
den Vorturner und damit die Uebung
wechſeln.
Endlich könnte noch die übliche
Jahresſchlußfeier als Programm⸗
nummer eine Vorführung der tur⸗
neriſchen Höchſtleiſtungen der Schü⸗
ler erhalten, womit dann den
Schülern während des Jahres noch
ein bejonderer Anſporn zu eifriger,
turnerifcher Tätigkeit gegeben wäre.
Strenge zu verpönen wäre Dabei
die bisher leider nicht felten zu be⸗
obachtende Gepflogenbeit, daß man
ſchwächliche oder weichliche Schüler
vom Turnen teilweife oder gar
gänzlich Dispenjtert; vielmehr müßte
gerade dieſen Schülern der Lehrer
feine bejondere Sorgfalt zuwenden
und fie durch anfangs leichte, dann
in ſyſtematiſcher Steigerung ans
ftrengendere Uebungen auf den
Grad der ihrem Alter entſprechen⸗
den Leiſtungsfähigkeit zu bringen
uchen
a Würde auf ſolche Weiſe bei den
Schülern das Intereſſe und Die
Freude am Turnen gemwedt und
großgezogen, fo wäre das für ihre
fpäteren Jahre, insbeſondere auch
für die Wehrpflicht, von gar nicht
Auf dieſe
Nro. 57%.
hoch genug zu Den nenne Bedeus
tung (val. Kap.
574. Dans Beifeturnen. Mag
als Endziel ded Turnens die Er⸗
böbung der Volkswehrkraft betrachtet
oder mag das Hauptgewicht auf
den erzieheriihen Faktor gelegt
werden, der nächſte Zweck des
Turnens und auch feine unmittel-
barfte Wirkung ift, wie ſchon oben
bemerkt, Törperlihe und fittliche
Kräftigung.
Der Erfüllung Ddiefer Aufgabe
widmen fich die Turnvereine.
Aus den befcheivenen Verhält-
nifjen des Jahnſchen Turnplages
auf der Haſenheide Hat ſich ein
mächtiger Organismus entwidelt.
Die „Deutihe Turnerfchaft“, die
größte turnerifche Bereinigung der
Melt, umfaßt 7787 Vereine mit
808 525 Mitgliedern. Nimmt man
dazu noch die übrigen Vereine,
welche ſich der Deutichen Turner:
ſchaft nicht angeſchloſſen Haben, fo
ergibt ſich für Deutfchland ein Be-
ftand von etwa 900000 organifier-
ten Zurnern.
Die Bereine gruppieren ihre
Mitglieder je nach körperlicher Ver⸗
anlagung und rien in
„Riegen“. Hierdurch wird — im
Gegenſatz zum Schulturnen — eine
gleichmäßige,turnerifche Inanſpruch⸗
nahme der gemeinfam turnenden
Berfonen ermöglicht, wobei gleich-
zeitig durch Bildung dieſer „Staaten
im Staate” eine engere Fühlung
unter den Angehörigen des Ver⸗
bandes erzielt und auf jolde Weife
der Korpsgeift gehoben wird. .
Die Leitung und Beauffihtigung
der gemeinjchaftlichen a
innerhalb der Riegen obliegt den
„Borturnern”, melde jelbft aus der
Reihe der Vereinsmitglieder gewählt
werden.
Daneben gibt das „Kürturnen“,
d. i. das Turnen der Einzelnen
außerhalb der gemeinſamen Turn⸗
Nro. 974.
ftunde, an felbjtgemähltem Gerät
und in beliebigen Uebungen, reiche
Gelegenheit zu individueller Aus:
bildung und zum Wettbewerbe um
Beftleiftungen.
Die zur deutſchen Turnerfchaft
gehörigen Vereine find in 18 „Zurn-
freife“ eingeteilt. Den Kreifen ift
durch die Satung das Recht ein-
geräumt, die „Gaupflicht“ einzu⸗
führen, d. 5. ihre Vereine wiederum
in Gaue einzuteilen. Bon dieſem
Recht Haben ſämtliche Kreife Ge⸗
brauch gemacht, und es ergibt ſich
fomit in auffteigender Richtung die
Gliederung: Verein, Turngau,
Turnkreis, Deutſche Turnerſchaft.
Alle 4 Jahre treten der Ausſchuß
der deutſchen Turnerſchaft, die
Kreisturnwarte oder deren Stell⸗
vertreter und die Abgeordneten
der deutſchen Turnerſchaft zum
„Turntage“ zuſammen, deſſen
Hauptaufgabe in der Beratung und
Beſchlußfaſſung über ſämtliche tur⸗
neriſche Angelegenheiten beſteht.
Ebenfalls in 4jährigen Zwiſchen⸗
räumen werden Turnfeſte in der
Dauer von je 3—4 Tagen veran⸗
ftaltet. Ihre turnerifchen Uebungen
umfaffen im mefentliden: allge-
meine Uebungen (Freiübungen),
Vorführungen der Kreife und Saue
und das Wetturnen.
Es war ein fehr glüdlicher Ge:
danfe, der in die Vorfchriften über
die Wertung der Vebungen des
Wettlampfes die Beſtimmung auf:
nehmen ließ, daß nicht nur die
mufterhafte Durchführung, fondern
auch die gemandte und ſchöne Aus-
führung und Haltung zu werten
jeien.
Damit ift von unferen Turn
plägen nachdrücklich ausgeſchloſſen
die Rekordmacherei, wie wir ſie bei
ſonſtigen Sporten nur zu häufig
antreffen, die Art des Wettfampfes,
die nur ein Ziel kennt, die Höchſt—
leiftung, die aber nad) dem „Wie“
Dr. mM.
Ahlen.
bei Erreihung dieſes Zieles nicht
fragt. Mit diejer Beftimmung bat
die Turnfeftorbnung etwas von dem
Geifte der Wettlämpfe in Diympia
berübergenommen in die moderne
Zeit, und wer auf unjeren Turn:
pläten zu Haufe ift, und aus eigener
Anfhauung die Leiftungen kennt,
die dort im Kürturnen und bei den
Vorübungen für die Turnfefte er-
reicht werden, der wird mit Recht
das deutfche Turnen als eine Pflege:
ftätte nicht nur der Kraft und des
Gemeinfinnes, fondern auch der
Körperfchönheit hochſchätzen.
Aber nicht nur körperlicher Art
ift der Gewinn, den dad Turnen
dem Einzelnen bietet, die ftändige
Schulung ded Körpers bringt aud)
eine ſolche des Geiſtes mit fidh,
der es lernt, in moblberechnetem
Abmaße den Körper zu beberrichen,
feine verfchiedenen Fähigkeiten nad
ihrer momentanen Verwendbarkeit
in Tätigfeit treten zu laſſen und
fie wieder rechtzeitig auszufchalten.
Und zahlreih find die Gelegen:
beiten, welche da3 Turnen feinem
Sünger bietet zur Entwicklung
äußerfter Energie. „So feitigt es
den Charakter und fördert alle jene
Tugenden, die der Menſch im all
täglichen Leben, im Ringen um bie
Eriftenz und in Not und Gefahren,
in den Kämpfen für die böchften
Güter der Menfchbeit, für Freiheit,
Ehre und Vaterland bedarf: Tapfer:
feit und Entichloffenheit, Ausdauer
und Standhaftigkeit.” (Rühl, Ent:
wicklungsgeſchichte des Turnens.)
Damit gewährt das Turnen
gleichzeitig auch die weſentlichſten
Grundlagen für die Ausübung einer
jeglichen andern Sportart, und man
fann wohl fagen, daß ein gute⸗
Zurner für jeden anderen Spott,
der körperliche Tüchtigfeit, gepaart
mit Mut und NRafchheit des Ent:
ſchluſſes verlangt, vorzügliche Bor:
bedingungen hat. Eine Beftätigung
- ⏑ | — — — _
— — — run
x. 1. Der Tuxnſport.
Biefür fehen mir in der Tatjache,
daß die extreme Hochtouriftil, der
‘alpine Kletterfport, der eine Summe
von Ausdauer, Mut und Kraft er-
fordert wie nicht leicht ein anderer
Sport in gleihem Maße, feine
beſten Vertreter aus Turnerfreijen
refrutiert, ja daß eine Anzahl von
QTurnvereinen befondere „Berg:
fteigerriegen“ gebildet haben, deren
Zeiltungen zu den beiten auf hoch⸗
touriftiihem Gebiete zählen.
Die in Deutſchland gebräud-
lien Arten von turnerifchen Uebun⸗
gen lafjen fi in vier verfchiedene
Gruppen teilen.
575. Orbnungsübungen. Diele
beftehben in der Vornahme gleichs
mäßiger Aufftellungs» und Bewe⸗
gungsformen einer größeren Anzahl
von Perfonen. Hiezu gehört vor
allem da8 Aufftellen in verichiede-
nen Formationen, dann dad Mar:
ſchieren, das Uebergehen von einer
Formation in die andere in der
Aufftelung und im Marfche, end⸗
lich die fogenannten „Reigen“, da3
find Zufammenftellungen von künſt⸗
lihen Formen der Aufitellung und.
der Bewegung.
Vom Gefichtspunfte des ſport⸗
lichen Turnens kann diejen Uebun⸗
gen eine Bedeutung nicht beigemefjen
werden; in beſchränktem Maße find
fie für die Zmede des Schulturneng
verwendbar, injoferne, al3 fie den
Sinn für foftematifche Unterord⸗
nung des Einzelnen unter eine
größere Gejamtheit, das Verſtänd⸗
nis für Disziplin und Ordnung
zu weden und auszubilden geeignet
find.
Freilich laffen ſich dieſe Ziele
aud) auf anderen Wegen erreichen
und wir könnten die Drbnungs:
übungen ohne Schaden aus unferen
Schulen verbannen. Biel zu fehr
werden jie insbeſondere beim Mäd-
chenturnen gepflegt, und es gebt
faum fehl, wenn man annimmt,
Nro. 575-576.
daß fie dort als echte und rechte
Lückenbüßer dienen: In altherge-
brachter, aber ganz falfcher Aengſt⸗
lichkeit geht man bier nur ſchwer
an Uebungen heran, welche größere
Anforderungen an Kraft, Gewandt⸗
beit und ſchließlich auch an dem
perſönlichen Mut jtellen; das zur
Verfügung ftehbende Programm ift
infolgedejjen nicht fehr groß und
da bilden außer den Freiübungen
aud die jo beliebten Ordnungs⸗
übungen ein recht angenehmes Hilfs⸗
mittel zur Ausfüllung ber Turn⸗
ſtunde.
Naht dann das Jahresſchlußfeſt
oder ſonſt eine hiezu geeignet er⸗
ſcheinende Feſtlichkeit, dann wird in
der Mädchenturnſtunde eifrig an
einem oder mehreren Reigen geübt,
mit denen die Schule am feſtlichen
Tage paradieren ſoll.
Regelmäßig iſt von ſolchen Vor⸗
führungen ſowohl Lehrerſchaft als
das geladene Publikum entzückt. Un⸗
beſtreitbar können auch derartige
Uebungen, wenn ſie gut angeordnet
und flott durchgeführt ſind, einen
allerliebſten Anblick bieten, aus dem
Turnprogramm aber mögen
dieſe dekorativen Spaziergäege je
eher deſto beſſer verſchwinden.
576. Freiübungen. Eine weſent⸗
liche Rolle auf ſportlichem Gebiet
kommt auch den Freiübungen nicht
zu. Dagegen ſind ſie unentbehrlich
als Grundlage für jeden Turn
unterridht, indem fie durch eine
gleihmäßige, ſyſtematiſche Ausbil:
dung der Bewegungsfähigfeit aller
Glieder des menschlichen Körpers
ihn für die übrigen Arten von
Turnübungen vorbereiten. Auch
find fie durch die Gemeinſchaftlich⸗
feit ihrer Ausführung von erziehe-
rifhem Wert.
Dabei haben die Freiübungen
den Borzug, daß zu ihrer Aus-
führung feinerlei Geräte erforder:
lih find, fowie ferner, daß Das
Niro. 576. 5
Fehlen jeglider Gefahr und die
verhältnismäßig leichte Ausführbar-
feit fie als vorzüglich geeignet für
den körperlich noch Ungewandten
erſcheinen laſſen.
Die Freiübungen werden daher
auch in unſerem Heer mit den jähr⸗
lich neu eintretenden jungen Mann⸗
ſchaften fleißig betrieben und ſie
bewähren ſich vorzüglich als Mittel,
den ungelenken Körpern die nötige
Vollkommenheit in der Beherrſchung
der einzelnen Glieder, die für alle
militäriſchen Leiſtungen unerläßliche
Strammheit, Energie und Ausdauer
zu verleihen.
Grundbedingung iſt hierbei ſtets
eine peinlich korrekte Ausführung,
denn nur bei ſolcher kommt der Wert
dieſer Uebungen voll zur Geltung.
In Verbindung mit Handgeräte⸗
insbefondere mit SHantelübungen
find die Freiübungen auch vorzüg-
lid für die Hausgymnaſtik
geeignet.
Es ift eine fehr bedauernswerte
Tatſache, daß die Hausgymnaftif
jo außerordentlich wenig gewürdigt
wird, und es ift die um fo aufs
fallender, als unfer Buchhandel
eine reichlihe Menge von Werten
über Hausgymnaſtik nah allen
möglihen „Syſtemen“ auf den
Markt bringt, modurd das Bubli-
fum, wenn aud nur von den
Scaufenftern der Bücherläden aus,
immer wieder auf diefes wichtige
Thema bingewiefen wird. Die
Urſache diefer Vernachläſſigung des
Bimmerturnens liegt darin, daß
bier, im Gegenfag zum Turmen in
Schulen oder Dereinen, jegliche
äußere Anregung fehlt und Die
Erledigung des vorgenommenen
Penfums zu einer rein mechanifchen
Tätigfeit herahſinkt. Das follte
aber von einer, wenn auch nur
mäßigen Vornahme täglicher Zim:
merübungen nicht abſchrecken; es
bedarf ja biezu nur eines ganz
‚Dr. M.
Ahlee.
beſcheidenen tägliden Zeitaufwan:
des, und die geringe Unbequemlich⸗
feit folcher furzer, wenn auch mono
toner Uebungen wird reichlich aus:
geglihen durch die Wohltat, welche
dem Körper hiedurch erwiefen wird.
Weſentlich ift hierbei aber vor
allem, daß täglich geturnt wird
und ‚wäre e3 auch nur wenig. Wer
fih aber beifpielämweife die Mühe
nimmt, jeden Morgen unmittelbar
nad) dem Aufftehen nur 30—-50
tiefe Kniebeugen mit gleichzeitigem
Armftreden aufwärts, vormärts
oder ſeitwärts, eventuell mit Han-
teln, auszuführen, anfchließend etwa
ein Dutend tiefe Rumpfbeugen
vorwärts, und dann nod im Laufe
des Tages gelegentlich einmal ein
paar folde Uebungen vornimmt,
wird ſchon nad) fürzefter Zeit be-
merfen können, wie feine Muskeln
dankbar fi zu ſpannen beginnen
und die lange vermißte frühere
Elaftizität feines Körpers ſich all-
mählich wieder einftellt.
Die gemeinſchaftliche Aus-
führung der Freiübungen vollzieht
ſich folgendermaßen: Die Turner
treten in geordneter Formation an,
welche vom Lehrer je nach der Art
der beabſichtigten Uebung verſchieden
gewählt ſein kann, regelmäßig aber
die geöffnete Aufſtellung in meh⸗
teren Sliedern fein wird.
Der einzelne nimmt bierbet
„Srundftellung” ein, d. 5. er ftellt
ſich mit gefchloffenen Füßen und
gleichzeitig nad) auswärts gedrehten,
zueinander einen Winfel von etwa
90 Grad bildenden Fußfpiten in
gerader Haltung auf, das Gewicht
des Körpers durch leichtes Vor⸗
neigen etwas nach vorne verlegend,
den Oberkörper aus den Hüften
heraushebend; die Arme hängen in
ungezwungener Haltung längs Des
Leibes berab.
Bon diefer Stellung aus werden
die meiften Uebungen gemadit.
+$
2 ai > 2 pm - nnd = 2 > Te
—
em.
He
zen
5 1
X. 1: Der Qurnfporf.
Niro. 576.
Daneben find noch möglich die Beine werden aus der Grund»
Spreizitellung, bei welcher die beiden | jtellung vorgenommen ;
Füße nach den beiden Seiten aus:
einandergeftellt find, ſowie die
Schrittſtellung, welche dur Bor:
bezw. Zurüditellen eines Fußes
eingenommen wird.
Die Uebungen felbjt find jolche
der Arme, der Beine, der Füße
und des Rumpfes.
Die Freiübungen der
Arme beftehen in Streden der
Arme nah aufwärts, abwärts,
vorwärts, rückwärts und ſeitwärts,
um dem
Körper einen befjeren Halt zu
geben, jtüßt man die beiden Hände
in die Hüften (auf das Kommando
„Hüften — — feſt!“. Die Uebungen
find: Kniebeugen und :ftreden, wo—
bei die Kniee gebeugt werden, jo
dat der in feiner fenfredten Hal:
tung bleibende Oberförper ſich nach
abwärts jenft und die Ferſen fich
vom Boden heben; das Streden,
der zweite Teil dieſer Uebung,
vollzieht ji) in der umgekehrten
298. $reiübungen.
Bewegungen, welche in furzen,
energiijhen GStößen nad) ange:
gebenem Tempo ausgeführt werden;
ferner : feitliches Heben und Senken
der Arme, ebenfall3 nach Zeiten,
und endlich das Armrollen, wobei
die geftredten Arme aus der Seit—
bebhalte heraus kreiſende Beweg—
ungen nad) vorwärts oder rückwärts
beichreiben. Diejes Armrollen wird
bejonders auf unjeren Kajernhöfen
viel geübt, da es vorzüglich ge—
eignet ijt, die Haltung des Rumpfes
zu verbefjern, die Bruft zu mweiten
und die Muskulatur der Schultern
zu fräftigen.
Die Freiübungen der
MWeife. Ferner: dag Beinheben
und -ſenken nad) vormwärts, jeit:
wärt3 und rüdmwärts; das Bein-
fpreizen, bejtehend in der gleichen
Bewegung wie das Beinheben, je=
doh in fchnellerer Ausführung
und unter fofortigem Zurüdgehen
in die Grundftellung; das Knie:
heben aufwärts und das Bein
ftreden nad) vorwärts oder rüd-
wärts als Ergänzung zu dieſer
Uebung.
Die Freiübungen der
Füße: Fußrollen, eine kreis—
fürmige Bewegung der Fußipigen
nad) rechts oder links bei aufwärts
gehobenem Knie und mwagredtem
‚Neo. 577—578.
——— das Ferſenheben und
⸗ſenken
Die Sreiübungen des
Rumpfes: Beugen des Rumpfes
nad) vorwärts, ſeitwärts und rück⸗
wärts und das Rumpfdrehen nad)
rechts und links ſeitwärts.
577. Handgeräteübungen. Die
bei ung gebräudlichiten Handgeräte,
auch bewegliche Geräte genannt,
find: Hanteln, Stäbe und Keulen.
Die Hantel, aus Eijen ber:
geftellt, befteht aus zwei Kugeln,
welde durch ein zylindriſches,
mandmal etwas gebogenes Eifen:
ſtück feſt miteinander verbunden
find. Ihr Gewicht ift verſchieden,
je nachdem ihre Handhabung mehr
oder weniger Muskelanſtrengung
erfordern ſoll, doch ſoll das Gewicht
der einzelnen Hantel 2—2"/, kg
nicht überfchreiten.
Die Mebungen mit SHanteln
fünnen ald Ergänzung zu den reis
übungen der Arme bezeichnet wer:
den, injoferne nämlich, als fich alle
Uebungen der Arme auch unter
Hinzunahme der Hanteln ausführen
lafien, wobei jedoch dieſe letztere
Uebungsart den Vorzug einer er:
böhten Anregung der Musfeltätig-
keit beſitzt.
Der Stab, ebenfalls aus Eiſen
(Holzftäbe werden faſt nur in
Schulen verwendet), ift 1 m lang
und etwa 1'/, cm did.
Die weſentlichen Uebungen find:
Stabftreden, -beben und :jchwingen
nad) vorwärts, aufwärts und feit-
wärts, Ausfall nad) vorwärts und
ſeitwärts mit Borftreden des Stabes.
Die Möglichkeit, ftet3 neue Uebungs⸗
formen zu finden, insbejondere
dur Kombination mit Freiübungen,
it bier faft unbegrenjt.
Die Keule ift ein aus Holz
bergeftelltes, etwa 60 cm langes
und 1'/,—2 kg ſchweres Gerät in
der Form einer langgeſtreckten
Flaſche.
Dr. M.
hles.
Die Uebungen beſtehen darin,
daß eine oder gleichzeitig zwei
Keulen an dem dünnen Ende ge-
faßt und entweder aus dem Hand⸗
gelen? oder mit dem. die Bewegung
mitmachenden geftredten Arm in
freifende Bewegung gefett werden.
(Handkreifen, Armkreiſen) Durd
die gleichzeitige Ausführung ver:
fhiedenartiger Bewegungen mit der
rechten und der linten Keule ent:
jteben die „Wechſelſchwünge“, welche
eine große Mannigfaltigkeit von
Kombinationen gejtatten.
578. Uebungen am feiten Ge-
rät. Das Red. Das Ned ift
eine Stange aus Holz oder Eifen,
welche zwifchen zwei Säulen oder
fonftigen Auflagevorrihtungen wag⸗
recht befeftigt ift.
Die vom Turnausfhuß der deut⸗
[hen Turnerſchaft erlaffenen Be⸗
ftimmungen über die Richtmaße
für die MWetturngeräte bei den
deutfchen Turnfeften treffen für die
Beichaffenheit dieſes Gerätes im
Einzelnen folgende Anordnungen:
Es follen nur Stahlftangen oder
Holzftangen mit Stahllern zur Ber:
wendung fommen. “Die jtählerne
Stange fol im Lichten 220— 230 cm,
die Holzftange mit Stahlfern 200
bis 220 cm lang fein. Die Dide
fol bei Stahljtangen 30—382 mm,
bei Holzſtangen mit Stahllern 32
bi3 33 mm betragen. Die Reck⸗
ftange muß in ihren Trägern ver:
ftelbar fein, und zwar foll die
größte Höhe 250 cm, die niedrigfte
80 cm betragen. Der Abjtand
zweier aufeinanderfolgender Ned:
jtangenhöhen ſoll höchſtens 10 cm
betragen.
Am niedrigen Reck werden
Uebungen aus dem Stand und aus
dem Stüß vorgenommen.
Aus dem Stand erfolgen die
verfchiedenen Sprünge in den Stütz
und in den Sig auf der Stange;
ferner die Sprünge über die
|
1
X. 1, Der Aurnfport.
Stange (aud) mit Anlauf): Flanke,
Mende, Kebre.
Den Ausgang für die Hebungen
am hohen Red bildet der Hang.
Man nimmt ihn entweder mit Auf-
griff (Riftgriff), wenn beide Hände
auf der Stange liegen, jo daß bie
beiden Handrüden dem Geficht des
Turnenden zugefehrt find, oder mit
Untergriff (Kammgriff), wobei die
Stange von unten gefaßt wird, dem
Geficht des Turners alfo die Innen«
feiten der Hände zugemwendet find,
oder endlih auch mit Zwiegriff,
bei weldem die eine Hand Auf:,
die andere Untergriff hat.
Am Stredhang werden verjdie-
dene einfachere Uebungen vorge-
nommen, welde jedoch der jelb-
ftändigen Bedeutung mehr ober
minder entbehren und vielmehr ala
Vorftufen für andere fchmerere
Uebungen in Betradht fommen, fo
das Schwingen, Hangeln nach rechts
und linfs, Beinheben und -fpreizen,
Klimmziehen, Anziehen der Beine
an die Stange zum „Sturzhang“,
Ueberheben eines Beines über die
Stange zum „Seitliegehang” und
zum „Kniehang”.
Hieran jchließen ſich die verfchie-
denen Arten des Uebergangs vom | fi
Hang zum Stüß:
Der Felgaufſchwung wird
aus dem Stand unter dem reid)-
hoben oder aus dem Hang am
boben Red ausgeführt, indem unter
Anbeben des Körpers an die Stange
dur Beugen der Arme die Beine
in rafhem Schwunge nad) vorne
und aufwärt® an die Stange ge:
bradt und fodann über diefelbe ge:
ſchoben werden, bis fich der gleich»
zeitig um feine Querachſe gedrehte
Körper an diejer in Streckſtütz be-
findet.
Beim Felgaufzug vollieht
fih der Ueberaang in den Stüß
auf die gleiche Weife, nur mit dem
Neo. 578,
langfam dur „Anriften“ an die
Stange gehoben werden.
Beim Knieaufſchwung wird
aus dem Kniehang an einem Knie
nach mehrmaligem Anſchwingen das
berabhängende geftredte Bein kräf⸗
tig nad) unten und rückwärts ge=
ſchwungen und duch den hiedurch
erzielten Schwung der Körper in
den Stüß emporgehboben.
Der Felgaufzug rüdlings
vollzieht fih in der Weiſe, daß
zunädft die Füße durch Anriften
an die Stange gebradt, dann
zwiihen den Armen unter ber
Stange durchgeſchoben und Bierauf
die Beine nad) oben geſtreckt werden.
Nun wird der Körper durch Beugen
der Arne emporgezogen, dabei das
Kreuz ſtark durchgedrüdt, bis Durch
Verlegung des Schwerpunftes nad)
oben und vorne der Überförper
emporgehoben wird, jo daß er ſich
im Stütz rüdling3 befindet.
DieKippe. Nach mehrmaligem,
fräftigem Schwunge mit möglichſt
geſtrecktem Körper werden am Ende
des legten Vorſchwunges die Füße
raſch angeriftet, worauf im folgenden
Rückſchwung die Füße ji von der
Stange abjtoßen und der Körper
id nah rückwärts zum Stütz
emporjchwingt.
Aus dem Stüt werden verſchie⸗
dene Umſchwünge oder Wellen
ausgeführt: Der Felgumſchwung
rückwärts erfolgt, indem man im
Stüt mehrere Male mit den Beinen
vor⸗ und rückwärts ſchwingt und
ſodann unter leichtem Abheben des
Körpers von der Stange ſich nach
rückwärts um dieſelbe herum wieder
zum Stütz zurück ſchwingt.
In entſprechender Weiſe vollzieht
ſich die Kniewelle rückwärts
aus dem Seitſitz (Stütz mit einem
Knie über der Stange zwiſchen den
beiden Händen), ſowie die Sitz⸗
welle rüdwärts aus dem Sitz
Unterfhied, daß Hier die Beine |auf der Stange.
Nro. 578.
Weitere Wellen find : Die Arm:
welle oder Speiche, bei welcher
der Körper in den nad) rückwärts
gebeugten Ellbogengelenfen vorlings
an der Stange hängt, die Kreuz:
welle, bei welcher bei ebenfalls
Dr. M. Ahles.
auf ſchwere und fchwerfte Uebungen,
muß den Spezialwerfen überlafjen
bleiben, von denen ich bejonders
auf Karl Müller, „Der Bors
turner“, verweilen möchte.
Der Barren: Der Barren be:
299. Die Waage am Red,
vorlingd hängendem Körper die ſteht aus zwei auf Ständern mwag-
Stange im Kreuz des Turnenden
liegen muß, und der Riejen-
ſchwung oder die Weber:
ſchlagswelle, welde darin be-
fteht, daß der mit gejtredten
Armen an der Stange geitrect
hängende Körper fich nach vorwärts
oder rüdmwärts um die Stange
ſchwingt.
Dies die hauptſächlichſten Ueb—
ungen am Reck. Ein genaueres
Eingehen auf Details, insbeſondere
recht in gleicher Höhe und parallel
zueinander ruhenden Stangen
(Holmen) aus Holz oder Eiſen von
ovalem oder kreisrundem Quer—
ſchnitt.
Für die Wetturnen der deutſchen
Turnerſchaft ſind eiſerne Barren
vorgeſchrieben. Die Barrenholme
ſollen 280—300 cm lang, die
„Meberjtände”, das jind die über
die Träger hinausragenden Teile der
Stange, nicht über 40 cm lang fein,
X, 1. Der Qurnfport.
Die Stärke der ovalen Holme
fol lotrecht 52—55 mm, wagrecht
43—46 mm beitragen; die kreis⸗
runden Holme follen eine Dide
von 45—48 mm baben.
Die Weite des Barrens, d. i. die
Entfernung der Holme voneinander,
beträgt 42—48 cm. Die Höhe ift
je nach Art der beabfichtigten Hebung
verihieden zu nehmen. Zum Wett-
turnen werden deshalb verjtellbare
Barren mit einem Spielraum von
120—170 cm Höhe verwendet.
Die weitaus meiſten Uebungen
am Barren beginnen mit dem Stütz
in ſeinen verſchiedenen Arten:
Streckſtütz — der Körper befindet
ſich zwiſchen den beiden Holmen,
getragen von den Armen, welche
ſich ſenkrecht auf die Holme ſtützen,
der Kopf iſt frei aus den Schultern
herausgehoben, das Kreuz hohl,
die Beine geſtreckt und geſchloſſen
mit abwärts gedrückten Fußſpitzen
nach rückwärts gerichtet. Außen⸗
feitftüg — der Körper iſt außer:
Bulb des Barrens gegen diefen zu:
gewendet in Stütz an dem einen
Holm, an welchem die Oberfchentel
anliegen. Liegeftüg — aus dem
Streditüg gemonnen durch Zurüd:
fhwingen der Beine und Auflegen
auf die beiden Holme. Knickſtütz
— Stellung wie beim Stredftüß,
jedoh die Arme feitlih und rüds
wärts gebeugt. Unterarmſtütz —
die Arme find im rechten Wintel
gebeugt, die Unterarme ruhen auf
den beiden Holmen.
Aus dem Streditüg kann durch
Bor: oder Rüdichwingen und Ueber⸗
fpreizen eines Beine3 über einen
Holm Keitfig vor oder Hinter der
Hand, durh Grätſchen der Beine
über die beiden Holme der Grätſch⸗
fig eingenommen werden.
Aus den verfchiedenen Sikarten,
verbunden mit Schwingen im Streck⸗
ftüg, fowie mit verſchiedenen Ab⸗
fprüngen laſſen ſich eine große
Nro. 578.
Anzahl von Mebungen Tombinies
ren. |
Ein Gegenftüd zum Klimmzug
am Ned bildet Bier der Mebergang
von Kniditüg zum Stredftüß und
zurüd. Diefes Stützwechſeln kann
auh mit Schwingen verbunden
werden.
Bon fchwereren Uebungen find
hervorzuheben: Die Zugftemme aus
dem Duerhang am Barrenende zum
Streditüs, Handftand (ebenfalls auf
beiden Holmen ausgeführt), Die
Kippe, bei mwelder der Körper an
den leicht gefrümmt auf die Holme
aufgelegten Armen bängend durch
Schwingen der Beine nach vorne
und oben und fodann Fräftiges
Borfchlagen derſelben in.den Stred:
ftüß gebracht wird, die Rolle vor-
wärts oder rüdmwärts, wobei der
Körper aus den Oberarmhang durd)
Ueberfchlagen nad) vorwärts bezw.
rückwärts fih um feine Querachſe
dreht.
Das Pferd: Ein auf vier ſtark
feitwärt3 und auswärts gefpreizten
(durh Ausziehvorrichtung verftell-
baren) Ständern wagrecht ruhender
länglicher Holztern, oben und an
den Seiten von feiter Polfterung
umgeben. und mit ftarfem Leder
überzug verfehen, der vorne über
die Ständer vorftehende Teil (Hals)
etwas fchmäler auslaufend als der
rüdwärtige Teil (Kreuz, Kruppe);
auf dem Rüden laſſen fich, quer
zur Längsachſe, zwei mit Xeber
überzogene Bügel (Paufchen) an:
bringen.
Die Borfchriften der deutjchen
Turnerſchaft ftellen folgende Normen
auf: Die geeignetfte Länge des
Pferdes ift eine folhe von 190 cm.
Der Rumpf fol 40 cm did und
ebenfo breit fein, die Höhe des
Pferderüdens über dem Boden foll
mindeftend 110 cm und hödjtens
170 cm betragen, die Entfernung
der Baufchen voneinander fol 44
Neo. 578.
gleich hoch fein.
Das Pferd wird ſowohl in der
Längs- als auch in der Breitjtellung
Dr. M. Ahle.
bi3 45 cm fein. Die Pauſchen
find 11—12 cm body, 31— 33 mm
die; Hals, Sattel und Kreuz jollen
‚Schraube ausgeführt, indem unter
gleichzeitigem Loslaſſen der einen
Hand der Körper ſich auf der an:
deren ein halbes Mal (zum Seitfit)
oder dreiviertel Mal (zum Reitſitz)
um feine Längsachſe dreht.
300. Uebungen am Pferd,
verwendet. Am langgeitellten Pferd
werden durch Auffpringen von rüd-
wärt3 die verjchiedenen Sitze ge:
monnen: Reitjig im Sattel, auf
dem Kreuz oder auf dem Hals,
Querſitz auf einer der beiden Seiten.
Aus dem Reitjit erfolgt die Schere,
indem man den vorne auf die
Arme geftügten Körper rüdmwärts
herausfchwingt, die Beine fodann
in der Luft Freuzt, jo daß man mit
einer halben Drehung um die Längs—
achſe wieder in den Sig kommt.
Ebenfall3 aus dem Reitſitz erfolgt
die Kehre, welche darin befteht, daß
der mittels der Arme auf die vordere
Pauſche geftüste Körper wie bei der
Schere nad) rückwärts emporgehoben
wird, worauf er durch einen Kehr:
ſchwung in der Luft zum Sig un:
mittelbar vor der erjten Sißitelle
und zwar mit entgegengefeßter Front
gelangt.
Mit feitlich nefteltem Sprung-
brett wird die Kehre, Flanfe und
Wende über das Pferd ausgeführt,
eventuell mit furzem Anlauf.
Mittels Fräftigen Anlaufs erfolgt
der Längsſprung (die Längsgrätiche)
über das Pferd, indem aus dem
Abſprung der Körper möglichſt wag⸗
recht mit geſtreckten und geſchloſſenen
Füßen über das Pferd geworfen
wird, wobei die Arme weit vorn,
auf dem Hals, Stütz nehmen; im
gleichen Moment werden die Beine
in der Luft gegrätſcht und es er-
folgt der Abfprung nad) vorne.
Am breitgeftellten Pferd wird
eine Anzahl von Sprüngen über
dasjelbe geübt: Die Hode, indem
die beiden Baufchen gefaßt und ſo⸗
dann die Beine durch Anreißen
gegen die Brujt zwifhen den
Vauſchen durch auf die andere
Seite des Pferdes zum Stütz rüd:
Aus dem Geitftüg wird Die | lings oder zum Stand gefhwungen
ae
ss SE x:
ee _ U DU __ 20 SE
X, 1. Der Turnſyvrk.
werden, die Grätjche, bei welcher
ich die weit gefpreizten Beine rechts
und links der im Moment des
Weberfprunges loslaſſenden Hände
über das Pferd jchwingen, der
Wolfiprung, bei welchem ein Bein
durchhockt, das andere fpreizt, end⸗
lich der Freifprung über das Pferd.
Der Bod, ähnlich dem Pferd,
jedoch bedeutend kürzer und ohne
Meberftände ſowie Pauſchen, findet
Berwendung zu den gleichen Nebun-
gen wie das Pferd, ſoweit ſie nicht
durch die fürzere Geftalt des Ge—⸗
rätes von ſelbſt ausgeſchloſſen find.
Skhaufelringe und Trapez,
eriteres zwei mit Leder überzogene
Eijenringe, letzteres eine Art ver:
fürzter Redftange, beide an zwei
bängenden Seilen befeftigt, dienen
zu Schwung⸗, Schaufel- und Stüt-
übungen, das Trapez außerdem zu
einer Reihe von Hebungen, wie fie
am Red ausgeführt werden.
Kletterftangen und Kletter-
tau. Das Stangenflettern erfolgt
entweder an einer oder an zwei
Stangen: erfterenfall3 nimmt man
an der mit beiden Händen hoch—⸗
gefaßten Stange Langhang, legt
einen Unterjchenfel von vorne, den
anderen von rüdmwärts an Die
Stange an und zieht mittels
Klimmzuges den Körper nad) oben;
dann prefjen ſich die beiden Unter;
ſchenkel fejt gegen die Stange, jo
daß fie dem Körper hinreichenden
Halt gewähren, bis die Hände raſch
übereinander, nad aufwärts grei⸗
fend, die Stange weiter oben ge-
faßt haben, worauf abermals Klimm⸗
zug erfolgt und der gleiche Vorgang
fortgejegt wird, bi3 die Stange er:
flettert ift. Beim Klettern an zwei
nabe nebeneinander ftehenden Stan-
gen faßt jede Hand eine Stange,
die beiden Unterſchenkel drüden ich
von innen an je eine Stange an
und nun erfolgt das Klettern in
gleicher Weije wie eben bejchrieben.
Nro. 578.
Das Klettern am Tau (Dide
3,5 cm) fann in gleicher Weife
und mit gleidem Kletterſchluß er»
folgen wie an der einfachen Stange;
man kann aber aud), ftatt die Arme
zum Klimmzug zu beugen, die Beine
zu bodender Stellung nad) oben
ziehen und aus dem jodann feſtge⸗
faßten Kletterfhluß unter Empor-
greifen der Hände den Körper in
die Höhe fchieben. Statt des ge-
mwöhnlichen Kletterjäälufjes kann auch
der fogen. „Matrojenihluß” ge
nommen werden, bei welchem ji)
die Füße nicht voreinander, fondern
nebeneinander befinden und das
Tau von ihnen in der Weife ge:
faßt wird, daß es ftatt zwiſchen den
Unterſchenkeln zu laufen, von außen
unter der Sohle des einen Fußes
durch und über den Rift des andern
Fußes binmweggeführt wird, fo daß
alfo der auf das Tau tretende Fuß
in demfelben wie in einer halben
Schlinge fteht.
Zu den Wetturnübungen gehört
das Schnellhangeln an einem 9 m
langen Tau. Dieſes Hangeln be:
fteht darin, daß der ohne Kletters
ſchluß gejtredt am Tau hängende
Körper durch fortgefegtes Webers
einandergreifen der Hände und An-
ziehen der Arme nad) oben gezogen
wird.
Die Leiter unterfcheidet fich
von dem bekannten, gleichnamigen
Gebrauchsgegenſtand nur dadurch,
daß der Querſchnitt der Holme
nicht rund iſt, ſondern die Form
eines an den beiden Schmalſeiten
abgerundeten langen und ſchmalen
Rechteckes hat; die Holme laufen
parallel zueinander. Die Leiter
wird unter geeigneter Befeſtigung
an der Wand der Turnhalle oder
an einem Gerüſt ſenkrecht oder
ſchräg, durch Auflegen der beiden
Enden auf entſprechende Träger
auch wagrecht verwendet.
An der ſenkrechten an
wer A 9 a Ei
en,
Nro. 579,
Leiter erfolgt das Hinauf- und
Hinabfteigen, das Hangeln an
Sprofjen oder Holmen, an der wag—
rechten Leiter übt man die verjchie-
denen Arten des Hangelnd (vor:
wärt3, feitwärts, an Sproffen und
Holmen :c.), ferner einzelne Uebun—
gen, wie jie auch am Red ausge—
führt werden.
Der Schwebebaum, ein 7
bi3 8 m langer, 15—20 cm jtarfer
Balken, welcher wagrecht auf zwei
Auflagevorrichtungen etwa '/, m
über dem Boden ruht, dient zu
Gleihgewichtsübungen, indem man
fih auf ihm in Schritt, Laufſchritt,
oder auch in Sprungfchritt bewegt,
Wendungen, Fußjpreizen und
⸗chwingen und eine Reihe anderer
Freiübungen vornimmt.
Weitere Gruppen von Uebun—
gen des deutjchen Turnens ſind:
Springen (Hoch- und Weitjprung,
Stabjprung, Dreifprung), Werfen
(Stein: und Gewichtſtoßen, Kugel:
ftoßen, Kugelſchocken, Schleuderball,
fleiner Ball, Ger: und Speermwer:
fen), Stemmen und Heben, Ringen,
Fechten,
Dieje Zweige de Turnjportes
erfahren jedoch in folgenden Ab:
Ihnitten eine gejonderte Behand:
lung, fo daß an diefer Stelle
ihre Beſprechung unter:
bleiben kann.
579. Schwedifhe Gym⸗
naftil. Dem vorjtehend ge:
— ⸗— —
301. Uebung am Ribbſtol. Aus
Törngren, Lehrbuch d. ſchwed. Gymnaſtik.
—— ——
[}
Dr. M. Ahles. — on
ve
ET i ,
Kalle MIE
u
re - 4
ſchilderten deutſchen Turnen wird
Häufig die fog. „Ihmebiige Gym
naſtik“ vergleihend gegenüberge-
ftellt, und es fehlt nit an Stim-
men, welche diefer legteren Turnart
glauben den Borzug geben zu müſſen.
Das Turnfyftem der ſchwediſchen
Gymnaftif wurde zu Anfang Des
19. Jahrh. von Per Hendrif Ling
fonftruiert. Es geht von rein wifjen-
ihaftlihden Prinzipien aus,
wird bei Anordnung feiner Nebungs⸗
gruppen ausjchließlich von Erwägun:
gen des Anatomen. geleitet.
—2
«
{
302. Hebung an der £eiter,
Törngren, Lehrbuch d. ſchwed. Symnaftil.
Aus
Hierin liegt, was den Turnbetrieb
als ſolchen anlangt, der weſent—
lichſte Unterſchied zwiſchen dem
deutſchen und dem ſchwediſchen
Turnen. Während die Ziele des
deutſchen Turnens nicht nur die
körperliche, ſondern auch die ſitt—
liche Kräftigung des Einzelnen,
gleichzeitig auch die Pflege vater-
ländifcher Gefinnung find, richtet
das ſchwediſche Syſtem fein ee
merf nur auf die körperliche
gung. 4
Nun ift dies ja allerdings der
wichtigfte Zweck einer jeden turne⸗
*
Br N
re m
X. 1. Der Curnſpork.
riſchen Beftrebung, allein es ift
doch fehr fraglich, ob nicht die eben
erwähnten meiteren Ziele unjere3
Turnens jo erjtrebenämert find,
daß man fie nicht ohne Not aus
dem Programm des Turnſportes
ausfchließen fol, und weiter noch,
ob nicht gerade durch die Aus
ſchließung jener Momente gleich⸗
zeitig auch das belebende Element
der Turnfreudigfeit gar ſehr beein»
trächtigt wird, welches als werben:
der Ds für die Turnſache von
gewiß nicht geringer Bedeutung ift.
Die Uebungen jelbft find eben-
falls von den unferigen jehr ver:
ſchieden. Weniger tritt Diefer Unter-
ſchied vielleiht hervor bei den
Marſch⸗, reis und Laufübungen,
weldhe mit unferen Freiübungen
viel gemein haben, dagegen find
die zur Verwendung gelangenden
Geräte und auch die Art ihrer Be:
nüßung etwas für uns volljtändig
Fremdartiges.
.. Red, Barren, Pferd, Schaufel»
ringe, Trapez, Hantel, Eifenftäbe,
Keulen fcheiden vollftändig aus.
Gemeinſchaftlich ift den beiden Sy⸗
ftemen nur der Duerbaum. Da⸗
303. Die £angbanf. Aus Törngren,
zehrbuch d. fchwed. Gymnaſtit.
neben werden bei dem fchwedifchen
Syftem noch verwendet: Latten-
wand („Ribbftol”), Gitterleiter und
Langbank (für Hang, Spann= und
Beugeübungen), Leiter und das
bängende Geil. (für Hang- und
Kletterübungen.. |
Nro. 580.
Ein jportliches Turnen, d.h. ein
Turnen unter Anjtrebung von Beit-
leiftungen unter Einfegung von
perjönlidem Mut und mit dem
Anſporn des Ehrgeizes ſchließt Diefes
Syſtem von ſelbſt aus.
580. Frauenturnen. Die Zu⸗
laſſung der Frauen zu unſeren
Turnanftalten datiert erft aus jünge-
rer Beit.
Seit Mitte der 90er Jahre des
vorigen Jahrhunderts aber hat das
Srauenturnen einen bedeutenden
Aufſchwung genommen, und allent-
halben haben fich Frauenabteilungen
im Anjchluß an die beftehenden Turn:
vereine, daneben auch felbjtändige
Frauen⸗Turnvereine gebildet.
Diefe Bewegung ift freudigft zu
begrüßen.
Iſt doch leider nur zuviel wahr
daran, wenn Baul Shulte-Naum-
burg in jeiner Schrift „Die Kultur
des Frauenkörpers ald Grundlage
der Frauenkleidung“ jagt:
„Iſt e8 nicht ein befchämender
Zuftand, daß unfere Frauen in den
beiten Sahren ſchon jo bemegung3-
los, jo hilflos geworden find, daß
ihnen jede gejchmeidige und fraft-
volle Beherrihung ihres Körpers
verloren gegangen ift, daß Damen
von 40 oder 50 Jahren wie Fracht⸗
folti in die Straßenbahn verladen
werden, und ſich in jeder Lage,
|die die Verwendung der Glieder
zu ihrem Zwecke erfordert, nicht
zu raten wiſſen?“ .
Freilich find wir noch weit, fehr
weit von dem idealen Ziel entfernt,
daß die Frauen ſich in gleichem
Maße wie die Männer turnerifc)
betätigen möchten, aber es find doch
wenigjteng die Grundlagen für eine
jolde Beteiligung gefchaffen, und
die ftete Zunahme unferer Frauen:
turnabteilungen zeigt, wie unjere
Frauen mehr und mehr einjehen,
daß e8 ihr eigenftes Intereſſe ihnen
gebietet, ſich durch körperliche Ueb⸗
Nro. 581.
u.igen diejenige Kraft und Wider:
jtandsfähigfeit zu verfchaffen, die
nit nur den beften Schuß gegen
Erkrankungen und gegen die Be:
fhwerden eines zu frühen Alters
nehmften Berufe befähigt,
nämlih, Mütter eines Fraftvollen,
3.1. Achrveker.
darftellt, ſondern die fie vor allem
auch ganz bejonders zu ihrem vor-
dazu
gefunden Volkes zu werden.
2. Atbletik.
Von
f. W. Schroeter, München.
581. Gefchichtliches. Mit dem
Worte Athletit (vom griechiſchen
«@3Aos, d. i. Wettlampf) bezeichnet
man eine Reihe fehr vieljeitiger
und zu einem Syitem vereinigter
Uebungen, die fich in ihren Grund⸗
zügen auf die primitivften Kampfes-
und körperlichen Arbeit3methoden
des Urmenfchen zurüdführen laſſen,
in ihrer heutigen fportSmäßigen
Ausbildung aber durchweg das Ziel
verfolgen, dem menſchlichen Körper
ohne fomplizierte mechaniſche Hilfs⸗
mittel, Geräte ꝛc., allein durch beharr-
liches und konſequentes Training
die höchſten phyſiſchen Leiftungen
abzugewinnen, deren er fähig ift.
Die dabei zu erftrebende Durch—
bildung des Körpers fol nad) jeder
Richtung harmonifch erfolgen; fie
darf fein Organ bevorzugen oder
vernachläſſigen auf Koften oder zu-
gunſten eine andern. Alfo nicht
ein einfeitiges Abrichten zu einer
beſtimmten Yeiltung, fondern eine
allgemeine Veredelung des gefamten
Organismus fol tet? das Ziel
fein. Bom Standpunkte der Ent:
mwidlungsgejchihte muß man die
athletiichen Uebungen für die natür⸗
lichſte, unverfälſchteſte fportliche
Betätigung des Menſchen anſehen,
denn ſie haben ſich Zug um Zug
4
aus den Bewegungen herausgebildet,
die die älteften Generationen des
Menſchengeſchlechts im fchmweren
Kampfe ums Dafein tagtäglich
verrichteten. Ger, Schleuder, Keule,
Hammer und andere Geräte des
modernen Athleten waren einft
Waffen, geführt gegen wehrhafte
Feinde und die Tiere des Waldes.
Hatten fie verfagt, jo begann der
natürlich” wilde und regelloje Ring-
und Fauftlanıpf, oder Flut und
Verfolgung ftelten die böchften
Anforderungen an die Muskulatur
der unteren Gliedmaßen.
Mit den Fortjchritten der Technif
nahm das Beitreben der Menſchen
zu, durch die Vervolllommnung der
mechaniſchen Hilfsmittel die an Den
Körper zu ftelenden Anforderungen
herabzufegen und fo, zunächſt uns
bewußt, naturmwidrig zu beeinfluffen.
Wirffame Waffen und andere,
ſchneller zum ernften Ziele führende
Kampfesweijen wurden erdacht, und
was man einft zur Erhaltung von
Leib und Leben übte, erhielt Selbft-
zwed, wurde zum friedlichen, ritters
lichen Regeln unterworfenen Wetts
fampfjpiel um den Delzweig.
In einem Syitem von bewunde⸗
rungswürdiger Logik und unge-
fünjtelter Einfachheit umfaßte das
X. 2. Athlekik.
/
griechiſche Pentathlon, der klaſſiſche
Fünfkampf, alle die Uebungen,
denen die Helden von Olympia,
der Sfthmifchen, Pythiſchen, Ne⸗
meifhen Spiele und der Pana-
thenäen den Formenadel verdanlten,
der fie für ewige Zeiten zu Ideal⸗
bildern des Menſchengeſchlechts er⸗
bob. Lauf und Sprung al? die
natürlichiten Betätigungen der un—
teren Körperhälfte ohne Vernach—
läffigung der oberen, Speer- und
Diskoswurf gemiffermaßen als die
Sprungübungen für den Oberkörper
ohne Vernachläſſigung der unteren
Hälfte, der Ringkampf endlich,
Bruft an Bruft mit dem Gegner,
al3 die Krone des Ganzen — ein
prachtvolles Spiel des gefamten
Hebel- und Mustelapparates des
menſchlichen Körpers. Bemerkens⸗
wert iſt, daß ſchon die Alten die
kurzen, ſchnellenden Bewegungen
des Sprunges und des Wurfes,
verbunden mit einer äußerſten
geiſtigen Konzentration auf ein
ganz beſtimmtes Ziel, als die er-
zieheriſch wertvollſten erkannt hatten,
nicht etwa das Bewältigen beſon⸗
ders großer Gewichte oder eine
ſtumpfſinnige Rekordhetze. Schon
das kennzeichnet die vorwiegend
äſthetiſche Tendenz ihrer Gym:
naſtik, die nicht rieſenhafte, ſondern
ſchöne, d. h. harmoniſch ausge⸗
glichene Körper heranziehen wollte.
Der berühmte Ringkampf zwiſchen
Ajax und Odyſſeus im 23. Geſange
der Ilias mag für moderne Be—
griffe wenig fommentmäßig ver⸗
laufen fein, jeine Schilderung be⸗
weift, daß zu Homer Zeit der
Ringlampf als fportlide Uebung
befannt war, und es ift ficher, daß
auh die andern Webungen des
Pentathlons gleichzeitig ſchon im
Wettſpiel betrieben wurden. Achill
veranstaltete regelrechte Kampfſpiele
zu Ehren des toten Patroflod. Die
Heldenfagen der Griechen’ find voll
Nro. 581.
von begeifterten Berichten, die von
gewaltigen athletifhen Leiftungen
der befungenen Heroen, Götter und
Halbgötter erzählen. Und mag aud)
mander diejer alten „Rekorde“
wenig glaubhaft erfcheinen, mir
dürfen fie nicht beurteilen nad
der phyſiſchen Leiftungsfähigkeit
oder =unfähigfeit ded modernen
Kulturmenſchen. Es ift nur natür⸗
lich, daß jene frühen Generationen,
von Geburt an anders veranlagt als
die heutigen und ftändig trainiert,
Leiftungen vollbringen konnten, die
unferm Geſchlechte märchenhaft er:
feinen müfjen. Dann ift die für
und in ihrer ganzen tiefgehenden
und umfafjenden Bedeutung kaum
noch verftändlihe Rolle, die die
Gymnaftit im Kulturleben des
hellenifchen Volkes fpielte, nicht zu
vergeflen. Die ſchon erwähnten
nationalen Agonen (Wettlampf-
jpiele) haben in der Geſchichte der
Menfchheit nicht ihresgleihen. Es
waren Danffefte zu Chren der
Götter; Götterbilder ftanden auf
allen Stadien und Spielpläßen,
und im Tempel des Zeus, zu den
Füßen ſeines mädjtigen Bildes,
reichte man dem Sieger von Olympia
den Kranz vom Delbaum. Ein
geheiligter Kultus alfo war den
Hellenen das Kampfjpiel („Schöne
Spiele jollen ftet3 mit den Opfern
veranftaltet werden.“ Plato, de
legibus.), und der aus der Schlacht
fiegreih heimkehrende Feldherr
konnte nicht ehrender empfangen
werden als der Sieger des Pent-
athlond. Ihm jauchzte das Volk
zu, man verlieh ihm dag Bürger:
reht, und Bilpfäulen kündeten
feinen Ruhm durch Sahrhunderte.
Ein fo angefeuerter Ehrgeiz mußte
große Taten zeugen.
Zum berrlichften Augdrud kam
diefe Wertfhägung der Gymnaltif
in der griechiſchen Plaftif. Was
die nationgle Kunſt der Hellencn
=
Nro. 581.
für die Kultur der Menfchheit be-
deutet, weiß jeder Gebildete; dieje
Kunft wäre undenkbar ohne die
griechiſche Gymnaſtik. Auf dem
gymnaſtiſchen Ideal des männlichen
Körpers baute die antike Plaſtik
ihren Wunderbau auf; und als die
alten Künftler endlich die indivis
duelle Schönheit der weiblichen
Formen erkannten, hatten fie Mühe,
ſich von den männlichen frei zu
machen. Es ift beſonders bemerfens-
wert, daß die bildenden Künitler
jener Zeit ſich nie verleiten ließen,
Athleten durch einfeitige Muskel—
anhäufungen oder abnorm ent:
widelte Glieder zu charakterifieren.
Da ift kein fnollig herausfpringender
Biceps, fein mußfelgepanzerier,
unproportionierter Thorax — der
3. W. Schrveter.
künſtleriſchen Darftellung würdig
erfheint nur ber in allen Teilen
harmonisch entwirfelte Körper, wie
ihn die geregelt betriebene Gym⸗
naftit heranzog. Die ganze ältere
griechifhe Kultur fteht unter dem
Beihen dieſes männlichen Ideals.
A höchſtes Ziel gilt durchaus die
Ausbildung männlicher Energie und
Kraft. Aber auch die Fähigkeit zu
genießen wendet fi nad dieſer
Richtung; das erreichte Ziel, det
gymnaſtiſch ausgebildete Körper
wird bewundert und genofjen von
fühlenden Augen... .. So hören
wir aus diefer Zeit von der hohen
Bewunderung, die man nicht nur
der in den Wettkämpfen entfalteten
Energie, fondern aud der Schon
heit des Mannes zollte, Herodot
304, Antife Ringergruppe.
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Wider
ph
i fetter
Ill,
X, 2. Mihlelik.
berichtet "von einem gewiſſen Phi⸗
lippo8 aus Kroton, der in Olympia
gefiegt hatte und als der „Schönfte
der Hellenen“ zu feiner Zeit galt.
Die Leute von Egeſta errichteten
ihm nach feinem Tode „wegen feiner
Schönheit“ ein Hervenheiligtum auf
feinem Grabe und brachten ihm Opfer
dar, während fie jonft die Toten
nicht jo ehrten. Auch von einem
Kallitrates, der an der Schlacht von
Platää teilnahm, erzählt Herodot,
daß er der „Schönfte” nicht nur
feiner Landsleute, jondern aller
Hellenen gemwejen ſei. Erſt fpäter
— die Epoche des Peloponneſiſchen
Krieges iſt bier wie jonjt ein
Mendepuntt — begegnen wir der
Bewunderung für eine Laig und
eine Phryne. (Adolf Furt
mwängler.)
Der herrlihe Apoxyomenos des
großen korinthiſchen Bildhauerg
Lyſippos, der berühmte Diskos⸗
werfer des Myron, der Diadu⸗
menos des Polyklet gehören zu den
reinſten Blüten der klaſſiſchen Kunſt,
und dieſe Edelwerke, nicht eitle
Rekordliſten und widerliche Photo⸗
graphien herzfetter Bierathleten
ſollten unſern Jungmannſchaften
vor Augen ſtehn, wenn ſie zum
fröhlichen Kampfe ſchreiten. Viel⸗
leicht würde dann manches beſſer,
wenn wir auch nicht hoffen dürfen,
in unſern Zeiten je Verhältniſſe
rekonſtruieren zu können, wie ſie
im alten Hellas beſtanden. Dazu
fehlen nicht nur die ſozialen Vor⸗
ausſetzungen, ſondern auch gewiſſe
geiſtige Eigenſchaften und Fähig⸗
keiten, die nach dem griechiſchen
kein Volk in gleichem Maße wieder
beſeſſen hat und beſitzen konnte,
vor allem das lebendige, in der
Kunſt ſich produktiv auslebende
Gefühl für geſunde Schönheit, das
in der Rafjenpfychologie der Grie-
chen eine jo bedeutende Rolle fpielte.
„Wie bedürfen für jeden der körper:
Niro. 581
lihen und geiftigen Heranbildung,
damit das von der Natur ſchon
glücklich Gefchaffene noch viel befler,
die fchlehten Anlagen aber ver-
edelt werden,” jagt Zucian. Bei
allen Philoſophen jener Zeit die
jelbe Erkenntnis der Wichtigkeit
einer gleichwertigen Betätigung des
Körper und des Geifted. „Bei
allem, was die Menjchen wahr
nehmen, leijtet der Körper feine
Dienfte, und fol er fie gehörig
leiften, muß er tüchtig geübt fein;
jelbft da, wo du feiner am wenigſten
zu bedürfen glaubjt: beim Denken.
Sit es denn nicht befannt genug,
daß auch dabei viele wegen übler
Beichaffenheit des Körpers ſtrau⸗
cheln? Gedächtnisſchwäche, Mut:
loſigkeit, üble Laune, Schwermut
bis zum völligen Irrwahn bemäch⸗
tigen ſich ihrer, und all ihr Wiſſen
hilft ihnen nichts!“ Dieſe Worte
berichtet Zenophon von Sokrates,
der als Lehrer mit Vorliebe die
Webungspläße der Knaben und
Zünglinge befuchte, wenn ſie fich
vom MWettfampf erholten. Und
mwohlbegründet war endlih des
Perikles ftolze8 Wort: „Wir find
Freunde des Schönen, ohne im
Aufwande das Map zu überfchreiten,
und pflegen der Wiſſenſchaft, ohne
und verweichlihen zu lafjen; mit
einem Wort: ich behaupte, daß
unfere Stadt (Athen) die Bildung-
ſchule für ganz Griechenland ift.“
Wie immer im Leben, jo folgte
auch in Griechenland auf die Blüte
der Verfal. Schon im 5. Jahr⸗
hundert v. Chr. traten Berufs
athleten auf, die nach beftimmten
Regeln, unter Beobadtung einer
vorgefchriebenen Lebendweife aus—
gebildet waren. Bollendg zum
Handwerk und Erwerbszweig wurde
die Athletik, ala die römifche Kultur
ſich der griedifchen paarte. Plato
Schon erzählt, daß die Preisgekrönten
Lohn einfammelten, daß die Athener
Nro. 581. 3. W. Sichroefer.
dem Dlympiafieger 500 Dramen
und lebenslänglihe Speilung auf
Staatskoſten gewährten. Alfo eine
materielle Belohnung. 200 Sahre
v. Chr. traten in Rom gedungene
griehifhe Athleten auf, und zur
Kaiferzeit gab es Athletengenofien-
fchaften, die als Zünfte organiftert
waren. Es half nichts mehr, daß
erleuchtete Geifter, Dichter und
Philoſophen, die Entartung zeitig
erfannten und Dagegen eiferten.
Die Zeiten und die jo ganz ver-
änderten jozialen und politischen
Berhältniffe waren mächtiger als
ihre Beredfamteit.
An der Erziehung des jungen
Römers verlor die Gymnaftik ihren
Selbſtzweck, fie wurde ein Mittel
Soldaten heranzubilden, das Bolt
der Aderbauer wehrhaft zu machen
und zu erhalten. Alle Leibes-
übung war Vorſchule zum Hand-
wert des Kriegerd. Das Indivi⸗
duelle, Perſönliche der griechifchen
Gymnaſtik verfhwand ganz, al?
Soldat war der einzelne eine
Nummer im Heere, und das Heer
war ein Mittel zur Macht, nicht
nur zur Verteidigung des Landes,
jondern zur Eroberung der Welt
organifiert.. An die Stelle des
helleniſchen Idealismus mar der
brutale Realismus des römijchen
Eroberungjtaates getreten, der auf
da8 freie Spiel der griechijchen
Gymnafien mit einer gewifjen Ver:
achtung herabblidte und die ſpie⸗
lerifhen Leibesübungen im Zus
ftande der Nadtheit ſchließlich als
unanftändig empfand, den Beſuch
der Uebungsplätze als „otium Grae-
cum“ bezeichnete. (9. Wicken⸗
hagen.) Der kraſſe Unterfchied
in den Auffafjungen der beiden
Völker tritt am deutlichften hervor
bei einem Vergleich der griechifchen
Agonen mit den Kämpfen gebun:
gener Gladiatoren in Rom. Bon
diefen jagt Cicero: „Nichts madt
den Menſchen ftärker gegen Schmerz
und Tod; beim Anblid der Kämpfe
muß der Menſch ſich zu männlicher
Kraft erhoben fühlen.” Das ift
Rom, fo erzog man Cäſars Ko:
horten.
Springen und Laufen waren die
wichtigsten Uebungen der römischen
Refruten, dazu famen Fechtübungen,
die mit geflochtenen Schilden und
hölzernen Stöden an Pfählen vor-
genommen wurden. Auf die Marfch-
fähigfeit wurde der größte Wert
gelegt, venn „die Schlachten wurden
mit den Beinen gewonnen”; und
fo finden wir in der römischen
Kriegsgeſchichte die ſtärkſten Hifto-
riihen Marfchleiftungen. In zwölf
Tagen 90 Meilen, das find täglich
75 Meilen — 55,5 km, wurden
unter dem Konjul Claudius Nero
von 6000 Mann Fußvolk und 1000
Pferden zurüdgelegt. Auch dad
Schwimmen pflegte man aus nahe⸗
liegenden Gründen; die alte klaſſi⸗
Ihe Tradition aber verfiel immer
mehr, und kurz vor der Teilung
des Römerreiched wurde der Feſt⸗
plag von Olympia geſchloſſen, und
des Phidias gewaltiger Zeugs, unter
deffen hoheitvollen Augen ſoviele
herrliche Generationen um den Oel⸗
zweig gerungen, wanderte zu den
Barbaren nad) Ronftantinopel. Das
war das Ende der griechischen
Gymnaſtik. Denn alled, was man
in den nun folgenden Sahrhunderten
an Leibesübungen bei den Kultur-
völfern findet, verdient diejen
Namen nit mehr. Dem nadten
Schönheitsideal madte das fiegreich
vordringende Chriftentum mit feiner
asfetifchen Lehre von der Ver⸗
achtung und Abtötung des Fleifches
ein Ende. Was dem am höchſten
entwidelten Volke des Altertums
al3 das Reinfte und Heiligfte ge⸗
golten, wurde für fündhaft erklärt
und ing Leben der Menfchbeit jener
Gegenfag geworfen zwiſchen Natur
X. 2, Athletik.
und gejunder Vernunft einerfeits,
einer lebenverneinenden Kajtraten-
moral andrerjeit3. Und an diejen
Gegenjäten kranken wir noch heute.
Auch bei den alten Germanen
waren alle körperlichen Uebungen
Borfhule zum ernften Kampfe.
Unſere Vorfahren übten für den
Krieg, und ihre wenigen Kampf:
jpiele wurden ſyſtemlos und ohne
bewußte äfthetijche Tendenz betrie-
ben. Die alten deutſchen Helden-
lieder, deren Geſchehniſſe wir in die
Sahrhunderte der VBölferwanderung
legen müſſen, berichten von einer
Vebung, die man bei feinem an-
dern Stamme wieder antrifft:
einer Verbindung des Steinftoßens
mit einem Sprung, durch den der
Stein wieder erreicht werden mußte.
Eine Leiftung, die jedenfalld viel
Mebung und Gemandtheit voraus:
fegte und gewifjermaßen ein Ana:
logon bildete zu der mehr methodi-
fhen Kombination von Sprung und
Wurf im Pentathlon. Im ganzen
Mittelalter Tonnten Gymnaftit und
Athletik ich einen äfthetifch-ethifchen
Selbſtzweck nicht wieder erringen.
In den Zeiten des Rittertums
blieben die Leibesübungen auf den
Adel, die Ritterſchaft beſchränkt,
ohne jelbftändige Bedeutung er-
langen zu können. Man lernte das
Maffenhandwert und mas dazu
nötig war; der Landsknecht mar
nicht3 weniger als ein Fünfkämpfer.
Die Kampfipiele diefer N
Turniere, waren vom Pentathlon
ungefähr fo weit entfernt wie die
Gladiatorenfämpfe, wenn fie diefe
an biutrünftiger Roheit auch nicht
erreichten. Nur der Ringkampf
zeigte jchon zu Dürer Zeit einen
unverfennbar ſportlichen Einjchlag,
und es ift bezeichnend, dab der
größte bildende Künftler des deut-
[chen Mittelalter eins der erften
und wohl da3 bedeutendite ältere
Lehrbuch über den Ringkampf ſchuf.
Niro. 581.
Sm Sabre 1512 erſchien die be-
rühmte Fechthandſchrift Albrecht
Dürers, mit 119 aquarellierten
Federzeichnungen geſchmückt, die
beweiſen, daß damals der deut⸗
ſche Ringkampf auf einer verhält-
nismäßig hoben Entwicklungſtufe
ftand. Seine Regeln waren nicht
jo ftreng wie die jegt gültigen,
und es gab manden Griff, der
heute verpönt ift. Immerhin unter:
ſchied man zwifchen erlaubten und
unerlaubten oder nur für den
Ernftfall beftimmten Griffen und
unterwarf die Kämpfer einer ge=
nauen Kontrolle. Der Einfluß des
Mönchtums und der Klofterjchulen
verhinderte eine freie Entfaltung
zur fportlichen Höhe. Der Dreißig⸗
jährige Krieg machte dieſen ſchwachen
Anfäben den Garaus, und jahr:
hundertelang, bis zum Ende des
18. Sahrhundert® waren die Be-
griffe Gymnaſtik und Athletit aus
der deutihen Sprade fo gut wie
gefhwunden. J. J. Rouffeau
wies zuerft wieder ernfthaft auf
die Bedeutung einer gleichmäßigen
Erziehung des Körperd® und des
Geiftes hin, und die große Revo-
lution brach auch diefer Erfenntnig
die Bahn. Guts-Muths war der
erfte deutſche Pädagoge, der ſich
von der bis dahin beliebten, rein
platonifchen Verehrung des helleni-
ſchen Erziehungsideals freimachte
und in Anlehnung an die Lehren
der Alten zielbewußt zu Taten
ſchritt, indem er in ſeiner Anſtalt,
dem altberühmten Schnepfenthal,
ſeinen Schülern reiche Gelegenheit
zu gymnaſtiſchen Spielen bot und
zahlreiche theoretiſche Werke über
Gymnaſtik veröffentlichte, darunter
die „Gymnaſtik für die deutſche
Jugend“. Es iſt erſtaunlich, mit
welcher Konſequenz und mit welchem
Erfolge er ſeine Theorien in die
Praxis umſetzte, und man kann nur
mit Bedauern ſehn, wie wenig
Niro. 582.
Nuten unfere Schulen aus dieſen
prädtigen Anfängen zu ziehen
mußten.
Biel mächtiger als der befcheiden
zurücdhaltende Gut3-Muth3 mußte
Sriedrih Ludwig Jahn, der
„Zuenvater”, auf feine Zeit und
auf die Nachwelt zu wirken. Mitten
in die nationalen Stürme der Frei⸗
heitäfriege fchleuderte er mit ge⸗
waltiger Beredſamkeit feine Ge⸗
danfen. Der Zeitgeift fam ihm,
er dem Zeitgeift zu Hilfe, und
fchnel gelang es ihm, die ganze
deutfche Jugend auf feine Seite zu
ziehen. Die fpätere Verfolgung
durch die Regierung trug ihm die
Märtyrerfrone ein, die den Sieges⸗
lauf jeiner Ideen nur noch fördern
fonnte. |
Bon England und Amerifa, den
Haffifchen Ländern des Sports, kam
uns das, was wir heute unter dem
Namen Athletit zufammenfaffen. In
England mar der Sport von jeber
zu Haufe. Schon in den älteften
Chronifen des Inſelreiches finden
wir Berichte über Wettfampfipiele.
Der Hof, die Ritterſchaft und die
Bürger, fie alle beteiliaten ſich mit
der der angeljächfifchen Raffe eigenen
Zähigkeit an diefenKämpfen, die um
ihrer ſelbſt willen und bemußt zu
raſſehygieniſchen Zwecken betrieben
wurden. Bei Shakeſpeare finden
ſich zahlreiche Andeutungen, die auf
eine genaue Kenntnis des Sports
und ſeiner Regeln ſchließen laſſen.
Aus allen Jahrhunderten der eng:
iifchen Gejhichte werden imponie:
rende Höchjftleiftungen berichtet, und
auch der gewaltige Vorſprung, den
die enaliihen und amerikaniſchen
Athleten heute noch vor unfern
deutſchen haben, Tennzeichnet fie ala
Angehörige einer Raſſe, die den
Sport durch viele Generationen zur
nationalen Erziehung geübt hat.
Auch in Deutfhland beginnt es
endlih zu tagen, In mehreren
J. W. Sıchroefer.
deutſchen Großſtädten ift der Bau
großer Stadien beabfichtigt, nach
dem Mufter der griedhifchen aus-
geftattet mit allem, was zur ratio-
nellen Körper: und Schönheitspflege
im Sinne der Alten notwendig it.
Man plant eine Wiederermedung
der olympiiden Spiele in diefen
Stadien, die Taufende von Zus
Ihauern aufnehmen follen. Mag
der Gedanke in Ddiefer — nicht
ganz in unſere Zeit paflen, ſchon
wegen der grundverfchiedenen ſozia⸗
len Berbältniffe, im Prinzip muß
er freudig begrüßt werden als Die
Emanation eines mädtigen Be⸗
dürfniſſes nach förperlider Betäti⸗
gung, das in unjerem Volke jtedt.
Darum verdient er jede Förderung.
582. Allgemeined. Wie ſchon
gejagt, Tennzeichnet fich Die moderne
Athletit in Deutſchland als ein
fremdes Reis, gepfropft auf den
alten Stamm des Turnend. Wie
alle8, was neu ift, jo zeigt auch
bei ung der Betrieb der Athletit
beute fhon große Uebertreibungen
und Auswüchſe, die nicht zu ver:
teidigen find. . Zu verwerfen ift
vor allem die Einfeitigfeit und das
Spezialiftentum, dem jo mandıer
junge Athlet lediglich aus Eitelkeit
verfällt. Schuld daran ift in erfter
Linie die unfinnige Rekordhetze, die
ihr einziges Ziel im Uebertrumpfen
irgend einer andern Leiftung fiebt,
ganz im Gegenfah zum griechifchen
Fünffämpfer, der durch Bieljeitig-
feit zur böchiten Vollendung und
Schönheit gelangte. So muß vor
allem die Forderung aufgeftellt wer:
den, daß eine richtig betriebene
Athletit wie der alte Fünfkampf
dem ganzen Körper zugute fommen
muß; daß nit der ein Held ift,
der beim Wettgehen den legten Re:
ford um eine zebntel Sekunde
fhlägt und ſich dabei einen Herz-
fehler holt, fondern daß der Schönfte
der Sieger ift, deſſen Leiftungen
X. 2. Athletik.
im beften Verhältnis zu feinen
förperliden Anlagen ftehn. Es ift
ein klägliches Scaufpiel, bei ath:
letiihen Wettlämpfen die Bewerber
am Biel in einem Zuftande zu
fehn, der aller Menfchenmürde
Hohn fpriht und Fein anderes
Gefühl mehr ala Mitleid und etwa
noch Aerger über menſchliche Tor:
heit auffommen läßt. Gewiß muß
beim fportlihen Wettfampf das
Aeußerſte eingefegt werden. Gerade
im Aufbieten der legten Willens⸗
fraft und Energie liegt das wert:
vollſte fittliche Moment des Sports.
Dabei darf aber nicht verfannt wer:
den, daß nicht jedes Biel für jeden
gefchaffen ift. Der eine kann fich
ruhig an Dinge wagen, die dem
anderen durch feine ganzen phyſi⸗
Shen Anlagen von vornherein ver:
fagt find. Eine gemwifje Einficht
für das, was er körperlich leiften
fann, ift jedem Menfchen angeboren,
und die Pflege dieſes Gefühls ge-
hört zu den wictigften Aufgaben
der atbletiihen Erziehung. Der
Baghafte, Willensſchwache wird es
nie zum Höchſten bringen, wer
ſich zuviel zumutet, fann ſich durch u
eine einzige Weberanftrengung für
immer ruinieren. Hier liegt einer
der Gründe dafür, daß man auf
unfern Turn: und Spielplägen fo
wenig wirklich gut durchgebildete Ge:
ftalten ſieht.
Zur Pflege der Athletit haben
fih ſchon feit Jahrzehnten in allen
arößeren deutfhen Städten Vereine
gebildet, die alle athletifhen Uebun⸗
gen oder aud nur einzelne, den
Ringlampf, das Stemmen, Gehen
u.a., fyftematifch betreiben. Berlin,
München , Hamburg, Mannbeim,
Frankfurt, Hannover, Leipzig u.a.m.
haben eine ganze Reihe jolcher Ber:
eine, mehr als notwendig und
wünſchenswert find. Die Vereine
der einzelnen geographifchen Be—
zirte haben fic wiederum zu Ber:
Nro. 582.
bänden zufammengefchloffen, und
diefe Verbände haben als oberfte
Inſtanz für alle die deutſche Ath⸗
letit betreffenden Angelegenheiten
die „Deutihe Sport-Behörde für
Athletik“ (D. S. B. f. A.) in Berlin
fonftituiert, Die die Intereſſen der
deutſchen Athletik im internationalen
Verkehr, den Behörden und dem
„Deutichen Reihsausfchuß für Olym⸗
piſche Spiele” gegenüber vertritt.
Die Sportbehörde umfaßt alle in
Deutſchland anſäſſigen Verbände der
Athletit treibenden Vereine und
wird geleitet durch einen Borftand,
einen Ausfhuß und die Wahlver:
fammlung. Der Vorſtand bejteht
aus einem Borfitenden, 3 ftellver-
tretenden Vorfigenden, dem Schrifts
führer, dem Sportwart und dem
Kaffierer. Der Borftand ift bei
Abgabe von 4 Stimmen beſchluß⸗
fähig. Der aus 12 Berfonen be-
ftehende Ausſchuß erledigt alle Ver:
waltungs- und ſportlichen Fragen,
für die der Vorſtand allein nicht
zuftändig ift, ferner die internatio:
nalen Ablommen, Entjeheidungen in
Diequalififationg + Angelegenheiten
.ſ. w. Die Verbände überwachen
Der Betrieb der Athletif innerhalb
ihres Gebietes, forgen für die Be:
achtung der Wettlampfbeitimmungen
und der andern von der D. S. B.
f. A. erlaffenen Anordnungen. Die
Verbände genehmigen die Termine
Iofaler und interner Wettfämpfe,
beftellen die Renngerichte und offi-
zielen Vertreter, beauffichtigen Re⸗
fordverfuche und erftatten monatlich
an die D. S. B. f. A. Bericht über
die in ihrem Gebiet ftattgehabten
Beranftaltungen. Aljährlich findet
eine Wahlverfammlung ftatt. Die
wichtigite Aufgabe der Behörde it
jedenfalls die Beauffichtigung der
Wettjpiele, die Beurteilung der er-
zielten Rekorde und die firenge
Scheidung der Amateıre von den
Berufsathleten. Die Teilnahme an
Niro. 583.
den von ihr genehmigten Wett-
fümpfen ift nur Amateuren ges
ftattet. Als Amateur gilt, wer
noch nie um einen Geldpreis oder
zum Zweck des Lebensunterhalt
athletifchen Mebungen obgelegen und
noch nie mit einem Berufsathleten
um einen Preis konkurriert bat.
Man unterfcheivet interne Wett:
fämpfe für die Mitglieder eines
Vereins, lofale Wettlämpfe für die
Mitglieder von fümtlichen Vereinen
eine3 Verbandes oder einer Stadt,
nationale Wettlämpfe für Reichs-
angehörige und internationale Wetts
fämpfe, an denen ausländijche Ama:
teure teilnehmen fünnen. Alle Wett:
kämpfe werden eingeteilt in Schüler-,
Sunioren- und Seniorenkonkurren⸗
zen. Die Juniorenſchaft endigt
innerhalb eines Jahres, wenn der
Betreffende 3 erfte Breife gewonnen
bat, oder mit Ablauf des Jahres,
in dem der Betreffende einen erften
oder 2 zweite Preiſe in einer nicht
internen Konkurrenz erworben bat.
Jede Ausfchreibung von Wett:
fümpfen iſt mindeften? 4 Wochen
vor Nennungichluß den zuftändigen
Verbänden in zweifacher Ausferti:
gung zur Genehmigung vorzulegen.
Nationale und internationale Wett:
kämpfe find den zuftändigen Ber:
bänden bi8 zum 30. April anzu=
melden und müfjen von der D. ©.
B. f. A. genehmigt werden. Nen⸗
nungſchluß für alle Konkurrenzen iſt
ſpäteſtens am 7. Tage vor Beginn,
nachts 12 Uhr. Die Ausſchreibung
für jedes lokale und interne Mee—
ting muß einen Mehrkampf ent-
halten, der mindeitend aus einem
Dreifampf mit einer Wurf:, Sprung:
und Zaufübung bis 1500 m befteht.
Die Preife jollen in Medaillen,
Chrenpreiien oder Diplomen be:
ftehen und mit einer Widmung
verjehen jein, aus der Tag und Ort
der Konkurrenz und ihr Play zu
erjehn find. Für athletiſche Wett⸗
J. W. Schroxter.
kämpfe iſt vom Veranſtalter mit
Genehmigung des Verbandes ein
Renngericht aufzuſtellen, das in je⸗
dem Fall mindeſtens aus folgenden
Faktoren ſich zuſammenſetzen muß:
einem Schiedsgericht aus 3 Rich⸗
tern, einem Starter, 2 Startord⸗
nern, 3 Bielrichtern, 2 Zeitnehmern,
2 Bahnrichtern und, bei Vorgabe:
fonfurrenzen, einem QVorgeber. Die
Ausſprüche des Schiedsgerichts find
unanfehtbar. Nachdem der Starter
die Startenden gefragt: „Meine
Herren, find Sie fertig?" gibt er
das Startzeihen durch einen Schuß.
Zwiſchen Frage und Schuß muß
eine merkbare Paufe liegen. Nie:
mand darf vor dem Schuß die Start:
linie überfchreiten. Die Schieds—
richter find befugt, Konkurrenten
megen verjchuldeter Behinderung
eines Bewerber? von der Preis⸗
bewerbung auszuſchließen. Jede
Konkurrenz, bei der nicht mindeſtens
2 Bewerber am Start erſcheinen,
fällt aus. Von dieſer Beſtimmung
werden Meiſterfchaftskonkurrenzen
und die um Wander⸗ und Heraus⸗
forderungspreiſe nicht betroffen.
Jeder Bewerber muß vollſtändige
Kleidung mindeſtens von den Schul⸗
tern bis zu den Knieen tragen, die
Startnummer auf Bruſt und Rücken.
583. Die Ausübung und Hy—
giene des athletifchen Sports ift
von gewiſſen Dingen abhängig, Die
ſich nad) der Konititution und Der
Leiftungsfähigfeit des Sporttreis
benden beftimmen, und forgfältig
zu berüdfichtigen find. Bor allem
muß jeder angehende Athlet darauf
bedacht fein, daß feine Organe, na=
mentlich Herz und Lungen, durchs
aus gefund find. An das Herz
werden außerordentlihe Anforde:
rungen geftellt; es ift daher fehr
wichtig, ſich über die Leiftungs-
fähigkeit dieſes Organs zeitig volle
Gewißheit zu verſchaffen. Man
beginne jedes Training mit Kleinen
x. 2. Athlekik.
Zeiftungen, die allmählich) und ohne
jede Haft gefteigert werden. Man
made häufige Paufen und fteigere
Die einzelnen Uebungen niemals bis
zur Erjchöpfung oder auch nur bis
zu einer übermäßigen Ermübung.
Man efje niemals unmittelbar vor
oder nach dem Ueben, meide alle
ſcharf gewürzten Speifen, vor allem
den Alkohol, und beichränfe über:
haupt die Flüſſigkeitszufuhr nad
Möglichkeit. Sehr vorteilhaft ift
ed, menn man in der Nähe des
Spielplake8 oder des Mebung-
faales einen geſchloſſenen Raum
zum Baden, Maſſieren, Duſchen
und Ruben bat. Zumal das Maf-
fieren wird nad dem Ueben ſehr
wohltuend empfunden.
Dem Anfänger iſt anzuraten, ſich
beim Training kundigen Sports⸗
genoffen anzuschließen und fich deren
Erfahrung zunute zu maden. Sie
werden ihn auch am beften vor den
Erxzefien bewahren, die bei Anfän-
gern leicht Enttäufhungen und Miß⸗
erfolge beraufbejchwören. Bei ge-
meinjamer Arbeit ift auch die Aus⸗
dauer erheblich größer, da der Ehr⸗
geiz immer von neuem angefpornt
wird. Andrerjeit3 hüte man fi
davor, es befjer Beranlagten oder
weit vorgejchrittenen Kameraden
gleichtun zu wollen und fi dabei
mehr zuzumuten, als man im An-
fang leiften kann. Niemals foll
man an einem Wettlampfe teil-
nehmen, ohne vorher gründlich und
regelrecht trainiert zu haben. Eben⸗
fo wichtig aber ift es, fofort allen
Ehrgeiz zu unterdrüden, wenn ſich
während des Wettlampfes irgend
ein förperliches Unbehagen einftellt.
Der meift eintretenden ftarfen
Tranjpiration wegen jorge man für
Tücher und Deden, in die man
den Körper nad getaner Arbeit
einhüllen Tann. Sehr falte Ge-
tränfe meide man in diefem Zu:
ftande ganz; meijt genügt e8, den
Niro. 583.
Mund mit kühlem Waſſer auszu:
ſpülen.
Der Zweck des Trainings iſt bei
allen Sportsgattungen der ſelbe und
im Grunde ſehr einfach. Der ganze
Körper ſoll von überflüſſigem Bal⸗
laſt, Fett und Flüſſigkeit befreit,
die Muskeln und Sehnen dagegen
ſollen zur höchſten Leiſtungsfähigkeit
und zwar qualitativ, nicht quanti⸗
tativ, ausgebildet werden. Wer im
Anfang fett oder infolge von körper⸗
lich trägem oder zu üppigem Leben
ſchlaff iſt, fange mit einigen Dampf:
bädern und ſtrammen Spazier⸗
gängen an, unter Beſchränkung auf
eine konzentrierte, aber nicht üppige
Koſt. Es iſt nicht angebracht, allzu
ſtrenge und engherzige Vorſchriften
aufzuſtellen, da ſich auch hier eines
nicht für alle ſchickt und die Speiſen
bei den verſchiedenen Konſtitutionen
ſehr verſchiedene Wirkungen üben.
Jedenfalls iſt es vom Uebel, in der
Koſt von der gewohnten zu ſehr
abzuweichen. Man modifiziere ſie
alſo nur nach den oben aufgeſtellten
Grundſätzen und ſei vor allem
mäßig.
Nicht unintereſſant iſt der Kampf
zwiſchen den Anhängern der ge⸗
miſchten und der vegetariſchen Koſt.
Die überlegenen Siege ſo vieler
Vegetarier bei den Konkurrenzen
im Laufen und Gehen ſind nicht
wegzudiſputieren. Dagegen ſind alle
bekannt gewordenen Allround⸗Ath⸗
leten Anhänger der gemiſchten Koſt
und zum Teil nicht einmal ſtrenge
Abſtinenzler. Die Gründe für die
unbeſtreitbare Ueberlegenheit der
Vegetarier im Gehen ſind bisher
nicht aufgeklärt; meiſt ſchreibt man
ſie dem Umſtand zu, daß der
Vegetarier auch ganz Abſtinent
iſt. Das dürfte aber nicht aus:
fchlaggebend fein. Im allgemeinen
wird man die gemifchte Kojt emp-
fehlen dürfen, doc mit mäßigen
Fleifchgenuß und wenig Kartoffel,
ro. 584-585.
Hülfenfrühten und Mehlipeifen.
Auch auf Suppen follte man wäh:
rend des Trainings verzichten. Hat
man fich einmal überanftrengt, ſo⸗
daß ſchmerzhafte Störungen in den
Gelenfen oder einzelnen Mußfel-
gruppen auftreten, jo gibt es nur
ein gutes Mittel: Ruhe und Scho-
nung der betroffenen Teile. Man
fange nur langfam und fehr vor:
fihtig an, fie wieder zu betätigen,
Geben, Laufen
584. Allgemeines. Der Lauf
ift fportmäßig ſchon von den alten
Griechen betrieben worden. Sie
hatten verfchiedene Arten des Wett:
lauf8 und bezeichneten ihn gewöhn⸗
lich nad der Länge der Streden,
die durdlaufen werden mußten.
Dienormalen Streden hatten 200m,
400 m und 4500 m Länge, und
‚wenn die Anforderungen beſonders
hoch geftellt wurden, jo trugen die
Läufer die volle Bewaffnung des
Hopliten. Auch die Germanen
jolen im Laufen Tüchtiges geleiftet
haben; als Sport wird e8 aber im
ganzen Mittelalter nicht erwähnt.
Erft unter Guts-Muths und
Jahn tauchte ed neben den Turn-
übungen auf, bi3 von England der
eigentlide Lauf: und Gehſport im:
portiert wurde. Die D.S.B. f.
bat auch für den Laufſport feite
Kegeln aufgeitellt, und ſeitdem be:
gegnen wir ihm bei allen gymna=
ftiihen Spielen, und auch die Be-
börden, namentlid die Militär-
behörden, Bringen ihm mit Recht
großes Intereſſe entgegen.
Die Ausrüftung des Läufers ift
naturgemäß ſehr einfah. Einige
Paare guter Laufſchuhe, eine kurze
und leichte Hofe aus Leinen, ein
Sweaterund einpaar luftdurchläffige
Trifothemden, das ift alles. Die
J. @. Sıhroefer.
fonft wird man nur zu leicht Rüd-
fälle erleben.
Für die Einteilung der athleti-
fhen Uebungen ift auch Beute noch
das griechiſche Pentathlon vorbild-
ih. Demnach unterjheiden wir
folgende Gruppen: I. Das Geben,
Laufen, Springen I. Die
Stof-, Wurf: und Schleu—
derübungen. III Der Ring
tampf und feine Abarten.
und Springen.
paffen und fich mit den Furzen Soden
loſe, doch fiher um den Fuß ſchmie⸗
gen. In die Hände nehmen Die
meiften Läufer und Geher die og.
Gehhölzer, die fie mit den Fingern
feft umfchließen. Zum Trainieren
wählt man einen freien Plat, der
mit Rafen, Kohlenajche oder einem -
andern Material gleihmäßig eben
bededt ift. Harte, glatte Zement»
oder Aſphaltbahnen, wie fie 3. B.
für Radrennen benugt werden, find
nicht zu empfehlen.
Das Laufen und Gehen wird
nad) den Satungen der. D. S. 3.
f. A. nur über folgende Streden
geübt: 50, 100, 150, 200, 300,
400, 500, 800. 1000, 1500, 2000,
3000 m und fo fort in Abftänden
von 1000 m; außerdem noch über
U. | 7500 m und dur 1 und 2 Stun:
den. Wettgehen(Märfche) u.Streden-
läufe dürfen nicht über 100 km
ausgedehnt werden. Auf der Bahn
wird links herum gelaufen, bezw.
gegangen. Bei Läufen auf gerader
Strede muß jeder Läufer für fich
eine mindefteng 1,20 m breite, ab:
geftedte Laufbahn Haben, die er
nicht wechſeln darf. Sieger: ift,
wer zuerft mit der Bruft das Biel:
band berührt.
585. Das Gehen. Das Sports
mäßige Geben wird furz und eins
Schuhe müfjen natürlich tadellos | fach harakterifiert durch den 8 43
x. 2. Mihlelik.
der MWettfampfbeitimmungen der
D. S. B. f. A.:! „Beim Wettgehen
muß immrr der Hacken des einen
Fußes den Boden berühren, ſolange
noch die Spitze des rückwärtigen
Fußes auf demſelben ruht. Beide
Beine müſſen im Knie geſtreckt
ſein.“ Der nächſte Paragraph
lautet: „Verſtöße gegen regelrechtes
305. Geher.
Gehen werden mit Ausſchluß von
der Preisbewerbung beſtraft; dem
Ausſchluß kann eine einmalige Ver⸗
warnung vorhergehn.“ Das klingt
ſehr einfach. Wer aber einmal
verſucht, in der geſchilderten Weiſe
ſtilgerecht auch nur 100 m zu gehen,
wird bald verftehn, warum der be-
fannte Sportſchriftſteller Viktor
Silberer „das Gehen, im eng—⸗
liſchen Stil als Sport betrieben“,
den „ſchwierigſten Zweig der ganzen
Athletik“ nennt, da „nichts an—
ſtrengender ſei, und nichts eine
ſorgfältigere Vorbereitung und ein
ſtrengeres Training erheiſche, als
das Gehen“. Im Gegenſatz zum
Laufen iſt das ſtilgerechte Gehen
eine Folge von Schritten. Dieſe
Nro. 585.
Schritte dürfen lang oder kurz ſein,
fie dürfen ſchnell oder langſam auf:
einander folgen, wenn ſie nur
Schritte bleiben. Jeder Sprung,
jedes Verlaſſen des Erdbodens mit
beiden Füßen gleichzeitig iſt aus—
geſchloſſen. Der Rumpf ſteht auf-
recht, der Kopf hoch und die Bruft
heraus, während die Arne in ge:
trade jo lebhafter
Aktion mie Die
Beine eine Art
Flügelbewegung
machen, durch deren
Schwung die Bor:
wärtsbewegung des
Körpers unterſtützt
wird. Eins der
größten Geheim—
niſſe des Gehens
beſteht darin, die
Arm⸗ und Bein—
bewegungen jo ge⸗
geneinander auszu⸗
gleichen, daß der
Gang dadurch aufs
äußerſte gefördert
wird. Bei echten
Gehern beobachtet
man auch, daß mit
dem Schwingen der
Arme die Schultern ruckweiſe geho—
ben werden; damit iſt ein Lüften
des Körpergewichts vom Boden ver⸗
bunden, wodurch das Ausſchreiten
weſentlich erleichtet wird. Ein
Geher mag aber noch ſo ſchnell in
Bewegung ſein, er muß immer die
charakteriſtiſchen Merkmale des ruhig
ſchreitenden Menſchen, nur ſport—⸗
mäßig modifiziert, zeigen. Am
leichteſten iſt der ungeſchulte Geher
der Verſuchung ausgeſetzt, aus dem
Geh: in den Laufſchritt zu verfallen,
womit er fich jofort disqualifizieren
würde. Der Anfänger tut alſo aut,
zunächſt von allen Schnelligfeits-
und Dauerverfuchen abzujehn und
nur darauf aus zu fein, fich einen
tadellofen,. aud in der Erregung
Neo. 586.
des Weitkampfes ficheren Stil an:
zueignen. Beberricht er die Technik,
fo Tann er langfam an die Steige:
rung des Tempos gehen und dann
fih an Kraftleiftungen verſuchen.
Man glaube nur nit, daß die
Beine allein den Geber leiftungs-
fühig maden. Es gibt faum eine
Musfelgruppe, faum ein Organ des
Körpers, das beim Gehen nicht in
erhöhte Aktion tritt. An Herz und
Lungen werden enorme Anforde-
rungen geftellt, und die ſchwingen⸗
den Bewegungen der Arme ftellen
außerordentliche Anſprüche an die
gejamte Bruft: und Rüdenmustus
latur. Ueber den gegenwärtigen
Stand der Hödjitleiftungen geben
die am Ende dieſes Kapitels ſtehen⸗
den Rekordliſten Auskunft.
586. Das Laufen ſetzt ſich im
Gegenſatz zum Gehen aus lauter
einzelnen Sprüngen zuſammen, d. h.
der ſportgerechte Läufer ſpringt
von einem Fuß auf den andern,
wobei der Boden nur mit dem
Borderteil des Fußes, mit Zehen
und Ballen, berührt wird. “Die
Ferſe kommt alſo überhaupt nicht
auf den Boden. Der Oberkörper
wird weit vorgebeugt, während der
Kopf aufrecht gehalten, oft ſogar
zurückgeworfen wird. Die Haltung
des Körpers darf niemals die At⸗
mung beeinträchtigen, die Bruſt
muß ſich alſo vol ausdehnen kön⸗
nen. Wie beim Gehen, ſo unter⸗
ſtützen auch beim Laufen die Arme
die Aktion der Beine durch Schwin⸗
gungen, die allerdings nicht die ſelbe
Regelmäßigkeit zeigen.
Außerordentlich wichtig für den
Schnelläufer iſt ein guter Start.
Erfahrene Sportsleute haben ſich
darin ganz eigenartige Methoden
ausgebildet, und es iſt nicht un-
interefjant, zu beobachten, wie bei
einem großen „Feld“ die einzelnen
Teilnehmer ſchon im Ablauf einen
Vorfprung zu gewinnen ſuchen.
J. W. Schrveter. |
Sehr beliebt ift der fogenannte
amerifanifde Start. Der Läufer
ſteht mit dem linken Fuß einige
Bentimenter hinter der Startlinie,
mit dem rechten etwas weiter zus
rüd, und beugt den Oberkörper fo
weit nach vorn, daß er fih mit
den gefpreizten Fingerjpigen auf
die Startlinie ftügen Tann. Falt
der Schuß, fo fchnellt der ganze
Körper mit äußeriter Gewalt vor:
wärts, ſodaß glei) mit dem erften
Sat an 2 m zurüdgelegt werden.
Dieje Methode will natürlich gründe
lich geübt fein, und fie hat auch nur
bedingten Wert, jpeziel für kurze
Entfernungen, denn je größer die
Entfernung, defto geringere Bedeu⸗
tung fommt dem Ablauf zu.
Aus phyſiſchen Gründen muß
man den Lauf über furze, mittlere
und lange Streden ſcharf vonein-
ander trennen. Das geht jhon |
daraus hervor, daß beim Schnell-
lauf über furze Diftanzen die Haupt-
anforderungen an ganz andere Mus⸗
feln und Organe geftellt werden
wie beim Dauerlauf. Beim furzen,
ſchnellen Lauf fällt nah Silberer
die Hauptaufgabe den auf der
Borderfeite der Oberſchenkel lie:
genden Muskeln zu, die die Beine
bei jedem Sprung möglichft weit
nah vorn zu fchleudern Haben.
Bei diefem „Sprinting“ gilt es,
mit jedem Schritt das Aeußerſte zu
letiten, deſſen der Körper fähig ift.
Beim Laufen über größere Diſtan⸗
zen heißt es hauszuhalten mit der
Kraft und eine beitimmte Taktik
zu verfolgen, die nur durch Er⸗
fabrung erworben werden Tann.
Ye größer die Strede, deito mehr
fol man zurüdhalten, um am Ende,
beim „Spurt”, noch einen möglichit
großen Kraftaufwand einjeßen zu
fönnen.
Beim Rennen über kurze Diftan-
zen kann daher von einer berech-
nenden und bemußten Taktik kaum
nn
nr
Aporyomenos nach £yfippos.
X. 2. Aihlefik.
die Rede fein. Man tut eben alles,
um der Erfte zu werden, nach dem
Wie fragt man nidt. Sehr ſchwie—
rige, wenn nicht die ſchwierigſten
Aufgaben ftelen die mittleren Di-
ftanzen. Eine GStrede von etwa
400 m erfordert zufammen mit der
größten Schnelligkeit eine Aus—
dauer, die nur durch ein jehr jorg-
fältige8 Training zu erzielen ift.
Während dieſes Trainings muß
man außerordentlich vorfichtig vor=
Nro. 587.
berüdjichtigt, und ehe man’3 ge—
dacht, macht ein organischer Fehler
allem Sport ein Ende. Man laſſe
das Tempo zunächſt unbeacdhtet und
laufe beim Ueben immer einige
100 m über daß Ziel, da3 man
fich gejtedt Hat. Im übrigen ver-
lafje man ſich auf daS eigene Ge:
fühl, jofern es gefund ift, und gebe
eher ein ausfichtlofeg Nennen auf,
als daß man ſich von falſchem Ehr-
geiz verleiten läßt, die Strede zu‘
306. Wettlauf.
gehn, um fich vor Weberanftrengungen
zu hüten. Die ganze Strede mit
voller Schnelligkeit zu deden, fol
man erit gegen Ende probemeife
verfuden, wenn Herz.und Lungen
fih den hohen Anforderungen tadel-
los angepaßt Haben. Die Regel
muß alſo immer fein, im Training
für längere Diftanzen in mäßigem
Tempo anzufangen und es nicht
eher zu bejchleunigen, als die ge-
famte Konftitution es geftattet.
An die großen Diftanzen, 1500 m
und Darüber, wage man. fich nur,
wenn man in langem Training den
Beweis erhalten hat, daß man zum
Dauerläufer prädeftiniert ift. Da
die Symptome der Meberanitrengung
beim Dauerläufer naturgemäß all:
mäbhlich eintreten, überjieht man jie
leicht ; fie werden infolgedefjen nicht
Ende zu laufen. Jedenfalls fei
man bejtrebt, bei allen Rennen über |
größere Streden ein Reſiduum an,
Kraft für den Schluß aufzufparen. '
Man lafje während des Rennens
die Gegner nie aus dem Auge und
trachte nicht fo jehr danach, von
vornherein einen großen Vorfprung
zu gewinnen, als ihnen die Ge:
mwinnung eines Vorſprungs unmög:
lich zu maden und fie im Schluß:
fampf ficher Hinter fich zu laſſen.
Die D. S. B. f. X. hat neben den
reinen Rennen noch einige Arten
von Wettläufen vorgefehen, die teils
auf militärifhe Bebürfnifje, teils
auf die Vorbilder des Pferdefports
zurüdzuführen find.
587. Beim Stafetten- oder
Mannjchaftslauf wird eine An:
zahl von Läufern in SIE RABIgEN
Bu SEEN
——
J
Nro, 588-590.
Zwifchenräumen über eine große
Strede verteilt. Der Erjte in der
Kette empfängt eine Fahne, ein
Tucd oder dergleichen und muß es
mit größtmöglicher Schnelligkeit
dem Zweiten überbringen, der e$
dem Dritten zuträgt, und jo fort,
bis die ganze Kette durchlaufen ift.
Die zu einem Klub, einer Stadt
oder einem Verband gehörigen
Bewerber follen dur Kleidung
oder Abzeichen als zufammengehörig
fenntlih fein, und jeder Läufer
darf ji erit dann in Bewegung
jeßen, wenn er aus der Hand jeines
VBormannes das zu überbringende
Zeichen empfangen bat. Das Prin—
zip ift natürlich dem alten mili—
täriſchen Nachrichtenwejen entnom=
men.
988. Das Geländelaufen(Fuchs—
jagd) führt über freies Gelände mit
natürlichen Hinderniffen. Es iſt
jelbftverftändlich, daß derartige Ren:
nen, namentlid wenn fte über
3. W. Schroeker.
ordentlihe Anforderungen an die
Teilnehmer ſtellen und in ſchwieri—
gem Gelände unter Umſtänden auch
Gefahren mit ſich bringen.
589. Hindernisrennen führen
über Rennbahnen mit Fünftlichen
Gräben, Zäunen, Mauern, doch
auch das Sad: und Fablaufen ge—
hört hierher, wenn es auch nicht
als jportlihe Uebung im ftrengen
Sinne betrachtet werden kann.
590. Hürdenrennen werden auf
vorbereiteter Bahn veranftaltet. Die
10 Hürden follen 1m hoch und
9 m von einander entfernt fein, die
Bahn muß aljo eine Länge von
110—120 m haben. Im erjteren
Falle joll der Anlauf 15, der Aus:
lauf 14, im leßteren der Anlauf 20,
der Auslauf 19 m betragen. Die
Hürden dürfen nicht feſt jtehen.
Das Ummerfen einer oder mehrerer
Hürden fommt für das Ergebnis
des Rennens nicht in Betracht. Für
die Wertung eines Laufe als Re—
größere Streden führen, außer: | ford iſt jedoch Bedingung, daß
307. Hürdenlauf.
— — 8
m me FA mi 8
x. 2, Athletik.
Nro. 591.
feine Hürde umgemworfen murde. | verführen daher leicht zur Nach:
Die ganze Strede legen die eng-
liihen Athleten in 18, ja 17 Se:
funden zurüd (Silberer). Dazu
benußen ſie eine befondere Me:
ihode, den Dreifchritt, mit dem
fie die Hürden „nicht eigentlich
überfpringen, jondern im Lauf
überfchreiten ,
aenau einteilend, ſodaß Hinter
jeder Hürde, außer dem Auffprung,
nur drei Schritte bis zur nächſten
Hürde gemacht werden”. Es fommt
alfo alles darauf an, daß man das
Ueberjegen der einzelnen Hürden
nicht als einen Sprung mit An:
lauf betrachtet, das Ganze nicht als
eine Kette von Sprüngen, fondern
daß man die ganze Gtrede in
Sprungſchritten zurüdlegt, die ſich
als Weitjprünge, unterbrochen von 10
Hochweitſprüngen, charakterifieren.
dabei die Schritte,
Bejonders ift darauf zu achten, daß
beim Auffprung hinter der Hürde
feine Zeit verloren geht, jondern
daß der auffpringende Fuß die
nötige Glaftizität befist, fofort einen
neuen ausgiebigen Schritt herzu—
geben.
diefer außerordentlih jchmwierigen
Uebung beide Beine und Füße jehr
gleichmäßig zu hoher Leiftungsfähig-
feit ausgebildet werden. Eins der
größten Geheimniffe des Hürden
laufs ift die Vermeidung von Kraft:
vergeudung, die leiht Dadurch ver:
urfacht wird, daß man den Sprung
höher nimmt, als nötig ijt. ALS
Hürden benuft man leichte Latten= |
gejtelle, die beim Anſtoß umfallen,
oder auch Latten mit aufrecht jtehen-
den Neiligbündeln, wie man fie
bei Pferderennen fieht. An den
Lattengeftellen holt man fich zwar
leichter blaue Fleden am Knie und
Schienbein, dafür geben fie ein
aetreuere8 Bild der im erniten
Kampffpiel benugten Hinderniſſe.
Die Hürden aus Keifig kann man
Es leuchtet ein, daß bei
macht.
läſſigkeit und zur „Mogelei“, die
den Läufer hindern, ſein Beſtes
einzuſetzen.
591. Das Springen. Der Sprung
iſt wie der Wurf eine Uebung, bei
der die ganze zu entfaltende Ar—
beitsleiſtung in einen minimalen
Zeitraum zuſammengedrängt wird.
Er verlegt in den Bruchteil einer
Selunde alles, was die in Betracht
kommenden Muskelgruppen über—
haupt zu leiſten vermögen. Der
Abſprung erfolgt ſtets aus der Knie—
beuge durch eine äußerſt ſchnelle
Kontraktion der Strecker des Ober:
ſchenkels, die entſprechend ſtark und
elaſtiſch ſein müſſen. Die körper—
liche Dispoſition ſpielt beimSpringen
eine beſonders große Rolle. Die
Länge der Knochen, die Anſatzſtellen
der Muskeln, die durch beide Fak—
toren gegebenen Hebelverhältniſſe
ſind von größter Bedeutung, und
es iſt nicht zu verwundern, daß
ſich unter den berühmten Sprin-
gern und Refordinhabern verhält:
nismäßig viele abnorme Geitalten
befinden. Der Kundige wird auch
begreifen, daß bei diefem Sport,
bei dem die ganze phyfifche Leiftung
auf einen einzigen Fleinen Moment
ih zufammendrängt, eine gewiſſe
Nervofität häufig beobachtet wird,
die die bei manchen Springern zu
bemerfende Unregelmäßigfeit der
Zeiftungen erflärlid madt. Man
wird beim Ueben ſehr bald jelbit
fühlen, wie abhängig man von
‚jeder momentanen Dispofition ift.
Ein Sprung, den man heute pie:
lend vollbringt, ift morgen einfach)
nicht herauszubolen. CS Hat aud)
gar feinen Zwed, dat man fi in
jolden Fällen quält oder Gedanken
Man verfude es am näch—
iten Tage von neuen, und man
kann erleben, daß man mittlerweile
an Leiftungsfähigfeit zugenommen
mit dem Fuß durchſtreichen, fie | hat.
Nro. 592.
592. Der Weitfprung. Bei allen
Arten ded Springen? wird nad)
den Satungen der D. S. B. f. A.
von ebener Erde vder von einem
in die Erde eingelafjenen, an feiner
Stelle über den Erdboden hervor:
ragenden, nicht federnden Sprung:
brett abgeiprungen. Vorgeſchrieben
ift ein mindeftend 10 cm breiter,
deutlich fichtbarer Balken, von deſſen
vorderer Grenze aus in fenkrechter
Richtung bis zum hinteren Abdrud
des aufipringenden Fußes gemejjen
wird. Fällt der Springer rüd:
wärts oder tritt er nad) erfolgtem
Sprung zurüd, fo zählt der Sprung
zwar, er wird aber nicht gemeffen.
Die zmwifhen dem abfpringenden
und dem aufipringenden Fuß lie:
gende Strede muß alfo tatſächlich
bewältigt fein, und da der port:
lihe Sprung aus dem Gebraudh3:
fprung (Ueberſetzen von Gräben 2c.)
hervorgegangen ift, fo ift diefe For:
derung nicht mehr als billig. Es
fommt alfo alles darauf an, daß
der richtige Abſprung getroffen wird
und daß der Springer an der
Stelle, wo er auffpringt, fofort
wieder ficher fteht. Befonders un⸗
vorteilhaft für ihn ift es natürlich,
wenn der Abfprung zu kurz, alio
vor dem Balfen genommen murde.
Die Differenz muß natürlich bei
der Wertung des Sprunges ab:
gerechnet werden. Merkwürdiger:
weife ift man erjt in den leßten
Jahrzehnten zu der Erkenntnis ge-
kommen, daß der Anlauf, und zwar
ein fchneller Anlauf, die wichtigſte
Borbedingung für einen guten Weit-
jprung if. Man rechnet auf den
Anlauf heute 35—40 m, die mit
etwa 20 Schritten in fchnellftem
Tempo zurüdzulegen find. Der
Abjprung leidet jtetS, wenn ber
Springer im legten Augenblid noch
unfider ift, ob er mit dem ab»
fpringenden Fuß den Balken aud)
trifft. Im Ernftfalle tut man alfo
3%. Schrozter.
gut, die Entfernung zeitig mit Den
Augen, eventuell auch mit Schritten
abzufhäten und fih jo vor einem
verfehlten Abfprung zu ſchützen,
denn auf den Anlauf und nament-
lich deſſen lette Schritte jind alle
phyfifchen und geiftigen Kräfte zu
fonzentrieren. Den Sprung jelbft
ihildert O. Karges mie folgt:
„Nach dem Abftoß vom Balten fol
der Körper in zufammengedrücter
Haltung, Kopf voran, mit angezoge-
nen Knien fliegen und in dieſer Zage
beharren, folange der Schwung
reiht. Im letten Moment wird
durch eigenen Körperihmwung, d. 1.
ein kurzes, energifche® Nach: und
Aufziehen des Unterförpers mit
gleichzeitigem Hochſchnellen derArme,
der Abſtoßſchwung gewiſſermaßen
erneuert. Dieſe Bewegung, das
„Schneppern“, kann ſogar im
ſelben Sprung wiederholt werden.
Wer ſie gut beherrſcht, kann ihr
eine Vergrößerung der Sprung:
weite um 50 cm und mehr ver:
danken.” Natürlid werden aud
beim Sprung die Beine durch ent:
fpredende Armbewegungen unter:
jtügt. Ein guter Weitfpringer nimmt
in der Luft eine Stellung an, bie
den Zuftwiderftand auf Das geringfte
Maß befchräntt, er zieht die Knie
hoch an die Bruft herauf, der Ober⸗
förper geht, den Kopf voran, faft
wagrecht durch die Luft, die Arme
werden mit energifhem Schwung
nad Hinten geworfen. Der ge-
nannte Turnlehrer ftellt Die gewiß
berechtigte Forderung auf, daß etwa
vorhandene natürliche Anlagen durd)
fein umſtändliches Lehrverfahren
verdorben werden dürfen. Zu den
pädagogiſchen Berirrungen rechnet
er jede künſtliche Beeinfluffung des
Anlauf, wie den Abfprung mit
vorher beitimmtem Bein und den
Lauf mit beftimnter Schrittzahl.
Nahezu jeder Menich hat ein Sprung:
bein, d. 5. der eine Fuß eignet fich
nn — — — — — —
—
natürlich weſentlich einfacher.
x. 2. Nihletik.
befjer zum Abſprung als der an⸗
dere; meift ift e8 der linfe. Die
Gründe dafür find noch nicht klar⸗
gelegt. Es fcheint aber feftzujtehen,
daß fi das Sprungbein erjt etwa
vom 11. Jahre an ausbildet. Ob
man gut daran tut, dieſe einfeitige
Ausbildung al3 natürlich Hinzu:
nehmen und zu fürdern, oder ob
e3 beſſer ift, durch eine entipre:
chende Erziehung das Gleichgewicht
der Körperhälften wieder herzu-
ftelen, die Frage ſcheint leicht zu
entjcheiden. deal wäre jedenfalls
die Symmetrie. Sie ift aber, wie
alle Ideale, nicht zu erreichen.
Die Mebungsmethode braucht faum
erflärt zu werden. Ueben muß
man vor allem die Kunft, „in
volliter Schnelligkeit vom richtigen
Pla aus einen guten Abjprung zu
bewerfitelligen”. Das läßt ſich nur
durch fleißiges Probieren und Stu-
dieren erlernen, und nur wer fi
darin genügend gefördert hat, wird
jene Ruhe und Sicherheit erwerben,
die bei Wettfämpfen gerade für
den Springer unbedingt nötig ift.
Der Weitiprung ohne Anlauf ı
83
fommt dabei alles auf einen ficheren
und fraftvollen Abſprung mit bei-
den Füßen und auf ein energijches
Vorwerfen der Beine nad) vorn
während des Sprunges an. Auf
die Technik näher einzugehen hat
feinen Zweck, da fi aus wenigen
Verſuchen die zu beobachtenden Re-
geln von felbft ergeben.
593. Der Hochſprung Hat für
die Praxis geringere Bedeutung
al3 der Weitiprung, da man mohl
nur felten genötigt ift, einen freien
Sprung über ein hohes Hindernis
auszuführen. Man wird meift zu
dem weniger eleganten Klettern
oder Doch zu einem Stüßiprung |
feine Zuflucht nehmen, da der Frei:
ſprung über harte und Fantige
Gegenftände nicht ganz ohne Ge:
Nro. 593.
fahr für die Knochen und andere
empfindlide Körperteile iſt. Der
Anlauf, der beim Weitfprung eine
jo eminente Bedeutung hat, ift für
den Hochſpringer weit weniger wid):
tig. Daraus erflärt es fih, daß
man beim Wettfampf oft die beften
Hochſpringer mit ein paar ruhigen,
entichiedenen Echritten zum Ab:
fprung fajt gehen fieht, von dem
fie fih mit einem eleganten Sat
über die Latte jchwingen. Es
Iprechen bier beſonders die natür-
lien Anlagen mit, und wer fie
nicht beſitzt, wird feine urfprüng-
lichen Xeiftungen nur um wenige
Grade fteigern können, während
ein Weitipringer fich durch richtiges
Ueben oft außerordentlich fördern
fann. Bei präbdeftinierten Hoch—
fpringern findet man häufig be-
fonder8 lange Beine-und einen
furzen, leichten Oberförper. Die
Hauptſache ift immer eine feite und
fchnellfräftige, aber nicht voluminöfe
Beinmusfulatur,
Sehr einfach ift der Hochſprung
ohne Anlauf. Man fpringt mit
gefchlofjenen Füßen gleichzeitig ab,
und e3 gilt vor allem, im Sprung
Knie und Füße mit energifthen:
Ruck möglichft Hoch an den Körper
zu ziehen. Der Abfprung muß
natürlid mit den Zehen und mit
äußerjter Kraft und Entfchiedenheit
geihehen und wird meiſt unter:
ftüßt durch ein fräftiges, paralleles
Schwingen beider Arme, deſſen Be-
deutung ſich ſchon aus der Tatſache
erklärt, daß Berufipringer, wie man
fie im Variete Häufig fieht, bei
folden Sprüngen leichte Hanteln
in die Hände nehmen, die fie im
Moment des Abjprunges mit der
Schwingung von fih fchleudern,
um die eigene Schnellfraft zu er-
öhen.
Für den Hochſprung mit Anlauf
gibt es zwei Methoden. Bei der
deutjchen läuft der Springer ſenk⸗
Nro. 593.
J. W. Schroeler.
recht von vorn auf die Latte oder das körper zu ihnen im ſpitzen Winkel
Sprungſeil zu, bei der engliſch-ſchot⸗
tiſchen in ſchräger Richtung. Lei⸗
ſtungsfähiger iſt jedenfalls der rein
empiriſch gewordene engliſche Hoc
ſprung, und wenn man behauptet,
er ſei nicht jo ſchön wie der kor⸗
rekte deutſche, ſo dürfte ſich ein
Grund für dieſen äſthetiſchen Ein—
wand ſchwer finden laſſen. Die
Hauptſache iſt, daß der Springer
ſicher über die Latte kommt, und
die Aeſthetik wird ſich wohl auch
hier mit ihrem Urteil nach dem
Zweckmäßigen richten müſſen. Der
Anlauf hat nur die Bedeutung einer
phyſiſchen Vorbereitung und ſollte
nicht über 10—12 m ausgedehnt
werden. Mit dem lebten Schritt
muß der abjpringende Fuß genau
die Kante des Sprungbalfens
treffen, deren Entfernung vom Lot
der Latte etwa ?/, der Latten⸗, bezw.
Schnurhöhe betragen fol. Man
unterjcheidet nach der im Sprung ein-
genommenen Stellung den Spreiz:
und den Hodjprung. Beim a
werden die gejtredten Beine ge—
wilfermaßen über die Latte ge⸗
ſchwungen; beim leßteren werden
die Knie nad) dem Abfprung ſchnell
bis zur Bruft emporgeriffen, wor:
auf, nachdem die Füße die Latte
pafliert haben, die Beine energiſch
Ihräg nach unten geftredt werden.
Es ift befonders darauf zu achten,
daß beim Niederfprung durch eine
Ichnellende Bewegung im Kreuz dag
Geſäß glatt über die Latte gebracht
wird, Dabei Hüte man fich jedoch,
auf den Nüden zu fallen. Das
Mitſchwingen der Arme ergibt fi
aus der Praris von felbjt. Der
englifhe Spreizfpringer zeigt in der
Luft ein ganz anderes Bild. Am
höchſten Moment des Sprunges
nimmt er über der Latte eine faft
fißende Stellung an, in der die
geſtreckten Beine parallel der Latte,
aljo wagerecht Tiegen, der Uber:
fteht, während die Arme weit aus;
gebreitet ſchwingen. Im Nieder:
fprung ftredt fi der Körper, jo:
bald das Gefäß die Latte pafftert
bat. Unter allen Umftänden zu
vermwerfen ijt ed, wenn der Springer
in gehodter Stellung wie ein Knäuel
auf den Boden fommt. Der Nieder:
fprung fol in geftredter Haltung
und elaftifch erfolgen. Analyfiert
man die Bewegung des englifchen
Schrägiprunges, jo wird man fin:
den, daß der Körper während Des
Sprunges ähnliche Lagen einnimmt,
als wenn er in fißender Stellung,
3. B. über ein „Pferd“ (Sprung:
gerät), eine fogenannte Kehre machte.
Beilpiel: Der Springer a nimmt
oO.
den Anlauf b zum Abſprung c. -
d
Er fpringt ab mit dem linfen Fuße
und wirft zunädft das rechte Bein
über die Latte d; holt in fitender
Stellung über der Latte das linke
Bein nad und ſchwingt mit einer
Kehre des ganzen Oberkörpers nad
rechts beide Beine über die Latte.
Diefe Kehre findet man bei ein-
zelnen befonders fähigen Springern
.-
fo modifiziert, daß der Körper über
der. Latte faft gerade und wage—
recht ausgeſtreckt erjcheint, ein tech-
nifches Mittel, das nicht aanz leicht
zu erlernen ift und bei Anfängern
oft Stürze zur Folge bat. Bon
den MWettlampfbeitimmungen Der
D. S. B. f. A. beftimmt 8 49 über |
den Hochſprung mit Anlauf: „Der
Sprung gefchieht über eine auf
Borfprüngen der Sprungpfoften
liegende Latte. Gemefjen wird
.
X. 2. Mihlefik.
von der Mitte der Latte in ſenk—⸗
rechter Richtung bis zum Erd:
boden. Abwerfen der Latte oder
ein unausgeführter Sprung, bei
dem der Springer den Boden jen-
ſeits des Sprunggeftell3 berührt,
bewirkt, daß der Berfuch zwar ge⸗
zählt, aber nicht gemefjen wird.
Bei gleiher Sprunghöhe gilt der
Sprung als der befjere, bei dem
die Latte nicht berührt wird. Wird
die Hödhftleiftung von mehreren Teil:
nehmern glatt überfprungen, fo er:
folgt ein Stechen durd) drei Sprünge
in der vorhergehenden Höhe. Führt
dieſes Stehen zu feinem Ergebnig,
fo werden die zur Verfügung ftehen-
den Preife unter den Betreffenden
außgeloft.”
594. Der Weithochſprung wird
nad) den felben Regeln ausgeführt
und beurteilt wie der Hochſprung.
Die Weite und Höhe des Sprunges
müſſen fich wie 2:1 verhalten, jo:
Daß die Weite jtet3 um 10, die
Höhe um 5 cm wächſt. Es han⸗
delt fih Hier alfo um eine einfache
Kombination der beiden oben ge:
ſchilderten Sprungarten, auf die
deren Gejete ohne weitered über:
tragen werden können.
595. Der Dreifprung ift eine
Tchwierige Kombination dreier
Sprünge, die für die Praris ge-
ringe Bedeutung hat, als fportliche
Uebung aber wegen der hohen An-
forderungen, die fie an den Aus:
führenden ftelt, erwähnt werden
muß. Man unterfcheidet nach Dr.
MWeinftein drei Stilarten, die
deutfche, englifhe und irifche, die
ſehr verſchieden voneinander find.
Der deutfhe Dreifprung ijt ein
verhältnismäßig einfacher Schritt-
fprung, links⸗rechts-links oder rechts⸗
links⸗rechts, wobei der Schlußiprung
immer mit beiden Füßen auszu=
führen ift. Ein guter Weitfpringer
Ieiftet nach diejer Methode 12 big
13 m. Seder Springer wird es fo
— — —— —ñ —ñ —ñ— — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — —— — —
Nro. 594-596.
einzurichten fuchen, daß er zweimal
dag Sprungbein und einmal dag
andere zum Aufſprung benutzen
fann. Der engliihe Dreifprung
nah dem Stil der olyınpilchen
Meiſterſchaft ift bedeutend ſchwie—
tiger. „Der erfte Teil des Sprun=
ges ift ein ‚hop‘, d. h. ein Sprung
auf dem felben Zuß, mit dem man
abiprang; er muß möglichſt ein
Weitfprung fein. Dann erfolgt
mit dem ‚jtop‘ der Uebergang auf
den andern Fuß zum ‚Sump‘, der
ein richtiger Weitfprung wird. Der
Vorteil und zugleih die Haupt:
ſchwierigkeit des engliſchen Sprun=
ges liegt im mittleren ‚Stop‘. Der
zweimalige Abiprung des jelben
Beines bedeutet feine geringe An:
ftrengung für das Sprungbein, das
fih unter der Wucht des erjten
Niederfprunges jofort wieder ela=
ftifch zu neuem Satz ftreden ſoll.“
Faft unnatürlich erfcheint der irische
Dreifprung, der ganz auf einem
Bein ausgeführt wird. Er befteht
aljo aus „hop, hop und jump“,
und es leuchtet ein, daß eine folche
Anftrengung für die in Betradt
fommenden Gelenfe, namentlich)
das Knie: und Knöchelgelenk, nicht
ganz unbedenklich if. Auf hartem
Boden follte man den Dreifprung
nie ausführen. Raſen ift am bejten
geeignet, aber auch da noch beob-
achte man äußerfte VBorfiht, um
Sehnenzerrungen, Berftauhungen
und Brüche der Knöchel zu ver:
hüten. Gemeſſen wird der Drei—
iprung wie der Meitfprung. Rüd-
wärtsfallen und NRüdmwärtstreten
haben die jelben Folgen wie bei
diefent.
596. Der Stabfprung bat eine
ebenfo hohe praftifche wie ſport—
lihe Bedeutung. Beim Nehmen
von Hinderniffen, Gräben, Zäunen
u. |. mw. leiftet eine genügend lange
Stange, im Gebirge der Bergſtock,
oft die fchägenswerteften Dienite,
Nro. 596.
F. W. Schroefer.
und wie viel eine ſolche Stüße | fprung mit ihrer Hilfe ein gutes
vermag, iſt aus den Zahlen der
Rekordliſte leicht zu erjehen, wo⸗
nah Stabjprünge nahezu die dop—
pelte Höhe der Freijprünge er-
reihen. Die Urſache dafür liegt
in der Mitwirkfung der Arme, die
der ganzen Uebung einen bejonderen
jportlihen Wert verleiht, meil ſie
308. Stabhochfprung.
den ganzen Körper energifh in
Anſpruch nimmt. Naturgemäß
fommt für die Leiftungsfähigfeit
des Stabjpringer8 auch die Arm:
und Bruftmusfulatur mwejentlich in
Betracht, da er ſich nad
muß.
dem Ab: |
Stüf über die Entfernung oder
die Höhe hinauswerfen kann, Die
die Schnellfraft der Beine allein
ihn erreichen lafjen würde. Man
ergreift den Stab mit beiden Hän= .
den am oberen Ende, ſodaß das
lange Spitenende nad links vorn
und ein wenig aufwärts gerichtet
ift. Die meilten Springer greifen
links mit Obergriff, recht3 mit
Untergriff. Der Anlauf geht in
jenfrechter Richtung auf die Latte
zu. Er foll jchnel und entſchieden
‚erfolgen und etwa 30 m lang fein.
Der Abjprung erfolgt mit dem
linfen Fuße. Anlauf und Sprung
ſollen ſich möglichft in einer geraden
Linie vollziehen. Höhe und Weite
des Sprunges jind abhängig von
der benugten Stablänge und der
Entfernung des Einſatzpunktes vom
Abjprung. Wie man den Stab am
beiten faßt und wie man einjeßt,
läßt ſich kaum befchreiben. Hier ift
das Brobieren der bejte Tehrmeifter.
Man vermeide e8 aber, den Stab
zu lang zu fajjen, da fonft uns
mittelbar nad) dem Abjprung der
ganze durch den Anlauf gewonnene
Schwung vernichtet wird, weil der
Körper zu fteil aufwärts fteigen
Karges analyjiert den
Stabjprung folgendermaßen: „Nach
dem Abjprung links jpreizt zunächjt
‚das rechte Bein fräftig vor, ihm
ſchließt ſich das Sprungbein un-
mittelbar an; gleichzeitig zieht der
rechte gebeugte Arm den Körper
hoch und mit der Bruſt dicht an
den Stab heran, ſodaß der Sprin—
ger alſo im Aufſprung eine Viertel—
drehung (rechte Flanke nach oben)
macht; der untere linke Arm übt
dabei eine ſtützende Tätigkeit und
beteiligt ſich ſchließlich durch
Strecken an dem Vorwerfen des
Körpers vor dem Niederſprung,
wobei indes der obere (rechte) Arm
gleichfalls den Löwenanteil über-
a2 sea EZ FE EEE ©"
Disfoswerfer nach Myron.
x. 2. Aihlefik. Niro, 597—598.
nimmt. Beide Arme bleiben am! Mefjung und Wertung gefchieht wie
: Stab und hüten jo den Springer, | beim Weitfprung bezw. Hochſprung.
der eine Art Fahne ausgeführt hat | Die Stange fol fi beim Sprunge
und in möglichſt jpigem Winkel | nicht biegen.”
zum Boden, die linfe Flanke ihm | Bis vor kurzem murde ſportlich
zugekehrt, verharrt, vor dem fonjt | eigentlich nur der Stabhochfprung
unvermeidliden Zurüdfallen. betrieben, und darin weift die Re
Die Beftimmung des Stabes als | fordlifte ſehr beachtenswerte Zahlen
belfenden Sprunggerätes verlangt | auf, mährend der Stabweitiprung
es, daß fich der Springer während | ganz vernadhläffigt wurde. Es wäre
des Freifliegens wirklih auf ihn entſchieden zu wünſchen, daß aud
ftüßt, daß er gemwiflermaßen auf | diefe Hebung nachdrücklicher gepflegt
ihm balanciert, d.h. fich mit feinem | würde, denn fie ift e8 wert, und
Schwerpunft über der Einfasftelle | duch ihre praftifche Anwendbarkeit
oder dem Stabende befindet, nicht | empfiehlt fie entfchieden noch mehr
daneben. Dazu ift es begreiflicher- | ald den Stabhochſprung.
weije erforderlih, daß der Stab | 597. Die Sprunggeräte. Die für
nach dem Einfag und Abfprung | alle Sprungübungen nötigen Ge:
nicht gerade nad) vorn hochgeht, | räte find fehr einfach. Als Sprung:
fondern etwas nad) links abweicht | jtänder benugt man zwei genau
und fo gemiflermaßen die Hälfte | eingeteilte Holzfäulen mit verftell-
eines Kegelmantel3, defien Spite | baren Vorfprüngen, auf die man
im Einfat liegt, beſchreibt.“ die Sprunglatte legen fann. Die
Es hat fih gerade beim Stab: | Höhe der Sprungftänder muß
fpringen eine ganze Anzahl von |natürlih beim Stabfpringen be—
Methoden Herausgebildet, auf die ſonders groß fein (3,50 big 4m),
einzugehen bier zu weit führen | die Stäbe werden aus aftfreiem
würde, da faſt jeder Springer feinen | Kiefern= oder Eſchenholz gefchnitten,
eigenen „Trick“ hat. Wichtig find | find 2,5 bis 4,5 m lang und 4 bis
Dagegen die Beitimmungen der | 5 cm did. An der Spige jollten
. ©. f. 4: „Der Sprung fie eine Scheibe haben, die das
muß in der Richtung der Anlauf: | Einfinten in den Boden verhindert.
linie erfolgen. Seitlich abweichende Man benutzt auch Bambusftäbe
Sprünge find nicht zu werten. Die | oder Stahlftäbe aus Mannesmann-
Länge der Stange ift nicht vorge= | rohr. Die Sprunglatte darf fich,
fchrieben. Das Zurüdwerfen der | wenn fie das Maß exakt bezeichnen
Stange ijt nicht geftattet. Die! fol, nicht zu fehr durchbiegen.
Il. Die Stols-, Wurf- und Schleuderübungen.
598.. Das Stoßen und Werfen. | fehr wichtig, ſodaß er den andern
Beide Uebungen gehören zu den | durhaus nicht nadjfteht. Er follte
athletifjhen Bewegungen, bei denen | bei ung in Deutfchland noch viel
die oberen Extremitäten die Haupt- | intenfiver gepflegt werden, als es
rolle jpielen, während der Rumpf, | bis jegt gefchah. Für die Erhöhung
die Beine und Füße eine felundäre, | der GElaftizität des Körpers und
mehr unterftügende Tätigkeit aus= | des gefchmeidigen Zufammenarbei-
üben. Sportlid ift diejer Zweig | tens feiner jämtliden Muskel—
der modernen Athletit jedenfalls | gruppen gibt es kaum eine bejjere
Niro. 599 — 601.
und univerjellere Uebung. Wir
unterfheiden das Stoßen, Werfen
und Schleudern.
599. Das Stoßen charakterifiert
ſich dadurh, daß das mit einer
Hand gefakte Geſchoß beim Aus-
holen nicht weiter als bis zur
Schulter zurüdgeführt werden darf.
Ausgeführt wird das Stoßen mit
dem Stein oder mit der Kugel.
Der Stein fol '/, oder '/, Zentner
wiegen, die Kugel muß 7", oder
12'/, kg jchwer fein. Man jtößt
und wirft aus dem Stande oder
mit Anlauf. Beim Stoß mit der
rechten Hand aus dem Stand ftellt
man fi, den linken Fuß vorn, in
weite Auslage, dabei wird Die
rechte Schulter ganz zurüdgedreht,
das rechte Knie gebeugt. Die ganze
Stellung bezwedt, Raum für ein
möglichjt ausgiebiged® Ausholen zu
ſchaffen. Der Ellbogen bildet dicht
am Körper einen nad) oben offenen
jpiten Winkel, ſodaß der Unter:
arm nahezu ſenkrecht fteht, während
auf der Hand der Stein oder die
Kugel ruht. Beim Stoß ftredt ſich
mit einer fprungartigen Bewegung
das rechte Bein, die ganze rechte
Körperfeite wirft fih nah links
herum, und der gebeugte Arm
ſtreckt ſich mit äußerfter Energie fo
weit wie möglich nad ‚vorn dem
Ziele zu, worauf das Geſchoß die
Hand verläßt. Die Grenzlinie, auf
der der linfe Fuß fteht, darf beim
Vorwerfen des Körpers nicht über:
Schritten werden. Beim Stoß mit
Anlauf „gilt e8 als Hauptaufgabe,
die Kugel oder den Stein aus dem
lebendigen Schwung des Anlaufg
heraus zu werfen, ohne vor dem Ab-
wurf auch nur einen Augenblid zu
ftoden”. Die größte Schwierigfeit
beiteht darin, daß auch bei diefer
Uebung die Mallinie natürlich nicht
überjchritten werden darf. Da die
Länge des Wurfes von der Mal:
finie bis zum binteren Ende des
F. W. Schrueler.
Eindrucks gemeſſen wird, den das
Geſchoß beim erſten Niederfallen
hinterließ, ſo muß man ſich ſehr
hüten, zu werfen, bevor die Mal—
linie erreicht iſt, denn um das nicht
zum Anlauf benutzte Stück wird
der Wurf zu kurz gemeſſen.
600. Das Werfen ſtellt bedeu⸗
tend höhere Anforderungen an Die
Muskulatur und ift daher mehr
Kraftübung als das Stoßen. Das
Gewicht der zu benutenden eifernen
Kugel ſoll 5 kg betragen. Für das
Gewichtwerfen fannı jedes beliebige
Material im Gewicht von '/, bis
/, Zentner benugt werden, doch
jo die gefamte Länge des Ge-
ſchoſſes 45 cm nidt überfteigen.
Die Kugel oder das Gewicht liegt
auf der aufwärts gekehrten Hand:
fläche des herabpendelnden Armes
und wird nad einigen Schwingun:
gen (Kegelfugel) von unten herauf
nad vorn gejchleudert.
601. Das Ger: und Speer:
werfen ift entjchieden die fchönfte
Wurfübung. Die beiden Waffen
haben ihren urfprünglichen Charal:
ter natürlih eingebüßt und die
Uebung ihre praftifde Bedeutung.
Das ift fehr zu bedauern, denn
dem Aeſthetiker bietet fie geradezu
Haffifhe Bilder. Man benupt ent:
weder den deutſchen Ger mit
ſchwerer vierfantiger Spite und
nach hinten verjüngtem Schaft oder
den ftumpfen, zylinderfürmigen Ger
mit je einem CEijenring an den
beiden Enden. Sehr beliebt ift feit
einigen Jahren der leichte, elegante
Ihmwedifche Speer von etwa 2'/, m
Länge, mit 40 cm langer, runder
Eiſenſpitze und °/, kg Gemidt.
Diefes Geſchoß ift ganz für den
Meitwurf Eonftruiert, und die Re—⸗
fordlijten zeigen, welche gewaltigen
Entfernungen mit den Snftrument
gededt werden. Der Germurf
fombiniert gemijjermaßen die phyfio-
logifhen Funktionen des Wurfes
X, 2, Akhlekik.
| des Anlaufes ohne Stockung für
und des Stoßes. Die Auslage
zeigt die Körperjtellung des Kugel-
ſtoßens, doch mit weit nad) hinten
ausholendem Speerarm. Die Spibe
des Speeres weiſt nahezu parallel
dem Wurfarm nach vorn und jchräg
oben. Ye länger der Speer, deſto
fiherer und gerader die Flugbahn.
Man unterfheidet den Ziel- vom
beachte die Mallinie!
Niro. 601.
‚den Wurf ſelbſt auszunugen. Man
Die Flug:
bahn des Zielwurfes ijt natürlich
rajanter, geſtreckter als beim Fern:
wurf, der am meitejten ausfallen
wird, je näher der Winfel, in dem
der Speer abfliegt, an 45 Grad zur
Horizontale des Bodens Fommt.
309. Gerwurf.
Fernwurf. Während beim erfteren
ein nicht allzu fern gelegenes Ziel
mit der Speerjpige getroffen wer:
den muß, gilt es bei legterem nur
eine möglichſt große Strede zu
überwerfen. Der Zielmurf wird
nur aus dem Stande geübt. Der
Fernwurf wird vorteilhaft durch
einen Anlauf vorbereitet, und es
gilt auch hier, den ganzen Schwung
Im allgemeinen ift e8 Regel, den
Speer in der Mitte zu fafjen. Viele
Sport3leute ftellen jedoch das hin—
tere Ende des Geräte auf das
Mittelglied des rechten Ziegefingers,
ftügen es in faft jenfrechter Stel:
lung mit der linfen Hand, bis am
Ende des Anlauf der Wurf mit
einer Bewegung des rechten Armes
nach hinten und oben, wie bei der
Nro. 602. 3. W. Sıhroefer.
normalen Wurfbewegung, unter |foll 2 kg betragen. Der Speer,
energijcher Drehung des Rumpfes | ebenfald aus Holz, wiegt 800 g
nach links erfolgt. Als Ziel be= | bei einer Länge von 2,60 m. Er
nut man einen fogen. Gerkopf | hat eine fcharfe, eiferne Spige und
oder eine Holztafel mit Ringjcheiben. | am Schwerpunft eine ſichere Griff-
Nur für den leichten ſchwediſchen | ftelle, ummidelt mit einer fnoten=
310. Disfoswerfer.
Speer brauht man eine Stroh: |Iofen Schnur. Wenn der Wurf
ſcheibe. gültig ſein ſoll, ſo muß das Gerät
Die Satzungen der D. ©. B. mit der eiſenbeſchlagenen Spitze
f. A. beſtimmen: „Der zur Ver: zuerſt den Boden bezw. das Ziel
wendung fommende Ger muß aus | berühren. Beim „freien Stil“ kann
Holz und am vorderen Ende mit | der Speer beliebig gehalten werben.“
Eijen beſchlagen fein; fein Gewicht 602. Der Schleuderwurf ift von
X. 3. Athletik.
Niro. 603.
allen Wurfübungen phyfiologifch | möglid nad) hinten, wobei die
wohl die ausgiebigfte und ener:
giſchſte, da er wie feine andere
den ganzen Körper in Anſpruch
nimmt. Die Rumpf: und Bein:
mudfulatur bat bier ausichlag-
gebende Bedeutung, da fie eine fait
größere Arbeit verrichtet al3 Die
der Arme. Die großen, flachen
Musteln der Bruft und des Rückens
leiften die wichtigſten Funktionen,
während die Arme eine mehr
fetundäre Tätigkeit augüben. „Bei
allen Schleuderübungen kommt e3
darauf an, durch zweckmäßige Koor⸗
dination und ausgiebige Tätigkeit
der Lenden⸗ und Rumpfmuskulatur
dem belaſteten Arm einen mächtigen
Schleuderſchwung zu erteilen und
das Gerät dann im rechten Augen—
blick fliegen zu laſſen.“ Die Be-
mwegungen eines forreften, ſport⸗
mäßigen Schleudermurfes find in
ihrer Gejamtheit jo fompliziert, daß
für eine ausführlide Befchreibung
bier der Platz fehlt.
603. Den Diskoswurf befchreibt
der deutſche Meifterwerfer Welz
in „Körper und Geift“ folgender:
maßen: „Man legt den Diskos fo
auf die flache Hand, daß die End-
glieder der vier gefpreizten Finger
fih ein wenig um den Rand legen,
während der Daumen dur Sprei⸗
zung die SHandflähe vergrößert.
Der Wurf beginnt mit einem jent-
rechten Hochſchwung des den Dis-
kos tragenden rechten Armes, mwo-
bei die Linke die Scheibe in ihrer
Zage hält. Es folgen etwa zwei
horizontale, langjame Pendel:
ſchwunge von rechts nad links,
mit geringer Kniebeugung, wobei
das rechte Bein 50 cm vor dem
linken fteht. Nun erft beginnt das
eigentliche Ausholen mit fchnellen,
ruckhaften Schwüngen. Zuerſt nod)
ein horizontaler Schwung des ges
ftredten Wurfarme® am linken
Oberſchenkel vorbei jo meit als
| rechte Hand unter der Scheibe, bie
linfe Hand, noch ftügend, auf ihr
ruht; zugleih ein ziemlich ftarfes
In⸗die⸗Knie⸗Gehen. Hieran ſchließt
ſich unmittelbar der Rückſchwung
des Armed, verbunden mit kraft⸗
vollem Aufrichten (Aufjchnellen)
des Körpers, gleichzeitigem Tritt:
wechſel durch Sprung (rechtes Bein
nach hinten) und weiterer balber
Drehung auf den Fußſpitzen, ſo⸗
daß der Körper von der Wurfridh-
tung abgekehrt ift, während der
Arm, nunmehr mit nad) unten ge:
fehrter Scheibe, weit nach hinten
J — ar F
ak
311. Jm Distoswurf.
Ihmwingt. Er hat dann von links
aus mehr als einen ganzen Kreis
bejchrieben. Das rechte Knie ift
ziemlich ftarf gebeugt. Aus Ddiefer
Stellung wird dann der Körper
mit zwei raſchen Sprungfdritten
in einer möglichjt ſchnellen Drehung
herumgemirbelt, während der Arın
natürlich völlig geſtreckt bleibt, und
e3 erfolgt endlih mit dem Auf:
jegen des linfen Beine8 und Bor:
werfen der rechten Schulter der fo
funftvoll vorbereitete Abmwurf. Se
tiefer man ohne Berluft an Schnel:
ligfeit au8 den Knien arbeiten kann,
um fo größere Wurfweiten vermag
man zu erzielen.”
Yiro. 604-606.
3. W. Schroeter.
Doch es hat wenig Zweck, nad) | Anlauf und geſtrecktem Arm ge—
folden Theorien um die Erlernung |; worfen. Die Hauptkunſt befteht
des Diskoswurfes fich zu bemühen.
Hier kann nur das lebendige Bei—
ipiel fördern. Man ſehe ſich aljo
gute Werfer an und verjude e3
ihnen gleih zu tun. Wer den
tanzartigen Wirbel eined geübten
Athleten im Diskoswurf einmal
gejehen hat, wird zugeben, daß es
fi) hier bei aller Einfachheit des
Gerätes um eine Univerjalübung
handelt, die, geradezu raffiniert
ausgedacht, jeden Muskel des Kör-
vers zur höchſten Schnellfraft er:
ziehen, die Anjammlung Inolliger
Muskel: oder Fettmaffen aber un⸗
bedingt perhindern muß. Kein
Wunder, daß man gerade unter
den Diskoswerfern die vollendetften
Athletengeftalten findet. Für den
Diskos Schreibt die D. S. B. f. A.
2 kg Gewicht und einen Durch—
mefjer von 22 cm vor. Er fol
aus Holz mit glattem Eijenrande
beftehen und an beiden Seiten mit
glatten Metallplatten bejchlagen
fein. Er wird aus einem Kreije
von 2,50 m Durchmefjer geworfen.
Bom Mittelpuntte aus wird eine
gerade Linie in der Richtung ges
zogen, in der geworfen werden joll,
Sm Winkel von 45 Grad nad
beiden Geiten der eriten Linie
werden zwei weitere gezogen, und
nur wenn der Diskos zwiſchen
dieſen beiden Seitenlinien nieder
fallt, gilt der Wurf. Der Wer:
fende muß ganz innerhalb des
Kreiſes bleiben, bis der Disfos
aufgefchlagen ift. Die Weite des
Wurfes wird vom erſten Aufichlage
des Tisfos big zur Peripherie des
Kreiſes auf einer Linie gemefjen,
die den Auffallort mit dem Mittel:
punft des Kreijes verbindet.
604. Der Schlenderball ift ein
2 kg ſchwerer Lederball mit einer
höchſtens 33 cm langen Leder:
ſchlaufe. Er wird mit beliebigem
alfo darin, daß die bei dem kreis—
förmigen Herummirbeln des Balles
entftehende Zentrifugaltraft im
rechten Moment ausgelöft und ver-
wertet wird.
605. Der Hammer bejteht aus
einem fchweren Kopf und einem
Stiel. Das ganze Gerät Ddaıf
1,25 m lang jein und aus beliebi-
gem Material beftehen. Das Gc-
wicht joll 5 bis 7,25 kg betragen.
Geworfen wird aus einem Kreije
von 3m Turchmefjer, mit Bemwe-
gungen, die denen des Diskos—
mwurfes im Prinzip jehr ähnlich find.
Auch bei diefem Gerät handelt es
fih um eine gefhidte Ausnugung
der Zentrifugaltraft, doch werden
zur Handhabung de8 Hammers
beide Arme benugt. Daraus gebt
hervor, daß der Hammermwurf eine
der ſchwerſten und eingreifendften
athletifchen Uebungen ift. Er wird
mit bejonderer Vorliebe in England
betrieben, und dort hat man ftau-
nengwerte Rekorde erzielt. Es muß
aber erwähnt werden, daß nament-
lich leicht gebaute Athleten ſich
dieſem Sportzweige nur mit äußer-
fter Borfiht widmen follten, wenn
fie vor Schaden bewahrt bleiben
wollen. Vorſicht ift auch der Zu:
Ichauer wegen geboten, denn dem
10= bis 14-pfündigen Geſchoß wider:
ftebt fein menſchlicher Schädel.
606. Das SchwergewichtSheben
oder Stemmen, wie es in Deutſch⸗
land meift genannt wird, nimmt
in der Athletit eine befondere
Stellung ein. Während in den
Heimatländern des Sports, in
England und Amerifa, der Be:
wegungfport, die Leichtathletik,
von jeher entjchieden die Oberhand
hatte, wenn nicht allein herrſchte,
war in Deutſchland der „Kraft:
port“ fchon lange beliebt, wenn
er auch nicht eigentlich ſportgerecht
— — — — — —
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X, 2. Athlelik. Nro. 606.
betrieben wurde. Die rohe Kraft | vielen Orten recht ſchlecht darum.
hat bei ung, wie Karges richtig | Der deutjche Arbeiter und Gewerbe—
begründet, immer zahlreihe Be— | treibende wird nach [ehr ausgiebiger
wunderer gehabt, und gemwifje | Arbeitszeit abends gegen 7 Uhr
Sportfreife, denen Zeit und Mittel oder noch jpäter frei, die Freiluft-
fehlten, fich den fpielerifchen Körper: | jportpläge können ihm daher nur
übungen zu widmen, haben in der | in wenigen Wochen des Jahres
Schwergewichtsathletik einen Erja | zugute kommen, Während des
gefunden, der, bevor er in die rich- | ganzen Winters ilt er als Mitglied
tigen Bahnen gelenkt wurde, ficher | feines Klubs auf das Klublofal an=
manchen Schaden geitiftet hat. Die | gewiejen, und da es den Bedürf-
312. Schleuderball.
befjer fituierten Gefellichaftöfreife | niffen der Athleten einigermaßen
haben fich mit der Schwergemwicht3= | angepaßt werden muß, die Miete
athletif Faum abgegeben. Die deut- | aber nicht hoch fein darf, jo müffen
ſchen Athletikklubs refrutierten fich | die Vereine in der Negel das Wohl:
faſt ausfchließlich au dem Arbeiter: | wollen irgend eines Biermwirtes
und Handwerkerſtand, und da feine | (Athletenvater) in Anfpruch neh:
Anhänger jelten Opfer für jportlich | men, der als Gegenleiftung den
forrefte Hilfdmittel und Einrichtuns | Konfum von möglichft viel Bier
gen bringen fonnten, lag der Be- und Speifen verlangt. In diejen
trieb dieſer Klubs lange Jahre jehr | Lokalen wird denn auch während
im Argen. Noch heute jteht es an | der meijt zweimal wöchentlich jtatt-
—
natürlich auch, und daher kann von
Nro. 606. J. W. Schrveter.
findenden Uebungen eine ziemliche falſch, ſie als minderwertig anzu—
Menge Bier vertilgt, geraucht wird ſehen. Richtig betrieben, iſt der
Kraftſport der phyſiologiſch ein—
greifendfte und wirkſamſte von
allen, nur muß man ihn mit Ber:
ftand und Borficht pflegen.
Beſuchen wir einen Stemm- und
einem ernjthaften ſportlichen Trai—
ning faum die Rede jein. So
findet man denn aud in den Athletif-
Hub8 ſelten ausgeſprochen jchöne
Geftalten, deſto häufiger find die Ringklub in jeinem Uebungslokal.
Kraftmeier mit enormen Muskel- Um 8'/, oder 9 Uhr betreten wir
panzern, die leider meift unhar- eine Kleine, dunjtige Vorftadtfneipe
moniſch über den Körper verteilt | und fommen durch das Gaftzimmer
find. Es fol nidt verfannt | in den meijt nach hinten gelegenen
werden, daß in den legten Jahren | jchlecht gelüfteten „Saal“, der den
313. Typifches Bild aus einem Ring und Stemmflub. Hebungen mit der
Scheibenftange.
manches beijer geworden ift. Der | Bedürfnifjen der Athleten adaptiert
Deutijche Athletenverband und die
rührige Slluftrierte Sportzeitung
(Verleger und Redakteur A. Stolz,
Berlin) Haben ſich um die gute
Sahe große Verdienſte erworben,
indem jie namentlich das ethijche
und das hygienische Moment des
Sport3 in den Vordergrund rückten.
Zu wünſchen bliebe, daß auch die
andern Sportfreife der Schwer:
gewichtSathletit mehr Intereſſe zu:
wendeten, denn es wäre grund-
ift. An den Wänden große, eiferne
Geſtelle mit NRiefenhanteln und
Sceibenftangen (eiferne Stangen,
deren Gewichte man durch aufge:
ſteckte eiſerne Scheiben verändern
fann), darüber zahllofe Photo-
graphien und Gruppenbilder von
„arten Männern“, die fich meift
Ehrenmitglieder unſeres Klubs
nennen dürfen. Man ift in voller
Tätigkeit. Die älteren Herren
figen an den Tiſchen und befprechen
X. 2. Akthletik.
beim Bier VBereindangelegenbeiten.
Die jüngeren Mitglieder, bis zur | H
Hüfte entlleidet, ftehen oder ſitzen
um eine mädtige Sceibenftange,
an der einer nad dem anderen
feine Kraft verſucht. Hat die ganze
Runde dag Gewicht abfolviert, jo
ftedt der Zeugwart eine neue
Scheibe auf, und das Spiel be-
ginnt von neuem. immer 5 bis
10 Pfund mehr, bi auch der letzte,
der Herkules des Vereins, verjagt.
Zwiſchendurch wird geraucht, ge=
trunfen und gegefjen nad) Belieben,
und meift findet ſich ein Vereins⸗
komiker, der am Klavier das neuefte
Gouplet zum beiten gibt. So geht
es Abend für Abend, bier und da
unterbriht einmal ein Ringkampf
oder eine kleine Borerei das Pro-
gramm, oder Bereinsfeftlichkeiten
bieten Gelegenheit zu Bariete-
vorjtellungen mit erhöhtem Bier:
konſum. Es iſt ein nicht gerade
erfreulicher Anblid, bei jolden Ge⸗
legenheiten tüchtige Sport3leute vor
einer klatſchenden Menge in diem
Bier- und Tabaksdunft wie Zirkus:
fünftler fich präfentieren zu fehen.
Es fol bier ausdrücklich betont
werden, daß man in den Klubs
felbjt hier und da Stimmen bört,
die ſich entichieden für eine durch—
greifende Reform ausſprechen. Ob
fie fommen wird und fommen Tann,
erſcheint immerhin noch zweifelhaft,
die fozialen Verhältniſſe fprechen
bier ein gemichtiges Wort mit.
Solange die Schwergewicht3-Athle-
tif der Sport der Minderbemittel⸗
ten bleibt, darf man auf eine gründ-
liche Aenderung nicht hoffen. Der
Handwerker, der den Hammer bei-
feite gelegt bat, der Arbeiter, der
maſchinenmäßig fein Penfum ber:
untergearbeitet bat, ſucht oft me:
niger den Sport ala die Gefellfchaft,
die Unterhaltung, und die liebe
deutiche Bereinsmeierei fpielt auch
bier ihre Rolle.
Neo. 607.
Einer Reform wird ala größtes
inderniß immer die Tatjache ent-
gegenftehen, daß, wie ſchon ange:
deutet, zu oft der Sport nur den
Dedmantel für gefellige Zuſam—
menfünfte abgeben muß. So lange
der Ernft und der fportlihe Wille
fehlen, ift wenig zu erhoffen. Da⸗
gegen follte die Schwergewicht:
Athletit von den Anhängern der
andern Sportsarten etwas weniger
über die Achfel angefehen werben.
Sie ift keineswegs ein einjeitiges
Mittel, um Kraftprogen beranzu=
ziehen. Man muß nur einmal
einen nadten Athleten gejehen haben,
wie er feine 21,—3 Zentner vom
Boden zur Hochſtrecke bringt, dort
firiert und ſie wieder ſinken läßt.
Man kann fi) kaum etwas Inſtruk⸗
tivere denfen. Wie fih an der
gewaltigen Arbeit, ftet3 nach der
Stellung de3 Körpers, eine Muskel⸗
gruppe nach der andern beteiligt,
wie die einzelnen Stränge de3 mo:
toriſchen Syſtems auf3 Aeußerjte
differenziert, einer nad) dem an:
dern nad) der Belaftung beraus=
fpringen aus ihrer Umgebung,
um nad) getaner Arbeit fich wieder
zu beruhigen, das Bild bemeift,
daß dieſer fcheinbar jo ruhige und
bedachtſame Sport auch nicht ein
Fäſerchen am ganzen Körper un:
berücfichtigt läßt. Er arbeitet alles
durch bis zur Grenze der Leiſtungs⸗
fähigkeit, und wenn man von ein:
mwandfreien Erfolgen fo wenig ſieht,
jo liegt da8 an der oben gejchilder:
ten Syſtemloſigkeit des Betriebes;
und darum wäre zu wünfchen, daß
Kundige ſich gerade dieſes Sports:
zweiges mehr annehmen möchten,
um ihn auszugeftalten, wie er es
verdient. An guten Früchten wird
es dann ficher nicht fehlen.
607. Hygieniſches. Da nahezu
bei jeder Schwergewichts-Uebung
ber ganze Körper bis an die Örenze
feiner Kraft in Anſpruch a
ro. 607. 3. W. Schrveker. *
wird, ſo verſteht es ſich von ſelbſt,
die Beſchaffenheit des Herzens iſt
das größte Gewicht zu legen, und
krankhafte Anlagen, wie z. B. Nei—
gung zum Bruch, können bei athles
tifhen Ueberanftrengungen ganz
unabjehbare Folgen haben. Man
'alfo am bejten. Unbedingt jollte
daß alle Organe in tadellofem Zu:
ftande fein müſſen; namentlich auf
man beim Weben auf reine Luft
jehen und ganz ausjegen, wenn dag
Herz irgendwelche Anomalien, wie
fie Alkohol, Nikotin und geſchlecht—
lihe Ausfchweifungen verurfachen,
zeigt. Daß der Plattfuß durch
die enorme Belaftung beim Stem-
men nicht günftig beeinflußt wird,
314. M. S.,
vergemwiffere ſich alfo zeitig und
höre unbedingt auf, wenn man be:
denflihe Symptome verjpürt. Als
Diät empfehlen die meiften Sad):
verjtändigen eine fleifchhaltige, alfo
eiweißreiche Koft, die die Muskel:
bildung begünftigt. Bor Weber:
treibungen ift aber zu warnen.
Eine gemijchte Koft mit magerem
Fleiſch in mäßiger Duantität ift
München.
verjteht fih von ſelbſt. Das vor—
nehmfte Gejeg für den Anfänger
beißt: Langſam vorgehen! Wer fi
gleih im Anfang Leiftungen zu—
mutet, denen der Körper nicht ge-
wachſen ijt, wird es niemals zu
etwas bringen. Deshalb fange man
nie mit ausgefprochenen Schwer:
gewichts⸗-⸗ Uebungen an, fondern mit
Gewichten, die man leicht bemwälti:
x. 2. Mfhlefik. Nro. 607.
gen fann. Auch nad IDauerleis | diefes Geſetz wird immer wieder
ftungen fol man nicht ftreben, fich | gefehlt, wenn fein ftrenger Trainer
vielmehr nad jeder Anftrengung | die Junioren beauffichtigt.
jo weit erholen, daß Herz und) Das Streben nach Hödjitleiftungen
Zungen wieder ruhig gehen. Es kann gerade dem Athleten mit
ift ein geradezu verberblicher Irr- Durchfchnittsanlage nur Schaden
— —
315. M. S., München.
tum, zu glauben, daß man ſchnellere bringen. Die beſtehenden Rekorde
Fortſchritte mache, wenn man ſchnel- find von beſonders robuſt veran-
ler zu höheren Gewichten übergeht. | lagten Ausnahmenaturen geleijtet
Das Gegenteil ift richtig. Lieber | worden, die als Vorbilder durchaus
länger mit leicht bemwältigten Ge- nicht jedem zu empfehlen find.
wichten arbeiten, al3 ſich mit zu | Jedenfalls gibt die Tatſache, daß
ſchweren Laſten quälen. Gegen |viele der befannteften Schwer:
Neo. 607. F.%. Scheer.
gewichts- Athleten verhältnismäßig
früh geftorben find, zu denken.
Es find in den lekten Jahren
eine ganze Reihe von Büchern und
Broſchüren veröffentlicht worden,
die für beſtimmte Syſteme im Inter—
316. U, S,, München.
— ⸗
eſſe ihrer Erfinder Propaganda
machen.
Die Schriften von Mül—
ler und Sandow find in Hundert:
tauſenden
von Exemplaren über die
ganze Kulturwelt verbreitet worden.
Durch ſie
iſt noch niemand zum
Athleten geworden. Man
glaube nur nicht, ſolche
Vorſchriften verallge—
meinern zu können, ſo
daß ſie für jedermann
paſſen. Speziell das
Training mit Schwer—
gewichten will durchaus
individuell betrieben wer⸗
den, da alle die Ver—
ſchiedenheiten in der An=
lage der einzelnen Or—
gane berücfichtigt wer—
den müffen. Man halte
fih alfo nie an irgend
ein marftjchreierijch, em=
pfohlenes Syſtem, ſon—
dern beobachte ſich mit
der größten Sorgfalt
felbft und ſuche Den
richtigen Weg durch lo—
giſches Denken und
Schließen. Wenn hier
im folgenden die ein—
zelnen Schwergewichts⸗
übungen kurz ſtizziert
werden, ſo iſt daraus
nicht zu folgern, daß
jedem Anfänger damit
die ſofortige Ausfüh—
rung aller dieſer Uebun—
gen empfohlen werden
ſoll. Wer nicht ein regel-
rechte8® Training mit
mittleren Gewichten ab-
folviert hat, greife nie-
mals zur Scheibenftange,
er könnte es ſchwer be—
reuen.
Im Gegenſatz zur
Leichtathletik, die
vor allem die Elaſtizität
und Differenzierung der
einzelnen Muskelgruppen
X. 2. Athletik.
fördert, wirftdie Schwer gewichts⸗
Athletil auf dag Didenmwahstum
der Muskulatur. Charakteriftiich das
für find die nebenftehenden Bilder
zweier Münchener Athleten. Das
- Bruft: und Rüdenbild des Modell:
athleten M. S. zeigt eine aufs äußer⸗
fte differenzierte und entwidelte
Thoraxmuskulatur, faft ohne %ett-
fchicht, während das Bild des Mün-
chener „Meiſterſtemmers“ A. S. den
harafteriftifhenHabitus des Schwer⸗
gewichts⸗Athleten bietet, deſſen
koloſſale Muskulatur unter einer
ſchon überſtarken Fettſchicht ver⸗
borgen iſt. Der erſtere bringt mit
beiden Armen eine Scheibenſtange
von über 280 Pfund zur Hochſtrecke,
während der letztere ein Gewicht
von über 330 Pfund bewältigt.
Dabei ift zu bemerken, daß die
Körpergewichte ungefähr im felben
Verhältnis zueinander ftehen. Es
verfteht fih von ſelbſt, daß das
SKnochengerüft des Körpers der
Muskulatur entſprechen muß. Wenn
man bedenkt, welche gewaltige Laft
die Wirbelfäule bein Hochitreden
von nahezu 3'|, Zentnern zu tragen
bat, fo fann man leicht fchließen,
welche Feſtigkeit das Knochengewebe
eines Athleten vom Schlage des
oben vorgeſtellten Meiſterſtemmers
haben muß.
608. Das Reißen bringt eine
Kugel: oder Scheibenſtange in einem
Zuge möglichjt fchnel vom Boden
zur Hochſtrecke. E3 wird einarmig
und zweiarmig ausgeführt. Beim
einarmigen Reifen ftelt man ſich
dicht Hinter die Stange, faßt fie
mit der Hand im Schwerpuntt,
ftügt die andere Hand aufs Knie
und reißt mit energifhem Rud das
Gewicht empor, fo daß es im erften
Schwung bis faft zur Kopfhöhe
fteigt, in diefem Moment fchlüpft
man mit leihtem Kniewippen ſchnell
unter die Stange, um dem Arm
den Webergang in die Hochſtrecke
Niro. 608-610.
zu erleihtern. Wichtig ift es, Die
Stange dicht am Körper herauf:
zuführen und das Umſetzen, den
Uebergang aus der hängenden Hal:
tung der Stange in die ftübende,
fiher auszuführen. In der Hoc:
ftrede muß das Gewicht ſekunden⸗
lang ſicher fixiert werden, wenn die
Uebung gültig ſein ſoll. Verboten
iſt es, mit beiden Füßen den Stand
zu verlaſſen. Das zweiarmige
Reißen geht nach ganz den ſelben
Geſetzen vor ſich, unterſcheidet ſich
alſo nicht weſentlich von der geſchil⸗
derten Uebung. Es iſt ſtaunens⸗
wert, was manche Athleten auf
dieſe Weiſe bewältigen. Der Welt⸗
rekord im einarmigen Reißen ſteht
augenblicklich auf 185 Pfund, wäh:
rend mit beiden Armen 232 Pfund
geleiftet wurden.
609. Das Drüden oder Stem:
men unterjcheidet fih vom Reißen
dadurch, daß Rumpf und Beine die
Uebung nicht unterftüßen. Es
treten alfo in erfter Linie die Arme
in Tätigleit, während der übrige
Körper fih auf unmillfürliche Be:
mwegungen bejhränft. Der Athlet
fteht in Grundftellung und muß
während der Uebung diefe Stellung
ftreng beibebalten.. Ohne Neigung,
Biegung oder Wendung des Körpers
ift das Gewicht von Schulterhöbe
in die Hochftrede zu bringen. Beim
Drüden mit beiden Armen ift nad)
Siebert („Der Kraitiport“) eine
geringe Neigung des Körpers nad)
binten gejtattet. Man bringt das
Gewicht wie beim Reißen vom Boden
in Schulterhöhe, wobei es erlaubt
ift, in Bauchhöhe Halt zu machen,
um dann erjt umzuſetzen (ſ. oben).
Häufig wird freie8 Umfegen zur
Bedingung gemadt. Der Rekord
im einarmigen Drüden ſteht auf
200 Pfund, im Drüden mit beiden
Armen auf 299 Pfund,
610. Das Stoßen ift die lei:
ftungsfähigfte der jchwerathletifchen
Neo. 611.
Uebungen und auch wohl die wert:
vollite. Sie feht die gefamte Mus:
fulatur des Körperd in Tätigkeit
und vereinigt in fich ale Funktionen
die die Entwidlung der höchſten
phyſiſchen Kraft begünftigen. Die
Stange wird in einem oder zwei
Tempi zur Bruft: oder Schulter:
höhe und von dort durch einen
fräftigen Stoß, wobei dem Körper
jede unterftügende Bewegung ge⸗
ftattet ift, zur Hochftrede gebradt.
III. Der Ringkampf
611. Geſchichtliches. Wie wir
in der Einleitung bereit3 gejehen
haben, ift der Ringfampf die nas
türlichſte Kampfesweife de Men:
[hen ohne Schuß: und Trutzwaffen.
Es gibt wohl fein Bolf in der Ge⸗
ſchichte der Menſchheit, das den
Ringkampf, ſei es im Ernſt mit
Schlagen und Würgen, ſei es im
Wettſpiel, nicht gepflegt hätte, wenn
wir es auch nicht mehr für alle
nachweiſen können. Im Pentathlon
der Griechen erſcheint der Ring:
fampf ſchon ganz fportlich ausge:
bildet, wenn auch nicht frei von
Griffen, die heute nicht mehr als
erlaubt gelten, und zwar war der
Ringkampf als daS edelfte aller
Kampfjpiele gefhägt. Während bei
den Wettjpielen zum Weitfpringen
alle Bewerber zugelafien wurden,
famen zum Speermwurf nur die, die
im Springen nicht hinter der Norm
zurücdgeblieben maren, den Wett:
lauf machten nur noch die vier
beiten Speermwerfer mit, deren Zahl
dur) den Disfoswurf weiter ver:
ringert wurde, fo daß nur noch die
legten zwei fih im Ringkampfe
mefjen durften. E3 leuchtet ein,
daß aus diefer Auslefe nur die
hervorragendften Kämpfer fiegreich
hervorgehen Fonnten, die den Ueber:
Ihmwang, mit dem fie gefeiert wur:
3. W. Sıchroerfer.
Es ift erlaubt, die Stange auf dem
Bauh wie auf der Bruft leicht
aufzulegen und den Stoß nach oben
durch Kniewippen zu unterfjtüßen.
Es liegt in der Natur der Mebung,
daß fiefajt nur mitbeiden Armen aus-
geführt wird, und da fie alles heraus⸗
holt, wa3 der Körper zu leiften im⸗
Stande ift, fo find die Höchiftleiftungen
geradezu ftaunenswert. Der Welt:
rekord im Stoßen mit beiden Armen
fteht gegenwärtig auf 350,4 Pfund.
und feine Abarten.
den, wohl rechtfertigen. Der grie-
chiſche Ringkampf wurde von den
Römern und Etrusfern übernom-
men, degenerierte aber bei ihnen
bald zu einem rohen „Berufs:
Ringertum“, das faft ausschließlich
von Sklaven und Freigelaffenen
geübt wurde. Die lebten Nach⸗
rihten vom griechiſch⸗römiſchen
Ringkampf verlieren fih im Duntfel
der Bölferwanderung. Der deutfche
Ringkampf ift jedenfalls jelbjtändig,
ohne Anlehnung an das griechifch-
römiſche Borbild entitanden, und
in den alten deutfchen Heldenliedern
fieht man häufig die Reden zum
Ringkampf fchreiten, wenn ihre un:
vollfommenen Waffen verjagt hatten.
Als bekannteſtes Beijpiel ſei das
Ringen zwiſchen Dietrich von Bern
und Hagen im Nibelungenliede an:
geführt. Schon im 14. Jahrh.
finden wir Lehrbücher der Ring:
funft, und berichtet wurde ſchon,
daß fogar Albredt Dürer diefem
edlen Sport feine Kräfte gewidmet
bat. „Zweifellos wurde der Rings
fampf im fpäten Mittelalter und
zur Neformationdzeit von allen
wehrhaften Ständen geübt. Sa, es
hatte fich jchon eine Unterjheidung
zwifchen den auch bei rein ſport—
licher Uebung anzuwendenden
Griffen und den allein für den
RB te.R u
- m — — u ——— e.a.u. um. mir vo
X. 2. Akhlekik.
Ernſtfall bejtimmten herausgebildet.
Fabian v. Auerswald nennt in
feiner ‚Ringerfunft‘ die erjtere Ka:
tegorie ‚gefelliglich‘ oder gar ‚fein:
gejelliglich‘, die letztere ſolche für
‚grobe Leut‘.“ (Zadig.)
Erft Zahn hat den im Dreißig—
jährigen Kriege vergeffenen Ring:
Iampf wieder eingeführt, indem er
für die Ddeutfhen Turner einen
Komment für das Ringen aufitellte.
Leider ohne nennenswerte Erfolge,
denn die Turner haben die Ring:
kunſt trogdem ganz vernachläſſigt,
und erft in neuefter Zeit mußten
uns aus Frankreich die Anregungen
fommen, die und jeit faum zwei
Jahrzehnten jo weit gefördert haben,
daß wir heute wieder von einer
deutſchen Ringkampfkunſt fprechen
können. Es iſt nun wieder be—⸗
zeichnend, daß bei uns eben jene
Athletenvereine ſich des Ringens
annahmen, die als ihre eigentliche
Disziplin das Schwergewichtsheben
pflegen. Aus den Athletenklubs
find die bejten deutfchen Ringer
hervorgegangen, während aud von
diefem Sport die bejjer fituierten
Kreife ſich faſt ganz ferngehalten
haben. Er gilt mit Unredt viel-
fach als roh und brutal, man hält
Nro. 611.
ihn auch für gefährlich, während er
in Wahrheit wie feine anderellebung
Körper und Geift aufs höchſte in
Anfpruh nimmt und namentlich an
die Geiftesgegenwart und jchnelle
Entihlußfähigfeit ganz bedeutende
Anforderungen jtellt.
Den Franzofen fällt alfo das
unbeftrittene Verdienſt zu, den
Ringkampf zu einer wirklichen Kunſt
entwidelt und zu Anfehen gebracht
zu haben. Namentlih in Süd—
frankreich, in Bordeaur und Mar:
feille, wurde und wird er bejonders
gepflegt, und dort gibt es ganze
Ringerfamilien, in denen ſich diefe
Kunft und natürlih auch die für-
perliche Anlage zu ihr von Gene:
ration zu Generation vererbt.
Franzöfifhe Ringer ließen fich dann
in allen Kulturländern ſehen, big
al3 eriter deutfcher Meijter Karl
Abs bewies, daß auch die Deut:
jhen in diefem Sport Gutes zu
leiften vermögen. Heute jtreitet
ihnen das niemand mehr ab, und
die Namen der deutſchen Meijter
wie Eberle, Hitler, Pohl,
Koch, Strenge u. a. gehören in
die Geſchichte der Ringkunft.
Im übrigen haben faft alle Völker
ihren eigenen Ringkampf. Die
317. Schweizerifches Schwingen.
Nro. 612.
3. W. Schroefer.
Mittel find überall die felben, und | feinem Gegner abhängig. Paraden
die Unterſchiede beftehen in ge: | und Griffe müffen einander fo
willen Kampfesregeln oder in den
mehr oder weniger großen rei-
heiten, die bei der Wahl der Griffe
geftattet find. Im englifch-ameri-
fanifhen Ringkampf herrſcht im
allgemeinen ſehr große Freiheit, er
artet im catch-as-catch-can-Stil
nur zu leicht aus und wird zu wenig
als Kunſt gepflegt, weil ihm das
Boren und das Fußballipiel eine
unbefiegbare Konkurrenz maden.
Intereſſant ift das überaus volks⸗
tümliche ſchweizeriſche Schwingen,
das auf fogen. Schwingfeften im
ganzen Gebiet der Eidgenofjen-
ſchaft eifrig gepflegt wird, aber
primitiver geblieben iſt als der
deutjhe Ringkampf und aud an
Bielfeitigleit Hinter ihm wefentlich
zurückſteht. Ueber ihre gewöhnlichen
Beinkleider ziehen die Schwinger
eine Art von Badehofe aus ſtarkem
Segeltuh mit ledernen Riemen;
an diefen paden fi die Gegner
und ſchwingen fih herum. Dem
Schwingen verwandt iſt das Rangeln
der Tiroler.
Außerordentlich beliebt ift der
Ninglampf in der Türfei. Man
ringt dort nadt, nur bekleidet mit
einer ftarfen Lederhoſe, und ölt den
Dberförper gründlid ein. Alle
Griffe find erlaubt. Es wird wenig
kunſtvoll gefämpft, dafür aber mit
einem gewaltigen SKraftaufmand.
Zu erwähnen tft noch die uralte
Ringkunſt der Perfer.
612. Allgemeined. Das wid:
tigſte phyfiologishe Moment beim
Ringen ift die Unberecdhenbarkeit,
die Unwillkürlichkeit, mit der die
einzelnen Musfelbewegungen auf:
einander folgen. Während der
Springer, der Werfer im allgemei—
nen immer diejelbe Uebung, wenn
auch mit modifizierenden Nuancen
wiederholt, ift der Ringer in der
Wahl feiner Bewegungen ganz von
Schnell folgen, daß fie oft zu reinen
Reflerbemegungen werden. Dazu
ift mit der körperlichen Tätigfeit
die geijtige ftändig jo eng verbuns
den, wie bei faum einer andern
Sportsart. Mit den Augen und
mit dem Gefühl wird der Gegner
in jeder Phaſe, jeder Sekunde des
Kampfes aufs jchärfite beobachtet.
Aus feinen Bewegungen find bliß:
ſchnell Schlüffe auf feine Abfichten
zu ziehen, Paraden auf feine Griffe
zu folgern; feine Schwächen find
auszufpähen, Pläne für Angriffe
find in kurzen Augenbliden zu ent:
werfen, fo daß es während des
ganzen Kampfes auch nicht einen
Moment gibt, mo Körper und Geift
fi verlieren dürfen. Gerade darin
befteht der eminente Wert des
Ringkampfes, der feine Einjeitigfeit
fennt; denn aud die Ausbildung
der Muskulatur erfolgt beim Ringen
in jo umfaflender Weife und fo
harmoniſch, wie fie bei einzelnen
Uebungen nie erreicht werden Tann.
Es gibt beim Ringer nicht eine
einzige Mußfelgruppe, die während
des Kampfes nicht jeden Augenblid
in Anfprud genommen werden
fönnte, und bei den überaus kom⸗
plizierten Bewegungen tritt tatſäch⸗
lich auch beim Fürzeften Match jedes
Glied, jede Muskelgruppe in Altion.
Sn der Bielfeitigleit und in der
innigen Verfchmelzung mit der gei-
ftigen Tätigfeit liegen die hohen
portliden und ethiſchen Werte des
Ringlampfes.
Da der Ringer am wenigſten in
der Lage ift, die Anftrengungen,
die er fich zumuten muß, vor dem
Kampfe zu beurteilen und zu do⸗
fieren, Tann man jedem, der ſich
diefem Sport widmen will, nur
raten, fi vorher auf3 genauefte
von feinem Gefundheitszuftand und
jeinen körperlichen Anlagen zu übers
X. 2. Aihlefik.
zeugen, dafür gelten die jelben Re:
geln, die im Kapitel vom Schwer:
gewichtheben — wurden.
Die D. S. B. f. A. hat für den
Ringtampf folgende Sabungen vor⸗
geſchrieben:
Die Klaſſeneinteilung der Ringer
geſchieht nach dem Körpergewicht,
und zwar zählen alle Ringer, welche
im Sportanzug unter 140 Pfund
wiegen, zum Leichtgewicht, von 140
bis 160 Pfund zum Mittelgewicht und
über 160 Pfund zum Schwergewicht.
Die Paarbildung gejchieht durch
das Los.
Jedes Ringerpaar hat ſich vor
Beginn des Kampfes zum Zeichen
rein ſportlicher Gefinnung die Hand
zu reihen; der Kampf beginnt ſo⸗
dann auf das vom beitimmten
Kampfridter gegebene Zeichen
„203! und endet auf dag gleich:
fal8 vom Kampfrichter gegebene
Zeichen „Halt!“
Gegenitand des Angriffs find
nur die Arme, der Rumpf und der
Kopf, d.h. von der Hüfte big zum
Scheitel.
Der Kampf wird bis zur Ent»
ſcheidung auch auf dem Boden
weitergeführt; doc) hat das Kampf:
gericht das Recht, bei langer, nutz⸗
lofer Dauer des Bodenfampfes die
Ringer mährend der Normalzeit
aufftehen und im Stande weiter:
ringen zu laflen.
Verboten ift da3 Beinftellen, An-
faſſen der Kleider, alle ſchmerzhaften
Griffe, insbefondere Armausdrehen,
Stoßen, Kragen ꝛc., Anfaffen ein:
zelner Finger oder der Haare, jo:
wie die gefährlichen Griffe, die das
Atmen verhindern: Ausheben im
Stande, Kramwatten:, Strangulier:
griffe, Bauchſchraube ꝛc.
Die Kleidung der Ringer darf fei-
ne vorstehenden Metallgegenftände,
Schnallen, Gürtelfchließen 2c. ent:
halten; verboten ift da3 Tragen
ſchwerer Schuhe mit Hohen Abfäten.
Nro. 612.
Um Verlegungen zu vermeiden,
darf ein Wettkampf im Ringen nie-
mals auf blanfem Boden ausge:
tragen werden. Deshalb haben die
Beranftalter eines Wettftreites ftet3
für das Vorhandenfein einer guten
Ringmatte Sorge zu tragen.
Befiegt ift, wer mit beiden Schul-
tern zugleich den Boden berührt
oder den Kampf aufgibt. Cntfteht
unverfehuldet eine ſchwere Ber:
legung, fo daß ein Ringer genötigt
ift, den Kampf aufzugeben, jo ift
der unverlegte Gegner Sieger. Iſt
die Verlegung jedoh durch vor:
ſchriftswidriges Vorgehen des Geg⸗
ners entftanden, jo ift der Schuldige
zu Ddisqualifizieren und dem Ber:
legten der Sieg zuzuſprechen.
Die normale Kampfesdauer ijt
10 Minuten. Kann ein Kampf in
diefer Zeit nicht entſchieden werden,
fo tritt folgende Notbehelf3-Regel
in 3 Gängen von je einer Minute
Höchſtdauer in Kraft. Die Ringer
baben fich mit gefchlofjenen Beinen
Bruft an Bruft zu ftellen und auf
ein Zeichen des Kampfrichters Zwie⸗
griff zu faflen. Beſiegt ift fodann,
wer im erften Gang mit beiden
Schultern, im zweiten Gang wie
vordem oder mit einer Schulter,
im dritten Gang wie vorher, oder
mit irgend einem Körperteil außer
den Fußfohlen zuerft den Boden
berührt.
Sn ihrem trefflihen Büchlein
„Die moderne Ringkampf-Kunſt“
geben A. Stolz; und C. 9. En:
dres fehr nützliche Verhaltungs—
maßregeln: Während des Ringens
atme man ſtets durch die Naſe,
damit kein Staub in Hals und
Lunge dringen kann. Zur Aus—
nutzung der Griffe benutze man das
eigene Körpergewicht ſo vorteilhaft
wie möglich und vergeude nicht un—
nütz Kraft; beſonders ſchöone man
bis zur Ausführung eines Griffes
die Handfraft, vermeide Daher plan:
Nro. 613.
loſes Drüden. Man laffe den
Gegner nicht merfen, mit welchem
Griff man einfegen will, ſetze viel-
mehr Beinftelung und Griff ftet3
in einem Tempo und mit ganzer
Kraft ein. Wird man auf den
Boden gebracht, jo erhebe man fi
bei der erften Gelegenheit und vers
jude den Gegner nah unten zu
bringen, da die obere Lage faft
immer die vorteilhafteite ift. Die
Kleidung des Amateurringers fol
aus gut ſitzenden Kniehoſen beftehen
und einem Obertrifot mit ziemlich
weit ausgefchnittenen Armlöchern,
deren Ränder in den Achfelhöhlen
nicht reiben, dazu weiche Strümpfe
und Schuhe aus feitem aber Teich:
tem Leder, mit fteifen Kappen und
dünnen Sohlen. Um die Hüften
trage man einen breiten, gut fißen-
den Gummigürtel, Die Genitalien,
befonder3 die Hoden, fol man beim
Ringkampf dur ein Sufpenforium
ſchützen, ſodaß fie feſt am Unter:
leib anliegen und nicht verletzt wer⸗
den können.
Für die Lebensweiſe und das
Training des Ringers gelten im
allgemeinen die Regeln, die oben
ſchon mehrfach aufgeſtellt wurden.
Auf keinen Fall richte man ſich
nach Berufsringern, die meiſt über
ganz abnorme körperliche Anlagen
verfügen und ſich daher Dinge ge⸗
ſtatten können, die anderen ſchlecht
bekommen würden. Alkohol iſt na:
türlich ſtreng zu meiden, ebenſo der
Tabak. Die größten Ringer der
Gegenwart: Cyganiewicz,
Hackenſchmidt, Lurich, Aberg
ſind ſtrenge Abſtinenzler und ver—
ſchmähen alle Gewürze. Ein regel⸗
mäßiges Training iſt natürlich nicht
zu entbehren, wenn man Wett⸗
kämpfe mitmachen will. Viele
Ringer betreiben mit Vorliebe und
Vorteil nebenbei den Laufſport, um
ſich leichter in Form zu halten.
Man unterjheidet den Stand:
3%. Schrogfer.
fampf und den Bodenfampf, und
beide Arten wird man bei jedem
Ringkampf beobadten, wenn nicht
einer der beiden Kämpfer gleich im
eriten Schwung mit beiden Schul:
tern den Boden berührt, womit
der Kampf zu feinen Ungunften
entſchieden ift.
613. Der Standfampf. Jeder
Kampf wird eingeleitet durch den
fogen. Salut, der darin beſteht,
daß die beiden Gegner, über die
Matte fchreitend, ſich die Hand
reihen und fih einander gegenüber
aufftellen. Die erfte Stellung iſt
faft immer die felbe. Der ganze
Körper ift leicht nach vorn geneigt,
fo daß das eine vordere Bein leicht
gebeugt, das hintere geftredt ift;
auf dem vorderen liegt der Schwer:
puntt. Arme und Hände werden
bereit zum Griff und zur Abwehr
vorgehalten und folgen in der Regel
den Bewegungen des Gegners, um
fofort eine geeignete Parade aus:
führen zu können, wenn es nötig
werben follte. Zum Angriff greift
jede Hand immer nach der gleich-
namigen des Gegners. Wollte man
mit der rechten Hand die linfe des
Gegners faffen, fo hätte diefer Die
rechte frei für einen wirffamen Griff,
denn von nun an beiteht der ganze
Kampf in Angriffen und Paraden.
Da der Gegner erft befiegt werden
fann, wenn er am Boden liegt,
muß er geworfen werden. Dazu
dienen die jogen. „Schwünge”, die
wiederum erſt ausgeführt werden
fönnen, wenn ein „Griff“ gelungen
ift. Es ift das Verdienſt der bei-
den oben genannten Verfaffer der
„Modernen Ringlampf:Kunft”, für
alle Einzelheiten des Ringkampfes
gute deutſche Bezeichnungen feſtge⸗
legt, das ganze vielgeftaltige Bild
des Ringfampfes endgültig definiert
und Tlargelegt zu haben. Da das
Bud für den deutfhen Sportsmann
von grundlegender Bedeutung ift
X. 2. Athletik.
und wohl aud) bleiben wird, fei es
den bier folgenden Ausführungen
untergelegt. Wer praftifch ſich mit
dem Ringen befchäftigen will, Tann
feinen befjeren Ratgeber wählen.
Hier fünnen natürlich nur die aller:
widtigften Regeln, Griffe und
Schwünge wiedergegeben werden,
man molle alſo das Folgende nicht
als einen Lehrgang, fondern nur
als eine Inappe Drientierung auf:
faffen. Lehren kann die Ringkunſt
überhaupt nur die Praxis.
Der Meg zur Beftegung des
Gegners ift ftet3 der folgende: Man
ſucht einen guten Griff zu fafjen,
der einen Schwung ermöglicht, der
den Gegner zu Boden bringt, wo:
möglich fofort auf die Schulter.
Da dies in den meiften Yällen
nit gelingen wird, folgt der Bo:
denkampf, bis einer der Gegner
für befiegt erklärt wird. Stolz
fennt 4 Schwünge: 1. den rei:
fchwung, bei dem der Gegner direlt
vom Stand aus niedergeworfen
wird, 2. den Hebeichwung, wobei
Der Körper des Gegners aufgehoben,
in der Luft gedreht und dann nies
dergeworfen wird, 3.denFallichwung,
bei dem das eigene Gewicht den
Dicht herangezogenen Gegner nieder⸗
zieht, der im allen nad unten
gedreht wird, 4. den Stübfchmung,
wobei der Körper des Gegners über
eine Stüße, die der eigene Körper
zu bilden hat, jo gezogen wird, daß
er fi überfchlagen muß. Gegen:
griff und Gegenſchwung bilden die
- Verteidigung. Jeder Griff Tann
durch einen andern wirkungslos ge:
macht werden, ebenfo jeder Schwung
Durch einen Gegenfchwung oder eine
geeignete Beinftellung. Daraus geht
hervor, daß die Beine beim Ning:-
kampf eine ebenjo wichtige Rolle
fpielen wie die Arme und darum
genau beobachtet werden müffen.
Beim erften Angriff unterfcheidet
man nad der Stellung, die der
Neo. 613.
Oberförper einnimmt, die hohe und
die tiefe Garde. Die tiefe Garde
bietet weniger Angriffspunfte als
die hohe. Die erften Griffe geben
gewöhnlich nad) dem Handgelenf
oder — günftiger — nad) dem
Genid. Dur Finten (Scheingriffe)
fann man den Gegner ermüden
oder feine Aufmerkſamkeit ablenten,
big fich Gelegenheit bietet, ihn ficher
zu fafjen. Der naturgemäßefte Griff,
den inftinftiv jeder Laie, jeder Bube
auf der Straße fofort anzuwenden
fuhen wird, ift der Untergriff.
Man greift mit beiden Armen zwi⸗
fhen dem Rumpf und den Armen
des Gegners. durch, big man auf
deſſen Rüden die Umſchlingung
fchließen fann, indem man mit der.
einen Hand das Handgelen? der
anderen faßt oder die gefrümmten
Finger ineinander hakt. Die Pa:
rade eines Untergriffes, dem man
dur ſchnelles Zurückgehen nicht
mehr ausweichen Tann, befteht darin,
daß man jelbft zwifchen den Armen
des Gegners ſchnell untergreift oder
feine Oberarme umſchließt und zu:
fammenpreßt, wodurd) er nahezu
wehrlos gemadt wird, unter Um:
ftänden auch mit einem geeigneten
Schwung geworfen werden kann.
Dann fann man den Ellbogen und
den Unterarm auf die Bruft des
Gegners feten und ihn zurüd:
drüden bis er den Untergriff löfen
muß. Auch mit einem geeigneten
Schwung Tann man den Gegner
werfen oder zur Löſung des Unter:
griffes zwingen.
Sit der Untergriff gelungen, ohne
daß eine Parade Erfolg gehabt
hätte, fo wirft man den Gegner,
nachdem man fich felbit möglichft
fiheren Stand verjchafft, nad) der
Seite, jo daß er womöglich auf die
Schultern fält, Freiſchwung.
Oder man hebt den Gegner, bis er
frei in der Luft ſchwebt, ſchwingt
feine Füße möglichft Hoch nad) der
Nro. 613.
3. Schroefer.
einen Seite, gleichzeitig den Körper | wobei die Hebelkraft befjer ausge:
nad) der anderen Seite und nad)
unten, bis der felbe Erfolg erzielt
ift, HSebefhmwung. Zum Fall:
ſchwung läßt man fid) ins Knie
nieder, zieht den Gegner nad) und
dreht ihn im Fallen unter fid.
Beim Zwiegriff wird der eine
Arm ftatt unter die Achfel über die
Schulter des Gegners gelegt, dieſer
fann alfo den felben Griff anwenden,
und die Partner ftehen fich in den
Chancen gleih. Die beliebteſte
Parade ift der Verſuch, ftatt des
Zwiegriffd einen Untergriff zu ge⸗
winnen. St der Zwiegriff gelungen,
jo fann ein Frei=, Hebe: oder Fall:
ſchwung wie beim Untergriff folgen.
Im Zwiegriff läßt fi leicht ein
Kniefallfhmwunganmenden, in-
dem man auf der Seite des unters
greifenden Armes fi auf ein Knie
niederläßt und den Gegner zum
Schmunge zu drehen fudt. Er ver:
teidigt Jih am beiten, indem er den
Inieenden Angreifer nad Hinten
niederdrüdt, wobei er durch deſſen
unfihern Stand meift noch unter:
ftügt wird. Sehr wichtig iſt der
Schulter:Hebefhmwung. Der
linfe Arm fährt unter der rechten
Achſel des Gegners dur, bis die
Schulter die Achſel ganz in die
Höhe drüden fann ; gleichzeitig jucht
man Kopf und Naden des Gegners
unter den rechten Arm zu bringen.
Berbindet man nun die Hände, fo
fann man durch einen ftarlen Drud
und Schwung nad) rechts den Geg-
ner werfen. Bei einiger Gemanbt:
beit Tann man ſich auch vorfichtig
nad) Hinten fallen lafjen, den Gegner
nachziehen und im Fallen auf den
Rüden drehen. Zur Verteidigung
gegen den Schulterhebefchmung kann
man einen tiefen Kreuzgriff benutzen,
mit den: man den Angreifer heben
und werfen fann. Der Rüden:
hebel greift etwas ficherer unter
des Gegners linker Achfel durch,
nutzt werden Tann. Der Rüden:
griffſchwung ſetzt äbnlih an.
Man faßt den ſtark nach vorn herab:
gezogenen Gegner von oben, bis man
mit dem rechten Arm hinterm Kopf
und unter der Achfel nach feiner
Bruft langen Tann. Hier vereinigt
man beide Hände und fucht den
Gegner nad rechts niederzudrüden.
ALS Parade wird er Untergriff zu er:
langen und mit SHebefhwung zu
werfen ſuchen. Die Bauchſtütze
wird ausgeführt, indem man den
Gegner nit dem rechten Arm um
die Hüfte faßt, während die Linke
fih fejt an feinen Bauch legt und
der Ellbogen ſich auf die Hüfte
ftügt. Der Gegner liegt jo, wenn
man ihn hebt, mit feinem ganzen
Gewicht auf der linfen Hand und
muß nun zum Schwunge gedreht
werden. Die Parade kann nur
darin beftehen, daß man den Ans
greifer durch einen fihern und feften
Griff zum Mitfallen bringt, natür-
lich möglichſt fo, daß er in die uns
günftigere Lage fommt.
Der oben befchriebene Untergriff
läßt ſich natürlid nit nur von
vorn, fondern auch von der Seite
und von Binten ausführen. Gegen
den Seitensüntergriff ver
teidigt man ſich am beften wie beim
Untergriff von vorn durch Aufs
ftemmen des Ellbogen? auf die
Bruft des Angreifer. Iſt der
Untergriff von binten gelun:
gen, jo gilt es, nachdem man den
Gegner aufgehoben hat, ihn nad
hinten zur Erde zu bringen, wobei
man nur verhindern muß, daß er
fih im Fallen dreht oder daß man
felbft unter ihm auf den Rüden
fallt. Sicherer zum Ziel führt der
Nadenhebel oder Nelſon, bei dent
man die von binten unter des
Gegners Achſel durchgeführte rechte
Hand nad) oben Hinter feinen Naden
bringt, während die Linfe feine
|
|
X. 2. Akhlekik.
Linke feſſelt.
Nro. 614.
Um den Gegner zu |und hebt ihn aus dem Stand.
Boden zu bringen, läßt man fih Der Schwung ergibt fih nun von
felbft nach der linfen Seite fallen,
wobei man es jenem unmöglid)
machen muß, fih zu drehen. Zur
Verteidigung gegen den Nelſon fann
man nurdie Armefo [hließen, daß fie
des Angreiferd Arme fefleln. Se
lockerer dieje Umfchlingung ift, defto
leichter wird ihm die den Ausſchlag
gebende Drehung am Boden. Gegen
den tiefen Untergriff von Hinten
ftüßt man beide Hände auf die Arme
des Gegner? unterhalb des Ell⸗
bogeng, fo daß der Oberkörper nad)
vorn herunterhängt. Zum Hüft-
ſchwung legt man den Arm um
das Genid des Gegners und dreht
fih fo an ihn heran, daß man ihm
Die eigene Hüfte unter den Bauch
fchiebt; neigt man ſich nun nad
vorn, jo verliert er die Stüße am
Boden, und nun laſſe man fidh
fallen, ohne das Genick des Gegners
loszulaſſen. Es gelingt verhältnis:
mäßig leicht, fih im Fall auf den
Gegner zu werfen und ihn auf die
Schultern zu drüden. Die Barade
befteht am beften in einem Unter:
griff von Hinten und einem Hebe-
fhwung nah der Seite. Beim
Armgriff legt man fi einen
Arm des Gegnerd hebelartig um
die Schulter, worauf man durd
eine Neigung nad vorn, wie beim
Hüftſchwung, ihm den Stand neh-
men kann. Läßt man fih nun
fallen, fo muß er mit. Zur Ber:
teidigung kann man, wenn es nicht
gelingt, den zuerit gefaßten Arm
loSzureißen, den Angreifer mit der
freien Hand von fih mwegdrüden,
Damit die Wirkung des Hebel ab-
geſchwächt wird. Sehr wichtig iſt
der Genidhebel. Man erfaßt
dag eine Handgelen? des Gegners
und fchiebt fchnell den Kopf unter
der Achfel des zugehörigen Armes
durch. Gleichzeitig legt man ihm
den anderen Arm um die Hüfte
jelbft. Zur Verteidigung lafje man
fih jchnell ind Knie nieder, um
den Angreifer niederzudrüden und
mit Schulterhebel zu werfen. Der
Kopfgriff muß fehr fchnell aus⸗
geführt werden, wenn man nicht
zuviel dabei riskieren will. Man
ſteht mit dem Rüden- an der Bruft
de3 Gegner? und greift ſchnell nad)
hinten, bis man die Hände in fei-
nem Naden fließen fann. Iſt der
Griff gelungen, jo wirft man den
Oberförper energiid nah vorn,
worauf die Hebelmwirkung einfekt.
Beim Schwung gilt e3, die Drehung
des Gegners zu verhindern. Als
Verteidigung gegen den Kopfgriff
fommt ein Untergriff von hinten
in Frage oder ein feſtes Weg-
ftemmen des Angreifer in der
Hüfte. Sehr häufig angewendet
wird die mit einem Fallſchwung
verbundene Armftüße, wobei
der Arm des Gegners mit beiden
Händen gefaßt und dicht heran⸗
gezogen wird. Den Ellbogen bringt
man fchnell unter den ergriffenen
Arm, worauf man den eigenen
Arm leicht als Hebel benuten fann.
Sobald man den Gegner aus dem
Stand gehoben, fann man ihn nad)
der Seite werfen, und zwar direkt
auf den Rüden, damit man ſich
Schnell auf ihn mwälzen fann. Eine
fihere Parade gibt es faum, doch
fann man dur ein geſchicktes Auf-
ftügen des rechten Beines verhin⸗
dern, daß man auf den Rüden
fällt.
614. Der Bodenkampf. Im
Bodenkampf hat der ftehende Ringer
ſtets den Vorteil auf feiner Seite,
fein Hauptaugenmerf muß aljo
darauf gerichtet fein, ſich diejen
Vorteil zu wahren und den Gegner
nicht wieder aufftehen zu laſſen,
fondern ihn vorferiftsmäßig auf
beide Schultern zu bringen. Bevor
Nro. 614.
die dazu dienenden Griffe behandelt
werden, ijt ed nötig, die wichtigften
Stellungen zu ffiszieren, die der
Ringer am Boden einzunehmen
pflegt. Bei der Hode legt man
die Unterſchenkel mit der Border»
feite bei gejpreizten Knien auf den
Boden und ftüßt beide Hände nad)
vorn breit auf. Dabei foll das
Gefäß auf den Ferjen ruhen.
Ebenſo widtig ift die Brüde.
Der ganze Körper ruht mit dem
Rüden abwärts auf dem Scheitel
und den beiden Füßen, die in
ziemlich gejpreizter Stellung auf-
geftelt find. Rumpf und Ober⸗
ſchenkel bilden alſo die Brüde.
Diefe Stellung muß jeder Anfänger
gründlich üben, da te faft in jedem
Ringkampf vorfommt und oft allein
vor einer Niederlage ſchützen Tann.
Es leuchtet ein, daß das Ueben der
Brüde die Nadenmusfulatur außer-
ordentlich ftärkt, und von welcher
Wichtigkeit gerade fie für den Aus⸗
gang des Kampfes ift, ergibt ſich
Ihon aus der Aehnlichfeit der
Brüdenftelung mit der des Be-
fiegten. Bei ungenügender Naden-
muskulatur ift es leicht, die Brüde
zu brechen, indem man fi) auf den
Gegner wirft und dabei das eigene
Körpergewicht ausnugt. Der in
der Brüde Liegende ſtemmt zur
Verteidigung die eine Hand gegen
dag Kinn des Angreiferd, um ihn
von fih fernzuhalten. Dann hat
er das Hauptaugenmer? darauf zu
richten, daß ſtets eine jeiner Schul-
tern vom Boden fernbleibt. Am
gefährlichiten ift immer der Mo-
ment, in dem er fih von einer
Schulter auf die andere wendet.
Weiß der Angreifer in diefem Mo:
ment jein Körpergewicht richtig zu
benußen, fo iſt der andere fofort
verloren. Man ſuche daher beim
Angriff den Gegner durch den
dauernden Drud des Körpergewichts
zu ermüden, bis man in einer
J. W. Schroeder.
günſtigen Bewegung ſeine Schul⸗
tern zu Boden bringt.
Die Griffe zum Wenden und
Werfen des in der Hocke Liegenden
ſind außerordentlich zahlreich und
vielgeſtaltig, ſo daß hier nur die wich⸗
tigſten angegeben werden können.
Gegen die Hocke wird vor allem
der Nackenhebel Melſon) ver:
ſucht. Man beuge ſich breitbeinig
mit dem Oberkörper über den
Gegner, lege ihm den einen Unter:
arm ind Genid, ziehe den andern
Unterarm ibm unter der Achjel
durch, bi8 man die Hände ver:
einigen Tann. Die zum Werfen
nötige Hebeltätigfeit ergibt fich nun
von ſelbſt. Zur Berteidigung
ftemme man an der Geite, nad)
der man geworfen werden fol, das
Bein auf, wenn e3 nicht gelingt,
den Arm des Angreifer zu löfen.
Der Rückenhebel wird vorteil-
haft mit einem Ueberftürggriff
verbunden. Die eine Hand des
Angreiferd greift unter der Achjel
durch Hinter das Genid des in der
Hode Liegenden, während der an-
dere Arm unter deſſen Bauch jo:
weit mie möglich vorgreift und
feinen Körper auf den Rüden zu
mwälzen ſucht. Das verhindert der
Angegriffene, indem er das Bein
der Angriffsfeite nad) Hinten dem
Drud entgegenftemmt. Beim do p-
pelten Nadenhebel greifen
beide Hände unter den Achjeln des
Hodenden durch und vereinigen ſich
in feinem Naden. Man dreht nun
entweder den Gegner auf den
Rüden oder überftürzt ihn durch
Einziehen feines Kopfes nad) vorn.
Zur Verteidigung kann man ver:
ſuchen, die Hände des Angreifers
zu löfen, indem man mit den Ober-
armen feine Unterarme feft an den
Körper zu drüden und den Kopf
zu heben ſucht. Auf dieſe Weife
laßt fi eine Hebellraft ausüben,
die den Angreifer oft zum Löſen
IL Lu —
X. 2. Aihletik.
der Hände veranlafjen wird. Ge:
Yingt ihm die Drehung, jo ſuche
man fih auf ihn zu mwälzen und
fo ihn zu werfen. Dabei leijtet
die jpäter zu bejchreibende Pi- | Geite,
rouette eventuell gute Dienite.
Aehnlich ift der Genidfang-
bebel.
Angreifers legt fich über den Rüden
des Hodenden, während der andere
Arm unter feiner Bruft durchgreift,
bis Die Hände ſich vereinigen
fönnen. Zur Verteidigung ſucht
man vor diefer Vereinigung die
Hände des Angreifer® aus dem
Genid zu entfernen; jet er dennoch
zur Drehung an, jo kann nur nod)
ein kräftiges Aufftügen des der
Drehung entgegenmwirkenden Beines
nügen. Der Kopfdurdzug und
der Armzug ſetzen ähnlich an und
mwirfen ähnlid. Eines der beiten
Rettungsmittel gegen dieje Griffe
ift der Armfallſchwung am Boden.
Greift der, Angreifer mit jeinem
Arm überdie Schulter des Hockenden,
fo kann diefer den Arm fallen und
den Angreifer wie beim Armariff-
ſchulterſchwung nad der Seite und
fih auf ihn werfen. Man jhüst
fih gegen dieſe Hebelmirfung ent-
weder mit dem freien Arm oder
indem man ſelbſt jchnell auf die
Seite jpringt, nad) der man ge=
zogen werden jol. Beim Arme
durchzug fniet man an der einen
Seite des Hodenden und faht unter
deſſen Bruft dur den Arm der
andern Seite. Indem man diejen
an ſich zieht, fucht man den Körper
nah vorn zu wälzen. Bor dieſem
Griff rettet man fi am einfadhften,
wenn e3 gelingt, den Oberkörper
aufzuridhten. Gelingt das nicht, jo
Jude man aus der Hode möglichft
fchnel eine Brüde zu machen.
Aehnlih dem Armfalihwung wirkt
der Schulterſchwung mit
Kopfgriff, wobei der obere
Ringer wie beim Kopfgrifffall-
Der äußere Arm des H
Niro. 614.
ſchwung im Naden gefaßt und nad
vorn gedreht wird. Zur BVerteidi-
gung dienen ein Untergriff und das
Aufftemmen des Beines an der
nad der die Drehung
verfudt wird. Beim ſeitlichen
Kopfgriff leat fih der Arm des
ofenden um Naden und Hals
des Angreifers, und mährend der
Arm nah unten zieht, drängt der
Körper nad) der Geite, big die
Drehung auf den Rüden erfolgt.
Man kann dieſen jeitlihen Kopf:
griff löjen oder unwirkſam maden
dadurh, daß man fi jelbit in
feinem Sinne auf die Seite wirft
und das obere Bein gegen die
völlige Drehung ftemmt. Sehr
wichtig ift der Schulterdreh:
griff. Der Angreifer niet jeit-
wärts vom Kopf des Hodenden,
legt die eine Hand unter defjen
Arm und Achjel durch auf feinen
Rüden, wo er die andere Hand,
deren Unterarm im Naden des
Angegriffenen liegt, mit der erjteren
vereinigt. Durch die Hebelmwirfung
wird der Hodende auf die Seite
gewälzt. Zur Verteidigung gelingt
oft ein Armfalihwung ; wenn nicht,
jo muß man die Niederlage durch
geſchicktes Entſchlüpfen während der
Drehung abwenden. Beim Arm-
ſchlüſſel kniet der Angreifer zur
Seite des Hodenden, jucht feinen
Arm unter defjen Arm zu bringen,
bis der Unterarm etwa auf dem
Nüdgrat liegt. Die freie Hand
legt‘ er auf den Oberarm des
Gegners, der nun dur Drud und
Hebelmirfung zum Wälzen gebracht
wird. Gelingt der doppelte Nacken—
hebel nit, jo Tann man unter
Umftänden einen Nadengriff mit
Scdulterhebel anjegen, indem man
die eine Hand wie zum Nadenhebel
greifen läßt, während der andere
Arm fih mit Drud auf Schulter
und Naden des Hodenden legt.
Die Hebelmwirfung entfteht durch
Niro. 615.
forrefpondierenden Drud und Zug
der beiden Arme. Zur Berteidi-
gung dient der Armzug. Das
Veberftürzen nad vorn ift ein
fehr beliebter Griff, mobei die eine
Hand den Kopf ded Hodenden im
Genid nad) unten drüdt, während
der andere Unterarm ſich unter den
Bau legt. Indem beide Arme
entgegengejegt wirken, wird ver
Erfaßte nach vorn übergeftürzt. Zur
Verteidigung ſtreckt man den Körper,
bis die vorderen Schenfelflächen
und der Unterleib flah auf dem
Boden liegen, während der Ober-
förper, gejtüßl auf die Arme, auf:
wärts ſteht. Vorteilhafter ift es,
wenn man den am Bauch liegenden
Unterarm des Angreifers mit dem
gleichnamigen eigenen Arm feſſeln,
den andern Arm aber um den
Oberkörper des Gegners legen kann.
Kommt man ſo in kniende Stellung,
ſo iſt der Angreifer oft leicht zu
werfen. Beim Aufreißen legt
man den einen Arm um den Leib
des Hockenden, bis man deſſen
Handgelenk an der Seite, wo man
kniet, greifen kann. Mit einem
plötzlichen Ruck kann man ſo den
Körper in ſchneller Drehung herum⸗
reißen. Die Brücke iſt die beſte
Rettung, wenn es nicht gelingt, die
Hand rechtzeitig freizumachen oder
die Drehung rechtzeitig zu verhin-
dern. Beim Aufreißen mit
Untergriff wirft man fich ſelbſt auf
die Seite und zieht den Gegner
nad. Zur Verteidigung fucht diefer
mit Borteil dur eine Pirouette
fih auf und über den Angreifer
zu werfen, der dabei leicht mit den
Schultern zu Boden gebracht werden
fann. Die Pirouette ift alfo
eine Wendung des ganzen Körpers
mit dem Rüden abwärts über den
am Boden liegenden Gegner. Sie
verdient bejondere Beachtung ala
legte DVerteidigung, die auch in
mißlicher Lage noch zu einem Siege
3. W. Schxveler.
führen kann. Der Untergriff
von der Seite wird mit Vor⸗
liebe angewendet gegen ſitzende
Gegner. Man verteidigt ſich durch
ein Niederdrücken des Angreifers
mit dem Arm der Seite, von der
der Angriff erfolgt. Beim Kippen
faßt der Angreifer den Hockenden
von hinten zwiſchen den Beinen
durch, gleichzeitig mit der anderen
Hand den ſtützenden Arm weg-
zjiehend. Gelingt das Ueberftürzen,
fo ift die Brüde die beite Rettung.
Beim Audheben faßt man den
Hockenden mit beiden Armen um
den Leib und hebt ihn, bi! man
ein Knie unterjtellen fann. Durch
Drehen oder Weberwerfen ift er
auf die Schultern zu bringen.
Schnelled Aufipringen oder Löfen
des Griffes ift die beite Verteidi-
gung. Wird man überftürzt, jo
falle man in die Brüde. Die un-
erlaubten Griffe können bier über-
gangen werden.
615. Dſchiu⸗Dſchitſu ift ein
Wort, dad man in Europa eigent:
lich erit feit den Tagen des ruſſiſch⸗
japanifchen Krieges allgemein fennt.
Als man ſich damals für die Lebens⸗
gemohnheiten des merkwürdigen
oſtaſiatiſchen Inſelvolkes mehr zu
intereffieren anfing, hörte man von
jener fonderbaren Kampfesweife,
die in der japanifchen Kriegerfajte
der Samurai ſeit Sahrhunderten
befannt war, aber forgfältig geheim
gehalten wurde, bis fte fportliche
Ausgeftaltung erfuhr. Heute ift
das Digiu-Dihitfu in Sapan eine
Art Nationaliport, der jehr beliebt
ift und viel geübt wird, und Eu-
ropa hat ihn aufgegriffen. In
vielen größeren Städten unjeres
Kontinent? gibt es heute ſchon
Dſchiu-Dſchitſu-Schulen, mo Polis
ziften, Sportsfreunde, Raufbolde
und Damen in der Kunft der jas
panifchen Selbftverteidigung unter-
ritet werden. Man kann diefer
4
X. 2. Mihlelik.
Begeifterung nicht jo ohne weiteres
zuftimmen. Vorausſichtlich wird
fie ebenfo plößlich wieder ſchwinden,
wie fie gefommen iſt. Und man
braucht das kaum zu bedauern,
denn troß allen gegenteiligen An⸗
fihten: Dſchiu-Dſchitſu ift fein
Sport, fondern eine Selbjtverteidi-
gungs- und Kampfesmethode, die
fo ganz aus dem Charalter des |
japanijchen Volkes geboren erjcheint,
daß fie ſchon darum bei andern
Rafſen niemald heimiſch werden
fann. Wenn man unter Sport
eine ſpieleriſche Betätigung zur
Ausbildung und Beredelung des
Körperd ohne Nebenabfichten vers
fteht, jo läßt ſich ſchon in dieſer
Definition das Dſchiu⸗-Dſchitſu nicht
unterbringen. Mit dem gymnaſti⸗
ſchen Prinzip der Griechen hat die
heimtückiſche Raufmethode gar nichts
zu tun, ſie widerſpricht ihm direkt.
Denn worin beſteht dieſe japaniſche
Kunſt? Ihr Zweck iſt immer und
überall, den Gegner möglichſt ſchnell
und ohne Gefahr wehrlos zu machen.
Das geſchieht durch eine Reihe
raffiniert ausgedachter und auf
Grund genauer anatomiſcher Stu⸗
dien zuſammengeſtellter Griffe, die
meiſt ohne oder mit ganz geringem
Kraftaufwand auszuführen ſind.
Daher kann ein im Dſchiu⸗Dſchitſu ei⸗
nigermaßen ausgebildeter Schwäch⸗
ling mit Leichtigkeit den ſtärkſten
Athleten beſiegen, was auch der
Name dieſer ſonderbaren Kunſt be⸗
ſagen will (Sieg des Schwachen
über den Starken). Es kommt
alſo alles darauf an, den Gegner
möglichſt ſchnell an irgend einer
Achillesferſe des Körpers ſo gründ⸗
lich zu treffen, daß er des Schmerzes
oder einer oft recht ſchweren Ver⸗
letzung wegen von jeder weiteren
Gegenwehr ablaſſen muß, wenn er
nicht tödlich getroffen wurde. Das
Training zum Dſchiu⸗Dſchitſu be⸗
ſteht in einer aufs höchſte ausge—
Nro. 615.
bildeten Gebrauchsfähigkeit derHand,
die durch andauernde Arbeit ſo ge⸗
ſtählt wird, daß fie z. B., ohne zur
Yauft geballt zu fein, ſtarke Knochen
durchſchlagen, einen Menſchen dur
einen einfachen Hieb an den Hals
töten kann. Dann lernt der Schüler
jeden Punkt des menſchlichen Körs
pers Tennen, wo wichtige Gefäße,
Nerven, Musteln oder Sehnen fo
ungefhütt liegen, daß ein Drud,
ein Schlag auf fie das zugehörige
Glied bligartig lähmt und unbrauch⸗
bar macht. Endlich werden die mit
den Knochen und Gelenfen zu er-
zielenden Hebelwirkungen ftubdiert,
fomweit fie dur einen Griff mit
einer oder beiden Händen zu einer
Luxation, Torfion oder einem
Knochenbruch benugt werden können.
Ein Stoß mit dem Beige: und
Mittelfinger in die beiden Augen
des Gegners ift ein nad) japanifchen
Begriffen normale Kampfmittel,
diejer liebenswürdigen Kampfweife.
Solder Griffe und Kniffe gibt es
Hunderte, und es ift ganz zwecklos,
mehr davon bier aufzuzählen. Wer
fi dafür intereffiert, wie man ohne
Waffe verhindert, daß einem ein
Rowdy ein Mefjer in den Bauch
rennt, der kaufe ſich ein? der vielen
Lehrbücher, die in den legten Jahren
über diejen Gegenftand verbreitet
worden find. Er wirb dort wahr:
fheinlih aud finden, wie Damen
die freundliden Annäherungdver-
ſuche eines allzu temperamentvollen
Herrn abmwehren fünnen, indem fie
dem unglüdlihen Verehrer im
rehten Moment auf die Füße
treten, und dergleichen weife Lebens⸗
regeln mehr. Wichtig fann das
Dſchiu-Dſchitſu für die Polizei
werben, denn mer die japaniſche
Kunft wirklich verfteht, braucht im
Nahkampf faum noch zum Revolver
oder Seitengewehr zu greifen.
Man hat denn auch mit der Aus-
bildung der Schußleute 2 vielen
— —
— —
Nro. 616.
Orten bereits begonnen. Bei der
Art ſolcher Uebungen kann es nicht
wundernehmen, daß ſchon beim
erſten Training, wenigſtens in
Japan, oft Verletzungen vorkommen,
da die Grenzen, bis zu denen man
bei den Griffen gehen darf, ſehr
ſchwer einzuhalten ſind. Man hat
daher in Japan mit verblüffender
Logik zum Dſchiu⸗Dſchitſu gleich
eine beſondere Methode der Wund-
behandlung und Wiederbelebung
erfunden, die fpeziell bei ven Wett⸗
fämpfen viel benugt und Kuatfu
genannt wird. Wir wollen froh
fein, wenn unfere eingeführten
Sport3arten die Aerzte und ihre
Eingriffe fo überflüffig wie nur
möglich maden, und da der Sport
nit dazu da ift, feinen Süngern
die Mittel zu zeigen, wie fie ihre
Mitmenfhen auf die rationellite
Weiſe zu Krüppeln fchlagen fünnen,
dürfen wir in einem deutſchen
Sportsbuche wohl von weiteren
Einzelheiten abſehen. Nitterlich
muß der jportlide Wettkampf
bleiben, und es gibt faum etwas,
was unritterlider wäre als nad
feinem ganzen Charalter das Dſchiu⸗
Dſchitſu.
616. Der Fauſtkampf, heute
mit dem Worte Boxen bezeichnet,
ist in Deutfchland al8 Sport nur
wenig befannt, während die angel-
ſächſiſche Rafjeihnzu ihrem National
jport gemadt bat. In England
und namentlich in Amerika gibt e3
faum ein SKampffpiel, dag mit
gleicher Leidenjhaft geübt wird,
während man es in den Übrigen
Kulturländern als Sport faum an-
erfennt und nur mit Vorbehalt
Thägt. Bei ung in Deutfchland
betreibt man das Boren nebenbei
in einigen Athletenvereinen, die
befier fituierten Geſellſchaftskreiſe
kennen es faum. Iſt das zu be-
dauern? Wenn man auch zugeben
muß, daß die Engländer und
J. W. Schroeter.
Amerikaner ein gut Teil ihrer
körperlichen Kraft und Elaſtizität
dem Fauſtkampf verdanken, ſo iſt
doch gar nicht zu bezweifeln, daß
die andern Zweige der Athletik
mit Leichtigkeit genau dieſelben
Erfolge zeitigen können, ohne das
zu zeigen, wa wir am Boren als
Nachteile, als roh und brutal
empfinden. Es iſt doc ſchließlich
nicht nötig, daß man ſich im fried⸗
lichen Wettkampf Naſenbein und
Zähne einſchlagen läßt, daß man
ohne Not ſchwere innere Verletzungen
riskiert und zum Ende den Reſt
ſeines Lebens mit verſchandelten
Gliedern herumläuft. Wir können
neidlos unſern Vettern jenſeits des
Kanals und des Ozeans ihre ge⸗
liebte Kunſt laſſen und ſollten dafür
deſto mehr beſtrebt ſein, es ihnen
z. B. im Laufen und Springen
gleichzutun, worin ſie immer noch
ganz bedeutende Vorſprünge vor
unſeren beſten Athleten haben.
Und wenn man entgegnet, man
brauche trotz Polizei und Richtern
eine zum Selbſtſchutz geeignete
Kampfesmethode, jo ift auch dieſes
Argument redt wenig durch⸗
jchlagend, denn wie viele Menſchen
fommen einmal dazu, fich ernithaft
ihrer Haut wehren zu müfjlen ?
Wer das befürdtet, dem ift es
ſchließlich unbenommen, durch flei-
ßiges Trainieren im Boxen vorzu⸗
beugen. Nicht beſtritten ſoll werden,
daß ein guter Borer eine gewiſſe
förperlihe Ueberlegenheit befitt
über Gegner, die bedeutend größere
Körperfräfte haben ald er. Wer
diejes Bewußtſein jo ſehr ſchätzt,
mag durch das Studium des
Boxens wieder gut machen, was
die Natur verſäumte, als ſie den
Menſchen bei der Verteilung der
natürlichen Waffen im Gegenſatz
zu manchem Tier ſo ſtiefmütterlich
behandelte.
Die Vorübungen des Boxers
X. 2. Aihlefik.
beftehen in Keulen- und SHantel-
übungen, fowie im Sadfchlagen.
. Man benukt fünfpfündige Keulen,
mit denen man nidt allzu an
ftrengende Evolutionen nad einem
beftimmten, individuell zugefchnitte-
nen Mebungsplan ausführt. Dabei
fol, wie bei allen athletijchen
Trainings, niemald Ermüdung ein-
treten. Das Keulenſchwingen dient
vor allem zur Feitigung des Hand-
gelenf3 und der Muskulatur des
Schultergürtels. Die Hanteln follen
leichter fein als die Keulen und
nicht in heftigen, ruckweiſen Stößen,
fondern mit mäßiger Schnelligkeit
bewegt werden. Der beim Boren
zu benugende Sad ift mit etwa
15 Pfund Sand gefüllt und hängt
von der Dede herab, die lederne
Außenhaut ift gepolitert. An dieſem
Sad übt man die erjten Borer-
ftöße, hüte ſich aber zu ftoßen, be-
vor der Sad rückwärts fchwingt.
Nachdem der Anfänger fidh jo die
erſte Technik im Stoß erworben
bat, Tann er ſich an den Iuft-
gefüllten Gummifad machen, der
jo leicht ift, daß er mit einem Stoß
gegen die Zimmerdede oder eine
Wand getrieben werden Tann. Es
fommt darauf an, diefen Sad oft
und Träftig zu treffen, ohne daß er
beim Zurüdprallen Geſicht oder
Bruft ſeines lebenden Gegners be-
rühren kann. Bei diefen Uebungen
treten auch die Beine ſchon recht
energifch in Aktion, und die Elafti-
zität des ganzen Körpers nimmt zu.
Noch ſchwieriger ift der dritte Sad zu
behandeln, der mit elaftiihen Bän-
dern an der Dede und am Fuße
boden befejtigt ift und daher noch
fchneller zum Ort des letzten Stoßes
zurückkehrt als die vorher befchrie=
benen. Regel ift, mit der linken
Hand zu ftoßen, mit der rechten zu
parieren. Gilt es beſonders ftarf
zu ftoßen oder mehrere Stöße un-
mittelbar aufeinander folgen zu
Niro. 616.
lafien, jo darf natürlich auch die
rechte Hand benutt werden. In
der Grundftellung liegt der rechte
Borderarın mit der Fauft quer vor
der Bruft, während die linfe Hand
mit mäßig gebogenem Arm unge-
zwungen vorgejftrecdt ift. Nach alter
Sitte reiht man dem Gegner die
Hand, fchreitet dann zurüf und
ftelt fih in Bofitur. Sn der
rechten Auslage jtellt man. den
linfen Zuß vor, und bei dieſer
Stellung jollen die beiden linken
Fußfpiten der Gegner etwa !/» m
voneinander entfernt fein. Ge—
ftattet find alle Stöße nad dem
Kopf und dem Rumpf des Gegners,
verboten ift dagegen dag Oeffnen
der Hand und jedes Greifen,
Ziehen 2c. Alſo nur der Stoß ift
erlaubtes Kampfmittel. Es kommt
alles darauf an, den Gegner aufs
Ihärffte zu beobachten und au?
feinen Bewegungen, namentlich
aber aus feinem Geficht jtändig
zu leſen, was er beabjichtigt und
wo er fih etma Blößen geben
fönnte. Aber auch dabei ift Bor-
fit geboten, denn ein richtiger
Borer weiß Finten gejhidt anzu=
bringen und den Gegner zu täu-
fhen, damit er unnüß Kraft
vergeudet und Gelegenheit zu An⸗
griffen bietet. Die zahlloſen ein-
zelnen Stöße und Paraden zu
fhildern Bat Hier feinen Zweck,
dagegen dürfte eg angebradt jein,
einen furzen Auszug aus den in
England anerkannten gejeglichen
Beitimmungen zu geben, die als
„Marquis of Queensberry-Rules“
(nah Silberer, Handbuch des
Athletikſports) befannt find.
1. Jeder Kampf fol in einem quadrati-
fhen Raum (Ring) von 6,7 m Länge und
Breite abgehalten werden. Genau in der
Mitte dieſes Raumes wird ein Kreis von
8 Fuß Durchmeſſer eingezeichnet, in dem
jeder Fauſtkampf zu nn bat.
3. Jeder der beiden Kämpfer darf einen
Selundanten mit in den Ring bringen.
Die Selundanten miüffen während des
Nro. 617.
Kampfes in den diagonal liegenden Eden
bleiben und dürfen feine Ratſchläge er⸗
teilen noch die Kämpfer anfpreden.
Während der Paufen darf jeder Kämpfer
einen leichten Seffel benugen.
3. Alles Ringen, Umfaflen, Anſichdrücken,
Stofen und der Gebraud der Jnnenjeite
der Hand ift außgefhloffen. Ber Gegner
darf nur dur offenes und mannhaftes
Boren verlegt werden. Kein Kämpfer barf
zur Raft oder um Stößen auszumeichen ſich
auf ven Boben legen. Liegt er ſchon bort
ober auch nur auf einem ober beiden Knien,
fo darf er nicht berührt werden. Nein
Stoß darf unter ben Gürtel, den jeder
Kämpfer um die Taille trägt, treffen.
4. Die Faufthbandfhuhe dürfen nicht
weniger al3 5 Ungen wiegen und müſſen
aus leichtem, binnem Handſchuhleder her⸗
geftellt und fo mit Roßhaar gefüttert fein, J
daß die ſtärkſte Lage über den Knöcheln
liegt. An den Füßen ſind nur ganz leichte
Schuhe erlaubt.
5. Die einzelnen Runden ſollen je 3 Mi⸗
nuten dauern, ihre Zahl wirb verabrebet,
fol aber 8 nicht überfchreiten. Nach jeder
Runde ift 1 Minute Paufe.
7. Wird ein Kämpfer niedergeftoßen ober
fäut er, fo bat er in 12 Sekunden fid
wieder zu erheben, event. mit Unterftügung
feines Sefundanten. Wenn er innerhalb
diefer Zeit nicht in der Mitte des Ringes
wieder erfcheint, fo ift dem Gegner ber
Sieg zuzuerfennen.
8. Wenn ein Kämpfer gegen die den
Ring abſchließenden Stride gedrängt wird,
wo er fi nicht mehr verteidigen Tann, jo
fol der Unparteiifhe beibe Kämpfer in bie
Mitte beorbern.
Die Kleidung des Boxers befteht
am beten in einem anliegenden
Tritot ohne Aermel, jo daß die
Schultern frei find. SHofenträger
follte man nie tragen, vor allem
nicht, wenn fie Metallteile haben.
617. Ausblid. In der deutjchen
Athletik beobachtet man gegenwärtig
fo viel erfreuliches Streben, fo viel
guten Willen, unterjtügt von einem
vollen Verftändnig für die Bedeu-
tung und Wichtigkeit der guten
Sade. Mögen fi au bier und
da Mängel zeigen, mag aud die
3. W. Sıhroefer.
unvermeidlide deutſche Bereins-
meierei mandem Pflänzchen den
frifeden, fröhlichen Drang zum Licht
verleiden, im ganzen kann man
fagen, daß heute das deutſche Volk
im Sport eines ber wertvolliten
Mittel zur Regeneration von fo
manden ſchlimmen Erjheinungen
fieht, die man am Volkskörper be⸗
obadten konnte und Tann. Will
man der guten Sache fchnell zum
Siege verhelfen, jo gilt es vor
allem, die Jugend zu gewinnen, fo
lange fie begeifterungsfähig iſt.
br wird man dann ruhig Die
Zukunft überlaflen können. Glüd-
licherweife haben auch die Regie-
rungen und die gejehgebenden
Körperſchaften die Wichtigkeit der
Sade erkannt, jo daß bei ihnen
die Athleten von Jahr zu Jahr
mehr Entgegenkommen finden.
Seien wir nicht unbejdeiden und
verlangen wir nicht zu viel auf
einmal. Es ift in unferm Er:
ziehungsweſen jo unendlich vieles
reformbedürftig, daß man ohne
durchgreifende Mafregeln kaum
noch befiern Tann. Turner und
Athleten müffen alles daran jeßen,
auf dem Plage zu fein, wenn ihre
Zeit gefommen. Sie muß fommen,
wenn wir nicht am deutſchen Volks⸗
förper dieſelben Erfahrungenmadjen
wollen, wie fie 3. 3. unjern weft:
lihen Nachbarn fo viel zu ſchaffen
madhen. Der Sa „Mens sana
in corpore sano!“ gilt nicht nur
für das Individuum, er bat die-
felbe Bedeutung für Völker und
Staaten, und fein Geld ift beſſer
angelegt, als da3 für die Volks⸗
gefundheit ausgegebene.
7
x. 2. Athletik. Nro. 617.
IV. Rekordlifte der deutfchen Sportbebörde für
Atbletik im Jahre 1908.
l. Laufen.
Ereigni3 | Leiſtung | Rekordinhaber
50 m 5315 Sek. | X. Doerry, Berlin
100 „ Bingen; Dunder, Mittweida
200 „ M. Wartenberg, Berlin
800 „ J. Ped, Hannover
400 „ %. Runge, Braunfchweig
500 „ K. Doerry, Berlin
800 „ | 3. Runge, Braunfchweig
1000 „ €. Uebel, Berlin
1500 „ G. Zimmer, Hamburg
3000 „
5000 „ Herm. Milller, Berlin
7600 „ ‘ob. Böge, Berlin
10000 „ Herm. Müller, Berlin
15000 " ” " ”
25000 „ n n „
40000 Joh. Böge, Berlin
1 Stunde Herm. Müller, Berlin
100 m Dreibeinlauf 125 Set. | E. Schulze⸗E. Wernide, Berlin
400 „ Staf.sLaufen 46°; „ | Sportflub von 1895/96, Berlin (Rohlmey,
Eide, Wagener, Axel)
500 „ Fer 69%5 „ | Sportilub v.1895/96, Berlin (Axel, Weit-
ling, Nowack, Wagener, Kohlmey)
600 „ „ım.ı11!ls „ | Sportilub von 1895/96, Berlin (Weitling,
Axel, Wagener)
1000 „ „ln 5915 „ | Sportllub von 1895/96, Berlin (Wagener
Axel, E. Laux, Eide, Berner, Nowad,
Jopp, — Mallwitz, Kohlmey)
8000 „ „8 „ 30816 Duisburger %. C. Preußen (Gebr. Lrie⸗
loff, Breynd)
110 „ Hürdenlauf 16 „ | Julius Keyl, Münden
Il. Seben.
Ereignis | Zeiftung | Rekordinhaber
500 m 1Min.45 Sek. | Job. Böge, Berlin (Weltrekord)
1000 „ . Schumann, Berlin
1500 „ R. Wilhelm, Berlin
2000 „ NR. Schumann, Berlin
3000 „ P. Sunta, Berlin
4000 „ Herm. Müller, Berlin
5000 „ R. Wilhelm, Berlin
6000 „ Herm. Müller, Berlin
7000 Lid ” ” ”
7500 4 ” ” [2
10 km P. Gunia, Berlin
15 „ „ "
20 „ Fritz Preiß, Frankfurt a. M.
25 „ R. Wilhelm, Berlin
50 „ ” i
75 ” ” “u
100
1 Stunde 13 km 168 m P. Guuia, Berlin
3090 m Staf.-Geh. 13 Min. 1725 Sek. | S.C.Hanfa, Berlin (Bunia,Bary, Schlegel)
Nro. 617.
#. W. Schrveter: X. 2. Athletik.
II. Springen.
Ereigni3
Weitjprung
Hochſprung
Dreiſprung
Weitſpr. ohne Anlauf
Hochſpr. ohne Anlauf
Dreiſpr. ohne Anlauf
Weithochſprung hoch
Leiſtung
Rekordinhaber
H. v. Bönnighauſen, Duisburg
Paul Weinſtein, Halle
Alb. Weinſtein, Halle
Eduard Gmeiner, Fürth
A. Hyman, Berlin
G. A. Lutz, F. C. Mühlhauſen 93
Weinſtein, Halle
P.
F Runge, Braunſchweig
.Hallup, Berlin
IV. Wurf- und Stoſsübungen.
Rekordinhaber
weit
Stabhochſprung
Ereignis | Zeiftung
ne. 99,638 m
Steinftoßen RL r. 9,20 „
Mg * 8,25 „
Kugelftogen 71, kg 12,68 „
5 1213 kg 8,389 „
Kugelwerfen 5 kg 19,20 „
Gewichtwerf. !s Ztr. 16,50 „
Speerwerfen 560,19 „
Diskuswerfen 41,62 „
Schleuderballwerfen 54,02 „
Hammermwerfen 5 kg "88,45 „
7i,kg 26,42 „
Fußball a) Blatftoß 60,00 „
Pr b) Fallſtoß 55,00 „
M. Schöps, Halle
Karl Kaltenbach, München
M. Lichtenberger, Pforzheim
J. Otto, Darmſtadt
Karl Kaltenbach, München
ranz Baumeiſter, Nürnberg
. Dörr, Frankfurt
ul. Wagner, Reutlingen
€. Welz, Berlin
Dußmann, Münden (Weltrelorb)
W. Dörr, Frankfurt
” n
Gg. Demmler, Berlin
| E. Ludwig, Frankfurt
folgende Eeiltungen wurden von Ausländern auf
deutfchen Bahnen überboten.
Ereignis | Zeiftung | Relordinhaber
8000 m Laufen
500 „ „ 16 „ 20
2500 „ u 16.32 „ 40%: „
Weitfprung 6,82 m
Hochſprung 1,876 u
Stabhochſprung 3,40 5
Kugelſtoßen 12) 68 „
Hammerwerfen 5 kg 36.90 A
@ 71, kg 30,465 „
9Min. 14 Set.
x. Bettersfon, Norblöpping
J. Smith, Mandefter
Gafton Ragueneau, Paris
J. Somody, Kolozfvary
. Maly, Prag
. Söbderftröm, Stodholm
David Mihaly, Budapeſt
M. P. Radojlovitſch, Frankfurt
” n ”
6. Bergfell: X. 3. Pas Fehlen.
Nero. 618-620.
3. Das fechten.
| Von
Guſtav Derglell,
k. k. Major und Direktor der Kol. Landesfechtihule in Prag.
618. Allgemeines. Im allge:
meinen wird die durch Hebung ers
fein, da fi ſelbe geſchichtlich auf
die römifche Fechtkunſt zurückführen
reichte Fähigkeit, Hiebs und Sto$- | läßt
waffen im Kampfe gegen einen
oder mehrere Gegner zu führen,
Fechtkunſt genannt; im bejonderen
verjteht man darunter die in ein
Syftem gebrachte Lehre der kunſt⸗
mäßigen Führung der Stoß- und
Hiebwaffen im ehrlihden Kampfe,
Mann gegen Mann. Die Fedt-
kunſt kann ſich daher nicht mit allen
erdentlihen Waffen befajjen, viel-
mehr nur mit der Führung der
zeit- und landesüblichen.
619. Urfprung der Fechtkunft.
Der Kampf mit Handwaffen ift jo
alt, wie der Kampf felbit, und
findet fi bei den roheiten Völkern
vor ; als eine befondere Kunfttätig-
feit tritt fie erit da hervor, wo
überhaupt Kunft und Kultur Ein-
gang gefunden haben. Die erften
Anfänge eine kunſtmäßig ausge
übten Waffenkampfes laſſen fich bei
den alten Xegyptern und Xethio-
pern nachmweifen. Bon den übrigen
geſchichtlichen Völkern Drients läßt
fih nur joviel jagen, daß die Aſ—⸗
ſyrier und namentlih die Perfer
unter Cyrus als ein muffengeübtes
Bolt auftraten. Bei den alten
Griechen ſtand die „H oplomachie“
oder die Uebungen im Waffen:
fampfe in feinem befonderen An-
fehen. Bei den Römern, welde
ſchon frübzeitig an den blutigen
Gladiatorenfämpfen ihre Augen
weideten, dürfte auch in der Tat
der gefhichtlihde Anfang einer
eigentlihen Fechtkunſt anzunehmen
620. Warum lernen wir
Fechten? Die Mittel zur Selbit-
erhaltung im ehrlichen und offenen
Kampfe bietet die Fechtkunft. Die
Pflicht der Selbiterhaltung, Die
mitunter an uns berantretende
Notwendigkeit, unfere moraliſche
oder phyſiſche Eriftenz mit Waffen
zu beſchützen, haben die Fechtlunft
ins Leben gerufen. Aber abgefehen
von diefem erniten Zwecke wird die
Fechtkunſt, ſobald Geiſt und In—⸗
telligenz hiebei zur Geltung kom⸗
men, ein wahres Bildungsmittel.
Einſichtsvolle Pädagogen haben
gymnaſtiſche Uebungen von jeher
zu den weſentlichſten Beſtandteilen
des Unterrichts gerechnet; die Fecht—
funft wird fih daher ſchon durch
den Einfluß, den fie auf die Kräf—
tigung des Menfchen nimmt, der
Aufmerkſamkeit eine3 jeden einzel:
nen empfehlen. Haltung und Ge:
bärde veredelnd, ale Muskeln ſtär⸗
fend, verleiht fie dem Blick Schärfe
und SFeinheit, dem ganzen Wefen
des Mannes aber jenen entjchlofje-
nen Anftand, der ald der Ausdrud
vernunftgemäßenBemußtfeing feiner
jelbft, feine ſchönſte Zierde ift.
Echter männlider Mut Hat fi
feines Vorteile über einen Schmwa:
hen nie bedient; durch die Fecht—
funft wird erfahrungsgemäß Das
Duell Hintangehalten. Diefe Gründe
waren wohl maßgebend, daß Die
Fechtkunſt nicht nur in den Militär:
und adeligen Bildungsinftituten ge⸗
Niro. 621-622.
lehrt wird, fondern fie auch in den
weiteſten Kreifen eingedrungen ift.
Sie alle.üben die edle und ritter:
liche Kunft eingedent des fehr zu
beherzigenden Spruches: „Mens
sana, in corpore sano.“
621. Die Fechtlunft vom Aus⸗
gange des Mittelalter8 und zu
Beginn der neueren Zeit. Nach
allen hiſtoriſchen Schilderungen,
wie nad) den Bilderwerfen und
Handigriften des XIV. und XV.
Sabrhunderts läßt fih nur das
Eine jagen, daß die in Deutjchland
berrichende Fechtlunft in einem
ſchwerfälligen Gebrauche der man-
nigfaltigften Waffen beftand. Im
Mittelalter läßt fich erjt mit Beginn
der Turniere 936, ſowie zur Beit
der Einführung der Snftitution der
gerichtliden Zweikämpfe die Füh-
rung der Waffen mit einer gewiſſen
Beftimmtbeit verfolgen. Die wert⸗
vollen Manuffripte des XIV. und
und XV. Sahrhunderts3 (Lich t e n⸗
auers Fechtbuch 1348); Germa⸗
niſches Muſeum zu Nürnberg;
Tallhoffers Fechtbücher 1442,
59 u, 65) herausg. v. ©. Sergfell,
geben ung hierüber Aufſchluß. In
jener Epoche erfolgte die Abwehr
nicht durch die Trutzwaffen, fondern
durch die Schutzwaffen, Schild,
Helm und Harniſch.
Erſt nachdem die Wertſchätzung
der Kraft gegen die höfiſchen Sitten
zurücktrat, erhielt auch die unge⸗
regelte Kraftäußerung den Charakter
einer höfiſchen Form.
Daß die Deutſchen in Führung
des Schwertes und des Duſaks
eine Berühmtheit erlangten, iſt eine
nicht zu beſtreitende Tatſache; aber
das Fechten mit dieſen Waffen be⸗
ſtand noch immer in einem primi⸗
tiven Gebrauche dieſer Waffen, und
endete meiſt mit einem Ringkampf.
Abgeſehen von den verſchiedenſten
Schutzwaffen, ſehen wir bei der
Führung des Schwertes noch an⸗
G. Bergſell.
dere Angriffswaffen gleichzeitig in
Verwendung, die dann mit der
linken Hand geführt wurden; über-
dies bedienten ſich beide Gegner
nicht jelten verfchiedener Angriffs
ald Berteidigungswaffen. Solange
man der Meinung huldigte, daß
das Parieren ohne zur felben Zeit
anzugreifen, etwas Verächtliches fei,
wurde das Hauptaugenmert nur
auf den Angriff gelentt. Die Ber-
teidigung wurde demnad) ftet3 der
Angriffstheorie untergeordnet. Das
charakteriſtiſche Merkmal des Unter-
richtes damaliger Zeit lag darin,
die Lektionen mit viel Geheimnig-
tuerei zu umgeben, überhaupt ihre
Kunft durch philoſophiſche Ten⸗
denzen ſowie mathematiſche Abhand⸗
lungen zu einer geheimnisvollen
Wiſſenſchaft zu erheben. Tall⸗
hoffer übermittelt uns in ſeiner
Handſchrift fünf Tafeln, nad wel-
hen man feiner Anſicht nad leicht
berechnen fonnte, welden Tag und
Stunde man für den bevorftehen-
den Kampf wählen folle, um als
Sieger hervorzugehen.
622. Die Fechtkunſt der bürger-
lichen Fechtergeſellſchaften. Mit
Umgeftaltung des Kriegsweſens
durch Einführung des Feuergeweh⸗
res übergingen die Fechtſchulen von
der Ritterſchaft an die Bürgerlichen.
In dieſen Schulen erhielten ſich
die bisherigen Traditionen während
des XVI. Jahrhunderts Bis zu
Anfang des XVII. Jahrhunderts.
Das Fechten wurde bald eine be-
liebte Unterhaltung der Fünfte.
Die ältefte derjelben war die von
Stt. Markus von Löwen—
berg in Frankfurt a. M., auch
furz „Marfusbrüder” genannt.
Später bildete fich jeneder „D eder-
fechter“, auch „Stt. Beitg-
oder Viterfechter“ genannt, die
ihren Sig in Prag batte; beide
wahrten ftreng ihre Fechtergeheim⸗
niffe, die fie „Privilegien“ nann⸗
— —
x, 3, Das Jechten.
ten. Eine dritte Fechtergejellichaft,
die jogen. „Lurbrüder”, auch
Klopffechter genannt, erfreuten fich
feiner folden Berühmtbeit; zu
Gent, bildete ſich unter dem
Schutze Skt. Michael bereit!
1042 eine Fechtgenoſſenſchaft, die
fog. „Mihaelsbrüder”.
623. Trennung des Stoßes
vom Hieb. Eine große Berände-
rung hat mit Ende des XVI. Jahr⸗
hunderts das bisherige Syſtem erlit-
ten. Leichte Waffen wurden einge-
führt, und gleichzeitig die Grundzüge
einer fyitematifhen Führung be⸗
ftimmt. Somohl der Angriff mit der
Spitze der Klinge, fowie jener mit der
Schneide wurden einer gründlichen
Reform unterzogen, und für die
Verteidigung neue Normen in Form
von „feiten Praden“ aufgeitellt.
Die Hiebe wurden auf ein Mini:
mum bejchränft, die Stöße nad)
dem ganzen Körper gerichtet. Wir
fehen in ftrenger Scheivung zwei
Fechtarten nebeneinander beftehen,
die „alte deutjche”, die „mittel-
alterlihde Schule”, ſowie die „ita=
lieniſche Stoßfechtkunſt“ in Deutſch⸗
Sand durch Salvatore Fabris
eingeführt.
624. Trennung des bisherigen
Syſtems in zwei ſelbſtändige
Fechtarten. Durch die Trennung
des bisherigen Syſtems erſehen wir
eine ſelbſtändige Stoßwaffe, den
Degen, und eine neue Hiebwaffe
entſtehen, wodurch die bisher übliche
Waffenführung ſich in zwei ſelbſt⸗
ſtändige Kampfarten, das „Stoß-“
und das „Hiebfechten“ trennte.
625. Italieniſche Fechtkunſt.
Die größte Anzahl der Fechtbücher
des XVI. Jahrhunderts hat Italien
aufzuweiſen; daraus läßt ſich mit
großer Sicherheit fchließen, daß die
Fehtlunft in Stalien in hohem
Anjeben ftehen mußte, und bie
Quellen der modernen Fechtkunft
in Italien zu ſuchen wären.
Nro. 623— 626°
Der Einfluß der italienifchen
Schule madte fih im Laufe des
XVI. Jahrhunderts überall geltend
und bildete auch die Grundlage
oder doch den Ausgangspunkt der
Fechtlunft der neueren Zeit. Sie
madte in Europa bei allen Fech⸗
tern Schule.
Pietro Moncio 1509 war
der erſte italienifhe Meifter, der
über die Fechtkunſt jchrieb, ihm
folgten Antonio Manciolino
1531, Adillo Marozzo 1536,
Camillo Agrippa 1553, Inge⸗
nieur und Baumeifter von Beruf;
weiter Graſſi 1577, derzum erften
Male von einer Dffenfive und
Defenfive ſpricht. An erfter Stelle
der berühmten italienifchen Meifter
muß Angelo Biggiani 1575
genannt werden. Seinen Nach⸗
folgern Nicoletto Giganti 1575,
Satoatore Fabris 1606 und
AdolfoCapo Ferrodikaglia
1610 blieb e8 aber vorbehalten,
die italieniſche Schule in Deutfch-
land eingeführt zu haben.
626. Die Fechtkunſt in Frank⸗
reich im XVI. u. XVII. Jahrh.
Abgeſehen von der Heinen Schrift:
„La noble science de joueurs
d’espee“, die in franzöfifcher
Sprade zu Antwerpen 1538 er-
ſchien und die alte deutfche Schwert-
Fechtkunſt zur Darftelung gebradit
bat, erfhien das erfte Buch über
die Fechtlunft in Frankreich von
dem provenzaliihen Edelmann
Henry de Sct. Didier, 1573
zu Paris, allerdings ein epochales
Werk. Erft 55 Jahre jpäter, 1628,
erihien dag Wert von Girard
Thibauld, der als Begründer
der franzöſiſchen Schule anzufehen
ift. Unter Charles Besnard
1656, Philippert de Ia
Touche 1670, und Liancourt
1686, der bereit3 Die KRontreparaden
lehrte, machte die Fechtkunſt die
fühlbarften Fortſchritte. Ä
627. Die ae in Deutſch⸗
land im XVII. Jahrhundert.
Nah dem Verfall der Fechtergeſell⸗
[haften und der Einführung der
—
318. Primlage nach deutſcher Schule.
italieniſchen Schule hat die alte
deutſche Fechtkunſt ihr Ende er⸗
reicht. — Die Deutſchen hatten
ſich aber der Stoßfechtkunſt in
319. Sekundlage nach deutſcher Schule.
einer Weiſe bemächtigt, daß ſie bald
eine führende Stellung einnahmen.
Die hervorragendſten Träger der
an den Univerſitäten gepflegten
——
320. Terzlage nach deutſcher Schule.
Stoßfechtkunſt waren Sand Wulf
von Mulsheim in Straßburg
und Wilhelm Kreußler in
Jena, geb. 1592, der als Begrün—
zu:
521. Quartlage nach deutfcher Schule.
der der deutſchen Stoßfechtfunft ge-
nannt zu werden verdient.
Unter den Schülern der Kreuß—
lerſchen Familie nimmt A. F. Kahn
G. Berglell.
die erſte Stelle ein, der die Kreuß⸗
lerſche Schule an der Univerfität
zu Göttingen einführte.e Was ung
Kahn in feinem Werte 1739 und
nah ihm Eijelen und Rour in
ihren Werten darbieten, ift bereits
die weitere Ausgeftaltung der
Kreußlerfchen Methode.
628. Univerfitätsfechtfchufen.
Eine bejondere Pflege erhielt Die
Fechtkunft im Laufe de8 XVII.
Sahrhunderts auf den Univerfitätz-
fechtſchulen.
Nach Aufhebung des Stoßfechtens
auf den deutſchen Univerſitäten
hat die Stoßfechtkunſt eine Ab⸗
nahme gefunden. Die jetzt all⸗
gemein auf deutſchen Univerfitäten
übliche Fechtart ift das Hiebfehten
mit dem Korb⸗“ und „Sloden=
ſchläger“, dad von dem Göttinger
Sechtmeifter Gattorp 1820 zur
Verhütung der vielen Unglüdsfälle
anftatt des Stoßfehtend empfohlen
wurde. Weiter finden wir den
fog. „Rorbjäbel”, au „Krumme
fäbel" in Verwendung. An den
öfterr.zung. Univerfitäten hat neben
demSclägerfehten das Säbelfechten
eine große Verbreitung gefunden.
629. Die Fechtkunſt in Frank⸗
reih im XVII. und XIX. Jahr-
hundert. Mit dem Ausfterben der
Kreußlerſchen Fechterfamilie über-
geht der Ruhm der Deutſchen auf
die Franzofen. Bon der Zeit Lud⸗
wig XVI. bis zur Napoleonifchen
Zeit waren die Franzojen die Allein
berrfcher in ver Stoßfechtlunft. Der
Degen nahm eine zierlihe Form
an, das leichte Fleuret wird als
Uebungswaffe eingeführt.
Die Stöße nehmen die Namen
der Paraden an. La Boejfiere
brachte 1818 die Anzahl der Pa⸗
raden auf at und gab denjelben
die ihnen bis jett zufommenden
Namen. Das Werk von Chevalier
Chatelain 1817 führt Stöße
an, die noch heute geübt werden.
X. 3, Das Jechten.
ALS Begründer der fogen. Pariſer
Schule, die noch heute in voller
Geltung fteht, wo die franzöfifche
Schule Eingang gefunden hat, ift
A. Grifier anzufehen, deſſen
Epoche machendes Wert 1847 in
Paris erſchien.
630. Die Fechtkunſt in Deutich-
Sand und Dejterreich-Ingarn im
XIX. Fahrhundert. Während den
Napoleonifchen Feldzügen lag die
Fechtkunſt in Deutfchland und
Defterreih-Ingarn ftarf darnieder,
obgleich ed an guten Meiftern nicht
fehlte. — Erſt mit Beginn des
IN
NEIN
EIER
FI * ⸗ 2 In
322. Prime.
XIX. Sahrhundert? nahm das
Säbelfehten einen mächtigen Auf-
ſchwung, wobei das Stoßfechten
auf das eifrigjte gepflegt wurde.
Das Verdienft, das Säbelfechten in
Defterreih in ein Syſtem gebracht
zu haben, gebührt den beiden öjter-
reichifhen Offizieren Talhoffer
und $8nardi, die in ihrem
Mert 1838 Wien den Hieb mit
. dem Stoß zu vereinigen tradten.
Die Werte der echterfamilie
Rour 1786 bi 1809 geben ung
ein treue® Bild der in Deutjch-
land herrſchenden Fechtmethode.
In Oeſterreich-Ungarn hat ſich die
Nro. 630-632.
Chriſtmannſche Schule bis in die
70er Jahre des vorigen Jahrhun—
derts gehalten; es iſt diefe die
jogen. „alte Hiebfechtichule”, von
der noch heute gejproden wird.
Die Waffe war infolge der breiten
Klinge ziemlich ſchwer. Die Krüm—
mung der Klinge war eine bedeu—
tende; die Waffe mußte mittels
des Armes unterftügt werden, mas
nur durch ein Hochhalten des Armes
ermögliht wurde. Es entftanden
hierdurch die fogen. „verhängten“
Garden oder, Stellungen.
631.
Die Stopfechtlunft in
M
(Nah Griſier.)
Oeſterreich-⸗Ungarn. In Oeſterreich⸗
Ungarn hat nach der italieniſchen
Schule die franzöſiſche Schule Ein—
gang gefunden. Mailand, Peſt,
Prag und Wien galten im XIX.
Sahrhundert als bejondere Pflege:
ftätten dieſer Kunft, die von ein-
heimiſchen, franzöſiſchen, ſowie
von italieniſchen Meiſtern gelehrt
wurde.
632. Leichte Hiebwaffen. Dem
Grundſatze huldigend: „Der Mann
ſoll die Waffe regieren, und nicht
die Waffe den Mann“ haben ein—
ſichtsvolle Meiſter in den 70er
Jahren des vorhergehenden Jahr⸗
|
|
|
Nro. 633.
hunderts eine leichtere Säbelklinge
mit ſchwächerer Krümmung einge-
führt, und hiermit mit dem alten
Syftem vollkommen gebrochen. Das
Spiel gewann an Leichtigkeit, und
wir ſehen bei Führung der Hieb-
waffe diejelbe Eleganz, wie fie bei
der Stoßwaffe jo vorteilhaft zutage
tritt. |
323. Benennungen der Biebe nach
deutfcher Schule.
a b Kopf» oder Primhieb, b a Sekund-
hieb, e f Gefichtsterz, f e Gefichtsquart,
c d Mittelterz, d c Bruftquart, g hfteile
Terz, hg Tief: oder Bauchquart, i k
Scdhulterquart, k i Tiefterz.
633. Die Fechtkunſt der Neu-
zeit. Hiebfehten. Bei dem
Umftande, daß e3 in Defterreid-
Ungarn an jüngeren Meiftern fehlte,
in Deutjchland an den Univerfitäten
meiſt nur das Schlägerfechten geübt
wurde, blieb es den italienifchen
Meiftern vorbehalten, durch ihre
Schule dem leichteren Säbel eine
allgemeine Verbreitung zu verfchaf-
jen. Um den Etoß mit der Hieb-
waffe, der nad den Grundfägen
ber italieniſchen Schule zuläffig ift,
wirkſam ausführen zu Fönnen, ka—
G. Bergfel.
men anfänglich gerade Klingen in
Verwendung; gegenwärtig ift eine
minimale Krümmung bemerkbar.
Neben diefem leichten italienifchen
Säbel finden wir auch den etwas
ſchwereren öfterreichifchen, fälſchlich
„franzöſiſchen“ Säbel genannt,
namentlich in ſtudentiſchen Kreiſen
eingeführt.
Stoßfechten. Während in
Frankreich, ſowie bei den Anhängern
der franzöſiſchen Schule das leichte
Florett als Schulwaffe gilt, findet
in der italieniſchen Schule die
„Spada“ ihre Verwendung, deren
Klinge ſchwerer und länger als
jene des Floretts iſt. — Das
Spiel der Italiener ift infolge
der vehementeren Beinbewegungen
ein viel lebhaftere®, als jenes
der deutihden Schule, da in
Deutſchland vor Einführung der
italienifhen Stoßfechtlunft , lange
Zeit Hindurd die „fire” Menfur
gebräuchlich war. — Auch die Fran⸗
zojen haben fi) der verlängerten
Plande der Italiener gefügt, ihre
Bor: und Rückwärtsbewegungen
find lebhafter geworden. In neuefter
Zeit hat auch das bisher ftarf ver⸗
nachläſſigte Degenfechten Eingang
gefunden. In Oeſterreich⸗Ungarn
finden wir bei dem GStoßfechten
die franzöftihe und die italienische
Schule geübt.
„zandesüblide Waffen“.
Zu den landesüblichen Stoßwaffen
gehört das franzöfifche „Fleuret“,
in Deutfhland „Florett“, in
Defterreih-Ungarn auch wohl „Ra:
pier” genannt, bie italienifche
„Spada“ jowie der „Degen“, der
in den romanifchen Ländern als
Duellwaffe feine Verwendung fin⸗
dei. Zu den Hiebmaffen gehören
der „Säbel“ mit gerader oder
leiht gefrümmter Klinge. NIS.
Uebungswaffe werben meift Säbel
mit leichten, ſchmalen Klingen ver⸗
wendet. Der die Hand deckende
X. 3. Pas Fechten.
Korb ift mäßig breit. Zu den
Hiebwaffen gehören noch der
„Korb-“ und „Glockenſchlä—
ger“ ſowie der „Krummſäbel“,
die in Studentenkreiſen als Kom—
mentwaffen üblich find. Man unter:
jheidet demnad ein „Stoßfech—
ten“ (Fleuret und Spada) und
ein „Hiebfehten“ (Säbel, Korb-
und Glockenſchläger, Krummſäbel).
634. Syſtem der Fechtkunſt.
Die Fechtkunſt als Syſtem unter⸗
Nro. 634—635.
Verteidigung. Die Abwehr
oder Verteidigung des feindlichen
Angriffes erfolgt entweder mittels
der Klinge (feſte Parade) oder durch
eine Gegenaktion (Arroͤtſtoß, Bor:
und Tempohiebe) oder auch durch
Entziehen der Klinge (Kavation),
oder durch einen Sprung nad) rüd-
wärts (bredden der Menfur).
635. Theorie der Fechtkunft.
Die Fechtkunft lehrt die Stellungen
der bewaffneten Hand für Angriff
Qvartsehnirt mach
vorausgegangener Tieiyuartparade
324. Deutfches Säbelfechten nach Schule Rour.
Aus BP. Rour, das Säbelfehten, Verlag H. Pohle, Jena.
fheidet zwei Hauptformen: den |und Verteidigung (Auslage oder
Angriff (Stoß und Hieb) und
die Verteidigung oder Ab-
wehr (Barade).
Angriff. Der durch Scein-
angriffe (Klingenfpiel) eingeleitete
Angriff endigt mit einem auf das
Treffen berechneten Stoß oder Hieb.
Der Angriff kann entweder direkt
gegen den Körper des Gegners,
oder als Scheinangriff gegen den
Körper oder gegen die feindliche
Klinge erfolgen.
Garde), weiter die für die Abwehr
de3 Angriffes zu nehmenden Stel:
lungen der Klinge und der Hand
(Bofitionen), ferner die zur erfolg-
reihen Ausführung der Abwehr
fowie de3 Angriffe® notwendigen
Bewegungen der bewaffneten Hand
(Motionen), jowie die vom Gegner
mit der Klinge nit gededten
Körperteile (Blößen) für den eige-
nen Angriff zu benüßen, oder durch
Scheinbewegungen (Finten) fi
Neo. 636.
neue Blößen zu verjchaffen; fich
jelbft aber gegen den feindlichen
Angriff zu decken (Paraden). Weiter
lehrt uns die Fechtfunft die mit
den Klingenbewegungen in Berbin-
dung zu bringenden Körperbeme:
gungen, die entweder eine Aende—
rung des Abjtandes (Menjur) be-
zweden oder mit welchem gleich:
zeitig ein Angriff verbunden wird
(Bormwärtstreten — Uvancieren,
Rückwärtsbewegungen — Retirie—
Schl Winkelterz konträfempo
felben, wobei der Daumen auf der
oberen Flaͤche des Griffes liegt,
er darf jedoch nit am Stichplatte
aufliegen.
Bei normaler Länge des Griffes
wird der Knopf desfelben außer:
halb der Fauft zu liegen fommen.
Mährend des Stoßes dürfen die
Finger nicht gelodert werden; Die
Manier, den Zeigefinger auf den
Rand des Stichplattes zu legen,
ift entjchieden zu verwerfen. Das
— —— — Zn
325. Deutſches Säbelfechten nach Schule Roux.
Aus P. Roux, das Säbelfechten, Verlag H. Pohle, Jena.
ren — Seitwärtsbewegungen —
Volten — ſowie dem Ausfall).
636. Stoßfechten. Haltung des
Fleurets: Sobald man die Waffe
ergreift, muß man derſelben Herr
ſein; eine geſchickte und ſichere
Haltung iſt ein allgemeines Er—
fordernis. Um vorteilhaft das
Fleuret zu halten, legt man den
Griff derart in die rechte Hand,
daß derſelbe längs des Ballens zu
Fleuret ſoll nicht kräftig feſt, ſon—
dern ſicher gehalten werden. Man
muß das Gefühl der ſicheren Hal—
tung der Klinge beſitzen. Die Füh—
rung der Klinge erfolgt durch Dau—
men und Zeigefinger. Die Waffe
ſoll nicht krampfhaft feſt, ſondern
ſicher gehalten werden. Das feſtere
Faſſen der Waffe, ſei es bei der
Parade oder bei Aktionen gegen
die feindliche Klinge, wird ſich von
liegen kommt, die aneinander ge= ſelbſt ergeben.
jhlofjenen Finger umfafjen den:
Die Stellung — Garde,
— EZ Aue}
rn a ⸗
G. Bergſell. F
X. 3. Das Jechken.
Unter Garde verjteht man jene
Stellung de3 Körperd und der
bewaffneten Hand, aus der jomohl
der Angriff als auch die Verteidi-
gung am vorteilhafteften ausgeführt
werden kann. Durch eine gute
Garde muß man auf jener Seite
wohl gededt fein, in der man ſich
„engagiert“ oder die Klingen „ges
bunden“ hat, oder jene Linie gut
gedeckt haben, die vom Gegner ein
genommen wurde. Daraus geht
Auslage und Bindan der Kli ingen
rechts gen rechts".
Nro. 636.
Knie jenfrecht auf die linfe Fußſpitze
zu ftehen kommt; die Stellung wird
mit einem furzen Schlag des rechten
Fußes „Appell“ eingenommen. Die
Füße ftehen feit am Boden, die
Abſätze, vom Gegner aus gejehen,
müfjen jich deden. Der rechte be—
waffnete Arm iſt mäßig gebogen,
der Ellenbogen nad innen einge-
zogen, die Spite der Klinge in
der Richtung des rechten Auges
des Gegnerd. Der linfe Arm,
326. Deutfches Säbelfechten nach Schule Ron.
Aus P. Rour, das Säbelfehten, Verlag H. Pohle, Jena.
hervor, daß man nur eine Seite
deden kann. Die Garde ift von
größter Wichtigkeit, fie iſt Die
Grundlage des praftiihen Fech—
ten3.
Dem Gegner zeigt man das
ftrengjte Profil, die Schultern zu=
rüdgezogen, der Blid nad dem
Gefichte des Gegners gerichtet. In
der Garde find beide Knie derart
gebogen, daß das rechte Knie jenf-
recht auf den rechten Abſatz, das linke
ovalfürmig gebogen, die linke Hand,
deren Finger mujchelfürmig ge=
Ihlofjen find, über dem Kopfe ge=
halten, jo daß nur die Hälfte der
Handfläche zu jehen iſt. Es ijt dies
die jogen. „Elaffifche” Haltung. Die
bewaffnete Hand wird in der mitt-
leren Bruſthöhe gehalten und der:
art gedreht, daß der Daumen etwas
nach rechts zu ftehen fommt. Es
ift dies die Garde der „Quarte“;
fie dedt die innere linfe Geite.
Niro. 636.
Es gibt jo viele Garden als es
Pofitionen gibt.
Haltung der Spada. Die
Waffe wird mit der rechten Hand
derart erfaßt, daß der Griff in der
Handflähe, der Anja (ricasso)
zwijchen Daumen und Zeigefinger
zu liegen fommt. Der Zeigefinger
ift rund abgebogen und liegt mit
feiner Oberfeite leicht an den Kiffen
an. Der Daumen liegt mit feiner
Snnenjeite an der oberen Fläche
: Schl. Tiefquart
G. Bergfell.
Waffe feft und wird hierin durch
den vierten und den Fleinen Finger
unterftüßt. Groſch „Das Stoß:
fechten italieniſcher Schule” Wien
Seidl.)
Körperbewegungen. Es gibt
Fußbewegungen und Bewegungen
des Armes bezw. der bewaffneten
Hand. Die Bewegungen der be=
waffneten Hand werden häufig mit
ven Fußbewegungen gleichzeitig
ausgeführt.
Sch. Hochquart kontralempo |
327. Deutfches Säbelfechten nach Schule Roux.
Aus P. Roux, das Säbelfechten, Verlag H. Pohle, Jena.
des Anſatzes an und fteht ungefähr
/,;—1 cm vom Kiffen ab. Der
Mittelfinger iſt feitlid um die
Stange gekrümmt, jo daß diejelbe
an der Grenze des erjten und zwei:
ten Singergliedes zu liegen fommt.
Der vierte Finger umfaßt den
Griff faft ganz, während der Kleine
Finger an denjelben angelegt ift.
Die eigentlihe Spigenführung wird
|
Appell. Ein „einfacher“ oder
„doppelter“ Schlag mit dem rechten
Fuß heißt „Appell“. Er wird bei
Nehmen der Garde ausgeführt, um
fih zu verfihern, daß die ſchul—⸗
gerechte Stellung mit dem Körper
eingenommen wurde. Während des
Ausfalles und bei Vorwärtstreten
findet er feine Anwendung. Auch
zum Nachdrucke der Finten, nament-
duch Daumen und Zeigefinger | lich bei Bewegungen gegen die feind>
bejorgt, der Mittelfinger hält die | lie Klinge, erfolgt derjelbe.
— — — — —
„Marchez!“
X, 3. Pas Fechken.
Entfernung der beiden
Gegner — „Menſur“. Die
Entfernung der in der Garde be—
findlichen Gegner wird „Menſur“
genannt. Man unterſcheidet eine
weite, mittlere und enge Menſur.
In der weiten oder außerhalb der
Menſur kreuzen ſich die Klingen
an der Schwäche, nahe der Spitze;
vor Beginn des Kampfes joll dieje
jtet3 eingenommen werden; in der
mittleren Menjur freuzen fich die
Sch! Hochters
a
Nro. 636.
Gegner um eine Fußlänge vor-
gejegt, während der linke Fuß
‚um biejelbe Diftanz folgt. Die
ı Bewegung wird ausgeführt, um die
Menjur zu „gewinnen“. Doc kann
auch der linke Fuß vor den rechten
gejegt werden, worauf der rechte
Fuß nad vorwärts in der Rich—
tung des Gegners gejtellt wird
(mit Volte vorwärts treten).
Rückwärtsbewegung.
„Brechen der Menſur“. „Rom-
Parieri
328. Deutfches Säbelfechten nach Schule Rour.
Aus P. Roux, das Säbelfehten, Verlag H. Pohle, Jena,
Klingen in der Mitte, und benötigt
des Ausfalles, um den Gegner er:
reichen zu fünnen. In der engen
Menfur, oder der nahen, freuzen
fih die Klingen an der Stärke,
nahe dem Griffe; dieſe ſoll ver-
mieden werden.
Bormwärtibewegung.
„Passo avanti“,
„Avancieren“. Schritt vor:
wärts. Der rechte Fuß wird aus
der Garde in der Richtung zum
pez!“ „Passo inditro“. — Schritt
rüdmärts. Iſt man genötigt, die
Menjur zu „brechen“, dann tritt
man entweder mit dem linfen Fuß
zuerft zurüd, worauf der rechte
folgt, oder man tritt zuerft mit
dem rechten Fuß hinter den linfen
(Bolte), worauf diejer die Stellung
nad rückwärts einnimmt. Die
Bewegungen follen ruhig erfolgen,
doch werden fie vielfach auch ſprung⸗
artig ausgeführt. — Die * rechts
Niro. 636.
erfolgenden Seitenbewequngen mer:
den gleichfalls Bolten genannt.
Ausfall. Development, fen-
dez-vous! 63 ijt dies die wid:
-tigfte Fußbewegung und hat den
med, fich feinem Gegner in Treff=
entfernung zu nähern, d. h. den
Gegner aus der mittleren Menfur
treffen zu können, ohne in die
enge Menjur treten zu müfjen.
Mit dem rechten Fuße wird in ge—
rader Linie — der Gefechtslinie
Auslage und Binden der Klingen
‚/inks gegen rechis“
G. Bergfell.
wird, der getroffen werden foll.
Gleichzeitig ſenkt fich der linfe Arm.
Zum NRüdtritt in die Garde wird
vorerjt daS linfe Bein gebogen,
der rechte Fuß nimmt die frühere
Stellung mit einem Appell ein,
desgleichen der rechte und der linfe
Arm.
Bindung der Klingen.
Engagement. Bor dem Gefechte
müfjen fih die Klingen binden,
das heißt kreuzen. — Das erjte
329. Deutfches Säbelfechten nach Schule Rour.
Aus PB. Rour, das Säbelfehten, Verlag H. Pohle, Jena,
gegen den Gegner vorgetreten
(ruhig ohne Appell) — jo daß das
rechte Knie ſenkrecht auf den rechten
Abſatz zu ſtehen fommt. Der rechte
Fuß darf nicht ſtark gehoben wer:
den. Das linfe Bein wird voll-
fommen gejtredt, da® Knie ange:
jogen; der Fuß bleibt mit feiner gan
zen Sohle fejt am Boden. Der rechte
bewaffnete Arm wird vollkommen
geftredt, wobei die Spitze der
Klinge nach jenem Punkte gerichtet
oder unmittelbare Engagement er—
folgt an der inneren Seite in der
Pofition der Duarte. Die Klingen
freuzen jih an ihren Schwächen,
in der weiten Menjur. Das Wech—
jeln des Engagements von der
inneren in die äußere Seite nennt
man Changement.
Angriff. Die Angriffsbemwe-
gungen mit der Waffe können in
zwei Gruppen eingeteilt werden,
in jene, durch die der Gegner di:
— ae, 33 F
X. 3. Das Hcıhten.
rekt, und in foldhe, dur) die nur
die feindlihe Waffe angegriffen
wird. Die erfteren werden Stöße
genannt, zu den lekteren gehören
Battements, Froiſés, Flankonaden,
Croiſès und die Entwaffnung. Dieſe
letzteren ſind vorbereitende Bewe⸗
gungen für den eigentlichen Kampf
und haben den Zweck, die feind⸗
liche Klinge aus ihrer Lage zu
bringen. Sämtliche Stöße können
an der inneren und äußeren Seite,
in den hohen und tiefen Lagen
erfolgen.
Stöße. Jeder Stoß, den man
dem Gegner an der Seite des
Engagements längs ſeiner Klinge
beibringt, wird gerader Stoß genannt
(coup droit, „botta dritta“). Bor
Ausführung des geraden Stoßes
hat die Spige der Klinge, die tiefer
ald das Handgelen? zu halten ift,
die Linie einzunehmen, die direkt
gegen jenen Teil des Körper vom
Gegner führt, der getroffen werden
fol. Nachdem die gerade Linie
der kürzeſte Weg von einem Punkte
zum anderen ift, gelangt man in
der Fechtkunſt dahin, den Lehrſatz
aufzuftellen, daß der gerade Stoß
der beſte Angriff if. Er läßt fi
am fchnellften ausführen, und fol
demzufolge am meiften zur Aus:
führung gelangen. Im richtigen
Moment den geraden Stoß — coup
droit — auszuführen, indem man
mit der Stärfe feiner Klinge Die
Schmäde der feindlichen Klinge be-
zwingt, ift ftet3 ein ausgezeichnetes
Verfahren.
Sinten. Die einfache, durch
einen geraden Stoß zu erfolgende
Angriffsbewegung reicht zur Durch⸗
führung eines Gefechtes nicht aus,
namentlid wenn der Gegner ſich
durch feine eingenommene Stellung
vollfommen gededt Hat. Zu Be:
ginn des Gefechte den feſten An:
griff vermeidend, wird der ge:
wandte Fechter durch Scheinangriffe,
Niro. 636.
Finten, fi Dem Gegner zu nähern
traten. Die Finten fünnen ein-
fache oder zujammengejegte fein,
und Sowohl in „offenfiver“ als
„defenſiver“ Abficht erfolgen. In
offenfiver Abſicht Haben fie den
Zwed, die Klinge des Gegners in
eine andere Lage zu bringen, in
defenfiver Abficht, den Gegner zu
einem Angriff zu verleiten. Die
Finten erfolgen auch in der Abſicht,
fih größere oder neue Blößen zu
verjhaffen, oder den Gegner über
die in Anwendung zu bringenden
Angriffe im Unklaren zu laffen.
Sie müjjen demnah jo täufchend
zur Ausführung gelangen, daß es
dem Gegner ſchwer wird, die Ab-
ficht zu erfennen, und der Gegner
zu einer Gegenaktion gezwungen
wird.
Degagement, Savazione,
Wechſelſtoß. Jener Stoß, den man
aus dem inneren oder dem äußeren
Engagement in die entgegenge:-
fette Seite führt, heißt Degage-
ment. Es ift der Grundftoß ſämt⸗
licher fombinierten Stöße, und kann
aus allen Lagen oder Garden ge:
führt werden. Der Stoß fol mit
der größtmöglichiten Schnelligkeit
ausgeführt werden, da er ſtets in
eine nicht gededte Linie geführt
wird. Stöße, die über die feind-
liche Klingenfpige in die entgegen:
gefeßte Zage geführt werden, führen
den Namen „Coupé“.
Einfache und zufammen-
gefegte Zinten. Die Klugheit
erfordert es oft, nicht in jene Linie
zu ftoßen, in der man die Blöße
fiebt; um das geftellte Ziel er:
reihen zu fünnen, wird man daher
genötigt fein, ji) andere Blößen
zu verihaffen. In diefem Falle
zwingt man den Gegner, durch
einen präzis ausgeführten Schein:
ſtoß — Finte — auch durd) einen
geraden Stoß an der Klinge
„Soule”, „Filo“ — die offene Linie
Niro. 636.
zu Schließen, um im Momente der
von ihm genommenen Oppofitions-
parade den Stoß entweder in die
vom Gegner verlaffene, demnach
jegt nicht gededte Linie oder übers
haupt in irgend eine andere ftch
ergebende Blöße zu führen, da,
wenn fi) der Gegner noch fo gut
deckt, fich jtetS mehrere Linien dem
Angriff darbieten. Diefe Handlung
der eigenen Klinge wird „Umgehung
der Klinge” oder „Tromper l'épée“,
Cavazione, genannt. Die Um⸗
gehungen der Klinge erfolgen durch
Degagements; durch diefelben er:
folgen die fombinierten Stöße. Zu
diefen werden gerechnet das:
Une-deux, finta cavazione,
zwei Degagements in entgegen:
geſetzte Lagen. |
Une-deux-trois,
drei Degagement3ö in entgegen
geſetzte Lagen.
Doubl&ments, contro cava-
zione, zwei Dögagement3 in ein und
diejelbe Lage — wenn der Gegner
dem erjten Degagement mit einer
Kontreparade oponiert. Das Dou:
blement Tann mit dem Degagement
in Verbindung gebracht werden als:
Degagez-Doublement oder Dou-
hlement-Degagez. — Weiter fann
das Degagement mit der Sefonde:-
firte, al3 „feinte de seconde*“,
verbunden werden. Sollen mehr
alö zwei Finten angewendet wer-
den, jo müffen diefelben getrennt
werden, jo daß die erjten zwei in
Form einer
Scheinattafe, Sceinan:
griff, erfolgen. Die Scheinattade
ift die ergiebigite Duelle der Fechts
funft, um die Fechtweife des Geg—
ners fennen zu lernen. Gegen
einen echter, deſſen Fechtweiſe
man nicht Tennt, joll man nie mit
einem auf das Treffen berechneten
Angriff angeben. Die Schein:
attade läßt alle Kombinationen zu,
und nötigt demgemäß den Gegner
6. Bergfell.
zu allen PBaraden. Hat man es
mit einem Gegner zu tun, der auf
ale Attaden gleichzeitig mitftoßt,
fo ift dies das einzige Mittel, um
den gleichzeitig geführten Stoß
parieren zu fönnen. Zu dieſen
Scheinangriffen gehören auch die
Falſche-oder Sheintempos3.
Es find dies Finten, welche ange:
wendet werden, um den Gegner zu
Vorſtößen zu verleiten, oder ihn zu
unregelmäßigen, für ihn gefährliche
Bewegungen zu veranlaffen.
Bor= oder Arröt: und Tempo-
ftöße. Man verfteht im allgemeinen
darunter jene Stöße, Die dem Gegner
während feines Angriffes beigebracht
werden. Sie können entweder
während des feindlichen Angriffeg,
oder im Momente des feindlichen
Stoßes felbft erfolgen. Sie hindern
den Gegner in Ausführung feines
Angriffes, namentlid dann, wenn
er einen langen fombinierten An:
griff durchzuführen beabfichtigt. Die
Anwendung der Tentpoftöße als
Bedrohung, um den Gegner in
der Durchführung feiner Attacke
aufzuhalten, ohne ihn treffen zu
wollen, iſt ftet3 vorzuziehen.
Parade, Sene Bewegung der
Klinge, die den feindlichen Angriff
ablenft, beißt Parade. Diefe Aktion
erfordert Sicherheit, Genauigkeit
und Selbftvertrauen; man muß
genau wiſſen, wo fi die Hand,
bie Stärfe und Schwäche der Klinge
befinden ſoll, um die feindliche Klinge
aus ihrer Angriffsrihtung bringen
zu können. Die Parade, die man
gegen die Finten des Gegners -
nimmt, nennt man Oppoſitions⸗
paraden; fie verfolgen nur den
Zweck, die bedrohte Linie zu ſperren.
Die Abwehr des feindlichen An:
griffes Tann entweder durch eine
einfache oder durch eine Kontre⸗
parade erfolgen. Die einfache
Parade ift wohl die einfachfte. Die
Zahl derjelben ift act, obwohl
X. 8. Das Fechten.
nicht alle in Anwendung kommen.
Es find dies die
Prime, gegen obere innere
Stöße, findet felten Anwendung,
Setonde, gegen äußere untere
Stöße,
Tierce, Terz, gegen äußere
obere Stöße,
Duarte, gegen innere Stöße,
Quartesurlesarmes, aud
Cinquie&me, gegen äußere obere
Stöße, die Hand in der Garde der
Duarte, anftatt der Tierce Parade,
Quarte croisee, Sixieme,
gegen innere tiefe, nicht regelrecht
geführte Stöße,
Demi-Cercle, Septi&me,
gegen innere tiefe Stöße und
Octave oder Huitieme, ge-
gen äußere untere Stöße, anjtatt
der Seconde Parade.
Kontre-Kontra-Paraden.
Jede mit gleichzeitiger Umgehung
der feindlichen Klinge ausgeführte
Parade iſt eine Kontre: Parade. —
Dieſelben können gegen einen ein⸗
fachen geraden Stoß oder gegen
Finten und gegen jeden Endſtoß
in Anwendung kommen. Die Um:
gehung der feindlichen Klinge er-
folgt bei den oberen Stößen unter:
halb, bei den unteren Stößen ober:
halb der Klinge durch eine Inappe,
freisförmige Bewegung und bringen
die feindlihe Klinge in jene Lage
zurüd, aus welcher der Stoß oder
die Finte des Gegners erfolgte.
Ripoſte, Nachſtoß. Jener Stoß,
der unmittelbar einer vollbrachten
Parade nachfolgt, heißt Ripoſte, es
iſt der ſchnellſte Uebergang von der
Defenſive zur Offenſive. Viele
Fechter, die den Vorteil einer gut
ausgeführten Ripoſte zu würdigen
wiſſen, führen nur Scheinattacken
aus, um ihre volle Kraft in die
Ripoſte zu legen. Die einfache,
ohne Zeitverluſt ausgeführte Ripoſte,
die des geraden Stoßes, iſt der
zuſammengeſetzten vorzuziehen.
Nro. 637.
Repriſe, „Rimeffa“, iſt ein
wiederholter Stoß, der entweder in
dieſelbe oder in die entgegengeſetzte
Lage geführt wird; dieſer Angriff
eignet ſich nur dann, wenn der
Gegner entweder gar nicht, oder
mit großem Zeitverluſte ripoſtiert.
637. Hiebfechten. Die beim
Stoßfechten gegebenen theoretiſchen
Erläuterungen, betreffend der Kör⸗
perbewegungen und Stellung —
Garde — der Menſur, der Finten,
der Scheinattacken, der falſchen oder
Scheintempos, der Paraden, der
Ripoſten und Repriſen haben auch
n Hiebfechten ihre volle Gültig-
eit.
Haltung tes Säbels. Die
Waffe wird derart gehalten, daß
die ungezwungen aneinander ges
ſchloſſenen Finger den Griff gänz—
lich umfaflen, und der Daumen am
Rüden des Griffes zu liegen fommt.
— Bei den öfterreichifchen, fälſchlich
franzöſiſchen Säbel genannt, liegt
infolge des fürzeren Griffes der
Grifffnopf am Ballen, bei den mit
längerem Griffholz verfehenen itas
lienifhen Säbel befindet ſich der
Griffinopf außerhalb der Fauft.
Stellung — Garde. Die
Gardeſtellung ift beim Säbelfechten
rüdfihtlid der Füße und des
Oberkörpers genau Ddiejelbe wie
beim Stoßfechten,; die linfe Hand
liegt in der Höhlung des Kreuzes.
Der bewaffnete Arm mäßig gebo:
gen, die Hand meilt in der Garde
der hoch Tierce, in mwelder Lage
fih die Klingen der beiden Gegner
freuzen; doch kann die Stellung
auch in der Garde der tief Tierce
und Seconde genommen werden.
Binden der Klingen —
Engagement. Das Binden der
Klingen erfolgt an der Schneide mit
ganz leichter Fühlung in der weiten
Menfur; die beiden Klingen berüh—
ren ſich daher an ihrer Schwäde.
Paraden. Nachdem die Klinge
Nro. 638.
bei dem Hiebe nicht wie beim Stoße
in der Richtung ihrer Länge, fon:
dern in ihrer Breite auf den Gegner
eindringt, fo genügt ein bloßes
Ablenken der feindlidhen Klinge,
wie e3 beim Stoßfechten der Yal
it, nit, um einen Hieb abzu-
wehren, muß der feindlichen Klinge
ein direkter Widerftand entgegen:
gefeßt werden. Damit die Parade
wirkſam ſei, muß dem feindlichen
Hiebe ftet3 die Stärfe der Klinge und
die Schneide entgegengejeßt werden.
Die Widerjtandsfähigfeit nimmt
ab, je weiter nach vorn, der Schwäche
zu, der feindliche Hieb fällt. Die
Paraden können erfolgen: dur
DOppofition, gegen Finten, durch
fefte PBaraden, gegen Hiebe
und Stöße, duch Zedierung,
Nachgeben und Drehung der Hand
in die betreffende Poſition, und
ſchließlich durch Kavation, Aus:
weichen oder Zurüdziehen des
Armes, jo daß fi der Gegner
„verhaut”. Dieſe Art ver Parade
wird auch als negative Parade
bezeichnet.
Feſte Paraden. Die Prime
dient zur Dedung der oberen und
inneren Hiebe, namentlich des Kopf:
hiebes.
Die Sekonde dient zur Deckung
der unteren äußeren, nach der Hand
oder dem Körper geführten Hieb.
Die Tierce, Terz, dient zur
Dedung der äußeren oberen Hiebe.
Die QDuarte dient zur Deckung
der inneren Siebe.
Nah der italienifden Schule
kommt noch die
Parade der Quint, Duinta,
hinzu, zur Deckung der oberen
Hiebe.
Hiebe und Stöße. Die
Hiebe werden ſowohl nach der Hand
als auch nach dem Körper geführt,
die Stöße als Finten oder ausge—
führt direkt gegen den Körper. Bei
Ausführung eines Hiebes kann man
G. Bergſell.
zwei Tempos beobachten und zwar
das Anziehen der Klinge zum Hieb,
und dann den eigentlichen Hieb
nach dem Körper oder der Hand
des Gegners. Es gibt innere und
äußere Hiebe, obere und untere. —
Die Führung der Hiebe ſollen mit
möglichſt feſten Handgelenke mit
Hilfe des Ellbogengelenkes geführt
werden, doch wird man bei Bor-
bieben der Hilfe des Handgelenkes
nicht enibehren können.
Nah dem Körper werben der
Kopfbieb, der Geſichtshieb
nad der rechten und linken Seite,
der Bruſthieb und der $lanfen-
hieb, äußerer Körperhieb, nad
der Hand und dem Arm Der
Quartebieb, der innere Handhieb,
der Tiercebieb, der äußere obere,
und der Sefondehieb, der äußere
untere Hieb, geführt. — Nach der
öfterreichifchen Säbelſchule finden
die Stöße nur ala Finten Anwen:
dung, während nad) der italienifchen
Säule die Stöße direkt gegen den
Körper ausgeführt werden. Als
Trefffläche gilt der Kopf, die Arme,
und der Oberkörper bis zur Hüfte.
638. Aſſaut. Die Enpftufe der
ſchulgerechten Ausbildung ift das
„Aſſaut“, au „Rontrafedten“
genannt. Es ift die bebingung3-
weije freiefte Anmwendung des in
der Schule Gelernten und fol ung
jtet3 ein Bild des ernften Kampfes
geben. Die Bedingung, an der fich
die freie Anwendung fnüpft, ift eine
zweifache. Erſtens hängt die Pa-
rade ftet3 von den Angriffen des
Gegners ab, und zweitens ift trotz⸗
dem der Angriff von dem Verhalten
des Gegnerd abhängig. Daraus
ergibt ſich, daß das Affaut fi) nicht
nad einem bejtimmten Plane aus:
führen läßt, fondern ſich erft wäh⸗
rend feines Berlaufes ſelbſt ent-
widelt.e — Das Affaut kann mit
einer zweifachen Tendenz gefocdhten
werden; entweder befteht diefe darin
X. 3, Das Jechten.
zu lernen, und bat den Zwed, als
lehrreihe Uebung betrachtet zu
werden, oder es ift das des Ehr⸗
geize8 und Hat den Zwed, den
Gegner zu übermältigen. Geht
man biebei foweit, daß man be-
dingungslos den Gegner zu treffen
ſucht, jo iſt eine ſolche Uebung
entſchieden zu verwerfen.
639. Die Fechtkunſt als Sport.
In letzterer Zeit iſt jene Pflege
der Fechtkunſt, welche die Vorbe—
reitung zum ernſten Kampfe als
Endzweck hatte, mehr oder weniger
in den Hintergrund getreten; dies
jelbe wird gegenwärtig als Spiel
im eigentliden Sinne des Wortes
betrieben. Auf dieſer Grundlage
werden aud die bei Fechtturnieren
üblichen Fechtregeln aufgebaut. Nach
diefen entjcheidet unter möglichfter
Beibehaltung des logischen Stand-
punktes nit das Treffen allein,
fondern auch die forrefte Durd-
führung der fechterifchen Aktion.
640. Schugvorrichtungen. Um
Verlegungen beim Scyulfechten und
den Uebungen zu vermeiden, dienen
Geſichts- oder Fechtmasfen, echt:
handſchuhe, Meifelihug, ſowie
Fechtröcke, die für die Fechtübungen
mit dem Säbel, namentlich mit
dem Schläger, ſtark wattiert ſind.
Die Klingen ſind ſtumpf und jene
der Stoßwaffen an der Spitze mit
einem Metallknopfe verſehen.
641. Erteilung des Fecht⸗
unterrichtes. Die Fechtkunſt be⸗
ginnt mit dem Unterricht des ein-
zelnen ohne Gegner. Bor allem
werden die Körperbewegungen, ſo⸗
mie die Haltung und Führung der
Waffen für Angriff und Verteibi-
gung gelehrt, ſowie das Verhalten
gegenüber den verſchiedenartigſten
Angriff: und Verteidigungsformen.
Erſt fpäter folgen Uebungen mit
einem Gegner, wobei Art und
Reihenfolge der anzumendenden
Angriffs: und Verteidigungsbewe⸗
Nro. 639-642.
gungen (angefagte Stöße und Hiebe
und Paraden) zunächſt vom Lehrer,
fpäter auch von dem Gegner felbft
angegeben werden. Im Stoßfechten
wird zu diefen Hebungen das fog.
„Au mur“ gezählt. Mehrere auf-
einanderfolgende mwechjelfeitige An-
griffe und Paraden nennt man einen
Gang.
642. Damenfehten. Daß fich
bei den Damen der vornehmen
Welt in der neueften Zeit eine
Modeneigung für körperliche Mebun:
gen entwidelt hat, kann nicht ge⸗
leugnet werden ; fie huldigen gegen:
märtig allen Zmeigen körperlicher
Spiele und Sporte mit großer
Vorliebe. Dieſe auffallende plötz⸗
lihe Neigung der neueren und
neueften Zeit dürfte ihren Grund
darin haben, daß die vorwiegend
geiftige Zeitrichtung des 18. Jahrh.
und der eriten Hälfte des 19. Jahrh.
jede Art körperlicher Uebung jo
beftig zurüddrängte. Das Damen:
fechten ift aber durdaus feine Er⸗
rungenfchaft der Neuzeit. Ohne
bis in die älteften Zeiten zurüd:
greifen zu müfjen, finden wir, daß
Brantöme in der zweiten Hälfte
des 16. Jahrh. über die Sitten
der damaligen Modedamen unter
anderem folgende Mitteilung madt:
„Diele Damen buldigen dem Waffen:
fpiele; die deutſchen Damen
balten unter ſich Turniere mit et:
was zierlihen Lanzen ab, und die
Damen in Bologna fehten ganz
ernithaft untereinander. Die Edel⸗
leute find von der Fechtkunſt der
Damen ganz entzüdt.” — Aud
Cervantes erwähnt der Yedht-
funft der Damen, und Lejage
Ipricht von einer Dame, die Yecht:
unterricht den jungen Damen er-
teilt. 2a Colombiere erzählt,
daß es Damen gibt, die den Degen
an der Seite tragen, und gegebenen
falls denſelben auch im Ernitfalle
gut zu führen verftehen. Mit dem
Nro. 642.
18. Jahrh. trat die Ausübung der
Fechtlunft bei den Damen voll:
jtändig zurüd. Der Geift ber
Wateauſchen Schäferbilder be⸗
herrſchte die Mode. Ein erfreu⸗
licher Umſchwung zeigte ſich in den
letzten Jahrzehnten. Die Damen
begannen zuerſt vereinzelnd Fecht⸗
unterricht zu nehmen, welchem Bei⸗
fpiele in richtiger Beurteilung bes
Hygieniihen Standpunftes fich in
neuefter Zeit in allen größeren
Städten Damenfedtabteilungen bil:
beten, bie dem Florettfechten hul⸗
digen. Bei regelrechter Handhabung
diefer zierliden Waffe wird die
allfeitige Entwidlung der körper⸗
lichen Kraft und Geſchicklichkeit
hervorgerufen und gefördert; der
ganze Körper erhält durch die ein:
®. Bergfell: X.
8. Pas Fechten.
beit und Zierlichteit der Bewegungen
jene Gefchmeibigfeit, Die ber Körper:
baltung weibliche Anmut verleiht.
Der Einwand, daß bei der Fecht⸗
funft eine Körperfeite auf Koften
der anderen ſich entwidele, ift beim
Florettfechten durchaus nicht ſtich⸗
baltig, denn diefe Uebungen laſſen
volle Freiheit der Bewegungen zu,
bier werden alle Musteln gleid:
mäßig in Tätigkeit gefegt. Neben
dem Wert des Ferhtend vom by:
gienifchen Standpunkt bemerkt Dr.
Karl Holftein, daß biefe Be
wegungsart die vollfommenfte ift,
der man ſich Hingeben Tann, und
insbeſondere die Damen, die fid
im Stadium der Entrwidlung be
finden, veranlaffen fol, diefer edlen
Kunft fleißig zu obliegen.
*
J
—— —
FEN un zaods sux) "aıyavdyp210j$ aouio 199 sqnjaoduaj aauaica saq au
ru Wann men FE,
XI. Sport und Rafenfpiele.
Von
Eva Gräfin von Baudillin.
(Zum Teil unter Mitarbeit von Alfred Steinitzer.)
1. Polo.
Reiterpolo. |
643. Einleitung. Eines der
ältejten Spiele, von dem wir fchrift-
liche Kunde haben, ift das Polo;
Thon vor 2000 Jahren wurde es,
wie Firduſi Schreibt, von Perjern
und Medern unter dem Namen
„Chaugan“ gefpielt. Selbſtver⸗
ſtändlich handelte es ſich nur um
das Reiterpolo, zu dem in Aſien
ein gutes Ponymaterial vorhanden
war. Rad⸗ und Waſſerpolo ind
Variationen unferer Zeit. Die
Inder akzeptierten das Poloſpiel
ebenfall3 mit Leidenſchaft, ja, fogar
nah SKonftantinopel gelangte es,
nad) den Berichten des Geſchichts⸗
ſchreibers Kimano. Dann jedod
wurde e3 in vielen Ländern wieder
volftändig vergeffen. In Border:
indien 3. B. fanden Engländer bei
der Okkupation der Halbinfel feine
Spur des Spiele3 mehr vor, wäh:
rend es von den Eingeborenen
Hinterindieng noch eifrigft gepflegt
wurde; fie benutten als Spiel:
fameraden die fchnellen Birmaſchen
Ponys. Mit Enthufiasmus nahmen
‚die Engländer das Spiel auf, er-
jegten die einheimifhen aber bald
durch die noch leichtfüßigeren, ara-
bifhen Pferde. Im Jahre 1859
wurde der erfte Poloflub in der
anglo:indifhen Armee gegründet;
1869 wurde das Spiel zum erjten-
mal in England unter dem Namen
„Hodey zu Pferde” von zwei Offi⸗
zieren vorgeführt, 1871 fand im
Lager von Alderſhott das erſte
öffentliche Preiswettſpiel ſtatt, dem
1872 die Gründung des erſten Po⸗
loklubs in Europa, des „Mon⸗
mouthſhire-Polo⸗Club“ folgte, jetzt
beſtehen in England einige ſiebzig
Poloklubs. In Deutſchland bür⸗
gerte fi das Spiel erſt allmäh:
lih und fpät ein — von einer all:
gemeinen PVerbreitung darf man
auch jest faum reden — doch haben
fih nad dem Beifpiel der Ham:
burger, die 1898 den „Hamburger
Poloflub” begründeten, auch in
Frankfurt, Hannover, Berlin und
fürzlih in Münden Klubs eröffnet.
Die übrigen Länder Europas
find Deutfchland zuvorgefommen:
und zwar war Frankreich das erfte
Land, das mit Eifer das fchöne
und vornehme Spiel bei jich ein-
führte, Rußland und Ungarn, letz—
teres ja präbdeftiniert durch feine
vorzüglichen Reiter, Huldigen dem
Polo ebenfallg ſchon feit ven neun:
Nro. 643. . €. Gräfin Baudilfin.
ziger Jahren des letzten Jahrhun- großer, ftarker Spieler immer ‚im
derts. Die Borbedingung zum Spiel | Vorteil gegen den fleineren, leich-
ift allerdings die, daß man ein tüch- | teren fei und von diefem gefürchtet
tiger, gewandter Reiter jein muß und gemieden würde.
und ein geeignetes, gut eingeübtee Dem Spiel mit jeiner reichen
Pferd bejigt. Dem fehönen Sport | Abwechfelung und den Eigenſchaften,
jteht bei ung ein wenig feine Koft- | die es erzieft — denn Energie,
jpieligfeit entgegen; dur Einfüh- Mut und fehnelle Geiftesgegenwart
rung argentinifher Ponys aber, | jind feine Grundlagen — fann nur
330. Polofpieler 5. Haßberg jun.
die jih noch nebenher als Wagen-
pferde benüten laſſen, wird dies
Bedenken behoben; vielleicht gefhähe
das noch mehr, wenn man fi
auch, wie in England, entichlöfie,
Gjel zum Polo einzuführen, deren
Sntelligenz der des Bolopony3 kaum
nachſtehen jol; mas ihnen an
Schnelligkeit fehlt, erſetzen ſie Durch
Ausdauer. Daß fih große und
ſchwere Gejtalten für das Poloſpiel
nicht eigneten, bejtreitet 3. B. der
Hamburger Haßberg jun., der
fih am meiften um die Einführung
des Poloſpiels in Deutſchland ver-
die alergrößte Ver⸗
breitung inDeutjch-
land gewünſcht wer-
den; auch den Reiz,
der jeden echten
» Sport eigen fein
joll: den einer Ge-
fahr, befitt eg, und
das lebhafte, ſchöne
Bild der mett-
fämpfendenSpieler
und mit fabel-
baftem Berjtändnig
auf alle Inten—
tionen der Reiter
eingehenden Pferde
löſt aud im Zus
ſchauer hellſte Be—
geiſterung aus.
Vielleicht darf das
Polo, weil es eben
an Menſch und Tier
und ihre Gewandt—⸗
heit gleih Hohe
Anforderungen ftellt, das königlichſte
aller Raſenſpiele genannt werden.
Bon bejonderem Wert ift das
ch Bolojpiel in den Kolonien; dort
führten die Engländer es ja auch
zuerjt zur Zerftreuung ein. Auf
manden Stationen bildet es die ein-
zige Unterhaltung und Abmwechfelung
für die Offiziere, und es ift anzu:
nehmen und zu hoffen, daß es fich
allmählich auch in den deutfchen Ko—
lonien einbürgern wird. Da Pferd
und Reiter jtetS in „guter Form“
jein müſſen, zwingt es die Spieler
zum regelmäßigen Trainieren und
dient gemacht Hat, aufs entfchie: | verhindert fie zu gleicher Zeit, zu
denfte, er behauptet jogar, daß ein | trinfen oder ausfchweifend zu leben
XI. 1.
— die beiden Hauptgefahren für
die in öden Gegenden Stationierten
ſind damit beſeitigt! Ueberall hat
es ſich gezeigt, daß die beſten eng⸗
liſchen Poloſpieler zugleich die beſten
und tüchtigſten Offiziere geweſen
find; deshalb wird bei der eng-
liihen Kavallerie das Polo dienſt⸗
lich betrieben. Hinter diejen mili-
täriſchen Nuten des Spiels iſt man
bei ung noch nicht gefommen —
gut Ding will gut Weil haben —
in Deutichland!
644. Das Bolo:-Pony. Da fi
in Deutſchland bisher wenig ge-
eignetes Pferdematerial zur Ber-
wendung beim Bolofpiel findet, ift
man bauptfädlih auf ausländifche
Pferde angemwiejen. Man darf wohl
hoffen, daß ſich mit der beginnen:
den Beliebtheit des Sports aud)
die Einficht entwidelt, bei ung im
Zande mehr Polo-Ponyg zu züchten,
wie Dies bereit3 in England ge=
ſchieht. Dort fuht man die Bor:
züge des fogen. „engliſchen“ Ponys,
das meiftend aus Wales kommt,
durch befondere Zucht noch meiter
auszubilden. Trogdem ift heutzutage
Thon das enalifche Bony durchaus
das brauchbarſte, beliebtefte und —
teuerfte und wird wegen feiner
Ausdauer dem arabifchen Pferd,
das in Indien als beites gilt, vor-
gezogen. Die nordamerifanifchen
Polo⸗Ponys find gleichfalls gut und
foftfpielig; während der Preis für
die argentinischen, wie ſchon gejagt
wurde, bedeutend geringer ift. Der
Hamburger Poloklub unterftügt die
Einfuhr diefer Pferderaffe, die fich
auch befonder3 gut zum Springen
eignet, aufs lebhaftefte.
Das Polo-Pony ift fein „Ichönes“
Pferd; dem Beſchauer fällt fofort
der etwas zu jchwere Kopf auf.
Die Schönheiten des Polo:Ponys
follen auch mehr „innerlih” fein
— mehr noch ald von einem an:
dern Pferd wird größte Vollkommen⸗
Polo. Nro. 644-645.
beit verlangt: es muß ftarf und
ausdauernd, weichmäulig und ge-
borfam fein, tadellos funktionierende _
Lungen, viel Temperament und
dennody feinerlei Untugenden be=
fiten; die Beine müffen „normal
geftellt” fein, um feine Verlekung
bei plöglichen Wendungen berbei-
zuführen — furzum, das Bolo-Pony
muß fi in feiner Art als ein
Ausbund hippiſcher Tugenden re⸗
präfentieren. Seine Höhe ift bei
uns auf 147 cm feftgeftellt, dem
das vorgefchriebene englifhe Maß
von 14 hands 2 inches genau ent:
fpridt. Amerifa fordert 14 hands
1 inch, Xegypten 14 hands !/,
inch — Indien dagegen bleibt bei
den Fleinften Pferden von 13 hands
3 inches.
645. Trainieren des Ponys.
In England gibt es verjchiedene
Lehranftalten für Polo-Bonys. Die
berühmtefte ift das Traininginftitut
der beiden Brüder Miller in
Springhall. Die Ausbildung des
Pferdes nimmt mehrere Monate in
Anfprud. In Springhal werden
„rohe“ Pferde, die Privatperjonen
gehören, drefiiert; doch find dort
auch ausgebildete zu Faufen, die ca.
ſechs Sahre. lang trainiert werden.
Natürlich wird für ſolche Ponys
ein hoher Preis gefordert (bi zu
5000 Mark). Jeder Spieler hat
mindeſtens zwei Bony3 nötig, mit
denen während des einftündigen
Spieles alle zehn Minuten gewech⸗
jelt wird. Dadurch ift es möglich,
in einer Woche mit beiden Tieren
zweimal an einem Spiel teilzu-
nehmen, ohne fie zu überanftrengen.
Die übrige Zeit wird zum Trai-
nieren benüßt, defjen Hauptaufgabe
das zum „Oaloppanipringen“ von
der Stelle ſowie die Erreichung
größter Schnelligkeit für kurze Ent:
fernungen ift. Bei dieſen beiden
Erfordernifjen, ebenfo beim geſchick⸗
ten Wenden, der nächſten Aufgabe,
J
4
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—*
4 (4
‘
*
Nro. 646.
\ —
muß das Pony möglichſt unab—
hängig vom Zügel gemacht werden;
denn die Hilfe des Reiters wird
meiſtens nur in der Gewichtsver—
teilung liegen können. Um das
Pferd an den Ball zu gewöhnen,
legt man ihm anfangs eine mit
Zucker beſtrichene Kugel in die
Krippe und zieht dieſe ſpäter als
Köder auf dem Spielfeld vor ihm
her. Der Poloſtock darf niemals
zur Züchtigung benutzt werden, da—
331. Abdrängen des Gegners vom Ball.
mit das Pony ihn nicht fürchtet;
bei langjamen Gangarten wird das
Tier an das MVorbeiführen des
Stores an jeinem Kopfe gewöhnt,
bis es ihn genau kennt und nicht
mehr jcheut. Das „Drängen“ lernt
eö neben einem trainierten Pferde,
das zuerjt nur dicht neben dem an:
zulernenden hergaloppiert und es
Ichließlich zum Kampf herausfordert.
Nicht jedes Pony eignet ſich zum
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E. Gräfin Baud
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iſſin.
Polo. Mit Tieren, die beim Trai-
ning als temperamentlos, biſſig
oder ftörrijch erfannt werden, lohnt
es nicht, fich aufzuhalten. Beim
Trainieren wie beim Spiel werden
dem Pony zum Schuß Streichfappen
und Galoppiergamafchen angelegt.
646. Trainieren des Spielers.
Der Spieler muß diefelben Künfte
beherrfchen wie jein Pferd, nämlich
gute, jharfe Wendungen, jchnelles
Angaloppieren, und ebenjoldhes
Durchparieren. Das für den An-
fänger am ſchwerſten zu Erlernende
befteht jedoch in der Fähigkeit, die
linfe Hand abjolut ftil zu Halten,
während die rechte operiert. Die
fertigen Spieler lafjen die Zügel
oft ganz fallen, jteuern dad Pferd
alfo nur dur) Gemwichtäverteilung,
wie jchon oben bemerft murde.
Zum Erlernen tft das Weben bei
einem Brofejjional, der den Ans
fänger über die richtige Führung
des Stodes, Haltung des Armes ıc.
jomwie über die Hauptichläge unter-
richten wird, faft unerläßlich. Später
bildet fich bei jedem befjeren Spieler
eine eigene „zorm” aus, zufammen=
gejett aus den Tricks, die er andern
abgegudt oder die er fich jelbft
durch Hebung und Erfahrung er—
funden hat. In den Klubs ftehen
für die Anfänger hölzerne Pferde
zum Lernen bereit, da es unmög—
lich jein würde, vom lebenden Tier
aus gleich nach dem Balle zu ſchla—
gen; vor allem, weil fich das Pferd
die Ungejchiclichfeit des Lernenden
in den erjten Stadien faum gefallen
läßt. Vom Holzpferd aus wird
zuerſt das Treffen ruhig liegender
Bälle und ihr Treiben in eine be—
ftimmte Richtung geübt; dann erft
lernt man da3 Treffen der rollenden
Bälle. Beim Schlagen muß der
Ball feft ins Auge gefaßt werden,
der Blif darf alfo nicht, wie es
unmwillfürlich gejchieht, dem aus—
‚bolenden Arm folgen, Das Schla- |
vw DZ FE ea - Zr Fr u Fa Zu u 9 BE HA Fe
—. Am u mi u
XI. 1. Polo. Nro. 647-649.
beren Methode, zahlreichere Teil:
nehmer zuzulaflen. In die Mitte
der großen Raſenfläche, die das
Spielfeld bildet, wirft der Un:
parteiifche den Ball, der von den
Parteien in das feindliche Tor ge:
trieben werden fol; diefes liegt an
der Grenze des Spielfeldes. Ges
fiegt bat diejenige Partei, die ſich
innerhalb der beftimmten Zeit die
gen des Balles vom Bolo-Pony
aus wird nacheinander im Schritt,
im Trab und im Galopp geübt;
immer muß der Reiter beftrebt fein, |
linf3 und zwar in einer Entfernung
von höchſtens einem Meter am Ball
vorbeizufommen. Im Augenblid
des Schlagen? muß das Pony bes
reit3 die Richtung, in der nun der
Ball fliegen fol, eingenonmen ha-
ben, denn aus einer Wendung | meiften Tore erobert hat. Durch
heraus den Ball gut und fiher zu| Sohn Watfon, auf deflen Zu:
treffen, ift ein großes Kunftftüc, | tun der Hurlingham-Klub das Spiel
Die Handhabung des Schlägers fo: | afzeptierte, hat es feine Phyfiogno:
wie das Abdrängen des feindlichen | mie dahin geändert, daß es nicht
Pferdes verlangt große Vorſicht; mehr auf die hervorragenden Lei⸗
niemals darf das Spiel ausarten, | ftungen des Ginzelnen ankommt,
troß aller Begeifterung ; wenn auch | fondern auf die gemeinfame Durch⸗
alle Vorteile wahrgenommen wer: | führung des Spieles von der ganzen
den, muß es „fair“ bleiben. Zum Partei. Dadurch ift das Polo mie
Abdrängen des Gegners dürfen
nur die Schulter und der feit an
den Körper gedrüdte Oberarm ver-
wendet werben.
647. Kleidung des Spielers.
Der Kopf, als der am meiften ge⸗
fährdete Teil, da ihn doch ein un-
vorfichtiger Hieb treffen kann, wird
beim Polo mit einer feften Kappe
gejchügt, die in England fogar eine
Korfeinlage befommen hat. Die
Klubfarben zeigen fich an der ärmel«
Iofen Weite, die über einem feide-
nen oder flanelle:
nen Hemd getragen
wird. — An die
(kurze,
weite Reitbeinflei-
der) von weißer
rbe fließen ſich
ohe, braune Leder⸗
tiefel.
648. Erklärung
des Spieles. Zum
Spiel ſind jetzt in
allen Klubs und
Wettſpielen zwei
Parteien zu je vier
Spielern nötig,
entgegen der frü⸗
9 - 194
MWTINHTSE
an
— —— — — — — — — —
kein anderer Sport dazu geeignet,
Disziplin und Kameradſchaftlichkeit
zu fördern und den, der ſein beſtes
Können einſetzt, dennoch beſcheiden
in der Allgemeinheit untertauchen
zu laſſen.
649. Der Spielplatz. Den vor⸗
geſchriebenen Umfang von 240 m
Länge und 160 m Breite wird der
Spielplat nur felten beiten; auch
der urſprünglichen Form des Recht:
ecks werden in England zum Bor:
teil des Spiels jetzt häufig abge:
— —— —— — — — — — u — — — — — — — — — —
160 m.
Mittet- OPunke
$ Mrter: Linie
— — — — — — — — — — — — — — — ÿ0
— — — — —
Seiten - Linie
332. Spielfeld und Aufitellung der Spieler im Neiter-Polo.
Nro. 650-651.
rundete Eden gegeben.: Aber die
Hauptbedingung: ein möglichſt
ebene3 Terrain, das ſich höchitens
vom Mittelpuntt aus ein menig zu
den Breitfeiten, nie zu den Längs-
jeiten hin neigen darf, muß vor:
handen jein. In England, dem
Zande des fchönen, kurzen Rafens,
E. Gräfin Baubiffin.
entjtehen. Auch das Sprengen in
trodenen Monaten ift mühſam und
geſchieht meiſtens durch Handſpreng⸗
wagen mit breiten Rädern. Falls
man keine feſte Einfriedigung um
den Platz ziehen kann, werden die
Grenzen mit Kreideſtrichen mar⸗
kiert; ebenſo werden in 25 m Ab⸗
wie ihn auch das Tennis verlangt, ſtand von jeder Breitſeite die „Mal⸗
ift das ein Leichtes, ihn auch über
die Größe des Bolofeldes in guter
Kondition zu halten; bei uns be—
darf das vieler Koften und Mühen.
Ehe darum der Spielgrund berge-
richtet wird, muß der Boden dar-
aufhin unterjucht und event. foviel
abgegraben und neu aufgejchüttet
werden, daß man auf guten Gras:
wuchs rechnen darf. Das Gras
wird ganz furz und dicht gehalten
und nad) jedem Spiel muß durd)
Walzen 2c. jede Spur der Huftritte
verwiſcht werden, worauf felbitver:
ſtändlich darauf acht zu geben ift,
daß nicht neue Furchen oder Löcher
. Polojehläger. Aus Nordbanfen, Sport und Körperpflege.
Iinien“ bezeichnet und der Mittel-
punkt des Plate. Die Tore be:
finden fi in der Mitte der Breit-
jeiten und beftehen aus zwei ftarfen,
zehn Fuß hoben Pfählen, den Goal:
pfoſten, zwiſchen denen ein Zwiſchen⸗
raum von gut 6 Metern liegt. Um
ſie von weitem deutlich erkenntlich
zu machen, werden ſie von kleinen
Fähnchen gekrönt. Gewöhnlich um⸗
kleidet man fie mit einer Polſter—
ſchicht, um beim Andrängen Pferd
und Reiter feiner Verlegung aus:
zufeßen.
650. Der Ball. Die Hurling-
bam Rules, die auch in Deutjchland
befolgt werden, for⸗
dern einen Bau
von 8 cm Durch⸗
mefjer. SHergeitellt
wird er jegt mei-
ftend aus Holz
(Weide oder Erle),
während er früher
aus Korf oder leder
beitand. Seine Far⸗
be iſt weiß.
651. Der Polo⸗
ſchläger. Der Polo⸗
ſtock richtet ſich in
Größe und Gewicht
wie in der Form,
nach der Körper⸗
beſchaffenheit und
den Eigenſchaften
des Spielers; auch
die Höhe des Ponys
iſt für die Länge
des Stockes maß⸗
gebend. Im all-
gemeinen iſt der
XI. 1.
Stiel 1,30 bis 1,50 m und der
Kopf 20 cm lang. Die Form des
Kopfes ift ein wenig Modeſache.
Da der Stiel biegfam fein muß,
wird er aus Bambus, der Kopf
aus bartem Holz (Buchsbaum⸗ oder
Syfomore) hergeſtellt. Das Ende
des Stiele8 wird mit Leder be=
flochten, um ihn feiter halten zu
fönnen; aud trägt er eine Schlinge
für das Handgelent.
652. Schlagen des Balles. Die
Heiden Hauptfchläge, die der Spieler
zu erlernen hat, find der Vorwärts⸗
und der Rückwärtsſchlag. Beim
Borwärtsfhlag muß der Ellbogen
fteif gehalten werden. Cingeteilt
werden diefe beiden Hauptichläge
wieder in den geraden Vorwärts-
fhlag rechts, geraden Rüdmärts:
ſchlag rechts, Vorwärtsſchlag links,
Rückwärtsſchlag links. Dazu kom⸗
men vier weitere Schläge: von
rechts nach links unterm Ponyhals,
von links nad) rechts unterm Pony:
hals, von rechts nad) links unterm
Ponyſchweif und von links nad
rehts unterm Ponyſchweif. Die
Chläge an der linfen Seite find
die fehwierigften. Aus der Be:
zeichnung der Schläge erfieht man,
wie beweglich der Reiter im Sattel
fein muß. Troßdem darf er nie
das Gleichgewicht verlieren noch
das Pferd durch unruhige Zügel:
haltung verwirren. Auch hat der
Anfänger beſonders darauf zu ad):
ten, daß ſich ihm der Stod nicht
beim haftigen Wenden ꝛc. in der
Hand verdreht. Als Strafe für
einen verkehrten Schlag befommt
der Gegner meiftend einen Frei-
ſchlag.
653. Die Spieler. Den vier
Spielern jeder Partei, die durch
Nummern erkenntlich find, fallen
verſchiedene Aufgaben zu. Aus
dem beigefügten Plan des Spiel:
felde3 (Bild 332) erjieht man, daß
die erjlen drei Spieler big zur Mitte
Polo. Neo. 652—653.
vorrüden, während der vierte zu⸗
rüdbleibt, er bildet die größte Ge:
fahr für die feindliche Bartei, da
er am leichteften den Bal in eine
andere, unerwartete Richtung treiben
fann.
Spieler Nr. 1 wird felten gleich
zum Schlagen des Balles Tommen,
da diefer, in die Mitte geworfen,
zu weit fort von ihm liegt. Seine
Taktik fol deshalb darin beftehen,
feinen Partnern zum längeren Be
fit des Balles zu verhelfen; des—
halb ließ man in England eine
Zeitlang den erjten Spieler über-
haupt ohne Stod fpielen. Doch ift
man von diejer Theorie wieder zu:
rüdgefommen. Der erjte Spieler
ſoll fernerhin, falls der Ball im
Beſitz der feindlichen Bartei ift,
die Gegner vom Ball abdrängen
oder den Schlußfpieler (Nr. 4) feiner
Partei unterftüßen. Will er der
Gegenpartei den Ball abjagen, fo
darf er fi), da der Weg des den
Ball befigenden Reiters nie gekreuzt
werden darf, nur von feitwärts
und rüdmärt3 an ihn Drängen.
Seine Kunft fol in der Hauptſache
in gewandtem Reiten beftehen; ge=
wöhnlich wird deshalb auch der beite
Reiter der Bartei Nr. 1.
Der Vorzug des zweiten Spielers
fol das Schlagen fein; denn ihm
fällt die Aufgabe zu, von dem Ball,
ſobald er in die Mitte geworfen ift,
Beſitz zu ergreifen. Dies gejchieht
am bejten, indem er ihn nicht direkt
in3 feindliche Lager, ſondern rüd:
wärts oder jeitwärt3 ing Freie
Ihlägt. Nr. 2 muß ruhig und
ftart fchlagen und den Ball an
einer Seitenlinie entlang treiben,
um nur den Angriff auf einer Seite
abmwehren zu müflfen. Seine Auf:
merkſamkeit bleibt immer auf den
Bal gerichtet, auch wenn diejer in
feindliche Hände geraten ift; feine
Partner haben mit den Gegnern
jeldjt zu kämpfen und ihm Den
ee nn T
ro. 654.
Weg frei zu halten, jo daß es ihm
möglich wird, fih immer von neuem
des Balles zu bemäcdhtigen.
Nr. 3 dient eigentlih nur zur
Verſtärkung von Nr. 2. Er bleibt
immer dicht neben ihm, um die
Gegner nicht herankommen zu laſſen
und forgt ebenfo für den Ball,
falls der zweite Spieler abgedrängt
worden ift oder fehlgefchlagen hat.
Auch die Pflihten des Schluß:
fpielers Hat er zu übernehmen,
wenn diefer feinen Pla verlajjen
mußte. So ift Nr. 3 eine Art
Ergänzungsipieler und für fein Amt
wird darum auch der ſchwächſte
Spieler oder ein Anfänger genom-
men.
Vom vierten Spieler, dem Schluß:
fpieler, au) Spielwart oder captain
genannt, wird das befte Rückwärts⸗
ſchlagen erwartet, da ihm die Auf:
gabe obliegt, ven Ball vom Goal
und der Mallinie zurüdzutreiben.
Auch muß er den Ball in einer
Richtung fchlagen, in der fich jeine
Partei befindet, ſodaß
womöglich gleich vom zweiten Spie-
€. Gräfin Baudiffin.
faum möglich fein, zu erfennen,
|
|
wo der Ball liegt oder welche Bartei ”
im Porteil if. Denn das Bild
verjchiebt fi von Minute zu Mi:
nute. Aber das Hins und Her:
galoppieren der Pferde, gefchictes,
baaricharfes Wenden, mohlgezielte,
überrafhende Schläge, da3 Zu:
fammendrängen der NReiter auf
einen Punkt und wieder das Aus:
einanderziehen der Linie, wenn der
Bal in einer entfernten Ede auf:
taucht, ſchließlich das heiße Ringen
um das Tor, nehmen die Aufmerf:
ſamkeit fo in Anſpruch, daß die zehn
Minuten, die der Kampf dauern
fol, im Nu verftrichen find. Dann er⸗
tönt die Glode — nur ein „Mal“
fonnte während der kurzen Spanne
Zeit erobert werden, doch Sieger
wie Beftegte find von gleicher Be:
geifterung durchglüht — und nicht .
minder das Publitum! Jetzt wer:
den die Ponys gegen frifche einge-
tauſcht — von einer „Tierquälerei”
fann bei dem Galopp von zehn.
der Ball | Minuten, der dazu noch oft unters
brochen wird, feine Rede fein! —
ler wieder aufgenommen werden | und die Barteien wechjeln die Pläße.
fann. Der Schlußjpieler verläßt
nur in äußerjten Notfällen fein
Spielfeld; denn er foll das ganze
Spiel überjehen und feiner Partei
befehlen können. Er ift alſo die
Hauptperjon und man wählt zu
feinem Amt deswegen aus der
Mannſchaft den beiten Schläger und
zugleich denjenigen, der am meijten
Uebung hat und das Spiel mit all
feinen wechjelvollen Zufällen am
genaueften beurteilen Tann.
654. Gang des Spieles. Das
Spiel wird durch ein Glodenzeichen
eröffnet, nachdem die Spieler ihre
Plätze rechts und linf3 vom Mittel:
punkt eingenommen haben; gleich:
zeitig mit dem Signal fliegt der
Bal zwiſchen die Parteien. Das
Spiel entmwidelt fih ſehr fchnell
und. den Zujchauern wird es oft
Nach: kurzer Pauſe wird von neuem
begonnen. Wird ein Fehler ge:
macht, jo unterbricht ein Pfiff den
Gang des Spieles; jtößt einem
Spieler ein Unglüd zu, zerbricht
jein Stod, fällt er au8 dem Sattel
oder dergl., jo muß er fich fo ſchnell
wie möglich wieder [pielfähig machen.
liegt der Ball über eine Seitens
linie fort, fo muß der Schiedsrichter,
dem auch die Beurteilung der Fehler
und ihre Beitrafung zufteht, ihn
wieder ind Spielfeld zurüdwerfen.
Natürlich ift dann diejenige Bartei
im Borteil, von der die meiften
Partner zur Stelle find. Bon der
Mallinie zurüd darf den Bal nur
ein Spieler der Partei jchlagen,
deren Linie er überfchritten bat,
der Gegner muß dagegen Binter
der 25 m⸗Linie bleiben; ift aber
|
|
N
4
4
Mi
(Aus Sport im Bild.)
Moment aus dem erjten Beiter:Polofpiel in Berlin.
— —
— — — — —
* u u u Se —
— — —— — —— TS
Ban
— ee — oT ur a ER ae
XI. 1. Polo.
der Ball von der Partei felbft über
die eigene Mallinie getrieben, fo
darf der Gegner ſich ihm bis auf
fünf Schritte nähern. Wer inner:
halb einer Stunde die meiften
„Male, Tore oder Goals des
Gegners erobert bat, ift Sieger.
655. Die Spielregeln. Die
Regeln des engliihen Hurlingham
Klubs bat der Hamburger Poloklub
von 1898 übernommen, mit un:
wefentlichen, Fleinen Veränderungen.
Auch den neueren deutſchen Klubs
in anderen Städten dienen bdiefel:
ben Gejete zur Grundlage.
1. „Die Goals milffen mindeftend 250
Yards voneinander entfernt und jeber
Goal muß 8 Yarb3 weit fein. Die Normale
größe eines Poloplages beträgt 300 Yards
Länge bei 160 Yarb3 Breite, wenn Holz:
borten vorhanden find.
2. Der Durchmeſſer der Bälle fol 8 cm
betragen.
3. Jede Partei fol einen Unparteiiſchen
ernennen, außer wenn beide Parteien ſich
dahin einigen, mit einem, ftatt mit zweien
su fpielen. Seine oder ihre Enticheidungen
follen endgültig fein. In wichtigen Matches
fann außer ben Unparteiifchen noch ein Ob⸗
mann ernannt werben, deſſen Entfcheidung
endgültig ift.
4. In wichtigen Matches um Pokale ober
Preife ift die Zahl der Spieler auf vier
auf jeder Seite beſchränkt.
5. Das Spiel beginnt, indem beide Bars
teien ihre Stellungen in ber Mitte bed
Feldes einnehmen und ber Unparteiifche
den Ball in bie Mitte des Yeldes wirft.
6. Die Dauer eined Spieles in einem
Match fol eine Stunde fein, eingeteilt in
6 Abſchnitte von 10 Minuten, mit 5 Mi:
nuten Paufe nad bem 2. und 4. Abichnitt
und je 2 Minuten Paufe nad dem 1., 3.
und 5. Abſchnitt.
Die erften 5 Abfchnitte bed Spieles follen
endigen, fobald ber Ball nad Ablauf der
vorgejäriebenen Zeit aus dem Spiel geht;
jede Zeitüberfchreitung in einem biefer Abs
ſchnitte, wenn fie dadurch veranlaft wird,
daß der Bau im Spiel bleibt, fol von dem
nädftfolgenden Abjchnitt abgezogen werden.
Der legte Abſchnitt fol fofort mit Ablauf
der Spielftunde endigen, aud wenn der
Ball noch im Spiel ift.
Am Fall eined „tie“, d. 5. wenn beide
Seiten entweder feine oder die gleihe An⸗
zahl Goals haben, foll der letzte Abfchnitt
verlängert werben, bi3 ber Ball aus dem
Spiel geht und im Fall e3 dann noch immer
ein „tie“ ift, fol der Bal nad einer
Pauſe von 5 Minuten von bort abgefptelt
werben, wo er aus dem Spiel ging, und
Nro. 655-
ba3 Spiel folange in 10-Minutenabfchnitten
fortgejegt werden, bis eine Seite ein Goal
madt, welches den Match entſcheidet.
7. Sobald der Ball nah Ablauf der
erjten 10 Minuten jedes Spielabfchnitt3 im
Spiel gebt, fol das Spiel für genügend
lange, aber nicht über 2 Minuten unter-
broden werden, um e8 ben Spielern zu er⸗
mögliden, die Bonys zu wechſeln. Mit
diefer Ausnahme foll das Spiel kontinuier⸗
lich, aud ſoll es Pflicht des Unpartetifhen
fein, den Ban pünktlich bineinzumerfen,
und im Fall unnötiger Verzögerung beim
Abſpielen des Balles, die Seite, die ſich
der Verzögerung ſchuldig macht, aufzu—⸗
fordern, fofort zu beginnen. Das Wechjeln
von Ponys außerhalb der vorerwähnten
Zeiten geſchieht auf die Gefahr des
Spielers hin.
8. Um den Ablauf der erften 10 Minuten
zu bezeichnen, joll eine Glode geläutet
werden. Die Glode ſoll von neuem ge—
läutet werden, wenn der Ball nach diefer
Zeit aus dem Spiel geht, für den Pony:
wechſel.
9. In allen wichtigen Matches iſt ein
offizieller Zeitmefler zu verwenden.
10. Ein Goal tft gemacht, wenn ein Ball
zwiſchen ven Goalpfoften bindurchgetrieben
wird, fei ed durch die Spieler oder durch
ihre Ponys, und zwar fo, daß er die Goal:
linte nicht mehr berührt.
11. Wenn ein Ball über die Spigen ber
Goalpfoften fliegt, aber nach Anficht des
Unparteiifchen zwiſchen ihnen hindurch, fo
fol es ald Goal gelten.
12. Die Seite, die am meiften Goal3
madt, gewinnt das Spiel.
13. ®enn ein Ball durch einen Spieler
der feindblihen Seite hinter die Rücklinie
geihlagen wird, jo fol er ohne Verzöge—
rung durch einen Spieler von der Ceite,
deren Linie es ift, von möglichit derjelben
Stelle, wo er die Rüdlinie pafjierte, wieder
abgeipielt werden. Die gegneriſche Seite
muß aber genügend Zeit haben, hinter die
30 Yarb3linie zu fommen. Niemand von
ben Angreifern darf fich, bis der Ball ab«
geipielt ift, näher ald 80 Yards von der
Rüdlinie befinden. Wenn aber der Ball
von einem der Spieler hinter beren eigne
Rüdlinie geſchlagen wird, fo follen die An:
greifer einen freien Schlag haben von einer
Stelle gegenüber derjenigen, wo ber Ball
über die Linie ging und 60 Yards entfernt
von der geichaffenen Goallinie, während
bie Gegner ſich nicht näher ald 20 Yards
vom Ball wieder aufftellen dürfen. Die
Strafe findet feine Anwendung, wenn ber
Bau durch Abprall an einem Pony oder
einem Spieler ‚out‘! geht.
14. Wenn der Ball Über die Grenzen bed
Feldes hinausgetrieben wird, muß er von
dem Unparteiiſchen genau von der Etelle,
wo er hinausging, wieder hineingeworfen
werben, und zwar in einer den beiden
Goallinien parallelen Richtung und zwiſchen
43
Niro. 655. €. Gräfin
die in zwei Reihen aufgeftelten Spieler.
Eine Verzögerung oder Rüdfichtnahme auf
abmwefende Spieler darf nicht eintreten.
15. Ein Spieler darf einen Gegner aus:
reiten (ride out) ober feinen Pony vor den
des Gegners ftellen, um ihn zu verhindern,
an ben Ball zu gelangen, aber er darf
feinen andern Spieler, der im Beſitz des
Balles ift, kreuzen, ausgenommen auf eine
fo große Entfernung, daß ber betreffende
Spieler feinen Pony nit zu parieren
braudt, um eine Kollifion zu vermeiden.
Wenn zwei Spieler von verjchiedenen
Richtungen auf den Ball zureiten und eine
Rolifion wahrfcheinlih ift, jo muß dem
Spieler, der im Befig des Balles ift, Plag
gemadht werben (d. h. demjenigen, ber zu⸗
legt ven Ball gefchlagen hat, oder falls feiner
ihn geſchlagen hat, demjenigen Spieler, ber
aus der Richtung fommt, von ber der Ball
zulegt geſchlagen wurde).
I. Sedem Spieler, der dem Laufe bed
Balles aus der Richtung, von wo er zuletzt
geſchlagen wurde, genau folgend geritten
ift, iſt der Beſitz des Balles eher zuzu⸗
fpreden, al3 einem Spieler, der aus einer
anderen Richtung fommt.
Wer zulegt geichlagen hat, gilt ald im
Befis des Balles, vorausgefegt, daß fein
anderer Spieler auf die Balllinie vor ihm
gelangen kann, ohne den Schlagenden zum
PVarieren des Ponys zu zwingen, damit
eine Kollifion vermieden werbe.
Kein Spieler fol als im Befig des Balled
gelten, weil er ihn geichlagen hat, wenn er
nit auch dem Laufe ded Balles genau
folgend geritten ift.
II. Seder Spieler, mwelder dem Laufe
des Balled genau entgegen reitet, bat das
Anrecht auf den Befig des Balled vor einem
ſolchen, der aus irgend einer Richtung im
Winkel auf den Ball zugeritten fommt.
III. Seber Spieler, der aus der Richtung
fommt, aus der der Ball zulegt gefchlagen
wurde, aber im Winfel zu feinem Lauf,
ſoll als im Befig des Balled gelten gegens
über einem Spieler, der aus der entgegen-
gefegten Richtung im Winkel auf ben Ball
angeritten fommıt, ausgenommen, wenn der
betreffende Spieler reitet wie unter Nr. 1.
Iv. Wenn zwei Spieler aus der gleichen
Richtung geritten kommen, fo ift derjenige
Spieler im Befit des Valle, deſſen Reit:
um ben fpiteften Winkel zur Balllinie
bildet.
NB. Die Balllinie ift- die Linie, in der
der Ball läuft oder fliegt, ober die er in
dem Augenblid bejchreibt, wenn eine Streit-
frage entfteht.
16. Kein Epieler darf feine® Gegners
Stod ablenten, außer wenn er auf ber>
felben Seite des gegnerifhen Ponys Äft
wie der Ball oder in einer direkten Linie
dahinter und fein Stod ſich weder über
noch unter des Gegner3 Pony befindet.
Der Stod darf nicht abgelenkt werben, wenn
Baubdilfin.
nicht ber Gegner im Begriffe ift, nach dem
Bau zu Schlagen.
17. Kein Spieler, welder „off side‘* ift,
darf den Ball fchlagen oder in irgend einer
Weife Die gegnerifhe Seite verhindern, an
ben Ball zu gelangen oder ihn zu jhlagen.
Ein Spieler ift „off side“, wenn in
dem NAugenblid, wo der Ball geſchlagen
worden ift, er niemand von der gegnerijchen
Seite zwifchen fi und der Goallinie des
Gegners oder der gedachten Fortfegung
biefer Linie oder hinter dieſer Xinte hatte
und meder felbft im Beſitze des Balles ift,
noch binter einem von feiner eigenen Seite,
welcher im Befit des Balles ift. Die Goal⸗
linie bedeutet die Linie von 8 Yards
zwiſchen ven Goalpfoften. — Ein Epieler,
welcher ‚off side“ ift, bleibt „off side‘,
bi3 der Bal wieder geichlagen oder bis
wieder nach ihm gefchlagen ift.
18. Kein Spieler darf weder mit Der
Hand faſſen, nod mit Kopf, Hand oder EU:
bogen ſchlagen ober ftoßen; bagegen darf
ein Spieler mit dem Arm oberhalb bed
Ellbogens ftoßen , falls dieſer dicht am
Körper gehalten wird.
19. Ein Spieler darf den Ball nicht
tragen. Falls der Ball auf einem Spieler
oder Pony liegen bleibt, muß der Spieler
oder Reiter des Ponys ihn ſofort zu Boden
fallen laſſen.
20. Kein Spieler darf abſichtlich =
Pony mit bem Kopf feines Poloftods ſchlagen.
21. Sede Verlegung der Negeln ftellt
einen „foul‘‘ (Berftoß) dar. m Falle
einer Verlegung ber Regeln 15, 16, 18,
19 und 20 fol der Unparteiifche das Spiel
unterbreden. Im Fall einer Verlegung
der Regel 17 foll das Spiel auf Auffordes
rung eine Spieler8 berjenigen Seite,
gegen bie der ‚‚foul‘‘ begangen wurde,
unterbroden werden. Wenn das Spiel
obigem entjpredhend unterbroden worden
ift, fo wird bei Verlegung ber Regel 15
oder anderem gefährlihen Epiel die fols
gende Strafe verhängt:
Ein freier Schlag von einer Stelle 50 Yards
entfernt von ver Ritdlinie der Partei, welche
ben ‚‚foul‘‘ beging, gegenüber der Goal⸗
mitte, oder auf Wunfh von ber Stelle,
wo der ‚„foul‘‘ begangen wurde. Die
ganze Partei, bei der der „‚foul‘! begangen
wurde, bleibt hinter ihrer Rüdlinie, bis
der Ball wieder geichlagen oder nad) ihm
geihlagen worden ift, jedoch nicht zwischen
den Goalpfoften. Auch darf niemand diefer
Partei, wenn der Ball wieder ind Spiel
gebracht ift, von innerhalb der Goalpfoften
abreiten. Niemand von ber anderen Partei
darf im Augenblid, wenn der Ball oder
nah dem Ball gefhlagen wird, ſich näher
der Rüdlinie befinden, ald der Ball.
Bei Verlegung der Regeln 16, 17, 18,
19 und 20 kann bie Eeite, gegen Die Der
„foul!‘ begangen wurde, eine von ben
folgenden Strafen forbern:
a) Einen freien Schlag von dort, mo
XI. 1. Polo.
der Ball war, al3 ber ‚‚foul‘‘ ftattfand;
feiner der Gegner barf fi innerhalb
20 Yards vom Bal befinden. Der Ball
muß getroffen werben, um einen freien
Schlag zu bedeuten.
b) Daß diejenige Partei, melde den
„foul‘‘ beging, den Bal zurüdnimmt und
ihn von hinter ihrer eigenen Goallinie
zwifchen ben Goalpfoften abfpielt. Keiner
der Angreifer darf fich näher als 25 Yards
von der Mitte des Goals befinden.
22. Falls ein Spieler durch einen „‚foul‘‘
fampfunfähig gemacht wird, ſoll die Seite,
gegen melde ber ‚‚foul!‘ begangen wurde,
da3 Recht haben, einen von der andern
Seite zu beftimmen, ver fi ebenfalls
zurüchziehen muß. Das Spiel fol dann
mit 3 Epielern auf jeder Seite fortgejegt
werden und wenn die Eeite, welde den
„foul!‘ beging, fich weigert, dieſes zu tun,
ſoll fie bierdurh den Match verlieren.
Diefe Strafe foll zu der durch Regel 21
vorgejehenen binzutreten.
23. Nah jedem Goal fol die Spiel-
richtung gewechfelt werden, und wenn fein
Goal gemadt ift, nad jeden 10 Minuten.
24. Der Bau muß über die Linie gehen
und barf fie nicht mehr berühren, um aus
dem Spiel, „out“, zu fein.
25. Wird der Ball befchädigt, fo muß
"der Unparteiifhe das Spiel fofort unter
brechen und einen neuen Ball an bie Stelle,
wo ber alte zerbrach, binwerfen, und zwar
nad) ber Mitte des Feldes zu, in einer den
beiden Goallinien parallelen Richtung und
zwifchen die fich gegenüberftehenden Spiel-
reiben.
NB. Es tft wünfdenswert, daß das
Spiel unterbroden und ein neuer Ball
genommen werde, wenn die Lage ded Balled
derartig ift, daß keine Seite dadurch be=
günftigt wird.
26. Falls der Stod eines Spielers zer-
bricht, fo muß er nad dem Plage reiten,
wo die Stöde aufbewahrt werden, und fi)
einen neuen nehmen. Unter Beinen Um:
ftänden darf ihm ein Stod gebradt wers
den.
27. Läßt der Spieler feinen Etod fallen,
fo muß er ibn felbft aufheben. Ein
Epieler, welder abgejefjen ift, darf den
Val nicht ſchlagen.
28. Der Aufenthalt innerhalb der Arena
ift niemanden außer den Spielern und
den Unparteiifchen geitattet.
298. Wenn ein Epieler oder Pony fällt
oder verlegt wird, muß der Unparteiifche
das Spiel umterbredden und für den Erfag
des verlegten Spielerd oder Ponys Zeit:
erlaubnid gewähren.
29b. Falls ein Spieler oder ein Pony
durd) die eigene Schuld ftürzt, fo darf ber
Unparteiiſche das Spiel nicht unterbrechen,
vorausgeſetzt, daß fich feiner verlegt hat.
80. Bei Wiederaufnahme des Spiels foll
der Ball ba wieder hineingeworfen werten,
wo er fih befand, als das Epiel unters
Niro. 656.
broden murde und gemäß ben Beftim-
mungen der Regel 25.
31. Wenn 2 Epieler aus entgegengefegter
Richtung geritten fommen, um den Ball zu
ſchlagen, und einer davon fpielt, fo bat der
Andre auszuweichen.
32. jede willtürlide Mißachtung der Be-
ftimmungen des Uinpartetifchen fol die Dis-
qualifizierung des ſchuldigen Teams nad
ſich zieben.
33, Im Falle irgend eines Vorkomm⸗
nified, 3. B. de3 wieberholten, gefährlichen
Gebrauchs des Stod3, oder einer Frage,
die durch diefe Regeln nicht entichieden
En enffcheidet der Unparteiiſche ben
al.
84. Scheuflappen und Sporen mit Rä—
bern! find nicht erlaubt. Ponys, die auf
einem Auge blind find, dürfen nicht ge-
ritten werden.
85. Der Schiedärichter foll eine Pfeile
führen und fie nah Bedarf anwenden.
Beim Pfiff des Schiedsrichters darf nicht
mehr nah dem Ball geihlagen werden.
Im Falle einer Meinungsverfchiedenheit
mit dem gndern Schiedsrichter foll ein Ob⸗
mann herangezogen werden, der nad) Rilds
fpradje mit beiden Schiedsrichtern und Auf:
nahme de3 genauen Tatbeftandes zu ent-
ſcheiden bat, was gejchehen fol.
36. Wenn am Ende eines Math ein
„‚foul‘‘ begangen wird, fol, falls die nötige
get zum Vollzug der Strafe, bid bie
Sclußglode ertönt, nicht mehr vorhanden
ift, eine Minute extra gewährt werben, ge:
rechnet von ber Zeit, wann ber Ball ever
nad dem Ball bei Austragung ber Strafe
geihlagen wird.”
Ferner hat der Borftand ein Buch zu führen,
in welded alle Ponys mit genügenden
Merkzeichen zum Zwede der Spentifizierung
eingetragen werden müfjen. An den Spiel:
tagen ijt die Benügung bes Platzes zwifchen
12 und 4 Uhr unterfagt. Auch fonjt hat
der Vorſtand dad Recht, die Benugung dis
Plages wegen Befchaffenheit des Terrains
oder aus anderen Gründen zeitweilig zu
unterfagen.
656. Regeln für das Meſſen
der Ponys. |
1. Das Meſſen der Ronys fol durd einen
offiziellen Meſſer unter Aufficht des Polo:
vorjtandes gefchehen. Erfterer joll ein quali:
fizierter Tierarzt jein.
2. Für das Meffen und die Eintragung
jedes Ponys find an den Eelretär des Klubs
Mt. 5.— zu entrichten.
3. 6 Jahre alte Bonys und darüber fönnen
für ihre Lebenszeit gemefjen und eingetragen
werden, Ponys unter 5 Jahren nur fiir Die
laufende Saiſon. Der offizielle Diefjer be—
ftimmt das Alter des Ponys.
4. Wenn ed den Anschein bat, daß ein
Pony in ungeeigneter Weile behandelt wor:
den ift, um ihn kleiner erjiheinen zu lajjen,
fo fol er nicht gemeffen werden und barf erit
3. 657.
yer nächften Saifon wieder zur Mefjung
ellt werben.
». Das Mefjen fol mit einem von dem
ib gebilligten Mapftab auf vollftänbig
en und hartem Boden vorgenommen
rden. "
6. Weber ver Befiter bed Ponys noch ein
dienfteter desſelben barf bei der Meffung
gegen fein, außer wenn ber offizielle Meſſer
vbeſonders geftattet; dagegen Mitglieder
5 Polovorſtandes, außer bei ihren eignen
onys.
7. Der Pony ſoll ohne Decken auf ebenem
zoden ſtehen und das Maß am höchſten
zunkt des Widerriſtes genommen werden.
8. Der Pony foll durch eine von dem offi⸗
iellen Mefjer zu beftimmende Perjon ge⸗
yatten werden.
9. Der Kopf fol jo gehalten werben, daß
sine von dem Hinterkopf nah dem Wibders
rift gezogene Linie bem Boden parallel jein
würde.
10. Der Pony muß möglihft gerade auf
feinen vier Beinen ftehen.
11. Der Widerrift darf Zurz gefchoren jein,
aber die Mähne darf weder heruntergezogen,
och das Fell des Nackens oder Widerriftes
in irgend einer anderen Weiſe berührt
werden.
12. Ponys dürfen mit oder ohne Eifen ge⸗
meffen werden, doch wird für legtere fein
Abzug gemacht.
13. Wer mit dem Nefultat der Mefjung
unzufrieden ift, kann fich innerhalb 7 Tagen
Ichriftlih an den Vorftand wenden und um
eine Nachmeſſung bitten. Dieſe hat dann ſo⸗
bald als möglich in Gegenwart von 2 Mit-
gliedern des Vorſtandes ftatizufinden und
ihre Entſcheidung tft endgültig.
657. Gymkhanaſpiele. Die
Gymkhana find indifche Reiterfpiele,
die von den Poloklubs veranitaltet
werden und an denen aud) Damen
teilnehmen können, während das
Polo felbft vorläufig nod Den
Männern allein referviert bleibt.
Die Eymkhana befchränfen Ti
nit nur auf gute Reitfünfte, jon-
dern fordern auch fonft noch allerlei
törperlihe Gefchidlichkeiten, und
eine große Schlagferiigfeit, eine
presence d’esprit, 3. B. bei ben
Rechenſpielen. Der Reiz Diefer
Spiele liegt in ihrer Abwechſelung,
fowie in ihrer ſchnellen Erledigung;
"Bedingung ift, daß Feines länger als
eine Dauer von 5 Minuten bean=
fprucht. Die Teilnahme der Damen
ift entweder aftin — beim Schlangen:
E. Brafin Baudiffin.
rennen und Ningelftechen 5.8. —
oder den Damen werden Aufgaben
der verſchiedenſten Art geftellt, die
fie fo ſchnell als möglich erledigen
müffen, damit der als ihr Kavalier
ertorene Reiter als erfter an Das
Ziel gelangt. Beim arithmeti—
Shen Rennen haben die Damen
Rechenaufgaben zu Iöfen, die ihnen
non den Herren nad; einem Furzen
Wettrennen in gefchloffenen Kuverts
überreicht werden; auf dem Rückweg
haben die Herren mit der mehr oder
minder gluͤcklich gelöften Aufgabe
in Händen noch ein oder zwei
Hürden zu nehmen. Die Reiter
fünfte der Herren müfjen alfo von
der Geiftesgegenmart der Damen
unterftügt werben. Andere Auf
aaben beftehen im geſchwinden
Nadeleinfäbeln, Zigarettenanzünden,
Knopfannähen, Kravattenbinden,
Hutgarnituren ober dergl., lauter
Dinge, die ſehr harmlos klingen und
bei denen fich die vor Aufregung un
ruhigen Hände oft als vet unge:
ſchickt erweifen. Denn natürlic) gibt
es Preiſe; und meiſtens ſehr ſchöne,
wertvolie. Der Sieger holt ihn
für feine Dame. Das Schlangen
rennen wird von Herren allein,
aber auch von Herren und Damen
paarmeije geritten. Die Stangen
zu biefem Spiel ftehen dicht neben:
einander und müſſen in Schlangen:
linien umritten werden. Beim ge:
meinfamen Schlangenrennen er⸗
faffen Herr und Dame die Eden
eine® Tafchentuches; außer dem
Reiten um ſechs durch je ſechs
Schritte voneinander getrennten
Stangen muß noch eine Hürde ge
nommen werden. Beim Ringel:
ftecden haben die Damen im On:
lopp Ringe mit Lanzen von auf
geftellten Ständern zu holen. Das
Pyjama⸗Rennen ftellt den
Herren Die Aufgabe, an einem etwa
150 m vom Start liegenden Pla
‚abzufigen, die Nachtanzüge über:
—— nn.
leben und nn
an» Belei
IM ein Gindeny
w
15 Müafich mi
. er & Wieder
dung loyd-r
gehören
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de
erh
er Nann
öl nüſſen
ar De — — — —
XI. 1.
zuziehen und nun ohne oder mit
Sattel, vielleicht auch noch über
irgend ein Hindernis fort, jo fchnell
al3 möglich wieder ang Ziel zurüd-
zukehren. |
Zum Lloyd=-Lindjay:-Wett:
bemwerb gehören vier Herren zu
einer Mannſchaft, wie zum Polo.
Sie müflen den bezeichneten Weg
in gefchloffenem Feld zurüdlegen,
gemeinfam die Hürde überfpringen
und & tempo vor der Tribüne
halten. Während einer die Ponys
beauffichtigt, Haben nun drei abzu⸗
fpringen, und mit Bolobällen drei
Kegel umzuwerfen und dann wieder
gemeinfam heimzureiten. Die Mann⸗
Ichaft, die alle dieſe Bedingungen
am korrekteſten und fchnelliten aus:
führt, ift Siegerin.
Auch Voloballrennen auf Ponys
wie auf Ejeln, Herausforderung?:
rennen auf 290 m, jogen. „scurry“,
Batrouillenritte, leichte Spring:
fonfurrenzen, Sagdpferde = Dualis
tätsprüfung, ſchwere Springfon:
furrenz und last not least Kon:
furrenzen für Wagen in berrichaft:
lihem Beſitz und folde für Auto:
mobile fchreiben die Poloklubs jet
aus. Für die von auswärts zu den
Meetingd kommenden Poloponys
wird meiftens bis zu drei Ponys
pro Spieler oder 14 Ponys pro
Team eine tägliche Entfchädigung
von den zur Teilnahme auffordern:
den Klub3 gezahlt.
658. Programm eines Polo:
Tournament und Gymkhana der
Saiſon 1908:
1. Amerikaniſches Polo-Handikap.
2. Springkonkurrenz (Hürde, drei⸗
fache Hürde, Tor, Balken, Koppel:
ride, offener Graben, Barrieren
verſchiedener Breite, Bretterwand,
englijcher Sprung).
3. Gymkhanas: Boloballrennen.
Puſhballkonkurrenz. Konkurrenz für
Magen in herriaftlidem Beſitz,
eins, zwei⸗ oder vierfpännig, von
Polo. Nro. 658-659.
Damen oder Herren zu fahren.
Automobilgymfhana. Glaswaſſer⸗
rennen.
Ale Hindernifjfe find in fliegen:
dem Galopp zu nehmen.
Bei den Springfonfurrenzen wird
das Abftreifen der Stangen oder
Berühren des Hinderniffes mit den
Borderbeinen mit drei Fehlern, mit
den Hinterbeinen mit zwei Fehlern
berechnet; das einmalige Refüſieren
des Hinderniſſes mit zwei, und das
Ummerfen des Hindernifjes eben:
fal3 mit zwei Fehlern. Bon der
Konkurrenz fchließt aus: zweimali⸗
ges Refüſieren vor demfelben Hin:
dernis, Nichteinhalten der vorge:
ſchriebenen Reihenfolge der Sprünge
und Fallen von Reiter oder Pferd.
Radfahrpole.
659. Einleitung Da das
Reiterpolo fich Doch immer nur auf
Kreife befchränfen kann, die zum
mindeften zu den wohlhabenderen
gehören, wenn fich die Volofpieler,
wie wir jahen, auch durchaus nicht
nur aus den oberften Zehntaujend
zu refrutieren brauchen, fo ijt ein
human empfindender Mann, der
Stländer Mc Ready, Heraus:
geber des Sportblatteg „The Irish
Cyclist“, auf den guten Gedanfen
gekommen, da3 meitverbreitete und
leicht zu bejchaffende Rad nit nur
als Fortbewegungsmittelzubenüßen,
fondern e8 aud für den Sport
auszubeuten. Was auf dem Pferd
möglih war, mußte doch aud) vom
Rad aus zu machen fein; jo legte
er die Regeln des Reiterpolos mit
wenig Veränderungen feiner neuen
Idee zugrunde — und beging da:
mit einen großen Yehler, der lange
der Verbreitung des Radfahrpolos
gefhadet hat. Dennoch darf nu:
türlihd Mr. Mc Readys Verdienſt
um die Erfindung des amüjanten
Spieles zu Rad nicht gejchmälert
werden; gründete fich doch bereits
Nro. 660-662.
unter ihm im Sabre 1897 der erfte
Radfahrpolo: Klub unter dem Namen
„The Irish Bicycle Polo Associe-
tion“. England nahm das neue
Spiel wie jeden Sport mit vollem
Enthufiagmus auf — von dort
brachte die erften Nachrichten und
Berichte über das neue Spiel Herr
Oskar Kilian im Jahre 1899
nah Deutſchland. Man verfudhte
ed einzuführen, ſah aud) ein, was
ihm entgegenjtand, nämlich feine
zu engberzige Anlehnung an das
Reiterpolo; da man ſich aber bar:
auf bejchränfte, die Regeln nur
zu mildern, nicht durchgreifend zu
ändern, Tonnte der Sport, troß
aller Bemühungen, nicht rechten
Boden faſſen, obgleich es Herrn Udo
Steinberg, der fich des doch
Vielen zugänglichen Spiels energiſch
und liebevoll annahm, gelang, einen
„Deutſchen Radfahrpolo:Berband“
in Berlin zu begründen. Aber erjt
feit im Sommer 1905 die Turnier:
vorjchriften dur den Sportsaus⸗
ſchuß der Berliner Bunbesvereine
gänzlich abgeändert und bedeutend
6. Gräfin Baubiffin.
ſetzung fol höchſtens 48 inches bes
tragen. Man braudt ein gutes,
ſtarkes Rad, das einen Stoß ver-
tragen fann und dem alle hervor:
ragenden Teile wie Laternenhalter,
Fußraften, Schutzbleche, Aufſtiege zc.
fehlen, die für den Spieler unnötig
find und für ihn wie für die Parts
ner nur von Gefahr fein können.
Am beiten ift es, fich eine der fog.
„Saalmaſchinen“ anzufhaffen, die
mit großer Widerftandsfähigfeit
einfachſten Bau verbinden; fonft
verwende man ein älteres Rad;
um ein leichtes, elegantes, das
binnen furzem ruiniert fein würde,
ift es fchade.
661. Der Spieler. NRadpolo
fann nur ein ganz geübter Rad:
fahrer fpielen, und auch dieſem
werden noch manche Ueberraſchungen
über die eigene Unficherheit und
Ungewandtheit auf dem Spielfeld
zu teil werden. Daber it das Rap:
polo zugleich eine vorzügliche Uebung
für Radeln. Denn ehe nicht jede
Wendung inftinktiv, faft willenlos
ausgeführt wird, der Spieler alfo
vereinfacht wurden, befteht begrün: |faum mehr an das Rad zu denken
dete Ausficht und Hoffnung, das
Radpolo auch in Deutichland wirklich
beliebt zu machen. Es iſt unmög-
lich, aufdem Rad diejelben fchnellen
und gewandten Bewegungen au®:
zuführen, wie auf den Pferd, das
fozujagen ſelbſt mitfpielt, genau
weiß, um mas es fih handelt und
fajt ohne Hilfe dem Ball nadjagt,
dem Reiter Zeit günnend, feine
ganze Aufmerkſamkeit ausschließlich
dent Stand des Spieles und dem
Val zu widmen; daher find die
heute gültigen Vorſchriften von
allen befreit, was noch an die Ge:
jege für das Reiten und das Pony
erinnern fonnte.
660. Das Rad. Wie das Polo:
Pony wird aud) die zum Nadpolo
beftimmte Maſchine nad) engliichen:
Zoll (inch) bemefjen; ihre Ueber:
‘
—
braucht, kann er nicht darauf hoffen,
ein nützliches Mitglied für ſeine
Partei zu ſein — eher ein Hinder⸗
nis.
662. Erklärung des Spieles.
Gleich dem Reiterpolo gehören zwei
Mannſchaften zu je vier Spielern
zum Spiel, die, von einem Obmann
geleitet, als Torwächter, Stürmer
und Verbindungsmann dienen. Wie
beim Reiterpolo iſt es auch hier
die Aufgabe des Torwächters, den
Ball, der vom Feind durch das
von ihm bewachte Tor getrieben
werden ſoll, zurückzuſchlagen. Kom⸗
plizierter ſetzt ſich das Schieds⸗
gericht zuſammen; es genügen nicht
ein oder zwei Unparteiifche, das
Radpolo verlangt zwei Grenzrichter,
zwei Torrichter und einen Schieds⸗
richter; ihre Aufgaben werden durch
XI. 1.
ihre Namen erklärt. Das Zeichen
zum Spielbeginn gibt der Schied3:
richter mit der Signalpfeife, ebenfo
zeigt er durch Doppelpfiff an, ob
ein Tor durh einen Schlag ge:
nommen wurde. Geht der Ball
ohne Schlag durchs Tor, jo wird
das Spiel durch Doppelpfiff unter:
brodhen und der Ball von neuem
in das Spielfeld geworfen; über
alle Fortſchritte und Ereignifje des
Spiel3 wird der Schiedärichter von
den Tor- und Grenzrichtern dur
Flaggenſchwenken benachrichtigt. Das
Amt der Spieler wird durch ver—
ſchiedenfarbige Kleidung bezeichnet.
Da das Spiel darin gipfelt, den Ball
dem feindlichen Tor zuzutreiben, ſo
gilt jeder Schlag, ſolange das Rad
„ſpielgerecht“ ſteht; d. h. es muß
ſich, vom eigenen Tor aus gerechnet,
ſtets links zu einer Linie befinden,
die man ſich den Längsſeiten des
Spielfeldes parallel durch den Ball
gezogen denkt, die folglich den Platz
ſtändig in zwei, wenn auch ungleiche
Hälften zerlegt. Deshalb darf zur
Verteidigung ebenſowohl vorwärts,
Polo. Nrv. 662.
dem eigenen Tor zu, und beim
Angriff rückwärts gefchlagen werden,
fall3 das Rad linf3 von der Ball:
linie ift. „Außer Spiel“ iſt der
Fahrer, fobald er fi) rechts vom
Ball befindet, ven Boden mit dem
Fuß berührt („tippt”) oder falls
er hinjtürzt.
Dadurd, daß die Bedingung,
fich immer linf3 vom Ball zu halten,
jtrift befolgt werden muß, tft faft
jede Gefahr eines Zufammenpral:
lens bejeitigt.
Die Strafe für die Verlegung
der Spielregeln, Behindern des
Gegner oder Hinausfchlagen des
Balles über die Grenzen befteht im
„Sreifchlag”, der dem Gegner ge—
währt wird.
Eine bejondere Kunft ijt das
„Dribbeln”; der Ball wird dabei
mit dem Schläger hart rechts am
Vorderrad entlang gejchoben oder
auch im ganz Furzen Zidzad vorm
Rad hergetrieben, jo daß der Gegner,
wenn er ebenſo geſchickt ijt, ihn
immer noch abfangen könnte.
Ein „Tor“ iſt erobert, wenn der
334. Moment aus einem Radpolo:-Tournier.
(Aus Sport im Bild.)
Nro. 663-665.
E. Bräfn Baudiffin.
Ball es rollend oder durch die Luft | durch Fähnchen an niedrigen Stangen
fliegend paffiert; das Spiel wird | von höchſtens 20 cm markiert. Die
durch einen Pfiff als beendet er:
klärt und das neue nah 15 Min.
unterbroden, um die Pläße zu
wechſeln. Die Dauer eines Match
beträgt 4 X 15 Minuten. Sieger
ift diejenige Partei, die die meiften
Tore erobert bat.
663. Der Spielplat. Große
Aufmerkſamkeit ijt der Anlage des
Spielplates zuzuwenden und weil
man in Deutjchland leider, wie
Thon beim Reiterpolo ermähnt wur:
de, nicht die herrlichen Graspläße
Englands zur Verfügung hat, liegt
in der Schwierigfeit, geeignetes
Terrain zu finden, zum Teil die
Schuld an der befchränften Ber:
breitung des Spieß. Da das
Spielfeld abjolut eben fein muß,
wird in den meijten Fällen daher ein
Abgraben und wieder Aufjchütten
des Bodens nötig fein. Wie beim
Herrichten eines Tennisplates wird
man ferner darauf bedacht fein
müſſen, eine möglichſt elaftifche
Oberfläche auf durchläſſiger Unter:
lage zu gewinnen. Als unterfte
Shit nimmt man Bauſchutt, der
- mit Sand und Kies aufgefüllt wird.
Hierüber fommt entweder als Ober:
Ihicht ganz feiner Kies oder Fluß:
fand, beſſer noch Chaufjeefchlid,
der fejt niedergewalzt wird. Be:
dingung ift eine ganz harte Ober;
Ihicht, in der die Räder und der
Ball Teine Spuren binterlaffen.
Die Größe und Anlage des Spiel:
feldes iſt aus dem beigegebenen
Plan erſichtlich; doch iſt es vor:
teilhaft, rund um ihn her noch
einen Auslauf von 5 m Breite
um die Längäfeiten und von ca.
10 m an den Breitfeiten berzu-
ftelen und ihn, um ihn vor Be-
Thädigungen zu Shüten, mit einem
Zaun oder dergl. zu ungeben. Die
Breite der Tore muß mindeſtens
2 m betragen; die Tore werden
Linien werden am beften in einer
Breite von ca. 4 cm mit flüffiger
Kreide gezogen; auf jehr eleganten
Plätzen wird der Boden ausgehoben
und die Grenzen mit farbigem Gips
Thor
Traor.E W Line.
Seiten- Linie
NOT WiKl SA -UNy
Thor PR
TRor- gi som Lirie
335. Spielfeld zum Radfahr⸗Polo.
ausgegofien, ein teures, aber halt-
bares Verfahren, während von ein:
gelafjenen Holzleiften abzuraten ift.
664. Der Ball. Der Ball wird
aus hartem Holz, meiſtens Erle,
in einem Durchmeſſer von 9 cm
bergejtellt, mweißgeftrihen und bat
ein Gewicht von ca. 150 gr. .:
. Der Schläger. Der
Schläger hat eine Länge von 1m
und ein Gewicht von 450 gr. Sein
Kopf ift hammerähnlich, länglich
(20 cm 2änge zu 4 cm #Breite),
leiht nad) außen gebogen und figt
etwas jchräge am Stiel, zu dent
ein etwas biegfames, am Handgriff
XI. 1. Polo.
mit Leber ummideltes Rohr ge:
nommen wird.
666. Die Spielregeln. Die
nachftehenden Regeln find im Aus:
zug den „Regeln für Radpolo“,
(angenommen vom Ausfhuß des
„DeutſchenRadfahrpolo⸗Verbandes“
herausgegeben von Udo Stein:
berg) entnommen.
„Ein Schiedsrichter, zwei Torrichter und
zwei Lintenrichter, von benen feiner im Falle
eines Wettjpiele3 einem der beiden fpielenden
Klubs angehören darf, jollen die Leitung
übernehmen,
Der Schiedsrichter hat die Befolgung aller
Regeln zu Überwachen. Jm Falle einer lieber:
tretung derfelben fann er durch ein Pfeifen
ftgnal das Spiel unterbrechen.
Seine Entſcheidung darf weder gefordert
noch angezweifelt werden, felbft wenn fie
eine den Regeln zuwiderlaufenpe ift.
Eine zufällige Behinderung dur ben
Schiedsrichter ſoll feine Beachtung finden.
Die Torrichter follen enticheiden, wann ber
Ball das ihnen zugeteilte Tor paffiert hat.
Ein „Tor“ ift gemadt, wenn der Ball auf
der Erde laufend oder durch bie Luft fliegend
die Torlinie zwiſchen ben beiden Torfähndhen
ganz vaſſiert hat.”
„Die Fahrer ftelen fi links von ihrem
eigenen Tor hinter ber Torlinie neben ihren
Rädern ftehend auf. Erft auf das Pfeifen-
fignal des Schiedärichters dürfen die Spieler
aufipringen und auf den Bal zufahren.
Auf dieſelbe Weife ift der Bau nach jeder
Baufe wieder anzujpielen.
Sft ein „Tor” gegeben, jo müffen alle
Spieler hinter ihre eigenen Torlinien zurück⸗
fahren, ohne jedoch abfteigen zu müffen. Der
Ball wird auf die 10 m:Marfe ber Partei,
welche joeben das „Tor“ verloren hatte, ges
legt.” Erfi nad dem Pfeifenfignal des
Schiebsrichters dürfen die Spieler ihre Tor-
linten überfchreiten. Tut bies einer der
Epieler früher, fo fann der Schiedsrichter
das Spiel dur ein zweites Signal unters
bredden und beide Parteien fich wieder hinter
ifre Xorlinien zurüdziehen laffen. Die
Partei, auf deren Seite fi der fehuldige
Spieler befand, muß dann abfteigen, während
die andere Partei im Sattel bleiben darf.
Der Ball wird wieder auf die 10 m-Marke
gelegt, und auf einen neuen Pfiff des Schied3=
richters kann erſt da3 Spiel wieder aufges
nommen werben.
ft der Ball über eine Torlinie gelaufen,
ohne daß ein „Tor“ gegeben wurde, fo fol
fi) die angreifende Partei hinter bie Mittel-
Iinie und bie verteidigende Partei hinter ihre
Torlinie zurüdziehen. Der Ball wirb vom
Torridter an der Stelle, wo er die Torlinie
gefreust hat, 5 m weit in den Plag gelegt.
Auf ein —— — des Schiedsrichters
konnen beide Parteien auf den Ball zufahren,
Nro. 666.
um das Spiel fortzufegen. Auch hierbei
kann ber Schiedärichter eine Partei, von ber
ein Epieler die betr. Linte vor dem Signal
kreuzt, zum Abftelgen nötigen und das Spiel
abermals eröffnen lafjen.”
„Jeder Spieler muß zur Zeit, wenn er den
Bau Schlägt, mit feinem Rade in: bem Teile
de3 E pielfelde3 fein, der feiner Partei gehört.
Diefe Teile jind beim Beginn des Spieles
die beiden Rechtecke, welche durch das Zeichnen
der Halbierungslinie entjtanden find und
zwar gehört jeder Partei das Rechted, wel:
ches fich beim Beginn des Spieles zur linten
Seite der Halbierungslinie, vom „Tore“ der
Partei aus gefehen, befindet.
Sit der Bad im Spiele, fo dente man fi
die Halbterungslinie ftet3 mit dem Bau
parallel zu fich felbft verjchoben. Die beiden
Teile ändern ſich alfo, während der Ball hin
und ber fliegt, beftändig, und jeder Partei
fteht zum Spiel bald ein ſchmales, bald ein
breite3 NRechted zur Verfügung, je nach der
augenblidlichen Lage des Balles.
Sm Augenblid des Schlages muß ſich das
Rad des Epielerd in dem feiner Partei ge-
hörigen Teile des Spielfelves befinden, ob er
nun aufs feindliche oder eigene Tor zu ober
quer über den Play fährt. Der Schieds richter
kann bei Berftößen gegen biefe Regel der
geihädigten Partei einen „Freiſchlag“ ges
währen.
„Führt“ ein Spieler den Ball längere Beit,
fo ſoll ihm geftattet fein, auch quer über ben
Plag zu fahren, doch fol in dieſem Falle ein
Kreuzen vor feiner Maſchine nicht mit einem
„Freiſchlage“ beftraft werden.
Beſindet fi) daS Rad eines Spieler in
bem jeiner Partei augenblidlich gehörenden
Teile des Spielfeldes, jo kann er den Ball
durch irgend einen möglichen Schlag mit bem
Schläger oder dem Rade nad) irgend einer
Richtung hin Schlagen. (Er kann alfo den
Schläger in der rechten oder linfen Hand
halten, ven Bau einfach feitlich des Rades,
quer über die Lenkftange oder quer hinter
dem Rüden, vor-, rüdmärt3 oder quer über
den Plag fchlagen und auch mit dem Rade
den Ball aufhalten oder fhlagen, nur muß
das Rad im Momente bed Schlages
ftet3 im zugehörigen Teile des
Spielfeldesfein.)”
„Iſt ein Spieler fo weit gefahren, daß er
zwiſchen fih und dem feindlichen Tore feinen
Gegner mehr hat, fo darf er einen Ball, der
ihm von einem binter ihm befindlichen
Spieler feiner eigenen Partei zugefpielt wird,
nicht fchlagen, bevor ein Gegner den Ball zu
ſchlagen verfucht hat, ober der Spieler, ber
den Bal zulegt geichlagen hatte, den zuerit
vor ihm befindlichen Spieler feiner Partei in
der Richtung des feindlihen Tores paj-
ftert hat.“
„Wird der Ball von einem Angreifer in
das feindlide „Ed geichlagen, jo daß er
darin liegen bleibt, fo darf die angreifende
Partei den Ball nicht eher ſchlagen, ala bis
bie verteidigende Partei den Ball aus dem
Nro. 667—668.
„Ed“ herausgeſpielt hat, andernfalls legterer
ein „Freiſchlag“ zuerfannt werben fol.
Wird der Ball von einem Verteidiger in
fein eigenes „Ed“ geichlagen, jo daß er darin
liegen bleibt, jo foll die andere Partei von
der Edmarle aus einen „Freifhlag” aus
führen.”
„Bon einem „Freifhlag” aus Tann aud)
direkt ein „Tor“ erzielt werden.
Gibt der Schiedsrichter einen „Freifchlag*
an einer Stelle, die nicht weiter ald 10 m
von dem „Tor“ der fchuldigen Partei ent-
fernt ift, fo fol ber „Freiſchlag“ von der
10 m-Marke aus getan werden. Dabei darf
nur ein Spieler auf dem Rabe ſitzend das
„Tor“ verteibigen, während bie übrigen
Spieler der ſchuldigen Partei fi) minde⸗
ſtens 5 m binter ihre Torlinie zurüdziehen
müſſen.
Glaubt der Schiedsrichter, daß durch ein
unerlaubtes Spiel, in einer Entfernung von
10 m vor dem „Tor“ der ſchuldigen Partei,
ein ſonſt ſicheres „Tor“ vereitelt wurde, ſo
kann er ſofort ein „Tor“ geben.”
„Bei Wettſpielen muß jede Mannſchaft
durchaus gleichmäßig koſtümiert ſein.
Aehneln ſich die Koſtüme beider Mann⸗
ſchaften ſehr, ſo ſoll ſich die Mannſchaft, auf
deren Platz das Wettſpiel ſtattfindet, durch
eine auffällige farbige Schärpe beſonders
kenntlich machen. Als beſte Polokofſtüme
eignen ſich die von der Firma N. Steibdel,
Berlin C. 22, hergeſtellten Bluſenhemden,
melde in allen nur erdenklichen Muftern ans
gefertigt werden können.
Bei Wettfpielen dürfen an ben Rädern
feine bervorfpringenben oder fantigen Teile,
an denen ein Anhafen fremder Räder oder
ein Verlegen ber eigenen PBerfon möglich tft,
angebradt fein. Hierzu gehören: Aufftiege,
Fußraften, Laternenhalter, Handbremſen,
Klingeln, Peitſchenhalter ıc. Die Lenkſtange
ſoll möglichſt klein, jedenfalls nicht breiter
als 50 cm fein. Auf Verlangen irgend eines
am Spiel Beteiligten, müffen ſolche Teile ſo⸗
fort entfernt werden, andernfalld derSchieds⸗
richter die Benugung des betr. Rades unters
jagen kann.”
667. Radpolo ohne Schläger.
Eine Abart des Radpolo mit dem
Schläger, das jedoch feltener ge:
fpielt wird, it das Radpolo ohne
Schläger; der Ball wird bei diefem
Spiel allein durd) das Borderrad,
du8 man mit furzem Ruck vom
Boden hebt, gefhlagen. Selbft:
verjtändlich verlangt dieſe Art des
Polos noch größere FYahrkünfte.
Die Regeln find dieſelben wie die
oben angegebenen fürs Radpolo.
E. Bräfin Baudiſſin.
Wafferpolo.
668. Einleitung. Das „deutfche
Waſſerballſpiel“ ift beim Schwimm⸗
port beſprochen worden; aber das
eigentliche Charafteriftiftum jedes
Polofpiels, nämlich das Zuſammen⸗
arbeiten der Mannichaften, fehlt
ihm. Die von Herrn U. Baer für
Deutfchland bearbeiteten Regeln des
Waſſerpolos find von Herrn Fritz
Droemer wieder und wieder revi-
diert, allerdingS ift die von U. Baer
geftellte Bedingung: das Tauchen des
Gegners zu verbieten, ebenfalls auf:
recht erhalten mworden; entgegen
den engliihen Beftimmungen iſt
ein Schwimmen mit dem Ball in
erhobener Hand verpönt — der
Ball fol fofort weiter geworfen
werden. Xeider ift in Deutjchland
aber noch feine Einigung in Den
verfchiedenen Klubs über die Spiel-
regeln erzielt worden; einige fpielen
genau nad engliichen Muſter, ans
dere nad) Droemers, noch andere
nah Baers Beltimmungen; viele
Ihaffen fi ihre Geſetze felbit.
Diefe Zwietracht ijt der Verbreitung
des Spiels fehr hinderlich; denn da
das Wafferpolo jett eine Hauptrolle
bei allen Schwimmfeften fpielt, ſchon
der größeren Abmechjelung wegen
in den jonft eintönigen Programm,
hält es ſchwer, mehrere deutfche
Mannihaften zufammenzuladen, Die
nad) denfelben Prinzipien arbeiten.
Sm Sabre 1906 jind deshalb Die
Regeln einer lebten, gründlichen
Revifion unterzogen worden, um
alle Klubs endlich unter einen Hut
zu bringen; da fich aber immer
noch verfchiedene Vereine fträuben,
die Erlaubnis, den Gegner tauchen
zu dürfen, aufzugeben, jo fann von
einer Beendigung des Kampfes, zu
dem ed wegen der Meinungdvers
ichiedenheiten oft buchſtäblich im
Waſſer gelommen ift! leider noch
nicht die Rede fein. Diesmal ijt
XI. 1,
jedoch Deutſchland nicht das einzige
Zand, in den fih eine Neueruug
erſt nach unfäglich viel Hader durch⸗
zufegen hätte, zwar wäre es hübſch
gewefen, wenn Deutjchland 'mal
ohne der Parteien Haß mit gutem
Beifpiel vorangegangen wäre; To
weit reicht es aber bei uns nicht!
Wir konſtatieren höchſtens mit Bes
friedigung, daß wir einmal nicht
allein die Karnicdel waren! Kaum
je hat in dem fportöfreudigen Eng-
land, jeder Körpererziehung fonft fo
wohlwollend gegenüberftehend, eine
Neuerung fo viel Widerſpruch ber:
ausgeforbert, wie das „Waterpolo”.
Man fand es nutzlos und unſchön
und durchaus nicht geeignet, Die
Fähigkeiten der Schwimmer aus⸗
zubilden und zu fürdern — alles
Anfichten, die fih allmählich ins
Gegenteil verkehrt haben. Jetzt
findet man es in England durch—
wegs nüglih, ſchön, amüſant —
ja, es gibt kein Schwimmſchaufeſt
mehr ohne Polo — denn dieſes
bildet den Gipfel aller Darſtellungen.
In England iſt auch die Streitart,
die zwiſchen Klubs und zwiſchen
Einzelindividuen mit gleicher Hef—
tigkeit geſchwungen wurde, längſt
begraben. Freilich hat es eine ge—
raume Zeit gedauert, bis ſich das
Spiel allgemein durchſetzen konnte.
Den erſten Nachrichten aus dem
Jahre 1870, die ſich in einem Be:
richt der London Swimming Affo-
ciation finden, folgten lange feine
weiteren; bis im Sabre 1874 und
1876 die erſten Waflerballfämpfe
im Criſtal Palace zu London und
in Bornemouth ftattfanden. Bon
diefer Zeit an hob ſich das Intereſſe
am Spiel, fo daß 1876 von William
Wiljon in Gladgom feite Regeln
aufgeftelt wurden. Allmählich ge:
ftalteten fi) die „Tore“, die bis—
ber nur von Fleinen Flaggen mar:
tiert waren, zu feften „Goals“ un,
die fich über der Waſſerfläche er:
Polo. Nro. 669.
hoben. 1879 wurde zum erftenmal
öffentlich mit Goal3 von den Klubs
in Henley und Dudley gefpielt.
1885 wurden für ganz England
gültige Regeln ausgearbeitet, die
1890 die „Waterpolo:Affociation“,
ein Klub, der ſich innerhalb des
großen, englifchen Schwinmverban:
de3 gegründet hatte, noch einmal
gründlichit veränderte. Für England
find dieje letzten Regeln aber heute
allgemein gültig.
In Deutſchland wurde das Spiel
überhaupt erſt 1894 von Herrn Fri
Knieſe in Berlin eingeführt;
noch dazu mit wenig Erfolg! Jetzt
gibt es allerdings in größeren
Städten einige Klub3 — von der
großen Beliebtheit bei Sportsleuten
wie beim Bublifum, die es in
England und Amerika genießt, ijt
‚aber nicht annähernd die Rede.
Daß es fih dennoch allgemein, wo
gute Schwimmer find, verbreiten
wird, ift fiher; denn ein Spiel,
dad fo viel Abwechjelung bringt
und zugleich ein ſolch vorzügliches
Mittel zum Trainieren bietet, wird
ſich ſchließlich doch auch bei uns,
allen Keinen Nörgeleien zum Trotz,
Bahn breden! Wie ftets, wenn
man ſich amüfiert, werden die An-
ftrengungen beim Wafjerpolo ver:
gefjen und allmählich, fajt ohne es
zu merfen, bildet ſich der Spieler
zu einem vorzüglihen Dauer:
ſchwimmer au2.
669. Das Spielfeld. Das eng-
liſche Wafferpolo wird faft immer
in einem Baſſin gefpielt; auf alle
Fälle ift ein Spielfeld von ca. 30 m
Länge zu 15 m Breite abzugrenzen,
Als Grenzlinien werden meiftens
Leinen, die mit kleinen Fahnen be:
jest find, genommen. Die Goals
(Tore), durch die der Ball zu trei:
ben iſt, befinden ſich innerhalb der
Breitfeiten des Spirlfeldes, haben
einen Raum von mindejtend 2 m
zwijchen ſich und ragen bei tiefem
Nro. 670-672.
Waſſer 1 m, bei fladhem 2'/, m
über der Oberfläche empor; das
bellgejtrichene Holz der Tore iſt
oben durch eine Duerftange ver:
bunden.
Die „Mallinie” wird 3 m vor
jeder „Torlinie“ gezogen, ebenfalls
durch eine Leine, die „Mittellinie”
quer von einer Längsfeite zur an:
Linie
“ Mittel -
ws
4“ >22 222. = — „2.2. >. =. 2 - = — >
&
—
18
E. Gräfin Baubdiffin.
befisen. Er hat 20-23 cm Durd;-
mejjer, ift au8 Gummi mit einem
Segelleinwandbezug hergeftellt und
muß ſtark aufgeblafen fein, um kei—
nem Handdrud nachzugeben.
672. Erklärung des Spielß.
Da das engliihe Wafjerpolo durch
Zahl und Aufftellung der Spieler
wie durch den Berlauf des Spieles
dem Fußballipiel
jehr ähnelt, wird
es 3.8. in Schott:
land einfach „aqua-
tic football“ ge:
nannt. Ganz deckt
fich der Name aller:
dings nicht mit dem
Weſen des Spiels;
denn der Ball darf
nie mit dem Fuß,
jondern immer nur
mit einer Hand be—
rührt werden. Dies
zu lernen, ijt die
336. Das Spielfeld und die Aufitellung der Spieler
zum Waſſerpolo.
J—3. Stürmer. 4. Derbindungsmann. 5—6. Mal:
männer. 7. Torwächter. O Schiedsrichter. € Vorrichter.
erite, zugleih auch
die jchwerjte Be:
dDingung für Den
dern in der Mitte des Spielfeldes,
ihr Mittelpunkt wieder wird von
einer Flagge bezeichnet. Alle drei
Grenzlinien müſſen höher jein als
die Duerjtangen der Tore, um hohe
Würfe nicht zu behindern. Die
Tiefe des Waſſers joll für alle
Spieler zum Schwimmen genügen.
670. Die Kleidung. Der üb:
liche Anzug zum Waſſerpolo iſt ein
Trikot, deſſen Farben vom Klub
beitimmt werden. Beim Spiel
müſſen fih die Parteien deutlich
durch) die Farben unterfcheiden. Bei
MWettjpielen wird außerdem eine
Kappe getragen. VBerliert ein Spieler
dieje, jo darf er nicht fpielen, bis
er jie wiedererlangt hat.
671. Der Ball. Der Ball
ähnelt dem zum Fußball gebräuch:
ligen; doch darf er feinerlei Griffe
Anfänger.
Der befte Griff,
um den Ball zu halten, ift, ihn zwi:
ihen Hand und Handgelenf einzu
flemmen. Man darf den Ball nie be-
halten, er muß jofort weitergeworfen
oder »gejtoßen werden; ihn unters
Waſſer zu tauchen, ift ebenjo verboten,
wie in erhobener Hand mit ihm zu
ſchwimmen. Beteiligen am Spiel
darf fih nur,mit Ausnahme des Tor:
wächters, wer ſchwimmt; wer jteht,
fih fefthält oder ſich abjtößt, ift
außer Spiel. Im übrigen wird
beim Wafjerpolo genau dasſelbe
„faire“ Verhalten der Mannjchaften
untereinander verlangt, wie beim
Reiter- und Radpolo: Niemand
darf einen Gegner abſichtlich be—
hindern, tauchen oder ſonſt jtören
— nur die größere Geſchicklichkeit
und das flotte, aufmerfjame Zu:
jammenarbeiten der Mannſchaft ſoll
XI. ı. Polo.
Nro. 673-674.
den Sieg verihaffen. Sieger ift | den Mittelpunft des Spielfeldes.
die Partei, die am meiften „Male“ | Sobald ein Mal gewonnen ift,
gewonnen hat.
673. Die Spieler. Die Mann:
Ihaften ſetzen fih aus je fieben
Spielern zufammen: nämlich dem
Torwächter, den drei Stürmern,
den zwei Malmännern und dem
Berbindungdgmann.
Der Torwächter ift der einzige,
der ſich beim Spiel, beider Hände
bedienen darf, da er den Ball ab-
zuwehren bat. Dagegen ift es ihm
verboten, das Spielfeld feiner Partei
zu verlaflen, oder den Ball über
die Mittellinie zu werfen.
Den drei Stürmern (linfer und
rechter Seitenftürmer und Mittel:
ftürmer) liegt die Aufgabe ob, den
Bal für ihre Partei zu erobern
und ihn durch das feindliche Tor
zu werfen. Bei Beginn des Spiels,
da3 der Schiedsrichter durch einen
Pfiff eröffnet, fol der Mittelftürmer
al3 der beſte Schwimmer verjucdhen,
den Ball zu erreichen und ihn dem
Berbindungsmann zuzumerfen; Ddie-
fer wirft ihn einem der Stürmer
zu, deren Vorzug ein weites und
ſicheres Werfen des Balles jein foll.
Die Malmänner find zur Unter:
flügung des Tormädterd da und
baben ſich möglichft in der Nähe
des Maled aufzuhalten und von
bier aus den Ball den Stürmern
wieder zuzumerfen.
Der Berbindungsmann hat fi
überall und nirgends zu befinden;
er muß allen Mitgliedern feiner
Partei Hilfe bringen und ftet3 genau
über den Stand des Spieles orien:
tiert fein; daher muß er bejonders
ſchnell ſchwimmen fünnen.
674. Gang des Spieles. Zum
Spielbeginn ſtehen die Spieler an
der Dreimeterlinie. Der Schieds—
richter gibt durch einen Pfiff das
Zeichen zum Anfangen und wirft
den Ball dabei unter die Flagge
der Mittellinie, alſo möglichſt in
wird das Spiel durch einen Pfiff
beendet. Das Mal kann aber nicht
durch einen Wurf genommen,
ſondern der Ball muß ſtets von
einem zweiten Spieler berührt wer⸗
den. Die Mannſchaften kehren an
ihren Stand zurück und der Ball
wird neu ausgeworfen. Niemand
als der Torwächter darf ſich hinter
den Mallinien aufhalten, ſolange
der Ball dort nicht iſt; der Raum
zwijhen Tor: und Mallinien muß
frei bleiben, bis der Ball dorthin
geworfen wird. Die Strafe gegen
Berftöße befteht in einem Freiwurf
für Die feindlide Partei. Ein
Ausschluß des Spieler3 bis zur
nädjften Pauſe erfolgt nach wieder:
bolter Warnung, ein vollitändiger
Ausfhluß vom Spiel, wenn ein
Spieler ohne Erlaubnis das Spiel:
feld verlaffen hat. Fliegt der Ball
über die eigene Torlinie fort, fo
erhält der Gegner einen fogenannten
„Eckball“, d. 5. der Ball wird in
die Ede geworfen, in der Seiten:
und Torlinie zufammenftoßen, ihın
alfo möglichermeife ein leichter Sieg
gewährt. Fliegt der Ball über die
feindliche Torlinie hinaus, fo erhält
der Gegner nur einen Freiwurf;
ebenſo wenn der Ball über eine
Seitenlinie hinaus geworfen wird.
Jedes Spiel zerfällt in zwei Ab:
fchnitte und Hat eine Dauer von
2 X 7 Minuten mit 3 Minuten
Paufe dazwiſchen. Nach jeder Baufe
werden die Plätze gemechlelt.
Neben dem Schiedgrichter befindet
fih an Land noch ein Zeitnehmer,
ſowie ein Torrichter; erjterem wird
die pünktliche Innehaltung der Zeit
zur Pfliht gemacht, letzterem ſteht
das Urteil zu, ob ein Tor richtig
genommen iſt oder nicht und wo
event. der Ball wieder einzuwerfen
iſt, wenn er über die Seitenlinie
geworfen wurde.
N ze
Nro. 675-676. E. Gräfin
In England wird diefes Richter:
follegium noch erweitert. Dort gibt
es neben dem Schiedsrichter 3 Kampf⸗
richter, 4 Zielrihter und 2 Zeit-
nehmer.
675. Beſondere Kunftfertig-
feiten. Wie beim Radpolo ift aud)
beim Wafferpolo das „Dribbeln”,
das Vorſichherwerfen des Balles in
ganz furzen Stößen, ein beliebtes
Manöver; auch das Rückwärtswerfen
des Balles, um den Gegner zu über:
rajchen, verlangt viel Mebung. Zu:
dem gibt e3 mancherlei Tricks, die
aus den Wechfelfällen des Iuftigen,
anregenden Spiels entftanden und
erlaubt find.
676. Die Spielregeln.
1. Beginn. Der Beginn des Epieles
wird vom Schiedsrichter durd) einen kurzen
Pfiff oder dad Kommento „Los“ arigezeigt.
Gleichzeitig ift der Ball möglichft genau in
in die Mitte des Spielfeldes zu bringen.
Borber dürfen die Spieler ihre Torlinie nicht
verlafien.
2. Ball über Seitengrenze ober
Torlinie. Meberfchreitet der Ball bie
Seitenlinie, fo erhält die Partei, die den
Bal nicht zulegt berührt hat, einen Frei⸗
mwurf; überfjchreitet der Bau die Torlinie,
ohne durch das Tor zu gehen, fo wird der
Bad vom Torwächter eingeworfen; über:
fhreitet der Ball die eigene Torlinie, fo ers
hält die Gegenpartei einen Edball,
3. Fehler. Kein Spieler, mit Auss
nabme des Torwächters, darf eine Stellung
einnehmen hinter den Mallinien, wenn nicht
ber Ball ſich dort befindet.
Weiter ift es verboten:
a) den Ball mit beiden Händen gleichzeitig
zu faſſen,
b) den Ball unter Waffer zu nehmen,
c) fi abzuftoßen,
d) den Ball zu berühren, ben Gegner zu
hindern oder überhaupt am Spiel ſich
su beteiligen, wenn man auf dem
Grunde des Waſſers fteht oder fich
irgendwie fefthält,
e) den Gegner in irgend einer Weile zu
behindern oder zu beläjtigen, wenn er
den Ball nicht in der Hand Hält
(worunter ein Vorfichhertreiben ober |’
Weiterihlagen des Balles nicht zu ver⸗
ſtehen ift),
f) den Gegner mit Abficht zu treten, feſt⸗
zuhalten oder zu ftoßen,
g) laut zu ſprechen,
b) bei einem Freiwurf den Bau bem
eigenen Torwächter zuzuwerfen.
Bei a) und d) ift ber Torwächter ausge-
Baudiffin.
nommen, doch darf er den Ball nicht Über die
Mittellinie des Spielfeldes werfen; anbern=
fal3 fommt der Gegenmannidhaft von dort
ein Freiwurf zu.
4. Freiwurf. Die Strafe für einen
Fehler ift ein freier Wurf für bie Gegen-
mannſchaft von der Stelle aus, wo ber Fehler
geſchah. Der Schiedsrichter beftimmt zur
Ausführung bes Freimurfs jenen Spieler der
Gegenmannſchaft, ber fi der Stelle, an
welder ber Fehler begangen wurde, am
nächſten befindet. Iſt nicht zu unterfcheiden,
von welder Partei der fehler gemacht wor⸗
ben ift, fo wirft ver Schtedärichter den Bau
in das Spielielb.
5. Unterbredhung. Bei vorlommenden
Fehlern oder wenn der Ball über bie®renzen
der Spielfläcdde gelangt, ift dag Spiel durch
einen Pfiff zum Stehen zu bringen. Alddann
bat jeder Teilnehmer an feinem Plate zu
verharren, bis der Schiedsrichter dad Zeichen
zur Fortjegung gibt.
6. Verlaſſen des Waſſers. Ein
Spieler, welcher das Waſſer verläßt oder ſich
durch abſichtliches Fefthalten an irgend einem
Gegenftand ausruht, wird erft beim Tor-
wechjel, oder nachdem ein Tor gewonnen ift,
wieder zugelaffen.
7. Torgemwinn. Ein Tor iſt gewonnen,
337. Aufftelung zum amerifanifchen
Waflerpolo.
I—I1 = Goal (Ziel). B= Ball. a—b =
Goalkeeper (Zielhalter). c = Centre Ruſh
(Mittelftürmer). d = Halfsbad:man (hal:
ber BHintermann). e-f= rufh (Stürmer).
g—h = judge (Richter. i = referce
(Schiedsrichter).
XI. 2.
wenn der Ball von vorn her durch das Tor
hinter die Torlinie gebracht wird, voraud⸗
geſetzt, daß dies nicht durch eine regelwidrige
Handlung der Angreifer erreicht wurde.
Durch den Anwurf oder einen Freiwurf
kann das Tor nicht gewonnen werden, ſon⸗
dern der Ball muß vorher noch von einem
zweiten Spieler berührt worden ſein.
Es zählt nicht als Treffer, wenn der Tor⸗
wächter beim Ausholen zum Wurfe den Ball
hinter die Torlinie bringt, ſolange er ihn in
der Hand hält.
Der Schiedsrichter gibt die Erzielung eines
Treffers durch zwei Pfiffe bekannt.
Anmerkung. In den Ausſchreibungen
iſt die Größe des Spielfeldes und die Zaͤhl
der Spieler anzugeben.
677. Das amerikaniſche Waſſer⸗
polo. In Amerika hat ſich das
Polo ſeit 1890 eingebürgert, aber
unter anderen Regeln. Jede Partei
beſteht dort nur aus ſechs Mann;
und zwar dem centre rush (Mittel:
Golf. Nro. 677-678.
ftürmer), 2 rush (rechten und linken
Stürmer), 2 half-back (halber
Hintermann) und 2 goal-keeper
(Torwädter).
Die Aufftellung weicht daher aud),
wie aus dem Plan erjihtlidh, von
der des englifchen Polos ab. Außer:
dem unterjcheidet dag amerifanifche
Spiel fih no dadurd, daß der
Ball auch geworfen werben darf,
während er beim englifhen nur
geftoßen wird. Zudem ift es in
Amerika geftattet, unterzutauchen,
zwiſchen Mal⸗ und Torlinien zu
ſchwimmen, den Ball unter Waſſer
zu verſtecken 2c. Dagegen gilt das
Goal nur dann als gewonnen,
wenn es von einen Schwimmer
mit dem Ball pafjicrt wird.
2. Golf.
678. Einleitung. Golf (auszus
Ipreden: goff) ift feit Jahrhunder⸗
ten dag Nationaljpiel Schottlands.
Sein Urfprung ift nicht genau nad):
zuweijen; ohne rechten Grund ver:
ſucht man es von den Ballipielen
der Römer, der nur dem Namen
nach befannten „PBaganica” , oder
den Spielen mit dem „Follis“ oder
der „Pila“ herzuleiten. Die Spiele
der Griechen, die Aporrharis wie
das Uraniaſpiel, könnten dann mit
demſelben Recht als Vorläufer ge⸗
nannt werden, da zu ihnen auch
ein Ball nötig war. Auf den Na⸗
men „Kolf“ ſtößt man im Mittel⸗
alter zuerft in Holland, wo ein
mehr dem Krocket ähnliches Spiel
mit Keulen, die mit Bronzeköpfen
verſehen waren, in einem geſchloſ⸗
fenen Raum gefpielt wurde. Dar—⸗
ftelungen dieſes Vergnügens, das
auch auf dem Eife betrieben wurde,
finden fi ſchon auf alten Kacheln
und Kupferftihen. Berwandt war
dies Spiel, das „Kolf“, dem ſchon
im 14. Jahrh. in Franfreich be=
liebten „Chole“, bei dem ein Ball
mit dem Fuß, mit der Keule oder
jogar wie beim Polo vom Pferd
aus mit dem Stod getrieben wurde.
Später folgte dem Chole oder Chol-
lagefpiel das „Palle-Maille”, dag
fogar das Seu de Paume, das
Spiel im Ballhaus, faft entthronte,
und fih auch in Deutjchland ſtark
einbürgerte. Auf alten Gütern
heißen die fchnurgeraden Alleen,
die auf dag Herrenhaus zuführen,
noch beute oft „Mail“, obgleid)
faum jemand den Urfjprung dieler
Benennung angeben könnte. In
manden Städten, wie 3. B. in
Altona, bat fi die Bezeichnung
der breiten, öffentlichen Bromenade
als „Palle-Maille“ erhalten.
Ueber die Regeln des „Jeu de
Mail“ veröffentlichte ein Franzoſe
Nro. 678.
€. Gräfin Baudilfin.
Zauthier im Jahre 1717 ein| Tann aber erft feit den legten 15
Bud, nah dem man vier Arten
des Mail unterjchied, nämlid au
rouet, en partie, aux grands
coups und & la chicane. Gefpielt
wurde es mit einem Hammer (mail)
und einer Kugel. Später gab es
noch eine Abart, zu der außer dem
Zapfen, den die Kugel berühren
mußte, ein zu paffierender Bogen
nötig war. Somit vollzog ſich die
Trennung zwiſchen Golf und Krodet.
Sm Laufe des 15. Jahr). nahm
die Vorliebe für Golf in Schottland
dermaßen überhand, daß das jchots
tiſche Parlament Verbote gegen dad
Spiel erließ, hauptfächlich weil man
der Anficht war, die Jugend würde
das wichtige Bogenfchießen über
dem Sport verfüumen. Da dieſe
Erlafie gegen da8 ‚Royal and
ancient game‘ aber wenig oder
gar nichts nügten, mußten fie am
Ende desjelben Säkulums wieder⸗
holt werden. Dann gab man den
fruchtlofen Kampf gegen das feſt
eingebürgerte Spiel auf, bis gegen
Ende des 16. Sahrh. wieder ein
Geſetz erlaflen wurde, dad wenig⸗
fteng am Sonntag dag Golfipiel
unterjagte und Webertretungen mit
Strafen bedrohte. 1603, als Ja⸗
fob VI von Schottland einem feiner
Untertanen das alleinige Recht zur
Herftellung von Golfbällen verlieh,
um dem Import der holländischen
Bälle entgegenzumirfen, wurden
ſchon öffentlide Wettfpiele in St.
Andrews veranftaltet. Jakob II,
jpäter auf dem englifhen Thron
als Safob I, führte das Spiel in
London ein und gründete den be=
rühmten, noch jett bejtehenden
Bladheath Club unter dem Namen
Knudle Club, der bis 1864 der
einzige englilche blieb, während in
Schottland fich die Anzahl der Ver:
eine bis dahin auf ungefähr 10
erhöht hatte. Bon einer allgemeinen
Verbreitung des Spiels in England
Jahren die Rede fein; allerdings
bat fie jo zugenommen, daß all-
jährlih über 200 neue Klubs er⸗
öffnet werden. Set beträgt ihre
Zahl im großbritannifchen König-
reich gegen 2000, wie das „Golfing
Annual“ anführt. Ueberall, wo
die Engländer Kolonien befigen
oder ſich angefiedelt haben, find
auch „Golf-Links“ entitanden ; alfo
fann man behaupten, daß es fich
über die ganze Erde verbreitet hat.
Sn den Kapländern, in Aegypten,
Indien, in Auftralien, in Nord⸗
und Südamerika, in Oftafien wird
ed mit gleicher Leidenfchaftlichfeit
gefpielt, denn dadurd, daß Leute
jeglichen Alters, Herren wie Damen,
an ihm teilnehmen können und es
fih zu jedem Klima eignet, ja fich
jedem Terrain anpaſſen läßt, hat
es kaum unter allen Sportsſpielen
einen konkurrenzfähigen Rivalen.
— Frankreich beſitzt ſchon ſeit den
fünfziger Jahren des letzten Jahr⸗
hunderts berühmte Golfplätze in
Bau und Biarritz, in Deutſchland
wurde das Spiel zuerft in Berlin
eingeführt und beſonders durch Sir
Frank Lascelles, den englifhen
Botichafter am preußiſchen Hofe
jehr unterftüßt. Andere Städte, in
denen e3 Golfklubs gibt, find Wies⸗
baden, Dresden, Bremen, Homburg,
auch Kiel bat feit einigen Sahren
hart an der Föhrde in Heyfendorf
ſchön gelegene Golf⸗Links, die Prinz
Heinrih, der Bruder des Kaiſers,
regelmäßig und eifrig aufſucht.
In Schottland ift der angejehenfte
Klub der Royal and ancient Golf-
Club of St. Andrews geblieben.
Mit großen Feierlichkeiten wird die
Saijon dort jährlih dur den
Captain eröffnet und dann der
Titel „Captain of the Golf“ neu
ausgejpielt. Der Gewinner erhält
für ein Jahr eine filberne Keule,
die bereit? im Sahre 1744 von
XI. 2.
der Stadt Edinburg ald Ehrenpreis
geftiftet worden ift. Die Regeln
des St. Andrews Club find in der
ganzen Welt nıaßgebend. Dennod
befteht eine Union aller Golfklubs
bisher nur in Nordamerika.
679. Der Spielplag. Für das
Golf ift fein künſtlich geebneter
oder geordneter Spielplag nötig;
im Gegenteil, man bevorzugt vor
ebenem Terrain, wie er ſich auf
Heiden oder am Strand darbietet,
Länderſtrecken, die durch Bujchwerf,
Bäche, Heine Hügel u. dergl. das
Spiel abmechdlungsreicher gejtalten.
Hat man ein langmeiliged, ödes
Land zur Verfügung, fo hilft man
durch die Anlage fünftlicher Hinder-
niffe nad. In größeren Städten,
in denen freie Pläge nur jelten zu
beihaffen find — höchſtens weit
draußen vor den Toren — nimmt
man mit dem Gelände noch unbe:
‚ bauter Straßenzüge vorlieb. Der
richtige Golfplag fol aber natürlich
eigentlich ein „green“, d. h. in der
Hauptſache mit kurzem, dichten
Raſen beftanden fein, auf dem der
Bal gut rollt. Der Umfang der
Links fol mindeſtens 1—2 km be-
tragen, aber nicht über 4 km groß
fein; jedenfall® eine Ausdehnung,
die ſchon eine tüchtige Bewegung
erfordert. Als Male oder holes
(Löcher) werden 18 Löcher von
ca. 15 cm Tiefe und 10 cm Durch⸗
mefjer in gleihmäßigen Abftänden
verteilt und zwar jo, daß 9 „out“
zur Grenze des Platzes, und 9 „in“,
an den Ausgangspunft zurücd-
führen. Ausgehoben werden dieje
Löcher mit dem „cutter* (Loch⸗
bohrer), und um fie vorm Berfanden
zu fhüßen, werden fie mit einer
niedrigen Eijenröhre verjehen, deren
Rand aber unterhalb der Erdober-
fläye liegen muß. Die Flähe um
diefe Löcher herum muß ſehr eben
und gepflegt und auf alle Fälle
Golf. Nro. 679.
den „putting greens“, wie dieſe
Schlagflähen genannt werden, fin-
det das wichtigſte Spiel: das Put:
ten oder Einfchlagen der Bälle ftatt.
Das erſte Mal wird je nad der
Größe des gejfamten Spielfeldes
2—400 m vom Audgangspunft
angelegt; das ebene Land des
„putting green“ foll ca. 20 m
im Durchmefjer betragen. Die
Spielflähe von einem Mal zum
andern heißt course oder green
und je ebener das putting green
ift, umſo abwechslungsreicher durch
Erdfentungen und =hebungen joll
das green fein. Auch wenn Stra-
Ben oder Gifenbahndämme das
green freuzen, oder Hecken und
Zäune Hinderniffe bilden, fo fügt
dies dem Spielpla nur mehr Reize
hinzu. Genügt der Raum nidt
zur Anlage von 18 Malen, fo be:
ſcheidet man fi mit 9 Löchern,
die in einem Kreis oder einer El:
lipfe angelegt werden, damit gleich-
zeitig mehrere Partien, ohne ſich
zu ftören, fpielen können. Ver⸗
deden höhere „bunkers“ (Hinder:
niffe) ein Mal — was mit Por:
liebe geſchieht — jo müſſen jedoch
Richtſtangen die Annehaltung der
Linie ermögliden; dicht neben den
Schlagplätzen wird der Abjchlag-
plag, der teeing-ground, ange:
legt. DBezeichnet wird er durch
2 Marten, gewöhnlich” Uleine, mit
Sand gefüllte Büchfen oder Käften,
Teeing Ground
Marke [] D Marke
; l Richtung nach dem nächsten Loche
338. Ceeing-Ground, Abfchlagplat.
zwijchen denen eine Linie gezogen
wird und die in ca. 2 m Weite
auseinanderjtehen. Der Ball darf
zum Abſchlag oder tee shot auf
mit Raſen belegt fein; denn auf | eine Kleine Erhöhung gejtellt wer-
; 44
ro. 680—681.
den, aufden tee, den man aus etwas | Verbindung durch dicken, fadierten
Sand formt, die gebräuchlichere | Bindfaden. Für Holzkeulen wird
Weife, für den es aber auch künſt- Hickory- oder LZanzenholz genommen,
lihe Unterlagen aus Hartgummi | zum Schaft der Eifenkeulen Hickory—
oder Holz gibt. oder Drangenholz. Zum Kopf der
Bei Beginn des Spieled werden | Holzfeulen wird ganz trodenes
die Male, der befjern Ueberficht- | Buchenholz bevorzugt. Der Kupfer-
lichfeit wegen, mit Flaggen bezeich= | bejchlag auf der Sohle der Holz—
net. Entweder markiert man da3 | Feulen heißt brassy; der Wintel,
genommene Mal mit einer weißen,
das nächfte mit einer roten Flagge
oder man ſteckt in alle Male „out“
eine weiße, in die Male „in“ eine
rote Flagge. Falld mehrere Par:
tien jpielen, ift eg Sitte, dag Mal,
wenn es verlajjen wird, mit der
für die Nächſten gültigen Flagge zu
verjehen.
680. Die Spielfenlen. Mit der
Zeit ijt für die verjchiedenen Arten
der Schläge ein ganzes Arjenal
von Keulen notwendig geworden ;
man rechnet ihre verjchiedenen
Variationen auf ungefähr 30!
Welcher Sorten man für ein Spiel
bedarf, hängt vom Terrain des
a
Spielplates ab; 4—6 verjchiedene
werden es immer jein müſſen.
Bon den urjprünglichen ſchweren
und ungefügen Keulen, von denen
der St. Andrews Club noch eine
Auswahl ald Sehenswürdigkeit be-
wahrt, ift man zu immer eleganteren
gefommen. Sie werden aus Holz
(wooden clubs) und aus Eifen
(iron clubs) hergeſtellt; die erjteren
find zerbrechlicher und koſtſpieliger
den die Schlagflädhe mit der Sohle
bildet, der slop.
681. Die Holzfeulen. Diefe
erhalten am vorderen Ende der
Sohle einen Schusjtreifen aus
Horn oder Bein; unterjchieden
werden fie ald Treiber (drivers),
Löffler (spoons), Lochkeulen
' (niblicks) und Einſchlagkeulen
(putters).
Die Treiber, die noch wieder
in ordinary-drivers, gewöhnliche
Treiber, und bulger-spoons, Bor-
wärtstreiber, eingeteilt werden, be=
nügt man zum Vorwärtsſchlagen
über weite Entfernungen, voraus=
gejeßt, daß der Ball frei daliegt,
fih in „good lie“ befindet. Der
Schaft der drivers ijt der längite,
107 cm, aller Keulen. Der ordi-
nary-driver führt den Abjchlag
aus, der Borwärtstreiber hat eine
noch größere Schlagfraft und kann
daher nur guten Spielern empfohlen
werden. Durch feine fonvere Schlag:
flähe erhält der Ball eine Drehung
(slice).
Die Löffler unterjcheiden ſich
und ſchon aus diefem Grunde ziehen | unter einander durch die Form
die meiften Golffpieler die eifernen | ihrer Schlagfläde und die verſchie—
vor. Der Griff „grip“ aller Keulen dene Stärfe und Länge ihres
hat eine Länge von 30—40 cm | Schaftes. Darnad) nennt man fie:
und ift am unteren Ende mit Leder | Langlöffler (long spoon); wird
umfleidet; am Kopf unterfcheidet | zum Heraustreiben des Balles aus
man die Schlagflähe (face), die | hohem Gras oder einer kleinen
Naje (nose), die Sohle (sole), die | Mulde benügt; Mittellöffler
untere Biegung (Ferfe) und den (middle spoon); dient demjelben
Hals, der die direkte Fortfegung Zweck wie der vorige, ift nur ſtärker
des Schaftes (hose) bildet und an | und ſchwerer; Kurzlöffler (short
diejen angeleimt oder mit Draht spoon), ift der kleinſte der Löffler
befeftigt wird; verjtärft wird die | und führt daher nur kurze Schläge.
XI. 2. Golf.
Treiber für £infshandfpieler,
— —
mens aD)
Nro. 681.
zu, N ET
Dorwärts:Treiber.
ni tr a |
Kupferlöffler mit langer Schlagfläche.
Kupferlochfeule.
Binderniseifenfeule.
Treibereifenfeule,
Kurze Spielfeule.
Sandeifenfeule.
Eine typifche Holzkeule.
339. Spielfeulen zum Golfjpiel.
——
Nro. 682.
aus; der baffing spoon iſt faſt
ganz durch den lofting iron, zum
Hochſchlagen des Balles, verdrängt,
während der brassy spoon, der
Kupferlöffler, jeit einigen
Sahren ſtark in Aufnahme gekom⸗
men ift, um den Ball aus Vertie⸗
fungen herauszuſchlagen. Seinen
Namen bat er nad) dem Kupfer-
oder Meffingbeichlag jeiner Sohle.
Auch die drivers erhalten jegt häufig
diefelbe Vorſichtsmaßregel und
heißen dann brassy-drivers,
Bei den Lochkeulen unter:
ſcheidet man den brassy niblick
und bulger niblick. Da Beide die
Aufgabe haben, den Ball aus den
Löchern herauszufchlagen, jo ift ihr
Kopf ſehr ſchwer, kurz und ſtark
abgeſchrägt. Der bulger niblick
hat überdies wie der bulger spoon
eine fonvere Schlagfläche.
Die Einfhlagfeulen werben
meiſtens auf dem Schlagplag he⸗
nüßt. Ihr Kopf fteht faſt ſenk⸗
recht zum Schaft, der beim ordi-
nary putter höchſtens 90 cm lang
und jehr ftark ift, damit ohne viel
Kraftanwendung doc der Ball weit
getrieben werden fann. Der dri-
ving putter ift faft aus der
Mode gefommen, da fajt alle feine
Funktionen — gegen den Wind zu
fpielen oder den Ball aus hohem Gras
herauszujagen 2c. — auch von andern
Keulen ausgeführt werden können.
682. Die Eifentenlen oder
iron-clubs. Diefe Keulen er-
jegen die hölzernen, wie ſchon ge⸗
jagt, mehr und mehr; urjprünglid)
allerdings dienten fie zu Schlägen,
die für wooden-clubs zu gefährlich
gemweien wären. Shre Schäfte find
jtärfer und fürzer als die der Holz-
feulen, um Schläge auf hartem
Boden auszuhalten. Ihre 3 Haupt-
arten find die Spielfeulen
(cleeks), die irons und die
Locheiſenkeulen (iron nib-
licks).
&. Gräfin Baudiſſin.
Die cleeks haben nur die Ar:
beit der drivers übernommen, denn
fie find erft in Gebrauch, ſeitdem
die Golfbälle aus Guttapercha her⸗
geſtellt werden; deshalb wird ihr
Kopf, da wo der Ball auf die
Schlagfläche trifft, beſonders ver⸗
ſtärkt. Von ihnen dient wieder der
ordinary cleek dazu, den Ball
aus Vertiefungen herauszufchlagen,
und ihn gleichzeitig weit zu treiben.
Sein Schaft ift deshalb furz und
unbiegfam, während der des dri-
ving cleek elaftijder und länger
if. Der putting cleek wird,
wie fein Name verrät, auf dem
Schlagplatz benutzt, deshalb befitt
er eine faſt ſenkrechte Schlagflädhe.
Zwei Schlagflächen diefer Art
zeigen fi am iron putter,
eine hintere und eine vordere, da
er auh mit der linken Hand ge-
führt wird, Iſt fein Kopf aus
Meifing, jo heißt er brassy putter.
Die Köpfe der irons find breiter
al® die der cleeks und ihre Schlag-
fläche ift fchräger geftellt. Der
gebräfihlichfle der irons ift der
sand iron mit ſehr kräftigen
Schaft, ſchwerem Kopf und ftarf
nah rückwärts gerichteter Schlag-
fläche.
Die Treibereifenteule,
driving iron, bei halben und Drei-
viertelfchlägen gebräuchlich, ift leich-
ter als die sand iron und Die
Schlagfläche weniger fchräg.
Da der lofting iron, die
Hinderniseijenfeule, in der Haupt=
fahe zu Dreiviertelfhlägen und
„stymies“ benugt wird, d. 5. dazu
um den Ball dit am Mal über
den des Gegners hinwegzufchlagen,
fo ift er am leichteſten von allen
Eifenkeufen, durch fein Gewicht und
die Stellung des Kopfes aber in
der Hand guter Spieler zu faft
allen Schlägen verwendbar. Daher
wird er auch meiſtens kurzweg
„iron“ genannt. Die niblicks,
XI. 2,
Lochkeulen, werben bei denſelben
Schlägen wie die SHolzlochleulen
verwendet. Der eigentlihe iron
niblick hat einen winzig Heinen,
fajt runden Kopf, da er den Ball
aus ſchmalen Vertiefungen, Wagen-
geleifen uſw. herausſchlagen foll,
daher ift auch die Schlagfläcdhe leicht
fonver. Der Ball fliegt vom Schlag
de8 iron niblick ziemlich Hoch,
bleibt dann aber auf der Stelle,
auf die er herunterfällt, ftill Liegen.
Der Schaft diefer Keule muß daher
fehr ſtark fein.
Beim mashy tritt noch zu den
eben genannten Eigenſchaften die
hinzu, den aus einer Vertiefung
gebolten Ball gleichzeitig noch weiter
Ihlagen zu fünnen; deshalb wird
fein Kopf breiter, länger und
noch etwas jchwerer gehalten. Um
dem Schlag no mehr Schwung:
fraft zu verleihen, hat man feit
einigen Jahren den driver
mashy eingeführt, deffen Schaft
elaſtiſch iſt. Weitere Variationen
find der mashy cleek, der
heavy mashy und der ap-
proach mashy.
683. Univerfalfenten. Die In⸗
duſtrie verſucht wieder und wieder,
Keulen herzuſtellen, die allen Be⸗
dingungen einer brauchbaren Golf⸗
keule entſprechen und durch Aus:
wechſeln des Kopfes zu allen Arten
von Schlägen genügen. Meiſtens
wird dies Kunſtſtück mit einer
Schraubenvorrichtung verſucht. Auch
gibt es leichtere Keulen für Damen
und Knaben, folche mit Köpfen aus
Zelluloid oder Aluminium, mit
Kork⸗ oder Ledergriffen — alljährlich
fommt eine Unzahl von Neuerjchei-
nungen auf den Markt, ein Be:
weis, welch eine Wichtigfeit dem
Spiel in England beigelegt wird
und zugleich, wie ungeheuer es ver-
breitet ift.
684. Keulen für den Anfänger.
Der Anfänger ſoll mit wenigen,
Golf. Niro. 683-687.
höchſtens mit 3 Heulen zu lernen
beginnen. Zu empfehlen find ihm
ein brassy spoon, ein cleek und
ein putter. Erft allmählih, wenn
er in die Feinheiten des Spiels
eindringt, wird er fi nah mehr
Geräten umfehen, 6—7 dürften
aber auch dem beiten Spieler ge-
nügen. Shre Arten richten ſich
nach den Terrainzufammenjegungen
des GSpielplaged.
685. Köcher und Köcherträger
(caddie). Es iſt gebräuchlich, die
Keulen in einem Köcher auf den
Spielplatz zu bringen und dieſen
von einem Köcherträger („caddie“)
hinter ſich hertragen zu lafſen. Der
„caddie“ bekommt eine Mütze in
den Klubfarben und. lernt ſchnell,
welche Keule zu jedem Schlag nötig
ift. Sn England ift der Stand der
caddies ein ſehr beliebter bei Leu:
ten, die nicht gern arbeiten und
doch viel verdienen mögen.
686. Der green-keeper. "Jeder
Golfttub muß einen green-keeper
anjtellen, der den Plat in Ordnung
hält und zugleih „professional“,
Berufsfpieler, if. Denn er muß
auch die Anfänger anlernen. Die
meiften diefer „professionals“ ſtel⸗
len fi ihre Spielkeulen felbjt her
und verachten die Fabrikware. Bei
größeren Klub8 haben fie eine ganze
Heerfhar von Angeftellten, aud)
von „caddies“ unter fid. Deffent-
lih dürfen natürlich Amateure und
Profeſſionals nie zufammenfpielen;
doch gefchieht dies bei internen
Mettlämpfen des Klubs. Zumeilen
werden auch quafi als Belohnung
Wettkämpfe der- Profeſſionals ver⸗
ſchiedener Klubs untereinander ver⸗
anſtaltet.
687. Der Ball. Der urſprüng—
liche Golfball war aus Leder her-
geftelt und mit Federn möglichii
feſt ausgeftopft; der Stand, Der
diefe „featheries“ herftellte, war
ein ſehr angejehener und wohl:
|
Nrv. 688.
habender. Um ihn nicht zu ſchä—
digen, erließ Safob II von
Schottland, mie in der Einlei-
tung erwähnt wurde, das Verbot,
holländische Bälle zu importieren.
Der Ball ift dem Spieler etwas
jo wichtiges, daß er nur mit einem
tadellojen jpielen, dagegen bei
# " 9a UF. -
S nam.
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— — — —
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> 1 I
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—
+
'
340. Golfball.
größeren Wettfämpfen gewiß feinen
neuen, jondern einen ganz erprobten
nehmen wird, ja, je länger ein
Ball in Gebraud ift, deſto wert
voller wird er dem Beliter, vor:
ausgejegt, dab jeine Form ganz
intaft bleibt. Seit 1848 fam der
Guttaperhaball in den Handel und
hat den ledernen vollfommen ver—
drängt. Um ihn eher und befjer
gebrauchsfähig zu machen, wird der
neue Ball, der dann noch „die“
heist, von Maſchinen bearbeitet und
jeit ca. 30 Jahren erhält er außer:
dem über die ganze Oberfläche hin
fich freuzende Nillen, wie aus der
Abbildung erfichtlich ift.
Der Umfang des Balles beträgt
G 2: „Hl N l
212) 4AUR,
— a
7
— 2
—
E. Gräfin Baudiſſin.
ſtörbar und dennoch verleiht ihm
ſeine Leichtigkeit die Fähigkeit, weit
durch die Luft fliegen zu können.
Die beliebteſten Bälle im Handel
ſind die „Silvertown“, von denen
eine Sorte ſchwimmfähig, die an—
dere beſonders hart iſt. Ange—
ſtrichen werden die Bälle meiſtens
in leuchtendem Weiß oder Rot,
um weithin ſichtbar zu ſein.
Der gewöhnliche Preis des
Balles iſt in England 1 sh,
doch gibt es natürlich auch teue—
rere Bälle. Zum Erlernen dient
der „captive ball“, um das
Wiedereinholen des Balles über-
flüſſig zu maden.
688. Aufbewahren der Keu—
len und des Balles. Die Keu—
len werden nad) jedem Gebrauch
troden und jauber abgerieben ;
man trodne fie aber nie am
Dfen, damit das Holz ſich nicht
frumm zieht. Um den hölzer-
nen Keulenfopf waſſerdicht zu
machen, wird er mit einer Lö—
jung von Guttapercha und Aether
beitrihen, während man den
Schaft und den Kopf der iron-
clubs mit Del einreibt, um das
Austrodnen und Roſten zu ver=
hindern; hat ſich dennoch Roſt ge—
bildet, ſo muß er ſorgfältig mit
Oel und Schmirgelpapier entfernt
werden.
An alte Schäfte laſſen ſich, wenn
der Spieler an ſie gewöhnt iſt
und ſie nicht gern hergeben möchte,
neue Köpfe ſetzen. Wenn der Ball
Feuchtigkeit aufgeſogen hat und
dadurch ſchwerer geworden iſt, er—
ſetzt man ihn durch einen trockenen;
ſchmutzige Bälle werden vom Caddie
abgewaſchen. Der Anſtrich der Bälle
muß von Zeit zu Zeit erneuert
werden, wozu es jetzt beſondere
Vorrichtungen gibt. Deformierte
4'/;—5 em, ſein Gewicht darf ihn | Bälle werden in einer Preſſe neu
nicht am Schwimmen verhindern ;
geformt, doch werden alte Bälle
dur jeine Härte ift er faft unzer: | mit Vorliebe von den Fabriken
XT. 2.
zum Einſchmelzen zurüdgelauft.
Gute Spieler halten fi immer
1/, oder ein ganzes Dubend neuer
Bälle vorrätig, um fie gut „ab:
lagern” zu lafien, da man fie
nit gern benützt, ehe fie nicht
mindeftend ſechs Monate alt find.
689. Das Spiel. Der Zweck
ded Spieles ift, den Ball vom
erften Abfchlagsplag, dem tee,
in das erfte Loch Hineinzufchlagen
und zwar mit möglidhft menig
Schlägen. Sieger ded Wales
wird, wer es mit den menigiten
Schlägen nimmt, Sieger des Spie-
led, wer die meiften Löcher ge⸗
mwonnen hat. Haben beide Parteien
diejelbe Anzahl von Schlägen zu
einem Loch gebraudt, jo wird ed
für beide gerechnet; haben beide
Parteien gleih viele Löcher ge⸗
monnen, fo iſt die Partie unent-
ſchieden (alleven). Hat eine Partei
bereit3 10 Löcher genommen, fo
daß für die andere doch nur acht
bleiben mürden, fogen. „byen“,
fo wird die Partie aufgegeben.
Ein Spiel umfaßt 1 oder 2 Run:
den, d.h. es geht ein= oder zweimal
vom „tee out“ und wieder „in“.
Das Spiel ift „dormi“, wenn eine
Partei der andern genau ſchon um
fo viel Löcher voraus ift, ald noch
zu nehmen find; es bleibt dann
unentihieden. Denn menn die
erſte Partei am 13. Loche ift, die
zweite am achten, jo kann fie durch
die übrigbleibenden fünf höchſtens
dem Gegner noch gleich werden.
Das einfache Spiel (single oder
twosome) verlangt nur eine Per-
fon auf jeder Partei; dag treesome
befteht aus zwei Berfonen auf einer,
und einer Perfon auf der andern
Partei. Foursome oder double
bat zwei Parteien a zwei Spieler.
So viel Teilnehmer aber auch vor-
handen fein mögen: jede Partei
bat immer nur einen Ball. Spiele
mit mehr als zwei Parteien heißen:
Niro. 689-690.
three or more ball matches. Die
Reihenfolge der Spieler wird zu
Beginn eined Wettlampfes feitge-
fegt, der erſte Abfchlag jedoch, der
honour, wird aus Höflichfeit dem
beften und älteften Golfjpieler über-
lafien.
Beim Wettfpiel oder match-
play muß jede Partei verfuchen,
mit ihrem Bal. möglichſt viele
Löcher zu erobern, mit wie viel
Schlägen dies gejchieht, ift einerlei;
das Mal mit einem Schlag weniger
genommen zu haben als der Gegner,
gibt jchon den Sieg. Bei Brei:
mwettfpielen follen mit möglichft
wenig Schlägen die Löcher der
ganzen Bahn genommen merden.
Bei letteren erhält der Gewinner
in England eine Medaille, weshalb
die Spiele au einfach „medal
plays“ heißen. Der Klubvorjtand
fügt ungefähr gleichwertige Spieler
als Gegner zufammen. Das Spiel
geht rund um den Play von einem
Mal zum andern; ift von einem
Spieler ein Mal genommen, jo
muß er warten, bis aud fein
Partner jo weit ift.
Spielen mehrere voneinander
unabhängige Parteien gleichzeitig,
jo läßt man die guten Spieler be>
ginnen, um fie nit durch die
ſchlechten aufzuhalten. Das Mal,
nad) den man fpielen will, muß
frei fein, ebenfo die big zu ihm
reichende Spielfläche, alfo ift immer
erft abzumwarten, bis die vorher-
Bude Partei das Mal verlafjen
hat.
Jeder Spieler hat vorm Ab—
ſchlagen des Balles durch einen
Ruf: Achtung! (kore!) zu warnen.
Die Reihenfolge der Parteien bleibt
ſo lange dieſelbe, bis eine Partei
ein Loch gewonnen bat, dann be—
ſitzt ſie den Vorzug „honour“ und
„führt“ zum nädjten Mal.
690. Der Abſchlag. Zum Ab:
ſchlag wird der Ball, wie bereits
GnIf.
Niro. 690. E. Gräfin Baubdilfin.
gejagt wurde, auf eine Heine Er: |die dem Schlag Ridtung und
höhung innerhalb der durch Marken | Schwung gibt, über die linke, deren
beitimmten Grenzen zurecht gelegt;
am Platz ſelbſt darf nichts geändert
werden. Es bat fi beim Golf:
jpiel ein eigner Stil herausgebildet,
der ftrift innegehalten werden muß
und vor allem jedem Spieler ge:
naue Befolgung der Regeln, Höf:
lichkeit und Rüdfiht auf den oder
die Bartner zur Pflicht macht. Eine
diefer HöflichfeitSpflichten iſt es
auh, dem beiten Spieler den
„Honour”, den Borzug des eriten
Schlages, zu überlajjien. Eröffnet
wird das Spiel, da es darauf an-
fommt, den Bal möglichſt dem
erften Loch zu nähern, mit einem
Treibfehlag oder full drive, zu dem
der driver genommen wird. Un⸗
geſchicktere Spieler ſollten fich nicht
ſcheuen, wie es meiſtens gefchieht,
den erſten Abſchlag zu machen, da
grade ſie geneigt ſein würden, den
Stil des Gegners nachzuahmen —
meiftend zu ihrem Nachteil! Hat
ein bejjerer Spieler aber: den Vor⸗
rang, jo fol der Anfänger diefem
Abfchlag lieber nicht zufchauen, als
verwirrt zu werden und nun dem
eigenen Können, durch den Erfolg
des andern beängftigt, zu miß-
trauen. Während des Spieles ſoll
man nicht lernen wollen, jondern
dies Gelegenheiten überlafjen, wo
man nur Zufchauer ift und neben
guten Spielern hergeht. Auf für:
zeren Spielpläßen (short- golf)
wird zum Abſchlagen Statt des
drivers eine weniger weittragende
Gijenfeufe, der driver mashy oder
einer der cleeks genommen.
Der Spieler ftellt ſich beim Ab-
ichlag parallel zur Richtungslinie,
mit faft durhgedrüdten Knieen und
leicht gejpreizten Beinen, unmeit
des linken Fußes liegt der Ball.
Die Sohle der Keule muß feft am
Boden ruhen. Beide Hände halten
den Griff und zwar faßt die rechte,
Aufgabe es nur ift, die Keule zu
führen. Biele Spieler, bejonders
Anfänger, tragen zum Golfjpielen
hergeftellte Handſchuhe, die vor
Blafen ſchützen. Beide Hände liegen
möglichſt dicht nebeneinander, das
Ende des Schaftes fteht etwas über
die linfe Hand vor. Sind diefe
Vorbereitungen (addressing the
ball) beendet, fo bat der Spieler
fih genau die Richtung anzufehen,
in die der Bal fliegen joll und
„fore !“ zu rufen. Gutes Schlagen
erreiht man nit durch Veraus⸗
gabung höchſter Kraft, jondern Durch
fräftigen Schwung und genaues
Treffen des Balles.
341. Der Waggle.
Der „waggle* ijt eine Spe-
zialität mander Spieler, die vorm
Schlag die Keule Hin- und her-
jhmwingen, um mehr Schwung zu
erzielen. Der waggle fol aber nur
aus den Handgelenfen, nit mit
den Armen ausgeführt werden.
XI. 2.
Zum Abſchlag wird die Keule
über den Kopf geſchwungen, von
vecht3 nach links, wobei der Blick
niemal® den Ball verlaffen darf;
ungefähr 20 cm vom Ball muß
die FKreislinie parallel vom Boden
fein, mit neuem Schwung wird der
Ball getroffen, wonach die Keule
in derfelben Richtung, die der Ball
genommen hat, nad) vorn und dann
aufwärts bis ungefähr in Schulter:
höhe fchwingt. Dieſes Führen der
Keule wie dag dadurch beziveckte
Bormärtstreiben des Balled, das | Das playing through the
342. Ausfchwung, falfche Ausführung.
weniger einem rechten Schlag gleicht
als einem Fortfegen, ift die Grund-
bedingung des Golfipield. Alle
Arten der Schläge werden mit den
verfchiedenften Keulen in derjelben
Weiſe ausgeführt; jeder Fehler
entjpringt der Nichtbeachtung diefer
Regel, der ſchlechten Haltung, ver:
fehrter Hand» oder Beinitellung,
falfhem Schwung, kurzum, einer
Bernadhläffigung der oben ange:
Nro. 691.
gebenen Punkte. Der richtige
Schlag muß alfo den Ball im
Augenblick treffen, wo die Keule
wieder aufwärts jchwingt und ihn
daher hoch durch die Luft. treibt.
— Es wird behauptet, daß beim
Driveſchlag 15 verjchiedene Punkte
zu beachten wären; dieje kann der
Anfänger natürlich nit aus der
Theorie, jondern einzeln und allein
durch die Prarig erlernen.
691. Das Spielen über da3
Feld (playing through the green).
green
beginnt, ſobald der Ball
durch den erften Schlag den
Abſchlagplatz verlafien hat;
die nächſten bezweden, ihn in
das Mal oder menigjtend
demfelben möglichft nahe zu
bringen. Zuerſt wird feft-
gejtellt, weſſen Ball noch am
entfernteften vom Loch liegt
— dieſe Partei und zwar
der zweite Partner muß dann
den nächſten Schlag tun.
Aft es ihm nit geglüdt,
die erfte Partei einzuholen,
fo fommt wieder fein Part-
ner an die Reihe; fie wech-
feln fo lange ab, bis fie mit
der erften Partei gleich jtehen
oder fie überholt haben.
Die Schläge übers Feld
werden wohl felten mit dem
driver ausgeführt, da der
Ball, falls er nicht bereits
nahe am Mal liegt, in ein?
der fünftlichen oder natür:
lichen SHinderniffe geraten jein
wird. Je nach feiner Lage, ob im
Sand, auf fteinigem Boden, auf
abfteigendem oder auffteigendem
Terrain 2c., wird die Eiſenkeule
gewählt, die fich zu dem bejondern
Fall, wie bei den Keulen bejchrie:
ben worden ift, eignet. Sit der
Ball in ein dichtes Gebüfch gerollt,
oder liegt er fo unglüdlih, daß
mehrere Schläge nötig jein mür:
Grlf.
Rro, 692-696.
E. Gräfin Baubiffin.
den, um ihn zu befreien, jo ift es Hat der Ball noch 60—80 m zurüd-
vorteilhafter, ihn aus dem Hinder- | zulegen, jo verwendet man den.
nis berauszunehmen und ihn dicht
hinter diefe8 zu legen, was nur
den Verluſt eines Schlages Toftet,
als längere Mühe an ihn zu ver-
ſchwenden. Liegt der Bal in einer
Bertiefung, aus der er nicht mit
einem einfachen Schlag herauszu⸗
nehmen ijt, jo wird der Jerf-
oder Rückſchlag, fälſchlich auch
„Gelenkſchlag“ genannt, angewen⸗
det; denn grade die Arme, nicht nur
die Handgelenke, führen ihn aus. Er
ähnelt dem drive, nur daß die
Keule nach beendetem Schwung
nicht wieder aufwärts ſchwingt,
ſondern in den Boden gleitet; zur
Ausführung dieſes Schlages dient
gewöhnlich der ordinary cleek oder
der „iron“. Wird beim Nerkflot,
wie es öfters vorkommt, ein Stüd
Rafen mit herausgefchlagen, jo ift
ed Spielgebot, es fofort zurückzu⸗
legen und fejt in die Lüde einzu—
treten.
692. Die Annäherungsichläge.
Sind die Bälle in abwechſelnder
Reihenfolge dem putting green
genähert worden, jo beginnt das
feine und ſchwierige Spiel, das
feine vollen Schläge mehr verlangt,
jondern „approach shots“, An:
näherungsſchläge, die in verfchiedene
Nuancen eingeteilt werden. Man
unterfcheidet Dreiviertel-, Halb:
und Gelent- oder Piertelichläge,
deren Stärfe und Grenze von jedem
Spieler nah jeinem „Stil”" und
jeiner Kraft bejtimmt werden. —
Als allgemeine Regel für vie
approach shots gilt es, nicht mit
dem Überförper, jondern nur mit
dem Arme zu ſchwingen, den rechten
Fuß vor und zwar dicht neben den
Ball zu Stellen, die Kiniee zu beugen
und dicht vorm Treffen des Balles
dem Schlag noch einen Schwung
aus dem Handgelenf zu geben.
693. Der Dreiviertelfchlag.
Dreiviertelfhlag; je kürzer der
Meg, je gebüdter ift die Haltung
und deſto mehr ift der rechte Fuß
vorgeitellt. Die Vorderarme wer:
den ziemlich dicht am Körper ges
halten, deſſen Gewicht hauptfächlich
auf dem rechten Bein ruht; nur
die Arme führen den Schlag aus,
die Schultern bleiben ruhig.
694. Der halbe Schlag (half
shot). Die beim half shot ein⸗
zunehmende Stellung, nämlich Ein=
wärtsdrehen des rechten Fußes,
B
v7 r%
343. Stellung beim half shot.
Auswärtsdrehen des linken, dichtes
Anlegen des rechten Oberarmes,
erfiegt man aus der beigegebenen
Zeichnung; der Schlag wird alfo
nur vom rechten Vorderarm aus⸗
geführt, und fchwingt nur fo weit
aus, als es Vorderarm und Hand⸗
gelenfe vermögen.
695. Der Biertel- oder Hand⸗
gelenkſchlag (wrist shot), Wie
der Name bejagt, wird diefer
Schlag nur mit Hilfe der Hand⸗
gelenfe ausgeführt, die Arme blei-
ben vollitändig ruhig, der Ball
liegt dicht vorm rechten Fuß.
696. Schueiden des Balls. Wie
beim Tennis, Kridet und andern
XI. 2. Golf.
Nro. 697—701.
Spielen, fol aud der Golfipieler | plat getrieben werden, jo wird Die
die Fähigkeit befiten, den Ball zu
jchneiden (to cut oder to slice the
ball); d. 5. dem Ball fol beim
Fliegen eine Drehung gegeben wer-
den, die feine Flugkraft um ein
Bedeutendes erhöht. Dies gejchieht,
indem die Keule im Moment, wo
fie den Bal trifft, ſeitwärts-rück⸗
wärts gezogen wird. Angewandt
wird dieſes Schneiden zum Nehmen
der Hinderniffe befonderd dann,
wenn der Ball nicht weit, fondern
nur hoch fliegen fol; durch die
Drehung wird das MWeiterrollen
nad dem Auftreffen auf dem Bo-
den verhindert, der Ball ift aljo
„dead“ (tot), er bleibt auf dem
Platz liegen.
697. Der high-lofting stroke.
Faft immer verbunden mit dem
Schneiden des Balles ift der high-
lofting stroke. Er dient zum
Nehmen eine? „hazard“, Hinder⸗
niſſes, das dit vorm putting
green auftaucht und daß er bejie-
gen fol, ohne den Ball unnötig
vom Mal zu entfernen. Der Spieler
fteht wie beim halben Schlag, mit
dem Unterſchied, daß die redte
Hand den Griff der Keule nur lofe
hält und der Schwung vom linten
Arm und Handgelenk ausgeführt
wird. Der rechte Ellbogen wird
zurüdgezogen, damit der Schwung
recht fteil von oben fommt. Ber:
mwandt werden zu diefem Schlag
Eijenfeulen mit ſtark zurüdgelegten
Schlagflächen (lofting iron) oder
der high-lofting stroke wird, da
diefe Keulen manchem Spieler nicht
angenehm find, durch ftarfe Drehung
und einen yerk stroke erreicht.
Sol der Bal nad erfolgter Dre⸗
bung rechts oder links abfpringen,
fo ſchwingt die Keule nicht in der
Shlagridtung aus, ſondern quer
zu ihr.
698. Running-up the ball.
Soll der Ball aufwärts zum Schlag-
Stellung wie beim halben Schlag
eingenommen und nad ſtarkem
Schwungholen, an dem fich der
ganze Körper beteiligt, der Ball
dit über dem Boden aufwärts
gerollt. Das Körpergewicht ruht
beim Schlag zuerft auf dem rechten
Bein — Knie gebeugt! — und
geht, während die Keule jo weit
al8 möglich die Richtung des Balles
verfolgt, vollitändig auf das linke
Bein über. Diefer Schlag heißt
der Knieſchlag.
699. Schlag: vom linken Fuß
au& Beim approach shot of
the left leg liegt der Ball dicht
am. linten Fuß. Der nicht Häufig
angemwendete Schlag wird mit dem
mashy ausgeführt und zwar nur
mit der linten Sand. Das linte
Bein trägt dag Körpergewicht, die
Kniee find gebeugt, das linfe mehr
als das rechte. Die rechte Hand
mit lofem Handgelenk führt Die
Keule.
700. Ball im bunker. Liegt
der Ball am Fuß oder Abhang
eine® Sandmwalle® (bunker), jo
muß er zur Befreiung hoch in die
Luft gefchlagen werden; Died ge—
ſchieht am bejten mit einem der
Löffler. Der Schwung muß fi
fo geftalten, daß die Keule ſchon
ein Endchen vorm Bal dem Boden
parallel fährt, den Ball alfo er:
greift, wenn fie bereit3 wieder nad)
oben fchwingt. Liegt der Bal in
tiefem Sand, fo trifft die Keule
nicht ihn, fondern in den Sand und
diefer treibt den Ball vormärt?.
Einer der niblicks tut bier den
Dienft.
701. Hodjliegender Ball. Wenn
der Ball auf einer Kleinen Anhöhe
liegt — auf einem bunker oder
einer der Grenzmarfierungen des
Platzes —, jo muß er mit einem
ftarfen Treiberfchlag aus feiner
Zage befreit und ihm zugleich eine
Nro. 702-107.
E. Gräfin Baudiffin.
neue Richtung gegeben werden. | dem Hals getroffen wird oder der:
Dieſer Schlag wird mit der Spite
der Keule ausgeführt. Der „hooked
ball“ fliegt dann zuerft gradeaus
und darauf links. Sol er nad)
rechts fliegen, muß
Drehung aegeben werden.
02. Tiefliegender Ball. Iſt
der Ball in eine Bahn geraten, die
tiefer liegt al3 die Linie zum Mal,
fo wird er erft in eine Richtung
geihlagen, die querab von der
eigentlichen Zielrichtung ift, fie aljo
ſchneidet. Ein leichter Schlag mit
einer nah auswärts gedrebten
Schlaaflähe genügt hierzu.
703. Ball im Unkraut. Liegt
der Ball im Unkraut oder langem
Gras, jo faßt man mit der Keule
unter ihn und treibt ihn mit recht
fiherem langjamen Schlag heraus,
Hindernifje, die im Wege liegen,
wie Zweige oder Steine, darf man
nicht forträumen; eventuell ift es
auch bier angebradt, einen Schlag
zu verlieren und den Ball aufzu-
nehmen, als mehrere fruchtloje
Schläge zu wagen.
704. Topping the ball. Dieſer
Fehler wird befonder® von An-
fängern oft begangen: ftatt den
Bal in der Mitte oder an feiner
unteren Hälfte zu treffen, fchlagen | f
fie von oben auf ihn, drüden ihn
alfo in den Boden — oder it
diefer zu hart, ruinieren ſie die
Oberfläche des Balles.
705. Keulenbrechen. Das top-
ping the ball ift fehr oft eine
Folge der Angſt um die Keule:
man will vorſichtig ſchlagen, um
die Keule nicht zu zerbrechen. Mit
geeigneter Keule ift ſelbſt dag Auf:
ſtoßen auf hartem Boden nicht ge=
fährlid — viele Schläge bedingen
ja jogar das Aufichlagen oder ſo—
gar Eindringen in die Erde; es
handelt fich eben nur darum, die
Keule richtig zu handhaben, damit
fie fi nicht verdreht, der Ball mit
ihm eine | #
weiteſten entfernte Ball zuerft ge⸗
gleichen.
706. Das Einfchlagen des
Balles (putting the ball). Durd)
das ganze Spiel hindurch wird
tmmer der vom Mal noch am
ſchlagen, bis fchließlich beide Par:
teien den putting green erreidjt
haben und nur noch weniger Schläge
bedürfen, um den Bal in? Lod)
einzujchlagen (holing out). Liegt
nun der Ball des Gegners zwiſchen
dem eigenen und dem Lo, fo
darf er, liegen die beiden Bälle
nur 15 cm oder weniger von:
einander, aufgenommen, der eigene
Ball gejpielt und der gegnerijche
auf denjelben Punkt zurüdgelegt
werden. Sit jedoh der Raum
zwifchen den beiden Bällen größer
als 15 cm (stymie), jo muß der
feindliche liegen bleiben; man fann
dann nur verjuchen, den eignen hoch
und über den anderen hinwegzufchla:
gen. Lettere Methode verſucht man,
wenn des Gegners Bal „tot“,
dead, it, d. h. dem Loche jo nahe
liegt, daß er mit einem Schlag
hineingefhlagen wird. Sit dies
nicht der Fall, hat aud) der Gegner
mindeſtens noch zwei Schläge nötig,
o macht man den eigenen Bau
fiherbeit3halber auch erjt „dead“,
bringt ihn möglichft nahe and Loch
und jchlägt ihn mit dem zweiten
Schlage hinein. Sih einen Weg
zum Loch zu bahnen, eine Linie zu
ziehen oder vergl. ift verboten;
doch darf der Caddie hinter dem
Mal einen Keulen: oder Flaggen-
ftod als deutlicheres Ziel halten.
707. Die Zählmethode. Das
Spielen bei den erjten neun Löchern
beißt „to play out“ (binaugjpielen),
bei den nädften neun, die wieder
zurüdführen „to play in“ (zurüd:
jpielen). Ein von beiden Parteien
gewonnenes Mal ift „halved“, Halb
gewonnen; haben beide die gleiche
XI. 2. Golf.
Anzahl von Löchern gewonnen, jo
ftehen fie „all even“ — beide
gleid. Hat eine Partei über die
Hälfte der Löcher (10) gewonnen,
fo bat fie gefiegt; ob das Spiel
fortgejfegt werden joll, hängt von
den Parteien ab. Dormi ift eine
Partei, wenn fie der anderen um
jo viel Löcher voraus ift, als über-
baupt noch zu fpielen find. Haben
beide WBarteien beim Wettfpiel
(match-play), bei dem nur die
Löcher gezählt werden, gleich viele
Schläge gemadt, fo heißt das:
like-as-we-lie. Hat eine Partei
einen Schlag mehr gebraudt als
die andere, jo hat fie einen „odd“
aemadt. Hatte fie jedoch einen
Schlag als Vorgabe, als odd, und
bat ihn gebraudt, fo ift er „ver:
ſpielt“. Diefe Partei fteht dann
„one more“ eins mehr; bat fie
zwei Schläge mehr getan, auf „two
more“ ; alſo wird nicht der einzelne
Schlag, ſondern die Differenz
zwifhen den Parteien gezählt.
„Ihree more“ heißt der pritte
Schlag, den die Partei machen
muß, menn fie mit „two more“
die andere noch nicht erreicht bat.
Kommt nun diefe an die Reihe, fo
beißt ihr Schlag „one of three“
und bringt die Gegner damit auf
„two more“, eventuell auf nur
„one more“ zurüd, fall® der one-
of-three- Schlag fehlging. Die
Schläge und Fehler werden aljo
quafider Gegenpartei gutgefchrieben.
Beim medal-play werden alle
Schläge vom Ausgangspunkt big
zum Endloch gezählt.
708. Vorgaben (to give odds).
Um gute Spieler mit mittelmäßigen,
T&hlechten oder Anfängern („young-
sters“) zufammenfpielen zu laffen,
‚werden den letteren Borgaben ge-
geben. Dadurch werden die Sieges-
augfichten der ſchwächeren Spieler
gegen die Normalipieler erhöht, und
fie Haben nicht von vornherein
Nro. 708.
unter dem Gedanken einer Nieder-
lage zu leiden. %ür beide Teile
fann daher dad Spiel mit odds
nur an Intereſſe gewinnen. Die
youngsters läßt man allerdings
gewöhnlich untereinander oder
unter der Leitung eines professio-
nal jpielen, bis fie eine gemifje
„Form“ erreicht haben; d. 5. big
in der Anzahl ihrer Schläge, die
fie rund um den Pla brauden,
eine bejtimmte Regelmäßigfeit ein-
tritt.
Die „einfache“ Borgabe bejteht
für dag Wettfpiel, das match-play,
in der Vorgabe von Schlägen, und
zwar fann für jedes Loch ein Extra⸗
ihlag gegeben werden (one stroke
a hole); da® find 18 Schläge
— 18 Löchern für die ganze Runde;
oder nur für jedes gerade oder
jedes ungerade Loch ein Schlag
(a half); dag find 9 Schläge =
9 Löchern; ferner nur für jedes
dritte Loch (a third); alfo
6 Schläge 6 Löchern. Eine
vierte Variation dieſer odds ift es,
bei jedem erften und zweiten Loch
eine Borgabe zu gewähren und fie
beim dritten ausfallen zu lafien;
oder bei einigen Löchern Die
Schläge zufammenzuftelen, daß
3.2. 2! oder 12, herauskommen.
Ale Schläge der einfahen Bor-
gabe Inüpfen fich aljo an bejtimmte
Löcher, die vor Beginn des Spieles
bezeichnet werden, während e8 beim
„bisque* dem Spieler überlafjen
wird, fi zu wählen, wann er die
Vorgaben ausnugen will, für den
Gegner natürlich eine weit pein-
lihere Beitimmung. — Bei Preis-
wettfpielen, den medal plays, mo
nicht nach den gewonnenen Löchern,
fondern nah der Anzahl der
Schläge gerechnet wird,, beftehen
die odds in Abzügen, die von der
Gejamtjumme der Schläge gemadt
werden. Die Borgaben werden
alfo nicht wie beim Wettjpiel tat-
Niro. 709-710.
fählih ausgeführt, jondern nur
theoretifch mitgezählt. — Um eine
Norm zu haben, wie viel Vorgaben
man dem ſchwächeren Spieler gegen
den „scratch player“, den Normal:
golfer gewähren joll, rechnet man
eben, wie viel Schläge der lebtere
für eine ganze Runde gebrauchen
würde und gibt dem jchmwächeren
eine gewiffe Anzahl vor, die dem
befieren am Schluß abgezogen mer:
den. Das ſchwierige Geſchäft, die
Summe vom 1. bis 9. Loche . .
Totalsumme
344. Zählfarte.
Leiftungsfähigfeit der Spieler ge-
nau und gerecht gegeneinander ab⸗
zumägen, bejorgt der handicapper
jedes Klub. Die Spiele? haben
fih feinen Beitimmungen zu fügen
und fie nicht überflüjfig zu bean-
ftanden. Golf erzieht überhaupt zu
großer Höflichkeit und Rückſicht!
Da nun außer den Fertigkeiten des
Spieler® auch feiner Unkenntnis
eines fremden Platzes 2c. bei Preis⸗
wettſpielen Rechnung getragen wer:
E. Gräfin Baudilfin.
legten Wochen vor einem medal
play, zu dem er ſich gemeldet hat,
verpflichtet, die Reſultate feiner
Spiele aufzufchreiben und Ddiefe
Zählkarten rechtzeitig dem handi-
capper einzureichen.
Bei der Borgabe nah Löchern
rechnet man gewöhnlich '|, mehr
a8 man ihm beim Wettfpiel
Schläge zu den Löchern geben
würde.
709.,C. B.“ Unter diefen beiden
geheimnisvollen Buchftaben, die von
den englifhen Golfipielern fo oft
erwähnt werden, verfteht man die
Normalberehnung des Colonel
Bogey. Diefer rechnete aus, wie
viel Schläge ein Normalfpieler ohne
jeden Fehler bis zu jedem Loche
gebrauchen würde und ließ Die
Tabellen darüber in den Klub:
bäufern aufhängen. Jeder Spieler
bat nun Gelegenbeit, jeine Faͤhig⸗
feit mit der des Colonel zu ver:
gleichen, von ihm befiegt zu fein,
ihm gleichzuftehen oder ſogar über
ihn zu triumphieren. Die Ergeb-
nifje der Vergleihung mit „C. B.“
werden ebenfal8 auf den Zähl-
farten vermerkt; und zwar wird,
da es ſich beim Refultat um ge-
wonnene oder verlorene‘ Löcher
handelt, das match-play auf diefe
einfade Weife zum medal play.
Anbei eine Tabelle de Great-
Yarmouth Club, die anzeigt, wie
viel Schläge bei den verſchiedenen
Löchern im Spiel gegen Colonel
Bogey zu maden find.
Wie beim Tennidfpiel zählt der
befiere Spieler von O an. Das
Auffchreiben wird bei größeren
Mettlämpfen von einem befonderen
Anſchreiber bejorgt, und ein scoring
telegraf zeigt nad jedem Schlag
auf einer Tafel mit Ziffern den
Stand des Spieles an.
710. Das Damengolf. Daß nicht
allein in England, fondern auch in
den muß, jo ift der Spieler in den | Deutfchland die Frauen beginnen,
XI. 2.
eifrige Spielerinnen zu werden, |
beweift das Bild des neuen Golf:
Hubhaufes in Hamburg. Sa, bei
ung iſt man fogar höflicher als in
England, wo die Herren felten mit
den Damen zufammenjfpielen wollen
und dieje daher genötigt find, fich
ſelbſt Links anzulegen. Da das
Spiel eine gleichmäßige Bewegung
in friiher Luft erfordert und jede
Meberanftrengung ausſchließt, ift
es gerade Fe die fich bei ung
Golf. Nro. 711.
Par welche ihren Bal mit den wenigften
Schlägen in dasſelbe treibt, gewonnen, aus⸗
genommen, wenn in den Regeln anders vor:
gejehen. Wenn zwei Parteien das Loch mit
der gleihen Anzahl von Schlägen erreichen,
fo wird das Loch halbiert.
3. Da3 „Teeing Ground“ (Abſchlagplatz)
wird durch zwei Zeichen, welche in einer zum
Felde rechtwinklig ftehenden Linie ftehen, be:
zeichnet, und der Spieler joll weber vor,
noch auf einer Seite von diefen Zeichen abs
ſchlagen, noch mehr als zwei Schlägerlängen
hinter ihnen. Ein Ball, der von außerhalb
der Grenze des Abjchlagvlages, wie oben an=
gegeben, gejpielt wird, fann von der gegne=
riſchen Seite jurüdgerufen werben. a3
345. Klubhaus des Hamburger Golfflubs.
in der Fälteren Sahreszeit mit
wenig Ausnahmen noch viel zu jehr
von der Natur abjchließen, bejon:
der3 zu empfehlen.
711. Die Spielregeln. Die fol-
genden Regeln find vom „Royal
and Ancient Golf Club of St.
Andrews“ am 29. September 1891
angenommen und am 1. Mai 1895
verbejiert.
1. Das Golfipiel wirb von zwei oder mehr
Parteien gejpielt, von. welden jede mit
ihrem eigenen Ball ſpielt. Eine Partei darf.
aus einer oder mehreren Perſonen beftehen.
2. Das Spiel befteht darin, daß jede
—— einen Ball von einem „Tee“ in ein
Loch durch mehrere aufeinanderfolgende
Schläge ſpielt, und das Loch wird von der
Bild.)
(Aus Sport im
Loch foll 4! Zoll = 11!|, em Durchmeffer
haben und muß wenigftens 4 Zoll = 10 cm
'tief fein.
4. Man muß den Ball fchlagen, er barf
gegen Berluft des Loches nicht geichoben,
noch „gelöffelt” werden ; jede Bewegung des
Sclägers, weldhe zum Schlagen beftimmt ift,
gilt als ein Schlag.
5. Das Spiel beginnt, indem jede Seite
einen Ball von dem eriten Teeing Ground:
abipielt. In einem Spiel mit zwei oder mehr
in jeder Partei follen die Partner abwech—⸗
| felnd von ben Tee abſchlagen, und follen
während des Spielens um die Gewinnung
des Loches abwechfelnd ſchlagen. Die Spieler,
welche gegeneinander jchlagen jollen, müſſen
gleich beim Anfang genannt werden, und
follen in derfelben Reihenfolge während des
Matches weiterfpielen.
Der Spieler, der zuerjt für jebe Partei
—— ſoll, muß von ſeiner Partei genannt
werben. Falls man ſich nicht einigen kann,
yiro. 711.
fol e3 durch Lofen beftimmt werben, welche
Bartei die Wahl der Führung haben fol.
6. Falls ein Spieler fpielt, wenn es jein
Partner hätte tun follen, fol feine Partei
da8 Loch verlieren, ausgenommen im Falle
des Teeichlaged, wenn der Schlag auf Ver⸗
langen der Gegner widerrufen werben fann.
7. Die Seite, die ein Loch gewinnt, fol
beim Starten für dad nächfte Lody führen
und darf, falld der Gegner außer ber Reihe
fpielt, ven Schlag widerrufen. Dieſes Vor⸗
recht wird „Ehre” genannt. Beim Starten
eines neuen Matches ift ver Sieger ded Long
Matches in der vorhergehenden Runde zur
„Ehre“ berechtigt. Sollte das erfte Match
halbiert worden fein, fo ift der Sieger des
legten Loches zur „Ehre“ berechtigt.
8. Eine Runde bes Feldes — gewöhnlich
18 Löcher — ift ein Math, ausgenommen,
wenn ander3 beftimmt worden if. Das
Match wird von der Partei gewonnen, welche
mehr Löcher voraus ift, ald noch zu fpielen
übrig bleiben, oder von ber Partei, welche
das lette Loch gewinnt, wenn dad Match
beim zweitlegten Loche gleihftand. Wenn
beide Parteien diefelbegahl gewonnen haben,
fo ift es ein Halbierted Match.
9. Nachdem die Bällevom Tee abgefchlagen
worden, fol der Ball, welcher von bem Loche,
nah dem gefpielt wird, am entfernteften
liegt, zuerft gefptelt werden, außer, wenn in
den Regeln anders vorgeſchrieben tft. Sollte
die falfhe Partei zuerft fpielen, darf der
Gegner den Schlag widerrufen, bevor feine
Partei gefpielt hat. ‚”
10. Ein vom Tee gefchlagener Ball darf
außer mit Genehmigung de3 Gegners, nicht
gewechſelt, berührt, noch fortbewegt werben,
bevor das Loch ausgeſpielt worden iſt, gegen
eine Strafe von einem Schlage, außer wenn
in den Regeln anders vorgeſehen iſt.
11. Beim Spielen über das Feld können
alle loſen Hinderniſſe, innerhalb einer
Keulenlänge von einem Balle, welcher nicht
in einem Hindernis liegt, oder dasſelbe be—⸗
rührt, fortgeräumt werden, aber loſe Hinder⸗
nijje, welche mehr als eine Keulenlänge vom
Balle liegen, follen gegen Berluft eines
Schlages nicht fortgerdäumt werden.
12. Bevor er den Ball fchlägt, darf der
Spieler nicht3 Befeftigted oder Wachſendes
in der Nähe besfelben fortrüden, biegen ober
breden, außer beim Stellungnehmen zum
Zwede den Ball zu richten, und felne Keule
hierzu zu „Sohlen“, gegen Berluft des Loches,
außer wie in Regel 18 vorgefehen.
18. Ein Bau, welcher in nafjer Erbe oder
lofem Sande feftiigt, darf hberaudgenommen
und leiht in das Loch, welches er gemadt
bat, zurücdgelegt werden.
14. Wenn ein Ball in einem Hindernis
liegt oder ein foldyeS berührt, ſoll die Keule
die Erde nit berithren, noch fol gegen Ver—
luft des Loches etiwas berührt oder fort-
gerüdt werden, bevor der Spieler nad dem
Balle ſchlägt, außer daß der Spieler feine
Füße feit auf den Boden ftellen darf, um den
€. Bräfin Baudilfin.
Ball gu richten. Aber wenn im Ridwärtds
fhwung, oder im Schwung nad) unten Gras,
Sträuder, Ginfter oder irgend ein anderer
wachſender Gegenftand, ober die Seite eines
Sandhaufend, einer Mauer oder Umzäunung,
oder eines fonftigen unbeweglichen Gegen⸗
ftande8 berührt wird, fo entiteht keine
Strafe.
15. Ein Hindernis befteht aus Waſſer,
Sand, loſer Erbe, Maulwurfshügeln,
Wegen, Chauffeen oder Eifenbahnidhienen,
Gräfern,Gebüfhen, Schilf, Kanindenlödhern,
Umzäunungen, Gräben u. ſ. w., außer Sand,
mwelder von dem Winde auf dad Gras ge⸗
webt worden ift, hingeſtreutem Graſe zur
Erhaltung der Links, Schnee oder Eis, oder
unbewadjfene Stellen auf dem Epielplage.
16. Ein Spieler oder deſſen Keulenträger
fol gegen Berluft eines Loches weder irgend⸗
welche Unebenheiten ver Erdoberfläche in der
Nähe des Balles niederbrüden oder hinweg⸗
— ausgenommen auf dem Abſchlags⸗
platze.
17. Wenn ein Gefäß, Schubkarren, Werk⸗
zeug, Raſenwalze, Mähmaſchine, Kiſte oder
irgend ein anderes ähnliches Hindernis ſich
auf dem Spielfelde befindet, fo darf ein
foldes Hindernis fortgeräumt werden. Ein
Ball, welcher auf einem foldhen Hindernis
liegt oder ein ſolches berührt, oder auf
Kleidungsftüde, Nege, auf Boden, welder
repariert wird, refp. proviforifch überdeckt
oder geöffnet ift, liegt, darf aufgehoben und
auf der nädften Stelle bed Spielplages
wieder fallen gelafjen werben ; aber ein Ball,
ber in einem Hindernis aufgehoben worden
tft, fol im Hindernis wieder fallen gelafien
werden. Ein Ball, ver in einem Golflod
ober Fahnenloch liegt, darf aufgehoben wer⸗
den und nicht mehr als eine Schlägerlänge
hinter einem ſolchen Loche wieder fallen ges
laffen werden.
18. Wenn ein Ball dur Moos, Ginfter,
Neſſeln u. ſ. w. gänzlich verdedt ift, fol nur
foviel zur Seite geräumt werben, als nötig
ift, um dem Spieler den Anblid feines Balles,
bevor er jpielt, zu gewähren, ob in einer
Linie mit dem Loche oder nicht.
19. Wenn ein Bal fallen gelafien werben
muß, fol ihn der Spieler fallen laffen. Der
Spieler ſoll mit dem Geſichte dem Loche zu⸗
ewandt, aufrecht hinter dem Hindernis
tehen, fo daß der Punkt, an welchem ber
Ball aufgehoben wurde (oder falld bet
fliegendem Waffer, ber Punkt, wo er das⸗
felbe berihrte), in einer geraden Linie
zwiſchen fih und dem Male liegt, und fol
den Bau rüdwärtd von feinem Kopfe ab
falten laffen; er darf fomett hinter dem
Hindernis ftehen, wie er beliebt.
20. Wenn die Bälle im Spiele innerhalb
6 Zoll = 15 cm voneinander liegen (von
den einander am nädjften liegenden zwei
Punkten gemeffen), fol der Ball, welder
näher zum Loche liegt, aufgehoben werben,
bis der andere gefpielt worben ft, und ſoll
dann fo genau wie möglich in feine ur.
XT, 2,
fprünglide Stellung zurüdgelegt werben.
Wird der vom Loche am entfernteften lie-
gende Ball hierdurch unmillfürlich gerücdt,
fo muß er wieder zurüdgetan werden. Sollte
die Lage des aufgehobenen Balles vom Gegner
beim Spielen geändert werden, jo darf er
fo genau wie möglich in feine urfpriüngliche
Zage wieder gebradht werden.
231. Sollte der Ball im Waffer liegen oder
verloren gegangen fein, jo darf der Spieler
gegen Berluft eine Schlages einen Ball
fallen lafjen.
22. Alles was zufällig einem fi in Be⸗
wegung befindenden Balle auftößt, wie 3.28.
daß er abgelenttoder aufgehalten wird durch
irgendwelde Umftände außerhalb des Rah:
mens des Wettſpieles oder durch den Keulen=
träger, ſo iſt es ein Feldhindernis, und der
Ball muß von dem Plage, wo er liegt, ge-
fpielt werden. Sollte ein Ball in etwas ſich
Bewegendes hineingeraten, fo muß er, oder
falls er nicht mwiebererlangt werben kann,
ein anderer Ball fo nahe wie möglich an der
Stelle fallen gelafjen werden, mo der Gegen=
ftand war, ald der Ba fich darin niederlief.
Aber jollte ein ruhender Ball durch irgend=
welche Wirkung außerhalb des Wettfpieles
gerüdt werden, fol der Spieler ihn oder
einen anderen Ball jo nahe ıwie möglich an
der Stelle, wo er lag, fallen laſſen. Auf
dem Putting Green (Einfchlagplag) darf der
Bau mit der Hand niedergelegt werben.
23. Falls der Ball des Spielers ben
Gegner trifft oder von einem Gegner oder
einem SKeulenträger oder Schläger des Geg⸗
nerd unmillfürlich geridt wird, fo verliert
ber Gegner das Mal.
24. Falls der Ball des Spielers ihn felbft
ober feinen Partner trifft oder von irgend
einem ihrer Keulenträger und Schläger, oder |
von ihnen felbft aufgehalten wird, oder wenn
in dem Augenblide des Spieleng der Epieler
den Ball zweimal fchlägt, jo verliert feine
Partei das Loch.
25. Falls, außer bei dem Tee, der Spieler,
während er feinen Schlag macht, oder fein
Partner oder ihre Keulenträger den Bau
ihrer Partei fo berühren, daß er fich bewegt,
oder ihn durch die Berührung irgend eines
Gegenftandes zur Bewegung bringen, ver:
liert die berührende Partei einen Schlag.
26. Ein Ball wird als bewegt angejehen,
wenn er feine urjprünglide Stellung auch
nur im geringften verläßt und in einer |
anderen bleibt ; aber wenn ein Spieler jeinen
Ball berührt und denfelben dadurd zum
Schmoanten bringt, ohne daß die urjprüngs |
lide Stellung verlaffen wird, fo ift er im:
Sinne ber Regel 25 nicht gerüdt worden.
237. Die Partei des Spielers verliert einen |
Schlag, wenn er den Ball des Gegners fpielt,
wenn nit a) der Gegner dann den Ball deö
Spielers fpielt, wodurch die Strafe anulliert
wird; das Loch muß dann mit den ausges
tauſchten Bällen gefpielt werden, oder wenn
b) ver Fehler durch falfhe Angaben jeitens
bes Gegners verurſacht worden iſt, in wel-
Golf. Nro. 711.
| dem alle der Fehler, wenn er entdedt wird,
bevor der Gegner zu jpielen beginnt, dadurd
reftifiziert werden muß, daß ein Ball ſo
genau wie möglih an die Stelle, wo des
Gegners Bau lag, bingelegt wird. Wenn
es entdecdt wird, bevor irgend eine Partei
vom Tee gefchlagen hat, daß eine Partei das
vorhergehende Loch mit dem Balle einer nicht
am Match beteiligten Perſon ausgefpielt hat,
fo verliert jene Partei das Loch.
28. Wenn ein Val verloren gebt, fo ver=
liert die Partei des Spielerd das Loch. Ein
Ball wird als verloren betradhtet, falls er
nicht fünf Minuten nad) Beginn des Suchens
gefunden worden ift.
29. Ein Ball muß gefpielt werben, wo er
liegt, oder da3 “och aufgegeben, außer, wenn
anders in den Regeln vorgefeben.
30. Der Ausdruck „Putting Green” (Ein-
fhlagplag) bedeutet das Feld innerbalb
zwanzig Yards, 18!|e m vom Lode, ausge
nommen den Hinderniffen.
31. Alle lofe Hindernifje dürfen vom But:
ting Öreen entfernt werden, außer dem Balle
des Gegners, wenn weiter al$ 6Zoll (15 cın)
| von dem des Spielers entfernt.
32. In einem Math von drei oder mehr
Parteien muß ein Bau, welder in irgend
einer Entfernung zwiihen dem Epieler und
dem Loche liegt, aufgehoben, oder wenn auf
dem Putting Green, ausgelocht werden.
33. Wenn der Ball auf dem Putting Green
ift, fou fein Zeichen angebracht, noch Linie
gezogen werden, welche zur Führung dienen
fönnte. Die Linie zu dem Loche darf gezeigt
werden, aber die betreffende Perjon darf die
Erde dabei nicht mit der Hand oder der
Keule berühren. Der Spieler darf feinen
eigenen oder den Keulenträger des Gegners
am Loche jtehen haben, aber weder Spieler
noch Keulenträger dürfen fich fo ftellen, daß
fie ven Ball vom Winde fchiigen, oder den—
felben dem Winde preisgeben. Die Strafe
für Uebertretung dieſer Regel ift der Verluſt
des Loches.
34. Der Spieler und fein Keulentrüger
bürfen forträumen, aber nicht niederprilden
Sand, Erde oder Schnee, welde jidy um das
Loch oder auf der Xinie befinden. Dies joll
‚ durch Streichen mit der Hand quer iiber die
| Richtung des Schlages und nicht entlang
derſelben ausgeführt werden. Dünger darf
| man mit einer eifernen Keule zur Ceite
ſchaffen, aber die Keule darf nicht mit mehr
ala ihrem cigenen Gewicht auf die Erde
niedergefegt werden. Die Buttinglinie (Ein=
Ihlagslinie) darf nit mit dem Schläger,
der Hand oder dem Fuße, außer wie oben
angegeben, oder dicht vor dem Balle in der
Minute des Richtens gegen Berluft des
Loches berührt werden.
35. Jede Partei ift berechtigt, den Fahnen-
ftod beim Nähern des Loches fortnehmen zu
lafien. Wenn der Ball gegen den Fahnen—
ftod, während legterer im Yoche ift, rubt, iſt
der Spieler beredtigt, den Stock fortzu—
nehmen und, falls ber ns
5
Niro. 712. G. Gräfin
fo ift er al3 mit dem vorhergehenden Schlag
eingeichlagen zu betrachten.
36. Ein Spieler darf nicht |pielen, gegen
Strafe eines Schlaged, big der Ball des
Gegners aufgehört hat zu rollen. Sollte der
Ball des Spielerd den feined Gegners ein-
fihlagen, fo fol der legtere ald mit dem vor:
hergehenden Schlag eingefchlagen betrachtet
werden. Wenn beim Spielen der Ball des
Spielerd denjenigen des Gegners fortrüdt,
hat der Gegner das Recht, feinen Ball wieder
jurüdzulegen. F
37. Ein Spieler fol nicht um Rat fragen,
noch mifjentlihd durch Blide, Worte oder
Zeiden Nat über bad Spiel von irgend
jemandem, außer jeinem eigenen Keulen—⸗
träger, feinem Partner und feines Partners
Keulenträger, annehmen. Als Strafe ift
für die Umgehung dieſer Regel der Berluft
des Loches angefegt.
38. Wenn ein Ball in einzelne Tetle zer⸗
ipringt, fo kann ein anderer Ball nieder⸗
Baubdilfin.
gelegt werben, wo der größere Teil liegt,
oder wenn zwei Teile anfcheinend von ber-
felben Größe find, darf der andere Ball nad)
Belieben des Spielers dort niedergelegt wer:
den, wo eins ber Teile liegt. Falls ein Ball
Riſſe befommt oder unfpielbar wird, jo darf
der Spieler ihn wechſeln, nachdem er diefe
Abficht feinem Gegner mitgeteilt hat.
39. Ein Straficdhlag foll nicht als ein Schlag
im Epiele angerechnet werben und fol die
Reihenfolge des Spieles nicht unterbrechen.
40. Sollte über irgend einen Punkt eine
Meinungsverſchiedenheit entftehen, haben
die Spieler dad Recht, die Perfon oder Per⸗
fonen, welche über diefe Streitigleit urteilen
follen, zu beftimmen. Sollten fie fih nicht
einigen, fo fann es jede Partei dem Komitee
bes Platzes, wo der Zwiſt entftand, übers
weifen, defjen Entſcheidung endgültig ift.
Sollte der Zwift nicht durch bie Öolfregeln
gededt jein, fo müffen ihn die Richter nad)
beftem Können entfcheiden.
3 Fußball.
712. Einleitung. Zu den ſchön—
ſten aller Rafenjpiele gehört un—
ftreitig das Fußballipiel. Wie
jehr es geeignet ift, männliche Tu:
genden: Mut, Entjchlofienheit,
Geijtesgegenwart und Kamerad-
Ichaftlicyfeit zu entmwideln, ja, wie
es gerade Durch diefe Eigenschaften,
die es fordert, dem innerften, deut:
ſchen Wefen entſpricht — troß allem
was man gegen dag Spiel ins Feld
geführt hat und nod) fagt! — das
beweift die enorme Verbreitung, die
das Spiel in ganz Deutjchland an-
nimmt, vunterftüßt von allen Päda—
gogen, Merzten und Gelehrten,
denen die Sorge für die Jugend
am Herzen liegt und die zugleich
wifien, melden Sauptfehler die
deutjche Erziehung bisher begangen
hat und in welcher Hinficht dieſer
Mangel zum Ausdrud fommt. Die
förperlihe Ausbildung hielt abſo—
ut nit Schritt mit der geiftigen
und die ungejunden Xebensverhält:
niffe in den größeren Städten tra-
ten hinzu, um eine eingreifende
Reaktion gegen die die Zukunft des
Volkes gefährdenden Schäden nötig
zu madhen. Gewiß war das Turnen
von hervorragenden Nußen, behielt
aber do, da es unter Aufficht des
Lehrer ausgeführt wurde, etwas
jtreng Pädagogifches, Doktrinäreg ;
und Kinder müſſen zu ihrer wirk⸗
lihen Erholung jpielen fönnen und
fich jelbjt überlafjen bleiben. Da:
ber wurde die Gründung der erſten
Fußball:Berbände in Deutichland,
die bis zum Anfang der neunziger
Jahre des letzten Sahrhunderts
zurüddatieren, von allen einfichtigen
Männern mit Freuden begrüßt.
Denn das Fußballipiel verhilft der
Sugend wieder zu ihrem Recht, e3
geftattet ein Austoben und Aus-
jagen, bringt immer wieder neue
Abmechfelungen, über denen die
Müdigkeit vergefjen wird und ftählt
dag Gefühl der Berantwortlichkeit
und Gemeinfamleit ; jeder Spieler
jet feine bejte Kraft ein, um feiner
Partei zum Siege zu verhelfen und
weiß, daß die doch nur mit Hilfe
XT. 3. Fußball.
aller geſchehen kann — Fußballſpiel
iſt eben ein Mannſchaftsſpiel par
excellence! Daß es „roh“ ſei, weil
gelegentlich, aber ſehr ſelten ein
Knöchel- oder Armbruch vorkommt,
iſt eine Behauptung, die nur von
Laien und ganz Unkundigen erhoben
werden kann. Wie in der Einleitung
dieſes Buches feſtgeſtellt worden iſt,
ſoll eben jedem echten Sport das
Momentder Gefahr nicht ganzfehlen;
wollte man alſo ſeinen geliebten
Körper feiner noch fo Heinen Fähr⸗
lichkeit ausfegen, fo müßte man
feinerlei Sport treiben, fondern hin:
term Ofen fiten bleiben; obgleich ja
auch Unfälle genug innerhalb der vier
Wände vorfommen! Da das Gute
Nügliche ih, wie die Weltgefchichte
lehrt, immer durchjest, jo fann man
auch die Kleinen Kämpfe gegen das
Fußballſpiel, die fich auf Unwiſſen—
heit, Eigenfinn oder die beliebte
deutſche Streitfucht gründen, getroft
ſich feldft überlaffen — entwurzeln
werden fie die Vorliebe für das
Spiel doch nicht mehr können, höch⸗
ſtens es in feinem Siegeszuge et-
was hemmen. Was fich fchließlich
aber in Deutjchland einmal ein-
niftet, fit um fo feiter — das muß
der Troft fein!
Welche Bedeutung aud) von mili-
tärifcher Seite diefem Sport bei-
gelegt wird, bemeift ein „Heer und
Sport” benännter Artikel des Haupt:
mann? und Kompagniedhef3 WM.
Scheibert, in dem bie Frage
aufgejtellt wird: „Was foll die
Snfanterie für Sport treiben ?“
Hauptmann Scheibert fordert
als beſte jeelifche Eigenschaften des
modernen Soldaten „einen zähen
Charalter, ein heißes Herz, einen
zu raſchem Entfchluß fähigen, auf:
gewedten Kopf“ und er fommt zu
dem Schluß, daß ein Sport, der
diefe Forderungen erfüllen hilft,
billig und interefjant fein follte,
feine übergroßen Borlenntnifje ver:
Nro. 712.
langen und die gleichzeitige Teil-
nahme einer größeren Menge ge-
ftatten müßte. „Da gibt ed nur
einen paflenden Eport,“ fährt er
fort, „dag Fußballſpiel.“ Hoffent-
ih nußt dies Eintreten von fo be-
rufener Eeite; dag Wefen des Fuß:
ballſpiels gründet fich. ja auf Dis—
ziplin und Unterordnung, ift alfo
quafi nur eine Fortjegung der
militärifchen Erziehung, und ebenfo
wie der Soldat im Hinblid auf
den endlichen Sieg die eigene Per—
ſönlichkeit rückſichtslos einfegen fol,
verlangt auch dag Spiel ein Auf-
gehen im Streben der Partei. Sm
Fußballſpiel finden fid) folglich alle
Momente, die im Kriege den mo:
raliihen Wert de8 Mannes aus:
maden. —
Als ältefter Hiftorifcher Vorläufer
des Fußballſpiels ift das Harpaftunı
der Römer (bei den Griechen unter
dem Namen Episfyros) zu betrad)-
ten, dag wahrfcheinlich durch Cäſars
Legionen nad) England verpflanzt
wurde. Die Wettfpiele zu Derby
follen fogar ihren Urfprung in einem
Siege über die Römer gehabt haben
und zur Erinnerung an diejeWaffen-
tat jährlich wiederholt worden fein.
Jedenfalls nahm auch die Verbrei—
tung des Fußballſpieles auf den
britiſchen Inſeln bald in einer
Neife überhand, daß die Regierung
ebenjo wie durch das Golfſpiel eine
Bernadläffigung desBogenjchießeng
befürchtete und aud) dag Fußball:
jpiel durch allerlei Edikte und Stra—
fen zu unterdrüden ſuchte. Doch
war der Kampf ebenfo frudtlos
wie der gegen das Golf; das Spiel
blieb befonders in den mittleren
und unteren Volksſchichten fehr be-
liebt, verdiente damals allerdings
etwas den Vorwurf der Noheit, der
ihm heute ungeredhterweije nod)
gemacht wird. Denn da e3 darauf
anfam, den Ball, eine in Leder ge=
nähte Tierblaje, in das Nachbar-
Nro. 712.
dorf zu bringen und ihn dort an
einem beftimmten Mal niederzu-
legen, außerdem der Kampf mit
Armen, Händen und Beinen ge—
ftattet war, artete die Begegnung
der feindlichen Parteien unterwegs
gewöhnlich in blutigen Kampf aus.
Das war au der Grund, weshalb
fih der Adel und die gebildeten
Leute von dieſen meiſtens zur Falt-
nachtszeit ausgetragenen Wettjpielen
fernhielten und fie veradhteten. Zu
Zeiten Eliſabeths unterjchied man
bereit3 zwei Arten des Spieles:
da® hurling over country, das
eben das Befördern des Fußballes
von einem Dorf ind andere war,
und das hurling to goal, bei dem
der Ball durh ein aus Büſchen
markiertes Tor getrieben wurde.
Sn Frankreich fannte man um die—
jelbe Periode dag Chollage: oder
Choulagefpiel, das darin beitand,
einen Ball durch einen mit Seiden-
papier bejpannten Tonnenreifen zu | h
treiben, der als goal diente. Bon
einem italienischen Fußballipiel er-
zählt der Schriftfteller Scanio im
16. Jahrh. Der Ball durfte bier
jedoch nicht vorwärts geworfen, jon-
dern mußte getragen und nur mit
tem Fuße „gebribbelt”, getrieben
werden.
Durch den Einfluß der Buritaner
wurde das Fußballipiel in England
verpönt und geriet vollftändig in
Bergefienheit, bis die berühmte
Schule von Rugby feinen erziehe-
rischen Wert erfannte und eg neu
einführte. Es wurde dort in der
alten Weife gefpielt, nämlich mit
der Erlaubnis, den Gegner feſtzu—
halten und den Ball mit den Hän-
den fortzutragen. Andere Schulen
dagegen, bei denen nicht auf Raſen—
plägen, jondern auf hartem Boden
gejpielt wurde, verboten, um Ber:
legungen vorzubeugen, den Ball
mit den Händen zu berühren und
den Gegner ander ald nur mit
E. Gräfin Baudilfin.
berabhängenden Armen fortzus
drängen. Diefe große Trennung
zwiſchen den beiden Spielarten be⸗
ſteht troß aller Berjuche, die ver:
fhiedenen Anfichten zu überbrüden,
noch bis auf den heutigen Tag;
nad . wie vor unterjcheidet man
zwiſchen „Rugby“ und „Aſſoziation“,
wie das Spiel, dad dad Tragen
des Balles verbot, genannt wurde.
1863 wurde in London die Foot⸗
bal-Affoziation gegründet, die in
ihren erjten Regeln das Fangen
des Balle8 aus der Luft, nach Dem
erften Aufiprung ujm. geftattete.
Da gber der Sambridge Club feinen
Beitritt von der Erklärung ab:
bängig madte, jeded Spielen mit
den Händen zu verbieten, wurden
die Regeln dahin abgeändert. Aller:
dings vollzog ſich dadurch die ab-
fulute Trennung zwiſchen Rugby-
und Afioziationfpielern ; die letzteren
find aber bedeutend in der Mehr:
eit.
Faft nationale Feſte find jährlich
in London bie Wettkämpfe zwiſchen
den Mannfchaften der vier König-
reihe England, Schottland, Wales
und Irland, die bis 1893 auf dem
Kenfington Dval und jet auf dent
Criſtal Balace Ground abgehalten
werden und die ſich um die Erobe⸗
rung des im Sahre 1871 geftifteten
Chrenpreifes, des „Challeuge cup“
drehen; unzählige „bets“, Wetten,
in denen der Engländer ja ohnehin
groß ift, werden auf die mutmaßlich
fiegende Partei abgefchlofien. |
Die fabelhafte Vorliebe fürs Fuß-
ballipiel bat aber auch in England
den umfangreiden Stand der Be-
rufsjpieler gezüchtet; daß fie dem
Sport ſchaden, ift fiher,denn Sport
joU nicht mit dem Begriff des Er-
werb8 verbunden werden — er foll
nur eine ideale Konkurrenz dulden
und feinen anderen Zwed als den
förperlicher Stärkung und Erholung,
wie der Ausbildung männlicher
XI. 8, Xußbal. Nro. 713714.
Zugenden haben. — Da bei ung | aber das erjte Spiel ift, das fefte
in Deutjhland der Sport kaum | Regeln bejaß, fol es zuerft be-
jemal3 eine ähnliche Bedeutung, | fprochen werden.
eine Art von Selbſtzweck, anneh-
men wird, wie in England, braucht
man auch nicht Webertreibungen
und Ausfchweifungen zu fürdten.
Die Beruföfpieler werden bei ung
immer nur nötig fein, um die
Laien in die Anfangsgründe eines
Eport3 einzuführen.
Der Fußballiport ift, da er alle
Musteln des Körpers in Anſpruch
nimmt und gleichmäßig alle Glied-
Zu jedem Spiel
gehören zwei Parteien zu je 11
Spielern, von denen jede bemüht
iſt, den Ball durch das feindliche
Tor zu treiben. Außer dem Tor⸗
wächter darf niemand die Hände
benützen, um den Ball aufzuhalten
oder vorwärts zu bringen, er ſoll
nur mit den Füßen geſtoßen wer—
den. Dies iſt die einfache Erklä—
rung des Spiels. Daß aber ſeine
Ausübung durchaus nicht ſo ſimpel
maßen in Bewegung ſetzt, eines der iſt, wie es nach der kurzen Erläu—
vorteilhafteſten Spiele.
Freilich, terung ſcheinen mag, geht daraus
daß ſich Frauen an ihm beteiligen, hervor, daß ein ungeheures Training
iſt ausgeſchloſſen. Die Anſtrengung
für ſie iſt viel zu groß und die
Bewegungen wirken, durch Frauen
ausgeführt, direkt unäſthetiſch. Ich
habe einmal vor vielen Jahren
einem öffentlichen Fußballmatch von
Frauen in London beigewohnt.
Das ſonſt bei Sportäleiftungen
leicht enthufiagmierte Londoner Pub⸗
litum blieb den gar nicht Tchlechten
Leiſtungen gegenüber eiskalt, ſprach
von Provinzmädchen, die um jeden
Preis auffallen möchten, und ſich
deshalb „indecent“, unanftändig,
betrugen — kurzum, ich glaube
faum, daß der Verſuch wiederholt
worden iſt. Wird durch eine Frau
der Schönheitsfinn beleidigt, fo
verliert ihr höchſter ſportlicher Er-
folg feinen Wert.
In Deutichland, bejonder im
Norden, wird meiltend nad Afjo-
ziationsregeln gefpielt ; die befann-
teften Klubs find die Berliner,
Tresdener und Hamburger.
In Amerifa und in Auftralien
haben fich zwei befondere Arten des
Fußballſpiels entmwidelt, die fich
weit von dem englijchen entfernen.
Hlffoziation.
713. Allgemeined. Da das
Affoziationjpiel nicht das ältere,
nötig ift, um einer Mannjchaft auch
nur einen beachteten Namen zu ver:
Schaffen. Nur durd langes Ueben
kann es erlernt werden, die Ab:
fihten des Gegners zu durchſchauen
oder zu ahnen und das eigene Spiel
darnad) zu richten. Da alles auf
gemeinfames Arbeiten ankommt, jo
muß ſich zur gegenjeitigen Ergän:
zung in jeder Mannfchaft einer auf
den andern „einarbeiten” — nur
dann erjt kann von einem richtigen
„Spiel” die Rede fein.
714. Das Spielfeld. Das Spiel-
feld foll eine Länge von 110 m zu
75 m Breite haben, der Boden muß
gut geebnet und von allen großen
und Heinen SHinderniffen befreit
fein. Das befte ift auch hier ein
Raſen, ſonſt eine feftgejtampfte
Fläche.
Die Marken rings um den Plat
werden mit Kalfmilch gezogen; an
den Längsſeiten werden fie Seiten-
oder Marklinien (touch-lines) ge—
nannt, an den Breitfeiten Mal:
oder Torlinien (goal-lines). In
11 m Entfernung von den beiden
Torlinien werden parallel zu ihnen
die Elfmeter: oder Straflinien (pe-
nalty-lines) abgegrenzt; ebenſo
geht genau dur den Mittelpunkt
des GSpielfelde8 eine Linie von
Niro. 715. E. Gräfin Baudiſſin.
Längsſeite zu Längsſeite. Wieder wird. Das Gewicht des Balles ſoll
um dieſen Mittelpunkt wird ein 400—450 g betragen, fein Umfang
Kreis von 9 m Radius gezogen. 65—70 cm. Wird er nidt ge:
Die Tore, „goals“, jtehen jich | braucht, fol die Luft herausgelafjen
genau auf den beiden Breitjeiten '
gegenüber; ihre beiden Pfojten
haben einen: Raum von 7,35 m
Thorlinıe 75m
347. Aſſoziation-Fußball.
Serten-Linie od. Mark
und das Leder zur Konfervierung
häufiger mit Fett eingerieben wer—
‚den. Zum Aufblafen dienen Luft:
pumpen.
Die Torpfoften werden in
einer Höhe von 2,5 m durch Quer—
ftangen oder Bänder mit einander
verbunden; noch rationeller, um
546. Grundriß des Spielfeldes. das Paſſieren des Balles durch das
Goal abſolut ſicher zu beurteilen,
zwiſchen ſich. Um jeden Torpfoſten iſt, das zwiſchen den Pfoſten be:
wird mit Kreide ein Halbkreis von feſtigte Tornetz, das goal-net, das
5,5 m, um jede, die Ecken des Spiel: |
feldes markfierende Flagge ein
ViertelfreiS von 1 m Radius ge=
zogen. Die Punkte, in denen fich
die Mittel: und die Elfmeter:Linie
mit den Breitjeiten berühren, wer—
ven gleichfalls durch Flaggen be=
& Mark oder Sei-_Sten-Linre 110m
Thor
OThorpfosten O-Mitelpunkt des Spielfeldes
- — Pre
— —22
Ss aus.» — E-ERHETE
> - =
>. 2 —
manams
\
) Fe ee
x BEE
MR:
EEE u
x
*
2
zeichnet. ——
715. Die Spielgeräte. Der Te
Ball zum Affoziationfpiel ift von, —
kugelrunder Geſtalt und zum Auf: ———
blaſen eingerichtet; feine äußere
Hülle befteht in ftarfem, aber nicht | den Ball auffängt. In England
zu fteifem Leder, das, nachdem der iſt feine Anwendung bei allen wich-
Ball gänzlich voll Luft gepumpt ift, | tigeren Wettipielen Vorſchrift. Die
durch einen Lederriemen vermittelt Höhe der Torpfoften beträgt 7,5 m,
einer Ahle feit zufammengejchnürt | die ver Eckpfoſten ungefähr 3m;
XL. 3. Iußball.
auch die Flaggenſtangen follen
wenigfteng mannshoch fein, um je-
dem Unglüd vorzubeugen ; aus dem=
jeilben Grunde wird ihrem Ende
ein runder Knopf aufgefegt.
716. Der Gang des Spieles.
Die beiden, zum Fußballfpiel nö—
tigen Parteien haben je 11 Spieler,
die in angreifende und verteidigende
geteilt werden und von deren Zus
jammenarbeiten allein, wie jchon
betont wurde, der Erfolg abhängig
ift, nit von den Leiftungen des
einzelnen.
Bon den angreifenden Spielern
heißend die Stürmer (forwards)
und 3 die Martmänner oder
Halbfpieler (halfbacks); 2 Mal:
oder Hintermänner (backs)
bilden mit dem Torwächter
(captain) die Verteidigung.
Eröffnet wird dag Spiel durd
das Lofen der beiden Torwächter
um den Abjtoß oder um die Wahl
der Spielfeite. Dem Sieger fteht
es frei, welchen von diejen Borzügen
er ausnützen will — oft wird ihn
zur Wahl der Spielfeite die Wind-
richtung veranlaflen. Der beige-
fügte Plan ergibt die Aufjtellung
der Parteien zum Spiel; die be-
ginnende Partei darf bis zur Mittel-
linie herantreten, die feindliche muß
außerhalb des den Mittelpunft um⸗
gebenden 18 m Kreiſes bleiben.
Mit einer Signalpfeife gibt der
Schiedsrichter das Zeichen zum
Beginn — der Ball, der vor dem
mittelften Stürmer liegt, wird von
diefem im felben Moment abge
ftoßen, dem feindlichen Goal zu.
Iſt dieſes paffiert, fo ift ein Goal
(Mal) gewonnen; wer in einer fejt-
gejegten Zeit die meilten Male ge—
winnt, ift Sieger; haben beide Bar:
teien dieſelbe Anzahl von Malen,
fo ift das Spiel unentichieden.
Der Ball wird mährend des
Spieled nur mit den Füßen und
dem Körper, ohne jede Benutzung
ro. 716.
der Hände und Arme getrieben,
fliegt oft hoch durch die Luft, rollt
flah über den Boden oder wird
„gedribbelt” — aus dem Spiel
it er, wenn er auf der Erde oder
in der Luft über die Seiten- oder
die Torlinien gerät. Der Spiel-
wart gibt feiner Partei die Befehle,
denen widerſtandslos gefolgt mer:
den muß; dem Tormächter liegt das
Port L
N
AI
J
5
Morneti
Pertel IL
349. Plan des Spielfeldes „Affoziution”.
) die Torwüchter. 2 linfer, 3 rechter Maul:
mann. 4 linker, 5 Sentrums, © rechter
Markmann. 7 Liner äußerer Flügel-,
8 linker innerer Flügel-, 9 Mittels, 10 rechter
innerer Flügel-, 11 rechter äußerer Flügel—
ſtürmer.
B Ball. Meſchiedsrichter. O Einienrichter-
Schwere Amt ob, das Goal zu ver:
teidigen; er darf hierzu die Arme
und Hände benutzen und fchleudert
den Ball der eigenen Partei wieder
zu. Die Dauer des Spieled wird
gewöhnlih auf 2mal 45 Minuten
feftgejfegt, mit einer Pauſe von
5-10 Minuten dazwischen. Ber:
pönt ift es, den Gegner zu jtoßen,
über den Haufen zu rennen, von
“.
Nr. 717.
E. Gräfe Bud 00
hat, ſtarkes Armſchwenken, das iin
am Vorwärtslaufen verhindert,
Stoßen mit dem Ellbogen ufm. —
alle8 „Tricks“, deren fich eben nur
> unlautere Naturen und — ſchlechte
Spieler bedienen, denn ein guter
Spieler bedarf ihrer nicht — find
hinten anzurennen oder gegen die
Schienbeine zu treten; der Feind
darf nur mit den Schultern und
350. Knöchelfchüter.
Aus Nordhaufen, Sport und Körperpflege.
den herabhängenden Armen beifeite
gedrängt, niemals abjichtlich gepufft
oder mit heftigem Ruck fortgeftoßen
352, Schienbeinfchüßer.
Aus Nordhaufen, Sport und Körperpflege.
jtreng verpönt und haben bei Wieder⸗
holung die Verweiſung vom Spiel-
feld zur Folge. Leichtere Verſtöße
gegen die Regeln oder den Anftand
all dem Gegner einen Frei-
toß.
Das Amt des Schiedsrichters iſt
durchaus kein leichtes, denn es läßt
ſich ſchwer unterſcheiden, ob eine
Schuld oder nur ein böſer Zufall
351. Fußgelenkhalter.
Aus Nordhauſen, Sport und Körperpflege.
werden. Die Nägel an den Stiefeln
oder Schienbeinſchützern, falls ſie
überhaupt verwendet werden, müſſen
von Leder bedeckt ſein, auch dürfen
ſich an den Sohlen, Abſätzen und
Schienbeinſchützern weder Gutta—
perchaſtücke noch Metallplatten be—
finden.
Jedes Ueberſchreiten dieſer Ver—
dote, wie überhaupt jedes „unfaire“
= Spiel wie „LVeinftellen”, das ein
Stürzen des Gegners zur Folge
..F
vorlag; fein Urteil, oft unterftügt
von dem der Linienrichter, ift maß-
gebend. Das Spiel muß auf den
Pfiff der Signalpfeife Hin ſofort
unterbrochen werden, zum Rekla—
mieren muß der Spieler beide Arme
in die Höhe heben. Während der
Pauſe werden die Seiten gewechjelt.
717. Die Spieler. Den Stür-
mern (forwards) fällt die Auf:
gabe zu, das feindliche Tor zu neh-
men. Im Laufe der Zeit dat jich,
von Schottland ausgehend, die
Pflicht jedes Spieler in ftrenge
Grenzen gejondert, während ur—
<a
XI. 3. Außball.
prüngli jeder Spieler für fich
allein fpielte, ohne auf den nächſten
Nücficht zu nehmen. Durch dieſe
Arbeitseinteilung hat fich dag Spiel
natürlich fehr verfeinert ; die Pflich-
ten des einzelnen haben fih ein
paarmal verfchoben, bis der heutige
Standpunkt erreicht worden ift, der
die Stürmer in den Zentrums:
ftürmer, den widtigften der Partei
D nn
353. Der Abftoß.
und in die inneren und äußeren Flü-
gelleute einteilt. Da der Zentrums⸗
ftürmer den Abſtoß auszuführen
Hat, ſucht er dem Ball eine Ric:
tung zu geben, in der ihm eine
Schwäche des Gegners, eine Un-
aufmerkſamkeit oder dergl. auffällt.
Der Stürmer neben ihm nimmt
das Spiel weiter auf; das beite
ift es, den Bal zu „pribbeln“,
d. b. ihn in kurzen Stößen vor ſich
berzutreiben (diefe Kunſt ift die
höchſte des Fußballſpielers) und
ihn, da es jehr unwahrſcheinlich ift,
die ganze Reihe der feindlichen
Stürmer zu paffieren, nad einem
Flügel bin zu richten. Die Flügel—
leute deden den Spielenden, indem
fie neben ihm berlaufen; Tann der
Ball nicht mehr geſchützt merden,
fo wird er einem anderen Stürmer,
eventuell aud einem Markmann
weitergegeben.
Der Zentrumsftürmer muß, um
Niro. 717.
je nachdem den Ball nad rechts
oder links zu fpielen, beide Füße
gleich gewandt benuten können; da
er als Hauptperjon viel „angerem=
pelt“ wird, aud den Ball auf
große Entfernungen ficher ftoßen
fol, muß er ſtark und groß fein
und zudem genauefte Kenntnis der
Spielregeln befiten. Auch die
übrigen Stürmer jollen gute Spie-
ler fein; die fchnelliten Läufer
ftehen am äußerften Flügel.
Wenn der Angriff einer Partei
abgeſchlagen worden ift, zieht fie
ſich in ähnlicher Aufftelung wie
zum Beginn des Spieles zur Tor:
linie zurüd, da der Kampf von
diejer Stellung aus ftet3 am vor⸗
teilhafteften ift. — Die Stürmer
tun am beiten, ihren Play während
der ganzen Saiſon innezuhalten, da
fie id dann gründlid in ihre
Pflidten einarbeiten fünnen.
Die Martmänner (half-
backs) find aud) in ihrer Zahl er:
höht worden, feitbem zwei Stürmer
gewöhnlich miteinander fpielen und
den Ball „paſſen“, d. 5. ihn ſich
zujpielen. Der Pla der Mark:
männer ift zwifchen den Stürmern
und den Malmännern und gibt
ihnen Gelegenheit, dag ganze Spiel
zu beobadten. Daher ift der
mitteljte Markmann auch meijtens
zugleich der Spielwart. Ihm wie
feinen beiden Trabanten liegt die
Pflicht ob, immer ihre gerade an
gegriffenen oder ſchwächeren Bart:
ner zu ftüßen, aljo bald den Stür—
mern, bald den Malmännern bei:
zuftehen. Deshalb müfjen fich in
ihnen alle Tugenden des guten
Fußballſpielers vereint finden: fie
müſſen jomohl vorzüglihe Läufer
wie fichere kräftige Spieler fein.
Zum Beginn des Epieled halten
fi) die halfbacks dicht hinter den
Stürmern, um im Notfall, wenn
der Gegner den Ball durch Die
Stürmerreihe treibt, den Val jo-
ro. 717.
fort aufzunehmen und ihn wieder
— mit furzem Stoß — einem vor=
teilhaft jtehenden Spieler zuzutrei-
ben. Cine befondere Spezialität
"der halfbacks ift dag Spielen oder
Varieren mit dem Kopfe, wodurd)
der durch die Luft herabjaujende
Ball weit zurücgefchleudert wird
und zwar, nach einiger Hebung, in
der gewünfchten Richtung. Ferner
wird gewöhnlich ein Markmann
dazu auserjehen, den aus dem
Spiel geflogenen Ball wieder ins
Spielfeld Hineinzumwerfen; ſeine
Kunft muß es ermöglichen, daß der
Ball jofort von einem Spieler
feiner Partei aufgefangen wird.
354. Anrempeln eines Gegners.
Die Berteidigung liegt in den
Händen der Malmänner (backs
oder auch fullbacks genannt). Sie
entfernen jicy nie weit von ihrem
Tor und müfjen aus jeder Stel—
lung den Ball aufnehmen und
ftoßen fünnen. Zum Dribbeln des
Balle8 jollen die fullbacks nur
dann greifen, wenn fie feinen
Gegner, fondern freies Feld vor
fih haben; dagegen müfjen fie im
jtande jein, den Ball eventuell mit
G. Gräfin Baupilfin.
den Füßen fo lange anzuhalten,
bis fie ihn einem Freund zutreiben
fönnen, oder ihn durch gejchicte
Wendungen, Sprünge und dergl.
von der Bruft oder den Beinen
abprallen zu lafjen. Ein fullback
bat feine Aufmerfjamfeit mehr auf
die Spieler, bejonder® auf Die
feindlihen Stürmer, zu richten, als
auf den Ball felbjt; dieſen hat er
befjer dem Torwächter zur Abwehr
zu überlajien. Das raffinierte Zu=
jammenfpiel zwifchen half- und
fullbacks, das abjolut zur richtigen
Verteidigung nötig ift, datiert erft
aus der Neuzeit und iſt englijchen
Urſprungs. Das „Antempeln“, um
einen Gegner vom Ball fort
zudrängen, iſt eine andere
Aufgabe der backs; es darf
nicht von Hinten gejchehen,
fondern joll von der Geite
erfolgen und zwar im Mo—
ment, wenn der Gegner ge=
trade zum GStoße mit dem
Bein gegen den Ball ausholt.
Die umgekehrte Regel für
den Afjoziationfußballipieler,
nie mit den Händen, nur mit
den Füßen zu jpielen, gilt
für ven Tormädter, den
goal-keeper: er joll nur im
äußerjten Notfall von den
Füßen, fonft nur von den
Händen Gebrauh maden.
Seine Kraft und Kunft gilt
der Verteidigung des Males.
Da ſich der Gang des Spieles
oft in wenig Minuten, ja fait in
Sekunden ändert und der Ball,
der fih eben noch jenjeit$ Der
Mittellinie befand, plöglih vorm
eigenen Tor auftaudhen kann, jo
darf fich der goal-keeper nie in
Sicherheit wiegen, jondern muß
immer angejtrengt den Yauf des
Spieled verfolgen und bejonderg
den Ball jelbjt im Auge behalten;
geifhüst vorm Anrempeln ijt er,
wenn er gerade den Ball aufnimmt
x1. 3. Zufball.
oder weitergibt, durd die Spiel:
regeln, und zu feiner Verteidigung
follen fih die fullbacks um ihn
Iharen. Der Tormädter ſoll den
Ball mit den Händen auffangen
— ihn nit mit der Fauft oder
dem Kopf parieren — und ihn jeit-
wärts weiterwerfen, da er von
dort aus fchwerer and Mal zurüd-
getrieben wird. Vom Tor darf ſich
der goal-keeper nur dann entfer-
nen, wenn er nicht ohne Berteidi-
gung zurüdbleibt. Die Force dieſes
legten wichtigen Berteidigerd des
Males liegt ferner im ſcharfen Be—
obachten des gegen das Tor ge:
führten Stoßes, um genau zu
wiſſen, in welcher Richtung der Ball
eintreffen wird. Deshalb fol dem
Torwächter ftet3 genügend Bemwe-
gungdfreiheit gelafjen werden. Zum
bejjeren Auffangen des Balles trägt
ver Torwächter wollene oder lederne,
mit Gummieinlage verjehene Hand-
ſchuhe oder reibt fih die Hand-
flächen mit Kolophoniun ein.
Der Spielmart (captain) ift,
wie bereit3 erwähnt murde, ge=
wöhnlih der mitteljte Markmann.
Er muß feine Mannſchaft wie ihre
Vorzüge und Schwächen fo genau
fennen, daß er von vornherein
jedem Spieler den Plab anmeiit,
der feinen Leiftungen am beiten
entjpridt. Sein Hauptaugenmerf
fol auf tadellofe8 Zufammen-
arbeiten gerichtet fein und auf
ſtrammſte Disziplin. Während des
Spieles bejchränft fich feine Tätig-
teit auf kurze Befehle und Zurufe,
um die Mannfchaft nicht zu ver:
wirren; vor und nad) dem Spiel
hat er fie zu belehren und auf
etwaige Fehler hinzumeifen. Ferner
ift er verantwortlih für die vor-
ſchriftsmäßige Kleidung, den Fame:
radfchaftliden Ton, für Art und
Stil feiner Mannſchaft; er hat jede
„Roheit“ aufs jchärffte zu ahnden,
und [chließlich ift er es, der gegen
Niro. 717.
die Fehler des Gegnerd Proteft
beim Schiedsrichter einlegt.
Der Schiedsrichter hat ftet3
dem Gang ded Spieles, aljo dem
Ball, zu folgen. Daraus ergibt
ih, daß er unabläffig hin- und her:
laufen muß, denn ihm darf fein
Stoß, feine Bewegung der Parteien
entgehen. Sein Amt iſt daher ein
jehr bejchwerliche8 und nicht immer
angenehme3, denn das Kampf:
gedränge macht ihm oft ein ganz
objeftiveg Urteil nicht leicht. Ob
der Spielplaß in Ordnung und alle
Marken richtig gezogen find, ferner
0b.da8 Schabgeug der Spieler vor-
ſchriftsmäßig ift, der Ball beim
Abftoß mindeftend um 70 cm vor:
wärts fliegt — das alle® hat er
zu beobadten. Seine wichtigſte
Aufgabe ift natürlich die am Tor;
jobald der Ball in die Nähe eines
Males fommt, muß der Schied8-
richter auch dort fein, um zu beur=
teilen, ob der Ball wirklich mit
feinem ganzen Umfange die Linie
palftert hat, ehe der Torwächter ihn
auffängt; denn nur dann gilt das
Mal ald gewonnen. Fliegt der
Ball aus dem Spiel und muß neu
hereingebracht werden, jo bat die
Stelle, wo died zu gefchehen it,
der Linienrichter zu bezeichnen; der
Schiedsrichter dagegen hat darauf
zu achten, daß der Spieler, der den
Ball werfen fol, genau auf der
bezeichneten Stelle jteht und zwar
mit beiden Füßen auf der Grenz:
linie, und daß er den Ball mit
beiden Händen über den Kopf fort
ing Spielfeld hHineinwirft. Beim
Spiel des Torwächters muß der
Schiedsrichter darauf acht geben,
daß Ddiefer nit mehr als zwei
Schritte mit dem Ball in den Hän—
den läuft und daß er außerhalb der
Hälfte ſeines Spielfelde8 nicht
mehr mit den Händen, jondern mit
den Füßen fpielt. Beobachtet der
Schiedsrichter einen Fehler, eine
Nro. 718.
Roheit oder dergl., jo unterbricht
- er dad Spiel mit einem Signal-
pfiff; ebenfo gibt er das Zeichen
zum Beginn und Schluß des Spieles
und hat die Zeitdauer auf die Se:
funde abzumejjen. Er verleiht auch
aus Strafe für die [huldige Partei
dem Gegner den „Freiftoß” —
wird nun dieſer wieder faljch aus—
geführt, jo erhält wiederum Die
andere Partei einen Freiftoß. Wird
das Spiel aus irgend einem anderen
Grunde unterbroden, d. 5. ohne
daß ein Freiftoß gewährt wird, jo
muß der Schiedsrichter den Ball
zu neuem Spielbeginn ſenkrecht in
die Höhe werfen, von der Stelle
aus, wo der Ball zulegt gelegen
hat; der Ball darf erft wieder be—⸗
rührt werden, wenn er den Boden
erreiht hat. Der Schiedsrichter
braucht Reklamationen nit Folge
zu geben, noch hat er zu erklären,
weshalb er fie nicht anerkennt;
fein Urteil auf dem Spielfeld ift
uneingefchräntt und maßgebend.
Bei wichtigeren Spielen ermählt
man deshalb gern, um eine abjolute
Objektivität zu erleichtern, den
Schiedsrichter eines dritten, nicht-
jpielenden Verbandes.
Die Linienridter, zwei an
der Zahl, betreten das Spielfeld
nicht, fondern bewachen feine Gren-
. zen von außen. Sobald der Ball
eine Orenzlinie überfliegt, geben
fie dem Schiedsrichter durch das
Schwenken einer Flagge ein Zeichen
und haben ſich genau die Stelle zu
merken, an der der Ball aus dem
Spiele flog, da er vom jelben
laß aus zurüdgeworfen werden
muß. Schre Anficht ift jedoch auch
der des Schiedsrichterg unterworfen.
718. Einige bejondere Stöße.
Der moderne Stil des Aljoziation-
fußballſpiels verlangt flache Stöße;
hohe Stöße — richtige „Blender“
für das große Publikum — werden
leicht vom Feind pariert und ſollten
E. Gräfin Baudiſſin.
nur dann angewendet werden, wenn
es gilt, den Ball über entgegen=
ftürmende Gegner fortzumwerfen.
Da8 Dribbeln fol nie mit der
El fondern mit der Innen⸗
ihe der Füße ausgeführt werden.
Der Bau wird dabei dicht unter-
halb feines Mittelpunktes getroffen,
damit er ftetd noch über der Erde
bleibt.
Das Paffen (Zufpielen des
Balle8 von einem Spieler zum
andern) geſchieht ebenfall8 nur mit
der Innen- oder Außenjeite des
Fußes, nie mit den Fußfpigen.
Sn den Stößen auf dag
Tor find die englifhen Mann⸗
Ihaften den deutfchen noch über:
legen, da fie mit Erfolg lange
Stöße von ca. 25m direft aufs
Zor zu wagen, während die deut-
Ihen den Ball dicht und ficher ang
Mal heranbringen wollen.
Der Edball (cornerkick) wird
gewährt, wenn der Ball über die
Zorlinie geht und einen Spieler
der Partei berührt hat, um deren
Mal es fi handelt. Der Bau
wird innerhalb des Meterkreifes
der nächſten Edftange niedergelegt
und gewöhnlid von einem Marf-
77ER GREEN 977777
355. Ein Edball.
mann, den der Spielmart beitimmt
bat, dur einen Platzſtoß (place-
kick) wieder ind Spiel gebradt.
Der Gegner muß 5,5 m vom Ball
entfernt bleiben ; die halfbacks und
XT. 3. ZufbaD,
backs verteidigen ihn, die fremden
Stürmer greifen ihn an. Der Platz⸗
ftoß ift meifteng ein hoher Stoß, da-
mit der Ball wieder direkt vorm Tor,
über die Spieler fort niederfällt.
Der Abſtoß vom Tor fteht
der Partei zu, über deren Torlinie
der Ball geftoßen ift, ohne daß das
goal gewonnen wurde. Der Ball
wird innerhalb des 5,5-Meterhalb-
freije8 niedergelegt und möglichit
jo abgeftoßen, daß die Partner ihn
glei aufnehmen fünnen, wodurch
er oft überrafchend ſchnell ins feind-
liche Lager gelangt. Deshalb müſſen
fih beim Abftoß vom Tor genug
Spieler zur Verteidigung de? gegen-
überliegenden Males zurüdziehen.
Der Elfmeterftoß (penalty-
kick) wird verliehen, wenn ein
Spieler innerhalb der Elfmeter:
linie vor dem eigenen Tor ab-
fihtlih den Gegner anrennt, ihm
ein Bein ftellt, ihn ftößt oder den
Ball mit den Händen berührt. Der
Ball wird auf einen beliebigen
Bunft der Elfmeterlinie nieder:
gelegt und alle Spieler, mit Aus⸗
EW - Meter - —2
den
8
7777
356. Ein Elfmeteritoß.
nahme des Tormäcdhterd und des
für den Elfmeterftoß erjehenen
Spielers, müſſen ſich hinter die,
Elfmeterlinie und 5,5 m hinter den pafſiert haben. Der Torwächter kann hinter
Ball zurüdziehen. Die Aufitellung | in
t
der Spieler ift aus dem Plan er-
ſichtlich.
Nro. 719-720.
719. Die Abſeitsregel. Die Ab-
feitöregel, die einen Spieler „off
side“, abſeits, aus dem Spiele
madt, ift von allen Spielregeln
am ſchwerſten zu begreifen und
innezubalten. Ein Spieler ift off-
side, fobald er dem feindlichen Tore
näher fteht als der gerade jpielende
Partner feiner Partei und nicht
minbefteng drei Gegner fich zwischen
ihm und der Torlinie befinden.
Ein Spieler off-side ift erft dann
wieder aktionsfähig, wenn der
Gegner den Bau berührt hat, er
fann ſich alſo nicht felbft wieder
ind Spiel bringen; natürlich kann
die Unvorfichtigfeit eines Spielers,
der im widtigften Moment ofl-
side wird, für die Niederlage feiner
Partei entjcheidend fein, Daher
muß dem Anfänger vor allem dieje
Regel eingeprägt werden.
720. Die Spielregeln. Der
Auszug der folgenden Regeln ift
den „Fußballregeln des Deutfchen
Fußball-Bundes“ von 1908/09 ent:
nommen.
„Ein Mal (Tor) ift germonnen, wenn der
Ball die Torlinie zwiſchen den Torpfoften
unter der QDuerflange in der Luft oder am
Boden ganz überfchritten bat, ohne von
einem Spieler der angreifenden Partei mit
der Hand geworfen, getragen oder geichlagen
worden zu fein und foweit in diejen Regeln
feine anderweitigenBeftimmungen bejtehen.”
„Der Schiedsrichter tft ausprüdlich berech-
tigt, jede mutwillige Zeitvergeudung zu ver⸗
hindern. Er ſoll alles aufbieten, die Pauſe
bis Halbzeit auf 10 Minuten zu befchränten
und joll keinesfalls zulaffen, daß jeine Ein-
willigung auf Veränderung derjelben als
felbftverftändlich Hingeftellt wird.
Das Wort „geworfen“ bezieht fich auch
3.8. auf einen Einwurf von der Seitenlinie.
Wenn alio ein Spieler den Ball beim Eins
wurf direft Durch Das gegnerifche Tor werfen
würde, fo könnte dieſes nicht ald ein Tor
zählen, es ift vielmehr ein Nbftoß vom Tor
der verteidigenden Bartei auszuführen.
Der Bau kann die ganze Torlinie entlang
tollen und zum größten Teil über die Linie
hinweg fein, trogdem aber das Tor nicht
Torlinie ftehen und dennod ein Tor ver=
dern.”
„Der Schiedärichter darf unter keinen Um—
ftänden ein Tor erklären, wenn er nicht voll:
Niro. 720.
fommen davon überzeugt ift, daß es wirtlich |
ein Tor war.”
„Beim Fangen und beim Fortjchlagen des
Balles laſſen mande Torwächter den Ball
mandmat in halber. Höhe bie Torlinie er-
teihen, und fteht es dem Schiebärichter frei,
anzunehmen, daß ber Ball die Torlinie Über:
fohritten hat. Iſt diefe der Fall und fteht
er an einem Plag, von dem er aud gut ur:
teilen kann, jo muß ein Tor gegeben werden.
Es ift ſchwer, diefed zu beurteilen, wenn
man nicht in der Nähe iſt; es ift daher not-
wendig, daß der Echiedärichter immer mög-
Lichft in der Nähe des Balles bleibt. Kerner
ift es fehr zu empfehlen, eine Seitenftellung
einzunehmen, wenn ein Schuß zu erwarten
ift, und wenn ein Gedränge vor dem Tore
entſteht.“
„War ein Teil des Tores aus irgend einem
Grunde zerſtört, ſo muß der Schiedsrichter
ein Mal geben, wenn nach ſeiner Meinung
der Ball die vorgeſchriebenen Begrenzungen
des Tores durchgeflogen hatte.“
„Prallt der Vall an den Torpfoſten, an
der Querſtange oder an anderen zur Be:
grenzung des Spielfelbes dienenden Stangen
ab, ohne das Spielfeld zu verlafjen, fo bleibt
er weiter im Spiel, ebenio wenn er den
Schiedsrichter oder einen Linienrichter inner:
bald des Spielfeldes berührt. Weberfchreitet
der Ball, jei e3 in der Luft oder am Boben,
ganz die Eeitenlinte oder die Torlinie, fo
ift er aus dem Spiele.”
„Wenn ber Bal den Schiedsrichter ober
einen Zinienrichter innerhalb des Spielfelde3
berührt, bleibt derjelbe im Spiel, felbft
wenn ber Ball fonft über die Seitenlinie
oder die Torlinie gegangen wäre.
Linienrichter follen nahe an den Eeiten«
linien das Spiel verfolgen und fomeit irgend
möglich, außerhalb des Spielfeldes bleiben.”
„Der Bal ift aus dem Spiel, wenn er bie
Grenzlinien in der Luft überjchreitet, felbft
wenn er innerhalb des Spielfelded wieder
zur Erde fällt.”
„Der Bau kann auf der Seiten= oder Tor:
linie entlang rollen und dennoch im Spiele
bleiben. Er ift erſt aus dem Spiel, wenn
er die Linien ganz überſchritten hat.”
„Wenn der Ball die Seitenlänge ganz
überfchritten hat, fo muß ihn ein Spieler
derjenigen Bartei, welche den Ball innerhalb
des Spielfeldes nicht zulegt berührt hatte, |
E. Bräfin Bandiffin.
feiner Partei, ver im Augenblid des Epielend
oder Einwurfs der feindlichen Torlinie näher
fteht, abſeits und darf weder den Ball felbft
ſpielen, nod in irgend einer Wetie einen
Gegner oder das Spiel Überhaupt hindern,
bis der Ball wieder geipielt ift, es jei denn,
daß mindeſtens drei Spieler der gegnerischen
Partei zu diefer Zeit ihrer Torlinie näher
ftehen. Ein Epieler ift indeffen nicht abfeits,
wenn der Ball zulegt von einem Gegner ge:
fpielt worden ift.
Beim Edftoß und Abftoß vom Tor be;
findet fi) fein Spieler abſeits.“
„Sit der Ball von einem Spieler über die
gegnerifhe Torlinie geftoßen worden, fo
wird er von irgend einem Punkt innerhalb
derjenigen Hälfte des Torraumes aus durch
einen Plagftoß ind Spiel zurüdgeftoßen die
der Etelle am nädjften liegt, an welcher ber
Ball das Spielfeld verließ, und zwar von
einem Spieler der Partei, melde das Tor
zeitweilig verteidigt.”
„Hat der Ball, bevor er die Torlinie einer
Partei überfchreitet, einen Spieler biefer
Partei zulegt berührt, fo hat diefe einen Eck⸗
ball verwirtt. Der Ball wird bierauf 1 m
von der nächſten Edftange vom Gegner durd)
einen Plagftoß ins Epiel getreten.
Sn beiden Fällen müfjen fi die Gegner
bis nad erfolgtem Abftoß 5,50 m vom Balle
entfernt halten.”
„Der Torwächter darf innerhalb feiner
Hälfte des Spielfeldes den Ball mit der Hand
oder dem Arm berühren, fchlagen, ftoßen
ober werfen. Er darf aber mit dem Bau
nit mehr ald 2 Schritte gehen oder laufen.”
„Ter Torwächter barfnur angerannt wer⸗
den, während er den Ball berührt oder wenn
er einen Gegner abſichtlich hindert, oder
wenn er fi außerhalb des Torraumes bes
findet.“
„Alles Beinftellen, abfichtlide8 Treten oder
Anfpringen eines Spielers ift verboten.”
„Kein Spieler, abgefehen vom Torwächter,
darf ven Ball abfihtlich mit der Hand oder
dem Arm berühren.”
„Kein Spieler dorf feine Hand benugen,
um einen Gegner zu balten ober fortzu=
drängen.”
„Das Anrennen eine Gegners ift geftattet ;
jedoch darf es nicht heftig oder gar gefähr-
lich fein.“
„Ein Spieler darf nit von hinten anges
an der Stelle wieder einmwerien, wo er | rannt werben, es fei denn, daß er einen
das Zpielfeld verlied. Der Einmwerfende | Gegner abfidhtlih hindert.”
muß die Seitenlinie mit beiden Füßen (bezw. „Wenn ein Freiftoß gewährt ift, darf kein
Zeilen derfelben) beriihren und das Geficht | Gegner der den Freiftoß ausführenden
dem Spielfelde zuwenden. Der Bal muß | Partei näher ald 5,60 m an den Bau heran
mit beiden Händen über den Stopf geworfen j treten, e3 jei denn, daß er auf der eigenen
werden, und zwar in beliebiger Richtung. | Torlinie fteht. Der Ball muß erjt eine Im-
Der Einmerfende darf den Ball erft wieder | drehung um fich felbft gemadt oder eine
berühren, wenn diefer einen anderen Spieler | feinem Umfange gleiche Etrede zurüdgelegt
berührt hat. Der Ball ijt im Spiel, fobald | haben, bevor er als geipielt zu betrachten ift.
berjelbe eingeworfen ift. Ein Tor fann von | Der den reiftoß ausführende Spieler darf
einem Einwurf nicht gewonnen werben.” den Ball erft wieder berühren, wenn dieſer
„Wenn ein Spieler den Ball fpielt oder | von einem anderen Spieler gefpielt worden
von ber Seitenlinie einwirft, ift jeder Spieler | ift. ALS Freiftöße im Sinne biefer Regel
XI. 3. Fußball. Nro. 720.
gelten auch der Anftoß (außer wie in Regel 2 | wenn bad Epiel zeitweilig unterbroden oder
vorgefehen), der Eckſtoß und der Abftoß vom | wenn ber Ball aud dem Spiele ift.“
Tor.” „Es werden 2 Linienrichter aufgeitellt,
„Durd einen Freiftoß, ber wegen Ueber: weiche (obgleich fie von bem Schiedsrichter
tretung der Regel „alles Beinftellen, abfichts ; Überftimmt werben tönnen) darüber zu ent-
lies Treten oder Anjpringen eines Spielers ſcheiden haben, ob der Ball aus dem Spiele
ift verboten”, gegeben wurde, kann unmittels | gegangen und welche Partei zu einem Edball,
bar ein Tor geftoßen werden, bei allen | Abftoß ‚vom Tor oder Einwurf von der
andern Freiftößen jedoch unmittelbar nicht.” | Seitenlinie beredtigt ift. Die Lintenricter
„Kein Spieler darf an den Stiefeln ober | haben den Schiedsrichter auch in der rich⸗
Beinſchützern Nägel tragen, jofern diefe nicht | tigen Ausführung des Epield zu unter-
vollftändig ind Leder verfentt find, noch ſtützen.
dürfen an ben Stiefeln oder Beinfdiigern Bei Überflüffigen Unterbrehungen und
Metaliplatten oder fonftige bervortretende | Störungen und unangebradtem Betragen
Metaliftiide oder Guttaperchaftüde befeftigt | ſeilens eines Linienrichters hat der Schieb3-
fein. Lederleiften oder runde Klöte auf den | richter die Macht, denjelben vom Felde zu
Sohlen oder Abfägen der Stiefel dürfen weiſen und einen Stellvertreter zu ernennen ;
nicht mehr ald 12 mm bhervorftehen und bie | er muß aber ven Vorfall dem betreffenden
Befeftigungen müffen vollftändig ind Leder | Verband anzeigen, welcher ſich dann weiter
verjentt fein. Die Leiften gehen quer ganz | mit der Sade zu befajfen hat.”
über die Eohlen und Abfäge, find flach und „Im Falle einer vermuteten Uebertretung
haben eine Breite von mindeftend 12 mm. | ber Regel bleibt der Bau im Spiel, bid eine
Die runden Klöge bürfen im Durchmeſſer | Entiheidbung durch den Schiedsrichter ges
nit kleiner als 12 mm und unter feinen | geben fit.”
Umftänden von koniſcher oder ſpitzer Form „ft das Spiel aus irgend einem Grunde
fein. Auf Verlangen hat der Schieddridhter | zeitweilig unterbrochen worben, ohne daß
vor Beginn des Spieles die Stiefel der | der Ball über die Tor» und Eeitenlinie ge=
Spieler nachzuſehen. Ein Verftoß gegen | gangen tft, jo wird e8 dadurch wieder fort-
diefe Regel zieht Ausfchluß für das ganze | gelegt, daß der Schiedsrichter den Ball an
Epiel nad fi.” dem Drt niederwirft, an welchem da3 Spiel
„Für jedes Spiel ift ein Schied8richter zu | unterbroden wurde. Der Ball ift im Spiel,
ernennen, deſſen Pflicht es ift, die Inne: | jobald er den Boden berührt hat. Geht der
haltung der Spielregeln zu überwachen und | Batl über die Seiten» oder Torlinie, che er
alle Streitfragen zu entfdeiden. Seine Ent: | von einem Spieler gejpielt ift, fo wirft ihn
fheidungen über mit dem Epiel verknüpfte | der Echiedsrihter nochmals nieder. Die
Tatſachen find endgültig. Er muß fich ferner | Spieler beider Parteien dürfen den Ball nicht
Bermerte ehr eo Spiel machen und gleich= | eher |pielen, bis er ven Boden berührt hat.“
eitig Zeitnehmer jein. :
: Ber ananfänbizem Betragen hat er den Ueber den Strafjtoß von der
bezw. die Schuldigen zu warnen und im „Strafmarfe” aus:
Wiederholungsfalle, bei rohem Spiel jedoch
fofort, ohne vorherige Verwarnung vom „Ale Spieler mit Ausnahme desjenigen,
Spiele auszuſchließen. Die Namen der be: | der den Strafftoß ausführt und des vers
treffenden Spieler find bem zuftändigen Ber: | teidigenden Torwächters müſſen außerhalb
band anzuzeigen, welder fih mit dem be= | des Strafraumes ftehen. Der verteidigende
treffenden Fall weiter zu befchäftigen hat. Torwächter darf nur auf oder hinter feiner
Der Sciedärichter hat bad Recht, ver: | Torlinie ftehen. Der Bau muß vorwärts
lorene Zeit nachſpielen oder das Spiel nicht | geftoßen werden und ift fofort im Spiel, jo=
ftattfinden zu lafjen, wenn e3 die Umftände | bald er geftoßen ift und fann ein Tor er—
nicht erlauben ; auch fann er das Spielunter: | zielen, wenn er bierbei durchs Tor gebt.
brechen ober abbrechen, fei ed wegen Duntels | Der ftoßende Spieler darf den Ball nicht
heit, Eindringen von Zuſchauern in das | eher wieber fpielen, bi3 ihn ein anderer
Spielfeld, wegen ſchlechten Wetters ober | Epieler berührt hat. Fall3 notwendig, ift
wegen anderer Gründe, bie ihm ftichhaltig | Die Spielzeit fo auszudehnen, daß ein Straf:
erſcheinen. Bei jedem Spiel, das auf diefe | ftoß ausgeführt werden fann. Der ver:
Weiſe beendet wird, hat er dem Verband, in | teidigenden Partei ift ein Freiſtoß zu ges
defien Bereih das Spiel ftattfand, Mittei: | währen, wenn der Ball nicht nach vorwärts
lung zu maden und muß biejer fi mit der | geftoßen oder von dem ftoßenden Epieler
Angelegenheit meiter befaffen. zweimal hintereinander berührt wurde, ehe
Der Schiedsrichter darf einen Fretftoß in | ihn ein anderer Epieler berührte. Der
allen ſolchen Fällen geben, bei welhen ipm Schiedsrichter kann in Fällen, bei
das Betragen eines Spieler3 gefährlih zu | welden er überzeugt tft, daß die
werden erjcheint, doch nicht in dem Grade, | Anerfennung eines Etrafftofes
um ſchärfer ihm zu Gebote ftehende Maß: | zum PBorteil der übertretenden
regeln zu ergreifen. PBarteigefhehenmwürde, davon ab-
Die Macht des Schiedsrichters erftredt fi | ſehen, Die Regel in Kraft treten zu
auch auf Verftöße, welche begangen werben, | laffen.
Nro. 721.
Wenn der Ball bei einem Strafftoß zwiſchen
die Torpfoften unter der Querftange hin⸗
durchgeht, fol das erzielte Tor nicht wegen
irgend eines Verſtoßes ber verteidigenden
Bartet für ungültig ertlärt werden.”
Rugby.
721. Einleitung. Das Rugby,
zum Unterſchied des „dribbling
game (Affoziation) aud) „running
game“ genannt, ift, wie in der
Einleitung zum Fußballſpiel dar:
gelegt wurde, dag urfprüngliche, viele
Sahrhunderte alte Fußballipiel,
während das Afloziation erjt aus
der Mitte des vorigen Jahrhunderts
ftammt. Seine Ertrabezeichnung
Rugby hat ed von der berühmten
engliiden Schule gleichen Namens
erhalten, die fich zuerſt des geſun⸗
den alten foot-ball-Spield er-
innerte. Der erfte Rugbyklub Eng-
land war der 1859 gegründete
„Old Blackheath Football-Club“,
der noch heute feinen Namen (ohne
das old) und die Tradition, der
vornehmfte und maßgebenpdfte Fuß⸗
ballklub Englands zu fein, beibe-
halten bat. Der Richmond-Club,
die Harlequind und Civil Service
waren die Anfang der fechziger
Jahre folgenden Klub, denen ſich
bald eine große Anzahl anderer
anſchloſſen. Doc jpielten alle
Klub8 nach eigenen Regeln und
ließen manderlei Robeiten, wie
Treten gegen die Schienbeine,
Stoßen und Abſchütteln des Gegners
zu. Deshalb taten ſich der Blad-
heath und Richmond⸗Club im Jahre
1871 in London zujammen und
gründeten die „Rugby Yootball
Union”, der fi) zwanzig weitere
Vereine anjchlofjen unter der Ber:
pflitung, nach denfelben von der
Union feitgejegten Regeln zu fpie-
len. Diefe Regeln bilden auch
heute noch den Grundftod aller
Fußballgejege, verändern fich aber
noch oft, da das Rugby durchaus
6. Gräfin Baudilfin.
nicht wie das Afloziation bereits
eine fefte Form angenommen hat.
1871 fand bereit8 das erfte
internationale Wettfpiel zwiſchen
England und Schottland Statt, dem
fich |päter die regelmäßigen matches
Nordenglandg gegen den Süden,
fowie zwifchen England und Irland
anichloffen. Um den oft fehr hef-
tigen Streitigfeiten bei dieſen
Wettkämpfen, die einmal fogar zu
einem dreijährigen Ausſchluß Eng⸗
lands von den Spielen der übrigen
drei Königreihe führten, endgültig
ein Ende zu bereiten, wurde dag
„International Board“, das inter-
nationale Schiedsgericht, mit viel
Erfolg eingeſetzt.
Bemerkenswert aus der Geſchichte
de8 Rugby find ferner in den
achtziger Sahren die Kämpfe der
„Maoris“, der Neufeeländer Mann⸗
ſchaften in England, die, um die
Koften ihrer Reife zu deden, in
25 Wochen 74 Wettjpiele auszu⸗
fehten hatten! Dafür unternahmen
die Engländer im Jahre 1890 einen
Ausflug and Kap und kamen mit
einem Reingeminn von 3000 £ =
60000 ME. heim!
Das heutige „PBierdreiviertel-
jpiel”, das als Normalfpiel in der
ganzen Welt gilt, hat fi übrigens
etwas abfeit3 vom Wege, nämlich
in Wales, ausgebildet, wo das
Rugby faft am eifrigften gepflegt
mwird. Seit der Einführung der
Leaguefpiele hat fich leider das
Berufsjpielertum mehr und mehr
mn.
entwidelt ; die zu den Wettfämpfen |
beftimmtenMannfchaften haben feine :
Zeit mehr zu einem „Nebenberuf” _
— ihr ganzes Leben ift der Aus—⸗
bildung zum Sport gewidmet und
die natürlihe Folge ift, daß fie
dafür von ihren Klubs entjchädigt
werden müflen; zu wirklichen
Sport3leuten find diefe „Profeſſio⸗
nals“ aber nicht zu rechnen. Die
Union befämpfte diefe Auswüchſe
ee — — — —
Sußball-:Spiel: Angriff auf das Tor. (Aus Sport im Bild.)
XI. 3. Fußball. Niro. 722—723.
des Sports von Anfang an heftig;
und fo kam es dazu, daß 1895
faft alle Klub? Nordenglandg aus
der Union austraten nnd die
„Northern Rugby Union” grün:
deten. Der Süden dagegen läßt das
Spielen gegen Profejfionald nicht
zu; Doch Ffämpfen alljährlich die
beiten Mannſchaften der vier König:
reiche gegeneinander.
7 gchiederichter
357. Schematifche Aufitellung der Spieler
bei einem Gedränge.
I Schlußfpieler, 2—5 Dreiviertel, 6—7 Halb—
ſpieler, RO Halbfpieler, im Begriff, den
Ball in das Bedränge zu bringen.
Sn Deutfchland ſpielte der Nor:
den, die Klubs von Bremen, Han
nover, ferner Göttingen, Sena ꝛc.
Gannftatt (das den erften Rugbyklub
Touch oder Mark
T-mod-Pod PRFOPELTEr I | +
Yenyape pre,
358. Rugby: Sußball:Spielfeld.
bejaß), in der Hauptfadhe anfangs
nah Rugbyregeln; der Süden
Deutſchlands nur nach diefen. 1888
wandte fich Berlin, das feit drei
Jahren das Rugby eingeführt hatte,
dem Affoziation zu und eine von
Berlin ausgehende Bewegung, die
ihren Ausdrud in dem „Deutichen
Fußball- und Kridetbund” fand,
hat das Rugby in Deutfchland faft
voljtändig zugunften des Affozia=
tion verdrängt; ebenſo hat Aflozia:
tion in Defterreich-Ungarn, in der
Schweiz, in Holland und Belgien
die Oberhand gemonnen, während
in Frankreich allgemein das Rugby
eingeführt war und die Klubs dort
erſt in letzter Zeit auch Affoziation
tultivieren.
722. Hanptunterfchiede zwiſchen
Rugby und Affoziation. - Neben
dem mwichtigften Unterfchied, daß
im Rugby der Ball mit Fuß und
Hand, im Affoziation der Ball nur
mit den Füßen, gefpielt werden
darf, find ferner als bejondere
Merkmale des Rugby zu nennen:
daß der Gegner mit Armen und
Händen feitgehalten und behindert
werden darf; daß die Anzahl der
Spieler jeder Partei fünfzehn ftatt
elf beträgt; daß der Spielplatz
wejentliche Veränderungen aufweift
(andere Grenzen, Malfelder ꝛc.);
daß der nicht runde, fondern eiför-
mige Ball zur Eroberung des Mals
über die Duerftange des
Tore3 gebradht werden
muß; daß zum Gang des
Spieles noch Formen
wie: „Gedränge“,„Kehrt“,
Verſuch aufs Mal” ac.
hinzukommen und ſchließ—
lich, daß ein Wettſpiel
nicht durch ſoundſo viel
„Male“, ſondern durch
„Punkte“ gewonnen wird.
723. Der Spielplatz.
Zum Spielfeld dient eine
C bedeutet den Mittelpunkt des Spielplaßes. ebene, mit n Raſen
—— —*
Nro. 724-725. |
beftandene Fläche von 100 m Länge
zu 68 m Breite. Die beiven Male
befinden ſich auf den Breitjeiten, den
Mallinien; die Höhe ihrer Stangen
beträgt 3,5 m, der Raum zwiſchen
ihnen 5,6 m. Die die Maljtangen
verbindende Duerjtange befindet jich
in einer Höhe von 3 m übern
Boden. Die Eden des Epielfeldes
werden durch 1,5 m hohe Flaggen
markiert, die fich auf den Yängs-
jeiten, den Marflinien, in einer
Entfernung von je 23 m wieder:
holen, jo daß auch die Mitte der
Marklinien durch eine Flagge be:
zeichnet it. Bon Flagge zu
Flagge werden quer über den Plat
Linien, die Lagergrenzen, gezogen,
die das Spielfeld in vier gleiche
Felder teilen. Der Mittelpunkt
der „Mittellinie wird ebenfalld
bezeichnet. Hinter den Mallinien,
durch Verlängerung der Marflinien
gewonnen, liegt das „Malfeld“, in
goal, von 23 m Breite; die Grenz:
linien, dead-ball-lines, ſchließen es.
Die „Malmarf”, touch in goal,
wird an den vier Eden aus den
25 +
ne 3,
€. Gräfin Baudi
Bone, Ir
66 cm, einen Umfang in der Länge
von 75,5—79 cm; und ein Gewicht.
von 370—400 gr. a
725. Zweck und Art des
Spieles. Die Parteien müfjen ihr
eigenes Tor ftet3 im Rüden Haben
und verfuden, den dur Abſtoß—
hochgetretenen und dadurch img
Spiel gebradten Ball mit den.
Händen oder Füßen der feindlichen
Mallinie zuzuipielen; wird er ge:
tragen, jo muß mit ihm die Mal—
linie überfchritten und der Ball
im Mal niedergelegt werden; wird.
er mit den Füßen gejtoßen, jo
ı muß er mit einem Stoß aus dem
Spielfeld über die Querftange des
Goals getreten werden. Die beiden
Spielwarte (captains) lojen um
den Antritt oder die Wahl des
Males; beim Antritt müfjen fich
alle Bartner der beginnenden Partei
hinter dem Ball befinden. Die
Spielzeit beträgt 2mal 35 Minuten
zwiihen denen eine Bauje von 10
Minuten liegt. Berechnet wird das
Spiel nad) Punkten; und zwar zählt
ein „Verſuch“ drei Punkte; ein
Verlängerungen der Mark: und | Mal durch einen Freiftoß ebenfalls
Mallinien gebildet, die „Mark“, | drei Punkte; ein Mal von einem
touch, durch die Verlängerungen | Verſuch (bei dem legterer nicht ges
der Mallinien.
724. Der Ball. Der Rugbyball
it von ovaler Form, Hat eine
359. Rug by-Fußball.
Länge von 27,5—28,5 cm, einen ihre Beobachtungen durch Flaggen:
Umfang in der Breite von 64 bis | fchwenfen fund; jeder von ihne
‚zählt wird) fünf, jedes andere Ma
vier Punkte. Ein Wettjpiel wird
durch die größere Anzahl von
Punkten gewonnen; ſtehen beide
Parteien gleich, jo ift dag Spiel
unentſchieden. Ein Schiedsrichter,
‚referee, und zwei Linienrichter,
haben über das Spiel, feinen Gang,
jeine lUnterbredung, über eine
„Freifang“, eine Strafe und dergl.
zu entjcheiden. Das Eignal (per
Pfeife) zum „Wechjel” oder „Schluß
joll erjt gegeben werden, wenn der
Ball gehalten oder aus dem Spiele
ift ; deshalb kann der Schiedsrichter
ı Verlängerungen des Spiels
ordnen. Die Linienrichter gebeı
— U ie —
rt:
.
Au
-
—
> mu%
XI, 3. Fußball.
bat eine „Mark“ unter fih. Sie
bezeichnen die Stelle, auf welcher
der Ball die Marklinie überfchritt
und müflen jorgen, daß er wieder
auf demfelben Punkt niedergelegt
wird.
726. Erklärung einiger Aus:
drüde. EinSprungtritt(drop-
kick) heißt der Tritt, den man
dem aus den Händen fallenden
Ball in dem Moment gibt, wo er
wieder vom Boden abjpringt.
Ein Falltritt, punt, wird
der Stoß genannt, den der aus
den Händen fallende Bal erhält,
ehe er den Boden berührt.
Der Platztritt, place-kick,
wird auf den auf den Boden lie-
genden Ball ausgeführt.
Halten, tackle, nennt man,
wenn der Träger des Balled von
. der Gegenpartei feitgehalten wird.
B Ein Gedränge, scrummage,
A kann nur im Spielfeld felbft aus-
j geführt werden. Der Ball liegt
xt dabei in der Mitte beider eng an:
:& einander gejchloffenen Parteien;
: die Spieler müfjen beide Füße am
zu Boden haben und verfuchen, fich
un gegenjeitig vom Ball abzudrängen.
ie Ein Verſuch, try, heißt das
ts Handauflegen eines Spielerd auf
den im feindlichen Malfeld liegen:
den Ball, |
„Kehrt”" „Handdrauf” oder
touch-down, iſt ein „Verſuch“ im
vi eignen Malfeld und zählt nicht.
Be Das „Vorwärtsſchlagen“,
u „Bormwerfen“, knocking-on oder
„tt throwing forward, ift das Schla-
gen de3 Balle8 mit Hand oder
Arm dem feindliden Male zu.
Das Hereinwerfen von der Mark
wird nicht als Vorwärtswerfen be:
"zeichnet.
„greifang“, fair-catch, nennt
;5 man dad Fangen des Balled nad)
x dem erjten von Gegner ausge: |
führten Wurf, Stoß oder Schlag.
E Der Fänger macht fofort an der
Nro. 726-727.
Stelle, wo er fteht, mit dem Ab—
fa eine Kterbe in den Boden und
beanjprudt damit einen „Srei-
ſtoß“.
Unter einem Antritt, Ab—
ftoß oder kick-off verfteht man
den Plattritt von der Mitte des
Spielfelde8 aus. Die Gegenpartei
muß in einer Entfernung von 9 m
von Ball zurücdbleiben und darf
nicht vorftürzen, bis der Ball ge-
treten iſt; fonft wird ein zweiter
Abftoß erlaubt. Wird der Ball
weniger als 9 m getreten oder
fällt er in der Mark auf, fo kann
die Gegenpartei einen neuen Antritt
verlangen.
Der Lagertritt, Abftoß
vom Male, drop-out, ift ein
Sprungtritt, der vom Spieler in
einer Entfernung von 23 m von
feinem Mal aus getreten mird,
alfo noch innerhald der Lagergrenze;
bis zu Ddiefer darf fih der Gegner
bei Strafe eines abermaligen Lager:
trittes nicht nahen. Alle Partner
de3 Spieler® müſſen ſich hinter
dem Ball befinden; ift dies nicht
der Fall, fo ordnet der Schieds-
richter ein Gedränge auf der Lager:
grenze an. Fällt der Ball in der
Mark auf, oder hat er nicht die
Lagergrenze erreicht, fo kann die
Gegenpartei einen neuen Lagertritt
oder ein Gedränge in der Mitte
der Lagergrenze verlangen.
727. Die Spieler. Weber die
Aufftellung der Spieler zum Beginn
des Spiele gibt der beigefügte
Plan Aufihluß. Die fünfzehn
Spieler in der Partei, bei dent
heute allgemein gebräuclichen
„Dreiviertelfpiel”, find eingeteilt
in adt Stürmer, forwards,
zweit Halbfpieler, half-backs,
vier Dreivierteljpieler,
three-quarter-backs, und einen
Schlußfpieler, full-back.
Die beginnende Partei fteht an
der Mittellinie, die feindliche muk
Niro. 727.
in einer Entfernung von 9 m von
ihr bleiben; der Ball liegt genau
im Mittelpunkt der Mittellinie und
wird von einem der beiden mitt-
98 8
Shi 8 6 6
* —
360. Aufſtellung der beiden Mannſchaften
beim Antritt. I. Schlußſpieler, 2—5. Drei⸗
viertelfpieler, 6—7. Balbfpieler, 8—15.
Stürmer.
feren Stürmer abgetreten. Die
Stürmer find immer die An-
greifer. Der Ball wird meifteng
nit beim Antritt gradeaug ge=
ftoßen, um ihn nicht gleich dem
Gegner zu überliefern, fondern er
wird ſeitwärts-vorwärts, aber nicht
wie beim Afjoziation flach, fondern
hoch getreten. Deshalb haben die
Stürmer fofort ihre Aktion zu be:
ginnen und vorwärtd zu laufen,
um den Bal in ihrem Befig zu
behalten. Im weiteren Verlauf
des Spieles muß fi die Kunft
der Stürmer im „Gedränge”,
wie in Bafjen, Dribbeln,
Falfen und Halten des Geg—
ners beweijen.
Für das „Gedränge”, scrum-
mage, gilt als SHauptregel, daß
der Ball nicht mit den Händen
berührt werden darf, folange er
noch im „Gedränge“ liegt; ferner
darf man fih nit auf den Ball
werfen, noch in dag Gedränge, das
Gefiht dem eignen Mal zugemen:
G. Gräfin Baubdiffin.
det, treten. Gewöhnlich ftellt fi
jede Partei in drei Gliedern hinter:
einander auf, fo daß die entjtehen-
den Lücken wieder von den Hintern
Spielern gededt werden. Ein
Haupttrid beim Gedränge iſt
dad „Schrauben“ oder „Drehen“,
screwing oder wheeling. Der Ball
wird dur Filhen mit den Füßen
in die zweite Reihe gebracht, wäh-
rend die vorderfte fih auf den
ſchwächſten feindlichen Flügel kon⸗
zentriert, um den Halbſpielern in-
zwifchen Gelegenheit zu geben, den
Ball aufzunehmen. Man ſtellt
darum die jtärfiten Spieler ins
erste Glied und die fchnelliten
Läufer ing dritte. Sit der Bau
glücklich aus dem Gedränge heraus,
jo muß fi dieſes auf ein Signal
bin fo ſchnell wie möglich Löfen,
um den Kampf um den Ball wieder
aufzunehmen.
Das Paſſen, das Weitergeben
des Balles mit der Hand, gefchieht
bauptfächlich bei gutem, trodenen:
Wetter und Boden, hat aber jett
da8 Ballen mit den Füßen, Das
bei nafjem, fchlüpfrigem Boden
zwedmäßiger ift, ſtark verdrängt.
Richtiges Paſſen verlangt große
Kunftfertigfeit und Gewandtheit;
deshalb joll der den Ball haltende
Spieler nie allein laufen, fondern
feine Partner müſſen fi ihm dicht
anfchließen, um im Moment Der
Gefahr gleich den Ball in Empfang
zu nehmen. |
Wird der Bal in den Händen
des Gegners fo feit umklammert,
daß diejer ihn nicht mehr „paſſen“
fann, jo muß der Ball fofort auf
den Boden gelegt werden. Bei -
diefem Faſſen, Halten oder
tackling dränge man ven Gegner
jtet3 der Mitte des Geldes, nie Der
Marklinie, zu, um der eignen
Partei Gelegenheit zur Hilfe zu
geben.
Hat der Ball die Marklinie über-
— — | == -
.
nn TB m N OTTO — — — —
ſchritten, ſo wird er vom Gegner
genau an derſelben Stelle wieder
ins Spiel gebracht; dann iſt es
Sache der Stürmer, dieſer Stelle
gegenüber jchnell eine Art Gaſſe
zu formen, um den Ball gleich
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X1. 8. Fußball.
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Niro. 727.
gibt das Zeichen zum Auflöjfen des
Gedränges und verjucht den Ball
aufzunehmen, d. h. erjt, wenn diefer
die neutrale Linie, die man ſich
beim Gedränge durch die Mitte des
Balles parallel zu den Mallinien
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3561. Ein normales Gedränge.
wieder aufzufangen. Auch der
Gegner wird dies verjuhen —
der Schnellite ijt hierbei der Erfolg-
reichite!
Die Halbfipieler bilden wie
die Markmänner des Affoziationg-
jpiel8 die Verbindung zwiſchen
Etürmern und Dreivierteljpielern
und haben beide zu unterftüßen.
Shre Hauptaufgabe liegt darin, den
Ball gut zu pafjen; da in dieſer
Kunft das heutige Rugby gipfelt,
jo fann man behaupten, daß die
Halbſpieler für Sieg oder Nieder:
lage ihrer Bartei ausfchlaggebend
find.
ne etwas abſeits, um zu
beobachten, wohin der Ball fommt
Beim Gedränge ſteht ein
gedacht denft und an der fich die
Stürmer beider Barteien aufgejtellt
haben, verlafjen hat. Iſt es dem
eriten Halbipieler geglückt, fich des
Balles zu bemächtigen, jo muß ſich
der zweite jo aufgejtellt haben, daß
er ihn vom erjten in Empfang
nehmen fann. Er verjudt nun
jelbft, fich dem feindlichen Tor mit
dem Ball zu nahen, oder er wirft
ihn einem Dreivierteljpieler zur.
Darauf ſchützen die Halbjpieler den
Ballträger, indem fie die feind=
lihen Dreivierteljpieler abmwehren
und fich einander den Ball zupafien,
Da das Bafjen nad) vorwärts vers
boten ift, muß jeder Spieler, wenn
er den Ball nad) rückwärts gepaßt
nd in weſſen Gewalt er ijt; er hat, jih dem Ballträger wieder =
e ‚rraftfe
er⸗ =7IWMer
Niro. 727.
auffchließen. Hat ein feindlicher
Halbipieler den Ball erobert, als
diefer das Gedränge verließ, fo
muß fich der Halbipieler gleich an
ihn heranmachen, um ihn zu halten
und am Paſſen zu hindern. Beim
Abſtoßen (Antritt) von der Mitte,
wie beim Lagertritt, ftellen fich die
Halbfpieler dicht an der Marflinie,
nahe bei den “Dreiviertelfpielern
auf, um, wenn es irgend möglich
ift, einen „Freifang” zu maden.
Shr Amt ift ed ferner, den vom
Gegner in die Mark geworfenen
Ball wieder an die vom Xinien-
richter bezeichnete Stelle zurückzu⸗
bringen und den Ball nun ent:
weder fiher einem Partner zuzu=
werfen, oder ihn ind Spielfeld
fallen zu laſſen, ihn wieder aufzu=
fangen, mit ihm weiterzulaufen
oder ihn einem Partner zurückzu—
pafjen. Der Halbfpieler muß fo
Ichnell fein, daß der Gegner nicht
erft dazu fommt, eine Gafje zu
formen und jo gefchidt, daß er die
Art feines Weiterjpieleng nicht er-
raten läßt.
Die Dreiviertelfjpieler,
three-quarter-backs, dienen ſowohl
zur Verteidigung wie zum Angriff.
Shnen wird von den Halbipielern
der aus dem Gedränge gewonnene
Ball zugepaßt und gemeinfam mit
ihnen dringen fie zum feindlichen
Goal vor, durch ſchnelles Pafjen
des Balled den feindliden Drei-
vierteljpielern entgehend. In man:
hen Klubs Englands, bejonderg in
Wales, werden die Dreiviertel:-
jpieler auf das Borlaufen parallel
der Marklinien bejchräntt; auf alle
Fälle ſollen fie nie ihr Spielfeld
ohne Verteidigung zurüdlaffen.
Der großartige „Welsh style“,
der faft unübertroffen in feinem
Bufammenjpiel ift, gründet fich auf
jtrengite Durchführung diefer Regel.
— Außer auf das Fangen müffen
die Dreiviertelfpieler fi auf hohe
€. Gräfin Baudiffin.
und weite Sprung: und Falltritte
verjtehen. Schon deshalb verteilt
man fie am beiten fejt auf den
rechten und linfen Flügel Des
Spielfeldes, da einer beſſer mit
dem rechten, der andere ficherer
mit dem linfen Fuß ftoßen wird.
Die Stöße follen den Ball in der
Mark landen; ift dies nicht gelun-
gen, fo muß der Spieler vorlaufen
(to follow up), um fi) des Balles
wieder zu bemädtigen; erit dann .
find feine Partner wieder pielbe-
rechtigt. Kann er den Ball jedoch
nicht mehr vorm Gegner erreichen,
jo foll er fchleunigft auf feinen
Poſten zurüdfehren, um den vom
Gegner eventuell über feinen Kopf
fortgeworfenen Ball wieder aufzu=
fangen.
Der Schlußfpieler (full-
back). Die Tätigleit des Schluß:
ſpielers ift feit der Feitfegung der
Nugbyregeln dur die Union nie-
mals verändert worden; nach wie
vor liegt ed ihm ob, nicht allein
das Mal, jondern die ganze Mal:
linie zu verteidigen. Natürlich be-
darf er dazu der Hilfe feiner Part⸗
ner. Seine Stellung muß fo dicht
neben dem Mal fein, daß er jeden
auf die Mallinie zugeftoßenen Bau
auffangen Tann; ferner muß er
ihn mit beiden Füßen glei gut
wieder abftoßen können, um ihn
fofort wieder ing Spiel zu bringen.
Gefchieht dies durch einen Plagtritt,
jo fol der Ball hoch und weit ge—
treten werden, damit er in der
Mark landet. Rolt der Ball je:
doh über die Mallinie, fo muß
der Schlußfpieler ſchnell touch
down maden, damit der Gegner
zu feinem Verſuch gelangt. Eine
weitere Kunſt des Schlußipielers
und zwar feine höchſte, befteht im
guten Anhalten und Fallen des
Gegnerd. Er läuft ihm mit weit
ausgebreiteten Armen, ihn nicht
einen Moment aus den Augen
L 2
XI. 3. Fußball.
laffend, entgegen, faßt ihn um die
Hüfte oder überd Knie und wird
fih meiftend? mit ihm zu Boden
werfen, um zu verhindern, daß der
Bal weitergegeben wird. Muß
der Schlußfipieler das Mal ver:
laſſen, 3. B. um feine Partei wieder
jpielberedtigt zu machen, fo bat
einer der Dreivierteljpieler jo lange
feinen Boften zu übernehmen.
728. Einige befondere Regeln.
Bon befonderer Wichtigkeit ift die
Abſeitsregel. Jeder Spieler
wird ſofort „abſeits“, offside, der
von der Seite des Gegners in ein
Gedränge geht und der ſich vor
dem grade Spielenden ſeiner Partei,
in der Richtung auf das feindliche
Mat zu, befindet. Im eignen Im—
Mal (Malfeld) Tann ein Spieler
nicht abſeits werden, nur im feind-
lihen; jedoch müſſen fich bei einem
Sreitritt im Malfeld alle Partner
hinter dem Spielenden befinden.
Sit ein Spieler abjeitd, fo darf er
niht den Ball berühren, nod
laufen, einen Gegner feithalten,
fih ihm in den Weg ftellen oder
fih ihm auf mehr ald 9 m nähern.
Bricht der Spieler dieſe Regel, fo
fteht der Gegenpartei die Wahl
zwifchen einem Sreitritt oder einem
Gedränge zu. Spielberedtigt
wird ein Spieler wieder, nachdem
der Gegner mit dem Ball 5 m
gelaufen ift, oder wenn der Ball
durch einen Gegner geftoßen wurde,
einen Gegner oder defjen Kleidung
berührte, ein Spieler der eignen
Partei mit dem Bal in den Hänz= |
den oder der Spieler, der den Ball |
binter ihm geftoßen bat, vor ihn
gelaufen ilt.
Ein Freitritt wird als Be-
lohnung für einen „Sreifang“ ge:
währt; kann aber auch der Gegen-
partei zugeſprochen werden, falls
ein Spieler in einem Gebränge
abfichtlich Hinfält, den Ball, ven
er trägt, nicht jofort niederlegt,
Nro. 728.
wenn er feltgehalten wird, oder
wenn er einen Fehler gegen die
Abfeitsregel begeht uw. Der
Freitritt wird dann alfo zur Strafe
für die Mannfdhaft, deren Spieler
gegen die Spielregeln verftoßen
hat. In diefem Fall kann er von
jedem Spieler der Gegenpartei
ausgeführt werden, während als
Belohnung für den Freifang der
Fänger jelbft ihn übernehmen muß,
oder, falls es fih um einen Plat-
ftoß handelt, er den Ball wenig—
ſtens aufzufegen hat. Die Stelle,
an der ein Zreifang oder ein Fehler
ftattfand, wird durch eine Kerbe
bezeichnet, dur die man fich pa—
rallel zu den Mallinien eine Linie
gezogen denkt; von einem beliebi-
gen Punkt diejer Linie, die von
feiner Partei überjchritten werden
darf, wird der Freitritt ausge:
führt.
Der Berfuh aufs Mal wird
einer Partei bewilligt, die einen
„Berfuh” gewonnen bat. Der
Ballträger jegt dazu den Ball auf
einer Stelle im Spielfeld auf, die
der Tretende bezeichnet; ſeine
Partner Stehen hinter ihm, die
Gegenpartei auf der Mallinie.
Sobald der Ball beim Auffegen
den Boden berührt, darf die Gegen
partei vorlaufen. Der „Verſuch
auf? Mal” ift ein Platztritt, durd)
den verfudt wird, den Ball über
die Querſtange des feindlichen
Tored zu ftoßen. Gelingt dies
nit — prallt er an der Stange
ab oder geht er nur über einen
Torpfoften hinüber — fo wird er
als Berfuh gerechnet. Da ein
gelungener „Verſuch auf? Mal”
mit fünf Punkten berechnet wird,
fo werden für diefen Tritt bei jeder
Partei einige Spieler befonders
ausgebildet, die den Stoß bei
Wettfämpfen auszuführen haben.
Da der Gegner, wie gejagt wurde,
fofort vorlaufen darf, legt ſich der
Niro. 729.
Spieler meiltend, um über den
Moment des Auffegens zu täufchen,
flah auf den Boden, hält feine
Heinen Finger ſchützend zwiſchen
Ball und Erde und zieht fie erjt
beim Stoß des Partners fort. Soll
allerdings der „Verſuch aufs Mal”
Geltung behalten, fo darf er den
Ball im Augenblid des Tretens
nicht mehr berühren.
729. Die Spielregeln. Die
folgenden Regeln für dies überaus
jhwierige Sportipiel, das ohne
einen Berufsjpieler niemald von
einem Klub gelernt werden jollte,
wurden im Auftrag des 5. deut:
fchen Rugbytages im Jahre 1906
von Prof. Edw. Ullrich aus dem
Engliſchen überſetzt. Die aner:
fannten Auslegungen der Rugby-
Union find in fleinerem Drud ein
gefaltet Wir führen nur die—
jenigen Regeln an, die nicht ſchon
im vorjtehenden Artikel erwähnt
worden find. Menderungen und
Zufäte feit 1906 find mit * be-
zeichnet.
„Bei allen Wettjpielen müfjen
zwei Seitenrichter und ein von bei-
den Parteien vereinbarter Schieds⸗
richter aufgeftellt werden.
Der Schiedsrichter muß eine
Pfeife haben, deren Pfiff das Spiel
unterbricht, und bei folgenden An=
läſſen pfeifen:
a) Wenn ein Spieler einen rei-
fang gewinnt und beanfprudt.
b) Wenn er rohes oder unehr-
liches Spiel oder ungebührliches
Benehmen bemerkt. Er fann dabei
beim erjtenmal den Spieler ent-
weder warnen oder ihn vom Spiels
felde wegweiſen; im Wiederholungs-
falle muß er ihn wegweiſen.
zer Schiedsrichter foll hier mit Strenge
vorgehen.
Hat der Schiedsrichter einen Epieler vom
Feld weggewieſen, fo darf er ihn unter
feinen Umständen wieder mitfpielen laffen.
c) Wenn er die Fortfegung des
Spieles für gefährlich anfteht.
E. Gräfin Baudiffin.
Sit ein Spieler verlegt, jo fol der Schieds⸗
richter nicht eher pfeifen, big der Ball tot,
d. 5. aus dem Spiele ift, wenn nicht burdy
die Fortfegung des Spieled dem verlegten
Spieler weitere Gefahr droht. Eine foldye
Unterbredung de3 Spieled fol nit mehr
als 3 Minuten dauern.
*) Fiir unerhebliche Verlegungen fol das
Spiel nicht unterbroden werben.
Wenn fih ein verlegter Spieler vom
Spielfeld zurüdzieht, fo kann er jederzeit
wieder am Spiel teilnehmen.
d) Wenn er aus irgend einem
Grunde das Spiel unterbreden will.
Beiſpielsweiſe un: die Enticheidung eines
Seitenrichters aufrecdtzuerhalten, welcher
fortfährt, ſeine Flagge zu erheben, nachdem
der Ball ins Spiel gebracht iſt, weil dieſer
entweder an unrichtiger Stelle oder durch
die falſche Partei hereingebracht wurde,
oder wenn er den Ball als in ver Mark bes
findlih erklären will, trogbem der Seiten:
richter feine Flagge nicht erhebt.
Auch wenn der Schiedsrichter unabficht-
lic pfeift, wird das Spiel unterbroden.
e) Wenn der Bau oder ein
Spieler, der mit dem Balle läuft,
ihn berührt; in dieſem Falle ift
ein Gedränge an der betreffenden
Stelle zu bilden.
f) Bei Halbzeit und Schluß.
Dabei ift der Schiedsrichter der
einzige Zeitnehmer; er allein bat
das Recht, die durch Störungen
verlorene Zeit auszugleichen. Er
darf aber das Spiel nur ſchließen,
wenn der Ball feſtgehalten wurde
oder aus dem Spiel iſt.
Seine Entſcheidung über die Zeit hat auch
dann Geltung, wenn fie unrichtig ift.
eg) Wenn er einen GSpielfehler
bemerkt, wodurch die fich verfehlende
Bartei einen Vorteil erhält.
*) Diefe wichtige Regel jollte von den
Schiedsrichtern viel mehr beadtet werben
ald bisher. Leider find die Schiedsrichter
geneigt, fofort zu pfeifen, wenn eine Spiel-
regel übertreten wurde, ftatt abzuwarten
und nachzuſehen, welde Partei aus bem
Fehler Vorteil 308. En .
h) Wenn er bei einem Antritt
oder Lagertritt bemerkt, daß ein
Spieler der Partei de Tretenden
nicht hinter dem Ball ift.
i) Wenn er eine Strafe ver-
hängen will.
*) k) Wenn ein Treffer getreten
| wurde.
\
XI. 3.
*) ]) Wenn der Bal in Mal:
Markt fommt.
Fußball. Nro. 729.
Die Kapitäne der beiden Parteien
jollen Iofen; der Gemwinner hat ent-
Berührt ber Ball, während er getragen | weder die Auswahl des Malfeldes
wird, oder deſſen Träger den Schiedsrichter
im Malfeld der Gegner, jo wird ein Verſuch
zugeiprocen ; geſchieht Died beim Heraus:
laufen aus dem eigenen Malfeld, fo wird | jedem Malfelde aus fpielen.
ein Handauf zugeſprochen.
Berührt der Ball, wenn er nicht von
einem Spieler getragen wird, im Malfeld
den Schiedsrichter oder einen Seitenrichter, gleicher Zahl
der im Malfeld ſteht, um den Schiedsrichter
bei einem Tritt aufs Mal zu unterſtützen, ſo
ſoll den Angreifern ein Verſuch zugeſprochen
oder den Antritt zu beanſpruchen.
Jede Partei muß gleiche Zeit von
Ein
Wettſpiel wird durch eine Mehr—
heit von Punkten entſchieden, bei
bleibt es unent—
ſchieden.
*) Bei der Berechnung des
werden, wenn der Schiedsrichter überzeugt Spieles zählt:
tft, daß ein ſolcher nur durch jene Berührung
verhindert wurde; andernfalls ift ein Lager:
tritt zuzuſprechen.
Ein Berfuh . . 3 Bunte.
Berübrt der Ball im Malfeldb einen Zus
ſchauer, fo fol dies unberüdfichtigt bleiben,
wenn die Kapitäne barüber feine be
Vereinbarung getroffen haben.
Der Schiedsrichter entfcheidet
endgültig über alle Tatbeftände.
Glaubt aber eine Partei, daß feine
Entjcheidung gegen die Spielregeln
verstößt, jo fann fie an das vom
Deutihen ARugbyverbande aufge=
ftellte Schiedsgericht Berufung ein-
legen.
Der Schiedsrichter kann eine gegebene
Entſcheidung nicht mehr umftoßen.
Der Schiedsrichter barf in bezug auf
Mark und GSpielgrenze bie Seitenrichter
fragen. Einen Nichtſpieler darf er nur zu
Rate ziehen, wenn feine Uhr ftehen bleibt,
und dann muß er in erfter Linie die Seiten-
richter fragen.
*) Die Seitenrichter follen Flag:
gen haben, und jeder joll eine Mark
außerhalb des Spielfeldes über:
nehmen. Sie haben ihre Flagge
jofort an derjenigen Stelle, an
welder der Ball über die Marf:
linie ging, fowie aud, wenn der
Ball in die Malmark ging, zu er:
heben. Sie follen aud) den Schieds—
richter bei Tritten nad) dem Mal,
bei einem Verſuch, Freifang oder
greitritt unterftügen; dabei fteht
jever an einer Malftange.
Der Schiedsrichter fann die Entſcheidung
eines Seitenrichters umftoßen.
Wenn der Ball in die Marf ging und
richtig bereingemorfen wird, obmohl der
Seitenrichter die Flagge nicht erhob, fo foll
pr Schiedsrichter das Spiel weiter gehen
laſſen.
ſondere Ei
Ein Treffer von einem
Verſuch (dabei zählt
der Verſuch nidt) . 5
n Sprungtreffer (außer
von einem Freifang
oder Straftritt) .. 4
in Treffer von einem
Freifang od. Straftritt 3 „
eim Antritt müfjen alle
Spieler der Partei des Tretenden
hinter dem Ball fein, ſonſt muß
der Schiedsrichter pfeifen und ein
Gedränge an der Stelle des Ans
tritts bilden lafjen.
Das Spiel wird mittels eines
Antritt3 meiter geführt:
a) Nach einem Treffer durch die
Partei, die denjelben verlor.
b) Nach Halbzeit durch die Partei,
die den Antritt am Spielanfange
nicht hatte.
Spielmeije.
Hat das Spiel begonnen, fo darf
jeder [pielberedhtigte(onside)
Spieler den Ball jederzeit treten
oder ihn aufnehmen und damit
laufen. Der Ball darf jedoch nicht
aufgenommen werden:
a) In einem Gedränge.
b) Wenn er niedergelegt wurde,
nachdem er feitgehalten war.
c) Wenn er auf dem Boden it,
nachdem ein Spieler gefaßt wurde.
Der Ball darf von einem Spieler
einem andern zugejpielt oder zu—
geſchlagen werden, wenn er dabet
”
”
ro. 729. E. Gräfin
nicht vorgegeben, vorgefchlagen oder
vorgeworfen wird.
*) Ein Spieler, welder zu Boden ge⸗
worfen mwurbe, darf den Ball weitergeben,
wenn diefer nit auf dem Boden iſt. Da⸗
gegen gilt ein Spieler als gefaßt, wenn er
von einem Gegner gepadt wird, babei fällt,
und der Ball, ben er trägt, ben Boden
berührt.
Ein fpielberehtigter Spieler darf in jeder
Lage jpielen, wenn er feinen Gegnern nicht
im Wege fteht; er darf an ein Gebränge
heranfonımen und verſuchen, den Ball mit
einem Fuße herauszuhakeln, wenn fein
anderer Fuß binter dem Ball ift.
Wird der Ball zurüdgemorfen und nad
dem Auffallen vom Winde vorgeblafen, jo
nilt dies nicht al8 vorgeworfen, wenn der
Bau nit vor dem Zufpieler auffiel. Ale
Epieler bleiben jpielberechtigt, die e3 beim
Auffallen des Balled waren.
*) Wenn ein Spieler, der den
Ball hält oder damit läuft, ge-
halten wird, jo muß er ihn fofort
zwijchen fich und der Mallinie der
Gegner richtig niederlegen.
Ein Spieler kann nicht beanſpruchen, daß
der Ball gehalten war, wenn er feinen Griff
entrifjfen wurde.
Der Schiedsrichter darf unbedingt nicht
pfeifen, um anzuzeigen, daß ber Träger bes
Balles gehalten ift. ‚Dies ift befonders zu
betonen, weil die Gewohnheit zu pfeifen,
fobald ein Spieler gehalten wird, dad Spiel
geradezu verdirbt, indem e3 langfamer wird
und bie flinter jpielende Partei um den ver-
dienten Borteil gebracht wird. Wird ber
Träger des Balles gehalten, fo darf der
en nur aus folgenden Gründen
pfeifen:
1. Wenn genannter Spieler den Ball nicht
fo fort nieberlegt.
. 2. Wenn genannter Spieler auf dem Boden
liegt und fi nit fofort richtig vom Ball
trennt und entweder auffteht oder vom Ball
wegrolt.
3. Wenn genannter Spieler von einem
Gegner entweder am Aufftehen oder am
Niederlegen ded Bald verhindert wird.
4. Wenn der Schtedärichter die Forts
fegung des Spieles für gefährlich anfieht.
Darüber zu enticheiden, ift ziwar allein Sache
des Schiedärichters, doch fol darauf Hinge:
wiejen werden, daß nur wenige gefährliche
Fälle eintreten fönnen, wenn der gehaltene
Cpieler im Geifte der Spielregeln fpielt und
fih fofort vom Ball trennt. Durd ein,
wenn auch noch fo furzes Fefthalten des
Baus kann Gefahr entjtehen, und dann
follte der Schiedsrichter pfeifen und einen
Straftritt verhängen, ftatt wegen der Ge-
fährlichteit ein Gedränge anzuorpnen. Denn
dadurch bringt er eine Partei um einen vers
Baudilfin.
dienten Borteil und erläßt der andern eine
wohlverdiente Strafe. ,
abjeit3
Ein Spieler mird
(fpielfremd), wenn er von der Seite
feiner Gegner an ein Gedränge
herantritt, oder wenn ein Spieler
feiner eigenen Partei hinter ihm
den Ball getreten oder berührt hat
oder mit demjelben läuft.
Ein Spieler Tann im Malfeld
der Gegner abjeits fein, aber nicht
in feinem eigenen, außer wenn ein
Spieler feiner eigenen Bartei hinter
feiner Mallinie einen Freitritt aus—
führt, denn in diefem Falle müfjen
alle Spieler feiner Partei hinter
dem Ball fein.
Ein Abjeit3- (fpielfremder) Spie—
ler wird wieder fpielberechtigt::
a) Wenn ein Gegner mit dem.
Ball 5 Schritt gelaufen ift.
b) Wenn der Ball einen Gegner
berührt oder von einem ſolchen ge=
treten wurde.
c) Wenn ein Spieler feiner Bartei
mit dem Ball vor ihn gelaufen ift.
d) Wennein Spieler feiner Bartei,
naddem er den Ball Hinter ihm
getreten hatte, vor ihn gelaufen iſt.
Der Spieler wird aber nicht fpielberedh:
tigt, wenn er hinter den andern zurüdgebt.
Ein Spieler, welder den Ball getreten
bat, muß im Spielfeld oder im Malfeld der
Gegner fein, wenn er bie Spieler, die vor
ihm waren, fpielberedtigt madt. Er darf
zwar in ber Mark anfangen zu laufen, muß
aber baldmöglichſt in das Spielfeld zu kom⸗
men ſuchen.
*) Nur der Tretende Tann fpielfremde
Spieler ſpielberechtigt machen.
Ein fpielfremder Spieler (welcher
abſeits ift) darf den Bal nicht
fpielen, er darf, wenn ein Gegner
den Ball bat, weder laufen noch
fallen, noch ftören, nod im Wege
ftehen, endlih darf er an feinen
Spieler, der auf den Ball wartet,
auf 10 Schritt heranfommen, noch
abfichtlih innerhalb dieſer Ent:
fernung bleiben. Wird gegen dieſe
Regel verjtoßen, jo wird der Gegen—
ee zur Auswahl zugefproden:
e) Ein Freitritt, wobei die Stelle,
iv
XI 3. Jußball.
wo ver Berftoß ftattfand, ala Kerbe
angenommen wird.
f) Ein Gedränge an der Stelle,
*
ner!
ee EEE
23
*
die den Fehler machte.
wo der Ball vor dem Verſtoß zu:
legt von der Partei gejpielt wurde,
Geſchah aber der Berftoß unab-
fichtlih, To fol ein Gedränge an
der Stelle des Verſtoßes gebildet
werden.
Die Strafen für Abfeitsfpiel follten viel
ftrenger al3 bisher verhängt werden. Auch
folte ein Fehltritt zugejproden werden,
wenn der Schiedsrichter glaubt, daß ein
Freifang gemadt worden wäre, wenn ihn
nicht die Nähe eines jpielfreimden Spielers,
der nicht auf 10 Schritt zurüdging, erfchwert
bätte. Auch fcheint es, als ob die Schieds—
richter zu oft unabſichtliches Abſeits an-
nehmen, ftatt einen Straftritt zu verhängen.
*) Wenn ein Spieler, welder auf den
Ball wartet, ihn nicht richtig auffängt, fon«
dern aud den Händen auf den Boden fallen
läßt, und ein fpielfremder Gegner, der in
feiner Nähe fteht oder fi ihm auf weniger
als 10 Schritt genähert Hat, fih auf ihn
ftürzt und am Weiterfpielen des Balls ver:
hindert, fo fol ein Freitritt zugeſprochen
werden, weil der jpielfremde Spieler fich
nit hinter die 10⸗Schrittgrenze zurückzog.
*, Ein fpielfremder Epieler darf einen
Zumwurf der Gegner abfangen; einen rei»
fang darf er nur dann beanfpruden, wenn
der Zuwurf nad) vorn geſchah.
*) Macht ein Spieler einen Frei:
fang, fo wird ein Freitritt zuge⸗
ſprochen (au dann, wenn Der
Schiedsrichter wegen Vorwerfens
oder Vorſchlagens gepfiffen bat);
dabei darf jeder Spieler jeiner
Bartei den Ball treten, oder zum
Treten aufjegen.
Ein erlaubter Freifang muß ausgeführt
werben.
*) Jeder Freitritt darf ein
Platztritt oder Sprungtritt oder ein
Falltritt ſein: er muß aber nad
dem Malfeld der Gegner gerichtet
ſein und muß die eigene Mallinie
kreuzen, wenn er hinter ihr ge—
treten wurde. Er darf hinter der
Kerbe an jeder Stelle einer Paral-
lelen zur Marklinie getreten werden.
Die Bartei des Tretenden muß
dinter dem Ball fein, wenn er ge:
treten wird, mit Ausnahme des
Niro. 729.
Aufſetzers bei einem Platztritt, und
der Schiedsrichter bat darauf zu
achten, daß der Ball auf der Paral:
lelen getreten wird. Wird gegen
dieje Regel verjtoßen, fo muß der
Schiedsrichter ein Gedränge an der
Kerbe anordnen. Die Gegenpartei
darf big an eine durch die Kerbe
zur Mallinie gezogene Parallele
herankommen und von diejer Linie
aus oder von weiter hinten vor-
laufen, fobald der Tretende zu
laufen beginnt oder ſich anfchidt
zu treten oder der Ball für einen
lagtritt auf den Boden aufgejest
it. Bei einem Sprungtritt oder
einem Falltritt darf der Tretende
immer wieder zurüdgehen und die
Gegenpartei muß, wenn er den
Ball noch nicht fallen ließ, an die
Kerbenparallele zurüdgehen. Läuft
aber ein Spieler der Gegenpartei
vor, ehe der Spieler, der den Ball
hat, zu laufen anfängt oder ſich
anſchickt zu treten, oder ehe der
Bal beim Legen für einen Plab-
tritt (auh für einen folchen bei
einem Berjuch) den Boden berührt,
jo darf das Borlaufen verboten
werden, wenn der Tretende noch
Richt getreten hat.
Kreuzt bei einem Yreitritt der Ball bie
eigene Mallinie nicht, fo können die Gegner
doch feinen Verſuch gewinnen, fondern der
Tritt muß wiederholt werben.
Der Tretende und der Auffeger müſſen
getrennte Perſonen fein; Dagegen darf jeder
beliebige Spieler vor dem Aufjegen des Balls
dieſen berühren oder ihn einrichten. Der
Auffeger darf den Ball vor dem Tritt aud)
dann noch nad) Belieben einrichten, wenn
er auf den Boden aufgefegt ift. Dagegen
darf er bei dem Tritt jeine Hand nicht am
Ball haben; der etwaige Treffer wäre ſonſt
ungültig. Laßt er den Ball auf den Boden
fallen, bevor er zum Aufſetzen bereit war, ſo
darf er ihn nochmals aufſetzen.
Wenn der Ball auf dem Boden liegt,
darf der Tretende ihn unter keinen Um—
ſtänden berühren, auch wenn das Vorlaufen
verboten iſt. Tut er dies, ſo muß der
Schiedsrichter bei einem Freitritt ein Ge—
dränge an ber Stelle bilden laſſen, wo der
Verſtoß vorkam, bei einem Verſuch der
Gegenpartei einen Lagertritt zuſprechen;
dieſes fehlerhafte Berühren des Balls ſeitens
Niro. 729.
des Tretenden macht ben Berfuch zu Linem.
erfolglofen. Wenn das Vorlaufen verboten
ift, darf jeder Spieler außer dem Tretenden
den Ball wieder aufjegen. Auch darf bie
Etelle für den Plagtritt geändert werben.
Wenn ein Spieler den Ball auffest, fo
fol er dabei nicht abſichtlich fo bantieren,
daß er bei feinen Gegnern den Glauben er-
wedt, er habe ven Ball niedergelegt, obgleich
er dies nicht tat; in dieſem Falle fol das
Borlaufen nicht verboten werden.
Spieler, welche bei einem Verſuch, Frei⸗
fang oder Straftritt fih anſchicken vorzu⸗
laufen, müſſen mit beiden Fitßen hinter der
Mallinie oder der Kerbe bleiben. Wenn nur
ein Spieler mit einem Fuß vor der Mallinie
oder der Kerbe jteht, jo fol ber Schieds⸗
rihter annehmen, er jei vorgelaufen, daher
pfeifen und das PBorlaufen verbieten.
Dies fol er au) tun, wenn die Partei all-
mäbhlich über die Kerbe vorſchleicht.
Spieler, denen dad Borlaufen verboten
ift, bürfen trogbem hinter ber Kerbe in die
Höhe Springen und verfuchen, den Ball anzu»
halten oder zu berühren. Gelingt ihnen
dies, fo fann fein Treffer gewonnen werden.
Pfeift der Schiedsrichter, um das Vor:
laufen zu verbieten, gerade in dem Augens
blicke, wo ber Tretende feinen Tritt audge-
führt bat, fo fann der Tretende, wenn er
einen Treffer machte, ihn gelten laſſen, wenn
nit, fo darf er oder ein anderer feiner
Bartei nochmals treten.
Der Gegenpartei muß genügend Zeit ge⸗
lafjen werden, um in Stellung zu fommen.
Straftritte.
Als Strafe fol der Gegenpartei
ein Freitritt zugeſprochen werden,
wenn ein Spieler
a) abjichtli in einem Gedränge.
den Bal mit der Hand berührt,
hinfällt oder den Ball heraus:
nimmt.
Das Aufnehmen bed Baus mit ben Füßen
ift im Gedränge erlaubt.
Wenn die Ungreifer den Ball im Ges
dränge Hinter der erften ober zweiten
Ctürmerreihe mitnehmen unb ihre Gegner
über die Mallinie zurüddrängen, jo fann
jeder Epieler durd ein Handauf einen Ver-
fud, jeder Verteidiger einen LZagertritt ge-
winnen.
b) den Ball, den er trägt, nicht
jofort vor fich niederlegt, wenn er
gehalten wird, |
c) nicht jofort auffteht, wenn er
bingefallen ift,
*) Diefe Etrafe muß verhängt werben,
wenn ein Spieler fih irgendwie mit dem
Ball zu ſchaffen macht, während er jelbft auf
dem Boden liegt.
E. Gräfin Baudilfin.
d) einen Gegner am Aufftehen
oder Niederlegen des Balls ver-
hindert, |
e) hält, anrennt oder ftört, mwäh-
rend er abjeits ift,
f) abfihtlih einen Gegner hält,
der den Ball nicht hat,
Ein Spieler darf einen Gegner, der mit
ihm auf den Ball zuläuft, anrennen, doc
darf dies nur Schulter gegen Schulter ge=
ſchehen.
g) abſichtlich nach dem Körper
eines Gegners tritt, ihn umtritt
oder ihm Bein ſtellt.
Wenn der Schiedsrichter dieſes Spielen
für roh hält, fo kann er außerdem den
Spieler verwarnen oder vom Spielfelde
wegweiſen.
*) h) abſichtlich den Ball un⸗
richtig in ein Gedränge legt oder,
wenn der Ball herauskommt, ihn
abſichtlich mit den Händen oder
Füßen wieder ins Gedränge ſchafft,
i) während er ſelbſt nicht nach
dem Ball zuläuft, einen Gegner,
der den Ball nicht trägt, anrennt
oder ihm im Wege ſteht,
Dasſelbe gilt, wenn der Spieler einen
Gegner, der mit ihm nach dem Ball läuft,
unrichtig anrennt.
*) k) „Niemand abſeits“ oder
gleichbedeutende Worte ruft, wäh-
rend die Spieler feiner Partei nicht
alle fpielberechtigt find,
*) h während der Ball im Ge-
dränge ift, außerhalb des Gedränges
abſichtlhich die Hinterleute der
Gegner dadurch ftört, daß er auf
der gegneriihen Seite des Balls
bleibt,
Diefer Freitritt fol ftrengftens verhängt
werden, bamit die Halb- und Dreiviertel:
fpieler verhindert werben, vor dem Bau zu
ftehen, um die Hinterleute der Gegner zu be⸗
wachen. Dabei ift aber nicht beabfichtigt,
einen Halbipieler zu ftrafen, ‚welcher !bei
einem Gebränge den Ball unabſichtlich
überläuft.
m) abſichtlich hindert, daß der
Ball richtig ind Gedränge gelegt
wird,
*) n) wenn ein Spieler oder
eine Mannihaft abſichtlich und
planmäßig einen Fehler gegen die
XI. 3. Zußball.
Spielregeln macht, wofür die Strafe
nur ein Gedränge ift, oder ohne
genügenden Grund Zeitverluft ver:
urſacht,
o) in einem Gedränge einen Fuß
vom Boden erhebt, ehe der Ball
ins Gedränge gelegt iſt.
Der Ball iſt ins Gedränge gelegt, ſobald
er den Boden berührt bat.
Die Stelle, an welcher der Ber-
ftoß ftattgefunden, ſoll al3 Die
Kerbe angejehen werden, und ein
beliebiger Spieler der Partei, wel:
cher der Freitritt zugefprochen wurde,
darf den Ball niederlegen oder ihn
‚treten. |
*) Bei einem Berftoß gegen k)
fol der Gegenpartei zur Auswahl
zugeſprochen werden:
1. Ein Gedränge an der Stelle,
wo der Bal zulegt gejpielt wurde.
2. Ein Freitritt an der Stelle,
wo der Verſtoß ftattfand.
Wenn ber Rufende hinter dem Tretenden
ſteht, fo ift ein Freitritt an der Stelle anzu:
ordnen, wo der Ruf andgeftoßen wurde.
Allgemeine?.
*) Der Ball iftin der Mark,
wenn er oder der Spieler, welcher
ihn trägt, die Marklinie berührt
oder kreuzt und gehört dann, außer
wenn er hineingetragen wurde, der
Gegenpartei des Spielers, welcher
ihn zulegt im Spielfeld berührte.
Ein Spieler der Partei, welcher
der Ball gehört, muß ihn dann an
der Stelle, wo er in die Marf
ging, auf eine der folgenden Weifen
wieder in dad Spiel bringen:
a) Den Ball fo hereinwerfen,
daß er rechtwinklig zur Marflinie
landet.
b) Ein Gedränge bifden laflen
an einer Stelle, die auf einer durch
den Punkt, wo der Ball in die
Mark ging, zur Mallinie gezogenen
Parallelen liegt und die 10 Schritt
von der Marklinie entfernt ift.
Pfeift der Schiedsrichter, meil
der Ball jo hereingemorfen wurde,
Niro. 729.
daß er nicht rechtwinklig zur Mark:
linie fliegt, fo hat die Gegenpartei
ihn gemäß b) ſelbſt hereinzubringen.
Wenn der Bal nit an der richtigen
Stelle hereingeworfen wird, fo foll ver
Schiedsrichter anordnen, daß diejelbe Partei
an der richtigen Stelle hereinwirft.
Ein Spieler fann in der Mark fein und
doch den Ball fpielen, wenn dieſer nicht in
ber Dart ift.
Wird ein Ball in die Mark getreten, aber
vom Winde zurüdgeblafen, fo fol er doch
al3 in der Mark befindlich angefehen werben.
Wenn eine Partei einen Ber:
ſuch gewonnen bat, jo muß der
Ball von der Stelle, wo der Ber:
fuh gewonnen wurde, auf einer
Parallelen zur Marklinie in dag
Spielfeld ſoweit getragen werden,
als e8 dem Aufjeger gefällt, und
dort fol diefer den Ball auflegen,
damit ein Spieler feiner Partei
verfucdhe, einen Treffer zu treten;
diefer Plagtritt unterfteht bezüglich
des Borlaufeng u. f. m. der Regel LO,
mwobei die Kerbe als auf der Mal:
linie befindlich angenommen wird.
Der Schiedsrichter hat dafür zu
jorgen, daß der Ball auf einer
Parallelen zur Marklinie herein:
getragen wird.
Der Schiedsrichter [ol einen Ver:
ſuch bewilligen, wenn er überzeugt
ift, daß ein folder nur durch un:
richtiges Spiel oder Störung ſeitens
der Verteidiger verhindert wurde.
Er Tann aud einen Verſuch ab:
ſprechen und ein Handauf bewilligen,
wenn er glaubt, daß der Berjud)
nur dur unrichtige® Epiel oder
Störung der Angreifer gewonnen
wurde.
Bei einem folhen Berfuche fol
der Tritt nad) dem Male irgendivo
auf einer Parallelen zu den Mart:
linien durch die Stelle, an welcher
der Ball beim Berftoß fich befand,
getreten werden.
Iſt ein Streit wegen eines Verſuchs der-
artig, daß eine Berufung an das Schieds—
gericht zuläffig ift, jo ift es zu empreblen,
daß der Schiedsrichter den Verſuch treten
läßt, Damit der etiwaige Treffer gezählt wer—
den kann, fall3 der Verſuch bewilligt wird.
Nro. 730.
Wenn der Ball im Malfelde|
in den Händen eines Spielers iſt
und, bevor er auf den Boden
niedergelegt werden Tann, von
einem Spieler der Gegenpartei fe ft:
gehalten wird, jo muß gegen:
über der Stelle, wo der Ball feft-
gehalten wurde, 5 Schritt von der
Mallinie entfernt ein Gedränge ge:
bildet werden.
Nah einem erfolglojen Verſuch
oder nad einem Handauf, oder
wenn der Ball in die Malmarf
fommt oder die Spielgrenzen be—
rührt oder Treuzt, muß der Ball
mittelft eines Lagertritteg ing
Spiel gebracht werden. Alle Spieler
der Bartei des Tretenden müfjen
beim Tritt hinter dem Ball fein,
fonft muß der Schiedsrichter ein
Gedränge in der Mitte der Lager-
grenze anordnen.
Berührt ber Ball oder ber Träger bes
Balls eine Edflagge, fo iſt der Ball tot.
Bei einem Bormwerfen oder
Borfhlagen muß der Ball an
die Stelle, mo der Verſtoß vorfiel,
zurücdgebradyt und dort ein Ge—
dränge gebildet werden, falls nicht
ein Freifang gemonnen wurde,
oder die Gegenpartei einen Bor
teil davon hatte.
Wenn ein Spieler vorfählid
den Ballinfein eigene8 Mal:
feld tritt, gibt, fchlägt oder trägt,
und der Ball hierauf tot oder ein
Handauf gemacht wird, fo darf die
Gegenpartei verlangen, daß der
Ball zurüdgebradt und ein Ge—
dränge an der Stelle gebildet
werde, von welder aus der Ball
rückwärts getreten, gegeben, ge:
Ihlagen oder getragen wurde.
Diefen Fall ausgenommen, darf
ein Spieler in feinem eigenen Mal:
felde jederzeit ein Handauf maden.
Wenn der Ball zurüdgegeben wird, aker
der Epieler, der ihn fangen will, ihn fo
mangelbajt jpielt, daß er über die eigene
Mallinie zurückgeht, fo foll der Schiedsrichter
bei feiner Entſcheidung ſich danach richten,
E. Gräfin Baudiffin.
ob diefed mangelhafte Spielen abſichtlich
oder unabfihtlich war. ö
Aud das Herauswerfen aus einem Ge:
bränge hinter die eigene Mallinie ift un:
ftattbaft.
*) Wird der Bal Über die eigene Mal:
linie zurüdgetreten oder zugefpielt, ſo fann
ein Gegner durd einen Handauf einen Berfud)
gewinnen.
Treten nad den Körper,
Umtreten und Beinftellen ift
verboten. Der Schiedsrichter ift
berechtigt, zu entjcheiden, was an
dem Anzuge eined Spieler, ein—
Ihließlih der Schuhe und deren
Vorſprünge, Schnallen, Ringe u. dal.
gefährlich iſt. Hat er entjchieden,
daß irgend etwas gefährlich ift, fo
muß er anordnen, daß der Spieler
dies entfernt und ihm nicht ge—
ftatten, weiter mitzufpielen, bis ab-
geholfen ift.
Wird im Malfelde von den
Angreifern gegen irgend eine Regel
verftoßen, jo muß ein Sandauf
zuerfannt werden. Tun dies aber
die Verteidiger, jo muß ein Ge—
dränge angeordnet werden gegen-
über der Stelle, wo der Verſtoß
vorfam, und 5 Schritt von der
Mallinie entfernt.
Wird aber gegen irgend eine
Regel verjtoßen, oder kommt
eine Unregelmäßigfeit vor, wofür
in diefen Regeln nichts vorgejehen
iſt, jo muß der Ball an die Stelle
des Verſtoßes zurüdgebradjt und“
dort ein Gedränge gebildet werden.
Amerikanifdber fufsball.
730. Einleitung. Die Ameri-
faner übernahmen das Fußballſpiel
von England und fpielten anfangs
allgemein nach Rugbyregeln. Wie
im Mutterlande erfuhr dag Spiel
aber au in Amerika viele Wand-
lungen, außerdem wurden mandje
der urfprünglichen Regeln mißver-
jtanden und heutzutage unterfcheidet
fih dag amerifanifche Spiel in faft
allen Hauptpunkten vom englifchen.
XI. 3. Fußball. Nro. 731-732.
731. Art des Spiels. Der
Spielplaß befist gewöhnlid eine
Zänge von 100 m zu 50 m Breite,
bat auf den Breitjeiten Goals und
außerdem parallel zu den Mal:
Linien von 4,5 m zu 4,5 m Linien
quer über den ganzen Plag, die
ihm ven Namen grill-iron, Brat-
roft, gegeben haben. Jede Partei
befteht aus elf Spielern: 7 for-
wards, rushers oder Stürmern,
© RE:
nn DM BEST...
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EIITEIEITIEEN
BEER 77. URRRRNEAE
TE EN EN NEE FE WR;
Gos/
362. Aufitellung zum Abjtoß beim
amerifanifchen Sußballipiel.
einen quarter-back, 2 half-backs
und einem full-back. Die Auf:
ftellung ergibt fich aus dem bei:
gefügten Plan. Der Ball ijt ei—
und, der Abſtoß muß ihn
mindeftend 10 Yards weit tragen
und darf ihn nicht in der Mark
landen laffen. Gejpielt wird der
Ball wie beim Rugby mit Händen
und Füßen, ebenjo darf der den
Ball Tragende feitgehalten werden.
Doch wird hierfür wie ald Strafe
gegen Epielvegeln ein„scrummage“
Gedränge, angeordnet; entgegen
nicht die Stürmer zum Gedränge
zujammen, jondern ein Spieler der
Partei, die den Ball zuletzt bejaß,
wirft ihn einem quarter-back zu
(snapping-back), der ihn meiter-
gibt oder jelbjt mit ihm vorläuft;
jeine vor ihm jtehenden Partner
find dann off-side und dürfen ſich
am Spiel nur mit dem Körper be-
teiligen, ohne aber Hände oder
Füße zu benügen. Der mit dem
Ball Laufende wird rings von den
off-side-Spielern gededt und ver:
jucht einen Angriff aufs Mal, die
feindliche Partei dagegen darf mit
Händen und Armen den Anjturm
abmwehren. Hauptjächliches Gewicht
wird auf den gemonnenen und
wieder verlorenen Weg gelegt, der
durch die zahlreichen Linien mar:
fiert ift; der Ball muß nach drei
downs mindejtend 5 Yards gegen
das feindliche Tor vorwärts, oder
20 Yards gegen dag eigne zurück—
gegangen jein. Sind dieje Di—
ftanzen nicht innegehalten, jo bes
fommt die Gegenpartei den Ball.
Der Freifang, Verſuch aufs Mal
und Hereinbringen des Balled von
der Mark gleichen in der Haupt
ſache dem englijchen Spiel; Fehler
und Verſtöße jedoch werden durch
„Diftanzitrafen” geahndet, d.h. die
zu ftrafende Partei muß eine be=
ftimmte Anzahl von Yards zurüd-
gehen.
Die Spielregeln werden von
einem Komitee des University
Athletic Club aufgeftellt und
revidiert; der wichtigſte Tag für
das Wettjpiel zwijchen den hervor:
ragendften teams ift der Thanks-
giving-day, der Erntedanftag.
Auftralifcber fussball.
732. Einleitung. Während fich
im Norden Auftralien das Rugby
eingebürgert hat, ift im Süden ein
dem engliihen Rugby treten aber | Spiel entjtanden, das jich noch be—
ro. 733.
deutend ftärfer al3 das amerifa-
niſche vom engliſchen Fußballipiel
unterjcheidet; denn es gejtattet
zwar das Laufen mit dem Ball,
fordert aber vom Spieler, ihn bei
jedem ftebenten Schritte auf die
Erde fallen zu lafien, ehe er weiter:
jpielen darf. Ferner müffen, mie
die Senior-Association beftimmt
bat, die Wettfämpfe von beglaubig-
ten Schiedsrichtern entjchieven wer: |
den, denen fogar ein bejtimmteg
Honorar pro Spiel entrichtet wird
und die dadurd zu Berufgipielern
rechnen. Das auftralifhe Fußball:
jpiel räumt aber dem Schiedgrichter
höchfte Machtbefugnis ein; er allein
entfcheivet, unterbricht, ftraft nnd
ift zudem augfchließlicher Leiter des
Spield. Auch die beiden, ebenfalld
beglaubigten Goalſchiedsrichter er⸗
halten ein Honorar, obgleich ihre
Aufgabe nur darin beſteht, beim
Paſſieren des Balles durch das
Tor ein Flaggenſignal zu geben.
733. Art des Spieles. Die
Spielerzahl beträgt auf jeder Seite
15 bis 20 Mann, die aber nicht,
wie ſonſt üblich, ein Parteifeld
innehaben, ſondern über den gan:
zen Platz verteilt werden, in der
Art, daß fich ſtets zwei Gegner
gegenüberjtehen (ſiehe Abb.). Mark:
linien gibt es nicht; die Torpfoften
ftehen 6,5 m auseinander und find
6 Fuß hoch, rechts und links, eben:
falls in einer Entfernung von 6,m,
befinden ſich die beiden Abſtoß- oder
„Behind“ pfoften. Die Spielzeit
€. Gräfin Baubdiffin.
in der Halbzeit. Bor jedem Mat
fteht der centre-forward der einen
Partei und der centre-back der
andern. Zum Spielanfang wirft
der Schiedsrichter den Ball ſenk⸗
recht in die Luft,
followers wie die Zentrumjpieler
zu bemächtigen fuchen. Das Weiter:
Centre-Ferrward® OCentre-Bark
©L.W.Foerward &KXFırward®
LW Back
SEMIER OCentreNaif- Formen
OCentre-Naif- Bach
®
Centre Centre
90000
Followers
0
L. Yelf-Forward
OCAMCC Halt-Bach
—
LW.Ferward OÖ
— oe Sawerd
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Goal -Posts
©. W Back
OR! ———
363. Aufſtellung der Spieler beim
auſtraliſchen ua vor dem Abſtoße.
geben mit der Hand ift nidt er-
laubt, dagegen jedoch Freifang und
Freitritt.
dem Ball, der vom centre-forward
und centre-back gefpielt wird, die
„rover* dienen ihnen zur Dedung.
Ein Spieler, der grade in die Höhe
dauert 100 Minuten, gewöhnlich | fpringt, um den Ball zu fangen,
mit einer Pauſe von 10 Minuten
‚darf nicht feftgehalten werden.
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Die followers folgen
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XI, 4 . Lamn-Tennts .
Nro. 734.
4. Lawn-Tennis.
734. Einleitung. Die Gefchichte
des Lawn⸗Tennis (ded Ballfpieles),
ift jehr alt, fie reicht wohl bis zur
Kindheit der Menſchengeſchichte zu=
rüd. Das harmlofe Spiel, mit
einer Frucht, mit einem Stein, dann
mit einer Kugel mag früh durch
allerlei Bedingungen: nad einem
Ziel zu werfen, den Ball über Hin-
derniſſe hHinmwegfliegen zu laſſen,
anregender geftaltet worden jein.
Die Römer Tannten das Follisſpiel
wie dag Trigon, die beide in ihren
Grundzügen dem Paume und der
Sphäromadia, Spielen, die über
ganz Europa verbreitet waren und
aus denen fich wiederum das heu-
tige Tennis entwidelte, jehr ähnelten.
Die Spanier fanden bei der Er-
oberung Mexikos richtige Ballhäufer
vor, in denen man dem „Tlachtli“
oblag, einem Spiel, das der Sage
nach bereit3 von den Urbewohnern
des Landes, den Tolfeten, ab—
ftammte und von ihren Nacdhfolgern,
den Azteken, nur übernommen wor:
den war. Das „Tlachtli" wurde
in eigen zu dieſem Zwecke errich-
teten und arditeftonifch reich ge-
ſchmückten, ca. 30 m langen Ge-
bäuden geſpielt. Der Ball, aus
Kautſchuk hergeſtellt, wurde dur
einen fteinernen Ring geworfen,
der in der Mitte des Raumes in
8 m Höhe aufgeftellt und einer
befonderen Gottheit geweiht war.
Feierliche religiöfe Zeremonien ver:
banden fi mit der Einweihung
neuer Balldäufer und oft jegten die
Könige Land und Leben ald Sieges-
preis ein. Bei gewöhnlichen Wett-
fämpfen durfte jih der glüdlichite
Spieler, deſſen Ball durch den
fteinernen Ring des Gegners flog,
der Oberfleider aller Zufchauer be—
mächtigen, mußte dafür aber dem
Gott des Ballipiel3 ein Opfer dar-
bringen. Die Spieler trugen nichts
als ein hinten mit Leder bejettes
Beinkleid, das „Martli”, da fie den
Bal nit mit den Händen und
Armen, ſondern nur mit den Schul:
tern, den Ellbogen, Knieen und dem
eben durchs Leder gejchüßten Körper:
teil berühren durften.
In Stalien bildeten fich zwei Arten
des Follisſpieles aus: dag giuco di
pallone, deſſen Goethe in feinen
Briefen mit Enthufiasmug erwähnt,
und das giuco della corda, das mit
der bloßen Hand, ohne den fonft
den Unterarm ſchützenden „brac-
ciale“ gejpielt und bei dem zmwi-
ſchen den Parteien ein Strid ge—
jpannt wurde. Frankreichs Könige
mußten ein Verbot nad) dem an:
dern ergehen lafjen, um der Be—
liebtheit des „longue paume“ und
des „courte paume*, erftere3 im
Freien, lebteres in den dazu er—
richteten Gebäuden, dem tripot,
gejpielt, beim Bolfe Einhalt zu tun.
Sich jelbjt erbauten fie jedoch zahl-
reiche tripots, und da es ihnen
auch nicht gelang, die Leidenjchaft
des Volkes für das Spiel zu däm—
pfen, fo fonnte Lippomano, der
venetianijhe Gefandte, in der
Mitte des 16. Jahrhunderts be=
richten, daß in Paris 1800 Ball:
häufer eriftierten und täglich un:
gefähr 1000 Kronen für Rackets
ausgegeben würden! Der erfte
Tennihof mit einem „dedans“,
verfhhiedenen hazards und dem
„tambour“ ift der von Franz I
erbaute im Louvre. Bald unter:
\hied man dem Bau nad zwei
Arten von Ballhäufern, dag jeu de
quarre (jpäter carre) und dag jeu
de dedans, wie die Gebäude felbft
einfach genannt wurden ; in Deutfch-
land bürgerte fich faft ausſchließlich
das erftere ein — das a ſelbſt
7
Niro. 734.
hieß bier Ballon= oder Katenjpiel
—, während nad den Prinzipien
des letzteren noch heute in England
und Frankreich gebaut wird. Beim
jeu de quarre reichten nur die
Giebelmauern bis zum Dad, die
Längsmauern trugen SHolzpfeiler,
auf denen das Dad) ruhte und
zwilchen denen die Luken mit Tü:
ern oder Neben verhängt wurden.
Am Innern des Raumes Tiefen in
5 Fuß Entfernung von einer Längs⸗
und einer Breitfeite Barallelmauern
entlang, die in einem hölzernen
Dad) nah oben abſchloſſen und
zwei Öalerien bildeten; die kleinere
hatte, vom Net aus betrachtet, in
ihrer rechten Ecke eine große Deff-
nung, la grille, urfprünglid) dem
Namen nad) wohl ein vergittertes
Fenſter; in der linfen Ede befand
fi) dag trou de service. Sn der
Giebelmauer vis a vis war links
da8 petit trou angebradt und
rechts lais, ein Hohes, aufrecht
jtehendes Brett, hinter dem die
Wand ausgehöhlt war, ſodaß
man am Klang erfennen konnte,
ob der Ball aufgejchlagen war
oder nicht.
In fpätern Zeiten wurde die
größere Galerie von Neben ver:
hängt, um die Zufchauer vor den
Bällen zu ſchützen; die verjchiedenen
Deffnungen diefer Galerie hatten
bejondere Namen, die zur Bezeich-
nung der das Spielfeld einteilenden
Linien, den „Scaffelinien”, dien:
ten. Die Hazardlöder la grille,
la lune 20. wurden mit ind Spiel
gezogen. Das berühmtefte deutjche
Ballhaus, das Tübinger, war eben-
fall8 nad) dem Duarreiyftem erbaut;
zur ferneren körperlichen Ausbil:
dung der Studenten, die fich zum
größten Teil allerdings aus Prinzen
und Adligen refrutierten, war es
noch mit einer Rennbahn, einer
Bolzenschießbahn und einem Arm:
bruſthaus verbunden; auch zwei
E. Gräfin Baudiffin.
Säulen mit weibliden Figuren
zum Ringeljtechen gab es in feinem
Bereich.
Das jeu de dedans beſaß noch
eine dritte Galerie an der unteren
Giebelmauer und eine große Deff-
nung in der gegenüberliegenden
Galerie, durch die ein Fleineres und
größeres„dedans“ gejchaffen wurde;
dagegen fielen la lune, le petit
trou und l’ais fort. Ein Mauer:
vorfprung, le tambour, diente, wie
nod) einige befonderd harte Qua—
dern in der Längdwand zum Ab-
prallen des Balled. Der italienifche
Scriftfteller Raino, der Deutjche
Fiſchart, Florini in einem
technifhen Werke, das 1719 zu
Nürnberg herausgegeben wurde und
Comeniug im „Orbissensualium
Pictus* 1707 in Nürnberg erjdie-
nen, widmen dem Ballipiel im
„Ballenhaufe” wie dem Ballonfpiel
unter freiem Himmel längere und
fürzere Berichte.
Im Spielgang und der Zähl:
weiſe unterfchied fi) dag paume,
troß des Einbeziehend der Hazards
in das Spiel, nicht jonderli vom
heutigen Tennid. Man fpielte in
zwei Parteien zu vier Spielern oder
auch zu zweien gegen einen, la
chouette und lojte dur Drehen
der Rackets (rauh oder glatt) Die
Spieler au. Der Berlierende
wurde zum Einfchenfer und hatte
ven Bal derart auf das Galerie—
dab der feindliden Seite zu
ſchlagen, daß er beim Herabrollen
in da8 Feld zwifchen Pafje- und
Einfchenklinie fiel. Gelang ihm
dag nit oder beging er einen
andern Fehler, jo wurde dies dent
Gegner mit 15 Punkten Plus. be:
rechnet; aljo genau fo, wie man
heute zählt. Hatten beide Parteien
3 X 15 Bunte oder 45, fo ftand
die Bartie: & deux, woraus das
heutige Wort deuce entſtanden ift;
gewonnen ward da8 Spiel mit 6,
XI. 4 Jawn-Cennis.
zuweilen auh 8 Partien. Auch
Vorgaben, die den ſchwächeren
Spieler dem befferen gleich ftellen
follten, gab es ſchon; man gewährte
einen Freiſchlag (bis-que), einen
bis-con, der die chasse aufhob oder
au ein oder zwei Freilchläge in
jeder zweiten Partie. Außerdem
erſchwerte man zuguniten des
Schwächeren oft dag Spiel des
Borgebenden durch allerlei Kleine
Hinderniffe oder bejondere Bedin-
gungen. „Schafjen” wurde das zwei⸗
malige Aufipringen de Balles
genannt und die Stelle des zweiten
Aufiprunge® vom Markör mit
einem kleinen Geſtell marliert.
Bon den mit Zahlen bezeichneten
Scafjelinien aus wurden die Ent-
fernungen, in denen der Ball auf:
getroffen war, bemefjen. Der Ball
war eben nicht wie heute dem Epie:
ler durch das Schaffen verloren,
fondern fonnte durch das „Ziehen
der Schafje” wiedergewonnen wer⸗
den. Dazu mußten die Spieler
die Seiten wechjeln und der Ball
neu eingefchentt werden. Gelang
es nun dem Biehenden (dem, der
die Schaffe gemadjt hatte), ven Ball
zwifchen der bezeichneten „Schaſſe“
und der Mauer aufipringen oder
in eins der Hazards fallen zu lafjen,
fo gewann er 15 Punkte; fiel der
Ball dagegen wieder auf der Schalle
nieder oder konnte der Verteidiger
ihn zurüdichlagen, fo erhielt diefer
die 15 Bunfte. Die Eroberung
eines gegneriſchen Hazards rechnete
ebenfall3 mit 15 Buntten. — Ge:
wöhnlich wurden die Ballhäufer an
die Ballmeifter oder Markörs ver-
pachtet und die Spieler, meiſtens
die Befiegten, hatten für Benugung
des Hofes, der Spielgeräte 2c. zu
zahlen. In Nebenräumen wurde
zum Spielbeginn eine leichte Klei-
dung (Hofe, Hemd und Schuhe
ohne Abſätze) angelegt, während
fih die Galerien mit ſchau⸗ und
Nerv. 734.
wettluftigem Publikum füllten. We:
gen der hohen Wetten wurden die
Ballhäuſer häufig gefchloffen, ebenfo
oft wegen der zahlreichen Streitig-
feiten, den Diebftählen und der
Ihlechtgefüllten Bälle, den esteufs,
zu deren Schug Ludwig XI bereits
1480 ein ſcharfes Gebot an die
Paume-Raquetierd erlafjen mußte,
da diefe ftatt der Wolle und des
Leders allerlei Abfälle zur Ser:
ftelung benugten. Die Rackets
entwidelten ſich allmählich, nach—
dem die bracciale gegen die immer
härter werdenden Bälle nicht genug
ſchützten, aus einfachen Holzſchlä—
geln, deren Mitte man ſpäter durch
Pergament erſetzt hatte, zu immer
leichteren und handlicheren Geräten.
Statt des Netzes trennte man anfangs
die Parteien nur durch einen Strick,
an den man bunte Tuchlappen zur
deutlicheren Markierung befeſtigte.
Die Ballmeiſter, die gewöhnlich
noch die Erlaubnis zum Weinaus—
ſchank erhielten, gerieten bald in
der ganzen Welt in wenig guten
Ruf; auch die hohen Einſätze, die
von richtigen „Buchmachern“ ge—
bucht wurden, ſchadeten dem An—
ſehen der Ballhäuſer ſo ſtark, daß
in Frankreich im Jahre 1750 den
Soldaten jedes Betreten der tri—
pots ſtreng verboten wurde. Das
unmoraliſche Treiben ijt jedenfalls
mit eine Beranlafiung, daß das
jJeu de paume immer mehr unter-
drüdt wurde und fchließlich faft in
Bergefienheit geriet. — Daß mit
dem Schwur im Ballhaus zu Ber:
ſailles, wohin ſich Bailly mit den
Abgeordneten zurüdzog, ald man ihm
den Eintritt in den Verſammlungs—
ſaal desSchloſſes verwehrte, die fran—
zöſiſcheKevolution eröffnet wurde, iſt
bekannt; unter den „sermont du jen
de paume“ verjteht man den Eid der
Nationalverfammlung, ſich nicht zu
trennen, bis Frankreich nicht eine
neue Verfaſſung gegeben jet.
Nro. 735.
Die erften Paume-Regeln erſchie⸗
nen im Sahre 1599 von Forbet
in Bari unter dem Titel: Ordon-
nance de Paume; Hulpeau ver-
zierte fie 1632 mit Kupferftichen
und nannte fie: „Le Jev royal de
la Paolme“. Das befte und aus:
führlichfte Werk ift jedoch das von
Garfault aus dem Jahre 1767:
„lart du Paumier-Raquettier“,
das genauen Aufihluß über das
Epiel, die Geräte und die Höfe
gibt. In Frankreich eriftieren gegen:
wärtig noch acht Ballhäufer.
An England Tannte man von
jeher nur Dedanshäujer; wie be—
liebt das Spiel unter den verſchie—
denften Namen wie Tenes, Tennice,
Tynes 2c. war, bemweifen Gedichte
nnd Romane aus dem 13. und
14. Sahrhundert, in denen es ver-
herrlicht wird, ferner viele Anfpie-
lungen inden Shakeſpear eſchen
Dramen, die eine allgemeine Kennt:
nis des Spieled und feiner Regeln
voraugjegen. Aber auch in Eng:
land geriet das Spiel faſt in Ver:
gejjenheit, bi8 im Jahre 1802 ein
internationale® Math in London
zwifhen dem franzöfifhen Ball:
meifter Barre und dem Engländer
& or eine neue Aera heraufbejchwor.
Der berühmte Marylebone Club
ließ 1838 einen neuen Court in
Lords bauen, dem bald andere in
allen Teilen Englands folgten, fo
daß man jeßt dort gegen 40 zählt.
Die Spielmweife entfpricht im ganzen
der des Baume; aud die Einteilung
des GSpielfeldes in Einſchenkſeite
(beim Dedans) und Hazardfeite ift
beibehalten worden. Wie beim
alten Baume bringt die Eroberung
eined gegnerischen Hazards einen
Freiſchlag. Außer dem QTambour
zum Abprallen des Balles Fennt
der englifche Tenniscourt noch die
Spiellinie, die auf den Längs:
mauern in einer Höhe von 18 Fuß,
auf den Giebelmauern von 23 Fuß
E. Gräfin Baudilfin.
dur ein 20 cm breites Brett aus
hartem Holz marliert wird. Die
Scaffelinien werden auf dem brau⸗
nen Flur durch gelbe Streifen in
1 und |, Yard Abftand bezeichnet.
735. Das moderne Lawn:Ten:
nid. Wie man in Frankreich unter
longue paume da? Spiel im Freien
verftand und ed neben dem courte
paumc pflegte, fo begann man auch
in England bereit3 unter der Re-
gierungszeit Elifabetb8 das
Spiel in der guten Jahreszeit nach
draußen auf den Rafen zu verlegen
und es dann Long- oder Field-
(Feld)Tennis zu nennen. Die Ge-
burtsjtunde des Lawn-Tennis von
heute mit den genauen Beitimmun-
gen über den court, den Spielgang,
dag Zählen u. f. w. ſchlug aber erft,
al8 Major Wingfield im Sabre
1874 die Regeln über dag von ihm
„Sphaeriftife” genannte Spiel, für
dag er ein Feld in Sanduhrform
forderte, veröffentlichte. Allerdings
ftimmte man feinen Gejegen nicht
unbedingt zu; der Marylebone Club
veröffentlichte ſchon im nächſten
Sahr neue Regeln — aber Major
Wingfields Berdienft ift es
eben, daB dem Spiel neues In—⸗—
tereffe gewidmet wurde und ſich
nah und nad die heute gültigen
Regeln triftallifierten und einbür-
gerten. Ungeahnt ſchnell wurden
die ohnehin faft verlafjenen Krocket⸗
pläße in Tennidcourt® umgeman:
delt, 1877 änderte bereitS der be=
rühmte AU England Croquet Club
feinen Namen in AN England
Lawn-Tennis Club um und fchrieb
das erſte Tournier in Wimbledon
aus. 1878 einten fi dieſer und
der Maryledbone Club auf eine
gleihe Zählweife. Dad Net Hatte
aber noch einige Sahre lang eine
Höhe von 3%/, Fuß, die Einſchenk⸗
linie blieb weit von ihm ab und
dad Volleyſpiel, der Flugſchlag, in
dem [päter eine Zeitlang die höchſte
XI. 4 Iamn-Gennis.
Kunft des Tennigfpieler8 gejehen
wurde, war faſt unbefannt, big
im Sabre 1881 die Zmillingsbrüder
Renſhaw begannen, jo viel Bälle
als möglich vorm erſten Aufjprung
aufzufangen und infolgedejien ihre
Stellung nahe am Net einzuneh-
men. Auch diejer „Stil“ wurde
durch das Erniedern des Netzes an
den Seiten 2c. bald wieder ent-
thront. Das Tennis von heute ift
eine Berfchmelzung des Volley- und
Backſpieles (Spiel aus dem hinteren
Felde, nahe der Grundlinie). Die
große Lawn⸗Tennis-Aſſoziation, der
alle engliſchen Klubs beitraten, da=
tiert au dem Sahre 1888. Ihre
Regeln find allgemein gültig und
in Deutfchland ebenſo eingeführt
wie in Amerifa. Lamn-Tennis ift
alfo der einzige Sport, der auf der
ganzen Welt nach denjelben Regeln
betrieben wird; abgefehen von fei-
nen übrigen, für den Körper außer-
ordentlich großen Vorzügen, Tann
es wegen dieſer einheitlihen Ans
erfennung als Welt⸗Sportſpiel
betrachtet werden.
736. Lawn-Tennis in Deutſch⸗
land. Der erſte deutſche Klub
wurde von einem Engländer, Mr.
Trelawney, im Jahre 1877 in Ham⸗
burg gegründet; doch verbreitete
ſich der Sport nur ſehr langſam in
unſerem Vaterland, trotzdem bereits
im Anfang der achtziger Jahre die
erſten Turniere in Baden-Baden
ſtattfanden. Erſt als ſich die Ham⸗
burger Eisbahnvereine des Sports
annahmen und nach kleineren in⸗
ternen Turnieren größere für ganz
Deutſchland ausſchrieben, gewann
das Spiel immer mehr an Boden
und Intereſſe. Ein für feine Ent:
wicklung in Deutſchland wichtiger
Yaltor war, daß die Teilnahme für
den Radfahrſport, der nur furze
Jahre in Blüte ftand, ftarf abnahm,
befonders bei den deutfchen Frauen,
daß das Tennis alfo gleichjam die
Nro. 736—737.
Lüde des unmodern gewordenen
Sports ausfüllte. Zahlreiche Rad:
fahrvereine wandelten ſich geſchwind
in Tennis-Klubs um. Wie in der
Einleitung unter „Mode und Sport”
erwähnt wurde, iſt das Tennizpiel
in England jchon bereit3 wieder
dur Golf, Fußball und Polo aus
feiner hervorragenden Stellung ver-
drängt, wie dad Fernbleiben der
beiten engliſchen Spieler von den
legten Homburger Zurnieren be:
wieſen bat; aber in Deutjchland
find die Bedingungen für dieſe
Sportsarten nicht jo günftig, vor
allem werden die Frauen ja höchſtens
in beſchränktem Maße am Golf oder
Hodey teilnehmen können und de3-
bald wird das Tennis mohl noch
lange „das“ Spiel bei ung bleiben.
Auch durch die Proteltion des
Kaiſers, der 1895 den Kaiferpofal
für da8 I. Armee: und Marine:
L.⸗T.⸗Turnier in Homburg ftiftete
und ſelbſt ein eifriger Spieler tft,
wie er 3. B. alljährlid während
der Kieler Woche, die ihrem Pro⸗
gramm ebenfall3 einige Turniere
hinzugefügt bat, beweift, hat fich
das Tennigfpiel in allen Kreijen
Deutſchlands eingebürgert. ALS
Hauptplag für internationale Zur:
niere bewahrt Homburg feine Stel-
lung, während die Zentren für den |
Norden Berlin und Hamburg find.
1902 wurde in Berlin der deutjche
Lawn-Tennis-Bund gegründet;
dur ihn find die für allgemeine
Turniere geltenden Spiel- und Tur⸗
nierregeln ſyſtematiſch bearbeitet
und feftgefegt, ferner eine praf-
tiſche Uebertragung der englifchen
Ausdrüde und Redewendungen ins
Deutfche vorgenommen und zweifel-
bafte oder ftreitige Auslegungs—
fragen entjchieden worden.
737. Das Spielfeld. Der ideale
Spielplag bleibt natürlich der mit
furzem, dichtem und weichem Rafen,
wie die englifchen Courts ihn durch⸗
Niro. 737.
gehends aufmeifen, und der ficdher-
lich in feiner Elaftizität für den Fuß
des Spielers wie für den Ball das
Borteilhaftefte und Angenehmite ift.
Ein folder „ground“ ift aber in
Deutſchland kaum zu erreichen und
es bleibt daher nur übrig, den beiten
Erſatz für den Grasplag zu betrad):
ten. Das ift auf alle Fälle der
Hartplaß,den man durd tüchtige
Unterſchichten von Baufchutt und
obere Lagen kleinerer Steine, über
die dann ſchließlich Chauffeefchlamm
oder Lehm gemalzt wird, vorbes
reitet. Die erjte Bedingung des
Platzes ift, daß er volllommen eben
fein und mit der Niveaumage aus:
gerichtet werden muß; die zweite,
daß feine Längsachſe von Nord
nah Süd liegt, damit die Sonne
ihn möglichft lange quer befcheint.
Harte Höfe aus Asphalt, Zement,
Majolita 2c. müſſen im Winter
vorm Froft gefhütt werden; ein
anderer Nachteil ift die raſche Er:
müdung der Spieler auf ihnen.
Ein Spielplag im Walde, rundum
von gleichmäßig fchattenden Bäumen
umftanden, ift natürlih ſchön und
angenehm ; würden jedod) nurBäume
an einer Seite des Lawn ftehen,
jo follte man den Platz lieber ganz
ind Freie verlegen, um dem täu—
jhenden Schatten zu entgehen.
Außer den eigentlihen Maßen für
das Einzel: und Doppelipiel —
der Pla wird bei und gewöhnlich
zu beiden Möglichkeiten hergerichtet
— fol jedes Spielfeld einen Seiten:
auslauf von mindeftend 4—5 m
und einen Rückauslauf von min:
dejtend 7 m haben. Stoßen dieje
Ausläufe mit denen anderer Spiel:
felder zufammen, jo werden zwifchen
ihnen zur Vermeidung von Kon:
fufionen Sperr- oder Stoppneße
von dunkler Farbe und mindeftens
2,5 m Höhe angebradt. Die Maße
des Spielfeldes für das Einzel:
ſpiel (Spiel zu zweien) betragen
E. Gräfin Baudilfin.
8,23 m Breite und 23,77 m Länge.
Das Net teilt das Feld in zwei
gleiche Hälften, doch ftehen die Netz⸗
pfoften 0,91m jenjeit3 der Seiten:
linien. Die Grundlinien an jeden:
Ende des Spielfeldes find 11,885 m
Rück-Auslauf.
—
=
(42) S
£ E
=
-
> ©
2 VI
=
5 197)
*
Rück-Auslauf.
364. Plan des Einzelfpielfeldes.
vom Net, parallel zu dieſem, ge-
zogen und werden durch die Seiten-
linien verbunden. Die Mittellinie
geht parallel zu den Seitenlinien
mitten durchs Net, teilt alfo das
Spielfeld zu beiden Seiten bes
Netzes in zwei Hälften; fie trifft
auf die Auffchlags oder Einſchenk⸗
linien, die 6,4 m rechts und links
vom Net gezogen find. Die Mittel:
XI. 4. Tamwmn-GTenniz.
linie wird jelten bi8 au den Grund:
linien fortgeführt. Die vier am
Netz liegenden Felder heiten Ein:
ſchenk- oder Aufjchlagfelder.
Für da8 Doppeljpiel (Spiel
zu dreien und vieren) müjjen die
Rück-Auslauf.
-U3NIS
jnejsny
Rück-Auslauf.
365. Plan des Doppelfpielfeldes.
Make des Einzelfpielfeldeg um
1,57 m in der Breite gewinnen.
Die Grundlinien werden alfo ein-
fach auf beiden Seiten um 1,37 m
verlängert und durch neue Seiten
linien verbunden. Gewöhnlich wer-
den die inneren Seitenlinien des
Doppelipielfeldes bis zu den Grunds
linien durchgezogen, ſodaß der Platz
zu beiden Spielarten benutzt wer—
den kann.
Die Spiellinien werden
meiſtens mit Kalkmilch gezogen; auf
guten Plätzen ſtellt man ſie auch
Nro. 738.
durch ſchmale Holzleiſten her, doch
bedingt dies eine tadelloſe Inſtand—
haltung des Platzes, damit nach
Regenwetter ꝛc. das Holz nicht überm
Boden herausſteht. Die Breite der
Linien ſoll höchſtens 4 cm betragen;
eine der gebräuchlichſten englijchen
Maſchinen zum gleihmäßigen Ziehen
'ift der „courtmarker“. Zum Mar:
fieren der Eden, beſonders in feuch-
tem Klima, dienen Blechmwinfel.
738. Die Spielgeräte. Das
Netz joll in der Mitte eine Höhe
von 0,91 m, an den Pfoften von
1,07 m haben. Zur Regulierung
dieſer Make
benugt man
og. Netzhalter.
Wird das Netz
de8 Doppel-
jpielfeldes auch
fürs Einzelfpiel
verwendet, jo
wird ed an den
innerenSeiten=
linien von Stü-
ben gehoben,
die ebenfalls
0,91 m außer:
halb jtehen
müffen. ALS
Netzpfoſten be:
nust man jegt
ausſchließlich
mit kleinen
Windwerken
verſehene Pfo—
ſten, z. B. die
—A————
—MMXVVV
> () RE, ne
„Ronplus=
— ultra“, durch
Tennis⸗ die das Netzſeil,
Pfoſten. das an der
Oberkante des
Netzes entlang
läuft, nach Be—
lieben angezogen werden kann. Die
Länge des Netzes beträgt 9,56 reſp.
12,8 m, die Breite 1,05 m. Die aus
geteertem Tau hergeitellten Maſchen
jollen feine Bälle durchlaſſen.
Da —
*
Neo. 738. €. Gräfin Bandiffn EEE
ö Zur den Lamwn-Tennis: ſchroben wird, mit Fett oder Del
Schläger, das Nadet, ift das beftrichen werden; vorfichtige Spie-
Minimalgewicht 12, das Marimal: | ler. befördern außerdem den Schlä-
gewicht 16 engliihe Unzen; die
Nummern fteigen um je !|, Unze. |
567. Modernes Tennis= oder Paume:
Radet.
Man gebraucht jett allgemein das
ſymmetriſche Radet, im Gegenſatz 570. Radet:Preffe.
zu dem urjprünglichen unſymmetri— |
ihen Real-Tennis-racket. Unfere ger vom und zum Spielplag in
Bilder zeigen ein gutes deutjches, einer Taſche; auf feuchten Plätzen
und bei naſſem Wetter follte man
' zur Schonung des Rackets lieber
nicht jpielen. |
Größe und Gewicht des Tennis-
balle3 find in den Regeln genau
N: — beſtimmt; erſtere muß zwiſchen
4 ‚6,85 cm bis 6,51 cm liegen, letz⸗
568. Radet „Ledietsa“ von A. Steidel,
Berlin. teres nur zwifchen 53,15 und 56,7 o
wie ein befanntes englifches Radet.
Die Formen des Kopfes wie die
des Griffes find ein wenig Geſchmack—
und Modeſache. Doch jollte die
Länge des Rackets nie mehr als
569. Radet „The Doherty“ von Slazenger
u. Sons in Kondon.
= 715 cm betragen. Ueber den glatten
F oder gerieften Griff wird oft eine 371. Lawn:Tennis:Ball,
I Gummihülfe zum befjeren Halten |
geogen. Notwendig zur Konfer= ſchwanken; jedenfalls ift es gut,
merung des Schlägers ift eine | Bälle, die diefen Bedingungen ent-
IE Brefje; hat man in der Sonne ge: | fprechen, zu gebrauchen, um bei even- |
ſpielt, jo müfjen die Darmfaiten, | tuellen Turnieren an fie gewöhnt |;
ehe das Nadet in die Prefje ge |zu fein. Die beiten Bälle find die ,
*
XI. 4. Lawn-Gennis.
mit Molton bezogenen; für Zement:
felder wählt man fie in roter, fonft
jtet3 in weißer Farbe. Tennisbälle
werden nicht allein durch den Ge:
brauh, jondern auch durch das
Lagern untauglid; man foll den
Borrat deshalb häufig erneuern.
Bei Wettfpielen werden prinzipiell
nur ganz neue Bälle benützt. Da
fih im Laufe einer Saifon ohnehin
viele Bälle „verlieren“, jo ſammelt
man zum Schluß des Spieles alle
Bälle ein, oder madt die „Ball:
jungen“, die zum Auffammeln und
Hin= und Hertragen engagiert find,
für die richtige Zahl verantwortlich;
in einen: Korb oder Net, jedenfalls
an einem fühlen, trodenen Ort wer: | folden von
Neo. 739-740.
Füßen. Ebenſo energifch, leider
ohne fpezialifierte Berechnung! greift
Mr. Baile das lange Beinkleid der
Herren beim Tennid an; er ver-
gleiht es mit zwei Iuftgefüllten
Süden, die drei Stunden lang durd)
die Luft bewegt werden müſſen und
behauptet, daß bei der Kleiderfrage
die Wirfung des Luftwiderftandes,
die jeder Arbeiter bei der Anzahl
der Darmfaiten im Racket überlegt,
ignoriert wird. Das kurze Bein-
Heid, an deſſen Anblid man durch
die Radfahrer, Bergfteiger ꝛc. voll-
ftändig gewöhnt ift, follte alſo auch
zum Tennisfpiel eingeführt werden.
Herren in Weiten — no dazu in
leiht verbraudten
den fie aufbewahrt. Während des | Sommeranzügen — auf dem Spiel-
Spieles bleiben die Bälle ebenfalls |
noch ein äſthetiſcher Anblick. Ein
nicht am Boden liegen, ſondern
werden, auch der Bequemlichkeit
wegen, in Ständer gelegt.
739. Die Kleidung beim Tennis:
fpiel. Für Damen ift ein Turzer,
nicht zu enger Rod, der das Laufen
nicht behindert, wie eine leichte |
platz zu fehen, iſt weder ein ſchöner
buntes Hemd mit weichem Kragen,
und Aermeln, die fi bequem
binaufitreifen lafien, ift doch dag
Einfachſte und fiher Teine zu üp-
pige Forderung an Eleganz.
740. Die Spieltaftif. Der heu-
Blufe, ein Hut ohne Aufpuß, der ; tige „Stil“ des Tennisſpiels läßt
feft auf dem’ Kopfe fit und Schuhe
oder Stiefel aus leichtem Leder oder
Segelleinen mit Gummiſohlen
„usance*. Mr. Baile weiſt in
jeinem vorzüglichen, auch Anfängern
zu empfehlenden Bud „Tennis von
heute” darauf hin, daß die Schuhe
gar nicht dünn und leicht genug fein
fi ald Kombinationgftil bezeichnen;
er ift au dem Grundlinien (back-
court)= und dem Bolleyfpiel ent-
ftanden, eine Zwiſchenſtufe bildete
eine Zeitlang der „paddle style“,
der den Ball möglichſt oft übers
Net hin- und bertrieb, während ſich
jett das Beftreben des Spielers
können — ein Umftand, der oft nur darauf richtet, den Gegner ans
überjehen wird; er rechnet nad, | Ende feines Yeldes zu drängen und
daß der englifche Spieler 12 Unzen | felbft den Pla am Neb zu behaup:
zuviel mitjchleppt, da feine Stiefeln , ten. Die Verteidigung des Gegners
ftatt 6 Unzen 18 Unzen wiegen;
daß er aljo, 5 Schritte per Sekunde
angenommen, 60 Unzen, in der Mi-
nute 8600 Unzen — 228 Pfund —
bei einem Wettjpiel von 3 Stunden
40500 Pfund mehr trägt, ald Mr.
Vaile! Bei diefer Zahl muß es
Einem allerdings vorkommen, alı-
hätte man das fo oft angeführte,
aber nie fejtzuftellende Blei an den
liegt bierbei im backplay. Die
Stellung am Net fordert jelbit-
verftändlich ein gutes Flug(volley)⸗
jpiel, da wenig Raum zu verteidigen
ift. Der Badijpieler muß dann ver:
juden, den Bal fo zu plazieren,
daß er den Gegner aus feiner guten
Poſition herauslockt oder ihn fogar
paffiert, d. h. über ihn fort im Hof
auffällt.
Niro. 741-742.
741. Der Spielgang. Der Ein:
fchenter, jett Auffchläger genannt,
muß beim Aufihlag mit beiden
Fügen hinter der Grundlinie und
innerhalb der als verlängert ge=
dachten Mittel: und Geitenlinie
ftehen; und zwar im rechten Feld
feiner Spieljeite. Sein Ball muß
innerhalb des fehräg gegenüber:
liegenden, dem Ne zunädjt befind-
lihen Felded oder auf eine der
dasſelbe umgrenzenden Linien auf:
treffen; dieſer Aufichlagball darf
nicht im Fluge, d. h. ehe er den
Boden berührt hat, genommen mer:
den. Kann der Gegner (Rüdjchläger)
ven Ball nicht zurüdichlagen, To
rechnet er für den Einſchenker und
zwar mit 15. Hat jedoch der Rüd-
jhläger ihn richtig auf die andere
Geite zurücgegeben, jo bat er die
15 gewonnen. Der zweite Schlag
‚zählt 30, der dritte 40. Geminnt
ein Spieler hintereinander vier
Schläge, fo iſt das Spiel fein und
beendet. Stehen jedoch beide Par-
teien auf 40, fo find fie gleich (deuce
oder Einjtand). Der nächſte Schlag
gilt dann für den Sieger als Bor:
teil (advantage) ; der folgende führt,
falls vom felben Spieler gewonnen,
zum Ende des Spield, oder, fall?
er verloren wird, wieder zum Ein-
ftand zurüd. Vom Einftand aus
gerechnet muß alſo eine Partei zwei
Schläge gewinnen, um zu fiegen.
Der Spieler, der zuerſt ſechs Spiele
gewinnt, gewinnt den Sat (set).
Stehen beide Barteien auf fünf
Spielen, jo heißt e8 auch hier Ein—
ftand; das nächſte Spiel gilt dann
als Spiel — vor, das folgende
führt zum Sieg oder zum Spiel:
Einjtand zurück. Auch bier ift ent-
jcheidend, daß vom Spiel:-Einftand
aus zwei Spiele hintereinander vom
felben Spieler gewonnen merden,
Allerdings können Spieler überein:
fommen, um einen Sat zu beenden,
daß ſchon das nädfte Spiel nad)
€. Gräfin Baudilfin.
dem Spiel - Einftand entſcheiden
fol.
Werden mehrere Säbe gejpielt,
fo wird der Spieler, der im legten
Spiel des einen Sates Aufjchläger
war, im erften Spiel des nächſten
Satzes Rückſchläger. Außerdem
wechſeln nach jedem erſten, dritten
und jedem folgenden ungeraden
Spiel die Spieler die Seiten. Die
Parteien löſen ſich im Aufſchlagen
ab. Da der Aufſchläger ſtets rechts
ſtehen muß, wechſeln auch die Spieler
nach jedem Spiel die Plätze. Ueber
das Recht, für das erſte Spiel die
Seite oder den Aufſchlag oder den
Rückſchlag zu wählen, entſcheidet das
Los; und zwar verwendet man dazu
den Schläger, indem man nach Lage
der Darmſaiten auf „rauh“ oder
„glatt“ wettet. Wählt der Gewin—
ner Aufſchlag oder Rückſchlag, ſo
hat die andere Partei die Wahl der
Seite und umgekehrt; jedoch kann
erſterer auch verlangen, daß der
Gegner die Wahl trifft.
742. Ueber die Haltung des
Schlägers. Viele Spieler vertreten
eine Univerſal-Handhaltung für alle
Schläge. Doch ift dieſe Haltung
3. B. bei Rüdhandjchlägen, durchaus
unnatürli. Der Arm big zum Ell-
bogen und der Griff des Schlägerd
jolen nicht als „aus einem Stüd”
betrachtet werden; madt man 3.8.
den Flugſchlag „aus dem Hand:
gelenk“, jo entwidelt fih eine ganz
andere Kraft, ald wenn man den
fteifen Arm bis zum Ellbogen dazu
benüßt. Der Spieler, der ven
Griff nicht wechjelt, umſchließt den
Schlägerjtiel mit dem Daumen;
zieht man es jedoch vor, bei Rüd-
bandhaltung den Griff zu ändern,
fo wird der Daumen flach auf die
Rüdfeite des Schlägerg gelegt. Mr.
Baile befürwortet diefe Handhaltung,
wendet fie auch bei niedrigen Rück—
handflugfchlägen wie für den um—
gefehrten Aufichlag über dem Kopf
XI. 4. Lamwmn-Tennis.
an. Der Schläger fol ftet3 am
Ende des Griffes gehalten werden,
ſo daß der Fleine Finger am Leder:
rand liegt.
Den Ball treffe man nicht mit
einer Kante, dem Griff 2c., fondern
mit der Mitte des Flechtwerks.
Zum richtigen Erlernen des Tennis,
bejonders nachdem man die An-
fangsgründe: Beherrichung des
Schlägers und gutes Einſchenken
überwunden hat, ift es vorteilhaft,
häufig gegen fremde und bejonders
befiere Gegner zu fpielen.
743. Berfchiedene Schläge. Man
teilt die Schläge nad) der Hand:
haltung in Borhand- und Rück—
bandjchläge (fore hand and back-
hand) und nach der Art, ob der
Bal im Fluge getroffen oder erft
nah einmaligem Aufjpringen ge=
nommen mird, in Grund:
Slug(volley)ihläge ein. Ferner
unterjcheidet man nad) der, Höhe,
in der der Ball getroffen wird,
Dberhand- und Unterhandichläge.
Das Einſchenken, Auf
chlagen oder service wird
heute fast ausschließlich durch ſtarkes
Oberhandeinſchenken (over-
head -service) ausgeführt. Das
Körpergewicht wird auf den rechten
Fuß verlegt, der Bau mit der linken
Hand nad vorn in der Richtung des
rechten Ohres in die Höhe geworfen,
und zwar jo hoch, wie er mit dem
Schläger noch zu erreichen ift, und
im Moment jeines Stillftandes mit
der Mitte des Schlägers, d. h. des
Flechtwerks, getroffen. Dabei muß
der Schläger möglichjt weit hinter
den Kopf gejhwungen, der Arın
beim Treffen faft gejtrecdt werden
und vor allem das Körpergewicht
während der Ausführung der Bes
wegungen vom rechten auf den
Iinfen Fuß verlegt werden. Nur
dann ift ein fcharfes Aufichlagen
über dag Net zu erreichen. Der
Schläger jol nad volljührtem
oder
ro. 743.
Schlag feinen Halbfreis weiter be-
fchreiben, bis nahe zum linken
Knie. Der Schlag foll alfo „durch—
gezogen“ werden.
372. Beginn des Oberhandeinſchenkers.
Das Unterhandeinſchenken
(under-hand-service) iſt die bei
Damen beliebteſte Form. Der
Ball wird nach links vorgeworfen
und vom rechten Hof aus als
Rückhandſchlag, vom linken als
Vorhandſchlag ausgeführt, und
zwar ziemlich tief, höchſtens 3 cm
vom Boden ab. Der Schläger
wird jo geſchwungen, daß er den
Bal an jeiner linken Seite trifft,
wodurch er eine Drehung erhält.
Auch das Horizontalein-
ſchenken wird faſt nur von
Damen ausgeführt. Der Schwung
des Rackets geht nur bis zur
Schulterhöhe, der Ball wird rechts
Nro. 743.
unten mit einer Drehung geichlagen,
wobei der Schläger horizontal zum
Boden ſteht. So ſcharfe Bälle
wie beim Oberhandjervice find bei
der legteren Weife nie zu erreichen;
deshalb follten ale Damen, be-
ſonders jolde, die gegen Herren
jpielen, fi bemühen, das Herren-
fervice (plainfaced overhead ser-
vice) zu lernen, da fte fonft von
vornherein im Nachteil fein werben.
Eine Hauptregel beim Einjchenfen
ift: nie den Ball aus den Augen
zu verlieren, aljo nicht dorthin zu
bliden, wohin man ihn zielt —
auf welche Weiſe man fich übrigens
auch dem Gegner verrät; außerdem
iſt es nur dann möglich, ihn, ab:
gefehen von gefjchnittenen Bällen,
genau mit der Mitte des Rackets
zu treffen. Die zweite Regel, na
mentlich für den Anfänger, iſt die:
den zweiten Ball, falls der erite
auf oder ind Neb gegangen ift,
nun nicht fanft und mit aller Vor⸗
fiht plazieren zu wollen, fondern
auch bier einen ftarfen Schlag, mit
Beachtung aller Borjchriften, zu
wagen; die theoretiihen Lehren
müſſen durh Uebung in Fleifch
und Blut übergeben, bis fie jchließ-
lich inftinttiv befolgt werben.
Gutes und richtiges Einjchenten ift
die Grundbedingung fürd Tennis-
jpielen. Uebrigens fann das Ober:
bandeinjchenfen auch als Rüdhand
ausgeführt werden, wobei dann der
Ball mehr nad links und höher
als bei Vorhand geworfen wird —
ein nicht leicht zu erlernendes
Verfahren, das faſt ausschließlich
von Herren befolgt wird.
Nah der Art und Stärke des
Einſchenkens wird fih das Zurüd-
lagen richten. Der Ehrgeiz, den
Ball, wie früher beim „paddle
style“ fo oft wie mögli übers
Netz Hin und her zu jagen, iſt
gänzlich unmodern geworden; wie
in allem, liebt unſere Zeit auch
E Gräfin Baudiſſin.
beim Tennis abgekürztes Verfahren
und läßt die Grazie des Spiels
hinter dem Egoismus zurückſtehen.
Wer den Ball einſchenkt, will ihn
ſo ſcharf plazieren, daß der Gegner
ihn nicht nehmen kann; wer ihn
zurückgibt, will ihn, unbekümmert
um den Beifall des Publikums,
womöglich „töten“, d. h. ihn ſo
ſchlagen, daß er innerhalb des jen-
feitigen courts auftrifft und nicht
mehr vom Gegner genommen werden
fann. Anfänger follten wie den
erften Ball, der ja einmal auf:
fpringen muß, ehe er genommen
werden darf, aud alle folgenden
erft nehmen, wenn fie aufgefprungen
find. Der größte Fehler aller An:
fänger, fi vorwärts auf den Ball
zu ftürzen und ihn womöglid mit
der Naſe aufzufangen, jedenfalls
ihm viel zu nahe zu fein, um ihn
überhaupt noch zu jchlagen, würde
dadurd vermieden; auch dag Augen⸗
maß fchärft fih dDurd) genaues und
ruhiges Beobachten der Richtung,
die der Ball nimmt, und dag
ängftlide Gemüt, das voller Ver-
zweiflung ten leuchtenden, Heinen
Punkt wieder zurüdfehren fieht,
den es ſchon für erlojchen hielt,
bat Zeit, fi zu überlegen, wie
ed ihn empfangen und auf welche
Weiſe es ihn zurüdbefördern will.
Bor allem fol ſich der Anfänger
daran gewöhnen, den Bal nicht
von vorn mit ausgebreiteten Armen
quafi zu bewillkommnen; fondern
wie er ſcharfen Blickes die Flug:
bahn verfolgt, fol fih langfam
fein Körper ihr zudrehen, fo daß
er im Moment der Begegnung
immer jeitwärt® zum Ball fteht.
Die erjte Antwort auf das Ein-
ſchenken ift meiften?, beſonders bei
Anfängern, ein Vorhandſchlag, und
jwar einer der drives, die ja,
nach ihrer Höhe, Unterhands oder
Oberhand:drives find. Beilegterem,
dem gebräuchlicheren, fteht der linke
u
XI. 4. Namwn-Tennis.
dub vor und der Körper etwas
' jeitwärts; das Nadet wird von
hinten ſeitwärts vorgefhmungen,
das Körpergewicht nad) vorwärts
auf die Fußſpitzen verleat.
' Unterhandedrive nimmt man den
F EN X I“
TERN
523. Drive mit Herausziehben des Balles.
Ball etwas vor dem rechten Fuß,
führt das Racket unter ven Ball
und zieht es dann herauf, mo:
durch der Ball eine Drehung er—
hält. Alle drives — auch der Rüd-
band = drive find, mie ihr
Name jagt, „getriebene”, flache
und lange Schläge, zu denen das
Racket vertifal gehalten wird. Die
Abbildung des Rückhand-drives
zeigt, daß der Ellbogen in die
Richtung des nahenden Balles ge—
dreht, das Racket — ſeine rauhe
Seite trifft den Ball — hinter die
Schulter geſchwungen wird und
der Körper ſich beim Schlagen tief
beugt. Die drives ſollen den Ball
flach übers Netz bringen; durch den
beſondern Schwung, den ſie er—
teilen, ſchadet es meiſtens nichts,
wenn der Ball die Oberkante
—
Beim |
Nro. 744 —746.
berührt — fie tragen, richtig aus:
geführt, ihn dennoch big zur feind-
lihen Grundlinie und der Gegner
wird jtatt in angreifende, in ver:
teidigende Lage verjegt.
744. Gejchnittene Bälle. Will
man den Ball, jtatt um feine Hori-
zontale Achſe ihn um feine verti-
fale drehen (to cut-fchneiden, da-
her „gefchnittene” Bälle), fo muß
das ſenkrecht geftellte Radet etwas
Ihräg gehalten werden. Der „ge:
Ichnittene“ Ball wird, je nachdem
die Drehung zum Spieler oder von
ihm weg iſt, kürzer oder weiter
nad dem erjten Auffallen fpringen;
das „twisten“, Drehen des Balles
um feine Vertikalachſe hat nach der
Haltung des Schläger, nad) dem
Auffallen des Balles fein Aus:
drehen nach recht3 oder links zur
Folge.
745. Der Hochball (lob). Der
Hochball hat ſich zugleich mit dem
Volleyſpiel entwidelt, ift alſo wie
diefe8 neueren Datums; er dient
zum Abwehren des Flugichlages
und lockt den Gegner aus feiner
Stellung heraus, einerlei ob er
dicht über feinen Kopf fort ang
äußerſte Ende des Hofes fällt oder
ob er fteil aus der Höhe herab an
der Grundlinie niederjauft. Jeden
fal8 gewinnt man immer durch
ihn die Zeit, and Net zurüdzu-
fommen. Zum Zurüdjchlagen des
Hochballs hält man das NRadet am
beiten horizontal und läßt den Ball
einfach abfpringen. Will man einen
Hochflugſchlag machen (lob
volley), ſo muß der Schläger den
Ball von unten treffen, damit er
ſicher hoch genug geht, um den
Kopf des Gegners zu paſſieren.
746. Der Sprungſchlag (half
volley). Der Sprungfchlag wurde
früher nur zur Verteidigung benußt,
follte aber ebenjo gut zum Angriff
dienen. Mit ihm mird der Ball
jofort nach dem Aufiprung, wenn
=, oc€<„ÄÖs![/[cgygvvecererylillccycccsosg
u * —— ne “ “ *
E. Gräfin Baudiſſin. EEE
Neo. 747. u
e -
r fi eben vom Boden hebt, mit | beugen und das Radet fajt hori-
der vollen Schlägerflädhe getroffen. | zontal halten.
Das Nadet darf aber nicht, wie, 747. Der Ylugidlag (volley).
dies öfters gejchieht, zu jehr nach | Die Zahl der volley-Varianten ift
rückwärts, vom Net fort, gehalten | groß; fie werden nad) dem Ober:
werden, da mit dem half volley | und Unterhandjdlag, nad Bor:
und Rüdhand, ſo—
wie nach ihrer
Höhe eingeteilt und
benannt. Man fteht
zum Flugſchlag,
welder Art er aud)
jein mag, fejt auf
beiden Füßen, die
ca. 50 cm von
einander entfernt
find, hält die Knie
leicht gebogen und
verlegt das Körper:
gewicht nad) vorn.
Flugſchlag und Ein⸗
ſchenken ſind alſo
Schläge gleicher
Art und der Spie- |
ler, der jih ein
Iharfe8® Service
angewöhnt Hat,
braucht nurllebung
und Nut, um auch
gute Flugſchläge
zu lernen. Der
größte Fehler, der
anfangs bei vol-
leys gemacht wird:
die Bälle ind Net
zu jchlagen, hängt
mit Zaghaftigkeit
und jchlechter Be—
— — — — — —
rechnung zuſam—
men. Es genügt
374. Rüdbandflugball. (Aus Sport im Bild.) für Flugichläge |
eben nicht, ven Bal
ja grade der Neigung des Balles
zum Aufjteigen entgegengemirft
werden ſoll. Während bei dem
Sprungjhlag mit Vorhand der
linfe Fuß vorgejegt wird, tritt
beim NRüdhand-half volley ver
—Frehte Fuß ſeitwärts über den
Hinten, der Spieler ſoll ſich tief
vom Radet abjpringen zu lafjen; ſon⸗
dern der Schläger muß feit in der
Hand gehalten und der Ball richtig
geihlagen werden; ausgenommen
der Fall, man jtände jo dit am
Netz, daß es genügt, den Ball ab:
prallen zu laſſen, um ihn zu
„töten“. Eine Abart des Ober:
. -
.. *
— —
Fr
: XI, 4. Ramn-CTennis.
hand:volleys ift der smash, ber
Hieb- oder Schmetterball, der auch
mit Rückhand ausgeführt werden
kann. Wie die Bezeichnung jagt,
it e8 ein mit aller Kraft geſchla—
Nro. 748.
jenfiver Art. Beimdrop-volley
Ihlägt der Ball gegen das lofe ge:
haltene Radet, wodurd er langjam
übers Ne zurüdfällt, während der
lob-volley dazu dient, über den
Kopf des Gegners fortzufpielen.
Unter chop,
Abwärtsichnitt,
verfteht man den
Schlag, der dem
Ball eine horizon:
tale Drehung nad)
rückwärts gibt.
Dies geſchieht durch
faſt ſenkrechte Hal—
tung des Schlä—
gers, der beim
Treffen des Balles
nach vorn und
unten gezogen wird
und durch dieſe
„bürſtende“ Be—
wegung dem Ball
eine Drehung nad)
aufwärts-⸗rück⸗
wärts gibt. Dieſe
Bälle ſind ſchwer
zu nehmen und
noch ſchwerer gut
zurückzugeben.
Die cross- 1
court-volleys j
- gener Ball, der über den Gegner
— .> Ar 6.
rn. u —
r 375. Sprungfchlag. (Aus Sport im Bild.) s
nA und cross-dri-
fortgeht und im Hof fo nieverfält,
daß er ihn nicht mehr erreicht.
Um die Stärfe des smash zu er:
höhen, wird das Körpergewicht mit
einem Schwung von rückwärts nad)
vorwärts verlegt. Die bejte Rich—
tung für den smash ift die quer
über den Hof. Unter Unterhand:
Ihlägen verfteht man Bälle, die
zwiſchen Schulter und Boden ge—
nommen werden; in allgemeinen
iſt es vorteilhafter, fie mit Rück—
Hand auszuführen. Der drive-
volley wird angewendet, um
einen niedrig und langſam kom—
menden Ball zurüdzutreiben und
Beit zu gewinnen; er ijt alfo de—
ves find SKreuzfchläge, die nicht
parallel zur Längsachſe, fondern
parallel zur Diagonale über das
Spielfeld gehen; fie dienen zur
Ueberrafchung des Gegner.
748. Neber Wettjpiele. Alle
großen und berühmten Tennisfpieler
raten, pro Tag nicht mehr als drei
sets und zwar nur drei= biß viermal
die Woche zu jpielen; denn nichts
ift nad) ihrer Meinung gefährlicher,
al3 fi) zu übertrainieren. Don
großem Vorteil ift es, den Stil
des Gegners zu fennen und darnach
fein Programm zufammenzufesen.
Egoiſtiſch wie der Sport in gemijjer
Hinfiht macht — denn er will zum
x
7 m
Niro. 749—750.
Sieg führen — baut man fein Ver⸗
halten auf den Schwächen des
Gegner? auf, jpielt ihm aljo Bälle
zu, die ihm unbequem find. Nichts
ift infolgedefien beſſer — um auf
die eigenen Fehler aufmerkſam ge:
macht zu werden, denn der Gegner
wird nach denfelben Prinzipien han:
dein! darüber darf man beruhigt
fein — als ein Turnier, eine ehr-
lihe Konkurrenz. Die Spiele wer:
den in Einzelfpiele für Herren,
Einzelfpiele für Damen; Doppel:
jpiele für Herren, Doppelipiele für
Damen und in “Doppeljpiele für
Damen und Herren eingeteilt und
fönnen mit oder ohne Borgaben
verbunden fein. Bei den Spielen
ohne Borgaben handelt e3 ſich oft
un: Preis- oder Meifterjchaftsjpiele,
deren Breife erjt, nachdem fie mehr-
mals verteidigt wurden, d. h. nad
einer beftimmten Anzahl von Siegen,
endgültig von einem Spieler erobert
worden find.
749. Das Einzelipiel (single
game). Mit Einzelfpiel bezeichnet
man dag Spiel von zwei Spielern
gegeneinander auf dem im Anfang
diefeg Artikels befchriebenen Kleinen
Hof. Die Erfahrung bat gelehrt,
daß, je näher der Spieler dem
Netze fteht, er defto weniger Raum
zu verteidigen hat; mährend der
Gegner ſich früher Hinter der Ein-
ſchenklinie aufitellte, plaziert er fich
jest jo bald als möglich dicht am
Net. Das zwingt ihn aber, da?
volley ebenfo gut zu beherrjchen
wie das Grundlinienfpiel. Der
Einfchenfer jteht aus Ddemfelben
Srunde, um nicht fein ganzes Feld
unverteidigt zu lafjen, nicht an den
Eden, jondern mehr in der Mitte
feiner Grundlinie und eilt, fobald
der Ball richtig plaziert ift, eben:
falls zum Ne vor, um den erften
Rückſchlag, der ja nie ein volley,
fondern nur ein drive oder ein lob
fein wird, in Empfang zu nehmen.
Ed
E. Gräfin Baudiſſin.
Der am Netz Stehende iſt immer im
Vorteil gegen den hinten Stehenden,
alſo iſt der Einſchenker, der ſofort
vorwärts laufen kann, gegen den
Empfänger bevorzugt, und dieſer
hat doppelt aufmerkſam zu ſein und
herauszufinden, von welchem Platz
aus der Einſchenker am liebſten
ſpielt und welche Schläge — viel-
leicht Rüdhand — ihm am unan-
genehmften find. Ein Tennisspieler
befommt erft dann Recht auf diefen
Namen, wenn er nit blindlings
in den Tag hineinſchlägt, in der
einzigen Sorge, den Bal zurüd-
zugeben, fondern erft, wenn er
jeden Schlag überlegt und alle
Fähigleiten de3 Gegners heraus-
fordert. Daß trogdem das Spiel
„fair“ fein fol, vor allem jeder
fih dem Urteil des umpire (Ridh-
ter) bei Wettjpielen oder dem einer
bei gewöhnlichen matches (Spielen)
beſtellten Vertrauensperſon bebin-
gungslos unterwerfen ſoll, iſt faſt
zu ſelbſtverſtändlich, um es zu er—
wähnen. Andere, als dazu auf:
geforderte Zufchauer, werden da=
gegen gebeten, fih der Zurufe,
lauten Mitzählend und aller Ein=
mifhungen zu enthalten, da die
Spieler nur verwirrt und nervös
gemacht werden. — Damen, die
gegen Herren fpielen wollen, müſſen
hauptſächlich den Flugichlag aus:
führen lernen — nur wenige Da—
men beherrſchen ihn Heutzutage,
daher ift das Dameneinzelfpiel mei-
ſtens ein Badjpiel. Eine Regel
für jeden Spieler heißt: jeden Ball,
auch den unmwahrfjcheinlichiten, noch
zu nehmen.
750. Das Doppelfpiel (double
game). Beim Doppelfpiel ver-
jtärkt jih dag Uebergewicht des
Einſchenkers noch um die Hilfe
jeines dicht vor der Einjchenklinie
jtehenden Bartnerd. Deshalb müffen
die Empfänger erft recht verjuchen,
auch nach vorn zu fommen, um aus
—
TEN
a
> 4 F
8 -, a *
mein
“
W.
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nr. En
der bloßen Verteidigung heraus in
die Offenfive zu gelangen. Der
Aufichläger fteht nit auf der
Nitte der Grundlinie, fondern
rüdt mehr in die Ede, um nicht
duch den eignen Partner gehindert
zu werden und den Ball außerdem
in die Hintere Ede des Aufſchlag—
feldes, möglichft in die Rückhandecke,
XI. 4. Tawn-Cennis.
Nro. 750.
pelipiel zu überraſchen, ift, den
Ball plötzlich, nachdem man längere
Zeit denjelben Spieler umſpielte,
dem Partner zuzutreiben, ftatt des
erwarteten drive einen Hochſchlag
zu maden, furzum, irgend etwas
ganz Unermwartete3 zu tun; auch
den Ball mitten zwijchen die
Spieler zu werfen, jo daß beide
376. Moment aus einem Doppelfpiel.
zu plazieren. Dem Partner Des
Empfängers wird im allgemeinen
geraten, jih im hintern Teil des
Hofes zur Deckung aufzuhalten, aber
beftändig „right“ zu fein, um
eventuell auch vorzulaufen. Der
erſte Rückſchlag des Empfängers
wird ein drive an der Seiten-
oder Mittellinie hinunter, ein lob
oder ein cross-stroke jein.
— — — — | >
(Aus Sport im Bild.)
Ein
Mittel, um den Gegner beim Dop- | und der Fähigkeit des a
auf ihn zulaufen oder ſich einer
auf den andern verläßt, ift nicht
grade liebenswürdig, aber oft jehr
vorteilhaft. Zu bevenfen. ift daher,
daß ſtets beide Seiten des Hofes
durch die Spieler gededt jeien;
weicher von den beiden Parteien
einen Bal zur nehmen hat, iſt nicht 5
theoretijch feitzujegen — es muß
von der Schnelligkeit im Laufen
[7
=
4
—
ro. 751.
gute Rückhandbälle, oder befjere
volleys oder vergl. zu geben, ab—
hängig gemacht werden. Sind beide
ungefähr gleich, jo wechjeln fie im
Ballnehmen ab. Die Hauptjadhe
ift, daß fie fi abfolut im Spiel
ergänzen, genau aufeinander achten
und inftinftiv ahnen, was der an-
dere für einen Schlag ausführen
wird, um dann gemeinjam vorzu=
laufen ac.
Beim Damen: und Herrendoppel-
jpiel (mixed doubles) wird die
Dame, falls fie nicht faft „männ-
lich“ ſpielt, d. 5. fih auf ſcharfes
overhead- service, Rückhandbälle
und volleys verjteht, von ihrem
Partner immer etwas geſchützt wer-
den müfjen. Bon vornherein wird
deshalb ihr Pla mehr nach hinten,
neben der Grundlinie fein, um dem
Herrn mehr Bemwegungsfreiheit zu
gönnen, ſodaß ihm der Angriff,
ihr mehr die Verteidigung über-
laſſen bleibt. Bejonders bei wich⸗
tigen Wettlämpfen, wo die ohne=
hin beim Sport arg bejchräntten
Kavalierspflichten ganz aufhören,
darf der Herr, der mit und gegen
eine Dame jpielt, ſkrupellos jeden
Bal nehmen und ihn dem männ-
lihen Partner zujpielen oder ihn
angeficht3 der Dame „töten”. Eine
ehrgeizige Spielerin wird dieſe
ſcheinbare Rückſichtsloſigkeit, die ſich
durch den Spieleifer entſchuldigen
läßt! zu kühnen Taten und Her-
ausgehen über die eigenen Kräfte
reizen — denn Selbitvertrauen
macht das lette Viertel der Tennis-
fünfte aus — und die Erfolge der
Damen in neuefter Seit haben be:
wiejen, daß fie bei genügender
Uebung imftande find, zu eben-
bürtigen Rivalen der Münner heran
zuwadjen.
751. Die Spielregeln. Der
Auszug der nachfolgenden Regeln
ift mit Erlaubnis den Spielregeln
des deutſchen Lawn⸗Tennis⸗-Bundes,
E. Gräfin Baudiſſin.
E. V., entnommen, die abſolut mit
den engliſchen übereinſtimmen und
in ganz Deutſchland ausſchließlich
gültig ſind.
„Sind Schiedsrichter ernannt, ſo iſt deren
Entſcheidung endgültig; iſt zugleich ein
Oberſchiedsrichter ernannt, fo kann gegen
die Entſcheidung des Schiedsrichters Be—
rufung an ihn erfolgen, ſoweit es ſich um
eine Geſetzesfrage handelt.
Der Oberſchiedsrichter entſcheidet jede
Geſetzesfrage, die ein Schiedsrichter nicht
entſcheiden zu können erklärt, oder die ihm
in Berufung gegen die Entſcheidung eines
Schiedsrichters vorgelegt wird.“
„Spielt der Oberſchiedsrichter in einem
Turnier mit, fo fol ein Stellvertreter er-
nannt werben, der ihn folange vertritt als
er fpielt.”
„Falls ein Schiedsrichter irrtümlich
‚sehler!‘ und fih fofort verbeflernd
‚Weiter!‘ ruft, fo darf der Ball nochmal
gefpielt werden, falls ihn ber Rüdichläger
verfehlt.”
„Wenn eine Partie (match) wegen Regens
oder einbredhender Duntelheit oder aus
ähnliden Gründen abgebroden und am
folgenden Tage fortgejegt wird, fo muß
die Partie fo wieder aufgenommen werben,
wie fie Tags zuvor ftand; nur mit Zus
ftimmung des Oberſchiedsrichters darf von
neuem begonnen werben.”
„Wenn in einem Vorgabenſpiel zwei
Spieler mit der unrichtigen Borgabe ge—
fpielt Haben, fo ift bie Bartie gültig. Nur
wenn die Spieler von bem Oberſchiedsrichter
oder einer von biefem beauftragten Perſon
falfh berichtet wurden, kann der Berlie-
rende verlangen, daß die Partie nochmal
geipielt wird, fofern nit das Verſehen
bei der Vorgabe zu feinen Gunjten war;
bag Verlangen nad Wiederholung der PBar=
tie muß binnen angemeflener Frift geftellt
werben.”
„Sm Doppelfpiel muß bie zu An=
fang bes erften Spieled erfolgte Bertei-
Iung ber beiden Rückſchläger auf die bei-
ben Flanken der einen Seite bis zum Ende
ber Partie beibehalten werden.
TDesgleihen bie zu Anfang bes zweiten
Spieles erfolgte Verteilung des erften Auf-
fhlägerd und feines Mitfpielerd auf die
beiden Flanten der anderen Seite.“
„Der Auffhläger muß beim Aufſchlag
mit beiden Füßen bBinter der Grundlinie
(d. 5. weiter ab vom Neg als diefe) und
innerhalb der als verlängert gebadten
Mittel: und Seitenlinie fi befinden. Es
gilt nicht als Syehler, wenn er beim Auf—
fhlag nur mit einem Fuße den Boden be—
rührt. Unmittelbar vor dem Aufihlag
muß er mit beiden Füßen auf dem Boden
ftehen und barf weder im Laufen no im
Gehen auffhlagen. Er muß abmwedfelnd
vom rechten und linken Feld aus aufſchlagen,
und in jedem Spiel, in weldem er aufju-
XI. 4. Tamn-Tennis.
ſchlagen bat, — auch wenn Borgaben ges
geben oder gejhuldet werden — rechts be—
ginnen.”
„Der Auffhlagball muß das durch Auf:
ſchlaglinie, Mittellinie und innere Seiten=
linie abgegrenzte, bem Felde, von dem aus
der Aufſchlag erfolgt, ſchräg gegenüber-
liegende Feld (Aufſchlagfeld) oder eine der
genannten Linien treffen.”
„Es gilt als Fehler, wenn der Aufichlag
vom unridtigen Feld aus erfolgt, oder
wenn die Stellung des Aufſchlägers nicht
der Regel über feine Stellung beim Auf-
Schlag entfpricht, oder wenn der Auffchlag-
ball in bag Ne
Aufichlaglinie oder außerhalb des Spiel⸗
felds oder in dem unrichtigen Auffchlag=
feld den Boden trifft. Es gilt nicht als
Fehler, wenn der Auffchläger beim Auf:
ſchlag den Ball überhaupt nicht trifft; wird
aber der Ball, wenn aud noch fo ſchwach,
mit dem Schläger berührt, fo ift damit ein
Aufſchlag erfolgt und die Anwendung der
Regeln über den Aufſchlag gegeben.“
„Nach einem Fehler muß der Auffchläger
nochmals von bemfelben Feld aus auf-
ſchlagen, vom anderen elde aber nur
dann, wenn er vom unridhtigen Feld aus
. aufgefhlagen Hatte.”
„Ein Fehler kann nicht mehr gerügt wer-
den, wenn ſchon der nädfte Auffchlag
erfolgt ift.*
„zer Auſſchlagball darf nicht im Fluge,
d. h. bevor er den Boden getroffen hat,
genommen werben, felbft wenn er fich offen
ar außerhalb des Auffchlagfeldes be-
nDdet.“
„Der Auffchläger darf nicht eher auf:
fchlagen, als bis der Rückſchläger fertig ift.
u legterer den Rückſchlag, ohne daß
er ihm gelingt, fo verliert er den Schlag.
Wenn jedoh der Rückſchläger — nachdem
der Auffchlag erfolgt ift, aber bevor der
Ball den Boden getroffen bat — kundgibt,
daß er noch nicht fertig fei, fo darf er
nicht verlangen, daß ein Fehler gerechnet
wird, fall3 der Bau ſchließlich außerhalb
bed Aufihlagfeldes zu Fall fommt.“
„Ungiültig (let) ift ein Auffchlagball,
ber im übrigen rihtig war, wenn er dad
Netz berührt hat, fowie jeder Aufſchlagball
— mag er richtig oder fehlerhaft geweſen
fein — wenn ber Rückſchläger nicht fertig
war. j
In allen Fällen, in denen ein Ball un=
gültig ift, wird der Aufſchlag oder Schlag
nicht gerehnet,; der Auffchläger muß noch
einmal aufſchlagen.
Ein ungültiger Ball (let) madt einen
vorhergegangenen Fehler nicht rüdgängig.”
„sm Spiele zu dreien bat ber
tz fällt, ober jenfeit3 ber |
Nro. 751.
rifde Paar bat die entfprechende Beſtim⸗
mung für das zweite Spiel zu treffen.
Der Mitfpieler besjenigen, ber im erften
Spiele auffhlug, muß im dritten Spiele,
und der Mitipieler des Epielers, der im
zweiten Spiel aufjhlug, muß im vierten
Spiele aufſchlagen, und fo weiter in der—
felben Reihenfolge in allen folgenden
Spielen eines Satzes.“
„Sofern fein Fehler vorliegt, ift ein Ball
von dem Augenblid des Aufihlags an im
Spiele, bi er entweder von dem Rück—
fhläger bei bejjen erjten Schlage im Fluge
ı genommen worden, oder in das Net ge-
fallen ift, oder außerhalb des Spielfelds
| den Boden getroffen oder einen Spieler
ober etwas berührt hat, das diejer anhat
oder trägt u. zw. einfchließlih feines
Schlägers, fofern die Berührung nicht in
Ausführung eines Schlages gejdieht — ;
| oder wenn von einem Spieler mit bem
| Schläger mehr als «inmal hintereinander
| geihlagen oder ım Flug genommen wor—
ben ift, benor er das Net überflogen hat,
oder den Boden auf einer Seite des Netzes
| zweimal hintereinander getroffen bat, mag
‚ dies au das zweite Mal außerhalb des
Spielfeldes gefchehen fein.“
„Der Rückſchlag gilt,
a) ıvenn ber Ball das Ne oder die
Pfoften berührt, fofern er nur hin—
über geht und in das Spielfeld hin-
ein fällt;
b) wenn der Auffchlagball oder der Ball
im Spiele in das richtige Feld gelangt
und infolge feiner Drehung oder durch
den Wind getrieben über bag Vet
zurück fliegt und der zum Schlagen
berechtigte Spieler über das Net
binüberreiht und den Ball madt,
ohne daß er felbit oder feine Kleider
oder fein Schläger das Net berühren,
vorausgeſetzt, daß der Schlag im üb—
rigen gut iſt;
e) wenn ein Ball — ſei es über oder
unter Netzhöhe — außerhalb eines
Pfoſtens zurüdgefchlagen wird, felbit
wenn er den Pfoften berührt, voraus:
gejegt, daß er in das richtige Feld
hineinfällt;
d) wenn ein Spieler mit ſeinem Schläger
über das Netz hinüber reicht, nachdem
er den Ball zurückgeſchlagen hat, vor-
ausgeſetzt, daß der Ball das Net über:
flogen hatte, ehe er regelrecht zurüd-
geichlagen wurde;
e) wenn es einem Spieler gelingt, einen
Aufihlagbal oder einen Ball im Spiel
zurüdzufchlagen, der einen in Dem
Spielfeld liegenden Ball getroffen hat.“
„Der Auffchläger gewinnt den Schlag,
Einzelfpieler in jedem zweiten Spiel den | wenn der Rückſchläger den Aufihlagball in
Aufſchlag.“
„Im Spiele zu vieren darf das
Paar, welches im erſten Spiele den Auf—
ſchlag hat, entſcheiden, welder von beiden |
Spielern zuerft auffchlagen fol ; das gegne: '
Fluge nimmt, oder einen gültigen Ball im
Spiele verfehlt oder ihn fo zuriidichlägt,
daß er außerhalb der Grenzlinien des geg—
nerifhen Feldes den Boden trifft; oder
wenn ber Nüdfchläger auf andere Weile
E. Gräfin Baupiffin.
Nro. 751,
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XI. 4. Xamn-Tennis.
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* ———
Nro. 751.
nach Maßgabe der Regel 34 den Schlag
verliert.“
„Der Rückſchläger gewinnt den Schlag,
wenn der Aufſchläger beim Aufſchlag zwei
Fehler hintereinander macht oder einen
gültigen Ball im Spiele verfehlt oder ſo
zurüdichlägt, daß er außerhalb der Grenz-
linien des gegnerifchen Feldes den Boden
trifft; oder wenn der Aufſchläger nad
Maßgabe der Regel 34 den Schlag verliert.”
„Ein Spieler verliert ben Schlag,
wenn ber Bal im Spiele ihn ober etwas
berührt, das er anhat ober trägt — und
zw. einfchließlich feines Schlägerg, fofern
die Berührung nit in Ausführung eines
Schlages geſchieht —; oder wenn er ben
Ball im Fluge nimmt, ohne ihn richtig
zurückzuſchlagen, gleigültig ob er dabei
innerhalb oder außerhalb ber Grenzen des
Spielfeldes ftand; oder wenn er den Ball
im Spiele mehr als einmal hintereinan⸗
der mit dem Schläger berührt (fchlägt) ;
oder wenn er oder fein Schläger (gleich=
gültig ob er ihn in der Hand hatte ober
nicht) dag Ne oder deſſen Stügen berührt,
folange der Ball im Epiele ift ; ober wenn
er den Ball im Yluge nimmt, bevor diefer
dag Neg überflogen bat.”
„Wenn ein Spieler den Ball derart in
dag richtige Feld zurüdichlägt, daß er mit
dem Schläger nad bemjelben wirft, jo
verliert er den Schlag.”
„Wenn ein Spieler den Ball auf feinem
Schläger auffängt, mit ihm and Net geht
und über dieſes hinüberreichend ben Ball
ing Spielfeld fallen läßt, fo verliert
er den Schlag.”
„Wenn ein Spieler, während der Ball
im Epiele ijt, über das Net fpringt, um
bie Berührung zu vermeiden, fo ver:
liert er den Schlag.“
Um Spieler verfchiedener Yäbig-
feiten mit Ausfiht auf Erfolg
gegeneinander jpielen laſſen zu
fönnen, bat man die Einrichtung
der Vorgaben (odds) getroffen.
37 Klafjen, die fich auf fogenannte
18 Plus- und 18 Minusklaſſen fo-
wie eine Normalflafie ohne Vor:
gaben verteilen, fußen auf dem
Syſtem. Die fchlechteren Spieler
fommen in die Klaffe unter O, die
Normalklaffe, und erhalten Pius:
vorgaben; die befjeren Spieler kom⸗
men in die Klaffe über O und er:
halten Minusvorgaben, d. 5. fie
ſchulden Vorgaben. Spieler mit
denfelben Vorgaben beginnen bei
Null.
E. Gräfin Baudilffin.
„Plus: Borgaben:
a) Ein ſechſtel fünfzehn ift ein
Schlag, der innerhalb von je ſechs
Spielen eines Satzes an ber durch bie
beigefilagte Tafel bezeichneten Stelle
vorgegeben wird. j
b) Ebenfo find zwei ſechſtel⸗, brei-
a vierfegftelu. fünf-
[es el fünfzehn, zwei bezw.
rei, vier und jünf Schläge, Die
innerhalb von je fech8 Spielen eines
Sate3 an den burd bie Tafel be—
zeichneten Stellen vorgegeben werben.
Beifpiel: Ein Spieler, der vier
fechftel fünfzehn erhält, befommt im dritten
und fünften Spiele nichts, dagegen im
eriten, zweiten, vierten und ſechſten Spiele
eines Sages fünfzehn vor.
Bemertung: Die Tafel ift nicht iiber
das ſechſte Spiel binausgeführt, da in den
nädften und jeden folgenden ſechs Spielen
Pi Vorgaben an benfelben Stellen wieder-
ehren.
ec) Die genannten Borgaben Tönnen zur
Erhöhung ber unter d bis f genannten
PlussBorgaben gegeben werben.
d) Fünfzehn ift Vorgabe eines Schla-
ges zu Beninn eine jeden Spieles
in einem Satz.
e) Dreißig ift Vorgabe von zwei
Schlägen zu Beginn eine® jeben
Spieles in einem Sag.
f) Bierzig tft Vorgabe von brei
Schlägen zu Beginn eines jeden Spieles
in einem Satz.
Bemerkung. Hiernad ergibt fich bie
Stala ver Plusvorgaben, von der
niederſten mit !je angefangen bis zur höch⸗
ſten mit 40, wie auf der angefügten Vor⸗
gaben-Tafel Nr. I unter den Klajfens
zahlen 1ı—18 zu erfehen. Dabei be
deutet 3. 8.
15.1 und !je 15” ,
15.2 „fünfzehn und ®le 15“
30.8 —8 und 3le 15*
80.65 „breißig unb 5le 16” ufw.
Die Spieler, melde Plusvorgaben er:
halten, gehören den Unternormalklaffen an.
XI, 5.
Die Normal:Klaffe (0, serarch) er⸗
hält Leinerlei Vorgaben.“
„Minug-VBorgaben (Schuld):
a) Minus ein fehftel fünfzehn ift
ein Schlag, der innerhalb von je
ſechs Spielen eines Sages an ber durch
die beigefügte Tafel bezeichneten Stelle
geſchuldet wird.
Ebenfo find Ninuszweifedftel-,
prei fedhftel-, vier ſechſtel und
fünffedftel- fünfzehn zwei
bezw. drei, vier und fünf Schläge,
die innerhalb von je ſechs Spielen
eines Satzes an ben burd folgende
Tafel bezeichneten Stellen geſchuldet
b)
werden.
za za a 0a rn
Ö ö| ö, 0 8 ©
— Ye15]| 0 | 0 lolo'-ı| o
—— — — —
— 2/ 164100 i—ı5] o |—15| 0
—%e15|-15 0 —18 0 —ı5| 0
ee
— %/6 16 — 0 — 0 —16 —-16
— 516 |—ı6| 0 —16 —16 —-16 —15
Rricket. Nro. 752.
Beiſpiel. Ein Spieler, der zwei
ſechſtel fünfzehn ſchuldet, würde im dritten
und fünften Spiele fünfzehn, dagegen im
erſten, zweiten, vierten und ſechſten Spiele
nichts ſchulden.
Bemerkung. Die Tafel iſt nicht über
das ſechſte Spiel hinausgeführt, da in den
nächſten und jeden folgenden ſechs Spielen
die Vorgaben an denſelben Stellen wieder⸗
kehren.
c) Die genannten Vorgaben können zur
Erhöhung der unter d big f genannten
Minus-Vorgaben dienen.
d) Minus fünfzehn ift ein Schlag,
gefhuldet zu Beginn eines jeden
Spieles in einem Sat.
e) Minus dreißig find zwei Schläge,
gefhuldet zu Beginn eined jeden
Spieles in einem Sag.
f) Minus vierzig find drei Schläge,
‚ gefhuldet zu Beginn eined jeden
Spieles in einem Sat.
Bemerkung: Hiernad ergibt fi die
Stala der Miuusvorgaben mit der gering:
ften von — Us angefangen bis zur ſchwer—
ften von — 40, wie auf ber beigefügten
Vorgaben: Tafel Nr. Ilunterden Klaffen-
zahlen 1-18 zu erjeben ift. Die den
Zahlen —15, —30 und —40 angefügten,
durch einen Punkt getrennten Ziffern 1,
2, 3, 4 und 5 bedeuten die entfprechenden
Sechſtel von fünfzehn.
| Die Spieler, welde Ninusvorgaben
fhulden, gehören den NUebernormal:
klaſſen an.“
‚5 Kricket.
752. Einleitung. Seit vielen
Sahrhunderten ift der beliebtejte
Sommerjport der Engländer das
Kridetipiel. Aller Wahrjcheinlichkeit
nah iſt es dus Club-ball-Spiel
(Keulenballſpiel), von dem ſchon aus
dem 13. Jahrhundert Berichte vor⸗
liegen. Der Marylebone Cricket
Club in London alzeptierte gegen
Ende des 18. Sahrhundert3 die da⸗
mal? ſchon gültigen Regeln und ift
feit jener Zeit in allen Fragen über
das Spiel für die ganze Welt maß:
gebend geblieben. Die beiten Kricket⸗
mannidaften in England find die
der großen Univerfitäten von Orford
und Cambridge, ſowie der Schulen
von Eton und Harrow. Die Kridet-
Wettſpiele find in England ebenjo
beliebt wie die Polo- und Fußballs
fämpfe; viele Taufende fommen aus
allen Teilen des Snjelreiches wie
der engliſchen Kolonien herbei, um
dem Schaufpiel auf dem „Lord’s
Cricket Ground” im Nordmweften
Londons beizumohnen. Dieſer Platz
gehört dem Marylebone Cridet Club;
die Öffentlichen Spiele dauern drei
Tage, genügen aber durchaus nicht
immer, um eine Entjcheidung zwi=
jhen den Mannſchaften herbeizu—
führen. Das Refultat lautet dann:
unentſchieden! Webrigeng fommen
auch aus den englijchen Kolonien,
Nro. 752.
3. 3. aus Auftralien ganze Kridet-
mannſchaften nad London, ebenfo
ftatten englifche Spieler zu dieſen
„Teſt⸗Matches“ genannten Wett:
fümpfen ihnen Gegenbefuche ab,
woraus man am beiten fieht, welche
Wichtigkeit auch dieſem Sport in
England beigemefien und welche
Role ihm im Volksleben als hygie⸗
nifher Faktor eingeräumt wird.
Außerhalb Englands hat fi das
Kridet in Europa nur in wenigen
Ländern eingebürgert ; und gemefjen
an der engliiden Popularität —
London befist allein gegen 8000
Grounds — fällt der Vergleich für
diefe Klubs recht Häglih aus. Es
fcheint aber, daß zwei Gründe fi
der Verbreitung diefes ſchönen wie
gefunden Sports entgegenitellen ;
dag iſt einerfeit3 die große Mebung,
die er von feinen Anhängern for:
dert und andrerſeits — eine na:
türliche Folge der erjten Bedingung,
da man fagt, ein Kridetjpieler müfje
fein ganzes Leben zu feiner Aug:
bildung einjegen — die Ueberhand—
nahme des Berufgfpielertumg beim
Kridet. Das geht fo weit, daß in
dem fonft fo ftrengen England die
alte Regel: Amateure und Bro:
fejfionals dürfen nie nebeneinander
auf dem Felde ftehen! für Kridet
faſt aufgehoben ift und beideSpieler-
arten fich nebeneinander betätigen.
Für Deutichland ift nun diefer
Auswuchs, der den Sport in jei-
nem Wejen beeinträcdtigt, faum zu
fürdten; vorläufig wird der Sport
bei und nur als Reaktion gegen
die von der fortjchreitenden Zivili-
jation zu unferem Nachteil verän-
derte Lebensweiſe betrachtet und
nimmt als joldhe leider nod) immer
einen zu Kleinen Raum im Leben
des Einzelnen wie im öffentlichen
Anterefje ein. Die geringe Bopus
larität, die gerade diefen Sport feit
Jahren bei ung faſt ftagnieren läßt,
liegt daher eher an der Forde—
E. Gräfin Baudilfin.
rung unaufhörlider Hebung. Nur
die Fußballklubs haben das Kridet
aufgenommen und widmen ihm
furze Sommermonate, ſodaß die
Mannſchaften es doch nit wagen
können, gegen ausländiſche, beſon⸗
ders engliſche, zu konkurrieren. —
Der Hauptplatz für Kricket in
Deutfchland ift Berlin, wo der erfte
Klub (Berliner Kridetffub) im Sahre
1883 von Engländern gegründet
wurde, die das Spiel dorthin ver:
pflanzt hatten. Andere Städte:
Hamburg, rn Cannſtatt, Frank⸗
furt aM. u. . find allmählich
dem guten Seifbiet Berlins gefolgt;
aber von einer allgemeinen Ein-
führung in Deutſchland fann noch
garnicht die. Rede fein. Der 1893
| gegründete „Deutſche Fußball- und
Kricket-Bund“ veranftaltete Meifter-
ſchaftsſpiele; feit 1897 ift jedoch
der Berband deutſcher Ballipiel-
vereine an feine Stelle getreten,
deflen Kridet-Regeln, den englifchen
ziemlich angepaßt und für Deutfch-
land anerkannt, im wejentlichen
fpäter angegeben werden follen. Es
wäre dringend zu wünfdhen, daß
der „König der Ballſpiele“ mehr
Freunde in Deutjchland fände;
leider muß aber fonftatiert werben,
daß das Intereſſe fogar abnimmt.
Aus den fünf größten Klubs in
Berlin (Britannia, Germania, Preu⸗
Ben, Union und PBiltoria) erreichten
in den vorlegten Sahren nur fünf
Schläger einen Durdfchnitt von
10—20 Läufen ; die übrigen blieben
alle unter 10, während in England
die geringfte Durchſchnittszahl 25,
die höchſte (allerdingd von Be:
rufsfpielern erreichte), zwiſchen 40
und 5l lag. Einen nod fchärferen
Unterſchied weifen die Beſuchs—
ziffern der Wettſpiele auf; in
Deutfhland Tamen einmal ala
höchſtes 300 Zufchauer zufammen
— in England find 10000 — Seit
legtem Jahr fogar 12000 die
XI, 5. Rricket.
Norm! — Vielleicht gelingt eg,
allmählich durch fonjequente Pro-
paganda das größere Bublifum für
das Spiel zu interefjieren, wodurch
ſich aud) der Eifer der Mannjchaften,
ihre Stärfe und damit ihre Lei—
ftungen wohl wieder bejjern würden.
Uebrigens hat man in England
begonnen, um das Trainieren nicht
Niro. 753.
beträgt. Die Tore (wickets) ftehen
jih genau gegenüber; parallel zu
ihnen werden in einer Entfernung
von 1,20 m Kerbſtriche (pop-
ping creases) marfiert, in beliebi=
ger Länge. Die Torftride
(bowling creases) bilden gleichjam
die Verbreiterung der Tore und
gehen recht3 und links je lm über
372. Ballen_und Selden.
unterbrechen zu müfjen, das Spiel
für den Winter in gededte Hallen
zu verlegen. Somit hat man dem
Nachteil, über Winter „außer Form“
zu fommen, vorgebeugt. Aller:
dings müfjen fich die Bedingungen
ein wenig ändern; der Ball mird
durch einen leichten Hohlball, der
ihmwere Schläger, dem Ball ent:
ſprechend, durh einen Tennis
ihläger erjegt. Wenndieje lebungen
auch nicht ganz dem Spiel im Freien
entfprechen, jo wird 3. B. doch dem
„Ballmann“ Gelegenheit zu vor—
trefflihem Training gegeben.
753. Der Spielplat. Als Spiel-
feld dient ein ebener, fchöner, kurz—
gehaltener Raſenplatz, deſſen Länge
von Tor zu Tor 20m —= 25 Yards |
(Aus Sport im Bild.)
fie hinaus; ihre Gejamtlänge joll
2,02 m =6 Fuß 8 Zoll betragen;
an den Enden werden fte durch
Spielfeld.
Met. 2,02
Pitch
1290 03:
=
=
“
e-]
2
-
3
2
eopaux 2
Aa und B — Thore oder Wickets.
C und D — Thorstriche oder Bowling creases.
E und F — Kerbstriche oder Popping creases.
378, Spielfeld zu Kridet,
Nro. 754. €. Gräfin Baubilfin.
Querſtriche abgeſchloſſen, wodurch Dad Schlagholz oder die
der Platz zum „Ballen“ entjteht. Der | Keule darf nicht länger als 96 cm
Raum zwiſchen den Toren ift die und an der breiteften Stelle höch—
Spielbahn oder pitch. Die das ſtens 10'/, cm breit
eigentlihe Spielfeld umgebende fein; zu jedem Spiel
Fläche ift unbegrenzt; je größer find zwei Keulen
deſto bejier, da einzelne Spieler e3 nötig, die aus Wei-
vermögen, den Ball über 100 m Ä
und noch weiter zu jchlagen.
754. Die Spielgeräte. Jedes
Tor muß eine Breite von 20 em
und eine Höhe von 66—68 cm
haben; die drei Stäbe, aus denen
e3 ſich zufammenjeßt, find 2 cm
dick und oben durch Querhölzer von
10 cm Länge verbunden, die höd)-
ſtens 1 cm an jeder Seite über das
Tor hinausgehen dürfen. Der
Zwiſchenraum zwiſchen den Stäben
muß fo bemejjen jein, daß der Ball
nicht zwifchen ihnen hindurch kann;
trifft der Ball das Tor, jo müfjen
die Querhölzer herabfallen oder die
Stäbe umjtürzen.
Der Ball darf nicht mehr als
. 163 g und nicht weniger ala 155 &
wiegen; jein Umfang joll zwifchen
23—23', cm betragen. Sein
innerjter Kern bejteht aus Korf,
alla] N
fi 44 PTAETLTZITED | UL) Sn ij ch I}
—6 —V FEB ITNFNINSE TON,
380. Die „Prefi: 381.
dent“=Kridet- Schienbeinfchüger.
Keule.
denholz hergeftellt werden und deren
Griff feft mit Schnur ummidelt wird.
N 2 re, N 3
VRLE —— mr,
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PCM —*
Mini
Hu —
EN
379. Kridetball.
UNEOEUTRSNND
&
*
den eine Wergumhüllung und dieſe
wieder eine feſte Lederfchicht um=
gibt. Diefe Art Bälle find Bor-
ſchrift für alle Wettſpiele; ſog.
„Maſſebälle“ (aus Gummi od.deral.) — *
dürfen dann nicht benützt werden. 382. Krickethandſchuhe.
x1. 5. Rricket.
Handſchuhe ud Scdien-
beinihüsger find im allgemeinen
nur für die Torwädter (cricket-
keeper), die Ballmänner und die
Schläger (batsmen) gebräuchlich.
755. Der Spielgang. Zwei Bar:
teien zu 11 Mann bilden die Spiel:
mannfchaft; auf feiner Seite dürfen
mehr al3 3 Mann fehlen; abwech⸗
felnd bat jede Partei 2 Berteidi-
gungen, falls nicht diejenige, welche
die zweite Verteidigung hatte, 50
oder über 50 Läufe weniger al?
die Gegenpartei erzielte; in diejem
Fall fol fie fofort noch einmal
Ichlagen. Die Barteien Iojen bei
Beginn des Spiel! um die Reihen
folge der Berteidigungen; die ge⸗
winnende Partei fann fih für
Schlagen oder Felden entjcheiden.
Zwei Richter (umpires), ſowie 2 An⸗
fchreiber gehören zum Wettſpiel,
das ſich aus 2 Berteidigungen jeder
Bartei zuſammenſetzt und nad
„Läufen” berechnet wird. Diefe
werden entweder dem Schläger gut⸗
gejchrieben oder als Beiläufer,
Prallbeien, Fehl- oder No-Bälle
oder als Weitbäle notiert. Zwei
Spieler werden vom Verteidiger
an die Tore gefandt und haben mit
den Keulen ihr Ummerfen zu ver-
hindern und den Ball fo weit als
möglich zurüczufchlagen. Die üb-
rigen 9 Spieler verhalten fich paj-
fio, bis ein Schläger „aus“ ift und
on abgelöft wird. Bei der angreifen:
n, ven Partei dagegen nehmen von
“vornherein alle Spieler am Spiel
teil; der „Ballmann” muß den Ball
werfen oder einjchenten, „ballen”,
E wie es technifch heißt, eine Bewe⸗
2 gung, die mit dem ganzen Arm
5 ausgeführt wird, faſt einen Kreis
2 befchreibt und den Ball mit großer
Vehemenz nach) vorn fchleudert gegen
das feindlihe Tor. Der „Tor—
waͤchter“ hat ihn zu empfangen und
- aufzuhalten, falls der „Schläger”
ihn nicht auffangen und mit ſtarkem
—
RT
Ferien "SE
Neo. 755.
Schlag jeiner Keule über die Köpfe
der Angreifer fort zurüdichlagen
fonnte. Die angreifende Partei
nimmt die Verfolgung des Balles
auf, und diefen Zeitraum müſſen
die Schläger benügen, um jchnell
ihre Plätze zu wechjeln; diefer Aus:
taufch ift ein „Lauf“ und je weiter
fort der Ball geichlagen wurde, um:
fomehr „Läufe“ Hin und her können
bis zu feinem Einfangen gemacht
werden; fie gelten aljo zuguniten
des Berteidigers. Spielregelift, daß
fünfmal hintereinander vom felben
Ter geballt wird; ift der Ball dann
ans dem Spiele, fo jagt der Richter
einen „Wechfel” an und die nächſte
Partei fommt fünfmal an die Reihe.
Ein Wettjpiel befteht aljo aus zwei:
mal 2 —= 4 TVerteidigungen oder
„Sängen“ (innings).. Iſt ein
Schläger „aus“ und wird abgelöft,
fo tritt eine Baufe von ca. 2 Minuten
ein, in welder Zeit der Erſatzmann
fih am Tor aufftellen muß. Die
Dauer des ganzen Spiels ift un:
beitimmbar, da fte von den Fähig-
383. Aufftellung der Spieler zum, Kridet.
1. Ballmann, 2. Torwächter, 3. Hinter—
mann, 4 Eckmann, 5. Zweiter Eckmann.
6. Stand, 7. Deditand, 8. Rechts ub,
9. Kints ab, 19. Poiten, U. Dedpoiten,
SS die beiden Schlager, RR die beiden
Richter, AA die beiden Anjchreiber.
—
Nro. 756- 757.
keiten der Parteien abhängt; denn
ein Gang iſt erſt beendet, wenn
alle 11 Spieler der verteidigenden
Partei am Schlag geweſen ſind.
Die Aufſtellung der Spieler er-
gibt fich aus dem beigefügten Plan.
756. Wertung des Spiels.
Die Anfchreiber benutzen vorge:
drudte Schemas, jog. „Score-
Bücher” zum Aufnotieren der ein:
zelnen Läufe, der Fehler jowie der |
Gründe, weshalb die Schläger
„aus“ wurden. Die Laufzahlen
beider Gänge werden fummiert,
Sieger ift die Bartei, die am meiften
Läufe gemacht hat. Bei gleicher
Zahl bleibt dag Spiel unentfchieden.
757. Spielregeln. Der Aus:
zug der folgenden Regeln ift den
„Kridet:Regeln”, vom Verbande
deutjcher Ballfpielvereine angenom:
men und autorifiert, entnommen,
auf die wir im übrigen zur nähe:
ren Kenntnisnahme de Spieles
binweifen.
„Dem Schläger ift ein Laufgutzufchreiben :
jedesmal, wenn er mit dem Schläger am
anderen Tor nad einem Schlage den Platz
gewechjelt hat.
Diefe Beltimmung findet auch auf ge—
ſchlagene Fehlbälle Anwendung,”
„Laufen die Schläger, ohne daß der Ball
den Schläger an dem Tore, auf welches
geballt wurde, oder deſſen Schlagholz be-
rübrt, fo find diefe Läufe als Beiläufe
zu notieren,”
„Berührt der Ball den Schläger (außer
deſſen Schlagholz oder Hand) und eg ent-
ftehen Läufe, jo find dieſe alg Brall-
Beien zu notieren.”
„Für einen Fehl: (Mo= oder Kein) Ball,
der vom Richter zu melden ift, ift unter
alten Umftänden ein Lauf ald Fehlball zu
notieren, aud wenn außerdem noch Läufe
entjtehen. Wird ein Fehlball geſchlagen,
fo find die gejchlagenen Läufe dem Score
bes Schlägers gutzubringen. Beiläufe
werben als Beiläufe gerechnet.”
„Für einen Weitball, der vom Richter
zu melden ift, ift ein Lauf zu notieren:
entftehen durch einen Weitball Läufe, fo
ift nur die Zahl diefer Läufe als Weit—
bälle zu notieren.”
„Läufe dürfen nur entftehen, folange der
Ball im Spiel iſt. Ter Bau ift nicht im
Epiel: 1. wenn er fich feft in ben Händen
bes Ballmannd oder Torwächters befindet ;
@. Gräfin Baudilfin.
2. wenn ber Richter „Wechjel“ verkündet
bat ;3. wenn ein Schläger aus ift; 4. wenn
‚Ball verloren‘ gemeldet ift; 5. wenn ber
Ball ‚tot‘ iſt.“
„Der Richter am Tor bed Ballmanns
foU ‚Fehlball’ (No= oder Kein-BaU) melden,
wenn .
-1. ber Ball nit geballt, fonbern ge:
worfen ober rudmweife gefchleubert
wurbe,
2, ber Ballmann beim Ballen nicht einen
Fuß hinter dem Torftridy und zwifchen
beiden Querſtrichen hatte,
3. der Ballmann in demſelben Wechfel
die Art des Ballend (Dberarm oder
Unterarm) ändert.”
„Der Richter am Tor des Ballmannz
fol ‚Weitball’ melden, wenn nad feiner
Meinung der Schläger den Bau nicht hätte
fhlagen können, weil berjelbe zu weit am
Tor vorbei oder zu hoch darüber hinweg
ging.
„Ter Richter am Tore bed Ballmanns
fol ‚Fehlball’ melden, fofort nachdem ber
Ball die Hand des Ballmanna verlafjen
bat, er ſoll ‚Weitball’ melden, fofort nad):
dem der Bau den Schläger paſſiert hat.“
„Hält ein Angreifer den Ball auf andere
Weiſe, ala mit einem Teile feines Körpers
auf, fo ift ver Ball ‚tot. Hierfür find
fünf Läufe zu rechnen, oder wenn ſchon
mehr Läufe entitanden waren, bie Zahl
der legteren.“
„ver Schläger ift aus:
1. ‚Seballt.‘
Wenn fein Tor dur ben Bal ge:
troffen wird, auch wenn der Bal zu—
erſt das Schlagholz berührt Hat.
2. ‚Sefangen.’
Wenn der Ball nad) einem Schlage mit
dem Schlagholz oder mit der Band
(niht Handgelend durd einen
Angreifer gefangen wird, ohne bie Erbe
berührt zu haben.
Wenn der Schkiger ausgefangen
wird, fo lönnen feine Läufe entftehen.
3. ‚Ausgeftoßen.’
Wenn der Edjläger bei oder nadh
einem au nit auf feinem Plage
ift und fein Tor durd einen der An=
greifer zerſtört wirb.
Der unvollendete Lauf zählt in
biefem Falle nicht.
4. ‚Borgeftanden.‘
Denn der Schläger mit einem Tore
feines Körpers den geballten Ball, ber
nad Meinung des Richters das Tor
hätte treffen müſſen, aufhält.
5. ‚Selbdft aus.‘
Wenn ber Schläger beim Schlagen
ober Laufen das Tor mit feinem Schlag
holz, feinem Körper oder feiner Klei⸗
dung zerftört,
XI. 6. Bockey.
6. ‚Feldhinbernis.’
Wenn ber Schläger unter dem Bor- Ä
wanbe des Laufens oder fonftwie mit !
Au bficht einem Angreifer beim Fangen
des Baus hinderlich ift.
7. ‚Doppelt geſchlagen.“
Menn der Schläger, nachdem er den
Bau geſchlagen oder mit feinem Körper
aufgehalten, zum zweiten Male fchlägt,
um dadurch Läufe zu erzielen, es ſei
denn, er tut dies um fein Tor zu
retien, in weldem Falle ev außer dein
Nro. 758.
Schlagholz auch jeden Teil feines
Körpers benugen darf.
8. ‚Außsgelaufen.’
| Wern der Schläger beim Laufen nicht
| auf jeinem Plage ift und fein Tor zer⸗
| ftört wird,
9. ‚Ballanfafien.’
Wenn der Echläger den Ball, während
diefer im Epiele ift, obne Erlaubnis
eines Spieler der Gegenpartei auf:
nimmt.”
6. Dockey.
Landhocdkey.
758. Einleitung. Hockey hat
ie die Übrigen Ballipiele Polo,
zolf 2c. eine lange Beraangenheit;
in Urſprung ift bei den alten
legyptern, den Römern, im Mittel:
ter bei den Perfern und By:
antinern nachzumeifen. Der jebige,
Ugemein benügte Name jtammt
on dem franzöfifhen „hocquet“,
em Scäferjtod, der in Frankreich,
benfalls im Mittelalter, zum Ball
piel gebräuchlich war; allerdings
yatte der Ball damals noch die
Bröße und Schwere des Fußballes,
während er jet dem Kridetball
gleicht. In England fpielte man
Hodey unter dem Namen Hurley
oder Shinty, big der Wimbledon:
Klub im Jahre 1883 neue Regeln
aufftelte und das Spiel unter
verändertem Namen gleichjam neu
erihuf. Denn auch den Spiel:
charakter gejtaltete er gänzlich um.
Heutzutage ift es ein regelrechtes
Mannſchaftsſpiel gemorden und
findet jhon deshalb immer mehr
Anklang —, früher bildete der „An—
griff“, der von acht Stürmern aus⸗
geführt wurde, die Hauptjache, die
Verteidigung ruhte auf zwei Halb—
ipielern und einem Torwächter. Der
Wimbledon:Klub teilte die Mann:
Ihaft in vier Glieder ein, die ſich
gegenfeitig ergänzen und von deren
Zufammenjpiel, nicht von den her-
vorragenden Zeiftungen des Ein-
zelnen, der Erfolg abhängt. Die
im Jahre 1886 gegründete Hockey—
Aſſoziation ift für alle das Spiel
betreffenden Fragen maßgebend ; fie
bat ganz England in „Dijtrikte”
eingeteilt und veranftaltet in dieſen
interne Wettkämpfe, bei denen die
Mannihaften zum Ausfechten der
internationalen Wettjpiele ausge
fondert werden. Bon England aus
bat fih das Spiel über Auftralien,
Amerifa hier bejonderd in
Kanada — und über den euro-
päiſchen Kontinent verbreitet; in
Deutfchland ift es ein® der be—
fanntejten Raſenſpiele gemorden.
Bon allen Städten jteht Berlin
mit verjchiedenen Klub und vor:
züglichen Mannſchaften obenan;
ſeit 1899 finden dort regelmäßig
Wettſpiele ſtatt. Auh Damen:
Hodey-Klub8 gibt e8 in Berlin, und
da fih der Sport vortrefflich für
Frauen eignet, ift zu hoffen, daß
auch in anderen deutjchen Städten,
in denen ſich dag Hoden einge-
bürgert hat, das gute Beiſpiel der
Hauptitadt Nahahmung finden wird.
Neo. 759-760.
Jedenfalls verdient dad anregende
und gejunde Spiel eine weite
Berbreitung.
759. Der Spielplag. Die Regeln
der englifhen Hockey-Aſſoziation,
die von den deutjchen Klubs über-
nommen worden find, bejtimmen
ald Länge des Spielplages 90 m
R
IN
D
8
5
N
N
d
8
%
7
Goal -Linie 4555 m
384. Plan des Spielplates zu Hodey.
zu einer Breite von 45—55 m.
Die Abgrenzung gejchieht durch
weiße Linien und an den Ecken
aufgeftelte Fahnen. Der Plaß
muß durchaus eben fein, da bei
hügeligem Gelände ſtets eine Partie
im Vor: oder Nachteil gegen die
andere fein wird. Den anges
nehmjten Boden bietet ein furz ge:
baltener Rajen. Die Linien werden
Geitenlinien und Tor- oder Goal:
linien benannt; in der Mitte der
legteren befinden fich die Tore, goals,
die aus je zwei aufrechten, 3,6 m
voneinander entfernten Pfoften und
einer in einer Höhe von 2,1 m
angebrachten Querſtange beftehen.
€. Gräfin Baudiſſtn.
Zwiſchen diefem Holzwerf, das weiß
angeftrihen wird, befeſtigt man ein
Neg, in dem der Bal fich fängt,
wenn er dad Tor paffiert. Bor
jedem Goal wird in einer Ent:
fernung von 13,65 m und parallel
zur Goallinie eine 3,6 m lange
Linie gezogen, von deren Enden
Biertelfreife zur Goallinie geben,
fodaß die Torpfoften die Mittels
punkte dieſes „Schußkreiſes“ bilden.
Die Seitenlinien ſind durch die
„Mittellinie“ zu verbinden, deren
Mittelpunkt ebenfalls bezeichnet
wird; die ſogenannten „221, m
Linien“ laufen parallel zur Torlinie
über den Platz.
760. Die Spielgeräte. Die
Hodeyftöde haben heutzutage
gegen früher ein leichtered Gewicht;
es ſoll nie mehr ald 28 englifche
Unzen = 907 g betragen. Genau
zu bejtimmen ift es nicht, es gibt
feinen „Einheitsftod”, da jeder
Spieler fi Gewicht wie Form des
Eur) )
385. Hockeyſtock und Ball.
Griffes felbft mwählt.
und leichtere, die Verteidiger län:
gere und fchwerere Stöde benüßen.
Die Vorſchriften verlangen außer:
dem, daß die Stöde ohne jeden
Metalbeihlag find, noch ſcharfe
Kanten haben, und daß fie fich
durd) einen Ring von 5 cm Durch⸗
meſſer hindurchziehen lafjen.
Der Ball ſoll ein gewöhnlicher,
mit weißer Farbe geſtrichener
Kricketball ſein, alſo ein Gewicht
von 150—160 g beſitzen.
Metallbeſchlag oder hervorſtehende
Nägel am Schuhwerk der Spieler
ſind verboten.
Im allge⸗
meinen werden die Stürmer kürzere
XI, 6. Borken.
761. Der Gang des Spieles.
Eine Hodeymannjhaft bejteht aus
je elf Mitgliedern, die, nachdem
ver Ball „abgeihhlagen” worden
ift, verjuchen, ihn mit ihren Stöden
durch daS feindliche Tor zu treiben.
Gewonnen hat diejenige Partei,
die innerhalb der fejtgefegten Zeit
— gemwöhnlihd 1 Stunde 10 Mi:
rıuten, mit einer Pauje nad) 35
Minuten — die meilten Tore er:
zielt hat. Die fünf Stürmer jeder
Mannschaft jtehen fich beim Beginn
des Spieles an der Mittellinie
gegenüber; 5—10 m Hinter ihnen
die drei Marfmänner, dann folgen
die beiden Malmänner und zur
Berteidigung der Tore die Tor—
wäcdhter. Um das Recht der Goal-
wahl wird vor Beginn des Spiels
geloft, nad) der erſten Spielhälfte
werden die Seiten gewechſelt. Das
Charakteriftiide am Hodey ift das
„bully“, mit dem das Spiel be:
386. Der Abjchlag (bully).
ie gonnen und das nach jedem goal,
Me fowie nad der Pauſe wiederholt
| wird. Zu feiner Ausführung ſtehen
fih die zwei Mittelftürmer dicht
IR gegenüber und fjchlagen mit dem
Stod dreimal abwechjelnd auf den
„sh Boden neben den Ball und auf
* den Stock des Gegners über dem
"Ball — dann erſt darf der Ball
getroffen werden. Die Gefichter
der beiden Spieler müſſen hierbei
den Seitenlinien zugemwendet jein.
Die Kunft beim Abjchlagen des
-
»
Niro. 761—762.
Balles liegt nicht darin, ihn meit
zu treiben, jondern ihn ficher der
eignen Partei zuzufchlagen. Wie
bei allen dem Affoziation ähnlichen
Spielen geht das Bejtreben jtet3
dahin, den Ball aus dem Gedränge
heraus ing offene Feld zu bringen,
und jo flient er andauernd von
einem Flügel zum andern, bis er
in die Nähe eines feindlihen Tores
gelangt ift ; dann wird erindie Mitte
„gepaßt“, um von hier aus durch
den Mitteljtürmer durchs Goal ge=
Ihlagen zu werden, ein Angriff,
dem natürlid vom Torwächter wie
von den Malmännern begegnet wird.
Erzielt wird ein Goal, wenn der
Ball die Linie zwiſchen den Goal-
pfojten fliegend oder rollend unter:
halb der Querſtange pajjiert,
doch nur, wenn er innerhalb des
Schußkreiſes von einem der An-
greifenden Durchgejchlagen wird oder
von deſſen Stock abprallt.
Der erzieherifche Wert des Hockeys
liegt in der ftrengen Disziplin, die
es von allen Mitjpielern fordert;
nur wenn den Beitimmungen des
Spielwarts unbedingt gehorcht wird
und zwiſchen „Angriff“ und „Ver:
teidigung“ vollſtes Einverftändnis
herrſcht, kann auf Erfolg gehofft
werden. Bor Ajioziation hat das
Hockey voraus, daß der ganze
Körper, nicht nur die Beinmuskeln,
ausgebildet werden.
Die Entjheidung über das Spiel,
ein „goal“, ein „bully“ oder ein
„Strafbuly“, haben Die beiden
Richter zu fällen, von denen jeder
eine Hälfte des Spielfeldes be-
berrjcht und eine ganze Seitenlinie
fontrolliert. Der Schiedsrichter
gibt den letten Ausjchlag über
alle8 und fungiert zugleih als
Beitnehmer.
762. Die Spieler. Wünjcht ein
Spieler auf den Fehler eines
Feindes aufmerkſam zu machen,
jo hebt er den Arm hoch — jedes
Niro. 762.
Burufen oder perfönlihe Gezänk
ift verpönt, der Spielmart fol
allein der Sprecher für jeine Mann:
Ihaft fein. Die engliide Bor:
fohrift, den Ball nur von rechts
. nah links zu Schlagen — eine
Ausnahme ift nur „Linfshändern”
geftattet, die eigens hergeftellter
Stöde bedürfen, um ihrer Eigen-
tümlichfeit Rechnung zu tragen —
findet auch in Deutfchland jetzt
mehr und mehr Anklang; fie be:
dingt, daß die rechte Hand den
Griff des Stodes unterhalb der
“ Tinten faßt. Das Spielen wird
durch diefe Regel für den linfen
— allerdings erſchwert; der
Ball muß hier entweder „ange⸗
halten“ werden, wozu auch die
rechte Seite des Schlagendes be=
nutzt werden darf, oder der Spieler
muß verfuden, fi fo dem Ball
zu nähern, daß beim Schlagen
feine linfe Schulter der Richtung
zugewandt ift, die der Ball neb-
men foll.
Eine zweite Beftimmung über
das Schlagen lautet dahin, daß
der Stod niemald über Schulter-
höhe gehalten werden darf, und
ferner, daß fein Spieler in das
Spiel eingreifen darf, der den
Stod nit in der Hand hat.
Berftöße gegen dieje Regel heißen
„Stöde”. Der Bal wird beim
Schlagen weder abſichtlich gehoben
noch „gejchnitten“, feine Bewegung
joll mehr durch ein Fortfegen als
ein ruckweiſes Schlagen gejchehen.
Es iſt geftattet, den Bal mit der
rechten oder linten Hand aufzu—
fangen, vorausgefegt, daß man
auch den Stod hält, doch muß der
Ball dann fofort fenfrecht auf die
Erde geworfen werden, darf alfo
weder in die Höhe geworfen, noch
auf der andern Seite des Körpers
fallen gelajjen werden.
Bon den Stürmern fällt dem
Mitteljtürmer die wichtigſte Rolle
E. Gräfin Baudiſſin.
zu, er ſoll ſeinen Platz in der
Mitte der Stürmerreihe nur in
Notfällen verlaſſen. Da er die
beiden angreifenden Flügel quaſi
durch ſeine Perſon verbindet, ſo
muß er imſtande ſein, den Ball
gleich ſicher nach beiden Seiten
ſchlagen zu können. Steht das
eigene Tor in Gefahr, jo muß er
den Ball wieder den Seiten zu—
ipielen, während der Angriff aufs
feindliche Goal, wie ſchon bemerft
wurde, ſtets von der Mitte aus zu
gefchehen bat. Die Aufgabe der
inneren Flügelftürmer be-
fteht im ftreng fombinierten Spiel;
fie haben einander ſtets zu decken,
in der Art, daß wenn einer von
ihnen den Ball jpielt, der andere
|
ihn gegen feindliche Angriffe zu
hüten ſucht.
Bon den äußeren Flügel:
ftürmern bat der linfe ein
ſchwierigeres Amt als der rechte,
da er den ihm zurollenden Ball
erſt anbalten muß, ehe er ihn
Thlagen Tann; bat der Ball die
Seitenlinie pafjtert, jo müffen die
äußeren Flügelftürmer ihn „ein
rollen“, worüber die Regel jagt:
. er fol am Boden entlang
eingerollt werden, und zwar dort,
wo er die Linie paffiert hat, und
von einem Spieler derjenigen
Partei, welche den Bal nicht zu=
legt berührt hat. Der Bal darf
in jeder Richtung außer nad) vorn
eingerolt werden. Kein anderer
Spieler darf innerhalb 4!/, m von
der Geitenlinie ftehen. Der Ball
darf jofort eingerollt werden, aber
wenn der Schiedsrichter Der
Anfiht ift, daß ein Spieler der
Gegenpartei in der Abficht, Zeit
zu gewinnen, innerhalb der 4'/,
Meterlinie jteht, foll er den Ball
nicht zurüdrufen. Der Spieler,
welder den Bal einrollt, muß mit
beiden Füßen Hinter der Seiten:
‚linie ftehen und darf den Bau nicht
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XI. 6. Borkey.
eher berühren, als bis er von einem
andern Spieler berührt oder ge:
ſchlagen worden ift.“
Auch das „Dribbeln“ des Balleg,
da8 Bormärtstreiben mit kurzen
Schlägen, liegt den Stürmern ob,
weshalb fie die fchnelliten und
beiten Läufer der Mannfchaft fein
müfjen.
Die Marktmänner bilden die
Berbindung zwifchen Angriff (Stür:
mern) und Verteidigung (Mal-
männern).. Demnach haben fie
überall und nirgends zu fein und
eigentlich alle Pflichten der übrigen
Mitglieder ihrer Partei zu erfüllen.
Man ftellt deshalb befonders zum
mitteljten Markmann, der gewöhn⸗
lich auch zugleich der Spielwart
ift, die beften Spieler auf dieſe
verantwortlichen Poſten. Da fie
dem Angriff wehren, der den Flügel
der Stürmer umgeht, jo fommen
fie faum je in die Lage, den Ball
zu „dribbeln“, fondern müſſen ihn
- mit Träftigen, ftarten Stößen wie-
der nach vorn treiben können oder
. ihn nad rüdmwärts, den Malmän-
nern zu „paflen“. Bei der Der:
teidigung des eignen Tores unter-
ftügen die Markmänner den Tor:
wächter und dürfen hierbei auch
in den Stod des Gegners mit dem
eignen einbafen, jedoch nie jeinen
Körper feithalten, wie die Regel
über diefe Art des Spielend be:
‚Sagt. — Die Malmänner haben
ihre Stellung Binter den Mark—⸗
männern, müſſen dieſe ergänzen,
aber in einer Weife, daß fie nie-
mals im Wege find noch die hintere
Hälfte des Spielfeldes unbeauffich-
tigt laſſen; ebenjo haben fie dem
Torwächter bei der Verteidigung des
Goals beizuftehen, ihm aber aud
genug Ellbogenfreiheit zu laflen.
Häufiger als die andern Spieler
werden die Malmänner dazu kom⸗
men, den fih dem Schußkreis
nähernden Ball aufzuhalten — ſei
ı Händen halten,
ed mit dem Stod oder dem Fuß —
und ihn, dann erſt wieder fortzu-
ſchlagen.
Die Rolle des Torwächters
iſt wichtiger als gerade intereſſant;
denn ſie beginnt ja erſt im letzten
Viertel des Spiels. Verſteht er
ſich aber auf ſein Amt, weiß alſo
ſeine Partei, daß ſie ſich feſt auf
ihn verlaſſen kann, ſo wird ihr
Spiel um ſo freier ſein. Den
nahenden Ball darf der Torwächter
mit dem ganzen Körper, mit Hän-
den, Füßen oder dem Stock auf:
halten, aber auch für ihn gilt die
Regel, daß er niemals ohne Stod
jpielen darf; um den berbeifliegen-
den Bal je nad feiner Richtung
mit der rechten oder linken Hand
auffangen zu können, fol der Tor:
wächter den Stod immer in beiden
um durch das
Wechſeln keine Zeit zu verlieren.
Rollt der Ball heran, jo wird der
Torwächter ihn meiſtens mit dem
Fuß feithalten und ihn dann mit
dem Stod, oder ilt hierzu feine
Zeit, durd) einen Tritt feiner Partei
wieder zujenden. Aus dem Schuß-
freiß heraus darf der Tormächter
nur in Äußerften Notfällen laufen;
dagegen wird er den Ball ſchon an
der Grenze des Schußfreifeg em: _
pfangen, beſonders wenn die Mal:
männer nicht zur Hand find. —
Für den Torwädter find Scien-
beinfhüger allgemein üblih, auch
wenn diefes Amt von Damen aus:
gefüllt wird; die übrigen Spieler
benügen fie jelten, da fie die Be—
mwegungsfreiheit hindern, dagegen
werden vielfah Handjchuhe zum
Schuß der Hände getragen.
763. Die Spielregeln. Bon
den Spielregeln, die mit den Regeln
der englifhen Hockey-Aſſoziation
übereinjtimmen, werden im folgen:
den noch diejenigen angeführt, die
nicht Schon bei der Erläuterung des
Spield gegeben worden a
9
Niro. 763.
"
—— ——
Nro. 764. E. Brafın
„Abfeits. Jeder Spieler ift abfeits,
weldher im Moment, in welchem einer feiner
Partei den Bal trifit, der Goallinie der
Gegenpartei näher fteht, ald der den Ball |
fhlagende Spieler, jolange nicht wenigfteng
brei Spieler der Gegenpartei ihrer eigenen
Goallinie näherftehen. Er barf dann ben
Bau nicht berühren, oder ſich demſelben
nähern, oder ſich innerhalb 4! m von
bemjelben aufhalten, oder irgendwie einen
der übrigen Spieler behindern, bis der Ball
von einem Spieler der Gegenpartei berührt
oder gefchlagen worden ift.“
„Freiſchlag. Während eines Yrei-
ſchlags darf fein Spieler, außer bemjenigen,
ber jchlägt, innerhalb 4'/s m von der
Stelle ftehen, wo ein folder Schlag ge:
macht wird, auch barf der den Schlag
Ausführende den Ball nicht wiederberühren,
bis legterer einen anderen Spieler be—
rührt bat oder von ihm gefchlagen worden
ift. Wenn ber den Schlag Ausführende
nad dem Ball ſchlägt, ohne ihn zu treffen,
fol der Schlag wiederholt werden.”
„Strafſchläge. Für einen außerhalb
des Schußfreifes begangenen Berftoß, er:
hält der Gegner einen Freiſchlag an ber
Stelle, wo der Berftoß begangen wurde;
begeht die angreifende Partei innerhalb
des Schußfreifes einen Berftoß, fo kann
die verteidigende Partei einen Freifchlag
rellamieren; begeht aber die verteidigende
Partei innerhalb des Schußfreifes einen
Verftoß, fo kann die angreifende Partei
nur ein Bully reflamieren.”
„Strafbully. Ein Strafbuly wird
verhängt, wenn die verteidigende Partei
innerhalb des Schußkreiſes „ipielwidrig“
(Rreuzen des Gegners von links, Behinde-
rung des Gegnerg 2c.) oder gegen bie Negel :
„Stöde” verfuhr ; das Strafbully wird an
der Stelle, wo der Verftoß begangen wurde,
ausgetragen. Angreifer und erteidiger
müſſen während des Strafbullyg außerhalb
des Schußkreiſes ftehen, und ber Ball iſt
für feine Partei eher im Spiel, als bis
er aus dem Schußkreis herausgebradt
worden 1jt.”
„Eckball. Wenn der Ball von ber an-
greifenden Partei hinter die Goallinie ge—
fhlagen wird, wird er 22! m weit hin-
ausgebracht und dort dur ein Bully ab:
neihlagen und zwar genau gegenüber der
Stelle, wo er die Goallinie paſſiert hat.
Wenn aber der Ball von einen: hinter ber
2212 Meter-Linie ftehenden Spieler der
verteidigenden Partei abprallt, oder nad)
Anficht des Schiedsrichters unabfichtlich ge—
fhlagen wird und dabei über die Goal:
linie geht, erhält ein Spieler der angrei:
fenden Partei an einem Punkt auf ter
Seiten- oder Goullinie innerhalb 2° m
von der nächſten Edfahne einen Freifchlag,
und ed müffen babei die Verteidiger alle
hinter ihrer Goallinie, bie Angreifenden
außerhalb des Kreiſes fein, big der Ball
abgefhlagen mworben iſt. Wenn aber nad) |
Baudiffin.
Anfiht des Schiedsrichters ber Ball mit
Abſicht feitens eines der Verteidiger hinter
die Goallinie geſchlagen wird, fol die an—
greifende Partei an dem Punkte auf ber
Goallinie einen Freiihlag erhalten, an
weldem ber Ball die Linie paffiert, und
alle Spieler müffen hinter der Goallinie
reſp. hinter der Schußtreislinie ftehen,
während fein Spieler innerhalb 4'j2 m
von dem den Schlag Ausführenden ftehen
darf, wenn ein folder Freiſchlag gemadht
wird. Kein Freifchlag darf näher als 4’.
m vom Goal zur Ausführung gelangen,
noch fann ein Goal von der angreifenden
Partei bei einem folhen Freiſchlag erzielt
werben, bi3 der Ball von einem Spieler
ber angreifenden Partei auf der Erde völlig
angehalten worden ift oder die Perfon ober
ben Stod eines Spielerd der verteidigen:
den Partei berührt hat.”
Eishockey.
764. Einleitung. Auch das Eis-
bodey ift von altersher befannt;
auf holländiſchen Kadjeln aus dem
Mittelalter und alten Kupferſtichen
find Schlittſchuhläufer dargeftellt,
die mit einem am Ende gelrümm:-
ten Stod einen Ball vor ſich her—
treiben; ein Gobelin im Befite des
Könige von Württemberg veran-
ſchaulicht ebenfalls ſolch ein Spiel,
das dem heutigen Eishodey fehr
ähnlich war. Seine ftrengen Regeln
allerdings find noch jüngeren Da-
tums als die des Landhodeys und
entftammen dem Baterlande des
Sports, old England.
Am verbreitetiten ift dag Spiel
in Kanada, wo es jedoch mit weit
längeren, unten Elingenförmig aus-
laufenden Stöden, außerdem ftatt
des Balles mit einer Scheibe aus
Gummi und in gededten Kunfteis-
bahnen gejpielt wird. Die englifhen
Regeln, von der „Bandy-Afjozia=
tion“ verfaßt — in England heißt
das Spiel „bandy“ — find überall
in der Welt gültig und aud) vom
„Berliner Eißhodey:Verband“ über:
nommen. In Deutſchland ift Berlin
der Hauptfit des Sporteg, und die
vorzüglihen Mannichaften des „Aka⸗
demifhen Sport:Klub8” wie des
Ray
X r Tu
XI. 6. Borken. ‚ro. 765.
„Anglo-American-Club“ gehen all-
jährlih nad) Davos und St. Morit
zu den dort jtattfindenden inter—
nationalen Wettfämpfen. Derfchöne,
neue „Eispalaſt“ in Berlin bietet
jegt oft den Rahmen für das an:
regende Spiel, das jogar das
deutfhe Publifum, dem die Frem—
den jonjt eine ziemliche Gleichgül:
tigkeit gegen fportlihe Veranſtal—
tungen nachſagen, zu lautem En—
thuſiasmus hinreißt; denn natürlich
geftellte Fahnen bezeichnet. Der
Eishodeyitod,der „bandy“, ſoll von
Holz, ohne Metallbeichläge und nur
5 cm did jein; er ift weniger jtarf
am Ende gebogen als der Stod
des Landhockeys und auf beiden
Seiten zum Schlagen eingerichtet.
Der Ball, im Durchmefjer 6 bis
7 em, befteht aus mafjivem Gummi.
Gleich dem Landhodey fol der Stod
immer mit beiden Händen gefaßt
und nie über Schulterhöhe erhoben
3587. Damenhodey in der Schweiz. (Aus Sport im Bild.)
fönnen nur fehr gewandte Schlitt- | werden; auch das Vorwärtsfegen
ſchuhläufer ſich am Spiel beteiligen.
Eishodey wird in der Schweiz auch
viel von Damen gejpielt.
765. Der Spielgang. Die Auf:
ftellung der Spieler, elf auf jeder
Seite, ift diefelbe wie beim Lande
hodey und ändert jich auch nicht in
der Tiefengliederung, falls bei einen
kleineren Plage — die Bandyregeln
verlangen 100 m Yänge zu 50 'm
Breite — weniger Spieler teil:
nehmen.
Die das Spielfeld umgrenzenden
Linien heißen Seiten: und Goal:
linien, die Mittellinie wird meistens ,
durh an den Geitenlinien auf:
des Balles, jtatt des ruckweiſen
Schlagens, iſt beim Eishockey Be—
dingung. Die Taktik des Spieles,
das Paſſen, Dribbeln ꝛc., iſt dies
ſelbe wie beim Landhockey; die
Exaktheit der Ausführungen aber
natürlich durch die glatte Fläche
erijchwert. Als Schlittichuh werden
niedrige bevorzugt, die plößliches
Anhalten und feſtes Stehen ermög—
lichen.
Einige „Bandy:Regeln“.
„Die Goals befinden fih in der Mitte
jeder GoallinieYund bejtehen aus je zwei
aufredhten 3,25 m von einander entfernten
Pfoften und einer in einer Höhe von 2,10
‚m angebradten Querjtange.“
BEN I
Nro. 765. E. Gräfin
„Es wird zweimal 40’Minuten gefpielt.“
„Am Anfang des Spield, und nachdem
ein Goal gemadt worden ift, wirb folgen=
dermaßen aufs neue begonnen. Der Ball
wird in ber Mitte des Plages hingelegt.
Kein Spieler darf näher ala 4 m vom Ball
jtehen, bis der Schiebsrichter ein Zeichen
gibt, worauf der Ball im Spiel ift.“
„Ein Goal ift erzielt, wenn der Ball die
Goalpfoften unterhalb der Stange paſſiert.“
„Wenn ein Spieler den Ball berührt,
ift jeder Spieler, der in bemfelben Augen
blid der gegnerifchen Goallinie näher ift,
abjeits, faus nicht wenigſtens zwei gegne=
rifhe Spieler ihrer eigenen Goallinie näher
find. In dieſem Falle darf er den Ball
Baudilfin.
werden. Das Anrempeln, Treten, Feit-
halten, Beinftellen, Werfen des Stod3 und
robe3 Spiel ſollen nicht geftattet werben.
Das Einhalen der Stöde ift auch nicht zu=
Läffig.“
„Wenn ein Ball die Seitenlinie paffiert
bat, wird er ſogleich dort, wo er bie Linie
paffiert hat, ins Spielfeld gefhlagen, und
zwar in irgend einer Richtung außer vor—
wärt3, und von einem Spieler derjenigen
Partei, die ihn nicht zulegt berührt hat.
Die übrigen Spieler müfjen mindeftens
4 m von der Seitenlinie entfernt ſtehen.“
„Wenn der Ball von ber angreifenden
Partei Hinter die Goallinie der vertei-
digenden Partei, aber nicht burch das Goal
388. Im Kampf um den Ball. (Aus Sport im Bild.)
nicht "berühren, nod in irgend welder
Meife einen andern” Spieler behindern,
ehe der Ball von einem Spieler ber Gegen—
partei berührt worden ift. Nein Spieler
fann auf feiner eigenen Hälfte des Spiel-
felds abſeits fein.“
„Der Ball darf mit jedem Körperteil
und mit bem Etod, doch, wenn er auf dem
Eije liegt oder rollt, nit mitäder Hand
angehalten werden. Auch darf ’er nicht
aufgehoben, getragen, getreten, geworfen
oder neichlagen werden (es fei denn mit
dem Stod). Der Goalwächter bildet inſo—
fern eine Ausnahme, als er den Ball treten
darf. Der Ball darf gefangen, {muß jedoch
fofort auf derſelben Stelle fallen gelafjen
gejhlagen wird, fol er von einem ber
Verteidiger wieder in bes Spielfeld ge-
fhlagen werden, und zwar von irgend
einem Punkte auf der Goallinie innerhalb
10 m ‚von bem nädjften Goalpfoften und
auf ber Seite, an welcher der Ball bie
Linie paffiert hat; bie angreifende Partei
muß wenigften® 20 m von ber betreffen-
den Goallinie entfernt fein. Wenn aber
der Ball zulegt von einem Spieler der
verteidigenden Partei berührt wird, ebe
er die Goallinie paffiert, jo fol ein Spieler
ber angreifenden Partei von irgend einem
Punkte auf der Seitenlinie innerhalb 2'je
m von ber nädjften Ede einen Freifchlag
maden. Im Augenblid eines folden Frei=
XI. 6. Borken. Nro. 766.
=
|
Ihlages müffen alle Verteidiger hinter ihrer gern gejpielt wird, ift das Curling.
N *
eigenen Gonilinte fehen.“ ‚Seine Heimat ift Schottland
„Die Strafe für irgend eine Verlegung | J : , : f
der Regeln fol in einem Freifhlag für | eine Abart von ihm das auf Schiffen 94
die — Mannſchaft —5 und | jo beliebte „shuffle“, bei dem an Hi
zwar an ber Stelle, wo der Berjtoß gegen : : |
bie Kegel ftattfand“ Deck Ringe nah einem Bilod |
„Das Spiel wird von einem Sciebs:
richter geleitet, deſſen Pflicht hauptſächlich
darin beſteht, alle ſtreitigen Punkte (auch
ohne Reklamation) zu entfcheiden, ſich ben
Stand des Spiels zu merken und als Zeit— |
geworfen werden. Das Curling:
ſpiel gipfelt darin, die Curling
fteine, flahe, granitne Steine mit
einem Handgriff und einem Gewicht
PH WR
5 "Pi
39. Ein vorfchriftsmäßiges Tor für das Spiel mit dem Ball.
(Aus Sport im Bild.) EM 4
F nehmer zu fungieren. Seine Entſcheidung yon ca. 30 Pfund möglichit nahe ih, *
„, — wird von derjenigen ans Ziel zu werfen und zwar ſo,
Mannfchaft gewonnen, melde die meiſten daß fie über das Eis rutſchen. Der
2 Goals erzielt.“ Ä zum Spielen nötige Pla muß eine
eh Länge von 40 m haben und an
I Das Curlinglfpiel, jeinen Grenzen je einen Holzpflod,
# die „Zaube”, um den ‚Kreife ver:
jr 766. Eisfchießen. Ein Eisfpiel, | fchiedener Größe — der größte von
das weniger anſpruchsvoll als Eis- 2 m — gezogen werden. Aehnlich
hockey iſt, da es weit geringeren Platz wie beim Boccia verſucht nun jede
beansprucht und nicht von Schlitt- | Bartei, ihre Steine dem Biele jo nah
ſchuhlaufern, fondern von Fußgän- | wie möglich zu bringen, reſp. bie
Nro. 767.
Segenpartei fortzufchieben und ſich
an ihre Stelle zu legen. Der An-
führer gibt vom Ziel aus an,
wie zu werfen ift, um einen gut—
390. Ein Eurlingjtein.
liegenden Stein 3. B. einzufreifen |
und gegen den Feind zu jchügen.
Solde dedenden Steine heißen
„Hüter“. Diejenige Partei gewinnt |
und erhält einen Point, die mit,
E. Hräfin Baudilfin.
einem Stein dem Ziel am nächſten
gefommen ift; 21 Points madhen
ein Spiel aus. Sm allgemeinen
wird mit vier Spielern auf jeder
Seite gejpielt, von denen jeder
zwei Steine hat. Die Regeln der
ſchottiſchen Klubs find überall für
das Curlingfpiel gültig; jie beftim=
men, „daß jeder Spieler einen
Bejen haben joll“ ; die Partei des
Spieler8 darf fegen, wenn der
Stein die mittlere Duerlinie über-
ichritten hat, die gegneriihe Par:
tei, wenn der Stein dag Ziel
erreicht hat. Das Fegen darf den
Gang des Steine nicht behindern.
Das Curlingſpiel, in Norddeutjch-
land leider faſt ganz unbefannt,
wird in Süpdeutjchland, bejonders
in Bayern, eifrigjt unter dem Na—
men „Eisjchießen“ gepflegt.
7. Krocket.
767. Einleitung. Das Krocet
joll jhon von den alten Kelten
in ähnlicher Form wie heute mit
Hammern, Kugeln und Toren ge-
jpielt worden jein; als fein direkter |
Vorläufer ift jedoh das jeu de
mail zu betrachten, da® wieder aus |
dem „chole“ entjtanden ift. Aus:
führlider wurde über den Zuſam—
menbang diejer Spiele in der Ein:
leitung zum Golfſpiel gejprocden,
da beide Spiele, Krodet wie Golf,
gemeinjamen Urjprungs, ja eigent-
lic) zuerſt identisch find — denn |
das jeu de mail à la chicane
beftand 3. B. darin, ein Ziel, von
einem bejtimmten Punkt aus be:
ginnend, in möglichit wenig Schlä-
gen mit der vom Hammer getrie= |
benen Kugel zu erreihen. Die
Trennung zwijhen Golf und dem
jeu de mail begann, als ein Zapfen |
in die Mitte des Spielplages ge-
stellt wurde, gegen den der Ball
geichlagen werden mußte und außer:
dem an beiden Enden der Bahn
Torbogen zum Paſſieren aufgejtellt
wurden. Aus diefem primitiven
Anfang bat fi das Krodetipiel
mit jeinen zahlreichen Bogen, Chi—
canen und Anläffen zu Kleinen und
größeren Reibereien, Prügeleien
zwiihen Kindern und Todfeind—
Ihaften zwiſchen Erwachſenen, we—
nigſtens für den Spieltag oder bis
zur Beendigung der Partie, ent—
wickelt. „Krocket verdirbt den Cha—
rakter,“ hört man immer noch, wo
es geſpielt wird. Allerdings hat
ſeine Verbreitung und Beliebtheit
in den letzten Jahren bedeutend
abgenommen; ſeine Anhänger und
Anhängerinnen rekrutieren ſich faſt
nur noch aus den Bewohnern kleiner
XI. 7. Rrockef.
Provinzſtädte und des Landes, die
von den großen Wellen des Tennis,
Golf oder Fußball noch nicht ers
reicht worden find. Krodet ift alfo
„unmodern“ geworden (jiehe Mode
und Sport) und fo undankbar find
wir Menſchen, daß mir da Ver⸗
ſchwinden des einjt jo beliebten
länglichen SKrodetfaftend, der die
Spielgeräte birgt, nicht einmal be-
dauern, obgleih fi in ihm fo
ziemlich dag einzige Bergnügungs:
mittel befand, das in langen Jahr:
zehnten — außer dem noch harm=
Ioferen Reifenfpiel! — für die Unter⸗
haltung im Freien forgte. Frei-
ih, ald Erprobung des Charakters
war Krodet fehr wertgeſchätzt; denn
wer bei diefem Spiel troß der
Heimtüden und Rückſichtsloſigkeiten
des Gegners, der wieder und immer
wieder die Kugel aus ihrer endlich
erreichten Lage vor einem Tor fort-
fhlägt, oder ſogar bei den ge-
legentlichen Unzuverläffigfeiten der
eigenen Partei liebensmwürdig, hei-
ter und geduldig bleibt, ift wirk⸗
lich ein an Selbjtbeherrfchung und
Güte reiher Menfh; und wer
beim Krodet nicht „mogelt” — es
auch nicht einmal verſucht, könnte
die alte, brave, deutſche Brobe auf
Wahrhaftigkeit: mit unverjehrten
Fingern ein glühendes Eifen aus
dem Waſſer zu holen, bejtehen!
Woran es liegt, daß gerade Krodet
zu kleiner Unehrlichleit, Neid auf
den Sieger und boshafter Schaden-
freude über den Berjagten heraus-
fordert, ift nicht fo ſchwer zu kon⸗
ftatieren. Die Gelegenheiten, fich
einen Vorteil zu verfchaffen — und
fei es auch nur der, die Kugel auf
Haaresbreite mit der Fußſpitze vor-
oder rückwärts zu jchieben, find zu
günftig; es fcheint aljo, als wären
wir nod immer allzumal Menjchen
und mangelten durchaus jedes
Ruhms. Aus beiden Gründen —
der Duelle des Zankes mie der
Niro. 768.
traurigen Erfenntnig unferes Nädh-
ften, die e8 bietet — braudt nıan
dem Krodet feine Träne nachzu=
meinen. Auch die Anforderungen,
die ed an Geſchicklichkeit und Ueber—
legung ſtellt, find nicht jehr bedeu—
tend; und nur, weil ihm das Ver—⸗
dienst gebührt, einft wenigfteng auf
Stunden die Leute aus den dumpfen
Stuben, von der Kaffeetafje mie
vom Bier fortgelodt zu haben, Toll
es zwiſchen den Sportöfpielen er-
wähnt werden. Aber es ift nur
Raum für einen bejcheidenen Ge—
denkſtein vorhanden.
768. Der Spielplag, Da aud
da8 Krocket von England zu ung
herübergeflommen iſt, legte man
anfangs, ald ed en vogue und in
den beiten Kreijen beliebt war,
nad) Art der englifchen Plätze gute
Rajenflähen für das Spiel an.
Wie ſchon öfters betont, ift es in
unferem Klima jchwierig und koſt—⸗
jpielig, dichten, Furzen Raſen, der
mehr einem Moo&boden gleicht, zu
halten. Daher begnügte man fich
jpäter mit gut geglättetem, ebenem
Boden, der durch Walzen in Ord-
nung gehalten wurde. Denn jede
Wellung des Terrain bringt Zu:
fälle, die ein gute8 Spiel unmög⸗
lih machen und außerdem die Aus—⸗
einanderjegungen vermehren. Soll
alfo überhaupt noch Krodet gejpielt
werden, fo ift wenigjtens eine glatte
Fläche Bedingung. Die alten, einft
für das jeu de mail angelegten
Alleen eignen fich immer noch vor=
züglih dazu; denn der früher fürg
Krodet "beftimmte Raum in Groß:
ftädten, in Gutsgärten u. dgl. wird
jegt vom Tennis 2c. offupiert.
Zum Spieler braudt man einen
Pla von 40 m Länge und ca.
30 m Breite; ſehr nötig ift eg,
feine Grenzen zu markieren, um
alle Streitigfeiten darüber, warn
der Ball aus dem Spielfeld heraus
ift, zu unterdrüden. Iſt der Platz
Nro. 769, €. Gräfin Baudiffin.
nicht eingezäunt, jo zieht man wie | boden ab ca. 30 cm beitragen,
beim Tennis Linien mit Kaltmild | Form oben nit rund, wie man
oder man furdht rundherum mit | e8 meijtens fieht, jondern des Teich:
einem Stod eine deutlihde Mar- | teren Einjtedend wegen horizontal
fierung in den Boden; aud das | fein.
Umfpannen mit Schnüren ijt ein | Am Ausgangspunft de3 Spiel-
fach und praftifh. Ohne Markie- | feldes und ihm gerade gegenüber
rung find Streit und Lärm im | am anderen Ende, alſo in der Mitte
wörtlichſten Sinne alle Tore ge- | des Spielganges, jtehen 2 jtarfe
öffnet; vor allem werden die Spiel= | Holzpflöde, die mit dem unteren
regeln dann ftetS willfürlich gehande | zugejpisten Ende feit in den Boden
habt und das Spiel ſinkt ganz zu | gejchlagen werden; Spike wie Kopf
einem törichten Zeitvertreib herab. | find häufig von Eiſenblech geſchützt.
769. Die Spielgeräte. Der Die Farben der Kugeln: blau,
vorhin erwähnte, beliebte, meijt | rofa, jchwarz, gelb, braun, orange,
*— grün, rot, wieder⸗
holen fi in breiten
deutlihen Ringen an
den beiden Pflöcken.
Die Reihenfolge der
Spieler iſt durch
dieſe Farben gegeben
und wird ſtreng inne⸗
gehalten.
An Kugeln braucht
man 8; das iſt zu—
gleich die höchſte
Zahl der Spieler,
die an einer Partie
teilnehmen kann. Als
Holz wird zu den
Kugeln das harte
Buchsbaumholz ge—
nommen; auch muſ⸗
ſen alle von einer
U Größe (ca. von 9cm
391. Spielgeräte zu Krodet. Durchmeffer) und
e von ſelbem Gewicht
gelbladierte Holzkaften enthält die | (ca. 400 g) jein. Der Farbitreifen
Geräte und eine Anweiſung, die | umgibt die Mitte der Kugel wie ein
jelten oder nie befolgt wird: „wir | Band, die obere und untere Hälfte
jpielen e8 eben anders!" Schon iſt gewöhnlich farblo8 und nur
die Aufitellung wird überall vari= | ladiert.
tert. Ueber die Zahl von 10 Toren | Die Hammer entipreden in An-
— Anfänger benugen gewöhnlich 6 | zahl und Farbe den Kugeln. Um
— ijt man fich allerdings meiftens | Irrtümern vorzubeugen, joll jeder
einig. Hergejtellt jind die Tore | mit dem Hammer fpielen, der zu :
aus ftarfem, mit weißer Delfarbe | feiner Kugel gehört. Freund und
- bejtrichenem Eijendraht ; ihre Weite | Feind find dadurch leichter aus:
ſoll 15 cm, die Höhe, vom Erd- | einanderzuhalten. Webrigens jolte
— —
XI. 7. Rroskef.
der Anjtrich bei beiden Spielgeräten
— Hammern wie Kugeln — häufig
erneuert werden. Gewöhnlich wartet
man, bi8 feine Farbenſpur mehr
jihtbar und die verwaſchenen Ge—
bilde ſchwer von einander zu unter
jheiden find. Der Hammerftiel ift
von 1 m Länge, der gleichmäßig
zylindrifch geformte Kopf ebenfalls
aus Buchsbaum angefertigt. Da
jehr leicht beim eifrigen Spiel ein
Hammerftiel zerbrochen wird, jollten
392. Plan mit 6 Toren.
immer einige Sammer „in store“
(in Rejerve — einen kurzen, deut-
hen Ausdrud ſcheint es für fo
etwas Praktiſches nicht zu geben)
vorhanden jein. — Die Anwendung
von Blechmarken in der Farbe der
Kugeln oder auch mit Nummern,
die an das Tor gehängt werden,
das der Spieler paffieren foll, wird
mit gemijchten Gefühlen betrachtet.
Denn mande Spieler behaupten,
daß ein Hauptreiz des Krocket—
ſpielens im „Aufpafjen” Tiegi; daß
Nro. 769.
jeder genau wiſſen joll, wie Gegner
und Freund ftehen und daß Nie-
mand zu verraten braudt, welchen
Weg er einzufchlagen hat. Dieſes
jtreng behütete Geheimnis zerftören
die Blechmarfen; allerdings auch
die langen Diskuffionen darüber,
ob Rot wirklich ſchon ein Tor ge:
nommen bat, wie fer behauptet
wird — oder ob es fih „täufcht“.
Ich wäre für Blechmarken!
Ueber die Herrichtung des Spiel-
393. Plan mit 7 Toren.
feldes mit 6, 7, 8, 9 oder 10 Toren
geben die beigefügten Pläne Auf:
ſchluß. Ueber den Plan mit 10 To—
ren (396) ift jedoch zu jagen, daß
man ſich bei ung nicht das Doppel=
tor in der Mitte, zu dem zwei Bogen
freuzmweis übereinander geſteckt wer-
den, entgehen läßt; man würde die
fi gegenüberjtehenden Nr. 4 und
Nr. 11 dazu nehmen. Darüber,
von welcher Seite dieſer Mittel-
bogen auf dem Hin- und Rückwege
zu pajjieren ift, ebenſo, ob es ge—
Nro. 770. E. Bräafın
nügt, ihn Halb zu durchqueren ꝛc.,
muß ſich vorher geeinigt werden;
denn im gegebenen Moment erit
ift e8 bedeutend zu jpät!
770. Der Gang des Spieles.
Das amüfantefte Spiel ift das zu
2 Parteien & 2, 3 oder 4 Spielern.
Drei Parteien zu bilden oder jeden
ſich jelbft zu überlafjen, beeinträd-
tigt das Weſen des Spieles, das
darin bejteht, nicht allein für die
eigene Kugel, ſondern ebenjo für
39%. Plan mit 8 Toren.
dag Intereſſe feiner Partner zu
forgen. Sind auf einer Seite mwe-
niger Teilnehmer als auf der an-
deren, jo muß ein Spieler, gemöhn-
lich der beite, mit 2 Kugeln fpielen.
Man loft gewöhnlich zuerft „um
ganz gerecht zu fein”, die Kugeln
aus, wonach fich die Parteien von
jelbjt bilden. Sportsmäßiger ift
e3 aber durchaus, gute und fchledhte
Spieler gleichmäßig auf beide Seiten
zu verteilen, dann um die Par:
teien zu lojen, indem man blau,
Baupdilfin.
ſchwarz, braun und grün (aljo die
Farben des Pflocks abmechjelnd)
für eine, die übrigen Farben des
Pflod3 für die zweite Partei be-
ftimmt und zum Schluß die Kugeln
für den Spieler jeder Partei aus:
zulojen. Denn ein Spiel gewinnt
bedeutend an Intereſſe, wenn ji
die Spieler in ihren Xeiftungen
ungefähr gleich ftehen.
„Blau“ Hat zu beginnen und
wird je nach der vorher getroffenen
395. Plan mit 9 Toren.
Vereinbarung dicht vor das erfte
Tor oder in einem Abftand von
ca. ®, m von demfelben nieder⸗
gelegt. Dft wird aud) dem erften
Spieler, der feine andere Kugel
zu treffen bat, gejtattet, ein- oder
zweimal zu beginnen, bis er vor:
teilhaft durch dag erjte Tor gegangen
ift. Das Paffieren eined Tores
bringt einen, da8 von zweien zwei '
Sreifhläge. Hat der Spieler die
zwei Schläge vertan, ohne ein neues :
Zor zu gewinnen, jo kommt ver
zu. zL Ss s zu 05
XI.
nächſte, alfo der erfte der Gegen—
partei an die Reihe. Diefer Spieler
ift Schon gegen den erjten bedeutend
im Vorteil, da er fih an deſſen
Kugel zwei neue Schläge holen
fann. Meiſtens wird ausbedungen,
daß fih eine Kugel leife bewegt,
wenn jie als getroffen gelten joll;
ebenjo jollte fie, auch ohne daß fie
„trodettiert“ wird, etwas von der
Stelle rollen, wenn man fie ver—
läßt. Doc herrihen gerade über
Standpflock
396. Plan mit 10 Toren.
diefen Punkt große Meinungs:
verjchiedenheiten: viele Spieler be-
haupten, man jei „ab“, d. h. vom
Schlag, wenn ſich die feindliche
Kugel rührt, ohne frodettiert zu fein.
Auch über das Krocdettieren jelbit
variieren die Anfichten, das rich-⸗
tige „Krockettieren“ beſteht nicht da—
rin, daß man feinen linken Fuß auf
die eigne Kugel jegt und durch einen
7. Rrocket.
Nro. 770.
Möglichkeiten endet, fondern man
ſoll fo „Erodettieren“, daß, während
die eigene Kugel eine neue, vorteil:
hafte Stellung annimmt, die feind-
lihe mit demjelben Schlag (ohne
aufgejegten Fuß) in eine andere,
ihr unbequeme Richtung rollt. Ob
man eine Kugel der eigenen Partei
überhaupt „Erodettieren” darf oder
nicht, d. h. mit aufgejegtem Fuß, ift
gleihfall® ein Streitpunft. „Mit:
nehmen“, wie das eigentliche Krof-
fettieren fälfchlich genannt wird, darf
man fie überallfin. Denn die
Hauptſache bleibt, die ſchwächeren
Mitglieder der eigenen Partei zu
unterſtützen, jo daß alle Kugeln
möglichſt in geſchloſſener Phalanı
‚vorrüden. Am Wendepunkt ift der
zweite Pflod zu berühren, dann
mit einem Freifchlag der Rückweg
anzutreten; nach Treffen des Stabes
‚die Kugel aufzuheben und direkt vor
das Tor zu legen, ift nicht gejtattet.
‚ Die Erlaubnis von Kugel zu Kugel
‚zu gehen, ohne einen Schlag da=
zwiſchen zu tun, muß beim Beginn
des Spieles ebenſo gegeben wer—
den, wie die andere: ob der Räuber
getroffen werden darf; wenn ja,
fragt es ſich ferner, ob man ſich
‚an ihm einen oder zwei Schläge
holt. Schließlich ift noch die Frage,
ob der Hammer mit beiden Händen
gefaßt werden darf. In England
iſt dies Sitte — in Deutjchland
jheitert e8 an der Behauptung,
dat dann nur „geſchoben“ anjtatt
gefchlagen würde.
Borm Schlagen unterrichtet man
fi genau über die Richtung wie
über die Entfernung des Zieles;
iſt e8 nah, jo kann es gleichzeitig
mit der Kugel ins Auge gefaßt
werden — bei größeren Entfer:
nungen madt man ji auf der
Linie eine Art Heiner Zwiſchen—
ftation dur) irgend ein Merkmal,
ftarfen Hammerſchlag gegen jie die ; auf das man den Ball zuhält.
feindlihe an die Grenzen aller
ud.
„Räuber“ wird diejenige Kugel,
Niro. 771. E. Bräfın
die ale Tore auf dem Hin- und
Rückwege paffiert hat, aber nicht
an den Ausgangspflod fchlägt, um
nun den übrigen Kugeln der Partei
zu nüßen, den feindlichen zu ſchaden.
Der „Räuber“ kann willtürlich über
das Spielfeld gehen, darf die Tore
von jeder Seite pafjieren und feind-
liche wie eigene Kugeln Erodettieren.
Da meiſtens der bejte Spieler dies
Biel zuerjt erreicht, wird er ein ge-
fürdteter Feind fein. Ihm liegt
eö ob, den Gang feiner Partei zu
befchleunigen, er hat auch das Nedht,
Kugeln feiner Bartei, wenn fie das
legte Tor pafjiert haben, „tot“ zu
machen, indem er fie an den Pflock
frodettiert.
Die Partei, deren fämtliche Ku-
geln zuerjt „tot“ find, Hat gewonnen.
771. Die Spielregeln. Der
Auszug der folgenden Regeln ift
den „Krodetregeln”, autorifierte
Ueberjegung der engliſchen Aſſo⸗
ziation-Regeln, Verlag A. Steidel,
Berlin, entnommen.
„Ein Schlag wird als ftattgefunvden ans
genommen, wenn bie Kugel in irgend einer
Weife mit dem Schlaghammer bewegt
worden ift oder mwenn der Spieler die
Kugel mit ber Abfiht ſchlägt, fie fortzus
bewegen. Der Schlagbammer darf nur
mitteld Drud am Griffe angetrieben
werden und das Endftüd darf nicht mit
der Hand geſchlagen oder mit dem Fuße
geitoßen werden. Die Kugel darf nur von
dem Ende des Schlaghammer-Kopfftücdes
getroffen werden.”
„Eine Kugel hat ihren Bogen paffiert,
wenn fie von der Seite des Spielers den⸗
telben durdlaufen hat und, zum Stillftand
gelangt, nicht von der geraden Kante eines
Gegenitandes, die von der Geite des
Cpielers gegen den Bogen gehalten wird,
berührt werden fann.”
„Eine Kugel, die von der dem Spieler
entgegengeiegten Seite zum Teil durch ihren
Bogen getrieben ift, darf denfelben beim
nächſten Schlage nicht paffieren, wenn fie
von der geraden Kante eines Gegenftandes,
die von der dem Epieler entgegengefegten
Seite gegen den Bogen gehalten wird, be=
rührt werden kann.“
„Eine Kugel, die durch irgend einen
Schlag (jofern er nicht falfch ift) ihren
Bogen durchlaufen bat oder gegen ven
Wendepflock getrieben ift, fei es von ber
eignen oder ber gegnerifhen Seite, zählt
Baudiffin.
ben Punlt, ber in7 dieſer Weife gemacht
ift. Sollte jeboh der Schlag von der
gegnerifhen Partei ein falfcher fein, fo hat
ber Eigentümer ber Kugel die Wahl, ben
Punkt anzurechnen oder nit. Diefe Ent-
fheidung muß jedoch erklärt fein, bevor
der nächſte Schlag ftattgefunden hat.”
„Wenn ein Punkt für die Kugel eines
Gegners gemadt ift, jo muß der Spielenbe
feinen Gegner hiervon unterridten. Falls
ber Gpielende dies unterläßt, und ber
Gegner macht benfelben Punkt noch ein-
mal, fo kann er fein Spiel fortfegen, ala
or er für den richtigen Punkt gefpielt
tte.
„Ein Räuber kann durch den Schlag eines
beliebigen andern Räubers ausgefpielt
werben, jofern ber Schlag nicht falſch ift,
einerlei, ob derſelbe von feiner eigenen
oder von gegneriiher Seite getan ift.
Solte der vom Gegner gemadte Schlag
ein faljyer fein, fo fol der Eigentümer ber
Kugel die Wahl haben, den Punkt anzu=
rechnen oder nicht.”
„Ein Spieler darf, wenn die Reihenfolge
an ihn fommt, jeden Bal einmal treffe,
bevor er einen Punkt madt, und es ift
ihm erlaubt, dies zu wiederholen nach jedem
Puntte, den er gemadt bat, Der Spieler
ı barf fein Spiel fortfegen, folange er einen
Punkt macht, trifft ober Krodet rimmt.“
„Ein Spieler, ber eine andere Kugel ge=
troffen hat, ift gezwungen, fie zu-’Trodet«-
tieren, und muß bei biefer Prozedur beibe
Kugeln merklich und fihtbar bewegen.
Denn ſich die beiden Kugeln vor und wäh
rend dem Akte des Krodettierens nicht
berühren, fann der Gegner beanfpruden,
baß der Schlag noch einmal ftattfinde.
Während das Krodettieren ftattfindet, iſt
bem Spielenden nicht geftattet, den Fuß
auf die Kugel au fegen.”“
„Wenn ein Spieler zwei ober mehrere
Kugeln zu gleiher Zeit trifft, jo kann er
eine berjelben zum Krodettieren auswählen.
Ein weiterer Treffer ift notwenbig, ehe er
irgend eine andere Kugel frodettieren
kann.“
„Wenn eine Kugel einen Bogen paſſiert
und eine jenſeits des Reifens liegende
Kugel trifft, ſo zählen ſowohl der Bogen
wie auch der Treffer. Man betrachtet eine
Kugel jenſeits des Bogens, wenn fie fo
liegt, daß fie von einer geraden Kante
eines Gegenftanbes, die man von ber Seite
bes Spielers gegen den Bogen hält, nit
berührt wird. Sollte irgend ein Teil ber
Kugel, die getroffen worden ift, auf ber
Spielerfeite ded Bogens liegen, fo zählt
der Treffer, nicht aber ber Bogen.“
„Eine Kugel, die vom Spielgrund ges
trieben ift, muß fofort 91 cm innerhalb
ber Grenze wieder aufgefegt werben, und
zwar rechtwinklig von bem Punkte ber
Grenzlinie, wo fie ben Spielgrund verließ.
Wenn biefer Punkt bereit3 befegt ift, fo
ift die zulegt Hinausgetriebene Kugel in
— — — —
XI, 7. KRrocket.
der Weife aufzuftellen, daß fie bie erfte
berührt, aber keine berjelben muß weiter
oder näher ald 91 cm von der Grenzlinie
su liegen fommen, und der Spieler bat in
foldem Falle nur die Wahl, die zulegt
weggetriebene Kugel entweder auf bie
rechte oder linte Seite ber erfteren zu plas
jieren. Sollte e3 vorlommen, daß eine
dritte Kugel auf derfelben Stelle hinaus
gebt, fo muß fie fo gelegt werben, daß fie
bie erjte berührt. Wenn ber Spieler trifft
oder feine Kugel in Berührung mit eine
ber andern foeben erwähnten findet, To
ist er beredtigt, die Kugeln in beliebiger
Drbnung zu plazieren, unter ber Bedin⸗
gung, daß eine von ihnen 91 cm von ber
Grenzlinie verbleibt und die andern oder
eine der andern fie berührt. Zum Krofs
fettieren muß er jedoch die Kugel benugen,
bie er getroffen bat.”
„als die Grenze auf dem Raſen durch
Linien marliert tft, fo betradhtet man eine
Kugel als vom Spielplage hinweggelaufen
fofern fie von einer geraden Schneide, bie
auf die innere Kante der Grenzlinie ge:
halten wird, berührt werben kann. Falls
fi) die Grenze über die Spielflähe ers
hebt, fo ift die Kugel ebenfalls ald vom
Spielplat entfernt anzufehen, wenn fie bie
Grenzlinie berührt.”
. „®enn eine Kugel vom Spielplage ges
trieben tft und fehrt zurüd, fo muß bie=
felbe wieder 91 cm von dem Punlte ent-
fernt aufgelegt werben, wo fie die Grenze
zuerſt berührte.“
„Wenn der Spielende beim Krockettieren
ſeine eigene oder die krockettierte Kugel
vom Spielplatz hinwegtreibt, ſo verliert er
den Reſt ſeiner Reihenfolge, es ſei denn,
daß er mit der Kugel, die er ſpielt, einen
Treffer macht und die krockettierte Kugel
den Spielgrund nicht verläßt.“
„Wenn eine in Ruhe liegende Kugel
verſehentlich von einem Spieler bewegt
wird, ſo ſoll dieſelbe, ohne daß dies eine
Strafe im Gefolge hat, wieder richtig auf⸗
gelegt werden; ausgenommen, wenn der
Spieler im Schlagen oder Zielen be—
griffen iſt.“
„Wenn ein Spieler einen falſchen Schlag
macht, ſo verliert er den Reſt ſeiner Reihen⸗
folge, und irgend ein Punkt oder Treffer,
der mit einem ſolchen Schlage erlangt ift,
Ar nit. Kugeln, die mitteld eines
alſchen Schlages fortbewegt werben, müffen
ba liegen bleiben, wo fie zum Stillftand
gelangen, ober können in ihre urjprüng:
lide Lage zurüdgebradht werben, mwenn
der Gegner dies vorzieht. Wenn mährend
des Krockettierens ein falfcher Schlag ge:
macht ift undzder Gegner wünſcht, daß die
Kugeln zurüdzulegen find, fo müſſen ſich
beide Kugeln berühren und fie müjjen die—
felbe Stellung innehaben, wie während
dem Alte des Krodettierengd.”
Folgende Schläge find falſche:
Nro. 771.
a) Wenn der Spielende während bes
Schlagen? oder Zielens an Stelle
feiner eigenen Spieltugel oder neben
derfelben noch eine zweite Kugel trifft.
b) Eine Kugel ftoßen oder fchieben, ohne
baß der Schall des Schlages deutlich
börbar iſt.
c) Eine Kugel zweimal beutlih in dem⸗
felben Schlage treffen.
d) Eine Kugel berühren, von ihrem Laufe
ablenken oder anhalten, nachdem fie
ausgeipielt und im Rollen begriffen
ift, einerlei, ob died vom Spielenden
oder deſſen Parteigänger gejchieht.
e) Wenn eine Kugel, beim Zurüdprallen
von einem Pflod, Bogen oder einer
andern Kugel, ven Echlaghammer oder
einen andern beliebigen Teil des Spie-
lenden oder ſeines Parteigenofjen be⸗
rührt, ausgenommen, bie Kugel be3
Spielenden befindet fih in Hand.
f) Eine Kugel, die unmittelbar neben
‘einem Karbenpflod oder Bogen liegt,
dburh Schlagen an den Pflod ober
Bogen zum Fortbewegen veranlafien,
ohne die Kugel felbft zu fchlagen.
g) Eine Kugel um einen Pflod oder
Bogen berumbrüden.
h) Wenn nad einem Treffer ein Schlag
gefpielt wird, ohne daß vorher Krodet
genommen ift.
i) Wenn e3 dem Spieler beim Krodets
tieren nicht gelingt, beide Kugeln merk⸗
lich zu ſchütteln und zu bemegen.
k) Wenn ber Spielende eıne Kugel krok⸗
tettiert, ohne fie vorher getroffen zu
haben.
1) Wenn ber Spieler beim Schlagen, ober
während er mit dem Schlaghammer
verjudt, einen Schlag zu tun, den
Teil eines Bogen? aus dem Grunde
ſchlägt.
m) Wenn der Spieler die Kugel mit irgend
einem anderen Teil des Schlaghammers
al3 den Enden des Kopfftüdes trifft,
fowie das Stoßen des Schlagham⸗
mers mit dem Fuße oder der Hand.
n) Die ungehörige und unrichtige Bes
banblungsmweife der Kugeln mit bem
Fuße oder dem Schlaghammer.”
„Es ift nicht geftattet, Zeichen zu machen
ober Gegenstände auf den Boden zu legen,
um die Stelle zu bezeichnen, nad) welder
der Spieler die Kugel zu dirigieren wünscht.”
„Wenn ſich die Kugel des Spielenden in
einem Loche oder auf ſchlechtem Boden
befindet, fo darf diefelbe mit der Beftäti-
gung des Sciebärichterd oder ber Ein:
willigung des Gegners davon entfernt wer⸗
ben. Die Kugel muß jedoch zurüdgefegt
werben, d. 5. weiter hinweg von dem
Gegenftand, nad) dem gerielt wird, fo daß
fi) die Richtung des Zieles nicht ändert.”
Ein Schiedsrichter ſoll nicht auf Fehler
aufmertfam madhen oder feine Meinung
bezüglich derfelben äußern, wenn nicht aus—
Neo, 772-773.
drüdlid darum erſucht. Die Entſcheidung
eines Schiedsridhters bezüglich einer Frage
über ftattgefundene Tatſachen ift endgültig,
um jedoch eine Regulationsfrage richtig
zu ftellen, ift er verbunden, einen bejon-
€. Gräfin Baudilfin.
Benn ein Schiedsrichter nicht anmwefend
ift, fo muß die Erlaubnis eine Kugel zu
bewegen, einen Bogen ober Yarbenpflod
aufzuftellen oder eine ähnliche Gunſt, um
bie der Schiedärichter erfucht worden wäre,
deren Epielrat anzurufen, fall® einer ber
von ber Seite bed Gegners erlangt wers
Spieler ihn darum erjudt.
ben.
8. Verfchiedene Ballfpiele.
772. Einleitung. Im Nach⸗ | Steinmauer umbegten Plag, auf
jtehenden führen wir der Boll» dem fich abends alte und junge Män-
ftändigfeit halber eine Auswahl | ner zu leidenfchaftlihdem Spiel zu=
von Balle und Kugeljpielen an, | fammenfinden. In größeren Städ⸗
die zum Teil in Deutjchland leider | ten, wie Genua, Neapel zc., wird
erjt nur dem Nanten nach befannt
find und die wegen Raummangels
nicht eingehender beiprochen werden
fünnen. Doc ift eine Verbreitung
der anregenden Spiele, die dem
Aufenthalt im Freien neue Reize
hinzufügen und ihn deshalb ver:
jeder freie Winkel zu einer Partie
benutt und Leute, die Muße zum
Spielen haben, gibt es vom Morgen
bis zum Abend genug. — Die eng-
lichen Regeln meiden ein wenig
von den italieniichen ab, find aber
in Franfreih, Amerika, im allge
lodender maden, außerdem eine | meinen aud in Deutjchland ge=
barmlofe Annäherung beider Ge-
ſchlechter unterftügen, jehr zu
empfehlen; je nach dem zur Ber:
fügung ftehenden Terrain, den
Mitteln wie den Neigungen der
verjchiedenen fozialen Klafjen ließe
fi) jedenfall etwas mehr Aus—
wahl in die Spiele im Freien
bringen, als es bisher in Deutfch-
land geſchieht.
773. Boccia (Bowle). Wir
beginnen mit dem in Deutfchland
vielleiht no am befannteiten.
alten, italienifhen Kugelfpiel, dem
Boccia; der englifche Name, Bowls,
ift bei ung wenig gebräuglid, das
Spiel, befonder® in der Provinz
und kleineren Städten recht beliebt,
während es in Stalien das National:
jpiel, befonder8 dag der unteren
Volksſchichten, bildet. Jedes kleine
Dorfwirtshaus dort hat vor feiner
Tür einen feftgeftampften, von
niedrigem KLattenzaun oder einer
bräuchlich.
Die Kugeln, von denen bei meh—
reren Spielern jeder mindefteng
zwei befiten muß, bei nur zwei
Spielern jeder drei oder vier,
werden aus hartem Holz; ber-
geftelt; je fchwerer fie find, defto
beijer, um ein genaues Zielen zu
ermögliden. Um die Kleine Mal-
fugel von weißer Farbe, englifch
Jack, italieniid lecco genannt,
wird geloft; ihr Auswerfen, Mar:
fieren, geſchieht vom „Standmal”
aus, einer im Sand bezeichneten
Stelle. Der Zwei des Spieles
ift, daß jede Partei fi bemüht,
ihre Kugeln der Maltugel möglichft
nahe zu bringen,. wobei es erlaubt
ift, über die feindliden Kugeln
hinüberzumerfen, die der eigenen
Partei vorwärtszuftoßen, die Mal:
fugel aus ihrer Lage zu vertreiben ꝛc.
Sind alle Kugeln geipielt, ift alfo
eine „Runde“ beendet, fo wird ge—
— — — —
XI. 8. Ballfpiele.
zählt und gemefjen, weſſen Kugeln
und wieviel von ihnen dem Mal
am nächſten liegen, wer aljo die |
Runde gewonnen hat. Gewöhnlich
beftimmt man, daß fo und fo viel
gewonnene Runden den endlichen
Sieg ausmaden follen. Verſtößt
ein Spieler gegen die Regeln, fo
wird feine Kugel für „tot“ erklärt,
aus dem Spiele entfernt und die
dur fie bewegten Kugeln oder
die Malfugel wieder an den alten
Platz zurüdgelegt.
774. Hurling (Schlagball).
Hurling wird von den Irländern
als ihr Nationalfpiel betrachtet und
ift jedenfald dort Schon von den
uralten Skoten gejpielt worden,
die es mit nah Schottland hin-
397. Burlinafpieler.
übernahmen. Es iſt weniger ein
Zufammenfpiel, wie 3. B. Golf
oder Hodey, jondern hängt mehr
von den Leiftungen des Einzelnen
ab. Gefpielt wird es auf einem
guten Rajenplaß, defjen volle Breite
(ca. 75 m) nidt fo notwendig ift
wie die Länge: 120 m; denn das
Spiel gipfell in möglichſt langen
Schlägen, die den Ball durch das
feindlide Tor, meiſt über vie
Neo. 774-775.
jollen. Der Hurlingftod, hurley,
bat ein flaches, ein wenig umge
bogene® Schlagende; der Ball,
slitter, iſt ſehr elaftiih, bat die
Größe eine? guten Apfels und
wird aus Leder, mit Einlagen von
Wolle und Kork, hergeftellt. Die
Spieler, 14—17 auf jeder Seite,
ftehen zum Beginn des Spieles
an der Mittellinie und drehen dem
eigenen Tor den Rüden zu. Der
Schiedsrichter wirft den Bal in
den Mittelpunkt, die nächſten Spieler
verfuchen feiner habhaft zu werden,
die andern eilen auf ihre bejtimmten
Plätze, die der Spielmart ihnen an-
weiſt. Für da8 Benehmen der
Spieler untereinander find die
diedbezüglichen Zußballregeln maß:
gebend, für das „Abjeit3” die Ab:
jeitSregel: „Jeder Spieler ift ab:
feit8, der fih zwifhen dem von
einem Gegner gejchlagenen Ball
und dem feindlihden Tor befindet,
nachdem der Ball aufgehalten wurde
oder auf dem Boden liegen ge=
blieben iſt. Abjeitsfpieler müſſen
hinter den Ball zurüdlaufen, wo⸗
mit ihre volle Spielberedhtigung
wieder eintritt.” — Iſt das Tor
funftgerecht gewonnen, jo zählt es
fünf „Punkte“. Nach jedem Spiel
wechſeln die Parteien die Seiten.
Sieger ift, wer in der Zeit von
2 x 35 Minuten mit 10 Minuten
Paufe die meiften Punkte ge:
mwonnen hat.
775. Schleuderball. Dem Hur:
ling ähnlich ift das Schleuderball-
jpiel, defjen Regeln 1896 in Mün—
hen vom techniſchen Ausschuß im
Auftrage des Zentralausfchuffes
zur Förderung der Volks- und
Jugendſpiele in Deutichland feſt—
gejegt wurden. Das Spiel gipfelt
in der Aufgabe, den Ball, der ein
Gewicht von ca. 2 kg hat und mit
einem Henkel oder einer feiten
ı Schlaufe verjehen ijt, in beliebiger
Köpfe der Gegner hinmegtreiben |
Höhe durch das feindlihe Tor
Neo. 776-777.
E. Gräfin Baudilfin.
oder, wenn ohne Tor gefpielt wird, | Mittellinie und parallel zu ihr ge=
hinter die feindlide Grenzlinie zu | zogen werden, bezeichnet man mit
fchleudern und das eigene Mal
gegen die Würfe der Gegner zu
fhügen. Die Größe des Spiel:
felde8 beträgt 150 m Länge zu
830 m Breite, die Eden, die Ab-
wurflinien wie die Tore werden
durch Fahnen markiert. Die An
zahl der Spieler beträgt 4—8 auf
jever Seite. Wird der Ball auf-
gefangen, bevor er den Boden
berührte, fo hat der Yänger das
Recht, von der Stelle aus, wo er
den Ball auffing, mit dem Ball in
der Hand zwei Sprungjdritte mit
anfchließendem Spreizfprung vor⸗
wärts auszuführen.
Die Stelle, mwelde
er mit dieſem Sprun=
ge, dem jogenannten
deutfchen Dreifprung
erreicht, ift die Ab⸗
wurfitelle. Sonft
von der Stelle zu⸗
rüdgefchleudert, wo
er zur Rube Fam,
nit, wo er zuerft
den Boden berührte.
776. . Raffball.
Ein ſpezifiſch deut-
ſches, in England
gar nicht befanntes
Spiel ift das Raff⸗
ballipiel, das auf
einem ebenen Platz
von 200 m Länge
und 20 m Breite
mit einem runden
Leder⸗ oder Filzball
von 10 cm Durch⸗
meſſer betrieben
wird. Jede Partie
hat am beſten ſieben
Spieler; die Ecken
des Spielfeldes, die
en fowie die
eiden Abwurflinien,
die 10 m von der
398. Auf:
ftellung der
Spieler zum
Raffballipiel.
wird der Ball ſtets
| gleiche Hälften.
Fahnen. Die Spieler werden ein=
geteilt in Angreifer, Mitteljpieler,
Berteidiger und Torwart; Der
Spielfaifer adtet darauf, daß
jeder Spieler feinen Platz innehält.
Sede Partei bat die Aufgabe,
den Bal binter die feindliche
Grenze zu jhaffen und das eigene
Mal gegen die Angriffe der Gegen=
partei zu ſchützen. Sie gewinnt
einen „Gang“, wenn es ihr gelingt,
den Bal über die feindliche Grenz-
linie zu werfen, fodaß er im
$eindliden Mal den Boden berührt,
mag er die Grenze in der Luft
oder auf dem Boden überſchreiten.
Die Hauptregel ded Spiels
lautet: Wer den Bal faßt, muß
ihn fofort weiterjenden; ferner:
Die Gegner dürfen den Ballträger
nur dadurhd am Werfen hindern,
daß fie ihn von Hinten um den
Rumpf faflen. Der Sieg in einem
Spiele gehört derjenigen Partei,
die zuerft drei Gänge geminnt.
777. Fauftball. Das Fauftball-
fpiel, ebenfalls fpezififh deutſch,
wurde von ©. 9. Weber in
Münden erfunden und feine Re—
geln 1902 in Köln feitgejegt. Es
verlangt einen fehr ebenen Spiel:
plat, von Kied oder feinem Rafen
bevedt, da bei unebenem Boden
der Winkel, unter welchem der
Bal aufjpringt, nicht berechnet
werden Tann. Die Länge des
Plates fol 40 m, die Breite 20 m
betragen. Dur eine 2 m hoch
über dem Boden gejpannte hell-
farbige Leine, die von zwei Pfählen
gehalten wird, wie auch durch die
am Boden bezeichnete Mittellinie,
teilt fih das Spielfeld in zwei
Die Auffitellung
der Spieler iſt verſchieden; die
Abb. (Bild 399) geben davon zwei
Beiſpiele. Der Fauftball ift ein
großer Hohlball von 20—23 cm.
— — — — — — — — — —
}
XI. 8. Ballfpiele.
durchmeſſer, den fi die Parteien
iber die Leine fortzufchlagen, um
hn im gegnerifhen Mal landen zu
aſſen. Man ſchlägt aber nicht mit
yer Fauſt, fondern mit dem Unter⸗
arm. Die Zahl der Spieler auf
jeder Seite fol nicht über fünf
und nicht unter vier betragen.
Der Ball ift „tot“, wenn er 3.8.
im ganzen mehr al3 dreimal auf
einer Seite des Spielfeldes den
Boden berührt; wenn er zmei-
mal vom felben Spieler berührt
wird; wenn er mit der Fauſt ge-
ftoßen, ftatt gefihlagen wird; wenn
ee von obenher gefchlagen wird;
wenn der Spieler beim Schlagen
die Fauft öffnet oder den Daumen
ſpreizt ꝛc. Ein Wettfpiel dauert
2 x 15 Minuten; in der Pauſe
wechjeln die Parteien die Plätze.
Jeder vorſchriftsmäßig gejchlagene
Ball zählt einen Punkt; Fehler
einer Partei werden der andern
gutgeihrieben. Die meiften Buntte
in der vorgefchriebenen Zeit er-
geben den Sieg.
778. Kaiſerball. Ein allgemein
befanntes deutſches Spiel — eins
Nro. 778.
der wenigen, das troß feiner Aehns
lihfeit mit englifhen Spielen
deutſchen Urfprungs fein dürfte —
ift der Kaiferbal. Zu ihm find
zwei Parteien zu je neun Spielern
nötig, von denen die eine die Ver⸗
teidigung, die andere den Angriff
übernimmt; zwei Verteidigungen
jeder Partei machen ein Wettfpiel
aus. Gefpielt wird mit einem
mit Werg gefüllten Lederball von
ca. 23 cm Umfang und ca. 120 g
Gewicht und einer Keule von 75 cm
Zänge, die mit einem von Leber
ummundenen Handgriff verjehen ift.
Mit diefer Keule verſucht der im
„Schlagfeld“ ftehende Schläger den
vom „Werfer“ eingefchentten Ball
möglichft weit zurüdzufchlagen, da-
mit er Zeit gewinnt, zum erften,
vieleiht auch noch zum zweiten
o
Mıttet Feldmann
0
Linker Fridmann Rechter Feldinann
400. Aufſtellung der Spieler zu Kaiferball.
A Schlagmal, S Schläger, Schlügerfeld,
F Sanger, W Werfer, Wurfmal.
oder dritten Mal oder fogar zum
Ausgangspunkt zurüdzulaufen, ehe
der Gegner fi des Balles be—
mädtigen fann; er darf dann den
Ball noch einmal zurüdichlagen und
jede8 von ihm eroberte Mal gilt
als ein „Punkt“. an der
Nro. 779-781.
Schläger glücklich zum Schlagfeld
zurüd, fo hat er einen „Lauf“ ges
monnen, der beim endlichen Zus
fammenzählen mit ſechs „Punkten“
berechnet wird. In diefen „Läufen“
von Mal zu Mal liegt die innere
Verwandtſchaft des Kaiferballd mit
Bajeball und Rounderd. Die Auf:
ftelung der Spieler zeigt der Plan;
das Duadrat wird auf einem Spiel-
play von 120 zu 80 m Größe mit
Kreide aufgezeichnet, auch die vier
Eden quadratiſch abgeteilt und
neben den beiden „Schlägerfeldern“
noch ein Dreieck für den Fänger
angelegt, der den Ball mit den
Händen auffangen darf. Fehler
werdender Gegenpartei als, Punkte“
gutgefchrieben.
779. Dentfhball. Sehr ver:
breitet in ganz Deutjchland, be⸗
fonders im Süden, ift diejes ein-
fahe Spiel. Es bedingt feine be—
ftimmte Fläche — jeder freie Platz
genügt — noch eine bejchränfte
Spielerzahl. Nur müfjen auf bei-
den Seiten gleich viele Teilnehmer | ®egenpartei an die Reihe.
fein. Der ziemlich harte Lederball
wird mit hölzerner Keule in die
Luft gefchlagen, möglichjt hoch und
weit fort, damit ed dem Schläger,
ehe der Feind den Ball auffängt,
gelingt, das Mal zu erreichen;
wird der Ball jedody vorher auf:
gefangen, oder der Laufende von
ihm getroffen, fo bat die feindliche
PBartei einen „Punkt“ gewonnen.
Sechs Punkte gewähren den Sieg.
780. Puſhball (Schiebeball).
Das Pufhballfpiel ift eine ameri-
fanifche Erfindung, wird jet auch
in England, im übrigen Europa
aber noch wenig gejpielt. Die un:
geheuren Dimenjionen des Balles
— er wiegt 50 engliſche Pfund,
hat eine Höhe von 1,80 m und
foftet 450—500 Mark — Stempeln
ihn in jeder Hinficht recht zu einem
Vergnügen für dad Land der un
begrenzten Möglichkeiten, in dem
|
|
|
|
E. Graͤfin Baudilfin.
man das Groteske liebt. Neben
dem Rieſenball, der nur von drei
Mann gehoben werden kann, ſehen
die Spieler, die ihn mit den
Schultern oder mit dem Rüden auf:
fangen und weitergeben, nämlich
lächerlich Hein aus. Als Spielfeld
dient der Fußballplatz, acht Mann
Ipielen auf jeder Seite. Die Beit-
dauer jedes MWettjpield beträgt
4 X 10 Minuten, mit einer Baufe
von drei Minuten zwiſchen jedem
Abſchnitt. Gezählt wird nach zwei
Methoden: entweder den Ball über
die goal-line bringen = 2 Punkten,
oder ihn über die goal-line und
zwifchen die Torpfoften bringen —
3 Punkten. Der Ball ift „im
Spiel”, wenn beide Parteien ihn
berühren. Hat die den Abftof
ausführende Partei (team in pos-
session) den Bal zehn Yards oder
mehr in drei „pushes“ vorwärts
gebracht, jo darf fie weitere drei
„pushes* maden; ift ihr dies je-
doch nicht gelungen, jo fommt die
Der
Abſtoß kann auf dreierlei Art er-
folgen: dur) ein Gedränge (scrim-
mage), dur das Hochwerfen des
Balles oder dur „flying forma-
—
tion“, d. h. durch das Anrennen
des liegenden Balles aus einer
Entfernung von 15 Yards. Die
legtere Weiſe ift bei drei aufein-
anderfolgenden pushes jedoch nur
einmal geftattet. „Fouls“ werben
für unnötige Roheit berechnet und
haben den Verluft von 10 Yards
zur Folge.
781. Bafeball (Malbal). Auch
diejes Spiel ift amerifanifchen Ur:
jprung® und erfreut fi drüben,
beſonders in den Vereinigten Staa⸗
ten, einer jo allgemeinen Beliebt-
heit und Teilnahme, mie jonft nur
noch das Rugby. Daher Hat es
leider auch, wie in England einige
Sports, unzählige Berufsfpieler ges
zeitigt. Das Spielfeld, am liebiten
}
|
XI. 8. Balllpiele.
ein NRafenplag, muß ca. 150 qm
groß fein und in feiner Mitte ein
mit Kreideftrihen gezogenes Biered
aufmweifen, defjen Eden marliert
find und „base“ oder Standmal
heißen. Die beiden Parteien (teams)
beftehen aus je neun Mann. Der
Wirel Fridmann
®
Linker Fridmanı — Fridmann
®
Maibspieler
®
401. Aufitellung der Spieler zu Bafeball.
Hergang des Spieles ift ziemlich
tompliziert; der Werfer, pitcher,
fhleudert den Ball aus der Mitte
des Vierecks über den Schläger,
batter, der feindlichen Partei fort,
dem eignen Sänger, catcher, zu,
der den Bau ſchleunigſt dem erjten
Malman (first baseman) zumerfen
muß, ehe es dem Schläger gelingt,
bis zur erſten base zu laufen. Hat
der Schläger jedoch den Ball zurüd-
ihlagen können, nimmt er alſo an,
e3 dauere eine Weile, ehe die Geg—
ner fih des Balles bemädhtigen
werden, jo verjucht er, auch base
2 und 3, oder fogar die „home
base“ wieder zu erreichen, wodurch
er einen „run“ gemadt hat, der
feiner Mannſchaft mit einen Punkt
angerechnet wird. Wird er aber
während des Laufe? von einem
Gegner, der den Ball hält, mit
Nro. 782.
diefem berührt, oder fängt der
Bajeman den Ball auf, ehe er die
base erreicht bat, fo ift er „out“
und ein anderer Schläger tritt an
feine Stelle. Sind drei Schläger
„aus“, jo wechſeln die Parteien.
Gefiegt hat, wer bei neun Wechjeln
(innings) die meiften Läufe „runs“
erzielte; neun Wechjel machen ein
„game“ aus. — Die Bajeballfeule
402. Bafeball:Keule.
befteht aus elaftifchem Holz, ift rund
und 1,10 m lang; der Ball, defjen
Umfang 23 cm beträgt, ift aus
Leder, mit Werg und Kork gefüllt.
Der Fänger muß das Gefiht mit
einer Maske, die Hände mit Hand:
ſchuhen ſchützen. Den Ball richtig
zu werfen, ift eine große Kunit;
denn er muß die base, die nur
30 cm mißt, freuzen und zwar in
einer bejtimmten Höhe — zwiſchen
Schulter und Knie des Bafeman;
ferner muß der Schläger über die
Art, wie der Ball geworfen wird,
im Zweifel fein und von ihm über:
rajcht werden, während wiederum
der Fänger genau wiſſen foll, wie
und wo der Ball eintrifft. Cha:
rafteriftifih für das Bafeballipiel
find aud die drei Feldmänner,
out-fielders, deren Aufgabe es ijt,
den Ball wieder ins Ziel zurüd-
zufchleudern und ihn ebenſo ficher
aus weiter Entfernung fangen zu
fönnen.
782. Damen: Bafeball, (Damen-
Malball.) Das Spiel ift im Prinzip
den echten Bafebal jehr ähnlich,
nur find die Bedingungen etwas
erleichtert worden ; ftatt der vier
Ziele gibt ed nur drei, die durch
Pflöcke, die einen mit Netzwerk
verjehenen Rahmen tragen, markiert
werden. Auch die Keule weiſt eine
Niro. 783.
veränderte Form auf, fie gleicht
‚mehr einem hölzernen Tennisfchlä-
ger; als Ball wird auch meiſtens
ein Tennisball benugt. Die an
drei Standmalen (bases) aufgejtells
ten Schlägerinnen werden mit Keu-
len ausgerüftet, ihr Ziel ift es
ebenfalls, möglihft viel Läufe
403. Keule für Damen-Baſeball.
„runs“ zu machen. Die Anzahl
der Spieler ift beliebig; drei auf
jeder Seite ift allerdings das min-
deite. Die Netzſcheibe an den Malen
dient dazu, den Ball „aus“ zu
machen, die Aufgabe des oder der
Fängerin. Der Wechſel der Par:
teien tritt ein, wenn die Hälfte
der Spieler der verteidigenden Seite
„aus“ iſt; zwei X zwei Berteidi-
gungen (innings) ergeben ein Wett-
jpiel (game). Bon den Stand-
malen wird gewöhnlich eins als
„Wurfmal“ bezeichnet und von die-
ſem aus geworfen; ift dies nicht
ausgemadt, jo Tann der Werfer
den Ball Hindirigieren, wohin er
will. Gemwonnen bat diejenige
Partei, die im ganzen am meiften
Läufe erzielte. — Das Spiel, in
den achtziger Jahren von einem
Pr. Hill in England erfunden,
ift allgemein an den englifchen
Mädchenſchulen eingeführt und gibt
vorzüglihe Gelegenheit zur Ent
widlung körperlicher Gewandtheit
und Geiſtesgegenwart, erfordert
nebenbei auch keine geringe Ge—
ſchicklichkeit. Es wäre außerordent-
lich wünſchenswert, wenn auch
deutſche Pädagogen die Vorzüge
des Spieles anerkennen und für
feine Verbreitung an Schulen und
Zehranftalten forgen würden.
€. Gräfin Baudilfin.
783. Bounders. (Rundball.)
Man könnte Rounders, ein alt-
engliihes Spiel, das vereinfachte
Bajeball nennen, für das le&tere,
fomplizierte Spiel ift es darum
eine gute Vorübung. Statt des
Viered3 legt man auf dem Rafen=
plag ein FZünfed an, dag „Wurf⸗
mal” in der Mitte, dad „Schlag-
mal“ ihm gegenüber, dievier Stand:
404. Spielfeld und Aufitellung der Spieler
bei Rounders.
I = Schlagmal. II—V = Standmale.
W = Werfer. I—9 = Angreifer.
male (bases) an den übrigen Eden.
Wie beim Bafeball werden die
bases dur weiße Platten, Kleine
Matten oder vdergleihen genau
markiert. Die Entfernung von einem
Mal zum andern beträgt ca. 20 m.
Die Barteien (teams) beftehen aus
je 5—15 Spielern; dur) das Los
wird bejtimmt, welche Partei zuerft
dag „Schlagmal” bejegen darf. Es
ift nur eine Keule, gewöhnlich ein
Kridetichläger, nötig, die immer
am Schlagmal vom nächſten Schlä-
ger übernommen wird; als Ball
dient gleihfald ein Kridetball.
Nachdem der Schläger den Ball
XI. 8. Ballfpiele.
möglicäft weit zurüdgefchlagen hat,
verjudht er, das nächſte Standmal
oder noch meitere zu erreichen;
unterwegs Tann er „aus“ gemacht
werden durch den Gegner, der den
Bal hält — ebenjo ift er „aus“,
wenn er dreimal den eingejchenften
Ball verfehlt, oder erft an die base
gelangt, wenn der Ball ſchon ein-
gefangen wurde. Hat der Schläger
das Schlagmal verlafjen, jo rüdt
der nädfte an feine Stelle; - der
legte kann bei Erreichung eines
Standmalg, „drei Schläge für einen
Aundlauf”, three hits for a roun-
der, verlangen; er muß es dann
ermöglichen, während ded Zurüd-
ſchlagens eines der drei eingejchent-
ten Bälle, glüdlih rundherum an
ale Standmale zu laufen; im Falle
ihm dies gelingt, darf feine Partei
auch beim nächften Spiel das Schlag:
mal zuerit beſetzen. Gezählt wird
— wie bei Baſeball nach „Läu⸗
fen“.
784. La Crosse. La Crosse
ift das Nationalfpiel der fanadifchen
Indianer,deren verjchiedeneStämme
noch heutzutage die Meifterfchaft
gegeneinander ausfpielen. Belannt
wurde dad Spiel in Europa durch
die Beichreibung franzöſiſcher Mif-
fionare, während allerdings erft
wieder die Engländer die erften
waren — und es heutzutage auch
leider immer noch find — die das
Niro. 784.
als feindliches vis & vis ihn abfangen
öchte
3
©:
Die Tore, durch die der Ball ge-
trieben werden foll, befinden ſich
auf den beiden Schmalfeiten des
Spielplates, deſſen Raum 100 bis
150 m beträgt und deſſen vier
Eden durd Fahnen bezeichnet wer:
den. Zum Auffangen des Balles
wird zwifhen den Torpfojten ein
Netz aufgehängt. Die Anzahl der
O6
©,
405. Aufitellung der Spieler zu La Crosse.
1. Torwächter, 2. Poſten, 3. Dedpojten,
Spiel in ihrem Lande einführten. | 4. Mittelfpieler, 5. Tinker Verteidiger, 6.
1875 fanden die erften Wettlämpfe
zwifchen England und Schottland
ftatt, denen almähli die Grün:
dung verſchiedener La Orosse-Klubs
Rechter Derteidiger, 7. Sentrumsjpieler,
8. Rechter Feldmann, 9. Linker Seldnann,
10. Dritter Ungreifer, IA. Zweiter Angreifer,
12. Erſter Angreifer.
in Irland und England folgten. | Spieler beträgt zwölf auf jeder
La Orosse ift fein Mannfchaftsjpiel | Seite; ihre Aufftellung ift auß dent
wie 3. B. Hodey oder Fußball; es | beigefügten Plan erfihtlih. Das
beanſprucht allerdings gleichfall® | Verdienft, die LaCrosse-Keule tadel=
zwei Barteien, von diejen fpielen
zurzeit aber immer nur zwei Spieler
gegeneinander: Einer, der den Ball
mit einer Wurfleule einem Partner
zuzumwerfen jucht, ein Zweiter, der
(08 herſtellen zu können, beanfpru=
chen auch heutzutage noch die In—
dianer — das Geheimnis ihrer
Zufammenjegung wird von jedem
Stamme ängſtlich behütet. Die
Nro. 785.
E. Gräfin Baupdiflin.
Länge der Keule richtet fich nach macht, vollzogen wird (durch kurzen
der Größe des Spielers, die Wurf: | Drud mit flach gehaltener Keule)
fläche darf nicht breiter als 30 cm
fein; dag Net ift jo eng, daß der
Ball, der ca. 20 cm Umfang beſitzt,
nicht dur) die Mafchen geht. Zu
406. Wurffeule zu La Crosse
jowie das Aufnehmen de3 Balles
im Lauf, wozu man mit beiden
Händen gleich geſchickt fein jo.
Bein Werfen unterfcheidet man, je
nad) der Haltung der Keule, den
Wurf unterm und den Wurf überm
Gürtel. Als Hauptkunft des ganzen
Spieles gilt aber das Fangen des
Balled; denn der Ball muß immer
‚auf die breitejte Stelle des Netz—
jedem Spiel find zwei Richter nötig,
die mit den Spielmarten verhan—
deln. Der Tormädter darf den
Ball nicht mit der Hand werfen,
muß ſtets die Keule halten, kann
dagegen den Ball jonjt auf jede
Weiſe, durch Treten, Stoßen ıc.
zurückſchlagen. Von den übrigen |
Spielern darf der Ball weder mit
Fuß oder Bein noch mit der Hand
407. Das Fiehen.
berührt oder gefchlagen werden;
ebenjo ftreng find die Regeln über |f
das Feithalten der Keule eines
Gegners. Beim angeordneten Ge-
dränge, scrimmage, wendet jeder
Spieler die rechte Schulter dem
feindlichen Tor zu, legt den Rüden
feiner Keule feſt gegen den Ball,
übt, jobald der Pfiff zum Be:
ainn gegeben wird, einen Furzen
Drud auf den Ball aus, und zieht
die Keule ſchnell zurüf, um den
Bal dabei auf das Net heraufzus |
bringen. Ebenſo viel Hebung ver-
langt das Aufnehmen des am Boden |
liegenden Balles, das auf ähnliche
Meife, wie man es beim Tennis |
werks treffen und vom Fänger jo
dirigiert werden, daß er auf dem
Ne entlang läuft und fih im
Dreieck, zwifchen Hals und Griff,
fejtflemmt. Auch das Halten des
Balles auf der Keule während des
Laufens ift Schwierig und wird nur
durch andauerndes Trainieren ge=
lernt ; der Ball muß eventuell dabei
„gepaßt“ oder „gebribbelt” werden.
Das Ziel, den Ball bei allen Käm—
pfen möglichjt dem Tor zu nähern,
darf man nie aus dem Auge ver-
lieren; die Feinheit des La Crosse
liegt darin, daß trogdem die Spieler
immer wieder ihre zu Beginn des
Spieles bejtimmten Plätze einneh=
men. Bor den Fußballipielen hat
La Crosse außerdem voraus, daß
es auch die Armmuskeln gut aus:
bildet, jedenfall® gehört es zu den
Ihönften und gejündeften Rajen=
pielen.
785. Ball-Goal, Ein in Deutſch⸗
land ebenfalls noch faſt unbekanntes
Rafenjpiel ift Ball-Goal, ein eng—
liſches Wurfballipiel, deſſen Ten-
denz ebenfall$ darin liegt, den Ball
ins feindlihe Tor zu treiben; und
‚zwar gefchieht die mit einer eigen=
artigen, mit einer Deje verjehenen
Keule, die ven Ball nicht durchlaſſen
darf; als Ball wird ein Afjoziation-
— —
408. Wurfkeule zu Ball-Goal.
(
Hoa.
XI, 9. Laufſpvprt. Nro. 786.
Fußball benugt. Die Einteilung | mit dem Ball darf nur mit der
des Spielfeldes, dejjen Länge ca. | Keule gejchehen, jedes jonftige Be—
110 m zu ca. 75 m Breite betragen rühren iſt ver—
boten. Die Spiel-
dauer beträgt
2x 35 Minuten
mit einer Pauſe
von 10 Minuten
dazmwilchen; wer
den Ball in diejer
Zeit am häufig:
ften durch das
feindlide Tor
Ichlägt, iftSieger.
Wie bein Hodey
wird von der
Mitte nad) einem
410. Der Wurf des Flügel gejpielt,
Thorlinie 75m
—
8
I
Balles über den bis der Ball dicht
Kopf. ang feindliche Tor
gelangt iſt; der
letzte Angriff wird dann wieder von
der Mitte aus unternommen. Zum
guten Spielen iſt es nötig, die
Wurfkeule mit beiden Händen zu
gebrauchen, auch das Werfen des
ſoll, iſt aus dem beigefügten Plan Balles, das Schwierigſte beim Ball—
erkenntlich. Die beiden Parteien | Goal, wird mit beiden Händen aus—
beftehen aus je Stürmern, 3 Mark: | geführt. Ein befonderer Tri ift
männern, 2 Malmännern, 1 Tor: | das Werfen des Balles über ven
wächter und einem aus den Spielern | Kopf, um den Gegner zu „bluf-
erwählten Spielmwart. Das Spielen | fen“.
409. Grundriß des Spielfeldes.
9. Lauffport.
786. Den Engländern ift e8 vor= | zum jportSmäßigen, mit Wettkäm—
behalten gewejen, dag Laufen und pfen zum verbundenen Gehen wie
Gehen, die natürlichen Bewegungen | Laufen — eines tüchtigen Trai:
des Menjhen, mit denen höchſtens nings, das in größeren Städten
Kinder einfache Spiele verbanden, | Deutjchlands, bejonders in Berlin,
zu ernithaftem Sport auszubilden; | durch regelvechte Vereine unterftüßt
jevenfall3 ein gejunder und billiger | und gepflegt wird. Das jogenannte
Sport, den jedermann, der über Croß-Country-Laufen (für
ein gutes Herz und kräftige Lungen | das ſich doch wohl ein deutſches
verfügt, auszuüben imftande ift. Wort: Querfeldein-Laufen finden
Natürlich bedarf e3 zu beidem — | ließe) bildet 3. B. in jedem- Früh:
Nro. 786.
jahr die erfte Veranftaltung des
Verbandes Berliner Athletik⸗Ver⸗
eine. Dies Duerfeldein-Taufen be-
greift, wie der Name jagt, das
Laufen über freied Gelände mit
möglihft natürlichen Hinderniffen.
Am Frühlingslaufen 1909 beteilig-
ten fih 74 Mannſchaften mit 600
Läufern — wahrlich ein erfreuliches
Zeichen, welchen Anklang diefer ge⸗
junde Sport gefunden hat! — Die
Kleidung fei möglichft einfah und
bequem, Bedingung ift, daß den
Läufern Gelegenheit geboten wird,
ſich jofort nach beendetem Wettlauf,
in geſchützten Räumen auszuruben,
waſchen oder baden und umlleis
den zu können. Al Sieg gilt,
wenn eine Mannſchaft geichlojjen
oder in beftimmter Anzahl das Ziel
paſſiert. (S. Bild 411.)
Weitere fompliziertere Variatio-
nen des Laufen? find dag Hür-
dvenlaufen, das auf künſtlichen
Bahnen von ca. 120 m Länge
ftattfindet; das Stafetten-
laufen, das den Ablauf der
Mannſchaft in verfchiedenen Abtei-
lungen (Stafetten) bedingt und bei
dem eine Stafette erft jtarten darf,
wenn fie eine Fahne oder dergl.
übernommen hat, die fie am näd):
ften Ziel weitergeben muß; ferner
das Laufen über furzge Streden
(100—200 m), über mittlere
Stredfen (500-1500 m) und
das über lange, d. h. über mehr
a3 1500 m:Streden. Die
Hauptfunft des Stredenlaufen? be:
jteht darin, richtig mit feinen Kräf—
ten hauszuhalten, aljo je nach der
Länge des zurüdzulegenden Weges
und den eigenen Fähigkeiten —
Schnelligkeit oder Ausdauer —
da8 Tempo einzurichten.
ALS Diftanzen des Mettlaufeng
haben die Wettlampfbeitimmungen
der deutjchen Sportbehörde für
Athletit angegeben:
„Weber andere ala nachfolgende
€. Gräfin Baubiffin.
Streden und Zeitabſchnitte darf
nicht gelaufen werben: 50, 100,
150, 200, 800, 400, 500, 800,
1000, 1500, 2000, 3000 m u. |. f.
in Abftänden von 1000 m, außer-
dem noch über 7500 m und über
eine und zwei Stunden.”
„Für Stafettenlaufen: 400 m
(4 Mann), 500 m (5 Mann) 600 m
(3 Mann), 1000 m (10 Dann),
3000 m (3 Mann).”
Beim Gehſport lauten die
Hauptparagraphen derjelben Sports
behörde:
„Beim Wettgehen muß immer
der Hacken des einen Fußes den
Boden berühren, ſo lange noch die
Spitze des rückwärtigen Fußes
darauf ruht. Beide Beine müſſen
im Knie geftredt jein;“ und: „Ber-
jtöße gegen regelrechtes Gehen wer=
den mit Ausfchluß von der Preis-
bewerbung beitraft ; dem Ausſchlufſe
A einmalige Verwarnung voran=
eben.”
Die Weltrelords im Gehen haben
bisher Engländer und Amerilaner
erreicht, und es ift leider vorläufig
nicht anzunehmen, daß, troß tüch-
tiger Leiftungen in der letzten Beit,
die Deutichen die Ausländer über-
flügeln werden.
Ein echtes deutſches Lauffpiel
ift ver Barlauf, deflen Urfprung
von Gelehrten allerdings auf die
franzöfifhen Spiele „aux barres“
zurüdgeführtt wird. Doch nahm
Jahn es bereits in feiner „Deut-
ſchen Turnkunſt“ (1816) auf und
legte ihm ſieben Regeln zugrunde.
Als Wettlampf wird Barlauf vor-
läufig nur in Berlin und feinen
Bororten gefpiet — im übrigen
Deutſchland gilt es noch als ein-
faches Unterhaltungsfpiel. |
Die Regeln find vom techniſchen
Ausschuß im Auftrage des Zentral:
ausfchufle® zur Förderung der
Volks⸗ und Zugendipiele in Deutfch-
land herausgegeben worden. Sie
XI. 9. Tauffporf. Nro. 786.
beftimmen eine Spielerzahl von | Wird ein zweiter Gefangener der-
12—15 bei jeder Partei; gewonnen ſelben Partei gemacht, jo darf der
Hat die Partei, die 3 Gefangene erjte zu jeinen Freunden zurück—
gemadt bat, die nicht wieder be- kehren; wird der dritte gejchlagen,
freit worden find. Der Spielpla ohne daß auch der zweite erlöft
wird durch in den Sand gezogene worden wäre, jo iſt das Spiel ent-
Marken in „Mal-“ und „Spielfeld“ schieden. Der Schlag zum Ge:
eingeteilt; von jeder Vartei laufen | fangennehmen oder Erlöfen ift nur
Spieler aus, verfuchen einen Part- mit dem Ruf „Halt“ oder „Erlöft“
ner der Gegenpartei, der früher | gültig.
als fie das „Mal“ verlaflen hat, Für Wettipiele find alle Dieje
durch einen Schlag zum Gefangenen Regeln jelbftverjtändlich bedeutend
zu maden; fi) dagegen in acht verſchärft. Es wird dann nad
zu nehmen, nicht jelbjt gefangen zu | „Punkten“ gezählt und als jolche
werden. Der Gefangene wird am gelten: Gefangennahme, Befreiung
Mal der feindlihen Partei an | und Spiel. Den Ausſchlag gibt
einem bejtimmten Punkt aufgeftelt aber nicht die Zahl der Punkte,
und muß durch die Berührung fondern die Differenz zwiſchen den
eines Bartners, ehe diejer jelbft eigenen und den Punkten des
gefhlagen wird, erlöjt werden. | Gegners.
411. Croß-Country-Saufen im Grunewald (Uus „Die Woche”).
Nro. 786.
&. Gräfin Baudiffin.
Verzeichnis der englifchen und deutfchen Husdrücke
| zu den $port- und Ralenfpielen.
Zu ı. Polo.
Centre-rush — Mittelftiirmer.
to drive — bribbeln, treiben.
goal — Tor.
goal-keeper — Torwädhter.
goal-post — Torpfoften.
gymkhana — indiſche Reiterfpiele.
band — engl. Maß.
inch — Zoll.
match — Spiel.
referee — Schiedsrichter.
rush — Stürmer.
team — Partei, Mannicaft.
Zu 2. Gelf.
adressing the ball — Richten bed Balls
zum Abſchlag.
mr — Kupferbeſchlag, auch Keule mit
eſchlag
bulger — Holzkeule mit konvexer Schlag⸗
fläche.
bunker — Hindernis, Sandwall.
bye — Male, die nad Ende bed Matches
übrig geblieben find.
caddie — Köcherträger.
captain — Erfter des Golffpiel3.
carry — Weg, den der Ball zurüdlegt.
(long-carry — short-carry).
„C. B.“ = Colonel Bogey, nad deſſen
Tabellen man rechnet.
cleeks — Spielfeule.
elub — Keule.
course — Spielfeld zwiſchen den putting
greens.
eutter — Lochbohrer.
dead — tot, den Ball dem Loch auf einen
Schlag nahe bringen.
divot — herausgeſchlagenes Stück Raſen.
dormi — bezeichnet, wenn eine Partei der
andern um ebenſoviel Löcher voraus iſt,
als noch zu ſpielen ſind.
to draw, to hook, to screw — fehlge⸗
fhlagen nad) Lints,
driver — Treiberteule.
driving-iron — Treibereifenfeule.
face — Schlagfläche, Geficht.
fore! — Achtung!
foursome — ettjpiel mit zwei Epielern
in jeder Partei.
full drive — Treibichlag.
to give odds — Vorgaben geben.
glove — Handſchuh.
golf-link — Golfplaß.
green — Raſenplatz.
green, f. course.
green-keeper — Gärtner für den Spielplag.
grip — Griff.
gutty — Quttaperdaball.
half-one — Vorgabe eines Schlages bei
jedem zweiten Loch.
half-shot — Halbſchlag
wrist-shot — —B* oder Gelenkſchlag.
hazard — Hindernis!
high-loftingstroke — Schlag in die Luft.
yerk-stroke — re
holes — Male,
holing out — Einfolagen ind Loch.
bonoar — —— erfter Abſchlag.
hose — Schaft, Stiel.
out — von den Malen zur Spielplatzgrenze
führend.
in — von ben Malen zum Ausgangspunkt
führend.
in good lie — in guter Lage, frei.
iron-clubs — Eifenfeulen.
iron niblicks — Locheiſenkeulen.
to lift (loft)a ball — einen Ball über
ein Hindernis fortichlagen.
like-as-we-lie — Gleichfein beider Parteien
in der Anzahl von Schlägen.
links — ber ganze Goliplag.
loft — Hochſchlagen bes Balles.
mail — Hammer. j
lofting-iron — Hinderniseiſenkeule.
mashy — Niblickkeule, Hinderniskeule.
match — Spiel.
match-play — Bettfpiel mit Zählen ber
. öcdher.
medal-play — Preid:Wettjpiel mit Zählen
der Schläge rund um die Bahn.
to miss. the globe — ben Ball verfehlen.
niblicks — Lochkeulen.
nose — Nafe.
odd — Borgabe.
one off two, off three — Differenzidhlag,
ber ben Vorteil des Gegners verringert.
to play the odd — einen Schlag mehr
haben al3 der Gegner.
to press — mit Gewalt fpielen.
professional — Berufßfpieler.
toput — einfchlagen der Bälle in bie Male.
putters — Schlagkeulen.
putting-greens — Schlagfläde um die Male
berum.
risk — gemwagter Schlag.
rub on the green — Schlag auf den Boden.
sand-iron — — —
score — Zählung.
scratch player — Spieler ohne Borgaben.
set — Sat der notwendigeu Keulen.
to slice — den Ball breben.
slop — intel on ber Keule.
spoons — Löffler.
sole — Sohle.
square — Gleichſtehen der Partie.
sty mies — Schläge über Hinberniffe hinweg.
swing — Schwung ber Keule.
tee — das Häufchen, auf das ber Ball
z. Abfchlag gelegt wird.
teeing-ground — Abſchlagplatz zum Mal.
teeing-mould — Erhöhung für den Bau
zum Abſchlag.
XI. 9. Rautfporf. Nro. 786.
third — Vorgabe eines Schlage3 bei jedem | touch-in-goal — Malmarf.
dritten Loch. [Hälfte treffen. | touch-line — Mallinie.
to top the ball — den Ball auf der oberen | try — Verſuch.
two more, three more — zwei ober brei | try at goal — Verſuch aufs Mal.
Schläge mehr ald der Gegner haben. umpire — Ridter.
waggle — Probefhwung vorm Abſchlag. | unfair — unrichtig, gegen die Regeln oder
wooden-clubs — Holzteulen. ben Anſtand.
yard — Schritt = 91,4 cm.
Zu 3. fussball.
Zu 4. Temnis.
back — SHintermann, Malmann. <
captain — Spielwart. [tragen. | advantage — Borteil, nädfter Schlag
to carıy — ben Ball mit den Händen nad dem Einftand (deuce).
centre — Mittelpunkt. advantage-game — Borteilpartie, nächite
to centre, the ball — ben Ball zum Mittel: Partie nad dem Spiel-Einjtaud.
punkt fpielen. advantage in, out — Vorteil für die ein
corner-kick — Edftoß. [linie). fhentende, Vorteil für die empfangende
dead-ball-line — TotesBall-Linie (Grenz⸗ Bartei nach dem Einftand.
down! — nieber. advantage set — Vorteilsſatz.
drop-kick — Sprungtritt. backcourt-play — Grunblinienfpiel.
drop-out — Lagertritt. backhand — Ridhanpichlag.
fairly held — feſtgehalten.
fair-catch — Sreifang. ae ee
„, five sets
Sieg beiden Tournieren
durch die abfolute Mehr⸗
forwards — Stürmer. 2” heit von 3 oder 5 Süßen.
foul — falſch. break — Ausbruch des Balled nad rechts
free-kick — Freitritt. [fpieler. oder lint3 nad dem Aufſprung.
fullback — Hintermann, reſp. Schlußs | court — Spielhof.
goal — Mal. to cut — jchneiden, breben (einen Ball).
goal-line — Mallinie. cross-drive oder -stroke — Schlag quer
goal-keeper — Thormwädter. über das Spielfeld.
goal-kick — Abftoß, rejp. Tritt auf Mal. | deuce — Einjtand (bei 40).
goal-post — Torftangen, Malpfoften. | dence-game — Partei gleidd (games-all).
half-back — Halbipieler, sing. double — Doppelfpiel.
halves — „ pleur. double faults — zweimaliger Yehler beim
half-time — Halbzeit, El. Pauſe. Einſchenken; gilt — 16.
to heel — Ball mit dem Haden aus dem | drive stroke — Schlagen des Balles nad)
Gedränge ftoßen. erftem Aufſchwung mit vertifalgehaltenent
in-goal — Im Mal, Malfeld. Radet.
to kick — treten, floßen. drive volley — Flugfchlag nad drive Art.
kick-off — Abſtoß reip. Antritt. drop-stroke — dicht am Ne getöteter Ball.
to knock-on — vorfchlagen. event — Konkurrenz; einzelne Abteilungen
man-down! — ein Mann liegt. bei einem XTournier. [Sätzen.
mark — Marke, Kerbe. five all — beide Parteien gleich auf 5
match — ettipiel. fault — Fehler = — 18.
off- side — abjeits. forty — 40, 3 Schläge, deuce.
on side — fpielberedtigt, im Spiel. forehand — Vorhand.
out — aus, Ball aus dem Spiel. four games-all — beide Parteien gleich
pass, to — mit dem Fuße den Ball einem auf 4 Partien.
Partner zuftoßen. fourhanded game — Doppelfpiel.
passee — Spieler, ber einen gepaßten | game — Partie = 60.
Bal empfängt. games-all — Partien gleich.
penalty-goal — Strafmal. ground — Spielplag.
penalty-kick — Strafftoß. half court-line — Mittellinie.
place-kick — Plagtritt. ' half-volley — Sprungicdlag.
punt — Yalltritt. ; handicapper — der die Vorgaben Bes
referee — Schiedsrichter. ſtimmende.
rush — gemeinſamer Vorſtoß ber Stürmer. | handicaps — Vorgaben.
scrummage od. scrimmage — Gedränge. | in play — im Epiel.
score — Spielrefultat. let — erfter, mißglüdter Verfuhßball.
screw, to — dreben, fhrauben des Balles. line umpire — Linienridter.
shot — ſcharfer Stoß in3 Mal lob — Hochball.
to tacke — fefthalten oder faffen des lob volley — Hochflugſchlag.
team — Mannſchaft. [Spielerd. love — nichts auf der einen, im Gegen:
three-quarter-back — Dreipierteljpieler. fag zur andern ‘Partei, 3. B. love-tirty:
to throw in, out — berein= reſp. heraus 0= 30.
werfen be3 Balle3. love set — vollftändiger Gewinn eines
touch — Mark. | Cates zu 0 des Gegners.
Nro. 786.
match — Rettipiel.
mixed doubles — Herren» und Damen:
boppelipiel.
net play — Spiel am Ne.
not ready! — nicht bereit!
play! — Ich beginne!
out Ball im Neb oder aus dem
out sidet Spielfeld.
overhand-service — Dberhand einfchenken.
odds — Vorgaben.
racket — Schläger.
ready? — Bereit?
received odds — empfangene Vorgaben.
referee — Schiedsrichter.
return — erſtes Burüdichlagen nad dem
Einfchenten.
round — Runde.
score — Stand des Spieles.
scratch — Normalfpieler (Klaſſe 0).
scratched — freiwillige Zurüdziehen des
Spielerd bei Tournieren, bebeutet Sieg
des Gegners.
second-bounce — zweiter Auffprung.
service — Einfchenten, Auffchlagen.
server — Einſchenker, Auffchläger.
set — Satz.
singles — Einzelfpiel, ein Spieler auf
jeder Seite.
side-line — Geitenlinie.
smash — Schmetterball, ftarfer Flugſchlag.
stricker-out Empfänger de3 einge-
fhentten Balles.
stroke — Schlag. [& 15.
thirıy — dreißig = 2 gewonnenen Schlägen
three handed-game — Spiel zu dreien.
touched! — berührt!
tournament — Tournier.
twist — Drehung des Balles um feine ver-
tikale Achfe.
umpire — Richter.
underhand stroke — Unterhandfchlag.
— service — Unterhandſchlag
einſchenken.
underhand volley — Unterhandſchlag,
Flugſchlag.
volley — Flugſchlag.
Zu 5. Kricket.
bail — Querbolz.
batsman — Schläger.
bat — Seule.
tobowl — ballen.
bowler — Ballmann.
bye-run — Beilauf.
captain — Spielwart.
caught — gefangen.
cricket — Torball.
dead — tot, aus dem Spiel.
down — erobert (da3 Tor).
fieldsman — Angreifer.
ground — Spielplag.
to handle the ball — den Ball anfaffen.
to hit the ball twice — den Ball jwei-
mal fchlagen-
inning — Verteidigung.
to jerk — ben Ball fchleudern.
E. Gräfin Baudiffin: XI. 9. Xaufſport.
leg-bye — Prallbei.
leg to before wicket — vorftehen.
lost ball — verloxener Ball.
no ball — Fehlball, Kein⸗Ball.
no hit — Fehlſchlag.
out of the place —
over — Wedel.
Popping-cresse — Kerbſtrich.
run — Lauf. —
run out — abgelaufen.
scorer — Anſchreiber.
short-run — Snapplauf.
striker — Schläger.
stump — Stab.
stumped — auögeftaften.
substitude — Stellvertreter.
to throw — werfen.
umpire — Richter.
wicket-keeper — Torwächter.
wide-ball — Weitball.
Zu 6. Dockey.
bandy — Eidhodepftod, Name bes Eis-
bodey in England.
bully — Abſchlag.
corner kick — Edfioß.
cross-bar — Duerftange bes Tores.
goal — Tor.
goal-line — Torlinie.
half-time — Halbzeit, Wechfel.
topass, the ball — den Ball paffen.
rush — Angriff.
striking-circie — Schußkreis.
team — Mannſchaft.
Zu 7. Kröcket.
break — ein ober mehrere Punkte desſ.
Spielers hintereinander.
bisque — Extra⸗Runde.
croquettieren — eine Kugel fo auflegen.
daß fie die getroffene berührt und fie
felbft vom Hammer gefchlagen wird.
Zu 8. Ballfpiele.
Seo ecia. Yack 1 enar, = Maltugel.
Hurling. hurley — Qurlingftod.
slitter — Hurlingball.
Puihball. Aying tormation — Anrennen
de3 Balled ; foul — Fehler; push — Bor:
ftoß ; team in possession — Partei, der
der nächſte Stoß zufteht.
Leafeball. base — Mal; batter — Schlä⸗
ger; catcher — Yänger; home base —
Außgangdmal; inning — Wechſel; out
fielder — Feldmann; pitcher — Werfer;
run — Lauf von Mal zu Mal.
Rounder3. rounders — Runbball : team
— Bartei; three hits a rounder — 3
Schläge für einen Ball,
La Croffe. scrimmage — Gebränge:
Zu 9. Lauffport.
Cross country — Querfeldein.
vom Plag.
— — — ——
DER TTS
XI. Suftiport.
Von
Dermann W. L. Moedebeck, Oberftlt. 3. D., Berlin.
Was gehört zum Luftfport?
787. Allgemeines. Den Luft:
port kann man mit fehr verfdie-
denen Fahrzeugen und Apparaten
betreiben.
In erfter Linie ift es natürlich
der Luftballon, welcher alle eigen
artigen Reize des Luftſports in
einer gefälligen romantischen Weiſe
genießen läßt und fi) daher heute
des größten Beifalld allerſeits mit
Recht erfreut.
Aber wir können beim Luftballon,
der wie ein Floß im Strome,
mwillenlo8 im ALuftftrome treibt,
nicht verharren. Der Menſch ver:
langt fein Ziel und will au mit
feinen Fahrzeugen zu einem be-
ftimmten Ziel gelangen. Der Luft-
ballon madt ihn aber abhängig
von der Wetterlage. Die Frage-
ſtellung beißt: „Erlauben mir heute
Mind undWetter dorthin zu fahren?“
Wenn wir 3. B. nah Djten von
Berlin nad Frankfurt a. D. fahren
wollen, müßten wir den Weftwind
abwarten, der genau über Frank⸗
furt a. O. weht und dürften erft
dann die Ballonfahrt unternehmen.
Der Ballonführer Tann feinen
Willen nur darin zum Ausdrud
bringen, daß er auf diefer vom
Winde ihm vorgezeichneten Strede
an jedem beliebigen Punkte landen
fann; in vorliegendem Beijpiel
wird er alfo in Frankfurt a. O.
niedergehen.
Dieje Art des Fahrens erfordert
Abwarten und verlangt meteoro-
Iogifhe Studien und kann für den
Sport recht gut verwendet werden.
Aber fie Hat dem menschlichen
Forichungstriebe nicht genügt. Man
bat daher eine weitere Kategorie
von Luftfahrzeugen gefchaffen, die
infolge zweckmäßiger die Luft leicht
durchfchneidender Bauform und in⸗
folge ihrer Ausjtattung mit Mo:
toren und Treibfchrauben eine be-
ftimmte Eigengejchwindigfeit be—⸗
fiten. Man bezeichnet fie allge:
mein mit dem Namen „Luft:
ſchiffe“. Der Sport, welder
beim gewöhnlichen „Quftballon”
mehr auf einer rein wiſſenſchaft⸗
lihen Grundlage berubte, greift
mit den Luftſchiffen fofort über in
das technifche Gebiet.
Beim Sport mit Luftfchiffen
handelt es fi immer um deren
Leiſtungsfähigkeit, die von vielen
einzelnen Faktoren abhängig ift.
Das Luftfahren kann ohne Rüd-
fiht auf Wind und Wetter auf
einen bejtimmten Sielpunft ange-
jest werden. Das Wetter kann dabei
je nachdem helfen oder ftören. Die
Wartezeit ift eine bejchränftere ge=
worden, weil fie lediglich von ber
Frage abhängt: „Kann mein Luft:
Schiff unter heutigen Wetterverhält-
Niro. 788-789.
niſſen das vorgeftedte Ziel bei
feiner mir befannten Leiſtungs⸗
fähigfeit erreichen oder nicht ?“
Die weitere techniſche Entiwide:
lung wird dahin führen, Daß bei
ver Beantwortung mit „ja“ oder
„mein jchließlich erſteres fo be=
deutend überwiegen wird, daß man
ſchließlich an die Einführung der
„Luftſchiffahrt“ als neues
Verkehrsweſen denken kann.
Wenn wir nun aber heute von
„Luftſchiffen“ ſprechen, ſtellen
wir ung gewöhnlich große zigarren=
förmige ‚Gasbehälter mit daran
angebradten Gondeln vor. Es
gibt noch eine andere technifche
Richtung für den Bau von Luft:
fhiffen, melde von der Verwen⸗
dung des fogenannten zigarren:
fürmigen Ballons gänzlich abjehen
und die Konftruftion dem Vorbilde
des Vogel? (avis) gemäß vollenden
wil. Man bezeichnet dieſe Tech⸗
nifer daher als „Aviatiker“
und während man die mit Gas
gehobenen Luftihiffe „aeroſta⸗
tifche” nennt, heißen jene dyna⸗
mifch gehobenen Luftſchiffe „aer o-
dynamische”.
788. Aeroſtatiſche Luftfchiffe
bejigen wir bereits in mannigfachen
Ausführungen und das Luftichiff
des Grafen v. Zeppelin kann
beiſpielsweiſe ſchon 20 Perſonen
tragen. Aerodynamiſche
Luftſchiffe aber gibt es gegen—
wärtig noch nicht, ſie ſollen und
werden ſich erſt aus den „Flug⸗
maſchinen“ entwickeln, letztere
find Flugfahrzeuge, welche mit ledig⸗
lich dynamischen Mitteln ein bis
zwei Menfchen durch die Luft tragen
fünnen.
Der „Flugfport“, wie man
diefen bejonderen Teil des Luft:
ſports bezeichnet, welcher fich aus⸗
Ihließlih mit dem dynantifchen
Fliegen befaßt, ift bier berufen,
Bermann W. T. Moedeberk.
lich die allmähliche Berbeflerung
der Leiftungsfähigfeit der Flug⸗
motore, um auf leßteren die Kon⸗
ftruftion großer aerodynamijcher
Luftſchiffe aufbauen zu können.
Wenn man für das aeroftatifche
Luftſchiff den gemöhnliden Kugel:
ballon mit Recht als wichtige Vor⸗
fhule für defjen Ausbildung und
Entwidelung und für dag Luft
fahren überhaupt anfieht, fo hat
man im „Drahenfport” ein
gleiches für den Flugfport und für
die Entwidlung der Flugmafdine.
Es ift nicht leicht, tragfähige ftabile
Draden zu bauen, es ift noch
fchwerer, fte bis in eine Höhe von
6000 Meter hinauf zu treiben in
den lichten Aether. Die beiten
Dradenbauten haben den Tedhni-
fern als Vorbilder für. unfere heu=
tigen Flugmaſchinen gedient.
Der Drachenſport ift der mwohl-
feilfte Luftſport, feine Bielfeitigfeit
verbürgt ihm überdies ein dauern-
des Intereſſe; er ift flugtechniſch,
wiflenfchaftlic und militärifh er-
folgreich ausgebeutet worden.
Der Luftfport läßt ſich nun
außerdem in mannigfader Weife
mit einigen anderen Sport3 ver-
binden und zwar mit dem Radfahr⸗,
dem Automobils und dem Renn-
jadtjport.
789. Der Luftballon. Ein
Luftballon bejteht aus der meift
tugelföürmigen Ballonhülle,
dem Net, dem Ring, dem Korb
und der Ausrüftung.
Die Hülle aus Baummolle, Seide
oder Golpfchlägerhaut gefertigt,
dient zur Aufnahme des Gaſes und
ihr Stoff muß demnach gasdicht
fein. Um fie entleeren zu können,
ift fie am oberen Pol mit einem
genügend großen Ventil verfehen,
defjen Leine durch den Ballon hin-
durchgeführt wird bis nad dem
Ballontorb. Außerdem wird fie
eine Kulturaufgabe zu löfen, näms zwecks ſchneller, augenblidlicher
XII. Ruftfporf.
Entleerung mit einer Vorrichtung
‚zum Aufreißen verjehen, der
„Reißvorridtung” Die Be—
dienung der letteren gejchieht gleich:
fal8 vom Korbe aus. Sie dar
natürlich niemals oben in der Luft
‚gerifjen werden, fondern erjt, wenn
der Ballon fih auf dem Erdboden
befindet.
Megen der großen Gefahr, die
fih aus der Verwechſelung der
Bentilleine und der Reißleine er-
geben könnte, muß die Reißleine
nad internationalen Abmadhungen
immer aus einem roten, 23mm
breitem Öurtbande bejtehen.
Bei deutjchen Ballong wird die
Reißleine noch dadurch bejonders
gefichert, daß man fte mit einem
an ihr befeitigten Metallring in
eine am. VBentilfranz befejtigte
Klinke einhängt, aus deflen fevern-
ven Schenfeln ſie erjt bei einem
Zug von 75 kg herauszuziehen ift.
Ferner wird dad Ende der Reiß—
leine über den Köpfen der Ballon-
fahrer in einem an der Tafelage
befeftigten Sad hineingeſteckt, da:
Neo. 789,
mit nicht verfehentlich ein Mit:
fahrender an derſelben anfafjen
und ziehen Fünnte.
Am unteren Bol der Ballonhülle
f | befindet fich ein zylindrifcher Schlau)
der zum Füllen der Hülle dient
und deshalb „Füllanſatz“ be—
nannt wird. Der Füllanjat bleibt
beim Ballonfahren entweder geöff-
net, oder man jpannt ihn mit einer
federnden Schere oder endlich man
verfieht ihn mit einem fich leicht
automatijch öffnenden Ventil.
Das Gas im Ballon ift nämlich
beim Fahren einer fortgejeßten Ber:
änderung ſeines Volumens ausge—
jeßt, deren Urfachen in dem teten
Wechſel von Luftdrud und Wärme
zu fuchen find. Für beide Ein-
wirfungen ift der Ballon ein jehr
empfindliche8 Inftrument und der-
jenige, welcher den Ehrgeiz bejikt,
Ballonführer werden zu wollen,
muß fich zunächft über diefe grund—
legenden phyſikaliſchen Kenntnifje
eingehendjt unterrichten.
Um die angehängte Laſt gleich-
mäßig auf den Ballon zu verteilen
412. Ballonfüllung.
Nro. 789.
und zugleich dabei feinen Formen
änderungen, wie fie der Wechjel
ſeines Gasvolumens bedingt, ſich
anzuſchmiegen, wird die Hülle mit
einem rhombiſchen Maſchennetze
überzogen, daß fie ?/, bis ?/, ein-
Ichließt.
Das Maſchennetz ift oben mit
jeinem Taukranz am Pentilfranz
angejchnallt. Unten gehen die rauten—
—
Moedebeck phot.
— —
415. Beendete Füllung im Winter.
förmigen Maſchen in mehrere Reihen
von „Gänſefüßen“ über — ge—
wöhnlich drei Reihen kleine, mitt—
lere und große Gänſefüße — die
dann ſchließlich in einzelne „Au s—
laufleinen“ auslaufen, welche
am „Ringe“ angeknebelt werden.
Der „Ring“, aus Holzfurnier
oder Metallrohr gefertigt, ſchließt
das Netz unten ab und dient zur
Bermann W. X. Mardeberk.
— ET IE Pr
REEL TEE
Befeftigung der
„Süllanjat-
leine*unddes „Schlepptaus“,
Außerdem werden aud häufig In—
ſtrumente an ihm befeſtigt. Am
Ring nah unten hin wird mit
feinen „Korbitriden“ ver
„Korb“ angefnebelt, welcher zur
Aufnahmedes Ballonführers und der
Mitfahrenden ſowie des Ballajtes
dient. An „Ballaft“ wird durch—
jtebter feiner Sand
in „Ballaftfät-
fen“ mitgeführt.
Der Korb kann
natürlid mit man:
cherlei Bequemlich-
feiten je nad) Ge—
Ihmad ausgeftattet
jein. Für den
rihtigen Ballon
jport ift eineSchlaf:
vorrihtung unbe—
dingt nötig. An
Snijtrumenten iſt
das wichtigſte ein
Barometer,
ein Barograph,
erwünſcht iſt auch
ein Aßmann—
ſcher Pſychro—
meter und unbe—
dingt nötig eine
richtig gehende Uhr.
Weiterhin braucht
man die nötigen
aeronautifchen
Zandfarten, am
beiten im Maßſtabe
1:200000, im Rot:
fale 1:500000,
ein Eifenbahnfursbud und
ein gutes Mefjer, Speifen, Getränke
und viel Geld.
Der Ballonführer muß mit einem
Ausmweije verjehen fein zur Legiti⸗
mation und zur unbeanſtandeten
billigen Rückverfrachtung des ent—
leerten und ſehr ſorgfältig im Ballon-
korbe verpackten Ballongutes. Sehr
praktiſch iſt die v. Tſchudiſche
J
|
.ä
Hoc in den Lüften. (Aus Sport im Bild.)
XH. Tufffporf.
„Anftruftion für den Bal-
lonführer“, welche gegenwärtig
vom deutſchen Luftjchifferverbande
neu bearbeitet worden ilt.
790. Das Luftſchiff. Für den
Sport fann man natürlich nur ein
Kleines Luftjchiff gebrauchen und
man wird am beften dabei fahren,
wenn man das Syftem v. Barjeval
wählt, welches in jeiner Hand—
hbabung am menigjten vom ge—
mwöhnlihen LZuftballon abweicht, in-
fofern als man mit ihm unter Um—
ftänden landen kann ohne vieler
Leute zum Abfangen zu bedürfen.
Das Luftſchiff hat Zigarrenform,
die bei den neueſten Konjtruftionen
vorn ftumpf, Hinten jpig ift.
a g nz nn 0
——— N
& Ka sah
Moedebed phot.
414. Abfahrt eines gut abgewogenen Ballons.
Nero. 790-791.
Hinten ift auf jeder Seite je eine
horizontale ftarre Schwanzfläche an-
gebracht, unten befindet ſich das
vertifale Steuer für feitliche Be:
megungen.
In der Mitte unter dem Gas:
förper befindet fi an Kabeln hän-
ı gend und über Rollen auf denjelben
gleitbar befeftigt die Gondel mit .
Motor und Treibjchraube.
Für die Beteiligung am inter-
nationalen Wettfliegen find auch
Luftſchiffe bis zu 2250 cbm Größe
zuläſſig. Diejelben werden hierbei
im Gegenjat zu den anderen Luft-
ballong mit Wafjerftoff gefüllt.
791. Die Flugmaſchine. Die
Flugmaſchinen beftehen aus großen
Slugflähen, die je
nachdem kaſtenförmig
zu mehreren über:
einander oder wie
bei Flugtieren ein
flähig angeordnet
find. Diejelben find
jowohl hinten wie
vorn mit einem Sy-
ſtem fejter und be:
weglider Bertifal-
und Horizontalfteuer
verjehen.
In ihrer Mitte be—
findet fih der Sitz
für den Führer und
der Motor mit den
Hebeln und Steuer:
rädern. Eine oder
zwei Treibjchrauben
find gewöhnlich Hinter
dem Flieger ange:
bradt, der im all:
gemeinen auf einem
Geſtell mit fleinen
Rädern oder Sclit-
tenkufen montiert ift.
AS harakterifti-
Ihe Typen jeien an
|. geführt die Flug-
maſchine der Wright
Brother8 aus Day-
51
Nra. 792—793.
ton Ohio U.S. A., die von Boifin
erbaute Farmanflugmajcdhine und
diejenige von R. Esnault Belterie.
792. Die Drachen. Hinfichtlich
der Drachen find zwei Formen zu
unterjcheiden, welche für die zahl-
reihen Varianten die Grundform
gegeben haben, nämlich die malayi-
ſchen Draden, die einflächig aber feil-
förmig gefaltet find, und die Flächen:
draden, die einflächig oder kaſten⸗
förmig mit zwei bis zu unendlich
zahlreihen Flächen „Zellen
drachen“ fi entmwidelt haben.
Selbitredend kommen auch Konſtruk⸗
tionen vor, in denen beide Grund-
formen zufammengeftellt find; wie
denn überhaupt im PDradenbau
eine Mannigfaltigfeit der Formen
herricht die beinah unentwirrbar zu
fein fcheint.
Der Zügel des Drachen wird
durch Einſatz eines Gummiftüdes
‚gewöhnlich elaftifch gemadt. Zum
Auflaffen nimmt man beiten Kla⸗
vierfaitendraht. Man hüte fich vor
eleftrifchen Entladungen. Um große
Höhen zu erreihen, braucht man
ſehr tragfähige Draden. Da die
Tragfähigkeit nad Abwickeln eines
gewiffen Gewichtes des Klavier-
faitendrahtes erjchöpft ift, muß
man in richtiger Entfernung immer
wieder neue Tragedradden einfeten
(„Drahentandem”), um große
Höhen erreichen zu können.
Die Ausübung des Luft-
fports.
793. Allgemeined. Der Luft:
jport ift der edelfte und vornehmite
Sport, der eriftiert. Er ift der
Sport der gebildeten Leute; er
verlangt nicht allein förperliche Ge-
wandtheit und manuelle Gefchid-
lichfeit, er verlangt vor allem einen
geftählten, zähen Charakter, gedie—
genes Willen und Hohe Intelligenz.
Der Luftfport nimmt hervor:
ragenden Anteil an der Förderung
Bermann ®. I. Moedeberk.
eines in die gegenwärtigen ſozialen
MWeltverhältnifie tief eingreifenden
neuen Kulturfaltor, nämlich die
Luftihiffahrt ; einJahrtauſende alter
Traum des Menſchen ſcheint ſich
vor unſeren Augen zu verwirk—⸗
liden. Ein Sport, der berufen
ift, ein ſolch ideales jahrtaufende
alte Berlangen zu fördern, muß
der edelite fein, den es gibt.
Er bat feine Aufregungen und
Gefahren, er hat außer den Siegenim
Sport feine hervorragenden Genüffe.
Der Luftiport ift ein Weltfport.
Er verbindet tief im Kontinente
abgefchlofjene Ortjchaften mit einem
Male auf dem fürzeften Wege —
Luftlinie — mit der geſamten Welt.
Die Grenzen des Baterlandes wer-
den zu enge, vielleicht kommt noch
einmal die Zeit, wo das alte
Europa zu Hein wird für die Ent-
widelung unſeres Luftſports, wo
wir den Blid weit hinein nad)
Aſien oder nah Afrifa richten
müſſen, um dort unfer Ziel zu
juchen und zu finden.
Kein Sport fommt an kosmo—
politifcher Großartigfeit dem Luft⸗
port gleich, feiner verlangt wie er
in jeder Beziehung wie man fagt
„ganze Kerls“.
Dabei läßt er auch unferen lieben
Frauen Raum, ſich jportli zu be=
tätigen, weil nicht alle Ausfüh-
rungsarten unſeres Sport8 Körper-
und Nerventräfte big aufs äußerfte
anipannen.
Sm bejonderen ift der Luftjport
durch den im Sahre 1905 am
14. Oktober in Paris begründeten
Snternationalen Luftſchif—
ferverband (Federation
A&ronautiquelnternatio-
nale) genau durch Satungen und
Reglements feitgelegt*). Die Ein:
*) Erbältlih in deutſcher Heberfegung
von Leutnant E. v. Selaſinsky und Dr.
Fr bei 8. 3. Trübner, Straßburg und
erlin,
XII, Kuflfport.
führung diefes Neglements hat die
zweck- und ziellofen Biedermeier:
fahrten im Luftballon, die in Deutich-
land bis dato als eigentlidher Luft:
port angefehen wurden, auf das
Nro. 794.
ein Vorſtand, der feinen Sit im-
‚mer da bat, wo der Schriftführer
ſich befindet und das ift gegenmwär-
‚tig Paris,
Er ſetzt fi zufammen aus einem
ihnen zufommende Maß eines ge= | Ehrenpräfidenten, der franzöfifche
415. Gefährliche Landung in Telegraphendrähten.
nußlichen Luftbummels beſchränkt
und den Sinn für den wirklichen
weitſchauenden und dem Vater—
lande nützlichen Luftſport erſt ge—
wertet.
794. Organiſation des Inter⸗
nationalen Luftſchifferverbandes.
An der Spitze des Internationalen
Luftſchifferverbandes befindet ſich
Phyſiker L. Caille—
tet, Mitglied des
Inſtituts, einem Prä⸗
ſidenten, Prinz Ro—
land Bonaparte,
fünf Vizepräſidenten
aus den Ländern
Deutſchland: Geh.
Reg.-Rat Busley,
Frankreich: Comtede
la Vaulx, Eng:
land: R. W. Wal-
lace, Italien: Brinz
Borghefe um
Belgien: M. Ja:
cob3,einemSchrift-
führer, M. ©. Be-
Jancon, einen Be:
richterftatter, M, €.
Surcouf, und ei-
nem Schaßmeifter.
M. P. Tifjan-
dier.
Für diefen Bor-
ftand bilden die ver-
einigten Luftſchiffer—
vereine, Die in
Deutſchland den Na-
men „Deutſcher
Zuftidifferver-
band“ angenommen
haben, nur eine eit-
zige Sportmadt.
Alljährlich findet
eine internationale
Konferenz in Verbindung mit ei-
nem großen internationalen Wett-
fliegen jtatt. Außerdem Hat die
Fed6ration A&ronautique Inter-
nationale (F. A. I.) alljährlich das
Gordon = Bennett = Wettfliegen in
demjenigen Lande zu organifteren,
von welchem diejer Preis gemonnen
wurde,
— —
Nro. 794.
Diefer Preis wurde 1907 beim
Gordon = Bennett = Wettfliegen in
St. Louis von dem deutichen Führer
Oskar Erbslöh aus Elberfeld
gewonnen und befindet fich daher
jet im Beſitz des deutſchen Luft:
fchifferverbandeg, der ihn 1908 in
Berlin zu verteidigen hatte und
an den Schweizer Oberſt Schaed
verlor, welcher in 71 Stunden von
Berlin bi8 Bergjet in Norwegen
fuhr.
Ale Flüge müffen genau nad
dem Reglement der F.A.I. ein-
gerichtet werden. Sonderbeſtim⸗
mungen find nur zuläffig, inſoweit
fie nicht mit den Vorſchriften des
Reglements im Widerſpruch ftehen,
jondern vielmehr dagjelbe in Ein-
zelfällen ergänzen. Das Reglement
des Gordon-Bennett-Preifes ift eine
jolde Ergänzung.
ALS Ueberwahungsbehörde für
die richtige Handhabung und Bes
achtung ded Reglement hat jede
Sportmadt eine Sportfom-
miſſion, welche mit Strafgewalt
verjehen ift und in ihrem Lande
die oberfte Instanz in aeronautifchen
Streitſachen ift und nur allein die
Strafe einer Disqualiftfation aus
ijprehen Tann. Gegen ihre Ent-
\heidung fann nur die Sinternatio-
nale Zuftfchifferfonferenz angerufen
werden.
Die Sportfommiffion des deut-
ſchen Luftſchifferverbandes bejtand
1908 aus den Herren Hauptmann v.
Abercron, Geh. Reg.-Rat Bus⸗
ley, der zugleich Vorſitzender des
deutſchen Luftſchifferverbandes iſt,
Hauptmann Hildebrandt,
Oberftleutnant Moedebed und
Direltor X. Niedinger.
Wenn nun die einzelnen Vereine
Deutſchlands ein Wettfliegen oder
einen Rekord in ſich oder unter fich
veranftalten wollen, fo bilden fie
hierzu aus ihren Mitgliedern einen
„Organifationgausfhuß“.
Bermann W. I. Moedebeck.
Lebterer hat den Wettbewerb oder
Rekordverſuch vorzubereiten und
abzuhalten. i
ALS Ausführunggorgane, melde
vorher der Betätigung bezw. der
Prüfung von feiten der Sport:
kommiſſion des deutſchen Luft-
johifferverbandes bedürfen, braudt
man dazu mindefteng einen fachtech⸗
niſch gut gebildeten und im Sport
erfahrenen Sportfommiffar,
einen Starter und je nad der
Art des MWettfliegend unter Um:
ftänden nod einen oder mehrere
Bertrauengmänner (Dele-
gierte).
Der Drganifationgausfhuß ar-
beitet jodann das Programm und
wenn nötig, feine Sonderbeftim-
mungen aus und legt fie ebenfalls
zur Genehmigung der Sportlom-
miffion vor.
Mit Zuftimmung der Sportkom⸗
mijfion kann der Organiſationsaus⸗
ſchuß auch einbejonderesPreisgericht
bilden. In dieſem muß ſich aber
wenigſtens ein Sportkommiſſar des
Ausſchuſſes befinden, der als aero-
nautiſcher Fachmann zugleich die
Intereſſen des Wettbewerbes ver-
treten muß und an deſſen Perfon
daher Berufungen gegen ein Jury⸗
Urteil zu richten find zur weiteren
Vermittlung an die Sportkom⸗
milfton.
Der Sportlommifjar iſt alfo
gleichzeitig ein ausführendes Or⸗
gan des Organiſationsausſchufſes
und ein Kontrollorgan für die Sport⸗
kommiſſion. Er beſitzt in beſchränk⸗
tem Maße eigene Strafgewalt.
Die Sportkommiſſion, deren
Mitglieder, um einer Verwechſelung
mit den „Sportkommiſſaren“
vorzubeugen, „Mitglieder der
Sporttommifsfion“ benannt
werden, hat dann fernerhin die
„Sachverſtändigen“ zu ernennen
und über ſie Liſte zu führen. Man
verſteht darunter nicht ſportlich,
= 71 «
XII. Nuftfport.
Niro. 795.
jondern rein techniſche Sachver: |ter Drt fein darf oder in Nähe
ftändige, die die Güte und Brauch—
barkeit de3 aeronautischen Materials
zu prüfen verjtehen. Sie führt
weiterhin die Lifte über Rekorde,
die jie zu prüfen und dem Bor-
ftande des F. A.I. alljährlich mit-
zuteilen hat.
795. Der Ballonfport. Es han-
delt fich hierbei um den Sport mit
Luftfahrzeugen, die dur) Gas, das
ift aeroftatifch gehoben werden und
feine Eigenbewegung bejigen. Wir
nennen fie „Freiballons“ oder
furz „Ballons“.
Man unterjcheivet fünf Arten
von Wettfahrten mit Ballons, näm-
li:
1. Weitfahrten mit und ohne
Zwiſchenlandungen.
2.Dauerfahrten mit und ohne
SZmwijchenlandungen.
3. Zielfahrten mit Landung
in Nähe eines vorher feitgejegten
Punttes, der aber fein ausgedehn:
einer vorher feſtgeſetzten geraden
oder gefrümmten Linie oder inner:
halb eine beftimmt umgrenzten
Raumes mit frei zu mwählendem
Startort.
4. Etappenfahrten mit Nach—
füllung bei den Zwiſchenlandun—
gen.
5. Stabilitätsfahrten nad)
Regelmäßigfeit der Fahrt nad) ihrer
Horizontalität oder umgekehrt nach
ihrem häufigen großen Höhen
wechſel.
Dieſe To verjchiedentlichen Wett: _
bewerbe erfordern natürlich eine
gewiſſe Gleichartigkeit des Mate:
rials, wenn ſie einen gerechten
Maßſtab für die Leiſtungsfähigkeit
des Piloten bilden ſollen, auf die
es hauptſächlich ankommt. Dem—
gemäß tritt auch beim Ballonſport
das Handikap ein.
Zunächſt hat man hierfür fol—
gende Klaſſeneinteilung für Ballons
angenommen:
416. Das Gordon-Bennett-Wettfliegen in Berlin im Jahre 1908.
— — —— —
— ——
Nro. 795.
Luftfahrzeuge von
.Kl. 600 cbm Anhalt u. darunter | Umrechnung nad) den verjchiedenen
1
2.,
8. „ 01 „ 1200
4, „ 41201 „. 1600
5. „ 1601 „ 2200
6. „ 2201 „ 3000
7. „ 3001 „ 4000
8. „ 4001 ccb
„
m und darüber.
”„
Bermann W. I. Moedebeck.
| Gasfülung. Andernfal3 muß eine
601 bis 900 cbm Sinhalt | Auftriebsverhältniffen der Gaſe ein-
treten.
Ein Handilap kann ferner durch
BZugeben von plombiertem Ballajt
für größere Ballons eintreten, und
ſchließlich durch relative Ergebnifje
d. h. man ftellt vor der Wettfahrt
417. Farman beim Flug in einer Slugmafchine von Doifin,
Ein Spielraum von 5°/, ift an
den Grenzen gejtattet.
Die Be:
werber fünnen in diejem Falle ent-
denjenigen Bewerbern, die befjeres
Material befigen, höhere Anforde-
rungen. . Ä
ſcheiden, zu welcher Klaſſe jte ge:
rechnet werden wollen.
Borausjegung für obige Eintei-
418. Esnault Pelterie's Eindeder:Slugzeug.
/
Bei allen diefen Fahrten find
die Ballonführer verpflichtet, das
von der F. A. IL, vorgejchriebene
lung ift natürlich eine gleidartige Bordbuch gewifjenhaft zu führen
— — nn — — m
XII. LXuftſport.
und alle für den Wettbewerb in
Betracht kommenden Ergebniſſe,
durch Behörden und einwandfreie
Zeugen dokumentieren zu laſſen.
Trotzdem beruht aber in manchen
Fällen der Ballonſport auf der un⸗
bedingten Ehrlichkeit des Ballon⸗
führers. Er muß daher in Zweifels-
fällen unter Umjtänden vor einer
Kommiffion an Eides ftatt feine
Erflärung abgeben. Jede erwiejene
Unlauterfeit, bezw. der Verjuch da-
zu, wird von feiten der Sport-
fommiffion mit dauernder Dis⸗
qualififation beftraft. Diefe Strafe
hat alfo für den Luftjport etwas
Entehrendeg, denn fie verbietet dem
Betroffenen. für immer, an den
Wettflügen teilnehmen zu dürfen,
wo es auch fei. Sein Name wird
in die fchmarze Lifte des Inter⸗
nationalen Vorſtandes eingetragen.
796. Der Luftichiffiport.
Wettbewerbe von Luftichiffen be-
ftehen in drei Arten, nämlich im
Bergleih ihrer Eigengeſchwindig⸗
feit, ihres Leiſtungswertes und
ihrer Lenkbarkeit.
Die Eigengeſchwindigkeit ift die-
jenige Geihwindigfeit, die in Meter
per Sefunde oder Kilometer per
Stunde bei völliger Windftille mit
dem Luftſchiff erreicht wird. Da
in Wirklichfeit die völlige Wind:
ftile beinahe niemals vorkommt,
muß man zur Ermittelung der rich⸗
tigen Eigengefchwindigfeit Methoden
anwenden, welche die Windgejchmwin-
digkeit auszuschalten erlauben.
Es geſchieht dies durch Abtreiben-
lafſen des Luftſchiffes vom Start
und NRüdfehr desjelben nad) be-
ftimmter Zeitbegrenzung des Ab-
trieb8, durch Hin- und Rüdfahrt
im Windftric, oder Schließlich durch
Umfahren einer feftgelegten Strede
in Duadratform oder Bolygonform.
: Sn bezug auf die Leiſtungs—
fähigfeit handelt es fich bei den
Wettbewerben um die regelmäßige
Die | Eeit.
Niro. 796.
ruhige Fahrt und die ununter:
brochene Arbeit3leiftung feftzuftellen.
Mettbewerbe diefer Art eritreden
fih daher auf eine viel längere
Fahrtdauer als fie zur Feſtſtellung
der Cigengejhwindigfeit erforber-
lih ift; wenigftens zwei Stunden
Fahrivauer werden beanfpruct.
ALS Gegenftand des Wettbewerbs
kann dabei folgendes dienen:
1. Größte Fahrtdauer bei Inne—⸗
halten einer vorgefchriebenen ge—
ringften Eigengejchwindigfeit.
2, Größte mittlere Eigengeſchwin⸗
digfeit während einer vorgefchrie=
benen Zeit.
3. Zurüdlegung der größten
Fahritrede gegenüber der als un—
bewegt betrachteten umgebenden2uft,
mit oder ohne Verbindung mit
Dauerfahrt oder einer vorgefchrie-
benen geringiten Eigengefchwindig-
ei
4. Betriebsmaterialverbrauch pro
Pferdeftunde gegenüber der als un-
bewegt betrachteten Luft mit vor:
gejchriebener geringiter Cigenge:
ſchwindigkeit.
5. Dauerfahrt in Befolgung einer
vorgeſchriebenen Fahrſtrecke.
6. Geſchwindigkeits-Wettbewerb
am Erdboden gemeſſen auf einer
vorgeſchriebenen Fahrſtrecke.
7. Wettbewerb hinſichtlich der
zurückgelegten Fahrſtrecke auf einer
vorgeſchriebenen Flugſtrecke am Erd⸗
boden gemeſſen.
8. Betriebs materialverbrauch pro
Pferdeſtunde gemeſſen auf einer
vorgeſchriebenen Fahrſtrecke.
Bei dieſen Wettbewerben iſt es
dann fernerhin den Organiſations⸗
ausſchüſſen erlaubt, noch folgendes
zu verlangen:
a) Ein Stoppen der Motore,
Zwiſchenlandungen und Betrieba-
materialergänzungen find unterjagt.
b) Stoppen der Motore find er-
laubt, Zwifchenlandungen und Be:
triebsmaterialerſatz ift unterjagt.
Rro. 797.
c) Stoppen der Motore und
Zwifchenlandungen find erlaubt,
Betriebsmaterialerfag ift unterfagt.
d) Stoppen der Motore, Zwi⸗
Ihenlandungen und Betriebsmate:
rialerjag find geftattet.
Hinfihtlih einer Prüfung auf
die Lenkbarkeit können endlich Auf-
gaben geftellt werden, wie das Be⸗
fahren einer beftimmten, mit vielen
Biegungen und Bolten vorgejchrie=
benen LZuftjtrede in einer oder meh⸗
reren Höhen, die längere oder
fürzere Fahrt innerhalb bejtimmter
Höhengrenzen, Umfahren fefter oder
bemeglider Beobachtungspunkte
u. ſ. w
Man wird ſich hiernach einen
Begriff davon machen können, wie
ungeheuer vielſeitig auch der Luft⸗
ſchiffſport werden kann.
Der Luftſchiffſport iſt mit Aus⸗
nahme von einen Wettfliegen in
St. Louis im Jahre 1907 bisher
no nicht zum Austrag gefommen,
weil die Entwidlung von Sport-
luftſchiffen noch nicht auf der Höhe
der Zeit ftand. Wahrjcheinlich wird
er jich aber angeregt dur) den im
Sanuar 1909 in London beftimmten
Preis des F. A. I. von 620000
518. und auf Grund des Regle-
ments des aeronautifchen Gordon⸗
Bennett-Preife8 in den nächſten
Sahren einbürgern, das, wie oben
bereit3 erwähnt, als Fahrzeuge aud)
mit Wafjerftoff gefüllte Luftichiffe
von in maximo 2250 cbm zu
läßt.
797. Der Flugſport. Der Flug:
jvort, von Dtto Lilienthal ing Da—
jein gerufen, hat in den letzten
Sahren außerordentliche Fortfchritte
gemadt. Den Gebrüdern Orville
u. Wilbur Wright ift egim Jahre
1905 tatſächlich gelungen mit einer
Motorflugmaſchine einen Rundflug
von 36,5 km auszuführen. Geit-
dem iſt e8 auch verfchiedenen an—
deren gelungen in Europa Flüge
Bermann W. I. Moedeberk.
von verſchiedentlicher Länge und
Höhe zu zeigen, jedoch erft feit
dem Sahre 1906, in welchem zu=
erit der Däne Ellebammer, dann
Santo? Dumont kurze Streden
flogen, bi8 endlich Farman Anfang
1908 mit feinem wohlgelungenen
Rundflug von 2900 m am 14. Ja⸗
nuar den großen Flugprei von
Archdeacon Deutſch de la Meurthe
in Paris gewann. Seit jener Zeit
bat Farman bereit3 feinen eigenen
Rekord mehrfah geichlagen und
Roger Sommer bat jogar am
7. Aug. 1909 im $arman- Flugzeug
eine Flugleiftung von 2 Stunden
27 Minuten 15 Sek. aufzumweifen,
während Wilbur Wright am
3l. Dez. 1908 den offiziellen Re-
ford von 2 Stunden 20 Min. 44 Se.
errang.
Der Flugſport beſchränkt fich
heute noch darauf, immer befjere
Flugrekorde zu fchaffen und immer
mehr Anhänger für feine praftifche
Ausübung zu fuhen. Die erſten
Berjuche hierin, die Farman durd
feinen Flug von Chalond® nad
Reims und zurüd, Bleriot durch
eine ähnliche 28 km lange Hin—
und Herfahrt von Towy nad) Arte-
nay am 31. Okt. 1908 unternom=
men hatten, waren die erften jchüch-
ternen Taten. Durch Bleriots
legte ruhmreiche Ueberfliegung des
Kanal® in 31 Minuten zwiſchen
Led Barraques und Norfoll am
25. Suli 1909 jcheint aber das
Signal zu weiterer praktiſcher Ent⸗
widlung des Flugjport® gegeben
zu fein. Auch die erite Gordon⸗
Bennettflugwode zu Reims vom
22.—29. Sept. 1909 hat einen
mädtigen Anftoß hierzu gegeben.
Man arbeitet ferner darauf hin,
Apparate zu fhaffen, in denen
zwei Menſchen zufammen fahren
fünnen.
Die Ausübung des Flugſports
ijt nicht fo leicht und jo einfach,
agp$ aanoa uı Yılplıjnz sunoddoꝰ
XI, Kufffport,
wie fie erfcheint.
fein,
419. Santos Dumonts Sportluftjchiff.
gleichsfliegen nicht mehr von Mo-
dellen, jondern nur von richtigen
bemannten Flugapparaten jtattfin-
'den werden.
Für diefe Wettbewerbe kann man
nachfolgende Bedingungen ſtellen:
1. Wettbewerb hinſichtlich der
. Eigengefchwindigteit.
|
i
7
u
x ne, Air a du
4 — .
a
Wettbewerb Hinfichtlih des
Leiftungsmwertes, —
— — Kar
nr AUT FFTE T
———— dr
Es will gelernt
das Gleichgewicht nad vorn,
nad hinten und nad) beiden Seiten
zu halten und bei Wendungen und
Windſtößen dieSteuer richtig zu regu:
lieren. Der Sport ift dabei immerhin
noch mit Lebensgefahr verbunden.
Es ift Har, daß in Zukunft Ver-
‚teilt:
N x a 72 ” * vet —3
— u Tier, J lt N x 0
R ee Ka ‚ N der 178 7
Ver, a ara N et * A = Bone J 5 * —
* J + ' n
Nro. 797,
Der Leiftungswert beftimmt ſich
aus dem Neigungswintel der Flug⸗
flachen und aus der ſpezifiſchen
Leichtigkeit des Apparates,
Die ſpezifiſche Leichtigkeit (I) er-
gibt ſich aus der Nuplaft (P’) divi-
diert durch das Geſamtgewicht deg
Flugapparates:
— E
—
—
‚PR vd J
3. Wettbewerb hinſichtlich der
Lenkbarkeit. Be
‚4. Wettbewerb Hinfichtlih der
Höhe. | Be.
‚Die fonfurrierenden Appar
werden in drei Klafjen ei
m FH
. * 9—
— —5——
Nro. 798-799.
Klaffe I Geſamtgewicht mit einer
Perſon unter 300 kg.
Klaſſe II Gef — mit zwei
Perſonen 300—600 k
Rlaffe III Gefamtgewichtmitmehr
als zwei Perjonen über 600 kg.
Ale dieſe Beitimmungen find
bisher noch nicht zu praftiicher
Durdführung gelangt und werden
aber jett erprobt, nachdem eine
große Anzahl von Preiſen für den
Stugfport er worden ift.
F. A. I bat Gordon:
ae vom Jahr 1900 ab au
einen befonderen Wanderprei3 von
72500 Frs. Wert nebſt einem gleich⸗
wertigen Geldpreis zur Verfügung
geftellt, der alljährlich in Frankreich
oder in Amerifaerfämpft werdenjoll.
Sn Deutſchland hat Herr Dr. Karl
Lanz einen Preis von 50000 Mark
für die erfte deutſche Flugmaſchine
geftiftet, welche 2'/, Kilometer im
Fluge in Form einer 8 zurüdlegen
fann.
Wilbur Wright, der amerifani-
Ihe Flugmafchinenfonftrufteur, ge⸗
wann am 31. Dezember 1908 den
Michelin-Preis von 20000 Frs.
duch einen Flug von 123,2 km,
eine Entfernung, die er in 2 Stun:
den 20 Min. 44 Sek. durch Rund:
flüge zurüdlegte. Sollte fich da fein
deutjher Zlugjportler finden, um
den in feinen Anforderungen fo
furchtbar bejheidenen in feiner Be-
lohnung jo großartigen Lanz: Preis
zu gewinnen ?
798. Der Dradenfport. Er
bejteht lediglich darin, den Leiftungs-
wert der Konftruftion feitzuftellen,
bei welchem außer der ſpezifiſchen
Leichtigkeit Die Höhe und die Sta:
bilität in Betracht gezogen werden.
Der Dracdenfport gehört zu den
billigften Luftiportvergnügungen
und er ift überdies außerordentlich
vielfeitig.
Er läßt ſich auch verwerten, und
Bermann W. 1. Moedeberk.
beftrebt bleibt, auf größte Höhen
regiftrierende Snitrumente hinauf:
zufchaffen, oder photographifch, in-
dem man an dem Draden eine
Kamera befeftigt und von oben
Aufnahmen madt, oder militärisch,
indem man Menſchen zum Erkunden
Ka Draden in die Höhe nehmen
läßt.
Die Entwicklung des Euft-
fports.
799. Der Schwerpunkt der Ent:
widlung des Luftjport3 Liegt heute
no im Luftballonfahren. Man be-
gnügte fich früher mit den gemöhn-
lichen Biedermeierfahrten, beidenen
das Genießen der ſchönen Ausficht
vom Ballon aus und das Bemwun-
dern der verſchiedenſten Himmels⸗
phänomene. den alleinigen feichten
Inhalt ded Sport? ausmachte.
Bei uns in Deutfchland mwährte
dieje etwas rüdjtändige Luftjport-
auffafjung allgemein bis zum erften
Gordon=Bennett-Wettbewerb in Pa⸗
ri8 im Sahre 1906
Xeronautifhe Leiftungen ver:
langten zuerit die Franzofen um
das Jahr 1887 durch Organifation
von Zielfahrten zwijchen mehreren
Ballon? und durch Ballonver-
folgungen dur Radfahrer. Beide
Arten hatten einen militärijchen
Hintergrund, der fich leicht auß den
bei der Belagerung von Paris
1870/71 gemadien böjen Erfah:
rungen ableiten läßt.
Im Jahre 1891 gab dann der
Hauptmann Moedebed in jei-
ner Arbeit „Gedanfen über den
Luftſchifferdienſt“, die im Archiv für
Artilleriee und Ingenieuroffiziere
veröffentlicht wurde, die erfte Anz
regung zur Charafterifierung ver
Ichiedener Arten von Ballonfahrten
für Die Ausbildung von Luftſchiffern.
Er unterfhied damald: Dauer-
zwar wiljenjhaftlih, indem man | fahrten, Weitfahrten, Zielfahrten,
XII. Xuftfport.
Hochfahrten und angewandte mili-
täriſch⸗taktiſche Fahrten.
Derjelbe nahm eine noch etwas
erweiterte Einteilung dann in jei-
nem 1895 erjdhienenen „Taſchen⸗
buch für Flugtechnifer und Luft⸗
ſchiffer“ auf und fuchte weiter in
den von ihm gegründeten illuftrier-
ten „Aeronautiſchen Mitteilungen”
im Sahre 1898 dur den Aufſatz
„der Sport in der Luftichiffahrt“
den deutſchen Luftſchiffervereinen
die Ausübung eines friſchen Luft—
fport3 mundgeredht zu maden.
Inzwiſchen war der franzöſiſche
Neroflub im Jahre 1890 in Paris
durch Präfektorial-Erlaß geneh-
migt worden. Angeregt durch das
ruſſiſch-franzöſiſche Bündnis ſuchte
derſelbe ſofort die von der neu⸗
begründeten franzöſiſchen aero⸗
nautiſchen Zeitſchrift „L'Asrophile“
aufgeworfene Frage, ob man nicht
Deutſchland im Ballon nad) Ruß⸗
land hin überfliegen könnte, in die
Tat umjufegen. Kühne Sports⸗
leute, wie Comte de la Baulk,
Comte Caſtillon de St. Victor und
andere fetten fich fofort diefe Auf:
gabe und begannen damit den
Sport der Weitfahrten. Eine erfte
praftifche Organifation erlangte jo-
dann der Ballonjport während der
MWeltausftellung in Paris im Jahre
1900, an welchem fihd damals
deutſche Ballons nicht beteiligten.
Gelegentlih der Konferenz für
wiflenfhaftlide Luftſchiffahrt im
Sahre 1904 zu St. Petersburg
äußerte fodann Comte de La
Vaulx gegenüber Herrn Dr. Bam-
ler, dem damaligen Vorſitzenden
des Niederrheinifchen Vereins für
Zuftichiffahrt, und gegenüber Herrn
Major Moedebed, der damals
Vorſitzender des Oſtdeutſchen Ver:
eins für Luftihiffahrt war, den
Gedanten einer internationalen
Bereinigung fämtlicher Quftjchiffer-
vereine der Welt. Herr Dr. Bam—
Nro. 799.
ler bradte den Gedanken im
Herbſt 1904 beim Deutjchen Luft:
Ihiffertage in Leipzig befürmortend
zur Sprade, der Vorſtand des
Deutfen Luftſchifferverbandes
nahm den Vorſchlag ſolcher Eini⸗
gung ſympathiſch auf und entſandte,
nachdem in Uebereinſtimmung mit
der Anſicht des Vereins im Jahre
1905 beſtimmte Grundlagen feſt⸗
geſetzt waren, Herrn Major Moe:
debeck nad Brüſſel, um daſelbſt
über die Begründung eines inter⸗
nationalen Verbandes mit dem
Somte de La Baulr aus Paris
und dem EoMte D’Dultremont
aus Brüffel in Porberatung zu
treten. Das Reſultat diejer Be
ratung, in der man ſich über die
auptgrundfäße einigte, war die
inberufung einer internationalen
Konferenz am 12. Dftober 1905 in
Paris.
Auf dieſer Konferenz waren
Deutfchland, Frankreich, Belgien,
Italien, Spanien, England, Schweiz
und Amerika vertreten. Sie führte
am 14. Dftober zur Annahme von
gemeinfamen Sabungen und Regle-
ment3 und damit zur Begründung
des „Snternationalen Luft
ſchifferverbandes“, der „Fe-
d&öration A6öronautigue
Internationale“ (F. A. I),
dejien Ehrenpräfident Profeſſor
Sailletet und deſſen Borfiten-
der Prinz Roland Bonaparte,
wurde.
Diefe „F. A. 1.” veranitaltet
jeitvem alljährlich eine internatio-.
nale Konferenz, die mit einem
internationalen Wettfliegen ver-
bunden wird.
Der Amerifaner Gordon Ben-
nett ftiftete bald darauf für die
„F. A. 1.” einen Wanderpreis in
Höhe von 25000 Fr., mit der Be⸗
jtimmung, daß derfelbe zum erjten
Male im Jahre 1906 in Paris
ausgefochten werden ſolle. Hier:
Nro. 799.
hin entjandte auch zum erjtenmal
der Deutſche Luftichifferverband
drei Ballons, um fich an der Weit-
fahrt um den Gordon = Bennett:
Preis zu beteiligen. Es zeigte fich
leider, daß unfere in Biedermeier:
fahrten groß gewordenen Ballon
führer damals den internationalen
Anforderungen nicht gemachjen
waren. Der Preid wurde von dem
Bermann W. T. Moedebeck.
Te Er
0 «
fliegen zur Durdhführung kam, das
mit dem Siege von Dr. Brödel-
mann vom Berliner Berein für
Luftihiffahrt endete. Leider hatten
fih an diefem Wettbewerb an Aus-
ländern nur die Belgier, Defter-
veiher und Schweizer beteiligt,
was bei linbefangenen mit den
mindermwertigen Leiſtungen ver
deutſchen Piloten beim nicht lange
"420. Zeppelins £uftfchiff auf dem Bodenfee,
amerifanifchen’Reiteroffizier Frank
Lahm gewonnen und nach Amerifa
gebracht.
Inzwiſchen wurde die zweite
Konferenz der „F. A. I.“ im Ok
tober 1906 in Berlin veranftaltet
und hierbei ein internationales
Wettfliegen vom Deutfchen Luft:
Ihifferverband in Berlin organifiert,
h dejjen Leitung Herr Geheimrat
Busley und Herr Hauptmann
Hildebrandt troß aller Schwie-
xigkeiten in geſchickteſter Weiſe
durchführten und bei welchem zum
erſtenmal in Deutſchland ein Sport⸗
vorher ſtattgefundenen Gordon—
Bennett-Wettbewerb in Zuſammen⸗
hang gebracht wurde.
In den treibenden Kräften des
deutſchen Luftſports hatte ſich da—
nach der feſte Wille feſtgeſetzt, alles
daran zu ſetzen, um beim Gordon—
Bennett-Fliegen in St. Louis im
Oktober 1907 das verlorene Preſtige
wiederherzuſtellen. Drei Ballons
dorthin hatte der D. 2:3. be—
willigt.
Major Moedebed hielt zu—
nächſt im Januar in Berlin einen
Vortrag im Berliner Verein für
XI. Lufffporf.
Luftihiffahrt über den „Ballon:
jport und feine nationale Bedeu
tung“, in welchem er die Bieder-
meierfahrten heftig befämpfte und
Vorſchläge machte, innerhalb der
Vereine den richtigen Ballonjport
zur Ausbildung tüchtiger Führer
zu pflegen. Gbenderfelbe organic
fierte jodann im Mai in Mann:
beim ein Wettfliegen von Ballons
des deutſchen Luftichifferverbandes
und regte ein gleiched im Juni in
Düfjeldorf an, deſſen Organijation
Hauptmann v. Abercron durd:
- führte. Der Luftiport gewann da=
mit an Leben und allgemeinem
Intereſſe in Deutſchland, und wir
hatten bereitS beim Wettbewerb
der F. A. J. in Brüfjel 1907 den
Erfolg, Herrn Oskar Erbslöh
den erjten Preis und Herrn Recht3-
anwalt Niemeyer einen weiteren
hohen Preis geminnen zu jehen.
Das Gordon-Bennett-Fliegen ſelbſt
aber am 19. Dftober in St. Louis
ſetzte allen Mühen die Krone auf,
indem es ung gelang, den Gordon
Bennett-PBrei® dur den Sieg
Oskar Erbslöhs in der Weit-
fahrt nach Deutichland zu bringen.
Unfere anderen Biloten, Hauptmann
v. Abercron und Ingenieur
Medel, gingen ald dritter bezw.
fünfter aus dieſem Wettfampfe
hervor.
Dem Luftjport waren damit für
Deutfchland Tür und Tor geöffnet.
Hierdurd und auch unter der Mit-
wirkung der Erfolge des Grafen
Zeppelin und des Major von
PBarfeval mit ihren Luftichiffen
nahm die Entwidlung der Luft—
jchiffervereine einen riejenhaften
Aufihmwung. Bis zur Niederfchrift
Nro. 799.
diefer Zeilen haben fich bereits
30 Bereine für Luftſchiffahrt mit
insgefamt 9000 Mitgliedern im
Deutſchen Luftjchifferverbande zu-
fammengefunden und neuerdings
haben diejelben auch in Deutjch-
land fi des Luftſchiff- und des
Flugſports angenommen. Zwar darf
man nicht vergefien, daß mit der
Mafje nichts gefchafft wird, jondern
nur mit der Dualität. Bei den
vortrefflichen Eigenſchaften unſerer
421. Graf Zeppelin.
(Phot. Brandſeph, Stuttgart.)
Nation darf aber bei guter An—
leitung erwartet werden, daß es
auch an der weiteren Ausbildung
energifcher, Eluger und tüchtiger
Führer nicht ermangeln wird. Das
erhoffen mir mit unjerem Luft:
Ichiffergruß :
„Glück ab!“
ee |
XI. Sportphotographie.
Von
Dr. ©. Kubfabl, Dresden.
800. Einleitung, Begriff, Zwed
und Umfang der Sportphoto-
graphie. Am engjten Zufammen-
bange mit einer ganzen Reihe ver-
Ihiedener Sportarten wird heute
ziemlich regelmäßig auch die photo-
graphiſche Tätigkeit gepflegt. Der
leichte Handapparat begleitet und
auf Reifen wie auf Spielpläße oder
Uebungsftätten. Verſchiedentliche
Speziallameras find fonjtruiert wor⸗
den, um den befonderen Anforde-
rungen einiger Sportzweige völlig
gerecht zu werden.
Die Lichtbildfunft nimmt neben
dem eigentlichen Sportbetriebe eine
bald größere, bald geringere Selbit-
ftändigfeit ein. Perſönliche Wünfche
können dabei ebenfo maßgebend
fein, wie ſachliche Notwendigkeit.
Ihrem Endziele nach charakterifiert
fich diefe Sportphotographie in allen
ihren Zweigen mohl vorwiegend ala
Liebhaberphotographie, wenngleich
gerade hier auch fehr oft eine Vers
wertung der Aufnahmen zu gewerb-
lichen oder wiſſenſchaftlichen Zwecken
nachfolgt. Der Begriff der Berufs:
photographie, der ſich heute im
landläufigen Sinne noch auf die
Herftelung von Bildnifjen erftrect,
dürfte deshalb mit der Zeit Durch
folde Vorgänge eine Erweiterung
erfahren.
Der vorliegende Aufſatz fol fich
in der Hauptſache mit den rein
techn iſchen Anforderungen be-
faflen, die ſich aus den befonderen
Berhältnifien der einzelnen Sport-
betriebe für die Herftellung photo-
graphifher Aufnahmen ergeben.
Die Unterfheidung zwiſchen Lieb-
baberei und Beruf fpielt dabei alfo
feine Rolle, ebenjo wenig kommt
es darauf an, ob die Bilder zum
Berlauf, zur Reproduktion oder für
rein perjünlide Zwede aufgenonts
men werden.
Aus den einleitenden Worten
und aus dem übrigen Inhalt diefes
Buches gebt ferner bereit3 zur Ge-
nüge hervor, daß der Augdrud
Sport für die Photographie felbft
höchſt unangebradht wäre. Gerade
im Gegenjage zu allen Leibes—
übungen und Bewegungdarten dient
fie als rein technifcheg oder Fünft-
leriſches Bejchäftigungsmittel in
Verbindung mit einem wirklichen
Sportzweig der doppelten Aufgabe,
entweder dad Wejen diejed Sports
im Bilde zu zeigen oder aber die
Natur und die Landſchaft, die bei
diefem Sportbetriebe berührt wird
und gemwiflermaßen den großen
Hintergrund dazu abgibt, durch cha⸗
rafteriftiihe Aufnahmen feſtzuhal⸗
ten. So wird 3. 3. der Ballon-
photograph die ſportlichen Einrich⸗
tungen feines Fahrzeuges und deſſen
Vorbereitungen zur Auffahrt zeigen,
daneben aber in der Hauptſache
XIII. Sportphoingraphte.
fein Augenmerk auf die Landichaft
oder Woltenbildung vom ſchweben⸗
den Ballon aus richten. Als Sport
im eigentliden Sinne fünnte man
unter allen Teilen der Photographie
höchftend die Jagd mit der Kamera
bezeichnen, die fi mit der Auf-
nahme frei lebender Tiere befaßt.
Hier gipfelt der gefamte Zeit: und
Geldaufwand einjchließlich der kör⸗
perlihen Anftrengungen ausſchließ⸗
lich in dem einen Hauptzwede, in
der Erlangung des Bildes; alles
andere, das Wandern oder Fahren,
das Auskundſchaften oder Heran-
fchleichen, da8 Belauſchen und Aus-
harren ift fchließlid — genau wie
bei der Jagd mit der Schußmaffe
— nur Mittel zum Zweck. Wie:
wohl dieje Tierphotographie alfo
ftreng genommen nicht unter den
Begriff Sportphotographie fällt,
fondern einen jelbjtändigen Sport-
betrieb mit photographiichen Hilfg-
mitteln darjtelt, jo mag fie im
Hinblid auf die Gleichartigfeit der
phototehnifden Aufgaben am
Schluſſe diejes Auffates mit er-
wähnt werden.
Der verfügbare Raum reicht nun
zwar nicht im entfernteften aus,
um bier auf alle Einzelheiten der
viel verzweigten photographifchen
Sportdarftellung mit einiger Boll:
jtändigfeit einzugehen, immerhin
fol aber überall da, wo Lücken
offen bleiben, die Möglichkeit für
eine weitere Drientierung durch ge=
eignete Literaturhinmweife gegeben
werden.
Die Sportphotographie ift, ebenfo
wie der Ausdrud Sport felbft, ein
Sammelbegriff für eine große Zahl
verjhiedener und vielgeftaltiger
Untergruppen. Da die photogra=
phiſche Kamera heute beinahe zu
jedem Sportbetriebe mitgeführt und
in Bewegung gejegt wird, jo finden
‘wir fie auf den eng begrenzten
Spielpläßen bei Tennis und Golf,
Nro. 800.
Polo und Fußball genau fo, mie
auf weiten Reifen und kurzen Aus-
flügen, in der Satteltajche des
Reiters, im Automobil, am Fahr⸗
rad oder im Rudjad. Es würde
fih nun kaum verlohnen, für jede
Sportart einen eigenen Abjchnitt
vol photographiſcher Ratjchläge zu
johreiben, denn damit müßte man
‚unvermeidlich in dutendfache Wie-
derholungen verfallen. Unter den
verjchiedenen Sportarten lafjen ſich
mit Leichtigkeit eine Reihe von
Gruppen zufammenftellen, bei denen
in photographifcher Hinficht zweifel-
[08 ganz gleichartige Verhältniſſe,
fei es nun für die Aufnahme aus
dem Sportbetriebe ſelbſt, oder aber
für Darftelung der befuchten Ge-
genden herrſchen. So Tann man
unbedenklicherweiſe ale TZurn- und
Ballfpiele, die innerhalb eines be:
jtimmten Raumes auf geglättetem
Sandpla oder auf grünem Rafen
abgehalten werden, ferner auch alle
Wettrennen zu Fuß, zu Pferd, zu
Rad oder Automobil, wenn fie auf
gefchlofjenen Bahnringen ftattfinden,
einfah zufammenfaflen. Drittens
dürften alle Land» und Wafjerreijen,
die einem auögefprochenen Bewe-
gungsfport ihre Durhführung ver:
danken, gemeinschaftlich zu betrachten
fein, ſoweit dabei die Darftellung
der gewöhnlichen Landſchaft in Frage
fommt. Ausnahmen von alledem
müffen jedod) gemacht werden, wenn
etwa befondere Anforderungen an
die photographiſche Arbeitsweiſe
und Ausrüſtung zu ſtellen wären.
So ergeben fih 3. B. für mwinter-
lihe Ausflüge oder für den Beſuch
hochgelegener vergletjcherter Ge:
birgsgegenden erklärlicherweije ganz
andere Vorſchriften, als im Tief⸗
lande oder auf einer Ozeanfahrt.
Derartige Sondergebiete der Sport⸗
photographie mögen den drei grö-
Beren Sammelgruppen in einem
vierten Abfchnitte folgen, fo daß
Niro. 801.
die weiteren Ausführungen fi in
folgender Weife gliedern lafjen:
1. Photographie des Spielplages,
2. e der Rennbahn,
3. - der Reife,
4. — vom Ballon aus,
5. 7 im Hochgebirge,
6. n beim Winterfport,
7 freilebender Tiere.
Zu allen 7 Abfchnitten ſollen
praktiſche Ratſchläge für die Aus-
übung der Schwarzweißphotographie
unter kurzer Berührung äfthetifcher
Fragen gegeben werden. Da das
haralteriftifchite Merkmal des Spor⸗
te8 im allgemeinen die Bewegung
ift und unfere heutigen Mittel für
bunte Photographie jamt und fon:
ders jih nur für Stativaufnahmen
von feitem Standorte aus und für
ruhende Gegenftände eignen, fo
bleibt das Spezialgebiet der Sarben-
photographie von der Beiprehung
ausgeſchloſſen. Ebenfo gehören Auf:
nahmen im bededten Raume und
bei Kunftliht nicht zu dem mit
Sonne und Luft eng verknüpften
Sportbegriff.
Für ale Aufnahmen bemegter
Gegenstände empfiehlt ſich in erſter
Linie die Bermendung höchſt emp⸗
findlicher Platten, denn Films
weiſen meiſtenteils einen geringeren
Empfindlichkeitsgrad auf. Um allen
Anforderungen gegenüber gerüſtet
zu ſein, wird man auch orthochro⸗
matiſche, lichthoffreie Schichten
wählen. Bei richtiger Wiedergabe
der Farbwerte wird dadurch jede
Ueberſtrahlung vermieden, die ſich
nicht nur an den Konturen des
Himmels, ſondern auch z. B. neben
grell beleuchteten weißen Sport⸗
kleidern einſtellen könnte. Für die
Entwickelung der Platten und na⸗
mentlich für kurze Momentaufnah⸗
men gelten ſelbſtverſtändlich die
üblichen Vorſchriften, die in jedem
Lehrbuche der Photographie zu fin-
den find. Die verfhiedenen Mög-
Dr. G. Ruhfahl.
lichkeiten des Poſitivverfahrens
unterſcheiden ſich in der Sport⸗
photographie erſt recht nicht von
dem ſonſtigen Arbeitsgange, wohl
aber wird bei der nunmehr folgen⸗
den Betrachtung der Einzelgruppen
jeweilig die geeignetſte Form der
Kamera und anderer Gebrauchs-
gegenjtände zu erwähnen fein.
801. Photographie des Spiel-
platzes. Auf den privaten und
öffentliden Sportpläßen un
jferer Städte oder Badeorte werden
zumeift nad engliidem Borbilde
alle möglichen Ballipiele wie Ten-
nis, Golf, Fußball, auch Polo zu
Pferde und ähnliches gepflegt, ferner
Turnreigen mit Stab, Keule oder
Hantel geübt, Bewegungsfpiele ge=
jpielt und im Winter auf natür-
lider oder künſtlicher Eisfläche der
Schlittſchuhlauf betrieben. Bei allen
diefen körperlichen Uebungen bietet
fi. dem geſchickten Photographen
zweifello8 eine reihe Fülle von
Szenen, die nicht allein jportliches
Intereſſe befigen, jondern auch rein
bildmäßig betrachtet als Darftellun-
gen der menſchlichen Figur Beach⸗
tung verdienen. Aber wie jelten
ſieht man doc gerade aus diejer
heiteren Lebensſphäre ein geſchmack⸗
volles ſachgemäßes Bild. Entweder
der ganze Spielflub erjcheint nad
alter Unfitte in langen Reiben,
liegend, ſitzend und jtehend mie
eine lebende Mauer in 3 Etagen
aufgebaut oder e8 werden Szenen
gejtelt, die humoriſtiſch wirken
folen und doch über das Banale
nicht hHinausfommen. Zu den leidt-
bewegten freien Spielbetrieben paßt
gerade ſolch gezwungene theatras
liide Haltung am allermenigjiten.
Zweifello8 zählt die Aufnahme
flotter wahrheitsgetreuer Spiels
ſzenen, bei denen die Gruppie
der Perſonen zueinander, ihre Stel-
lung vor dem Hintergrunde, die
Richtung ihres Blickes und die Hals
ww“. mM m MM .ı TI FA
XIII. Sporiphofographie.
Nro. 801.
tung ihrer Glieder unausgefegt auf3 | Handapparaten fommt die Form
raſcheſte wechjeln, zu den fchwierig- | der Spreizen-Klappfamera mit Rah:
ften Aufnahmen der Photographie
überhaupt. Ein ſicheres Auge und
Schnelle Entichließung gehört dazu,
um bier mit der Kamera Augen-
blicke fejtzuhalten, die einen wahren
Eindrud von der Art des Spiel-
betrieb3 geben und dabei aud) den
äfthetifchen Anforderungen an ein
gutes Bild ſowie den tedhnifchen
Bedingungen für eine gute Photo-
graphie entſprechen. Zu den letz⸗
teren beiden würde es 3. B. faum
ftimmen, wenn etwa eine Figur
ganz in der Nähe des Appa-
rated geftanden hätte und nur
teilweife ſowie in verſchwommenen
Umriſſen auf die Platte gekommen
wäre. Hieraus ergibt ſich ohne
weiteres, daß nicht jede beliebige
Kamera den Anforderungen ſolcher
Aufnahmen gerecht wird. Vor leb⸗
haft bewegten Objekten bietet nur
die Spielreflexkamera eine gemifje
Gewähr fürzielbemußtesforgfältiges
Arbeiten. Sie geftattet dem Photo⸗
graphen zunächſt alle Borbereitun-
gen, das Einfegen und Deffnen der
Kaſſette, das Spannen des Ber-
ſchluſſes und Einſtellen der ge⸗
wünſchten Blende in Ruhe vor
Beginn der Aufnahmetätigkeit zu
erledigen. Wenn er dann das
Objektiv gegen die Spieler richtet
und ſenkrecht in den Lichtſchacht
hineinblickt, ſo erſcheint ihm der
künftige Bildausſchnitt in ganzer
Größe auf der Mattſcheibe; er ſieht
die Perſonen hin- und hereilen,
kann mit der einen Hand die Scharf⸗
einſtellung des Objektives unaus⸗
geſetzt regeln und ſchließlich durch
kurzen Druck der anderen Hand
den ſchnell vorüberrollenden Schlitz⸗
verſchluß auslöſen. Keine andere
Kameraform vereinigt in ſich dieſe
drei Vorzüge von gleichzeitiger Be⸗
obachtung, Einſtellung und Auf-
nahmebereitſchaft. Von den übrigen
menſucher den Anforderungen noch
am nächſten. Auf die raſche Ber:
änderung der Einjtellung und die
Verfolgung des Objekts auf der
Mattſcheibe muß man zwar hierbei
verzichten, kann dafür aber durch
den Drabtrahmen, der die Bild:
größe andeutet, wenigſtens noch die
Vorgänge in voller Deutlichkeit
beobadten und den Schlitzverſchluß
vor der Platte wie bei einem Ge-
mehr augenblidlih durch leiſen
Drud in Bewegung feten. Bei
allen übrigen Kameratypen dürfte
ein guter Erfolg jehr vom Zufall
abhängen, denn durch die Heinen
Auffichts= oder Durchblickſucher läßt
fih fein Bild in genügender Ueber-
fichtlichfeit gewinnen. Auch laufen
die Metallzentralverfchlüffe am Ob⸗
jeftiv gewöhnlich nicht rajch genug,
um ſchnelle Bewegungen des Kör-
pers, fliegende Bälle, flatternde
Kleider und ähnliches ohne ftörende
Unſchärfe wiederzugeben. Zu ver:
bannen braucht man diefe gemöhn-
lichen Amateurapparate aber des⸗
halb noch nicht von den Spielpläßen,
denn dort gibt es ja auch Gelegen-
heit zu weniger bewegten Aufnab-
men. Erjtlich laſſen fich bei genauer
Kenntnig des Spielbetriebes und
mit einigem Geſchick der Beteiligten
Spielfzenen ſehr wohl in voller
Naturtreue jtellen; ferner fann man,
falls es nur auf Erlangung von
Porträts anlommt, die plaudernden
Zuſchauer, die Genofjen beim Kom⸗
men und Gehen oder vergl. auf-
nehmen. Auch bei folden Bildern
vermeide man ftrengftend den Ein-
drud des Gefünftelten und made
die Aufnahme mittelft großer Blende
und rajchefter Verſchlußſpannung
lieber ganz ohne Vorwiſſen der Be:
teiligten, anjtatt daß alle Augen
nah dem Apparate gerichtet wer⸗
den,
52
I
Neo. 802.
Recht ausführliche und praktifche
Dr. &. Ruhfahl.
Den Sportphotographen interej-
Anleitungen in dieſer Richtung | fiert auf den Rennbahnen nicht nur
findet man aus der Feder von
Dr. E. Ir menbach-Prag in der
Zeitjehrift „Der Sportphotograph”
(Berlag von Paul Förfter:Bres-
lau), Sabrgang 1908, Nr. 1—8.
Mehr noch vermag der ftrebfame
Lichtbildner jedoch aus mujtergül-
tigen Borbildern und beſonders aus
der Betrachtung guter Kunſtwerke
Nuten zu ziehen; Malerei und
graphiſche Künfte haben fich gerade
in neuerer Zeit die Vorteile zunutze
gemacht, die der Fleidfame Sport-
anzug in Fünftleriicher Beziehung
von unferer Alltagstracht voraus
bat, und man findet auf Kunft-
ausftellungen nit nur Bildniſſe
in Sporttradt aller Art, fondern
gelegentlih auch Gruppen beim
Spiel oder fonjtiger jportlicher
Tätigfeit. Eine weitere und dauernde
Gelegenheit zu folden Studien
bietet die große Zahl von illu-
ftrierten Zeitjchriften, deren flüchtig
aufgenommene? und noch flüchtiger
gedrudtes Bildermaterial zwar nur
höchſt ſelten ein nachahmenswertes
Muſterbeiſpiel enthält, dafür aber
ſich umſo mehr zu kritiſchen Be⸗
trachtungen und Erkennung der
Fehlerquellen eignet. Als ſelbſt⸗
verſtändlich wird ſchließlich voraus⸗
geſetzt, daß der Photographierende
wenigſtens eine flüchtige Kenntnis
von den Regeln des jeweilig dar⸗
geſtellten Sports und Spieles be-
fist und fomit nicht in Gefahr
gerät, vielleicht eine gute Photo:
graphie von einer unjachgemäßen
oder unmöglichen Szene zu ma:
en.
802. Photographie der Nenn-
bahn. Hier follen die verjchiedenen
dazu gehörigen Sportzmeige wie
Reiten, Radfahren u. |. m. nebenbei | f
auch im einzelnen und ohne das
Moment des Wettbewerbs betrachtet
werden.
der Start, der Wetilauf und defjen
Teilnehmer, fondern oft in nod
höherem Grade der Zufchauerfreis
und defien Verkehr auf den Tri-
bünen, auf dem Sattelplag, am
Totaliſator u. f. m.
Man kann zunächſt für alle die
Aufnahmen, die dem vielköpfigen
Gewoge des Publitums oder der
bloßen perjönlichen Darftelung von
Wettläufern, Neitern, Nad- oder
Motorfahrern gelten follen, die glei:
hen Hilfsmittel wie für die im
erſten Abſchnitt behandelte Photo-
graphie auf Spielpläßen empfehlen.
Die gewöhnliche Kamera mit einem
Zentralverſchluß, der fi etwa auf
Yo Sekunde befchleunigen läßt,
bleibt verwendbar, während die
Spiegelreflerfamera natürlich auch
bier zu fichereren und gefchmad-
polleren Ergebnifjen führen wird.
Sie bietet nicht nur die Möglich:
feit, den aufzunehmenden Bildaus-
ſchnitt big zum letzten Augenblid
vor der Verſchlußauslöſung haar—
ſcharf einzuftellen und nad allen
Richtungen hin genau abzugrenzen,
fondern befigt den weiteren Bor=
teil, dur lange Brennmeiten des
Objeltives naturwahrere Bilder zu
liefern, al® die mehr oder weniger
mweitwintliden Handapparate leich⸗
terer Konftruftion. Hierzu fei an
die Reiterbiloniffe erinnert, bei
denen ein riefenhafter Pferdekopf
vor einem dachförmig ſich abjenten-
den Tierförper fteht und die menſch⸗
lie Figur nad) beiden Richtungen
bin nicht in die Größenmaße hinein-
paßt. Aehnliches Tann man an
Automobilbildern beobadten, wo
der Kühler des ſchräg nad vorn
gerichteten Fahrzeugs in balbver-
chwommenen und verzerrten Um⸗
riffen oft den ganzen Vordergrund
einnimmt. Bei einer längeren
Brennweite von etwa 18—24 cm,
XIII. Sportphofographie.
Nro. 802.
wie fie in den Spiegelreflerfameras | man für hochempfindliche Platten
9x<12 eingefegt werden, nähert
ſich der perſpektiviſche Eindruck dem⸗
jenigen unſeres Auges ganz be—
deutend, denn durch den weiteren
Abftand zwifhen Kamera und Ob:
jeft werden auch die Größenverhält-
nifje nach der Tiefe des Bildes hin
geſchloſſener und einheitlicher. Zus
dem ift auch hier die Spiegelrefler-
famera jeder anderen Form erſtlich
durch die ftete Beobachtung des
Bildes, ſowie zweitens durch die
Möglichkeit raſcheſter Aufnahmen
überlegen. Man Tann ein jagendes
Pferd oder einen Rennfahrer, der
im fchärfften Tempo auf der Bahn
liegt, jelbitverftändlid nur dann
wirklich photographieren, wenn der
kurze Lichteindrud des eng geftellten
und ſcharf geipannten Sclikver-
ſchluſſes durch ein Objektiv von
möglichſt hoher Lichtftärfe geleitet
wird. Und da bei jolden Objek⸗
tiven wiederum mit fteigender Licht-
ftärte eine fchnell abnehmende Tie-
fenfchärfe verknüpft ift, die ftet3
eine genaue Einstellung auf der
Mattjcheibe erfordert, fo laſſen fie
fi) eben nur mittelft der Spiegel-
reflerfamera in voller Weife aus-
nüßen.
Sm Sntereffe einer genügenden
Durchzeichnung des Negative wird
man bei allen Sportaufnahmen die
Belihtungsdauer gerade nur jo
ſchnell bemefjen, wie e3 die Ge-
ſchwindigkeit des bewegten Gegen-
ftandes erfordert, um Feine Un-
ſchärfen zu erhalten. Den Spiel:
raum, den die jeweilige Platten-
empfindlichleit etwa dann für die
Belichtung zuläßt, gleicht man durch
Einſchaltung kleinerer oder größerer
Blendenöffnungen aus; für Ver:
ſchlußgeſchwindigkeiten, die über
—
jedoch ſelbſt bei Verwendung licht- kennen waren.
die volle Oeffnung beſtehen läßt.
Eine ausführliche und gemein—
verſtändliche Anleitung zur Ermit⸗
telung der richtigen Belichtung iſt
im Kompendium der Photographie
von F. Schmidt, Verlag Otto
Nemnich, Leipzig, 10. Aufl. S. 80 ff.
gegeben. Die abgebrudten Ge:
Ichwindigfeitätabellen zählen eine
Menge bemwegter Gegenjtände auf
und find nötigenfall® leicht durch
eigene vergleichsweiſe Schätzung zu
ergänzen.
Neben diefer ziffernmäßigen Be-
ftimmung von Bewegungsarten mag
noch an die allgemeinen Grundſätze
für die Beurteilung von Bewegungs⸗
eriheinungen erinnert fein. Der
Geſchwindigkeitseindruck ift umfo
größer, je dichter der Beſchauer ſich
am bemegten Objekte befindet und
je mehr fi die Richtung feiner
Sehftrahlen einer rechtmwinkligen
Schneidung mit der Bewegungs:
richtung des Gegenftandes nähern.
Wir ftehen 3. B. dicht an einer
gradlinigen Bahnftrede und jehen
einen Schnellzug herandampfen. So
lange er fern ift und unfer Blid
nahezu der Gleisrichtung parallel
läuft, fann man jeine Bewegung?:
fortfchritte höchitend aus der lang:
jamen Bergrößerung der Lofomotive
folgern. Erft wenn er näher liegt,
bemerft man, wie nad) und nad)
die eine Flanke erjcheint und ſich
raſcher und raicher an den feiten
Gegenftänden der Landfchaft vor-
ſchiebt. Der Blid macht langſam
eine Drehung und vermag ſchließ—
ih im Augenblicke des Borüber:
ſauſens nicht3 mehr von denjenigen
Einzelheiten zu unterfcheiden, die
ınod auf 100 ja bis auf 50 m Ent-
| fernung, während einer ſcheinbar
Sekunde hinausgehen, dürfte | langjameren Fortbewegung zu er=
Für die Photo-
ftärkfter Objektive feine ſchädliche graphie wird man daraus die Lehre
Weberlichtung eintreten, auch wenn | ziehen Fünnen, daß man in ſolchen
Nro. 802.
Fällen, ebenfo wie auf Rennbahnen
oder Straßenrennen die Aufnahmen
möglichjt ſchräg von vorn oder von
hinten madt. Kommt es dagegen
auf die Darftellung der Breitjeite
wirklich an, jo findet man eine ähn-
ih abjhwähende Wirkung des
Gejhmwindigfeitseindrudes in der
Vergrößerung des Abſtandes. Da
bei wacdhjender Entfernung die räum⸗
lihe Ausdehnung gemwiflermaßen
zufammenjchrumpft, jo mindert ſich
natürlich ſcheinbar aud die durch⸗
meſſene Strede.
Die umgelehrte Beobadtung kann
man maden, wenn man jelbft von
irgend einem bewegten Gefährt aus
Aufnahmen machen will. So tanzen
3. B. neben dem fahrenden Bahn:
zuge die Telegraphenftangen in
raſchem Rud vorüber, während die
Ferne nur langfam zu mandeln
jcheint. Einwandfreie Bilder kann
man alfo in joldem Falle nur dann
erhoffen, wenn man für die Auf-
nahme einen Moment erhafcht, wo
der Vordergrund feine hochragen⸗
den Gegenftände aufweilt und wenn
man die Verſchlußgeſchwindigkeit
aud) hier mit dem Grade der Eigen
bewegung in Einklang gebradt bat.
Bei der Ballonphotographie wird
auf diefen Punkt gleichfalls zurüd-
zugreifen fein.
Ob man die gewählte Platten
famera mit Einzel-, Doppel» oder
Wechſelkaſſetten ausftatten läßt, ift
zumeift Frage der Bequemlichkeit
oder des Geldbeuteld. Nur wenn
eine fehr rajhe Folge von Auf-
nahmen gemadt werden foll, fo
empfiehlt fi unbedingt die Ans
Ihaffung einer Wechfelkafjette. Die
heutigen Modelle find zwar koſt—⸗
jpielig aber ziemlich zuverläffig und
laffen durch ſchnelles Heraus⸗ und
Hereinftoßen eines feften Rahmens
das Wechſeln der 12—24 Platten
ohne Veränderung oder Schliefung
der Kamera zu.
Dr. G. Ruhfahl.
Bei den Rennfporten im einzelnen
treten binfichtlih der technifchen
Seite der Photographie faum ſonder⸗
liche Abweichungen zutage, Dagegen
fönnen die Öelegenheiten zu Tünft-
leriſcher Arbeit jehr verſchieden
fein. Während fi) 3. B. von den
gebauten Radrennbahnen mit ihren
überhöhten Kurven und glatten
Asphaltflächen höchſt felten ein wirk⸗
lich geſchmackvolles Bild holen laſſen
dürfte und die abgehegten Menjchen:
leiber von Wettläufern oder Rad⸗
rennfahrern alle andere als einen
äfthetiichen Anblid bieten, fann das
Pferderennen auf grünem Wiefen-
plan oder beim eleganten Sprung
über Hürden, Wälle und Waſſer⸗
gräben ſehr wohl auch den Künftler
reizen. Noch ungebundener und
wechſelvoller find die Sagdreiten
im freien Gelände, wenn das bunte
Feld von Damen und Herren, von
roten Fracks und Uniformen, der
Häffenden Meute in fharfem Tempo
über alle Hindernifle folgt. Sole
Szenen, die ja au) von den Ma:
lern mit Vorliebe gepflegt werden,
geben von allen Bewegungsfport-
arten vielleicht die Eindrüde der
Lebendigkeit und des Wetteifers
am allerglaubhafteften und künſt⸗
lerifchiten wieder, denn das Vor⸗
mwärtädrängen der ganzen Sagd-
gruppe iſt nicht nur aus äußerlichen
Merkmalen, wie flatternden SKlei-
dern und Schleiern zu folgern, fon-
dern die Haltung von Menſch und
Roß und Rüde bringt in hundert
fader Beränderung an jedem ein-
zelnen Stüde dag Streben nad
dem Ziele zum Ausdrud. An
feiner der vielen lebloſen Sport-
maſchinen ändert fi) durch ihren
Gang das Eonftruftive Bild fo we⸗
fentlid wie beim jtehenden und
gallopierenden Doppelmefen des
Reiters. Am Fahrrad und Auto-
mobil Tann man höchſtens aus der
quellenden Staubjäule unter den
XIII. Sporiphofpgraphie.
Niro. 803.
Pneumatiks auf den Vorgang einer | ftellungen benugt wird, findet in
Ichnellen Bewegung fchließen; ohne | dem Ernemann-Kino-Fabrifat der
folde Nebenerjcheinungen dagegen
jtehen die Fahrzeuge als totes Eiſen
in der Landſchaft. Etwas ähnliches
gilt übrigen? auch für andere
Sportgeräte 3. 3. für Motorboote,
Sportſchlitten oder Schneejchuhe in
der gleitenden Abfahrt. Nur nad)
dem wechſelvollen Muskel- und
Gliederſpiele des belebten Menſchen⸗
oder Tierförper® wird man bei
allen Sportbetrieben unmittelbar
die wirkliche Bewegung bemefien
fönnen. Man wird daraus gleich-
zeitig eine Fülle fünftlerijcher Ver-
Ichiedenheit entnehmen, während
die Majchinen nicht nur einander,
fondern fogar fi ſelbſt troß der
Bewegung dauernd gleichbleiben.
Yür die beiden bisher behandelten
Hauptgruppen von Spiel und Wett:
rennen fommt neben der Einzel-
aufnahme vor allen Dingen noch
das photographijche Reihenbild, d.h.
die Kinematographie in Frage. Bei
der heutigen Verbreitung des leben-
den Bildes bedarf es zweifellos
nur eines kurzen Hinweiſes auf die
zahlreich vorhandenen Beifpiele aus
der Sportwelt, um überzeugend
darzutun, daß feine andere Art der
Darftellung den frifchen lebendigen
Eindrud folder Rajenballipiele, das
Moment der Spannung bei Wett:
fämpfen und die Gefährlichkeit
mander fportliher Unternehmung
fo padend und eindringlich vor
Augen zu führen vermag, wie eine
bewegte Bilderreihe am Projektions⸗
ſchirm. Dabei ijt die Beichaffung
eine® kinematographiſchen Auf⸗
nahme⸗ und eines Wiedergabe⸗
Apparates ſowie ihre Benützung
durch den Laien heute weder
mit außergewöhnlichen techniſchen
Schwierigkeiten noch finanziellen
Opfern verknüpft. Wer die Aus-
‚gaben für eine große Ausrüftung
ſcheut, wie fie bei Öffentlichen Schau:
Ernemann⸗A.⸗G. in Dresden, einen
preiswerten handlichen Apparat,
der für alle Zwede des Amateurs
völlig augsreiht und mit feinen
lebenswahren Bilden auch in Fa⸗
milie und Haus manch bleibende
Erinnerung fejtzuhalten vermag.
Der Anſchaffungspreis für die Feine
Kamera und die zugehörige Pro:
jeftiongeinrichtung tft durchaus nicht
höher, als der einer guten Aus:
rüftung für Einzelaufnahmen etwa
im Formate 9 X 12 cm; nur die
Ausgabe für die langen Filmftreifen
und deren PBervielfältigung ftellt
fi natürlich teurer, wie das ge:
wöhnlihe Negativ: und Poſitiv⸗
material.
803. Die Photographie auf der
Reiſe dürfte wohl überall beinahe
das gleiche Gepräge tragen, d. h.
dem Hauptzwede unterzuordnen und
deſſen Bejonderheiten anzupafjen
fein. Der moderne Kulturmenſch
reift abgejehen von gejchäftlichen
Fahrten, vorwiegend zum Bergnü:
gen und zur Erholung Er will
fih in beiden Fällen nicht fonder-
lich anftrengen. Nebenher geht die
böchft geringe Zahl wiſſenſchaft—⸗
liher Linternehmungen , die fich
allerdings im Rahmen furzer Aus:
flüge bis zu großen jahrelangen
Erpeditionen ausdehnen können.
Bon einer allgemeinen Ausübung
der Photographie auf der Reije
fann man überhaupt erſt fprechen,
jeitdem die phototechnifhen Hand⸗
griffe durch Einführung des Tages-
lichtrollfiims auf das denkbar ge=
ringfte und bequemfte Maß be-
Ihräntt worden find. Deshalb
fommt für gewöhnliche Reifen,
mögen fie nun zu Fuß oder mit
irgend einem Fortbewegungsmittel
unternommen werden, als Form
des Aufnahmeapparates wohl aus:
ſchließlich die flache Rolfilmfamera
sg
iin — — —
Niro. 803,
in Frage.
Dr. G. Ruhfahl.
Ihre Verwendung als Umſchläge von Wachstuch, Verband:
Handapparat erſtreckt ſich natürlich | ſtofſen ufw. einwickeln oder Beutel
auf alle Vorgänge und alle Gegen⸗
ſtände, die auf der Reiſe begegnen,
und für den Zweck beſcheidener Er-
innerungsbildchen reicht ſowohl ihre
techniſche Konſtruktion wie auch die
photochemiſche Wirkungsfähigkeit
des Rollfilmmateriald® völlig aus.
Die Rolfilmfamera ift, wie man
furz gefaßt jagen kann, das photo-
graphifche Univerſalhandwerkszeug
der breiten, täglich machlenden
Menge von Liebhaberphotographen
und als ſolches fehr oft der Aus:
gangspunkt für ernitere künftlerifche
oder fpeziellere wiſſenſchaftliche und
techniſche Studien. Ueber ihre
Handhabung läßt ſich deshalb nicht?
anderes vorjchreiben, ald was in
jedem photographifhen Lehrbuche
über die Photographie im allge-
meinen erwähnt ift. Se nach der
Art des Sportes aber, bei dem fie
aufgeführt wird, können einige Zwei-
fel nebenfädhlider Art auftauchen.
So find Schmuß und Staub ge-
meinjchaftlihe Feinde der Photo—
graphbie wie der Landſtraße. Auf
dem Fahrrad ebenfo mie auf dem
Automobil genügt der Schuß durch
die übliche Leder: oder Segeltudh-
tafhen durchaus nit, wenn man
wirklich gute fledenfreie Negative
erhalten will, denn der Staub
dringt in alle Futterale, die nicht
luftoicht fchließen, ſehr bald ein.
Aus den Tajchen wandert er fodann
in das offene Gehäufe der Kamera
und durch Luftkanäle, Fugen und.
Deffnungen aller Art fchließlich in
das Innere des Zentralverjchluß-
werfe® und des Balgend. Wer
alfo Störungen oder zum mindeften
Verzögerungen in der Geſchwindig—
feit des Berfchluffes vermeiden und
feine Negative nicht mit Fleden
‚und Nadelftichen überfät haben will,
wird Apparat und Zubehör am
beften in waſſer- und Iuftdichte
daraus herftellen lajjen. Ein be-
quemes und feſtes Anfchließen folcher
Packungen erzielt man am einfachſten
mitteljt einiger freuz und quer ges
legter Gummibänder.
In ähnlicher Weile, wie vor dem
Staub, muß man die photographiſche
Ausrüftung natürlich vor Näffe und
dauernder Feuchtigfeit hüten. Auch
hierzu find die erwähnten Stoffe
für gewöhnliche Verhältniffe aus:
reihend. Wer häufig in die Lage
fommt, die Kamera auf längere
Bootfahrten oder auf See mitzu⸗
führen, wird gut daran tun, fi
von Anfang an eine jog. Tropen:
tonftruftion zu kaufen, denn es
leuchtet ohne meitered ein, daß
3. B. hölzerne Geräte oder Papier:
padungen für Tageslihtwechjelung
bei Nebelmwetter und Morgentau die
Feuchtigkeit annehmen und in ihren
gleitenden Teilen verjagen müfjen.
Die Kamerafabrilen ‚bringen des:
halb Apparate in den Handel, die
bereits ihrem Material nad) befon=
ders jorgfältig gegen Feuchtigkeits⸗
einflüfje gefhügt find, durchweg
aud Metall oder imprägnierten
Hölzern beftehen und keine roften-
den Teile aufmeijen.
Die dazu mitgenommenen Ne:
gativvorräte find gleichfalls in
waſſerdichten Packungen aufzube-
wahren, denn ſowohl Platten wie
Rollfilms leiden erklärlicherweiſe
durch längeres Lagern in feuchten
Hüllen. Von den Fabriken werden
Blechkapſeln in paſſenden Größen
auf Beſtellung mit geliefert; für
wirkliche lange Seefahrten oder
tropiſchen Aufenthalt läßt man fie
verlöten, dagegen genügt es jonft
bereit3 volllommen, wenn man die
Fuge der Blechſchachteln mit ge⸗
wöhnlihem SHeftpflafter überflebt.
Rollfilms werden auch durd ftram-
mes Ummideln mit Staniol einiger:
— — — — — — — —
— — — —
XII. Sporfiphofographie.
maßen geihüst, während dünne
Pergaminpapiere einer nachhaltigen
Einwirkung feuchterLuft faum wider:
ſtehen können.
Eine weitere Sorge des Sports
photographen gilt auf der Reiſe
dem Plattenwechſel. Zwar wird
heute weitaus die größte Mehrheit
der Amateure die Tageslicht-
padungen für Roll: oder Flachfilms
vorziehen; fie bezahlen dafür zwar
einen fehr hohen Preig, der mit
dem Kaufswerte des leiſtungs⸗
fähigeren und zuverläſſigeren Plat⸗
tenmaterials in ſehr ſchlechtem Ver⸗
hältniſſe ſteht, aber die unverkenn⸗
bare Bequemlichkeit in der Hand⸗
habung iſt für viele Leute zunächſt
eben ausſchlaggebender, wie die
Ausſichten auf den Erfolg. Wer
jedoch nicht bloß maſſenweiſe Ge—
legenheitsknipſerei treiben will,
fondern der ganzen Sade auch
ernitere Arbeit midmet, dürfte
fchließlich ftet3 auf die Benützung
von Glasplatten zulommen und
damit aud die Mühe des Wechſelns
mit übernehmen.
Wenn eine befondere Dunkel⸗
fammer im Hotel zur Verfügung
fteht und die finftere Nachtzeit nicht
abgemwartet werden Tann, jo emp-
fiehlt fi die Mitnahme eines ein-
faden Wechſelſackes. Das oft ge-
rühmte Plattenwechſeln in Schrän=
fen und Kaminen, unter Mäntel,
Deden, Betten u. dgl. kann nur
als äußerfter Notbebelf gelten, denn.
neben zmeifelhafter Lichtficherheit
wird damit ftet8 auch eine mehr
oder weniger jtarfe Berjtäubung
der Kaſſetten verknüpft fein. Man
mag deshalb ſchließlich lieber ein-
mal von einer neuen Aufnahme ab-
ſehen, ald durch folk unfichere
Arbeitsweiſe die früher belichteten
Platten eine3 ungewiſſen Erfolges
halber noch nadjträglich der Gefahr
des Zerkratzens, Beſchmutzens oder
Zerbrechens auszujegen.
Niro. 804.
Bei einiger Erfindungsgabe wird
man aber jelten auf jenen unbe:
quemen Ausweg zu verfallen brau=
hen, denn gewöhnlich findet ſich
das Dienftperfonal gegen ein Trint-
geld gern zur Mithilfe bereit und
zeigt im Keller oder auf dem Boden
einen geeigneten Raum, deſſen
feines Fenſter ſich unſchwer mit
Decken oder Betten lichtſicher ver-
hängen läßt. Dort arbeitet es ſich
dann weit ſicherer und freier, als
in irgendwelcher gezwungenen Stel⸗
lung. Dan kann eine etwa mit-
geführte Dunkelfammerlaterne be:
nuten oder auch dafür einen Not-
behelf treffen. Wo eleftriiche Be-
leuchtung vorhanden ift, wickelt man
zur Beleuchtung 3. B. um die Glüh—
lampe ein Stüd roten Sherryftoffes
wie er zur Beipannung von Dunkel:
fammerfenftern verfauft wird.
Die Berpadung der Platten ge=
ſchieht am beiten in denſelben Schach:
teln und in gleicher Weije, wie man
die neuen findet. Müſſen die be=
lihteten Borräte der Poſt anver-
traut werden und dabei eine zoll:
amtlihe Behandlung durhmaden,
fo bringe man nit nur auf der
Begleitadreffe fondern auch im
Innern des Pakets offenfichtlich den
Hinweis an, daß die Eröffnung der
Einzelſchachteln nur in einem Dunkel⸗
raume vorgenommen werden ſoll.
Alle größeren Zollſtationen ſind
dafür eingerichtet.
Ueber andere Sonderanforde—
rungen auf Reiſen ſowie über photo⸗
chemiſche Eigenheiten aus gewiſſen
Gebieten oder Jahreszeiten wird
weiter unten bei der Behandlung
der Hochgebirgs- und Winterphoto-
graphie noch zu ſprechen fein.
804. Die Ballonphotographie
ift unter den fportlichen Spezial:
zweigen der allerjüngfte, wenngleich
photographiihe Verſuche von den
primitiven Ballons aus bereits um
die Mitte des vorigen Jahrhunderts
Nro. 804.
gemacht worden find.
Dr. G. Ruhfahl.
Sie trat mit Vorkehrungen gegen Fehlreſultate
Hilfe der modernen photographiſchen wegen dieſes als „Sandplage“ zu
Hilfsmittel erſt in Erſcheinung,
ſeitdem die Luftſchiffahrt in den
Bereich der Liebhaberſporte und der
— Den Forſchung gezogen
wurde. In der Lenkbarkeit der
Luftfahrzeuge liegt natürlich auch
für die Photographie noch ein weites
Arbeitsfeld offen, das ſich beſonders
für meteorologiſche und kartogra⸗
phiſche Zwecke in ungeahnter Weiſe
erweitern dürfte. Da zur Aus⸗
übung folder Aufgaben zum Teil
ſchon Eojtjpielige, meterlange Appa:
rate vorhanden find, die über das
Liebhaberinterefje des Sportsmanng
weit hinausgehen, jo fallen der-
artige Arbeiten natürlich nicht in
den Rahmen dieſes Buches.
Beſprochen werden ſoll deshalb
lediglich da8 Pbotographieren vom
freifchwebenden Ballon aus, wie e3
bei Luftfahrten zur Herftellung von
Erinnerungsbildern heute in Deutſch⸗
land bei den privaten LZuftfchiffer:
vereinen regelmäßig gepflegt wird.
Aug den Eigentümlicheiten ber
Luftihiffahrt ergeben fich eine Reihe
von Anforderungen, denen fich die
photographiſche Ausrüſtung und Ar⸗
beitsweiſe anpaſſen muß.
Ueber die Geftaltung der Auf:
nahmeapparate findet man in einer
kleinen Brofhüre der Dresdener
Kamerafabrif von Hüttig-Q.-©. u. a.
folgendes gejagt:
Die bei Flarer Luft außerordent-
lid guten Lichtverhältniffe, die
einerjeit3 der Aufnahme ſelbſt zu-
gunjten der Abkürzung der Belich-
tungsdauer zuftatten fommen, er-
fordern andererfeit3 Die größte
Lichtdichtigfeit aller zur Aufnahme
dienenden Apparate, Kafletten und
Padungen. Die oft andauernde
Ballaftabgabe, die beſonders wäh:
rend des Fallens des Ballons das
Eintreten von Sand in den Korb
zur Folge bat,
madt befondere.
bezeichnenden Faktors zur Rotwen:
digkeit. Es ift ferner darauf Rüd-
fiht zu nehmen, daß feinem Teil-
nehmer einer Ballonfahrt die Er=
fülung gewiſſer Pflichten bei der
Ballonführung erjpart bleibt, fo daß
alfo eine ausſchließliche Bedienung
der Kamera faft feinem Ballon:
fahrer vergönnt if. -
Möglichſt ſchnelle Bereitjchaft,
raſches Wechſeln des Negativmate⸗
rials und einfachſte Verſchlußbedie⸗
nung ſind die erſten Gebote für
die Ballonkamera. Dennoch muß
die Möglichkeit geboten ſein, wech⸗
jelnder Beleuchtung undGeſchwindig⸗
keit in wirkſamer Weiſe zu begeg⸗
nen. Es iſt ferner zu beachten,
daß bei dem beſchränkten Raume
im Korb der photographiſchen Aus⸗
rüftung nur ein Minimum an Platz
eingeräumt werden kann, fchließlich
darfihr Gewicht die Ballaftmitnahme
nicht zuungunften der Fahrtdauer
beeinfluffen. Jedes Gramm iſt
dem Luftſchiffer von größtem Werte,
denn was dem Motorluftfchiff die
Kraft ift, das ift für den freilchwe-
benden Ballon der Ballaft; je mehr
er mitführt, je länger Tann er den
Fall dämmen und fid in den Lüf-
ten erhalten. Sparjamteit in Maß
und Gewicht zwingt mithin Die
Ballonfamera und ihr Zubehör in
enge Grenzen. Bor der Landung
fol die Kamera ſchnell vor Befchä-
digungen bewahrt werden können,
fie muß daher bejonders ftabil ge-
baut fein.”
Der Ballonphotograph muß Die
Aufnahmen aus freier Hand mit
ſchräg abwärts gerichteter Kamera
vom bewegten Standpunkte aus
machen. Dazu gehört alfo vor
allen Dingen ein Hand apparat,
ein Durchblickſucher und ein fchnell-
laufender Schlitverfhluß. Unter
den handelsüblichen Modellen find
XII. Sporfphofiographie.
Nro. 804.
die Klappkameras dazu am geeig- | Gelbjdheiben in der Färbung der
netften, nur wird man für die | Kompenjationsfilter find das ein-
Größe I X 12 cm mit Rüdficht auf
die größeren Durchſchnittsentfer⸗
nungen Objeltive von 16—18 cm
Brennweite verwenden und ſolche
Gläſer wählen, die bei voller Oeff⸗
nung f6 oder £f7 randſcharf aus-
zeichnen.
Zu diefen vorhandenen Kamera
formen find vor 2 Jahren Spezial-
apparate in feiter Trichtergeftalt
mit Riefenfernobjektiven von Zeiß
und von Görz eigen? für Ballon
aufnahmen in der Größe 9 X 12
gebaut worden. Der Amateur wird
ihrer faum bedürfen, denn abge-
ſehen davon, daß die beſte Gewichts⸗
und Bildausnugung hier eigentlich
durch quadratifche Formate gegeben
wäre, jind jene Brennmweiten von
50—80 cm für gemöhnliche Zmede
der Ballonphotographie zu lang.
Mit Rüdfiht auf den Luftfchleier
über der Erde wird man etwa bei
3—400 m Höhe die bejte Gelegen-
heit zum Photographieren haben.
Für dieſe normalen Anforde-
rungen finden wir neuerdings ver:
jhiedene Modelle. E83 find feite
Holzkäften mit allen möglichen Be⸗—
quemlichkeiten für die Handhabung
im Ballonkorb und mit Schugmitteln
gegen Sand. Beſonders praftijch
find ſchräge Lederſchlaufen an den
Seiten der Kajtenfamera, in die man
die Hände einjchieben kann und die
ein äußerft fejtes ruhiges Halten des
Apparates ermöglichen.
Beigegeben werden je nad Wunsch
Einzel oder Wechfelfafletten. Hierzu
werden feite Segeltuchtafchen ge-
liefert, die in länglicher Form wie
ein Yeuereimer, die Kafjetten und
die Kamera während der Yahrt
aufnehmen, fi am Korbrande an=
fchnallen und nad) der Landung auch
bequem in der Hand tragen lafjen.
An ſonſtigen Hilfdgeräten braucht
der Ballonphotograph ſehr wenig.
zige, daS gelegentlich nützlich fein
fann.
AlszuverläffigftesNegativmaterial
haben fich auch hier nur Glasplatten
mit orthochromatifcher hochempfind-
licher Schiht bewährt. Um aber
fein unnötige® Gewicht zu ver:
ſchwenden, kauft man Emulfionen
mit dem dünnen und leichten
Salingla?.
Die Belichtungsdauer muß ſich
bei der Beweglichkeit des Ballon-
forbes in erfter Linie nad dem
Grade der horizontalen oder verti-
falen Flugichnelligfeit und erft in
zweiter Linie nach der herrſchenden
Lihtmenge rihten. Bei langjamer
Fahrt und bei weiter Entfernung
von der Erde genügt die VBerjchluß-
ftellung auf etwa '/,,“, um eine
genügend fcharfe Zeichnung auch
für ftarfe Vergrößerungen zu er-
halten. Kommt man dagegen der
Erde bi8 auf 100—200 m nahe,
oder trägt ein ſtarker Luftſtrom
den Ballon fehr Schnell dahin, dann
verſchieben fih die Verhältniſſe
nah ähnlichen Grundſätzen, wie’ fie
bereit3 bei der Photographie be—
wegter Gegenftände beſprochen
worden find.
Das Verhältnis von Blende und
Berfchlußfpannung bleibt unter dem
Wechſel des Lichtd in den ver:
ſchiedenen Tages- und Jahreszeiten
etwa fo, als ob man von der Erde
aus dunkle, hohe Gegenftände aus
filometermweiter Entfernung auf
nimmt; nur muß man vom Ballon
aus im allgemeinen eine Kleinig-
feit fürzer belihten. Für Auf:
nahmen gegen jeitlih ftehende
Wolkenmaſſen oder auf die blen-
denden Wolfenmeere herab, über
die der Ballon hinſchwebt, gilt nur
etwa die Hälfte der Belichtungs-
dauer, die man fonft für Wolfen-
bilder verwendet. Dichtere Gelb-
Neo. 805.
ſcheiben können hierbei gute Dienfte
leijten.
Bei der Aufnahme von Land:
ſchaftsausſchnitten fommt es kaum
darauf an, daß die Kamera eine
beſtimmte Haltung hat; nur wenn
die Horizontlinie in das Bild ein⸗
bezogen iſt, pflegt man ſie auch
hier wie in der gewöhnlichen Land⸗
ſchaftsdarſtellung genau wagrecht
zu legen.
Die Entwicklung von Ballon⸗
aufnahmen wird ſo geleitet, daß
alle Einzelheiten klar zum Vorſchein
kommen und Härten möglichſt unter⸗
drückt werden. Wer dies durch die
Einzelhervorrufung nicht kann, er⸗
zielt leichte und ausgezeichnete Er⸗
folge mittel3 der Fokoentwicklungs⸗
dofe von 2. Lang: Dresvden, die
mit einem verdünnten PByrogallus-
entwicler zu füllen ift und unter
völligem Luft: und Lichtabſchluß in
einer halben Stunde überrajchend
durchgearbeitete Negative liefert.
Das Kopieren auf Papier oder
als Diapofitiv erfordert fodann
feine weiteren Bejonderbeiten.
805. Die Photographie im
Hochgebirge unterfteht als ein
Teil der Landichaftsphotographie
zunächſt deren allgemeinen Bedin-
gungen in phototechnijher wie
fünftlerifher Hinſicht.
Sie bezwedt die Darftellung der
Alpenländer oberhalb der bewohn⸗
baren Zone, muß in photographijcher
Hinfiht mit befonderen Lichtver-
hältnifjen und in touriftiicher Be-
ziehung zumeiſt auh mit den
Schwierigkeiten de3 eigenen Fort-
kommens, der Unterkunft, der Witte
rung 2c. rechnen. Selbſt an ſolchen
Punkten, wo mit Kunftftraßen,
Bergbahnen, Höhengafthäufern ꝛc.
ein Stüd Bivilifation in die
Gletfherregion vorgefhoben worden
ift, unterſteht die Photographie
doch noch den photochemiſchen und
klimatiſchen Sonderbedingungen.
Dr. &. Ruhfahl.
Für alle Gegenftände einer al
pinen Amateurausrüftung find die
Anforderungen größter Leichtigkeit
und zuverläffiger Handhabung zu
ſtellen. Bermwidelte Arbeitsvor⸗
ſchriften, komplizierte Mechanismen,
zeitraubende Vorbereitungen tau—
gen nicht für Bergfahrten, wo
Körper und Geiſt ermüdet oder
durch äußere Eindrücke abgelenkt
ſind. Der Platz zum Auspacken
iſt oft gering und die Zeit zu
ſolchen Arbeiten faſt immer knapp
bemeſſen.
Da die Abſichten der Touriſten
ſehr verſchiedene ſind, ſo kann man
feine der üblichen Handkamera—
formen ausſchließlich für die Zwecke
der Hochgebirgsphotographie em⸗
pfehlen. Für den einen bildet die
moderne flache Rollfilmkamera das
Ideal, andere ziehen es vor, nur
mit Platten oder abwechſelnd mit
Platten und Flachfilms zu arbeiten,
gelegentlich Stativaufnahmen, Fern⸗
aufnahmen, Wolken⸗ oder Pflanzen⸗
bilder zu machen, kurz die Zahl
der beſonderen Wünfche iſt fo groß,
dag nur eine jehr ausführliche
Darjtellung, zu der Bier der Raum
mangelt, genügende Auskunft geben
dürfte.
Die aktiniſche Helligkeit der
Hochregionen bildet den zmeiten
Unterfchied gegenüber den gemöhn-
lihen Lichtverhältnifjen im Tief:
lande. Ihre Eigenart iſt wifien-
ſchaftlich noch zu wenig erforjcht,
um bejtimmte Angaben über den
Zuwachs geben zu fünnen. Nur aus
vereinzelten Beobachtungen läßt ſich
annehmen, daß die Lichtjteigerung
ganz regelmäßig in den verſchie—
denen Höhenlagen fi fortfegt und
über 4000 m mehr als da3 zehn-
fahe vom Tieflande beträgt.
Neben diefem Anwadjen der
aktiniſchen Lichtwirkung erſchweren
große Gegenſätze von Hell und
Dunkel, von Schnee und Waldes⸗
/
1
XIII. Sporiphofographie.
grün,
Fernen die Beftimmung einer rich⸗
tigen mittleren Belichtungszeit.
Der gewöhnliche Grundfag, auf die
dunkelſten Bildteile zu erponieren,
führt hier gewöhnlich zu hundert:
facher Ueberlihtung der hellen
Zeile. Dazu treten feitlihe Aus:
ftrablungen und Lichthöfe, die nur
mit: den beiten Spezialplatten
völlig unterdrüdt werden Tünnen.
Nah alledem wird man aljo in?
Hochgebirge orthochromatijch-licht-
boffireie Platten von geringer Em:
pfindlichkeit mitnehmen und fie in
der nachfolgenden chemiſchen Be-
handlung jo weih und zart als
möglih halten. Wenn dies bei
der Hervorrufung ſelbſt noch nicht
ganz gelingt, kann man die tiefen
Schwärzen des Negativ mitteld
eines Abſchwächers noch nachträg⸗
lich mildern.
Die Belichtungsdauer beſtimmt
ſich im Hochgebirge ſelbſt für Berg:
fteiger mit langjähriger photo:
graphiicher Erfahrung nur äußerſt
Ichwierig. Wenn man die ficheren
Werte aus der gewöhnlichen Land⸗
ſchaft unter 1000 m Seehöhe je
nah Tagesftunden und Monaten
zugrunde legt, fo vergrößert ſich
die aktiniſch wirkſame Lichtfülle,
die dem menſchlichen Auge nicht
einmal ganz erkennbar ift, mit
fteigender Höhe nad) und nad bis
etwa zum zehnfadhen. Neben der
direften Sonnenbeftrahlung wirkt
dabei je nad) der Dertlichfeit auch
die Reflexion der großen Firn
flächen mit, die ja ihrerfeitö ge-
mwöhnli nad der Höhe zu aus:
gedehnter, geſchloſſener und jchnee-
reicher werden. Sehr geringen
Anhalt zur Beantwortung der Be:
lihtungsfrage bieten im Gebirge
die handelsüblihen Mekapparate;
nur das Altino III von Heyde
gibt einigermaßen zuverläjfige Aus—
tunft, wenn man fi) durd eine
Niro. 806.
von Nähe und endlofen | Reihe von Vergleihdaufnahmen an
feine Bedienung gewöhnt bat.
Diefe Vorbereitungen braudt man
übrigend nicht während der foft-
baren Reiſezeit im Hochgebirge
jelbft vorzunehmen, ſondern kann
auch die heimifhe Landſchaft und
deren weißbewölkten Himmel dafür
verwenden.
An meinem Buche über „Hoch⸗
gebirgs- und Winterphotographie”
(erlag von W. Knapp) finden
ſich weitere Natjchläge für die ge-
jamte Ausrüftung und Arbeits:
mweife im einzelnen. Für künſt⸗
lerifhde Fragen der Hochgebirgs—
dbarftellung fann man das Buch
Mazels (Verlag von Gujtav
Schmidt) zu Rate ziehen. Eine
Reihe von Heineren Aufjägen über
verſchiedene einſchlägige Themen
find u. a. auch im Jahrgang I—IV
des deutjchen Kameraalmanachs zu
finden.
806. Die Photographie beim
Winterfport unterfteht vielfach glei:
hen Anforderungen und Schwierig:
feiten wie die Hochgebirgsphoto:
graphie. Wer mit Rodeljchlitten
oder Schneeſchuhen ins Freie zieht,
trägt jein Gepäd ſelbſt. Schnee
und Kälte ftehen der photographi-
ſchen Arbeit zunädjft feindlich gegen
über. Sorgfam muß man den
Ruckſack oder die Taſche der Kamera
vor Schneeftaub ſchützen, den der
Wind oder eine eigene unvorfichtige
Hantierung auch bei freundlichem
Sonnenfhein nur zu fchnell auf:
wirbelt.
Alle Teile, die durch fcharfen
el unbrauchbar werden, wie
ummiblajen, Waſſerwagen, Wachs⸗
tuchfutterale wird man durch geeig⸗
netere Stoffe erſetzen.
Mehr noch als in der wärmeren
Reiſezeit gilt für winterliche Unter⸗
nehmungen der Wunſch, eine zuver⸗
läſſige, ſchnell gebrauchsfertige Ka=
mera zu beſitzen. Da ſie beim
Nerv. 807. Dr. G. Ruhfahl.
Winterſport durch Stürze ihres zwar natürlich hier jede Kamera
Trägers auch oft in unvermeidliche | verwendet werden, wer jedoch den
Gefahr gerät, jo bedarf fie einer
größeren Feſtigkeit. Das etwas
veraltete, plumpe Modell der
Magazinkaftenfamera ift darum für
den Schneejport neben Rollfilms,
Flach- und Univerjallamerad mit
in den Kreiß der Betradtung zu
ziehen, foweit vorwiegend land-
Ihaftlihe Studien bezwect werden.
Für Sportaufnahmen, Skiſprünge,
Scdlittenrennen dagegen empfiehlt
jih entweder die Spiegelrefler-
famera oder als leichtere und
kleineres Ausrüftungsftüd Die
Spreizenflappfamera mit Sclib-
verfhluß. Da zu gewöhnlichen
Flachkameras anſetzbare Schlitz⸗
verſchlüſſe beſonders geliefert wer⸗
den, ſo kann man zur Not auch
damit ſein Glück verſuchen.
Der Winterfroſt ſtört oft genug
nicht nur die Arbeit im Freien,
ſondern auch die photographiſche
Tätigkeit des Amateurs in der
Dunkelkammer, weil dieſe nur in
ſeltenen Fällen eine ſachgemäße
Heizung zu beſitzen pflegt.
Nach der äſthetiſchen Seite hin
ſei daran erinnert, daß die warm⸗
braunen Töne der gewöhnlichen
Chlorſilberpapiere ſich für Schnee⸗
und Winterbilder nicht recht eignen.
Die froſtige Stimmung kommt
beſſer zum Ausdruck, wenn man
reinweiße Unterlage mit kalter
ſchwarzer Bildzeichnung wählt, wie
ſie Gaslicht-, Platin⸗ oder Pigment⸗
papiere liefern.
807. Die Photographie frei
lebender Tiere iſt der letzte Sonder⸗
zweig der Photographie, der kürzlich
mit Nachdruck ins Leben gerufen
worden iſt, vielerlei Intereſſen be⸗
rührt, ja dem ganzen naturfreund⸗
lichen Denken und Fühlen unſerer
Zeit ſich in beſonders enger Weiſe
anſchließt.
Für Gelegenheitsaufnahmen kann
Zweig hauptſächlich pflegen will,
wird zu Spezialapparaten greifen.
Für alle ſolche Kameras kann
man zunächſt die lichtſtärkſten Ob-
jeftive (f/3, 5—5) empfehlen. Ihr
Nuten ift bei jchnellbeweglichen
oder ſchlechtbeleuchteten Gegen⸗
ſtänden ohne weiteres einleuchtend,
denn bier wird unter Umſtänden
eine durchgezeichnete Platte nur
mit jo großen Definungsverhält-
nifjen zu erlangen jein; aber auch
bei ruhigen und qgutbeleuchteten
Dingen follte man ſie ftets mit
voller Deffnung benuten, weil fie
dad Objekt jelbft mit größter
Schärfe zeichnen, den Hinters und
Vordergrund aber als nebenfächlich
zurüdtreten lafjen. Gerade für die
wifjenfchaftliche Photographie kann
die geringe Tiefenſchärfe der licht⸗
ftarfen Syfteme ſehr nußgbringend
ausgebeutet werden. Um die Tiere
in möglichſter Größe auf die Platte
zu befommen, jind nidt allein
außergewöhnlich lange Brennweiten
der Normalobjeftive, fondern eigens
fonftruierte, ſehr lichtſtarke Fern⸗
konſtruktionen zum Einbau in der⸗
artige „Jagdkameras“ geeignet.
Görz und Zeiß haben große,
ſchwere Gläſer bis zu 80 cm Brenn⸗
weite mit hoher Lichtſtärke und für
kurze Kameras geſchaffen. Auch die
Ballonkameras, die oben ermähnt
wurden, dürften fih für Tierauf⸗
nahmen ganz gut eignen. Wer
ſich hierüber, fowie über Yern-
auslöfung, Plattenwechſel, Nacht:
blige uſw. näher unterrichten will,
findet in den Preigliften und fo-
dann in den befannten Büchern
von Meerwarth, Schillings
und Gebrüder Keartong reid-
ich Auskunft. Auch bereits das
bloße Betrachten guter Tierbilder,
wie fie jegt bei Voigtländers
Verlag⸗Leipzig, bei Baul Bareys
i
)
’
|
iA Lan TI — a Wi 15- Ta v2 IE ta 9
XIII, Sporiphotographie.
Berlin SW ufw. erjcheinen, bietet
eine Duelle für eigene Gedanken
in Menge. Daneben haben die
photographifchen Zeitjchriften, wie
Rundſchau, Mitteilungen, Kunft,
Apollo ufw. das Thema in ihren
Arbeitäbereih einbezogen, und
Schließlich findet man in populär:
naturwiſſenſchaftlichen Werten, 3.8.
in den Veröffentlichungen des Ver⸗
ein? Kosmos-Stuttgart noch mei-
tere Anregungen.
"Da fi jeder Liebhaber eines
folhen photographiſchen Spezial-
faches mit der reichhaltig vorhan⸗
denen Literatur wohl jelbft auf das
eingehendfte bejchäftigen wird, fo
Nro. 807.
Skizze natürlich kaum noch irgend
welchen Wert. Diefe Zeilen mögen
daher nur den fernerftehenden
Amateur auf einen der vielen
Wege aufmerffam maden, die für
denjenigen noch offen find, der
bereit? an der gelegentlichen und
ziellofen Ausübung der Photo-
graphie feine Freude mehr findet
und im Begriff jtebt, fich eine neue
Unterhaltung zu juchen.
Aber nicht allein diefe Ausfüh-
rungen über Tierphotographie, ſon⸗
dern auch die gefamte Schilderung
der Sportphotographie überhaupt
möge dazu beitragen, der photogra=
phiſchen Kunft ihre ernithafteren
bat für ihn als Kenner eine folche | Sünger dauernd zu erhalten und
im
engften Rahmen gehaltene | neue Freunde dazu zu ermerben.
UCIEDUCIE TEE UCIH CHEF TREE REDE DE EBENE
XIV. Die Hygiene des Sports.
Von
Dr. Julian Mareule, Partenkirchen.
Ber von feinem eigenen Körper, feinem
Wefen, was dieſer erfordert, wohin er deutet,
was überhaupt aus ihm werben kann, gar feinen
Begriff hat, wer nie umſichtig und klar über ſich
gedacht hat und denkt, bei dem kann von irgend
einer Kunft der Lenkung, Sührung und ridtigen
Förderung bes eigenen Lebens feine Rebe fein.
Wie man dem Lolomotivführer nur bann bie
Mafchine übergibt, und er nur dann etwas leiften
fann, wenn er feine Maſchine kennt, fo kann
au der Menſch feinen eigenen Körper nicht
leiten und Ienfen, wenn er ihn nicht kennt.
Dygiene der Arbeit (der Be-
wegung).
808. Wozu Muskeln? Leben
ift Bewegung, alfo ift auch der
Sport in rein medanifder Auf:
faffung nur ein beftimmter Aus
drud gewiſſer Bewegungsformen
und Arten. Bewegung aber ift
geknüpft an das Vorhandenſein
gewiſſer Gewebe, die in ihrem Bau
wie in ihrem Chemismus be—
ftimmte Funktionen auslöfen, deren
Zufammenmirfen wiederum eine
typiſche Lebensäußerung gebiert.
In die ſinnliche Erſcheinung tritt
als Hauptrepräſentant jedweder
Bewegung der Muskel, jenes
eigenartige Gebilde, das Herr über
unferen Körper zu fein fcheint,
während es doch nur Diener ift,
aber als dienendes Organ ein Feld
fo weiter Tätigfeit befigt, wie faum |
Carus.
ein anderes im vielverzweigten
Haushalt des Organismus! Dienend
nannte ich ihn, weil keine noch ſo
geringfügige Muskelbewegung von
ſtatten gehen kann, ohne daß das
Kommando hierzu vom Willens⸗
impuls erfhallt und mittels der
Nervenbahnen dem jemeilig in
Aktion tretenden Muskelkörper mit
geteilt wird, umfaflend feinen
Dienft, weil alle Aeußerungen
unferes Lebens, fie mögen fcheinbar
noch fo fehr feiner Wirkungsſphäre
entzogen fein, dur Muskelarbeit
erfolgen. Gehen und Stehen,
Atmung und Kreidlauf, Ernährung
und Verdauung, fie alle bedürfen
zu ihrem Zuftandelommen des
Werkzeuge „Muskel“, ja feldft
unfere jo fein fonftruierten Sinne8-
organe erhalten ihre Fähigkeit zur
Auslöſung der entſprechenden Wahr⸗
nehmungen durch kleine Fleiſch⸗
we) —
XIV, Die Bygiene des Sports.
bündel, die nad) beitimmten phyfi-
kaliſchen Geſetzen fi zufammen-
ziehen und wieder ausdehnen:
Muskeln bewegen beim Sehen die
Augäpfel und bewirken die Drien-
tierung im Raum, Muskeln er-
zeugen die Schallmellen beim
Spreden, Mustelnvermitteln unjere
Taft: und Gefühlgempfindungen.
Saft 50°), unferes Körpers befteht
aus Mustelmafje, und nimmt man
hierzu die 15°/,, die das knöcherne
Skelett umfaßt, jo dienen nahezu
65 °/, den Zweden der Bewegung!
Ein Maffenaufgebot von Kräften,
deren Zahl proportional zu den
Aufgaben fteht, die fie im Organis-
mus zu erfüllen haben. Denn wo
nur immer die Flamme des Leben?
auffladert, da ift Mugtelfraft
oder mechaniſche Energie im
Spiel, da wird neben den im
großen einhergehenden und oben
erwähnten Lebensprozeflen jene dem
Auge entrüdte, nie raſtende Arbeit
geleiftet, die in den Endorganen
des Lebens, den Zellen, Einfuhr
und Ausfuhr von organiſchem
Material regelt. Da wird die ein-
genommene Nahrung gejpalten und
zerlegt, in Gewebe und Blut um:
gefegt, da werden die im Dajein
verbrauditen und abgenugten Stoff:
teile fo lange verarbeitet, bis fie
als Luftftrom, als Schweiß oder
Harn den Körper verlafjen können.
So tief und fo umfaflend erjtreden
fih Aufgaben und Funktionen der
Muskulatur.
809. Willkürliche und unwill-
kürliche Muskeln. Es hiek, daß
die Muskelgruppen des Körpers in
ihrer Geſamtmaſſe dem Willen
unterſtänden, dies bedarf für einige
wenige einer Einſchränkung: Herz
und Verdauungsorgane (Magen
und Darm) find unabhängig davon,
fie laſſen ſich willfürlich nicht be—
wegen, erhalten feinen Antrieb von
der Willensſphäre, und doch haben
Nro. 809-810.
auch jie im großen Getriebe des
Lebens ihren bewegenden Sporn.
Aber auch ihre Bewegungen regelt
der Mechanismus des Gehirns, nur
daß hierbei mehr die Form ber
„Selbftfteuerung” wie die der will:
fürliden Bewegung zutage tritt.
Aber willfürliche Muskelarbeit wirkt,
wie wir jpäter noch eingehender
jehen werden, unmittelbar auch auf
den Kompler der unmillfürlichen
Muskulatur, jede Bewegung des
Körpers beeinflußt Blutkreislauf und
Herztätigkeit, Berdauungsapparat
und Stoffmechfel!
810. Eigenart und Eigenfchaft
der Musfelarbeit. Muskel und
Muskelkraft ift gleich bedeutend mit
Arbeitsinftrument und Arbeits:
leiltung, denn jeder Mustelbewegung
entfpridt der Aufwand einer be-
ftimmten Gnergie zur Erfüllung
einer Funktion, die ineinander:
greifend in andere Funktionen das
gewaltige Räderwerk des menſch—
lichen Organismus in Zirkulation
erhält. Wenn wir einem Muskel
einen Reizimpuls vom Nervenſyſtem
her zuſenden, ſo tritt eine Erregung
ein, der Muskel zuckt, ſeine Faſern
ziehen ſich zuſammen, er ver—
kürzt ſich. Durch dieſe Ber:
kürzung werden Teile des
Körpers einander genähert, es ent⸗
ſtehen alſo Bewegungen, und es
wird Arbeit geleiſtet. Aber es iſt
ein weſentlicher Unterſchied zwiſchen
der Arbeitsleiſtung eines lebenden
Muskels und der einer Maſchine:
hier handelt es ſich um Bewegung
von toten Teilen (Metall oder
Holz), dort werden Hebel bewegt,
die aus Knochen beſtehen, einem
Material, das infolge feiner Zu—
ſammenſetzung aus organischer und
anorganifcher Subftanz eine bedeu:
tende Feſtigkeit und Tragfähigkeit
mit relativer Leichtigkeit und einem
nicht geringen Grade von Glaftizi:
tät verbindet. Durch ihre Gelent:
Nro. 811.
verbindungen befiten die Knochen
eine hochgradigeBeweglichkeit gegen:
einander, jo daß die zierlichiten und
minutiöfeften Bewegungen ausge:
führt werden fünnen. Alle Arten
von Gelenten jind vertreten,
Scharniergelenfe, wie wir fie ähn⸗
ih an unferen Türangeln fehen,
an Kopf, Ellenbogen, Knie, Fingern
und Zehen. Ein Zapfengelent
zwifchen erftem und zweiten Hals⸗
wirbel, Kugelgelenfe an Schultern
und Hüften. Wie der Mechaniker
die Gelente fleißig ölt, um Reibung
und Abnützung möglichit zu ver-
hindern, fo der Organismus: eine
jelbjttätige Schmiervorrichtung er⸗
hält die knorpeligen ſpiegelglatten
Gelenkenden dauernd ſchlüpfrig.
Knochen, Gelenke und Muskeln
zuſammen vermitteln unſere Be—
wegungen, und zwar erfolgt die
Arbeitsleiſtung unter Aufwendung
der geringſten Materialmaſſe, das
heißt, es iſt in Anlage und Aus—
führung nur ſo viel Muskelfleiſch
vorhanden, als eben dem zu er⸗
füllenden Zwed im Gejamthausbalt
des Körpers entipricht. Da jelbit
im Rubezuftande die Mustelfafern
immer leicht geipannt find, eine
Eigenfchaft, welhe man als Ela⸗
ftizität des Muskels bezeichnet,
fo ift die Fähigfeit, die Befehle des
Willens blitzſchnell auszuführen,
eine leichte.
811. Der Muskelſinn. Ein wenig
gehörtes Wort, wenigſtens Laien
wiſſen mit dieſem Begriff nicht viel
anzufangen, es fehlt die Vorſtellung,
und doch welch unüberſehbare Be—
deutung liegt in dieſem unſchein⸗
baren Wörtlein! Werkzeuge zur
Bewegung des Körpers und der
Gliedmaßen hätten wir in Muskeln
und Knochen, aber wie plump, wie
hölzern wär all ihr Wirken und
Können, fehlte der Willensimpuls
und mit ihm das Orientierungs⸗
vermögen über Raum und Größe,
Dr. Julian Marcufe.
da8 was wir Mustelfinn nen:
nen.
Diefer Mustelfinn, d. h. alfo
die Fähigkeit, die Gliedmaßen zweck⸗
dienlih und derart zu gebrauchen,
daß fie in genau abgeftimmtem
Einklang für jede gemollte Bes
wegung zuſammenwirken, ift ein
Produkt höherer, allmählider Ent:
wicklung und fommt durch Uebung
von Auge und Hand, von Auge
und Zub zuftande. Hier ftoßen
wir auf einen neuen Begriff,
der uns bisher noch nit gegen-
übergetreten ift, den der Hebung.
Was bedeutet derſelbe? Wenn
wir irgend eine neue ungewohnte
Handleiſtung vollführen, oder wenn
wir zum Beilpiel zum erjten Mal
einen Berg emporklimmen, den
Schlittſchuh an unferen Fuß Schnallen
oder etwas ähnliches unternehmen
ollen, jo gelingt e8 entweder über-
oe nicht oder nur unter Schwierig=
feiten und mit Berluft von Zeit
und Kraft. Wir haben nämlich
außer den für die entſprechende Be-
wegung nötigen, auch noch eine ganze
Reihe überflüffiger Muskeln in Ber
wegung gejegt, damit unnötig viel
Kraft angewandt, mit einem Worte
unzwedmäßig gearbeitet. Treten
wir nun wiederholt an diejelbe Auf-
gabe heran, dann lernen wir, die
für den jeweiligen Zweck erforder:
lihe Musfelarbeit — und nicht mehr
— aufzumenden, mit andern Wor⸗
ten: wir pafjen ung an Weſen und
Art der Arbeitleiftung an und er⸗
werben die Fähigkeit genauer und
abgejtufter Regulierung des jemweilig
erforderten Kraftaufmanded. Das
ift dag Geheimnis der Webung!
Dadurh gewinnt die Arbeit an
Kraft und Ausdauer, die Bewegung
jelbft wird freier und leichter, fie
geht, wie man zu jagen pflegt, ſpie⸗
lend vor fi und diebeteiligten Mus⸗
feln nehmen an leiftungsfähigem
Gewebe zu.. So ftoßen wir auf ein
?
*
XIV. Die Bygtene des Sports.
biologiſches Lebensgeſetz, welches
lautet: Jede Leiſtung unſeres Kör⸗
pers als eines Bewegungsapparates
beruht weniger auf der Kraft der
Zuſammenziehbarkeit der Muskeln
als vielmehr auf ihrem richtigen
Zuſammenwirken. Man kann
ſich Menſchen denken mit Muskeln
wie der farneſiſche Herkules und
doch unfähig zu ſtehen und zu gehen,
geſchweige denn kompliziertere Be⸗
wegungen auszuführen.
812. Das Weſen der Uebung.
Das alltägliche Leben zeigt uns
auf Schritt und Tritt die Wahr⸗
heit obigen Sates, jeder Beruf,
der mit beftimmten Musfelgruppen
zu arbeiten gezwungen ift, weift
eine Zunahme derfelben auf. Und
umgekehrt, je weniger wir durch
Uebung unjere Muskeln fchulen,
deſto unfähiger und ſchwächer wer:
den fie, deſto weniger gebrauchs—
fähig find fie für dieſelben Lei-
ftungen, die mir vielleicht ein
halbes Jahr vorher mühelos be-
wältigt haben. Der Turner, der
Klavierfpieler, ver Hochtourift, kurz⸗
um alle Berufd- wie Sportarten
erfahren die Beweiskraft dieſes
Sated. Und je öfter wir eine
Bewegung üben, defto mehr können
wir die anfangs unbedingt erfor-
derlide Aufmerkſamkeit und die
ftete Ueberwachung ihrer Ausfüh-
rung miſſen, ja zulegt gehen diefe
„geübten” Bewegungen rein
automatijfch vonitatten, das
heißt, die Erregung, die von un-
jerem Willen auf die Muskeln ge-
leitet wird, und die von Anfang
an bei der Ausführung der Beme-
gung unficher vonftatten gegangen
ift, erfolgt jett ohne Anſpruch auf
unjere Aufmerfjamfeit von felbft
und zwar in einer durchaus zweck—⸗
dienliden Art und Weiſe. Die
Mebung gejtattet alfo big zu einem
gewiſſen Grade Bewegungen ohne
jevesmalige Einjegung gejpannter
Nro. 812—813.
Aufmerkſamkeit zu vollführen, fie
part damit an Hirnenergie und
träftigt anderfeit3 die Energie-
jpannung des arbeitenden Muskels.
So mird Mugfelgymnaftit
zur Nervengymnafjftif, bat
doch der eigentlihe Mechanismus
der zufammengejeßten Bewegungen
feinen Sit im Zentralnervenſyſtem,
fo daß Mebung in ſolchen Bemwe-
gungen im wejentlihen nicht3 an-
deres ift als Hebung des BZentral-
nervenſyſtems! Bon welcher enor-
men Tragweite die Erkenntnis diefer
Zufammenhänge gerade für den
Sport und feine Ausbildung ift,
werden wir noch jpäter Gelegen-
heit finden, näher fennen zu lernen.
So nimmt es und nicht wunder,
daß jelbft reine Geiftesarbeiten durch
Uebung zu faft automatijchen Hand⸗
lungen werden fünnen, man braucht
nur an dag Briefjchreiben vieler
geiftig angeftrengter Menſchen zu
denfen, an das Auswendigſpielen
des Pianiften und vor allem im
Hinblick auf das vorliegende Thema
an die faft automatische Drefiur
in der Abſchätzung von Entfernungen
beim Turnen, der Touriftif, in der
Ueberwindung von SHindernifjen
beim Reiten, beim Bergjport, in
der Abmehrbewegung beim Fechten,
Tennisſpiel und vielem anderen
mehr. Dieje Automatie vermittelt
blitzſchnelles Handeln und ift daher
auch für den Ermerb der Geiſtes—
gegenwart, für das Erfaflen der
Situation von außerordentlicher
Bedeutung.
813. Die Muskelenergie. Was
wir an Bewegungen des lebenden
Organismus jehen, alles ijt mit-
hin zurüdzuführen auf die Tätig-
feit der Muskeln. Um die Voll:
fraft feiner Arbeit aber in die
Wagfchale zu werfen, bedarf der
Muskel, wie jedes Drgan, einer
beftimmten Nahrungszufuhr, eines
Erfaßes der durch die re auf-
Nro. 814.
gebrauchten Stoffe, denn jede noch
fo geringe Arbeitsleiftung, mag
diefelbe geiftiger oder förperlicher
Natur fein, ift unlögbar verbunden
mit einem Zerfall chemifcher Be
ftandteile der Gehirnzelle oder des
Muskels, der in feinem urſächlichen
Entſtehen zurüdzuführen ift auf
eine wefentlich erhöhte Saueritoff-
aufnahme. Das im Augenblid der
geiftigen oder Förperlichen Arbeit
ſtärker kreiſende Blut liefert eine
größere Menge des lebenzjpenden-
den Sauerftoff an die Gewebe, in
diefem Falle an die Musfeljubftanz
und fommt zu einer Verbindung von
Sauerftoff mit Kohlenftoff und Stid-
ftoff, damit zur Verbrennung be-
ftimmter frei gemordener Subſtan⸗
zen und das Reſultat Hiervon ift die
Auslöfung von Energie und
Wärme Was wir mit jeder Mu$-
kelzuſammenziehung leiften, ift nur
möglich durch Energieaufmand, was
wir am arbeitenden Muskel em⸗
pfinden, ift Wärmeentwidlung. In
diefem fortwährenden Verbrauch
von Kraftvorräten und der Ent:
Dr. Iulian Marrufe.
nad, dies wenigſtens Haben die
ſehr fchwierigen Forfhungen auf
diefem Gebiet ergeben, um zwei
nebeneinander laufende Vorgänge,
einmal um die Bildung von Gift:
ftoffen innerhalb des Muskelgewebes,
von Stoffwechſelſchlacken, die der
frifde Muskel zu verarbeiten, der
ermüdete jedoch nicht mehr heraus:
zuſchaffen vermag und weiterhin
um einen mehr und mehr eintreten=
den Mangel an Sauerftoff. Da
legterer aber da ftete Herdfeuer
der Verbrennung und damit der
Energiebildung darftellt, muß fein
Manko zu einem Erlöſchen der
Kraftquelle und damit zur Arbeit3-
fähigkeit führen. Die der ge—
wöhnlide Hergang! Nun können
aber Willendanjpannungen und
Gemütserregungen bis zu einem
gewiſſen Grade Ermüdungsgefühle
unterdrüden (wir wiſſen ja alle,
daß bei großen Creignifien im
Leben, aber auch bei alltäglidhen
Dingen, auf deren Grledigung
innerhalb einer gewiſſen Zeit wir
Wert legen, unjere Kraftleiftungen
fernung der bei ven Verbrennnngs- ind ungeheure wachſen können) und
prozefjen entitandenen Stoffmechfel- | fann vor allem die rhythmifch ein-
Ihladen fpielt fi phyſiologiſch gefhobene, wenn auch noch fo Heine
Musfelarbeit ab. Allein ein Per: | Erholungspaufe des ſich zufammen-
petuum mobile ift der menjchliche | ziehenden Muskels auf die Erhal-
Muskel nicht, auch ihm fchlägt die | tung der Kraftvorräte und damit
Stunde, wo er zu verjagen beginnt, | auf die Arbeitdauer und Arbeits-
wo er ermüdet, und die Er: |leiftung von ausfchlaggebender Be
müdung ift der gefährlichite Feind | deutung fein. Alle rhythmiſchen
jeder Arbeit, fie ift zugleich der | Bewegungen, taktmäßig ausgeführt,
Warnruf der Natur: Laß ab, fonft führen ungleich ſchwerer zur Er—
fannft du nicht weiter: Wir alle | müdung: man denfe nur an das
fennen ja diejes Ermüdungsgefühl, | Führen des Hammers dur den
da8 den einen rafcher, den andern | Schmied, an das Einjeten des
langjamer befällt, das immer aber | Ruders beim Wafferjport, an die
gefennzeichnet ift durch ein Nach- Schwimmbewegungen und anderes
lafjen der Arbeitsfähigfeit bis zu
einem allmählich eintretenden völ—
ligen Stillftand.
814. Ermüdung und Erholung.
Beim Zuftandefommen der Ermü-
dung handelt es ſich allem Anſchein
mehr!
Allein ein wirklider Ausgleich
der Ermüdung und Erſchöpfung
kann doch nur ftatthaben durch
Erholung und Ruhe, jene
beiden die lähmende Wirkung des
XIV. Die Bygiene des Sports.
Sauerftoffmangel3 und der Depo-
nierung von Ermüdunggftoffen auf-
hebenden Zuftände.. Schon eine
kurze Ruhe genügt unter Umftänden,
um dieje Gifteinwirfungen wieder
zu bejeitigen. Sie gewinnen nur
größere Ausdehnung, wenn ange-
ftrengte Tätigkeit jo beträchtliche
Mengen von Zerfallitoffen erzeugt
bat, daß fie nicht fchnell genug
“vernichtet oder fortgefchafft werden
fönnen. Es iſt leicht verftändlich,
daß die Zerjtörung oder die Aus-
waſchung giftiger Stoffe aus den
Geweben im allgemeinen raſch be=
wertjtelligt werden kann, ungleich
langjamer dagegen vollzieht fich der
Erfag der Kraftvorräte und die
Aufnahme neuer Beitandteile in die
Gewebe. Wir werden daher er:
warten dürfen, daß ein Teil der
Arbeitsihädigung ſich fofort aus⸗
gleicht, während ein anderer Teil
jener Wirkungen nur ganz allmäh—
fich, innerhalb längerer Zeiträume,
wieder verjchwindet. Die Ermar-
tung wird durd die Erfahrung be-
ftätigt. Wir wiſſen, daß nad kür⸗
zerer Arbeit die Ermüdungderjchei-
nungen ſehr bald nadlajjen, daß
aber wiederholte, wenn aud) ‚kurze
Arbeitäzeiten nad und nad eine
fortjchreitende Ermüdung erzeugen,
welche bisweilen am nächſten Tage
oder ſelbſt fpäter noch nachweisbar
ift. Ja wir können jagen, daß im
Gehirne des Menſchen und der
höheren Tiere der Verbrauch unter
allen Umftänden während des
Wachſens dauernd höher fein muß,
al? der Erſatz, da auch bei völligem
Nichtstun Thon am Ende jedes
Tages ein Zuftand von Ermübung
erreicht wird, der nicht mehr durch
einfache8 Ausruhen, fondern nur
noch durch den Schlaf befeitigt
werden Tann.
815. Das Zufammenfpiel der
Organe. Aus diejen wenigen Dar:
legungen ift der ungeheure Wert
Niro. 815
der Erholung für den arbeitenden
Muskel bereits erfichtlih, ja fie
wird zur Lebendnotmwendigfeit, foll
nicht durch unnötigen Verbrauch
der Kräfteſtrom, der durch unſere
Muskeln im Augenblick ihrer An—
ſpannung zieht, in kurzem verſiegen.
Und dieſe Wertung von Ruhe—
pauſen und Erholung, ſie wird
noch höher, wenn man den Kau—
ſalitätszuſammenhang zwiſchen Mus⸗
kelarbeit und innerem Organleben
an ſich vorüberziehen läßt. Machen
mir uns einmal Kar, was in dem
Körper eines Menfchen bei wech—
felndem Spiel der Körpermusfeln
vor fih geht. Die arbeitenden
Faſerzüge brauchen Blut, Nahrung
und Sauerftoff. Das Herz muß
fih fputen, daß es die Anſprüche
der tätigen Muskeln befriedigt und
fügt mit raſchen kräftigen Puljen
denjelben ihre Nahrung zu. Platz
für dag frifhe Blut! Das ver-
brauchte, verdorbene, ſchlechte muß
ſchleunigſt zurück in das Herz, in
die Lungen. Die Muskeln prefien
es aus, wenn fie fih zufammen-
ziehen. Die Atmung wird bejchleu-
nigt, und in tiefen, ſatten Zügen
fhlürfen die Lungen die frifche,
wohlige Luft des Feldes, hauchen
fie die giftige Kohlenfäure au®.
Friſch und rein, voll GSauerftoff
quillt daS lebensſprühende, hell:
rote Blut in die Adern. Und
indem die Bruftmusfeln angeftrengt
tätig find, um das erhöhte Be—
dürfnis nad) Sauerftoff zu befrie-
digen, immer neue Luft in die
Zungen zu faugen, faugen fie gleich-
zeitig da8 Blut nach dem Herzen
zurüd, das ſchlackenreiche dunkle
Benenblut aus den Musfeln, aus
dem Gehirn, aus den Verdauungs⸗
organen. Beſonders die Leber,
dieſes große Blutrefervoir, hält
Ausfehr bei Diefer allgemeinen
Beichleunigung und Anfrifchung
des Blutfreislaufs. Die Musfel-
Nro. 816.
arbeit madt aber auch warm. Die
Haut rötet ſich, aus den weit ge-
öffneten Boren bricht der Schweiß,
der einen großen Teil der Stoffe
fortſchwemmt, die für den Körper
Ballaft und Schladen find. Und
an allem nimmt dag wichtigfte Or⸗
gan des Menfchen, dag Gehirn,
tätigen Anteil, auch fein Gewebe
wird von diefem Anprall des
friſchen Bkutſtroms mit in den
Kreis erhöhter Tätigkeit gezogen.
Friſche im Denken, Regjamleit in
der Bewegung und als Refulianten
hiervon Entjchlofjenheit und bliß-
Schnelles Erfaſſen der Situation
find fein Gewinn! So Freift der
Lebensftrom, der durch Bewegung
und Musfelarbeit immer von neuem
angefacht wird, durch den Körper
und zieht in jeinen Bannfreis
Organ um Organ, im wechfeljeitigen
Zuſammenwirken die Geſetze or-
ganifchen Lebens erfüllend!
816. Das Brennmaterial ‚der
Muskelarbeit. Wir ſprachen ein-
gangs von Berbrennungsprozeffen,
die im arbeitenden Muskel dur
die Verbindung von Sauerftoff mit
Kohlenstoff und Stidftoff in jedem
Moment feiner Wirkſamkeit, ja fo:
gar jelbft im Ruhezuftande vor jich
gehen und dag ewige Herdfeuer
des Lebens mwachhalten. Woher nun
diefe Stoffe, woher die Flüfligfeit,
chemiſche Energie, wie fie in ihnen
aufgejpeichert ift, umzumandeln in
mechanische Arbeit und Wärme, wie
fie bei der Muskelzuſammenziehung
und Musfelleiftung zutage tritt?
Denn darin allein bewegt fich ja
der gejamte Prozeß, daß auf
hemifshem Wege Energie frei
wird und bei ihrer Einfchmelzung
eine Kraft gebiert, die der Aus:
gangspunkt mechanifcher, fichtbarer
Arbeitsleiftung wird. Das Ge:
heimnis, das in diefem Vorgang
vor der Ummandlung der Kräfte
liegt, ift zwar noch nicht Big zur
Dr. Yulian Marrufe.
letzten Schlußfolgerung enthülft, aber
doch jo weit geklärt, daß wir die
Grundprinzipien diefes Fundamen⸗
talgejfeße8 zu erfennen vermögen,
die da lauten: Chemifche Energie
nehmen mir allein mit der Nahrung
und mit der Atmung auf — let:
tere gibt ung ja den Allbezwinger
Sauerfioff — und von den drei
großen Nahrungsmittelfategorien
Eiweiß, Kohlenhydrate und Fette
muß, wenn wir förperliche Arbeit
leiften wollen, ein beftimmtes Duans
tum und Verhältnis in den Körper
eingeführt werden, denn die Nabs
rung dient einmal zur Erzeugung
von Kraft in dem eben gefchilderten
Sinne der Ummandlung ihrer che-
mijchen Energie in mechanische Ar-
beit und Wärme und weiterhin
zum Erſatz der verbraudten und
verarbeiteten Gewebsteile, zur Eli-
minierung giftiger Nebenprodulfte.
Dieje zahlreichen Aufgaben, in die
fi die Nahrung mit der Ruhe teilt,
find nur lösbar durch eine richtige
Auswahl der in den Körper einzu-
führenden Stoffe, und daher der
mübevolle Weg, den Forfhung und
Praxis gegangen, um dad Problem
der die größtmöglichite Leiftungs-
fähigfeit gemährleiftenden Nah:
rungsform zu löſen. ind der
ſchwierigſten, das die Wifjenfchaft
fennt, fein Wunder daber, daß die
Anjhauung hierüber von Jahrzehnt
zu Sahrzehnt, man kann fait ohne
Uebertreibung diefe fnappen Friften
nennen, wechjelt und noch immer
in einem gewiſſen Fluß begriffen
ift. Nur das eine ſcheint heute ala
ficher feftzuftehen, daß die ſouveräue
Stellung, die man einftens in der
Wiſſenſchaft, heute no in den
weiteſten Volkskreiſen dem Eiweiß
als kraftſpendendem Stoff anwies
und anweiſt, weſentlich erfchüttert
iſt zugunſten der beiden anderen
Kategorien Kohlenhydrate und Fette,
und daß ſie es ſind, die das Brenn⸗
XIV. Die Bygiene des Sports.
holz; für die Erzeugung der Kraft
abgeben, während das Eiweiß fich
mit der Rolle des Erhalterd und
Ernährers der Muskelſubſtanz felbit
beſcheiden muß. Dieje Erkenntnis
der Neuzeit bedingt einen gemalti-
gen Umſchwung aller unferer An: | vermag nicht
Nro. 817—818.
land, nie bisher erlebten Umfang
angenommen hat, und er im beiten
Sinn vollstümlih geworden ift,
erlahmt noch bis zu einem gewiſſen
Grade die wiffenihaftlihe Beob—
achtung gegenüber der Empirie und
das Tomplizierte
ſchauungen, der auch volkswirt- | Wechjelfpiel von Urfahe und Wir:
Tchaftlih von größter Bedeutung
tft: beruht fie doch in praxi darauf,
Daß ein Teil unferer bisherigen
Fleiſchkoſt — denn um dieje als
hauptſächlichſte Repräfentanten des
Eiweißes handelt es fich ja im we:
fentliden — eliminiert und an ihre
Stelle eine mehr vegetabilifche und
fettreiche gefegt wird. Wie ſich
dies im einzelnen zu gejtalten hat,
welde Momente für dieſe ge—
mifchte Koft als zuträglichfte und
die Leiftungsfähigfeit fürderndfte
ſprechen, ſoll ausführlicher im Ka-
pitel „Ernährung“ noch gefchildert
werden.
817. Was erreichen wir nun
organisch durch den Sport? Haben
wir bisher die allgemeinen Ein-
wirktungen förperlihder Bewegung
und Arbeitsleiftung an fich auf den
menſchlichen Körper zu ftiszieren
verjudt, jo jol nun im folgenden
die Beeinflufjung der hauptjächlich
in Frage kommenden Organe durd)
den Sport, als diejenige Form
förperlier Arbeit, die an vor:
liegender Stelle Gegenjtand unjerer
Unterfuhung ift, näher betrachtet
werden. Als Sprößling der Neu:
zeit ift der Sport aus den Kinder:
ſchuhen feiner phyſiologiſchen Er-
kenntnis faum herausgetreten, ſchallt
auch von Dach und Giebel der Ruf
von feiner kraftſtärkenden, geſund—
heitsfördernden, blutbildenden Wir-
fung, und wie die Ausdrüde alle
heißen mögen, die die Gegenwart
ihm beilegt. Während feine praf-
tiſche Erfaflung und feine Ein:
fung Har zu durchſchauen. So
fonnte es fommen, daß die Schä—
dDigungen, die durch den Sport
gejegt werden fünnen, erft alınäh-
lich in das Bewußtſein durchgeſickert
find, und daß ihre Interpretation,
wie wir fpäter in einem eigens
diefen Fragen gemwidmeten Kapitel
erjehen werden, noch den vielfach
ften Auslegungen unterworfen ift.
Mad wir vom Sport und jeinen
Einwirkungen auf den menschlichen
Organismus in toto wie auf defjen
einzelne Organſyſteme wiſſen —
und unter „Willen“ die ftreng
methodische phyfiologische Forſchung
verstanden —, das rührt einmal
von führenden Geiftern im Gebiete
der Nervenheilfunde, vor allem von
Moſſo und Kräpelin her und
weiterhin von den erft vor wenigen
Sahren unternommenen geradezu
klaſſiſchen Unterfuhungen einer
Reihe von Forſchern (Zung,
Löwy, Müller und Cafpari)
über die Wirfungen des Höhen:
flimas und der Bergmanderung auf
den Menjchen. Ihnen — denn ihr
Studiengebiet erftredte fih nicht
bloß auf den Alpinismus und die
Hochtouriſtik, fondern auch auf alle
anderen fportlichen Betätigungen —
müffen wir folgen, wollen wir auf
der Grundlage gegenwärtiger Er:
fenntniS ung ein Urteil über jene
jo folgenfchweren und dod fo un:
ergründlichen Einwirkungen bilden!
818. Wirfung des Sports anf
die Muskulatur des Menſchen.
Eine uralte Erfahrung iſt die, daß
reihung in die Lebensgemohnheiten | Musfelgruppen, die regelmäßig ge:
einen, wenigſtens bei ung in Deutjch- | übt oder die bei beftinnmten Berufs:
Niro. 819. Dr. Julian Marcufe.
arten zur Leiftung der jeweiligen eine einfeitige Ausbildung bejchränf-
Arbeit regelmäßig gebraucht werden, | ter Muskelgruppen bezwedt wird,
an Umfang zunehmen, was gleich: | wie dad Hammeln und Stemmen
zeitig mit einem Erftarfen der Kraft | ſchwerer Gegenftände,, zahlreiche
einhergeht. Diefe Zunahme an | Mebungen unferes deutichen Gerät-
Fleifchfaferbündel ift ein direkter turneng, der langjame Schritt beim
Eimeißanfaß, der einzige übrigens, Drill der Rekruten und vieles an⸗
der im ausgebildeten Körper des | dere mehr. Cinjeitige Körper:
Menfchen ftatthat, und er erfolgt | Übungen hätten nur dann Beredh-
dodurh, daB dag mit der Nah: tigung, wenn eine individuelle
rung aufgenommene Eiweiß wohl | Verteilung derjelben ſtatthaben kann,
infolge erhöhter Verbrennungspro: |
zeffe, bei denen die oben erwähnten
anderen Nahrungsmittelfategorien
in Arbeit umgewandelt werden,
ſich eher und reichlicher anfegen kann.
Umgelehrt führt ihr Nichtgebraud)
zur direften Abmagerung und Ber:
fümmerung. Glieder, die eine
Zeit lang in Gips gelegen haben,
ja das bloße Bettliegen an fich
ohne jedwede Erfrantung madt die
Muskelbündel jchlaff, leiftungsun-
fähig und mager. Das oben be-
reit8 erwähnte Erftarfungsgefüpl,
dag ein durch Uebung fraftvoller
Muskel empfinden läßt, ift aber
nicht bloß auf den Eiweißanſatz als
legten Ausdrud der Hebung zurück⸗
zuführen, jondern vielmehr wohl
auf die erhöhte Sauerftoffaufnahme,
die mit jeder Zufammenziehung
verbunden ift.
Des ferneren wirkt Mustelarbeit
auf die Eliminierung der fih im
Augenblid der Tätigkeit vermehrt
bildenden Endprodufte chemiſchen
Umſatzes, die Kohlenfäure und
Fleifchmilchfäure und andere Stoff:
wechjelprodufte werden, bevor fie
ihre ermüdende Giftwirfung aus:
üben fünnen, am Drt ihres Ent:
jteheng vernichtet oder in Regionen
aefchleppt, mo fie ungefährlich find,
all die natürlich unter der Vor—
ausfegung nicht übermäßiger und
damit ind Gegenteil Ienfender An-
jtrengung.
Hygieniſch unzwedmäßig find alle
ſportlichen Uebungen, bei denen
das beißt, wenn bei jedem Indi—⸗
viduum diejenigen Musfelgruppen
einer erhöhten Tätigkeit unterzogen
würden, die im gewöhnlichen Xeben
bei der betreffenden Perſon zu rela-
tiver Untätigfeit verurteilt find.
Das erfordert jedoch ein derartiges
Individualifieren, daß es im all-
gemeinen faum ausführbar ift. Zu
einer gewiſſen Anleitung hierfür
mag folgendes Schema dienen, dag
die Sportarten nennt, die die Ent-
widlung einzelner Muskelpartien
befonder8 begünjtigen:
An den Armen, Beinen, Bruft
und Rüden: Rudern, Schwim-
men, Bergjteigen, Skilaufen,
Polo, Fußball.
Des rechten Armes und der un
teren Gliedmaßen: Fechten,
Hockey, Tennis, Kridet, Wurf:
jpiele, Ballipiele.
Der unteren Gliedmaßen: Marſch⸗
übungen, Laufen, Springen,
Radfahren, Reiten, Schlittſchuh⸗
laufen, Zacrofle.
Der Arme und der Bruft: Turn-
übungen am Red, Barren, Pferd,
Trapez, Klettern an Eeilen und
Reitern.
819. Wirkung des Sports auf
Herz und Blutumlauf. Das Herz
ift, wie eingangs ſchon ausgeführt,
aud ein Muskel, und zwar ein der
willfürliden Bewegung entrüdter
und deshalb vielleicht der beitgeübte
im menſchlichen Organigmus. Raſt⸗
108 arbeitet er Tag und Nacht ohne
Unterbredung während des ganzen
XIV. Die Bygiene des Sports.
Lebens. Aber er Tann auch wie
jeder andere Muskel bei übermäßig
großen Anftrengungen ermüden und
feine Ermüdungszeichen find eine
Unregelmäßigfeit von Herz: und
Pulsſchlag, ein Erlahmen der Kraft,
was ſich durch ſtarkes Herzklopfen
im Beginn, ſpäter durch direkte
Hemmungserſcheinungen bei der
Ausführung irgend welcher körper⸗
licher Leiſtungen bemerkbar macht.
Von Grund aus falſch aber wäre
es, jede geſteigerte Herztätigkeit,
wie fie ſich bei ſtärkeren Beme-
gungen, fräftigerer Musteltätigfeit
bemerkbar macht, nunmehr al3 Be
ginn einer Herzſchwäche anjehen zu
wollen, ift doch jede dieſer Ver—
änderungen des Ruhezuſtandes un⸗
ausbleiblich von den eben genannten
Folgen begleitet. Die Grenze, wo
der krankhafte Zuftand einſetzt,
liegt in folgendem: Das Herz zieht
ih in einer Minute 72mal zu=
jammen, dem entjpridt eine Ar⸗
beitZleiftung von 52'/, kg, beim
ruhigen Gehen fteigt die Pulszahl
auf etwa 80, die Arbeitäleijtung
auf 58,3 kg, beim fchnellen Gehen
ift die Pulszahl 100, die Arbeits-
leiftung ca. 73 kg, bei größten
Musfelanftrengungen fteigt die
Bulszahl auf 200—240. Mit Auf:
hören der Mußfeltätigfeit kehrt die
Herztätigfeit noch nicht zur Norm
zurüd, das Herz wird alfo länger
angeftrengt, und dieſes Verhalten
des Herzen? ift um jo ausge
fprocddener, je länger die Musfel-
tätigfeit dauert. Dabei bleibt bei
einem gejunden Menjchen die Herz-
arbeit eine regelmäßige, nur das
franfe Herz erleidet in jeiner Tätig:
feit Unterbredungen. Inwiefern
wirfen nun Muskelübungen auf
das Herz ein? Durd die Ent-
fahung der im Muskel vor fi
gehenden Verbrennungsprozeſſe
braucht derſelbe mehr Heizmaterial
wie im Ruhezuſtande, die zufüh—
Nro. 819.
renden Gefäße werden daher in
ein beſchleunigtes Tempo verſetzt,
raſcher und behender geht der Aus⸗
tauſch der Säfte vor ſich und die
Venen, die den undankbaren Dienſt
haben, das verbrauchte Blut wieder
zum Herzen zurückzuführen und die
in ihrem trägen Dahinfließen nur
felten geftört werden, aud fie
müffen bis zu einem gemifjen
Grade den Wettlauf im Dienjte
des raftlo8 arbeitenden Muskels
mitmaden. Und aus alldem re=
fultiert ein energiſcheres und
fraftvollere® Zujammen:
ziehen aud des Herzmuskels,
der den anftürmenden Blutinafjen
der Arterien und Venen jeine
Pforten öffnen muß. SHerzarbeit
ift alfo in bohem Maße von
Musfeltätigfeit abhängig, und daß
die lettere, wenn fie mehr und
mehr Anforderungen an die finn-
reiche Mafchinerie des Herzens ftellt,
nit etwa eined® Tages dieſelbe
zum Berſten bringen Tönnte, auch
dafür Hat die Natur in ihrer in-
geniöjen Art gejorgt. Hierfür be-
figen wir nämlid Schußvorrid-
tungen, die dem Herzen einen Teil
feiner Arbeit abnehmen und damit
den etwaigen Anprall anſpruchs⸗
voller Nahbarorgane abmwehren.
E83 find die VBenenflappen,
nad innen vorragende halbmonds
fürmige Falten, melde den Rüd-
fluß des Blutes hemmen und es
zwingen, fih in der Richtung des
Kreislaufs fortzubewmegen. Jede
Kontraktion eines Muskels bewirkt
einen Druf auf die Venen und
entleert fie in der Richtung zum
Herzen. Bei der nachfolgenden
Erſchlaffung kann die Wieder:
füllung der Venen nur aus dem
fogenannten Kapillargebiet, das
beißt aus den feiniten Endver⸗
zweigungen des Gefäßſyſtems er-
folgen. Se umfangreichere Mugfel-
gruppen nun bei der betreffenden
EEE EEE
Nro. 820. Dr. Jultan Marruſe.
Leiftung in Altion treten und je
mehr in diefen Muskeln der Zu:
ftand der Zujfammenziehung und
Erſchlaffung wechſelt, um fo größer
wird die Unterftügung des Herzens
und jomit die Verringerung der
Gefahr für dieſes Organ bei mari-
malen Anftrengungen fein. Alfo
werden Sportarten wie Rudern,
Schwimmen undBergfteigen
in der Einwirkung auf das Herz be-
— empfehlenswerte Uebungen
ein.
Das oben erwähnte zeitenweiſe
energiſchere und kraftvollere Zu⸗
ſammenziehen wird allmählich den
Herzmuskel zu Höchſtleiſtungen er⸗
ziehen, ſo daß er Arbeitspenſen,
die nach und nach und ſyſtematiſch
größer werden — und darin liegt
die ganze Quinteſſenz der Herz⸗
übung — ohne Ermüdung leiſten
kann. Auch hier alſo allmähliche
Gewöhnung an erhöhte Arbeits⸗
leiſtung, keine forcierten, bis zur
Atemloſigkeit und zur totalen Er-
Thöpfung gehenden Anftrengungen,
die vereinzelt wieder überwunden
werden können, die dauernd -aber
zu nicht mehr auszugleichenden
Schädigungen des Herzmuskels
führen müſſen. Dies gilt vor
allem für fchwere Kraftübungen,
wie fie in der Athletik betrieben
werden, für profeffionele Wett-
fahrer, Wettſchwimmer und andere
mehr. Eine mäßige Herzvergröße-
rung ift, folange fie der Gefamt: |
musfulatur entipricht, kein krank—⸗
hafter Zuftand, Fein SHerzfehler,
jondern eine auf dem Wege der
Anpafiung an die erhöhte Anfor-
derung zujtande gefommene phyfto=
logifhe Veränderung.
820. Wirkung des Sports anf
die Atemorgane. Herz und Lunge
find ein Diosfurenpaar, in einem
fo engen Verhältnis ftehen fie zu⸗
Atmung wird dad Blut im den
Bruftraum angejaugt, und zmat
erfolgt dies in der Phaſe der Ein:
atmung, damit gelangt ed zum
Herzen, und zwar im einer um ſo
größeren Quantität, je tiefer die
Atmung if. Die Saugkaft der
Zunge ift alfo gewiſſermaßen ein
Regulierorgan der Herz: und Kr:
lauftätigfeit, und fie wirkt beſtim⸗
mend auf die Füllung der Gefähe
mit Blut. Was diefes aber zu be:
deuten hat, Haben ja die biäherigen
Darlegungen bereits gezeigt: eine
beffere Verſorgung der Nusleln
mit dem foftbarften Saft, den fie
benötigen, damit eine erleihterte
Zeiftungsfähigfeit durch Vernichtung
der Zerfal- und Giftftoffe, die
wiederum rückwirkend das Her
und fein Blutverteilungägebiet be
einflußt und andererfeitd durch die
Befchleunigung des Pfortaderkreis⸗
laufs in der Leber die Organe der
Verdauung und des Stoffwechſels
mit in den Kreis erhöhter Tätig:
feit hineinzieht. Zugleich wird aber
auch der Zungentreislauf ſelbſt durch
die vertiefte Atmung beſchleunigt
und im Austauſch mit der um:
gebenden Luft vermehrte Sauer:
ftoffmengen ein=, vermehrte Kohlen:
jänremengen ausgeführt. Dadurch
wird während der Einatmung der
linken Herzkammer mehr ſauerſtoff⸗
reiches Blut zugeführt, als bei der
Exſpiration und der Herzmuskel
ſelbſt beffer ernährt. Daß die
Lungen und ihre Wände, der
knöcherne Bruſtkorb, bei vertiefter
Atmung nicht leer ausgehen und
ihr Gewebe wie die Rippenringe
eine Erhöhung der Elaftizität, eine
Kräftigung ihres ganzen Aufbaues
erfahren, dafür bietet ja jeder, der
ſyſtematiſche, vernünftige Atem:
gymnaſtik bezw. Leibeszucht treibt,
eitt lebendes Beifpiel. Die Tief
einander, und jo fehr ift eind auf | atmung und damit das Atmungs⸗
das andere angewiejen. Durch die | training tft weiterhin aud) ein vor:
Wiced
Neroen
XIV. Die Bygiene des Sporis.
züglihes Mittel zur Erziehung der
Nerven, zur Dämmung der Affelte.
Wer hätte es nicht im täglichen
Leben am eigenen Körper gefpürt,
wie in Zuftänden ſeeliſcher Er—
regung, tiefiter Gemütsbewegung
die vertiefte Atmung ein Erleichte-
rungs⸗ und Löfungsmittel ſelbſt
böchfter Spannungen darftellt, und
wie unter ihrem Einfluffe das ge-
ftörte Gleichgewicht langſam, aber
ſtetig wieder bergeftellt wird? Was
ift gefchehen? Durch die abnorme
Erregung der Nerven ift die At-
mung gejtört, damit wird aber
gleichzeitig infolge de3 engen Ber:
hältniſſes zmwifchen Herz und Lunge
die Kreislauftätigfeit beunruhigt
und abnorm, die Gefäße des Hirns
füllen fi ſtrotzend an — der ſicht⸗
bare Ausdrud davon ift die Blut»
überfüllung : des Kopfes, — ein
Gefühl unfäglider Hite und Er:
regung zieht durch den ganzen
Körper. Nun jegt, wenn wir dieſe
Art Selbjtzucht gelernt haben, die
Ziefatmung ein, und wie von einem
Alp befreit fängt der Körper wieder
an zur urjprüngliden Norm zurüd-
zufehren. Zwar zittert die Be-
mwegung noch einige Zeit nach, aber
mehr und mehr glätten fich die
MWogen, die blutgefülten Gefäße
des Kopfes entleeren ſich, Herz:
und Pulsſchlag, der vorher ſtür⸗
miſch dahinjagte, wird ruhiger, der
Saugapparat der Zunge hat jelbft
die höchſten Affekte überwunden !
Aus alldem leuchtet hervor, mie
ungeheuer wichtig die methodijche
Tiefatmung ift und wie wir Nuten
und Wert fportlicher Nebungen da:
nach beurteilen fünnen, inmwiemeit
ſie diefe beeinfluffen und auslöfen |
tönnen. Zu den Uebungen, die
eine möglichft weite, ungehinderte
- Entfaltung des Bruſtkorbs ver—
- bürgen, gehört in erjter Reihe das
fportlide Rudern. Unzmwed-
mäßig find hingegen alle die Be:
Nro. 821.
tätigungen, bei denen die An
faugung des Venenblutes nad dem
ı Bruftforb Hin behindert if. Zu
dieſen gehört das Stemmen fchwerer
Gewichte, längered Geftrecthalten
der Arme bei Freiübungen, ver:
Ihiedene Gerätübungen beim Tur-
nen, wie der Knidjtüg am Barren
und andere mehr. in gleicher
Weife wirkt auch zu eng anliegende
Kleidung und, was für Touriften
und Alpiniften beſonders wichtig
ift, unzwedmäßig angebrachte® Ge:
päd am Rüden, ſowie an der Bruft
beengende Umbängeriemen (ern:
glas, Feldflaſche).
Vebung der Atembewegungen
wie Stärfung des Herzmuskels
muß vor allem dem jugendlichen
Organismus zum Segen gereichen,
find ihm doch ein kräftig ent-
widelte®, leiftungsfähiges Herz,
ein breiter, elaſtiſcher Bruſtkorb
die wertvollften Errungenfchaften
für das fpätere Leben. Zu diejem
Biel binführende körperliche Be—
tätigungen find für die beran-
wachſende Jugend in erfter Linie
Laufen und Springen, Spiele
im Freien.
821. Wirkung des Sports auf
Stoffwechſel u. Wärmeregulation.
Körperliche Uebungen erhöhen den
Appetitund die Berdauungstätigfeit,
das ift eine ſeit uralten Zeiten be-
fannte Erfahrungstatjache. Der
arbeitende Muskel braudht mehr
Nahrung wie der ruhende, die Ver:
arbeitung der eingeführten Nah
rungsftoffe erfolgt rajcher und leb-
hafter, daher ift einmal ein öfterer
Erja notwendig und weiterhin die
Ausnußung der Speifen eine er:
giebigere, ein Moment, dag zugleich
eine leichtere Ausſcheidung ver-
arbeiteter und für den Körper
‚ wertlo8 gemordener Maſſen an
bahnt. Der Stoffverbrauh des
' arbeitenden Muskels betrifft, wie
Ihon einmal erwähnt, in eriter
“
Pro. 822.
Stelle Kohlenhydrate und Fette,
Wort, das ſinnfällig ſchon die Be—
alſo iſt ihre Einführung vonnöten,
während Eiweiß, das vor allem
der Erhaltung der Kraft und der
Wärmebildung zu dienen hat, dieſer
beiden Funktionen wegen in einem
gewiſſen Verhältnis bei einer ra—
tionellen Ernährung nicht fehlen
darf. Da es aber eine höhere
Verdauungsarbeit beanſprucht als
Kohlenhydrate und Fette, die ſtick⸗
ſtofffrei ſind, den arbeitenden Mus—⸗
keln alſo mehr Blut entzieht, da
es ferner die durch die Leibes—
übung an ſich geſteigerte Wärme⸗
bildung noch erhöht, ſo iſt es nicht
ratſam, bei körperlicher und fport:
liher Betätigung eine beſonders
eimeißreihe Koft zu genießen. Wie
fie im einzelnen bejchaffen jein
muß, wird das Kapitel „Ernährung“
noch näher darlegen.
Sportlihe Tätigkeit erhöht die
Körpertemperatur, die Hautgefäße
füllen fi mit Blut, es beginnt
jener für all unfere Lebensprozeſſe
jo außerordentlich wichtige Stoff:
wechjel der Haut, der von einer
erhöhten Zirkulation und Wärme:
produftion allmählich in das Sta:
dDium der Schweißbildung und da=
mit der Ausfcheidung Tchädlicher,
ja ſelbſt giftiger Subftanzen über-
geht. In
haben wir mithin eine der wid |
tigiten NRegulationsvorrichtungen
unjeres Organismus zu fehen und
ihre prompte Reaktion ift eine
Borbedingung förperliden Wohl-
befindend. Der Schweiß jchleppt
eine Unzahl von Ermüdungsftoffen
mit aus dem Körper heraus, er
dient alfo zur Entlaftung nicht
bloß des Stoffumfates an fich, wie
vielmehr des arbeitenden und in |
jeiner Arbeitäleiftung durch Die
Zerjegungen in ſich gehemmten
Muskels.
Dr. Julian Marcufe.
ein viel befanntes, viel gebrauchtes
deutung, die man dem Sport für
das Nerveniyftem im Volksmunde
beilegt, ausprüdt. Wahr im Kern
der Sade, unmahr in der Aus:
fohließlichfeit der Auffafſung, die
nur günftige Wirfungen dem Sport
zufchreibt. Warum dieje Einfchrän-
fung Dringend notwendig, das
werden wir im Kapitel „Schäden
des Sports” noch ausführlicher zu
betrachten haben.
Der Stoffwechfel des Nerven ift
bis zu einem gewiflen Grade dem
des Muskel verwandt, auch bei
ihm findet im arbeitenden Zuftande
ein Verbrauch ftatt, auch er muß
Erſatz ſchaffen für die verloren ge—
gangenen Stoffe, muß die ent-
ftandenen Ermüdungsprodufte eli-
minieren oder wenigſtens unjchäd:
lih maden. Hierbei jteht ihm wie
dem Muskel der Blutitrom zur Seite,
der in jeinem nie ermüdenden Lauf
dur den gejamten Körper reift,
bier zeritört, dort aufbaut, überall
aber die Spuren des Lebens und
Schaffend den Organen aufprägt.
Körperlide und geiftige Arbeit
ftehen alſo mehr oder minder unter
denjelben Lebensbedingungen, aber
gewaltig verſchieden find ihre Aeu-
der Schmeißbildung | Berungen und damit auch die Bahn
ihres Zuftandefommend und die fie
beeinfluffenden Momente. Gebiert
förperlide Arbeitsleiftung mecha:
nifhe Energie, die wir wieder um:
jegen in beftimmte Berrichtungen,
Handleiftungen und dergl. mehr,
jo ſchafft geiftige Arbeitsleiftung
Borftelungen, Gedankenbildung,
Gedächtnis und Bemußtfeinsvor:
gänge, furzum Dinge, die wir nicht
ſehen und nicht greifen fönnen und
die fich daher in der gemeiniglichen
Auffafjung fo ſchwer vorjtellen Lafjen.
Und nun die Brüde zwiſchen Sport
822. Sport uud Nervenfyitem. | und Nerven oder vielmehr zwifchen
„Der Sport ftählt die Nerven“, Sport und geiftigen Fübiäteiten:
XIV. Pie Bygiene des Sports,
Der Sport ſchult die Sinne3-
organe, die einmal Empfindun-
gen und weiterhin Borftellungen
entſtehen laffen, er beeinflußt aljo
fowohl unfere Gefühle wie unſere
Berftandesbahnen, Und wenn mir
die Stufenleiter derſelben durch⸗
gehen, jo werden wir überall die
Einwirkungen des Sports bald
auf die eine, bald auf die andere
Kategorie unſeres Seelenlebens
finden. Zwei unſerer Sinnes—
organe werden durch ihn beſonders
geſchult: das Auge und der
Muskelſinn. Unter den Sport—
arten, welche dieſe beiden vorzüg⸗
lich jchärfen, find vier vor allem
zu nennen: Fechten, Lawn⸗Tennis,
Polo und Alpinifti. Ale diefe
Mebungen haben ein gemeinfam
in ihrer Wirkung auf Körper und
Nervenſyſtem, das ift die Koor-
dination der Bewegungen.
Man verftehbt darunter dag Ber:
mögen, alle zu dem Zuſtandekom⸗
men einer bejtimmten Bewegung
nötigen Muskeln in der zmedmäßig-
ſten Weife zufammenmirfen zu
lafien. Keine Bewegung unjerer
Muskulatur ift nämlich eine ein=
fache. Bei jeder derfelben haben wir | und Ausbildung, und hier find eg
e3 mit einem Sneinandergreifen
verſchiedener Muskelgruppen zu tun,
und diefer Mechanismus wird um
fo ſchwieriger, je fomplizierter die
Körperbewegung ift, die wir auszu⸗
führen haben. Unfer Nervenſyſtem
funktioniert in der Art, dab jedess
|
Nro. 822.
am Ende jede Geſchicklichkeit in
der Ausführung einer körperlichen
Uebung und derjenige ift der beite
Sportsmann, der Muskeln und
ihre Widerpariner am zwerfmäßig-
jten neben- und miteinander arbei—
ten läßt. Das Erringen dieſes
Kraftgefühlgs ift Aufgabe und Weſen
des Sport3 und aus ihm reful-
tieren Geiftedgegenmwart,
Schlagfertigteit. Leibes—
übungen wie Fechten, Ringen, Berg-
fteigen, Reiten, Jagen verleihen
und dieje jo außerordentlich mwich-
tigen Errungenfchaften, und fie find
gegeben in dem Wejen diejer Leis
ftungen, deren Charafteriftitum der
Kampf mit einem Gegner, fei es
ein Menſch, ein Tier oder die Na:
tur jelbit, ift. Turnen dagegen und
FSreiübungen, felbft das Rudern,
gewähren dieſe Ausbildung nicht,
während beim Segeln wiederum
dieje Seite des fportlihen Trais
ning® beſonders geſchult wird.
Die höchſten Funktionen des
Menſchen aber find die pſychiſchen:
Mutund Tatkraft, Frohſinn
und Luſt zählen wir zu ihnen. Sie
alle finden im Sport ihre Anregung
vor allem wieder zwei, die alle
anderen Sportarten weit nach dieſer
Richtung hin übertreffen, das iſt
das Wandern und der Alpi—
nismus. Der Anblick der Natur
in all ihrer erhabenen Größe, die
fortdauernd wechſelnden Eindrürfe
mal, wenn zu einer beftimmten ; im Zufammenhang mit dem Gefühl
Mustelgruppe der Befehl gebt „Ar-
beit”, zugleih zu den Muskeln,
welde den entgegengejetten Be:
mwegungen dienen, den jogen. Anta=
goniften, das Kommando erjchallt:
Seid auf der Hut, damit ihr im
rechten Moment die Bewegungen
der arbeitenden Muskulatur hem—⸗
men und modifizieren fünnt. Auf
diefem Zufammenarbeiten der Mus—
der Leiſtungsfähigkeit und Leiſtungs—
möglichkeit, der Uebermindung von
Hindernifien, mobei die Empfin:
dungen des Wetteifers und Ehrgeizes
mit hineinfpielen, all das wirkt auf
unferSeelenvermögenin harmonijch-
fter Weife und beflügelt unfereförper-
lichen und geiftigen Negungen. So
bilden fich unter dem Einflufje des
Sport3 und mit Zuhilfenahme der
fein und ihrer Antagoniften beruht , Musfelarbeit direkte Bemuptjein?-
Niro. 823. Dr. Julian Marrufe.
vorgänge aus und nirgends ift der | Wortes verftanden, zujtande kom⸗
Vebergang körperlicher zu geiftiger ! men können. Alſo muß bis zu
Tätigfeit und Leiftungsfähigkeit jo | einen gewiflen Grade dag Geheim-
ausgeiprochen wie gerade auf die= | nis der Leiftungsfähigfeit auf fport-
jem Gebiete. So jchleifen wir all- | lihem und allgemein gejundheit-
mählich die Bahnen unjerer Gang= lichem Gebiete in der Uebung und
lienzelen als der Zentren des ihrer ſyſtematiſchen Ausbildung,
Geiftesleben? zu bemußtem Hans letzteres auh Training genannt,
deln aus und mit ihnen verknüpfen | liegen.
wir eine Uebung unferes gefamten | .Der geübte Muskel hat es ge—
Körperjyfteng, die auf alle unfere | lernt, haushälteriſch mit feinen
Organe ohne Ausnahme im Sinne | Kräften umzugehen, zu ſparen wo
der Erhaltung und Kräftigung eins | zu fparen ift, die Arbeit einzu
wirkt. teilen, mit anderen Morten, er
Und faflen wir nunmehr nad | vermag e8, fih an die an ihn ber-
abjchließender Betrachtung der Ein- | antretenden Forderungen anzu
flüffe des Sport auf den menfdj= | pafjen, bier zuzugeben, dort einzu⸗
lihen Organismus unfere Schlüffe | Schränken, im vollen Sinne des
zufammen, fo lauten bdiejelben: | Wortes hauszuhalten und je nad
Durhb vernunftgemäße | Bedürfnis feinen Verbraud zu
fportlide Tätigfeit erreis= | regeln. Unferem Denken unbemwußt,
hen wir einAnwadhfen un: |alfo unwillkürlich, findet dieſer
ferer Körpermusfulatur, | Taufhhantel ftatt und fein Ergeb-
eine Stärfungdes Herzen nis ift das jedes richtig geführten
und der Lunge, eine Hebung | Haushalts, ein Eriparnig an Gut
des Nervenſyſtems und eine | und Blut, eine Häufung des Ver—
Stähblung und Stärkung | mögend und zwar der immobilien,
unferer pſychiſchen Funk- | im vorliegenden Fall der Muskel—
tionen. ſubſtanz. So wird ein geübter
823. Hebung und Training. | Muskel an einzelnen Bündeln und
Was Uebung in fportlicher Bedeu: | Fafern reicher, voller und damit
tung für ein Wertmaß bat, Haben | kräftiger, und da der kraftvolle
wir bereit3 kurz in den einleitenden | Muskel Arbeitsleiftungen leichter
Kapiteln kennen gelernt, ihr Wefen | und mühelojer zu vollbringen im-
und ihre phyſiologiſchen Nußeffekte | ftande ift, wächſt das Vertrauen in
follen der Gegenftand vorliegender | die zu erfüllenden Anforderungen,
Betrachtungen fein. Wir haben ge: es fett ſich tatlählid Mustel-
jehen, daß durch Uebung die ge: inNervengymnaftifum. Dazu
übten Musfelgruppen an Umfang | Tommt noch eins, was als fchwer-
und damit an Kraft zunehmen, daß | wiegended Moment bei dem Zus
jelbft der Herzmußfel eine Veräns | ftandelommen diefer Prozeſſe nicht
derung feines GStrufturbaues im | außer acht zu laffen ift. Sebe
Sinne einer Vergrößerung anneh- | Arbeit, felbft die einfachſte und
men Tann, daß unfer Nervenfyftem | gröbfte, die wir mit unferem Kör⸗
dieſen Einwirkungen fich ebenfalls | per auszuführen haben, bedarf einer
nit entziehen fann und anders | Willensanregung wie einer Auf:
reagiert, ja daß fogar die höchſten merkfamfeitsjpannung vom Hirn
und fraftvollften Betätigungen des aus. Der Wille diktiert, er gibt den
menſchlichen Geiſtes nur unter üben- | Befehl weiter an die Nervenbahnen
ber Zuchtrute, im beiten Sinne des | und durd ihre Vermittlung hebt
XIV. Pie Bygiene des Sporks.
fich der Arm, um den Hammer oder
den Spaten zu ergreifen, jest ſich
das Bein in die Bewegung, um
Rad oder Webftuhl in Aktion zu
bringen. Diefer Willensimpuld gibt
aber nicht bloß jeine Kommandos
an die ihm unterjtellten Organe
weiter, er fett fich zugleich mit
feinen Partnern in Verbindung,
den Sinnesorganen, und madt
fie mobil. Bor allem ift es bier
der Gefichtäfinn und fein Organ,
das Auge, das in Funktion tritt,
und dad nunmehr durch feine Mit-
wirfung die der Arbeit zu mid-
mende Aufmerfjamfeit ing Feld
führt, ein unbedingtes Erfordernis
jedweder zu löſenden Aufgabe, mag
dieſelbe auch noch fo primitiv undrein
förperlicher Natur fein. Allein diefe
Aufmerkſamkeitsſpannung braudt
ihrerfeit3 Zeit und einer gewiſſen
Kraftentfaltung, in jedem Falle
eines Berbrauhg und einer Um⸗
fegung der vorhandenen Vorräte,
die, wie wir ja gejehen haben, die
abjolute Borausfegung jeder förper-
lichen wie geiftigen Arbeitsleiftung
find. Alſo Stoffverlujt, der dem
Körper ja wieder auf andere Weije
zu gute kommt, jedoh im Momente
ſeines Umſatzes eine tatjächliche
Einbuße an lebendem Material dar:
ftellt.
Gelänge e3 nun, dieje Aufmerf-
ſamkeitsſpannung bis zu einem ge-
wiffen Grade zu eliminieren oder
wenigſtens teilmeije auszujchalten,
dann wäre damit ein gut Stüd
der Arbeitsleiſtung eripart, der
Aufwand an Energieneingeringerer,
die Ausführung der Aufgabe leich-
ter und mühelofer. Und tatjäch-
(ich gelingt die auf dem Wege der
Vebung! Wir wählen zum befje-
ren Verftändnig ein einfaches Bei-
jpiel: Einen Springer und als Re-
quifiten für ihn ein Sprungbrett,
zwei Träger und eine Schnur. Die
Aufgabe ift ein Hochſprung, der
Niro. 823.
Springer bi8her ungeübt. Er mißt
mit feinem Auge das Ziel, dabei
gehen völlig dem Bemußtfein ent-
rüdt eine ganze Reihe von inneren
Prozefjen vor fih, und dieſe Auf-
merkſamkeitsſpannung verläßt ihn
auch feinen Augenblid, fo lange er
die Aufgabe nicht gelöjt bat. Ya
jogar im Anlauf wie im Sprung
richtet er die Bewegung jeiner
Gliedmaßen, die Zufammenziehung
der hierbei erforderlichen Muskel—⸗
gruppen genau nad) dem Maß der
auf Grund des Gefichtsfinnes ge-
monnenen Grfenntni® von Höhe
der Schnur und Weite der Ent-
fernung ein, er ift förperlich wie
geiftig, man kann faſt jagen, im
Bann feiner Handlung. Was tut
dem entgegen der Geübte: Auch er
mißt mit bligartigem Schauen und
Erfaffen die Situation, aber dann
vollzieht fich nahezu automatiſch die
gefamte Abmwidlung der einzelnen
Etappen der Sprungleiftung bis
zur vollbradter Tat, die Koordi⸗
nation der Bewegungen, der wohl
wichtigſte Moment für jede ſport—⸗
liche Leiftung, geht ebenfo unbewußt
wie zielftrebig vor ſich, es parieren
die Muskeln jo präzis und fo glatt,
als wäre es nie anders gemefen,
mühelos und erfolgreich geht aud)
bier der gefamte Hergang vor fidh.
Aus diefem einfachen Beifpiel find
fämtlide Momente der Krafterfpar-
nis bei der Webung, der erleidh-
terten und damit um fo zielbemuß-
teren Auslöfung der einzelnen zum
Zuftandefommen des Ganzen not-
wendigen Leiftungen herauszulefen,
es offenbart fih das Geheimnis
des Uebergewichtes der Uebung
über die Nichtübung! Das obige
Beifpiel läßt ſich zwanglos auf alle
Arten und Formen förperlicher und
ſportlicher Betätigung übertragen,
denfen wir nur an den Alpinigmus,
den Reitſport, den Ski⸗ und Schlitt-
Ihuhlauf, unfere gejamten gymna⸗
— . ⸗22
un —— en io
Nro. 824.
ftiihden Bewegungen, das Ringen
und Fechten, kurzum, wohin wir
auch immer blicken mögen, die ein-
fachſten wie die Tomplizierteften
Mustelleiftungen, fie alle gewinnen
durh die Uebung, fie alle leiden
dur die Nihtübung!
824. Uebung und Ermüdung.
Es gelingt, wie wir gejehen, durd)
dauernde Hebung ein und diejelbe
förperlide Arbeit mit allmählich
immer geringerem Kraftaufwand
zu leiften, bis fchließlich eine Grenze
erreicht ift, bei welcher feine weitere
Herabjegung des Verbrauches mehr
ftatthHaben fann: Dann ift der
Menſch auf diefe Leiftung eingeübt,
ift für diefelbe trainiert. Sn
diefem Sinne allein findet in vor⸗
liegendem Abjchnitt das Training,
dieſes fo oft und für jo mannig-
fache Dinge gebrauchte Wort, Berück⸗
fihtigung und Erörterung.
Mit dem Training aufs engite
verbunden ift die Ermüdungsgrenze
des tätigen Muskels, denn nicht?
ift mehr imftande dag Ermüdungs⸗
gefühl herabzufegen, als die fort-
gejegte jyftematifhe Hebung. In
der Ermüdung und ihrer Zwillings⸗
ſchweſter, der Erſchöpfung, liegt der
lud, liegt die Gefahr der Muskel⸗
und Nervenarbeit. Ermüdung und
Erfhöpfung gehen immer untrenn:
bar Hand in Hand. Aber während
die Erſchöpfung im engeren Sinne
unmittelbar auf einer Herabjetung
ver Erregbarfeit durh Mangel an
Sauerftoff, dem Lebensjtrom, be=
ruht, ift die Ermüdung ein Läh-
mungszuſtand, der fich bei Mangel
an Sauerftoff durh Bildung und
Anhäufung von lähmenden Stoff:
wechjelproduften, den jogenannten
Ermüdungsftoffen, entwidelt. Solche
Erſchöpfungs- und Ermüdungsvor⸗
gänge können ſich in allen Teilen
unſeres Muskel- wie Nervenſyſtems
unter dem Einfluß ſtarker Bean⸗
ſpruchung unſerer Kräfte entwickeln.
Dr. Jultan Marrcufe.
Die Selbftfteuerung des Stoff:
wechſels gleiht fie im gefunden
Drganidmus nad) dem Aufhören
der Reizimpulfe ftet3 wieder aus,
und zwar find es Ruhe, Schlaf
und Nahrung, die mit ihrer Ein:
ſchränkung des Verbrauches, mit
ihrer Bejeitignng der Zerfallſtoffe
und ihrem Kräfteerfjag die Gift:
wirfungen bejeitigen und dag Er:
mübdungsgefühl aufheben. Dies im
tägliden Ablauf der Gefchehnifle
und als natürlide Gegengemidte
gegen die Inanſpruchnahme der
Arbeit. Der Einfluß, der aber in
beſonders wirkſamer Weiſe jenen
Schädigungen entgegenarbeitet —
das iſt die Uebung. Lange Zeit
hindurch kann der ſtetige Uebungs⸗
fortſchritt die allmählich anwachſende
Ermüdung vollſtändig verdecken;
bei ſehr langer Fortſetzung der
Arbeit wird er allerdings ſchließlich
immer von jener letzteren über:
mwunden. Indeſſen, der Einfluß der
Ermüdung ift ein vorübergehender,
er kann durch die oben genannten
Faltoren — Ruhe, Schlaf und
Nahrung — verhältnismäßig rafch
ſpurlos vermifht werden. Die
Vebung dagegen erhält ſich längere
Zeit, wenn auch ein Teil derjelben
verloren gebt. So kommt es, daß
die Wirkungen der Hebung ſich nach
und nad fteigern können, wäh—
rend diejenigen der Ermüdung zu=-
meiſt den Tag nicht überdauern.
Auf diefem Wege führt die Uebung
zu greifbaren Ummandlungen im
arbeitenden Gewebe, nicht mit Un=
recht jprechen wir davon, daß eine
häufig wiederholte Tätigkeit uns
Schließlich in Fleifh und Blut über:
gebt, die PVerridtung übt einen
formenden Einfluß auf das Ge-
mwebe.
Sn der dauernden Beränderung
der Leiftungsfähigleit haben wir
den weitaus mächtigſten Bundes-
genofjen im Kampf gegen die Er:
XIV. Die Bygiene des Sports.
Nro. 825.
müdung vor und, da fie nichts | wiefen, daß jeder Sport big zu
anderes bedeutet, als eine Herab:
jegung der Ermüdbarteit.
Se eingeübter ein Borgang ift,
defto leichter geht er von ftatten
und deſto geringfügiger find die
durch ihn hervorgerufenen Er:
müdungserſcheinungen. Alle anderen
Maßnahmen, wie Ruhe, Schlaf ıc.,
find geeignet, die einmal entjtan-
dene Ermüdung jemweild in mög:
lichſt volfommener Weiſe wieder
unjhädlich zu mahen: Die Uebung
Dagegen vermag zwar im Augen:
blid die Wirkungen der Ermüdung
nur zu verdeden, dafür aber be-
Ihränft fie deren Entſtehungs—
bedingungen.
825. Wie fol man nun üben?
Eine Frage, die, nachdem die
Theorie des Sport® und feiner
Einwirkung auf den menjdlichen
Organismus des langen und breiten
erörtert worden ift, fich unmillfür-
lich erheben muß, jollen doch die
praftiihden Nutanmwendungen aus
der wiſſenſchaftlichen Erfenntnis
gezogen werden. In dem Kapitel
„Ruhe und Erholung“ wird Ge—
fegenbeit fein, näher auf alle Einzel:
beiten dieſer Materie einzugehen,
bier nur die wichtigsten und allge= ,
meinften Grundprinzipien. Und da
ist vor allem eins zu wiſſen wichtig,
nämlih die nahen Beziehungen,
welde zwiſchen förperlicher und
geiftiger Ermüdung bejtehen, wie
fie zuerft Moſſo nachgemiejen hat.
Starte geiftige Anftrengung jest
auch die Größe der Mustelleiftung
herab, und umgekehrt läßt fich
zeigen, daß längere
Arbeit ein fehr deutliches Sinken
der geiftigen Leiftungsfähigteit zur
Folge bat. Die Erklärung diejer
Tatjadhen liegt darin, daß auch die
Mustelarbeit nur durch die Bes
wegungsantriebe zujtande kommt,
die vom Nervenſyſtem ausgehen.
förperliche |
einem gewiſſen Grade eine fürper:
lihe Arbeit varjtellt, die mit der
Ueberwindung von Schwierigfeiten
und SHinderniffen verknüpft ift,
nie aber als eine Spielerei, ein
Tändeln oder dergleichen mehr an-
gejehen werden darf. Und wenn
man dies ſich vor Augen hält,
dann ergibt fih von felbft die
Schlußfolgerung, daß angeftrengte
förperlihe oder geiftige Tages-
arbeit feine Erholung im Sport
findet, fondern im Gegenteil die
zu bannenden Zuftände der Weber:
müdung und Erjchöpfung höchiteng
nad) fich zieht. Der Sport gehört
in die arbeitsfreien Zeiten hinein,
in die der Muße und Erholung
gewidmeten Nadhmittage, in die
Sonn: und Feiertage, die Ferien,
furzum überall dort hin, wo er
nicht verquict wird mit der Werf-
tags- und Berufsarbeit. Diejer
Grundjag gilt für alle Betäti-
gungen, die ſportlichen Charalter
tragen, mag dies nun Lawn-Tennis
oder Fußball, Rudern oder Segeln,
Sfilauf oder Rodeln fein. Er gilt
nicht für Zimmergymnaftif, für den
Reitſport, das Wandern, famt und
ſonders förperlicde Uebungen, bei
denen einmal die Triebfedern des
Ehrgeizes und des Wetteiferd mehr
oder minder fehlen und weiterhin
auch die LWeberwinds__ der An:
jtrengungen bis zu einem gemifjen
Grade dofiert werden Tann. Nicht
nur, daß man bei diejen Hebungen
als alleiniger Partner nah Wollen
und Können zu Werfe gehen, auf:
Bon vornherein ijt damit er—
hören und unterbrechen fann, wenn
e3 einem beliebt, fehlt auch bei
ihnen der ftarfe Kraftaufwand, den
die meiften ſportlichen Betätigungen
verlangen. Zu überwinden ift ja
eigentlich nur dag eigene Trägheits-
und Beharrungsvermögen. Und
beim Wandern, teilweiſe auch beim
Reiten treten dafür eine folde
Neo. 825.
Reihe von direktjeelifch beruhigeniden
Ablenkungsmomenten ein, daß dieſe
Empfindungen mehr erfrifchend mie
ermüdend zu wirken geeignet find.
Haben wir nunmehr die Zeit ſport⸗
licher Mebung auf beftimmte Be-
rioden unſeres Lebens bejchräntt,
jo erhebt ſich die weitere Frage,
in welcher Art und Weiſe foll die
ſportliche Leiftung eingeübt und
durchgeführt werden. Hierbei jpielen
natürlich Lebensalter, Konftitution,
Klima und Jahreszeit eine wejent-
lihe Rolle, jodaß auch bei dieſem
Punkt, bei dem mehr wie bei jedem
andern aufs. jtrengjte individuali-
ftert, alfo Art und Durdführung
ſportlicher Betätigung unter jtrenger
Berüdfichtigung aller einfchlägigen
Faktoren gewählt werden muß, wir
und nur bejcheiden fünnen, die all-
gemeinften Grundregeln hierfür
aufzuftellen.
Beginnen wir mit dem Alter.
Für die Jahre vor dem Schul:
beginn, wo es darauf ankommt,
vor allem die Sinnesorgane zu
ſchulen und zu ſchärfen, find Spiele
im Freien, Wandern in der Natur,
leichte Kletter-, Spring: und Gerät-
übungen die dieſem Alter ent-
Iprechendjte Betätigung. Die erjten
Sculjahre, in die der Zahnwechſel
und die Entwicdlung des Knochen:
jtelett3 fällt, bedürfen zum Aus-
gleich für die durch die Schule
gejegten veränderten Lebensbedin⸗
gungen eine Reihe von Imponde⸗
rabilien; wir finden fte in reicher
Bewegung im Freien, den Turn
jpielen, im Schwimmen, im Schlitt⸗
Ihuhlauf. Bom neunten bis drei:
zehnten Lebensjahr, eine Periode,
die gekennzeichnet ift durch das
Fortichreiten des Längenwachstums,
die Entwidlung des Knochenſyſtems
und der Muskulatur, treten zu den
bisherigen Lebungen der Dauerlauf,
der Hoch⸗, Weit: und Stabfprung,
Freiübungen und Gerätübungen und
2
⸗
Dr. Julian Marcufe.
ähnliches. Es folgt die Periode
der gejchlechtlihen Reife und der
Vollendung des Wachstums, alfo
etwa vom dreizehnten bis zum
zwanzigften Lebensjahr, wohl der
bedeutſamſte Lebensabſchnitt mit
ſeiner Reifung der Atmungs⸗ und
Kreislaufsorgane. Um ihnen die
nötige Anregung zur Entwicklung
zu geben, bedarf der Körper ſtarker
Bewegungsreize. Sie werden ihm
gegeben in Gerätübungen aller Art,
im Fechten, Rudern und MWett-
Ihwimmen auf kurze Diftanzen, im
Schilauf und Rodeln, im Ring:
fampf, in den Sport⸗ und Rafen-
jpielen, namentlich im Tennis und
Fußball, und vor allem im Berg⸗
jport mit feiner geradezu uner-
jhöpfliden Fülle von Nerven:
impuljen. Bom zweiundzwanzigften
bis dreißigſten Jahr vollzieht der
Körper hauptſächlich fein Breiten-
wahstum und feftigt fich innerlich.
Dies ift die Zeit des Uebermutes
und der Wagbhalfigfeit, zugleich aber
auch die der Lebertreibung und der
Ueberſchätzung der Körperfräfte.
Kraftübungen aller Art follen hier
mit Gewandtheitsübungen in ftetem
Wechſel bleiben, der Schilauf und
der Segeliport, Reiten, die kunſt⸗
gerechte Betreibung des Tennis-
jpield und des Schilaufs find hier:
für die richtigen Lehrmeifter. Sn
der Vollkraft der Jahre, vom
dreißigiten bis vierzigften Lebens⸗
jahr, muß man ſich die erworbenen
Fertigkeiten zu erhalten und die
höchſte Ausbildung an Kraft, Ge⸗
wandtheit und Ausdauer zu er:
werben ſuchen. Graduelles Bors
ſchreiten in allen bisher geübten
Betätigungen iſt für dieſe Zeit am
Platz. Nach dem vierzigften Lebens⸗
jahr wird es ſich darum handeln,
ein guter Sachverwalter des ers
rungenen Kapital3 an Muskelkraft
und Nervenenergie zu fein; Wandern
und Alpinismus, Zimmergymnaftil
— — — —
XIV. Die Bygiene des Sports.
und Turnübungen verhelfen hierzu.
Wer die Mittel und die Möglich-
feit dazu bat, wird vor allem, fo
lange wie möglih, dad NReiten
fultivieren. Für jedes Lebensalter,
jedwede ſportliche Uebung aber gilt
die goldene Regelzuindividuali—
ſieren! Was dem einen Manna,
it dem andern Gift, was dieſer
fpielend erreiht, muß jener mit
Aufwendung aller Mittel mühlam
erfämpfen. Daher fchonende, nie
überhaftende, nie zur Erſchöpfung
führende Uebungen!
826. Zeit und Ortder lebungen.
Wenn nur irgend möglich in frifcher
Luft; alles was unter dem Einfluß
der freien, ungehinderten Atmung
in einem von der Atmojphäre durch⸗
ftrömten Milieu erfolgt, fteht in
jeiner Wirkung unvergleichbar über
den Uebungen in gefchlofjenen Räu⸗
men. Wo diefe nicht zu umgehen,
jorge man für gut ventilierte,
große, luftige und ftaubfreie Räume.
Die Stunden für die Bornahme
der Uebungen follen möglichit genau
geregelt jein: im Sommer der frühe
Morgen, im Winter der Nachmittag.
Auch dies gilt natürlih nur für
einzelne ſportliche Betätigungen,
nie allgemein. Wer reitet, wird
alfjo in den Sommermonaten die
Morgenftunden wählen, wer den
Eizjport pflegt, im Winter den
Nachmittag; wer jahraus, jahrein
Zimmergymnaſtik treibt, der bleibt
ungeachtet der Sahreszeiten bei
denfelben Stunden. Bor dem
Frühſtück ift eine halbſtündige An—
ſtrengung durchaus genügend. Nach
reichlichen Mahlzeiten, beſonders
des Mittags, ſollen körperliche
Uebungen nicht vor Ablauf von
mindeſtens zwei Stunden erfolgen.
Der ſpäte Abend iſt zu ver—
meiden, wirkt er doch bei einer
roßen Reihe von Menſchen ſtatt
ſchlaffördernd, ſchlafſchädigend durch
zu ſtarke Erregungsimpulſe ein.
Nro. 826—827.
Das tägliche Penſum muß all
mählich geſteigert werden. Dadurch
erhalten die Blutgefäße genügend
Zeit, ihre Wandungen der leb—
hafteren Blutzirkulation anzupaſſen,
und Herz und Lungen werden in
den Stand geſetzt, ihre Tätigkeit
entſprechend der vermehrten Muskel⸗
arbeit anders zu regeln. In dem
Maße, wie die Anſtrengungen
wachſen, müſſen auch Nahrung und
Erholungspauſen ſich reicher und
wechſelvoller geſtalten, doch darüber
Ausführlicheres ſpäter!
Hygiene der Hautpflege
(Hbbärtung).
827. Uebung der Haut und
ihrer Funktionen. Man kann, wie
wir gejehen, durch Uebung feiner
Muskeln wie feiner Nerven Höchſt⸗
leiftungen förperlicher Tätigkeit und
geiftiger Energie erreihen, Tann
die Willenskraft, jene wohl hervor:
tagendite Betätigung des menſch—
lichen Intellekts, zu der herrſchen—
den Eigenſchaft des Geſamtcharak⸗
ters heranbilden und man. kann
endlich auch die Haut und ihre
Funktionen ſo weit üben, daß man
unempfindlich gegen Witterungs⸗
unbilden, unempfänglich für Krank⸗
heitsdispoſitionen und Infektionen
aller Art wird. Nur ſind hierbei
die Mittel, mit denen man dies
erreicht, weniger Sport und Gym—
naftil, wenngleich auch fie big zu
einem gewijjen Orade hautfräftigend
wirken, als vielmehr Luft und
Waffer,unfere natürlichen Bundes:
genofjen im Lebendfampfe, die un⸗
veräußerlichen SSmponderabilien des
Dafeind an ſich. Mit ihrer rich-
tigen Benußung gelingt es, die
Haut in einen Zuftand von Trai:
ning zu bringen, der fortdauernd
zum wertvollften Begleiter des
Lebensweges wird und als Schutz⸗
mittel gegen Ne als
4
Niro. 828.
Palladium der Gefundheit von nicht3
auf Erden übertroffen werden kann.
Zur Erhärtung diefer weittragen-
den Behauptung wollen wir die
Wirkung beider Medien, des Waf:
ſers wie der Luft, an und vorüber:
ziehen lafien !
828. Das Waſſer als Abhär:
tungsmitte. Die mejentlichite
Funktion der Haut ift die der
MWärmeregulierung, des Aus:
gleichs zwiſchen Wärmeabgabe und
MWärmeneubildung. Da die Luft
der Außenmelt kälter ift als die
Bluttemperatur, gibt der Körper
unaufgörlih Wärme ab, und wenn,
wie dag bei jehr hohen Tempera:
turen im Sommer gejchehen Tann,
die Wärmeabgabe auf ein Minimum
reduziert wird, treten die Schweiß:
drüfen in Aktion und laffen nun
ihrerfeit3 in dem verdunftenden
Waſſer Wärmeeinheiten frei wer:
den. Dieſer Wärmeabgabe ent-
fprit eine ftete Neubildung von
Wärne, dag Brennnaterial biefür
gebendie eingenommenenfahrungs=-
ftoffe ber, insbejondere die “Fette
und Kohlehydrate, den Berbren-
nungsofen bilden die Gewebszellen
im Berein mit dem Blute und dem
eingeatmeten Sauerftoff. Deshalb
unterfcheiden wir beiden Nahrungs:
mitteln nicht bloß ihren Nährwert,
ihren Gehalt an brauchbaren, vom
Organismus aufzunehnendem Ma-
terial, fondern aud ihre Wärme:
fapazität, ihre Wärmeeinheiten, die
fie bei der Verbrennung abgeben.
Und dieſen Ausgleich zwiſchen
Wärmeabgabe und Wärmebildung,
die natürliche Fürſorge, daß ein
richtiges Verhältnis zwiſchen beiden
beſteht, den beſorgt die Haut mit
ihren Nerven. Sinkt die Außen:
temperatur jo, daß die Gefahr be-
ftünde, e8 würde mehr Wärme ab-
gegeben als zuträglich, dann fpringen
die Nervenendorgane zum Schutze
ein, der jie treffende Kältereiz der
Dr. Julian Warrufe.
Außenluft wird von ihnen weiter:
gegeben, da8 Blut ftrömt in das
innere, die Haut wird blutleer und
gibt infolgedeflen weniger Wärme
ab. Reizt umgelehrt die Außen:
temperatur fo, daß eine Wärme⸗
ftauung im Innern zu befürdten
ift, dann geben wiederum die Ner⸗
ven der Haut den Befehl „Das
Ganze vor!”, die Haut wird vom
Blutitrom überflutet, wird feuerrot
und gleichzeitig erhalten die Schweiß⸗
drüfen die Ordre, die Front und
die Flanken zu ſchützen, aus ihren
Poren entleert fich eine heiße Flüf-
figleit, der Körper iſt entlaftet.
Diefe Verteidigungsmaßnahmen der
Haut können aber natürlich nicht
zu dauernden Zuftänden führen,
fondern ftelen nur eine vorüber:
gehende Anpafiung an die verän-
derten äußeren Lebensbedingungen
dar, die ebenfo rajh wieder mit
dem Fortfal der fie bedingenden
Faktoren verſchwinden muß, wie fie
gefommen ift. Und dieſes letztere
Beitreben des Organismus nennt
man Reaktion, und auf ihr allein
beruht der ungeftörte Ablauf diejer
eben geſchilderten Prozeſſe.
Abhärtung iſt aber nichts anderes
als prompte Reaktion auf alle
äußeren Reize und wir erzielen ſie
bis zu einem gewiſſen Grade durch
die Gewöhnung des Körpers an
kaltes Waſſer, mit deſſen Einwir—
kung auf die Haut wir nur den
Weg nachahmen, den die Natur uns
mit ihrem Spiel wechſelnder Luft⸗
temperaturen vorgezeichnet bat.
Wenn wir nämlid Wafler von
ı wejentlich Fälterer Temperatur auf
die Haut bringen, jo erfolgt eine
Bufammenziehung der Muskulatur
der Hautgefäße, diefelben verengern
fih, das Blut wird aus der Haut
verdrängt, die Wärmeabgabe an
die Außenluft ſinkt. Trogdem die
Innentemperatur de3 Körpers in
diefem eher gefteigert als gemindert
—— — EA eo. > —
XIV. Die Bygiene des Sports.
ift, empfindet da8 Individuum ein
der Abkühlung der Haut entfpre-
chendes Kältegefühl. Mit einem
Schlag aber ändert fi) das ganze
Bild, wo dieſer Kältereiz des
Waſſers überwunden, wo die auf
ihn folgende Reaktion eintritt, d.h.
die Gefäße ſich nicht nur zur Norm,
fondern mwahrjdeinlih unter dem
Einfluß einer Erregung der Hem⸗
mungsdnerven über diejelbe hinaus
ſich mädtig erweitern. Jetzt tritt
wohliges Wärmegefühl ein, dag
Blut ftrömt im rafhen Tempo durch
die mächtig erweiterten Hautgefäße,
bier feine Wärme zum Teil an die
fühle Außenluft abgebend und ab-
gefühlt zu den inneren Organen
zurüdfehrend.
Diefe Reaktion ift ein rein
phyfiologifher Vorgang, der beim
Menden, deſſen Haut gut funftio-
niert, deſſen Zirfulationgorgane und
Nerven prompt arbeiten, glatt ein-
tritt, der jedoch bei allen denen,
die in irgend einem diejer Organe,
ein wenn auch noch fo geringes
‚Manko haben, verjagt und daher
durd die Einwirkung von Kälte in
Verbindung mit mechanischen Reizen
neu erzeugt werden muß. Und da
Kleidung und Kulturrichtung Die
urjprünglid tadellofe Funktion
unſerer Haut wejentlich herabgejegt
hat, ift das Waſſer zur Domäne
von Abhärtungsbeftrebungen ge⸗
worden. Aber nur dann berechtigt
und die Erwartungen erfüllend,
wenn es nicht Schablonenhaft und
fritiflo8 angewandt wird, fondern
wenn die Widerftandsfähigfeit und
die Reaktion eines Menfchen als
Maßſtab für die zu mwählenden
Mapnahınen herangezogen und ihnen
entſprechend eine Dofierung der
Temperatur wie des mechanischen
Reizes, der mit allen Wafleranmwen-
dungen verbunden ift, vorgenom=
men wird.
829. Wie härtet man fi) durch
Nro. 829.
Wafler ab? Der Ausſchlag
der Reaktion tft dad Kriterium
für die Wahl der anzumendenden
Abhärtunggmaßnahmen; wo fie
ausbleibt, ift VBorficht geboten. Nie
darf man eine niedrige Temperatur
auf eine falte Haut zur Anwendung
bringen, nie die Zeitdauer der
Prozedur durch langfames Handeln
hinausdehnen; in beiden Fällen
würde Fröfteln entjtehen, ein ge:
fährlider Hemmſchuh des zu er—
ftrebenden Zweckes.
Abhärtungsmaßnahmen beginne
man möglichjt in wärmerer Sahres:
zeit, um fie dann auch den Winter
über fortzufegen; wer aber aus
irgend einem Grunde gezwungen
ift, fie bei fühleren Temperaturen
heranzuziehen, der forge für eine
temperierte Umgebung. Wo die
Luft warm ift, darf das Waffer
falt fein, denn wir wiſſen ja, daß
bei derartigen Luftverhältnifjen die
Haut blutgefült von ihrem natür-
lien Banzer gefchügt ift. Mit dem
Beginn der Abhärtung geht e wie
mit dem Beginn der Erziehung des
Menſchen, es gibt fein Alter, das
früb genug wäre. Das frühelte
Alter gibt feine Gegenanzeige gegen
vernünftige, allmählih einjegende
Abhärtungsverſuche, nur die Wahl
der Form derjelben iſt von größten:
Belang. Da des Erwachſenen Ab:
härtungsmaßnahmen ſich denen der
Jugend folgerecht anſchließen, müſſen
wir auf letztere wenigſtens in groben
Umriſſen etwas näher eingehen. Der
Bäderperiode des Säuglingsalters
folgen vom zweiten bis vierten
Lebensjahr täglich am Morgen vor:
zunehmende Wafchungen des ganzen
Körpers mit 20° R beginnend und
allmählich) bis auf 16° herunter:
gehend. Im Sommer Jollen fie
täglih vorgenommen werden, im
Winter fann man fich darauf be:
ſchränken, nur den Oberkörper den:
jelben auszufegen. In jpäteren
Niro. 830.
Dr, Julian Marrufe.
Jahren bis zur Pubertät ift auch für
den Erwadfenen ift das
nur die Konjequenz in der Durd: | Schwimmbad, im Sommer im freien
führung der Abhärtungsmaßregeln Flußwaſſer oder im See, im Winter
wichtiger als etwa eine Steigerung
in der Intenſität derjelben. Wa:
Ihungen (18—14°) bis zum fechften
big fiebenten Jahr, dann Wafchungen
und Tauchbäder (bei 18° 1 Minute)
auch nur morgen? vorgenommen,
find die entipredhenden Anwen:
dungen. Vom ſechſten Lebensjahr
ab beginnen mit Fluß- und Bajlin-
bädern, ſelbſtverſtändlich in Ber-
bindung mit Schwimmbädern, deren
ungeheurer geſundheitlicher Wert
ſchon früher geſchildert wurde.
Minimaltemperatur im Anfang
16° R, fpäter 12°.
Mer alle diefe Maßnahmen fyite-
matiſch in der Kindheit durdhgeführt
bat, der verfügt über einen Fonds
von Widerſtandsfähigkeit für das
Jugend- und Mannesalter, den er
nur in richtiger Weife zu verwalten
braudt, um Zins und Zinſeszins
davon zu ernten. Auch in dieſen
. Ulter3perioden genügen in erfter
Neihe tägliche Falte Waſchungen mit
Waffer von Wafferleitungstempe-
ratur, die man anfangs nur auf
Geſicht, Bruft und Arme bejchräntt,
um fie dann auf den gefamten
Körper auszudehnen. Im Sommer
an heißen Tagen können dann im
Hausgebrauh Duſchen von 18 bis
14° R in einer Dauer von 50 bis
60 Sekunden hinzutreten, weniger
als Abhärtungd- wie als Erfri-
Ihungsmaßnahmen. Eine ſchon
fräftigere und bei blutreihen, ro⸗
bufteren Individuen erlaubte Ab-
bärtungsform ftellt das kalte Früh—
bad vor, bei dem man direlt vom
Bett aus in Waſſer von 20—16°
fteigt und etwa 1—2 Minuten
darin bleibt. Wer an Wafchungen
von früh an gewöhnt ift, und dag
Bedürfnid nah Fräftigeren Ma$-
nahmen in fi fühlt, der Tann
derartige Tauchbäder nehmen. Auch
nen war.
in dazu geeigneten Hallen das Non
plus ultra der Abhärtung und An⸗
vegung aller Funktionen undLebens⸗
äußerungen.
830. Die Luft als Abhärtungs⸗
mittel. Es ift noch gar nicht lange
ber, da — denken wir nur einmal
an die Aera Kneipp — gab es für
alle Abhärtungsmaßnahmen bei
groß und Klein, jung und alt, krank
und geſund, nur eine Bafig, von
ver aus alle Beitrebungen aus:
gingen, das war das kalte Waſſer.
Geprägt dur die Sahrhunderte,
von Generation zu Generation
übernommen, galt es als Univerjal-
methode, eine fahgemäßeAbhärtung
des menschlichen Körpers zu erzielen
u. wurde dementjprechend gemertet.
Der Waſſerfanatismus der achtziger
Sabre aber ließ bald erfennen, daß
dieſes univerfelle Rezept denn doch
nicht fo bei jedermann wirfe, wie
man ſich dies vorgeftellt, und daß
vor allem fehr blutarme und fehr
nervöſe Individuen gegen die Ein=
wirfungen des falten Wafjers eine
Reaktion zeigten, die nicht mehr zu
der geſundheitsfördernden zu rech⸗
Und fo brad ſich die
Erfenntnid® Bahn, daß eigentlich
dad Medium, gegen dad man fich
abhärten müſſe, nicht das Waſſer,
jondern die Luft fei, in der wir
uns unausgeſetzt bewegen, die unfere
Atemſpeiſe, unſeren Lebensofen im
Sinne der Verbrennungsvorgänge
bildet, die vor allem uns unauf⸗
hörlich umſpült und bald Wohl:
befinden bald Störung desjelben
auszulödjen imſtande ift.
Nicht nur für ihre Reinhaltung,
fondern aud für ihre Funktiong-
tüdhtigfeit bedarf die Haut eines
mohlregulierten Abwaſchens durch
die Darüber wegjtreichende Luft!
Das ift das Grundprinzip jeder
XIV. Die Bygiene des Sports.
Abhärtung, denn erfolgt dies nicht,
dann wird die in eine gewiſſe Treib-
baustemperatur verjegte Haut für
alle Einflüffe von außen im höchſten
Grade empfänglid. Jeder Luft:
hauch, jede Schwantung im Wetter
erzeugt veränderte Zirkulationg-
verhältnifje an der jchlecht reagie-
renden SHautoberflähe, und die
Folgen hiervon find Erkältungen,
Katarrhe, kurzum das ganze Heer
der kleinen und großen, Wohlbefin-
den wie Berufsarbeit ftörenden
Andispofitionen. Gegenmittel gegen
diefe quälenden und ſchädigenden
Tüden des Alltags find einmal eine
logischen Funktionen der Haut ent-
fpridt und damit mit denfelben |
Wärmebildung
regulatoriſch auf
und Wärmeabgabe wirft — mir
werden näher darauf no im Ka:
pitel Kleidung zurüdfommen — und
weiterhin das Luftbad, die ſou⸗
veränfte Handhabe zur Wiedergemöh-
us des Körpers an die umgebende
uft.
831. Wefen und Wirkung des
Luftbads. Unter Luftbädern ver-
fteft man die Gemöhnung des
nadten Körperd an die umgebende
Nro. 831.
einer Entlaftung im Inneren und
dadurdh zur Befeitigung von Kon:
gejtiongzuftänden, von Stauungen
und ähnlichem mehr kommen. Auf
da® Herz wirkt dag Luftbad im
Sinne einer Steigerung der Herz:
energie, auf die Atmung vertiefend
und fräftigend, alles in allem Ein:
flüffe, die anregend und zugleich
übend die lebenswichtigſten Organe
zu beeinflufjen imjtande find. Für
die Haut aber, auf deren Wärme:
regulation und Tätigfeit das Luft:
bad in wohltätigſter Weife wirkt,
ftelt e8 fih mithin alg eine Ab-
härtungsmaßnahme wejent-
rationelle Kleidung, die den phyfio: |
lihiter Art dar, indem durch dag
Wechſelſpiel der wärmeentziehenden
Faktoren (Temperatur, Feuchtigkeits⸗
gehalt und ALuftbewegung) eine
Uebung der Haut und des Nerven-
ſyſtems eintritt, die diefelbe gegen
jedwede Witterungseinflüfje wetter:
fejt madt. Und dem Waſſer gegen
über ift eine Luftabhärtung nad):
haltiger und wirfjamer aus folgen:
den Gründen: Unter der Einwirkung
falten Waflers erfolgt die Wärme:
entziehung raſch und ergiebig an
der gefamten Hautoberflädhe ziemlich
| gleihmäßig, unter der Einwirkung
Atmosphäre und zwar in der Weife, | Talter Luft infolge des verjchiede-
daß man Freiluftgymnaftif treibt,
alſo unbelleidet gymnaſtiſche Uebun⸗
gen aller Art vornimmt. Dieſes
Ausſetzen des Körpers der Luft
gegenüber zeitigt eine Reihe von
Erſcheinungen, deren Ablauf in fol⸗
gender Weiſe ſich äußert: Kühle,
bezw. kalte Luft — und abgeſehen
von ſehr heißen Hochſommertagen
werden immer Temperaturdifferenzen
zwiſchen dem bekleideten Körper
und dem unbekleideten beſtehen —
wirkt zuerſt verengernd auf die
Hautgefäße, führt in zweiter Linie
zu einer Gefäßerweiterung und übt
dadurch einen erheblichen Einfluß
nen Wärmeleitungsvermögens (Luft
leitet die Wärme etwa 25 mal
ſchlechter als Waſſer) weniger
wärmeentziehend, nie gleichmäßig
infolge der ſtetig wechſelnden Ein—
flüſſe. Dieſe geringe Wärmeent:
ziehung im Luftbade geſtattet einen
kräftigen thermiſchen Reiz in Ans
wendung zu bringen, d. h. weſentlich
niedrigere Temperaturen als mit—⸗
telſt Waſſer oder den gleichen ther—
miſchen Reiz längere Zeit hindurch
anzuwenden. Mit einem Wort:
Abhärtungs- und Kräftigungdmap-
nahmen des menſchlichen Organis—
mus laſſen ſich weſentlich methodi—
auf die Zirkulation der inneren Or- ſcher und wirkſamer durch Luft als
gane aus. Es kann demnach zu durch Waſſer erzielen.
Niro. 832. : Dr. Julian MWarcufe.
2 5 letzteren die Kraftitoffe, wobei noch
Dygiene der Ernährung. | ,, erwähnen ift, daß das Fett in
832, Ernährung und Muskel: | gleihem Gewicht 2, mal mehr
arbeit. Kein Problem hat im let: | Energie liefert als die Kohle:
ten Jahrzehnt eine folhellmmälzung | hydrate, ein Moment, dag für die
erfahren, wie dad der Ernährung, praktiſche Geftaltung der Nahrungss
feines unjere Anjchauungen derart | menge bei fportlider Betätigung
von Grund aus beeinflußt und zwar | von wejentlicher Bedeutung ift. —
im Sinne einer völligen Revifion Wenn man nun nad den Forſchungs⸗
aller bisher gebildeten, wie das | ergebnijjen der Neuzeit, die Die
obige! Die Aufhelung der Er: Voit'ſchen Zahlen wefentli er—
nährungsgejete des Menfchen, der | fchüttert haben, eine allgemeine
Einblid in den Stoffwechſel, den | Regel über die rationellite Art der
der Fortfchritt der Wifjenfchaft Ernährung aufftellen wollte, jo
mehr und mehr vermittelt, und | würde dieſelbe ungefähr lauten:
weiterhin die gewonnenen Erfah: Nah dem Stande unferer
rungstatfahen, fie alle zufammen |wiffenfhaftliden Erfennt-
haben diefen früheren Zeiten gegen: |ni® (sc. von heute) ift für die
über eine veränderte Auffaffung ge Musgfelarbeit beim Sport
zeitigt. als das befte der Ernäh-
Zange vor jedweder wiflenfchaft: rungsart eine gemijdte
lihen Erkenntnis hat der Inſtinkt Koft anzufehen, in der das
den Menfhen zur Wahl feiner Berhältnispderftidftoffhal-
Nahrung geleitet und triebmäßig |tigen (Eiweiß) zu den ftid-
bat ſich dag Bedürfnis auf die- |ftofffreien (Kohlehydrate und
jenigen Stoffe erjtredi, die ent- | Fette) Nährftoffen fi wie
weder zum Aufbau und zur Erhal: 1:6 verhalten Soll. |
tung des Organismus dienten, oder
die ihm das Heizunggmaterial für
dag ewige Herdfeuer der Verbren-
nungsprozeſſe lieferten. So baute
fih dag Nahrungsbudget aus den
drei großen Gruppen der Eiweiß—
ftoffe, der Kohlehydrate
und Fette auf und je nad wirt:
Ichaftlicher Lage wurde die eine
auf Koften der anderen bevorzugt,
oder auch ganz ausgefcaltet.
Die erfte Leitzahl über das phy—
fiologifhe Minimum der Ernährung |
Als wefentlichfte Energiefubftan-
zen find alfo zu betraditen die
Kohlehydrate und Fette und Die
legteren find e8, die gerade für die
Ernährung des intenfiver arbeiten:
den Menjchen gegenüber den erfte-
ren erheblide Borzüge befiten.
Einen nannten wir bereits oben,
nämlich das Fett, das in gleichem
Gewicht 2, mal mehr Energie
liefert al die Kohlenhydrate. Ein
weiterer Vorteil ift da8 geringe von
ihm geforderte Maß an Verdauungs⸗
ftelte Boit auf und fie lautete: | arbeit. Es ift aljo ausreichende
Ein Erwachſener von miittlerem Nahrungdzufuhr mit viel geringerer
Gewicht und bei mittlerer Arbeit | Füllung des Verdauungsapparates
braucht tägli 118 g Eiweiß, 50 & | mögli, und man kann einen ge-
Fett und 500 g Kohlehydrate (alle | nügenden Vorrat an Nährmaterial
jtärfemehl- und zuderhaltigen Sub- | in Form von Fett viel bequemer
jtanzen), im ganzen rund 8000 | reforbieren als in Form von koh⸗
Wärmeeinheiten. Bon diefen dreien | lenhydrathaltigen Nahrungsmitteln,
repräſentiert das erftere die Auf- | die — abgejehen von Zucker — meift
bau: und Crjagftoffe, die beiden | fehr waflerreih find und damit
XIV; Die Bygiene des Sporke.
einen Ballaft mit fi führen. So
enthält 3. B. das Brot, der Haupt:
reprälentant der kohlehydratreichen
Nährftoffe durchſchnittlich 40 °|,
Wafler. Es ift daher ein durchaus
rationelles Verfahren, wenn unfere
Holzarbeiter im Gebirge als haupt-
fählihfte Nahrung Sped und
Schmalz verwenden.
833. Die Role des Zuders.
Der Zuder, den wir oben nur
furz erwähnt, fpielt in der Ernäh⸗
rung des Sporttreibenden eine
nicht zu unterfchäßende Rolle. Er
belajtet den Magen nur wenig und
Tann deshalb auch während großer
förperliher Anftrengungen in Elei-
nen Mengen häufig genofjen mer:
den. Bis zu einem gewiſſen Grade
ift er ein direktes Belebung?-
mittel der ermatteten Muskeln,
zwar nicht das einzige, wie man
fälfhlih annahm, aber jedenfallg
ein? der mit am prompteften
wirkenden. Er befigt den Fetten
gegenüber den Vorzug, daß er in
den Körperfäften in beträdtlichen
Mengen löslich ift, daß er fehr
viel leichter als die Fette durch die
Gefäßwände und Hüllen der Zellen
hindurchwandert, und daß er infolge
defien auch fehr fchnell nad) feiner
Aufnahme in den Körper den ar:
beitenden Musfeln zugute kommen
fann. So zeigte ſich nah Ber:
fuden, die zuerft Moffo aus:
geführt hat, daß die Kraft erfchöpfter
und ermatteter Muskeln ſchon we⸗
grige Minuten nad) Aufnahme von
Zuder zunimmt, ein Fingerzeig für
die praftiihe Anwendung des Zuckers
bei bejonders anjtrengenden Mär:
Then und Klettertouren, bejonders
ftarfen ſportlichen Kraftleiftungen
und ähnlichem mehr. Ueber feine
Bedeutung für Sport und Touriftik
bat Alfred Steinitzer eine
Reihe von Verſuchen angeftellt, aus
denen ſich ergab, daß der Zuder
die phyſiſche Leiftungsfähigfeit we⸗
Niro. 833—854.
fentlich jteigerte, daß er bei Ermü-
dung als raſch mwirfendes Kräfti-
gungsmittel die normale Leiftungs-
fähigkeit wieder heritellte, ohne daß
jelbft beim Genuß größerer Quan—
titäten irgend welche unangenehmen
Nebenericheinungen zutage traten.
Die Hochtouriſtik und der Radſport
dienten ihm als VBerfuchgmedien.
Die ſchmackhafteſte Form, ihn zu
nehmen, find Löfungen von Zuder
in leichtem Tee oder Wafjer mit
Zufa von einigen Tropfen Rot:
mein oder Zitronenfäure, falt oder
warm, je nad Gejchmad und Ge-
legenbeit.
834. Die praftifche Geftaltung
der Ernährung. Nicht bloß das
„Was“ ift von Bedeutung, oft noch
jtärfer dad „Wie“, die Einteilung
der Mahlzeiten, die Menge der
Duantitäten und ähnliches mehr.
Bor und während jeder jportlichen
Körperleiftung ift — und diejes
Hauptgebot gehört an die Spitze
aller weiteren Ausführungen —
jedwede Ueberfülung des Magen?
mit Speife und Trank ftrengiteng
zu vermeiden. Eß- und Trinf-
gelage am Abend vor dem Antritt
einer Hodtour, vor einem Rekord
im Schilauf, im Anprallrennen zu
Boot, im Meifterfchaftsturnen oder
was es auch immer fein mag, ge=
hört zu den gröbjten Verftößen, die
man begehen fann. Denn jo not:
wendig auch die öftere Zufuhr von
Nahrung bei angeftrengter Arbeit
ift, jo bedenklich ift jede ftärfere
Belaftung des Magend. Bei der
Verdauung einer größeren Mahlzeit
verlangt der Darmkanal jo viel
Blut, daß die arbeitenden Muskeln
zu furz fommen, infolgedefjen tritt
in rafchefter Folge eine Ermüdung
und Erfhöpfung ein, die fih im
gewöhnlichen Leben jchon bei ftär-
ferem Füllen des Magend dur
die befannte Schwerfälligfeit in den
Bewegungen, durch Trägheit im
Niro. 835.
Denken, ja ſelbſt leichte Schlaf:
empfindungen äußert. Daher iſt
auch das Einnehmen von größeren,
quantitativ reicher geftalteten Mahl⸗
zeiten während fportlider An-
ftrengungen ebenfall3 zu meiden,
und an ihrer Stelle find Kleine,
häufige Nahrungsmengen zu neh:
men. Das ijt und bleibt dag Haupt-
prinzip der Ernährung beim Sport!
Unfer Körper befitt Refervematerial
genug, um felbjt tagelang von
demfelben zehren zu können. Das
Gefühl von Mattigfeit, welches bei
fehlender Nahrung eintritt, beruht
nit etwa auf Erfhöpfung der
Körpervorräte, als vielmehr auf
einem bei leerem Magen ſich ein-
ftellenden Hungergefühl. Da es
fih aber dabei um eine auf ner-
vöſem Wege vermittelte Empfin-
dung handelt, wird es ung nicht
wundernehmen,, daß dieſe Mattig-
feit fih in individuell ganz ver:
Ihiedenem Maße geltend madt. Es
gibt Menſchen, welche von früh bis
jpät intenfiv arbeiten können, ohne
durch Hungergefühle geftört zu wer-
den, während fich bei anderen um
die Stunde der gewohnten Mahl:
zeit eine jolde Schwäche einitellt,
daß dadurch die Leiftungsfähigfeit
ganz außerordentlich herabgefett
wird. Diejer auf nervöſem Wege
vom Verdauungsfanal her zujtande
tommenden Störung helfen in erfter
Reihe Fleine, Häufige Mengen
Nahrung ab, fo der Zuder, die
Schokolade, Rotes, von warmen
Getränfen Teeaufgüffe, Fleiſch⸗
brühe, Löſungen von Fleiſchextrakt,
von feſten Speiſen belegte Bröt—
chen, Käſe u. a. mehr.
Alſo den Magen nie überlaſten,
unmittelbar vor und wäh—
rend ſportlicher Anſtrengungen
keine großen Mahlzeiten, dagegen
häufige, aber kleine Zwiſchenmahi⸗
zeiten und erſt nad vollendeter
Arbeit ein frugales, aber kräftiges
Dr, Julian Marrufe.
Mahl, das find die Leitſätze der
quantitativen Geſtaltung ſportlicher
nn
835. Das „Was“ der Nah:
rung. Hier ſcheiden ſich pielfach
die Wege der Beſtimmung der Nah⸗
rung je nad Art und Weſen ſport—⸗
lihder Leiftungen. Während Hod-
touren 3. 3. die Notwendigkeit in
fi ſchließen, fih für eine Reihe
von Tagen mit Proviant zu ver-
forgen und dabei es nicht bloß auf
die BZufammenftellung der Nah:
rungsmittel allein anfommt, fon:
dern auch auf möglichit geringes Ge-
wicht, dann auf bequeme Transport⸗
fähigkeit und Haltbarkeit, jcheiden
diefe Momente bei faſt allen übri-
gen Sportarten völlig aus. In
Frage für die Ernährung bei Hoch:
touren kommen aljo vor allem
Konferven, die Knorrſchen und
Hohenloheſchen Präparate für
Suppen aller Art, Bouillonfapfeln
für die SHerftelung von Fleiſch—
brühen, die nah Weckſcher Me-
thode konſervierten Fleiſch- und
Fiſchſpeiſen, fomweit ſie von leichtem
Gewicht find, Fondenfierte Milch,
ferner geräucdherter Sped, Oelſar⸗
dinen, Butter, Käſe, befonders die
fefteren Sorten, Kakes, Zwiebad,
Badpflaumen, friihe Aepfel, Scho⸗
tolade, Tee ıc. Zu verpönen find
die in manchen Gegenden beliebten
ſtark gewürzten Salami- und Ser⸗
velatwürjte, die jehr häufig wenig
einwandfreie Fleifchbeitandteile in
fih enthalten, vor allem aber auch
derart durfterregend find, daß nach
ihrem Genuß ein nahezu unftill-
bares Berlangen nad Flüffigfeiten
fi einftelt. Die Milch, die bei
Hochtouren in den Sennbhütten
meift zu haben ift, ift kalt genofjen
für viele unbefömmlich und erzeugt
oft Tolifartige Anfälle. Nur wer
feinen Körper genau kennt, wird
fie in kaltem Zuſtande trinken
dürfen: Seder andere möge fie,
XIV. Die Bygiene des Sporie.
wenn Gelegenheit vorhanden, kochen
und etwas Tee zur Geſchmacksver—⸗
bejjerung zufegen. Als ein Nah:
rung3mittel, welches Fett und
Rohlenhydrate in fehr reichlicher
Menge enthält und dabei Außerft
bequem zu transportieren ift, emp-
fiehlt fih die fhon oben genannte
Schokolade. Man kann fie in Men-
gen von 100-200 g genießen;
bejonderg als Zufat zum Brot ift
Schokolade jehr angenehm, und fie
erjegt durch ihren hohen Fettgehalt
bis zu einem gewiſſen Grade die
Butter.
Mit diefem ftizzierten eijfernen
Beitand ift, wie gejagt, weſentlich
zu rechnen bei Hochtouren und ähn-
lichen ſportlichen Betätigungen, bei
denen man auf fich ſelbſt angewieſen
ift und feinerlei Suffurd an Nah:
rungsmitteln haben kann. Bei allen
andern fportlihen Beranjtaltungen
und Leifiungen gelten die im all:
gemeinen Teil der Ernährungsfrage
und in den vorliegenden ausgeführ-
ten Darlegungen hinſichtlich Zus
fanımenfegung und Aufnahme der
Nahrung.
836. Wa3 fol man trinten?
Für viele Menſchen eine wichtigere
Trage al? die nad dem Eſſen, jo
ſehr fteht bei ihnen dag Trinfen
im Vordergrund der gejamten
Nahrungsaufnahme. Die Neigung,
bei jedweder Gelegenheit Flüffig-
feiten zu fih zu nehmen, feine
Mahlzeit ohne dieſelben zu be:
ginnen und zu enden, hat zur Er—⸗
zeugung eines, man fann ruhig
fagen, künſtlichen Durftgefühls ge:
führt, dad auf rein jubjeltiven,
nervöfen Empfindungen beruhend,
mehr eine Frage der Erziehung
und Gewohnheit, denn eine phyfio=
Logische Notwendigkeit ift, und uns
eben auch die ungemein verbreitete
Borftellung eingepflanzt hat, man
könnte, ohne zu trinken, nicht eſſen,
und dergleichen mehr. Bei Men—
—
Nro. 836.
ſchen, die dieſem von Grund aus
falſchen Ideengange nachhängen
und ihm entſprechend ihr Leben
eingerichtet haben, macht ſich natür⸗
lich ein unaufhörliches Durſtgefühl
geltend, und ſie ſuchen es in jeder
Form zu befriedigen. Größere
und vor allem häufige Flüſſigkeits—
aufnahmen bedingen aber nädhit
einer früher oder jpäter eintretenden
Belaftung des Magens auch eine
erhöhte Inanſpruchnahme des Her:
zens, das ja diefe Waflermengen
durh die Organe durchpeitichen
muß, big fie im Harn wieder zum
Vorſchein kommen oder durch den
Schweiß von der Haut aus aus—
geichieden werden, aljo in jedem
Sale eine total unnüße Arbeit.
Deshalb werden derartige Menfchen
zu jeder größeren ſportlichen Be:
tätigung und Leiftung unfähig fein,
mindeftend aber gegenüber anderen,
die auh im Dürſten eine Art
Training durchgemacht haben, zurüd-
ſtehen. Alſo lautet hierfür der
Grundfaß: Gib nidht jedem
Durftgefübl nad, daß wie
alle fubjeltiven Empfin-
dungen häufig genug auf
Täufhungberuht, fondern
trinfe nur dann, wenn in
folge der förperliden An:
trengung eine wirkliche
Wafferarmut des Körpers
eingetretenift,diejid viel
meniger im Gefühl einer
Trockenheit des Halſes, als
in einem allgemeinen Ver—
ſchmachtungsempfinden, ei—⸗
nem dumpf quälenden Ge—
fühl bemerkbar macht.
So viel über die Vorfrage, nun
zur Frage, was ſoll man trinken!
Sport und Alkohol ſind von Natur
aus Antipoden, dort die Tendenz zu
kraftvollſter Energieanſpannung in
Muskel wie Hirn, hier ein künſt⸗
liches Aufflackern, ein kurzes Stroh—
feuer und raſches Erlöſchen. Der
Niro. 837.
eine löſt
Dr. Yulian Marrufe.
bewußte folgerichtige | gezogen werden, in allen anderen
Handlungen, eine ftraffe Herrjchaft | Fällen jedoch ift er ein gefährlicher,
des Geiſtes über den Körper aus, |
der andere ein zufammenhanglojeg,
untergeordnete Arbeiten zwijchen
Bewußtfein und SKörperfunftion,
eine allmählide Knechtung der
Pſyche unter die Brutalität der
rohen, hemmungsloſen Kraft. Und
der Alfohol in Kleinen Mengen ge-
nommen ermüdet und jchläfert ein,
die arbeitenden Muskeln, anfangs
vorübergehend angeregt, ermatten,
. dag Hirn wird fchwer, die Energie
ift zum Teufel. Die Praris lehrte
dies taufendfältig, und mer eine
ſportliche Betätigung vorhatte, der
mied ſchon längft die geiftigen Ge-
tränfe vor und während der Dauer
derfelben. Dann fam die Wiflen-
Ihaft und erbradte experimentell
den Nachweis von der Schädlichkeit
des Alkoholgenuſſes. Ein Getränf,
das mandem die nötige „Bett-
ſchwere“ verleihen, ihm als jchlaf-
fördernder Trunk dienen foll, dieſes
gleichzeitig ald Anregungsmittel zu
nehmen, bedeutet Widerfinn in
hödjjter Potenz. Für den wirt
. liden Durft find Limonaden, vor
allem die aus friſchen Zitronen
oder in Ermangelung derfelben aus
Zitronenſäure hergeitellten, Kaffee
und Tee, warın oder falt, wie man
es mag, wie ed einem befömmlich
ift, und wie man es zur Hand hat,
und ähnliches mehr die richtigen
Getränfe bei fportlicher Leiſtung;
auch die Scorle- Morle, eine
Miihung von fohlenfäurehaltigem
Waffer und geringen Mengen
leichten Weines iſt zu akzeptieren
und wirkt an heißen Tagen jehr
durftlöfhenn. Als Tropfen in der
Not, gegen Ende großer An-
jtrengungen, wenn es gilt, die er-
löſchende Kraft für eine letzte An-
firengung anzufaden, mag als
Peitſche der Wein in konzentrierter
Form oder der Kognak heran-
trügerifcher Begleiter! Die Alkohol:
frage beim Sport erfchöpft fich alfo
in der Beachtung folgender Gebote:
Sei mäßig im Quartier,
trinfe während der Betäti-
gung feinen Tropfen und
führe nur bei Hodtouren,
beiWettfportfämpfen, Re-
gattenoderähnliden außer:
gewöhnlihen Anforderungen
als letztes Reizmittel ge-
ringe Duantitäten beidir!
Dygiene der Bekleidung.
837. Allgemeines. Wir Heiden
ung, um ung zu [hüßen, um einen
übermäßigen Wärmeverluft zu ver:
hüten und damit auch in den
niedrigften TQTemperaturen unfere
Eigenwärme zu erhalten. Denn
der Körper des Warmblüters gibt
durch Strahlung, Leitung und
Wafferverdunftung unaufhörlich
Wärme ab, die immer von neuem
wieder durch die in demfelben vor
fih gehenden Berbrennungsprozefle
erzeugt wird. Die Wärmebilanz
iſt alſo nicht8 anderes ala das
Verhältnis zwiſchen produzierter
und nah außen hin wieder abge-
gebener Wärme. Während nun
aber bei allen anderen Warm:
blütern die phyſikaliſche und che⸗
miſche Regulation diefe Wärme:
bilanz regeln, fommt beim Menjchen
noch eine weitere Einrichtung hinzu,
die darauf Einfluß hat, das ift die
Kleidung. Das erklärt ihre Be-
deutung für den gefamten Wärme—
haushalt wie auch für die Funk—
tionen der Haut, und ſetzt zu gleicher
Zeit zur Erfüllung diefer Aufgaben
eine rationelle Zufammenfegung
der Kleidungsftoffe und Kleidung?
ftüde voraus. Je geringer das
Leitungsvermögen, je größer die
Dide, um fo weniger fann Wärme
XIV. Die Bngiene des Sporks.
nach außen gelangen, bis ihr fchließ-
lich der Weg völlig verlegt ift.
Im felben Maße, wie dieſe Hem-
mung wirkt, fchaffen dann zwei
Mittel die überflüffige Wärme aus
dem Körper weg, die fteigende
Hautmärme an den befleideten und
unbelleideten Stellen und vor allem
die Verdunſtung von der Haut.
Werden aljo Leitung und Strahlung
unterdrüct und zugleich der Waſſer⸗
verdunftung Hindernifje bereitet, fo
fommt e3 zu einer Ueberwärmung
des Körpers, die eine Temperatur:
fteigerung des Blutes und damit
ftörende und die Gefundheit ge-
Dr Folgen nah ſich ziehen
fann.
Die Kleidung bringt alſo unter
den gedachten Umſtänden eine
Ueberwärmung zuftande, der gegen:
über zwar der Körper in der
Waſſerverdampfung -ein Abwehr:
mittel befigt, das jedoch bei einer
irrationellen Belleidunggform zu ei:
nem höchſt zweifchneidigen Schwerte
wird. Kommt e3 nämlich zu feiner
Schmeißabjonderung, dann ind
Sefretion undlleberwärme imftande,
nicht nur die Leiftungsfähigkeit für
die Musfelarbeit herabzufeten,
fondern auch direkt im Sinne einer
Erſchöpfung auf den Menſchen ein:
zumwirten. Die Befeitigung des
von der Haut ausgefchiedenen
Wafjerdampfed wird ermöglicht
dur die Lüftbarkeit der Klei-
dung, und die lettere ift gegeben
durh die Permeabilität der Ge-
webe. Diefe Durchdringlichkeit
verdanken die Stoffe derjenigen
Komponente, welche am meiſten
zur Wärmehaltung beiträgt, nämlich
der Luft, und wo ſich letztere
innerhalb der Gewebe in reichlichem
Maße findet, da fehlt es auch nicht
an der Permeabilität. Lüftbarkeit
und eine genügende Lüftung haben
aber für die Haut noch eine weiter⸗
gehende Bedeutung, ſie bilden die
Nro. 838.
Grundlage der Abhärtung, die
Haut bedarf für ihre Reinhaltung
ſowohl wie fürihre Funktion der
Tüchtigfeit eines mohlregulierten
„Abwaſchens“ durch die darüber
wegftreichende Luft. Unter fteter
Beachtung diefer Grundprinzipien
wollen wir nunmehr’ die einzelnen
Kleidungsteile an und vorüber:
ziehen fafjen und ihre Brauchbar-
feit auf die gefchilderten Momente
bin prüfen. Denn mehr wie bei
jeder anderen Gelegenheit ijt ge-
rade beim Sport die Auswahl
eitter rationellen Kleidung von
höchſter Bedeutung, fteht doch bei
ihm im Bordergrunde ein fteter
Temperaturmwechfel, der oft genug
jäb von Winterlälte zu brütender
Schwüle (man denfe nur an den
Alpinismus) übergeht, immer aber
die höchſten Forderungen an die
Hauttätigfeit ftelt. Und wenn
man auch allen Bebürfniffen und
allen Situationen jportlicher Be—
tätigung nicht gerecht zu werden
vermag, jo wird man doch auf
mittlerer Baſis eine Kleidung zu=
fammenjtellen können, die den
wejentlichiten Anfprüchenzugenügen
imftande ift.
838. Kleidung und Sommer-
jport. Zwei Dinge müfjen fi
einen, wild man jeine Kleidung
rationel geftalten, das ijt die
Poroſität der Kleidungsftoffe (ihre
Lüftbarkeit) mit ihrer Belchaffen-
beit als ſchlechte Wärmeleiter,
wenigitend® ſoweit es fih um
Winterfport und Alpinismus han-
delt. Für alle Sportarten, die
mit Witterung und niederen
Temperaturen weniger zu rechnen
haben, alfo vornehmlich den Sport-
jpielen im Freien, dem Rudern ıc.,
fommt nur das erfte Moment der
Bentilation als allein bejtimmend
in Frage, und hier ift die Ent.
ſcheidung eine einfachere. Während
im gewöhnlichen Leben die Lein—
22
Niro. 839.
wand mit ihrer fühlen, mild re⸗
gulierenden Eigenart fi am vor⸗
teilhafteften für die Haut erwieſen
bat, vorausgefegt, daß fie grob-
maſchig, porös ift und nicht durch
Appretierung und Stärken ihre
beiten Eigenfchaften verloren hat,
verlangt der Sport mit feiner
mädjtigen Anfachung der Schweiß-
drüfen für die Unterfleidung ein
Material, das raſcher die Yeuchtig-
feit auffaugt und fie auch rajcher
verdunften läßt, das ift in erjter
Reihe die Baummolle Der
Streit: hie Wolle, bie Baum:
wolle, tobt feit langem und hat
wohl auch heute noch fein Ende
gefunden, die Anhänger des einen
wie des anderen vertreten mit
Gründen wohl audgerüftet ihren
Standpunft. Der nüchterne Bes
obadhter wird der Baummolle die
Palme zuerfennen müſſen, da fie
eine Reihe von gleichen Borzügen
wie die Wolle in fich vereinigt,
ohne deren Nachteile zu befigen.
Die Baummollfafer leitet Wärme
langfamer wie Wolle, faugt Schweiß
ebenfo prompt wie Leinwand, dag
heißt Schneller und vollitändiger
als Wollſtoff in fi auf, hält ihn
aber nicht jo lange wie Leinwand
feſt. Und da fie viel reizlofer iſt
wie Wolle — die Spiofynkrafie
vieler Menjchen gegen Wolle beruht
auf deren unangenehmer Reiz-
wirkung — vereinigt fie in fich die
wichtigſten Erforderniffe einer ge-
jundheitsgemäßen Unterfleidung.
Baummollenes grobmajchigesUnter:
hemd mit weichen Kragen, will
man ganz full dress gehen, fonft
am beiten kragenlos, ein trifot-
artiger Smweater darüber, für das
weibliche Gefchleht fußfreier Nod
aus Wollſtoff (Cheviot) und Iofe
Bluſe aus durdläffigen Stoffen,
das find die für den fommerlichen
Sport wejentlih in Frage fom-
menden Kleidungsftüde. Daß die-
Dr. Jultan Marcufe.
jelben natürlich in jeden einzelnen
Falle befonderen Anfprücdhen ge-
nügen — der Rudernde wird an-
ders gekleidet jein müſſen mie der
Reiter, der Tennigfpieler wiederum
ander® wie der Fechter — und
dementſprechend auch individuell
werden gejtaltet werden müfjen, ift
ein Ding für fi; bier fam es nur
darauf an, die Grundprinzipien
einer rationelen Kleidung feftzu-
legen und ihre wichtigften Beftand-
teile zu jfizzieren.
839. Kleidung beim Alpinismus
nnd beim Winterfport. Ganz anders
und weſentlich fomplizierter ftellt
fih die Frage gegenüber den ſport⸗
lien Betätigungen, die den Winter
als Milieu haben, oder die fich auf
die Hochtouriſtik erftreden, die in
jo vielen Beziehungen mit dem
Winterfport übereinitimmt, Daß
wir fie beide vereint, was Die
Frage der Belleidung anbetrifit,
behandeln können. Sn beiden
Fällen ift das übereinftimmende
Merkmal, das die aufmerfjamite
und ftete Berüdfichtigung in der
Ausrüftung finden muß, der Schuß
gegen die Kälte, die dem Alpiniften
ja jelbft bei glühendfter Hige im
Tiefland droht, und gegen die von
ihr aus rejultierenden Schädi⸗
gungen des Körpers und feiner eins
zelnen Gliedmaßen. Ohne Hemm—
nid zu fein für die außerordent-
lihen Anforderungen, die vor allem
der Alpinismug, aber auch, big zu
einem gewifjen Grade, der Winter-
port an die freie Betätigung der
Kräfte ftellt, muß doch die Kleidung
eine genügende Gewähr für den
Shut des Körpers bieten, und
dieſes beides unter einen Hut zu
bringen, ift nicht leiht. Sehen
wir zu, wie es gelingt!
Soppe, Weite (auch Gilet genannt),
furze, glatte Hoje aus Woliftoff
jolen die Oberkleidung bilden;
Samt, obgleich ſehr dauerhaft, ift
XIV. Die Bygiene des Sports.
Niro. 839.
nicht ſehr vationell, weil er au | fußlofe Stutzen mit Steg oder die
“lange Feudtigfeit hält, ohne fie
verdunften zu laflen. Die Soppe
fol fo lang fein, daß fie noch den
Unterleib dedt, ohne Falten, ohne
Gürtel, unten möglichſt eng an
ſchließend; fie muß oben zufnöpf-
bar und mit verfchließbarem Kragen
(Spangen!) verjehen fein. Auch
die Aermel follen mittels Spangen
eng zu fchließen fein. A dies,
um 3. B. beim Schilauf oder Rodeln
feinen Schnee hineinzulaffen oder
bei Öletfhermwanderungen genügend
gejhüst zu fein. Die Tafchen der
Soppe, am beiten vier, feien groß
und verſchließbar. Das Gilet ge-
fchlofjen, gefüttert oder von vorn
herein geftridt ; Gilet3 aus dünnem
Rehleder find bei großen Eis- und
Wintertouren, wo man ftarfen
Winden ausgefebt ift, fehr empfeh-
lendwert. Die Kniehofe fol einen
doppelt gefütterten Boden haben.
Ueber die Hofen zieht man lange,
grobmollene, fußlofe Stuten, je:
doch ohne jede Befeftigung in
Form von GStrumpfhaltern oder
ähnlidem; darüber kann man bei
großen Schneetouren Wickel⸗
gamafden tragen. Gamaſchen,
die zum Andpfen oder Schnüren
eingerichtet find, empfehlen ſich im
allgemeinen nicht. Die jehr grob:
mwolligen Strümpfe aus nicht ent-
fetteter Schafwolle find auch bei
ftundenlanger Wanderung im tiefen,
feuchten Schnee gegen Feuchtigkeit
oben genannten Strümpfe, die über
die Endteile der Kniehofe gezogen
werden, und zulegt eventuell die
Widelgamafhen. Die mwollenen
Soden dürfen weder zu groß fein,
um feine Falten zu maden, noch
zu Kein, um die Zehen nicht zu
drüden, noch geftopft oder aus:
gebefjert, um den Fuß nicht zu
verlegen.
ALS Kopfbedeckung einen weichen
Filzhut mit breiter Krempe, unter
dem Kinn mit Bändern zu be—
feftigen, dazu Ohrenklappen oder
ähnliches oder eine Wollmüte, die
ſich durch Herunterklappen gleich:
zeitig als Schneehaube benützen
läßt und dabei Hals und Ohren
ſchützt. Beſondere Aufmerkſamkeit
iſt den Handſchuhen zu widmen,
denn der Schutz der Finger iſt
ebenſo wichtig wie der der Zehen.
Dabei muß immer daran gedacht
werden, daB auch der beſte Wärme⸗
ſchutz fein abfoluter ift. Niemals
vermag er eine Abfühlung der
Körperteile bis zur Umgebung$:
temperatur zu verhüten, wenn in
‚ihnen nicht ftändig Wärme erzeugt
oder, was für die äußerſten Teile
der Gliedmaßen mit ihrer geringen
Wärmeproduftion dag wichtigfte ift,
jolde mit dem Blute aus dem
Körperinnern zugeführt wird.
Darum rüdt jede Störung der
Blutzirfulation, jede Umſchnürung
der Extremitäten, jeder feſte Drud
undurdläffig und enden Gefahr des Erfrierend näher.
entbehrlid. Der Fußſchutz ift ein | Diefer Gefahr wegen, aber auch
außerordentlich wichtiger, auf ihm jchon
um Die unangenehmen
beruht ja die Fähigkeit der Durch: | Empfindungen des Prickelns, der
führung einer Tour, eines Sci-
laufs oder ähnlidem. Und wenn
auf irgend etwas, muß darauf
ftrengjte Sorgfalt verwandt werden.
Dide, aber locker geitridte fog.
Walkſocken find neben Ziegenhaar:
foden die beite Fußbekleidung,
darüber kommen dann geitricte,
eifigen Kälte und des Brennen?
fernzuhalten, ift jedes feſte Strumpf-
band, find Hand und Fuß elaftifch
zufammendrüdende Handihuhe und
Strümpfe zu verpönen. Die Hand:
ſchuhe feien weich und nachgiebig,
am beiten aus Wolle geſtrickt, nur
der Daumen jei getrennt, die
Nro. 840.
übrigen Finger in gemeinjchaft:
liher Hülle, jo daß ſie fich gegen-
feitig mwärmen und frei bemegt
werden fünnen. Bei großer Kälte
empfiehlt es ſich, unter dieſe Fäuft-
linge noch weite mollene Finger:
handſchuhe anzuziehen.
Nur bei alpinen Klettertouren,
wo die einzelnen Finger gebraucht
werben, erleidet dieje Vorſchrift
eine Ausnahme. Stets jollen die
Fäuftlinge lange, gut fchließende
Stulpen haben, die weit über die
Aermel der Jade gezogen werden
fönnen und jo das Eindringen von
Schnee am Handgelent verhindern.
Aehnliche Prinzipien gelten für
das Schuhmerf. Die Zehen
müffen im Borderteil des Schuhes
frei gebeugt und geftredt werden
fönnen, der für fiheres Gehen und
Bermeiden des Borjtoßend der
Zehen beim Bergabgehen zum Bei-
fpiel unentbehrliche feite Sit des
Schuhes muß durch gute Anpaffung
an die Form der mittleren Partie
des Fußes gefichert fein. Jeder
jtetige Drud ift um fo bedenklicher,
weil er mit der Kälte zufammen-
wirkt, um die Empfindungsnerven
zu lähmen, jene Warner, die und
durch den Schmerz rechtzeitig an
die Gefahr erinnern. Das erjte
Gebot, um al dies zu erfüllen,
heißt daher: ein Paar von einem
geſchickten Schuhmader nah Maß
angefertigte, nicht aber ſchon fertig
gefaufte Schuhe! Nie kann der
Fabrikſchuh die Formen des Fußes
treffen, und wenn er anjdheinend
noch fo gut figt! Alſo ein Eräf-
tiger, erſtklaſſig gearbeiteter, waſſer⸗
dichter Schnürſchuh mit breiten,
niedrigen Abjägen, der jo weit fein
muß, daß nod) eine dide Einleg-
johle darin Pla findet, der den
Zehen Spielraum genug gibt, im
übrigen aber genau angepaßt fein
muß, das ift das richtige Schub:
wert! Die Sohlen feft, nicht zu
Dr. Julian Marcufe.
weit über den Rand des Leders
tretend, mit fräftigen Nägeln —
auch ſelbſt -für Schiläufer, wenn:
gleih mande dies aus Schonung
für ihre Schi zu vermeiden ſuchen!
Allein mit Recht fagt Hoek in
feinem Leitfaden des Schilaufs:
„Ein paar Nägel können einen
Menſchen tatſächlich glücklich oder
unglücklich machen, wenn es gilt,
einmal die letzten paar hundert
Meter zum Paß oder Gipfel zu
Fuß zu gehen.“
840. Tracht der Frauen. Für
die Sporttracht der Frauen bei
Berg-Skitouren und ähnlichem
gelten diefelben Prinzipien wie bei
der Männerkleidung. Daß alles,
was die freie Beweglichkeit des
Körpers Hindert, fallen muß, ift
jelbftverftändfihd. Nicht nur das
Korfett, fondern auch jede Einfchnü-
rung der Taille durch Bänder ıc.
ift durchaus zu verpönen. Im
Winde flatternde Röcke erſchweren
jede Bewegung um ſo mehr, je
länger ſie ſind. Der Rock ſoll nur
bis zur Mitte des Unterſchenkels
gehen, Bluſe und Ueberbeinkleid ſoll
aus demſelben Material ſein, aus
dem die Männerkleidung iſt. Für
Skiläuferinnen bewährt ſich nach
den übereinſtimmenden Erfahrungen
aller Kenner dieſes Sports am
beſten folgende Tracht: Als Unter⸗
kleidung geſchloſſene Hofe, am vor⸗
teilhafteſten in Form der halb aus
Seide, halb aus Wolle gefertigten
„Kombination“, als Oberkleidung
eine — nicht zu weite aber dem
Knie genügend Bewegungsfreiheit
geſtattende — gut ſitzende kurze
Hoſe. Für den Oberkörper eine
einfache Bluſe, darüber eine ziem—
lich lange, einfache Jacke. Wer ſich
zu ſeinem eigenen Nachteil nicht
entſchließen kann, in Beinkleidern
zu gehen, dem bleibt nur der kurze,
fußfreie Rock übrig; weite faltige
Pumphoſen machen jede Figur zu
XIV. Die Bngiene des Sports.
einem Zerrbild. Auch die zum Be:
feftigen der Röde und Hofen die:
nende Untertaille ift am beiten aus
poröfem,, die Ausdünftung nicht
hemmenden Stoff. Man forge für
die Möglichkeit ausreichender Durch»
lüftung, andererjeit3 aber treffe man
Borjorge, die Kleider bei Wind
und Wetter abfchließen zu können.
Noch einige über Erſatzkleidungs⸗
ftüde. Für jede Tour, die die
Dauer eines Tages überfteigt, nehme
man im Ruckſack Smeater oder
Zederjade mit, zwei paar Erſatz⸗
handſchuhe, mehrere Soden, min:
defteng ein Baumwollhemd zum ſo—
fortigen Anziehen nad Ankunft in
der Hütte bezw. dem Gajthof; nie
wird man an Erſatzkleidung Ueber:
fluß verfpüren, und je mehr man
zum Wechſeln hat, deito befjer über:
windet man Schwierigkeiten und —
Erkältungen.
Dütetik und Pflege des
Körpers.
841. Anftrengung und Crho:
lung. Die Hygiene des Sports
begreift außer den geſchilderten
Maßnahmen noch eine Reihe von
Momenten in jih, deren Kenntnis
nicht nur wiſſenswert, fondern aud)
vor allem notwendig ift im inter:
eſſe eined gedeihlichen Einflufjes
fportlider Betätigung. In Iofer
Aneinanderreihung jollen dieſe bis—
ber nicht erörterten Bunte hier be=
fproden werden.
An die Spite gehört das Ver:
hältnis zwiſchen körperlicher Betäs
tigung und Erholung, zwiſchen Ar:
beit und Ruhe! Daß der Sport
eine Arbeit ift im vollen Sinne
des Wortes, das haben mir ein-
gangs bereit3 dargelegt. Jede Ar:
beit aber bedarf, follen nicht Ar—
beitsmaſchine und Material früh:
zeitig abgenügt und aufgebraucht
werden, der zeitweiſen Entlaftung
und des Nachſchubs von Brenn:
Nro. 8411—842.
ftoffen und das bejorgt im menſch—
lien Körper die Ruhepaufe, das
längere Ausruhen, der Schlaf und
ähnliches mehr. In al diefen von
wenigen Minuten bis zu Stunden
und Tagen fich erftredenden Arbeits:
unterbrechungen liegt die einzige
Möglichfeit einer Erhaltung der
Leiftungsfähigfeit und damit wird
wohl ohne weiteren erflärenden Zu=
fat die ungeheure Bedeutung diejer
eingefchobenen Rubezeiten far. Ihr
Wertmaß wächſt aber noch in dein
Augenblid, wo wir nicht bloß ein=
fache Arbeitsleiftungen, fondern fol-
che von höchſter Anſpannung vor ung
baben,alfo alpineAufgaben ſchwerſter
Natur, Refordläufe, Regatten ıc. ıc.
Hier würde man nicht bloß aufs
ſachgemäßeſte feine Kräfte vor der
Entjheidung zu verwalten haben,
fondern auch während derjelben und
unmittelbar nachher diejelben zu
rechter Zeit und mit rechten Mit:
teln walten laſſen bezw. für den
Erfa der verloren gegangenen
Sorge tragen. Alfo mit anderen
Worten, man wird die Zeit vor
und nad dem fportlihen Kampfe
der Natur durch einen tiefen, Träf-
tigenden Schlaf zu ihrem Rechte
verhelfen und wird während des:
felben jede Gelegenheit nüßen, um
eine Pauſe eintreten zu laſſen, um
ruhig zu atmen, um eventuell durd)
Zuführung feiner Mengen von
Flüfjigfeiten (lauwarme Mild,
leichte Teeaufgüffe mit Zitrone und
Zuder u. dergl. m.) Erſchöpfungs⸗
zuftände abzuwehren. Seder ernite:
ren Unternehmung muß mithin eine
ungejchmälerte Nachtruhe voran:
gehen.
842. Diätetik vor und während
der Tour. Nichts ift fehlerhafter
und verhängnisvoller ald nad) durd)-
fneiptem Abend in der Frühe des
Morgens eine Bergtour? overfähn
liche® anzutreten! Nie fol man mit
nüchternen Magen fih zum Auf:
Nro. 843-844.
bruch anjdiden; was man aud
vorhat,ein Heiner Imbiß, ein Schluck
warmen Getränkes ift dringendft
notwendig. Man gehe bei Berg-
wanderungen nie heftig, jondern
gleichmäßig fortfchreitend, atme mög:
licht durch die Nafe, made, wo es
irgend angeht, bei fchwierigeren Be⸗
fteigungen Heine Paufen, um das
Herz zur Ruhe kommen zu laffen,
größere vor der Snangriffnahme
befonderg jchwieriger Stellen! An
erponierten Stellen, an denen man
ausruht, auf den Bergesijpigen, die
man erklommen, ſchütze man ſich
gegenüber den ſcharfen Windftrö-
mungen durch mitgeführte Loden-
fapes, Smweater oder dergl. Man
wechſle fofort, nachdem dag Ziel er:
reicht, in der Hütte oder dem Quar⸗
tier jeine Wäfche und zwar bevor
diefelbe am Körper zu trocknen be:
ginnt. So ſehr beim Mari und
der dabei geleijteten Mustelarbeit
dieſe Einflüffe paralyfiert werden,
jo gefährlich ift die von Schweiß:
waſſer durchfegte Wäſche am ruhen:
den Körper, jo dringend notwendig,
ih ihrer jofort bei gegebener Ge:
legenheit zu entledigen. Auf Hütten
und in Unterfunftsftellen denke man
an den nächſten Morgen und an
deffen Anforderungen, man kürze
den Schlaf um feine Minute! Und
ift man nad) alledem glücklich wieder
beimgefehrt, dann ift das erſte, was
man nach mehrtägigenWanderungen,
nach anſtrengenden Schitouren und
ähnlichen Strapazen -zu tun hat,
daß man ein heißes Reinigungsbad
nimmt. Nichts ift imftande, ganz
abagefehen von der notwendigen
Spülung der Haut, eine folde Er-
frifdung und Entlaftung von
Schlafen zu geben wie dieſes.
Schäden im Hnfdlufs an
Iportlide Uebungen.
843, Allgemeines. Ein eigenes
Kapitel, bisher nur vorübergehend
Dr. Yulian Marcuſe.
gejtreift, aber von fol ausſchlag⸗
gebender Bedeutung, daß es einer
gefonderten Darftelung und der
ernftejten Berüdfichtigung bedarf.
Führt der Sport, wie in einer
Reihe von Abfchnitten auseinander:
gefett, in feiner Beeinfluffung faft
aller Organiyfteme zu einer Kräf⸗
tigung und Wiedergeburt an Leib
und Seele, fo it jeine Daſeins—
beredtigung, ja feine unbedingte
Notwendigkeit erwiefen! Führt er
dagegen zur Schädigung, zur Ve⸗—
einträchtigung auch nur eines Or:
gang oder einer Funktion, jo tjt er
zu meiden, ja ſogar als unnützlich
auszumerzen. Auch bier liegt wie
in faft allen Fragen und Gemwohn-
heiten des Lebens die Entjcheidung
in den Händen des einzelnen: Wie
jeder Sport treibt, wie er Arbeit
mit Ruhe wechſeln läßt, wie er die
Fingerzeige der Natur und der
eigenen Warnungszeichen beachtet,
wie er fein Leben im Hinblid auf
jportliche Betätigung geftaltet, davon
hängt Nuten, hängt Schaden für
ihn ab! Rationell betrieben wird
der Sport zur höchſten Steigerung
der Körper: wie Seelenfraft, irratio:
nell betrieben zur Bergeudung der
Kräfte, zur Shwädung beftimmter
lebendwichtiger Organe und damit
zur allgemeinen Herabjegung der
Widerjtandsfähigfeit und Gefund:
heit. Und zwar find e8 ganz be=.
ftimmte Gewebsgruppen im menſch⸗
liden Organismus, die in erjter
Reihe davon betroffen werden und
Schaden nehmen, die Muskeln, dag
Herz und die Blutgefäße und die
Nerven.
844. Neberanftrengung der
Muskeln. An den Muskeln, den
Gradmefjern des Wohlbefindens,
treten die frühelten Erfcheinungen
übermäßiger Törperlider Anſtren⸗
gung auf, und fie äußern fi in
einem bodgradigen Ermüdungs-
gefühl, in Zittern und ſchließlich in
XIV. Die Bygiene des Sports.
Muskelkrämpfen, die jedwede wei-
tere Leiftung unmöglich maden. In
den äußerften Graden bei wieder:
holter erzejfiver Anftrengung Tann
e3 jogar zu direkten Musgfelverän-
derungen im Sinne eine Gewebs⸗
zerfalles kommen. Dieje Anzeichen
einer maßlofen Inanspruchnahme
der Kräfte, wie ſie ſich zuerft in
den tiefen Ermüdungsgefühlen zei-
gen, können mit Willensfraft, ſtarker
Gemüt3bewegung und etwaigen
äußeren Hautreizen, wie Einreibung
der Glieder mit Franzbranntwein
und ähnlichem wohl überwunden
werden, bejonderd dann, wenn es
fih um vereinzelte, einmalige At⸗
taden diefer Art handelt. Folgen
fie aber hinter einander oder wer:
den fie in Eleineren Zwifchenräumen,
ungeadtet der Warnzeichen herauf:
beſchworen, dann tritt ein Zujtand
chroniſcher Ermüdung auf, der jo
leicht nicht mehr ſchwindet, und der
vor allem jelbft die Heberwindung
tleinerer Strapazen zu erjchweren,
ja fogar unmöglich zu machen droßt.
Schmere Uebermüdung alſo bedarf
eines Ausgleih3 von Tagen und
Wochen, ehe man wieder an die
„Arbeit“ geht, fie bedarf der Scho-
nung, jonjt wird Hebung zum Miß-
braud. Am faljcheiten und anfecht-
barjten vom gejundpheitlichen Stand⸗
punkt aus ift die Sudt der groß:
ftädtifchen Jugend, den freien Sonn⸗
tag zum Tummelplaß aller nur er-
denkbaren ſportlichen Ausfchrei-
tungen zu maden! Da wird nad)
halb oder ganz durchzechter Nacht
bei Morgengrauen aufgebrochen,
Thlaftrunfen in die Dämmerung
bineingefahren und am Ziel ange:
langt nun den Tag über drauf lo8-
gewirtjchafte. Dann kommt man
am fpäten Abend, kaum der Glieder
und Sinne mädtig, heim, und am
nächſten Tag joll die Berufsarbeit
der Woche anheben. Das ift nicht
Sport, das ift Mord! Wer nicht
Nro. 845.
lernt, mit feinen Kräften hauszus
halten, die Anftrengungen zu ver-
teilen und zwifchen Uebung und
Erholung zu wechfeln, und wer vor
allem nicht daran denkt, daß der
Ruhetag der Woche nicht mit einer
anderen anftrengenden Arbeit aus:
gefüllt werdendarf,der wird die wohl⸗
tätigen Folgen fportlicder Uebung
nie an feinem Körper erfahren, ſon⸗
dern nur ein Heer außerhalb ver:
lebte und durchlebte Tage zu den
anderen zuadbdieren können!
845. Meberanitrengung de?
Herzens und der Gefühe. Das
Herz ift befanntlich auch ein Muskel⸗
gebilde, dag fich zufammenzieht und
ausdehnt, aber wie ſchon in den
Eingangsfapiteln erwähnt, dem
Willen entrüdt if. Während nun
regelmäßige Mebung der millfür-
lihen Muskeln befanntlid) eine
Mustelzunahme bewirkt und dieſe
eine Stärfung de3 ganzen Muskels
bedeutet, ift die durch ſehr ftarfe
Smanfpruchnahme herbeigeführte Zu=
nahme des Herzmugfeld eine ſehr
unerwünſchte Begleiterjcheinung, be⸗
greift ſie doch eine geringere Wider⸗
ſtandsfähigkeit des Herzens in ſich
und führt zu Herzausdehnungen,
die eine Veränderung dieſes wich—
tigften aller Organe und zwar im
ungünftigen Sinne zur Folge haben.
Solche Herzerweiterungen hat man
bei Menſchen, die den Radfahrfport,
den Schilauf, den Bergiport in über:
triebener Weife getrieben haben,
zahllos konſtatieren können und die
Folge davon war, daß diefelben
nicht bloß gezwungen wurden, jed⸗
weder ſportlichen Tätigkeit zu ent-
jagen, ſondern auch Jahre lang mit
der Schonung des überangeftrengten
Herzmuskels zu tun hatten. So
berihtet Bed in feiner Arbeit
„Zouriftit und Herz“ über 31 im
mittleren Lebensalter ftehende junge
Männer, die er unter dem Einfluß
des Bergſteigens direkt beob⸗
5
—_—— 1m
Niro. 846.
achten Gelegenheit hatte, und die
ohne jede voraudgegangene Erfran-
fung oder Veränderung lediglich in-
folge des zu Herzklopfen und Atem⸗
not führenden Bergfteigeng Herz⸗
ermweiterungen aufwiejen. Dasſelbe
wurde bei Schweizer Rekruten, die
Schwierige Bergtouren zu maden
hatten, bei Teilnehmern an Dauer-
märſchen 2c. 2c. feſtgeſtellt; anderer
feit3 fand man auch wiederum in
jüngfter Zeit bei Wettſchwimmern,
bei Gehſportchampions direkte Herz-
verkleinerungen unter dem Einfluß
der erzefliven Anftrengung, und
wenn diefe Frage nah dem Wefen
der Veränderung au noch nicht
ganz einwandfrei geklärt ift, jeden
falls fteht das eine feft, daß dauernde
Ueberanftrengung, wie fie ſich Durch
Herzklopfen und Atemnot bemerkbar
madt, zu Veränderungen führt, die
eine Einbuße an SHerzfraft und
Widerſtandsfähigkeit bedeuten. Und
damit fteht in engem Zuſammen⸗
hang die ungünftige Beeinflufjung
der vom Herzen abhängigen Ges
fäße: die fräftigen Zuſammen⸗
ziehungen der Musteln treiben dag
Blut beſchleunigt durch die Adern.
Dr. Julian Marcufe.
846. Meberanftrengung des
Nervenſyſtems. Und als legte un⸗
günftige Einwirkung ſportlicher
Ueberanftrengung ift die auf das
Nervenſyſtem zu betradten. Auch
bier dient die wiſſenſchaftliche Unter⸗
judung auf beftimmte, beim ge=
funden Menſchen vorhandene Er-
ſcheinungen als Maßſtab für Die
unſchädliche oder ſchädliche Wirkung
ſportlicher Betätigung. Man prüfte
Radfahrer nach einem Rennen,
Wettgeher nach einem 40 Kilometer⸗
marſch, Teilnehmer des Wettlaufes
von Marathon nach Athen und fand
faſt bei allen ein Erlöſchen, min⸗
deſtens aber eine weſentliche Herab⸗
ſetzung der Sehnenreflexe. Dieſe
Störungen zeigten, wie das Ueber⸗
ſtehen einer beſonderen Leiftung
noch lange nicht ihre Unſchädlichkeit
beweiſt. So weiß man z. B. auch,
daß ein Bergſteiger, der ſich ſtunden⸗
lang an einen Baumaſt anklammerte,
um nicht in die Tiefe zu ſtürzen,
eine Lähmung der Arme davontrug,
daß ein anderer, der ſich auf einer
vorſpringenden Felskante mit einem
Beine ſtehend erhalten mußte, eine
Lähmung dieſes Beines erlitt und
Da aber Herz und Lungen dieſem ähnliches mehr. Auch bei Tieren
Anprall nicht in gleicher Weiſe nach- hat man erperimentell durch er⸗
kommen können, erreicht der Druck
in den Arterien eine gefährliche
Höhe, er ſteigt weſentlich und damit
treten Zirkulationsveränderungen
ein, die für die Dauer durchaus nicht
gleichgültig ſind. Alles in allem
reſultiert aus übertriebenen und die
individuellen Kräfte überſteigenden
Uebungen, wie ſie durch falſchen Ehr⸗
geiz, brennenden Wetteifer und
Ueberſchätzung der Kraft oder aus
Leichtſinn und krankhafter Waghal⸗
figfeit unternommen werden, Schä-
den, die in vielen Fällen nicht mehr
auszugleichen find, aufjeden all aber
eine Hemmung der Gefundheit und
der Leiftungsfähigfeit wenn auch
nur vorübergehend im fich fchließen !
jhöpfende Arbeiten nachträgliche
Erkrankungen der in Betracht kom⸗
menden Bewegungänerven hervor:
rufen können und die mikroſkopiſche
Unterſuchung ergab dann einen rich⸗
tigen Aufbrauch, einen Zerfall der
Subftanz der Nervenbahnen. No
wichtiger als dieſe praktiſch Doc
nicht alzubäufigen Fälle find die,
in denen eine Anftrengung zu Schä=
digungen führt, bei denen man nicht
von einem Uebermaß der Anforde-
rung reden kann. Da wird 3. B. der,
der nad einer Lungenentzündung
wieder ganz wohl ift und dem
Tennisſpiel fi widmet, von einer
Armlähmung befallen. Ein gleiches
gilt von den anderen Krankheiten,
XIV. Die Bygiene des Sports.
die die allgemeinene Konftitution
beeinträchtigen, dann befonder® von
Krankheiten, die die Nerven befon-
ders anzugreifen pflegen wie Zuder-
harnruhr, Malaria und gemifie
Gifte, wie Mutterforn, Blei und
vor allem Alkohol, der beſonders
dadurch gefährlich wird, daß er ge-
nommen wird, um über die mar:
nenden Ermüdungserſcheinungen
Binwegzutäujhen. AU dieſe dis⸗
ponierenden Momente steigern die
Zerfallämöglichkeit in den Nerven
außerordentlid und verlangfamen
andererjeit3 den Wiedererjat. Es
genügen in foldden Fällen ganz un⸗
ſcheinbare Urfadhen, um einen nach⸗
baltigen Nervenverfall auszulöfen.
Aehnlich wirkt die familiäre ange-
borene Dispofition, jo daß ed ganze
Familien gibt, in den die einiger:
maßen Starke Inanfpruchnahme der
Nerven von einem gefährlichen, oft
ohne Warnungsfignale, meift aller»
dings erſt nach einem ſolchen erfol-
genden Verſagen quittiert wird.
Es dreht fih nun um die Frage,
wann tritt Weberanftrengung ein,
d. 5. wann bleibt der Erjag der
Nervenfubitanz hinter dem Berbraud
jzurüd. Die Antwort ift nie gene-
rell zu geben, fondern jeweils nur
auf Grund der Abſchätzung der in:
dividuellen Leiftungsfähigfeit.. Es
kann fi nur darum handeln, Hin-
weije dafür zu geben, daß folde
Ueberanftrengungen gar nicht fo weit
Niro. 847.
geichloffen wird, daß die Folgen
nit fofort einzutreten brauchen,
daß es gewiſſe Verhältnifie gibt,
die eine bejondere Dispofition zur
Schädigung fchaffen. Wir willen,
daß der Organismus feine Gefete
hat, daß er auf Anforderungen mit
Erhöhung feiner Leiftungen reagiert.
Aber dieſe „Zrainierfähigteit” bat
ihre Grenzen, von einem gewifjen
Punkt an beginnt aud für den
Körper das mechanische Geje ver
Abnützung!
847. Rückblick. Praktiſch iſt
alſo aus Obigem zu entnehmen,
daß ebenſowenig wie es ein Alle
heilmittel für alle Krankheiten oder
ein Allſchutzmittel gegen alle Schä⸗
digungen gibt, ſo auch der Sport
oder jede Art von Sport nicht
für jeden oder nicht in gleichem
Maße für jeden zuträglich iſt.
Auch bier heißt es zu individuali-
fieren nach der perfönlichen Art, zu
individualifieren in der Quantität
wie in der Qualität des Sporte?.
Wer Golf mit dem beften Erfolg
treiben kann, für den ift Berg-
fteigen und Skilauf ein Schaden,
der eine verträgt Rudern nicht,
wohl aber Segeln, der andere Fuß⸗
ball nicht, wohl aber Tennis! Eine
befonder8 ernjte Warnung liegt
aber in dem angeführten Tatjachen-
material, dag fich leicht erweitern
läßt, gegen alle Sportfererei und
| Refordfudht, mo der Sport nicht
außerhalb des Möglichkeitäbereiches | mehr der körperlichen und geiftigen
liegen, wie vielfach aus der jubjel-
tiven momentanen Unempfindlichfeit
Auffrifhung dient, fondern Selbit-
zweck krankhafter Eitelkeit wird!
PRRERERFERERERERERTERTERERERERTT
XV. Erfte Hilfeleiftung bei fportlichen
Unfällen bis zur Ankunft des Arztes.
Von
Dr. Julian Mareufe.
Erfte Dilfe bei äufseren
Verletzungen.
848. Berlegungen der Weich⸗
teile. Unzählig häufig entjtehen
auf dem Sportgelände oder Sport-
plate Weichteilverlegungen, ſei es
daß eine ftumpfe Gewalt auf den
Körper einwirkt: der Anprall des
nicht parieyten Fußballes, ein Fall
auf der Eisbahn, ein Umknicken
beim Schilauf, ein Abſturz vom
Barren, vom Pferde, vom Beloci-
ped, kurzum eine Unjumme von
Möglichkeiten, fei ed, daß ein
jpiger, barter oder reifender
Gegenſtand unferen Körper trifft:
das Erfaflen einer Felsſcharte beim
Klettern, das Abgleiten auf einer
Moräne, das Fallen gegen einen
- Stein oder Baumftamm beim Ro:
deln, ein unrechter Stoß gegen un:
gefhügte Körperteile beim Fechten
und wie die Dinge alle fich zutragen
mögen. In dem einen Falle wird
es zu Duetjchungen der Weidhteile
ohne Hautverlegung, in dem anderen
zu Hautdurdtrennungen und Wun⸗
den fommen, dort erfolgt die Blu⸗
tung unter die Haut, bier ergießt
fi der Blutſtrom nad) außen, bald
ftärfer, bald ſchwächer, und im
Vordergrunde des Unfalls fteht die
Blutung. So viel Möglichkeiten, fo
viel verjhiedene Wege zum Ein-
greifen und zur kunſtgerechten Hilfe-
leiftung !
849. Duetfchungen und Zer-
rungen. Das Charalteriftilum der
Quetſchung, deren Zuftandelommen,
wie ſchon erwähnt, durch die Ein-
wirkung einer ftumpfen Gewalt er-
folgt, ijt ein Bluterguß unter die
Haut, der ji Außerli vor allem
durh eine Anfchwellung der ge=
troffenen Körperpartie bemerkbar
madt, die jchmerzhaft ift, zur Un-
beweglichkeit führt und je nah dem
Grade der einmwirtenden Gemalt
zwiſchen leichter Rötung und tief:
blauer Berfärbung der Haut alle
Nüancen durdläuft. Beireffen fie
nur die äußeren Weidhteile, jo find
fie im großen und ganzen harmlos
und erfordern weiter nicht als
Ruhigſtellung des gequetjchten
Gliedes — an den oberen Glied-
maßen legt man eine Schlinge an
— und feudtlalte Aufichläge , die
am einfadften durh in kaltes
Waſſer getauchte Tücher bergeftellt
werden. Werden Gelenke gequeticht,
fo ſpricht man von Verſtauchungen;
über dieſe ſpäter im Anſchluß an
die Schilderung der Knochenver⸗
letzungen.
Zerrungen ſind Muskeldehnun⸗
gen, zuweilen auch leichte Muskel⸗
XV. Erſte Bilfeleiffung bei [porklichen Unfällen efc.
zerreißungen; fie äußern fi in
einem plöglich auftretenden heftigen
Schmerz und der Unfähigkeit, den
betreffenden Körperteil zu bewegen.
Sie treten meift durch eine un=
rechte Bewegung ein, denen der
betreffende Muskel nicht nachzu⸗
kommen im ftande ift; leichte maj-
fterende Streihungen, wenn man
eine fpirituöfe Flüffigfeit hat, eine
Einreibung der gezerrten Stelle mit
derfelben find die im Augenblid
des Eintreten? anzumendenden
Maßnahmen. Quetſchungen fönnen
aber auch den Schädel, die Wirbel⸗
fäule, Bruſt und Bauch treffen,
und da alle dieje Regionen jehr
empfindliche Körperteile beherbergen,
fo können Erjchütterungen und Ber:
reißungen im Innern eintreten.
Mir fprehen dann von Gehirn:
und Rüdenmarlerfchütterungen, von
Zungenblutungen, Milz und Darm⸗
jerreißungen und ähnlichem mehr.
Alle dieſe Zuftände find äußerft
gefährlich und Tennzeichnen ſich dem
Laien vor allem durd eine Reihe
fchwerer und das gejamte Ausſehen
verändernder Allgemeinerſcheinun⸗
gen: Solche Verletzte werden blaß,
ohnmächtig und bewußtlos, die At-
‚mung wird oberflädli und un=
regelmäßig, der Puls ganz Klein,
bei Gebirnerfhütterung tritt meift
Erbreden, oft au Naſen⸗ und
Obrenblutung ein.
Das erfte und wicdtigfte, was
bei dieſen Zuftänden zu tun ift und
nie verabfäumt werden darf, ift
fofortige Horizontallage des
Körper, wo ed auch immer jei,
und Deffnung ſämtlicher Kleidungs-
ftüde. Jede Beengung der Atmung
muß aufgehoben, dem Herz durd)
die Tieflagerung die Möglichkeit
gegeben werden, genügend Blut
zum Hirn zu treiben. Nie darf
ein Ohnmächtiger und Bemußtlofer
mit ſchwachem Blut in die Höhe
gerichtet werden, man würde da—
ro. 850.
durch nur eine Verſchlimmerung des
Zuftandes dur noch ftärfere Blut-
entleerung des Kopfes herbeiführen.
Der Berlegte wird dann, möglichft
am Drt des Unfall®, auf Deden
oder untergelegte Kleidungsſtücke
gebettet, mit Waſſer gegen Geficht
und Bruft fleißig befprengt und fall?
die Atmung ſchwächer wird und zu
ſtocken anbebt, der künſtlichen
Atmung unterworfen (ſ. Nro. 866).
Fängt er an, ſich zu erholen, jo
reihe man ihm etwas Kognaf oder
Wein — friſches Waſſer tut es
auch — und was man von Bes
lebungsmitteln mit fich führt (Hoff:
mann? Tropfen, Meliffengeift oder
ähnliches). Bei dieſen geſchilderten
ſchweren Unfällen ift ein Tran?:
port nur im äußersten Notfall vor-
zunehmen, in jedem anderen ein
Arzt zur Unfallitelle zu zitieren. Sit
man gezwungen zu transportieren,
fo muß ſowohl beim Aufheben wie
beim Lagern auf der improvifierten
Tragbahre das obige Gebot, den
Körper des Verletzten nicht hoch zu
richten, nad) wie vor aufs ftrengjte
beachtet werden. Zu diefem Zwecke
bebt man den Kopf, die Schulter:
blätter, das Gefäß und die Füße
— das find die vier Angriffgpunfte
für die Träger — gleihmäßig und
leicht in die Höhe und bettet den
Berlegten in derjelben. | honenden
Weile auf der Bahre.
350. Wunden. Wie fchon er-
mwähnt, handelt es fich hierbei um
Durchtrennungen der Haut und da=
mit um Bloßlegung der darunter
gelegenen Weichteile und eventuell
auch Knochen. Zwei Dinge find eg,
die jeder Wunde den Charafter
einer Gefahr verleihen: Einmal die
MWundverunreinigung durch Ein
dringen von Giftfeimen und mweiter-
bin die Verblutung. Das Eindringen
diefer Keime erfolgt aber fehr viel
mweniger dur die Berührung der
bloßgelegten Haut mit der Luft als
Niro, 851,
durch die Berührung der Wunde mit
Ihmusigen Fingern und ſchmutzigen
Verbandftoffen oder Tüchern. Alfo
it peinlidfte Sauberfeit die
abjolute Borbedingung für jede
Wundbehandlung. Die Berblutung
ift die zweite Gefahr, die natürlich
nur dann eintritt, wenn es fih um
größere Adern oder deren Aeſte
handelt; ihr iſt zu begegnen durch
die Blutftillung.
Sit eine Verlegung mit offener
Dr. Julian Marrufe.
Modus jeiner Anlegung in einem
päteren Abfchnitt (Nro. 853).
851. Blutftilung. Eine eigene
und kunſtgerechte Blutjtilung iſt
dann erforderlich, wenn eine größere
Schlagader (Arterie) verlegt ift,
und das kennzeichnet fich durch eine
in weiten Bogen fprigende Ent-
leerung des Blutes; die ftoßmeije
— entjprehend der BZujammen-
ziehung des Herzens — erfolgt.
Denen (d. 5. Blutadern) jprigen
421. Heilung einer Wunde
Aus Esmarch, Erfte Hilfe.
durch Derflebung.
Wundbildung erfolgt — und das
untrüglide Zeichen hierfür ift Die
Blutung — fo muß vor allem, und
das iſt das erjte Beginnen, die blu-
tende Stelle freigelegt, d. 5. jed:
wedes darüber gelegene Kleidungs-
ſtück, wenn erforderlich gewaltjam,
entfernt werden. Nun werden die
Hände gründlichft gereinigt — wo
warmes Waffer und Seife zur Hand,
mittelft diefer, mo nur faltes zur
Verfügung, muß man fi) damit
begnügen, und wo auch diefes fehlt,
nehme man Schnee, Ei oder mit:
geführte jpirituöfe Flüffigfeiten —,
vor allem muß aud der Schmuß
unter den Nägeln entfernt werden,
und nun beriefele man die Wunde
mit reinem Waffer (au) bier muß
in Ermangelung deſſen Schnee
herangezogen werden, aud) Brannt-
wein ijt ein Desinfeftiongmittel),
entferne etwa eingedrungeneSchmuß-
vartifelden, Kleidungsfafern ıc., und
ſchließe ſie durch einen Verband.
Ueber dieſen jelbft, feine verfchie-
denen Formen und Arten, den
durch Eiterung.
zuweilen au, aber nie ſtoßweiſe
fondern gleihmäßig, meift aber
rinnen fie um ein großes Led und
überfluten die gefamte Mundfläce
mit Blut. Venenblut ift duntel-
rot, Arterienblut hellrot, dem Un:
geübten fommt dies jedoch Taum
zum Bemwußtfein. Kleine, ſchwache
Blutungen bedürfen feiner be-
fonderen Stillung, fie werden durch
einen fejt umjchließenden Berband
bald unterdrüdt. Jede größere
Blutung aber erfordert fofortiges
und funftgerechtes Eingreifen, denn,
felbit wenn es zu feiner direkten
Verblutung fommt, ift doch jeder
größere Blutverluft ſchwächend und
die Gefundheit beeinträchtigend.
Bei der Blutftilung unterjcheidet
man binfichtlich der anzumendenden
Maßnahmen zwischen Venen- bezw.
Haargefäßblutung — das find die
Heinjten Endausläufer der Blut-
gefüße — und Arterienblutung,
jede für fich erfordert ihre eigenen
Maßnahmen. Bei ftärferer Blutung
aus den erjteren Gefäßen entferne
XV. Erfie Bilfeleiflung bei ſportlichen Unfällen efc.
Nro. 851.
man vor allem jede oberhalb der | fordern eine weit höhere Aufmerf:
Wunde befindlide Einfhnürung
(ſo an den Beinen etwaige Strumpf:
bänder), dann halte oder lagere
man das betreffende Glied hoch,
und zwar fo lange, bis die Blutung
422. Derlegte Schlagader.
Aus Edmard, Erſte Hilfe.
völlig fteht, bejpüle die blutende
- Stelle mit faltem Waffer, Eis ꝛc.
und umſchnüre fte feit mit einem
in kaltes Waffer getauchten, fauberen
Tuch. Bei allen Berlegungen an
den Gliedmaßen fteht die Blutung
um fo jeöneller, je höher dag vers
legte Glied gehalten wird. Go:
fortige Hochlagerung ift oft fogar
allein ausreichend, vor allem bei.
Blutungen aus Krampfadern. —
Dieſen Maknahmen gegenüber treten
alle anderen zurüd, felbft die Be-
derung blutender Stellen mit Eifen-
chloridwatte ift nicht fo ratjam, wie
das oben angegebene Verfahren. —
Die Verlegungen derSchlagadern
find wefentlich gefährlicher und er-
famteit und Belämpfung. Sprit
durch eine Verlegung eine Ader in
hellrotem Strahle auf, jo gibt es nur
ein Mittel, dag ift: den Finger
drauf. Mittels feiten Drudes ſteht
. wenigſtens vor>
übergehend jede
Blutung, und
das ift im
Augenblid der
Entjtehung des
Unfal das
erfte und wich⸗
tigfte Begin⸗
nen. Natürlich
muß der Finger
durchaus rein
fein: Hat man
alfo noch Zeit,
fich peinlichit zu
fäubern, fo tue
man dies, an⸗
dernfalls neh⸗
me man einen
zu Händen be—
findlihen Wä—
ſchegegenſtand
(ein ſauberes
Taſchentuch, Halstuch oder dergl.)
| odrr ein Baufch Watte, und,übe da-
mit den zufammenprefjenden Drud
aus. Ye vollftändiger dies erfolgt,
um jorafcher tritt Gerinnung undda=
mit das Aufhören der Blutung ein.
Da mo die blutende Schlagader
oberflächlich gelagert ift — an der
Scläfe, dem Unterkiefer, am Hand-
und Fußgelenk — Tann man, denn
der fortlaufende Drud des Fingers
ift fehr ermüdend und läßt fi nur
eine Zeitlang durchführen, zu kom⸗
primierenden Notverbänden greifen.
Man maht aus Leinwand vder
Watte einen Knäuel (Tampon),
drüct ihn gegen die blutende Stelle
und bindet ihn mit einem Tuche
feft, aber jo feft, daß er wirklich
die verlegte Stelle zufammenpreßt,
am beften indem man dieſes Tuch
423. Derlegte Dene
(Blutader). Stauung
durch Strumpfband u.
abhängige Kage.
Aus Edmard,
Erſte Hilfe.
Nero. 851.
Dr. Iulian Marrcufe.
dicht oberhalb der Läfion Inotet. | — man verfäume nie viel Zeit mit
Man Tann auch für diefe Zwecke
ein Geldſtück (5- oder 3 Markſtück),
einen fladen Stein, ein Stüd
Baumaft nehmen, in ein Tafıhen-
tuch einfchlagen und umbinden.
AN dies ift ausführbar an ober-
flählih gelagerten und daſelbſt
verlegten Blutgefäßen, mehr oder
minder unwirkſam dagegen bei in
der Tiefe liegenden und dem Ge-
fihtöfeld entzogenen Verletzungen.
Hier wird man entweder verſuchen,
die betreffende Arterie gegen einen
424. Knebelpreffe.
Aus Esmarch, Erfte Hilfe.
in der Nähe befindlichen Knochen
zu drüden und in dieſer Stellung
anzubandagieren oder aber bei
Gliedmaßen durch Beugung der:
jelben das blutende Gefäß gewiſſer⸗
maßen abzutniden oder fchließlich
den Stamm der blutenden Ader zu
verfolgen und diejelbe abzufchnüren,
Se nach Körperregion und Lage
fommen aljo die verfciedenften
Methoden zur Anwendung, die wir
der Reihe nach verfolgen wollen.
Bei Blutungen an der Hand RK
und dem Vorderarm, die auf
direkten Druck nicht zu ftilen find
unnützen und gegenüber der Stärte
der Blutung von vornherein aus:
ſichtsloſen Manipulationen — ſchiebe
man in die Mitte des Dberarmes
einen feſten Gegenftand — ein
Stück Holz als Knebel oder auf
in Crmangelung desſelben einen
Stein — und binde den Arm feft
an die Bruft mittelft eines Tuches.
Dadurh wird die Schlagader des
Armes zwiſchen Knebel und Ober:
armknochen zujfammengepreßt und
fann fein Blut mehr zur verlegten
425. Knebeldrud.
Aus Esmarch, Erfte Hilfe.
Stelle entleeren. Die eben ge—
nannte Hauptfchlagader des Armes
liegt in der Mitte an der Sinnen
jeite degfelben, da wo der Muskel⸗
bauch, der den Oberarm einnimnt,
fi von darunter liegenden Knochen
abheben läßt.
Bei Blutungen in der Achſel—
gegend ſucht man eine Stelle
auf unterhalb etwa der Mitte des
entjprehenden Schlüffelbeines und
drüdt die Ader nad unten gegen
die erjte Rippe.
Blutungen am Halfe — mit
die gefährlichfte Stelle am ganzen
örper — drüdt man die etwas
auswärts von Kehlkopf und Luft-
röhre gelagerte Ader, da wo der
XV. Erfie Bilfeleiltung bei [porflichen Unfällen efr.
vom Hals zum Unterkiefer ziehende
Musfeljtrang feine äußere Grenze
hat, kräftig gegen die Wirbelfäule
und halte fie dort feit.
Bei Blutungenan Oberſchenkel
verfährt man in derjelben Weife,
426. Singerdrud auf die Schlüffelbein:
fchlagader.
Aus Esmarch, Erſte Hilfe.
indem man die in der Mitte der
Leiſte dicht unter derjelben liegende
Ader gegen den Oberſchenkelknochen
drüct, dasfelbe gejchieht am Unter:
ſchenkel und Fuß.
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+27. Singerdruf auf die Halsjchlagader.
Aus Esmarch, Erfte Hilfe.
- Führt diefe Methode der Zus
fammendrüdung der oberhalb der
Wunde gelegenen Pulsadern, die
man an Ellbogen und Knie nod)
Nro. 851.
dur eine forcierte Beugung der
betreffendenGliedmaßenunterjtügen
fann, nicht zum Biel, dann ijt es
notwendig, eine zeitweilige Ab—
Ihnürung des betreffenden Körper-
teile8 vorzunehmen. Kunftgerecht
erfolgt das mit einer elaſtiſchen
Binde oder einem Gummifchlaude,
in Ermangelung vesjelben bedient
man fich der Hojenträger oder aud)
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428. Elajtifcher Kurt als BHofenträger.
Aus Esmarch, Erjte Hilfe.
eines einfachen Tajchentuches, das
mitteljt eines dazwiſchen hinein—
gebundenen Holzftüdes (man fanı
auch einen Stod, ein Tafchenmefjer,
einen Schlüfjel dazu nehmen), zu
einer Art Knebel gejtaltet wird.
Bei der Umſchnürung eines Glie:
des ijt jedes halbe Handeln falich :
Wenn man fich einmal angefichts
der Lebensgefahr dazu hat ent—
ihließen müfjen, darf nur ganze
| Arbeit geleitet, d. h. eine wirkliche
Abſchnürung erzielt werden.
Aber die Zeitdauer dieſer Ab—
Ihnürung ift begrenzt: 1’, Bis
höchſtens 2'/, Stunden kann man fie
liegen lafjen, dann muß fie ent-
fernt werden, ſonſt bejteht die Ge—
fahr des Brandigmerdend des ab—
gejchnürten Teiles.
In diefem eben geſchilderten
Rahmen bewegt fich die Methodik
der Blutftilung! Iſt dieje erfolgt,
Nro. 852—853.
bat alfo das gebildete Blutgerinnfel
die Ausgangsöffnung des verletten
Blutgefäßes verfperrt, dann wird
die Wunde forgfältig verbunden.
Es erübrigt noch im Anfchluß
daran einige andere Blutungen und
deren erſte SHilfeleiftung zu ffiz-
zieren und zwar handelt es ſich
hierbei um Blutungen aus dem
Innern des Körpers, aus der Nafe,
den Lungen und dem Magen.
852. Nafenbinten. Ein fehr
häufiges Vorkommnis, meift durch⸗
aus harmlos, aber recht läftig und
ftörend. Bei Nafenbluten auf dem
Marie oder während
der Tour einen Rube-
punkt ſuchen, die Klei-
dungsftüde — vor allem
am Hals — öffnen, faltes
oder Eiswaſſer einziehen,
über die Nafe ein Taltes
in Wafler oder Schnee
getauchtes Leinwand»
läppchen legen, den Kopf
ruhig und etwas nad)
hinten gebeugt halten.
Hilft Dies nicht, jo ma⸗
che man einen Pfropfen
aus Watte, eventuell auch aus Leinen
und ſchiebe ihn möglichft Hoch in
das betreffende Naſenloch hinauf.
Auch Eiſenchloridwatte ift für ſolche
Fälle am Platze.
Wundverbände.
853. Allgemeines. Des öfte-
ren war ſchon die Rede von Vers
bänden als Dedmittel von Wunden
und al? legte Maßnahme zur Er-
haltung erfolgreicher Blutftillung,
ed wird alſo nunmehr notwendig
fein, Wefen und Art diefer Ber:
bände genauer zu zerglievdern und
ihre praltiihe Handhabung vor
Augen zu führen.
Bei der Notdurft des fportlichen
Lebens wird das einfachfte, das am
leichteften zu transportierende auch
das praftijäfte fein und in diefem
Dr. Julian Marrcufe.
Sinne wird es fich bei Verbänden
bei jportliden Unfällen um Not:
verbände im vollen Sinne des
Wortes handeln!
Bei jeder größeren Tour ift ed
dringend anzuempfehlen, fih ein
Verbandpäckchen mitzunehmen, das
1 Paket Watte von 100 g, Im
Berbandgaze, mehrere weiche Mull⸗
binden von verfhiedener Breite
(1a 4,26, 2& 10 cm), etwas
Guttaperdhapapier und einige wenige
Sublimatpaftillen a '/, g zur Wund⸗
reinigung, wobei je eine Paftille
in einem halben Liter Wafjer aufs
429. Keimfreier Notverband.
Die Derbandfchicht ift auf die Binde feitgenäht.
Aus Esmarch, Erfte Hilfe.
gelöft wird, zu enthalten hätte.
Die verwundete oder blutenve
Stelle wird zuerft mit einer mehrs
fahen Schichte von Berbandgaze
bevedt — nie fol Watte direkt
auf die Wundfläde kommen. —,
darauf fommt eine Lage Watte und
dag ganze wird mittel? einer Binde
befeftigt. Se nad den Körper:
teilen, die wir zu verbinden haben,
werden wir natürli die Breite
der Binde wählen, an den Fingern
die fhmälften, am Vorderarm die
mittelbreiten, am Oberarm, den
Scenteln, dem Leib, der Bruft die
breiteften. Und auhda8Aufrollen und
Anlegen der Binde hängt von Um⸗
fang und Stärke der zu verbindenden
Körperteile ab. Wir wollen z. 8.
einen Fingerverband madhen: die
4 cm breite Binde wird zwiſchen
XV. Erſte Bilfeleiſtung bei ſportlichen Unfällen etc. Nro. 853,
Daumen und Zeigefinger der rech—
ten Hand genommen, ein wenig auf-
gerollt und dieſes aufgerollte Ende
über die Rüdenfläche des zu ver-
bindenden Fingers gelegt, jo daß
derjelbe vom Nagel bis zum An-
ja an die Handwurzel davon be—
dedt il. Während man nun mit
einem Finger der linken Hand diejes
aufgerollte Stüd Binde in dieſer
Lage firiert, geht man mit der ge:
jamten Binde über die Fingerkuppe
und die Innenfeite des Fingers
bis dorthin, wo auf der Rückſeite
der Anfang der Binde beginnt.
Jetzt hat man den betreffenden ver-
legten Finger oben und unten be-
dedt und nun geht man in gleidh-
mäßigen Kreistouren, die Binde
ftraff anziehend, von unten nad
oben um den Finger herum, jo daß
Lage auf Lage fich dedt. ft der
ganze Finger feſt eingemwidelt, dann
reißt man das Endftüf der Binde
in der Längsridtung ein Stüd
weit auf und ſchlingt nun die Enden
in einem Knoten um den Finger.
Bei Körperteilen, die eine ungleiche
Dide haben, wie die Arme, Beine ıc.
wird man von vorn herein nur
Kreistouren anlegen, aber nicht
einfache, da fie fich ja bei wechjeln:
dem Umfang abheben würden, jon-
dern indem man zmwijchendrin ſo—
genannte Renverjes, d. h. Um:
Ihläge, madt. Die Figur 430
illuftriert dies näher.
Um Bruft und Leib wird man
andererſeits nur einfache, ji) dach—
ziegelförmig deckende Kreistouren
legen. Ein richtig angelegter Ver—
band hat folgende Bedingungen zu
erfüllen: er hält die Wundränder
zujammen, begünftigt die Blutftil-
lung, ſchützt die Wunde gegen das
Eindringen von Unreinlichkeiten
und ſchädlichen Keimen und wirft
endlich ſchmerzſtillend.
Nun wird man aber nicht immer
die erforderlihe Zahl von Binden
Fa
Zr
zur Hand haben, auch bei Verleguns
gen größerer Körperteile auf grö-
Bere Bedeckungen angewieſen jein,
in allen diejen Fällen bedient man
ih der Berbandtüder, die
befonders für den Transport fhwer
verlegter Ölieder den Binden vor
zuziehen find. Dieje Verbandtüher
find als Ddreiedige und vieredige
Tücher im Handel zu haben, die
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RR
ð
7 nn
430. Anlegung der Rollbinde. er
Aus Bernhard, Samariterdienft..
ti
Klubhütten auf den Bergen ent
halten fie, gerade wie auch alles
übrige Berbandsmaterial, man kann
fie fih aber im Notfall auch jeder
Zeit aus Wäſcheſtücken fonftruieren. '
Ein ſolches Dreiecktuch ift vor allem
der befte Halt für jedwede Arm:
verlegung, denn nirgends ruht der
gebrochene oder lädierte Arm befjer
wie in einer ſolchen Tragjchlinge.
Ihre Anlegung gejhieht auf fol-
J—
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Niro. 853.
gende Weije: die Spite des Drei-
ecks fommt in die Achjelhöhle, das
eine Ende wird um den Arm her:
um über die Bruft auf die gegen=
überliegende Schulter geführt, dag
andere Ende zwiihen Arm und Bruft
auf die Schulter derſelben Seite
und nun die beiden fih am Rüden
treffenden Enden am Hals hinten
in einem Knoten vereinigt (Fig.
431). Hat man nur ein vierediges
Tuch zur Hand, das fich übrigens
Dr, Julian Marcufe.
nadeln zufammengeftedt werden.
Borausfegung für beide Arten von
Tüchern ift natürlich eine mehr oder
minder rechtwinklige Stellung des
betreffenden Armes. Wo dies dur
die Natur der PBerlegung nicht
möglich ift, wird man ſich begnü-
gen, den Arm in eine einfache
Schlinge zu legen, die denjelben
nur in einem Kleinen Umfange um—
greift (Fig. 432). Hat man aud
hierfür fein genügendes langes
451. Traafchlinge mit entfaltetem Tuche 432. Tragfchlinge,mit zufammengefaltetem
(große Armfchlinge).
Tuche (kleine Armfchlinge) (jog. Mitella).
Aus Bernhard, Samariterdienft.
faft immer in ein Ddreiediges ver—
wandeln läßt, man braucht nur die
gegenüberliegenden Enden im Kreuz
zujammenzulegen, dann verfährt man
jo: Die eine Seite des Tuches
wird unter dem Arm über die
Bruft gegen die Schultern geführt,
die andern um dem Arm herum
ebenfall® nach oben, und nun wer:
den die Enden paarmweije geknüpft.
Der Zipfel, der am Ellbogen ent-
fteht, muß dann mittelft Steck—
Tu, jo fnüpft man zwei Tücher
aneinander oder benußt dazu den
Rodärmel, die Hofenträger oder
ähnliches.
Eine bejondere Form ftellt noch
der Kopfverband dar, den wir
bei Schädelverlegungen anzulegen
gezwungen find. Man jtellt ihn
fih dadurh her, daß man ein
möglichjt rechtedfige8 Tuch von den
beiden fjchmalen Seiten her ein
Ihneidet, dadurd vier Zipfel er-
.. - — — * .. =
——— — —
XV. Erfte Bilfeleiſtung bei ſportlichen Unfällen efr.
Nro. 854-856.
hält und dieſe nun entjprechend ſtark alkoholhaltiger Getränfe ein
der zu jhügenden Stelle am Kopf Direkter
befejtigt, wie es die Abbildungen | führen geſucht.
Raufchzuftand herbeizu-
Möglichſt ſchleu—
433 u. 434 zeigen. Auch bier kann nigſte Herbeiziehung eines Arztes
433 u. 454. Kopfverbände.
Aus Bernhard, Samariterbienft.
im Notfall, wenn man nichts Bas
jendes zur Hand hat, ein einfaches
Taſchentuch, das an feinen vier
Enden gefnotet und jo über das
Schädeldach geſtülpt wird, aus-
helfen. Auf die eigene Erfindungs: |
gabe und die perfönliche Gejchid-
lichfeit fommt es in allen diejen
Fällen und Lagen jehr viel an und
der Erfindungsreiche und Umſich—
tige wird nie, jelbjt bei größtem
Mangel an Gegenfjtänden, ratlos
und ohnmächtig bleiben!
854. Giftige Wunden. So jel-
ten fie auch im allgemeinen in un=
feren Zonen vorkommen, ganz fönnen
fie doch nicht unerwähnt bleiben.
Zur Frage fommen Schlangen:
biſſe und Inſektenſtiche. Ge-
gen erftere wendet man Umjchnü-
rungen des verleiten Gliedes be-
huf Verhütung weiteren Eindrin-
gend des Giftjtoffes in den Körper
an, die Wunde jelbjt wird mit
- einer glühend gemadten Nabdel
ausgebrannt oder — aber das nur
bei völlig intakten, Zippen und
Mund — ausgefaugt, auch mit
Salmialgeift oder Ffonzentriertem
Alkohol ausgewaſchen und, mas
mandem wohl nicht einmal als eine | die
bittere Arznei vorfommen dürfte,
durch Einführung größerer Mengen
ift jelbjtverftändliche Bedingung.
855. Inſektenſtiche werden in
Laienfreijen mehr gefürchtet als fie
e3 in der Tat find, in der überaus
großen Mehrzahl der Fälle find fie
harmlos, und nur äußerſt jelten
tritt im Anjchluß an fie eine Blut-
vergiftung ein. Ein bemwährtes
Volksmittel gegen einfache Stiche
iſt Salmiak — vor allem als Pro:
phylaktikum —, gegen die Stiche
jelbft wirft am beiten Kälte in Form
des Umſchlags und vor allem Ent:
fernung des in der Haut ftedenden
Stadel3.
856. Grfrierungen. Zwanglos
ſchließt ſich an die Skizzierung der
Wunden eine Reihe von Erſchei—
nungen an, die als elementare Wir—
kungen der Temperatur auf den Or—
ganismus anzujehen find, das find
die durch allzugroße Hite oder all-
zugroße Kälte hervorgerufenen Ber:
änderungen der Haut, die zu tief-
greifenden Zerjtörungen im alle
des Nichtbeachtetwerdeng führen kön⸗
nen, Gie verlangen bei allen ſport—
lien Unternehmungen und Touren
ftrenafte Berüdfihtigung, denn der
Schub gegen ihre Einflüfje ift das
jiherfte und wirkſamſte Heilmittel.
Wo derjelbe aber verjagt hat oder
außer acht gelaffen worden iſt, be—
darf es jofortigen Eingreifend, um
Schlimmeres zu verhüten. Daher
ift bei diefem Abſchnitt der Erfrie-
rungen wie beim folgenden, der
fih mit den Verbrennungen und
ihren Unterarten, dem Sonnen-
und Gletjcherbrand, befaßt, eine
befondere Gründlichkeit der Auf:
fafjung am Plage!
Grfrierungen befallen vor allem
peripheren Körperteile, Die
Zehen und Finger, die Füße und
Hände, die Naſe und Ohrmujcheln.
|
Nro. 856.
Dr. Julian Marxuſe.
Alles was die Blutzirfulation ver- | die Müdigkeit und Mattigfeit, fie
langfamt und die Musfelaftion
herabfegt, vermindert auch Die
Miderftandsfähigkeit gegen Kälte.
Viel madt die Kleidung aus. Waſ⸗
ferdihte Zeuge find gut beim
Stehen, jobald aber Bewegung ein-
tritt, entjteht Schweiß, der dann
beim Stehen fofort eifig wird.
Enganliegende, die Zirkulation
hemmende Kleidungsſtücke (Hals-
legen ſich in der Kälte hin, um
nicht wieder aufzuſtehen. Hat die-
fer Erftarrungszuftand noch nidt
allzulange gedauert, jo Tann der
Erftarrte bei raſch eingeleiteten
MWiederbelebungsverfuhen noch zu
fih kommen und fih vollftändig
erholen. Hieraus erfieht man, wie
wichtig es ift, jeden Scheintoten
und Eritarrten auf Atmung und
ftreifen, enge Handſchuhe, enge | Herztätigfeit zu unterjuchen !
Strümpfe, Korfett3 2c.) begünftis
gen die betreffenden Teile, welche
fie bededen, für Grfrierungen.
Auch beitimmte Witterungsverhält-
nifje wirken disponierend: fo ru⸗
fen falte Winde und nafje Kälte
weit eher Erfrierungen hervor wie
eine windftille, trodene Witterung
mit noch fo viel Kältegraden. Dan
unterfcheidet wie bei den Verbren⸗
nungen drei verjchiedene Grade:
den erſten Grad mit einfacher ent-
zundlider Rötung der Haut, die
erft in einigen Tagen zurüdgeht,
den zweiten Grad mit tiefroter,
ja fogar bläulicher Verfärbung und
Blafenbildung und ſchließlich den
dritten mit dunkelblauer Verfär⸗
bung und Blajen= und SKruften-
bildung. Die Blutzirkulation ift
in diefem letteren Falle völlig er-
loſchen, die Haut gefühllos, die be-
treffenden Teile verfallen dem Ab-
jterben, dem Brande.
Bon diefen mehr lofalen Erfrie-
rungen verſchieden ift die allge-
meine Erfrierung. Die Be:
troffenen befält das Gefühl großer
Kälte, ftarfer Mattigfeit und eine
unüberwindlide Neigung zum
Schlaf. Der Gang wird unficher,
Sebtraft und Gehör gehen nahezu
völlig verloren, die Haut wird
blaßbläulich, die Fähigkeit zu den⸗
fen verliert fih. Tritt in dieſem
Stadium Hilfe ein, fo können fie
fih unter Zeitung noch fortbewe-
gen, anderenfal® übermannt fie
Nun zur Behandlung der Er-
frierungen. Die Behandlung der
leichteften Grade der Erfrierung be-
fteht darin, daß man die betreffen
den Teile nicht zu rafch erwärmt,
fondern mit Schnee oder Eißwafler
abreibt und dann in naſſe Tücher
einwidelt. Bei ausgedehnteren
und tieferen Erfrierungen zweiten
und dritten Grades wird man
neben oben genannten Maßnahmen
die betreffenden Glieder fofort hoch
lagern, um in den erfrorenen Teilen
die Herftellung der Blutzirkulation
zu erleichtern.
Die Wiederbelebungsverfuche der
durch Froſt erjtarrten Men:
fhen müſſen mit der größten Bor:
fiht angeftelt werden, die Er⸗
märmung darf nur ganz allmählich)
geſchehen. Bringt man Erfrorene
glei in warme Räume, jo gehen
fie zugrunde. Man bringe den
Verunglüdten vorfihtig in einen
geichlofjenen, aber falten Raum
und entkleide ihn behutjam (Kleider
und Schuhe werden aufgefchnitten!),
damit nit die fteifen Glieder
breden. Hierauf reibe man ihn
mit falten, naſſen Tüchern und
leite eine allmählide Erwärmung
dur temperierte Vollbäder ein,
die von 16° C. in 2—3 Stunden
auf 80° C. anfteigen. Oft treten,
fowie fih die verjchiedenen Teile
des Körperd nacheinander wieder
beleben, nicht unerheblide Schmerzen
in ben Glievern auf, beſonders
XV. Erfie Bilfeleiſtung bei ſportlichen Unfällen efc.
wenn die Erwärmung eine etwas
zu fchnelle war. In ſolchen Fällen
tut man gut, die jchmerzhaften
Körperteile in kalte, nafje Tücher
einzumwideln. Die erfrorenen Glied-
maßen lagere man möglichſt hoch,
um ihr Abfterben zu verhindern.
Iſt der Kranke bei Bemußtfein und
kann jchluden, fo gebe man ihm
falten Wein, alten Kaffee und
Kognak in größeren Mengen, fonft
verwende man Salmiakgeiſt als
Niechmittel. Sollte der erfroren
Gefundene nur noch äußerſt ſchwach
atmen, fo verfäume man nidt,
wenn die Ölieder bereit3 biegſamer
werden, die künſtliche Atmung ein-
zuleiten. Erſt fpäter trägt man
ven Patienten in ein mäßig er-
wärmtes Bimmer, vdedt ihn mit
falten Tüchern zu und erft ganz
allmählih geht man zum Reiben
mit warmen Tücern über.
Noch ein paar Worte über eine
Erfcheinung, die dem Schnee= und
Eistouriften leicht zuftößt, über
857. DieSchneeblindheit. Dur
die Wirkung der ultravioletten,
chemiſch wirkſamen Strahlen des
Lichtes, die vom Schnee reflektiert
werden, entſteht eine intenfive
Rötung der Augenbindehaut mit
ſtarker Lichtfcheu, Tränenfluß und
Schmerzen, häufig noch eine
Schwellung der Augenlider. Eine
rauchgraue, gut pafjende Gletjcher-
brille oder ein Augengla® mit an-
gerußten Släfern ſchützt am meijten.
Darum, wenn du zur Gletfcherfahrt
. rüftelt, vergiß die Schneebrille
nit! |
858. Berbrennungen. Der:
brennungen, die weniger als ſport⸗
lihde Unfälle wie als allgemeine
anzufehen find, können außer durch
Flammen durd) erhitzte Gegenftände
(Ofen), heiße Flüffigfeiten, ferner
durch heiße, flüjftg gemordene
Metalle und durch ätende Chemi⸗
falien entſtehen. Ge nah der
— — — — — ———— — —
— — — — — — — — — ——— — — — — — — — — — —e — — —
Nro. 857—859.
Dauer und der Stärke der ein
wirtenden Schädigung unterjcheidet
man ebenfalld drei Grade der Ver⸗
brennung: Rötung mit Schwellung
undSchmerzhaftigkeit,Blafenbildung
und Verſchorfung. Maßgebend für
die Rettung des DVerbrannten iſt
meift nicht die Tiefe, jondern die
Ausdehnung der Berbrennung.
Der Menſch, deffen Körperfläche
zu ?/, wenn auch nur im erjten
Grade verbrannt ift, ift gewöhnlich
verloren. Jedwede ſchwerere
Verbrennung erfordert mög-
lichſt raſche ärztliche Hilfe!
Bei allen Verbrennungen, melden
Grades fie auch fein mögen, ift dad
erfte, was man zu tun hat, dem
Berlegten Linderung feiner Schmer⸗
zen zu bringen, und dies gejchieht
durch einen die Luft abbaltenden,
fühlen Verband. Hierzu nimmt
man, was gerade zur Hand oder
erreichbar ift: Del, Butter, Schmalz,
ſelbſt Mehl, Kleie oder ähnliche
Subftanzen, die auf die gebrannten
Teile gebradt und mit Verband:
gaze und Watte gededt werden;
hat man lettere nicht zur Ver⸗
fügung, fo tut es aud Leinwand
oder ein ähnlicher Stoff. Haben
ſich Blaſen gebildet oder iſt die
Oberhaut abgelöft, jo muß man
beim Entfernen der Kleider äußerſt
vorjihtig umgehen, um die Blajen
nicht aufzureißen; find die leßteren
ftarf gejpannt, was die Schmerz-
baftigfeit vermehrt, jo fteche man
fie mit einer vorher ausgeglühten
Nadel (Sted: oder Nähnadel) ein,
damit Die darin angefammelte
Flüffigfeit ablaufen fann. Dadurch
läßt die Spannung und das
Schmerzempfinden nad.
Eine Art Berbrennung, aller:
dings viel harmloferer Natur als
die eben gejchilderten, ift auch der
859. Sonnen- bezw. Gletſcher⸗
brand. Auch hierbei find es wieder
die ultravioletten chemiſchen Strah⸗
Nro. 860-862.
len, die bei längerer Einwirkung
und zarter Haut eine oberflächliche
Verbrennung, fpeziell der Geſichts⸗
und Haldgegend erzeugen. Lange
Wanderungen. bei ſtarkem Sonnen⸗
ſchein über Gletſcher und Firnfelder
haben, wenn man fich nicht, ſorg⸗
fältig gefhüst hat, ſtets eine leich-
tere oder ftärfere Hautverbrennung
zur Folge. Friſch gefallener Schnee
auf großen Höhen wirkt befonders
ſchädlich, da er die Sonnenjtrahlen
am intenfivften reflektiert. Der
Sonnenbrand dußert fi in der
Meife, daß die Haut — meift ift
es ein ftarfer Juckreiz — fich rötet,
leicht anſchwillt, heiß und jchmerz-
haft wird und dann fi abſchält.
Lider, Nafe, Kinn und Naden find
die Lieblingsſtellen für diefe Art
von Hautentzündung. Schugmittel
‚dagegen find gelbe oder rote Salben,
Kohlenruß oder dunkle Schleier.
Auf ale Fälle ift es rätlich, bei
längeren Gletjchermanderungen eine
Einfettung des Gefichtes und Halſes
vorzunehmen. Sit der Gletſcher⸗
brand aber ausgebroden, dann
made man bis zu weiteren ärzt-
lichen Anordnungen kalte Umfchläge.
Verletzungen der Knochen
und Gelenke.
860. Allgemeines. War bisher
‚im weſentlichen von Berlegungen
der Weichteile die Rede, jo fommen
wir nunmehr zu den Berlegungen
der feiten Teile des Körpers und
der mit ihnen in Zujammenhang
ftehenden Berbindungspartien, der
Knochen und Gelente Sie
jtelen wohl das zahlreichite Kon-
tingent fportlicher Unfälle dar und
beanſpruchen ſowohl ihrer Häufig:
feit als ihrer Natur halber die
peinlichfte Aufmerkſamkeit.
Man unterjcheidet unter ihnen
Verſtauchungen, Berren
tungen und Knodenbrüde.
861. Verſtauchungen. Hierbei
Dr. Julian Marcuſe.
handelt es ſich um Quetſchungen
des Gelenks; die einwirkende Ge⸗
walt iſt eine ſtumpfe, ſie iſt aber
nicht ſo ſtark, daß der Knochen ge⸗
brochen wird, ſondern es kommt
einzig und allein zu einer Ber:
reißung oder Zerrung der Gelent:
bänder und zu einem Bluterguß
in das Gelenk. Die Folgen find:
Schwellung, in den meiften Fällen
auch bläuliche Berfärbung der Ge-
lenfgegend, Schmerzhaftigfeit und
totale oder teilmeife Unbeweglich⸗
fett. Während aber bei Ber:
renfungen und Brüden die Un-
möglichfeit der Bewegung der ver-
legten Gliedmaßen in ihrer Gelenk⸗
verbindung befteht, fann bei Ber:
ftauchungen diefelbe, wenn auch in
minimalen Grenzen, von felbft,
jevenfall® aber durchjeinen Dritten
bewegt werden. Dad Rezept für
die erfte Behandlung der Ders
ftauchung heißt: Ruhigftellung
und Kälte. Man wird alfo bei
Verſtauchungen an Hand, Ellbogen,
Schulter eine Schlinge anlegen,
einen Eis- oder Waflerumfchlag
machen, bei Berftauchungen an Fuß,
Knie und Oberſchenkel eine Trag:
bahre fonftruieren und in mögs
lichſter Hochlagerung den Trands
port zu bewerfitelligen. Sit die
Kombination einer Bahre fehr er:
ſchwert, Hilfe aber in der Nähe,
jo ift es am beften, den Verlegten
einige Zeit am Unfallorte zu laflen
und ihn erſt fpäter zu holen.
862. Berrenfungen. Zerreißen
wiederum dur ftumpfe Gemalt
Kapfel und Bänder eines Gelentes
und treten die Knochenenden aus
der Gelenthöhle heraus, fo haben
wir es mit einer Verrenkung zu
tun. Wir erkennen fte daran, daß
fih die Geftalt des betreffenden
Gelente von Grund aus geändert
bat, daß an Stellen, wo fonft Ab-
fladungen vorhanden, nunmehr
Höder berausragen, wo im nor:
AV. Erfle Bilſeletnung bei sportlichen Linfällen efg.
Wolbungen, um:
verichmunden und
an deren Stelle Abſlahungen ge—
treten ſind. Außerdem iſt die in
Mitleidenſchaft gezogene Glied:
maße völlig unbeweglich ſowohl
bei eigenen wie bei Verſuchen
Dritter. An Verrenkungen darf
nie herumerperimentiert werden,
jeder ungeſchickte Einrichtungs—
verſuch erzeugt nur neue und ver—
mehrte Schadigungen. Hat man
eine Verrenkung feſtgeſtellt, ſo heißt
malen Zuſtande
gelehrt dieſelben
es, möglichſt alles in Ruhe laſſen
und nur für einen möglichſt raſchen
und unſchädlichen Transport ſorgen.
Alſo bei Verrenkungen der oberen
kürzung,
Gliedmaßen Tragſchlinge und
Waſſerumſchlag, bei denen
unteren Gliedmaßen
ſcheidet einfache und komplizierte
Knochenbrüche, je nachdem bei dem
geſetzten Unfall der Knochen allein
gebrochen und die darüberliegende
Haut unverſehrt geblieben oder
auch die letztere mit verletzt iſt, ſo
der
Tragbahre
bezw. jelbft Konjtruierte Unterlage.
863. Knocheubrüche. Man unter: |
Yirm. 863.
dag eine Kommunikation zwiſchen
auberer Yutt und innerem Knochen—
bruch geſchaffen iſt Fig. 455, 455).
Dieſe letztere iſt um deswillen ſo
gefahrlich, als dadurch leicht Faul—
niserreger aus der Luft oder den
beim Zuſtandekommen der Ver—
letzung mitwirfkenden Gewalten in
die Wunde eindringen und eine
Eiterung erzeugen können, die, ab—
geſehen von ihrer Gefahrlichkeit
an ſich, auch zu einem höchſt lang—
wierigen Heilungsverlauf Veran—
laſſung gibt.
Knochenbrüche erkennt man an
der Veranderung der normalen
Form einer Gliedmaße — Ver—
Verbiegung, oft auch
Winkelſtellung —, an der falſchen
Beweglichkeit des Gliedes an der
Bruchſtelle, an dem heftigen, lokali—
ſierten Schmerz, der von dem Ver—
legten geäußert wird, an der tota—
len Unfähigkeit, das Glied zu ge-
brauden. Knochenbrüche follen für
den Laien immer ein „Rührmid-
nichtan“ bleiben, denn die unheil—
volliten Folgen können durch une
435. Einfacher Knochenbrudh.
Aus Esmarch, Erfte Hilfe.
436. Offener Knochenbrucd.
Aus Esmarch, Erfie Hilfe.
Niro. 864.
richtige® Manipus
lieren entſtehen.
Von kundiger Hand
behandelte Brüche
heilen relativ raſch
und meiſt gut, die
moderne Roͤntgen⸗
durchleuchtung hat
das ihrige dazu
beigetragen, auf
Grund genaueſter
Feſtſtellung des
Bruches und der
Verlagerung der
Knochen das ſach⸗
gemäße Vorgehen
zu erleichtern. Des
Laien Aufgabe iſt
es nur, den Trans⸗
port zum Arzte
möglichſt ſchonend
und ohne weitere
Schädigung zu geſtalten, und hierfür
iſt folgendes zu beachten notwendig:
Sieht man den Knochenbruch ſchon
durch die Kleider hindurch, oder iſt
begründeter Verdacht auf das Vor⸗
handenſein eines ſolchen vorhanden,
dann ſchneide man vor allem rüd-
ftht3108 die bedeckenden Kleidungs⸗
ftüde auf, denn die Entfernung
jedweden Drudes ift das erjte, mag
zu tun if. Hat man fodann den
Bruch feitgeftellt, fo wird man bei
einem fomplizierten Bruch eine
Reinigung der Wunde vornehmen
in der Art, wie man aud jede
andere Wunde desinfiziert, und die
ſchon eingangs befchrieben worden
ift, und ſodann die Schienung des
gebrochenen Knochens behufs Trang-
ports bemerfitelligen; bei einem
einfaden Bruch ift natürlich die
lestere Maßnahme allein zu treffen.
864. Wie behandelt man Kno-
chenbrüdhe? Der Transport ge=
brodener Glieder — denn nur um
einen Notverband und um eine
möglichft Ichonende und fchmerzlofe
Verbringung des Unfallverlegten
432. Einfacher
Knochenbruch des
Unterarmes
(Speiche).
Aus Esmarch,
Erfte Hilfe.
Dr, Julian MWarcufe.
in ſachverſtändige Hände Hanbelt
es fih bei der erften Hilfe bei
Knochenbrüchen — bat jo zu er:
folgen, daß der gebrochene Teil in
abjolut unbeweglicher Lage ich be:
findet, daß er genügend geſtützt
und ausgepolitert ift und endlich,
daß die gefchaffene Unterlage eine
fihere Baſis für jedwede Bewegung
der Träger bildet. Dieſe Forde-
rungen find natürlih nicht immer
zu erfüllen, doch muß man fuchen,
ihnen möglihft nahe zu fommen.
Denn nit nur, daß dadurch der
Transport für den Verletzten unter
möglichſt geringen Schmerzen er-
folgt, wird auch vor allem die bei
jedem Knochenbruch vorliegende
Gefahr einer Durdipießung der
Haut und damit einer Umgejftaltung
eines einfahen und relativ harm⸗
Iofen in einen fomplizierten und
gefährliden Bruch verhütet.
Sehr angefchwollene und fchmerzs
bafte Körperpartien wird man vor
Einleitung des Transportes mit
einem falten Umjchlag bededen und
fodann die für den Transport er:
forderlichen Materialien zufammen:
tragen. Hier, wo es in den meiften
Fällen auf die erfinderifche Kons
ftruftion und aus dem Leben ber-
aus gewonnene Beherrſchung der
Situation anlommt, wird man na:
türlih zu allem greifen, was ers
reichbar ift und fih für Die vor:
liegenden Zmede nur einigermaßen
eignet: Alle Gegenftände aus dem
Haushalt, wo bewohnte Stätten in
unmittelbarer Nähe, von Wald und
Feld, mo nur diefe dag Terrain
der Unfalljtätte bilden, von Fels
und Moräne, lajjen fi unter ges
ihidter Hand zu Schienen für ge:
brodene Gliedmaßen ummandeln.
So aljo Bretter, Zatten, Stöde,
Feuerhaken, große Löffel, Bilders
rahmen, Stuhlbeine, Xefte und
Zweige, ſchließlich Die eigenen Stöde,
zufammengerollte Plaids, Eispidel,
XV. Erfie Bilfeleiftung bei ſportlichen Unfällen eir. Nro. 864.
jelbft die Stiefel des Verlegten und erfolgen, wie Schädelbrühe und |
vieles andere mehr. (Fig. 438 bis ſolche der Wirbelfäule, die mit
441). Alles dies muß aber auf das tiefer Bewußtloſigkeit bezw. Läh—
jorafältigite ausgepolitert werden mung der unteren Crtremitäten
und hierzu verwendet man wieder einhergehen, entziehen ji fchon an
nur Leinentüher, Watte, Heu, und für fid durd ihre Yage einer
Stroh, Moos, die eigenen Rod: Bandagierung; bier wird es eben
ärmel und deraleihen. Zur Be: nur auf einen möglichſt kunſtge—
feftigung der Schienen, die natür- rechten und f&honenden Transport
li parallel der gebrochenen Glied: mit Bededung der Stirn bezw. der
maßen zu beiden Seiten ange: verlegten Stelle mittelit eines feuch—
legt werden, nimmt man ebenfalls ten Umſchlags ankommen. Für
458. Zweigbündelſchiene. Aus Esmarch, Erjte Hilfe.
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459. Knebelpreſſe. Aus Esmarch, Erſte Hilfe.
Tücher, Stricke, Hoſenträger, Riemen, | Brüche der Geſichtsknochen gilt mehr
hüte fi) aber beim Knüpfen der- | oder minder dasſelbe, für ſolche des
jelben den Knoten auf die Haut | Unterkiefer wird man nad) Adap-
zu legen, derjelbe darf nur der |tierung eines Umſchlags denjelben
Schiene aufliegen. mit einem Kopf und Kinn um—
‚Dies im allgemeinen ala Grund: | faflenden Tuch) fefthalten.
jäge für die Anlegung eines Not-| Bei Rippenbrühen — kennt—
verbandes bei Knochenbrüchen, für | lich durch lofalifierte heftige Schmer—
die Speziellen Körperteile ift noch | zen, erfchwertes Atmen, Schmerzen
folgendes zu beachten: Schienen | bei jeder Bewegung — wird man
werden vorzugsweife bei Brüchen | ein breites Tuh um den ganzen
der Gliedmaßen angelegt, Brüche | Bruftforb, bei ſolchen des Schlüſſel—
des Stammes und Des Kopfes be= | being und der Schulter den betref:
dürfen ihrer nicht. Die fehmerften | fenden Arm in eine Schlinge legen.
Berlekungen, die meift durch Sturz | Bei Fingerbrüchen bandagiert man
Nro 865.
den verlegten Finger an feinen
Nachbarfinger an; bei foldhen des
Bedens wird ein breites Tuh um
die Hüften gelegt. Eigentliche Not-
Dr. Jultan Marrufe.
Wiederbelebung von
Sceintoten.
865. Urſachen des Scheintodes
verbände im Sinne der Banda: | und deren Bejeitigung. Eine Reibe
gierung beanfpruchen die Brüche der | von Zufällen und Einwirkungen
oberen und unteren Glievmaßen ;
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Ba
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— ——
Aus Esmarch, Erſte Hilfe.
während die erſteren aber im weſent⸗
lichen durch eine Tragſchlinge ver:
ſorgt werden, iſt es bei den letzteren
äußerer Gewalten erzeugen einen
Zuſtand von Scheintod, der ein ſo⸗
fortiges, tatkräftiges Handeln er⸗
fordert.
Der Scheintote ſtürzt zuſammen,
iſt bewußtlos, Puls und Atmung
ſind kaum fühl- bezw. hörbar, der
Körper iſt kalt, die Haut blutlos.
Die weſentlichſten veranlaſſenden
Momente hierfür ſind:
1. Erſtickung. Sie kommt zu⸗
ſtande durch Verſtopfung der Luft⸗
röhre, durch Fremdkörper (zu große
Biſſen, Knochen ꝛc.), durch Ber:
ſchüttung (Lawinenſtürze, Erdſen⸗
kungen), durch Einatmung giftiger
Gaſe (Kohlenoxyd⸗, Schwefelwaſſer⸗
ſtoffgaſſe), durch ſelbſtgewollten Tod
durch Erhängen.
2. Ertrinken, das heißt in
Wirklichkeit nichts anderes, als Er⸗
ſticken durch Waſſer. Statt Luft
tritt Waſſer in die Lungen ein und
damit iſt die Atmung aufgehoben.
3. Erfrieren. Das letzte und
gefahrvollſte Stadium der Erfrie:
rung tft, wie ſchon an anderer Stelle
44). Blumentopfgitter als Schiene.
Aus Esmarch, Erfte Hilfe.
wichtigfte Aufgabe, eine richtige
Schienung und daran anſchließend
einen forgfältigen Transport vor:
zunehmen.
auseinandergefeßt, die übermwälti«
gende Schlafſucht, die den Schnee:
wanderer befüllt und ihn veranlaßt,
ſich im Schnee zu betten. Nament:
XV. Erfte Bilfeleifinng bei [porflichen Unfällen eir.
lich ift damit der Scheintod, und
wenn nicht rechtzeitig Hilfe eintritt,
der wirkliche Tod verbunden.
4. Hitzſchlag. Bei jchmeren
förperlihen Strapazen in heißer,
ſchwüler Luft, namentlich in jchatten-
\ofen Gegenden tritt ein Zuſtand
von Bemwußtlofigfeit ein, deſſen
Vorboten meift in ftarfem Durft:
gefühl, Mattigfeit und Kopfſchmer⸗
zen in Berbindung mit brennend
heißer Haut, hochgerötetem Ant-
lig ꝛc. befteben.
Bei allen diefen Zuftänden kom⸗
men vor Einleitung der künſt—
lihden Atmung als lehtes Hilfs-
mittel noch eine Reihe von Maß:
nahmen zur Anwendung, die in
gewiſſen Fällen noch zum erftrebten
Ziel zu führen imftande find, vor-
ausgejegt, daB die einwirkende
Thädliche Urſache noch nicht zu weit
vorgefchritten ift.
So wird man bei Erftidung
durch Fremdkörper dieſen letzteren
zu entfernen ſuchen, indem man
mit dem Zeigefinger oder dem
Zeige⸗ und dem zweiten Finger in
den Mund eingeht und den be=
treffenden Gegenftand zu entfernen
ſucht (Vorfihtsmaßnahmen hierbei
zum Schuß der Finger find Ein⸗
ftemmen eines Keiles zwifchen den
Zahnreihen, Maßnahmen zur Deff-
nung des Mundes, Zuhalten der
Naſe). Bei Erhängten oder Er-
droffelten ftüge man während
des Abſchneidens des Strides den
Körper, damit er nicht beim Yalle
befchädigt wird. Bei Einatmung
giftiger Gaje bringe man den
Berunglüdten fchleunigft in frifche
Zuft, öffne alle Kleivungsftüde, be=
fprige mit kaltem Waſſer.
Bei den dem Waffer entriffenen,
der Gefahr des Todes durch Er⸗
trinfen unterliegenden Indivi⸗
duen wird nad Reinigung von
Mund und Nahen mittelft mit
Nero. 866.
Stoff ummidelten Finger, der Ober:
förper entkleidet, quer über die
Knie gelegt und nun durch Drud
auf Rüden und Bruſtkorb verſucht,
das eingedrungene Wafjer au den
Zungen zu entfernen. Hierbei wer:
den Kopf und Bruft des Verun⸗
glüdten leicht abwärts geneigt ge⸗
halten, nie darf aber der Körper
auf den Kopf gejtellt werden, nie
an den Beinen in die Höhe gehoben
werden. Bleiben diefe Verſuche
fruchtlos, dann tritt die Fünftliche
Atmung in Kraft, die oft ftunden-
lang fortgejeßt werden muß, bis
fie zum Biel führt. Während der
Belebungsverfuhe wird bei Er:
trunfenen der Körper unaufhörlich
mit trodenen, am beften mwollenen
Kleidungsftüden gerieben, um die
notwendige Erwärmung zu erreichen.
Bei Hitzſchlägen wird man den
Betreffenden unverzüglich an einen
fhattigen Ort bringen, ihn unter
Löſung aller Kleivungsftüde forg-
fam am Boden betten, ihm Waſſer
einflößen und mit Waffer befprengen.
Dasfelbe giltaud für ven Sonn en⸗
ftich, deſſen Erjcheinungen feine
gefonderte Beſprechung erfordern,
decken fie ſich doch faſt ganz mit
denen des Hibfchlages.
Haben diefe Maßnahmen bei den
oben geichilderten Zuftänden nicht
zum Ziele geführt, dann tritt, mit
Vermeidung weiteren Zeitverluftes,
als lettes und ſtärkſtes Hilfsmittel
in Kraft die
866. Künſtliche Atmung. Ihr
Erfolg hängt von der Richtigkeit
und Eraftheit ihrer Ausführung ab,
wie bedeutſam aljo die Erlernung
diefer ift, erhellt daraus! Es gibt
mehrfache Methoden zur Einleitung
der Fünftliden Atmung, die ge=
bräuchlichſte ift die von Silvefter
angegebene und von ESmard in
Deutſchland eingeführte und geübte.
Die Umgebung der Fünftlichen At-
Zeinwand ober einem ähnlidhen mung follen jtet3 freie Yuft oder
Nro. 867.
wenigſtens Räume mit frifeher Luft
und offenen Fenfter bilden.
Und nun werden folgende Be-
mwegungen ausgeführt, die nur
eines Helferd — und dag iſt einer
von den vielen PVorzügen diefer
Methode — bedürfen:
a) Der Scheintote wird flach auf
den Rüden gelegt, Kopf und Schul:
tern erhöht Durch ein in Form einer
Role unter den Bruſtkorb zuſam⸗
mengefaltetes Kleidungsſtück.
b) Man ftelt ſich Binter den»
felben, ergreift beive Arme oberhalb
der Ellbogen und hebt fie gleich:
mäßig bis über den Kopf und hält
fie Hier 2 Sekunden lang feſt.
c) Dann führt man die Arme
auf demfelben Wege zurüd und
drüdt fie behutfam, aber feſt 2 Se:
funden lang gegen die Seiten des
Bruftlaftens.
d) Sind 2 Helfer zur Hand, jo
ftelt fi auf jede Seite einer und
nad) einem gemeinfamen Kommando
werden die obigen Bewegungen aus:
geführt.
e) Diefe Bewegungen werben
ungefähr fünfzehnmal in der Mi-
nute, fo lange fortgefett, bis felbft-
tätige Atembewegungen beginnen.
Sobald diefelben — wenn aud)
in leifefter Form — zum Erfcheinen
fommen, hört man mit der künſt⸗
lichen Atmung auf und ſucht nun
Blutkreislauf und Körperwärme
wieder wachzurufen. Man hüllt —
dies gilt natürlich in erfter Reihe
für Erfrorene, Ertrunfene — den
Körper in trodene Deden ein, reibt
die Glieder kräftig — fehr gut
hierfür ift die Benugung einer
Wurzelbürfte — ein und bringt den
Verunglüdten in ein warmes Bett.
Kann er wieder fchluden, fo flößt
man ihm warme Flüffigkeiten (Tee,
Kaffee, Mil) eventuell aud etwas
Dr. Julian Marcufe.
Wie transportiert man
Verletzte ?
867. Der Transport ift die
legte, oft genug auch die bedeut:
famjte Hilfeleiftung, die man einem
Berlegten zuteil werden laffen muß,
die Schwierigkeit feiner Durchfüß-
rung leuchtet gegenüber den äußerft
unwirtlihen Verhältniſſen, unter
denen er meift vorgenommen wer:
den muß, ein. Zweck des Trans:
porte8 iſt es, den PBerlegten in
möglichjt fchonender und feinen Zus
ftand nicht gefährbender Weife in
die Hände des Arztes überzuführen,
und je nachdem der Unfall in der
Nähe bewohnter Stätten oder fern
von ihnen erfolgt ift, darnach wird
fih aud) die Art des Transportes
rihten. Die ideellite Leberführung
ift natürlich die mittelft einer Trags
babre, doch deren Vorhandenſein ift
eben eng an die Nähe von Städten
gefnüpft. Kann man fie ohne Be:
einträchtigung des Zuftandes des
Berletten erhalten, fo fol man eine
folde in erjter Reihe zu erlangen
fuhen. Jedweder Transport Spielt
ſich bei ihrer Benugung am glatteften
und für den Berlegten förderlichiten
ab. Zum Tragen einer Bahre
braudt man befanntlich zwei Trä-
ger und für dieſe gelten eine Reihe
von Punkten, die beim Transport
zu beachten find: 1. Bahren dürfen
nur mit Händen oder Gurten ge=
tragen, nicht aber auf die Schultern
gelegt werden, damit feinen Augen:
blid die Kontrolle de Transpor⸗
tierten aufgehoben wird. 2. Die
Träger dürfen nicht Schritt Balten,
ſonſt ſchwankt die Bahre von einer
Seite zur andern. Tritt alfo der
eine mit dem linten Fuß an, fo
der andere gleichzeitig mit dem
rechten. 3. Jede unrubige, heftige
Bewegung muß während des Tras
Wein oder Kognak, aber diefe nur | gens ftreng vermieden werben, ber
in kleineren Mengen) ein.
Gang der Träger flein und ficher.
XV, Erſte Bilfeleifinng bei [porllichen Mnfällen efrc.
4. Geht es bergauf, fo muß der
Kopf de Batienten vorangeben,
gebt es bergab, das Fußende. Nur
bei Beinbrüdhen erleidet diefes Ge-
fe eine Ausnahme, würde Doch
fonft die Körperlaft auf den ge:
brochenen Knochen drüden. Und
nun noch ein paar Worte über Auf-
und Abladen des Berletten! In
beiden Fällen wird die Bahre in
eine Linie mit feinem Körper ge⸗
ftellt, das Fußende derjelben hinter
feinen Kopf. Dann ftellen ſich die
Träger jeder auf eine Eeite, reichen
fih unter dem Rüden und unter
den Oberſchenkeln des zu Trans
portierenden die Hände, heben ihn
auf, tragen ihn rückwärts über die
Bahre und legen ihn behutjam dar-
auf nieder bezw. heben ihn auf.
Alles dies ift, wie man Sieht, eigent:
lich durchaus einfach und erfordert
außer einiger Aufmerkſamkeit nichts
Nr. 867.
der lettere noch gehen, dann be:
darf ed nur einer Stüße und Hilfe
ſeitens des unbejchädigten Genofjen
und diefe wird folgendermaßen ge-
währt: der Verletzte legt feine Hand
um den Hals des Helfers, fo Daß
fie auf der anderen Seite berab-
hängt, der Helfer legt feinen Arm
hinter dem Rüden des Berlekten
herum, umgreift deſſen Hüfte und
faßt mit der anderen Hand die über
feine Schulter hängende Hand des
Patienten. Kann aber der Ber:
legte nicht jtehen und gehen, dann
muß der andere ihn entweder auf
den Rüden nehmen oder ſoweit dies
möglih, in den Armen tragen.
Beides fehr ſchwer auszuführende
und mühſame Manipulationen.
Weſentlich einfacher ift, wie ge-
fagt, der Transport mittelft zweier
Helfer. Hierfür gibt es mehrfache
Methoden. 1. Der Verletzte fit auf
weiteres. Die Schwierigkeiten heben | den Händen der Träger, welche zwei
erst an, wenn man fern von jeder | Hände unter feinen Oberfchenfeln und
menſchlichen Hütte ſich befindet, auf
einem Felsgrat, einem Eisfirn,
furzum dort, wo man einzig und
allein auf fich jelbft angemwiejen ift
und jeglicher Unterftügung des per:
fünlichen Handelns ermangelt. Da
beißt e3, feine ganze Umjicht und
Geiftesgegenwart zufammenfaffen
und aus dem Gegebenen und Er:
reihbaren das formen und bilden,
was Dringend erforderlid und
zweddienlich if. E83 kommen für
ſolche Notbahren in Betracht: Bret:
ter, Türen, Yenfterläden, Stühle
Matratzen, Strohſäcke, Decken, Hänge⸗
matten, Stangen, die durch Gurte,
Riemen ꝛc. mit einander verbunden
werden, junge Bäume ꝛc. ꝛc. Iſt
aber nichts da und nichts im Um—
kreis zu erlangen, dann muß man
den Verunglückten etappenweiſe fort⸗
zutragen ſuchen. Sind zwei Helfer
da, ſo iſt das nicht ſchwer, iſt aber
nur einer da, dann heißt es auf ſich
und den Verletzten aufpaſſen. Kann
zwei hinter feiner Lendengegend ver-
fchränfen. Der Batient umfaßt mit
feinen Armen die Naden der Träger.
2. Die Träger verichränfen alle
vier Hände zu einem Sig, er legt
die Arme über ihre Schultern.
3. Man macht einen Tragfranz
aus einem zufammengefchnallten
Leibriemen, einem zujammengefno-
teten Strid oder einem Strobfeil,
faßt denfelben je mit einer Hand
und jest den Verletzten darauf.
Der Bollftändigfeit halber follen
noch am Schluß dieſes Kapitels die
in Gebirgsgegenden gebräuchlichen
Schleifen ermähnt werden, die
aus zwei langen, zuſammengekop⸗
pelten Baumftämmen bejtehend einen
faft vollgültigen Erjag für einen
Wagen bezw. Schlitten daritellen.
Mit einem Zugtier ald Borjpann
laſſen ſich auf jolchen Schleifen alle
Arten von Berlegungen und Bes
mwußtlojigfeitszuftänden ſchonend
und rationell transportieren.
XVI. Sport, Daftpfliht und Der:
fiherungswefen.
Von
Dr. Max Ables, Rechtsanwalt, München.
868. Gefahren des Sport8. So
Sache der fportliden Ausbildung
mannigfach die zurzeit in Uebung |ift eg, Unfälle nad) Möglichkeit
befindlichen Arten des Sportes find,
bintanzubalten; vollftändig zu ver-
Eined haben fie alle gemeinjam: | meiden aber werden fie niemals
Bald in höherem, bald in geringe-
rem Maße bringen fie Gefahren
mit jih, in eriter Linie für den
Ausübenden felbjt, oft aber gleich⸗
zeitig auch für dritte Perjonen.
Bei einzelnen Arten des Sports
bildet jogar die damit für den Aus⸗
übenden verbundene Gefahr einen
weſentlichen Beitandteil der bejon-
deren fportliden Betätigung: Der
Hodtourift, der Rennreiter, der
Rennfahrer, fühlen fih zu ihrem
Sport nit zum Lebten durch den
Reiz hingezogen, welder für fie
darin liegt, der Gefahr mit allen
zu Gebote jtehenden Kräften des
Körpers und des Geiſtes kämpfend
entgegen zu treten, und nad) ihrer
Ueberwindung die Yreuden deö
Sieges zu koſten.
Eine Sportart, welche nicht nur
Geſchicklichkeit, ſondern auch Kraft
und perſönlichen Mut erfordert,
verdient auch zweifellos eine her⸗
vorragende Wertſchätzung; dient ſie
doch der Hebung und Ausbildung
von Kraft, Umſicht, Entſchloſſenheit
und Unerſchrockenheit, alſo von
Eigenſchaften, welche von je als
herrliche Mannestugenden geprieſen
wurden.
wm
fein und fie müſſen deshalb als
ein jtehender Faktor eines jeden
Sportzmweiges betrachtet werden.
Neben den Gefahren, weldde dem
Sporttreidbenden unmittelbar
drohen, find es aber auch die bei
Ausübung de Sport? möglichen
Schädigungen Dritter, welde
ihn ſelbſt wieder indirekt treffen
fönnen.
869. Haftpflicht. Allen moder-
nen Geſetzgebungen gemeinjam: ift
der Grundfat, daß derjenige, wel-
cher durch Vorſatz oder Fahrläffigkeit
einen Schaden verurjadt, für diefen
Schaden haftbar gemadt werden
fann.
Die Haftung Tann gleichzeitig
zivilrechtliher und ftrafrechtlicher
Art fein.
Das Burgerliche Gejegbud für
aan er Reich beftimmt in
— vorſätzlich oder fahrläſſig
das Leben, den Körper, die Geſund⸗
heit, die Freiheit, das Eigentum
oder ein ſonſtiges Recht eines An⸗
deren widerrechtlich verletzt, iſt dem
Anderen zum Erſatze des daraus
entſtehenden Schadens verpflichtet.
„Die gleiche Verpflichtung trifft
XVI. Sport, Baſtpflicht und Verſicherungsweſen.
denjenigen, welcher gegen ein den
Schub eined Anderen bezwedendes
Geſetz verftößt. Iſt nad dem In⸗
halte des Gejeges ein Verjtoß gegen
diejeg auch ohne Verfchulden mög:
lich, fo tritt die Erjagpflict nur
im Falle des Verſchuldens ein.“
In gleiher Weife bat unfer
Reichsſtrafgeſetzbuch in einer Reihe
von Beftimmungen da? Prinzip der
triminellen DBerantwortlichkeit für
vorfäglih und fahrläffig
angerichteten Schaden aufgejtellt.
Umfafiender jedoch ift die zivil-
rechtliche Haftbarkeit. So ift 3.8.
die fahrläffige Beſchädigung einer
fremden Sache nicht ftrafbar, wohl
aber kann fie zum Erſatz des ent-
ftehenden Schadens verpflichten.
Wenn auf fportlidem Gebiete
eine Schädigung von Perjonen oder
Sachen eintritt, wird es ſich in der
Regel nidt um eine vorjätliche,
fondern um eine nur fahrläffige
Schadenzufügung handeln.
Daß die vorſätzliche Zu—
fügung eines Schadens regelmäßig
rechtswidrig ift und deshalb zum
Erſatz verpflichtet, gleichzeitig aber
auch jtrafrechtlihe Verantwortlich:
feit mit fich bringt, bedarf faum
der Erwähnung.
Es find jedoch Fälle möglid, in
denen ausnahmsweiſe die vorjäß-
liche Schädigung fremder Rechte
vom Geſetz geftattet if. Für den
Sport fommt von diefen Ausnah⸗
men der fogen. „Notitand” in Be-
tradt, das ift der Fall, daß ein
an fi rechtswidriger Eingriff in
fremde Rechte ich zur Rettung aus
einer augenblidlihen Gefahr für
Leib oder Leben erforderlich ermweift,
in welche der Täter oder ein An
derer unverjchuldeter Weije geraten
J * 228 B. G. B., 8 54 R. St.⸗
8 eitaus wichtiger indes iſt die
Frage, inwieweit eine nicht abjicht-
lihe, eine nur „Fabrläfjige”
Niro. 869.
Schädigung fremder Berfonen oder
Rechte eine Haftung ded Schaden-
ftifter8 nach fich ziehen Tann.
Die Definition ded Begriffes
„Fahrläſſigkeit“ ift keineswegs
einfach. In ſehr vielen, vielleicht
in den meiſten Fällen iſt es außer—⸗
ordentlich ſchwer, die Grenze zu
finden zwiſchen dem Begriff eines
unverſchuldeten Zufalles und dem—
jenigen eines ſchuldhaften Handelns
oder Unterlaſſens. Zahlreich ſind
denn auch die von Autoritäten der
Rechtspflege aufgeſtellten Defini-
tionen, von denen gleichwohl feine
Anſpruch darauf erheben kann, daß
fie in jedem Falle die zmeifelloje
Entfcheidung der Frage ermögliche,
ob Fahrläffigfeit ald gegeben oder
als ausgejchloffen erjcheint.
Tatfählih läßt ſich dieſe Frage
immer nur von Fal zu Fall ent-
ſcheiden, und es bat daher nicht
an Stimmen gefehlt, welche den
Begriff der Fahrläffigkeit wenig:
ſtens aus dem Gebiete unjerer
Strafgefegebung augfchließen und
eine friminelle Verantwortung nur
für vorjäßliches Tun zulafjen woll⸗
en.
Die glüdlichjte Definition hat
wohl dag deutſche bürgerliche Ge-
fegbuch gefunden, indem es in
8 276 fagt:
„Sahrläffig handelt, wer die
im Verkehr erforderlide Sorg⸗
falt außer Acht läßt.“
Freilich ift die begriffliche Fixie—
tung der „im Verkehr erforder:
lihen Sorgfalt” abermald ein
Thema für fih, und es könnte dem
Berfafjer ded 8 276 der Vorwurf
gemacht werden, er babe eine De:
finition gegeben, welche mit einem
abermals erjt zu definierenden, da⸗
her unbeftimmten Begriff arbeite.
Gleichwohl ift die vom Bürgerlichen
Geſetzbuch gewählte Löjung des
Problemes den zahlreichen fonftigen
Lehrſätzen, welche über die Frage
Nro. 869.
der Fahrläffigkeit ſchon aufgeftellt
wurden, vorzuziehen, und zwar ſelbſt
dann, wenn man ihren Vorzug nur
darin erbliden wollte, daß fie auf
die Notwendigkeit hinmeift, die viel:
umftrittene Frage ſtets nur für den
einzelnen, jeweils vorliegenden Fall
zu entjcheiden.
Sft nun bei einer Schädigung
von Berfonen oder Sachen feſtſtell⸗
bar, daß fie durch das fahrläffige
Tun oder Unterlafjen eines Dritten
verurfacht wurde, jo ift diefer, wie
Ihon gejagt, für den Schaden ver-
antwortlih. Seine Verantwortlich:
feit kann jedoch wieder in Wegfall
fommen, foferne bei Entftehung des
Schadens ein Verſchulden des Be-
Ihädigten mitgewirkt bat, und wenn
diefem Verfchulden die übermie-
gende Rolle bei Herbeiführung des
Schadens zuzufchreiben ift: 8 254
3.0.8
Daß die Ausübung eines jeden
Sport? eine Schädigung dritter
Perſonen durch den Sporttreibenden
mit ſich bringen kann, liegt in der
Natur der Sade: Der Reiter, der
Hochtouriſt, der Jäger, der Fahrer
auf Wagen mit Pferdebeipannung,
auf Automobil oder Fahrrad, der
Turner, furz jeder, der fi der
Pflege irgend eines Sportes wid⸗
met, kann hierbei infolge unglüd-
lihen Zufall oder durch Außer-
achtlaſſen der erforderlihen Bor:
fit die Rechte Dritter jchädigen.
Dabei braudt die fchädigende
Einwirkung keineswegs eine un
mittelbare und der urſächliche Zu:
ſammenhang zwifchen Handlung und
Schaden ein augenfälliger zu fein,
wie dies beiſpielsweiſe bei dem
Radfahrer der Fall ift, der ein
Kind überfährt,; es genügt vielmehr
auch eine indirekte Herbeiführung
des fchädigenden Erfolges: So kann
beiſpielsweiſe der Bergjteiger fich
einer fahrläffigen Tötung jchuldig
maden, wenn er aus Mutwillen
Dr. Max Ahles.
Markierungen befeitigt und wenn
infölgedefien ein anderer Touriſt
fih verirrt und umkommt.
Nicht nur den Einzelnen kann
eine derartige Schadenhaftung tref-
fen, auch die Sportvereine
fommen leicht in die Lage, für Schä-
den in Anfpruh genommen zu
werden.
Hat ed ein Verein unterlaflen,
die zum Schuß Dritter Perfonen
gegen Gefährdungen der betreffen:
den Sportart notwendigen Bor:
fehrungen zu treffen, jo ift er für
den aus diejer Unterlafjung er:
wachſenden Schaden verantwortlich.
Sp Tann beifpielöweife ein Turn
verein haftbar werden, wenn er es
unterläßt, ſchadhafte Turngeräte
ausbeſſern oder befeitigen zu laffen,
und wenn infolge diefer Nachläfjig-
feit ein Unfall paſſiert, ebenfo ein
Radfahr- oder Automobilverein,
wenn er bei Uebungen oder bei
Veranftaltungen von Rennen nicht
die zur Abfperrung des Publikums
erforderliden Maßnahmen trifft.
Dabei ift nad $ 31 3.6.8. der
Verein gleichzeitig auch für den
Schaden verantwortlid, den der
Vorftand, ein Mitglied des Bor:
ftande8 oder ein anderer, ver:
fafjungsmäßig berufener Vertreter
einem Dritten zufügt, ſofern feine
zum Schadenerſatz verpflichtende
Handlung oder Unterlaffung in den
Bereih der ihm zuftehenden Ber-
richtungen fällt.
Endlid kann fi eine Haftung
des Vereind auch aus 8 831 B. G. B.
ergeben. Hiernach ift, wer einen
anderen zu einer Berrichtung bes
ftelt, zum Erſatz des Schadens
verpflichtet, den der andere in
Ausübung der Berridtung einem
Dritten widerrechtlich zufügt. Diefe
Erſatzpflicht tritt jedod dann nicht
ein, wenn der Geſchäftsherr bei
Auswahl der beftellten Perjonen
und, fofern er Borridtungen oder
XVI. Sport, Baftpflict und Berficherungsmelen
Gerätſchaften zu beichaffen oder
die Ausführung der Berrichtung zu
leiten hat, bei der Befchaffung oder
der Leitung die im Verkehr er-
forderliche Sorgfalt beobachtet, oder
wenn der Schaden aud bei An-
wendung dieſer Sorgfalt entjtanden
fein würde.
870. Kraftfahrzeuge. Eine
Sonderjtelung auf dem Gebiete
des Sports nimmt dad Kraft:
fahrzeug (Automobil und Motor:
rad) ein.
Im Gegenfag zu den übrigen
Sportarten tritt hier die Tätigkeit
und die Geſchicklichkeit des Men:
Then zurüd gegenüber der Leiſtungs⸗
fähigkeit des Sportwerkzeuges.
Eine weitere Beſonderheit dieſes
Sportzweiges beſteht in feiner be-
deutenden Gefährlichkeit, welche
abermals durch die Bejchaffenheit
des zur Verwendung gelangenden
Werkzeuges bedingt wird. Diele
außergewöhnliche Gefährlichkeit hat
dazu geführt, daß unfere Rechts⸗
pflege für den DVerfehr mit Kraft-
fahrzeugen einen Begriff von
„Sorgfalt im Verkehre“ aufgeftellt
bat, welder über dad Maß der
gewöhnlichen Sorgfalt hinausgeht.
So Hat das Reichsgericht in
Leipzig ineinem Urteil vom 20. Sept.
1906 ausgejprodhen, die außer
ordentlich große Gefahr, welche mit
dem Automobilverfehr auf öffent:
lichen Straßen verknüpft ift, be-
Dinge im Intereſſe der Sicherheit
des Publikums eine ganz be-
fondersgroße Aufmerkſam—
feit und Borfidt des Auto-
mobilfabrers2.
Ein anderes Urteil, vom 9. März
1905, erklärt unter gemwifjen Bor:
ausjegungen nicht nur den Lenker,
fondern auch den Anfaffen des
Kraftfahrzeuges für haftbar, indem
ed ausführt, ed müfje von dem:
jenigen, welder in einem Auto
mobil fährt und zu deſſen Leiter
Niro. 870.
in einem Berhältnijje jteht, ver-
möge deſſen diejer jeinen Anord-
nungen Folge zu leiften bat, ver-
langt werden, daß er durch feiner
Sachkenntnis und Erfahrung ent-
ſprechende Anordnungen eingreift,
fobald er wahrnimmt, daß durch
die Art, wie der Fahrer dag Auto-
mobil leitet, unter den vorliegenden
Umftänden Gefahr für Leben, Ge⸗
jundheit oder Eigentum dritter
Perſonen droht.
In Frankreich haben die Gerichte
wiederholt entfhieden, die zivil-
rehtlihe Haftung des Führers
eines Kraftfahrzeuge ſei ohne
weiteres begründet, wenn er den
Unfall herbeigeführt Hat und auf
Berlangen nicht das Führerzeugnis
und das Zeugnis über Zuteilung
der Erfennungsnummer vorzeigen
fann; der Nachweis eines Ver:
ſchuldens wird alfo hier gar nicht
gefordert, vielmehr geht dieje Recht:
jpredung von der Auffaffung aus,
dag Fehlen der Bejcheinigungen
begründe die Rechtävermutung der
Ungeſchicklichkeit, Unvorſichtigkeit
und Unfähigkeit des Führers.
(S. Iſaac „Das Recht des Auto-
mobils“ S. 148.)
Dem Bedürfniſſe nach einem er⸗
höhten Schutz des Publikums gegen⸗
über den Gefahren des Verkehrs
mit Kraftfahrzeugen fuht nunmehr
das Reichsgeſetz vom 3. Mai 1909
über den Berfehr mit Kraftfahr:
zeugen Rechnung zu tragen, indem
ed neben der Haftung des Auto
mobilführers auch nod eine
jolde des Automobilbalter?
fchafft, und fo die Möglichkeit gibt,
den Befiger des Fahrzeuges für
Schäden in Aniprud zu nehmen,
bei deren Entftehen ein Verſchul⸗
den von feiner Seite gar nicht mit⸗
gewirkt hat.
Der Geſetzgeber ging hiebei von
der Erwägung aus, daß es eine
Unbilligfeit fei, bei einem Auto-
EEE
371.
(unfall die Geſchädigten hin—
ich ihrer Schabenerjagan-
He an den jehr häufig ver:
ensloſen Führer des Fahrzeuges
erweifen, ftatt ihnen, wie Dies
mehr der Fall it, ſolche, An-
iche in der Richtung gegen den
elmäßig vermögenden Eigen—
1er einzuräumen,
Das Geſetz iſt hinſichtlich feiner
rſchriften über die Haftpflicht
t dem 1. Juni 1909 in Kraft
treten, während jeine fonjtigen
Stimmungen erjt ab 1, April 1910
‚Itigfeit haben.
871. Haftung des Tierhalters.
cingt bei Ausübung ded Auto
obiljporte8 die Art des Sport-
erfzeuges eine bejondere Gefahr
it ſich, jo ift dies beim Pferdes
unjport und bei der Jagd in
nlicher, wenn auch nicht in glei-
em Maße ausgeprägter Weife um
eöwillen der Fall, weil hier zur
sortlichen Betätigung Tiere als
Berkzeuge benüßt werden, welche
ntweder infolge unrichtiger Ver—
vendung oder mangelhafter Beauf-
ichtigung, oder auch jelbittätig,
fo ohne irgend ein Verſchulden
on feiten ihres Heren, Schaden
tiften können.
Keiner beſonderen Crörterung
jedarf der Fall, daß ein Tier in-
olge eines Verſchuldens feines
Herrn Schaden anrichtet. Es ver:
iteht fich von felbjt, daß der Reiter,
welcher fein Pferd aus Willkür
durh ein bebautes Getreidefeld
lenkt, daß der Jäger, welcher feinen
ihm als biffig befannten Hund zur
Jagd mitnimmt, für den Schaden
haftet, welcher dur jein Ber-
ſchulden entjteht.
Anders verhält e3 ſich Dagegen,
wenn das Tier ohne derartiges
Verſchulden eines Menſchen Dritte
ſchädigt. Es läge nahe, in diejem
Fall den Schaden ald durch Zu-
fall, Durh Einwirkung „höherer
Dr. Max Ahles.
Gewalt” entſtanden zu betradien
und die Frage nad) der Haftdar-
feit irgend welcher Perſon für den-
felben zu verneinen,
Der Gefeggeber hat jedoch dei
Tatfahe Rechnung getragen, daß
mit dem Halten eines Tieres, felbit
wenn es nicht zu den notoriſch
gefährlichen zählt, außergemöhnltde
Gefahren verbunden find, und dat
es als Unbilligfeit erfcheinen müßte,
wollte man die hieraus entftehenden
Schäden nicht nach Tunlichkeit den
Betroffenen abnehmen und fie viel-
mehr auf den Tierhalter über
wälzen, welcher ja andererſeits
auch die Vorteile von der Bes
nüßung des Tieres zieht.
Eine Ausnahme bejteht nur zu:
gunften der Haustiere, welche der
Tierhalter zur Ausübung feine?
Berufs oder feiner Erwerbstätigkeit
verwendet. Bei einer Schädigung
durch ein ſolches Tier ift der Tier:
halter nicht erfagpflichtig dann, went
ihm fein Verſchulden in der Beauf-
fihtigung zur Laſt fällt, oder wenn
der Schaden auch troß forgfältiger
Beauffichtigung entitanden märe.
Die einjchlägige gefeglihe Be
ftimmung 8 833 8.6.8. lautet:
„Wird durch ein Tier ein Menſch
getötet oder der Körper oder die
Geſundheit eines Menfchen verlegt
oder eine Sache beſchädigt, fo ift
derjenige, welcher das Tier Hält,
verpflichtet, dem Verlegten den dar:
aus entjtehenden Schaden zu er:
ſetzen. Die Erſatzpflicht tritt nicht
ein, wenn der Schaden durch ein
Haustier verurfaht wird, das dem
Berufe, der Erwerbstätigkeit oder
dem Unterhalte des Tierhalterd zu
dienen beftimmt ift, und entweder
der Tierhalter bei der Beaufſichti⸗
gung des Tieres die im Verkehr
erforderlihe Sorgfalt beobachtet
oder der Schaden auch bei Anwen:
dung dieſer Sorgfalt entftanden
fein würde.”
xXVI. sport
ne
fl .
r angem zeigt fi da.
"gen di
auf dem
N teeſfen.
08 lie
e
XVI. Sport, Baftpflidht und Verſtcherungsweſen.
872. Die VBerfiherung. Schon
feit langem zeigt ſich das Beftreben,
fih gegen Gefahren, melde alle
Menſchen in gleicher Weife, oder
aber auch nur beftimmte Gruppen
von ihnen bedrohen, dadurch zu
fhüten, daß, infoweit es ſich um
heilbare Schäden handelt, dieje
durch den Zufammenfchluß größerer
Berfonengruppen von diefen gemein:
Ichaftlich getragen, alfo dem jeweils
Betroffenen nad Möglichkeit abge-
nommen werden.
An den legten Jahrzehnten hat
fih das Berfiherungswejen derart
entmwidelt, daß die Gefahren, gegen
die es feine Berfiherungdmöglid-
feit gibt, ſchon in der Minderzahl
find: Gegen Feuerdgefahr, gegen
Unfall mit oder ohne Todesfolge,
gegen Hagelfchlag, gegen berufliche
Haftung, gegen die Zeritörung von
Glasfenſtern uſw. ufm., nahezu
gegen alle Fährlichkeiten des Lebens
kann man fih durch Verficherung
zu ſchützen ſuchen.
Was liegt daher näher, als auch
gegen die Gefahren des Sportes
auf dem gleichen Wege Vorſorge
zu treffen.
Einen ſolchen Schutz fordert nicht
nur das Intereſſe des Sport3-
mannes, dem hierdurch nach Mög⸗
lichkeit der erlittene Schaden erſetzt
wird, ſondern er liegt auch im
Intereſſe des Sportes ſelbſt. Iſt
doch nichts ſo ſehr geeignet, die
Energie zu lähmen, als das Be-
wußtſein, im Falle des Mißlingens
ſich ſelbſt und damit wohl auch noch
anderen naheſtehenden Perſonen
Schaden zuzufügen.
Das Gefühl ſolcher Verantwort:
fichfeit hält nicht nur ſehr oft von
einer freien, ſportlichen Tätigfeit
ab, fondern es hemmt auch nur zu
leicht im fportlihen Kampf gerade
in entfcheidenden Augenbliden Die
Willenskraft und verurſacht auf
diefe Weife einen Mißerfolg, der
Niro. 872.
beim Fehlen eines jolden morali-
ſchen Hemmniſſes nicht eingetreten
wäre.
Das Zdeal einer fportlichen
Berficherung wäre es daher, wenn
jedem Sporttreibenden die Möglich-
feit gegeben wäre, fich gegen alle
Schäden, welche die Ausübung des
Sportes für ihn direft oder auch in-
direft (durh Haftung gegenüber
anderen Perfonen) mit fich bringen
kann, zu verfichern.
Es müßte alſo eine Verfiherung
möglich fein vor allem gegen Un:
fälle jeglicher Art, welche gelegent-
lih der Ausübung des betreffenden
Sportes ſich ereignen. “Dabei
müßte für den Sal des Todes an
die Hinterbliebenen oder an jonftige
im Verficherungsvertrag zu bezeich-
nende Berjonen die vereinbarte
Summe ausbezahlt werden; es
müßte aber auch für den Fall einer
nur vorübergehenden Beichädigung
Erjag für Verdienftentgang und
Kurkoften, endlich bei einer dauern⸗
den Beihädigung (Berftümme-
lung :c.) außerdem noch eine Rente
gewährt werden.
Des weiteren müßten in den
Bereich der fportlihen Verficherung
auch alle jene Beichädigungen auf:
genommen werden können, welde
nit auf einen „Unfal” im land:
läufigen und verfiherungstechnifchen
Sinne des Wortes, alfo auf ein
plötzliches von außen einmir-
fende8 Ereignis, fondern welde
auf Erkrankungen als Folgen
der ſportlichen Betätigung zurüd-
zuführen find, fo beiſpielsweiſe auf
Grfältung, Ueberanftrengung ꝛc.
Endlih müßte eine jolche ideale
Berfiherung auch noch die Haftung
für Schäden umfafjen, welche der
Sporttreibende in Ausübung des
Sporte3 dritten Perſonen zufügt,
natürlich nur inſoweit, als er für
jolde Schäden nad den einjchlägi-
gen gejeglichen Beftimmungen haft:
Nro. 872. Dr. Max Ahles: XVI. Spori, Baftpflicdht u. Berficherungsmefen.
bar gemacht werben Tann, bezw. im
einzelnen Falle durch gerichtliche
Urteil haftbar gemacht worden ift.
Diefes Ideal einer fportlichen
Berfiherung wird von den zurzeit
beftehenden Berficherungs-Anftalten
und -Gejellihaften nicht erreicht.
Die Fährlichkeit einzelner Sport:
arten und die Schwierigkeit, in
jedem Falle den urſächlichen Zu⸗
ſammenhang zwifchen der [portlichen
Betätigung und dem eingetretenen
Schaden feftzujtellen, laſſen unſere
Berfiherungsinftitute dem Sport
gegenüber eine gewiſſe vorfichtige
Zurüdhaltung beobadten.
So ift regelmäßig die Verfiche-
rung gegen Unfall auf dem Gebiet
der Luftichiffahrt, bei der Teilnahme
an Wettlämpfen und Wettjpielen,
an equilibriftiihen und afrobatifchen
Uebungen ausgeſchloſſen. Eine Ber:
fiherung gegen Unfall bei Waſſer⸗
fabrten, beim Schwimmen, bei Wett-
rennen, Parforce- und Schnikel-
jagden wird nur injoweit gewährt,
als nicht der Tod des Verſicherungs⸗
nehmers herbeigeführt wird.
Eine Frage der nächſten Zukunft
ift e8, welden Standpunft unjere
Berfiherungsanftalten angefichts
des Automobilgefeged gegenüber
der Berfiherung des Automobil:
port? einnehmen werden.
Abgejehen von diefen Ausnahmen
aber bietet unſer heutiges Verfiche-
rungswefen für‘ den Sporttreiben-
eines jeden Sports in höherem oder
geringerem Maße drohen, zu fchüßen.
Eine wichtige Aufgabe auf dem
Gebiete der fportliden Verſicheruug
fommt unſeren Sportvereinen zu.
Schon haben eine Anzahl der
größeren fportliden Vereinigungen
ed unternommen, für ihre Mits
glieder eine Zwangsverſiche—
rung einzuführen, indem fie einen
beftimmten Teil ihrer Einnahmen
Dazu verwenden, um jedes Mitglied
gegen eigenen Unfall ſowohl als auch
gegen Haftpflicht verfichern zu lafjen.
Es darf als fiher angenommen
werden, daß diefe bisher verein-
zelten Beijpiele Nachahmung finden
werden. Damit wird die fportliche
Berfiherung auf eine neue Bahn
geleitet, welde nur zum Borteil
der Sporttreibenden führen Tann.
Denn während bisher regelmäßig
nur derjenige fih zum Abſchluß
eines PVerficherungdvertrages ent=
ſchloß, welder fih bewußt war,
dur beſonders intenfive Sport-
tätigfeit fih erhöhter Gefahr aus-
zufegen, welcher dafür aber auch zu
denen zählte, welche die Berfiche-
rungsanftalten nicht felten auf er-
heblihe Leiftungen in Anfprud
nehmen, wird bei der Zwangs⸗
verfiherung dur) DBereine den
Berfiherungsanftalten die Möglich-
feit geboten, infolge des Gefahren-
ausgleiches unter der großen Anzahl
der Berjicherungsnehmer günftigere
den reihe Möglichkeit, fi gegen | Bedingungen für die Berficherten
die Schäden, welde bei Ausübung | zu bieten.
XVII. Siteratur, Sportvereine, firmen.
Angegeben von den Mitarbeitern.
Nachdem hier nur die hauptſächlichſten Werke der einfchlägigen Sport:
literatur aufgeführt werden konnten, fei auf den ausführlichen Katalog:
„Sport=zLiteratur” bingewiefen, der von der 9. Lindauerſchen
Buchhandlung in Münden, Kaufingerftraße 29 ausgegeben wurde. —
Zu den angeführten Firmen wird ausdrücklich bemerkt, daß ausjchließ-
lih den Mitarbeitern perſönlich ald empfehlenswert bekannte Ge-
Ihäfte angegeben wurden, daß aber damit durchaus nicht gefagt fein
jol, daß nicht auch andere Geſchäfte gut und folid feien.
Zu Abfdnitt I. Begriff, Ent-
wickelung und Bedeutung des
Sports.
Literatur:
(Außer den im Text angeführten Autoren.)
F. Echhardt, Die fportlihe Seite des
Alpinismus. Mitteilungen des D. u. De.
A. 3. 1903.
Prof. Dr. Haußbofer, Sport. Zeit:
Schrift des D. u. De. A. V. 1899.
Prof. Dr. 8. Koch, Das heutige Spiel-
leben Englands.
Dr, %. Bid, Sport und Gefundheit.
H. Steiniger, Zur Piychologie des
Alpiniften. Graphologiſche Monatshefte
1907- 08.
Jahrbücher für Volks- und Jugendſpiele
herausgegeben von E. v Schentendorff
und Dr. F. A. Schmidt, in denen ſich
eine große Anzahl von Arbeiten finden, die
Ka bie bier angeregten Fragen einfchlägig
find.
Zu Abfdnitt II. Reit- und
Fahrſporte.
Literatur:
Bücher.
Bibliothek für Sport und Spiel, J Leipzig,
Grethlein u. Co.: NReitiport, Geländes
reiten, Das rohe Pferd, Renniport,
Hindernisfport, Damen-Reitſport, Par:
forcejagd auf Hafen, Polo, Fahriport,
Traberiport.
Briefe über das Reiten in ber deutſchen
Kavallerie, v. P. Plinzner; Berlin,
Mittler u. Sobn.
Dame, die, ald Reiterin, v. Schlaberg;
Berlin, B. Parey.
Damen: Reitkunft, v. 8.0. Wobejer; Ber:
lin, Mittler u. ©.
Damen -Reitiport, v. R. Schovenbed;
Leipzig, Grethlein u. Co.
Dauerritte, v. C. v. Heydebred; Berlin,
Mittler u. ©.
Dauerritte, Betrachtungen und Ratjchläge,
v. Heuß; Berlin, Mittler u. ©.
Drefiur, Grundfäge der, v. 3. Fillis;
Berlin, R. Felix.
Dreſſur, Tagebuch ber, v. J. Fillis;
Stuttgart, Schickhardt u. Ebner.
Erfahrungen von Reitbahn, Exerzierplatz
u. Jagdfeld, v. A. E. Hoffmann; Leip⸗
zig, Engelmann.
Fahrtunde, die deutſche, v. R.Schoen⸗
beck; Leipzig, Klemm.
Fahrſport, v. W. Ahlers; Leipzig, Greth—
lein u. Co.
Fuhrwerk, das Luxus⸗, v. Grf. C. G.
Wrangel; Stuttgart, Schickhardt und
Ebner.
Gymnaſium des Pferdes, v. P. Plinzner;
Potsdam, Döring.
Hindernisſport, v: F. Schmidt-Beneke;
Leipzig, Grethlein u. Co.
Parforcejagd auf Haſen, v. Frhr. v. Eſe⸗
beck; Leipzig, Grethlein u. Co.
Pferde, dad Buch vom, dv. Grf. C. ©.
Wrangel; Stuttgart, Schidhardt und
Ebner.
Pferdegymnaftil, v. BP. Plinzner; Pot3:
dam, Döring.
Pferd, das rohe, v. S. v. Sanden;
Stuttgart, Schickhardt u. Ebner.
Pferd, das dreffierte, v. PB. Plinzner;
Leipzig, Engelmann.
Reiten und Fahren, v. R. Shoenbed;
Berlin, B. Parey.
A ul die natürlidde ; Berlin, Mittler
u. S.
XVII. xiteratur, Sporivereine, Fichten.
Reitfport, v. ©. v. Sanden; Leipzig, — — Burgfteinfurter Reiter⸗
n
Grethlein u. Co.
Reitwinke, v. Kimmerle; Berlin, P.
Parey.
Rennreiten, v. K. v. Tepper-Laski;
Berlin, P. Parey.
Traberſport, v. T. Tſcho epe; Leipzig,
Grethlein u. Co.
Training des Pferdes, v. A. v. Schlü⸗
ter; Berlin, P. Parey.
Pferdbepflege u. |. w.
Anleitung zur Beurteilung des Pferde-
beued. Herausgegeben im Auftrage bes
Königliden Preuß. Kriegsminifteriums.
Berlin 1889.
Goldbeck, Gefundheitspflege der Militär:
pferde, Berlin 1902.
Goldbed. Der Pferbefauf.
1904.
Köſters Lehrbuch des Hufbeichlages.
Berlin 1908.
Ludwig, Wilhelm, Handbuch ver Hygiene
« und Diätetif des Truppenpferdes zum
I |Gebraudh für Beterinäre, ſowie Stu⸗
dierende, Offiziere und Verwaltungs
beamten. Berlin.
Parjey, P. Mnleitung zur Fütterung
ber Dienftpferde. Berlin 1896.
Zeitſchriften.
Wochenrennkalender für Deutſchland.
Deutſcher Sport, Drgan für Renn⸗
fport und Pferbezudt, Berlin.
Sport im Bild, Illuſtrierte Wochen⸗
ſchrift, Berlin.
Santt®eorg, Illuſtrierte Wochenſchrift,
Berlin.
Berlin
Bereine:
Sn Deutſchland ſteht ver Union-
tlub in Berlin an der Spige des Renn-
betriebes, für ben ein von den Minifterien
für Landwirtſchaft und Juſtiz berausge-
gebenes Geſetz maßgebend ift.
Die Erlaubnis zur Abhaltung öffent-
liher Rennen haben zurzeit (1909) folgende
Rennvereine:
Adern i. B., Acherner Rennverein,
Altona-Bahrenfeld, Kavalleriften-Kamerad-
ſchaft, Hamburg.
Baden-Baden, Internationaler Klub.
Bamberg, Fräntifcher Neiterverein.
Beeskow, Beeskow⸗-Stork ower Rennverein,
Berlin-Grunewald, Unionklub und Verein
für Hindernisrennen.
Berlin: Hoppegarten, Unionklub.
Berlin-Karlshorft, Verein für Hindernis:
rennen.
Berlin-Straußberg, Strauöberger Renn-
verein.
Bielefeld-Bradwebe, Ravensherger Renn-
verein.
Bremen, Bremer Reitllub.
Breslau, Schleſiſcher Verein für Pferbe-
zucht und Pferderennen.
Bromberg, Bromberger NReiterverein. -
verein.
Gaftrop, Eaftroper Rennverein.
Cleve, Clever Reiterverein.
Danzig-Zoppot, Weftpreußifcher Neiter:
verein.
Defiau, Anhaltifher Reiters und Pferde:
zuchtverein.
Detmold, Detmolder Rennverein.
Doberan, Doberaner Rennverein.
Dortmund, Dortmunder Rennverein.
Dresden, Dresdener Rennverein.
Düffeldorf, Düſſeldorfer Reit- und Nenn:
verein.
Elmshorn, Verband der Pferdezüchter in
ben Holfteinifhen Marſchen.
Frankfurt a. M., Frankfurter Rennklub.
Sranffurt a.D., Frankfurter Reiterverein.
Freiburg i. Br., Freiburger Neiter- und
Pferdezudtverein.
Fürftenwalbe, Frankfurter Rennverein.
Gotha, Rennverein für Mitteldeutfchland.
Graudenz, Graudenzer Rennverein.
Halle a. S., Sähfifh-Thüringifcher Reiter:
und Pferdezudtverein.
— ———— Hamburger Sport⸗
u
amm i. W., Arnsberger Rennverein.
annover, Verein zur Förderung ber Han:
noverfhen Landespferdezucht.
Hannover, Herrenreiterverein.
— Harzburger Rennverein.
Km orn, Hamburger Renntlub.
aßloch, Pfälzifher Rennverein Neuftadt
a. H.
Hattingen a. db. Ruhr, Hattinger Renn-
verein.
Hering3borf, Verein für Hindernisrennen, '
Berlin
orſt⸗Emſcher, Emfchertaler Rennverein.
udarbe, Pferbezudt: und NRennverein
Hudarde-Rahm.
Hüften i. W., Hüftener Rennverein.
Sinfterburg, Litthauiſcher Neiterverein.
Jülich, Züliher Nennverein.
Karlsruhe, Karlsruher Reiterverein,
Kafjel, Kurbeffifher Reiterverein.
Kiel, Kieler Reiterverein.
Köln a. Rh., Kölner Rennverein.
Königsberg i. Pr., Verein für Pferde:
rennen und Pferdeaugftellungen in
Preußen.
Kolberg, Hinterpommerfder Reiterverein.
Kottbus, Lauſitzer Rennverein.
Kreuznach, Nahetal-Rennverein.
Küſtrin (für 1 Tag im Jahre 1909), Neu:
märkiſcher Reiterverein,
Landsberg a. W. (für 1 Tag im Jahre 1909),
Neumärkiſcher Reiterverein.
Lauenburg a. €., Lauenburger Rennverein.
Leipzig, Leipziger Rennklub.
Ludwigsluſt, Lubmwigslufter Rennverein.
Lüneburg, Lüneburger Reiterverein.
Lyck i. Ditpr., Mafurifcher Reiterverein.
Magdeburg, Magdeburger Rennverein.
Magdeburg, Sächſiſch-Thüringiſcher Reiter:
undr Pferbezudtverein,
XVII. Literatur, Sporivereine, Firmen.
Mannheim, Badifher Rennverein.
Mes, Lothringifher Reiterverein. .
Militſch (für 2 Tage im Jahre 1909) Mi:
litfher Rennverein.
Mülheim a. d. Ruhr, Mülheimer Reiter-
verein.
Münden (inkl. DOftoberfeftrennen), Mün:
chener Rennverein.
Münfter i. W., Weftfälifher Neiterverein.
Neuß, Neußer Reiterverein.
Norderney, Norderneyer Rennverein.
Nürnberg, Nürnberger Rennverein.
Oels, Delfer Jagbdreiterverein.
Oldenburg, Oldenburger Rennverein.
Oldesloe, Oldesloer Rennklub.
Osnabrück, Renntomitee.
Oſterode i. Oſtpr., Oſteroder Reiterverein.
Poſen, Poſener Rennverein.
Pyrmont, Pyrmonter Rennverein.
Qualenbrüd, Artländer Rennverkin.
Quedlinburg, Verein für Pferdezucht ꝛc. in
den Harzlandſchaften.
Raſtenburg i. Oſtpr., Raſtenburger Reiter-
verein.
Rathenow, Märkiſcher Reiter- und Pferde⸗
zuchtverein.
Recklinghauſen, Recklinghauſer Reiterverein.
Regensburg, Regensburger Rennverein.
Roſtock, Roſtocker Rennverein.
Saarbrücken, Rhein.-Lothr. Reiterverein.
Salzwedel, Altmärkiſcher Reiterverein.
Schleswig-Königswill, Schleswig-Holſtein.
Renn⸗ und Zuchtverein.
Schneidemühl, Bromberger Reiterverein.
Segeberg (für 1Tag im Jahre 1909), Nenn:
verein des Kreifed Segeberg.
Steele a. d. Ruhr, Steeler Rennverein.
Stettin, Pafewalter Reiterverein.
Stolp i. Bom., Hinterpommerfder Reiter:
verein.
Straßburg i. Elj., Straßburger Neiter-
verein.
Strausberg (f. Berlin-Strausberg).
Stuttgart-Cannftatt, Schwäbiſcher Reiter-
verein.
Stuttgart-®eil, Württembergifher Renn-
verein.
Südteln, Südtelner Reiterverein.
Thorn:Moder, Thorner Reiterverein.
Tilfit, Tilfiter Rennverein.
Torgau, Sächſiſch-Thüringiſcher Neiter- u.
Pferbezuchtverein.
— —— Lübeck⸗Travemünder Renn—
klub.
Verden, Verdener Rennverein.
Waltrop, Waltroper Rennverein.
Waren i. M., Rennkomitee.
Willſtätt i. B., Rennverein Willſtätt.
Wittenburg i. M., Mecklenburgiſcher Reiter:
verein.
Zweibrücken, Pfälziſcher Rennverein Zwei—
brücken.
Die bedeutendſten Rennen Deutjd-
lands:
Flach⸗Rennen.
Berlin-HoppegartenT(bjw. Grune—
wald⸗Bahn): Henkel-Rennen 10 000 M.
Union⸗Rennen .. 30 000 M.
Preis der Diana . .» . 20000 M.
Hertefeld-Rennen . 2 . 20000M.
Silberner Edi . . . 20000 M.
Staatspreis I, Klaffe . „. 10000M.
Herzog von Ratibor⸗Renne
Großer Preis von Berlin 74 000 M.
Renard-Rennen . . . 28 000M.
Fürft zu Hohenlohe-Dehringen-Nennen
Baden-Baden: Großer Preis
50 000M.
Fürftenberg- Memorial . 46 000 M.
Prince of Wales Stater . 16000 M.
Zutunfts-Rennen 36 000 M.
Breslau: Preis v. Schieſien 26 000 W.
Herzog v. Ratibor-Erinnerungs-Rennen
Doberan: Friedrich-Franz-Rennen
70 00
om.
Frankfurt a M.: Wäldchens-Rennen
10 000M.
Alerander:-Rennen . . . 25000M.
Dftober-Preid? . . . 20000 M.
Bold-Rolal . » * .: 13000 M.
Gotha: Preis von Thilringen 30 000 M.
Hamburg-Borftel: Großer Preis
100 000 M.
PR Horn: Deutihes:Derby
100 000M.
Gr. Hamburger Hanbilap
Hamburger Kriterium . . 15000M.
Großer Hanfa-Preis 40 000 M.
Hannover: Großer Preis von Han-
noVver . » 2 2 0... 15000M.
Deutfhes St. Legerr . . 30000 M.
(jpäter auf der Grunewald-Bahn).
Köln: Preis v. Donauefdhingen 25 000 M.
Preis v. Stühlingen .
Preis v. Ahein - - 2 2. 2LO000M.
Preis des Winterfavoriten 30 000 M.
Rheiniſches Zudhtrennen . 30 000M.
Leipzig: GStiftungss Preis 15 000 M.
Großer Teutonia-Preis
Großer Preis von Leipig 25000 M.
Münden: Bayern:Preis 50 000M.
Stuttgart-Beil: Schwaben-Preis
20 000 M.
Hindernid-Rennen.
Berlin- Hoppegarten: Gr. Armee:
Jagd-Rennen - „ 20000M.
„ Karlshorft: Berolina 20 000 M.
KRaiferpreid . . 2. 2.2. 15000M.
Germania . 2 2 2 2 ..15000M.
„nternationale” . 2. 31000 M.
Deutfchres Jagdrennen. 11000 M.
Metropole-Preis. „. » „2 10000M.
Hauptzfjagdrennen . 22 000 M.
„2000 Stronen” . 2. 2... 30000M.
Großes Hürden-Rennen .
Großer Preis v. Karlshorſt 50 000 M.
Yandsbergejagdrennen . 10000M.
Rarforces \agdrennen . „. 10000 M.
Baden-Baden: Altes Badener-Jagb-
Kennen 2 2 0 2 2 2. .13500M,
Große Badener HanbicapsSteeple-Ehafe
20000.
Bremen: Großes Bremer Sagdrennen
10 000 M.
57
XVII, Titeratur, Sportvereine, Firmen.
Dortmund: Germania . 12000 M
Großer Preis v. Dortmund 20000 M.
Herbit-Prei . . » 10 000M.
Hamburg-Horn: Kaiferin Augufta=
Viltoria-Jagdrennen . . 30000 M.
Gr. Hamburger-Jagdrennen 10000 M.
HoritsEmsdder: Großer Preid von
Hor 02 0.0... 1500M.
Große3 HürdensRennen . 10000M.
Frankfurt a. M.: Präfibenten-Preis
10 000 M.
Köln: Kronprinzeffin Cäcilie-Jagdrennen
100
VOM.
Colonia-jagbrennen . . . 10000M.
Mannheim: Preis ber Stabt Mannheim
15 000 M.
Badenia . . 40 000 M.
Münſter: Landsberg⸗ Jeadrennen A
000
Neuß: Neußer Jagbrennen ı 000 N.
Stuttgart=-Weil: Preis von Weil
31000 M.
Trabrennfport.
In Deutichland fteht an . Spitze: die t ech auge Kommiffion für Trab:
rennen und bad große
Schiedsgericht.
Die bedeutendſten Trabrennplätze ſind:
Tage
Weſtend 20
Weißenſee 24
Altona-Bahrenfeld 5 . 10
Münden (M. Tr. u. 3-8)
Pfarrkirchen
Straubing, .
ungen Dtioberfeſh
Heide i. H..
Ölbenburg t. Gr. .
Hamburg (Kav. = aãmeradſchaft
Ludwigsluſt...
Heringsdorf.
Segeberg .
Stuttgart: Gannflatt
Sever . . . i
Neerſen⸗ Neuwert
Mitterwöhr . .
Se gorfthof .
Duhnen . . ;
Kreiberg t. Br.
Meftend- (Pferde-Erholungsp. ).
gb de pad pub eb fen pub ed put De ed eb NO RD 9 0
©
00
Zu Abſchnitt III. Alpinismus.
Literatur:
A. Aihinger, Technik des Bergiteigeng-
Herausgeneben vom D. u De. A.V.
€. D. Dent, Hodtouren. Ein Hand-
a für Bergfteiger. Leipzig 1893.
A. Moſſo, Der Menfh auf den Hoch⸗
alpen. Leipzig 1899.
8. Burticeller, Zur Entwidlungs:
geſchichte des Alpinismus. Jahrbuch des
D. u. Oe. A.V. Jahrg. 1894.
Zſigmondy— Bouite, Die Gefahren
der Alpen. Annsbrud 1907.
N. Zung, Höhenklima und Bergwande-
rungen in ihrer Wirkung auf den Menfchen.
Berlin 1906.
geitfhrift und Mitteilungen bed
D. u. De. A.B. Verſchiedene Auffäge.
Deutfhe Alpenzeitung, Mün-
hen. Verſchiedene Auffäge.
Die win onen Alpinen Vereine und
ihre Beröffentlichungen:
I Deutihland und Defterreid.
Deutjder u. Defterreidifder
lssnperein. 82221 M. 367 Sektionen.
Nennen Mark Ehrpr.
168 440 400 46
175 425 300 67
77 165 500 5
93 142 150 31
12 23 580 1
19 13 940 8
3 9 600 —
12 6 700 12
7 4 350 7
3 3.000 —
2 2 250 4
2 1 800 6
4 1 600 4
1 1 575 —
5 1626 6
3 1400 —
2 1 840 —
4 885 —
6 700 12
1 600 —
2 — 2
691 1 248 145 205
Zentralausfhuß gegenwärtig München.
Kanzlei Prannerfir. 8. Zentralbibliothet
Münden, Ledererſtr. 2.
„Zeitſchrift des Du. Oe. A.V.“, „Mittei-
lungen des D. u. De. A. V.“ Für Mits
glieder unentgeltlich.
2. Deſterreichiſcher Touriſten—
klub. 14800 M. 64 Sektionen. — Zen⸗
tralleitung in Wien I, Bäckerſtraße 3.
„DeſterreichiſcheTouriſtenzeitung“ 24Nrn.
3. Deſterreichiſcher Alpenklub.
800 M. Wien VI., Rahlgaſſe 6.
„Oeſterreichiſche Alpenzeitung“. (Wien
VI/1, Mariahilferhof.)
4. Deſterreichiſcher Gebirgs—
verein 6200 M. — Sitz: Wien VIIIl2,
Lerchenfelderſtr. 89.
„Der Gebirgsfreund“. 12 Nrn.
5. Touriftenverein „Natur—
freunde”. 12000 M. — 109 Ortögruppen.
Bgentralleitung: Wien XV., Löhrgaffe 16.
Naturfreund”. 12 Nrn.
er Vereine:
hen: Turner: Alpenträngden,
Sochtourktentiud,
Graz. Steir. Gebirgäverein;
Grazer
Alpenklub; Techniter-Alpentlub.
XVIl, Wilerafur, Sporfvereine, Kirmen.
Laibach. Slovensko
drustvo.
Prag. Slovenske alpsk& druzstvo.
Trient. Societä degli Alpinisti Tri-
‘ dentini; Societä Rhododendron.
Trieft. Adria; Societä alpina delle
Giulie; Club Touristi Triestini.
Zara. Liburnia.
I. Schweiz.
1. Shmweizer Alpentlub. 10200 M.
55 Sektionen und 2 Subfeltionen. — Ben:
tralleitung Freiburg. Maifon Glaſſon, 30
Rue de Romont.
„Jahrbuch“ des S. N.:C.; „Alpina“.
24 Nrn.; „L’Echo des Alpes“. Genf.
2. Alpina, Luzern.
3.TZouriftentlubEdelmweiß, St.
Ballen.
4. Genf: a) Club des Grimpenrs. b)
Union Montagnard. c) Gyms Montag-
nards. d) l’Allobrogia, e) Piolet-Club.
II. Stalien.
1. Club Alpino Italiano. 6500
M. 34 Seltionen. — Zentralleitung Turin,
ia Monte di Pietà 28. s
„Rivista mensile“. 12 Nrn.
„Bollettino d. C, A. I.“
2. Societä& Alpina Friulana in
Unbdine, Via Daniele Manin 22.
„In Alto“. 6 Nrn. Schriftleiter: F.
Cantarutti u. A. Ferrucc. Frs. 4.—.
IV. $rantreid.
1. Club Alpin Frangais,' 5900 M.
46 Sektionen. — Direktion Paris, Rue du
Bac 30. .
„L&a Montagne.“ (Revue mensuelle
illustree.) 12 Nrn.
2. Societ6 des Touristes du
Dauphine. Grenoble Rue Thiers 21.
„Annuaire d. S, T. D.“ (30. Jahrg.)
8. Societe des Alpinistes Dau-
phinois in Grenoble, Rue Montorge 1.
„Revue des Dauphinoises.“ 12 Wrn.
Fr3. 6.50.
V. England.
1. Alpine Club. London W. 23.
Savile Row.
„Alpine Journal“. 12 rn.
2. Scottish Mountaineering
Club, Edinburgh.
VI Niederlande.
1. Nederlandpfhe Alpenvereni:
gung in Leiden.
VII. Rußland.
1. Rufjifder Gebirgsverein.
Moskau, Obuchow Pereulot 6.
2. Krimfher Alpentlub. Odeſſa,
Gorodostoi Sad.
3. Kaukaſiſcher Gebirgsverein.
Pijatigorst,
4. Raufafifher Bergklub. Sotſchi
VIII Akademiſche Bereine.
1. Alad. Alpenverein Berlin. 2. Alad.
Alpentlub Innsbrud. 3. Atad. alpiner
Verein Innsbrud. 4. Aladem. Alpen:
verein Leipzig. 5. Alad. Alpenverein
Münden 6. Akadem. Touriftentlub
planinsko
Straßburg. 7. Atad. Alpenclub Bern.
8. Aladem. Alpenclub Züri. 9. Club
alpino academico italiano (Turin).
Firmen:
9. Schwaiger, Münden, Rathaus. Hod:
touriftit und Winterfport.
Mizzi Langer, Wien, wie vor.
€. Wittig, Innsbrud, wie vor.
Fritſch & Eo., Züri), wie vor.
9. Münzinger, Münden, Rodeln, Sti.
Metzeler & Co., Münden, wie vor.
— München, Dienerſtr., Berg⸗
ube..
®. Geiger, Münden, Karlsplag, Spezial:
artifel für alpine Photographie.
Zu Abfdnitt IV. KWinterfport.
1. Schilaufen.
Literatur:
„Der Winter”, Amtl. Organ des Deutfchen
und Defterreihiihen Echiverbandes ꝛc.
Verlag der Deutfhen Alpenzeitung,
Münden. [verbandes.
„Sti”, Mitteilungen des Schweizer Schi—
„Schnee“, Zeitihrift d. Alpen-Schivereind.
„Jear boot“, Ski⸗Club-Groat-Britani.
„Jahrbuch“ des Norweg. Schiverbandes.
„Jahrbuch“ des Schwed. Schiverbandes.
„Jahrbuch“ des Schweiz. Schiverbandes.
Sonſtige wichtigſte Literatur:
Hoet & Rihardion, Schi und ſeine
fportlihe Benügung.
Hoek, Wie lerne ih Schilaufen.
Yuitfeldt, Das Stkilaufen. (land.
Nanien, Auf Schneefhuhen durch Grön-
PBaulde, Der Schi-Lauf.
Rihardfon, Ski renning.
Wergeland, Ski-löbering, dens Historie
og Auvendelse,
Bereine:
Es eriftieren derartig viele, daß bloß bie
„Derbände” erwähnt werden fünnen:
„Deutſcher Schiverband”.
„Oeſterreichiſcher Schiverband”.
„Schweizer Edhiverband”.
„Norwegiſcher Landesverband”.
„Shwedifher Landesverband”.
Firmen:
thlefffen, Bern.
n Entref, Stuttgart.
Her, Freiburg i. Br.
agen & &o., Ehriftiania.
anger, Wien.
chwaiger, Münden.
‘
augauea
& .
Ro NASRM u
=
SE
2
=)
r
&
©
=
3
’ ch
E. Wittig, Innsbruck.
(Vergl. auch Abſchnitt III, Alpinismus.)
2. Schlittſchuhlaufen.
Literatur:
„Der Win terſport“ von J. W. und Fr.
Scheibert.
XVII, Tiferafur, Sporfvereine, Firmen.
„Das Schnellaufen auf dem Eife.” „Die
Dame auf Schlittfhuhen.” „Das Paar-
laufen und Gruppenlaufen auf dem Eife.”
Praktiſche Winte für Kunfteisläufer und
Eiglaufvereine. Bon George Helfrich.
Beitfgrift „Sport im Bi”. W. I. 9.
Müller, Winterfport.
„Der Winter”, Verlag der Deutſchen
Alpenzeitung, Münden.
Firmen:
A. Stor z, Münden, Marienplatz.
F. Bidmann, Münden, Karlstor.
3. Schlittenſport.
Literatur:
W. Ferry, Das Rodeln ein Winterſport.
Graz 1906.
Dr. Rziha, Der Rodelſport mit Berüd:
fihtigung der übrigen Schlittenfporte.
Minden, 1907.
St.MorigTobogganing-E lub, Renns
orbnung für den Erefta Run.
„Der Winter”, DBerlag der Deutfchen
Alpenzeitung, Münden.
„Illuſtr. öfterreid. Sportblatt”, Wien.
„Engadin Expreß und Alpine Poft”.
Faſt alle größeren Tagesblätter bringen
unter der Rubrik „Sport“ die für Schlitten
fportler nötigen Nadridten.
Bereine:
„St. Morig Tobogganing⸗Club“.
„St. Moris Bobsleigh: Club“.
„Davos Toboggan:Elub“.
„Winterfportflub des öfterr. Touriftenklub”.
„Winterſportverein Friedrichsroda“.
„Verband ſteiriſcher Rodler“.
Winterſportvereine befinden ſich außer⸗
dem faft in jedem, durch feine Lage für den
Sport geeignetem größeren Drte.
Firmen:
€ o,, ®ien II, Mariahilfer⸗
ftraße A
C
MizziLanger, Bien VII, Kaiferftr. 15.
Joſef Muühlhauſers Nachf. Hans
Steinbach und Guſtav Reſch, Wien I,
Kärntnerſtraße 28.
Wilhelm Pohl, Wien VI, Mariahilfer⸗
ftraße 5 und I, Kärntnerſtraße 39.
Sofef Zah, Graz, Neutorgafle 47,
„Janushof“.
(Vergl. auch Abſchn. III, Alpinismus.)
Zu Abſchnitt V. Wafferfport.
1. Segelſport.
Literatur:
Haedjens „Yactfegeln“, hrsg. v. d. Red.:
Die Yacht, Berlin Tr s
A. Muchall⸗Viebrook, Seglerd Hands
buch, Verl. d. „Wafferfport”, Berlin.
Scheibert, Der Segelfport, Ver ⸗
Iein & Co., Leipzig, —
ahrbuch bes Aciſert.
en ferl. Jachtklub, 1908,
Berr &
1
Wafferfport, Fachzeitſchrift f. Rudern
und Segeln. Berlin.
Yacht, Die Illuſtr. Zeitſchr. f. Jacht⸗
weſen. Berlin.
Das kleine Buch von der Marine, 1907,
Berl. Lipfius & Tifcher, Kiel.
Wafferfport-Almanad, Hrög. v. d.
Ned. d. Waflerfport.
Graf €. Neventlow, Die deutſche
Flotte und ihre Aufgaben, Berl. Herm.
Hilger, Berlin.
Bereine:
Dem „DeutjhenSegler:Berband”,
in defjen Händen die Organifation bes ſport⸗
lien Segelns in Deutichland Liegt, gehören
die meiften der nachgenannten Bereine an.
Vorftand gegenwärtig in Hamburg.
Berliner Yachtklub, Berlin.
Berliner Regattaverein, Berlin.
Verein Seglerhbaus a. Wannfee, Berlin.
Akademiſcher Seglerverein, Berlin.
Segelllub „Aboi”, Berlin.
Segelllub „Neptun“, Berlin.
Zeuthener Seglerverein, Zeuthen.
Berliner Seglerklub, Berlin.
Weſtender Eegelllub, Berlin.
en Yachtklub Potsdam, Deutſch⸗Wilmers⸗
or
Berliner Wettſegelverband, Berlin.
Verein Berliner Segler, Berlin.
Verein Shmödmwiger Segler, Berlin.
Yachtklub „Miüggelfee”, Berlin.
Potsdamer Nadtllub, Berlin.
Segeltlub „Fraternitad”, Berlin.
Berliner Jollenklub, Berlin.
Freie Vereinigung ber Tourenfegler Brünau
v. 1899, Berlin.
Deutfher Yachtklub, Berlin.
Deutſcher Yachtklub „Viltoria”, Berlin.
Seglerklub Tegelfee, Spandau.
Tegeler Segelflub, Berlin.
Verein Waſſerſport, Lehnig- Berlin.
Friedrichshagener Seglerllub, Friebrichds
bagen.
Blantenefer Segelklub, Blantenefe.
Seglerverein „Brandenburg“, Branden»
burg a. 9.
Bremer Yachtklub, Bremen.
Segelverein „Wefer*, Bremen.
Danzig: Zoppoter Yachtklub „Gode Wind“,
Boppot.
Segeltlub Edernförbe, Edernförbe.
lensburger Segeltlub, Flensburg.
orbdeuticher Regattaverein, Hamburg.
Hamburger Yadtllub, Hamburg.
amburger Eegelverein, Hamburg.
aiſerl. Yachtklub, Kiel.
Kölner Seglerklub, Köln.
Segelklub „Rhe“, Königsberg.
Segelklub „Baltic“, Königsberg.
Lindauer Segelklub.
2übeder Yachtklub, Lübeck.
Segelverein Lubeca“, Lübeck.
Magdeburger Yachtklub, Magdeburg.
Memeler Segelverein, —*8*
Seglerverein Wurmſee, Münden.
XVII. Niferatur, Sporivereine, Firmen.
Akad. Seglerverein, Münden.
Neuruppiner Ruderer⸗ und Seglerflub
Neu-Ruppin.
Segelllub „Rheingau“, Nieber-Walluf.
Berein Prenzlauer Segler, Prenzlau.
Medlenburgifher Yachtklub, Roftod.
Sonderburger Waſſerſport, Sonderburg.
Stettiner Yachtklub, Stettin.
Tilfiter Segelklub, Tilfit.
Rheiniſcher Seglerverband, Wiedbaden.
Wismarſcher Segelllub, Wismar.
Union-Yadhtllub. Zweigvereine: Atterſee,
Wörther See, Traunfee, Wolfgangſee.
Bregenzer Segelklub, Bregenz.
Stefanie⸗Yachtklub, Balaton-Fured.
Segelklub Leitmeritz, Leitmeritz.
Kaiſerl. u. königl. Jachtgeſchwader, Pola.
Ceſky⸗Yachtklub, Prag.
Bürder Yachtklub, Zürich.
ne Yachtklub, Arendburg, Inſel
eſel.
Rigaer Yachtklub, Riga.
Livländiſcher Yachtklub, Riga.
Europäiſche Wettfahrten.
Deutſchland: Kielerwoche, Elbregatten
des Norddeutſchen Regattavereins, Ber⸗
linerwoche, oſtdeutſche Woche.
England: Comes: und Clydewoche.
Frankreich: Regatten von Havre und
Trouville, Rivierawoche.
Daänemark: Dereſundwoche.
Schweden: Stockholmerwoche.
Firmen:
Bootsbauerei: Max Derg, Hamburg.
Waap, Kiel.
Stocks & Kolbe, Kiel.
Fr. Lürffen, Bremen- Vegefad.
A. Rambed, Starnberg bei Münden.
Sportanzüge: Thöl, Kiel, Holftenftraße.
Baniedi, Kiel, Holftenbrüde.
Steibdel, Berlin, Leipzigerftr. 67/68.
2. Ruderfport.
Literatur:
Hugo Borrmann, Die Kunft be Rus
dern3, Verlag: Wedelind, Berlin.
W. B. Woodgate, Rudern und Stullen,
Verlag: „Wafferfport”, Berlin.
Zeitſchrift „Der Wafferfport”, N. DIden-
bourg, Berlin.
Zeitfrift „Die Yacht“, Berlin.
Zeitigrift „Von Fluß u. See”, Berlin,
Verlag des „Waflerjport”.
Bereine (Geutſche):
Deutiher Ruderverband mit über
800 Vereinen, außerdem noch ca. 100 ein:
zelne Vereine.
Einige der größeren Rudervereine find:
Bacharacher Ruderverein.
Berlin: Akademiſcher Ruderverein, Berlin-
Grünau. Ruderklub „Hevella“. Ruderklub
„Hellas“. Ruderklub „Alemannia“. Ruder⸗
verein „Narkomania“. Ruderklub „Bis
fing”. Ruderklub „Sport⸗Boruſſia“,
Grünau. Turn: u. Ruderverein „Deutſch⸗
land“, „Berliner Ruderklub“. Ruder⸗
klub „Union“.
Bremer Ruderverein von 1882.
Budapeſt: Ruderverein „Donau“.
Danzig: Ruderklub „Viktoria“.
Dresden: Sächſ. Regattaverein. Dresdener
Ruderverein. Rudergeſellſchaft „Dresden“.
Elbing: Ruderverein „Nautilus“.
Hamburger Ruderklub „Kosmos“. „Ham—
burger Ruderklub“. Ruderklub „Ger—⸗
mania”. „Norddeutſcher Regattaverein“.
Ruderklub „Favorite-Hammania“.
Karlsruhe: Ruderverein „Sturmvogel“.
Kiel: Erſter Ruderklub von 1832. Aka—
demiſcher Ruderklub.
Königsberg: Ruderverein „Pruſſia“. Königs-
berger Ruderklub.
Leipzig: Ruderverein „Sturmvogel“.
Lübecker Ruderklub.
Mannheimer Ruderklub.
Magdeburger Ruderklub „Germania“.
MünchenerKuderklub (am „Starnbergerſee“).
Schwerin: Ruderklub „Obotrit“.
Stettiner Ruderklub. Ruderklub „Sport:
Germania“.
St. Petersburger Ruderverein.
Tetſchen: Ruder⸗ u. Eislaufverein „Carolus“.
Werdener Ruderklub.
Wien: Ruderverein „Donauhort“.
Firmen:
Bootsbauerei: Engelbrecht,
Kluge, Caerow.
Max Derty, Hamburg.
Reiherſtiegwerfte, Hamburg.
Blohm & Voß, Hamburg.
Wichmann & Co., Hamburg.
Janſen & Söhne, Hamburg.
Stulcken, v. Hacht, Hamburg.
Tecklenborg, Bremen.
Aktiengeſellſchaft „Weſer“, Bremen.
Lürſſen, Vegeſack.
Vulkan, Stettin.
Stocks & Kolbe, Kiel.
Krupps Germaniawerft, Kiel.
Waap, Heikendorf.
Howaldtwerke, Neumühlen.
Rempka, Kiel.
A. Rambeck, Starnberg b. München.
P. a Münden, Rudfadboot „Del:
phin“.
Zeuthen.
3. Shwimmiport.
Literatur:
Dr. Kart Wolff, Deffentlide Bade» und
Schmwimmanftalten.
Emil Rauſch, Trainingdes Schwimmen.
Arelv. Altenftein, Der Schwimmifport.
C. Lehmann, Die Schule des Waſſer⸗
ſpringens.
Brendicke, Geſchichte der Schwimmkunſt.
Fr. Guts-⸗Muts, Lehrbuch der Schwimm⸗
kunſt. [pflege”.
Rich. Nordhauſen, „Sport und Körper:
Der Schwimmfport, offizielles Organ des
Deutſch. Shwimmverbandes.
Kal. preuß. Ererzierreglement.
XVIT, Liferafur, Sporivereine, Firmen.
Zu Hbfdnitt VI. Die Jagd.
Literatur:
Allgemeines.
€. E. Diezel, Erfahrungen auf dem Ge-
biete ver Niederjagd. Berlin.
Winckells Handbuch für Jäger. Brock⸗
haus⸗Leipzig.
NR. v. Dombrowski, Lehr⸗ und Hand⸗
buch für Berufsjäger. Wien.
F. C. Jeſter, Die kleine Jagd.
D.v.Riefenthat, Das Weidwerk, Parey⸗
Berlin.
H. v. Fürſt, Forft: und Jagdlerxikon,
Parey:Berlin.
D. Grashey, Praktifhes Handbuch für
Jäger. Berlag für Naturkunde, Spröffer
u. Nägele, Stuttgart.
Schr. v. Thbüngen, Wild und Wald.
Spamer:Leipzig.
D. Horn, Handbuch des Jagdſports. Hart-
leben-Wien.
Graefer, Die Freude am Weidwerk.
Laska, Das Weidwerk in Bosnien und
der Herzegowina.
DOberländer, Duer durch deutſche Jagd⸗
gründe. — Der Lehrprinz.
Nonographien.
Dombrowski, Das Auerwild. — Das
Rotwild. — Die Pürſch auf Rot-, Dam⸗,
Reh⸗, Gemswild.
ne ‚ Das Rotwild. — Das Rebs
wild.
Hüttenvogel, Die Hüttenjagb mit bem
u
Bu.
Schneider, Die Pürſch auf den Rehbock.
Morgan, Der Fifhotter, Jagd u. Fangart.
Cronau, Der Sagdfafan.
Valentinitſch, Dad Haſelhuhn, Ge:
fhichte und Jagd.
Wurm, BalpHühnerjagd.
Klog, Der Dachs.
Dombromwmäti, Das Nebhuhn. — Die
Waldſchnepfe.
Fremdländiſches Weidwerk.
Martenſon, 1. Jagdbilder aus Rußland.
2. Wild und Jagd in den ruſſiſchen Oſt⸗
ſeeprovinzen.
Oberländer, 1. Im Lande des braunen
Bären. 2. Durch norwegiſcheJagdgründe.
3. Eine Jagdfahrt nad Oſtafrita.
Roofevelt, 1. Jägerfreuden. 2. Jagden
in amerifanifcher Wildnis.
Schillings, 1. Mit Bliglit und Büchſe.
2. Der Zauber be3 Elelefcho.
Wißmann, In den Wildniffen Afrikas
und Afiens.
Niedied, 1. Mit der Büchſe in 5 Welt-
teilen. 2. Jagden im Beringmeer.
Paaſche, Im Morgenlidt.
Brandbi3, Deutide Jagd am Biltoria
Nyanza.
Bilden Jäger, Auf flüchtigem Jagdroß
in Deutſchſudweſtafrika.
Kynologifde Werke.
Dberländer, Drefiur des Gebrauchs⸗
hundes.
Heyewald, Hühnerhund auf Schweiß zu
arbeiten.
Oswald, Der Vorſtehhund.
Krichler, Der Jagdhund.
Bylandt, Hunderaſſen.
Schießkunde, Waffenkunde.
Wild-Queisner, Kunſt bed Schießens
mit der Büchſe.
Preuß, Lehrbuch des Flintenfchießens.
Brandeis, Der Schuß.
Deinert, Die Kunft bes Schießen mit
der Schrotflinte.
Koch, Jagdgewehre der Gegenwart.
Schuß: und Hegezeiten.
Grashey, Praktiſches Handbud für Jä⸗
ger (Stuttgart, Sprößer u. Nägele), An⸗
hang:
Preußen, Bayern, Sachſen, Württemberg,
Baden, Heſſen, Elfaß-tothringen, Medien:
burg, Sadjen:Weimar, S.-Meiningen,
S.sRKoburg, Oldenburg, Braunſchweig,
Anhalt, Schwarzburg: Rubolftadt und
Sonberhaufen.
Jagdliche Zeitſchriften.
„Wild und Hund“, Berlin, Parey.
„Der deutſche Jäger“, München, Ed. Pohl.
„Deutſche Jägerzeitung“, Neudanım-Berlin.
Hubertus“, Cöthen i. Anhalt, Berlin.
„Weidmannsheil“, Wien.
— Forft: und Jagdzeitung“,
en.
Firmen:
Jagdgewehre.
eigleder, Berlin.
teme & Shlegelmild, Suhl.
ver & Sohn, Suhl.
ſchner Collath, Frankfurt a. D.
ttner, Köln.
bammer, Münden.
g
i ?
ller & Greiß, Münden.
ieter, Münden.
bert, Münden.
Jagdgläſer.
Buſch, Rathenow.
Zeiß, Jena.
Merz, München.
Rodenſtock, München.
Goerz, Berlin.
Voigtländer, Braunſchweig.
Jagdſportanzüge.
Adelbert Schmidt, Münden.
Lodenfabrik Frey, München.
Sackreuter, Frankfurt a. M.
Präparatoren.
—A
m rg V o er
Bod, Berlin.
Nu
Bbaumer, Münden.
XVII, Literafur, Sporfvereine, Firmen.
Zu Abfdnitt VII. Der Angel-
Iport.
Literatur:
Büder.
Biſchoff, W. Anleitung zur Angelfifcherei,
2. Aufl., Münden 1888.
Borne, M. v. dem, Tafhenbud der
Angelfifherei, 4. Aufl., Berlin 1904.
Heing, Lr. K., Der Angeljport im Süß—
wafjer, Münden 1908.
Robida, Dr. %., Ber Huden und jein
Fang mit der Angel, Laibach 1902.
Schubert, Arth., Die Forelle und ihr
Fang, Berlin 1908.
Weſſenberg, P., Der Angeliport, Wien
1902.
TheBookoftheAll.RoundAngler
by John Bickerdyke, London 1900.
Dry-Fly Fishing by J.M. Halford,
London,
Pike & Coarse Fishing, Badming-
ton Library, London.
Salmon & TroutFishing, Badming-
ton Library, London.
A Book of Angling,
Francis, London,
Angling & how to angle, by Bur-
gess, revidiert von R. B. Marston, Editor
of „The Fishing Gazette“, London 1898.
Albert Petit, La Truite de Rivicre,
Paris 1897,
Zeitſchriften.
„Allgemeine Fiſchereizeitung“, München. Or⸗
gan des Deutſchen Fiſchereivereines u. der
nachgenannten Landesfiſchereivereine ꝛc.,
ſowie der Kgl. Bayr. Biolog. Verſuchs⸗
ftation für Fiſcherei.
„Deutſche Anglerzeitung”, Berlin.
des Deutſchen Anglerbundes.
„Deutſche Fifchereiforrefpondenz”, Köln.
„Oeſterreichiſche Fifchereizeitung”, Wien.
Drgan ber k. k. Fiſchereigeſellſchaft.
„The Fishing Gazette“, Ed. by R. B.
Marston, London.
„The Field“, The Country Gentlemans
Newspaper, London.
„Dansk Fiskeritidende*, Kopenhagen.
„L’Aquicoltura Lombarda“, Mailand,
„Le Pecheur*, Paris.
„Le P£cheur frangais*, Lyon.
„Schweizeriſche Fiſchereizeitung“, Zürich.
Bereine:
„Deutſcher Fiſchereiverein“, Berlin.
„Deutſcher Anglerbund“, Berlin.
„K. k. öſterreich. Fiſchereigeſellſchaft“, Wien.
„Bayriſcher Landesfiſchereiverein“, München,
mit 8 Kreisvereinen, Sig in den Kreis⸗
bauptftädten.
by Franeis
Drgan
Zandesfijchereivereine für Sachſen, Württem: |
berg, Baden, Hefjen, Braunfchweig.
„Fiſchereiverein für Elfaß:Lothringen”.
„Der Württembergiiche Anglerverein”.
Der Sportfifchereiverein der „Geſplißten“
in Münden 2c. ꝛc.
Außerdem eine große Anzahl von PBrovinzs,
Kreis⸗- und ftädtifchen Fifchereivereinen, die
zur Hebung der Fiſchzucht, fpeziell aber der
Teihwirtihaft gegründet find.
Firmen:
(insbefondere Gerten).
Hildebrands Nadhfolger, Jakob
ieland, Münden, Dttoftraße.
%. Sartoriud & Söhne, Göttingen.
C. Plawiſch, Wien VIII2, Kirchengaſſe 46.
S. Allcod & Co., Redditſch, England.
AU. Carter & Co., 371 Et. John-Str.,
London.
C. Farlow & Co., 191 Strand, London.
Fofter Broths, Ajhburne, Derbyihire,
England.
Hardy Broth3, Alnwid, England.
G. Little & Co., 63 Haymerket, London.
Wiedervertäufer (Barenlager):
C. B. Merrems Nachfolger, BerlinW,
Paſſage 21a.
H. Stork, Münden, Reſidenzſtr. 16.
F. Ziegenſpeck, BerlinSW,Küraffierftr.3.
Zu Abſchnitt VIII. Automobil-
und Motorradfport.
Literatur:
Büder.
W. Schuricht, Das Diotorrad und feine
Behandlung.
Ftlius, Das Handbuch des Motorfahrerg,
160 Seiten mit vielen Abbildungen.
W. Vogel, Das Motorrad u. f. Behandlung.
Max R. Zechlin, Der Automobilſport,
Charlottenburg.
Ernſt Neuberg, Jahrbuch d. Automobil⸗
und Motoreninduſtrie, im Auftrage des
Kaiſerlichen Automobilklubs.
Walter Iſendahl, Automobil u. Auto⸗
mobiliport.
Mar R. Zedlin, Vorſchriften für bie
Kraftwagenführer, Charlottenburg.
Mar R. Zedlin, Automobilkritik.
W. Bogel, Der Motorwagen und feine
Behandlung.
W. Pfigner, Der Automobilmotor und
feine Konftruftion. Herausgegeben von
R. Urtel.
Müller, DerAutomobilzug(Train⸗Renard).
WalterIſendahl, Auto⸗Taſchenkalender
1907/08.
B. v. Lengerfeu. R. Schmidt, Auto-
mobil⸗A⸗B⸗C.
W. Romeiſer,
Frankfurt a. M.
Joſef Löwy, Die elektriſche Zündung bei
Automobilen u. Motorfahrrädern, Wien.
MaxBuch, Automobil-Steuerungs-, Brems-
und Kontrollvorrichtungen, Conventry.
Joſef Löwy, Das Elektromobil u. ſeine
Behandlung.
W. Schuricht, Das Motorrad und ſeine
Behandlung.
Automobilkaroſſerien,
XVII. Niterafur, Sporfvoereine, Firmen.
8. v. Lengerfe, Automobilrennen und
Mettbewerbe, Düffelporf.
Zeitſchriften.
„Allgemeine Automobilzeitung“ Berlin.
„Automobils®elt” Berlin.
„Ber Motor” Friedenau.
„Das Automobil” Straßburg.
„Das Fahrzeug” Eiſenach.
„Sporthumor” Berlin.
„Das Stahlrab und Automobil” Leipzig.
„Deutihe Rad: und SKraftfahrerzeitung”
„Santt Georg” Berlin. ., [Berlin.
„Sport im Bild“ Berlin.
- „geitichrift des Mitteleuropäifchen Motors
wagenvereins“ Berlin.
„Der Motorfahrer” Berlin,
„Ber Motorwagen” Berlin.
„Der Kraftwagen” Berlin.
Vereine für Automobilfport:
Die mit * verfehenen Vereine gehören bem
Deutſchen Automobilverband an.
Aachen. *Weſtdeutſcher Automobiltlub.
Berlin. Deutſcher Automobilverband,
Berlin. *Raiferlider Automobilflub.
Berlin. *Mitteleurop. Motormagenverein.
Berlin. Offiz.Selbftfahrerver. d. Verkehrstr.
Breslau. *Schlefifder Automobilflub.
Düfjeldorf. *Rhein.-Weftfäl.Automobilflub.
Eifenad. *Mitteldeutfher Automobilflub.
Hamburg. *Norddeutſcher Automobilklub.
Hannover. *Hannoverſcher Automobilklub.
Hannover. Hannover. Motormagenverein.
KRarlarube i. B. Badiſcher Automobilklub.
Königsberg i. Pr. Oſtdeutſch. Automobilklub.
Liegnitz. Niederſchleſiſcher Automobilklub.
Mannhein. *Rheiniſcher Automobilklub.
Münden. *Bayeriſcher Automobilklub.
München. Bayeriſcher Motorwagenverein.
Osnabrück. Hannov.-Weſtf. Automobilklub.
Straßburg. *Automobilklub v. Elſ.⸗Lothr.
Stuttgart. *Württemberg. Automobilklub.
Zwickau. *Sächſ.⸗Thür. Automobilklub.
Bereine für Automobil- und Fahrrad⸗
induſtrie:
Automobiltechniſche Geſellſchaft.
Klub internat. Kraftwagenführer.
Berlin. Sinternationaler Chauffeurverein.
Berlin. Schutlartell der Pnreufahrer.
Berlin. Verein Berliner Fahrrad⸗ u. Krafts
fahrzeughändler.
Berlin. Verein deutſcher Motorfahrzeug⸗
induftrieller.
Dresden. Verband ſächſiſcher Fahrrad: u.
Motorfahrzeugbändler.
Eſchweiler. Rhein. Fahrrabhändlerverband.
Frankfurt a. M. Vereinigung beutfcher
Wagenfabriten.
Hanau. Verband deutſcher Fahrrad⸗ und
Motorfahrzeughändler.
Bereine für Motorradſport:
Die mit * verſehenen Vereine find Orts⸗
gruppen ber Deutfhen Motorrapfahrer-
vereinigung in München.
Berlin.
Berlin.
U —
Braunſchweig. *Verein Braunſchw. Motor-
rabfabrer.
Breslau. *Motorradbfahrerverein, Bres⸗
lau 1903.
Münden. *Deutide Motorrabfahrerver-
einigung. Zentrale.
Münden. Verband zur Wahrung d. Inter:
efien bayer. Rabs und Motorradfahrer.
Bezugsquellen:
Die Automobile werben Heute in zwei
große Kategorien eingeteilt. Man unters
ſcheidet hauptſächlich zwiſchen „Lleinen“
Kraftfahrzeugen, ſogenannten Klein-Autos
und großen Wagen. Die Begrenzung iſt
feine genau feftgeftelte. Jedoch gibt es
eine größere Anzahl von Firmen, welde
ihre Fabrikate ald Klein-Autos bezeichnen,
und andere, welde nur große Wagen her⸗
ftelen und anbieten. Nachdem im Jahre
1906 bie Berfteuerung der Automobile nad)
verſchiedenen Steuertlafjen eingeteilt wurde,
zählt man zu ber erjten Kategorie ber
Klein-Auto8 diejenigen, die bis 10 Pferde:
ftärten nach der Steuerberehnung haben.
Die Beitenerung der Automobile erfolgt in
Deutihland nad) folgenden Sägen, und hat
fih hiernach die Fabrikation in den legten
Jaͤhren weſentlich eingerichtet, indem man
die Motore vielfah jo baut, daß bie höchſt
zuläffige Motorſtärke in ber betr. Steuer-
klaſſe eben erreicht, aber nicht überſchritten
wird.
Die jährlihe Steuer beträgt bis zu
6 Pferdeitärten 25 M. Grundgebühr zu⸗
züglih 2 M. pro PS.
bis 10 Pferdeftärten 50 M. Grundgebühr
zuzüglid 3 M. pro PS.
bis 25 Pferbeftärlen 100 M. Grundgebühr
zuzüglid 5 M. pro PS.
über 25 Pferbeftärten 150 M. Grundgebühr
zuzüglid 10 M. pro PS.
Kraftfahrräber ohne Seitens ober Anhänge⸗
wagen Marl 10.
Kraftfabrräder mit Seiten ober Anhänge-
wagen werben als Klein-AutoS ange⸗
fehen und verfteuert.
1. Bezugsquellen für Klein-
Auto.
Wortzeiden:
Adler, Adlerwerke vorm. Heinrich Kleyer,
Frankfurt a. M.
Benz, Benz & Cie., Mannheim.
Brennabor:Werte, Brandenburg a. 9.
Cito⸗Fahrradwerke, Köln-Klettenberg.
Torona⸗Fahrradwerke, Brandenburg a. H.
Dürkopp, Bielefelder Maſchinenfabrik vorm.
Dürkopp & Co., Bielefelb.
Fahrzeugfabrik Eifenad in Eiſenach.
Hanfa, Hanja Automobil⸗Geſ. Varel in
[denburg.
F. Komnid, Automobilfabrit, Elbing in
Reftpreußen.
2oreley, Rudolf Ley, Arnſtadt in Th.
Markranftädter Automobil-Fabril, Hugo
Ruppe, Markranftäbt 5. Leipzig.
L..
XVII. Niteratur, Sportvereine, Firmen.
Maurer, Nürnberger Motorfahrzeugfabrit
Union, Nürnberg.
Mars:Werfe, A.:G., Nürnberg-Doos.
Nedarfulmer FZahrradmwerte in Nedarfulm.
Oryx, Berliner Motormwagen = Fabrit in
Neinidenborf b. Berlin.
Piccolo, Ruppe & Sohn, Apolda.
—5—— —— Muſikwerke, Wahren
.Leipzi
pzig.
Rex-Simplex, Hering & Richard, Ronne⸗
burg i. Altenburg.
Siemens - Schudert, Siemens . Schudert-
Werke, Nonnendamm b. Berlin.
Stoewer, Gebr. Stoewer, Stettin.
Viltoria, Biltoria- Werte, A.“G., Nürnberg.
2. Bezugsquellen für große
Bagen.
Adlerwerke, vorm. Heinrich Kleyer, Frank⸗
furt a. M.
u + & Cie., Gasmotoren-Fabrik, Mann⸗
m.
Beckmann & Co., Breslau.
Cito⸗-Werke, A.⸗Geſ., Köln⸗Klettenberg.
Daimler Motoren: Geſellſchaft, Stuttgart⸗
Untertürkheim.
Friedrich Erdmann, Motorwagen-Fabrik,
Gera (Reuß).
ee ee Eiſenach, Eiſenach.
anfa Automobil-Geſ., Varel (Oldenburg).
A. Horch & Co., Motorwagen-Werke,
A.G., Zwickau i. ©. [Weſtpr.
F. Komnick, Automobilfabrik, Elbing in
Norddeutſche Automobil- und Motoren
A.⸗G., Bremen-Haſtedt.
Nade, Automobilfabrik, Coswig i. ©.
Neue Automobil:Gefellfchaft, Döerfdöne-
weide bei Berlin.
Nedarfulmer Fahrradwerke, Nedarjulm.
Adam Opel, Rüfſelsheim a. M.
Richard & Hering, Automobilwerk A.-G.,
Ronneburg ©. M.
Siemens - Schudert- Werfe, G. m. b. 9.,
Automobilmwert, Nonnendamm b. Berlin.
Süddeutſche Automobilfabrit, &.m.b. H.,
Gaggenau (Baden).
Gebr. Stoewer, Stettin.
Gebr. Windhoff, Motoren- und Fahrzeug:
Fabrik, &. m. b. H., Rheine i. ®.
8. Eleltromobile.
Norddeutſche Automobils und Motoren,
A.⸗G., Bremen-Haſtedt.
Neue Automobil-Geſellſchaft, Oberſchöne⸗
weide b. Berlin.
Siemens - Schudert - Werte, ©. m. 6. H.,
Nonnendamm 5. Berlin.
Daimler: Motoren-Gefellfhaft, Stuttgart⸗
Untertürtheim.
4. Motorräder.
Adlerwerke, vorm. Heinrich Kleyer, Frank⸗
furt a. M.
Bielefelder Mafchinenfabrit, vorm. Dür:
topp & Co., Bielefeld.
Brennabor⸗Werke, Brandenburg a. 9.
Corona-®erte R wen
Excelfiors®erte n —
Köln-Lindenthaler Metallwerke, Kölns
Lindenthal.
Laurin & Klement, A.⸗G., Jungbunzlau.
Phänomen Fahrradwerke, Zittau i. ©.
MarssWerte, Doos bei Nürnberg,
Motoren » Fabrit Magnet, Weißenfee bei
Berlin.
Nedarfulmer Fahrradwerke, Nedarfulm.
Progrefmotoren= und ApparatebausGef.,
Charlottenburg.
Johann Puh, A.:G. Gras.
Adam Dpel, Rüffelfeim a. M.
Vittorias®erle, Nürnberg.
Wanderer⸗Werke, Chemnitz.
Zu Abſchnitt IX. Radfahrfport.
Literatur:
Büder.
Das Radfahren und feine Hygiene von
Prof. Dr. med. Sciefferdeder
Handbuch des gefamten Radfahrweſens von
Richard Koehlid.
Die Zahl der fpez. Radfahrbücher vom
fportliden, tehnifhen, ärztliden Stand-
punkte ift Legion, ebenfo diejenige ber
Tourenbücdher. Ein halbwegs erfchöpfen-
des PVerzeihnis mwirde den ganzen dem
„Radfport“ in diefem Buche gemährten
Raum überſchreiten; der Lefer tut daher
gut, feine Wahl nah dem Verzeichnis eines
E pezialverlages für NRabfahrliteratur zu
treffen.
Die oben genannten beiden Bücher ent⸗
halten alles Wiflendwerte, das erfte in
ausführlicher, das zweite in fompenbiöfer
Form.
Zeitſchriften.
Außer den unten genannten Organen
der Radfahrerverbände:
Radwelt, Berlin, täglich (namentlich für
Rennweſen).
Die übrigen namhaften deutſchen Fach⸗
blätter ſind entweder amtliche Organe von
Unterverbänden (Gauen) oder vertreten
die tehnifchen und fommerziellen Intereſſen
ber Fabritanten und Händler.
Karten.
Deutſche Straßenprofillarte von Mittelbach,
Kötfchenbroda; 1: 300 000.
Spezial-Radfahrkarte von Liebenow-Raven-
ftein ; 1: 300 000.
Dr. Vogels Karte des Deutfhen Reiches,
Verlag Perthes, Gotha; 1: 800 000.
Krauß’ Karte von Mitteleuropa, Bibl. In⸗
ftitut, Leipzig, 1:850 000 (für Mitglieder
des Dtſch. Radf.-Bundes gratis!)
Topographifche Ueberfichtsfarte des Deut-
ſchen Reiches; 1: 200000.
Generalftabsfarte ; 1: 100000.
Ferner bie Kartenbeilagen ber zahlreichen
Reifeführer und Tourenbücher wie Bäbdeler,
Meyer ıc.
XVII. Xtferafur, Sportvereine, Firmen.
Die beventendften Rabfahrerverbänbe:
1. Sn Deutfdland.
Deutfher Radfahrerbund, Sig Eſſen a.R.;
ca. 46000 Mitglieder, amtl. Organ:
Deutfhe Rad⸗ und Krafıfahrerzeitung
(wöchentlich).
Allgemeine Radf.-Union, Sig Straßburg,
13000 Mitglieder, amtl. Organ: Der
Radtouriſt und Automobilift, Mannheim.
Münchener Touringklub, 3—4000 Mitglie⸗
der, amtl. Organ: Der Rabwanderer
(monatlich).
Verband zur Wahrung ber Intereſſen ber
bayr. Rad⸗ und Motorfahrer, München,
Berbandszeitung (monatlich).
3. Im Auslande.
Touring Club de France.
Cyelists Touring Club,
Touring Club Italiano.
Empfehlenswerte Fahrrad⸗ und
a ehörieifefabriten :
1. Fahrräder,
Adler⸗Fahrradwerke, Frankfurt a M.
Bielefelder Mafchinen- u. Fahrradwerke.
Bielefelder Nähmafchinen= u. Fahrradfabrik,
vorm. N. Dürkopp. [a. H.
Brennabor = Yahrradwerte, Brandenburg
Cito⸗Fahrradwerke, Köln-Klettenberg.
Corona=Fahrradwerle u. Metallindbuftrie,
Brandenburg a. 9.
D EMONE SODELNEIL, Chemnitz⸗Reichen⸗
rand.
Excelſior⸗Fahrradwerke, Brandenburg a. H.
Expreß⸗Fahrradwerke, Neumartt.
Fahrzeugfabritk Eiſenach.
Germania-Fahrradwerke Dresden.
Köln-Lindenthaler Metallwerke.
Mars⸗Fahrradwerke, A.⸗G., Nürnberg.
Maſchinenfabrit Gritzner, Durlach.
Tune Fahrradiwerte, A.⸗G., Nedar-
ulm.
Adam Opel, Rüffeldheim a. M.
Panther-Fahrradwerte, Braunfchweig.
Pfeil-Fahrradmwerte, Mühlhaufen i. Thür.
Phänomen-Fahrradwerke, Zittau i. Sa,
Premier-Fahrradmerfe, Nürnberg -Doo8.
Preito-Fahrradmwerte, Chemnig.
Stoewer-Fahrradmerfe, Stettin.
Triumph Fahrradmwerfe, Nürnberg.
Victoria: Fahrradwerke, Nürnberg.
Wanderer-Fahrrabmwerte,
Chemnig-Schönau.
2. Pneumatiks.
Continental Caouthouc= u. Guttapercha⸗
Co., Hannover.
Dunlop: Pneumatif-Tyre-Co., Hanau a. M.
Vereinigte Berlin = Frankfurter - Gummi:
fabrifen, A.⸗“G., Gelnhaufen,
Vereinigte Gummifabriten Harburg-Wien,
A.:G., Harburg a. Elbe.
8. Freilauf-Naben.
Schweinfurter Präzifiond-Rugellagerfabrit,
Fichtel u. Sachs, Schweinfurt („Tor-
pedo"-Nabe).
Bon deutfchen Fabriken fabrizieren noch
Freilaufnaben: bie Dürtoppmwerte in Biele⸗
feld („Atla8"Nabe), die Neckarſulmer Fahr⸗
radwerke (N.S.U.:Nabe) und A. Gott-
ſchalk⸗Dresden („Rotax“-Nabe). Weltruf
genießen neben der deutſchen F. u. ©.
(Fichtel u. Sachs) oder „Torpedo“⸗Nabe,
die amerikaniſche Morrow⸗- und die New
Departure-Nabe; doch iſt die wirkſame
Bremsfläche bei dem deutſchen Fabrikat
viel größer als bei den letztgenannten.
Zu Abſchnitt X. Symnaftifche
Sporte.
1. Turnfport.
Literatur:
Rühl, Dr., Hugo, Entwicklungsgeſchichte
des Turnend, Leipzig 1908.
Derfelbe, Handbuch der deuten Turners
fhaft, Leipzig 1908.
Schmidt, Dr, F. A., Bhyfiologie der
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v. Altenftein, Axel, Ber Turnſport,
Leipzig 1902.
Nordhaufen, Sport und Körperpflege,
Zeipzig 1908.
Gaſch, Dr., R., Jahrbud der Turntunft,
Leipzig 1908.
Törngren, L. M., Lebrbud der ſchwe⸗
diſchen Gymnaſtik, Eßlingen 1908.
Die wicdtigften Turnverbände:
Deutfhland.
Deutfhe Turnerihaft, derzeitiger Verwal⸗
tungsfig Leipzig, 7787 Vereine.
Vertreter-Konvent (B.C.) alabemifcher
Turnvereine, 48 Vereine.
Alademifher Turnerbund (A.T.B.), 88
Vereine.
Deuter Turnerbund, Verwaltungsfitz
Bien (beſteht aus öſterreichiſchen und
deutſchen Turnvereinen), 172 Vereine.
Arbeiterturnerbund, Berwaltungsfigteipzig,
1236 ®ereine.
Jüdiſche Turnerſchaft, 16 Vereine.
Ausland.
Belgiſcher Turnerbund, derzeitiger Verwal⸗
tungsfig Antwerpen, 209 Vereine.
Dänifher Turnerbund, derzeitiger Verwal⸗
tungafig Kopenhagen, 28 Vereine.
National Physical Recreation Society,
Berwaltungsjig London, 80 große Turns
anftalten.
Union des Societes de gymnastique de
France, derzeitiger Berwaltungsfig Bors
deaug, 1015 Vereine.
Nederlandsch Gymnastiek-Yerbond, vers
zeitigerBerwaltungsfig Haag, 227Bereine.
Federazione gimnastica nazionale, Vor-
ort Rom, 192 Vereine.
Union des Societes Luxembourgeoises
de Gymnastique, Luxemburgiſcher Turs
nerbund, derzeitiger Bermaltungsfig
Zuremburg«G&laufen, 30 Bereine.
XVII. Riferafur, Sporkvereine, Firmen.
Det norske Turn-og Gymnastic-F'orbund,
Norwegifher Turmerbund, derzeitiger
Verwaltungsfig Bergen, 1235 Vereine.
Turnkreis Deutich- Defterreih KKreis XV
der deutſchen Turnerihaft), Vorort Wien,
699 Bereine. [D eutidhland.
Deutfher Turnerbund, ſiehe oben unter
Bund der Bereine Ungarns für Leibes-
übungen, PVermwaltungsfig Sandor, 55
Vereine. 3
Cesca Obee Sokolska, Verband ber tiche-
chiſchen Sofolvereine in Böhmen, Ver—⸗
mwaltung2fig Prag, 680 Vereine.
Mährifh-Schlefiiher Gauverband der Gos
told, Berwaltungsfig Prag, 185 Bereine.
Schweden: 85 Bereine fir Turnen und
Fechten. Der bedeutenpfte ift die „Gym-
nastikforening* in Stodholm.
| Schweizer-Eidgenöffifher Turnverein, Vers
waltungsfig Bern, 702 Seftionen.
Nordamerikaniſcher Turnerbund, Vorort
Indianopolis, 238 Vereine.
2. Athletit.
Literatur:
Angerftlein, Dr. E., Geſchichte ber Leibes—
übungen in den Grundzügen, Wien 1905.
Jahrbuch für Volks- und Jugendſpiele,
17. Jahrgang, Leipzig 1908.
Die olympiſchen Spiele, 776 v. Chr. bis
1896 n. Chr., Athen 1896/97.
Furtwängler, Ab., Die Bedeutung ber
Gymnaſtik in der griechiſchen Kunft,
Leipzig 1906. (Münden 1908.
Stolz, A., Kraftiport:Sahrbud, illuſtr.,
Runge, Johs., Leichtathletil. Training,
Tehnil und Taktik des Laufen? und
Springen3, Leipzig 1908.
Sandomw, Eugen, Kraft und wie man fie
erlangt, 1. deutfche Ausg., Berlin 1906.
Sandows Leihtgewichtäfyften, Uebungs⸗
tafeln mit 12 tägl. Hantelübungen ꝛ⁊c.,
Leipzig 1906.
Schmidt, Dr. F. A., Bhyfiologie der
Zeibesilbungen, Leipzig 1906.
Siebert, Th., Der Kraftiport, 2. Aufl.
- ——— der Athletik, Leipzig
Silberer, V., Handbuch der Athletik
nebft einer Anleit. 3. Boxen, Wien 1899.
Stolz, N u. Eh. Endres, Die moderne
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Widenbagen, H., Antite und moderne
Gymnaſtik. Bergleih. Betrachtungen u.
Vorſchläge, Wien 1891.
Hancod, 9. 3, Dſchiu⸗Dſchitſu, die
_ Quelle japan. Kraft, Stuttgart 1906.
Zadig, Dr. G., D. Ringtampf, Leipzig 1907.
Illuſtrierte Sportzeitung für Athletik, Gym⸗
naſtik und Verwandtes. München,
A. Stolz u. Co.
Bereine:
Die dentſche Sportbehörde für Athletik
Vorſtand: Karl Diem, 1. Vorfigenber,
Berlin. Friebr. Burger, ftellv. Vorfigender,
Berlin. Sobannes Scharfe, ftelv. Bor:
figender, Xeipzig. Ref. P. EC. Mebltopf,
ftelv. Vorfigender, Duisburg. Martin
Berner, Schriftführer, Berlin. Adolf Meyer,
Sportwart, Berlin. Joh. Kraufe, Kaſſierer,
Berlin.
Gefhäftsftelle: Berlin NW. 40,
Hinderfinftr. 14, Telepbon Amt III, 231.
Ausſchuß: H. Zahau, Hamburg,
P. Koreg, Hamburg, A. Wamſer, Frant-
furt a. M., 9. Duntze, Frankfurt a. M.,
P. Albredt, Halle, K. Heidenreich, Dresden,
Runge, Braunſchweig, Ref. Dr. O. Haaſe,
Bonn a. Rh., P. Aßmus, Marienburg
i. Weſtpr., J. Keyl, Münden, Alex. Gläſer,
Stuttgart, Karl Markus. Dortmund.
Das Verzeichniß aller der Deutſchen Sport:
behörde für Athletik angehörenden Ber:
bände und Vereine ift bei der Gefchäftgftelle
ber D. S.⸗B. f. X. zu beziehen.
Firmen:
Johann Deininger, Münden, Wein-
fir. 14. Athletenkleidung.
Georg Thieme & Eo., Keipzig-A., Mar:
tinftr. 24. Turn⸗ u. Athletengeräte.
Wilhelm Heyden & Co., Köln⸗Linden⸗
tal a. Rh. Athletengeräte (Eijen).
Hermann Fechner, Dresven-Tradau.
Athletens u. Turngeräte.
Rudolf Haaſe, Berlin NO. 18, Frank⸗
furter Str. 48. Athleten u. Turngeräte.
Franz Domke, Leipzig d., Cichorius-
ftr. 7. Athletit-Sportartitel. i
Spezialfporthbaus A. Steidel, BerlinC.22,
Rofentalerjtr.84/35. Bekleidung u.Geräte.
Sorgeu. Sabed, Berlin W. 66, Mauer
fir. 86/88. Sportartitel.
DB. Hartung, Eifengießerei, Sulzbach⸗
Saar. Hanteln u. Stemmgeräte.
9. Herre3, Hagen i. ®., Stemmgeräte.
3. Sedten.
Literatur:
Hiebfechtſchule, Deutfche, Leipzig, Weber.
Kubfahl, ©, Der Fechtſport, Leipzig,
Grethlein u. Co.
Meyer, A., Neue Schule des fomment:
mäßigen akademiſchen Schlägerfechtens,
Reipzig, Roßberg.
Roux, P., Das Säbelfehten, Jena, Pohle.
Schmied-Kowarzik-Kuhfahl, Fecht⸗
büchlein, Leipzig, Reclam.
Seſtini, Das Fechten mit dem Florett
und dem Säbel, Berlin, Ißleib.
Stoßfechtſchule, Deutſche, Leipzig, Weber.
Serel ell, Die Fechtkunſt, Wien, Hart-
eben.
Hergfell, Die Fechtkunſt im XV. und
XVI. Sabrhundert, Prag, Selbftverlag.
Hergſell, Unterridt im Säbelfechten,
Wien, Hartleben.
Rüſtov, Moderne Fechtkunſt, Prag, Calve.
Varbaſetti, Säbelfechten, Wien.
Barbaſetti, Stoßfechten, Wien.
Henke, Fechtkunſt, Wien.
Broſch, Das Stoßfechten italieniſcher
Schule, Wien, Seidel.
XVII. Wiferafur, Sporfvereine, Firmen.
Zu Ablſchnitt XI. Sport- und
Rafenfpiele.
Literatur:
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Kurt v. Eberbadh, „Rajenfpiele”.
& Bände aus ber Bibliothek für Sport u.
Spiel. Leipzig bei Grethlein & Co.
Ph Heineden, „Sportfpiele i. Freien“
3 Bände.
„Sport u. Körperpflege“, heraus:
gegeben von R, Norbhaufen.
b) Polo.
Hasberg, H., jun., Polo.
Sames %illis, Breaking and Riding.
N. v. Altenftein, Der Schwimmiport.
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von U. Steinberg.
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D. Scott Duncan, The Golf An-
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9. ©. Evards, Golf in Theory and
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Scheibert, Heer und Eport.
Edw. Ullrid, Spielregeln des Rugby-
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N. v. Fichard, Handbuch des Lawn⸗
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R. v. Fichard, Die Spielregeln von
Lawn⸗Tennis in ſyſtematiſcher Bearbeitung,
Tennis, Lawn-Tennis, Racquets and Fi-
ves. (Badminton library.)
James Dwigbt, Lawn-Tennis.
P. A. Vaile, Lawn⸗Tennis von heute.
N) Kricket.
Kricketregeln, angenommen vom Ver⸗
band deutſcher Ballſpielvereine.
8) Hoden.
The Encyelopaedia of Sport. London.
Scheibert, Der Winterjport.
h) Krocket.
Die Krodetregeln, autor. Weberfesung
ber engliſchen Affoziation-Regeln.
1) Ballſpiele.
Schnell, Handbuch der Ballſpiele.
k) Zeitſchriften.
Sport im Bild, St. Georg, Woche.
I) Epielregeln.
Spielregeln dv. techniſchen Aus-
ſchuſſes. Weftentafgenformat. Seft 1.
auftball, Raffball.
5. Aufl. — Heft 2.
infacher
ußball (ohne Aufnehmen). 8.
Aufl. — Heft 3. Schlagball (ohne Ein⸗
fhenter). 6. Aufl. — Heft 4. Schleuber:
ball. Barlauf. 5. Aufl. — Heft 5. Schlag:
ball (mit Einfchenter). 4. Aufl. — Heft 6.
Tamburinball. 4. Aufl. — Heft 7. Schlag:
ball mit Freiftätten. 8. Aufl. — Heft 8.
Grenzball, Stoßball, Feldball. 3. Aufl. —
Heft 9. Fußball (mit Aufnehmen). 3. Aufl.
girmen:
A. Steidel, Berlin C 22.
9. Münzinger, Münden, Marienplag,
Requifiten filr alle Ballfpiele.
Wtegler, Münden, Kaufingerfiraße
(wie vor.)
Paul Zintl, Münden, Refidenzfiraße
(Tenniß).
Zu Abfdnitt XI. Luftfport.
Ziteratur.
Sinternationaler Luftfhifferverband J. L. V.
(Federation aéronautique Internatio-
nale F.A.I.) Sagungen u. Reglements
aus dem Franzöfiihen, übertragen von
Zeutnantv.Selafinstyu.Dr. Stade.
Mit Nachtrag: Reglement für d. Gorbon-
Bennett-Preis. Straßburg und Berlin,
8. 3. Trübner, 1908.
Hermann ®. 2. Moebebed, Taſchen⸗
buch für Flugtechniker und Luftſchiffer.
Unter Mitarbeit hervorragender Fach⸗
männer. Berlin 1906, W. H. Kühl.
v. Tſchudi, Hauptmann, Inſiruktion für
den Ballonführer. Verlag: Hofbuch⸗
händler Radetzki, Berlin. 2. Auflage
bearbeitet von einer Rommiffion des
Deutſchen Luftfhiffer-Verbandes. 1908.
Slluftrierte Aeronautiſche Mit.
teilungen, Deutiche Se are für
Luftſchiffahrt. Organ bes Deutfchen Luft-
ſchiffer⸗ Verbandes. Begründetu. heraus:
gegeben von 9. W. 2. Moebebed, Oberfts
leumant 3.D., Chef-Rebalteur Dr. Elias.
Verlag Braunbed u. Gutenberg, A.⸗G.,
Berlin W. 86.
Die Luftflotte. Offizielles Organ bes
Deutfhen Luftflotten » Bereind. Unter
Zeitung von 9. W. 2. Moebebed, Oberſi⸗
leutnant 3. D., berauögegeben vom
Deutſchen Luftflotten» Verein. Verlag
Braunbed u. Gutenberg, A.G., Ber:
lin W. 36,
9. W. 2. Moedebeck, Fliegende Men-
ſchen. 1909. Berlin W. 57. erlag von
Dtto Salle.
R. Nimführ, Die Luftfhiffahrt, ihre
wifſenſchaftlichen Grundlagen und tech:
nifde Entwidlung. Leipzig 1909. Ber:
lag. ©. Teubner.
Dr. Brödelmann,
Wir Lu iffer.
Die Entwidlung ver —
modernen Luft-
1
1
XVII, Xileratur, Sportvereine, Firmen.
ſchifftechnik in Einzeldarftiellungen. Ber-
lin u. Bien 1909. Berlag Ullftein & Co.
Die Eroberung ber Luft, Ein Hand-
buch der Luftihiffahrt und Flugtechnik.
Union Deutſche Verlags-Geſellſchaft,
Stuttgart⸗VBerlin⸗Leipzig.
Zu Abſchnitt XIII. Sport-
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Literatur:
Zeitſchrift „Der Sportphotograph“, Jahr⸗
gang 1909. Verlag von Paul Förfter
in Breslau.
Deutiher Camera: Almanad, Jahrg. 1-4.
Berlag von Guſtav Schmidt, Berlin.
Horsley Hinton, Künftlerifche Land⸗
ſchaftsphotographie, Berlin 1903.
Gebrüder Keartons, Tierleben in
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Kuhfahl, Hochgebirgs- u. Winterphoto⸗
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Liefegang, Die Fernphotographie,
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Löſcher, Leitfaden der Landſchaftsphoto⸗
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M azel, Künftlerifche Gebirgsphotographie.
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Meerwarth, Lebendbilber aus der Tier-
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Schillingsa „Zauber des Eleleſcho“, Leip⸗
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Terſchack, Photographie im Hochgebirge,
Berlin 1905.
Wenzel-Paech, Photographifces Reife:
handbuch, Berlin 1909.
Firmen:
G. Geiger, Münden, Karlöplag, Spes
zialartifel für alpine Photographie.
B. S. Shwarz u. Co., Münden,
Amalienftraße, Entwideln und kopieren
fehr zuverläjfig.
Zu Abfcnitt XIV. Die Hygiene
des Sports.
Literatur:
Dr. 3%. Marcufe, Körperpflege durch
Daffer, Luft und Sport. Leipzig 1908.
A. Moffo, Der Menfh in den Hod-
alpen. Leipzig 1899.
Dr. K. Rad, Wanderfport. Praktiſches
und hygieniſches Vademekum.
Dr. A. F. Schmidt, Unſer Körper.
andbuch der Anatomie, Phyſiologie und
ygiene der Leibesübungen. Leipzig 1907.
BER nee der Leibesübungen. Leipzig
A. Steiniger, Die Bebeutung bes
Buders als Kraftftoff j. Sport, Touriftit
und Militärdienft. Berlin 1902.
Dr. ©. ®Veißftein (unter Mitwirkung
zahlreich. Autoritäten), Hygiene db. Sports.
Leipzig 1908.
Dr. R. Zander, Die Leibesübungen
und ihre Bedeutung für die Gefundbeit.
N. Zung, Höhenktlima und Bergmandes
rungen in ihrer Wirkung aufd. Menden.
Berlin 1906.
Zu Abſchnitt XV. Erfte
Dilfeleiftung.
Literatur:
D. Bernhard, Samariterbienft mit
befonderer Berüdfihtigung der Verhält⸗
niffe im Hochgebirge. Samaden 1896.
Esmarch, Die erfte Hilfe bei plöglichen
Unglüdsfällen. Leipzig 1903.
Zu Abſchnitt XVI. Haftpflicht
und Verficherungswelen.
Berficherungsanftalten:
(verfihern auch für Hochtouriſtik, Winter-
fport 2c.).
Allgemeine Verſicherungsgeſellſchaft Br o-
videntia, Wien.
„Zürich“, Unfallverfiherungs-Altien-
Geſellſchaft.
Schweizeriſche Unfallverſicherungs⸗Aktien⸗
Geſellſchaft in Winterthur.
Angelſport.
Angelgerte 517.
Angelhaken 620.
Angelmethoden 616.
Angelſchnur 519.
Angelzeug, Herſtel⸗
lung, Erneuerung,
Konſervierung und
Färbung 627.
Ausrüftung 5483.
Behandlung der ge⸗
fangen. Fiſche 542.
Buſchangelei 536.
Deeſyſtem 531.
Doppelangeln 521.
Drillinge 520.
Entwidlung 514.
Fangarten, verſchie⸗
dene 537,
Fiſcherſprache 543.
Filhwafler, Berbal-
ten am 540.
Floß 524.
Alugangel 535.
Gerätichaften 526.
Gerte 617.
Srundangel 580.
Grunpfifiherei 530.
Grundköder 580.
Gutfaden 521.
Handangelei 516.
Hegen und Schonen
641.
Jamknoten 586.
Kleidung 548.
Knoten, verborgener
527
Köder, Tünftliche 259.
— natürliche 528.
Zandungsgeräte 525,
Paternofterangel mit
lebendem Köder:
fiſch 532.
Pennell =» Bromley:
fyftem 531.
Poil 521.
Role 518.
Senter 523.
Regifter.
Nah Schlagworten georbnet. Die ‚Ziffern bedeuten die KapitelsNummern, die an .
erfter Stelle ſtehende Ziffern bebeutet den Haupthinweis.
Spinnfifcherei 581.
Scleifentnoten 536.
Schleppangel 534. -
Schludangel 5883.
Schnappangel mit le⸗
Ben Köderfiih
32.
Schnur 519.
Schonen und Hegen
641.
Schwimmer 524.
Stand ber Fifharten
639
Tippfiſcherei 586.
Turlefnoten 535.
Umläufe 522.
Verhalten am Fiſch⸗
waſſer 540.
Vorfach 521.
Walton, Izaak 514,
Wetter 588.
Wind 588.-
Wirbel 522,
Zug 520.
Athletit.
Aberberg 613.
Abs, Karl 611.
Allgemeines 582.
Auerdwald, Fabian
von 611.
Ausblid 617.
Ausübung 583.
Boren 616.
Sicero 581.
Cyganiewicz 612.
Dietrid von Bern
611.
Diskosſswurf 608.
Dreifprung 695.
Drüden 609.
Dſchiu⸗Dſchitſu 616.
Dürer, Albrecht 581,
611.
Eberle 611.
Fauſtkampf 616.
Fuchsjagd 588.
Furtwängler Adolf
581
Geben 584. 586.
Geländelaufen 588.
Germwerfen 601.
Geſchichtliches 581.
Gut3-Muth3581.584.
Hackenſchmidt 618.
Hagen 611.
Hammer 606.
Herobot 581.
Hindernigrennen
689.
Hitler 611.
Hodfprung 598.
ee 589.
ygiene 588.
Jahn, F. 8%.
584, 611.
Karges, D. 592. 596.
606. [616.
Kleidung des Boxers
— des Ringers 612.
Koh 611.
Zaufen 584. 586.
Lurich 613.
Mannſchaftslauf 587.
Nero, Claudius 581.
Pohl 611.
Reifen 608.
Rekordliſte 617.
Ringkampf, Allge⸗
meines 612.
— Bodenkampf 614.
— Geſchichtliches
611.
— Satzungen 612.
— Gtandlampf 618,
Rouffeau, $. 3. 581.
Schleuderball 604.
Schleuderwurf 602.
Schwergewichts⸗
heben 606.
— Hygiene 607.
Schwingen, ſchweize⸗
riſches 611.
Siebert 609.
©Silberer, Viktor 585.
586, 590. 616.
681,
Speerwerfen 601.
Sportbehörde, Deut:
ſche, für Athletit
682.
Springen 584. 591.
Sprunggeräte 597.
Stabfprung 596.
Stafettenlauf 587.
Stemmen 606. 609.
Stolj, A. 606.
Stoßen 598.
610.
Strenge 611.
Weinftein, Dr. 595.
Weithochſprung 594.
BWeitiprung 592.
Wels 603.
Werfen 598. 600.
Widenhagen, H. 581.
Zadig 611.
599.
Automobil: und
Motorradiport.
Amebee-Bolle 544.
Ausrüftung 560.
Automobil mit Er:
ploſionsmotor 546.
Belleidung 550.
Benz 544.
Bollee, Leon 545.
Bouton, Sngenieur
544
Brafier 545.
Bucquet 545.
Charron 545.
Chauchard 545.
Cugnot 544.
Cyflonette 554.
Daimler, Gottlieb
6544, 561.
Tampfautomobil
547
Dion, Graf de 614.
Duret 545.
Edge, Mr. 545.
Eleltromobil 548.
Entwidlung 544.
Erle 545.
er.
er ——
1 M
IX
Erplofiondmotor646.
Fletfher 545.
Fournier, Henry 545.
Gabriel 545.
Geſchwindigkeiten,
erreichte 646.
Geſichtsſchutz 560.
Girardot 646.
Gordon⸗Benett, Mr.
545.
Gummilleiber 550.
Hancod, Walter 544.
Hanriot 545.
Hemery 545,
Samin 545.
Seantaub 545.
Jenatzky 545.
Joe 545. [6549.
arofienbezeihnung
Knyff, Rene de 545.
Koptihug 550.
Lautenſchlager 545.
Le Blon 5456.
Zee Guineß 545.
Zevaflor, Emile 545.
Mariott 545.
Motorarbeit 546.
Motorbreiräder 552.
554.
Motorrad, Benzin-
verbraud 553.
— Entwidlung 551.
— ae
— oe hwindigkeits
getriebe 662.
— Verwendbarkeit
662.
— Zubehörteile 552.
Motorzweiräder 562.
— Einteilung und
Charatteriftif 553.
Murdoch, Billiam
Nazzaro 545. [644.
Newton, Iſaac 544.
Poege, Willy 546.
Raggio 545.
Nigal 546.
Nigoly 545.
Salzer, D. 545.
Schnelligkeitsprü⸗
fungen ꝛe. 545.
Serpollet 544. 545.
Siegfried, Marcus
Szisz 545. [644.
ery 545.
Banderbilt 545.
Wagenbezeihnungen
549.
Watt, James 544.
Rettfahrt-al3Schnel-
ligleitprilfungen
2c. 545.
Alpinismus.
Abfahren 169.
Alkohol 142.
Regifter.
| Alleingeben 152.
Anregungsmittel
143,
Arnold, Dr. ©. 154.
Aufbruchszeit 168.
Ausdrüde, bergjtei-
geriiche 208.
Außrüftung 149.
Ausrüftung für
Damen 150.
Ball, 3. 186.
Bänder 176.
Bartb, 9. v. 186.
Belleidung 148.
Bekleidung für Da-
men 150.
Bergabgeben 163.
Bergaufgeben 162.
Bergkrankheit 137. -.
Bergihrund 185.
Bergfteigereigens
ſchaften 145.
Bernhard, Dr. D.
205.
Bonney, Prof. 153.
Chelminsky, Louife
v. 186.
Shrift, 9. 136.
Conway, W. M. 186.
Coolidge, W. A. B.
136.
Dante 184.
Dedy, M. v. 136.
Dent, C. %. 186.139.
178.
Dufour,General 135.
Duhamel, 9. 200.
Duntelbeit 200.
Edardt, %. 146.
Eigenſchaften 145.
Einbreden in eine
Spalte 208.
Eishänge 187.
Eislawinen 182.
Eigrinnen 186.
Eiatouren, Charal:
teriftif ber 181.
Entwidlung 136.
Enzendberger,€.153.
Ebtvös, Jlona und
Rolanda 135.
Erfrieren 137.
Ernährung 141.
gen ———
Beisiouren, Reiz der
17
Bes Zenzi v. 135.
irnbrüche 188.
Firnhänge 187,
Freilager 201.
Freshfield, D. W.
135. 193.
Friedensberg, F. 154.
Friedrich, Fürſt
Schwarzenberg 135.
Führer mit oder
ohne 151.
ar und Tourift Ben 148.
155.
Führerloje und Füh⸗
rer 156.
nn der Alpen
Gefahren ber Yelfen
Gefahren von Schnee
und Eis 182.
Gefährten, Anzahl ꝛc.
158.
Gehen 161.
Gehen auf aperem
Gletſcher 167.
Geben auf loderem
Geröll 168.
Gehen auf Moränen
166,
Gehen auf weichem
Schnee 168.
Geßner, 8. 134,
Geſtein, Beſchneites
oder vereiſtes 179.
Geſundheits⸗
ftörungen 136.
Getränte des Berg⸗
fteigers 142.
Gewitter 199.
Gletſcherbrand 137,
Gletſcherbrüche 182.
188.
Gletſcherſpalten 184.
Goethe 134.
Grashänge, fteile
180.
Grat, am 189.
Grat, auf dem 178.
Grohmann, PB. 136.
Güßfeld, P. 135.
Haller 134.
Harppredt, 7. 136.
Seht v. 135.
Heer, D. 1865.
Hegenauer 134.
Hilfsmittel bei Eis⸗
touren 188,
Hilfsmittel des Klet-
terer8 172,
Hochtouren, außer:
alpine 193.
| Hofmann, 8. 186.
ygiene 136.
avell, E. 136,
| Smmint, Jeanne 135.
Kälte 196.
Kamin, im 177.
Kartographie 169.
Kennedy, €. ©. 136.
Kleidung 148.
Klettern, Grund⸗
regeln 173,
Klettern in den Wän⸗
den 174.
Kletterfchulen 192.
Knigge, Der alpine
154.
Kolapräparate 148.
La mean)
— 182.
—
— da Vinci
134.
Lieber, Dr. X. 206.
Literaturkunde 159.
Madlener, A. 135.
Mahlzeiteneintei-
lung 144.
Marſchleiſtung,
durchſchnittliche
138.
Menger, H. 155.
Meurer, J. 200.
Moriggl 100.
Mofſſo, Prof. 136.
Mummery, A.F. 186.
Nahrung 141.
Nebel 197.
Notſignal 206.
Drientierung 147.
Dertel, Prof. 186.
Paul, Jean 146.
Paulke, Prof. 187.
139.147. 151. 160.
182. 183. 190.192.
195. 202.
Bayer, 3. v. 186.
PBetrarca 184.
Phyfiologie 1386.
PBiltington, Eh. 163.
Platten 176.
Purtſcheller, L. 186.
146. 173. 189. 208.
Randkluft, Ueber:
ſchreiten 185.
Raſttage 140.
Reiſezeit 167.
Rettungsweſen 207.
Richter, €. 185.
Rickmer-Rickmers,
W. 193.
Rouſſeau, Jean
Jacques 184.
Ruthner, A. v. 135.
Salm, Graf 186.
Saufjure 185.
Scheucdzer 134.
CE chneeblindbeit 137.
Echneebretter 182.
Schneebrüde 184.
Schneefall 198.
Schneerinnen 186.
Schneefdilde 182.
Schneeſturm 198.
Schneewädten 182.
190.
Schul, 8. 185.
Seilanwendung 172.
— Th.v.
— 137.
Spalten 182.
Spedt, J. A. 185.
Stanig, V. 185.
Steigegefhwinbig-
fett 188.
Senn, %. 135.
Stephens, 2. 135.
Studer, ©. 135.
Stüdl, 3. 136.
Sturm undKälte 196.
— der, Hermine
— P. K.
186.
— — Beatrice
—8 und Fübrer
156.
Tragbahren 206.
Training 139.
Traverfieren von ſtei⸗
len Hängen 164.
Tſchudi, F. u. J. 186.
Tuckett, F. F. 186.
Tyndall, J. 185.
Ueberlegung und
Vorſicht 146.
Uebermüdung 187.
Ueberſchreiten einer
Randkluft 186.
Ulrich, M. 186.
Unglücksfälle, Ver⸗
halten bei 202.
Berdauungsftörun:
gen 137.
Berichte Sicherung
Berleite, Transport
205.
Verproviantierung
bed Bergfteigers
141.
Vorſicht und Ueber⸗
legung 146.
Weilenmann, J. J.
Wetter, ſchlecht
es,
Einfluß 196.
Wetterprognofe 194.
Wetterftur; 199.
Whymper, €. 185.
183. 187. 189.
Wintertouren 191.
au ber yüße
— 146.
Nanny, Wehe er
gute 141.
ung, Prof. 186.189.
Ballfpiele.
Ball⸗Goal 785.
Baſeball 781.
Boccia 778.
DamensBafeball 782.
Deutfhball 779.
ng 777.
urling 774.
Regifter.
Kaiferball 778.
La Erofie 784.
Puſhball 780.
Raffball 776.
Rounders 788.
Schleuderball 775.
Beber, ©. 9. 777.
Damenreit-
jport.
— des Pfer⸗
es 90.
— der Rei⸗
terin
Sismard Gräfin St:
ylle 91.
— Gräfin Wilhelm
95.
Bruned, Berta von
89.
Buſch, Wilh. 95.
Eramforb 94.
en. im Jagdfeld
Damenpferb 88.
— Anlauf 88.
Damenreitfport 88.
Durand, Madame 96.
illis 89. 98. 95.
übhrung 98.
altung 98.
agbreiten d. Damen
94.
Kandare 92.
Keudell 88. 93.
Kinnkette 92.
Kopfniden 98.
Duerfig 95.
Sattel 91.
Sattellage 88.
Schenkelwirkung 96.
Schritt beim Damen-
pferb 88.
Seitfig, Nachteile 95.
Sig 98,
Stirnriemen 92.
DDP DEREN
88.
Trakehner 88.
| Unterlegebede 91.
Bolblutpferb 88.
White» Melvilles 88.
89. 98.
Wobeſer, von 96.
Zäumung 92.
Eisjchießen.
Eisſchießen 766.
Erfte Bilfe-
leiftung.
Armſchlinge 868.
Arterienblut 851.
Atmung, künftliche
Bel 845.
Blutftillung 851.
Blutungen in ber
Achfelgegend 851.
— am Halfe 861.
— an b. Sand 851.
— am Oberſchenkel
861
— a.Borberarm 861.
Erfrierungen 856.
Esmarch 866.
ingerverband 863.
letiherbrand 859.
Hitzſchläge 866.
ae 854.
Rnocenbrüge 868.
— Behandlung 864.
Kopfverband 858.
Nafenbluten 862.
Notverband 864.
Quetſchungen 849.
Renverſes 858.
Sceintod, Urſachen
866
Scheintove, Wieder⸗
belebung 866.
Silagabern,verlepe
Sälangenbiffe 864.
Schneeblindheit 807.
Silvefter 866.
Sonnenbrand 859.
| Sonnenftid 865.
Transport, Berlester
867.
Venen, verlegte 861.
Venenblut 861.
Verbandtücher 853.
Verbrennungen 858.
Verlegungen am Ge-
lente 860. i
— der Knochen 860.
Verletzungen d. Weich⸗
teile 848.
Verrenkungen 862.
Verſtauchungen 861.
Weichteile 848.
Wunden 850.
— giftige 854.
Wunbdverbände 858.
Zerrungen 848.
Sabrfport.
— , Benno
Aöterjlige 108.
Anfpannung 106.
— ameritanifde107.
— engliide 107.
— ungarifhe 107.
— rufftide 107.
— Herzog von
103.
—— —
Diftanfapeten 110.
Dreffur des Wagen-
pferdes 97.
Einfahren, Das 99.
Einleitung 96.
Einfpännerwagen
107.
Einfpännigfahren
100. [108
rkonkurrenzen
eſpann 106.
Korſofahrten 109.
Kummetgeſchirr 106.
Longieren 97.
Mehrſpänner 106.
Mehrſpaͤnnerwagen
1 0
Neuß, Herr 109.
Randem 103.
Scheuklappen 101.
Sechſerzüge 106.
Selbſtfahrer für
Damen 107.
— für Herren 107.
Siebenzuge 106.
Sielen 106.
Tandem 102.
— dreifaches 108.
Tandemwagen 107.
Verſchnallen 106.
Viererzug 104.
Vierfpännerwagen
107.
Bagen, Die 107.
Barmblutzudt 96.
Wiener Leine 101.
106.
Zehnerzug 106.
Zudt des Wagen:
pferbes 98.
Sweifpännerwagen
107
Bweilpännigfahren
101.
Sechten.
Agrippa, Gamillo
626.
Allgemeines 618.
Angriff 634.
Aflaut 688.
Besnard, Charles
626.
Brantöme 642.
Caglia, Adolfo Capo
rro di 626.
Cervantes 642,
Damenfechten 642.
Didier, Henry de
Falihoffer 621.
Fechttunſt als Sport
639.
Geſchichte 621—688.
——— Nicoletto
Grafft 625.
Hiebfedhten 683. 687.
Hiebwaffen, ns
682.
Holijtein, Dr. —
Kontrafechten 638.
Ya Colombière 642.
Leſage 642.
Ziancourt 626.
Manciolino, Antonio
625.
Marozzo Achillo 626.
Moricio, Pietro 626.
Schutzvorrichtungen
640.
Stoßfechten 688. 636.
Syitem 634.
Theorie 684.
Thibauld, Girarb
626.
Toude, Philippert
be la 626.
Unterridht3erteilung
641
Urfprung 619.
Verteidigung 634.
Biggiani Angelo 625.
Waffen, lanbesüb-
liche 688.
Zweck 620.
Sußballipiel.
Affoziation, Abſeits⸗
regel 719.
— Abftoß vom Tor
71 8.
— Allgemeines 718.
— Aufſtellung 716.
— Dauer bes Spiels.
716.
— Dribbeln 718.
— Edball 718.
— Eifmeterftoß 718.
— Linienridter 717.
— Malmänner 717.
— Markmänner 717.
— Pafſen 718.
— Schiedsrichter
717.
— Spieler, bie 717.
— Spielfeld 714.
— Gpielgang 716.
— Spielgeräte 715.
— Spielregeln 720.
— Spielwart 717.
— Stöße auf das
Tor 718.
— GStöße, bejondere
8
718.
— Stürmer 717.
— Torwädter 717.
Bebeutung f. Militär
712.
Fußball, amerikani⸗
fer 780. 781.
— auftralifder 782,
738.
Regiſter.
Geſchichtliches 712.
Rugby, Abjeitäregel
— Rſioß 726.
— Abſtoß vom Male
726.
— Antritt 726.
— Art des Spiels
725.
— Ball 724.
— Berehnung 729.
— Dreiviertelfpieler
727.
alltritt 726.
afjen 727.
— Freifang 726.
reitritt 728.
— Gedränge 726.
727. (721.
— Geſchichtliches
— Halbſpieler 727.
— Halten 726. 727.
— „Kehrt“ 726.
— Lagertritt 726.
— Paſſen 727.
— Rlagtritt 726.
— Regeln, befonbere
728
— Schlußſpieler 727.
— Spieler, die 727.
— GSpielplat 723.
— Spielregeln 729.
— Spielweiſe 729.
— Gprungtritt 726.
-- GStraftritte 729.
— Stürmer 727.
Prof.
— und Afloziatton
722
— Verfug 726.
— — aufs Mal
— wartsſchlagen
726.
— „at des Spiels
— 712.
Sceibert, W. 712.
Solf.
Abſchlag 690.
Annägerungäfäläge
Aufbewahren b. Keu⸗
len 688.
Ball 687.
— hochliegender 701.
— im bunker 700.
— im AUnkraut 703.
— tiefliegender 702.
C. B. 709.
Damengolf 710.
Dreiviertelihlag693.
Einleitung 678.
Einſchlagen d. Balles
706.
Eiſenkeulen 682.
green-keeper 686.
Handgelenkſchlag
695,
high-lofting stroke,
der 697.
Holzkeulen 681.
Keulen für den Ans
fänger 684.
Keulenbredhen 705.
Knieſchlag 698.
Köcher und Köcher⸗
träger 685.
Lascelles Frank 678.
Lauthier 678.
Running-up the
ball 698.
Schlag, halber 694.
Schlag vom linten
Fuß aus 699.
Schneiben des Balles
696.
Spiel, ba3 689.
Spielen über dasFeld
691.
Spielfeulen 680.
Spielplag 679.
Spielregeln 711.
Topping the ball
704.
Univerfalleulen 683.
Viertelichlag 695.
Borgaben 708.
waggle 690.
Wettfpiel 689.
Zaählmethode 707.
Bodey.
Eurlingipiel 766.
Eishodey, Einleitung
764.
— Spielgang 765.
— Spielregeln 765.
— Verbreitung 764,
Zandhodey, Ball 760.
— Einleitung 758.
— Gang des Spieles
761.
— ——
— J— 762.
— Markmänner 762.
— Gpieler, die 762.
— Gpielgeräte 760.
— Spielplatz 759.
— Spielregeln 763.
— Spielwart 762.
— Stöde 760.
— Stürmer 762.
— Tormädter 762.
Bygiene des
Sports.
—— 827 bis
Alpiniemus 822.
Anftrengung und Er:
bolung 841.
Atemorgane 820.
Atmung 820.
Auge 822.
Baummolle 838.
Bed 845.
Belleidung 837.
Blutumlauf 819.
Brennmaterial der
Mustelarbeit 816.
Bruſtkorb, Entfal:
tung 820.
Caſpari 817.
Diätetil 841, 842.
QDurftgefühl 836.
Eiweiß 816.
Eiweißſtoffe 832.
Energie 818.
Erholung 814. 841.
Ermübdung 814. 824.
Ermübungsftoffe
821. 824,
Ernährung, prak—⸗
tiſche 884.
Ernährung und Mus⸗
telarbeit 832.
ette 816. 832.
obfinn 822.
Gefäße, Ueberan⸗
ftrengung 845.
Geiftesgegenwart
822. [831.
Hautpflege 827 big
Herz, dag 819.
— Ueberanftrengung
845
Herzarbeit 819.
Herztlopfen 819.
Herzſchwäche 819.
Herzvergrößerung
819.
Hoek 839.
Kleidung 837.
— beim Alpinigmus
839.
— beim Sommer:
fport 838,
— beim Winterfport
889
— der Frauen 840.
Lüftbarkeit, der
837. 838.
a 816.
Ko — — der Be⸗
wegungen 822.
— ———
— ein⸗
ſeitige 818.
Koſt, gemiſchte 816.
Kräpelin 817.
Leinwand 838.
Löwy 817.
Luft 827.
— als Abhärtungs⸗
mittel 8830.
58
Luftbad 830. 831.
Zunge 820.
Mahlzeiten, Einteis
lung 834.
Moſſo 817. 825. 833,
Müller 817.
D.ustelarbeit 818.
-- Eigenart der 810.
— — — der
suöfslenergte 813.
Muskeln, Weberan=
ftrengung 844.
— unmwilltürlide
809.
— willfürlide 809.
— woju 808.
Muskelſinn 811.822.
Mut 822.
Nahrung, welche 885.
Nervengymnaftit
812. 828.
Nerveniyften 822.
— Ueberanftrengung
846.
Reaktion 828.
——
Sqdigungen durch
den Sport 817.
Schweißbildung 821.
Sinnesorgane 822.
823.
Sport und Nerven:
fyflem 822.
— Alfred
Stoffwegifel 821.
Training 828.
Trinten 836.
Ueben, mie? 825.
Ueberanftrengung
844, 845. 846.
Uebung der Haut 827.
— und Ermüdung
824.
— und Training 828.
— Weſen ber 812.
Mebungen, Zeit und
Drt 826.
Venenklappen 819.
Voit 882.
Wandern 822.
Wärmeregulation
821. 828.
MWärmeregulierung
Waſſer 827.
— ala Abhärtungs-
mittel 828.
Wirkung des Sports
auf d. Atemorgane
820.
— auf die Musku⸗
latur 818,
— auf Her; umd
Blutumlauf 819.
— auf Stoffwechfel
821.
Regifter.
Wirkung auf BWär-
meregulation 8215
Zuder 833.
Zung 817.
Sufammenfpiel der
Organe 816.
Jagd.
Adler 435. 468.
Afrika 474—489.
Alpenhafe 442.
Aniapren im Pirſch⸗
wagen 418.
Anftand, der 409.
Antilopen 484.
Arnulph, Prinz von
Bayern 495.
Aften 490—497.
Auerbahn 427.
Auerochs 473.
Aufbreden, das rich«
tige 423.
Aufhütte 487.
Ausrüftung 404.
Auftralien 498.
Bären 426. 497.
Belaffine 451.
Bekleidung 404.
Bergſchaf 607.
Biber 438.
Birkhahn 428.
Blattfhuß 418.
Bobkatze 610.
Bosnien 467.
Bradenjagd 412.
Brandis 486.
Büffel Indien 492.
Buſſarde 463.
Garracal 484.
China 497.
Chotbohrung 406.
Dachs 444.
Dammild, bad 420.
Deutfchoftafrifa 485.
Edelhirſch 418.
Edelmarder 447.
Einzeljagb 408.
Elch, der 419. 468.
— kanadiſcher 502.
Elefant 476.
— indiſcher 491.
Elenantilope 485.
alken 468.
aſan 481. 498.
tfchadler 486.
ifchotter 445. 484.
lußpferd 477.
uchs 448.
utterftellen 415.
Gamstrieb 422.
Gem3wilb 422.
Gerard 481.
Geſchichte 402.
Geſchoß 406.
Gefeliaftsjagb411.
Gewehre 406.
Geweihbildung des
Hirſches 418,
Ginfterlate 484.
Giraffe 479.
Goldadler 436.
Habichte 463,
Haſe 440.
Hafelhubn 480.
Haubenfteißfuß 462.
Hege mit ber Büchſe
416.
Herzegowina 467.
Hirſch in der Brunft
418,
Hund 407.
Hyäne 484.
Sagdgebiete, außer:
europäifche 474.
Sagbhund 407.
Jagdhyänen 488.
Sagbverhältnifie
Nordameritad 513.
Sagbwaffen 406.
Säger u. Weidmann
403.
Japan 498.
Iltis 447.
Sndien 491.
Kadu 485.
Kahlwildjagden 418.
Kaiferadler 485.
Kamtſchatka 497.
Kängurud 498.
Kaninden 441.
Karl der Große 402.
Kefjeltreiben 411.
Kleidung 204.
Koch, Dr. 489.
Kranich 438.
Krelihuß 418.
Kugelſchuß 408.
Kuguar 509.
2appjagd 412.
Laska, F. B. 467.
Laufſchuß 418.
Leopard 482.
Lippenbär 494.
Löwe 481.
Luchs 426.
Lungenſchuß 418.
Maralhirſch 495.
Marder 447.
Matſchie, Prof. 480.
Maultierhirſch 508.
Milane 468.
Moosſchnepfe 451.
Muffelwild 496.
Murmeltier 438.
Nashorn 476. 491.
Neuſeeland 498.
Niedieck 494. 497.
502. 506.
Norbamerila 499 bis
518.
Norwegen 467.
Nutzwild Afrikas
487.
Paaſche 486.
Panther 494.
Pferbeantilope 485.
Pirſche, die 408.
Pirſchzeichen 418.
Pleß, Fürft von 421.
Bulverforten 406.
Orygantilope 486.
Dftafrifa 486.
Nabenvögel 464.
Rakelhahn 429.
Hallen 454.
Raubtiere Nord:
amerikas 508,
NRaubvögel 468.
Rebhuhn 448.
Rehwild 424.
Reiher 457.
Renntier 4723. 506.
Rohrdommel, kleine
458.
— große 469.
Noofevelt 499. 500.
602. 508. 6510.
Rußland 470. 471.
472. 478.
Säger 462.
Ealzleden 415.
Schakale 484.
Schießkunſt 406.
Schillings 481. 486.
Schlangenadler 435.
Schneehaje 442.
Schneehuhn 452.
Schnepfenſtrich 450.
Schongebiete i. Nord⸗
amerika 499.
Schreiadler 435.
Schrotſchuß 405.
Schuß auf den Hals
418.
Schwan 434.
Schmweben 467.
Seeabler 436.
Serval 484.
Spielhahn 428.
Standtreiben 412.
Steinadler 435.
Steinbod 421. 495.
Steinhuhn 452.
Steinmarder 447.
Steppenhuhn 453.
Streife 411.
Sudjagndb mit bem
Borftehhund 410.
Taucher 462.
Tiger Indien? und
Ceylons 494.
Trappen 432.
— auf Hirſche
Zfetfeftiege 489.
Zurleitan 495.
Turkey 612.
Uhu 486.
Virginiahirſch 504.
Bogelwelt Afrikas
488,
Vorftehtreiben 412.
Wachtel 449.
Waldichnepfe 450.
Wapita 503.
Waſſerhuhn 455.
Weidmannsſprache
417. 613.
Weidwundſchuß 418.
Weihen 463..
Wieſel 447.
Wildbüffel, oſtafri⸗
kaniſche 478.
Wildente 461.
Wildgans 460.
Wildgeflügel Nord⸗
amerikas 512,
Wildhege 414.
Wildhunde 483.
Wildkatze 446.
— graue 484.
Wildſchutz Afrikas
489.
Wildſchwein 425.
Wilbtauben 456.
Wifent 473.
Wißmann 474. 489.
Wolf 426.
Bebra 480.
ielfernrobre 406.
mwergabdler 435.
Zwergreiher 458.
Kridet.
Ball 754,
Einleitung 752.
Geſchichtliches 752.
Handſchuhe 754.
Keule 754.
a
Salagpoh 754.
Spielgang 755.
Spielgeräte 754.
Spielplat 753.
Spielregeln 757.
Tor 754, [756.
Wertung be3 Spiels
Krodet.
Einleitung 767.
Spielfeld 769.
Spielgang 770.
Spielgeräte 769.
Spielplag 768.
Spielregeln 771.
Zauflport.
Barlauf 786.
Cross-Country-
Zaufen 786.
Lawn-Tennis.
Ball 738.
Bälle, geſchnittene
744.
Regiſter.
Barre 784.
Comenius 734.
Cox 734.
Doppelſpiel 760.
Einſchenken 748.
Einzelſpiel 749.
iſchart 734.
lorini 734.
Flugſchlag 747.
orbet 784.
an 1 734.
Garfault 734.
Geſchichte 784. 736.
736.
Haltung des Schlä⸗
gers 742.
Sieh» od. Schmetters
ball 747.
Hochball 745.
ulpeau 734.
leidung 739.
Kreuzſchläge 747.
Lippomono 734.
Netz 738.
Raino 734.
Ruſhaw 735.
Schläge, verſchiedene
74B.
Schläger 738.
Spielfeld 737.
Spielgang 741.
Spielgeräte 738.
Spiellinien 737.
Spielregeln 751.
Spieltaktik 740.
Sprungſchlag 746.
Trelamney, Wr. 786.
Baile, Mr. 789.
Bettfpiele 748.
Wingfield 736.
Zuftiport.
Abereron, Haupt⸗
mann v. 794. 799.
Allgemeines 737.
Ausübung 793.
Balloniport 796.
Bamler, Dr. 799.
Befancon, M. ©.
794.
Bleriot 797.
Bonaparte, Roland
794. 799.
Borgbeie 794.
Brödelmann, Dr.
799. [794.
Busley, Geh.Neg-R.
Catlletet 2. 794. 799.
Dauerfahrten 795.
Draden 792.
Dradenfport 788.
798.
Dumont:Santo8797.
Ellehammer 797.
Entwidlung 799.
Erbslöh, Oskar 794.
799.
Etappenfahrten 795.
arman 797.
Iugmajdine 791.
Iugfport 788. 797.
ordon-Bennett797.
799.
— :Wettfliegen 794.
799.
Hildebrandt, Haupt⸗
mann 784.
Jacobs, M. 794.
Lahm, Frank 799.
Lilienthal, Otto 797.
Luftballon 789.
Luftſchiff 790.
——— äroſta⸗
tiſche
Auftfoiffernerbanb,
Deuticher 794.
— Internationaler
94
794.
Luftſchiffſport 796.
a Ingenieur
Moebebed, Oberfts
leutnant 794. 799.
Niemeyer, Rechtsan⸗
walt 799.
Dultremont, Comt b’
799.
Parſeval v. 790. 799.
Pelterie, R. E3nault
791.
Niedinger, A. 794.
Schaed, Oberſt 794.
Sommer, Roger 797.
Stabilitätsfahrten
796.
Surcouf, M. €. 794.
Tiffandier, M. P.
794.
Vaulx, Comte de la
794. 799.
Voifin 791.
Wallace, R.W. 794.
Weitfahrten 795.
Wright, Orville und
Wilbur 791. 797.
Beppelin, Graf 799.
Zielfahrten 795.
Nothilfe bein:
glüdsfällen der
Pferde.
AUTEDENDE Mittel
Autflillungämittel
128.
Blutungen 128.
Gejdirrdrud 126.
Knochenbrüche 131.
Kolik 132.
Lahmheit 130.
Notwendigkeit der
erften Hilfeleiftung
124.
Prießnisfher Um:
ſchlag 126.
Quetichungen 125.
Satteldruck 125.
Splintverband 129.
Vorbeuge innerer Er:
frantungen 133.
Wunden 126.
Wunden der Augen
129.
-— der Gelente 129.
— der Hufe 129.
— — Maulhohle
je Sehnen 129.
Wundenbehbandlung
127.
Wunpdenbeilung 126.
Parforcejagd.
ur a a
—— für die
Pferdezucht 86.
Borcke, Rittmeiſter v.
80.
Borde-Molslom
Borde - Stargorbt,
Graf 79.
Brandenftein-Hoben-
—* Baron von
Bronter Meute 82,
Dewig-Milgom,v.80.
ne Breejen, von
illiam, Lord 84.
lurſchaden 84.
Friedrich Franz IV,
Großherzog 81.
Grabenfee, Dr. 86.
Habberfteld, Mr. 83.
Heyden, von 82,
Keubell 87.
Zehndorff » Steinert,
Graf 79. 80.
Malgahn = Peccatel,
Baron v. 80.
Meute, Brooder 82,
Meuten, hiſtoriſche78.
Dertzen-Coſa, von 80.
Dergen=tibber$:
torf, von 80.
Dettingen, v. 85.
Barforcejagd 78.
— Hinterpommerfche
79
— in England 86.
Barforcejagdverein,
Zudwigäluft = Par:
&imer 81.
— Neubrandenburg:
Paſewalker 80.
Pferdezudt, Bedeu⸗
tung der Barforce-
jagd für die 85.
Schleppjagden 87.
Schleppmeute 87.
Sport in Rot 78.
Vorurteile 83.
Polo.
Baer, U. 668.
Droemer, Frig 668.
Firduſi 648.
Gymkhanaſpiele 657.
— sProgramm 658.
Haßberg jun. 648.
Kilian, Oskar 659.
Kimano 643.
Knieſe, Fritz 668.
Lloyd⸗Lindſay⸗Wett⸗
bewerb 657.
Miller, Brüder 646.
Polo⸗Pony 644.
Polo = Tournament
658,
Pyjama>Rennen 657.
Radfahrpolo, Ball
664.
— Dribbeln 662.
— Einleitung 659.
— Erflärung 662.
— Rad, bad 660.
— ‚ohne Schläger
— Whlager 665.
— Gpieler, der 661.
— Gpielplag 668.
— Epielregeln 666.
Neady, Mc. 659.
Reiterpolo, Ball 660.
— Einleitung 643.
— Erllärung 648.
— Gang de3 Spieles
654.
— Kleidung 647.
— Regeln für das
ze ber Ponys
— ‚Stage. Balles
— lager 661.
— Spieler 658.
— Spielplatz 640.
— Spielregeln 655.
Rennen,arithmetijche
657.
Ringelſtechen 657.
Schlangenrennen
667.
Steinberg, Udo 6569.
Trainieren des Ponys
5
645.
— des Spielerd 646.
Wafferpolo, ameris
kaniſches 677.
— Ball 671.
— Einleitung 668.
— Erflärung 672.
— Gang be3 Spieles
4
674.
— Sleidung 70.
Regifter.
Wafferpolo. Kunfts
fertigteiten 675.
— Gpieler, die 673.
— Spielfeld 669.
— Spielregeln 676.
Watſon, John 648.
Wilſon, William 668.
Radfahriport.
Ausrüftung 565.
Bahnrenner 562,
Bekleidung 566.
Bremfe 562.
Cordang 564.
Damenrab 560.
Diät 566.
DO IRREEICRUNG
* Carl Frhr.
Dunlop 555.
Fahrrad im Dienfte
des Sportmannes
664.
— im Dienfte ber
Touriftit 565.
——— kettenloſe
—2*— 664.
Freilauf 557.
Gefahren des Rab»
fahrſportes 565.
Geſchichte 555.
Lehr, Auguft 564.
Mihaur 555.
Niederrad, dad mo-
derne 5586.
Pneumatik 562.
—— Prof.
Dr. 565.
Smuing Hauptmann
— ‚ Graf
564.
Starley 666. 566.
Straßenrenner 562.
Tandem 561.
Tourenräber 562.
Weberjegung 556.
Ventile 562.
Verwendungb. Fahr⸗
rades 568.
Zubehörteile, wid:
tigſte 562.
Bweifiger 561.
Reitiport.
Aufrichtung 48.
Bügel 35.
Carl of Cavan 46.
| sn Hippiques
Diangeiten 50,
Dreffur des Reit:
pferdes, Zwed 41.
Dreffurprüfungens9.
Einleitung 38.
Fauftftellung 37.
illis 42. 48,
übrung 87.
Galopp 39.
Galoppiprung 51.
Gebtrieb 42.
Geländereiten 44.
Geſäßhilfen 38.
Gefundheitöpflege d.
Pferdes 56.
Gleichgewicht 42. 43.
Hilfen, Zuſammen⸗
wirken ber 38.
Hunt-Pointstos
Points 46.
Kandare 86.
Kanbarenzügel 87.
Kontragalopp 39.
Kopfftelung beim
Galopp 89.
Kreuzbilfen 89.
MirzasSchaffy 88.
mounted-paper-
bag-chase-clubs
46.
Papierfährte 46.
Paraden 87.
Pferd, Abnugen ber
Vorband 42.
— Anbinderiemen
58.
— Ernährung 52.
— Ir hluft, Mangel
an 5
— itterung 52.
_ — LESRE
— —— 68.
— Hinterhand 41.
ufpflege 56.
— Kolik 56.
— Rötenpflege 56.
— Krippenſetzer 53.
— Maute, Verhü⸗
tung von 56.
— Nuten 56.
— ‚Satin, normale
— "einigen d. Hufe
— "huberung bes
Kopfes 66.
_ Scheuerftellen 56.
— Schweiftradt 56.
— Stallhygiene 53.
— Gtallpflege 53.
— ——
— ——— 58.
— Tränten 53.
— Vorhand 41.
aferauimuyme
Pferbebreflur 41.
Pferdegymnaftit 41.
Bierbeitak, dunkler
4.
Pferdeſtall, Einrich⸗
tung 64.
Plinzner 41. 42. 48.
Point -to-point-
races 46.
Point-to-point-
Rennen 46.
Point-to-Point zwis
fen den Grena⸗
dier⸗ und Golbs
ſtream⸗Guards 46.
Quabrillereiten 40.
a a
Duiefelbein- Rennen
Nteiten im Gelände
44.
Renvers 39.
Nofenberg, General
v 44.
Scentelbilfen 38. 39.
Scentellage 37.
Schnitzeljagd 46.
Schönbed, Major
Aa. D. 54.
Sit des Reiters 34.
— oe 42,
Spaltfig 8
Speingtonbürrengen
— 48.
Stallpflege 53.
Stal Bentilation 53.
Stolpern 42.
Trabtempo 51.
re be3 Pferdes
51.
Trenfenzügel 37.
Verfammlung des
Pferdes 42.
White-Melville 47.
äumung 86.
ügelhilfen 88.
— beim Galopp 39.
Rennfpotrt.
Altersgewichts⸗
rennen 68.
Athelftan, König 58.
Ausgleichſsrennen 69.
Baflewig, Graf 60.
Bebeutung, natios
nale 67.
Biel⸗Zierow, Herr v.
Capet, Hugo 58.
Derby⸗Jahr 63.
Einfluß a. d. Landes
pferdezucht 60.
Einjäge 69.
— Entwidelung in
Deutſchland 59.
Salenpanen Baran
6
Ferdinand, Erzher⸗
z0g 59.
Galoppieren nad d.
Uhr 67.
Gewichtsausgleichsb.
Hahn, Graf 60. 74.
Halbblut⸗Hindernis⸗
Sport 77.
Halbblutrennen 77.
albblut⸗Sport 77.
albblutzucht 57.
andikaps 69.
Hauptjagdrennen 73.
enckel, Graf 60.
errenreiten 64.
Herrenreiter, bürger:
liche 64.
Hindernisſport 72.
Hürdenrennen 73.
Jagdrennen 74.
Jagdſprünge 74.
Jährlingsmarkt 71.
Jockeyrennen 73.
Kaltblutzucht 57.
Karl II 58.
Konkurrenzberechti⸗
aung 64.
Koften des Renn⸗
betriebes 70.
Kracker, Baron 71.
Maltzahn, Baron 60.
Mockinländer 70.
Dettingen, von 77.
Dffizierfport 75.
en Baron
gleffen, Graf 60.
Provinz:Sport 69.
eu bie klaſ⸗
filgen 63.
Prilfungsjahr 63.
Reitmethode, ameri-
kaniſche 67.
Remontezucht 57.
Renard, Graf 60.
Rennen für Zwei⸗
jährige 62.
Reugelder 69.
Ba a le
Sönelligteitöprüfng.
Severus, Kaiſer in
York ö8.
Sport, tllegitimer 72.
Start 66.
Steeple-Chafing 74.
Steepler 78.
Sweepftakes 70.
Totalifator 71.
Trainingmetbode,
amerilaniiche 67.
Berlauförennen 69.
Verlofungdrennen69.
Vollblutzucht 57.
— die deutſche 61.
Barmblutzudt 57.
Weinberg, v. 71.
Wettverhältniffe 71.
Zudtprüfungen 58.
Zudtrennen 61.
Regiſter.
Rollſchuh⸗
laufen.
Rollſchuhlaufen 262.
Ruderſport.
Ankauf des Ruder⸗
bootes 854.
er techniſche
Augräftung bed Ru=
bererö 852.
Baumeije d. Touren
boote 348.
Behandlung d. Boote
855.
Boot, Anlauf 354.
Borrmann, Hugo
850. 858.
Damenrudern 366.
Dollen 350.
Geſchichtliches 847.
Kleidung d. Ruderers
862.
Kommandos 362.
— eines Bootes
Raben 850.
Pageien 350.
Rennboote 349,
Nennruberer 868.
Rennſchulboote 349.
Riemen 350.
Rudern 357.
— Allgemeines 856.
Schlagmann,ber 861.
Schwimmen lernen
853,
Sit, der 351.
Stullen 360.
Skulls 850.
Spurt 868,
Start 863.
Steuerer, der 862.
Tourenboote 348.
Training 359.
Vergnügungsboote
848.
Verbiltung von Uns
glüdsfällen 365.
Wanderrudern 367.
Wettfahrtsbeſtim⸗
mungen 864.
Woodgate Walter
8568,
Schilaufen.
Abfahrt 224.
Allgemeines 212.
Aufftehen, das 226.
ed technifche
24
Ausrüftung 213.
Bu Degtoneifien
Bergaufgefen 223.
\
Bindung, die 214.
Bogenfahren 230.
Bremien mit dem
Schi 228,
— mitdem Etod 229.
OR INBIORUNG
allen, das 225.
Fahrtrichtung,
ſprungweiſes Aen⸗
dern 285.
Gefahren des Hoch⸗
gebirges 248,
Hilfsgeräte 216.
Kleidung 216.
— für Damen 217.
Laufen in der Ebene
222.
Literatur 211.
Proviant 218.
Schi, ber 213.
er Hodtouriften
Sötfapren mit Pfer-
den 237.
— mit Segel 236.
Schilauf im Hochs
gebirge 288.
Schilaufen ald Sport
210.
— Urfprung 209.
Schitechnik für Hoch⸗
touren 242.
—
Sönespfugpelung
Seitwärtäfahrenaas,
Sprung, der 234.
Sprungidanzen 234.
Stehen auf Schiern
219.
Stemmbögen 281.
Stemmftellung 228.
Telemartihmwung
232.
Treppenjchritt 2283.
Umdrehen, das 220.
Vereine 211.
Wenden, das 220.
Wenden am Hang |’
221.
Zdarsky 210.
Schlittenporte.
Au ums f. Rodler
— ei Skeletonfah⸗
rers 233.
Ausübung des Rodel⸗
ſportes 274.
— des Skeletonſpor⸗
tes 286.
Se
— Entwielung 288,
— Bahnen 291
Bauart
EEE
Bobsleigh, -Sport,
Ausübung 293.
Boblett 294.
Bremen 277.
Entwidlung 266.267.
Eisſchlitten 299.
Fachausdrücke 299.
Fußlenkung 276.
Handlenkung 276.
Hindernifje 278.
SuSE Ol REN. Der
6
Kleidung 272.
der Bobsleigh⸗
fahrer 290.
Kjälker, Der 297.
Anne der Rodel
— * Bobsleighs
— gr Steleton 285.
Martel, Karl 280.
Rennwolf, Der 296.
Rodel 269.
Rodeln, gebräud-
lihfte 971.
— lentbare 294.
Rodelbahn 273.
— „Material 270.
— ⸗Rennen 280.
Rziha, Dr. 280.
Schlitten, Weſen 263
Segelſchlitten 803.
Skeleton, Der 281.
— Bauart 282.
— :Bahnen 284.
Smith, Wilfon 288.
Sportichlitten 264.
— Einteilung 268.
Toboggan 298.
Beitnehmung a. Ske⸗
letonbahnen 287.
Zweiftgigfahren 279.
Schlittſchuh⸗
laufen.
Aufbewahren des
Schlittſchuhs 260.
Beſtimmungen für
Welt: u. Europa:
Meifterfhaft im
Kunftlaufen 260.
— im Schnelllaufen
269.
Bogen 253.
Eurti3, Mr.
244. 262.
Damen auf dem Eife
2
56.
Dean, Miß Nellie 244.
igurenlaufen 257.
uchs, Gilbert 244.
et 262.
eſchichte 244.
Meie yalalauien
Gooribge 262.
Callie
Gruppenlaufen 258.
Haynes, Mr. Jackſon
244. 262.
Kleidung 251.
Klopftod 245.
Leykauf, Ignaz 258.
Paarlaufen 257.
Potucek, J. 264.
Rollſchuhlaufen 262.
Salchow, U. 244.
Schlittſchuh, Ter245.
— für Damen 249.
— fürfunftlauf248.
— f. Schnellauf 246.
— fir Touren 247.
Sglitguhfegeln
Shut des Kunftläu>
fer3 258.
— A Echnelläufers
Hl Anfänger 262.
Seyler, Julius 244.
Sonntag, Henriette
SperB, Mrs. 266.
Tanzen 267.
Tourenfabren 255.
Ueberſetzer 257.
genger, W. 244.
Schwimmfport.
d'Argy 878.
Armführung nad
Pfuel 375.
Arm und Beintempi,
Ueben ber 377.
Arten ded Schwim:
mens 382,
Auerbadfprung 391.
Barriereifprung 394.
Beinftelung 876.
Bruſtſchwimmen,
Das 388.
Dauerihwimmen
395.
Fauftbalfpiel 401.
Flugſprung 894.
Freifhwimmer 399.
gubfprünge 892.
eſchichtliches 368.
Hedhtfprünge 891.
Hodiprung 392.
Kleidung 872.
Kopfiprünge 391.
Kriegsballipiel 401.
Kunſtſchwimmen 400.
Pfuel, eek von
871. 378,
Rauſch, Emil 871.
Rettung Ertrinten-
ber 896. 897.
Rücken ſchwimmen
386.
Salto mortale 898.
Scharf, Dtto 401.
Sgrittfprünge 392.
Regiſter.
Schwimmen in Klei⸗
dern 881.
— wann lernen 871.
Schwimmhallen, mo⸗
derne deutſche 870.
Schwimmlage 379.
Schwimmſtellung
374
Schwimmuntrrricht
378.
Seiteſchwimmen 884.
Selbſterlernen 880.
Spaniſchſchwimmen
386.
Tauchen 887.
Tauziehen 401.
Tourenſchwimmen
95.
Tragentittel 380.
Trudgen, Mr. 886.
Ueberichlagen 892.
Borfihtsmaßregeln
in Shwimmanftals
ten 398,
Waſſerballſpiel 401.
Waſſerpolo 668.
Waſſerſpiele 401.
Waſſerſpringen 890.
Waſſertreten 389.
Webbs, Kapitän 872.
Wenden 888.
Bygienifche
gidifen , Generals
leutnant v. 378.
Wolffe, Kanalſchwim⸗
mer 872.
Zählmethode d'Argy
378.
Segelſport.
Abſegeln 342.
Am Wind ſegeln 807.
An die Boſe gehen
818,
Anter mit Boot aus⸗
bringen 321.
— Vor A. gehen
Ankerlicsten 820.
Antern, auf Sprin®
822.
Anjegeln 340,
Ans und Verlauf von
Booten 846.
— techniſche
Außrüftung bed Boos
tes 384. [345.
Außerbienfiftellung
Bau einer Jacht 801.
Beidrehen 311.
en 818.
Beſchädigungen 827.
Bd auf See 316.
a die Bd. gehen
Bootämannsinven=
tar 834,
Bootstypen 302,
Brüche 827.
Bubble 301.
Catboot 302.
Dingy 302.
Eisjachtfegeln 808.
en 800.
Geſchleppt werben
324.
‚Gig 802.
Gregor, Mac 302.
Halfen 810.
— bei Seegang 3185.
Herreshoff 802,
Souari 808.
Jachttypen 802.
Sindienftftelen bed
Bootes 836,
Kanoe 302.
Ktelholen 326.
Kiels oder Schwerts-
boot 801.
Kleidung d. Beſitzers
und der Manns
fchaft 838.
Kompaß 380.
Koften eines Bootes
846.
Kreuzen 810.
Kutter 802.
Legerwall, Auf 819.
Lenzen 817.
Zoggen 882.
Lot, Das 381.
Mann über Borb 8256.
Mannſchaft, Ans
mufterung 837.
Matrofen 837.
Navigation 828.
Reefen 309.
Regeln f. Wettſegeln
848.
Nennen 341.
Schleppen 823. 824.
Schonerjachten 802.
Schmerts ober Kiel⸗
boot (?) 301.
Seetarten 329.
Seemannſchaft 814.
a „Berechnung
80
Segelabſetzen 806.
Segelkunſt, Grund⸗
regeln 304.
Segeln, Am Wind
807.
— u dem Wind
— 306.
Sloop 802.
Sprietboote 802.
Start 8341.
Steuermanndinvens
tar 884,
Südſeeboote 802.
Tourenfegeln 888.
Vermeſſen der Boote
839.
STPESDIRDELEFING
Berfigerung f. Jach⸗
Kor Anter ‚geben 812.
Bor dem Binb fegeln
808.
Wenden 810.
— bei Seegang 315.
Wettfegeln 839.
— Regeln 343.
Wilhelm II, Kaiſer
800.
Rinterlager 345.
Wörterbuch, fegel:
ſportliches 846.
Yalws 302.
Zimmermanns-
inventar 834.
Sport, Begriff,
Entwidlung u.
Bedeutung.
Alkohol u. Sport 22.
Alpinismus, Wer:
tung 28.
Amateur 8.
Angelfport, Wert 28.
Auswüchſe 26.
Baud, ber 17.
Bebeutung 2.
Begriff 1. [82.
Bergiport, Wertung
Bismard 15.
Byyantinismus 15.
Garlyle 7.
Edarbt, F. 2.
Eigenſchaften 3. Aus»
übung 9.
Entwidlung bed
Sports 8.
Sahriport, Wertung
Silgereifont, Bert
Geigieliteit 9.
Geſchlecht, ſchönes u.
Sport 10.
Gefeigel u. Sport
Gefunbpet u. Sport
—8 12. 18. 20.
Grieden 8. 17.
Burlitt,2.12.18.15.
GymnaſtiſcheSſSports,
Wert 28.
Haushofer, M. 7.
Herbart, J. 5. 12.
Hüppe, Prof. 3.
Jagd, Wertung 28.
Jugenderziehung 13.
Kameradſchaft und
Sport 21.
Kemeny, %. 13. 21.
Koch, Prof. 8.29.31.
Körperkultur, Ders
ftändnis für 17.
Körperfchönheit der
Frau 17.
Kraft 9.
2er Heinze 20.
Zonbon 29.
Lorenz, Dr. 80.
Mancheſter 29.
Mannhardt, ©. 20.
Münden 29.
NRervofität 14.
Nietzſche 2, 20.
Perbefport, Bertung
Sie, "Dr. 19. 2.
Brofeifional 8.
Pudor, Dr. 9. 31.
Rad, 9. 11.
Radſport, Wert 28.
Rennfport, Wertung
28.
Römer 3.
Roosevelt 14.
Ruderſport, Wert 28.
Ruskin 13. 19.
Saale: und Sport
Schopenhauer 2. 5.
16.
Segeipont, Wertung
Speffters 29.
Simmel, Prof. 28.
Spezialiftentum 8.
Sport 13.
— ald Mode 24.
— ala Sieg 5.
— als Wettbewerb 5.
— als Wille zur
Madt 6.
— das Wort 3.
— ſoziale Bedeutung
29.
— und Alkohol 22.
— und Autorität 15.
— und Beruf 1%.
— und Byzantinis-
mus 15.
— und Charakter 10.
13,
— und Ebre 16.
— ımb Gefahr 7.
— und Gemüt 11.
— und Geſchlecht,
ſchönes 19.
— u. Geſelligkeit 21.
Regiffer.
Sport u. ®efundbeit a Bal-
12.
— und Jugenberzie-
bung 13. [21.
— u. Kameradſchaft
— u. Rarilatur 25.
— u. Koedukation 19.
-- und Körperkultur
13. 17. [80.
— u. flriegervereine
unb Sunft 18.
und Mobe 28.
und Priüderie 20.
und Schönheit 17.
und Schule 18.
und Sprade 27.
und Volksſitte 81.
und Wehrfraft 30.
— Wertungder ver:
ſchiedenen Sport3
— Bmed, 2. [28.
Sportloftüm 23.
Sportausdriide und
Sprade 27.
Sportipiele, Wert 28.
Steiniger, 9. 6. 10.
16.
Sydow, v. 14.
Wagner, R. 31.
Wertung der ver«
— Sports
ae; Dr. 12.
Zuntz, Prof. 1.
Sport, Baft-
pflicht und Der-
ficherungs=
weſen.
Fahrläſſigkeit 869.
Gefahren des Sports
868.
Haftpflicht 860.
Haftung des Tier-
Balter3 871.
— von Vereinen 869.
Kraftfahrzeuge 870.
Verfiherung 872.
Zwangsverſicherung
872.
Sportphoto-
graphie.
Begriff 800.
Irmenbach, Dr. ©.
801.
lons aud 804.
— Hochgebirge
— nur der Reife 808.
— d. Rennbahn 802.
— bed Spielplages
— beim Binterfport
806.
Plaltenwechſel 803,
Schutz vor Staub u.
Näſſe 803.
Tropenkonftruftion
808.
— der Plat⸗
— 803.
weck 800.
Traberſport.
Bedeutung 111.
— ſoziale 122.
Betrieb, techniſcher,
der Trabrennen
116.
Bismarck, Graf Au⸗
guſt 121.
Bruce⸗Lowes 119.
Felſing, Herr 111.
Herrenfahren 128.
Möffinger, W. 111.
Nordamerita 113.
Drlomtraber 118.
Drlow:Tihesmensti,
Graf 118.
v. Dettingen, Laub:
ftallmeifter 113.
Salm, Prinz 128.
Schmidt, C. 112.
Traberſport, Rekord
112.
— — Bedeutung
— Neritaniſcher
113.
— auf d. Kontinent
117.
— auf dem Eiſe
118.
— deutſcher 120.
— in Frankreich 119.
Traberzudt 114.
— in Deutfchland
121.
Trainierbahnen 115.
Training d. Trabers
115.
Turnſport.
Barren 578.
Bafedow, oh. Bern-
bard 571.
Bod 578.
Entwiding i. Deutſch⸗
land 571.
hear 580.
eiilbungen 576.
Germanien 570.
Geichichtliches 566.
Griechenland 568.
Guts-⸗Muths, Joh.
Chr. Fr. 571.
— tie, ſchwed.
679.
Handgeräteübungen
677.
Hantel 577.
Hausgymnaſtik 576.
Herodot 567.
Jahn, Friedr. Ludw.
671.
Keule 577.
Kletterfiangen 578.
Klettertau 678.
Kürturnen 574.
Reiter 578.
Ling, Per Hendrik
679
Drbnungsübungen
675.
Perſien 567.
Pferd 578.
Ned 578.
Röm. Reich 569,
Rübl, Dr. 568.
Schaufelringe 578.
Schulturnen 673,
Schulge-Naumburg,
Paul 580.
Schmwebebaum 578.
Schwed. Gymnaftit
579.
Sparta 568.
Stab 677.
Trapez 578.
Zurnerihaft, Deut:
de 574.
Vieth, Gerh. Ulrich
Anton 571.
Volksturnen 574.
Zweck 572.
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Stuttge |
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Derlag von W. Spemann in Berlin &
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Spemunns Alpen-Kulender | Spemanns Kunst-Ralender ©
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Bergjteiger, Sportsfreunde und Tourijten tägliche Kunfjtgejhichte, die ihrer Billig-
bejtimmt, fondern u — een —— —
eutſchen Familie aufgenommen werden
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jchönen Berge liebt, äußerjt a * nur
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, und den Sweck der Belohnung mit 77
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Kom
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*7 *7 æ7 27 Mas ilt und bietet
Plan.
Bedürfnis.
Spemanns Pauskunde verfolgt den Plan, in
einer Reihe von 3uverläfligen Handbücern alle Ge-
biete der Milfenfchaft und Kunft wie des praktifchen
Lebens dem täglichen Bedürfnis der deutfchen Familie
zugänglib zu mahen. ee een ee
Der moderne Menſch hat keine Zeit, fih in dick—
leibige Spezialwerke zu vertiefen. Was er braucht,
find Bücher, die ihm das Wilfenswerte in knapper
Mitarbeiter.
Arbeits-
teilung.
Redaktion.
Gründlich-
keit,
form vorgetragen, interellant und geichmadkvoll
arrangiert bieten. aaa ea aaa aaa a
Der Herausgeber verband fih zu diefem Zweck mit
einer Anzahl von Schrüftitellern, deren willenfchaft-
licher Ruf und litterarifhe Vorzüge Bürgfchaft für eine
allfeitig vollendete Durchführung feines Plans boten.
Nadh dem bewährten Prinzip der Arbeitsteilung
überweilt er jedem Mitarbeiter den feinen fähigkeiten
am beiten entiprebenden Abfcnitt des Werkes.
Dur in wenigen fällen ift ein ganzer Band einem
Mitarbeiter übertragen worden.«aaaaea ee
*
Ein Unternehmen, dem ſo viele Köpfe dienen,
bedarf einer umfichtigen redaktionellen Leitung, die
die Taufende von Fäden geſchickt ineinander webt
und für den harmoniſchen Einklang zwiſchen allen
Teilen fort. aaa aaa ern ge
Ohne Gründlidhkeit und Zuverläffigkeit kein
nachhaltiger Erfolg! Der Herausgeber hat daber,
aus den’ Erfahrungen einer dreißigjährigen publi-
ziftifchen Thätigkeit [höpfend, beide Gigenfchaften zur
Bauptbedingung gemadt. a aaa suasuea ee.
26 26 26 26 Bisher erſchienen fießen Wände von Spemanns
a —
Spemanns Dauskunde? Lu ER Er.
Trockene Gelehrfamkeit mit reizlofer Anbäufung Darfltellungs-
von Daten ilt bei Büchern, die im guten Sinne populär weile.
fein wollen, nicht am Platz. Unfere Bücher follen bei
aller Gründlichkeit doch eine angenehme Lektüre fein.
Das beite Buh bat einen empfindlichen fehler, Ueberficht-
wenn es nicht überlichtlih ift. Wer ein Buh zur lichkeit.
Band nimmt, muß das Gefuchte fofort finden können.
Unfere Bücher zeichnen fih durdh ein hödhlt praktifches
Syltem der Stoffordnung aus. «ea aaa a 4
Deben gut gewählten, inftruktiven Abbildungen “Jllultration.
bringen unfere Bücher eine große Menge von Porträts
lowohl aus der Vergangenheit wie aus der Gegenwart
und beleben: dadurch den Text in [ehr anfprechender
Teile. ee aaa an 4 0 4
Solche Bücher mülfen handlich fein, um praktib format,
su fein. Man muß fie ohne Ulmftändlichkeit überall
hinitellen können: auf den Schreibtilh, das Paneel,
das Piano u. |. w. Das format entfpridht dem
‚diefes Profpekts. ae a a ee a ae ae 4 4 4
Wir haben uns mit Aufbietung aller typogra- Zwech-
philhen und fonftigen Mittel bemüht, mit jedem mäffigkeit.
Bande gewiffermaßen ein kleines budhtechnifches Kımft-
tük zu liefern, und freuen uns über die allfeitige
Anerkennung des Erfolgs. ee a aaa a a
ir legen wie immer hoben Wert darauf, ds FAeufferes.
Heußere unferer Bücher reizvoll zu geltalten, und lallen
die Einbanddeken von den tüdhtigiten Künltlern ent-
werfen. Der farbige Grundton aller Einbände ilt
ein zartes ol. e ee ee aa A A 4
Bauskunde. » Die Sammlung wird fortgefegt, a sa ser ae
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kabereien. Das eigne Haus. Unjere Sitten. _
Dienftboten. Unfere Kinder. Die Kinderltube. Baus
Unfere Gelelligkeit. Gefellfchaften im | _ und Schule. Die Zukunft der Kinder.
eignen Haus. Das Benehmen in der Die verfchiedenen Berufsarten.
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Sotthilf Weistftein. | Ottmann.
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95 Inhalt: sw
I.
en Bürgerliche Bauweile. Von Prof.
* $rit3 Shumacher.
'2. Der moderneBausbau.VYonLam-
bert & Stahl.
3. Die innere Einrichtung des
Hauſes (Wobn-, Gelellfchafts-
und Wlirt[chaftsräume). Von
Direktor Dr. Rihard Graul und
Lambert & Stabl.
4. ZurHelthetik der Wohnung.Von
Dr. Ernlt Shwedeler-Meyer.
5. Raumwirkung und Raumffim-
mung. Dekoration der Wand,
der Diele, der Decke. Von Dr.
Erih Haenel.
6. Das Mobiliar. Von Profelfor Dr.
Alfred Gotthold Meyer.
r. Beleuchtungs- und Heizkörper.
Von Dr. Hdolf Brüning.
Krankbeiten im Baufe und deren
Hbwebr. Von Dr.Galton Graul.
‚Das Krankenzimmer. Von Dr.
Galton Graul.
Sartenarchitektur. Von Lam-
rert & Stahl.
. Entwicklung der Bauformen.
Von Dr. $r. J. Hofmann.
2. Gelchichte der Baultile. Von
Dr. $r. J. Hofmann.
3. Das Wohnhaus der Antike.
Von Dr. Srich Pernice.
4. Das mittelalterliche Baus. Von
Prof. Dr. Hlfr.Gotthold Meyer.
5. Das Baus der Renailfance. Von
6
Prof. Dr. Hlfr.SottholdMeyer.
. Schlofs und Hotel in frankreich.
Von Direktor Dr. Rihard Graul.
7. Raufmannsbaus und Kaufhaus
in ibrer baulichen Entwicklung.
Von Dr. Hlbreht-Kurzwelly.
8. Die Grundformen des Bauern-
haufes.VonDr.Albr.Kurzwelly.
9. Das Bauernhaus in Bayern.
Von Dr. Pbil. Mm. Balm.
10. Das Bauernhaus in Schleswig-
Holftein. Von WilhelmSköler-
mann.
11. Das englifche Einfamilienhaus.
Von Wilh. freiherr v. Tettau.
Quellenverzeichnis der Illuſtra-
tionen. 1m
DeutfcheBaukünftler d.Gegenwart.
Mit ca. ı80 Porträts. Von Dr. Felix
Becker und Dr. Srich Haenel.
5° Regilter.
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Wo wahre Jäge —
Da iſt es wohlbeſtellt!
Gottfr. Bürger.
*
Nur das edle Jägerleben,
* find,
| > .Jft mit lauter. Luft umgeben!
Jägerlied.
Des Pferdes Gemüt
Seugt von des Rnechtes Geblüt,
Bauernregel.
*
ein Pferd und Rind
t mit Weib und Kind.
Bauernregel.
k Wer pla
A hälts [le
*
rt Pflege dein Pferd wie einen
reund,
#* Aber teite es wie einen Seind.
& Bauernregel.
4 Was nüßte mir der Er Erde
Geld
ft Kein kranker Menſch genießt die
Welt. Goethe.
*
Ah Krank jein ift oft nichts
anderes, als jhwad im Wollen
O.
* v. Leirner,
* Der Kranke jpart nichts als
die Schuhe. Sprichwort.
d Wer niemals w
vVollbringt ‚kein
*
A Was brin ?
Sid, w Ar She
*
nie
eiſterſtück.
Ernſt Raupach.
ein Spiel
R Immer Arbeit
RU: en
er Charakter einer Nation
—— ſich nirgends aufrichtiger
ab, als in ihren Spielen,
Keine Deränderung in diejen,
die nicht entweder die Dorbe-
reitung oder die Folge einer
Deränderung in ihren ſittlichen
oder politilchen Zulländm wäre,
* M. Wieland.
Die — ſtellt der Ciſt
ſich klug entgegen. 6oethe.
+
Man wendet jeine Seit immer
gut auf eine Arbeit, * uns
tãglich ein Sortihritt in der
Ausbildung abnötigt.
*
Talent ift angeboren,
Doch g’nügt zur Kunjt es nicht.
Elifabeth
Kulmann,
*
Man muß leije und kalt :
innen * einen Atem,
e
raftfülle b * Entj jdei
dung und Dollendung
Werkes aufjparen.
*
Wer allzu jtraff die Segeltaue
annt und niemals jchiegen eh
er kentert bald und mag, den
Kiel nad oben, weiterjegeln.
Sophokles,
*
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zuſamment
es muß fie
en. Goethe.
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