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Full text of "Spemanns Goldenes Buch des Sports"

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Derzagter Mann —— * 
Kam mit Ehren nie vom Plan. 


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Sprichwort. = = 





Spemanns 


Hausfunde 








J. 
Das goldene Buch der Mulik 
II. 
Das goldene Buch der Kunft 
III. 
Das goldene Buch der Weltlitteratur 
IV. 
Das goldene Buch der Bitte 
V. 
Das goldene Buch des Theaters 
VI. 
Das goldene Buch der Geſundheit 
VII. 
Das goldene Buch vom Eignen Beim 
VIII. 
Das goldene Buch des Sports. 





Das 
Goldene Buch des Sports 





Berlin & Stuttgart 
Derlag von W. Spemann 
1910 





— 


— — 


Spemanns 


goldenes 


Buch des Sports 


— — — 


Eine Bausfunde für Jedermann 


— — — 


Berausgegeben 


unter Mitwirkung von 


Ir. Mar Uhles, Eva Gräfin v. Baudifjin, Rittmeifter Sehr. H. X. 

Efebed, Oberftabsveterinär Dr. Soldbed, Dr. Karl Heint, Major 

Buſtad Bergfell, Henry Hoek, Richard Koehlich, Dr. &. Kuhfahl, 

Dr. Julien Marenfe, Oberftleutnant 3. D. Hermann W. £, Moede- 

bed, De, Adolf Rziha, 5. W. Schröter, 5. v. Sihart, Major a. D., 

Alfred Steiniger, Major a. D., Korvetienlapitän Titus Türk, 
Mar. Zchlin 





Berlin & Stuttgart 
Derlag von W. Spemann 
1910 


v 


. HARVARD COLLEGE LIBRARY 
GIFT OF 
DANIEL B. FEARING 
30 JUNE 1915 


Druck der Hoffmannfdyen Buchdrudkerei felix Krais in Stuttgart 


u ntahalein an 


ie Liebe zum Sport und die Betätigung 

desjelben ift in Deutſchland noch nicht fo 
fehr alten Datums. Erſt ſeit unfere Dermögen 
gewachſen find, ſeit wir mit Unbefangenheit 
durch ausgedehnte Reifen die Sitten und Be- 
bräuche fremder Völker kennen und jchäßen ge- 
lernt haben, ift ung der Sinn für alle erdenk—⸗ 
lihen Zweige des Sports aufgegangen. Iebt 
ift der Sportbericht eine ftändige Rubrik in 
unjeren Tagesblättern geworden und wenn wir 
auch noch nicht jo weit gefommen find, wie in 
England, fo find wir doch auf dem beften Wege, 
mit Sanatismus uns für jportliche Wettfämpfe 
zu interefjieren und daran teilzunehmen. 

So jchien es gegeben, der Anregung der 
Stau Bräfin Baudijfin und des Herrn Major 
Steinißer, zwei erfahrenen und erprobten Sports⸗ 
leuten zu folgen und indie Reihe der „Handbücher" 
auh dag Boldene Buch des Sports auf: 
zunehmen. Unter ihrer Redaktion find alle Ge⸗ 
biete des Sports von fachverftändigen Sachleuten 
bearbeitet worden. Wohl Niemand, auch der 


erfahrenfte Sportmann, wird verfennen, daß 
eine Sülle von wertvollen Darjtellungen, Regeln 
und Aufſchlüſſen fich hier vereinigt findet. So 
wünfchen wir, daß das Buch in immer weitere 
Kreife dringe, das Herderjche Wort wahr zu 
machen: 


Das wahre Slüd des Menſchen 
Sft Sefundheit und froher Mut. 


D. 6. 


Inhaltsüberficht. 


Nummer 
I. Begriff, Entwidlung und Bedeutung 
des Sports. Lon Alfred Gteiniger, Major a. D. und 
Eva Gräfin v. Baubifin - . 2 2 2 2 2 0. 1—32 
II. Reit: und Fahrſporte. Bon Nittmeifter Freiherr 
9. A. v. Ejebed. i 
1. Reitjport . 33 —56 
2. Renniport 5777 
3. Barforcejagd . 78—87 
4. Damenteitiport . 88—95 
5. Fahrſport 96—110 
6. Traberfport . . 111—123 
Fahausbrüde im Reit⸗ und Fahrſpori 
7. Nothilfe bei Unglücksfällen und plötzlichen Er⸗ 
krankungen der Pferde. Von Dr. Goldbecd, Ober⸗ | 
flabsveterinät. . . . . . 124-133 
III. Der Alpinismug. Bon nifreb — Major a. ©. 134—208 
IV. RWinterfport. 
1. Das Scilaufen. Von Henry Ho . 2 2. 209-243 
2. Schlittſchuhlaufen. Bon Eva Gräfin v. Baubiffin . . 244—262 
3. Sclittenfporte. Yon Dr. Adolf Riipa . . . . 263—299 
V. ®afferfport. 
1. Segeljport. Bon Eva Gräfin v. Baubiffin und Rorvetten- 
tapitän Titus Tür! . . . . 300—346 
2. Ruderſport. Yon Korvettenfapitän Zins rarr . 347 -367 
3. Schwimmſport. Von Eva Gräfin v. Baupdiſſin . 368 - 401 
VI Die Jagd. Bon F. v. Sichart, Major a. D. 
1. Das deutfhe Weidwerk. . 402 —465 
2. In fremden Jagdgebieten : . 466—513 
XI. Der Angelfport. Bon Dr. Karl Heing . . 514—543 
VIO. Automobil-u. Motorradfport. VonMarf. Bein, 544-554 
IX. Radfahrfport. Bon Rigarb Koehlich . 555565 
X. Gymnaſtiſche Sporte. 
1. Turnſport. Von Dr. May Ahless... . 566- 15380 
2. Athletik. Bon F. W. Schröter . 581—617 
3. Das Fechten. Ron Guftan Hergfell, k. t. Major us 
Direltor der Igl. Landesfechtſchule in Prag . 618—642 


XI. Sport- und Rafenfpiele Von Eva Gräfin 


dv. Baubiffin, unter teilweifer Mitarbeit von Alfred Steiniger. 


Nummer 


1. Bolo . . . 643—677 
2. Golf . 678— 711 
3. Zußbal . . 712—733 
4. Lawn⸗Tennis . 734—751 
5. Kridet . . . . 759—757 
6. Hodey . . 758—766 
7. Krocket . 767—771 
8. Ballipiele . . 772—785 
9. Laufiport . i 86 
Verzeichnis der engliichen und deutſchen Ausdrucke zu u 
Sports und Rajenipielen. 
XI. Luftſport. Von Hermann W. 2. Moebebed, Oberft- 
leutnant .Dd. . . . a . 1787 —199 
XI. Ssoriopolonranhie Bon Dr. ©. audfahl . 800 - 807 
XIV, Die Hygiene des Sports. Von Dr. Julian Mareuſe BOR—-847 
XV. Erſte Hilfeleiſtung bei ſportlichen Un— 
fällen bis zur Ankunft des Arztes. 
Bon Dr. Julian Marcuſe... . 848—867 
XVI. Sport, Haftpflidt und Heriiherungs- 
wefen. Bon Dr. Mar Ahles, Rehtsanwalt . . 868-872 


XVI. Literatur, Vereine, Firmen. 
Regiiter. 


Einfchaltbilder. 


Zandftallmeifter Grabenfee, Dirigent bed 
Landgeſtüts Celle. 

Eintommen des Siegers Leutnant v. Schlots 
beim (Grenadier zu Pferd) auf Pascola. 
ranffurter Rennbahn. 
ie Meute des Kgl. Milttär-Neitinftituts 
in Hannover. 

Damenpreisreiten. 

Preisfahren fir Ein⸗ und Zweifpänner. 

Glückskind und Dueen-Forefter. 

Ueberjchreiten einer Randkluft. 

Sicherung in einer fteilen Eisrinne. 

Am Grat. 

Durchſchlagen einer Schneewädhte. 

Schiſprung tm forreiter Körperhaltung und 
Sdiftellung. 

Schi⸗Wettſpringen an der Neuen Schleftfchen 
Baude. 

„Eislauf“ von Nicolas Lancret. 

Der junge Goethe auf dem Eiſe von Wil⸗ 
helm von Kaulbach. 

Dr. Rziha (Mödling bei Wien): Der Ber 
gründer des Rodelſports. 

Ein Bobsleigh mit Volantſteuerung. 


„Wannſee“. 

Ein engliſcher Damen-Doppeladter beim 
Training. 

Ein Heifer Kampf beim Schwimmfeſt ber 
Undinen in Soinville. 

Geier. 

Beichleichender Löwe. 

M. J. Graves auf feinem 7'/s P.S.-Nedars 
fulmer Motorrad, auf dem er den Welt: 
reford mit einem 123 km-Stundentempo 
ſchlug. 

Apoxyomenos nach Lyſippos. 

Diskoswerfer nach Myron. 

Damen des Wiener Athletikſportklubs bei 
einer Florettpartie. 

Moment aus dem erſten Reiter⸗Poloſpiel 
in Berlin. 

Fußball-Spiel: Angriff auf das Tor. 

Lawn-Tennis: Moment aus einem Doppel: 
fptel bei den Dlympifhen Spielen in 
Athen. 

Moment aus einem Hodey:Spiel. 

Hoch in den Lüften. 

Zeppelins Luftfchiff in voller Fahrt. 


l. Begriff, Entwicdelung und Bedeutung 
des Sports. | 
Von 


Alfred Steinitzer, Major a. D. 
und Eva Gräfin v. Baudillin, München. 


Sind Geift und Körper 
mit Kraft und Gejundheit aus: 
gerüftet, fo verlangen fie nad) 
anitrengenden Lebungen 
und finden ihr Vergnügen in 
dem, was den meijten Men— 
ſchen ſchwer und mühevoll er» 
ſcheint. (David Hume.) 


1. Was iſt Sport? Dieſe 
Frage mag faſt überflüſſig erſchei— 
nen und doch iſt eine genaue Be— 
griffsbeſtimmung dieſes heutzutage 
von allen gebrauchten Wortes nicht 
ſo einfach, wie man glauben möchte, 
wie auch eine zuſammenfaſſende 
und erſchöpfende Unterſuchung aller 
der außerordentlich komplizierten 
Anſchauungen, Tätigkeiten, Ein— 
flüſſe und Verhältniſſe, die mit dem 
Sport direkt und indirekt in Ber: 
bindung zu bringen find, zurzeit 
noch der eingehenden Bearbeitung 
harrt. 

Nach altem Sprachgebrauch ver— 
ſtand man unter Sport nur die 
verſchiedenen Arten der Jagd: das 
Sagen im ſtrengeren Sinne, Vogel: 
ftellen und Fiſchfang. Dabei wurde 
vorausgejegt, daß die Jagd nicht 
wegen des Beutegewinnes, jondern 
um des Kampfes willen ausgeübt 
wurde, in dem die menjcdhliche In⸗ 
telligenz, Gejchidlichfeit und Aus— 
dauer den Sieg über das Tier da— 
vontragen follte. 





Heutzutage hat ſich der Begriff 
wesentlich erweitert, und gerade da: 
durch erklärt ſich die Schwierig: 
feit, den Begriff des Sport3 
erjchöpfend zu definieren. In der 
einjchlägigen Literatur finden mir 
die verfchiedeniten Antworten auf 
die oben gejtellte Frage. Am kürze— 
ften und erſchöpfendſten erjcheint 
uns die folgende von M. Haus: 
bofer: „Sportifteine Grup— 
pe niht berufgmäßig aus— 
geübter Tätigfeiten, Die 
Mut, Kraft und Geſchick— 
lihfeiterfordern” Dieſe 
Definition wurde auch den vor: 
liegenden Buche zugrunde gelegt. 
Map und Verhältnis der von Haug: 
bofer genannten Eigenjchaften find 
bei den verjchiedenen Sports jehr 
verjchieden (vgl. Ziff. 28). 

Bei den jogenannten Sportjpielen 
iſt teilweije die Grenze zwifchen 
Sport und Spiel faum mit Eraft- 
heit zu bejtimmen. Auch ift, wie 
Prof. Zung bemerkt, mit dem Sport 
„ſtets im Gegenjag“ zum Spiel 
ein gewiſſer leidenfchaftlicher Ernſt 
und Eifer verbunden, mit dem, die 
Beichäftigung” betrieben wird, wes— 
halb die, gleiche förperliche Betäti- 
gung, 3. B. Tennis, für den Einen 
Spiel, für den Andern Sport fein 
kann. Sedenfall® ift den Sport: 

1 


Nro. 2. R. Steiniher u. €. 
ſpielen für die Jugend die gleiche 
Bedeutung zuaufchreiben, wie den 
eigentlihen Sport3 für den Er: 
wachſenen, weswegen fte im nach— 
stehenden Aufnahme fanden. 

Wenn die Bezeihnung „Sport“ 
auch auf Gebiete angewendet wird, 
bei denen eine förperliche Tätig: 
feit nicht in Frage fommt — man 
Ipricht 3. B. von Sammel-, Schad)=, 
Hundelport u. dergl. — fo iſt fie 
zweifellos unberechtigt. 

Ebenfo unberedhtigt ift es, den 
ala Sportömann zu bezeichnen, der 
etwa einen, Rennftall Hält, ohne 
jeldjt zu reiten, im Automobil fißt 
und jih von feinem Chauffeur 
fahren läßt oder im kurzen Spott: 
paletot auf den Turfpläßen fpazie- 
ren geht und am Totalijator jeßt. 
Das ausdrücklich feitzuftellen, iſt 
durchaus nicht überflüffig, da fid) 
mancher diefe Bezeichnung beilegt, 
die ihm in feiner Weife zufommt. 

2. Zweck nnd allgemeine 
Bedeutung des Sports. Im 
Naturzuftand verjchaffte fich der 
Menfh den Lebensunterhalt nur 
durd) förperlihe Arbeit; für jedes 
leiner Bedürfniſſe galt das arie= 
Hide Wort: „Vor den Erfolg 
haben die Götter den Schweiß ge- 
fest." Mit der wachfenden Zioili- 
fation hat ſich das Verhältnis ver- 
ändert. Maſchinen und technijche 
Erfindungen haben die Förperliche 
Tätigkeit überflüjfig gemadt oder 
auf ein Minimum beichränft. Den 
Berufsarten der oberen Stände 
liegt jede körperliche Arbeit fait 
ganz fern; nur wenige, wie die des 
Dffiziers, Jägers und Landmanns 
ſtellen Anfprühe an die Körper: 
fraft und bringen in Berührung 
mit der Natur. Faft alle anderen 
Erwerbszweige zwingen ihre An⸗ 
gehörigen hinter Tür und Mauern. 
Dazu kommen als nervenzerrüttende 
Momente die Angit um die Eri- 
jtenz und der aufreibende, nie auf- 


Gräfin Baudiffin. 


hörende Kampf ums Dajein, auf 
defien Schwierigkeiten die Jugend 
von frühauf vorbereitet und hin: 
gelenft werden muß. Eingepfercht 
in den großen Städten, in oft 
unzulängliden, gejundheitsfchäds 
lihen Räumen jchmilzt der Vor: 
rat des Einzelnen an Gefundheit 
und MWiderftandsfähigfeit immer 
mehr zuſammen. Krankheiten treten 
epidemiſch auf und finden zahlreiche 
Opfer. Denn dem modernen Men: 
Ichen ift e8 erfchwert, feinen Körper 
durh das einfachite und ficherfte 
Mittel: Bewegung und Arbeit in 
friiher Luft zu ftählen. Wie brad: 
liegende Draane allmählich ver: 
kümmern und endlich von der Natur 
jelbft als nutzloſe Nerfchwendung 
aufgegeben werden, jo erichlaffen 
Ichließlicy) auch die nie gebrauchten 
Muskeln und Eehnen des Körpers 
und ziehen alle Funktionen dieſes 
bis ing feinste zufammenhängenden 
Baues in Mitleidenfchaft. 

Sobald aber dieſe großen Nach: 
teile unjerer Zivilifation voll er: 
fannt und empfunden worden 
waren, entitand auch alsbald das 
Bedürfnis, ihnen entgegenzumirfen 
und den Leben das Fünftlich zurüd- 
zugeben, mas ihm die veränderten 
Daſeinsbedingungen jeßt nicht mehr 
bieten fonnten. Auf Grund Der 
artiger Erwägungen kommt %. 
Eckardt zu dem Schluffe: „Der 
Zweck des Sports ift der 
Erjat für die purd die Be 
rufsarbeit verloren ge 
gangenen gefundheitliden 
Momente.” 

Die moderne fportliche Bewegung 
gewinnt demnach eine erhöhte Be= 
deutung als Ausdrud einer notwen⸗ 
digen und heilfamen Reaktion gegen 
die Summe von ſchädigenden Fak—⸗ 
toren, melde die Entwidlung der 
modernen Zivilifation mit im Ge- 
folge bat. Der Sport hat im Leben 
der zivilifterten Völker die Aufgabe, 


— 


I. Bedeutung etc. des Sports. 


die Eigenfchaften, die einft durch 
den Exiſtenzkampf gemwedt und aus—⸗ 
gebildet wurden und zu deren Be- 
tätigung fich feine Gelegenheit mehr 
bietet, neu zu beleben und fie 
damit dem ficheren Untergange zu 
entreißen. Dies hat ſchon Schopen- 
bauer erkannt, indem er jagt: „Die 
urfprünglicheBeftimmung derfträfte, 
mit denen die Natur den Menſchen 
ausgerüftet hat, ift der Kampf ge= 
gen die Not, die ihn von allen 
Seiten bedrängt. Wenn diejer 
Kampf einmal raftet, da werden 
ihm die unbeichäftigten Kräfte zur 
Laſt; er muß daher jegt mit ihnen 
jpielen.” Diejes Rotwendige Spiel 
ift der Sport. Man Tann aljo den 
Sport auch als Defadenzerfcheinung 
auffaflen, die wiederum — fo para> 
dor es Hingen mag — automatiſch 
die Shlimmen Folgen der Defadenz 
zu bekämpfen beftimmt if. Auch 
Nietzſche bezeichnet dag Leiden des 
Menſchen am Menfchen an fic als 
die Folge einer gemwaltjamen Ab: 
trennung von der tieriihen Ber: 
gangenheit, eine Kriegserklärung 
gegen die alten Inſtinkte, auf de— 
nen bis dahin die Kraft, Luft und 
Fruchtbarkeit beruhte; er jagt, daß 
die ftaatlihen Drganifationen es 
mit fich brachten, daß alle jene Sn: 
ftinfte „des milden, freien, ſchwei— 
fenden Menjchen ſich rüdmwärts ge: 
gen den Menſchen ſelbſt wandten”. 

Zur Suuftration diejer Behaup: 
tungen mag der Hinweis dienen, 
daß der Sport in feiner jegigen 
Form und Bedeutung aus England 
ftammt, dem Lande, das durch jeine 
ifolierte Zage am eheften der krie— 
gerifhen Ausbildung entbehren 
fonnte und hiefür eines Erſatzes 
bedürftig war, der eben im regen 
Sportbetrieb gefunden wurde. 

3. Zur Entwicklung des 
Sports. Die erften Sportämen 
waren die Griehen. Die Gym: 


Niro. 3. 


Element wurde, betrieben fie um 
ihrer ſelbſt willen; fie erjtrebten 
das ideale Gleichgewicht zwiſchen 
förperlicder und geiftiger Bildung. 
Die nur auf das Praftifche gerich- 
teten Römer fannten nur eine 
militärzgymnaftifche Ausbildung zur 
Erhöhung der Wehrfähigkeit; in 
den Kampfipielen des Kaiſerreichs 
traten nur Sflaven und Unter: 
mworfene auf. Bei den alten Ger: 
manen, denen Waffenfertigfeit als 
unerläßliches Erfordernis des Freien 
galt, wurde die Gymnaſtik eifrigft 
gepflegt. Das Wort „Sport“ 
findet ſich ſchon ald spaurds in 
der gotifchen Ulfilasbibel, wie Prof. 
Hüppe nachgewieſen hat, und be- 
deutet „Kampfjpiel”. Wie weit es 
mit dem Stamm des englifchen 
„disport“, altfranzöfifch „despors“ 
und dem italieniihen „diporto“ 
(Erholung) verwandt ift, von dem 
unjer jetziges Wort Sport ftammt, 
ift wohl faum feftzuftellen. 

Am Mittelalter waren Turniere 
und Jagd die ritterlichen, könig— 
lihen Sporte; die Zurnierfunft 
mwandelte fih nah und nad mit 
der Aenderung der Bewaffnung 
und der Verfeinerung des Hoflebeng 
zur Fechtkunſt um. Hiezu fam das 
Ballipiel, der Vorläufer unferer 
Raſenſportſpiele. Die Jagd wurde 
mit der Entwicklung der Yürften- 
macht und der Entjtehung des 
Grundadeld immer mehr ein aus: 
jchließliche8 Recht des Adels und 
der Fürften. Die Berminderung 
des Wildftanded und die Preis: 
gebung der Yagd an Pächter oder 
an jeden, der um ein paar Grofchen 
einen Jagdſchein kauft (ſieheSchweiz 
und Italien), hat den edlen Cha: 
rafter des Weidwerks jehr geſchä— 
digt. 

Alle die genannten Sportarten 
waren Kämpfe. Bei der Jagd 
ift e8 das Tier, das der Menſch 


naftif, die bei ihnen zum nationalen | erlegt, beim Ringkampf der Freund, 


Nro. 4-6. 


an den er feine Kraft mißt, im 
Turnier der Ritter, dem er für 
Yohn aus Schönen Yrauenaugen 
entgegentritt. 

4. Der Kampf ift das innerite 
Wefen des Sport geblichen. 
Nur die Art feiner Gegner hat ſich 
verändert. Sei es ber Reiter, der 


Radfahrer , der Automobilift — hans 


delt es fich darum, ein Boot übers 
Waſſer zu jegeln oder zu rudern — 
fauft man bergab im Rodel oder im 
Bobsleigh — fteigt der Mutige ent= 
por im Korb des Luftballong — 
überall ift es der Kampf; der 
Kampf gegen den Raum und die 
Slemente. Der Alpinift ringt mit 
der Natur ſelbſt. — Alle Erfin: 
Dingen und Entdedungen der 
Geiſteswiſſenſchaften müjlen dem 
Menſchen als Kampfmittel gegen 
die Naturfräfte dienen; die einzel: 
nen Sportarten fuchen und jchaffen 
ſich ſelbſt künjtlich neue Hinderniſſe 
zu neuem Kampf. 

Und wo der Gegner der gleiche 
bleibt, wie in den Alpen, ſucht der 
Bergſteiger ihm neue Seiten abzu—⸗ 
ringen; er befteigt die Berge von 
der jchwierigften Seite oder ſucht 
fie im Winter auf. 

5. Sport als Sieg und Wett: 
bewerb. Wenn wir das Weſen des 
Sports als Kampf bezeichnet 
haben, fo muß die eritrebte Wir: 
fung notwendig der Sieg fein, 
denn jeder Kämpfer ringt um den 
Siegespreid, dag Symbol der 
Siegesfreude. Umgekehrt fann aber 
nur der GSiegesfreude empfinden, 
der gefämpft hat. Das kann nur 
der nachempfinden, der felbjt einen 
Sport treibt und darum wird der 
Sport von den Außenſtehenden viel- 
fach verurteilt. Der Philoſoph hat 
diefe Seite des Sport3 erkannt. 
„Sich zu mühen und mit dem Wider: 
ftande kämpfen, ift dem Menjchen 
Bebürfnig, Hinderniffe überwinden 
ift Vollgenuß des Daſeins, der 


drückung, 


A. Steiniher u. &. Gräfin Baudiſſin. 


Kampf mit ihnen und der Sieg 
beglüdt." (Schopenhauer.) 

Je gewaltiger der Gegner, je 
Ichwieriger der Kampf, defto fchöner 
ift der Sieg. Der Bergfteiger be— 
fiegt die Hinderniffe, die ihm die 
Natur in ihrer einzigen Größe ent— 
gegenftellt, der Segler madt ſich 
die Elementargemalt ded Sturmes 
dienftbar, Der Jäger und der Angler 
bejiegen das Tier, der echter, der 
Ringer den Freund. Wo der Sieg 
nit im Kampfe mit dem Objekt 
jeldft errungen wird, tritt ver Wett 
bewerb ein. Danır liegt der Sieg 
im „Rekord“, wie dieg 3. B. bei 
allen Raum-(Schnelligkeits)ſporten 
der Fall if. Zumeilen wird dem 
Wettbewerb die ausſchlaggebende 
Rolle zugewieſen; mande Sport3: 
Ichriftfteller fuchen in ihm dag eigent= 
lie und ausſchließliche Weſen des 
Sport3. Damit wird aber dent 
Sport die Uneigennüßigfeit, Die 
Freude an der eigenen Kraft und 
Sefchielichfeit genommen und an 
ihre Stelle Eitelkeit, Neid und 
Gewinnſucht gejet, vie notwendigen 
Nebeneriheinungen jedes Wett: 
bewerbs. So fehr mir aljo nad 
unferen eigenen Folgerungen den 
Wettbewerb als berechtigt aner- 
fennen müſſen, darf doch nicht der 
Schmwerpunft des Sports hinein 
verlegt werden. 

6. Der Sport als Wille zur 
Macht. „Leben ift weſentlich 
Aneignung, Webermältigung des 
Fremden, Scwächeren, Unter— 
Einverleibuna, Beſitz.“ 
Der Sieg aber gidt Madt über 


den bezwungenen Geaner, wenn es 
auch nur eine ideelle Macht injofern 
it, als man ſich als der Stärfere, 
Geſchicktere erweiſt; als man zeigt, 
daß man „Einer tft“ und zwar 
Einer, der mehr ift als die Andern. 
Zum mindeften fühlt man im Augen= 
blick des Sieges ein gewiſſes Macht: 
gefühl; Grad und Intenjität find 


‘ 


I. Bedeunfung zic. des Sporig. 


nah der Art des Sporis, dem 
Kräfteeinfag und der Schwere des 
Siegs verfchieden. H. Steiniker, 
der fich mit der Pſychologie des 
Alpiniften bejchäftigt, modifiziert 
den Begriff „Willen zur Macht“ 
unter Anwendung auf den Alpinis⸗ 
mus ald „Willen zum Erfolg“, 
den er als eine Spezialität des 
Willens zur Macht bezeichnet. Wir 
möchten darin injofern weitergehen, 
als zweifellos der Wille zum Erfolg 
ſich als Hauptunterlage der Trieb: 
federn für die weitaus meiften 
Sport3 anjehen läßt. Der Menſch 
jtrebt während des ganzen Lebens 
nad Geld und Gut, Anfehen und 
Stellung und erreicht nie oder 
wenigſtens jehr felten die Ziele, 
die er fich ftedt; denn hat er ein 
Ziel erreicht, jo ift er nicht zufrieden, 
fondern fieht es nur alg eine Stufe 
zu weiterem an. Der Sport hin: 
gegen ift auf Erreichung unmittel- 
barer Ziele gerichtet und gemährt 
daher die Befriedigung des Erfolges 
wiederholt. 


Tie Gefahr Hat einen 
folden Reiz für den Menſchen, 
daß jeder ſich beftrebt, in ge- 
ringerem oder größerem Grad 
diefelbe in der Nähe kennen 
zu lernen. 

(VBoſes Mendelſohn). 


7. Sport und Gefahr. Nur 
der Sport, der Wagemut und Energie 
verlangt, der aljo irgend eine Ge— 
fahr vorausſetzt, ift im wahren Sinne 
des Wortes ein Eport; eine ab- 
jolute Gefahrlofigfeit zerjtört feinen 
Reiz — noch mehr aber jeinen Wert. 
Wenn ein Scriftfteller, der ſonſt 
vorzügliches über den Eport jagt, 
behauptet: „der erſte Grundjag 
muß feın, daß der betreffende Sport 
gefahrlos ift“, muß dem nach allem, 
was mir jchon bei der Definition 
des Begriffes, der Entwidelung 
und Churafterifierung des Sports 
gefagt haben, unbedingt wider: 


m— m m — — — — nn — — — m — — — 


Nro. 7. 


ſprochen werden. Ohne irgend ein 
Riſiko weder auf körperlichem noch 
auf geiſtigem Gebiet gibt es keinen 
Kampf, und beim Sport beſteht 
das Riſiko eben aus den kleineren 
oder größeren Gefahren, denen der 
SportSmann, auch bei den harın= 
lojeften Sport3 immerhin noch mehr 
ausgefegt ift, alg der behäbig und 
vorfichtig lebende Philiſter. Aber 
ebenjo wäre es unrichtig zu jagen, 
dag ein bloßes Auffuchen der Gefahr 
ſchon Sport wäre. Wer fich in einen 
Löwenkäfig wagt, um mit dem Tier- 
bändiger eine Partie Sechsundſechzig 
zu jprelen — eın hübſches Beifpiel, 
das M. Haushofer anführt — tft 
toufühn oder aud) Dumm, wie man 
wild. Sein Tun aber ijt fein 
Sport. Tag ridtige Berhältnis 
von Sport und Gefahr beiteht darin, 
daß der Sportbeflifjene durch Ge- 
Ihieklichfeit und Uebung, wozu bei 
manden Sportarten noch ein großer 
Aufwand von Wiſſen und Erfahrung 
fommt (3. B. beim Bergjport), die 
Gefahr meijtert. Im Aufjuden 
der Gefahr, die dag wachende 
Auge des Geſetzes, unjere ganze 
Zivilifation mit Taufenden von 
Vorſchriften und Polizeimaßregeln 
aus dem Dafein des zipilijierten 
Menſchen zu eliminieren trachtet, 
undzugleihin ihrer Ueber— 
windung liegt ein Hauptreiz des 
Sportes, und die Summe und 
Größe der Gefahren, denen man 
ſich ausſetzt, ſowie der im Verhältnis 
zu ihnen wachſende Aufwand von 
Können und Wiſſen iſt gerade der 
wichtigſte Wertmeſſer für die ver— 
ſchiedenen Sporte. Auch im Reiz, 
den uns die Gefahr bietet, können 
wir eine Reaktionserſcheinung der 
„blonden Beſtie“ gegen das Leben 
im polizierten Staat erblicken; „im 
Staate, wo der langſame Selbſt— 
mord aller — ‚dag YXeben‘ heißt“, 
erzieht zugleich der Sport dazu, die 
Furcht vor der Gefahr zu meijtern, 


Nro. 8. R. Steiniker u. &, 
und darin liegt für dag Leben ein 
eminent erzieheriiched Moment. 
„Wir müffen frei von Furcht fein, 
ſonſt können wir nicht handeln. So 
weit einer die Furcht befiegt, fo 
weit iſt er Mann.” (Carlyle.) 
8. Amateur, Profeſſional und 
Spezinliftentum. Der Sport ift 
eine ariſtokratiſche Tätigkeit, nicht 
nur nach feiner Entwidlung, ſondern 
weil er ohne Entgelt, ja oft unter 
perfönlichen Opfern, nur aus Luft 
an der Tätigkeit jelbjt ausgeübt 
wird. Aus legterem Grunde nennen 
wir den uneigennüßig Sporttreiben- 
den Amateur, im Öegenjag zum 
Profeſſional, der aus Diefer 
Tätigfeit feinen Lebensunterhalt 
zieht. Leider gibt es noch feine 
deutſchen Ausdrücke, die Jic mit den 
beiden Begriffen völlig deren. 
Durch die große Teilnahme des 
Publikums an einigen Sportarten, 
wie 3. B. am Radfahren, Nenn: 
reiten und der Athletif, in England 
an Fußball und Bolo, ift e8 dahin 
gefommen, daß teilweiſe dieſe Sports 
zum reinen und ausſchließlichen 
Gelderwerb von Profeſſionals aus: 
geübt werden. Sobald aber ein 
Sport zum Beruf, der den Lebens—⸗ 
unterhalt gewähren ſoll, ausartet, 
hat er fein innerſtes Weſen ver- 
Ioren. Es mag nod) einmal jcharf 
betont werden, — denn die Ans 
Ihauungen find in diefem Punkt 
vielfach nicht geflärtt — daß ein 
Profejjional fein Sportgmann, 
ſondern ein Gewerbetreibender tft. 
Wenn zwei Ringer um Geldpreije 
kämpfen oder Nennradfahrer ma= 
ſchinengleih auf der Rennbahn 
filoimetern, fo find fie zu einer Art 
von Schaufpielern geworden, und 
es iſt Geſchmacksſache, ſich an ihnen 
zu ergögen. Sport aber find ihre 
Aufführungen nicht. 
Deshalb betrachten wir aud Die 
Leute, die ihren Beruf in der Lehr- 
tätigfeit Des Sports ſehen, wie 5. 8. 


Hrafn Baudiffin. 


Turn= und Fechtlehrer oder Trainer 
nicht mehr als Sportsleute, troß:- 
dem ihre Beihhäftigung eine not— 
wendige und erjprießliche für manche 
Arten des Sports ift und der Aus: 
bildung von wirklichen Sportsmen 
zu gute kommt. 

Eine weſentliche Gefahr für die 
Ausartung eined Sports ijt das 
Spezialiftentun, das fi) bei 
gymnaſtiſchen Spielen herausge— 
bildet hat. In übermäßiger Weiſe 
werden die Sieger nicht nur von 
den ſportlichen Wettkämpfern ſelbſt, 
ſondern auch von der Tages- und 
Fachpreſſe beachtet und ausge— 
zeichnet. Die Folge davon iſt eine 
einſeitige Ausbildung, wie dies erſt 
gelegentlich der olympiſchen Spiele 
in London allgemein erkannt wurde. 
Die Wettbewerber haben ſich in der 
Furcht, ſonſt nicht zur Geltung zu 
kommen und ungekrönt zu bleiben, 
auf eine einzige Leiftung „gemor- 
fen”. In dieſem einjeitigen Ueber: 
maß liegt eine Verfennung echten 
Sports. 

ALS eine andere nachteilige Neben— 
erfheinung des Sports, bei dent 
der „Rekord“ maßgebend ift oder 
der nur wegen des Wettbemwerbes 
ausgeübt wird, muß es angejehen 
werden, daß es fich oft nicht nur 
um die Leiftung des Ausübenden, 
fondern um den Umfang jeines 
Geldbeutels Handelt. Zur Aus— 
übung einiger Sport$, 3. B. Des 
Renn⸗, Automobil- over Gegel- 
ſports ift der Befi von Geld — 
und zwar von viel Geld — Vorbes 
dingung. Und auch unter denen, ! 
die überhaupt diefe Sports treiben 
fönnen, hängt fi der Erfolg au 
den Reichften. Denn wer ein Boll: 
blut mit vornehmften „Pedigree” 
faufen und den berühmteften, an 
ſpruchsvollſten Sodey halten kann, 

wer fich jährlich eine Ssacht neueſten 
Modells bauen läßt und weſſen Aus: 
tomobil mehr „HP“ als das feines | 


I. Bedenfung ete. des Sporks. 


ebenfalls gütergefegneten Nachbarz | forderlihen Kenntniffe 


deſigt, der wird den filbernen Tafel- 
aufſaz heimbringen — Teider! 

9. Welche Eigenſchaften ver- 
langt der Sport? Wir haben 
ihon in der Definition des Begriffes 
„Sport“, die wir ung angeeignet 
haben (Ziff. 1) die Haupteigen- 
haften, die der Sport verlangt, 
bezeichet. Zum Sport gehört 
Hut, denn ohne Gefahr gibt es 
kinen Sport, wenn auch das Maß 
des Mutes manchmal nur ein be= 
heibenes ift, Beim Bergfteigen 
tt der Nenſch oft bewußt fein 
sehen ein, ebenfo unter Umftänden 
bim Segeln, beim Rennreiten ac. 
delhſt bei der Treibjagd riskiert er 
5, von feinem guten Freund an: 
seihoflen zu werden; bei Den 
spmnaftiihen Sports befteht die 
hejahr im Mangel an Gefchieklich- 
kit, der Grund zum Arm⸗ und 
beinbrechen fein Tann u. f. w. 
‚zum Sport gehört Kraft; aud 
dieſe ift verfchieden nach Art des 
Evorted, Manche Sportarten ver: 
Iingen auf fürzere Zeit bedeutende 


Anſpannung der Körperkraft, wie 


B. der Schwimmiport, Ruder: 
wort, die gymnaſtiſchen Sporte. 


Andere erfordern Dauerleiftungen 
Die z.B, Bergiport, Radfahrſport; 
emerer verlangt unter Umftänden 


deides. 


zum Sport gehört Geſchick— 
ligkeit, und zwar bald eine 
meht förperlihe, bald eine mehr 
Jeder Sport erfordert 


geiftige, 


Nro. 9-10. 


erſtrecken 
ſich auf phyſiologiſche, mechaniſche, 
phyſikaliſche, techniſche und natur: 
wiſſenſchaftliche Gebiete. Die Rad⸗ 
und Automobilfahrer werden ſich 
die Konſtruktion ihrer Maſchinen 
klarmachen müſſen, ſchon um den 
„Nücken“ (beim Automobil vornehm 
„panne“ genannt) erfolgreich ent— 
gegentreten zu können; und wer 
keine Ahnung von Windrichtung 
und ⸗wirkung hat, wird kaum hoffen 
dürfen, bei Segelregatten als Erſter 
am Ziel mit Böllerſchüſſen emp: 
fangen zu werden. Cbenfo muß 
der Bergfteiger verftehen, die Karte 


richtig zu lejen, wie die Wetters 


verhältniffe und die ihn erwarten- 
den Schwierigkeiten zu beurteilen 
2c.; denn nur dann gehört er nicht 
zu den „Tolllühnen, die es nicht 
beffer verdienten”. Wer einmal 
einer Morgenarbeit auf einem Renn⸗ 
platz zujchaute, wird bemerfen, mit 
welcher Nüheund unfäglicher Geduld 
der „Charafter” eines Roſſes, das 
vielleiht den Weltenruhm feines 
Stalles neu bejiegeln joll, ftudiert 
wird; und doch foll es vorkommen, 
daß es dem feinfinnigften „Phyfio- 


— im gegebenen Moment ein 


Schnippchen ſchlägt. — Auch ver: 


langt der Sport Uneigennützigkeit, 


denn wie wir bereit fonftatierten, 
darf er niht berufgmäßig aus- 
geübt werden. Ein Amateur kann 
ih nit mit einem Profeffional 
in einen Wettfampf einlafjen ; die 
unmittelbare Folge wäre feine „De: 


eine befondere Ausbildung der | Hafjierung”. 


ganzen Muskulatur oder eines Teils 
detſelben; außerdem verlangen die 
netten Sporis Uebung der Sinnes⸗ 
otgane: des Auges, des Ohrs, die 
deherefhung des Nervenſyſtems ıc. 
zayu tritt aber auch geiftige Tätig: 
tet, denn ein beftimmtes Wiſſen 
über die in Frage kommenden Ver: 
haltniffe muß ſich jeder Anfänger 


eins Sport aneignen. 


10. Sport und Charalter. Es 

| iſt einleuchtend, daß eine Beſchäfti— 
gung, die befondere moralifche Einen: 

haften verlangt, auch den Cha— 

after bildet und veredelt. Um die 

erforderlihen Eigenfchaften, Mut, 

Kraft und Geſchicklichkeit zu er- 

werben und auszubilden, bedarf es 

eine? großen Maßes von Willens- 


Die er | energie, GSelbjtüberwindung und 


Nro. 11—12. 


Selbitzudt. Der Sport zwingt 
zur Ausdauer, die fi nicht durch 
Niederlagen abjchreden läßt, im 
Gegenteil juht der Sportsmann 
durch fteigende Energie nach jeder 
Niederlage um jo mehr den Erfolg 
an fih zu feſſeln. Der Sport er: 
zieht zu wahrer Männtichteit; er 
bildet die Perfönlichfeit aus, indem 
er das Selbftbemwußtfein durch die 
Erlangung von Eigenschaften er: 
höht, die den Träger über das ge— 
wöhnlide Niveau bherausheben. 
Der Sport medt die Kraft des 
menſchlichen Willens über fich jelbft, 
er übt ımd ftärft die GSelbftüber- 
windung im Ertragen deifen, mas 
von Anftrengungen, Entbehrungen, 
unter Umjtänden auch von direkten 
Schmerzen begleitet, als körper— 
lich unbequem empfunden wird. 
Er fördert und bildet aus: Schlag= 
fertigfeit, Geiftesgegenwart und 
Schnelligteit des Entſchluſſes, er— 
höhte Selbſtändigkeit des Indi— 
viduums — kurz, er erweckt in 
uns das Streben nach Erlangung 
der ſtoiſchen Tugenden. „Auch das 
‚ritterliche‘ Gehaben des Mittel: 
alters, das Kraft und körperliche 
Geſchicklichkeit zum Prüfſtein der 
Ehre macht, hat im Sport einen 
neuen Tummelplatz gefunden.“ (H. 
Steinitzer.) Wir möchten nicht an— 
ſtehen zu behaupten, daß innerhalb 
der heutigen Ziviliſation faſt allein 
der Sport fähig iſt, den Staats— 
bürger zum Manne zu erziehen. 
Freilih ftehen dem aud Aus: 
artungen gegenüber; — namentlid) 
in den Sport3, deren ausfchlagen- 
des Moment der Wettbewerb bildet. 
Der berechtigte Ehrgeiz, ſich aus: 
zeichnen zu wollen, wird oftmals 
überſpannt oder er Schlägt in lächer- 
lihe Eitelfeit um, weil ihn die 
äußerlihen Auszeichnungen die 
Hauptſache find. Neid, Mißgunſt 
und Webelmollen find in vielem 
Falle die Begleiterſcheinungen. 


R. Steiniker u. €. 


Gräfin Baudiffin. 


11. Sport und Gemüt. Unſere 
ganze Zivilijation entfernt ung von 
der Natur und dadurd gehen wir 
ihrer Rückwirkung auf da8 Gemüt 
und das jeelifhde Empfinden ver: 
fuftig. Der Sport, wenigftend in 
zahlreichen feiner Betätigungen, 
ftellt den Kontatt mit der Natur 
wieder her, in der die moderne 
Wiſſenſchaft dem Menſchen feine 
Heimat zeigt. Nichts wirft nad 
den neroöfen Aufregungen des 
heutigen Lebens beruhigender auf 
das Gemüt, al$ die angenehnten 
GSenjationen, die der Naturgenuß 
auslöſt, nicht8 erhebender, al® der 
Anblid der Elemente, nicht3 ſtär— 
fender, ald ihre Bezwinguna im 
fportlichen Ringen. In der Natur 
vergejjen wir die Heinlichen Sorgen 
des Alltagsleben und des Beruieg; 
jeder energijch betriebene Sport, 
mag er und auch nur für kurzere 
Zeit hinausführen, erzeugt, wie 
9. Rad es treffend ausdrüdt: 
„jene olympifch:heitere Gleichgültig: 
feit gegen alles jonjt jo wichtige 
Drum und Dran, jenen naiven 
Zuftand, wo der erwachſene Kuitur- 
menſch zu feinem Heil auf den 
Standpunft des heiteren Kindes, 
des Auftralneger® zurückkommt.“ 
Mir dürfen im Sport deshalb ein 
hervorragende Mittel erbliden, 
das geftörte Gleichgewicht 
unſeres Empfindungslebens 
wieder zu gewinnen. 

12. Sport und Geſundheit. 
„Das Fundament aller Anlage iſt 
körperliche Geſundheit,“ lautet ein 
goldner Ausſpruch J.F. Herbarts. 4 
Se mehr ſich der moderne Kampf 
ums Daſein auf geiſtigem Gebiet 
abſpielt, je mehr das Gehirn mit 
Tätigkeit überlaſtet wird, deſto not⸗ 
wendiger iſt es, entſprechende Er: 
holungspauſen einzuſchieben, die 
einer rationellen Körperpflege 
gewidmet ſind. Die beſte Art, 
dem Körper das nötige Maß von 


121 


I. Bedeufung efc. des Sporie. 


Bewegung in freier Luft zu ver: 
Ihaffen, deſſen er unumgänglich 
notwendig bedarf, wenn er id 
günftig entwideln und widerftandg- 
fähig erzogen und erhalten werden 
fol, ift der Sport oder ſportlich 
betriebene Leibesübungen jeder Art. 
Die dadurd) vermehrte Blutzufuhr 
fteigert die Leiftungsfähigfeit der 
Bemwegungdorgane, vor allem der 
Gelenfe und Muskeln und erhöht 
jomit die XLeiftungsfähigfeit des 
Körperd. Durch die überaus gün- 
ftige Beeinflufjung der wichtigſten 
Lebensfunktionen, als Herztätigfeit, 
Atmung, Nahrungsaufnahme und 
Verdauung wird der Organismus 
widerſtandsfähig gegen die mannig— 
fachen Krankheitsurſachen, die ihn 
innerlich und äußerlich bedrohen. 
Aber auch nach der geiſtigen Seite 
find die Leibesübungen von großer 
Bedeutung, denn fie mweden und 
fteigern die Friſche des ganzen 
Weſens, Kraftgefühl und körper— 
liches Behagen, Lebensluſt und 
Lebensfreude. Gerade für die leßtere 
Behauptung ift Goethe ein glänzen: 
des Beilpiel, der von Natur aus 
durchaus nicht ftark, feinen Körper 
durh Reiten, Wandern, Filchen, 
Sagen, Eislauf, Sclittenfahren, 
Fechten, Segeln ꝛc. — je nad 
Sahreszeit — abhärtete und fyfte- 
matiſch harmoniſch ausbildete. 
Die beſte und nutzbringendſte 
Form der Leibesübungen iſt der 
ſportliche Betrieb; denn nur 
er ſchützt davor, auch die körperlichen 
Uebungen lehrhaft und mechaniſch 
zu betreiben, ſo daß ſie dadurch ein⸗ 
tönig und langweilig wirken und 
endlich wieder aus Bequemlichkeit 
vernachläſſigt werden. Regel— 
mäßiger und fortgeſetzter 
Betrieb iſt ein Haupterfordernis 
für den vollen Erfolg. Es genügt 
nicht, die ganze Woche zu raſten 
und ſich am Sonntag dann abzu— 
radern. Dadurh wird höchſtens 


Nro. 12. 


Vebermüdung erzielt, welche die 
Berufsarbeit am folgenden Tage 
beeinträdtigt. Es iſt ein großer 
pbyfiologifcher Unterſchied, ob ein 
gewijles Maß jportlicher Uebungen 
in täglichen kleineren Penſen oder 
in größeren Zmwilchenräumen auf 
einmal bewältigt wird. Das ift fo 
far, daß es weiterer Ausführungen 
nicht bedarf. Freili muß zuge— 
geben werden, Taß es für viele 
nicht möglich ijt, täglich die Ge: 
legenheit zu finden, einen Sport 
als folhen auszuüben. Aber es 
genügt auch ſchon, wenn man täg- 
lich einige körperliche Uebungen 
ausführt, die bejtimmt find, die 
Geſchicklichkeit und Elaftizität für 
den Sport zu erhalten und hierzu 
| findet fi immer Zeit. 

Ein Einwand, der gegen die 
Durdführung täglicher Uebungen 
erhoben wird, ift die Behauptung, 
daß nad geiftiger Berufgarbeit 
Ruhe die alleinige Erholung fei. 
Zur Entfräftigung genügt es, die 
Worte des Profefiord Dr. Zander 
anzuführen, daß „die Erfahrung 
des täglichen Lebens lehrt, daß 
entsprechende Körperübungen für 
die meiften Menjchen eine Quelle 
der Erholung nach der Tagesarbeit 
find“. Wenn der Deutſche nur 
einen Heinen Teil der Zeit, die er 
in der ſchlechten, ftaub: und rauch— 
geſchwängerten, verbraudten Luft 
des Wirtshaufes, aljo unter den 
ungünftigften hygieniſchen Berhält- 
niffen, zubringt,jportlihenllebungen 
mwidınete, jo wäre das für die ganze 
Nation von unſchätzbarem Werte. 
2. Gurlitt ftellt mit Recht den Sat 
auf, „daß die geijtige Elajtizität 
"und förperlihe Tüchtigfeit der Ame— 
rifaner vor allem einer auf mwifjen- 
Ihaftliher Grundlage fußenden, 
rationellen, körperlichen Erziehung 
zuzujchreiben ift, vermöge welder 
wieder die gefunden Kinder zu ge: 
funden Eltern heranwachſen und 


Niro. 13. R. Steiniker u. €. 
diefe ebenjolde Nachlonmen er: 
zeugen,” 

Selbftverftändlich ift aud, beim 
Sport dag Allzuviel vom llebel. 
Durch eine unrationelle und über: 
triebene Betätigung kann der Dr: 
ganismus vorübergehend wie 
dauernd gejchädigt werden; ganz 
bejonders gilt dies von Ueberan— 
ftrengungen des Herzend Auch 
dag Nervenſyſtem kann ſchweren 
Schaden dadurch erleiden. Ins— 
beſondere treten Schädigungen 
dann ein, wenn man in reiferen 
Jahren — vorzüglich um dag ſich 
einſtellende „Embonpoint“ zu be— 
meiſtern — plötzlich anfängt „zu 
müllern“ oder ſonſt einen Sport 
zu forcieren und dabei glaubt, nun 
in möglichſt kurzer Zeit möglichſt 
viel erreichen zu müſſen. Der Er- 
folg iſt dann für die Geſundheit 
meiſt ein negativer — woran aber 
nicht der Sport, ſondern der eigne 
Unverſtand trotz grauer Haare ſchuld 
iſt. Werden die Momente und 
Auswüchſe, die ſchädigend wirken 
können, vermieden, dann gilt das 
Wort, mit dem Dr. Pick eine ſehr 
lefenswerte und ſchöne Arbeit über 
Sport und Geſundheit jchließt, in 
vollften Maße: „Sport bringt 
Sefundheit.“ 

13. Sport, Fugenderziehung 
amd Schule. „Wan erziehe die 
Knaben zu Männern ... jo wird 
es überall wohl ftehen.“ (Goethe.) 
Was in der Jugend verfäumt ift, 
kann im Alter felten mehr einge- 
holt werden; noch weniger fann 

“ aber daS wieder verbefjert werden, 
was in der Jugend verdorben 
wurde. Die geiftige Ueberbürdung 
der Jugend ijt eine allgemeine 
Klage; für die Körperentwidlung 
bleibt heutzutage wenig oder gar 
feine Zeit übrig. Die Folge it, 
daß wir blutarme, bleichjüchtige, 
brillentragende, hochſchultrige und 
engbrüftige Kinder erziehen Aller: 


Gräaäfin Bandillin. 


dings muß zugegeben werden, daß 
fih in den letzten Jahren auch aus 
den ſtaatlich maßgebenden Kreiſen 
Stimmen erheben, die auf eine 
größere Beachtung der Körper- 
kultur hinweiſen. 

Die Zukunft der Gattung liegt 
immer in der Jugend; in ihr 
wird der Grundſtein für die künf— 
tige Generation gelegt. Die Vor— 
teile, melde eine ſportliche Erzie- 
bung in geſundheitlicher Hinficht 
bringt, müffen deshalb in allererfter 
Linie der Jugend zugute kommen. 

Wenn der Charafter durch 
den Sport gebildet wird, jo folgt 
daraus von ſelbſt, daß der Sport 
eineminent ethiſches Erziehungs: 
mittel fein muß, Der größte Teil 
der phyſiſchen und moralifchen 
Mannestraft könnte der Jugend 
am Sport: oder Spielplag aner: 
zogen werden. Leider ift Dies in 
Deutijhland nicht der Fall; kaum 
dag irgendwo ein ſchüchterner An- 
fang gemadt wird, den Sport in 
ver Schule einzuführen und ihr 
dienjtbar zu madhen. Denn wenn 
die Gymnaftit nicht fportlich be— 
trieben wird, d. h. der „Wettbe: 
werb“, — mit Maß und Ziel na- 
türlich, — eingeführt und zugrunde 
gelegt wird, ift fie fein Sport, 
jondern wird immer pedantiſch 
bleiben, wie der Geift, der unfere 
Schulen beherricht, troß des alten 
viel zitierten Spruche? „mens sana 
in corpore sano“, der gerade von 
feiten der Sugenderzieher am wenig: 
ften beachtet wird. Die gelamte Er- 
ziehung richtet fich faſt ausfchließ- 
lid auf Eintrichtern eined immer 
umfangreicher werdendenLehrſtoffes 
in der Schule ſelbſt und durch Be- 
laftung mit häuslichen Aufgaben: 
zum „Menſchen“ erzieht man nidt. 
Freilich ift dad auch das Schwerere 
und die englifche Behauptung, „jeder 
Dummkopf kann Unterricht erteilen 
und Kenntniſſe einpaufen, aber es 


I. Bedeutung elc, Des Sporlis. 


Nro, 12. 


erfordert eine eminente Befähigung, | in der Billa Borgheſe und Doriu 


um die Jugend .zum Sport anzu 
leiten,” erjcheint parador, enthält 
aber doch eine fehr beachtenswerte 
Wahrheit. 

Schopenhauer führt alle 
menjchlihen Kraftäußerungen auf 
drei phyſiologiſche Grundfräfte zu- 
rück und beſtimmt danach die drei 
Duellen der möglichen Genüfje: 
die Genüjje der Reproduftiongtraft, 
— Eifen, Trinfen, Berdauen, Ruben 
und Schlafen — fie brauchen nicht 
gelehrt zu werden; die Genüfje der 
Senfibilität — Beichauen, Denten, 
Lernen, Leſen 2c. — mit dieſen allein 
befchäftigt fih die Schule, ob fie 
zwar diefe geiltigen Tätigkeiten zu 
„Genüſſen“ zu geftalten verfteht, 
jei Hier nicht unterfucht; und end: 
li die Genüffe der Irritabilität — 
Wandern, Springen, Ringen, Tan: 
zen, Fechten, athletiihe Spiele, 
Jagd 2c., wir würden jie heute 
unter Sport rubrijieren. Um 
diefe Genüfje kümmert fi Die 
Schule nit und verabjäumt damit 
die eine Duelle der- menſchlichen 
Kraftäußerung zu erziehen und zu 
ftärfen. Vielleicht liegt der Grund 
in der Entwidelung der Schule, 
die früher ausſchließlich unter der 
Leitung der Geiſtlichkeit ſtand und 
ihr auch heute noch nicht entmwunden 
ift und die dem kirchlichen Chriften- 
tum gemäß den Leib als ein Sün- 
dengefäß, das feiner Ausbildung 
wert ift, betradtet. Ruskin jagt: 
„Kein phyfiiher Irrtum kann tiefer, 
fein fittliher kann gefährlicher 
fein, als die möndijche Lehre des 
Gegenſatzes von Körper und Seele. 
An einem unvollfommenen Körper 
kann feine Seele vollfommen jein; 
fein Körper iſt vollflommen ohne 
volllommene Seele.” In England 
hat ſich die Geiftlichfeit von diefen 
Borftelungen ſchon längft zum 
Heile der Jugend befreit; in Rom 
fann man an Öffentlichen Drten, 


| 


Pamphili die engliſchen Zöglinge 
des Collegio romano (der römiſch- 
katholiſchen Fachſchule) alle Arten 
von Bewegungsfpielen treibenjehen. 
Auh zu Haufe hat die englilche 
Geijtlichfeit den ſegensreichen Ein: 
fluß, den die Sportjpiele ausüben, 
voll anerfannt und fördert fie nad) 
Kräften. Anftatt der Verachtung 
des Körpers follte die Luft am 
Körper geweckt werden, die fich in 
gymnaſtiſchen und jportlichen llebun- 
gen betätigt. Die geiftige Leber: 
bürdung der Kinder im Pubertäts- 
alter ijt nah Meinung der ärzt- 
lihen Autoritäten fajt durchweg der 
Grund derheimlichen Jugendſünden. 
Das lange Siten auf harten Bän- 
fen, die förperlihe Erjchöpfung, 
der ewig angeftachelte Ehrgeiz, die 
Angſt um das Zeugnis und Die 
Berjegung, die Furcht vor Strafe, 
die jtete Aufregung wegen Erledi- 
gung der Schulaufgaben — alle 
dieje Faktoren, die in einer Weije 
die Jugendzeit vergiften, die andern 
Völkern überhaupt unbekannt ift, 
reizen zu Ausſchweifungen. Hier 
helfen weder Strafen noch Beleh— 
rungen, man muß die Urfachen 
diefer unheilvollen Neigung ver: 
ringern und die Kinder dem quälen- 
den Zuftand der Ueberreizung ent: 
ziehen. Aufgeflärte Pädagogen wei— 
jen immer wieder darauf hin, daß in 
der geijtigen Entlaftung wie in regel: 
mäßig betriebenen förperlichen Ueb— 
ungen das einzig wirkſame Heil— 
mittel gegen die Jugendjünden liegt. 
Daß neben der förperlichen 
Kraft auch die fittlihe auf den 
Spielpläßen gedeiht, daß ſich durch 
fportlich betriebene Spiele Knaben 
und Sünglinge zu lebend- und 
arbeitsfrohen Männern, die Mäd— 
chen zu körperlich gefunden Müttern 
entmwideln, dieſe Ueberzeugung ift 
ebenfall3 in England und Amerifu 
ſchon längft Gemeingut Aller. 


ro. 14. 


5. Kemeny, der das amerifani- 
ide Erziehungswejen anläßlich der 
MWeltausftelung in St. Louis 1904 
ftudiert hat, jchreibt darüber: „So 
umfichtig im öffentlichen Leben mit 
der Zeit hausgehalten wird, fo 
verjchwenderifch ift man damit in 
der Schule, wo das Gejpenft der 
geistigen Ueberbürdung unbekannt 
ift. Der Unterricht beginnt in der 
Regel um !,9 oder 9h, Samstag 
oder Donnerstag Jind ganz frei, 
die Ferien ausgiebig. Die freie 
Zeit wird faſt ausſchließlich den 
Bewegungsipielen und der körper— 
lihen Abhärtung gemidinet. Um 
jelbft der ftudierenden Jugend 
außerhalb der Schule Gelegenheit 
zu körperlicher Kurzweil zu bieten, 
werden dort unter Yeitung und 
Auffigt von Schul: und Fach— 
männern AnftaltSiportvereine und 
Sugendverbände organifiert. An 
den Hochjchulen gibt es ausnahms— 
108 einen, oft mehrere Sportklubs, 
die ſich als ſtärkſtes und ficherftes 
Bindeglied der Studentenfchaft er: 
weijen, der Kartenfpielen und Lum— 
pen fremd find.“ 

Und 2. Gurlitt bemerkt dazu 


A. Steinißer u. ©. 


Sräfin Bamdillin. 


die durch ihren Beruf zum GStill- 
figen oder an einen Dit gebannt 
jind wie Kleinere Beamte, Fleinere 
Kaufleute, Handlungsgehilfen, Hand⸗ 
werker ꝛc. Im allgemeinen ergibt ſich 
die Wahl des Sports von ſelbſt nach 
dem ausgeübten Beruf. Denn wer 
tagein tagaus in die vier Wände 
gebannt ift, wird eine Sehnfudt 
nad frifcher Luft und nad) irgend 
einer Bewegung haben, die alle 
Muskeln und Glieder gleichmäßig 
beunfprudt ; ihn werden bejon: 
ders dag Bergfteigen, das ja alle 
Ktörperfräfte ſtahlt, auch Radfahren, 
Rudern oder Sclittihuhlaufen ans 
locken. Sit ihm jelten Belegenheit 
zu einer diefer Eportarten geboten, 
jo treten die Sportspiele als Erjag 
ein. Dagegen mwird jemand, der 
viel gehen muß, wie 3. B. der 
Offizier, fich einem Sport zuwenden, 
der mehr den Oberkörper ausbildet, 
wie Fechten, Tennisjpielen, Segeln 
oder vergl. 

In der rationellen, nicht über 
triebenen Ausübung des Sports 
liegt daS bejte Heilmittel gegen Die 
allgemein verbreitete und fich immer 
jteigernde Nervoſität, die heut— 


Ichlagend: „Da fefe man als jtarf | zutage faft jeder Beruf mit ſich 


tontraftierendes Gegenftüd die Dar: | 


jtellung des erbitterten und erfolg: 
(ofen Kampfes, den deutjche Lehrer 
gegen geheimes Berbindungswejen 
der Schüler mit feinen Sauf- und 
Lumpenweſen, feinen Heimlichkeiten, 
Kneipereien und Ausſchweifungen 
führen.“ 

14. Sport und Beruf. Für die 
Auswahl des Sports wird neben 
der beſonderen Liebhaberei der 
Beruf inſofern maßgebend ſein, als 
der Sport gerade dag zu erſetzen be— 
ftimmt ift, mag an gejundheiterhal- 
tenden Momenten dem Berufe fehlt. 
Für alle diejenigen, die mit dem Kopf 
arbeiten, ift der Sport ein unab- 
weisbares hygieniſches Bedürfnis. 
Das gleiche gilt auch von denen, 


bringt. Ihre Beſeitigung kommt 
wieder dem Berufe ſelbſt zu gute 
und damit nicht nur direkt Dem 
einzelnen, jondern aud feinen 
Nepenmenfchen, mit denen er beruf- 
lich in Beziehung tritt. Nur gejunde 
und felbjtbewußte Männer können 
tüchtiges leiften, Iranfe und ſchüch— 
terne Männer find meiſtens auch 
in ihrem Beruf Schwädlinge. Daß 
im übrigen für diefe Anficht ſchon in 
der Allgemeinheit ein gewiſſes Ber: 
jtändnis zutage tritt, dafür tft ein 
erfreulicher Beweis der Umitand, 
mit welcher Befriedigung es bei der 
Ernennung des Staatsjefretärs 
v. Sydom regiftriert wurde, daß er 
begeifterter Alpinift ift. Mit Necht 
Ihloß man daraus auf Elaftizität 


1. Bedeufung eic. des Sports. 


und Tatkraft. Andere Länder ger: 
maniſcher Raſſe find uns darin, 
wie überhaupt in der Schäßung 
des Sports, mejentlih voraus, 
denn es iſt befannt, wie jehr die 
Bielfeitigfeit Rooſevelts auf port: 
liden Gebieten zu feiner Schäßung 
als Bräfident beigetragen hat. 

15. Sport und Autorität, Bis- 
mard jagte einmal irgendwo, „ich 
fenne feine Autorität, nur Gründe“ 
und 2. Gurlitt fehreibt in feinem 
prächtigen Bude „Erziehung zur 
Mannhaftigfeit”: „Es wird gutfein, 
der Jugend, wenn fie in Die 
Sünglingsjahre tritt, zu jagen, daß 
alle großen, geiftigen und moralijchen 
Erfolge ein jtarfes Selbjtvertrauen 
und damit verbundenen Mangel an 
Autoritätsglauben vorausfegen.“ 
Mo findet aber Selbitvertrauen 
und Selbſtbewußtſein eine ftärfere 
Balis, als in der Kraft eines 
harmoniſch ausgebildeten Körpers! 
Sie ift die Baſis jenes „ritterlichen 
Gehabens“, das und modernen 
Kulturmenſchen verloren gegangen 
ift. Dafür find ung allen ein paar 
Nüdenmirbel zu viel angezüchtet; 
Büden und Kriehen, Angſt, eine 
eigene Meinung zu Haben, alle die 
Erfdeinungen, die wir mit dem 
Begriffe „Byzantinigmus” zu: 
ſammenfaſſen, find das traurige 
Reſultat. 

Wenn Gurlitt ſagt, daß unter 
dem Regiment des Schulkanzliſten 
keine ſtarken und fröhlichen Men— 
ſchen, keine Perſönlichkeiten wachſen 
können, daß die Schule eine ſtaat— 
liche Entmannungsanſtalt iſt, ſo 
kann man hinzufügen, daß der 
Staat auch nach und außerhalb der 
Schule dieſes Geſchäft mit Eifer 
fortzuſetzen bemüht iſt. 

16. Sport und Ehre. Der Ehr: 
begriff des europäiichen Kultur: 


menſchen, das ritterlihe Ehren— 


Nro. 15—17. 


Schopenhauer führt aus, wie 
dieſes Ehrenprinzip keineswegs ein 
urſprüngliches, in der menſchlichen 
Natur ſelbſt begründetes iſt und 
wie es als Kind jener Zeit ange— 
ſehen werden muß, in der die 
Fäuſte geübter waren als die Köpfe, 
alſo in der Zeit des belobten 
Mittelalters und ſeines Rittertums. 
H. Steinitzer weiſt ſehr richtig 
darauf hin, wie dieſes ritterliche 
Gehaben, das Kraft und körperliche 
Geſchicklichkeit zum Prüfſtein der 
Ehre macht, im Sport einen neuen 
Tummelplatz gefunden hat und daß 
auch der mit dem Rittertum ver— 
bundene merkwürdige ſpieleriſche 
Drang, der in der Verſchrobenheit 
der Gtifette. des Zeremoniell3, des 
höfifhen Lebens u. dergl. zum 
Ausdrud Fam, ſich heutzutage in 
der unnötigen Kompliziertheit man- 
cher Sportjpiele audzutoben jcheint, 
während alle dem Sport abgeneigten 
Völker nod) Stark zu dieſem äußer— 
lich galanten Weſen neigen. Wir 
fönnen demnach im Sport in diefer 
Hinfiht eine der Reaktionser— 
Iheinungen erbliden, von denen 
wir oben geſprochen haben (vergl. 
Ziff. 2). 

17. Sport und Schönheit. Das 
Berftändnis für die Schönheit des 
menſchlichen Körpers und feiner 
Bewegungen iſt die unabmeisliche 
Borbedinaung für den Genuß der 
darſtelleriſchen Kunft, jei e8 Tanz, 
Malerei oder Plaſtik. Das Ber: 
jtändnig fett aber Kenntnis des 
Körperd und der für ihn gelten: 
den Schönheitdgejege voraus und 
wie jelten find noch Körper zu 
finden, die und dad Schönheit: 
ideal verwirklichen könnten! Noch 
immer bedeuten uns die griechiſchen 
Bildwerke die Darſtellung höchſter 
menſchlicher Schönheit; nicht allein 
durch die größte Harmonie aller 


prinzip oder das point d'honneur Glieder, ſondern ebenſo durch den 
iſt erſt im Mittelalter entſtanden. abjolut gefunden und kräftigen Bau 


ro. 17. 


der Körper, 


Die wundervollen, | durd) 


AR. Skeiniker u. E. Gräfin Raudilfin. 


erborgte Mittel; an eine 


durch täglihe Webungen in den | natürliche Aushildung ihrer Vorzüge 
Gymnaſien gaeftählten SKörperfor: | vergaß die Frau in langen Nahr: 


men dienten als lebendes Modell. | hunderten zu denken. 


Da an den olympiſchen Spielen 
ih auch die Mädchen beteilig- 
ten, die ihre Körper folglich der— 
ſelben Durchbildung unterziehen 
mußten, ſo beantwortet ſich die 
oft aufgeworfene Frage: ob die 
Griechen wirklich ſolch ein ſchönes 
Volk geweſen ſeien oder ob ihre 
Künſtler ſie nur idealiſiert hätten, 
von ſelbſt. Umgekehrt könnte man 
behaupten, daß die Künſtler erſt 
durch die Erfolge gelernt haben, 
welche Eigenſchaften zum Sieg ver— 
halfen, und in welchem Maße ſie 


Die Folgen 
zeigen ſich deutlich; Frauen mit 
ſchönen Geſichtern gibt es wohl, 
Frauen mit abſolutem Ebenmaß 
der Geſtalt und vollkommener Dar: 
monie der Bewegungen und der 
Schönheit „frappieren” — der beite 
Beweis, wie felten ihre Erfcheinung! 
Endlih, nachdem durd) unvernünf⸗ 
tige Tracht die Frau in ihren 
beiden höchften Funktionen — dent 
Mutterwerden, wie dem Nähren 
ihrer Kinder — ftarf beeinträchtigt 


wurde, hat ſich ausſchließlich durch 
die Herrſchaft des Sports die Re— 


dem Körper zur Vollendung nötig aktion gegen die ſeit Generatio— 


waren. 


Vergebens mögen ſich die nen ſanktionierte Vergewaltigung 


Künſtler heute nach harmoniſchen der Frauengeſtalt vollzogen; die 


Körpern umſchauen. 


Verkehrte zuſammengeſchnürte, Weſpentaille“, 


Lebensweiſe und Kleidung, auch die Männer und Frauen gleich— 
die Scheu vor dem Nackten, die mäßig entzückte, ſcheint heute 
den Körper durch Jahrhunderte unſern Augen faſt unerträglich. 
von der friſchen Luft abſchloſſen, Schon die beiden erſten Sportsarten, 
haben das „Ebenbild Gottes“ herab: | die der deutſchen Frau zugänglich 
gewürdigt. Der Körper eines | wurden, Tennis und Radfahren, 
modernen Menfchen, der fih ja | zwangen fie zu einer zwedmäßigen 
auch glüdlicherweije meiftend den | Kleidung, die volle Bewegungs 
Augen feiner Mitmenjchen entzieht, | freiheit gewährte, das Fortlafien 
wirkt neben einer antifen Statue | des Miederd war die Folge. Unter 
wie eine Karifatur. Beſonders | unjeren heutigen jungen Frauen und 
die Körperichönheit der Frau hat | Mädchen gibt es bereit3 viele, die 
durch die Vernadläffigung Der | durch. vortreffliche, ungezwungene 
Pflege, ıwie durch den Zwang der Haltung auffallen und deren eben 
Kleidertracht feit jenen klaſſiſchen mäßige, natürliche Geftalt bemeilt, 
Zeiten Unendliches eingebüßt. Ver- : daß nie ein Verſuch gemacht worden 
folgt man die Geſchichte der Mode, | ift, fie durch Einſchnüren zu verder- 
fo lieft man gleichzeitig die Ge- ben. Gewiß liegt indiejer Emanzipie— 
ihichte des Martyriums der Frau. | rung von dem einft für unerläßlich 
Es gibt feine Torheit, die zu groß | geltenden Kleidungsſtück bereits ein 
geweſen fei, um nit doch den großer Schritt vorwärts. Aber 
Schnitt ihrer Gemwänder, ihrer | damit allein ift es noch nicht getan. 
Schuhe, den Aufbau ihres Kopf: | Die Frau vor allem muß, wenn 
pußes zu beherrihen. Se meiter | fie die Wichtigkeit ihrer Gefundheit 

die Kultur um fi areift, um fo | erfannt hat, darauf bedadit fein, 

unziwilifierter fcheint ver Gejchmad | fie zu erhalten, und dieſe Aufgabe 

zu werden. Die Erhöhung der | iftmit der Schönheitspflegeidentifch. 

Reize mußte von außen kommen, | Darauf kann nicht oft genug Hin- 





I. Brdenlung eir. des Sporis. 


gewieſen werden. Alle hygienifchen 
Beitrebungen dienen gleichzeitig der 
Förderung und Erhaltungder Schöns 
heit. Frauen, die durch ihre Bläſſe 
und BZartheit auf gewiſſe Männer 
einen Reiz ausüben, haben nur 
eine furze Blütezeit ; während eine 
von Gejundheit unterftüßte Schön- 
beit bi8 ins hohe Alter ihre An— 
ziehungsfraft bewahrt. Deshalb 
jollte fih feine Frau „zu alt“ für 
irgend einen Sport oder ein Sport 
ipiel finden. Der größte, ſpezifiſch 
deutfhe Schönheitsfehler ift (man 
verzeihe das harte Wort!) der 
Bauch; in gewiffemn Alter ift er 
das jichere Attribut deutfcher Frauen 
wie Männer. Man fehe dagegen 
die Engländer und Amerikaner 
männlichen und weiblichen Gefchlech- 
te8 an, die fih ihr Lebelang durch 
fortgefegt betriebenen Sport einen 
jugendlich ſchlanken Wuchs bewahren. 
Dieſer deutfche Bauch ift eine Folge 
jalopper Haltung und Bernad): 
lälfigung des Körper bei den 
rauen, die gerade nach häufigen 
Kindbetten darauf achten follten, 
elaftiijh und kräftig zu werden. Der 
deutjche Dann „trinkt“ ihn ſich an 
und fügt fi in die häßliche Run: 
dung feiner Weftengegend ebenfo 
gleichgültig wie gegen das Kahl- 
werden feines Kopfes. Weniger 
trinfen und rauchen, — meniger 
Zeit in Schlechter Kneipenluft ver- 
bringen, weniger Ausjchweifungen 
in der Jugend — dafür von Kind- 
heit an Spiele in freier Luft, als 
Sport fortgejegt bis ing Alter, 
würden dieſen typiſch deutjchen 
Schönheitsfehlern entgegenwirken. 
Es ift zu hoffen, daß der Sport 
allgemein wieder dag ſeit faft zwei 
Millenien verlorene Verftändnis für 
Körperfultur zurüdgeminnen 
werde. 
18. Sport und Kunft. Mit der 
durd) den Sport gewonnenen na= 
türlichen Freude am menfchlichen 


Nro. 18-219. 


Körper, mit der Rückkehr der Er— 
fenntnis, daß er nicht nur ein zu 
verheimlichendes Sündengefäß, eine 
wertlofe Schale für die Seele jei, 
wird fih aud) der Kunftgefchmar 
wieder heben und veredeln. — 
Feigenblätter an nadten Statuen 
ftören ung den Genuß, ja empören 
ung, weil fie eine unfünftlerifche, 
unreine Gefinnung des Beichauers 
vorauszujegen ſcheinen. Erſt Die 
Schwimmer, die Ringer, Turner, 
Auderer ufw. in ihren mehr oder 
minder leichten, die Körperformen 
verratenden Belleidungen haben 
dag Auge wieder an den fait nad: 
ten Körper gewöhnt. Die Wert: 
ſchätzung und das Berjtändnis für 
den nadten Körper, in deſſen Dar: 


|ftellung die bildende Kunft von 


jeher ihre höchſte Aufgabe erblidte, 
muß notwendigermeije den Kunſt—⸗ 
verftändnis und der Kunſtpflege zu 
gute fommen. 

19. Sport und ſchönes Ge: 
ſchlecht. „Unfere erfte Pflicht gegen 
die Frau ift, ihr ſolche körperliche 
Ausbildung und Hebung zu fichern, 
wie fie zur Befeltigung und Boll: 
endung ihrer Schönheit dienlich ift.“ 
(Rusfin) Daß die Frau mit 
andern Vorurteilen aud) dag gegen 
die Unſchicklichkeit des Sports über 
Bord geworfen hat, haben wir in 
„Sport und Schönheit“ geſehen. 
Ja, wie auf andern Gebieten des 
öffentlichen Lebens ſtrebt ſie auch 
im Sport eine Gleichberechtigung 
mit den Männern an. Eine frohe 
und willkommene Genojjin tft fie 
dem Manne geworden, am Sport: 
und Spielplag, beim Nadfahren 
oder Bergfteigen. Gemeinjaner 
Sport, dag fameradfchaftliche, un— 
genierte Zufammenleben, die Fleinen 
Kataftrophen, die jeder Sport ver: 
urfachen kann und die ein jchnelles 
Aushelfen und Zugreifen verlangen, 
nehmen der Begegnung Der ver: 
ſchiedenen Gefchlechter den gefähr: 


Nro. 19. 


lichften Reiz. 
Wirkung muß diefes kameradſchaft⸗ 
liche Verhältnis zwiſchen den bei- 
den Geichlehtern werden; ed ver- 
anlaßt den Dann dazu, feine Muße⸗ 
zeit mit der Frau zu verbringen, 
fördert das gegenjeitige Verftänd- 
nis und führt infolgeveilen zu 
glüdlicheren Ehen. 

Um dieſe Kordialität von Klein: 
auf zu begünftigen, find Kluge Pä- 
dagogen auf den Ausweg der Koe: 
dukation, der gemeinfamen Erziehung 
von Knaben und Mädchen, gefont- 
men. Die Resultate, die in Nord: 
amerifa, England und namentlich 
in Finnland mit diefer Erziehungs: 
art gezeitigt worden find, laſſen 
über ihren Wert feinen Bmeifel 
mehr zu. — Dod find der Frau 
gewiſſe Grenzen geftect, die in der 
Aetiologie des Sport3 und der 
Aeſthetik liegen. Den Kampf, den 
die Zivilifation ausgeſchaltet hat, 
entbehrt die Frau nicht, denn fie ift 
ihrer Natur nah nicht zum Kampfe 
beſtimmt. Für fie kommt alfo nur 
die Hygtenifche Seite des Sports 
in Betradt. Eine große Anzahl 
von Störungen, die mit ſchlechtem 
Blutumlauf und unridtiger Er: 
nährung der Organe zujanmen- 
hängen, zeigen, wie die bejjer jitu- 
ierte Frau eines Aequivalent3 für 
die veränderte Lebensweiſe bedarf. 
War fie früher im Haushalt zu 
wechfelnder Tätigkeit und Snan- 
ſpruchnahme ihrer Kraft und ihrer 
Beweglichkeit gezwungen, jo ijt von 
al dieſen Haushaltsforgen faft 
nichtS mehr geblieben. Entweder 
geht die Frau ihren eigenen Beruf 
nad, der fie aus den vier Wänden 
herausführt (mobei dann auch für 
fie dag unter „Sport und Beruf” 
Gejagte gilt), oder fie „überwacht“ 
als Hausfrau ihr Hausweſen. 

Sportsarten, welche die natürlichen 
Kräfte der Frau überfteigen würden, 


—— Sportsgebiete 


M. Steiniher v. & Gräfin Baudiſſin. 


Von ſegensreichſter ſind nicht für ſie geeignet und 


wirken daher von ihr ausgeführt 
auch nicht äſthetiſch. Man würde 
den Zwang, den ſich die Natur der 
Frau bei dieſen Sportsarten antun 
müßte, ſofort herausfühlen. Am 
ſchönſten kommen Geſtalt wie Grazie 
der Frau zur Geltung beim Schlitt⸗ 
ſchuhlaufen; ebenfo vorteilhaft, ob- 
gleich es hier immer fpezieller Er: 
laubni3 des Arztes bedarf, ift für 
fie dag Reiten. Radfahrende Damen 
vergeilen leider oft, daß es nicht 
nur das fchnelle Vorwärtskommen 
gilt und die Haltung deshalb gleich- 
gültig it — und do kann aud 
diefer Sport, mit Maß betrieben, 
abgefehen von feiner bygienifchen 
Wirkung, die Geftalt ändern und 
befiern. Die meiſten Rafenfpiele 
jtehen der Frau offen; auch im 
Ruderboot hat fie jeßt ſchon oft 
ihre Ausdauer bewieſen. Schwim— 
men, Turnen, Bergiteigen, Sfi- 
laufen, Rodeln, Sagen, Fechten — 
fie alle bieten der Frau reiche und 
frohe Gelegenheit, körperliche Ge⸗ 
wandtheit zu erlangen; die Aus— 
wahl ijt groß genug. Daher follte 
fie auß die menigen, ihr ver- 
ruhig 
und ohne falfhen Ehrgeiz den 
Männern überlaffen. Es wäre tö- 
riht von ihr, die Grenzen ver- 
wiſchen zu wollen, die von der 
Schöpfung gezogen morden find. 
Auch die von ihr ermählten Sports- 
arten „männlich“ betreiben zu wol⸗ 
fen, ift ein verfehrter Standpunft; 
ebenjo ihre Geftalt möglichft der 
männlichen ähnlich zu madjen. Der 
Sport fol ihr nit eine willkom⸗ 
mene Hilfe jein, fih die meichen 
Hüften ſowie den Bujen „Tortzus 
trainieren” ; in richtigem Maße be- 
trieben, wird er ihren Körper har: 
moniſch gejtalten und fie zur „ech⸗ 
ten” Frau maden. Nicht Aphrodi⸗ 


ten® goldenen Gürtel entreißen 


wie Ringen, Boren oder Fußball, ſoll ihr der Sport, fondern fie 


[ 


1 
v 


T. Bedeutung efr. des Sporks. 


im Gegenteil mit neuen Reizen 
ſchmücken. 

20. Sport und Prüderie. „Die 
Prüderie ift ein willkürliches und 
fünftlicheg, ein bloß Tonventionelleg 
Anftandsgefühl, welches ſich auf 
Mode und Vorurteile, anjtatt auf 
das fittlide Empfinden gründet,“ 
definiert G. Mannhardt Diele 
niedrigfte aller Heucheleien. Sehr 
oft geht Prüderie Hand in Hand 
mit Laszivität und Korruption, 
bemerkt er weiterhin. Die Prüden 
gehören alfo entweder zu den As— 
teten, Die au8 der Not eine Tugend 
maden, wie Nietzſche ſagt, oder 
eben zu jenen, die „nadt“ mit 
„unmoraliih”“ verwechſeln. Man 
hört oft Leute von fih behaupten, 
daß fie aus wirklicher, echter Rein 
heit „prüde” feien. Das einfache 
Wort „vem Reinen ift alles rein” 
folte man ihnen jtatt deſſen ent- 
gegenhalten,; denn an und für jidh 
ift dad Nadte, Natürliche niemals 
unmoraliid; nur der Beichauer 
macht es dazu durd die Art, wie 
er es betrachtet oder durch die Ge- 
danken, die das Nadte in ihm an 
regt. Kaum auf einem andern 
Gebiete herrſcht eine ähnliche Be- 


Nro. 20, 


unter den ‘rauen am meilten 
Prüde zu finden. Auch find ihrer 
nit wenige, und ein qut Teil 
Schuld ift die ängftliche, beſchränkte 
Erziehung, die man bis dahin den 
Mädchen angedeihen ließ und ferner 
dag im heutigen Leben recht un— 
angebrachte Beftreben, Frauen in 
Unfenntnis über alles „Unreine“ 
zu lafien, worunter man jede Auf: 
Härung in feruellen Dingen ver- 
fteht. Ein jehr verfehrter Stand- 
punkt — denn der Sehende meidet 
die Gefahr. Bedeutend mider: 
mwärtiger und zahlreicher als prüde 
Frauen, in deren Wefen die tra- 
ditionelle Scheu vor allem Nadten 
oft jo tief eingegraben wurde, daß 
fie ein Stüd ihres Ichs geworden 
ift, find aber prüde Männer; und 
fie find auch bei weiten gefähr— 
lider. Denn fie geben die Gefege, 
jprehen Recht, haben Einfluß auf 
unjere Bildungsanftalten und unjere 
Kunft. Wieder und wieder hört man 
von verbotenen Theaterjtüden, die 
einft al3 einwandsfrei galten; von 
den ſchönſten Gedichten unjerer 
Klaffifer, die in der typifchiten 
Weife für die liebe Jugend ver: 
ballhornifiert werden — von Skulp⸗ 


griffsverwechjelung wie hier. Das | turen und Bildern, an deren Schön= 
halbverfjchleierte, weit mehr An- beit ſich jahrhundertelang Die 
reizende und Gefährlichere [äßt | Menfchheit erfreute und deren Ko: 
man gelten — das Offene, Wahre | pien plöglih auf Befehl einer in 
[heut man änaftlid. Goethe ihrem Anftandsgefühl verlegten 
geißelt die fläglihe Heuchelei vor Behörde aus den Schaufenſtern 


ſich und andern: „Man darf das 
nicht vor keuſchen Ohren nennen, 
was keuſche Herzen nicht entbehren 
fönnen.” 

Wie weit es der Fanatismus 
der Prüderie gebracht hat, davon 
erzählen die Kämpfe um die Lex 
Heinze, die Schändungen edler 
Statuen und andere traurige Er: 
fheinungen der legten Jahre. Da 





' entfernt werden mußten! — Sn 
diefem Wirrſal der Begriffe über 
„nadt“ und „unanjtändig” — „ent- 
blößt“ und „erotiſch“ iſt feine an— 
dere Möglichkeit zur rettenden Er— 
kenntnis, als auf den natürlichen 
Standpunkl zurückzukommen und 
das Nackte nur dann als unrein 
und ſchädlich zu verwerfen, wenn 
es in unkünſtleriſcher Weiſe auf 


Nietzſche behauptet, „das Weſen grobe Effekte hin ſpekuliert. Daß 


des Weibes ſei auf den Schein 
gerichtet”, fo müßte man glauben, 





je das „goldene Zeitalter“ wieder: 
kehren wird, iſt nicht a eine 


Nro. 21-22, 
helleniſche Lebensweiſe läßt unjer 
nur auf Arbeit und Erwerb ge 
ftellte8 Dafein nit mehr zu; aber 
helleniich zu fühlen, das können wir 
erreichen. 

Beiden Geſchlechtern ift die befte 
(Gelegenheit, ſich kameradſchaftlich 
zu begegnen, beim Sport gegeben. 
Noch vor wenig Jahren wäre ein 
junger Mann, der ſich in Hemds— 
ärmeln oder ſogar im enganliegen: 
den Trifothemd vor Damen gezeigt 
hätte, eine „empürende” Erſcheinung 
gewejen! Auch eine Frau ohne Kor: 
jett, mit dünner, die Körperformen 
verratender Blufe, im Radfahr— 
oder Touriſtenbeinkleid hätte ich 


RA. Steiniker u. E. Bräfın Bandiſſin. 


triebe fteht, dem dag Gejelligfeits- 
bedürfnig entjpringt. Wenn der 
Sport troßdem nicht entfreindet, 
fo liegt dies nit nur in dem 
äußeren Umftande, daß zur Aus: 
übung vieler Sporte mehrere Teil- 
nehmer oder auch ganze Gefell- 
Ihaften und Vereine mit eigenem 
Vermögen, Statuten 2c. notwendig 
find, fondern in dem Band, Das 
alle innerlich vereint, die nach 
gleichen Zielen ftreben. 

Und dann ift der Sport ein 
ritterlider Kampf, der nad) feinen: 
Austrag Sieger und Beliegte enger 
verbindet; beim gemeinfamen Kanıpf 
Schulter an Scyulter, gegen einen 


die Berachtung aller männlichen und | gemeinfamen Feind, knüpfen ſich oft 


weiblichen „PBrüden” zugezogen. Daß 
heutzutage das Auge fich bereits an 
dieje „Verſtöße gegen die gute Sitte” 
gewöhnt hat, ift einzig und allein 
dag Verdienft des Sports. Er 
beansprucht das Intereſſe jo voll: 
fonımen, daß feine unfittlichen Ge— 
Danfen mehr auffommen; er fant- 
tioniert eine Sreiheit, über deren 
Ausdehnung Fernſtehende, Uebel— 
wollende immer noch erſtaunt ſind 
und die dennoch begrenzter iſt, als 
z. B. die Ungeniertheit, mit der 
Mädchen und Frauen Schultern 
und Buſen im Ballſaal ausſtellen; 
er lehrt die beiden Geſchlechter im 
gegenſeitigen Verkehr naiv und un 
befangen zu denfen und zu emp: 
finden. 

21. Sport, Geſelligkeit und 
Kameradſchaft. Wenn man von 
der Charakteriſtik des Sport als 
Kampf ausgeht, müßte man folge- 
richtig zur Anſchauung kommen, daß 
der Sport im Grunde innerlid; der 
Gefelligfeit entgegengefegtfei. Denn 
wer den Kampf fucht und fi für 
den Kampf vorbereitet, hat Das 
Beitreben, feine Berjönlichkeit allen 
andern gegenüber durchzufegen. Es 
ift ein abfolut egoiftifches Streben, 
das im Gegenjate zum Herden- 


| 


Kameradſchaft und Freundicaft fürs 
Leben. Wer 3. B. tagelang mit eis 
nem Genofjen am Seile verbunden 
den Gefahren ſchwieriger Hochtou⸗ 
ven getrogt Hat, der vergißt dieje 
Stunden nie. Die Bedeutung, die 
der jportlichen Gejelligfeit in er- 
zieherifcher Richtung zuzuerfennen 
it, faßt Kemeny auf Grund 
feiner Studien in Amerika in die 
Worte; „Somohl in Schulen als 
in den Vereinen wird innerhalb 
der Körperfultur ein großes Ge— 
wit auf die moralifchen und fitt- 
lihen Faftoren gelegt. Der aus 
Selbftzuht und Unterordnung quels- 
lende Gehorjam, die Pflege famerad- 
Ichaftlicher Tugenden und der Wahr: 
heitsfiebe haben edle Spielmeije 
(fair play) zur Folge und umge— 
kehrt.“ 

22. Sport und Alkohol. Die 
ſchädliche Wirkung des Alkohols 
im Hinblick auf die Herabſetzung 
der körperlichen Leiſtungsfähigkeit 
ſoll im Abſchnitt über Hygiene des 
Sports eingehend beſprochen mer: 
den. Hier ſoll nur die Frage erörtert 
werden, wie der Sport zum Heil⸗ 
mittel gegen den übermäßigen Alfo- 
holgenuß werben fann und in, wert 
auch geringem Umfang, ſchon gewor⸗ 





I. Bedenfung etx. des Sports. 


den ift. Seder, der einen Sport aug- 
übt, erfährt die Schädigung des 
Alkohols unmittelbar anı eigenen 
Leibe, er wird ſchlapp, unluftig zu 
größerer Anftrengung. Deshalb hat 
der Sport ſchon jehr mwohltätig auf 
die akademiſchen Trinkfitten — oder 
beijer Unfitten — gewirkt; ſeit der 
Bergjport von der afademijchen 
Sektion aufgenommen und gepflegt 
wird, fann man die Mitglieder bei 
einem Glaje Limonade anftatt beim 
Maptrug ſehen. Wie fehr die 
Ihädigende Wirkung jelbjt unter 
der Landbevölferung gefühlt und 
anerfannt wird, ergibt fich aus der 
nachweisbaren Abnahme des Bier- 
verbrauche® in den ober- und 
niederbayrijchen Landbezirten, mo 
fajt jeder Bauer ein Rad befit. 
Noch vor zehn Jahren wäre es dort 
als eine Schande erſchienen, ein 
Glas Limonade zu trinken, wenn 
überhaupt je ein folder Gedanke 
ineinem bajuvarijchen Bauerngehirn 
hätte feimen können. Heute be: 
kommt man im kleinſten Dorfwirts⸗ 
haus kohlenſaures Waſſer mit Frucht⸗ 
ſaft. In England, Frankreich und 
ſelbſt in Italien, dem Lande der 
ſportlich bequemſten Nation, erſpart 
ſich der Arme, wenn nur irgend 
möglich, ſoviel Geld — das er ſonſt 
vertrinfen würde — um ſich ein 
Rad anzufhaffen. Der, wenigſtens 
im Bergleih zu den romanijchen 
Ländern, viel befier bezahlte deutjche 
Arbeiter könnte dies viel leichter, 
wenn er nicht immer noch den grö> 
Beren Teil feines Verdienſtes in 
Alkohol umfjegen würde. 

Der Staat hätte auch in dieſer 
Hinfiht die Pflicht, durch Anlage 
von Spiel, Eislaufplätzen u. dergl. 
den Unbemittelten die Gelegenheit 
zu fportliher Betätigung zu ver- 
Schaffen, denn der Sport ift das 
wirfjamfte Mittel gegen den Altohol. 
Bon theoretijchen Belehrungen allein 
kann man feinen Erfolg erwarten. 


ro. 23. 


Nach der Statiftik find in Deutſch⸗ 
land in den fünf Sahren von 
1899-1903 durchſchnittlich im Jahre 
2826 Millionen Mark für Alkohol 
ausgegeben worden; das ift eben: 
joviel wie die Reichsſchuld beträgt, 
dreimal foviel wie Heer und Flotte 
foften, ſechsmal foviel als für die 
Arbeiterverjiherung und jiebenmal 
joviel als für die öffentlichen Volks— 
Ihulen ausgegeben wird. 

Wenn nur ein kleiner Bruchteil 
diefer Sunme für ſportliche Zwecke 
angewandt würde, jo fäme dag der 
Volkskraft unendlich zugute, 

23. Sport und Mode. Das 
„Moderne“ beim Sport wird und 
fann immer nur das Zmwedmäßigere 
jein, alſo eine Neuerfindung oder 
Variation des Alten, die dag bis: 
herige als noch praftifcher ent- 
thront. Diejer Grund des „Zweck⸗ 
mäßigen” liegt ſonſt dem Wefen 
der Mode ganz fern; „gerade die 
Zufäuligkeit,“ jagt Prof. Simmel, 
„mit der fie einmal das Ymed- 
mäßige, ein andermal das Abjtrufe, 
ein drittes Dal das ſachlich und 
äſthetiſch ganz Indifferente anbe- 
fiehlt, zeigt ihre völlige Gleich: 
gültigfeit gegen die Normen des 
Lebens.“ Und dieje allmädtige 
Tyrannin hat einen Uebertyrannen 
gefunden: den Sport! Er fnecdhtet 
fie unbarmherzig, indem er nur das 
„Zweckmäßige“ geftattet; denn felbjt 
die Frauen, die ihren Geſchmack 
jonft nur zu gern von allem, was 
„Mode“ ift, beeinfluflen laſſen, fin- 
den alle häßlich und ungeeignet, 
was fih nicht abfolut den Forde— 
rungen ded Sport? anpapt. Sie 
verzichten auf koſtbaren Schmud, 
der als gänzlich unmotiviert oder 
ftörend lächerlih mirfen würde; 
fie vermeiden unnüßge Bänder, Rü— 
ſchen oder Kleiderbejäße; jie ge: 
währen dem Körper volle Freiheit, 
tragen fnappfigende Mütchen oder 
Hüte bei allen Sports, die rajıhe 


Niro. 24, 


Bewegung erfordern und verzichten 
auf faſt alle ſonſt „unentbehrlich“ 
IcheinendenToilettenrequifiten,menn 
fie mit dent Rudiad durch die Berge 
wandern oder nur eine kleine Tafche 
am Fahrrad mit ſich führen — ja, Jo: 
gar die richtigfte „mondaine“ wird 
plöglich vernünftig, ein ganz jeltener 
Fall bei ihr! wenn es ſich um die 
Equipierung zu einem Sport han- 
delt. Ausnahmsweiſe fallen beim 
Sportloftüm Zwedmäßigfeit und 
Mode zufammen und jede Modes 
torheit, die au8 dem Rahmen des 
Nützlichen fällt, macht lächerlich. 
Freilich begegnet man auch „Sports⸗ 
karikaturen“ — Leuten, denen das 
einfach Nüslihe noch nicht genug 
ift, die auch Hier übertreiben müſſen 
und durch das kleinſte ausgeflügelfte 
Detail ihres Anzuges die Kenntnis 
jportlicher Forderungen dokumen⸗ 
tieren. Da der Sport einem 
natürliden Bedürfnis entſpringt, 
fo ift ihm alles Künstliche zuwider; 
er habt jeden Schein, jede „Bor: 
jpiegelung falſcher Tatſachen“, wie 
fie oft in der glanzuollen Aug: 
rüftung und der im Berhältnis 
geringen Leiftungsfähigfeit eines 
Süngers „a la mode liegen. — 
Natürlich Haben fich bei verjchiedenen 
Sportsarten gemiffe Traditionen 
in der Kleidung ausgebildet, die 
ziemlih international gemorden 
find. In diefem Sinne Tann man 
allerdingg® von „Sportsmoden” 
reden. Da uns die meilten ber 
jegt gebräuchlihen Sports aus 
England oder Amerika überfommen 
find, Hat man anfang? aud die 
dort gebräuchlichen Kleiderarten 
angenommen und nachgeahmt. Ge⸗ 
rade in der letzten Zeit beginnt 
man aber, ausgehend von der 
richtigen Anſicht, daß jich die be— 


R. Steiniker un, €. 








Bräfin Baudilfin. 


ahmung, aud) in Modefachen, ver: 
trägt ih wicht mit einem freien, 
ftolzen Charafter. Und nicht3 wieder- 
um kann diejen bejjer ausbilden als 
der Sport. 

24. Sport al8 Mode, Wenn 
fih die Mode wenig in die in- 
ternen Angelegenheiten des Sports 
miſchen darf, nimmt ſie äußerlich 
an ihm Rache, indem ſie bald den 
einen, bald den andern bevorzugt. 
Das Tennisſpiel hat in England 
Ihon lange dem Golf und Hodey 
weichen müflen — den Engländerit 
war es zu langmeilig, zu den legten 
Kämpfen in Homburg v.d. 9. zu 
kommen, wodurch ſich die Erfolge 
merklich zugunsten der kontinen— 
talen Spieler verjhoben haben — 
während bei ung „Tennis“ nod) int: 
mer Feldgeſchrei ift. Dieſem Rafen- 
ipiel ging in Deutjchland als ein— 
jiges und ziemlich unerfreufiches 
das Krocdetjpiel voraus; wo ift 
e3 geblieben? Und wohin ift die 
große Woge des Enthufiasınus ver: 
rauſcht, die vor ca. 10 Jahren drei: 
viertel Deutihland auf Rad 
Ihwemmte? „Radfahren iſt gar 
nicht mehr fein.” Man läßt eg 
als Beförderungsmittel gelten, als 
Sport hat man es den einfacheren 
Kreifen überlafjen und vergißt un— 
dankbarerweiſe vollftindig, welchen 
Umſchwung es einft im Volksleben 
hervorgebracht hat! Plan kann be- 
haupten, daß durd das Jtadfahren 
den Deutfhen der Sinn für die 
Natur, der fo lange gejchlafen hat, 
mwiedererwedt wurde. Die Lande . 
ftraßen belebten ſich neu, uner—⸗ 
reihbare Naturjchönheiten waren 
plöglih in allernächſte Nähe ge: 
rückt und beſonders die kläglich 
in die Mauern gebannten Groß— 
ſtädter, die höchſtens zu Pfingſten 


liebteſten Sports bereits Heimats- einmal einen Ausflug „ing Grüne“ 


rechte 


in Deutjchland erworben | machten, 


fonnten fi alltäglich 


haben, ſich etwas von dieſen Borz | frifche Luft in die Lungen holen. 
bildern zu löfen. Sklaviſche Nach- Einige Städte veränderten voll- 


I. Bedeutung efc. des Sports. 


fommen ihre Phyfiognomie; wir 
denfen dabei an das nad) englifcher 
Sitte langfchlafende Hamburg, das 
jozufagen erjt gegen neun Uhr die 
Augen öffnete und deſſen Umge— 
bung wir auf frühen Morgenritten 
wie aufgeftorben fanden. Bis die 
„Radfahrerwut“ einjegte und mor= 
gens, vor Beginn des Gefchäfteg, 
in dichten Scharen Männlein wie 
Fräulein ins Freie hinaugjagte! 
Diefe Völkerwanderung per Rad 
bat ftart abgenommen, andere 
Sportsarten, die amüfanter find 
und mehr Abwechslung bieten, ha— 
ben da8 Zweirad verdrängt. Als 
Sport mag es feine Rolle ziemlich 
ausgeſpielt haben, aber ganz wird 
ed niemals, nachdem feine Nüß- 
lihfeit anerfannt worden ift, aus 
der Mode fommen. — So mag 
immer wieder die Mode einem 
Sport momentan ein Vorrecht vor 
einem andern einräumen; Klima, 
Raumverhältniffe, Koften, alles 
wird da mitjprehen. Aber der 
Sport an und für fih kann Gott 
fei Danf nie wieder unmodern 
werden. 

25. Sport und Karikatur. 
Wenn man den Humor dahin defi— 
niert, daß er Großes und Chr: 
mwürdiges mit Kleinem zujammen- 
wirft, daß er überall den komiſchen 
Kontraft zwiſchen den als erhaben 
und vollendet auftretenden Erſchei— 
nungen des Leben? und ihrer Un— 
zulänglichfeit aufipürt, fo muß man 
anerfennen, daß der Sport herrlich 
geeignet ift, den Humor zu fördern. 
Denn einerjeit3 verlangt der Hu— 
mor ald Grundlage die gute Laune, 
die der Sport fo ſehr fördert, 
anderjeit3 fjchafft der Sport eine 
Summe von Gelegenheiten und 
Situationen, deren fi der Humor 
bemächtigen Tann. 

Der Humor des Sports Tiegt 
in der Gegenüberftellung von Ab: 
fihten und Erfolgen, die fich nicht 


Yiro. 25—26. 


deden, von beitem Willen und un⸗ 
zureichenden Kräften. Den hitigen 
Bemühungen des Anfängers, dem 
Vebereifer des Chrgeizigen, die beim 
Sport jehr leicht eine grotesfe Form 
annehmen können, wird nur der 
fühl gegenüber bleiben, der Feine 
Spur von Humor befißt. Dieſe Fund—⸗ 
grube für Wite, Karikaturen und 
humorvolle Darjtellungen laſſen 
fich die modernen illuftrierten Wit: 
bfätter felbftverftändlih nicht ent: 
gehen; einzelne Sportstypen gehö— 
ren zu ihrem eifernen Beftand. Der 
Sonntagsreiter, deſſen Herr das 
Pferd ift, Statt umgefehrt, der 
Sonntagsjäger, vor dem die Hafen 
„Kegel machen“ und der nur die 
Treiber hinten auffchießt; die Berg: 
feren vom Talfchleicher big zum 
Gipfelfrefier, der dahinrafende und 
durd feine Augrüftung faum mehr 
als Mensch kenntliche Automobilift 
— allen diefen „Uebererfcheinungen” 
gewinnt der Humor in Wort und 
Bild immer neue Bariationen ab. 

26. Auswüchſe des Sports. 
Die Auswüchſe des Sports liegen 
vornehmlich auf zwei Gebieten, auf 
dem der Hygiene und auf dent des 
Geſchmacks. Durch fportliche Ueber: 
treibungen können mehr oder minder 
ſchwere vorübergehende wie dauern= 
de, die Gejundheit erfchütternde Stö- 
rungen hervorgerufen werden. Dr. 
Pick zählt drei Arten der Erſchö— 
pfung auf: Verfagen der Muskeln, 
des Herzens oder der Lunge und 
des Nervenſyſtems. Insbeſondere 
kann ein unvernünftig betriebenes 
Training, das ſogenannte „Ueber— 
trainiertſein“, Erſchöpfungszuſtände 
des geſamten Organismus herbei— 
führen, die dauernde Schädigungen 
zur Folge haben. Eingehender wird 
dieſes Kapitel noch unter der Hy: 
giene des Sports beiprochen wer: 
den. Am meiften wird die Gefahr 
derartiner Webertreibungen durch 
das Beitreben hervorgerufen, einen 


Nro. 27. 


Reford zu Schaffen, auch da, wo 
er gar nicht zum innerſten Weſen 
de3 Sport gehört. Für Sporte, 
bei denen der äußerliche Zweck nur 
dur Erzielung eine Rekords er: 
reiht wird (Pferde, Rad-, Ruder: 
vennfport), gilt dies natürlich nicht. 
Jedenfalls aber ſoll der Schwerpunft 
nicht dahin gelegt werden, Diplome, 
Medaillen oder ordensähnliche Aus— 
zeichnungen zu erlangen, die für be— 
jondere Refordleiftungen verliehen 
werden. 

Eine Geſchmackloſigkeit find auch 
Dekorationen und Aufführungen bei 
Sportsfeiten, bei denen jportliche 
Motive in der fadelten, unschönften 
Weiſe zu künſtleriſch fein jollenden 
Emblemen u.dal verwendet werden. 

Daß fich die Zweige der Indu— 
ftrie, die auf die Geſchmackloſigkeit 
der Menge ſpekulieren, die wach— 
ende Verbreitung des Sports zu 
nutze maden, ilt ſelbſtverſtändlich. 
Ein Automobil als Tintenfaß oder 
als Ajchbecher, die Verwendung 
von Reitutenfilien zu allen mög: 
lihen Gebrauchd- und Luxusgegen— 
jtänden, ein Bergſchuh mit Edel: 
weiß gefüllt als „Nippes” 
Dinge, bei denen Beltimmung und 
Motiv in keinerlei Zuſammenhang 
ftehen, find für einen Menfchen 
mit nur einigem Stilgefühl einfach 
unerträglich. 

Als einen befonderen Auswuchs 
des Sport3 kann man nod die 
Verrohung der Sitten bezeichnen, 
die mit mancher Sportart ver- 
bunden ift. Es fann nicht beftritten 
werden, daß hierzu bei einigen 
Sports infofern eine Gefahr liegt, 
als in ihnen eine Befreiung von 
den Einſchränkungen gefucht wird, 
die und unſer Kulturleben, beſon— 
ders der mit ihm verbundene, for: 
ventionelle Zwang auferlegt. Eine 
gewiſſe Selbſtzucht follte es hin—⸗ 
dern, die Feſſeln weiter abzuſtreifen, 
als es für gentlemen erlaubt iſt. 


— 


R. Steiniker u. ©. 


Bräfin Baudiſſin. 


27. Sport und Sprache. Jeder 
naturgemäß feine eigenen 
techniihen Ausdrüde, die jpeziell 
die ihm eigenen Geräte, Bewegun— 
gen, Einrichtungen, Tätigkeiten, Ge- 
fee 2c. bezeichnen. Trotzdem iſt es 
unnötig, daß ſich der Sport eine 
eigene Sprade fchafft, die nicht 
nur für jeden nicht Eingemeihten 
gänzli oder nahezu unverftänd- 
lich ift, jondern auch jedem gefun- 
den Spradgefühl arammatikalisch 
Hohn ſpricht. Es fei nur unter 
anderem an die Nennberichte er: 
innert, die meifteng in einem ent- 
feglihen Kauderwelſch abgefakt 
find, das ſprachlich kaum auf einer 
höheren Stufe ſteht als das Ko- 
chemer Lofhen der Gauner. Auch 
der Gebraud! von Fremdwörtern 
fönnte da, wo es fih nicht um un: 
überfesbare Begriffe handelt, me- 
jentlih eingeibränft werden, Das 
engliſche Zählen beim Tennis ſamt 
den übrigen Benennungen deuce, 
advantage, set, match 2ıc. bat 
feine Berecdhtiaung mehr ; diefe Aus: 
drüde find feit langem ebenjo prä= 
zis und furz ind Deutjche überlegt 
worden. Gerade der, dem fonft 
die enaliihe Sprade fo aut wie 
fremd ift, bedient fich mit Vorliebe 
der ausländifchen Benennungen, in 
dem lieben, alten, deutſchen Bor: 
urteil, daß alles Fremde bedeutend 
feiner ift al da8 Deutfhe und 
in der Hoffnung, daß er mit diefer 
Kenntnis anderen ebenfo imponiert 
— wie fih felbft! Werden, mie 
man es oft hört, die Fremdworte 
noch dazu falfh ausgeſprochen, jo 
ift damit Die Krone des Lächer- 
liden und Törichten erreicht. 

Sportsausdrücke und ſportliche 
Redewendungen in die Sprache des 
Geſellſchaftslebens hineinzutragen, 
iſt eine Stilwidrigkeit und zeugt von 
ſchlechtem Gefchmad. Gewiſſe Kreiſe 
ſcheinen in dieſer Hinſicht den Sa— 
fon oft mit dem Rennſtall zu ver: 


u 


I. Bedeufung ef. des Spore. 


wechſeln; wirklich gebildete Leute 
merden diejes weder „chife” noch 
pafjende Benehmen fiderlih nie- 
mals gutheißen. Bejonders jungen 
Damen ſei geraten, ihre Sport$- 
fenntnifje nicht in faloppen Aus—⸗ 
drüden fundzugeben. 

28. Zur Wertung der ver: 
fchiedenen Eport3. Jedem Narren 
gefällt jeine Kappe — aber aud 
der Weiſe findet an feinem Hut 
den meiften Gefallen. So betradjtet 
auch jeder den von ihın betriebenen 
Sport ald den beiten. Die Be: 
wertung der verjchiedenen Sports 
wird verfchieden fein, je nad) dem 
Standpunft, von dem mir aus— 
gehen. Für die Jugend kommen 
mohl nur die gymnaſtiſchen Spiele 
und die Sportipiele in Betradt, 
ferner Schwimmen, Schlittſchuh— 
laufen und für die reifere Jugend 
noh Radfahren. Diefe Sports 
ergänzen fich, indem jeder andere 
bygienifche Vorteile beſitzt und ver: 
Ihieden ift in feiner Wirkung auf 
Geift und Gemüt, letzteres insbe— 
jondere mit Rüdfiht darauf, wie 
weit und intenfiv durch ihn Die 
Naturbetradtung angeregt wird. 


Für die Bewertung der verfcies | 
denen Sport3 in jozialer Beziehung 


ift vor allem maßgebend, daß fie 
jedem zugänglih find, alſo mög: 
lihft wenig Geld koſten. Auch 
hier werden die obengenannten 
Sports im allgemeinen gleich be= 
wertet werden dürfen. 

Will man ineine, wenn man jagen 
fann „vorausſetzungsloſe“ allge: 
meine Bewertung eintreten, jo wird 
man von der Definition des Sports 
(Ziff. 1) ausgehen müſſen. Der— 
jenige Sport wird am hödjiten be- 
wertet werden Dürfen, der am 
meiften Mut, Kraft oder Aus: 
dauer und Gejchidlichkeit erfordert. 
Dabei ift noch zu berüdfichtigen, 
daß die Geſchicklichkeit nicht nur 
auf der rein körperlichen Gemandt- 


ro. 28. 


beit, fondern aud) auf der Antelli- 
genz beruht, die den wechjelnden 
Situationen dag richtige Handeln 
entgegenjegt. In zweiter Linie 
müſſen wir berücdfichtigen, welcder 
Sport zugleich am meijten den all: 
gemeinen Zweden, die wir oben 
(Ziff. 2) aufgezeigt haben, ent- 
Ipricht. Von diejen Gejihtspunften 
aus muß der Preis dem Alpinen 
Sport zuerfannt werden. 

Darin liegt aud der Grund, 
warum er innerhalb jo kurzer Zeit 
— der Alpinismus ift höchitens 
ein Sahrhundert alt — eine jo 
glänzende Entwidlung, einen fo 
ungeheuren Aufihmung genommen 
bat. 

Sm Kampfe mit der Natur des 
Hochgebirges werden die Anjtinkte, 
die den Menjchen einft zum Herrit 
der Schöpfung machten, in weiteren 
Umfang als bei allen anderen Spor— 
ten in Tätigfeit gejegt; die Hilfs— 
mittel find die denkbar einfacdhften, 
denn die ganze Ausrüftung befteht 
in Bergſchuhen, Bicel, Seil und 
ev. noch in Steigeifen. 

Dem Bergiport am nädhiten 
fommt der Segelfport, denn 
die Beherrihung und Yührung der 
modern getafelten Sacht jegt gleich: 
falls ein großes Maß von Gejdid- 
(ichfeit und Mut im Kampfe mit 
den Elementen voraus. 

Die Bedeutung des Pferde: 
ports tritt gegen die vorigen 
wefentlich zurüd, bejonderg bei ung 
in Deutfchland, wo Terrainreiten 
und Barforcejagden wenig gepflegt 
werden und fat ausjchließlich nur 
Rennſport und zwar häufig nicht 
um der Sache ſelbſt willen, jondern 
des Gewinnes halber getrieben 
wird. Der Fahriport fommt im 
Zeitalter der Eijenbahn und des 
Automobil faft nur mehr als 
„noble Paſſion“ in Betracht. 

Die Jagd Hat noch den hiſto— 
riſchen Nimbus, aber abgejehen von 


ro, 29. 


der Hochgebirgsjagd und der Jagd 
in fremden Rändern und den Tropen 
ift heutzutage wenig Gelegenheit 
mebr gegeben, Mut zu beweifen: 
denn es fehlt die Gefahr. 

Hingegen hat die Jagd ınit dem 
Alpinen= und Segeliport die Be: 
obachtung der Natur gemein, 

Der Wert de Radſports 
liegt bauptjädhlih darin, daß er 
den Menſchen in die Natur hinaus: 
führt, er hat die Poeſie der Land— 
Straße zurückgebracht. Zähigfeit und 
Ausdauer find zu ihın erforderlich. 

Der Ruderfjport bewertet ſich 
duch das hohe Maß von Kraft 
und Ausdauer, das er erfordert 
und das erheblich höher it al? 
beim Rennſport. Dafür entbehrt 
er der Unabhängigkeit der vorge— 
nannten Sporte, denn außer im 
Einrudern bedingt er ein gejchicktes 
Bufammenarbeiten mehrerer ver 
Crew. 

Der Fiſchereiſport iſt inner— 
lich mit der Jagd verwandt, Kraft 
und Mut werden aber bei ihm am 
wenigſten in Anſpruch genommen. 
Die gymnaſtiſchen Sports 
und Sportſpiele erfordern 
großenteils mehr Geſchicklichkeit als 
Kraft und Mut, ihr weſentlicher 
Wert liegt in der hygieniſchen Be— 
deutung und der erzieheriſchen 
Wirkung. 

Der Charakter einer Na⸗ 
tion Spiegelt fi nirgends aufs 
richtiger ab, als in ihren 
Epielen. Keine Veränderung 
in dieſen, die nicht entweber 
die Vorbereitung ober die 
Folge einer Veränderung in 
ihrem fittlichen ober politifchen 
Zuftande wäre. 

(C. M. Wieland.) 


29. Die ſoziale Bedentung des 
Sports. In keinem andern Lande 
wie in England wird die ſoziale 
Bedeutung des Sports in ſolchem 

Umfange anerkannt — es kann 
geradezu das Muſterland in dieſer 
Beziehung genannt werden. Ueberall 


R. Steiniher n. E. Gräfin Baudiſſtn. 


ſind für die großen Maſſen des 
Volkes Spielplätze mit Parkanlagen 
eingerichtet worden und gelten als 
eine der wichtigſten der öffentlichen 
Wohlfahrtseinrichtungen; abgeſehen 
von den „squares“, viereckiger 
Parkanlagen in der Mitte jedes 
Häuſerviertels, die mit Recht als 
die Lungen der Städte bezeichnet 
werden. Immer wieder lieſt man 
von reichen Stiftungen zugunſten 
der öffentlichen Plätze, wie vom 
Vererben großer Parks und Gärten 
zur allgemeinen Benützung. Das 
gemeinſame Spiel, an dem ſich 
reich und arm, vornehm und ge— 
ring beteiligen, trägt nicht wenig 
dazu bei, die ſozialen Klaſſengegen— 
ſätze zu mildern; man betrachtet 
es als eine der ſchwerwiegendſten 
Aufgaben, die immer ſchroffer wer- 
dende Scheidung zwiſchen den ver— 
Ichiedenen Lebensklaſſen zu ver: 
wiſchen, wozu ald geeignetſter Ber- 
mittler der Sport auserlefen ift. 
Natürlid gibt es in dem klub— 
freudigen England eine Unzahl 
größerer und kleinerer Bereine, 
die fich zur Pflege eines bejtimm: 
ten oder verjchiedener Sport3 zu: 
fammengetan haben und die ji 
ungefähr aus Elementen derjelben 
Kreife und Lebensverhältniffe zu: 
fammenfegen. Aber die allgemeine 
Teilnahme des ganzen Bolfes am 
Sport und feinen Ergebniffen, fei 
es als Ausübende oder nur als 
Zuſchauer, wie die Wichtigfeit, die 
in allen Schichten der Bevölkerung 
dem Sport beigelegt wird, dieſes 
Gefühl beftimmter, gemeinjamer 
Ssntereffen trägt unendlich viel zum 
Standesbewußtſein andern Nationen 
gegenüber bei und ſchlingt zugleich 
ein Band der Zuſammengehörigkeit 
vom einen zum andern. 

Wir glauben mit der Behauptung 
nicht fehlzugehen, daß wenn in 
Deutſchland von ſeiten der ftaat- 
lichen und öffentliden Behörden 


I. Bedeutung eic. des Sports. 


die Gelegenheit zum Sport und 
feine Begünftigung in gleicher Aus: 
dehnung wie in England zu finden 
wäre, die unteren Volksſchichten 
bei der Durdführung rein mirt- 
Ichaftlicher Kämpfe nicht diefen fa- 
natifhen Haß gegen die „Bour= 
geoifie" mehr hegen und zeigen 
würden. Aber was wurde biäher 
in Teutfchland in diefer Richtung 
getan?! 

Wo ſich große, öffentliche Parks 
befinden, ftehen bereit? am Ein: 
gang wie an jedem Scheideweg 
Tafeln mit unendlich viel Verord— 
nungen und VBorjchriften ; von den, 
womöglid mit Stadheldraht einge: 
faßten Wegen abzuweichen, iſt 
ftrengfteng verboten und wagt ſich 
einmal ein Kind in fröhlichem 
Uebermut auf den Rajenplag zu 
einem lodenden Gänfeblümden — 
flugs erjcheint bereits ein Bolizift, 
um die Namen der Eltern, der 
Großeltern, ihre Wohnung, ihren 
Stand, ihr Alter, ihr Herfommen 
ujw. aufzufchreiben. Wir erinnern 
ung an den Sal, mo eine junge 
Engländerin Dresden verließ, meil 
fie mit ihrem Rad vom Fahrweg 
auf den Raſen gefallen war und 
mit polizeilihen Strafen bedroht 
wurde. Müffen wir denn immer 
und ewig bevormundet werden — 
fönnte man nicht endlich anfangen, 
das Volk als jo „reif” zu betrachten, 
daß es nicht Anlagen und Raſen— 
flächen, die ihm zur Benüßung frei- 
gegeben werden, fchändet? Die 
pradtvolle Fläche der, Moorweiden“ 
vorm Dammtor in Hamburg, um— 
ſtanden von herrlichen, alten Bäu— 
men, weiſen während des Sommers 
täglich die idylliſchſten Bilder auf; 
mit Kind und Kegel lagern ſich die 
Familien, ſchlafen, eſſen, ſpielen — 
der Raſen iſt in vorzüglicher Ver— 
fafſung, die Bäume werden wie 
ein Heiligtum betrachtet. Warum 
kann das übrige Deutjchland diefem 


Nro. 29. 


Beifpiel nicht folgen? Verbote 
reizen; gäbe man mehr Freiheit, 
jo würde dag Volk ſich felbft er: 
ziehen. 

In England dürfen alle Rafen- 
plätze in den öffentlichen Parks be— 
treten und zu Eport: und Epiel- 
zweden benützt werden. Auch die 
romanifchen Länder find uns vor: 
aus. In den öffentlihen Anlagen 
des bois de Boulogne in Barig, 
des bois de Cambre in Brüfjel, 
der Billa Borgheje und felbft der 
Privatvila Doria Pamphili in 
Rom vergnügt fih alt und jung 
auf den Rajenpläßen, hingelagert 
oder beim fröhlichen Spiel; da ift 
außer den Blumenanlagen fein 
Duadratzoll abgefperrt. — Bei ung 
ift man gezwungen, umgeben von 
den ſchönſten Wiefen und Bäumen, 
den Staub der viel begangenen 
Wege einzufchluden. Daß 3.8. 
im Englifhen Garten in Münden 
nicht wenigſtens einige Wege für 
Radfahrer freigegeben find, ift für 
den bejchränften Untertanenverjtand 
einfach unbegreiflich. 

Auch im engeren Einne, in der 
Anwendung ded Wortes „ſozial“ 
lauf wirtfchaftliche. Beziehungen ift 
der Sport von größter Bedeutung. 
Ein englifcher Arzt fagt mit vollem 
Recht: „Geſundheit ift des Arbei- 
ters Vermögen; fie macht feine 
förperliche und geiftige Anftrengung 
leiht und gibt ihm die Fähigkeit, 
viel Arbeit in kurzer Zeit zu ver: 
richten.” 

Wie jegendreich die Einführung 
der Spiele, die ſolch eine hervor: 
ragende Rolle in Großbritannien 
einnehmen, wirfen, zeigt eine Mit: 
teilung der vereinigten Mafchinen: 
bauer Englands, nad) der im Jahr 
1871 das Durchſchnittsalter der 
Männer diefer Vereinigung 38", 
Jahr, das der Frauen 37, Jahr 
betrug; während 1889 fih das 
der Männer auf 48'/,, dad der 


Nro. 30. 


Frauen auf 43 Jahre erhöhte. 
Prof. Koch weilt darauf hin, wie 
fehr diefe große Verbefferung des 
Verhältniſſes der. im produftiong- 
fähigen Alter ftehenden Perjonen 
zu dem nicht produftiven Kindes: 
und Qugendalter von Bedeutung 
für die Volkswirtſchaft ift. 
Seinen Ausführungen über dag 
Spielleven Englands ift u. a. zu 
entnehmen, melde ungeheuren 
Summen dort für Einrichtungen 
öffentlicher Spielpläße ausgegeben 
werden. Die Stadt Mandeiter 
hat fih nicht befonnen, um einen 
in ihrer Mitte liegenden Pla zur 
Benügung von Spielen freizulegen, 
8 Millionen Mark auszugeben. In 
Sheffield fommen auf je 5000 Ein- 
wohner mindeltens ein SHeltar 
öffentliher Spielflähe. Dieſes 
Verhältnis ift für die englifchen 
Städte typifch. Die für Erwerbung 
und Eröffnung von Spielpläßen 
und Parks in London verantwort: 
lihe Behörde, das T,ondon County 
Coneil, ſchrieb ſchon 1893: „Die 
Förderung der Spiele und Leibes- 
übungen ift einer der angenehmijten 
Teile unferer Arbeit.“ Die haupt: 
ächlichften dort betriebenen Spiele 


AR. Steiniker u. E. Gräfin Raudiſſtn. 


nicht das geringfte - getan. Aber 
nicht ihn trifft der Hauptvorwurf 
dafür, fondern den Staat, die Re— 
gierung, die Parlamente, die kein 
Verftändnig für diefe Forderungen 
befiten. 

Ein Vergleich zwiſchen Deutſch⸗ 
land und England auf dieſem Ge— 
biete ſagt alles — es wäre über: 
fluſſig, noch ein Wort mehr hinzu— 
zufügen! 

30. Sport und Wehrfraft. „Eine 
der höchften Aufgaben des Staates 
ift, darüber zu wachen, daß die 
Wehrkraft unangetaftet bleibe.” In 
der Tat werden wir diejer Aufgabe 
nicht gerecht, wie die jährliche Sta- 
tiitif der Militärtauglichen zeigt; 
die Zahl der Wehrpflichtigen geht 
progreffiv zurüd, beziehungsmeife 
müſſen geringere Anforderungen an 
die Ausgehobenen gejtellt werden, 
un dem Bedarfe zu genügen. In 
erster Linie muß alfo darauf gejehen 
werden, die Dualität des Volkes 
zu heben. Hand in Hand damit 
müflen Maßnahmen zur Hebung 
des fittlihen Niveaus ergriffen 
werden, um insbejondere der zu— 
nehmenden Berrohung der halb: 


| wüchfigen Jugend der Großſtädte 


find Fußball, Kricet, Tennis und | zu begegnen. 


Golf. Wie Heißt in Deutfchland 
diefelbe Behörde — und wo ilt fie ? 

Mir Deutichen jagen noch immer 
mit Stolz, „der preußiſche Schul— 
meifter habe die Schlacht bei König 
gräß gewonnen” ; eine der unzäh— 
ligen Selbſttäuſchungen, an denen 
der Deutfche leidet. Der militä- 
rifche Geift, die Tradition war eg, 
an der wir ja reich jind; die legten 
Spuren des Geijtes, dem Deutſch⸗ 
land zu Anfang des vorigen Jahr 
Hundert3 feine Wiedergeburt ver- 
dankte! Der Schullehrer, der bei 
den jekigen Lehrplänen nur an der 
Berjchlechterung der Raſſe arbeiten 
muß und felbft nicht entiprechend 
vorgebildet ift, hat zu diefem Sieg 


Dr. 2orenz leitet aus dem 
innersten Wejen der Wehrkraft fol: 
gende vier Hauptgelichtspunfte ab, 
die zu beachten wären: „Es find 
erſtens auszubilden die fittlichen 
Eigenfchaften, welche die leibliche 
Sugenderziehung fördern kann, Die 
Selbſtzucht, die willige Unterord- 
nung, der Mut, die umfichtige Ent: 
Schlofjenheit. Zweitens ift zu er— 
zielen eine möglichjt ftraffe Ge: 
jamtmugfulatur mit geſchickter 
Koordination der einzelnen Mus— 
teln und gejchmeidigen Bewegungen, 
vor allem marſchfähige Beine, drit- 
tens ein fräftiges Herz und wider: 
ftandsfähige Lungen, vierteng Scharfe 
Augen.” 





I, Bedeulung ete. des Sports. 


Die Erfüllung diefer Bedingungen 
müßte durch fportlich betriebene 
Gymnaſtik und Sportipiele zu er: 
reihen fein; es wäre durchaus 
Pflidt und Aufgabe der Schule, 
die vom Staat geforderte Wehr: 
fähigfeit der jungen Leute dur 
Anleitung und Gelegenheit zur Aus 
bildung zu unterſtützen. Auf diefe 
Weiſe würde ein befleres Soldaten: 
material erzielt und außerdem der 
militärifchen Erziehung in außer: 
ordentlich ſchätzenswerter Weije vor: 
gearbeitet. Doch auch die Macht 
der Schule reicht nur bis zur Ent: 
laſſung ihrer Zöglinge, reſp. big zur 
direften Einftellung in die Armee. 
Daher würde ihre Hilfe allein nicht 
genügen. Die einmal begonnene 
förperlide Ausbildung und Die 
Freude am Sport follte deshalb 
auch während der Dienftzeit weiter 
fortgeführt und macherhalten wer: 
den — dies wird noch vielfach ver- 
nadjläfftgt. Und doch meiß jeder 
Kompagnie= sc. Chef, um mie viel 
beſſere Resultate erzielt werden, 
wenn ed dem jungen Offizier ge- 
lingt, — denn in dejjen Hand ift 
die unmittelbare aymnaftiiche Aus: 
bildung gelegt, — diejenigen gym= 
naftifhen Uebungen, bei denen es 
überhaupt möglih iſt (Nüftübun- 
gen, Boltigieren, Springen), mit 
jportlihem Geiſt anſtatt drillmäßig 
zu betreiben. Ebenfo wichtig aber 
wäre es dann, dafür Sorge zu 
tragen, daß das vor und während 
der Militärdienftzeit Gelernte nicht 
wieder verloren geht, jolange die 
Mehrpfliht dauert, alfo bis zum 
vollendeten 45. Lebensjahre. In 
diefer Richtung leiſtet in Deutjch- 
fand der Staat nodh fo aut wie 
aar nicht. Vielleicht könnten die 
Kriegervereine bierbei ein jehr wert— 
volle8 Organ werden, wenn fie 
zu dieſem Zwecke mobil gemacht 
würden. 

31. Sport und Volksſitte. So= 


ro. 31. 


bald wir die unendlich vielen Vor— 
teile erfennen, die der Sport mit 
jih bringt, fo vefultiert daraus die 
unbedingte Forderung, Die ge— 
jamte Bevölkerung, jung und alt, 
jomeit zu erziehen, daß der 
Sport zur Bolfsfitte wird. In 
England und zum Teil aud in 
Amerika ift dies erreicht. Bon der 
Schule angefangen, muß dag Ziel 
unentwegt im Auge behalten wer: 
den, daß die Erholung nicht mehr 
in der Kneipe gejucht wird, ſon— 
dern im Sport und [portlid) be- 
triebenem Spiel, im Freien ftatt 
in alfohol- und rauchgejchmänger- 
ter Luft. 

Bon Seiten der ftaatlicden Draane 
müflen Maßnahmen getroffen wer: 
den, dag Spiel in die verfhiedenen 
Schichten des Volkes hineinzutragen; 
nur damit kann der Erfolg der 
Iportlichen Zeibeserziehung der Su- 
gend auf die Dauer aefichert werden. 
„Das Beſtehen der Jugendſpiele 
an ſich wird ſtets gefährdet er— 
ſcheinen, ſolange ſie in einem ge— 
wiſſen Widerſpruch zur Volksſitte 
ſtehen; es wird erſt dann als wahr- 
haft geſichert angeſehen werden 
dürfen, wenn es gelungen iſt, die 
Spiele zu einer Volksſitte 
zu machen.” (Prof. 8. Koch). 

Daß dies möglih ift, zeigt 
wiederum England. Es Handelt 
ih hierbei niht um Einführung 
einer ganz neuen Volfefitte; die 
Liebe zur Natur, der Drang ing 
Freie ift der germanifchen Raffe 
angeboren und braucht nur wieder 
geweckt zu werden. Aber Gelegen- 
heit muß gegeben werden. Wie 
Schlecht e& bezüglich der Parks und 
Spielpläße bei ung beftellt ift, wurde 
Ihon erwähnt. Auch ausreichende 
und billige Gelegenheit zum Schwint: 
men, Schlittſchuhlaufen 2c. fehlt. 
Der Unbemittelte kann nicht täglich 
30 oder 40 Pig. für den Eintritt 
in die Eisbahn zahlen; ebenjo find 


ro. 32. 


die Freibäder gewöhnlich zu weit 
außerhalb der Städte und aud) 
der Größe nad) unzureichend. 

„Das laufſcheue Spießbürger: 
tum muß aufhören und der Staat 
muß die Natur freigeben. Wir 
klagen darüber, daß das Volk an 
den Feſttagen in die Kneipen 

rennt — wohin ſoll es denn rennen? 

In England ſind an Feiertagen 
die Kneipen geſchloſſen, die Parks, 
Spielplätze, Schwimm- und Ruder: 
plätze geöffnet — alſo denkt dort 
niemand an die Kneipe.“ (Dr. H. 
Pudor). 

Derſelbe Schriftſteller macht auch 
ſehr bemerkenswerte Vorſchläge für 
Veredelung der Feſte durch 
Sport und Spiel; er fordert öffent: 
liche Schauftellungen von feiten 
der ſportlichen Vereine, die gewiß 


A. Steiniker u. E. Gräfin Baudiffin. 


Neigen auf, bier fpielen Frauen 
Kridet — furz, ein Volksleben im 
Ihönften Sinne des Wort hat fidh 
entfaltet; die Standesunterfchiede 
vermifchen fi) .... wir haben ein 
wahres Volksfeſt vor ung, eine neue 
Renaiſſance iſt angebrochen.“ 
Unſchwer wäre dieſes Ziel zu er— 
reihen! Wenn man mit R. Wagner 
definiert: „Das Volk ift der In— 
begriff aller derjenigen, welche eine 
gemeinjchaftliche Not empfinden,” 
jo muß man jagen, die Not, das 
Bedürfnis ift da. Der Befriedigung 
ſteht einzig der öde ftaatlidhe 
Bürofratismus im Wege, der nur 
in dem träge dahinſchleichenden 
Vhilifter die „Ordnung, die ſegens— 
reiche“ nicht aeftört fieht, der noch 
wie zuzeiten Metternich® im Tur: 
nen 2c. den Ausflug ſtaatsgefähr— 


äußerft anregend wirken und zur | licher Gefinnung erblidt. 


Nachahmung und Teilnahme reizen 
würden. Wie ift es aber damit 
jest? Freilich Haben wir ſchon 
Beranftaltungen, beſonders Rad— 
rennen, aber faſt nur von Profeſ— 
ftonales; von einer „Veredelung“ 
fann feine Rede fein, wenn hinter 
den Schrittmadern ein Menſch 
fih abquält, um einen irgend- 
wo aufgeftellten Rekord um einige 
Sekunden zu fehlagen; das ift Er- 
regung der Senfation, dag wahre 
Gegenteil von Sport. „Stellen 
wir und nur einmal das Bild vor, 
das ung fich bieten würde,” ſagt 
Pudor — „wenn größere öffent: 
lie Spielpläge geſchaffen würden. 
Alle diejenigen, die jahrelang ge: 
durftet Haben, fi) Bewegung zu 
verfchaffen,imisgreien fich zutummeln, 
die ftürzen ſich jeden Feierabend, 
jeden Feſttag in die geſunde Freude 
des Spielens im Freien. 

Da entfaltet fih ein Leben 
auf den grünen Plägen; Tennis, 
da Kridet, dort Golf, Hier fpielt 


Mag wäre des Edjweißes der 
Edlen mehr wert, al3 hier durch— 
greifenden Wandel zu jchaffen und 
mit Starfer Hand morſche Vorurteile 
zu zerbrechen ! 

32. Nüdblid. Wenn wir Die 
vorjtehenden Ausführungen über 
Wert und Bedeutung ded Sports 

kurz vom rein biologiſchen und 
entwirlungsgefchichtlihen Stand: 
punkte aus überbliden, jo gelangen 
wir zu dem unabmweisbaren Schluß, 
den Sport ald eine autontatifche 
Neaktionserfheinung gegen die 
ſchädigenden Einflüffe der durd die 
moderne Zivilifation gejchaffenen 
und bedingten Lebensverhältniffe 
anzuſprechen. Der Sport ift dazu 
berufen, die Fähigfeiten und Eigen 
Ihaften, die im Laufe der Jahr 
taufende im Kampf ums Dafein 
erworben worden jind und die unter 
den veränderten Dafeinsbedingun: 
gen verfümmern müfjen, neu zu be> 
leben und zu erhalten und fo für 
Körper und Geift zum erfrifchenden 


die Jugend, da führen Mädchen | Sungbrunnen zu werben, 


100 | 


SEELE SEHE EEE EEEEELLELELEEELEEREEEHESHES 


II. Reit- und Sahrfporte. 
| Von 
$rhr. D. A. v. Efebeck. 


1. Reitlport. 


33. Einleitung. „Das Para: 
died der Erde,“ fing: Mirza— 
Schaffy, „liegt auf dem Rüden 
der Pferde.” Sind aud) Gefund: 
heit des Leibes und das Herz des 
Weibes gewiß nicht zu verachtende 
Gaben: die idealften Güter auf 
unſerer Mutter Erde blühen doch 
erjt dem, der fie auf flüchtigem 
Roſſe durdftreift. Welche Wonne, 
im jauchzenden Galopp über Heide 
und Brachland, über Hede und 
Graben zu fliegen; und wie 
träumt es ſich gut auf einfamen 
Ritt durch den dämmernden Wald, 
wenn das edle Tier lang aus— 
fchreitet, die Zügel auf dem Hals, 
— wenn der Abendwind in den 
Blättern raufht und der letzte 
Sonnenftrahl über die jchlanten 
Stämme huſcht! Nie jpredhen die 
Wunder der herrlichen Gottednatur 
eine fo beredte und innige Sprade, 
als wenn man jie aus dem Sattel 
haut von dem Rüden eines edlen 
Pferded. Seltſam, unfere Lands— 
leute, in ihren Liedern und am 
Biertiſch jo voller Sentimentalität, 
für eine Gefühlsdufelei diefer Art 
haben fie fein Berjtändnis! Hut 
ab vor deutihem Fleiß und deut⸗ 
Them Pflichtbewußtſein; allein 


| 


— — — — — — — 


etwas mehr von der Sportsfreudig⸗ 
keit unſerer angelſächſiſchen Vettern 
würde unſerem nationalen Charakter 
durchaus nicht ſchaden. 

Wie bei ung für einen Hunting⸗ 
port im engliiden Sinne nicht der 
Boden tft, fo fehlen bierzulande 
auch die Borausfegungen für einen 
allgemein populären Reitjport. Auf 
die Gründe hierfür wird bei Be: 
handlung der Parforcejagd weiter 
eingegangen werden. Der Deutjche 
ift nun einmal fein Naturreiter, 
wie ed der Engländer ilt oder es 
wenigſtens zu fein glaubt; darum 
befhräntt fi der Reitſport in 
Deutfchland nahezu auf die Armee, 
und auch diejenigen Kreije, die ihn 
aus Liebhaberei ausüben, haben 
meift als Reiter eine militärijche 
Schulung genofien. Diejfer Um: 
ftand ift ed gerade, der, meines 
Erachtens, es verhindert, daß der 
Reitſport fih in weiteren Gejell- 
ſchaftskreiſen einbürgert, denn die 
Soldatenreiterei, d. h. die Reitkunſt 
nad) den im Heere geltenden Grund= 
ſätzen, jest eine jo gründliche jyfte- 
matifche Ausbildung voraus, daß 
ed für den Laien eines außer 
ordentlihen Aufmandes von Ba}: 
fion, Ausdauer und — was nid 


Neo. 34. 


am wenigſten ing Gewicht fällt — 
von Zeit bedürfen würde, um eine 
folde zu erlangen; aud wird am 
Scdulreiten nur ein wirklicher Fach: 
mann Geſchmack finden. Der Be— 
rufsfavallerift kann ſelbſtredend auf 
eine gründliche Durchbildung feines 
Pferdes nicht verzichten, denn nur 
dag ins abjolute Gleichgewicht ge= 
jegte Soldatenpferd vermag die 
StrapazeneinerzehnjährigenDienft- 
zeit zu überjtehen. Für den Privat: 
mann dagegen genügt von jeiten 
des Pferdes ein gutes Tempera- 
ment und eine natürliche Gebrauchs: 
haltung, un das Reiten für ihn 
zum Genuß zu machen. Daß beides, 
ein gutes Temperament und ein 
natürliches Geſchick im Gelände, 
den irischen Pferden in fo befon- 
der hohem Make eigen ift und 
darum in England aud jeglicher 
favallerijtiichen Ausbildung (in 
unjerem militärijchen Sinne) bare 
Naturreiter die Freuden des Quer— 
feldeinreiteng ohne Gefahr ge- 
nießen fünnen, iſt vorzugsweiſe das 
Berdienft der Erziehung, die fchon 
dag Füllen auf dem Hofe des iri— 
jhen Pächter genießt. In dem 
Maße, ald aud in Deutfchland der 
Reitſport Gemeingut weiterer Kreife 
wird, wird aud die FKinderjtube 
unferer deutschen Pferde fich beffern; 
denn mit der durch die gefteigerte 
Nachfrage erhöhten Rentabilität der 
Pferdezudt werden die inländifchen 
Züdter auch dem fo bedeutungg- 
vollen Moment der Aufzucht mehr 
Beachtung ſchenken. 

Nachftehend fei in großen Zügen 
das Gebiet geftreift, da8 der Ama- 
teurfavallerift, alſo der eigentliche 
Sportsmann, beherrjchen muß, um 
die für dad Reiten im Gelände 
‚ nötige Sicherheit zu erlangen; erjt 
dort, außerhalb der umſchloſſenen 
Reitbahn blühen dem Saturreiter 
die höchſten Freuden. 

34. Der Sit des Neiters. Der 


Fchr. B. A. v. Efeberk. 
„natürliche Sig beruht Lediglich’ 


auf dem Gleichgemwidt. 

Ohne Frage findet der Anfänger 
dasjelbe leichter auf der Dede; bei 
einem fpäteren Uebergang von der 
Dede auf den Sattel tritt die Ge: 
fahr de Durdreitens erneut zu 
tage. Ich rate daher gleih, den 
Unterricht auf Sattel zu beginnen; 
nur darf dies nicht dazu führen, 


daß der no nidt im leide 


gewicht befindliche Reiter die Beine 
„zum Sitzen“ benußt, d. h. fich mit 
denjelben fejtflanımert. Che das 
Gleichgewicht nicht gefunden ift, 
darf von „Schluß“ noch feine Rebe 


jein! Eignet ſich der Schüler die= 


jen zu früh an, jo verfällt er in 
den Fehler des „Spaltfiges” und 
dies rächt fich, ſobald eine Einwir— 
fung mit dem Schenkel von ihm 
gefordert wird. Alles Steifmachen 
und Klemmen entipringt aus Un: 
fiherheit oder Weberanftrengung, 
daher dürfen anfänglich nur furze 
Reprijen geritten werden. “Der 
Reiter muß zunächſt den tiefiten 
Punkt des Sattel® finden und die— 
jem mit dem Gefäß zujtreben. Um 
in das Gleichgewicht zu kommen, 
muß fih der Reiter in allen 
Körperteilen loslaſſen: nur Kreuz 
und Kopf follen fejtjtehen, ohne 
jedoch Trampfhaft angezogen zu 
werden. 

Sobald die erfte Unftcherheit 
überwunden ift, jchreite man zu 
den Lektionen auf gebogenen Huf: 


ſchlagsfiguren — Zirkel, viel Chan- 


gement?® „dur die” und „aus 
den” Zirkeln, Schlangenlinien u. ſ.w. 
— Das fortgeſetzte Wenden und 
die Biegung des Pferdes auf der 
Kreislinie nötigt den Reiter zum 
Balancieren. Ebenſo wie mit dem 
Salopp, iſt auch mit dem Springen 
jofort zu beginnen; das minimalite 
Hindernis, eine ganz niedrige Hürde 
oder dergl. erfüllt ſchon den Zweck. 
Dabei nehme der Schüler vermehr- 


Si _ El 


II. 1. Reiffporf. Niro, 35. 


ten Kniefhluß und Lüfte ein wenig neigt jet von neuem dazu, ſich 
das Geſäß; — nur feinen „Lebens— | feſtzuklammern und nur mit Schluß 


verjicherungsfig“! Auf feinen Fall 
darf fich der Anfänger beim Sprin- 
gen in den Zügeln fejthalten ; lieber 
Jude er einen Halt in der Mähne. 
Letzteres empfiehlt fi) mehr, als 
in den Sattel zu greijen, was un: 


zu reiten. Der Bügel muß jo ver- 
paßt fein, daß er dem Reiter eine 
Unterftüsung gewährt im Galopp 
und namentlih im Sprunge, wo 
er das ganze Körpergewicht tragen 
jol. Beim Springen wird der 





I. Bochfprung (Koppeltid). 


willkürlich dazu veranlaßt, zu fchwer | Fuß bis zum Abſatz dur den 


mit dem Geſäß einzufigen. 

35. Die Bügel. Sobald fi 
der Sig einigermaßen befeftigt, 
d. h. der Reiter menigftens an 
nähernd das Gleichgewicht gefunden 
bat, befommt er die Bügel. Der 
Uebergang zum „Reiten mit Bü— 
geln“ ift im Ausbildungsgange ein 
fritifher Moment: der Schüler 


Bügel gejchoben; dies erleichtert 
da Halten des Bügels, — fann 
aber, wenn dauernd fo geritten 
würde, ein jteifed Knie erzeugen. 
— Die Bügel werden fcharf nad 
hinten meggetreten, damit die 
Unterfchenfel nit nach vorne 
fliegen, die Kniejcheibe wird nad) 
innen gedreht, um den Schluß zu 


ro. 36-37 


befejtigen, — der jet am Plate 
it! Die Fäufte merden beim 
Springen aufgefegt; die Finger 
öffnen ſich hinreichend, um die 
Zügel durchgleiten zu lafjen. 

Sobald die „Handhabung“ des 
Bügels feine Schwierigkeiten mehr 
bereitet, jäume man nicht länger, 
die Pferde auf Kandare zu fegen. 
Es fragt fi), ob dies nicht zweck— 
mäßig von vornherein hätte ge: 
ſchehen jollen, weil doch die ſchär— 
fere Zäumung das Pferd empfind: 
famer im Maule und den Reiter 
folglich weicher in der Hand madt. 
Demgegenüber bleibt zu bedenken, 
daß während der allereriten Reit: 
verjuche die Pferde durch die Ein- 
wirfung der Hand allzuſehr unter 
der Unficherheit des Sitzes leiden 
würden. 

36. Zäumung Die Kandare 
muß jo verpaßt fein, daß das 
Mundftüf der Kinnkettengrube 
gegenüber liegt, die Kinnkette fo 
eingelegt, daß das Gebiß meder 
ftrogt, noch durdfällt, ſondern 
federt. Der Lehrer überzeuge fich 
davon, daß die Schieber auf den 
Kandarenzügeln leicht beweglich find, 
und wache darüber, daß Scheren: 
fänger einen Scherriemen erhalten. 

37. Führung. Anfangs Iafie 
man die Nandarenzügel nur jo weit 
anjtehen, daß das Gebiß in feiner 
Lage bleibt; beim Springen ftehen 
augsjchlieglic die Trenjenzügel an. 
Bei den Paraden bleiben Oberarın 
und Ellbogen unbeweglich, die 
Fauſt ſtets Har, nur die Meinen 
Singer fteigen. Bei allen Wen: 
dungen, Bolten u. ſ. m. muß das 
Gewicht vorherrfhen,; die Hand 
übermittelt nur dem Pferde die 
Abficht hierzu, zur Ausführung der 
jelben wird das Pferd erjt durch 
Gewicht und Schentel gebracht, wo: 
bei der inmwendige Scenfel die 
Wendung vergrößert. 


Im übrigen | werfen. 
jtehen bei angefaßter Trenfe alle | Unterarme, 


Frhr. B. A. v Eſebeck. 


vier Zügel gleichmäßig an. Sind 
alle vier Zügel in einer Hand ver- 
einigt, fo muß der Reiter ganz 
inftinttiv, ohne binzufehen, das 
Map jedes einzelnen Zügel® modi- 
fizieren fünnen. Die vier Zügel 
müfjen jo glatt unter dem Daumen 
der Zügelfauft aufeinander liegen, 
daß fie ſich vollkommen deden. 

Hat der Reiter das Fundament 
gefunden — leichten, gefälligen 
Hang des’ ganzen Körpers, Gleich- 
gewicht in allen Gangarten und 
beim Springen —, fo ift e8 nun: ' 
mehr an der Zeit, an forrefte ; 
Fauftftelung und vorſchriftsmäßige 
Scentellage zu denfen. Ob die 
Fäuſte aus ihrer vorfchriftsmäßinen | 
Stellung — eine Hand breit über 
dem Widerrift — gelegentlich etwas 
jteigen oder fallen, ift nit jo 
mwefentlih, als daß Ddiefelben un- 
bedingt jenfrecht ftehen und aus 
dem Gelenk getragen werden. Sit 
leßtere8 nicht der Fall, jo hängt 
der Reiter unmeigerlid in den _ 
Zügeln; zieht er obendrein die . 
Pulsadern nach innen ein, fo muß 
jolde Fauft Hart und Trampfhaft 
wirken. Darum müſſen die Hände 
jo getragen werden, wie fie im 
Unterarm angewachſen find, d. h. 
ohne Winkel, in der Verlängerung 
des Unterarms, fonft fehlt ihnen 
die Freiheit zum Einrunden (An— 
nehmen) wie zum Ausdrehen (Nach— 
geben). Steht die Fauſt nicht 
ſenkrecht, ſo daß der Knebel des 
Daumens den hödhften Punkt bildet, 
fo gleiten alle Anzüge am Wider- 
rift herab. Die Finger werden 
lang und gefchloffen in die innere 
Handfläche hineingelegt, nicht hinein: 
gefrallt; macht der Anfänger die 
Finger nicht zu, jo gleiten ihm die 
Zügel beftändig aus der Hand, und 
er verfällt dann gewöhnlich in den 
zweiten Fehler: jich hintenüber zu 
Die Oberarme, nicht die 
werden an den Yeib 





candſtallmeiſter Grabenfee, Dirigent des Landgeftüts Celle. 


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I. 


1. Reitſport. 


Nro. 38—39. 


aelegt; vielmehr werden Hüfte und | machen, ftelle man zuerjt die Pferde 
Bauch an das Ellbogengelent bezw. | beim Angaloppieren fogar ein wenig 


gegen den Unterarm vorgejchoben. 
Wird ein Zügel zu lang, fo darf 
der Reiter niemald mit der Hand 
zurück- — wohl gar mit dem Ell- 
- bogen Hinter die Hüfte — gehen; 
jondern er greife zu und ziehe mit 


der freigemmordenen Hand den Zügel 


durch. Died hat ebenfo mie bei 
alten Wendungen u. ſ. w. zu ge: 
fchehen, fobald das Einrunden der 
Hand nicht mehr hinreicht, um den 
Zügel entſprechend zu verkürzen. 
38. Zujfammenwirfen der Hils 
jen. Die Beine müflen fo lang 
als möglich gemadt werden, die 
Knie wei und rund jein. Das 
Zujfammenwirten von Schentelz-, 
Zügel- und Gejäßhilfen lernt der 
Anfänger durch häufiges Parieren 
und wieder Anreiten. In der Pa— 
rade müffen die Schenkel am 
Pferde liegen bleiben, der Reiter 
muß die Knie vermehrt Trümmen 
und fein Pferd energifch in den 
elaftiichen Zügel hineintreiben, nicht 
im Anzuge verharren. Kriecht dag 
Pferd nad der Parade zurüd, To 
ift died die Duittung darauf, daß 
nur mit der Hand pariert wurde. 
Nur fein Hintenübermerfen, fein 
Stemmen gegen die Bügel: Beides 
der Beweis von fteifen Hüften und 
Knien, — zur Korreltur: fofort 
„Bügel loslaſſen!“ Die durch die 
Parade gewonnene Verſammlung 
darf beim Anreiten nicht wieder 
aufgegeben werden ; die Injtruftion: 
„Anreiten wollen und nidjt laſſen“ 
bezeichnet dies am deutlichiten. 
39. Der Galopp. Zur Ent: 
wiclung des Galopp® werden die 
Pferde auf dem Zirkel „gejtellt“, 
dann angaloppiert, auf die „ganze 
Bahn“ gegangen und gleich wieder 
auf den Zirkel; hierdurch vermeidet 
man, daß der Galopp heftig wird. 
Um dem Anfänger die Theorie des 
auswendigen Zügeld geläufig zu 





— — — — — — — — — — — — —— — — —— ———— —— 


nach außen; wofern nur der aus— 
wendige Schenkel energiſch ver— 
engernd wirkt, iſt dies bei weitem 
der kleinere Fehler, als das Ziehen 
am inwendigen Zügel! Als Vor— 
übung der Seitengänge läßt man 
an der langen Wand zunächſt den 
auswendigen Schenkel meiden, 
dann den inwendigen auf dem 
Zirkel; hieran ſchließt ſich die Lek— 
tion „Vorhand in den Zirkel ge— 
ſtellt“, aus der man auf die lange 
Wand übergeht und auf diefer den 
inwendigen Schenkel weichen läßt. 
Die Kopfjtellung ijt zunächſt völlig 
gleichgültig; fehlerhaft wäre nur, 
wenn der Reiter durch übertriebene 
Stellung nah innen (d. 5. durch 
Ziehen am inmendigen Zügel, ohne 
gegenmwirfenden äußeren Scentfel) 
dag Pferd dazu verführt, auf die 
auswendige Schulter zu taumeln. 
Es folgt das Reiten „mit Stel- 
lung” und in der Kontraftellung 
und fchließlih der zweite Gang. 
Se mehr dur diefe Lektionen der 
Schüler an Einwirkung, das Pferd 
an Haltung geminnt, defto mehr 
vervolllommnet ſich das Ausreiten 
der Eden. Bon vornherein ift dar: 
auf zu achten, daß der Anfänger 
nicht mit dem äußeren Zügel in die 
Ede ftrebt, jondern mit dem in- 
wendigen, der gegen den Hals mwir- 
fend im Verein mit dem inwen— 
digen Schenkel für die Weichheit 
der inmwendigen Seite forgt. Jetzt 
kommt man allmählih dazu, den 
inwendigen Scentel in der Ede 
erweiternd mirfen zu laſſen, um 
endlich diejelbe int zweiten Gang 
auszureiten, wobei der ausmendige 
Scenfel beim Verlaſſen der Ede 
der vorherrichende ift. Vorbedin— 
gung ift bei alledem, daß der Rei— 
ter im ftande ift, jein Pferd durch 
halbe Paraden aufzunehmen und 
daß bei diejen Lektionen z aus⸗ 


Niro. 40. 


wendige Zügel ſtets der führende 
bleibt, fonjt wären diefelben Ber: 
derb! 

Damit der Schüler es Iernt, 
feine Zügelhilfen zu mäßigen, muß 
auch das Reiten auf blanfer Kan— 
dare, d. h. mit losgelaſſener Trenje, 
gepflegt werden. Da mo eg direkt 
gegen das reiterliche Gefühl verftößt, 
wie beim Springen, jollte das Los— 
laſſen der Trenfe verpönt bleiben ! 

Eine zur Entwidlung des Ge— 
fühls fehr nüsliche Lektion ift der 
Kontragalopp, wobei dag Pferd 
gegen die Stellung galoppiert, 
d.h. 3. B. rechts herum im Links— 
galopp. Man entwidelt den Kon 
tragalopp durch Kehrtwendung aus 
der Ede ohne Wechjel oder an der 
langen Wand von einer Ede zur 
andern. Zur Borbereitung dient 
die Wendung „gegen die Stellung”, 
oder man arbeite die Pferde im 
Nenverd. Niemals dürfte Diefe 
Lektion um ihrer felbjt willen ge= 
ritten werden, und jo lange der 
abgefürzte Galopp nicht hinreichend 
verſammelt ift, würde ich unbedingt 
von derfelben abjehen. Um Dies 
zu erreichen, muß der Reiter her: 
ausfühlen, daß die halben Paraden 
auf die Hinterbeine gebracht wer: 
den, d. h. wenn das Pferd mit 
diefen fußt und die Vorhand her: 
ausbringt; im andern Falle wird 
der Galopp durch die halben Pa— 
raden auf die Vorhand nur noch 
rollender. Ein minutiöſes Zu: 
jammenmwirfen von Kreuz: und 
Scenfelhilfen mit dem Zügelanzug 
ift natürlih Borbedingung; fehlt 
der vortreibende Schenkel, jo wird 
der Galopp durch die halben Pa— 
raden wohl verfürzt, niemals aber 
ſchwungvoll. Bernag ſich dag Pferd 
am Kreuz und Schenfel des Rei— 
ter3 jelbit zu tragen, jo wird der 
Galopp nichts an Haltung ver: 
lieren, wenn die Zügeljpannung 
vorübergehend aufhört. 








| 


Frhr. B. AR. v. Efeberk. 


40. QOnadrillereiten. Die vor: 
nehmjte Aufgabe des Reitlehrers 
muß es fein, bei feinen Schülern 
Paſſion zu weden: ohne diefe wird 
er nicht8 erreichen, als im beften 
sale tote Formen. Bor allen 
fann er niemald darauf rechnen, - 
daß jeine Schüler den Verſuch 
machen werden, ſich weiter zu üben 
und zu vervollfommnen, wofern es 
ihm nicht gelungen ift, den Neit- 
unterricht zu einem frifchen, fröh- 
Iihen Sport zu geftalten. Es muß 
daher jeiteng des Reitlehrers ganz 
beſonders das Streben zutage 
treten, auf die Paſſion und das 
Intereſſe der Reiter anregend zu 
wirken. In dieſer Hinſicht wird 
ſich der Lehrer durch die Einübung 
einer einfachen Quadrille ſicherlich 
bei feinen Schülern Dank erwer— 
ben. Die erafte Ausführung der 
Duadrillentouren bei tadellofem 
Sig und ſchöner Haltung der 
Bferde wird nicht nur die Reit: 
fertigfeit der Schüler fördern, ſon— 
dern auch für die Pferde nicht ohne 
Nutzen fein. Eine derartige Qua— 
drillenaufführung, zumal wenn man 
das ſchöne Geſchlecht zur Teilnahme 
im Sattel heranzieht und die Ver— 
anſtaltung obendrein durch ein 
Souper oder Tänzchen krönt, bei 
dem auch die weniger ſattelfeſten 
Damen ihre Rechnung finden, iſt 
ganz beſonders dazu angetan, dem 
Reitſport auch im fernerſtehenden 
Publikum Freunde zu werben. 
Freilich bleibt für ſolche Vorfüh— 
rung, deren Programm man durch 
Schleifenraub, Fahrſchule, Spring— 
touren u. ſ. w. bis zur Höhe cir— 
cenfifher Darbietung ausbauen 
fann, ein vollfommen durdhgeritte- 
nes, d. h. im Gleichgewicht befind- 
lihe8 Pferdematerial, Voraus— 
ſetzung; dies um ſo mehr, je ge— 
ringere Anforderungen an die 
Fertigkeiten der Reiter geſtellt 
werden dürfen. Zum näheren Ber: 


II. 1. Reitfporf. 


ftändnid wird es unerläßlich jein, 
auf das Wejen der „Dreſſur“ in 
Kürze einzugehen. 

41. Zweck der Dreifur. Es 
gibt feine Erklärung für das Wort 
Dreffur, die bezeichnender wäre, al3 
der von Plinzner gebraudte 
Ausdrud „Pferdegymnaftif“. Der 
Zurnunterridt fol den Menjchen 
zum Herrn feiner Gliedmaßen 
maden, ihn lehren, diejelben jelb- 
jtändig und voneinander unab= 
bängig zu gebrauden; hierdurch 
werden Kraft und Muskulatur 
jedes Körperteild gleichmäßig ent- 
widelt, der Menſch in das Gleich— 
gewicht gebradt. Das gleiche be- 
jwedt die Drefiur des Pferdes. 
Bon Haufe aus befindet fich dieſes 
nicht im Gleichgewicht, ſondern in 
einer übermäßigen. Richtung auf 
die Vorhand, d. 5. es ſtützt die Laſt 
des eigenen Körpers vorwiegend 
auf die DBorderbeine. Beobachtet 


Niro. 41—42, 


auf die Hinterhand zu verlegen und 
die dag Durchgehen der Zügelan- 
züge auf die Hanken gemährleijtet. 

42. Die Berfammlung Wer 
je einen größeren Dauerritt aus— 
geführt hat, der wird an fich jelbit 
die Notwendigkeit erfahren haben, 
jein Pferd ununterbrochen in der 
Berfammlung zu erhalten, denn 
dies ift dag wirkſamſte, wenn nicht 
das einzige Mittel, um den Geh: 
trieb des Pferdes rege zu halten 
und der Ermüdung desjelben ent- 
gegenzumirken. Nur in der Ber 
ſammlung vermag das Pferd hoch— 
zutreten und die Beine unterzu= 
ſchieben; erſteres verhütet das 
Stolpern des Pferdes, letzteres ein 
vorzeitiges Abnugen der Vorhand. 
Nur der Schwung der Hinterhand 
ermöglicht dem Pferde dag Weber- 
ſpringen fchwerer Hinderniffe und 
fihert Roß und Reiter vor den 
Sturz. Ein Uebergewicht des Pfer- 


man da3 Herumfpielen der Fohlen | des auf Kopf und Schulter wären 
auf der Weide, jo fieht man, daß | hier geradezu Gefahr! Eine harte 


diefelben aus der ſchärfſten Gang- 
art ausfchlieglich auf der Vorhand 
parrieren. So lange das junge 
Tier nicht? weiter zu tragen hat, 
als fein eigenes Gewicht, mag dies 
ohne Nachteil geſchehen, mollten 
wir aber das Pferd in diefer Na 
turbaltung jahrein jahraus weiter 
reiten, jo würde dies bald eine 
Gefahr für Roß und Reiter be- 
deuten; abgejehen davon, daß die 
ausſchließliche Richtung des Pferdes 
auf die Vorhand und niemals für 
den Gehorfam des Pferdes die un- 
erläßliche Sicherheit geben würde. 
Zweck der Drefjur muß es mithin 
fein, das Pferd in eine Gemohn- 
heit3haltung zu bringen, die ihn 
geitattet, die Laft des Reiters und 
fein eigenes Körpergewicht gleich: 
mäßig mit Bor- und Hinterhand zu 
tragen bezw. — mie bei den Ba: 
raden, bein Anfpringen zum Ga— 
lopp u. |. w. — beides vermehrt 


Fauft, ungenügende Schenfelmir- 
fung und ſchwerer Sit des Reiters 
tragen dazu bei, dag Pferd auf die 
Borhand zu richten. Wenn troß- 
dem ein Meifter wie Fillis bei 
dem Reitpferde eine Verfammlung 
nur als „wünſchenswert“ bezeichnet, 
jo erklärt fich dies aus feiner Auf- 
fafjung der Berfammlung: Fillis 
erfennt nur eine „Verſammlung“ 
in der „Aufrichtung” an; Diefe 
ftellt allerdings zu hohe Anforde- 
rungen an dag Pferdematerial, als 
daß fie fi) durchführen ließe. Da— 
ber glaubt Fillis, daß die all- 
gemeine „Promenadenreiterei” ſich 
auf die Anfangsgründe feines Sy: 
ftem3 befchränten muß. Was er 
von der Ausbildung des Reit— 
pferdes verlangt, iſt nicht mehr 
als dag ABE der Drefjur oder mit 
anderen Worten: „Schenfelgehor- 
fam und Gleichgewicht im Schmun= 
ge”. — „Die Haupttugend Des 


Nro. 493. Frhr. B. A. v. Eſebech. 


Reiters,“ ſagt Fillis, „iſt die Dreſſur. Fillis arbeitet ſelbſt 
Liebe zu ſeinem Pferde; dieſe nur in dem korrekteſten Sitz und 
ſchwindet zugleich mit dem Intereſſe ſieht darin auch das einzige un— 
am Reiten, ſobald der Reiter den fehlbare Mittel, um jeden Menſchen 
Zweck der Lektion nicht einſieht. zu einem ſicheren Reiter zu er— 
Künſteleien in der Dreſſur führen ziehen. Unbedingte Sicherheit in 
dazu, daß der Reiter durch das der Beherrſchung ſeines Pferdes 
Pferd und das Pferd durch den muß und kann von jedem Reiter 
Reiter zu leiden hat. Nur das verlangt werden; den perſönlichen 
horizontale Gleichgewicht iſt für das Reiterakt zu erſetzen, wird aber oft 
Reitpferd unerläßlich; eine Ber: Sache des Reitlehrers bleiben. 
ſammlung iſt wohl wünſchenswert, 43. Das Gleichgewicht. Fillis 
aber nicht durchaus zur Bedingung wie Plinzner, beide erſtreben in 
zu machen; es wird genügen, wenn ihren Dreſſurprinzipien ein gleiches 
der Reiter in der Lage iſt, erfor- Ziel: das Gleichgewicht des Pferdes; 
derlichenfalls den Kopf ſeines Pfer- beide bedienen ſich zur Erreichung 
des wieder in diejenige Stellung | desſelben des Schwunges der Bor: 
zu bringen, „von welder das | wärtsbewenung. Die Bollfonmen- 
Gleichgewicht abhängt“. — Dieſe | heit des Gleichgewichtes erblickt 
Stellung ift die unbedingte Bei: | Fillig in der Aufrichtung, d. D. 
zjäumung am Zügel oder, wie in der Biegung des Genides bei 
Fillis es nennt, „die Stellung | hohen Halſe, Plinz ner dagegen 
in die Hand“. in der unbedingten Beizäumung, 
Den Fillisſchen Grundfaß der  d. 5. in der Biegung des ganzen 
Aufrichtung hält Blinzner nicht | Halfes. Sch alaube, wir können 
für allgemein durdführbar, weil | beides fehr wohl miteinander ver— 
derjelbe nur auf Pferden mit be= | einigen: erftreben wir fo viel Bei— 
jonders Ffräftigen Rüden anzumen= | zäumung, als es die Rüdenauf- 
den fei. PBlinzner, der ehe- | wölbuna und das Unterfchieben der 
malige Leibftallmeijter des Kaifers, | Hinterbeine erfordert, und gehen 
will das Gleichgewicht durch un- | wir in der Aufrichtung nur fo weit, 
bedingte Beisäumung erreichen; daß das Pferd noch im ftande ift, 
damit macht er wieder zu hohe den Küden zu mölben und die 
Anſprüche an das Durchjchnitts- | Dinterbeine unterzufegen. — Die 
reitermaterial, denn ein Mißver- goldene Mitteljtraße mird wie 
ſtehen feiner Beizäumungstheorie | überall auch bier am ficheriten zum 
wird dazu führen, die Pferde zu | Ziel — Gleichgewicht führen. | 
ftarf auf die Schulter zu richten. Beizäumung, Rückenaufwölbung 
Plinzners Syſtem, namentlich) | und Hanfenbiequng find die Drei 
jeine Beizäummmgslehre, verlanat | Faktoren des Gleichgewichts, denn 
ein jo bejtändiges.Wechjeln, ein fo | dieſes beruht aleichmäßig auf Bor: 
feines Jneinandergreifen aller Hil= | hand, Mittelhand und Hinterhand. 
fen, mie es wohl faum in der) Die größere Hälfte des Jahres 
Fähigkeit eines DurchjchnittSreiters | hindurch reiten wir unfere ‘Pferde 
Tiegt. Bei diefem müſſen häufig vorwiegend, um nicht zu jagen aus: 
Gefühl und perjünlicheg Verſtänd— ſchließlich auf die Schulter; daher 
nis durch feſtſtehende — er- müſſen die Richtung auf die Mittel: 
feßt werden. Plinzner betrachtet | hand und auf die Hanfen den 
den vorgejhriebenen militäriſchen Pferde durch die Bahndrefjur zur 
Sit häufig als ein Hindernis der | zweiten Natur gemacht werden, 





II. 1. Reiffport. 


Jeden Tritt, den das Pferd außer 
dem Gleichgewicht macht, bezeichnet 
Plinzner als einen Beilrag zu 
feiner fchnelleren Abnugung. Er: 
ziehen wir ung ſelbſt dazu, unfere 
Pferde im Gleichgewicht zu reiten, 
jo wird dies unferem eigenen Geld- 
beutel zu aute foınmen. 

44. Neiten im Gelände. So 
lange der Anfänger jih im Sattel 
nicht hinreichend ficher fühlt, um 
ohne Unbehagen einen längeren 
Ausritt zu machen, wird ihn der 
Unterridt in der umfdlofjenen 
Reitbahn ohne Zweifel mehr für: 
dern. Unter normalen Umjtänden 
wird man jedoch mohl ſchon am 
Ende der erjten Woche ſich ins 
freie wagen fönnen. „Dort im 
Gelände,” fant Generalv. Rofen: 
berg, „beginnen die Uebungen, 
die ung erft einentlid) zum Kavalle: 
riften machen.” Es veriteht fich 
wohl von felbft, daß man Reitern, 
die völlig auß der Uebung jind 
oder ſolche nie befefjen haben, nicht 
am erften Tage einen Jagdgalopp 
über grobe Hinderniffe zumutet. 
Im Gelände follte die vornehmite 
Aufgabe des Reitlehrers darin be— 
ftehen, Paſſion zu wecken und durd) 
Ineinklangſetzen feiner Anfoıde: 
rungen mit den individuellen Fähig— 
feiten, Wagenıut und Gelbitver: 
trauen feiner Schüler zu fteigern. 
Macht einen dag Reiten im Ge: 
lände fein Vergnügen, jo verjteht 
der Neitlehrer nicht fein Gefchäft. 
Um nad einer Galoppreprije im 
500 Edhritfenro durd tiefen Bo⸗ 
den, mit frifhen Pferd an das 
Ziel zu fommen, ift es unvermeid- 
li, etwas von dem traditionellen 
„torreiten” Sit der NReitbahn über 
Bord zu werfen. Der Reiter muß 
e3 gelernt Haben, im Bügel ftehend, 
den Rüden zu entlaften und aud 
im fchärfiten Galopp fein Pferd in 
die Hand zu ftelen. Auf einem 
großen Zirkel, dann auf der ge: 


Nro. 44-45 


raden Linie müſſen die Lungen 
von Reiter und Pferd dur all: 
mählih fi) fteigernde Galopp: 
reprifen in Kondition gebracht 
werden. Wenn möglich, lege man 
zum Schluß einige Hinderniffe in 
den Galopp, ald Probe für den 
Sig. Hat man dieſes ein= oder 
zweimal wiederholt, jo Tann man 
fi geiroft in das Gelände wagen 
und es mit einer leichten Schnitzel⸗ 
jagd verfuchen. 

45. Schniteljagd. Um dem 
Charakter der Parforcejagd mög— 
Lichft nahe zu fommen, müfjen die 
als Hunde fungierenden Reiter tat- 
fählih auf der Papierfährte jagen, 
ohne den Weg zu kennen, den der 
Träger der Fuchsſsrute genommen 
bat; le$terer darf alfo nicht „a 
vue“ vor dem “Felde berreiten, 
fondern taucht erft in leßten Sta: 
dium der Jagd überrafchend vor den 
Hunden auf. Wird dieſen das 
Suden der gejtreuten Schnikel 
durh den Wind erichwert, fo daß 
die Verfolgung eine Unterbrechung 
erleidet, fo trägt dies nur dazu 
bei, daS Bild der Jagd mwahrbeits: 
getreu zu geftalten. Daß diefe Art 
der Schnikeljaad zum mindeſten 
für die ald Hunde reitenden Herren 
lehrreicher ift, ald wenn Hunde und 
Feld dichtauf hinter dem Fuchs her: 
jagen, wird niemand beftreiten 
fönnen, der je hinter Wild und 
Hunden geritten if. Da auf der 
Papierfährte durch Fehler der 
Hunde, ebenfo wie auf der Wild: 
fpur jederzeit Stodungen entjtehen 
fünnen, fo ift der Maſter genötigt, 
das Feld in größerem Abftande 
von den Hunden zu halten; hier— 
durh wird das Tempo der Jagd 
rubiger und gleichmäßiger, als wie 
man es meift bei Schnigeljagden 
fieht. Auf der Schleppjagd forgen 
die Hunde ſchon für ein gleich): 
mäßige8 und fließendes Tempo; 
bei Schnigeljagden fehlt diejer ni: 


Nro. 46. 


vellierende Einfluß und diefelben | 
arten daher nicht jelten in ein freiem Wild gejehen: 


fopflojes Juren aus; gerade Die 
Ungleihmäßigfeit des Tempos tft 
ed, die die Pferde heftig mad. 
Abgeſehen hiervon wird bei den 
 Schnigeljagden oft das Unglaub— 
lichſte geleitet, um von dem Wert | 
und Weſen einer Reitjagd bei dem 
Neuling die unnatürlichiten Vor- 
- ftellungen zu weden. Gin fogen. 
u Maiter” 3. 3. 


—D 
ir 
x 







2 










Weg zu paſſieren war, die Wagen— 
geleiſe auf demſelben zuſchütten, 
zugewachſene Gräben räumen, uns 
faire Stellen abwiepen u. ſ. w. 
Wie oft habe ich, wenn ich das 


geſucht hatte, unliebenswürdige Be— 
erfungen gehört, weil e3 einen 
Stopp gab, oder weil das Feld 
fi vermeiden, ein Geböft zu paſ— 
deren oder dergleichen. Die Herren, 


Frhr. B. AR. v. Efeberk. 





| feiten fennt, 


ltes, fobald ein 


Terrain zu einer Schniteljagd aus: | 





wohl nie eine aute Jagd inter 
wie froh ift 
man auf todmüdem Pferde, wenn 
es nach einem Meilengalopp hinter 
dem Schwein oder Schaufler einen 
Stopp gibt! Wer die Schwierig: 
wenn man beim Aus— 
ſuchen des Jagdterraind fortaejegt 


Bauernfelder zu paſſieren hat, der 


weiß ſehr wohl, daß aus Rückſicht 


auf Flurſchaden u. ſ. w. Unnatür: 


keiten nicht immer zu vermeiden 





2. Grabenſprung. 


ſind; allein ſie werden ſich um 
vieles leichter überwinden laſſen, 
ſobald man hin und wieder den 
Jagdgalopp unterbricht, um auf 
einer Dorfſtraße abzubrechen oder 
ein unfaires Geländeſtück in kürzerer 
Gangart zu paſſieren. 

46. Point-to-Point-Rennen. 
Neben den zahlreihen „mounted- 
paper-bag-chase-clubs“ fteht in 
England noch ein Zmillingsjport 
der Neitjagd in hoher Blüte, die 
point-to-point-races, die nament⸗ 


en — — 


11. 1. Reitſport. 


ih in den Kreifen der Armee ge: 
pflegt werden. 8—10 Kilometer 
vom Start bezeichnen zwei große 
weiße Fahnen den Siegespfoften. 
Der Kurs führt fehnurgerade über 
jede beliebige Gelände. Eine 
Gegend, die nicht zu jchwierig ift, 
um binter den Hunden zu reiten, 
ift auch für ein Point-to-Point- 
Kennen nicht ſchwierig. Nur dafür 
muß deforgt fein, daß auf zwei 
Kılometer zu beiden Seiten der 
Linie vom Start zun Ziel fich fein 
Drabt befindet, desgleichen darf 
über das Ziel kein Zweifel herr: 
fen, fei es ein Kirchturm, eine 
Baumgruppe oder ein hoher Berg. 
Wenn man auf zehn Kilometer im 
Umkreis keine weithin jichtbaren 
Direktionspunkte findet, jo werden 
ſolche errichtet: ein hohes Holz: 
gerüft und zwei zufammengenähte 
Laken. Abgeſehen von Unfällen, 
muß der beite Mann im Sattel 
gewinnen, und die Point-to-Point- 
Jagd ift das, was fie wirklich vor⸗ 
ftellen jol: 25 Minuten querfeld- 
ein und die beite annähernde Nach⸗ 
ahmung einer Jagd, die ohne Hunde 
möglich ift. Der SCarlof&avan 
befchreibt ein Point-to-Point zwi: 
[hen den Grenadier- und Gold: 
ftream:Guards: Das Feld murde 
drei Kilometer ſüdlich der großen 
Weſtbahn entlaffen, etwa 11 Kilo: 
meter öſtlich der Kirche von Swin⸗ 
don, die auf der ganzen Strede 
deutlich fihtbar war. Der Haupt: 
reiz lag darin, dab wir ſchon nad 
den erften zwei Kilometern wie in 
einer Schmärmattade über das 
Feld zeritreut waren; jeder einzelne 
ritt nad) eigenem Gutdünken, jeder 
nah jeiner Anfiht den nächſten 
Weg. Drei berühmte Yagdreiter 
fprangen aus drei gänzlich ver: 
ſchiedenen Richtungen in die le&te 
Koppel hinein. Die Goldftreams 
belegten die beiden erften Pläte, 
aber die Grenadiere die ſechs 


Nro. 46. 
nädjften, jo daß fie durch die 
Pointzahl gewannen. Der Wert 


eines ſolchen Wettfampfes ift der, 
daß jeder einzelne fein Beſtes her: 
geben muß, bis er das Biel paffiert 
bat, denn jeder Punkt zählt, und 
der letzte Reiter, der einfommt, 
fann unter Umjtänden den Aus: 
ihlag geben und feiner Partei zum 
Siege verhelfen. Es Heißt jeden 
Rumpler ausfigen, um am Biel 
einzutreffen. Es ift eine befondere 
Kunft, ein: ſolches Rennen als 
Gruppe zu reiten. Süngere, uner: 
fahrene Reiter erhalten die In— 
ftruftion, fih einem überlegenen 
Piloten an die Gurten zu hängen 
und fit) von diefem biß an die 
legten Sprünge vor dem Sieges— 
pfoften führen zu laſſen. Dann 
muß jeder jehen, wie er einfommt, 
dem Sieger fo nahe als möglich, 
denn jeder Platz bringt feine Ehre, 
nidt nur die Drei vorderften. 
Analoge Konturrenzen, jogenannte 
„Hunt-Point-to-Points“ werden 
auch zwifchen den englifchen Jagd 
gejellfchaften veranftaltet und all: 
jährlich abwechjelnd in dem Gelände 
der verjchiedenen Meuten abge: 
balten. Die Auswahl der Reiter 
ift Aufgabe des Maſters. Ein 
Wanderpreis mird von den Yagpd: 
gejellichaften gemeinſam aufgebradit. 
Der eigentliche Sieger erhält den= 
felben für daS laufende Jahr, 
während die Namen der NReiter 
ringg um den Sodel eingraviert 
werden. Die Namen der beiten 
Reiter jeder Jagd werden dadurch 
der Nachwelt überliefert, und die 
Ehre, feinen Namen dort genannt 
zu wiſſen, iſt ficher höher anzu= 
Ihlagen, als der Ehrenpreis für 
den Sieg über den geflaggten Kurs. 
„In den meiſten Fällen,” fo fchreibt 
der Earl of Cavan, „it ein 
Point-to-Point gänzlich verfehlt. 
Helen werden bejcnitten und 
zurechtgeſtutzt, jchwierige Stellen 


ro. 47. 


werden ſorgſam ausgeflaggt, und 


der Anfänger, der fein erftes 
Nennen reitet, hat diefelbe Chance 
zu gewinnen, wie der ältelte Jagd: 
reiter. Der Scharfe Blid, Die 
raſche Entiehlußfähigfeit, die nur 
durd) jahrelange Uebung im Jagd— 
felde erzogen wird und die in 
ſchnellſter Fahrt die rechte Stelle 
zum Abfprung findet, fommen aar 
nicht zur Geltung. Der Kurs ift 
nit zu fehlen und das Hürden- 
pferd, das ein Berfaufsrennen ge: 
wonnen bat, ijt hier dem erprobten 
Hunter überlegen. Der Bollblüter 
im Sagdfelde joll damit durchaus 
nit verpönt fein, im Gegenteil, 
aber er foll ehrlich den ganzen Tag 
hinter den Hunden gehen. Schwierig: 
feiten bei Auswahl des Geländes 
machen nicht Die Bächter und Bauern, 
fondern die Pferdebefiter, die be: 
haupten, ein Reiten querbeet fei zu 
gefährli, die Bahn dürfe nur über 
Srasnarbe gehen. Hat man die 
Grlaubni3 der Srundbefißer, was 
tut es, ob man über Wieje oder 
Sturz reitet, ob man ein Hindernis 
überfpringen fann oder es durch— 
Klettern muß? Auge und Urteilsfraft 
jollen gefhärft und geprüft werden, 
dann erfüllt das Point-to-Point 
jeinen Zweck. Se marfanter die 
(Srenze zwifchen Steeple-Chaise- 
und Point-to-Point-Rennen gezogen 
ist, deito beiler ift eg für beide. — 
Alſo fort mit Mendeflaggen, mit 
geräumten oder künſtlich verbeſſerten 
Gräben, zugeſchütteten Wagenſpuren 
und dergleichen, fort mit allem, 
was an den Springgarten- oder 
Stécple-Chaise-Kurs erinnert.“ 
Soweit der engliſche Gewährs— 
mann. Auch in Deutſchland ge— 
winnt der Querfeldeinſport allmäh— 
lich Boden, nachdem 1907 der Lau— 
ſitzer Rennverein zum erſtenmal 
mit einer derartigen Ausſchreibung 
größeren Stils vor die Oeffentlich— 


Irhr. H. AR. v. Eſebeck. 


20 Kilometer-Rennen, das in der 


Umgegend von Kottbus gelaufen 


wurde. 

47. Querfeldein-Rennen. Die 
derzeitige Entwicdlung des Hindernis⸗ 
fport3 hat es zumege gebradt, daß 
die weniger fchnellen Pferde der 
feinen Privatftälle heute gegen die 
Konkurrenz der großen von pro= 


fejfionellen Trainern geleiteten 
Hindernigftälle faum nod eine 
Chance haben. Dem gegenüber 


dürfte der Querfeldeinfport eine 
Wendung herbeiführen, die umfo: 
mehr dem inländifchen Züchter zu— 
gute fommen muß, als gerade die 
Heinen SHindernisftälle in erjter 
Reihe berufen find, für die ein- 
heimiſchen Geſtüte den Markt zu 
bilden. Sn dem Maße als Ge: 
borfam und Geſchicklichkeit des 
Pferde in den Hindernisrennen 
den Mangel an Klaſſe (Schnellig- 
feit) zu erjeßen vermögen, geminnt 
der Sportsmann die Ausficht, feine 
Mühen und Opfer belohnt zu ſehen. 
— Die Nachfrage nad) inländiſchem 
Material wird fi heben. 

ALS vornehmfte Forderung muß 
einer ſolchen Propofition zur Be— 
dingung gemacht werden, daß der 
Duerfelveincdarafter bei der Prü— 
fung gewahrt bleibe; hieraus er: 
aibt fich die Notwendigkeit, die Ab: 
haltung von Querfeldein⸗Rennen 
auf die Zeit zu befchränfen, in der 
die Felder frei find. Bei Bemeſſung 
der Gewichte follte man nicht ver: 
gejien, daß der Querfeldeinſport 
nit den Herren mit fogen. Renn— 
gewicht vorbehalten bleiben fol, 
und daß ein Jagdpferd aud mit 
zwei Zentnern und mehr auf dem 
Rüden über jedes Gelände gehen 
muß. Ob das „Uuerfeldein” als 
Iennen oder als Reiten abzuhalten 
jei, mögen die jeweiligen Verhält- 
niſſe — Gelände, Zahl der Teil: 
nehmer, event. NRüdfiht auf das 


keit trat. Es handelte fid) um ein | Publikum, und nicht zulegt Qua⸗ 


1I. 1. Reillport. 


lität der Preisrichter — entjcheiben. | 
Adgefeben von den technifchen 
Echmwierigfeiten, die hieraus den 
Preisrihtern erwachſen würden, 
ift gegen den Einzelftart einzu: 
wenden, daß Hinderniffe und Geläuf 
ſich möglicherweiſe den binteren 
Reitern in ganz anderem Zuftande 
präfentieren, al3 den vorbderiten ; 
die legten Reiter würden zudem 
nur den Huflpuren der erften zu 
folgen braudden, wären aljo jenen 
gegenüber über einen unbefannten 
Kurs erheblid im Borteil. Im 
Falle eine Rennens ift jedenfalls 
der Gejamtftart vorzuziehen, weil 
für die Bewertung des Sieges einen 
reeleren Maßſtab bietend. Beim 
Gruppenftart bleibt dem Zufall zu 
viel Spielraum. 3.8. der Sieger, 
der tatfähhli die Strede in der 
fürzeften Zeit zurüdlegt, wäre 
vielleiht bei reellem Endkampf 
nit imftande, den zmeiten zu 
fhlagen, der in einer anderen 
Gruppe als erfter einfam, aber 
einige Sekunden mehr gebraudite, 
weil er von feinen Konkurrenten 
innerhalb der Gruppe gar nidt 
geamungen wurde, fi) zu jtreden. 

Es fragt fih, ob die Querfeld⸗ 
einbahn überhaupt auch unmittelbar 
vor dent Rennen zu zeigen fei! 
Da man bei dem offiziellen Ab- 
gehen der Bahn es niemand wird 
mehren können, fih an Bülchen 
oder dergleichen nur den Betreffenden 
erfennbare Orientierunggzeichen ans» 
zubringen, fo iſt es vielleicht fairer, 
wenn man das Rennen nad Art 
des englifhen Point-to-Point nur 
nach weit ſichtbaren Richtungsflaguen 
laufen läßt, die den Kurs fo deut: 
lich machen, daß man von dem 
Zeigen desſelben abſehen Tann. 
In Kottbuß haben fih an Stelle 
. ber üblichen roten, orange Flaggen 
vorzüglich bewährt, weil auf jedem 
Hintergrund, unabhängig von der 
Beleuchtung, fihtbar. Eins fei 


Nro. 47. 


nicht vergeflen: Je mehr Flaggen, 
defto mehr öffnet man Smeifeln 
und damit der Möglichkeit zu Pro⸗ 
tejten die Tür; auch Surveillancen 
an den Hinderniffen führen leicht 
zu Mißhelligkeiten. Beides läßt 
fih durch die Lage der Hindernifje 
bezw. geſchicktes Einbauen derjelben 
im Gelände tunlichft bejchränfen. 
Ver, um mit White-Melpville 
zu reden, „Disfretion” höher ein⸗ 
hätt als „Baleur“, dem mag e3 
unbenommen fein, einen zeitrauben: 
den Ummeg zu madjen; wer aber 
fih nicht fcheut, feine Haut und die 
Knochen feines Pferdes einzufegen, 
dem darf aud der Kohn nicht vor: 
enthalten bleiben, denn — Siegen 
ift der Zweck. Dieſe Erwägung 
wird den Reiter, bei dem die ge: 
nannten Tugenden — Kopf und 
Herz — ſich richtig die Waage halten, 
davon abhalten, fein Pferd zu 
überpacen, und ihn veranlaffen, 
im rechten Augenblick defjen Kräfte 
für den gegebenen Moment aufzu: 
ſparen. Hierdurd kommen Gleid): 
gewicht, Durdläffigfeit, Gehorſam 
des Pferdes, beim Reiter Urteils: 
vermögen und Entichlußfähigfeit 
noch in weit höherem Maße zur 
Geltung, ala auf der öffentlichen 
Rennbahn. Während in: offiziellen 
Sport ſchon die Routine ausreicht, 
um felbjt ein fremdes Pferd über 
eine öffentliche Rennbahn zu fteuern, 
wird nur der, der fein ‘Pferd ſelbſt 
vorbereitet hat, das ſelbe mit einiger 
Ausfiht auf Erfolg über einen 20 
Kilometer: Duerfeldeinfurs bringen. 
Hierin liegt der vornehmfte Wert 
des Duerfeldeinfport3. 

Wenn fchen vom militärischen 
Standpunkt zu wünſchen ift, dab 
fünftige Querfeldeinausichreibungen 
nicht auf das aktive Offizierforps 
befchränft bleiben, fo liegt Dies 
ebenfo fehr im Intereſſe der Yandes: 
pferdezudht, denn der Querfeldein— 
{port eröffnet derfelben ein neues, 


Nro. 48—49, 


Rentabilität verheißendes Gebiet, 
auf dem meitere Kreile der Bes 
völferung dem Sport gewonnen 
und für die Pferdezucht intereffiert 
werden können. Sin dem Maße, 
ald die Querfeldeinrennen der ins 
ländifhen Zucht rejerviert bleiben, 
werden fie dem deutfchen Züchter 
neue Abfatgebiete erjchließen. 

48. Stafettrennen. Einem höchſt 
originellen Wettbewerb diejer Art 
wohnte ich gelegentlich eines Be: 
ſuches in der däniſchen Hauptitadt 
bei. Es handelte fi dabei um 
eine Beranftaltungdes Kopenhagener 
„Sportride Klubben“, die den Sport: 
enthufiasmus8 aud) der privaten 
Kreije Kopenhagens im hellen Lichte 
zeigte. Das Greignis, das troß 
prohender Wolfen und der frühen 
Morgenjtunde eine große Zahl von 
Zufhauern aller Gejellichaftsflaffen 
zu Fuß, zu Roß und zu Wagen 
ind Freie gelodt hatte, war ein 
fogen. „Stafettrennen”, das in 
Gruppen von je dreien abfolviert 
wurde. Diejenige Gruppe, die die 
in drei Etappen geteilte Gefamt- 
ftrede (16 km) in der fürzeiten 
Zeit zurüdgelegt hatte, mar ſieg— 
reich. Vom Start brachte der erite 
Reiter jeder Gruppe eine fuvertierte 
Meldung nad) der 5800 m ent: 
fernten Kontrollftation I, wo Nr. 2 
der Gruppe ihrer bereit3 harrte, 
um fie dem Kontrollpoften II zu 
übergeben. Die Entfernung zwischen 
beiden Kontrollen betrug 4600 m, 
wovon ca. 3800 m durch das 
Terrain zurüdzulegen waren. Bon 
dem zweiten Poſten wurde das 
Kuvert durch den dritten Partner 
jeder Gruppe an das Ziel befördert. 
Bon den 5400 m der Endftrede 
waren etwa 3600 m querfeldein zu 
reiten, der Reit auf Wegen. Die 
nahezu 6 km betragende Anfang3- 
etappe war faſt durchweg „cross- 
country“ zurüdzulegen. Die Haupt: 
Ihmierigfeit der Aufgabe beftand 


Fıhr. 5. M. v. Eſebeck. 


in dem Weberwinden eines Waffer: 
laufes, der auf jeder Etappe zu 
überjchreiten war. 

Auf Einladung eines der Preis: 
richter wohnte ich dem Rennen zu: 
nächſt auf Kontrollftation I bei. 


Nachdem der legte der mit 10 Mi- 


nuten Zwiſchenraum geftarteten 
Reiter eingetroffen und fein Partner 
abgeritten war, begaben wir ung 
auf einem kürzeren Wege nad) dem 
Biel, wo wir rechtzeitig anlangten, 
um den zweiten Reiter (Nr. 3 der 
dritten Gruppe) einfommen zu fehen. 
Erft 11 Minuten fpäter traf Nr. 3 
der zweiten Gruppe ein, deſſen 
Partner Nr. 2 fih durch einen 
Umweg auf der zweiten Etappe 
verfpätet hatte. Damit ſchien der 
Ausgang zuaunften der dritten 
Gruppe entjhieden zu fein, ein 
Refultat, das um fo freudiger von 
allen Anmwefenden begrüßt wurde, 
al3 gerade diefe Gruppe die Se: 
nioren des Feldes vereinigte, alle 
drei Herren diefer Abteilung ftanden 
nahe den Fünfzig. Leider jtellte 
es fich fpäter heraus, daß einer 
derfelben auf Kontrolle II ver: 
fehentlih ein falſches Kunert ab: 
geliefert hatte, jo daß propofitiong: 
gemäß aud feine beiden Partner 
disqualifiziert werden mußten. Die 
für den Sieg ausgeſetzten Drei 
Chrenpreife mußten demnach Der 
vierten Gruppe zugefprochen werden, 
die die Gefamtfireden mit Dem 
nächſtbeſten Rekord, nämlich in 39 
Minuten, zurücdgelegt hatte. 
Nachdem der letzte Reiter den 
Endpunkt der Relaislinie erreicht 
hatte, wurden die Pferde der Teil: 
nehmer durch die Preisrichter unter 
Aftiftenz eines Veterinär? an Der 
Hand auf ihre Kondition gemuftert. 
49.ConcoursHippiques. Eine 
Nachahmung dieſer eigenartigen 
Konkurrenz würde in dag Programm 
unjerer Concours-hippique eine 


anregende Abwechslung bringen. 


U. 1. Reikſport. Niro. 49. 


Erfreulicherweife bürgern fi) die | Intereſſe der Allgemeinheit am 
Concours-hippiques von Jahr zu | Pferdefport wachzurufen. Während 
Sahr mehr bei uns ein; alle grö= | die Drefiurprüfungen wohl immer 
Beren Pläte, an denen überhaupt | die Domäne der 'Berufsreiter, in 





jr ne dem Album ber —— 
de 5. Hochſprung. 





Aus dem Album der Sportwelt. 
Mt 4. Weitſprung. 


von Sport die Rede iſt, wie Berlin, erſter Linie der Kavallerieoffiziere, 
Hamburg, Frankfurt a. M., Königs- bleiben werden, bilden die Spring— 
a berg u. j. w. weifen heute derartige | konkurrenzen, und vor allem die 
* Veranſtaltungen auf, die ganz be- Qualitätsprüfungen, bei denen nur 
ſonders dazu berufen find, das das Exterieur, die Schönheit des 


Nro. 90—51. 


Pferdes und die Korrektheit feiner 
Adjuftierung bewertet werden, das 
eigentlide Yeld, auf dem Paſſion, 
Geſchmack und Verftändnis des 
Privatmanns ſich betätigen fünnen. 

50. Diftanzreiten. Ein bejon: 
ders reizvolles Gebiet des Reit— 
fportes ift das Diftanzreiten. 

Kur wer felbit einen Dauerritt 
gemacht hat, weiß, welche Fülle von 
Belehrung der Neiter aus den fich 
dabei ergebenden Situationen zieht. 
Im NRennfport mit feinen unſchätz⸗ 
baren erziehlihen Momenten ver: 
mögen finanzielle Leiftungsfähiafeit, 
die Inanſpruchnahme erftflaffigen 
Perſonals 2c., in vielen Punkten 
perfönliches Verſtändnis zu erfegen; 
bier aber auf jolch längerem Diftanz: 
ritt iſt es wie im Felde, „da tritt 
fein anderer für ihn ein“. Bon 
dem Aufichlagen eines falten Eifens, 
das vor dem Antritt des Rittes 
von dem Reiter erlernt werden 
muß, bis zur Behandlung der 
Sehnen mit Maffage und Banda: 
gen, den Borbeugen von Drud: 
fhäden, der Sorge un das Futter, 
wenn die Freßluſt nachläßt oder 
eine Kolif droht, — „auf ſich ſelber 
ſteht er da ganz allein”. 

Neben diejen favalleriftiichen Fak— 
toren ift der ideelle Wert ſolch 
reiterlicher Betätigung gewiß nicht 
minder hoch anzuidhlagen. Ein 
derartiger Nitt macht dem Diftanz- 
reiter Anipruchslofigfeit zur Bes 
dDingung; der notgedrungene Ber: 
zit auf gewohnten Komfort ſchärft 
den Blid für das Praftifche und 
Naturgemäte. Und die Liebe zu 
dem edeliten unferer Haustiere, 
das dem Menſchen nicht Knecht, 
jondern Freund fein follte, wird 
wiederunt vertieft, wenn der Reiter 


| 


fich vergegenmwärtigt, daß fein treuer | 


Begleiter es ift, der ihn zu jenem | der Zeitgewinn geftattet, 


Frhr. 5. R. v. Eſebeck. 


daß die heimatliche Scholle fo edles 
Blut bervorbringt, und wenn die 
Freude am Diftanzreiten allgemeiner 
wird, fo werden aud materielle 
Vorteile für unfere inländifche 
Edelzucht daraus erwachſen. Trai: 
nieren ift eine Kunft; ein Schema 
läßt fi daher für die Vorbereitung 
eines Diftanzrittpferdes nicht geben. 
Die Bemeſſung des täalihen Ar: 
beitspenfums wie der Futterration 
wird fi in jedem einzelnen Falle 
nad) der Individualität des Pferdes 
und dem fpezialen Zmed der be: 
ablichtigten Leiſtung richten. 

51. Der Training. Die Vor: 
bereitung eines Diſtanzrittpferdes 
hat ſich auf drei Punkte zu er— 
ſtrecken: das „in Kondition ſetzen“, 
— damit zuſammenwirkend die Er: 
nährung — Takt und Wecjel Des 
Ganges (Tempos). Vorausſetzung 
dabei iſt ein völlig geſundes Pferd, 
das ſich bereits in guter Gebrauchs— 
arbeit, wie nach einer Jagdſaiſon 
oder dergl. befindet. 

Die Grundlage des Inkondition— 
ſetzens iſt eine tägliche langſame 
Arbeit von 6—7 Stunden; von 
diefer dürfen weder geicäftliche 
noch gefellfchaftliche Verpflichtungen 
den Neiter abhalten. Ausaiebige 
Scrittarbeit ift für die Musfel: 
bildung bejonders förderlih; aus 
diefem Grunde ift der Schritt wäh— 
rend der Vorbereitung fo frei wie 
möglih zu reilen, mogegen man 
bei der Prüfung felbit das Pferd 
im Schritt niemals ireiben follte, 
Statt deſſen reite man lieber einen 
furzen Trab, bei dem dag Pferd, 
feinem Gleichgewicht folgend, ohne 
jede Anftrenaung 190 m in der 
Minute zurüdlegt. Diefer Hunde: 
trab gewährt dem Pferde die gleiche 
Erholung, wie die Schrittreprife, 
einige 


Genuß verhilft. Eitt vollends der | Minuten zu halten und Zuder: 


deutjche Reiter auf deutſchem Pferde, | waffer zu tränken. 
jo wird er es mit Stolz empfinden, | die 


Kommt es auf 
Surüdlegung 


einer großen 


— — — — — — — — — —— 
— PR = % en * = 4 


I. 1. Reitſport. 


Pr. 51. 


Strede an, jo trabt man, um weit | digkeit, den Galopp zur Haupt: 


ju reiten; 
Schnelligkeit des Rittes an, fo trabt 
man, um dem Pferde eine Erho- 
lung zu gönnen; hieraus geht her: 
vor, daß man in feinem Falle raſch 
traben darf. Man vergegenmwärtige 
fih nur das Bild eines Renntrabers. 
der mit Hochgerifienem Kopf und 
jteifem Hals den Kilometer in zwei 
Minuten trabt; abgejehen davon, 
daß es eine Dual für den Reiter 
wäre, auf joldem Tiere einen 
Diftangritt zu maden, wäre es 
ausgefchlofjen, daß ein Pferd länger 
als eine Stunde die Tempo aus: 
hält. Der ftarfe Trab bedingt, 
daß das Pferd feinen Schwerpunft 
auf die Hinterhand wirft, um nicht 
in Galopp zu fallen. Dieje Ueber: 
laftung der Hinterhand, die das 
gejamte Körpergewicht vorfchnellen 
muß, jeßt die Muskeln der hinteren 
Gliedmaßen in eine ftändige Span: 
nung und erfordert einen ſolchen 
Kraftaufwand, daß das Kintreten 
von Blutzerjegung ſehr bald un: 
vermeidli würde. Im Gegenfat 
zu der oben gelennzeichneten Hals 
tung des Traberg erreicht dag Pferd, 
das mit tiefer Naje und hohem 
Rüden ſchwungooll galoppiert, eine 
größere Schnelligkeit bei weit ge⸗ 
tingerem Kraftverbraud, denn die 
Zufammenziehung der Muslkeln, 
löft fih in dieſem weichen durch⸗ 
läjfigen Galopp bei jedem Sprunge. 
Um die Strede, die das Pferd mit 
100 Gatoppfprüngen bededt, in der 
gleichen Zeit zurüdzulegen, wären 
150 Trabſchritte erforderlich, mit 
anderen Worten, bei gleicher Ge⸗ 
fhwindigfeit werden die Muskeln 
im Trabe um ein Drittel mal fo 
oft gejpannt, wie im Galopp. Nur 
jo erklärt es fih, daß Matches 
zwifchen Trabern und Rennpferden 
auf meitere Streden mit dem 
Unterliegen der erjteren endeten; 
und es folgt bieraus die Notwen: 


fommt es auf die |gangart zu maden. Gewiß ijt die 


Atmung beim Galopp eine be: 
fchleunigtere, aber trogdem wird 
aus den foeben geftreiften Gründen 
eine Störung der Blutzirkulation 
bier Später eintreten als im Trabe; 
zudem ift es Sadje des Trainings, 
dur Kräftigung der Lungen den 
Zuftand der Atemlofigfeit hinaus: 
zuſchieben. Ohnehin forgt aud 
ſchon das Gelände dafür, daß das 
Pferd nicht im Galopp überjagt 
werde; da der Boden, melder 
Steigungen oder dergl. aufweiſt, 
den Galopp verbietet. 

Während das Trabtempo bei allen 
Pferden, ob Klein oder groß, edel 
oder gemein, das gleiche jein jollte, 
richtet fich im Galopp das Tempo nad) 
dem Pferde. Normal ijt ein Ga- 
loppjprung von 400 m in der Mi—⸗ 
nute. Während der Vorbereitungs= 
periode muß der Reiter dag dem 
Pferde zufagende Tempo heraus: 
fühlen und durd) Gewöhnung feit: 
legen; Zungentraft und Muskulatur 
jolen fih fhon im Training nad) 
diefem Tempo und nad) dem regel: 
mäßigen Wechjel der Gangart bil- 
den. Bei dem Ritt jelbft darf da: 
ber nur fo wenig als irgend mög. 
lih von dem einmal gefaßten und 
der Arbeit zugrunde gelegten Bro: 
gramm abgewichen werden. Wie 
gefährlih ein plößlider Wechſel 
des Tempo und ein unporher: 
geſehenes Hinausgehen über die 
durh das Training fichergeftellten 
Leiftungen ift, lehren die Opfer 
des Berlin: Wiener Rittes. Die 
Mehrzahl von ihnen wurde dadurch 
veranlaßt, daß man deutjcherjeits 
auf eine Gefchwindigfeit von 10 km 
die Stunde trainiert hatte und 
während des Rittes, angefichts der 
Starembergifchen Leiftuna auf Das 
Doppelte ftieg. Bereitet das Ge— 
lände uns einen unvorbergejehenen 
Aufenthalt, den man durch Bejchleu: 


Nro. 52. 


nigung der Geſchwindigkeit - wieder 
einholen muß, fo verlängere man 
die Dauer der Galoppreprife, aber 
niemal3 deren Tempo! Sieht man 
ji veranlaßt, eine Galoppreprife 
über die programmmäßige Dauer 
auszudehnen, anjtatt 10 3. B. 15 
Minuten zu galoppieren, jo muß 
die durch einen längeren Trab 
oder durch einen Augenblid des 
Haltens audgeglichen werden. Durch 
lange Zrabreprifen befommt Das 
Pferd Hojen, während ausgedehntes 
Galoppieren an der Hand die 
Nieren und Lungen Träftigt, ohne 
die Beine anzugreifen. Zu ver: 
meiden ift der Galopp nur auf 
hartem Boden; es wäre ebenfo 
verfehrt, Hufe, Sehnen und Ge: 
lente an die Erfchütterung gewöhnen 
zu wollen, wie etma den Magen 
an Hunger. Uebrigens erjchweren 
harte Wege dem Pferde nicht die 
Aufgabe, wohl aber tiefer Boden, 
auf dem Ritt ſelbſt empfiehlt es 
fich daher, auf der Mitte der Straße 
zu galoppieren, wofern da3 Pferd 
durchläſſig ift und in Haltung geht. 
Das Pferd ſoll jo friſch als mög: 
lih mit einem Weberjchuß an Kraft 
und Elaftizität vor die Kraftprobe 
geftellt werden. 

Grundſätzlich follte die Arbeit 
in den früheften Morgenftunden 
und in einer Repriſe abgetan mer: 
den; fordert dies fchon die Scho— 
nung des Stallperſonals, jo ift noch 
wichtiger, daß dem Pferde die zur 
Aufnahme eines größeren Futter- 
quantums unerläßlide Ruhe im 
Stall gewährt werde. Auf dieſe 
Meife gehandhabt, wird das Trai- 
ning auch auf das Temperament 
des vierbeinigen Kandidaten einen 
günftigen Einfluß üben. Gänzlich 
verfehrt wäre es, ein Spezialpferd 
für Diftanzritte abrichten zu wollen. 
Die Arbeit auf der Landitraße 
muB durch Lektionen in der Reit: 
bahn dur Springen an der Longe 


| 


| 


Frhr. B. M. v. Eſebeck. 


und im Gelände unter dem Reiter 
unterbrochen werden. Die Ab— 
wechſelung erhält das Pferd friſch, 
wahrt ihm die Gehluſt, die der 
Reiter nicht entbehren kann. Das 
Pferd ſoll in ſeinem Herrn keinen 
Tyrannen, ſondern einen Freund 
ſehen; dieſer aber ſei bemüht, die 
Perſönlichkeit ſeines Pferdes zu 
wahren, nicht es zur bloßen Fort— 
bewegungsmaſchine zu machen. Die 
Hauptſache bleibt, daß jeder einzelne 
Körperteil, jede Muskelpartie gleid)- 
mäßig entmwidelt und die Arbeit 
logiſch und konſequent gejteigert 
wird, 

52. Die Fütterung. Was die 
Bemeffung der Nation betrifit, 
dürften 16—17 Pfund Hafer und 
3 Pfund Melaffe während der Bor: 
bereitungszeit die normale Nation 
fein. Die Melaffe ijt billiger wie 
Zuder und wirft leicht abführend, 
was fih im Haar vorteilhaft be: 
merkbar madt. Der Zudergehalt 
beträgt 40 °/,; jo daß mit 3 Pfund 
Melafje das Pferd etwas über ein 
Pfund Zuder in fih aufnimmt; 
über dieſes Duantum pro Tag 
binauszugehen, erfcheint wegen der 
in der Melafjfe enthaltenen Kali: 
falze nicht unbedenklich: diefe äußern 
fh Shädlih auf Blafe und Ber: 
dauung,. 

Den Einfluß, den Atmung und 
Blutzirfulation auf die Kondition 
baben, muß durch die Ernährung bes 
Pferdes Rechnung getragen werden, 
d. h. während der ganzen Dauer 
des Trainings — mie auch bei dem 
Nitte ſelbſt — müffen dem Pferde: 
förper ſolche Nähritoffe zugeführt 
werden, die zur Blutbildung und 
Musfelerzeugung beitragen. Nach 
ihrem chemiſchen Charakter grup- 
pieren fic die Futtermittel in: Ei- 
weiß, Fettjtoffe und Kohlenhyprate. 
Letztere beiden dienen der Blut: 
bildung, während die Eimeißitoffe 
jur Dedung des Muskelverbrauchs 


II. 1. Reitſport. 


Nro. 53. 


dienen. In der Ruhe führt das | der verfteht e3, ein Pferd zu füttern, 


But den Musfeln die 
Stoffe zur Neubildung zu; werden 
diefelben indefjen Durch die Schnellig- 
feit der Bewegungen erjchöpft, jo 
müffen fih die Muskeln aus ich 
felbjt ergänzen, d. 5. aus den in 
dem Zellgewebe befindlichen Eiweiß⸗ 
ſtoffen, dadurch würde die Energie, 
die daS Pferd zu feiner Fortbewe—⸗ 
gung braucht, gebunden. Es folgt 
hieraus, wie wichtig es ift, daß 
dem Bferdeorganismus Kohlen: 
hydrate zugeführt werden. Dies 
gefhieht am beften durch Zuder, 
ſowohl in reiner Form, wie in 
Melaffepräparaten. Daneben jorge 
der Reiter durh die Wahl und 
Abwechfelung der Gangart und durch 
die Haltung des Pferdes dafür, 
daß die angefpannten Muskeln ſich 
felbjt wieder löfen und reinigen. 
Die Erfahrungen von Berlin: Wien 
und Brüffel-Oftende haben gezeigt, 
wie wichtig es iſt, daß der Reiter 
den Organismus feined Pferdes 
fenne; hätte man fi die Rolle, 
die Blutzirfulation und Atmung in 
diefem zu fpielen haben, mehr ver: 
gegenwärtigt, jo wären ficherlich 
mandhe jener traurigen Erfahrungen 
nit gemacht worden. 

Das Gefühl der Zufammenge- 
börigfeit, das fi auf ſolchem Ritt 
zwischen Roß und Reiter entwidelt, 
läßt fi mit Worten nicht aus: 
reihend fchildern. Das Bemußt: 
jein der nie verjagenden Hingabe 
von feiten des treuen Pferdes weckt 
in dem Reiter ein blinde Der: 
trauen in feinen vierbeinigen Ka: 
meraden, zugleich aber auch jenes 
Gefühl der Verantwortlichkeit, das 
unentbehrlich ift, will er die 
Yeiftungsfähigfeit des Pferdemate- 
rials nicht unnötig auf das Spiel 
jegen. Das Pferd gibt dem Reiter 
jein Blut, fein Herz, feinen Edel: 
mut, dafür follte diefer ihm feine 
ganze Liebe geben. Wer dies tut, 


nötigen | e3 zu reiten, zu ſchonen, der wird, 


ohne e3 zu überanftrengen, von dem 
Pferde Leiftungen erzielen, die nie: 
mand zuvor geahnt hat. 

53. Stallpflege. „Buben ift das 
halbe Sutter“, das ift zwar eine 
alte Stallvegel, aber id) möchte 
doch warnen, diefelbe wörtlich zu 
nehmen. Gerade mit Bezug auf 
das Füttern gilt der Sprud: „Tel 
maitre, tel valet!“ Nicht daß es 
ein zuverläfjiger Pferdepfleger an 
Pflicpterfüllung fehlen laſſen wird, 
fobald das Auge des Herrn nicht 
über ihm wacht, aber es muß be= 
greiflicherweife die Freudigfeit des 
Mannes dämpfen, wenn er fieht, 
daß das Intereſſe feine Herrn 
mangelt. Iſt aber der Wärter 
nit mit feinem Herzen bei dem 
Wohl und Wehe des ihm anver- 
trauten Tieres, fo bat er feine 
glückliche Hand, und der Beliter 
des Pferdes wird fich bei Vorlage 
der monatlichen Futterrechnung ver: 
gebens fragen, wo die Wirfung des 
vielen Hafers geblieben fei? Grund: 
jaß follte eg jein, häufige und Fleine 
Sutter zu verabfolgen; der gleich: 
gültige Wärter aber jchüttet Die 
Krippe bis zum Rande voll, was 
häufig zur Folge haben wird, daß 
das Pferd das Futter warm bläſt 
und dann jtehen läßt. In jehr 
vielen Fällen beruht der Mangel 
an Freßluſt auf einem fehlerhaften 
Zuftand der Zähne (Scieferzähne), 
wovon man fi felbft mit der 
Hand, oder, wenn ein Maulgatter 
zur Stelle, au dur das Auge 
überzeugen fann. Vermag man ſich 
jelbft über das ſchlechte Ausſehen 
des Pferdes nicht Rechenſchaft zu 
geben, jo fäume man nidt, tier: 
ärztliden Rat einzuholen; unter 
Umftänden können auch Würmer 
die Urſache des ſchlechten Futter: 
zuſtandes fein. Oft wird jedod) die 
bloße Beobachtung des Pferdes im 


| a nn u ae Fr a Fe ee 


Nro. 53. 


Stalle genügen, um dem Herrn 
über die mangelhafte Futtervermer: 
tung Aufſchluß zu geben. Sind 
die Pferde in 2osjtänden unter: 
gebracht, fo ilt das Gefchäft des 
Futterſchüttens jeher erleichtert; 
andernfalls muß man Darüber wa- 
hen, daß langſame Freſſer neben 
ihren Nachbarn nicht zu furz kom— 
men. Manche Pferde haben die 
Angewohnheit, beim Freſſen das 


Futter über ihre Bor oder den! 


Stand auszuftreuen. Läßt jich dem 
nicht durch Die Einrichtung Der 
Krippe begegnen, fo bleibt nichts 





5. Im Stalle. 


anderes übrig, als aus einem Fre: 
beutel zu füttern. Wenn irgend 
angängig, gewähre man dem Pferd 
einen 2osftand, der Strohverbraud) 
iſt deshalb nicht größer; im Gegen: 
teil, die Streu hält ſich in einer 
Bor beſſer, al$ wenn das Pferd 
angebunden ſteht. Hat man einen 
Krippenſetzer im Stalle, jo heißt 
es doppelt acht geben, denn Dieje 
Tiere ſtecken voller Angemohnheiten 
und Schrullen. Sp beſaß ich einen 
Bollbluthengft, der nur auf Der 
Halfterfette aufjegte, wurde er in 
feiner Bor los gemacht, jo fam er 
gar nicht auf den Gedanken, Einem 


| 








Irhr. B. R. v. Eſebeck. 


anderen Tier, Das nur auf d 
Krippe aufjegte, legte ich damit d — 
Handwerk, dab nur zum Futte 
Ihütten eine Krippe in die B 
gefegt wurde — bei Pferden, d 
ſchlecht verdauen, empfiehlt es fü 
den Hafer quetfchen und den Hädj " 
recht lang Schneiden zu Laffen; le 
teres nötigt das Pferd, forafältig 
zu fauen. Wejentlich für die Ve 
dauung tft eine genügende Waſſe 
aufnahme jeitens des Pferdes, Di 
Tränfen jollte daher dem Futte 
Ihütten ſtets voraufgehen, mind 
jtens eine Vierteljtunde bis zwang 
Minuten. Pferde, welche wen 


‚ Saufen, Sind erfahrungsmäßtg ſchlech 


NSuttervermwerter; ſolche Tiere jud 
man durch häufiges VBorhalten de 


Eimers zu einer vermehrten Flü 
ſigkeitsaufnahme zu veranlaffen, - 
‚Ber größeren Nitten empfiehlt « 


jih, das Pferd beim Paſſieren di 
teten Ortichaft vor dem Eintreffe 
am Biel zu tränfen, andernfall 
verjagt das Pferd häufig das ihı 
vorgelegte Heu, ehe fein Durft ge 
löjcht it. Neben der firippe bi 
findet ſich in Mufterftällen ein 
Zränfe aus Schiefer. 

Für ein mittelgroßes Pferd dürft 
eine Tagesration von 12 Pfun 
Safer, 3 Pfund Heu und 5 Pfun 
Stroh. ausreichend fein. Ein Tei 
von legterem (bi 2 Pfund etwa 
fann nad) Belieben auch als Häckſe 
verabreicht werden. Im Winter ij 
es angezeigt, die Raubhfutterratio! 
zu vergrößern, während man in 
Sommer die Haferration nad) Ve 
darf vermehrt. Nach bejonderen 
Anftrengungen, wie während Dei 
Jagdſaiſon und vor einem Ruhe 
tage, gebe man einen warmen Kleie: 
tranf oder Leinſamen-Maſh. Wäh: 
vend der Haarperiode empfiehlt jid 
eine Sutterbeigabe, wie Mohrrüben; 
Leinkuchen, Melafje oder dergleichen 
welche die Verdauung fördert. Ueber⸗ 
haupt muß ſich während der Ueber: 


* 





Einfommen des Siegers Leutnant v. Schlotheim (Grenadier zu Pferd) auf Pascola. 


II. 1. Reitſpork. 


gangsperioden, namentlich im Früh: 
jahr die Fürſorge für das Pferd 
verdoppeln; vor allem iſt dasſelbe 
während des Haarwechſels vor Er: 





Nerv. 53. 


fi beſſer und ift erheblich wohl: 
feiler als das übliche Langſtroh. 
Für völlige „Wechjelitreu” bin ich 
aus den ſchon oben angedeuteten 


fältung zu hüten. — Wil man | Gründen nicht. Die Torfmull: oder 


im übrigen feinem Tiere eine Futter: 
zulage gewähren, fo mag dies in 
Geſtalt von Bohnen oder Erbien 
geihehen; diefelben werden fomohl 
in Wafjer gequollen und gefchrotet, 
als auch im Driginalzuftand von 
den Pferden gern genommen. Ganz 
vorzügliche Refultate habe ich mit 
dem Zufüttern von Malzkeimen er: 
zielt ; koſtſpielig, aber für Die 
Nusfelbildung und für den Glanz 
des Haares gerade wundertätig ift 
ein löffelweifer Zujag von Tropon- 
pulver zu jedem Futter. Bei lau: 
rigen FFreſſern verfuche mandurd) eine 
Beigabe von Biehjalz die Freßluſt 
anzuregen. Frißt ein Pferd über: 
mäßig viel Stroh im Stalle, fo 
jtelle man es im ſchlimmſten Kalle 
auf Torfmull oder Sägefpäne. Die: 
fen Ausweg balte ih immer nod 
für menfchenfreundlier, als dem 
Miffetäter dauernd einen Maulkorb 
anzulegen. Derartige Maßregeln 
gehören jedoch wohl mehr in den 
Rennftal als in den Reitſtall, 
ed fei denn, dab fie aus Spar: 
jamfeit zur Anmendung kommen. 
Cine jolde Matrage iſt erheblich 
billiger ald eine Streuunterlage, 
da diefelbe bei ſorgſamer Behand: 
lung monatelang liegen bleiben 
kann; freilich bedingt diefelbe ver: 
mehrten Eifer von feiten des Stall: 
perfonald, wenn anders das Haar 
des Pferdes nicht leiden fol. Auch 
eine fogenannte „Dauerftreu” aus 
abgebundenem Richtſtroh kann bis 
zu ſechs Monaten ungerüht im 
Stalle liegen bleiben. Meine per: 
fünliden Erfahrungen ſprechen für 
eine Matrage von Torfmull oder 
Sägemehl mit einer darüber ge: 
breiteten Krummſtrohſchicht, die täg— 
ih erneuert wird; dieſes ftreut 


Sägemehlmatrage hat die unjchäß: 
bare Eigenſchaft, die fih in jedem 
Stall entwidelnden Amoniafgafe 
zu binden; infolgedeflen berricht 
in einem ſolchen Stalle ſtets aute 
Luft und da die obere Strohſchicht 
ftet8 trocken bleibt, jo ift der Stroh: 
verbrauch ein viel geringerer. Se 
mehr das Pferd durch die Witte: 
rung auf den Aufenthalt im Stalle 
angemiejen iſt, dejto mehr follte 
man ihm die Wohltat frifcher Luft 
zufommen lafjen. 

Eine weiche aber trodene und 
völlig geruchloſe Stallunterlage ijt 
nicht nur für die Pflege des Hufes 
infonderheit die gefunde Entwide: 
lung des Strahles unerläßlidh, fon: 
dern fie ift zugleich der wichtigfte 
Faktor der Stallhygiene ; reine, ge: 
junde Luft im Stalle hat ſich bis: 
her ftet3 al3 der wirkſamſte Schuß 
gegen infiziöfe Krankheiten erwiejen. 
Menn das Trodenhalten und ein 
tägliche8 Ernenern der Streu bier: 
für Vorausſetzung ift, fo iſt es 
nit minder eine ausgiebige Ven—⸗ 
tilation zu jeder Sahreszeit. Dies 
jo nit etwa heißen, daß man 
dag Pferd vorſätzlich der Zugluft 
ausſetze, oder dagjelbe in der rauhe⸗ 
ren Sahreszeit nicht gehörig ein: 
dede; letzteres ift Schon des Haares 
halber geboten, um dem Pferde eine 
glatte, glänzende Jade zu erhalten. 
Sehr zwedmäßig ijt es, unter die 
mwollene Stalldede eine leinene, ſo⸗ 
genannte Sommerdede zu legen, 
weil dieſe dichter auf dem Haare 
anliegt. Bei empfindlicher Kälte 
während des Abhaarungsprozeſſes 
und wenn das Pferd geichoren ift, 
laſſe man dasjelbe auch während 
der Nacht eingededt; es erfordert 
dies freilih, daß man für jedes 

4 





Niro. 54. 


Pferd zwei Garnituren Deden in 
Gebraud nimmt, von denen man 
die fchlechtere während der Nacht 
auflegt. Für die Sicherheit der 
Pferde rate ih von den Halftern 
mit großen Schnallen ab; ebenfo 
muß der Anbinderiemen (diefer tft 
einer Kette vorzuziehen), am Ende 
mit einer Kugel verjehen, frei durch 
den Anbindering laufen, um jo: 
genannte Kettenhangverlegungen zu 
vermeiden. Am hübſcheſten und 
für einen Pferdefopf am kleidſam— 
ften find weiße Lederhalfter, die 
nad) Bedarf getont werden, und 
darum ſtets neu und Tauber aus: 
jehen. Auch darauf ift zu achten, 
daß die Obergurtfiflen hinreichend 
gepolſtert find, nichts ift ärgerlicher 
— und leichter zu vermeiden, als 
ein Gurtdrud im Stall. 

54. Einrichtung des Stalles. 
Daß im übrigen bei der Einrid: 
tuna und Ausſtattuug des Stalleg 
alles jorgfältig vermieden wird, 
woran das Pferd fich verlegen kann, 
ſollte fih in einem herrſchaftlichen 
Stalle von felbft verftehen, es er: 
weiſt fih aber leider immer wie⸗ 
der notwendig, vor dem Gebraud) 
eiferner Inſtrumente zum Reinigen 
der Hufe und zum Auflodern der 
Streu zu warnen. 

Die Flankierbäume find mit Stroh 
zu beflechten, Kaftenftände mit Stroh⸗ 
matten auszufchlagen; da legtere 
leicht zu erneuern find, jo find ſie 
entſchieden reinliher als die ele: 
ganten Kokosmatten. Bei Sclä- 
gern befleidet man die Zwiſchen⸗ 
wände des Kaftenftandes mit einer 
mit Heu ausgepolfterten Sadlein= 
wand; eine entfprechende VBorrich> 
tung läßt fi auch an jedem loſen 
Flankierbaum anbringen, um das 
Pferd vor dem Futterneid des Nach⸗ 
barn zu ſchützen. Sit der Stall nicht 
fehr geräumig, fo rate ich immer zu 
Anbringung folder Flanfierbäume; 
jo wünfchenswert es wäre, jedem 


Frhr. B. A. v. Eſebeck. 


Pferde einen Losftand zu gewäh⸗ 
ren, ſo jehr ift ein zu enger oder 


nur mittelmäßig breiter Kaftenftand . 
zu verdammen. Ein Vorſchlag, der. 


von dem befannten SHippologen 
Major a. D. Schönbeck rührt, 
verdient meines Erachtens bei jeder 
Neuanlage oder Erbauung eittes 
Stalles berüdfichtigt zu werden: 
Zweifellos würden Stalluntugen: 
den, wie Schlagen, Weben u.f. mw. 


nur noch in den jeltenften Fällen 


auftreten, wenn nicht gar ganz ver: 
Ihwinden, fobald man das Pferd 


mit dem Kopfe nad) der Stallgaffe 


ftelt. Als Beweis führe ich an, 
daß der bösartigfte Rader im Los⸗ 
ftand lammfromm zu werden pflegt; 
befanntli verfolgt dag Pferd in 


der Bor alle Borgänge im Stalle, 


anftatt ftumpfjinnig die Wand ans 
zuftieren, und „Müßiggang ift aller 
Lafter Anfang”. 

Befindet fih die Krippe an der 
Wand, jo muß dieſelbe (au Ze— 
ment oder Eifen) möglichft tief an: 
gebradit und in die Mauer hinein: 
gelaffen fein, bezw. in einem maj- 
fiven Krippentifch ruhen ; hierdurch 
verhindert man jogleih, daß der 
verftreute und aus der Krippe ge— 
wilchte Hafer in der Streu ver: 
loren geht, wie auch, daß das Pferd 
Kopf und Mähne unter der Krippe 
ſcheuert. Füttert man gebrühte 
Kleie, Malzkeime oder derartige 
Futterſtoffe, die leicht fauer werden, 
jo ſei daran erinnert, daß die Krippe 
niemals Futterrefte aufmweijen darf 
oder auf dem Krippentifh. Sit 
diefer aus Holz, jo ift es ratſam, 
ihn mit Blech zu benageln; im 
übrigen ſchützt man Holz durch 
einen Karbolineumanftrich vor dem 
Benagen ſeitens der Pferde. Eifen- 
teile werden gegen Roft ſchwarz 
ladiert. 

Sn der Anbringung hübſcher 
Namentafeln, aus denen die Ab: 
ftammung des Pferdes erſichtlich, 


er 


II. 1. Reitſport. 


verrät fi) das Intereſſe des Be: 
ſitzers. Ebenſo charakteriſtiſch für 
die im Stalle herrſchende Ordnung 
iſt das Vorhandenſein eines Ther—⸗ 
mometers, eine Beſchlagtafel zur 
Kontrolle des Beſchlages und einer 
Futtertabelle, aus der die Futter— 
zeiten und die verſchiedenen Tages- 
portionen zu erfehen jind. 

Bei Anlage des Dammes ift 
darauf Rüdfiht zu nehmen, daß 
die Pferde nicht auf demjelben 
gleiten, was bei den furzen Wen: 
dungen im Stalle feine Gefahr hat; 
rauhe Klinferfliefen find in dieſer 
Hinficht mohl das beite; zur Not 
hilft man fi, indem man trodenen 
Sand auf die Stallgafje freut. 
Was unnatürlidh ift, ift ohne wei: 
tere der Gefundheit ſchädlich; fo 
werden die Hinterfefjeln übermäßig 
angeftrengt; wenn das Pferd tag- 
ein tagaus mit den Vorderbeinen 
höher Steht als mit der Hinterhand. 
Die „Brüde“ des Standes oder 
der Bor muß daher volllommen 
horizontal fein — am beften mit 
tiefen gepflaftert — und darf nicht 
nad dem Stalldamm hin abfallen. 
Die Untugend des „Webens“ Hat 
häufig ihre Urſache darin, daß der 
Boden nicht horizontal ift. 

Früher war es Sitte, den Stall 
täglich längere Zeit dunkel zu ma— 
hen; dies ift arundverfehrt: das 
Pferd ift ein Gemohnheitstier und 
wird auch am hellen Tage liegen; 
ein dunkler Stall wird fat immer 
warm und dumpfig ſein. Abgefehen 
von dem freundlichen Eindrud find 
Licht und Helligkeit ein weſentliches 
Ingredienz der guten Luft im Stalle. 
em belle Kacheln zur Bekleidung 
der Wände zu teuer find, der be- 
gnüge fih mit einem weißen Kalk— 
anftrih, der mehrmals im Sahre 
zu erneuern ift. Sim Sommer dämpft 
man das Licht durch Fenftervorhänge 
aus billigftem blauen Schweizer: 
fattun, oder durch Anftreichen der 


Nro. 55 


Scheiben; es empfiehlt fich dies 
nicht nur für die Augen des Pfer: 
des, fondern auch zur PVerininde- 
rung der Zliegenplage. Bei großer 
Hitze habe ich durch Aufhängen einer 
mit Waſſer geträntten Sadleinwand 
in der Stalltüre vorzüglide Er: 
fahrungen gemadt; troßdem die 
Türe aud um die Mittagszeit offen 
ftand, blieb die Temperatur im 
Stalle beitändig angenehm. 

55. Gefundheitspflege.. Was 
die Gejundheitspflege des Pferdes 
im Stalle angeht, fo erftredit fich 
diejelbe, jomeit fie in den Händen 
des Laien liegt, naturgemäß in der 
Hauptſache auf vorbeugende Maß— 
regeln. Waſchungen mit Fluidwaſſer 
und darauffolgender Streichmaffage 
nad der Arbeit angewandt, find 
ein bemährtes Kräftigungsmittel für 
Sehnen und Gelente. In der Be- 
handlung angegriffener Beine fpielt 
das Kühlen oder noch befler Dus 
ſchen mit einem falten Wafferftrahl 
eine Hauptrolle; ſchon aus diefem 
Grunde darf in einem wohl aus: 
gejtatteten Stalle die Wafjerleitung 
niemals fehlen. Wa3 dag Banda- 
gieren im Stalle anbelangt, fo gebe 
ich zu bedenken, daß dasſelbe, wenn 
nicht völlig einwandfrei ausgeführt, 
eher ſchadet, wie nüßt. Iſt die 
trodene Bandage zu feft angezogen, 
jo erzeugt fie Blutjtodungen, und 
bewirft dadurch gerade Anjchmel- 
lungen, jtatt fie zu verhüten. Die 
og. Prießnig oder Schwigbandane 
wiederum wird wirkungslos, fobald 
die Feuchtigkeit auß der leinenen 
Bandage entweiht, und der Ver: 
band nicht rechtzeitig erneuert wird. 
Died tritt immer ein, wenn die 
feuchte Binde durch die darüber be- 
findlide mwollene Widel nicht ge- 
nügend gegen den Zutritt der Luft 
abgejchloffen ijt. Die Anwendung 
ſolcher Maßregeln ſetzt daher nicht 
nur großes Verſtändnis bei dem 
Stallperſonal, ſondern auch eine 


Nero. 56. Frhr. B. 


RA. v. Eſebech. 


intensive Beauffichtinung desjelben | die zu Umſchlägen benugten Zappen 


voraus. 
von Stallbandagen 


Der dauernde Gebrauch oder Tücher tadellos ſauber ſein 
verweichlicht müſſen, bedarf wohl keiner Erwäh— 


überdies ein geſundes Bein in be- nung; dagegen ſei ausdrücklich vor 


denklichem Maße und ſollte daher 
tunlichſt beſchränkt werden. Sind 
die Beine nach dem Reiten warm, 
ſo bandagiere man ſie naß; die 
Binde wird in Waſſer und Eſſig 
getaucht (zu gleichen Teilen), der 
Zuſatz von Eſſig erhöht die Kälte— 
wirkung und härtet das Bein ab. | 
reif: und Streihmunden müfjen 


| 


dem beliebten Talglappen gewarnt, 
der in der Satteldecke eingenäht 
wird. Kann man ausnahmsweise 
dem Schadhaften Rüden nit Die 
nötige Zeit zur Heilung laffen, fo 
Ichneide man aus einer mindefteng 
zwei Finger diden Filzdecke ein 
Stüd heraus, jo daß die verleßte 
Stelle freiliegt und gar nidt von 


mit warmem Waſſer ausaewajchen ; dem Sattel berührt werden Tann. 


und mit einer Veinfamenfomprefie 


behandelt werden, die Heilung wird 
durch Myrrhentinktur gefördert. 
Sind die Verletzungen erniter 
Natur, oder ift ein Gelenk in Mit 
leidenschaft gezogen, Jo ift tierärzt- 
lihe Hilfe in Anjprucd zu nehmen. 
Letzteres wird nur allzu oft vers 
abjäumt. Das Gebot, Schon bei 
den eriten 
franfung das Pferd aus den (Se: 
brauch zu nehmen, follte unerbittlich 
gefordert werden, jobald es ſich um 
Verlegungen des Ruückens handelt. 


Anzeihen einer Er= 


| 


Ganz tiderfinnig ift auch dag 
leider faft noch allgemein übliche 
Bearbeiten der erhigten Sattellage 
mit Stroh, wodurd die ohnebin 
empfindliche Haut unnötig gereizt 
wird; man bediene fi) ftatt deſſen 
eines weichen Frottiertuches aus 
Naturmolle. Es liegt auf der Sand, 
daß jpeziell die Behandlung der 
Sattellage von Bedeutung ift und 
entfprechende Sorgfalt erfordert. 
Zehr günftige Erfahrungen habe 
id — joweit die Jahreszeit eg 
irgend a — mit kaltem 


In jehr vielen Füllen wird nicht Abſchwammen des Rüdeng unmittel- 


der Tierarzt, 


jondern nur der bar nach den: Reiten gemadt. Nach 


Sattler die Urſache eines Drud: größerer Anjtrengung nehme man 
Schadens Eonftatieren können, denn | hierzu eine leichte Fluidlöſung. 


Diele liegt in dem zerbrochenen oder 
Ihadhaften Bock des GSatteld. Es 
folgt hieraus, daß in diefer Hin: 
fiht vorbeugende Wahregeln ganz 
bejonders am Platze find: es ge- 


| 





56. Das Busen. Der Schwer: 
punft der Ztallpflege liegt über: 
haupt in der Abmwartung des Pfer— 


des nach verrichteter Arbeit, womit 


nicht etwa geſagt fein fol, daß ich 


nügt nicht, daß der Neiter fih nad) ! gewöhnt bin, mich des Morgens 


dem Nitt von der Behandlung des 
Rückens überzeugt; die aufmerkjame ! 
Beauffichtiqung des Sattelns und 


eine eingehende Ilnterjfuchung des. 


Sattel muß des öfteren dem Nitte 
voranageben. Sit das Unglück ein: 


mal gejcheben, fo find warme Nom | 


preſſen oder Prießnitzumſchläge Die 
landläufiaften Mittel. Sofern die, 
Haut unverlegt iſt, mag man die 
Stelle zuvor mit Fluid oder Elli: 


‚auf ein völlig ungepugted Pferd 
zu feßen; aber es genügt, wenn 
die Tiere am Morgen mit Kar: 
tätiche und Wiſchtuch von dem ober: 
flachlichen Etaube gereinigt werden. 
Den ominöſen Striegel möchte id) 
aus meinem einenen GStale am 
liebften gänzlich verbannt wiſſen, 
‚und ich alaube, wer edle Pferde 
im Stalle hat, wird mir beipflich: 
‚ten! Eine viel arößere Rolle, als 


mans Embrokation einreiben. Daß i eg meist nod) geichieht, Hat bei der 


II. 1. Reilfport. 


Nro. 56. 


Toilette des Pferdes das Wifchtuch | Schweif fpielt heutzutage nur noch 
zu Ipielen; dies ift etwas, was wir | in Romanen eine Rolle und ift in 


rüdhaltlo8 aus der oft mißverftan- 
dnnen „engliſchen“ Stallpflege über: 
nehmen jfollten. 

Die Säuberung des Kopfes darf 
nur im geringjten Maße mit der 
Kartätihe und in der Hauptjadhe 
nur mit einem leinenen bezw. wol⸗ 
lenen Lappen gejcheben. Selbft: 
redend muß für die Reinigung 
jedes einzelnen Teiles, der Augen, 
Nüftern uſw. ein bejonderer Yappen 
vorhanden fein, der peinlich fauber 
gehalten und nie verwechjelt wird; 
die allerjchärfite Kontrolle des Stall: 
perſonals ijt in dieſer Hinficht 
dringend geboten. War die Mähne 
im Stall eingeflodhten, jo muß fie 
vor dem Reiten mit der angefeudh: 
teten Mähnenbürfte jorgfältig glatt 
gebürjtet werden, wobei das Wafler 
in der Bürfte feinerlei Spuren auf 
Hals oder Wähne hinterlafjen darf. 
Da man eine dünne feidige Mähne 
al® ein Zeichen von Adel zu be- 
trachten pflegt, jo zieht man Pfer⸗ 
den mit einer diden ftruppigen 
Mähne diefelbe aus; dies muß 
immer von unten gefchehen, ſonſt 
ſtehen die abgebrochenen Haare in 
die Höhe, was einen höchſt unſoig— 
nierten Eindruck macht. Ueberhaupt 
ſollte der Gebrauch eines Kammes 
bei der Behandlung von Schweif 
und Mähne lieber vermieden wer— 
den und die Reinigung derſelben 
nur mit Zuhilfenahme der Finger 
und der Mähnenbürſte geſchehen. 
Häufiges Anfeuchten der Mähne 
und des Schopfes mit Waſſer iſt 
für Lage und Wachstum derſelben 
jehr dienlich; mindeftend einmal 
wöchentlich laffe man eine gründ— 
liche Reinigung mit warmem Waſſer 
und Schmierjeife vornehmen. Die 
Schmeifhaare müfjen mit der Hand 
täglich glatt verlefen und vor dem 
Reiten jtet3 von Etaubteilen, Spreu 
ufmw. befreit werden. “Der wallende 


meinen Augen ebenjo geſchmacklos, 
wie die abgehadte Kübe. Gelbft- 
redend ilt jedoch dDa8 Gebäude bein: 
Reitpferd für die Schmeiftracdht 
maßgebend; lange ſchmale Pferde 
mit mattem Rüden werden 3. B. 
durch einen kurz gehaltenen Schweif 
voller und gejchlofjener erfcheinen. 
Ob der Schmweif horizontal gejchnit- 
ten wird oder ſpitz, d. h. nad) feiner 
Haltung im Gange, ift Geſchmack— 
ſache; bei Reitpferden freilich ift 
das legtere üblich. Was das Ku— 
pieren der Schweifrübe betrifft, jo 
ist diefe Sitte ja aus England zu 
ung herübergedrunnen und da ſich 
neuerdings jenſeits des Kanals eine 
energifche Bewegung gegen die Ber: 
ftümmelung unferes edelften Haus— 
tiereg geltend madt, fo jteht zu 
hoffen, daß aud) hier zu Lande all- 
mählih eine Reaktion diefer Ge— 
ſchmacksverirrung eintreten wird. 
Nichts verunziert ein Pferd ähnlich 
und wirft ein gleich ſchlechtes Licht 
auf die Stallpflege, wie Echeuer: 
jtellen anı Schweif und Mähne; 
die Entſtehungsurſache ift unmeiger: 
lich Unſauberkeit. 

Sind folde Etellen jedoch ein- 
mal vorhanden, oder neigt ein Pferd 
bejonders dazu, fich unter der Krippe 
oder an den Wänden feiner Bor 
zu fcheuern, fo muß eine fogen. 
Schweif- bezw. Mähnenfappe zur 
Anwendung fommen. In Ermange: 
lung legterer tut es aud) ein najjer 
Sad, der über die Mähne gebunden 
wird. Hat das Pferd im Stalle 
eine Halfter-auf, fo muß der An- 
fat des Mähnenſchopfes, der von 
den Genidjtüd des Halfters be- 
det wird, öfters auf ſeine Nein: 
lichkeit hin geprüft werden. Mangelt 
diejelbe, jo pflegen Stallbedienjtete 
dies mit Vorliebe damit zu ent: 
ihuldigen, daß das Pferd „kopf— 
ſcheu“ fei. In ſolchem Falle iſt 


Nro. 57. 


das Auge des Herrn jehr von nöten. 
Beihäftigt man fich eingehend und 
geduldig mit dem Pferde, gewinnt 
man durch Liebkoſungen und Leder: 
biffen, Mohrrüben, Zuder u. dergl. 
jein Zutrauen, fo ilt dasſelbe ſtets 
in gar nicht langer Zeit zu furieren; 
Pferde, die hartnädig fopffcheu find, 
d. 5. aus Bösartigkeit — gibt es 
gar nicht, oder Doch nur jehr jelten; 
von 100 Fällen liegt die Schuld 
neunundneunzigmal auf feiten des 
MWärterd. Eine Vorausſetzung da= 
für, daß das Pferd fih willig am 
Kopfe abpugen und anfaffen läßt, 
ift die, daß es dort nie mit dem 
Striegel malträtiert wird. 

Ein großer, aber viel verbrei- 
teter Unfug ift die Anwendung von 
Huffämiere vor dem Reiten, um 
den Hufen Glanz zu verleihen, wo⸗ 
durd aber nur dag Anhaften von 
Schmuß an der Oberfläche des Hufes 
befördert wird. Man begnüge ſich 
v0: dem Ausritt damit, den Strahl 
jäubern und den Huf gründlich ab- 
wachen zu laſſen, dies wird nad 
dem Reiten wiederholt und dann 
der Huf mit reinem Schmeinefett 
eingerieben; leßteres ift unentbehr- 
lih, um dem Huf die nötige Feuch— 
tigkeit zu erhalten. Das Polieren 
der Hufe mit einem Holzſtab ijt 
gewiß für die Sauberkeit des Tieres 








Irhr. B. A. v. Eſebeck. 


ſehr dienlich und gefällig für das 
Auge, macht aber auf die Dauer— 
den Huf allzu ſpröde. Abjcheuern t 
mit marmem Wafler und Sand, t 
von Zeit zu Zeit angewendet — : 
ift vorzuziehen. Bei naffem Wetter b 
und tiefen, aufgemweidhten Wegen 4 
ift zur Verhütung von Mauke auf t 
das gründliche Reinigenund Troden- | 
reiben der Köten nad der Rückkehr 

in den Stall befonderer Wert zu ! 
legen. Riffe und munde Stellen I 
in der Fellelbeuge find mit einem 
trockenen Desinfektiongmittel,Xodo= | 
formpulver und dergl. zu behandeln; ! 
bei Maufe ift Die Anwendung von ' 
Kartoffelmehl ein bemwährtes Haus: 
mittel, 

Was die erfte Hilfeleiitung bei . 
Kolikerkrankungen anbetrifft, fo emp= ' 
fehle ich dem Stallperfonal die mili= ! 
täriſche Anleitung zum Unterriht 
für Fahnenſchmiede (Berlin, Mitt: 
ler und Sohn) in die Hand zu 
eben. 

Selbjtredend läßt ſich Die gefamte 
Stall- und Gejundheitspflege des 
Pferdes nicht an diejer Stelle er- 
ſchöpfend behandeln, die Fachlite⸗ 
ratur weift Werke darüber auf. 
Vielleicht gibt da8 Geſagte dem 
einen oder anderen die Anregung 
zum Studieren derjelben, dann wäre 
der Zweck diejer Zeilen erfüllt. 


* 


2. Rennſport. 


57. Nationale Bedeutung. Die 


Bedeutung einer leiſtungsfähigen, 
auf die Produktion eines harten 
und edlen Tieres gerichteten Landes⸗ 
pferdezucht für unſere nationale 
Wehrkraft bedarf wohl keiner 
näheren Beleuchtung. Trotz aller 
Fortſchritte der Feuerwaffen und 


„Pro patria est dum 
ludere videmur.‘‘ 


der techniſchen Nacdhrichtenmittel hat 
die Reiterei von ihrer Bedeutung 
nichts eingebüßt; wohl aber hat der 
noch in ftetem Zunehmen begriffene 
Wirkungsbereih der Schußmaffen 
für Kavallerie wie Artillerie die 
Notwendigkeit gezeitigt, im feind- 
lichen Feuer auch größere Streden 


BE 


me. Rennfport. ' Niro. 57. 





ettet 


Aus dem Album der Sportwelt. 


6. Rennbahn. 





Nro. 98. Frhr. B. A. v. Eleberk. 

in Schärflter Gangart zurüdzulegen. alfo der Sport auf dem grünen 
lleberrafhende8 Auftreten ift für Raſen die eingangs vorangeſchickte 
die berittenen Waffen Borbedinaung Deviſe auf fein Panier jegen; dient 
jeden Erfolges; weit umfafjende er doch einem hohen, nationalen 
Umgebungen der feindlichen Flügel, Ziel. Ta aber das Rezept nod 
Eilmärjche über Hunderte von Kilos nicht erfunden iſt, nad) dent eine 
metern werden im Zufunftsfriege | Zucht nur Wutterftuten und Be— 
für die großen Kavallerieförper und ſchaler Liefert, jo muß der „Turf“ 
die fie begleitende Artillerie an der auch den Nieten in der Zudt, d. D. 
Tagesordnung fein. ur ein hart den nicht zur Einftellung als Eltern— 
aufgezogenes Pferd von edlem Blut | tiere in die Geftüte geeigneten 
wird Ddiejen Anforderungen ent: Produftendie Gelegenheitgemwähren, 


ſprechen. Nimmt die Kaltbiutzucht 
im Yande derart überhand, daß die 
Nemontierung im Kriegsfalle auf 
dag Ausland zurücdgreifen müpte, 
jo hieße dies die Schlagfertigfeit 


des Heeres in ernjter Weife ge= 
fährden; darum hat der Staat in: 


erſter Yinie die Verpflichtung, unſere 
inländische Warmblutzucht auf der 
Höhe zu halten. Die planmäßige, 
von Zeit zu Zeit wiederholte Zu: 
führung von Bollblut in unfere 
einheimischen Schläge iſt unent— 


behrlih. Die Erfahrung hat ge— 


lehrt, daß ohne folde Blutauf: 
friihung eine Halbblutzucht, ſelbſt 
bei Benutzung auf XYeiftung ge: 
prüfter Elterntiere und bei der här— 
tejten Aufzucht ihren „Stahl“ über 
vier bis fünf Generationen hinaus 
nicht zu bewahren vermag. — So 
viel, un auch dem Yaien die natio— 
nale Bedeutung einer Bollblutzucht 
zu veranjchaulichen. Ohne den 
rüfftein der Rennbahn wird in- 
deſſen auch das Vollblut gar bald 
feinen GCharafter verlieren, gerade 
diejenigen Eigenſchaften einbüßen, 
die es in die Nemontezucht hinein: 
pflanzen ſoll. Darum hat der Renn— 


port nicht nur Eriftenzberechtigung, 


Jondern er tft direft ein unentbehr: 
licher, dDurc, feine andere Prüfung 


zu erfeßender Faktor für die Bros 
duftion eines friegstischtigen Alrmee= | 


pferdes: ohne Vollblut feine Re— 


‚ihren Hafer zu verdienen. Sn 
diefem Sinne ift der Rennſport 
aljo Selbitzmed, deshalb aber nicht 
minder Dajeingberechtigt ; denn ohne 
‚die Möglichkeit, die Ausfälle ihrer 
Zudt auf der Rennbahn auszu— 
nüten, würde die ohnehin ſchon fo 
große Opfer erheiichende Produktion 
von Vollblut fih für den Züchter 
noch unrentabler gejtalten. 

58. Zudtprüfungen. Die Zucht- 
prüfungen im eigentliden Sinne 
— der fogenannte „legitime Sport’ 
— jpielen ſich auf der Flachbahn 
ab. Abgeſehen davon, da das 
jugendliche Alter der zu prüfenden 
Tiere eine Ausnutzung über Hinder- 
niſſe nicht unbejchadet zuläßt, wäre 
| das Nejultat bei einer Prüfung auf 
‚der Dindernisbahn allzu häufig von 
 Zufälliafeiten abhängig, um einen 
reellen Maßſtab zu liefern. Anderer: 
jeit3 bedeutet eine reine Schnellig: 
feitsprüfung, ſelbſt auf kurze Di— 
ſtanz, und der durch eine ſolche be— 
dingte ſcharfe Training für den 
ganzen Organismus des jungen 
Tieres eine Probe, die hinlänglich 
die von dem Zuchtmaterial zu for— 
dernde Widerſtandskraft der Kno— 
chen, wie die für ein Vaterpferd 
ſo wichtige Treue des Tempera— 
mentes, die Geſundheit der At— 
mungsorgane u. ſ. w. garantiert. 

Die Wagenrennen der römiſchen 
griechiſchen Sage zeigen, daß 


montezucht, ohne Rennen aber kein ſchon das klaſſiſche Altertum die 
Vollblut! Mit Fug und Recht darf Prüfung der Kriegsroſſe gebührend 


IE. 2. Rennfport. 


einſchätzte. 


Nro. 59. 


Mehr den Charakter | jährlich gelegentlich des „Crucis— 


von Zucdtprüfungen dürften die | marktes“ (am Tage der Kreuz- 


fhon in der älteften Zeit bei den 
Arabern gebräuchlichen Matches ge— 
tragen haben. Als die eigentliche 
Heimat unſerer Rennen im heutigen 
Sinne gilt allgemein England. In 
das Mutterland des Sportes ſind 
jedoch die Rennen auch erſt durch 
römiſche Legionäre verpflanzt wor— 
den, die während der Reſidenz des 
Kaiſers Severus in Wort (206 big 
210) auf arabijhen Pferden dort 
Rennen abhielten. Intereſſant ijt 
es — zumal bei dem heutigen 
Stande unferer Zucht im Bergleich 
zur englifhen — daß Hugo Capet, 
der nachmalige König von Frank— 
reih, feinem Schwager, König 
Athelftan, Rennpferde deuticher Her: 
tunft ſchenkte. Mit dem zunehmen: 
den Import orientalijcher Pferde, 
der Durch die Kreuzzüge neuen Im— 
puls erhalten hatte, gewannen auch 
die Rennen an Verbreitung und 
Beliebtheit. Immerhin trugen die- 
felben zu jener Zeit noch mehr den 
Charakter von Volksbeluſtigungen; 
erſt Karl II, der 1665 die ſog. 
„Kings Plates“ — unſeren heuti⸗ 
gen Staatspreiſen vergleichbar — 
ſtiftete, brachte durch eine Art 
Reglement Syſtem in die Prüfun— 
gen, ihnen dadurch einigen Wert 
für die Zucht verleihend. 1727 
erſchien zum erſtenmal der für alle 
Länder vorbildlich gewordene eng— 
liſche Rennkalender. 

59. Entwicklung des Renn— 
ſports in Dentſchland. Auch in 
Deutſchland kamen bereits zu Aus— 
gang des Mittelalters Pferdewett— 
rennen auf, die zu Ehren fremder 
Fürſtlichkeiten, beiden Vermählungs- 
feſten hoher Adeliger, aber auch 
bei allgemeinen Volksfeſten zur Er— 
höhung der Kurzweil abgehalten 
wurden. So berichtet eine Bres— 
lauer Chronik aus dem Jahre 1531 
von einem Pferderennen, das all: 


erhöhung, 14. September) dort 
ftattfand. Ebendort erftritt 1553 
Erzherzog Ferdinand beim Wett— 
rennen einen vergoldeten Kredenz- 
becher. Ueberhaupt handelte es 
fid bei den hippifchen Kämpfen 
jener Zeit, um mich gemäß unferen 
heutigen Begriffen auszudrücken, 
um „Herrenreiten”. Die Ehren 
preife freilid muten für unferen 
modernen Gejchmad ein wenig felt: 
fam an. So wird in einem „Renn— 
bericht” von 1552 der Wert eines 
Rennens wie folgt angegeben: ein 
Ochſe (dem Sieger), eine Büchfe, 
eine Sau. Ein andermal waren 
„ein Becher, 30 Taler an Wert“, 
10 Ellen Sammet und 10 Ellen 
Damaft ausgejegt. Noch 1724 
wurde in der ſchleſiſchen Hauptſtadt 
ein Rennen um „einen Ochſen, 
einen Karabiner und ein Ferkel“ 
gelaufen. Bon Berufgreitern, Renn- 
farben, Gewichtsausgleich und all 
den Formalitäten de3 modernen 
Rennbetriebe8 war naturgemäß zu 
jener Zeit noch feine Nede; doc 
wird Schon in Aufzeichnungen des 
Sahres 1638 eine „Wettlauford- 
nung” erwähnt. Nach diejer war 
die Benüsung eines Satteld ver: 
boten; die Reiter mußten beim 
„bochedlen und gejtrengen Rate‘ 
der Stadt die Erlaubni3 zur Teil- 
nahme an dem Rennen nachjucen; 
war dieſe erteilt,” fo wurden 
die nunmehr fonfurrenzberechtigten 
Pferde durch ein rotes Wachsſiegel 
am Mähnenſchopf bezeichnet. Der 
Start ſcheint in der Weiſe vor ſich 
gegangen zu ſein, daß an dem durch 
eine Säule bezeichneten Ziel ein 
Schuß gelöſt wurde, worauf ein bei 
den Reitern aufgeſtellter Schütze 
am Ablaufpfoſten antwortete. Die 
Entwicklung des deutſchen Renn— 
ſportes, wenn man dieſe Bezeich— 
nung überhaupt auf die hier ſoeben 


Nro. 60. 


gekennzeichneten Wettfämpfe an 
wenden darf, erfuhr durch die Wir- 





Frhr. B. AR. v. Efeberk. 


mann, Herr v. Biel-Zierom, 
benugte feine durch Heirat ge— 


ven des Dreißigjährigen Krieges eine ſchloſſenen Beziehungen zum Mutter- 


nadhaltige Unterbrehung. Auch in 


der Folge dürften die Wettrennen 


immer jeltener geworden jein, in 
dem Maße, als die friderizianijchen 
und jpäter die napoleonijchen Kriege 
ven Pferdebejtand unjeres Bater- 
landes gelichtet haben. 

60. Einfluß des Nennjports 
auf die Landespferdezudt. Grit 
im zweiten Jahrzehnt des vorigen 
SahrhundertS fanden Nennen nad 
engliihem Mufter und mit der aus— 
gejprochenen Beftimmung, der He: 
bung der Pferdezucht zu dienen, bei 
uns wieder Eingang. Das Land 
der Obotriden darf den Ruhm für 
ih in Anfpruch nehmen, die Wiege 
des deutſchen Nennjportes (im 
heutigen Sinne) beherbergt zu 
haben. Ein medlenburgiicher Edel: 


(ande der Vollblutzuht, um eng: 
liſches Zuchtmaterial in feine Hei— 
mat einzuführen. Sein Beifpiel 
fand verjtändnisvolle und begei- 
fterte Aufnahme bei vielen jeinen 
Nachbarn, wie den Grafen Hahn, 
Pleſſen, Bafjemwig, Baron 
Malkahnu.a., jo entjtanden in 
jener Zeit die Geftüte in Baſedow, 
JIvenack, Walfendorf u. j. w., damit 
war der Boden, ja ſchon das Be— 
dürfnis für rennmäßige Prüfungen 
der jungen Zucht gefchaffen. Wieder- 
um war es hier der Geſtütsherr 
von Zierom, der dem jungen Sport 
die Wege ebnete, jeine jenjeit® des 
Kanals gewonnenen Eindrüde und 
Erfahrungen in den Dienft der 
Allgemeinheit ftellte. Ein befon- 
deres und bleibendes Verdienſt er— 





7. „Ein frappes Ende”, 





UT. 2. Rennſport. 


ro. 61. 


warb fich der „engliihde Baron”, | Grafen Renard, Hendel, Ba: 
wie Biel ſcherzweiſe von feinen Iron Falkenhauſen u. a., die 


Landsleuten genannt wurde, um Die 
Begründung und Entmwidlung des 
Dobberaner Meetings, dad damals 
ſchon alljährlih eine große Zahl 
fürftlider Gäjte neben dem geſam⸗ 
ten Adel des Landes in dem 
medlenburgiihen Seebad „Am 
Damm“ vereinigte. Das „Alexan⸗ 
drinen-Rennen”, um den zum erſten⸗ 
mal von der damaligen Erbgroß- 
herzogin, der Schweiter Kaijer 
Wilhelms I, geftifteten Gold: 
pofal, das noch heute gelaufen wird, 
übte damals ſelbſt auf die Sports⸗ 
men und SHerrenreiter Englands 
Anziehungsfraft. 

Neben Doberan waren in jenen 
Kindertagen des deutjchen Nenn: 
jporte3 die Rennbahnen in Celle 
und Neuftadt a. D., wo damalß die 
jpäter nad) Gradig verpflanzte Voll: 
blutzucht betrieben und ein fiskali— 
ſcher Rennſtall unterhalten wurde, 
von meitergehender Bedeutung. 
Damald mandten fi die Aus 
fchreibungen des Rennfportes nicht 
jo augßfchließlih wie heute an die 
Fachkreiſe im ftrengen Sinne. Es 
gab fein Meeting, an dem nicht ein 
„Rennen der Landleute” oder „für 
xandwehrfavalleriepferde” zum Aus⸗ 
trag kam; häufig ſtand auch ein 
Wettfahren oder eine Zugprüfung 
für Laſtpferde auf dem Programm. 
Zweifelsohne trugen derlei Kon— 
kurrenzen dazu bei, das Intereſſe 
an den Vorgängen auf der Renn— 
bahn zu verallgemeinern. In dem 
Maße, als der Rennſport fich heute 
nur an die eigentlichen Fachkreiſe, 
Züdter, Ofſiziere, Sportsmen, 
wendet, verfolgt das große Publi- 
fum die Vorgänge auf dem Turf 
mit geringerem Intereſſe — jehr 
zum Schaden der Sadıe. 

Nächſt Medlenburg war e8 Schle: 
fien, wo die deutſche Vollblutzucht 
Wurzeln flug; bier waren es die 


fih um das Aufblühen des Renn- 
iporte8 ein Verdienſt erwarben. 
Allein die Damals gebrachten Opfer 
find zum großen Teil vergeblich 
gemwejen; fie haben es nicht ver- 
modt, die Vollblutzucht bei ung 
lebensfähig zu machen. 

61. Die deutſche Vollblutzucht. 
Bon den in jener Zeit begründeten 
Geftüten, deren Produkte Jahr: 
zehnte hindurch auf den deutjchen 
Rennbahnen ihrer Zuchtitätte einen 
rühmlichen Namen gemacht haben, 
ift heute kaum noch eine einzige im 
Betriebe. Gewiß ſchweren Herzend 
fahen fih die Söhne und Entel 
jener Begründer des deutſchen 
Rennjportes, die durch Stellung 
und Tradition zur Pflege der Voll: 
blutzucht berufen jchienen, gezwun⸗ 
gen, ihrer Bafjion zu entjagen und 
fih vom Turf zurüdzuziehen. Ge: 
wiß trug hieran die von Sahr zu 
Jahr wachſende wirtſchaftliche Not- 
lage unſeres Großgrundbeſitzes einen 
weſentlichen, wenn nicht den weſent⸗ 
lichſten Teil der Schuld; allein der 
unverkennbare Rückgang in Deutſch⸗ 
lands Vollblutzucht war auch in der 
Sache ſelbſt begründet, d. h. in den 
ſchwierigen Verhältniſſen, mit denen 
der deutſche Rennſport noch bis vor 
kurzem um ſeine Exiſtenz zu ringen 
hatte. Vollblutzucht und Rennſport 
ſtehen nun einmal in fo enger Be— 
ziehung zueinander, daß es auch an 
diefer Stelle nicht möglich ift, den 
einen zu betrachten, ohne feinen 
Einfluß auf die andere, wenn aud) 
nur furz, zu Streifen. 

Es läßt fih nun einmal nicht 
leugnen, daß unjere einheimijche 
Bollblutzucht dem klaſſiſchen Blute 
anderer, von der Natur mehr be: 
günftigter Länder nicht ebenbürtig 
ift. Selbſt die größten Geldopfer 
werden nicht im ftande jein, den 
Einfluß der Scholle, d. 5. der 





ro. 62, 


Weide, auf dem 3. 3. das Boll: 
blutfohlen in Irland aufwächſt, 
auszugleichen. Man fanın auch nicht 
überall Wein bauen, und ebenfo= 
wenig Tann man auf jedem Boden 
ein Blutpferd züchten! Das ift 
eine Wahrheit, zu der ſich unfere 
Züchter — zu ihrem eigenen Scha— 
den! — nur fehr ungern befehren. 
Zu dieſen Faltoren, die bei der 
Aufzucht des jungen Tieres von 
nahhaltigem Einfluß find und die 
dazu beitragen, es frühreif und 
widerjtandsfähig zu machen, fommt 
der Umftand, daß das mildere 
Klima in anderen Ländern den bei 
uns erſt erheblich jpäter einjegenden 
Training bedeutend erleichtert; dies 
allein genügt 3. B. ſchon, nm die 
alljährlich bei dem internationalen 
Meeting in Baden-Baden zutage 
tretende Weberlegenheit der fran- 
zöfifchen Vollbiutpferde zu erklären. 
Die hier angeführten Tatjachen 
haben u. a. zur Folge gehabt, daß 
bis in die jüngite Zeit die ge= 
ſamten Hindernisftälle ihr Material 
faft augichließlid) der ausländifchen 
Zucht entnahmen. Die in den 
eigentlihen Zuchtrennen erprobte 
Auslefe der einheimifchen Geftüte 
wird Ddiefen zur Berwendung als 
Giterntiere wieder zugeführt; blieb 
für die Hindernisftälle, aljo gerade 
für Diejenigen Rennſtallbeſitzer, 
denen die Yetätigung auf dem Turf 
nur Sport ift, der Ausſchuß unferer 
Zucht, der folange die Hindernis: 
rennen für Pferde aller Länder 
offen waren, nur geringe Ausficht 
hatte, mehr als jeinen Hafer zu 
verdienen. Gerade für dieſes über: 
Shüfftge, zur Zucht untaualiche 
Material einen Abfag zu Tchaffen, 
wäre Sache des Hindernißjporte8. 
Seitdem die Jahr für Jahr id) 
wiederholenden Niederlagen unferer 
deutfchen Zucht in den internatio- 
nalen Konkurrenzen die Aufmerf- 
famfeit der höchſten Stelle im Lande 


Frhr. B. A. 


v. Eſebeck. 


auf den Niedergang der deutſchen 
Vollblutzucht gelenkt hat, weht ein 
friſcher Zug über dem deutſchen 
Turf, der auch die Segel der Voll— 
blutzüchter mit neuen Hoffnungen 
füllt. Durch die Bevorzugung der 
Snländer, denen in Zukunft auch 
der größte Teil der Hindernis: 
rennen rejerviert bleibt, ſoll die 
Nachfrage nad) inländischen Boll: 
blutpferden belebt und dadurd) die 
Rentabilität der Zudt gehoben 
werden. Allein vorerft ijt nach den 
Jahren des Niederganges aud in 
quantitativer Hinſicht das Angebot 
jo gering, daß die Preiſe für gute 
Inländer, die nach ihren Leiftungen 
in einem Flachrennſtall auch eine 
„Form“ auf der Hindernisbahn zu 
verjprechen Jcheinen, das Zahlungs 
vermögen der kleinen Hindernis: 
ftälle, Offiziere und Amateurjport3- 
men, meilt überfchreiten; auf die 
Flachſtälle bleiben aber die Züchter 
wie die Bejiger der Hindernisjtälle 
nach wie vor angewieſen; denn von 
den erfteren ift nicht zu erwarten, 
daß fie das junge Wollbfutpferd 
bis zur Abgabe an den Hindernis: 
ftall drei Jahre lang unausgenugt 
füttern; für jene aber würde dies 
den Anfauf eines Drei- oder Bier: 
jährigen aus Züchterhand in einer 
Weiſe verteuern, die zu den Ge- 
mwinnausfichten in feinem Berhält- 
nis Steht. Die Frage, ob es nicht 
auch im „legitimen Sport”, d. h. 
auf der Flachbahn, am Platze fei, 
im Interefje der Entwidlung des 
fünftigen Zuchtmaterials dieſes erjt 
in jpäterem Alter auf der Renn— 
bahn zu prüfen, zum mindeften die 
Prüfung der Zweijährigen auf das 
Ende der Saifon zu verfchieben, tft 
gegenwärtig in Fachkreiſen Gegen: 
ftand lebhafter Disfuffion. 

62. Nennen für Zweijährige. 
Einen in der englifchen Vollblut- 
zucht zu Ffonftatierenden Rückgang, 
der in dem Erterieur, wie in den 


Il. 2. Rennſport. 


Nro. 63. 


Zudtleiftungen der Pferde zutage | ift noch eine durchaus offene Frage, 


tritt, will man mit dem Ueberhand⸗ 
nehmen der zweijährigen Nennen 
bearünden. Das Bollblutfohlen, 
deſſen Alter von dem erſten Sanuar 
feine8 Geburisjahres ab gerechnet 
wird, wird bereitö als „Jährling“, 
nämlich im Spätherbit feines erjten 
Lebensjahres eingebrochen, d.h. an 
Sattel und Zaum gewöhnt. Im 
folgenden Sahre beginnt dann der 
Ernſt des Lebens; und im Suni 
betritt der Zmeijährige bereit3 den 
arünen Rafen, um fid) mit feinen 
Altersgenofien zu mefjen, allerdings 
zunächſt nicht über eine Entfernung 
von 1200 m und nur unter 55 kg. 
Die bedeutfamfte Prüfung unferer 
Zweijährigen iſt das Baden:Badener 
Zukunftsrennen, das über die Di— 
ſtanz von 1200 m alljährlich im 
Auguft gelaufen wird. Der Aus: 
gang desjelben, im Verein mit dem 
„Breis des Winterfavoriten”, der 
während des Oktober-Meetings in 
Köln zur Entſcheidung kommt, 
pflegt auf die Ausfichten des Fünf: 
tigen Derby:Sahrganges ein Licht 
ju werfen. Gemiß wäre c3 für 
die Konftitution des jungen, noch 
in der Gntmwidelung begriffenen 
Tiere3 nur vorteilhaft, wenn die 
Zweijährigenprüfung erft möglichſt 
jpät im Jahre erfolgte; wenn nicht 
gar ganz unterbliebe; allein es ift 
nur die Elite der Nachzucht, die 
dermaleinft wieder ind Geftüt zu: 
rücdfehrt ; der Reit des Sjahrganges 
aber Tann nicht, wenn ich jo jagen 
darf, feinem Züchter auf der Taſche 
liegen, bis fich in einem Hinderni3- 
ftau ein Abnehmer findet. Darum 
haben die AZmweijährigen : Nennen 
ſchon um ihrer jelbit willen Be: 
rehtigung. Cine Prüfung auf 
längerer Diſtanz würde freilich 
“ grade diejenigen Eigenjchaften auf 
die Brobe ftellen, die der Vollblut: 
tegenerator in die Landespferdes 
zucht hineinpflanzen foll; allein es 


ob bei der Produktion eines Haupt: 
beihäler® für die Halbblutzucht 
Stehvermögen oder das Blut einer 
sliegerfamilie zu bevorzugen fei. 
Ein Fachwerk allerneueftenDatung*) 
bringt die Tatſache, daß troß Der 
Vergrößerung der englifchen Boll: 
blutzucht, die Beiſpiele für hervor: 
ragende Rennleiftungen in höherem 
Alter jeit Mitte vorigen Jahrhun⸗ 
dert3 immer feltener werden, mit 
dem Ueberhandnehmen der zwei: 
jährigen Rennen in Berbindung; 
dabei bleibt jedoch unberüdfichtigt, 
daß die wahre Urfache diefer Er: 
Iheinung in dem veränderten Zudt: 
betriebe liegt: Mit der wachjenden 
Ausdehnung der Zucht nämlich 
ftiegen auch die Dedtaren, fo daß 
es rentübler wurde, einen Hengſt, 
der fih auf der Rennbahn nur 
einigen Ruf erworben hatte, bald 
aufzuftellen, als ihn weiter im 
Rennſport aufzunügen. Schon aus 
diefen Grunde und noch viel mehr 
im Hinblid auf die Erfahrung, daß 
daß dritte Lebensjahr das günfligfte 
Alter für die Bededung der jungen 
Mutterftuten it, erfcheint der fonft 
an fi fehr jympathifhe Gedanfe 
nit ausführbar, das zur Zudt 
beitimmte Material noch über das 
vierte Jahr hinaus auf der 
Rennbahn zu prüfen. Nach Band 
XVIII des Geftütsbudhes wurden 
1079 Stuten bereits dreijährig ge: 
det, nur 630 erſt vierjährig. 

63. Die Hafüfchen Prüfungen. 
Das cigentliche, für die Zucht— 
qualität entſcheidende Prüfungsjahr 
der jungen Hengite und Stuten, 
ift fomit das dritte, das fogen. 
„Derby-Jahr“, fo genannt nad) der 
wichtigſten unferer klaſſiſchen Prü— 
fungen, dem in Hamburg-Horn über 
den 2600 m-Kurs gelaufenen Derby, 


*)N v. Dettingen, „Zucht des edlen 
Pferdes.“ 


RK. 





Nro. 63. 


das alljährlich ausgangs Juni zur 
Entiheidung fommt und die beiten 
Vertreter der einheimijchen.wie der 
öfterreichifch-ungarifhen Zudt am 
Ablauf zu fehen pflegt. Die Ein: 
leitung zu den klaſſiſchen Kämpfen 
des Derby-Jahrganges bildet Die 
„Union“ (Wert 30000 ME.), die 
im Juni auf der Bahn des Union: 
Hub in Hoppegarten gelaufen wird. 


Zum letztenmal meſſen ſich die 


Altersgenoſſen im „St. Leger“ zu 


| 


| 


Frhr. B. N. 





v. Eſebeck. 


alljährlich auf dem Programm der 
deutihen Rennkampagne wieder: 
fehren, und auf die Bezeichnung 
„klaſſiſch“ Anspruch erheben dürfen, 
weil fie die Elite der Flachrenn— 
jtälle zu vereinigen pflegen, und 
dadurch für die Einſchätzung des 
demnächſtigen Zuchtmaterial3 Be: 
deutung erhalten, fo der „Grobe 
Preis von Berlin”, der „Schwaben: 
preis in Stuttgart“, „Bayernpreis 
in Münden”, der „Große Hanſa— 


ID 
N Pr a Zn 


—— Se * FR; — — 


Aus dem Album der RER 


8. Morgenarbeit. 


Hannover (Wert 30000 ME.), das 
mit feinen 2800 m das GStehver: 
mögen auf die Probe ftellt. In 
allen Zändern, in denen von Rent: 
fvort und PVollblutzudt die Rede 
ift, gilt der Wurf nad) dem „blauen 
Bande”, wie man nad) engliichem 
Borbild die vornehmfte Dreijähri: 
gen-Prüfung zu nennen pflegt, dem 
Züchter als Biel feines höchſten Ehr: 
aeizes. Sm „peutjchen Derby“ 
bat diefer Ruhm für den Sieger 
einen höchſt realen, aber darum 
nicht minder angenehmen Beige: 


ſchmack in Höhe von 85000 Mark. 


Neben den drei genannten Prü— 
fungen gibt es noch eine ganze 
Reihe von Ausfchreibungen, Die 


preis in Horn” u. v. a. 


Neben 
der Derbybahn in Horn bei Ham- 
burg und der Bahn des Unionflubs 
in Hoppegarten find die Nennpläße 
in Gotha, Frankfurt a. M., Köln 
und vor allem die Bahn des Inter⸗ 
nationalen Klubs im Dostal Schau: 
plat der bedeutſamſten Ereigniſſe 
unſeres legitimen Sports. Neben 
den vorgenannten Konkurrenzen 
jind alle „Staatspreife” Zuchtprü— 
fungen im eigentlien Sinne, d. h. 
die Nennen um Staatspreije find 
nur für Hengjte und Stuten in: 
ländifcher Herkunft offen. In den 
Rennen für Pferde gleichen Alters 
tragen Hengfte zweijährig 55 kg, 
dreijährig 57 kg, vierjährig 62 kg; 


II. 2. Rennlporf. 


Stuten, bezw Walache tragen in 
allen Slachrennen 1'/, kg weniger. 
In den Altersgewichtärennen für 
Pferde verfchiedenen Alters richten 
fih die von der Skala des Renn⸗ 
reglement3 vorgejehenen Gemwidht3- 
unterſchiede der einzelnen Alters: 
jtufen nach der Diftanz des Rennens 
und dem Alter der zu prüfenden 
Tiere; dergeftallt, daß die Erlaub: 
nis, die das jüngere Pferd von 
dem älteren erhält, mit der zu: 
nehmenden Gntfernung wädjit, 
während mit der fortjchreitenden 
Saifon die Gewichte der jüngeren 
Pferde fi erhöhen. 

64. Herrenreiten. 3 liegt 
in der Natur der Sache, daß die 
Zuchtprüfungen in der Regel von 
Sodens, d. h. von Berufsreitern 
zu reiten find ; Herren würden ſelbſt 
bei den größten Selbftfafteiungen 
ihr Gewicht faum auf das für Drei- 
jährige vorgefchriebene Maß herab: 
drüden fünnen. Für ältere Pferde 
gibt e3 indefjen auch auf der Flach: 
bahn Konkurrenzen, die als Herren- 
reiten ausaeichrieben find, fo 3.8. 
da8 im Zeichen des Offizieriportes 
ftehende Prinz von Preußen-Rennen 
in Hoppegarten, das Silberne Pferd 
in Breslau, die Silberne Beitfche 
in Hamburg: Horn und das Dobe: 
raner Alerandrinenrennen. Selbft: 
redend bedeuten dieſe Augfchrei- 
bungen nidt eine Prüfung für 
Zudtmaterial, fondern fie dienen 
den Bereinen lediglich ala Attraftion 
für das Bublilum, das bei ung in 
Teutfhiand von jeher an den 
Herrenreiten mehr Gejhmad findet. 
Indireft fördern diefe Prüfungen 
infofern auch die Zucht, als fie dazu 
beitragen, den Abſatz der Geftüte 
zu erweitern. Die Offiziere, die in 
Deutihland das Hauptfontingent 
der Herrenreiter ftellen, reiten in 
Uniform. Die den bürgerlichen Be: 
rufsfreifen entftammenden Herren: 
reiter, die zur Ausübung des 


Niro. 64—66. 


Sportes beim Unionflub eine Le: 
gitimation nachſuchen müffen, reiten 
ebenjo wie die Sodeys im „Dre“, 
— ber buntfarbigen Seidenblufe 
und Kappe — wobei der Reiter, 
der ein in fremdem Beſitz befind- 
liches Pferd fteuert, die Farben des 
betreffenden Stalles zu tragen hat. 
Berftöße hiergegen werden nad) dem 
von allerhöchiter Stelle genehmigten 
Rennreglement mit hoher Geld— 
ftrafe geahndet. Bei der Anmel— 
dung eines jeden Pferdes zum 
Rennen muß ein zuverläffiger Nad): 
weiß feiner pdentität geführt wer: 
den; zu diefem Zwecke muß jedes 
im Inlande gezogene Boll» oder 
Halbblutpferd, ebenfo die aus dent 
Auslande eingeführten, um die 
Konkurrenzberechtigung aufdeutichen 
Bahnen zu erlangen, in die Liſten 
des Unionflubs eingetragen werden. 
Mer biergegen verftößt, ein Pferd 
unter falfhem Gewicht ind Rennen 
fhidt, feine Konkurrenten durd 
Kreuzen behindert, eine falſche Bahn 
einfchläat oder dgl. wird disquali— 
fiziert, d. 5. des Sieges verluftig 
erflärt. 

65. Gewichtsausgleid. Um 
das von der PBropofition verlangte, 
bezw. nad) der offiziellen Gewichts 
tabelle vorgefhhriebene Gewicht zu 
erreichen, müjlen die Reiter „totes 
Gewicht“ aufnehmen; dies geichieht 
in Gejtalt von Bleiplatten, die an 
der Satteldefe in Tafchen unter: 
gebracht werden. Bor dem Rennen 
wird jeder Reiter mit feinem Sattel: 
zeug abgemogen. Die Reiter ver 
plazierten Pferde, denen laut Ric): 
terſpruch ein Preis zufällt, müſſen 
fih nad) dem Baffieren des Sieges— 
pfoftens noch zurückwiegen laſſen; 
diefe Kontrolle fol verhindern, daß 
ein Reiter etma durch Fortwerfen 
des toten Gewichtes während des 
Rennens feinem Pferde eine Er⸗ 
leichterung verſchafft. 

66. Start. Da in den Kennen 


Rro. 67—68. 


Frhr. B. A. v. Elebeck. 


iber eine kurze Diſtanz häufig ſchon freier Zunge, aber in gutem Futter: 


der Start, d. h. ein beim Ab: 
Ipringen erwiſchter Borteil den 
Ausfchlag gibt, fo hat fih, um Die 
Neellität der Zuchtprüfungen zu 
garantieren, für die Flachrennen 
der Start mit der Maſchine einge- 
bürgert. Dieſe verhindert, daß der 
geübtere und rückſichtsloſere Reiter 
fih beim Ablauf einen unerlaubten 
Vorteil verfchafftt. Durch ein über 
die Bahn gejpanntes Netzwerk wer: 
den die Pferde in Reih und Glied 
gehalten, bis der Starter dasfelbe 
durch Drud auf einen eleftrifchen 
Knopf hochichnellen läßt. In den 
Herrenreiten und in den Hindernis- 
rennen, bei denen der Start infolge 
der meiteren Diſtanzen und ber 
durh Die Binderniffe bedingten 
Smifchenfälle nit von fo aus: 
ſchlaggebender Bedeutung ift, bat 
fih noch das alte Verfahren des 
„Tiegenden Starts” erhalten, bei 
dem der Starter die Neiter in einer 
Linie auf fih zufommen läßt und 
nad der Frage: „Sind die Herren 
fertig?” durch Senken der roten 
Starterflagge das Zeichen zum Ab- 
fpringen gibt. 

67. Amerikanifche Weit: und 
Training Methode. Cine epoche- 
machende Ummälzung aud in den 
Rennbetrieb des Kontinents brachten 
die Amerikaner mit ihrer Reitmweife, 
wie durch ihre Trainingmethode, 
denen es gelang, den biäher als 
Borbild geltenden Engländern den 
Rang abzulaufen. Das Charatte: 
riftiihe des amerifanifhen Trai— 
ningverfahrengs ift daS Galoppieren 
nad der Uhr, wodurch der Reiter 
in den Stand gefegt wird, das 
Tempo im Rennen mit mathemati- 
ſcher Genauigkeit zu beurteilen und 
demgemäß mit den Kräften feines 
Pferdes Hauszuhalten. Daneben 
werden die Pferde auch im Wenn: 
ſtall auf die natürlichite Weife aber 
hart gehalten, fo Daß diefelben mit 


— — — — — — — — — mm — — — —— — — 


zuſtand in das Rennen kommen. — 


Dieſes Prinzip iſt naturgemäß auf 
das Temperament wie die ganze 
Konſtitution der Tiere von günftig: 
tem Einfluß, kommt alfo wiederum 
der Zucht zugute; ebenfo wie die 
auch von den Franzoſen angenont: 
mene Prüfung auf längeren Dis 
tanzen dazu beiträgt, das Zucht— 
material zu verbeflern. Die ame: 
rikaniſche Reitweiſe ift jelbjt auf 
unferen Herrenſport nicht ohne 
Einfluß geblieben und verdient dar: 
um bier Erwähnung Dem Sik 
des amerikanischen Jockeys, der mit 
den Scenfeln an den Schultern 
des Pferdes über dem Widerrüft 
fauert, liegt der Gedanke zugrunde, 
daß durd) die Entlaftung des Rüdens 
die abichnellende Kraft der Hinter: 
hand gefteigert, der Galoppſprung 
dadurch geftredter wird. Daß das 
Pferd bei diefer Haltung des Reiters 
leichter und darum williger galop: 
piert, liegt auf der Hand, ebenjo 
aber aud, daß die Vorderbeine 
übermäßig belajtet und folglich 
rafjher verbraugt werden. Daß 
ein erſtklaſſiger Sodey der alten 
Schule feinem amerifanifhen Kol: 
legen zum mindeſten ebenbürtig ift, 
ift gewiß: ber Hauptvorzug der 
neuen Reitweife ift eben der, daß 
fie gar feine Einwirkung auf das 
Pferd geftattet, nur einen abfolut 
paffiven Sig von dem Reiter ver: 
langt; infolgebeffien Tann diejer 
jhon mit dem geringften Grad von 
Borbildung und ohne alle Routine 
ein Pferd im Rennen fteuern, ohne 
e3 zu behindern. Mehr als ihrem 
Sit danken die amerikaniſchen 
Beruföreiter ihre Erfolge wohl der 
Sicherheit in Beurteilung der pace 
und dem Prinzip, vom Fled weg 
zu „gehen“, d. 5. die ganze Schnel⸗ 
ligfeit ihres Pferdes einzuſetzen. 
68. Großes Schtedägericht. In 
allen ftrittigen. Fragen des Nenn: 


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I. 2. Rennſport. 


ſportes enticheidet in Preußen das 
„Große Schiedsgericht in Nenn: 
angelegenheiten”. Dieſe Inſtanz, 
die ihren Sitz in Berlin hat, iſt 
wie folgt zuſammengeſetzt: aus 
einem von Sr. Maj. dem Könige 
zu ernennenden Vorſitzenden, aus 
einem Rate des Landwirtſchafts-, 
einem ſolchen des Juſtizminiſteriums 
und ſechs techniſchen Mitgliedern 
bezw. deren Stellvertretern. Letztere 
werden von drei zu drei Jahren 
gewählt; und zwar entfallen zwei 
Stimmen auf den Unionklub, eine 
auf den Verband deutſcher Reiter⸗ 
und Pferdezuchtvereine. Alle übri⸗ 
gen Vereine, die ſich dem Regle— 
ment anſchließen und mindeſtens 
6000 Mk. aus eigenen Mitteln 
jährlich für Rennpreiſe auswerfen, 
ernennen einen Deputierten, aus 
deren Mitte die drei anderen tech⸗ 
niſchen Mitglieder des Scieds- 
gerihte8 und deren Stellvertreter 
gewählt werden. Die BZentralftelle 
für den legitimen Sport im König- 
reih Preußen ift der (Berliner) 
Unionflub, der 1867 an die Stelle 
des 1830 begründeten Norddeutichen 
Jockeyklubs trat. Die Berliner 
Körperfchaft bildet gewiſſermaßen 
eine Aufficht3behörde für alle offi- 
zielen anerfannten NRennvereine, 
die zur Abhaltung von öffentlichen 
Rennen der Betätigung durch den 
Unionflub bedürfen, in der Aus: 
ſchreibung ihrer Propofitionen von 
diefem überwacht und dafür aud) 
durch Gewährung von Breifen 
finanziell unterftügt werben. 

69. Provinz-Sport. Für diefe 
kleineren Provinzvereine handelt 
e3 fi) naturgemäß weniger um die 
Abhaltung von klaſſiſcher Zucht⸗ 
prüfungen, als vielmehr darum, 
durch Ausſchreibung von Konkur⸗ 
renzen für den Ausſchuß der Ge- 
ftüte dieſen einen Abjat zu fchaffen. 
Diefem Zwed dienen in erfter Reihe 
die Verlaufsrennen, in denen ber 


Niro. 69. 


Sieger bezw. die anderen mit- 
laufenden Pferde nach dem Rennen 
verfteigert oder verloft werden, 
oder für einen gewiſſen Preiß ge: 
fordert werden können. Lebterer 
wird in der Regel durch die Pro: 
pofition feſtgeſetzt, dergeftalt, daß 
das Alterögewicht fih für jede 
500 ME. höher oder niedriger ein: 
gejegt, entſprechend modifiziert; 
fommt der Sieger zur Berfteige- 
rung, jo fällt ein event. Ueberſchuß 


‚über den eingefetten Preis an die 


Vereinskaſſe. In den Berlofungs- 
rennen, die auf das große Nenn: 
bahnpublifum bejondere Anziehungs⸗ 
fraft zu üben pflegen, wird der 
Sieger unter allen Rennplabbefu: 
chern verloft, vorausgeſetzt, daß der 
Inhaber des Gemwinnlofes den von 
dem Verein ausgejesten Geldwert 
nit vorzieht, wogegen das ſieg⸗ 
reihe Pferd feinem Befiter ver: 
bleibt. Um auch dem befcheideneren 
Material der kleinen Ställe in der 
Konkurrenz; mit der Elite ihrer 
Altersgenofien eine Chance zu 
geben, werden Handifapg oder 
Ausgleichdrennen ausgefchrieben, in 
denen jedes Pferd unter Berüd: 
fihtigung des Alter3 ein feinen 
bisherigen Rennleiftungen entipre: 
chendes Gewicht erhält. Die Aus- 
rechnung dieſer Gewichte gejchieht 
im legitimen Sport dur den 
Handifapper des Unionklubs, für 
die SHindernisrennen durch den 
Handifapper des Berliner Vereins 
für Hindernisrennen. Durch die 
Zentralifierung diejer Funktion fol 
erzielt werden, daß die Chancen 
der einzelnen Pferde auf den ver- 
ſchiedenen Provinzpläten mit glei- 
her Billigfeit gewahrt werden. 
Jeder Befiger bat das Recht, nad) 
Veröffentlihung der Gewidte in 
dem vom Unionklub redigierten 
Wochen⸗Rennkalender das für ein 
Handifap genannte Pferd gegen 
Hinterlegung des eriten an 





Nro. 70. 


zu ftreichen,; wird das Gewicht an- 
genommen, v. h. das Pferd in dem 
Handikap ftehen gelafjen, jo ift in 
der Negel ein zweiter Einfag zu 
zahlen. Die Einſätze bezw. Reu— 
gelder dürfen jeitens der Vereine 
nur zugunften der in dem betreffen: 
den Nennen ftartenden Pferde ver- 
wandt werden; jet die Bropofition 
nichts anderes feit, jo fallen fie 
nach dem Reglement an den Sieger. 
Unter Reugeld ijt diejenige, meift 


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v. Efeberk, 


ſo leben bei den großen Unkoſten 
durch Bahnpacht, Erhaltung der 
baulichen Anlagen u. ſ. w., dieſe 
kleinen Vereine gewiſſermaßen aus 
der Hand in den Mund. Da die 
vom Staat, vom Unionklub und 
dem Verein für Hindernisrennen 
gewährten Zuſchüſſe zur Dotierung 
eines ganzen Renntages zumeiſt 
nicht ausreichen, ſo ſehen ſich die 
Provinzvereine bei dem beſchränkten 
Interefſe, das das deutſche Publikum 


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Aus dem Album der Sportwelt. 


9. Start Armee-Jagdrennen. 


die Hälfte des Einſatzes betragende 
Summe zu verſtehen, die der Be— 
ſitzer zu zahlen hat, wenn das von 
ihm genannte Pferd ſein Engage— 
ment nicht erfüllt. In den Alters— 
gewichtsrennen, die nach der Skala 
gelaufen werden, werden die Aus— 
ſichten der geringeren Klaſſe da— 
durch gehoben, daß Sieger für jeden 
Sieg in einer durch die Propoſition 
zu beſtimmenden Höhe bezw. für 
je einen in Summa gewonnenen 
Betrag ein Mehrgewicht aufzuneh- 
men haben, während Maiden, d.h. 
Pferde, die noch niemals fiegten, 
eine Gewichtserlaubnis erhalten. 
‘0. Sweepstakes. Da ver 
Rennſport jich jelbjt ernähren muß, 


im allgemeinen dem Turf entgegen= 
bringt, veranlaft, die Rennitälle 
jelbjt zur Aufbringung der Preife 
heranzuziehen. Es gejchieht in der 
Form der jog. „Sweepstakes“, bei 
denen der das Kennen proponierende 
Verein def Wertdesfelben garantiert, 
d. 5. falls die Summe der Einſätze 
und Neugelder die ausgejchriebene 
Preishöhe nicht erreicht, ſchießt die 
Vereinsfaffe den Fehlbetrag zu. 
Der Chrgeiz, mertvolle Rennen 
auszuichreiben, die auf Ställe und 
Publikum Anziehungskraft aus: 
üben, führt grade die kleinen Ver— 
eine dazu, übermäßig hohe Einſätze, 
Bahngebühren, Startgelder u. f. w. 
zu erheben. Daß dieje Befteuerung 








-eigenften Intereſſe 
jelbft, die Koften des Rennbetriebes 


II. 2. Rennſpork. 


Niro. 71. 


der Rennftälle nicht dazu beiträgt, | fteigerte Einfuhr von Mutterjtuten 
die ohnehin ſchon fo kleine Zahl |zur Folge, deren im Mutterleibe 


der opferfreudigen Sportömen zu 
erhöhen, bedarf wohl feiner Be: 
gründung; ed läge alfo im aller: 
der Bereine 


nad Möglichkeit Herabzufegen. Die 
erwähnten Maßnahmen find indefjen 
ein Notbehelf, zu dem namentlich 
die Heineren Bereine ſich gezwungen 
fehen, jo lange ihnen die Gejeh- 
gebung jene mwohlmollende Berüd- 
fihtigung verfagt, deren fich der 
Rennſport in anderen Ländern zu 
erfreuen bat, wenigſtens in allen 
jenen Zändern, deren Vollblutzucht 
einen Ruf bat. Man braudt in 
diefer Hinficht nur die Verhältnifje 
in Defterreidh, England und Frank⸗ 
reih mit den Zuftänden bei uns 
zu vergleichen, um zu der Erfennt- 
nis zu gelangen, daß die Not des 
deutichen Rennfport3 und damit der 
Tiefftand unſerer Bollblutzucht von 
der zeitweijen Unterdrüdung und 
der darauf folgenden übermäßigen 
Beiteuerung des Totalifator3 her⸗ 
rührt. 

71. Der Totalifator. Schon 
aus dem Borftehenden dürfte zur 
Genüge hervorgehen, daß der auf 
dem grünen Raſen in Ausficht 
ftehende Gewinn jelbft in dem 
allergünftigften Yale kaum aus: 
reihen wird, die Unkoſten eines im 
großen Stil betriebenen Rennftalles 
zu deden. Trainer und Stalljodeys 
beziehen heute auch bei ung Ge- 
bälter, wie man fie früher nur im 
Zande ded Dollars und der unber 
grenzten Möglichkeiten kannte. Wie 
wir gefehen haben, find gleichzeitig 
infolge Beichränfung der Ausländer: 
rennen die Anfaufspreife für in- 
ländiſches Material gejtiegen, ohne 
daß die Geminndancen für Pferde 
der Durchſchnittsklaſſe fich Deshalb 
gehoben hätten. Die Bevorzugung 
der Inländer bat vielmehr eine ge: 


eingeführte Produlte, die og. 
„Modinländer” den einheimifchen 
Geftüten mit Erfolg Konkurrenz 
maden. Die geringe Zahl wirklic) 
erſtklaſſigen Zuchtmaterial® im ei: 
genen Zande hat zudem ſchon ohne: 
hin ein Dominieren einzelner Ställe 
gezeitigt, die fich wie die der Herren 
v. Meinberg, Baron Oppen- 
beim, Krader ſchon Sabre hin: 
dur) in diefer führenden Stellung 
auf dem Turf behaupten. Kurz, 
das Gros der Rennftälle ift gradezu 
darauf angemiefjen, in der Nenn: 
wette eine Rüdverficherung für die 
dem Turf geopferten Summen zu 
ſuchen. Grade jene erwähnte Vor: 
berrfchaft.. einiger weniger Ställe 
und Geftüte, die fiherlich nicht zum 
beiten des ganzen dient, ift aber 
eine Folge der bei ung herrfchenden 
Wettverhältniffe. Während in einem 
Lande mit geregeltem Wettmarft, 
wie 3. B. England, ein durd) die 
ganze Saiſon von Unglüd verfolgter 
Stall durch eine einzige über ein 
gewonnenes Verkaufsrennen ge: 
landete Wette den erlittenen Schaden 
decken kann, arbeiten die großen 
Rennſtälle bei uns ohne Ausnahme 
à fond perdu: im allergünſtigſten 
Falle reichen die Gewinne grade 
aus, um die Unkoſten zu decken; 
im anderen Falle aber vermögen 
die paar tauſend Mark, die am 
deutſchen Totaliſator zu gewinnen 
ſind, den Verluſt nicht auszugleichen. 
An der öffentlichen Wettmaſchine 
kürzt zudem jeder durch eine größere 
Einlage ſeine eigene Gewinnquote; 
bleibt alſo, da das Buchmachen in 
Deutſchland verboten, nur noch die 
Anlage einer Wette bei einem der 
trotz aller Verbote noch heimlich 
florierendenWettbureaus. Uebrigens 
hat die Aufhebung der letzteren bei 
und nur zur Folge gehabt, daß all: 
jährlich Unfummen deutſchen Geldes 


' 


2. Irhr. 8. A. v. Efeberk. 


usländiſchen Wettbureaus an⸗„Lotterieſpiel“ ſchon mit einem 
| und verloren werben, und Einſatz von 10 und 5 Mark betei⸗ 
grade von ſolchen Elementen, | ligen kann, wird allerdings in 
in Deutichland kaum je eine | manhem Fall der Wetlluft des 
bahn betreten. Dieje Erfah: | „Eeinen Mannes“ Vorſchub geleiftet. 
ı und die Erlenntnis, daß die | Se mehr man diefem jedoch dieſe 
en Maſſen ohne Totalifator | Möglichfeit benimmt, deſto mehr 
Rennbahn fernbleiben, laffen | treibt man ihn den ſtrupelloſen 
um fo unbegreiflicher erjcheinen, | Inhabern ausländifcher Wettbureaus 
die Geſetzgebung daran feits | in die Arme, mo alljährlich Taufende 
t, durch eine derart hohe Be: | auf unfontrollierbare Weife der in- 
verung des Totalifators feine | ländifhen Zucht verloren geben. 
rkſamkeit in einer Weife einzu⸗ Für die Rennftallbefiter ſelbſt böte 
cänten, die Die Rennvereine ihrer | freilich die Konzefjionierung ver: 
ten Ginnahmequelle beraubt. | antwortliher Buchmacher, wie in 
itweiſe gänzlich unterfagt, mußte | Defterreich, den beiten Ausgleich; 
h die Weitmafchine jahrelang | jo lange man fi) hierzu nicht ver> 
nen Abzug von 20 Prozent ge: | ftehen will, wird auch in Deutid: 
len laffen, der heute allerdings | land von einem Jährlingsmarkt 
ı 10 Prozent herabgeſetzt ift. |nte die Rede fein. Die Preife für 
te unmittelbare Folge dieſer Maß- Sährlinge wie überhaupt die Nach— 
gel mar ein Heruntergehen des | frage nad inländiſchem Material 
ihrliden Totalifatorumjages von | würden ſich ohne weiteres heben, 
V auf 6 Millionen Mark. In | fobald die Fleineren Rennftälle durch 
zrankreich, wo der Staat den | einen geregelten, vom Staat über: 
tenngejellihaften von der Totali- wachten Wettmarft in Die Lage 
atoreinnahme nur 2 Prozent für | verjegt find, ihr Budget zu regu⸗ 
Vohltätigkeitszwecke abzieht, beträgt | lieren. 
er Jahresumſatz an den Wett:|] 72. Der Hindernisfport. Es 
nafchinen rund 225 Millionen | bleibt nod) in Kürze der Hindernis: 
Francd. Bon diejer Summe fließt | ſport zu betrachten, den „Sport 
in weiteres Prozent (alfo etma | zmwijchen den Flaggen”, wie man 
2250000 Franes im Jahre) in | ihn aud nennt, weil die Hindernis: 
yen Säckel der fiskaliſchen Geftüt3: | rennen nicht wie die Prüfungen 
yerwaltung; der Reit verbleibt den der Flachbahn auf einem einge: 
Bereinen und kommt in Geftalt | friedigten Kurs, fondern von Hinder⸗ 
von Rennpreifen und Züchter: nis zu Hindernis, die von roten 
prämien wiederum der Pferdezucht | und weißen Ylaggen eingerahmt 
u gute. Da der Einjag an der | find. Nicht auögeflaggte Hinder⸗ 
Maſchine nicht wie die Wette beim |nifje brauchen im Nennen nicht 
Buchmader zu einem zuvor feit= | gefprungen zu werben. Auch die 
gefegten Kurfe gemacht wird, fo ift | Ecken werden in der gleichen Weife 
die Totalifatormwette nicht eine folche | durch Wendeflaggen kenntlich ge: 
im eigentliden Sinne, fondern mehr | madjt, derart, daß rote Flaggen 
ein Xotteriefpiel, bei dem die Ge- | rechts, weiße links gelaffen werden. 
winnquote ji) aus der Summe der | Nah Art der Hinberniffe unter- 
auf das Rennen gemachten Ein: | jcheidet man im „ilegitimen Sport”, 
zahlungen und der Zahl der auf! — jo wird der Hindernigfport im 
ven Sieger gemachten Sätze ergibt. | Gegenſatz zu den „legitimen Zucht: 
Dadurch, daß man ſich an diefem | prüfungen“ bezeichnet, — Hürden: 














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II. 2. Rennfporf. 


rennen und Gteeplechafes ober 
Sagdrennen. 

73. Hürdenrennen. Die Hürden: 
rennen jtellen an das Springver: 
mögen der Pferde die geringjten 
Anforderungen, da diefe durch die 
mit Weidenſtrauch oder Ginfter 
ausgeſteckten Hürden oben durch— 
Ipringen können. Infolgedeſſen 


Nro. 73. 


gekennzeichneten Natur der Hürden⸗ 
rennen, daß dieſelben meiſt als 
Jockeyrennen ausgeſchrieben werden, 
denn nach der vom „Reglement 
für die Flachrennen und Rennen 
mit Hinderniſſen im Preußiſchen 
Staate“ vorgeſchriebenen Tabelle 
der Altersgewichte für Hindernis» 
rennen erniedrigt ſich das Gewicht 





10. Rückkehr zur Wage. 


dienen die Hürdenrennen vielfach 
dem jungen, von den Flachſtällen 
abgeſtoßenen Material als Vor— 
bereitung für die Steeplechaſebahn. 
Da die Hürdenrennen entſprechend 
dem leichteren Charakter ihrer 
Sprünge und der kürzeren Diſtanz 
ſich in der pace kaum von den 
Flachrennen unterfcheiden, jo lernen 
die angehenden Steepler auf dieſe 
Weife wenigftens ſehr ſchnell zu 
ſpringen. Es liegt in der hier 


für Berufsreiter um 5 kg unter 
die für Herren vorgeschriebene Skala. 
E3 gibt indefjen, namentlich in der 
Provinz, eine ganze Reihe von 
Hürdenrennen, die von Herren— 
reitern zu beftreiten find; eine 
einzigartige Rolle fpielt in dieſer 
Hinfiht 3. B. der Hiftorifche Nenn: 
plat Doberan, wo außer den legi: 
timen Zudtprüfungen überhaupt 
nur zwei von Herren bezm. Offi— 
zieren zu veitende Hürdenrennen 





Nro. 74, 


zur Entfheidung fommen. Das 
bedeutungsvollfte Ereignis auf der 
Hürdenbahn ift das mit einem 
Staatspreis von 10000 ME. und 
700 ME. Staatszüchterprämie aus 
aeftattete „Haupthürdenrennen für 
Dreijährige”, das aljährlih im 
Herbft auf der Karlshoriter Bahn 
bei Berlin gelaufen wird. Cine 
Aftalogie findet diefe unter Jockeys 


‚ berittenen Prüfung auf der Steeple- 


hajebahn in dem für Verjährige 


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. 





Frhr. B. A. v. Eſebeck. 


und herübergefommen. Die Wiege 
des deutſchen Hindernisfport3 ftand 
in Medlenburg, mo 1828 die erfte 
Steeplehafe vom Grafen Hahn: 
Bafedom gewonnen wurde. Die 
Hindernisrennen jener Zeit bewahr: 
ten zunächſt auch volllommen den 
improvifierten Charakter der eng: 
liſchen „Steeplechafe”, d. 5. fie 
wurben über ein beliebige3 Gelände 
nah einem Kirchturme oder fonft 
weit ſichtbaren Zielpunft geritten. 





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Aus dem Album der Sportwelt. 


11. Koppelrick Karlshorſt. 


reſervierten „Hauptjagdrennen”, das 
gleichfalls auf der Bahn des Ver— 
eins für Hindernisrennen während 
des Herbſtmeetings zur Entſcheidung 
kommt. Das mit einem Staats: 
preis von 15000 ME. ausgeftattete 
Rennen ift von Herren zu reiten. 

74. Jagdrennen. Es liegt in 
der Natur der Sache — den län: 
geren Diftanzen der durch Die 
fchwereren Sprünge gemäßigten 
Pace, dem älteren Pferdematerial 
und den höheren Gewichten, — daß 
die Steeplechafebahn die eiaentliche 
Domäne der Herrenreiter if. Wie 


die Nennen in ihrer heutigen Ge: 


ftalt überhaupt, jo ift auch das 
„Steeple-Chasing“ von England zu 


Mit dem Anfchluß der Hindernis: 
rennen an den legitimen Sport und 
ihrer Verlegung aus dem offenen 
Gelände auf die öffentliche Renn: 
bahn haben die Steeplechafes im 
Lauf der Jahre immer mehr ihren 
urfprünglichen Charakter verloren, 
jo daß die „Jagdrennen“ heute 
nur noch in den feltenften Fällen 
auf diefe Bezeichnung mit Beredti: 
gung Anfprud) machen fünnen. Die 
wirklichen Jagdſprünge, — Mauern, 
Wälle, Koppelricks, — werden auf 
der Hindernisbahn heutzutage immer 
feltener; auf den meijten Plätzen 
findet man nur noch Heden und 
niedrige, von einer leichten Herde 


| gefrönte Wälle nder Gräben mit 


4 


II. 2. Rennfporf. 


einer Hürde oder Hecke Davor, über 
die jedes „Hürbenpferd” mit Ehren 
binwegtommt. Wie der legitime 
Sport feine Zentralftelle im „Union= 
lub“ Hat, jo findet der Hindernis- 
port die Bertretung feiner Inter: 
efien an eriter Stelle durch den 
1881 begründeten (Berliner) „Ber: 
ein für Hindernisrennen“, der neben 
der Pflege des Hindernisfport3 auf 
feiner eigenen Bahn in Karl3horft, 
fowie auf den unter feiner Regie 
ftebenden Pläßen Harzburg und 
Heringsdorf eine große Zahl von 
Provinzvereinen durch Gewährung 
von Preifen unterftüßt. Die Mehr: 
jabl der kleineren Provinzial- 
vereine ift zudem dem „Verband 
der deutſchen Reiter: und Pferde- 
zuchtvereine“ angefchloffen, der fi 
die Förderung und einheitliche 
Ausgeftaltung des Sportes auf 
den Ffleinen Plätzen zur Aufgabe 
gemacht Bat. Außer der Reichs: 
bauptftadt mit ihren drei Bahnen, 
— Hoppegarten, Karlshorft und 
Strausberg (zu denen fih in 
diefem Sabre noh Die neue 
Grunewaldbahn gefelt), — zählte 
der lebte Sahresrennkalender 106 
Pläte, auf denen öffentliche Rennen 
abgehalten wurden. Da es fich für 
die große Maſſe dieſer Kleinen 
Rennpläge nicht um eine Prüfung 
der Zudt im ftrengen Sinne han⸗ 
delt und die Hindernisrennen be- 
greiflicherweife auf das Publikum 
die größte Anziehungskraft üben, 
fo führen die Rennen auf den 
. Meinen Provinzbahnen vorzugs⸗ 
mweife, wenn nicht ausſchließlich 
über den geflaggten Kurs. Bei 
dem Anwachſen der Renntage (1908 
waren es 833), die fich mährend 
7'/, Monate meift auf die Sonn 
tage verteilen, ift es unvermeidlich, 
daß oft eine größere Zahl von 
Meetings zufammenfält. Schon 
hieraus folgt, daß ein größerer 
Prozentſatz der im Reiche gelaufenen 


Niro. 75. 


Hindernisrennen den Berufäreitern 
überlafjen bleiben muß. Die vor⸗ 
nehmſten Ereignifle unferer Hinder: 
nigfampagne find jedoch den Herren- 
reitern vorbehalten, jo die mit 
30000 ME. für den Sieger aus: 
geftattete „Badenia” in Mannheim, 
da8 „Alte Badener Jagdrennen“ 
(Wert 13000 Mk) im Oostal, der 
in Höhe von 31000 ME. garantierte 
„Große Preis von Karlshorft”. 
75. Offizterfport. Während im 
Auslande Herren und Jockeys in 
den Hindernisrennen miteinander 
fonfurrieren, ift e8 den Offizieren 
bet uns unterfagt, gegen Berufs- 
reiter in Konkurrenz zu treten. 
Darauf dürfte die in Deutjchland 
durchgeführte ſcharfe Trennung 
zwifchen „Herrenreiten” und, Jockey⸗ 
rennen“ zurüdzuführen fein. Die 
Berechtigung diefer Maßregel muß 
einleuchten, wenn man ſich ver: 
gegenmärtigt, daß die Armee es 
ift, Die das Hauptfontingent unferer 
Herrenreiter ftellt; unter 285 Herren 
der diesjährigen Siegerlifte befinden 
ſich nur 35 Nichtmilitärd. Im 
ganzen wurden im DVorjahre über- 
haupt nur 62 Ziviliften vom Union: 
klub als „Herrenreiter legitimiert”. 
Namentlich auf den Provinzbahnen 
ift die bunte Seidenjade des 
„Herrenreiters“ ein felten gefehener 
Anblid, jo daß man mit Fug und 
Recht fagen darf, der deutſche 
Hindernisfport fteht im Zeichen der 
Uniform. Mit Ausnahme einiger 
weniger im roten Rod zu reitender 
Konkurrenzen, wie das „Barforce- 
jagd⸗“ und das „Hubertugsjagd- 
rennen in Karlshorſt“ reiten unfere 
Offiziere auch auf der Rennbahn in 
Uniform. Das widtigjte Ereignis 
des Dffizierfportes und vielleicht in 
gejelfchaftlicher Beziehung das vor- 
nehmfte Ereignig unferer Hindernis- 
fampagne ift das „Große Armee 
jagbrennen” zu Hoppegarten, das 
feit dem Sahre 1863 alljährlich 


Niro. 76. 


vor den Augen des oberften Kriegs | funft aud) das „Kronprinzeß Cäcilie- 
berrn ausgetragen wird. Ein Gegen= | Nagdrennen” zu werden, das der 
ftüd zu diefem Rennen um den | Kölner Rennverein 1908 zum erften= 
Ehrenpreis des Kaijers bildet das | mal zur Ausſchreibung brachte. 
für Inländer rejervierte „Kaijerin | Außer dem Hoppegarter „Armee“ 
Augufta Viktoria-Jagdrennen“, das | und dem Karlshorſter „Kaiſerpreis“, 


Frhr. B. A. v. Efeberk, 








“.# 


£t. v. Raven, 9. Ul. 


alljährlich in Gegenwart der Ma- 
jeitäten am Tage des Hanfapreifes 


En 
nz 
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Aus dem Album der 
Sportwelt. 





er Kronprinz überreicht dem Sieger im „Parforce: Jagdrennen“ zu Karlshorft 


den Ehrenpreis. 


die die Elite unferer Offizierftälle 


auf der Horner Bahn gelaufen wird | 
und außer mit dem von der Kaiferin | 


gefpendeten Chrenprei®S von der 
Stadt Hamburg und dem dortigen 
Rennklub mit 30000 ME. ausge 
ftattet if. Ein Rennen von ähn: 


licher Bedeutung verjpricht in Zus | 


am Ablauf zu vereinigen pflegen, 
weiſt fajt jede Brovinzialhauptftadt 
ein Rennen um den Ehrenpreis des 
Allerhöchſten Kriegsherrn auf, das 
den Offizieren des betreffenden 
Armeeforps referviert ift. 

76. Der „Heine Herren-Sport“. 
Die Provinz ift das eigentliche Feld 


II. 2, Rennſport. 


des Offizierſportes. 


Nro. 77. 


Neben den llich auf der ausländiſchen Zucht, 


öffentlichen Rennen, die im offi: da Anländer von aleicher Dualität 


zielen Rennkalender ausgefchrieben 
werden, wird wohl in jeder Gar⸗ 
nifon gelegentlih ein Meeting im: 
provifiert, dag den Offizieren ein- 
zelner Truppenteile oder den An⸗ 
wohnern der Nahbarfhaft, den 
Mitgliedern eines Jagdreiter-Ver⸗ 
eines oder dergl. referviert ift. 
Diefe Rennen, in denen Chargen- 
und Dienftpferde um Chrenpreife 
fontuhrieren, oder die für „Reit: 
pferde oder ſolche Pferde rejerviert 
find, die nie zuvor in Öffentlichen 
Rennen geftartet wurden”, gehören 
unter die Rubrik des fog. „Kleinen 
Herrenſportes“. Zu der gleichen 
Kategorie gehören auch landwirt⸗ 
Thaftlide Rennen und Meetings, 
wie fie nach dem Manöver oder 
am Schluſſe einer Sagdfaifon ver: 
anftaltet werden. Werden dieſe 
Konkurrenzen niht im Wochen-Renn: 
talender ausgejchrieben und nicht 
mit Geldpreifen dotiert, fo gelten 
diefelben nicht ala „öffentliche Ren: 
nen”, werden mithin bei Berech- 
nung der Bönalitäten für öffent: 
lihe Rennen nicht in Betracht ge⸗ 
zogen. Dana das Intereſſe an 
Prüfungen diefer Art ein noch jo 
lokales fein, jo haben fie doch den 
unbeftreitbaren Wert, dem jungen 
Dffizier eine Borübung für die 
Rennbahn zu gewähren und — 
fofern ſich ſolche Ausfchreibungen 
nicht ausſchließlich an das Offizier- 
forp8 menden, dem Pferde- und 
Reitſport manch neuen Sünger, der 
Zudt damit neue Konfumenten zu⸗ 
zuführen. 

77. Halbblut:Sport. Die Be: 
fhränfung der Ausländerrennen, 
fo wünſchenswert diefelbe im In— 
terefle des deutichen Vollblutzüchters 
fein mochte, erwies fih für den 
Dffizierfport zunächſt als eine zwei⸗ 
ſchneidige Maßregel: derfelbe ba- 
fierte biß dahin nahezu ausfchließ- 


den befchräntten Mitteln der Heinen 
Dffizierftälle nicht zugänglich wa⸗ 
ren. Abgeſehen hiervon war die 
inländiide Vollblutzucht zunächſt 
auch quantitativ gar nicht in der 
Lage, den Bedarf des Offizier⸗ 
ſportes zu decken. Oſtpreußen, wo 
dank des auf breiteſter Baſis blühen⸗ 
den Halbblutſportes man ſeit 
Jahren bereits in den Rennſtällen 
keinem Ausländer mehr begegnete, 
zeigte den Weg, der den Offizier⸗ 
ſport in geſunde und lebensfähige 
Bahnen lenken mußte. Durch den 
Ausbau der Halbblutrennen iſt 
heute dem Offizier im ganzen Reiche 
ermöglicht, mit ſeinem Dienſt- und 
Jagdpferd die Freuden des Renn— 
reitens kennen zu lernen. Von 
einem „legitimen“ Halbblutſport, 
d. h. einer klaſſiſchen Prüfung des 
jungen, zur ſpäteren Einſtellung in 
die Geſtüte beſtimmten Zuchtmate— 
rials iſt natürlich nur in den eigent- 
lihen Halbblutzudht- Provinzen, Oſt⸗ 
preußen, Hannover uſw. die Rede. 
Allein auch die Entwidelung des 
Halbblut-Hindernisſportes bleibt für 
die Zucht nicht ohne Nußen, indem 
fie die Nachfrage nad inländifchen 
Halbblutpferden vermehrt und den 
Abfat der foa. Remonteprovinzen 
ermeitert. In diefer Hinficht ift es 
fehr dankbar zu begrüßen, daß auch 
Karlshorſt alljährlich im Herbit eine 
Reihe von Halbblutprüfungen auf 
dad Programm jet, in denen die 
Dertreter der verjchiedenen Halb- 
blutzuchten ſich vor der breiteren 
Deffentfichleit mefjen fünnen. Die 
mwertvollfte Halbblutprüfung des 
deutfhen Turf3 ift der von dem 
Weſtpreußiſchen Reiterverein aus: 
aeichriebene „Große Preis von Zop— 
pot” (Wert 5000 Mark), der über 
4500 m der Zoppoter Steeplechaie: 
bahn führt. Um einen unmittel: 
baren Gewinn für die Zucht daraus 


Neo. 78—79. 


zu ziehen, wäre es zu mwünjchen, 
daß in allen Halbblutrennen, aud 
wenn fie fich zwiſchen den Flaggen 
abipielen, für den Züchter des 
Sieger? eine Prämie ausgeſetzt 
würde. Es liegt in dem Charafter 
des Halbblutſportes, der fih an 
das Jagd: und Kampagnepferd 
wendet, wie aud) in der Natur des 
Halbblutpferdes begründet, daß der 
Halbblutfteepler fih im Privat: 
training befjer entmwidelt, als im 
öffentlfihen Trainerftal. Darım 
ift der Halbblutfport beſonders dazu 
angetan, auch folde Kreife dem 
Rennjport zuzuführen, denen ihre 
Mittel eine Betätigung auf dem 


Fchr. 8. R. v. Eſebeck. 


Turf fonft nicht geftatten würden. 
„Diefe Arbeit,” Schreibt Landitalls 
meifter von Dettingen über die 
Schulung von Steeplern für ſchwere 
Hindernisbahnen, „aehört in das 
Bereich der Herrenreiterei, in der 
wohl Deutihland obenan ſteht. 
Diefe Arbeit wird auch die Paſſion 
und die Kenntniffe befördern, die 
zulünftige Vollblut- und Halbblut- 
züchter Schafft, und ſchließlich wird 
diefe Arbeit durch Belebung des 
Sportſinns den Wagemut erzeugen 
und beleben, der fonit in langen 
Friedenszeiten leicht ſchwindet und 
on den jedes Volk frühzeitig 
altert.” 


3. Parforcejagd. 


78. Hiſtoriſche Meuten. In 
dem Make, als der Rennfport in 
Deutſchland aufgeblüht, ift ver 
„Sport in Rot” bei ung zurüd- 
gegangen. Eine nach der anderen 
jener alten berühmten Meuten, wie 
die Walsroder, die Lippfpringer, 
die Crentzower, die uckermärkiſche, 
die Schlefische, die Liljaer u. a. m. 
haben der mehr Iufrativen Zucker⸗ 
rübe, Dem unerbittliden Dampfpflug 
weichen müſſen. Selbit Oſtpreußen, 
das hiftorifche Land der Halbblut- 
zucht, ift dem Sport in Rot ver: 
[oren, denn feit Anfang der 90er 
Sabre bat die oftpreußiiche Hafen 
meute, die zulegt von Herrin von 
Berbandt-Langendorf ge: 
führt wurde, aufgehört zu eriftieren. 
Der „Goldadler”, jenes hiftorifche 
Gasthaus an der Straße von Königs: 
berg nad Inſterburg, wo ſich Die 
Dffiztere der oſtpreußiſchen Kaval⸗ 
lerie- Regimenter mit den Guts⸗ 


„Hunting necesse est, 
vivere non necesse est!“ 


befitern vereinigten, mo während 
der Jagdzeit Bälle arrangiert und 
Rennen geritten wurden, liegt heute 
einfam und verlafjen. 

79. Die Hinterpommerfcje Par⸗ 
forcejagd. Gleich der Stargorbter 
Meute, die heute noch in Hinter⸗ 


pommern jagt, ftammte die oſt⸗ 


preußifche aus dem in fo hohem 
Rufe ftehenden Kennel des Grafen 
Lehndorff-Steinort. Die 
Hälfte diefer alten „oftpreußifchen 
Hafenmeute”, melde Graf Lehn— 
dorff 1851 in Gemeinfhaft mit 
feinem Schwager, Exzellenz Graf 
Borde-Stargordt, aus den 
Veberrefien der Gräflih Hahn: 
Baſedo wſchen und der Hafen- 
meute des Herzogs von Braun: 
jhweig gegründet hatte, wurde 
1863 nah Hinterpommern ver 
pflanzt, wo ihr Blut noch heute im 
Stargordter Kennel erhalten ift. 
Der ältefte Sohn de3 Grafen, Herr 


r 


II. 8. Parforcejagd. 


von Borde-Molftow, führt 
zurzeit die Hunde, die von Mitte 
September bis zum Hubertustage 
dreimal wöcentlih jagen. Die 
, Rendezvous erftreden fi von Star⸗ 
gordt und den umliegenden Gütern 
bis in die Gegend von Labes und 
Regenmwalde. 

80. Neubrandenburg: Bafewal- 
ters Barforce-Jagdverein. Neben 
Pommern ift heute Medlenburg 
noch allein das gelobte Land für 
den „Mann in Rot”. Während 
die Maldiner Hirfchjagden, die 
Spenader und Baſedower Fuchs⸗ 
meuten längft der Bergangenheit 
angehören, reitet heute der Entel 
mit der gleichen Begeifterung wie 
einft der Großvater hinter dem 
flüchtigen Lampe. 1864 hatte Graf 
Baſſewitz-Burgſchlitz in Eng: 
land fünfzehn Koppeln Beagles er- 
ftanden. Diefe fielen jedoch ſchon 
nad kurzem einer Tollmutepidemie 
zum Opfer, nur zwei Hunde blieben 
verfchont und haben ihr Blut in der 
heutigen Neubrandenburger Meute 
fortgepflanzt. Die Meute wurde da⸗ 
mals dur Ankauf von 10 Roppeln in 
England wieder fomplettiert. 1865 
legte Herr von Dergen:-Lüb- 
berstorf, der die Meute feit ihrer 
Entjtehung geführt hatte, fein Amt 
nieder, und die Meute ging in die 
Hände einer Aktiengeſellſchaft über, 
deren Proteftorat Seine Königliche 
Hoheit der Großherzog von Medien 
burg-Strelig übernahm. Nachdem 
bie Funktionen des Mafterd zehn 
Sabre lang von Baron v. Malt- 
zahbn-PBeccatel, Herrn von 
Engel:Breefenund Herrn von 
Oertzen⸗Coſa gemeinſam aus⸗ 
geübt worden waren, wurden ſie 
1875 in der Hand des letzteren 
vereinigt. Herr von Dertzen 
führte der Meute aus dem Kennel 
des Grafen Lehndorff-Stein— 
ort friſches Blut zu und der Er⸗ 
folg zeigte ſich 1881, wo bei dem 


Nro. 80—81. 


Probejagen fämtliher deutſchen 
Meuten in Hannover die Neu- 
brandenburger den Preis davon 
trug. Wegen hoben Alter® gab 
Herr von Derten, Übrigens ein 
Sohn des erſten Mafterd, 1891 
die Führung der Meute an Herrn 
v. Dewitz-Miltzow ab. Diefer 
gab 1905 die Mafterihaft ab, und 
die Zufunft derfelben war damit 
ernftlich in Frage geftellt. Sindefien _ 
durh das Eintreten der Königin- 
küraſſiere ift e8 gelungen, das Fort⸗ 
beftehen der Barforcejagd für die 
nächſten Sahre zu ſichern, indem 
der aufaelöfte Neubrandenburger 
Berein fih als Neubrandenburg- 
Paſewalker Parforce = Sagdverein 
neu Fonftituiert hat. Die Kennelg 
find in Neubrandenburg verblieben, 
für die Sagdzeit nimmt die Meute 
in Friedland Quartier, von mo fie 
im weſentlichen die alte hiftorifche 
Gegend von Milgom, Schönebeder 
Windmühle ufw. bejagt. Für einen 
Teil der Sailon werden die Hunde 
in Paſewalk untergebradt; wo Ritt: 
meifter von Borde, ein Sohn 
des Stargordter Maſters, diejelben 
führt. Bei den Jagden in Medlen- 
burg übt Baron von Branden- 
ftein-Hohbenftein dag Amt des 
Mafter8 aus. Herr von Bran— 
denftein ift nit nur felbit ein 
Veteran der alten Neubrandenburger 
Meute, der den ehemaligen „fol- 
lowers“ des Herrn v. Demwiß- 
Milgom dafür bürgt, daß der 
neue Parforceverein im alten Geifte 
fortgeführt wird, fondern feiner 
Liebenswürdigkeit und Tatkraft ift 
es gelungen, ein erhebliche3 Ter⸗ 
rain für die Sagdfolae dazu zu 
gewinnen, jo daß die Rendezvous 
der Neubrandenburger-Paſewalker 
Meute fich heute big in dieGegend 
von Anklam erjtreden. 

81. Ludwigsluſt-Parchimer Par: 
force: Jagdverein. In Medlenburg- 
Schwerin blüht der Ludwigsluſt⸗ 


Niro. 82. 


Parchimer Parforce-Berein. Die 
Meute, die während des ganzen 
Dftober und November je vierzehn 
Tage abwechſelnd in Ludwigsluſt 
und Parchim jagt, murde 1868 von 
dem Offizierkorps der medlenbur- 
gischen Regimenter in England an- 
gefauft, Wie in Strelitz bat ſich 
aud) hier die Meute der Gunft des 
Landesherrn zu erfreuen gehabt, 
die fih nit nur in peluniärer 
Hinſicht, fondern vor allem durch 
die MWeberlafjung von Dominial- 
feldmarfen zur Jagdfolge betätigt. 
Seine Königliche Hoheit der Groß- 
herzog Friedrih Franz IV 
pflegt felbit faum ein Rendezvous 
auszulafjen, Häufig von feiner hohen 
Gemahlin begleitet. 

Bon den Namen, die alljährlich 
auf den Rendezuouszetteln wieder⸗ 
fehren, find die Dambeder Wiefen 
in der Umgegend der kleinen Land⸗ 
ftadt Grabow wegen ihrer Waffer: 
ſprünge bei allen Sagdreitern meit 
über die Grenzen Medlenburgs hin- 
aus befannt. — 

82. Brooder Meute. Abgejehen 
von den Militärreitinftituten, mo 
das Sagdreiten für den Kampagne: 
reiter zum täglichen Brot gehört, 
gibt eg außer den medlenburgifchen 
Dragonern nur noch ein Regiment, 
das auf freier Wildbahn Hinter 
einer eigenen Meute jagt; denn 
felbft in der vielgepriejenen Senne 
muß man fih heute mit einem 
Kaſtenſchwein begnügen. Diefe fel- 
tene Bevorzugung danken die Dem⸗ 
miner Ulanen der Liebenswürdig- 
feit und dem ſportlichen Sinn der 
Nachbarſchaft, deren Großgrund- 
befiter faft ausnahmslos der 
„Brooder Parforcegeſellſchaft“ an⸗ 
gehören und mit Leib und Seele 
bei der Sache ſind. 

In dem poeſievollen Tal des 
Tollenſeflüßchens, zwiſchen Wäldern 
und Hügeln liegt Schloß Broock, 
das dem Verein ſeinen Namen ver⸗ 





Irhr. B. A. v. Eſebeck. 
liehen hat. Der Klang des Namens - 


Broock reichte einjt in den Kinder: 
tagen des deutſchen Rennfportes 
über die Heimat hinaus, felbft über 
den Kanal hinüber und auf dem 
mädtigen Kamin im Billardzimmer 


unter dem großen Delbild der alten - 


Parforcejagdgejellichaft prangt der 
foftbare Ehrenpreis, den Defenfive, 
der nachmalige Beichäler des Ge: 
ftütes, 1833 aus Goodwood heim- 
brachte. Heute ift Brood der Pferde: 
zucht verloren. E83 war fein blinder 
Zufall, daß die Gründung der Meute 
im Sahre 1837 mit den Ölanzzeiten 
des Geſtütes zufammenfiel, und daß 
mit der Abgabe des Mafteramtes 
auch das Intereſſe an der Zudt 
eines edlen Pferdes bei den Be: 
figern von Brood zu ſchwinden 
begann. Deutliher als es bier 
gefchehen ift, kann die Nolle wohl 
faum zutage treten, die die Bar: 
forcejagd als Hebungsmittel der 
Pferdezuht zu fpielen vermag. 
Vielleicht ift e8 dem zunehmenden 
Ausbau der Halbblutrennen be- 
Shieden, aud den Sinn für ben 
Wert und das Vergnügen der Par: 
forcejagd neu zu beleben. Die erjte 
Meute, mit welder ihr Begründer 
jagte, bejtand aus reinen Harriers; 


f 


7 2 We 


A 


fie erwiejen fih al nad dem Ges 


jhmad jener Zeit zu ſchnell und 
murden darum abgegeben, in den 
Brooder Kennels aber durch die 
fleineren Beagles erjegt. Diefe 
find inzwiſchen wieder mit Harrierd 
gefreuzt worden, jo daB die Hunde 
heute 40—41l cm meſſen und im 
legten Herbit vem Felde ein Tempo 
vorlegten, daß, fobald die Fährte 
ſteht, auch ein Vollblüter fich ſtrecken 
muß. Der derzeitige Majter, Kam: 
merherr von Heyden, auf deſſen 
Sig Leiſtenow auch die Meute unter- 
gebracht ift, waltet feit 1883 feines 
Amtes, nahdem die Meute bereit? 
1874 in die Hände einer Aktien 
gejelihaft übergegangen mar. 





II. 3. Parfprrejagd. 


83. Vorurteile gegen die Par- 
forcejagd. In den ländlichen Be— 
fisverhältniffen mag wohl in erfter 
Reihe der Grund zu ſuchen fein, 
warum der Sport in Rot gerade 
in Medlenburg und dem angrenzen- 
den Pommern nod eine Heimat 
bat; aber haben wir nicht im Oſten 
ähnliche, wenn nicht gar noch grö= 
Bere Güterfomplere? Hier ift es 
die übertriebene Furcht, vor Flur: 
Ihäden und vor allem der einge 


j 





Niro, 83— 54. 


Schießjagd überhaupt feinen nen: 
nensmwerten Schaden erleidet. Einer 
der erfahrenften Mafter, der über 
ein Jahrzehnt die Meute des Ham- 
burg Wandsbeder Schlepp = Jagd: 
vereins geführt hat, jchreibt mir: 

„sh reite nun ſchon dreizehn 
Jahre als Maſter hinter der hie- 
figen Meute, habe aber die Erfah: 
rung nicht gemadt, daß in dem 
Terrain, wo wir reiten, die Schieß— 
jagd zurüdgegangen wäre. Im 


& ui 


aa, 


13. Bubertusjagd der Brooder:Meute 1907 „Stelldichein“, 


wurzelte Aberglaube, daß die Reit- 
jagd den Schießſport ruiniere, die 
dem Sagdreiter eine unüberjteig- 
bare Scranfe ziehen. „Do you 
know, Sir,“ jagte mir Wr. Hab: 
berfield, der ehemalige Hunts— 
man der Liffaer Fuchsmeute, „do 
you know, what is the end of 
all hunting in Germany? This 
damned gun! That’s what it is!“ 
— Ueberall, wo Barforcejagden ge- 
ritten werden, hat aber die Erfah- 
rung gelehrt, daß bei verjtändiger 
Führung der Hunde — wenn man 
diejelben vor Remijen, auf Reh— 


Gegenteil, in der Yenfelder Jagd, 
wo wir am meiften reiten, ijt die 
beite Hajenjagd der Ulingegend, und 
der Beftand an Rehmwild ift nicht 
um ein Stüd meniger geworden; 
ed müfjen nur die Hunde mit aller 
Energie von dem eventuellen Ab: 
pringen auf falſche Fährten abge: 
halten werden.“ 

84. Flurfchaden. Zugegeben muß 
allerding3 werden, daß durch das 
fortgejegte Hafenjchlagen des Hajen 
ein und dasjelbe Feld öfter von 
dem Sagdfelde paljtert wird; da— 
durch wird bei der Sagdfolge hinter 


fährte uſw. jofort abnimmt — die | dem Hafen mehr Schaden verurjacht, 


al 


— 


Niro. 85. 


als bei der Verfolgung von Dame 
wild oder Schweinen. Einmal kann 
man jedoch in gewiſſem Grade dent 
fteuern, indem man den Hafen aus 
jeinem Revier herausdrückt, anderer: 
ſeits beſteht der angerichtete Scha- 
den zum weitaus größten Teile in 
der Einbildung dererzürnten Grund: 
befiger, vorausgefegt, daß der Bo⸗ 
den nicht alzu tief ift! Es ift 
jeldftredend, daß durch Rübenfelder 
nur die Piqueure, und nicht das 
Sagdfeld den Hunden folgen dürfen. 
Der Senior der medlenburgifchen 
Sagdreiter, der über vierzig Jahre 
der Neubrandenburger Meute folgt, 
verficherte mir, daß feine Weizen- 
ſaat im Frühjahr nie fo dicht wäre, 
als wenn das Jagdfeld fte im Herbft 
ordentlich zerirampelt hätte. „rei- 
lich,” fügte er hinzu, „ſieht ſolche 
Saat am Tage nad) der Jagd greu⸗ 
lieh aus, aber dies ift nur ein 
Schönheitöfehler, der nicht von 
Dauer ift.” Der derzeitige Mafter 
diefer Meute hatte die Freundlich⸗ 
feit, mir aus feiner Tätigfeit eine 
Epifode zu erzählen, die für Die 
Haffifche Heimat der deutjchen Par⸗ 


forcejagd umd ihre Bewohner cha⸗ 


rakteriſtiſch tft: 

„Na Müller,“ fragte Herr von 
Brandenftein ein Bäuerlein, „beb- 
ben Se od Schoden anmeldt?“ — 
„Nee, Schoden vermeldt id nid; 
denn ba id ſchon 55 Jahr weng 
anmeld’ möten; dat dau id nid! 
— Wat de Weiten (Meizen) is, 
dem is dat blot nützlich; amerft 
wat de Roggen id, dor mag dat 
ja 'n bedden anners find. 30, Se 
laden jo, Herr Baron, id ma’ Se 
dat utdüten (erklären). Na jo, wat 
de Weiten is, un dat is'n droig 
(troden) Jahr, denn hätt de blot 
'n grooten Vortel (Vorteil) von; 
denn ſammelt ſich in jede Haufſpur 
(Hufſpur) de Füchtigkeit; un is dat 
n rechten ſwerren Weiten, denn 
hätt de Deitenplant (Weizenpflanze) 


Ichr. B. A. v. Gfeberk. 


in de PBerteifung ünen fcheunen 
Schutz.“ 

Unter der Spitzmarke „Landmann 
und Fuchsjäger“ ſchreibt ein eng- 
liſches Fachblatt: „EL ift eine an: 
ertannte Sache, daß, wenn aud) die 
volle Jagd mit zahlreihem Felde 
während der Saijon über junge 
Kornjaat gebt, dieſe nicht allein 
nicht leidet, ſondern daB es ihr ſo⸗ 
gar nüslih ift. Hier ein neuer 
Beweis. Man kann ung entgegnen, 
das fei längjt befannt, dennoch ver⸗ 
dient das folgende Hier einen Platz: 
Ein Pächter meldete fich bei dem 
Sarl of Fitzwilliam mit der 
Klage, daB bei einer Jagd mit deö 
Lords Fuchshunden das nadfol: 
gende jehr zahlreiche Feld jeine 
junge Weizenjaat niedergetreten 
und bedeutenden Schaden verur: 
jucdht habe. Der Lord ermibderte: 
Der Pächter möge den Schaden 
abſchätzen laſſen, den er erjegen 
werde. Das — erhielt der Carl 
zur Antwort — ſei bereit$ ge: 
ſchehen und zu 50 Lire angejchlagen. 
Lord Fitzwilliam zahlte, ohne 
ein Wort zu ermidern. Als der 
Sommer heranfam, zeigte es jich, 
daß der Weizen auf jenem Felde 
viel dichter und üppiger jtand als 
auf den anderen Feldern der Nadj- 
barfchaft. Der Pächter erjchien und 
zahlte die 50 Lire zurüd. — 

85. Bedeutung der Parforce- 
jagd für die Pferdezudt. Doc 
es genügt nicht, dag wir den 
großen und Kleinen Grundbejikern 
die „Unſchädlichkeit“ der Parforce— 
jagd bemweilen, wir müfjen fie von 
deren „Notwendigkeit” überzeugen, 
von ihrem direften Nuten, als ein 
Mittel zur Hebung der inländijchen 
PVferdezudt. Denn was für Er- 
probung der Xeiftungsfähigfeit des 
Bollblutes die Rennen, das ift fürdie 
edlere Halbblutzucht die PVarforces 
jagd. Alle berühmten GeftüteDeutfch- 
lands, wie Baſedow, Ivenack u.f.w. 


2 — TE en — 
— LAU I 3 8 


——— 


I. 3. Parforcejagd. j 


Neo, 35. 


hatten auch ſchon in alter Zeit ihre | ein allgemein beliebte8 Bergnügen 


Barforcejagden, bei denen fich die | werden.” — 


befjeren Pferde zeigen konnten. 
Mit den Jagden gingen auch bie 
Geftüte ein. Man nehme England 
Rennen und Fuchsjagd, und feine 
Pferdezucht wird in fünfzig Jahren 
nicht mehr der Schatten der jeigen 
fein. Neuerdings ift durch Die 
Halbblutrennen ein friiher Impuls 
in unjere edle Landespferdezucht 
gefommen; aber der deutjche Züch- 
ter beobachtet oft eine ſchwer ver- 
ftändliche Rejerve gegen alleß, was 
mit dem „Turf“ zufammenhängt, 
darum wird der fürderlidhe Einfluß 
der Halbblutprüfungen nur einzelnen 
größeren Geftüten zugute fommen. 
Abgefehen hiervon und von der 
leidigen Geldfrage pflegt ſich die 
verjönliche Beteiligung am Rennen 
meift mit einem gewiſſen Lebens⸗ 
alter zu verbieten; die Freuden 
des Sagdfeldes dagegen find jedem 
zugänglich, mag er 60 oder 120 
Kilogramm, mag er 20 oder 60 
Lenze in den Sattel bringen. Haſen⸗ 
jagden haben in diejer Hinficht vor 
jeder anderen Art der Parforcejagd 
noch ein Moment voraus, das zu 
ihren Gunften plädiert. In Eng: 
land Tann man befanntli in eins 
zelnen Gegenden, wie mit den 
Pytchley:, ven Duorn=, den Cottes⸗ 
more⸗Hounds in Leiceſterſhire, nur 
auf einem Bollblüter leben. Sol 
die Parforcejagd bei ung von 
neuem populär werden, jo darf ihre 
Ausübung fi nicht auf den Heinen 
Kreis derer bejchränfen, die durch 
ein leichtes Körpergewicht und einen 
ſchweren Geldbeutel bevorzugt find. 
„Meuten von langjameren Hunden, 
3. B. Harrierd oder Beagles,“ heißt 
e8 in einer alten Schrift über 
Pferdezucht, „tun not, denen auch 
der minder Bemittelte leicht und 
gemädlich folgen Tann. Dann wird 
die Jagd erft ihren vollen Nuten 
für die Pferdezucht entfalten und 


„Denn e3 auch Tage 
gibt,” ſchreibt ein englifcher Autor, 
„an denen die Hunde den beiten 
Hunter diftanzieren, jo genügt im 
allgemeinen für die Jagd hinter 
Hafen ein Pferd, das ficher, ge= 
ſchickt und leicht in der Hand ift, 
etwas galoppieren kann und zuver⸗ 
läffig fpringt, denn auf ungemöhn- 
lihe und nicht immer leichte Situa: 
tionen muß man gefaßt fein!” 
Ueber den „Nuten der Reitjagd“ 
heißt es 1859 in den „Blättern 
über Pferde und Jagd“: „Es ift 
allerding® ſchade, wenn viele und 
gute Pferde zu grunde gerichtet 
werden, aber es belebt dieler Ver: 
brauch andererſeits wieder die Zucht 
fehr, aus dem einfachen Grunde, 
weil er viel Nachfrage erzeugt. Wo 
aber viele gute Jagdpferde gezogen 
werden, da fehlt es niemals an 
anderen guten GebrauchSpferden, 
denn das Jagdpferd und das ihm 
ähnliche ift in der Regel dazjenige, 
was im allgemeinen am meijten 
anjpricht, zu mehrfeitiger Verwen⸗ 
dung fich eignet und daher auch zu 
anderen BZmeden, als zur Sagd 
ſehr geſucht ift.” — Wenn ein 
engliſcher Sporticriftfteler kon⸗ 
ſtatiert, daß in alter Zeit weit mehr 
Pferde im Jagdfelde liegen blieben, 
und hieraus folgert, daß die heu—⸗ 
tige Generation nicht mehr mit der 
Rüdfichtslofigkeit unferer Väter 
reitet, fo fann ich mid) diefer Fol⸗ 
gerung nicht anjchließen; wenn in 
der Tat die Parforcejagd weniger 
Opfer an Pferdefleiſch fordert, als 
vor fünfzig Jahren, jo ſcheint mir 
dies viel eher zu beweiſen, daß 
unfer Pferdematerial durch Bol: 
blut, Rennen und Aufzucht edler 
und zugleich widerjtandsfähiger ge= 
worden ift. Während der Nuten 
der Rennen gemwifjermaßen nur auf 
die Spißen der Landespferdezucht 
unmittelbar einwirkt, wäre die all- 


Nro. 85. 


gemeine Verbreitung der Parforce- 
jagd geeignet, in allen Schichten 
der Yandespferdezuht, bis hinab 
zum Eleinften Züchter, für eine auf 
Härte und Yeittungsfahigfeit gerich— 
tete Aufzucht Verſtändnis zu weden. 
Dem Charafter wie der vornehmiten 
Beitimmung unſeres inländijchen 
Halbblutpferdes — als Soldaten: 
pferd — liegt zudem eine Prüfung 
im Sagdfelde viel näher, als eine 
jolhe auf der Rennbahn, zumal 
auf der flahen Bahn über eine 
furze Diftanz. „Bei unferen Halb- 
biutpferden,“ jagt Lanpdjtallmeijter 
Dr. Grabenjee, „dürfen die für 
ein Gebrauchspferd Jo außerordent- 
lid wichtige Ruhe und Die quten 
Nerven, melde Yanpjtallmeijter 
v. Dettingen bei den amerifa- 
niſchen “Pferden jo fehr rühmt, 
durd) lange, womöglich bi8 in das 
ſechſte Jahr fortgejegte Jagdgalopps 
mehr gefördert werden, als durch 
öffentliche Rennen.“ 

Der ſchon oben von mir zitierte 
Maſter ſchrieb mir ſ. 3.: „Auch 
ich kann es nur bedauern, daß der 
„Sport in Rot“ in Deutſchland in 
ſo vielen Gegenden nachgelaſſen, 
ja zum Zeil ganz aufgehört hat. 
Dag findet in der Hauptſache feinen 
Grund in dem wenigen Gntgegen- 
fommen der Yandbevölferung, da— 
durch ift leider der Sport jehr teuer 
geworden, jo daß aus dieſem 
Grunde die Vereine fih aufgelöft 
haben, läge e8 da nicht im Inter— 
ejje der landwirtſchaftlichen Preſſe 
und vor allen Dingen der Männer, 
die an der Spike von Zuchtvereinen 
jtehen, eine Aenderung eintreten 
zu lajien? Daß die Pferdezucht 
durch die Barforcejagd entjchieden 
gehoben wird, tjt fruglos. Es wäre 
daher von großer Wichtigkeit, wenn 
durh Die Direftoren der Land: 
gejtüte ein Drud auf die Züchter 
ausgeübt würde, indent 3. B. bei 
den Stutenjchauen die Züchter ans 


Irhr. 5. R. v. Eſebeck. 


gehalten würden, die Leiftungen | 
ihrer Stuten rejp. deren Produkte 
anzugeben, und folde Züchter, Die 
nachweiſen können, daß ihre Pferde 
gute Yeiftungen auf den Parforce- 
jagden zeigen, Preiſe erhielten; 
auch könnten die Züchter, um Das 
Intereſſe zugunften der Pferde: 
zucht zu weden, fi frei an allen 
Wildjagden beteiligen. Ferner 
müßte e8 von Wichtigkeit fein, wenn 
die Direktoren der Yandgeftüte ihre 
Hengite nicht nur in den Halbblut: 
rennen laufen ließen, fondern die: | 
felben aud; hinter den Hunden au$: | 
probierten.“ — | 
Wo ſich Gelegenheit hierzu bietet, 
wie 3. B. in Hinterpommern, hinter | 
der Stargordter Meute, wird Die: 
jelbe auch von dem Gejtütßleiter 
wahrgenommen, um den Züctern 
die Qualität der Remönteerzeuger 
ad oculus im Jagdfelde zu Demon: 
ſtrieren. Allein eine eigentliche 
Prüfung von Zuchtmaterial Hinter 
den Hunden wird im wejentlichen 
wohl immer auf Privatgeftüte be- | 
ſchränkt bleiben. Abgejehen von ! 
allen anderen Bedenten, die man 
an maßgebender Stelle dagegen | 
geltend machen könnte, halte ich | 
den Vorfchlag ſchon aus dem ein: , 
fahen Grunde für ſchwer zu ver: 
wirklichen, weil die Zahl der Meu: 
ten jelbft bei Hinzuzählung Der 
Cchleppjagden doch eine fehr bes 
ſchränkte ıft und es leider vorerft 
wohl aud bleiben wird. Yrudt: 
barer dürfte fi der Gedante er: 
erweifen, etwas ähnliches in Deutſch⸗ 
land zu fchaffen, wie die „Hunters 
Smprovement Society” *), oder 
wenigſtens deren Beftrebungen bei 
ung einzubürgern. Mir ſchwebt 
eine Prüfung vor, wie id) jie vor 
Sahren in Schweden fah: Erſter 
Tag, Drefjurprüfung und Preis; 





*) (Sefellihaft zur Verbeſſerung der 
Sunterzudt. 





aaouupg uı spapglupogzappiut aM Sag mau ↄ— 











II, 8. Parforrejagd. 


Ipringen, — zweiter Tag, Schlepp- 


jagd Hinter den Hunden. Die 
Concours hippiques in Berlin, die 
Ausstellungen der Deutjchen Land— 
wirtſchaftsgeſellſchaft u. dergl. brin- 
gen ja die gegebene Gelegenheit, 
um folde Brüfungen zu injzenieren. 
Läge es nicht auf der Hand, mit 
den in Hannover geplanten Yei- 
ftungsprüfungen für SKampagne= 
pferde eine Konkurrenz für Jagd— 
pferde zu verbinden, d. h. eine 








Nro. 85. 


Verbindung mit der Prüfung von 
Meuten, — welch neuen Impuls 
würde der „Sport in Rot“ davon 
heimnehmen! Und die inländijche 
Halbblutzuht würde dabei nicht 
Ihleht fahren. — Borausgejeßt 
natürlich, daß alle derartigen Aus: 
Ihreibungen in ihren Dienjt gejtellt 
werden. Das ijt für mich Kardinal: 
forderung. Wie aktuell die Par— 
forcejagd auf den Abjat der Pferde- 
zucht ‚wirkt, fieht man am deutlich- 


14. Eiffaer $uchsmeute. 


Dreſſur- und Geländeprüfung für 
Verde, die hinter deutſchen auf 
freier Wildbahn, Kajtenwild oder 
Schleppe jagenden Meuten minde- 
ſtens jo und jo oft zum Halali 
geritten find. Gerade Hannover 
mit feinem idealen Terrain, jeinem 
reihen Material und der Fülle von 
Paſſion, Schneid, Energie, Unter: 
nehmungslujt, die dort zu Haufe 
it, ſcheint der rechte Boden für 
derartige Bejtrebungen zu jein. 
Wäre es denn undenkbar, daß die 
Tage des „Konkurrenzjagens“ (1881 
und 1885) wieder auferftehen ? 
Man denke ſich eine Konkurrenz, 
wie ich fie oben fennzeichnete, in 


ften in Medlenburg und Bonmern, 
wo jeder Gutsbejiger fich ein bis 
zwei Reitpferde hält, um den Lud— 
wigsluſt-Parchimer, den Neubran: 
denburger, Brooder oder Star- 
gordter Hunden zu folgen. Haben 
die Vferdefonfumenten — Berufs 
favalleriften und Liebhaber — Ge- 
lfegenheit, die Leiftungen der in- 
ländiſchen Halbblüter unter hohem 
Gewicht im tiefen Boden hinter den 
Hunden zu beobadten, jo kann es 
nicht ausbleiben, daß Ddiefelben 
fortan ihren Bedarf im Inlande 
und direft vom Produzenten deden, 
anftatt durch Ausländer fragwür— 
diger Herkunft aus dem Händler: 
6 


Nro. 86. 


ftal, an denen fie außer den 
Transportkoſten nod) den Verdienft 
des Händlers tragen müfjen. In 
der Provinz Pojen habe ich Hunter 
allergröbiten Kaliber gefehen, die 
aus der Kreuzung ümportierter 
Workihirescoadh:horfe » Stuten mit 
einem Gradiger Hengft ftammten 
und, menn ein englijcher Züchter 
jelbft jagt: „Es gibt drei Typen, 
von denen man mit Bollblut Hun— 
ter züchten fann: Yorkſhire-oach— 
horje, Cleveland-Bay und Trafeh: 
ner,” To fpricht dies deutlich genug 
zugunften der deutſchen Zudt. 
Noch viel mehr als die Beförde- 
rung des Konſums wiegt in meinen 
Augen eine indirefte Wirkung, 
welde man von dem Aufblühen 
der Varforcejagd für unſere inlän: 
diſche Pferdezucht erhoffen darf: in 
den traditionellen Pferdezuchtpro— 
vinzen macht es ſich heute bereits 
fühlbar, daß die Bauern ihre beiten 
Stuten dem Händler überlajien. 
Würde gerade in jenen Gegenden 
unter den größeren Belikern die 
Nachfrage nah guten Gebrauchs— 
pferden fteigen, jo würde der kleine 
Züchter um fo eher eine gute 
Mutterftute behalten, als er viel: 
leicht Gelegenheit hat, jelbit die 
Freuden des Jagdreitens auf ihr 
fennen zu lernen, und wer jeine 
eigene Haut zu Marfte trägt, der 
wird ſich hüten, ein Pferd mit 
Schlechter Schulter und fteilen Feſſeln 
zu ztehen; der Züchter, der felbjt 
den Hunden folgt, weiß aus eigener 
Erfahrung, wie ein aabnjeı® auf: 
gezogen fein muß. Warum produs 
ziert Irland die — Hunter der 
Welt? — Man wird erwidern: 
„Sein Klima, ſein Boden, ſein 
Vollblut,“ — alles ſehr wahr, und 
doch beſäße der irländiſche Hunter 
nicht jene unvergleichlichen Eigen— 
ſchaften, wenn er nicht von ſeinem 


Frhr. B. A. 


v. Eſebeck. 


Tage ſeines Lebens an für den 
dereinſtigen Beruf im Jagdfelde 
erzogen worden wäre. Würden 
unſere kleinen Grundbeſitzer ihre 
güſte Mutterſtute oder eine ge⸗ 
ſtoßene Remonte auf der Jagd 
reiten, ſo würde der Sport in Rot 
noch viel unmittelbarer auf die 
Aufzucht in unſerer Landespferde⸗ 
zucht einwirken, als es der Sport 
zwiſchen den Flaggen tut. Darum 
hat die Armee als erſter Konſument 
des Halbblutpferdes an der Förde⸗ 
rung der Parforcejagd ein bren— 
nendes Intereſſe. Im Kampfe 
gegen die Ausbreitung der Kalt: 
blutzucht, die in unjeren Remonte- 
provinzen für die Wehrjchaft des 
Baterlandes eine Gefahr zu werden 
droht, wäre die Parforcejagd ein 
nit zu unterfchägender Bundes- 
genofje. 

86. Die Barforcejagd in Eng- 
land. Bis in die unterjten Schich- 
ten der englifchen Bevölkerung hat 
jedermann Berftändnig für Die 
nationalöfonomifche Bedeutung von 
Sport und Pferdezudt. Der Päch— 
ter und Grundbefiger, wie Der 
Handwerksburſche auf der Land: 
jtraße weiß, daß ohne die Jagden 
der Hunter nicht feinen Weltruf 
genöſſe. In Enaland erfreut fich 
darum auch der Nermfte und Ge: 
tingfte an dem Anblid eines Rei: 
ter3 und dies Doppelt, wenn der; 
jelbe einen roten Rod trägt. In 
Deutjchland aber fieht der Kleine 
Mann in feinem Mitmenfchen zu 
Pferde den „verfl Ariftofras 
ten“, der ſich über ihn erheben 
will. Jeder Sport, fobald er mit 
dem Pferde zufammenhängt, ift als 
Vorrecht der Befigenden bei uns 
von vornherein unpopulär. Der 
wahre Hemmſchuh für die Entwick 
lung des Sport3 in Rot liegt in 
den fozialen Verhältnifien. Was 


Züchter ſchon vierjährig Hinter den den Huntingfport in England fo 


Hunden geritten und vom erſten 


‚populär madıt, ift der foziale Zu: 


11. 8. Parforrejagd. 


ſammenhang, der durch benfelben 
zwifhen allen Klafſſen gefchaffen 
wird. Der Lord aufdem 300-Pfund- 
Hunter fchüttelt dem Bauern, über 
deſſen Felder er reitet, wie Seines: 
gleichen die Hand, und der junge 
Dandy, der im Ballfaal vor lauter 
Feinheit nit den Mund auftut, 
wird im Sjagdfelde mit Freuden 
fih die Erfahrungen eines alten 
„foot-runners* nußbar machen. 
Ich bin in Deutfchland bisher einem 
einzigen Bauern begegnet, der auf 
einem jelbjtgezogenen Fünfjährigen 
einer Jagd folgte; anftatt vor dem 
Waderen die Kappe zu ziehen, 
machten die noblen Herren im roten 
Rod fih über ihn luſtig. So 
wenig Verftändnig für das eigent- 
lihe Wefen des Sport3 in Rot 
herrſcht bei uns felbft dort, mo 
man dasſelbe zu juchen berechtigt 
ift. Wer in England zeigt, daß er 
binter den Hunden feinen Strid) 
reiten Tann, ohne dieſe oder die 
übrigen Reiter zu ftören, der wird 
weder nad feinem politifchen, noch 
nad irgend einem anderen Glau— 
bensbekenntnis gefragt. Er mag 
wie ein Botofude augfehen und in 
dem Aufzuge eines Bafchfiren er- 
feinen, wenn er den Sport ver: 
fteht und gerade reitet, fo werden 
ihn der Earl auf dem ein kleines 
Bermögen koſtenden VBollblüter, wie 
der von der erjten Londoner Firma 
adjuftierte Millionärsjohn nicht nur 
mit Achtung, jondern mit lieben?- 
mwürdigfter Zuvortommenheit be: 
handeln. 

In einem engliihen Lofalblatt 
ftand zu lefen: „Bexhill darf ſich 
jegt rühmen, zwei Maſter of the 
hounds am Orte zu haben, beides 
Sportömen vom rediten Sclage. 
An uns ift ed, nunmehr dafür zu 
forgen, daß fie bei un® bleiben, 
damit der Huntingiport an unferem 
Drt ein dauernded Heim findet. 
Nicht? vermag den während des 


| 


F 


Niro. 86, 


Winterd ruhenden Handel und 
Wandel unferer Stadt wirkſamer 
zu beleben, ald Hunting. Wie 
fönnen wir hierzu beitragen? 
Nichts einfacher ald dies! Ihr 
braucht nur Füchſe und Hafen in 
euern Revieren nad Kräften zu 
Ihonen, müßt eure Beiträge püntt- 
ih bezahlen, dürft nicht über 
Saaten reiten, Tore offen lafjen 
und unter feinen Umjtänden eure 
Felder und Koppeln mit Stadel: 
draht einfriedigen. Werden Ddiefe 
drei Bedingungen von der Cin- 
mwohnerichaft erfüllt, jo werben 
unjere Maiter bei ung bleiben und 
dag geliebte Hunting wird bei und 
blühen, jener herrlihe Sport, bei 
defien bloßer Nennung es jeden 
Mann ſchon mit ungeduldiger Auf: 
reaung durchbebt, wie ein fpätes 
Mädchen, dad die Torihlußpanif 
ergreift.” — 

Abgeſehen davon, daß dag Hun— 
ting eine Menge Leute unmittelbar 
ernährt, die durch Pferdehalten, 
Deffnen der Gatter u. dergl. an 
den Jagdtagen einen Wochenlohn 
verdienen, liegt die joziale Bedeu— 
tung des Sport? vor allem auf 
gejellfchaftlichem Gebiet. Die vor⸗ 
nehmen Leute, die ohne die Fuchs— 
jagden den Winter an der Riviera 
verbringen würden, werden dadurd) 
im Lande gehalten, und in einem 
toten Eleinen Provinzneft, das im 
Zentrum mehrerer Meuten liegt, 
entwidelt fi ein Leben wie im 
faſhionabelſten Badeort. Hotelmirte, 
Handwerker und nicht minder alle 
ländlichen Produzenten ziehen hier: 
aus Gewinn. Zu den „Subffri: 
pers“ gehören darum auch ſämtliche 
Kaufleute und Lieferanten der um— 
liegenden Städte und Dörfer. 
Unter folhen Umſtänden fommen 
Beihmwerden und Schadenerjak- 
anſprüche verhältnismäßig wenig 
vor. Aber man weiß dies auch 
auf der anderen Seite zu würdigen! 


Nro. 86. 


Einem Heinen Pächter in Suffer 
waren von Füchſen zwanzig Hühner 
zerrifien; da Derjelbe jeit ſechs 
Jahren feinen Schaden angemeldet 
hatte, jo erhielt er 100 Marf Ent- 
Ihädigung. Die Pächter, welche 
Füchſe jchonen, haben die Jagdfolae 
frei und die Berechtigung, hinter 
den Hunden einen dunklen Anzug 
mit roter Weſte zu tragen. 

Ich glaube, wer das Fox-Hunting 
nur aus engliihen Stihen und 
Romanen fennt, macht fih von 
einem „Meet“ ein ganz verfehrtes 
Bid. Was auf den eriten Blid 
befremdet, iſt die verjchwindende 
Zahl der roten Röcke. Nur die 


Mitglieder der Meute dürfen dieſen 


mit dem Abzeichen tragen, und 
jelbft dieſe erjcheinen häufig im 
ſchwarzen Rod mit dem „Hunt 
button“. Gäſte dürfen vorüber: 
gehend im roten Rod reiten, fofern 
fie den Knopf einer Meute tragen 
(3. B. Kal. Barforcejagd oder Mil. 


Keitinft.); gebräuchlicher aber iſt 


Ichr. B. A. 


| 





v. Eſebeck. 


der ſchwarze Rod von gleichem 
Schnitt mit weißen Hofen, Stulp= 
jtiefeln und hohem Hut. Einige 
Dandys tragen den roten oder 
Schwarzen Reitfrad. Das Gro8 des 
Feldes, nämlich die Heinen Grund— 
befiter, Bächter und Bauern, reiten 
im gewöhnlichen Neitanzug ; hierzu 
find ſowohl Stiefel (ohne Stulpen 
mit Anichnalliporen), wie Gama— 
ihen zuläffig; Conditio sine qua 
non ift nur der runde ſteife Filz- 
hut. Das einzige Kleidungsftück, 
das im engliichen Jagdfelde un: 
möglich ift, ift die bei und übliche 
Ihwarze Sammetfappe; dieje ijt 
das Vorrecht des Mafters und 
jeiner Unterorgane. Damen fieht 
man ſowohl im Zylinder ald im 
runden ſchwarzen Hut, vielfach 
tragen diejelben die Abzeichen der 
Meute (Kragen und Knöpfe) zum 
Ihmwarzen Neitfleid. Charakteriſtiſch 
für das Bild eines Foxhound— 
Meet in Enaland und zugleih für 
die Popularität des Hunting im 





15. Foxhound-Meet in England. 





II. 8. Parforrejagd. 


Nro. 86. 


ganzen Lande ift die fchier endlofe | und wohl auch mandjer der fonft 


Kolonne von Dogcart3 und Ge— 
jpannen aller Art, von der Mail- 
coach big zum Ejeltandem, die mit 
Zuſchauern bejegt, ſchon auf Meilen 
den Weg zum Stelldichein weijen. 

Man Hört fo oft von Leuten, die 
„prüben“ waren, mit einer geſuch— 
ten Geringjhägung von den eng- 
liſchen Jagden ſprechen, al3 ob es 
dort überhaupt nicht vorfäme, daß 
jemand fih vom Wege herunter 
wage, oder anders als durch ein 
„gate“ (Tor) aus einem Feld in das 
undere gelange. Andere dagegen 
haben die tollfühnften Wundertaten 
a la Mündhaufen im Jagdfelde 
verrichten fehen. Sn dem einen 
wie in dem andern alle wäre es 
gleich unrichtig, dieſes Urteil zu 
verallgemeinern. Wer in einem 
Felde von 700 Reitern während 
des ganzen Sagdtages in der 
Straßentolonne eingefeilt war, wird 
fi) naturgemäß der erjteren Auf: 
faffung anſchließen und dazu bei: 
tragen, in der Phantafie feiner 
Zuhörer ein vollfommenes Zerr— 
bild von dem For:-Hunting zu 
Schaffen. Der Deutſche, der zum 
erftenmal drüben ift, wird jehr 
ſchwer der Bedeutung des „Hunting” 
gerecht werden, weil er jich nicht 
fo ohne weiteres von dem fozialen 
Boden Rechenſchaft geben fann, 
auf dem der „Sport in Rot“ dort 
blüht. — Wer reitet überhaupt in 
Deutfchland „Jagd“? Der Offizier 
und allenfalls der Rejerveoffizıer, 
d. 5. das Reiten hinter den Hun— 
den fteht wie der ganze Reitjport 
in Deutſchland im Zeichen des 
Militarismus, denn auch der Pri⸗ 
vatmann reitet im allgemeinen bei 
ung nad) den in der Armee gelten 
den Grundjägen, wenn er nicht 
feine favalleriftiihe Ausbildung gar 
direft der Armee verdankt. In 
England dagegen „huntet” jeder 
Mann zwiſchen 8 und 80 Jahren 


im Leben nie mit dem Pferde in 
Berührung fommt. Sch habe 3. B. 
geſehen, daß ein halbwüchſiger 
Bengel an einer Wegebiegung ins 
Rutſchen fam, jo daß er nur noch 
mit einem Bein im Sattel Bing, 
wobei er im PBorbeirafen von den 
Zuſchauern wieder in den Sattel 
gefhoben wurde und ohne Bügel, 
faum die Zügel in der Hand, weiter 
jagte. Angefiht3 ſolcher Bilder, 
denen man immer. wieder begegnet, 
babe ich mich oft gefragt, was mehr 
zu bewundern jei, das Herz der 
Pferde, die unter ſolchen Reitern 
alles fpringen, oder daS Herz diejer 
Reiter, die auf den faſt ſtockrohen 
Pferden gegen alleö gegenreiten. 
Das Geheimnis, weshalb dieſe 
Kombination in der Negel glücklich 
abläuft, findet feine Löfung in dem 
langen Zügel und dem vorzüglichen 
Zeınperament der Pferde. Es iſt 
in hohem Maße bezeichnend, daß 
die erfte Frage des Engländers, 
der ſich nach einen Jagdpferde er: 
fundigt, unmeigerlidy lautet: „Hat 
es ein gute® Maul?“ und wenn 
jemand einen Hunter lobt, fo fpielt 
das „leichte Maul” die erſte Rolle. 
Dem typiſchen Bild des „Pullers“, 
wie wir es in jedem deutjchen 
Sagdfelde zu ſehen gewohnt find, 
begegnet man jenfeits des Kanals 
fat nie; in den eng umgrenzten 
Seldern, mit der dien Kolonne, 
die ſich durch die gates drängt, 
wäre ein folder Schrammer nicht 
nur für den Reiter, fondern aud) 
für deſſen Mitmenſchen lebensge: 
fährli; und der Engländer ift im 
Jagdfelde fehr viel rüdfichtSpoller 
al3 der Deutiche. 

So jelbjtverftändlich es für den 
Engländer ift, daß man Jagd reitet, 
fo wenig Aufheben madt er von 
den finanziellen Opfern, die dem 
Sport in Rot gebracht werden. 
Durch Beiträge erhält z. B. ein 


nutze 





Niro. 86. 


Frhr. B. A. v. Eſebeck. 


mir bekannter Maſter jährlich 800 | kürzende Pauſe zwiſchen den Be: 


Pfund; dies bedeutet, daß er mehr 
als das doppelte aus eigenen 
Mitteln zuſchießen muß (etma 40 000 
ME), um die Sahresunfoften zu 
decken. 

In Deutſchland dürften ſich we: 
nige Privatleute finden, Die in der 
Lage oder mwilleng wären, für das 
Vergnügen der Jagdreiter jolche 
Aufwendungen zu machen, ganz 
abgefehen davon, daß kein Grund: 
befiter oder Jagdpächter ſich dazu 
veritehen würde, dem Notrod zu 
Liebe Füchſe zu fchonen. Lebteres 


iſt aber conditio sine qua non 


für die Jagd Hinter Fuchshunden, 
deren Geſchäft ohnehin ſchon hier: 
zulande durch die ausgedehnten 
Forſten ungeheuer erjchwert würde. 
An England werden die Füchſe 
aus den Kleinen getrennt liegenden 
Maldparzellen oder Ginfterdidungen 
(covers) leicht von den Hunden 
herausgeftöbert, nachdem in der 
Naht zuvor, während Meijter 
Reinefe auf Raub ausgeht, Die 
Baue verftopft find. Troßdem 
fommt ed auch dort noch häufig 
genug vor, daB Reineke feinen 
Berfolgern entwifcht oder überhaupt 
nicht gefunden wird; beides ver⸗ 
mag aber den Enthufiasmus des 
englifchen Sportämannes aud nicht 
im geringften zu dämpfen; ganz tm 
Gegenteil; gerade die fprichiwötliche 
Ungemibheit (glorious uncertainty) 
der Fuchsjagd ift e8, die in feinen 
Augen diefem nationalen Sport 
den Hauptreiz verleiht. Hierin 
fennzeichnet fi die grundjäßliche 
Berfchiedenheit von englifcher und 
deutfher Auffaffung: Bei allem 
Erwerbsfinn und faufmännifcher 
Großzügigkeit ift der Engländer 
bis in die FingerfpienSportämann; 
der Deutſche kann aber nun einmal 
aus feiner Haut nicht heraus; ihm 
fült im beiten Falle der Sport die 
unvermeibliche, nach Möglichkeit zu 


rufsgefchäften. Selbſt der Offizier 
fünnte es ſich bei und nicht leijten, 
an drei Tagen der Woche von früh 
9 Uhr bis zum Anbruch derDuntfelbeit 
den Hunden zu folgen, mit der 
möglichen Aussicht, einen ganzen 
Tag vergeblich vor den Waldremi⸗ 
jen berumzulungern, ohne daß das 
„Tally ho, gone away“!, daS das 
Herausbrechen eines Fuchſes an- 
fündigt, Pferde und Reiter von 
ihrer Ungeduld erlöjt. Der deutiche 
Beamte oder Geſchäftsmann, der 
jeine knapp bemefjenen Erholungs» 
ftunden dazu benußt, un Jagd zu 
reiten, mill in’ diefer Zurzen Zeit 
unter allen Umftänden einen flotten 
Galopp, eine Reihe fairer Sprünge 
und eine erfolgreiche Jagd genießen. 
Auf alles dies ijt bei der Parforce⸗ 
jagd auf freier Wildbahn nie mit 
voller Beltimmtheit zu rechnen, 
denn der scent, d. 5. die Stärke 
der Witterung ift von der Boden: 
befchaffenheit, der Tageszeit, Luft⸗ 
temperatur, Wind und taufend Zu: 
fälligfeiten abhängig. Bei ven 
hierorts gebräuchlichen Hafenjagden, 
die ja vor der Fuchsjagd den Bor: 
zug der geringeren Unkoſten haben 
(eine Hafenmeute ift ſchon für 
6000— 8000 ME. im Jahr zu unter: 
halten), werden durch das fortge— 
ſetzte Auffpringen friiher Hafen die 
Hunde allzuleiht von der Fährte 
abgelenft und dadurch der Erfolg 
der Jagd in Frage gejtellt. Selbſt 
die Jagd hinter ausgefegtem Kaſten⸗ 


wild — Dam- und Schmarzwild, 


dem man unmittelbar vor dem An: 
legen der Hunde die Freiheit gibt 
—, mie bei den föniglichen Par: 
forcejagden in Döberig und Han: 
nover, auf der Senne 2c., garan⸗ 
tiert nicht immer einen Jagdgalopp; 


war das Tier ſchon länger feiner 


Sreiheit beraubt, jo macht es häufig 
von derjelben gar feinen Gebraud), 
fordern ftellt ſich fogleich den Hun⸗ 


} 


IH. 8. Parforcejagd. 


Niro. 87. 


den, oder wie ed namentlich beim | aber kann nicht einmal der Majter 
Schwarzmwild in fumpf- und waſſer⸗ | oder Huntsman das Ende abfehen. 


reihen Gegenden häufig vorfommt, 
das Wild flüchtet fich jofort in ein 
Gelände, in das man zu Pferde 
nicht folgen fan. Aus dieſem Grunde 
gibt der Deutjche, dem die Par- 
forcejagd fein weidmänniſcher Sport, 
fondern lediglih eine Reitübung 
bedeutet, von jeher der Schlepp: 
jagd den Vorzug, bei der die Hunde 
auf einer dur Schleppen von 
Fuchs⸗ oder Wildfchweinlofung her⸗ 
geſtellten künſtlichen Fährte jagen. 
Da man durd) Auswahl des Ge- 
ländes den Flurſchaden nahezu ver: 
meiden Tann, fo find die mit dieſem 
„Surrogat” der Barforcejagd 
verbundenen Unkoſten verhältnis: 
mäßig geringe, und da man bie 
Stärte der Fünftlihen Witterung 
willfürlich bemeffen kann, fo kann 
man dafür vorforgen, daß die 
Hunde felbjt bei Sturm und größter 
Trodenbeit ſchnell und laut auf 
der Schleppe zu jagen vermögen 
und den Sagdreitern ein jcharfes 
Tempo vorlegen. 

87. Schleppjagden. Es gibt 
viele und gute Kavalleriften, die 
als kavalleriſtiſches Erziehungs: 
mittel die Schleppe noch über die 
Wildjagd ſtellen. Gegen letztere 
machen dieſelben geltend, daß ſie 
dem Reiter nicht hinreichend Ge⸗ 
legenheit gäbe, Hinderniſſe in flie- 
gender Fahrt zu überwinden, daß 
dur die häufigen Stoppg beim 
Ueberfchießen der Fährte der reiter: 
lihe Geift zu kurz füme. Was 
dies betrifft, jo glaube ich, daß 
„Drüdeberger” und „Grabenſpione“ 
auf der Schleppjagd viel eher eine 
Tür finden, als auf der Wildjagd, 
wo es Ehrenjade ift, beim Halali 
zu fein. Der Endpunft einer 
Schleppe, wo das den Hunden zu: 
gedachte Fleiſch niedergelegt wird, 
läßt ſich wohl immer in Erfahrung 
bringen, auf der freien Wilbfährte 


„Ich will nicht beftreiten,” fchreibt 
Keudell, „daß die fogenannten 
Schnitzeljagden eine ganz gute 
Uebung für das Terrainreiten find; 
jeder Reiter aber, der ſchon einmal 
hinter Hunden geritten bat, und 
wären ed auch nur Beagles ges 
wejen, wird mir zugeben, daß er 
ſchneller und andauernder hierbei 
Galopp reiten mußte, als dies je- 
mals bei der Schnigeljagd der Fall 
gewejen if.” — Der Wert des 
Jagdreitens liegt in meinen Augen 
nicht in der Sigübung bei Weber: 
mwindung von Hinderniffen, fondern 
darin, daß es bei dem Reiter Ge- 
fühl für Pace und Kondition er: 
zeugt und da3 Auge für unvermutet 
auftauchende Geländefchwierigfeiten 
ſchärft. Was ich der Schleppjagd 
zum Vorwurf made, iſt, daß der 
Reiter in allen Fällen meiß: die 
Hinderniffe find zu |pringen, denn 
der Schlepper hat jie bereits über- 
mwunden. Er fagt fi: mögen mir 
heute immerhin ein paar „Inuffige” 
Sprünge in die Quere fommen, 
„unfair“ werden fie fchon nicht 
fein, denn wozu wäre fonft die 
Schleppe ausgefudt. Die Möglich- 
feit, in ein gänzlich unpaffierbares 
Gelände zu geraten, die auf der 
Wildjagd jeden Augenblid eintreten 
fann, ift auf der Schleppe von 
vornherein ausgeſchloſſen. Die für 
den Kampagnereiter fo wichtige 
Tugend „Disfretion” wird alſo 
bier niemals auf die Brobe geftellt. 
Die Schleppjagd ift für junge, 
unroutinierte und für nervenſchwache 
Reiter gewiß ein vortreffliches 
Mittel, um den Schneid zu weden; 
aber da3 gleiche erreicht man, wenn 
man fie ohne Zügel und Bügel in 
der Karriere durch einen Spring: 
garten reiten läßt. Was für den 
Patrouillenreiter mehr Nuten bat, 
eine Jagd über ausgeſuchte Hinder: 


Ne. 87. 








niffe in volliter Fahrt oder Die 
Durchquerung eines unbefannten, 
oft recht unfairen Geländes — 
wenn auch vielleicht auf Koſten der 
der Pace — Darf ich wohl außer 
Frage laſſen. 

Doc) es hieße, „das Beffere zum 
Feind des Guten“ machen, wollte 
man die Verbreitung der Schlepp: 
jagd darum nicht befürworten, weil 
die Varforcejagd den Vorzug ver: 
dient. Wer hinter Schlepphunden 


Frhr. B. R. 


v. Efeberk. 


Meute darf freilih das weibliche 
Glement nicht vorherrſchen, denn 
die Hündinnen werden zu häufig 
durch geſchlechtliche Urſachen außer 
Gefecht gefegt. Wegen Raumerſpar— 
nis im Kennel enıpfiehlt es fich, 
nur Hunde eines Geſchlechts zu 
halten. Keupdell gibt für die 
Arbeit auf der Schleppe Rüden den 
Vorzug. Bon den 8 englifchen 
Drag:Hunt3 jagen zwei nur mit 
Bitches. Da die Sclepphunde 





16. Suchsmeute auf der Kampagna. 


querfeldein Strich hält, bleibt immer 
ein befjerer Reiter, al3 derjenige, 
der fich niemals vom Wege her: 
unterbegibt. So traurig wie in 
Deutfchland die Berhältniffe für die 
Varforcejagd nun einmal liegen, 
müffen wir froh fein, daß uns Die 
Möglichkeit gewährt ift, Schlepp: 
jagden zu reiten. Man darf nicht 
vergeffen, daß die Anschaffung und 
Unterhaltung einer Scleppmeute 
weniger fojtjpielig ift, alö die einer 
Wildmeute. Für Schleppjagden 
genügt bereit ein Pad von 5 bis 
8 Koppeln, Bei einer jo kleinen 


Fleiſch im Kennel überhaupt nicht, 
jfondern nur als Lederbijjen nad) 
der Jagd erhalten, fo ftellen fich 
die Futierkoften, die fich auf Hafer: 
mehlpamps und einen gelegentlichen 
Zuſatz von Hundekuchen befchränten, 
erheblich niedriger, als bei einer 
MWildmeute.e „If some of the 
hounds are mute“ — jagte mir 
ein alter Huntsman — „they 
must be got rid of“, d. h. auf 
deutfh: „jtumme Hunde wandern 
in eine der vielen Schleppmeuten.“ 
Mit den Hunden, die hinter freiem 
Wilde zu langjfam find, mird es 


II. 8. Parforrejagd. 


Niro. 87. 


ebenfo gemadt, darum tut man | die der Schlepper nur in fliegender 


beffer, uneingejagte Hunde direft 
aus der Nachzucht einer englifchen 
Meute zu Taufen; man erhält die: 
felben für 100 bis 120 Mark die 
Koppel. Hunde, die dort ſchon auf 
Füchſe jagten, finden oft an der 
Schleppe feinen Gefchmad und 
fprehen dieſelbe gar nicht an. 
Harriers hält Keudell ihres Tem- 
peraments wegen, wie auch wegen 
des Hafenreichtumg in Deutjchland 
als Schlepphunde nicht für geeignet. 
Sicher eıngejagte und mit Ruhe 
geführte Hafenhunde dürfen fich je- 
doch auch auf der Wildfährte nicht 
durch Relaishaſen beirren laſſen. 
Ich bin an verſchiedenen Orten 
hinter Schlepphunden geritten, die 
aus unſeren deutſchen Haſenmeuten 
(Stargordt, Neubrandenburg ꝛc.) 
ſtammten und die dennoch ruhig 
und ſicher auf einer mit Fuchsloſung 
geſchleppten Fährte arbeiteten. Es 
iſt dies die gebräuchlichſte und wohl 
auch praktikabelſte Art der Schleppe, 
da die Unterhaltung eines zahmen 
Fuchſes ſich bei jedem Kennel ohne 
beſondere Schwierigkeiten und Koften 
ermöglichen läßt. Im Widerſpruch 
mit der Anſicht Keudells, wonach 
Schlepphunde nur auf Fuchsloſung 
laut jagen, habe ich gefunden, daß 
die Hunde auch eine mit Schweine: 
lofung hergeſtellte Zofung mit vollem 
Halfe anipreden. Am wenigjten 
zu empfehlen ift eine Schleppe von 
Anisöl, Die häufig dazu benußt 
wird, um SHafenhunde auf der 
Scleppe einzujagen. — Es iſt ein 
befannter Kniff, daß man, um den 
Scent zu verftärfen, Kaftenwild mit 
Anisöl beftreiht. Geht ein fo 
präpariertes Wild durch das Waſſer, 
was beim Schwarzlittel fat Regel 
ift, jo geht der Scent vollends 
verloren, und dad „corriger la 
fortune* ift im buchſtäblichſten 
Sinn in das Waſſer gefallen. — 
Um bei größeren Weitfprüngen, 


Fahrt überwinden fann, dag Aus: 
fegen der Fährte zu vermeiden, 
empfiehlt e& fi” — mie dies in 
England ſtets gejhieht —, die 
Scieppe zu Fuß legen zu lafjen; 
bei längeren Streden bedarf es 
hierzu zmeier Leute. Das Ab: 
reiten der Schleppe bringt überdies 
den Nadteil, daß die Hunde ſich 
leiht daran gewöhnen, auf den 
Huffpuren zu jagen. Wie lange 
man dem Schlepper Borfprung gibt, 
hängt naturgemäß vom Wetter und 
vom Boden ab; nad) Keudell dürfen 
die Hunde nie jpäter als nad) 15 
Minuten angelegt werden, „falls 
man überhaupt nod) Galopp reiten 
will“; ic Habe jedod) auf einer zu 
Fuß gelegten Schleppe (Schweine: 
lofung) vorzügliche Galopps erlebt, 
obwohl diefelbe zwei volle Stunden 
vorher gelegt war. Sind die Bor: 
bedingungen für dad Stehen der 
Fährte fehr ungünftige — wie bei 
jtarfem Wind und trodenem Bo: 
den —, fo mag es vorteilhafter 
fein, die Scyleppe durch zwei Reiter 
legen zu lafjen, weil man die Hunde 
dann früher auf die Fährte bringen 
fann. Ob man mit oder gegen 
den Wind fchleppt, ift bei mäßigem 
Winde nicht jo weſentlich. Dagegen 
muß man auf feitliden Wind bei der 
Scleppjagd bejonders Rüdficht neh- 
men, da es bei den nicht zu umgehen⸗ 
den Windungen fonjt vorfommt, daß 
die Hunde auf einem Striche jagen, 
den man grade vermeiden möchte. 
Es ift dies übrigens der greifbarjte 
Beweis dafür, daß die Hunde nicht 
„auf“ der Fährte jagen, fondern 
in dem Dunjtlegel der Witterung. 

Dill man Scyleppjugden in das 
Leben rufen, oder einen derartigen 
Verein gründen, fo tradte man 
vor allem danach, Publikum zu ge: 
mwinnen. Eine aus SHarriers ge⸗ 
bildete Schleppmeute wird vielleicht 
darum populärer fein, weil biejelbe 





—— 


Nro. 88. 


Irhr. B. A. v. Eſebeck. 


minder hohe Anfonderungen an das durch das Leben ſchreitet. Wer als 


Pferdematerial der 


Geſellſchaft Neuling zum Rendezvous kommt 


ſtellen, als eine Meute wirklich und beim Halali war, der geht als 


ſchneller Forhounds, und — cete- 
rum censeo: Man made die 
Schleppe jo ähnlich als möglich 
dem, als deſſen Erſatz ſie dient — 
der Wildjagd! 

Es liegt ein eigener, mit der 
Feder nicht wiederzugebender Reiz 
in der Parforcejagd. Der würzige 
Erdgeruch, der der friſchgeöffneten 
Scholle entſtrömt, das braune Laub, 
der feine Dunſt, der die Fluren 
mit dem Horizont zu verweben 
ſcheint, ſie reden eine ganz andere 
Sprache, wenn man im roten Rock 
zum Stelldichein trabt, eine Sprache, 
die der Philiſter nie vernimmt, 
der mit ſeinem Bündel Sorgen 
und der grauen Brille bedächtig 


begeiſterter Jünger des roten 
Sportes heim. Wen aber der un: 
beſchreibliche Zauber desfelben ein: 
mal erfaßt hat — das Rob und 
Reiter elektrifierende Geläut der 
Meute, das Wonnegefühl, auf edlem 
Pferde über ein von natürlichen 
Hinderniffen durchſchnittenes Ter: 
rain zu fliegen, — den läßt die 
Erinnerung nicht wieder log: Er 
wird für den Sport hinter den 
Hunden Propaganda maden, ihm 
neue Jünger zuführen, neue Ge: 
filde auffchließen. Vielleicht werden 
diefe Zeilen für den einen oder 
anderen Leſer zum Anlaß, ſich im 
toınmenden Sahr einmal im Jagd: 
felde Hinter der Meute zu verjuchen. 


4. Damenreitlport. 


88. Das Damenpferd. 
dem Anfauf eines Damenpferdes,” 
fo jehreibt ein befannter Fachmann, 
„tommen in erfter Reihe dad Ge- 
bäude und die Drefjur in Betracht.“ 
Sch will dem durchaus nicht wider: 
iprechen, aber fo wichtig das erftere 
und fo wünſchenswert das lehtere 
ift, fo liegt Doch das Kriterium bei 
der Wahl eined Damenpferdes in 
vdeffen Temperament. Das Damen: 
pferd muß Gehluft zeigen, ohne je⸗ 
mals heftig zu werden, das ift das 
ganze Geheimnis. Nichts ijt für 
eine Dame mehr angreifend, als 
ein temperamentlojfe8 Pferd zu 
reifen, das fortgefeßt der Auf: 
munterung bedarf, abgejehen davon, 
dab die Dame im Seitfi nicht in 
dem Maße über vortreibende Hilfen 
verfügt, wie im Herrenfattel. Ge⸗— 
hört e8 andererjeits jchon für einen 


„Bei Mann niht zu den Annehmlid- 


keiten, einen PBuller zu reiten, fo 
ift Die Amazone infolge ihres Sites 
mit einem Bügel noch viel weniger 
hierzu imftande.. Darum fol das 
Damenpferd vor jedem anderen Das 
befigen, was der Engländer ein 
angenehmed Maul (nicelymouthed) 
nennt, und ich glaube, daB dieſe 
idealfte von allen unvergleichlichen 
Eigenſchaften des irifchen Hunters 
weniger dad Refultat feiner Er: 
ziehung als ein Verdienſt feines 
Temperamentes iſt. — 

Das beſte Temperament in jeder 
Beziehung hat das Vollblutpferd 
ſofern es nicht heftig iſt — 
darum iſt der Vollblüter in meinen 
Augen das geborene Damenpferd. 
Aber was dem einen ſein Uhl, iſt 
dem andern ſein Nachtigall. Ich 
habe im übrigen auch recht heftige 


II. 4 BDamenreiffporf. Nro. 88. 
30WBlüter befefien, die unter einer |nächften kommt und auch in der 
Dame mie ein altes Refrutenpferd | Drefjur die wenigſten Schwierig: 
singen. Dem Bollblutpferde am keiten madt. Dies ift der Grund, 
wächtten fteht der oftpreußifche Halb: | weshalb die Hannöverjche Halbblut- 
‚Lütter, im befondern der Trakehner. 


Allein der Oftpreuße ift befanntlich 
und nidt fo ganz mit Unrecht als 
»oDdenjcheu verſchrien, aud) neigt er, 
nebr als vieleiht mander Reiterin 
lieb ift, zum Stallmut. Keudell, 
per in jeinen Reiterinnerungen aud) 
der Damenmwelt zu Pferde einen 
Abſchnitt widmet, pflichtet meiner 
Anficht über den Bollblüter bei. 

„Was nun die Kaffe anbelangt,“ 

Tchreibt der Ueberſetzer White 
Mt elvilles, „fo ift das normal 
aebaute und gut durchgerittene 
oldlutpferd für eine Dame mit 
Geſchick und ſchlanker Figur wohl 
immer das geeignetite und ange⸗ 
nehmſte Reitpferd. 
reiten und für ſtärkere Figuren 
paſſender ift der Trakehner, Medien: 
burger oder ojtpreußifche Halb: 
blüter, von denen ich den Halbblut⸗ 
araber aus Litauen vorziehen würde, 
weil er, menn normal gebaut, die 
geringften Schwierigkeiten bei der 
Drefjur mad.“ 

Letzteres kann ich nicht unbedingt 
unterjhreiben. Die rein orientalis 
Then Pferde, die ich felbft geritten 
Habe, waren ausnahmslos heftig, 
wozu auch Häufig ein fehr leichter 
Nüden beigetragen haben mag. 
Neuerdings wird ja in unferem 
jüngften figfalifhen Zuchtgeftüt in 
Neuftadt a. d. Doſſe ein anglo- 
arabifher Schlag gezogen, vielleicht 
ift es dieſem befchieden, fich als 
Damenpferd die Welt zu erobern. 
Der joa. Hunter, der übrigens 
ebenjo oft aus Hannover oder Hol: 
ftein ftammt, wie von jenfeit3 des 
Kanals, iſt für meinen Geſchmack 
als Damenpferd zu mädtig; aller: 
dinge muß man einräumen, daß 
der Hannoveraner dem  irifchen 
Sagdpferde im Temperament am 


zucht von den Händlern fichtlich vor 
der ojtpreußifchen bevorzugt wird. 

Der Ungar laboriert häufig an 
einem furzen, d. h. zu ftrammen 
Budel, was der Reiterin leicht 
Unbequemlichkeiten verurſachen kann. 
Aus dem gleichen Grunde kann ich 
mich ebenſowenig für den heute 
auch in Deutſchland immer mehr 
in Mode kommenden Polopony er⸗ 
wärmen, wenn auch derſelbe durch 
ſein Temperament und ſeine Ge— 
ſchicklichkeit zum Damenpferd prä— 
deſtiniert erſcheint. Ich habe mich 
auf ſolchem Tier, trotz ſeines vor: 
züglichen Galoppier- und Spring— 
vermögens nie wohl gefühlt: es 











Leichter zu fehlt eben der Schwung, die Elaſti⸗ 


zität der Bewegungen, eine folge 
des kurzen Rüdend. Im Wider: 
ſpruch zu aller Theorie find grade 
Pferde mit etwas weichem Rüden 
und langen Feſſeln wegen ihrer 
federnden Bewegungen am ange: 
nehmften zu reiten. Ein etwas 
langer Rüden ift, meiner Meinung 
nad, an fih noch nicht einmal fo 
ſehr zu verurteilen, vorausgefegt, 
daß die Verbindung des Rückens 
mit der Kruppe eine gute und ge- 
ſchloſſene ift, d. 5., daß das Pferd 
eine fräftige, hohe Nierenpartie hat, 
denn grade dieſe wird durch den 
Sattel und den Sit der Dame 
unverhältnigmäßig belaftet. Schon 
aus diefem Grunde ift bei der 
Auswahl eines Damenpferdes dag 
Augenmer? ganz bejonderg auf dag 
Bordandenfein bezw. die Beichaffen: 
heit der Sattellage zu richten. Es 
gibt eben Pferde, auf denen fein 
Sattel liegen kann, gejchweige denn 
ein Damenjattel. 

Bei denjenigen Lejerinnen, die 
jelbjtändig Pferde für ſich aus— 
mählen, darf ich wohl fo viel Kennt: 





Nro. 88. 


nis der Pferdeanatomie voraus: 
fegen, daß es ſich Hier erübrigt, 
auf die Einzelheiten von Gang und 
Gebäude näher einzugehen. Ich 
babe den Vorzug, mehr ald eine 
Dame zu Ffennen, Die mander 
Kavallerift um ihren ficheren Blid 
bei der Beurteilung eines Pferdes 
beneiden könnte. Welcher von 
Shnen, meine Damen, aber die 
nötige Pferdefenntnis fehlt, der 
rate ich dringend, beim Ankauf 
oder bei der Auswahl eine Reit: 
pferdes die Stimme eines erfahrenen 
Fachmannes zu Nate zu ziehen. 
Hierbei fann ich mich nicht der Be- 
merfung erwehren, daß noch lange 
nicht jeder, der ein Pferd reiten 
fann, auch in defjen Beurteilung 
Fachmann ift. 

Nächſt einem leichten, wiegenden 
Saloppfprung follte beim Damen- 
pferd namentlich auf einen freien, 
raumgreifenden Schritt Wert gelegt 
werden. PBorbedingungen hierfür 
find eine lange, ſchräge Schulter 
und eine elajtiihe aber fräftige 
(d. 5. nicht fteile!) Feſſelung. 
Korrekterweiſe ſoll die Feſſel die 
gleichlaufende Verlängerung des 
Hufes bilden, der ſeinerſeits mit 
ſeiner vorderen Linie den Erdboden 
unter einem Winkel von 450 be⸗ 
rührt. Der Huf ſteht parallel zur 
Längsachſe des Pferdes, und dieſes 
ſoll dorthin treten, wohin der Huf 
zeigt. Dabei müſſen Vorder- und 
Hintergliedmaßen einander in der 
Bewegung deden. Es folgt hieraus, 
dab die Prüfung des Ganges ſtets 
von vorn zu geichehen Hat, nicht, 
wie es meift üblich ift, von ber 
Seite. Will man die regelmäßige 
Bewegung der Hintergliedmaßen 
fonftatieren, jo empfiehlt es fich, 
während das Pferd vorgetrabt wird, 
die Kruppe zu beobachten; erjcheint 
fie auf einer Seite flacher, fo deutet 
dies auf einen Muskelſchwund, Der 
durch eine chronifche oder zum min⸗ 


Ichr. B. AR. v. Efeberk. 


beiten längere Zeit vorhanden ge: 
weſene Lahmheit erzeugt worden ift. 
Eine forgfältige Unterfudung des 
Sprunggelentes iſt alfo in ſolchem 
Tale am lage. Iſt übrigens der 
log. Spatabfuß, den ich ja der ge- 
wiegten Amazone nicht zu erläutern 
brauche und den man am bejten 
von vorn zwifchen den Borderbeinen 
durchſehend wahrnehmen kann, gleich: 
mäßig an beiden Sprunggelenten 
ausgebildet, fo bedeutet er in der 
Regel feinen Gebrauchsfehler. 
Daß das Pferd der Dame ficher 
auf den Beinen fein muß, verfteht 
fih von felbft für den, der jemals 
für die Sicherheit einer Neiterin 
verantwortlich gewejen if. Meine 
Mahnung zur Borfict ift alfo nur 
an ſolche Damen gerichtet, die für 
fih felbft zu jorgen gewöhnt find. 
Pferde mit übermäßig jteiler 
Feſſelung und auch ſolche mit auß: 
gefprochen zehenenger Stellung 
neigen dazu, im Schritt anzujtoßen 
und fußen auch im Galopp, ſowie 


namentlich beim Springen, häufig’ 


unfider. Sch würde daher fteıg 
ein Pferd, das mit den Feſſeln 
etwas durchtritt und die Hure mit 
der Zehe nach außen dreht, dem 
andern Extrem vorziehen. Was 
das Togenannte lofe oder vorge= 
ſchobene Knie betrifft, womit man, 
milde ausgedrüdt, ein krummes 
Borderbein bezeichnet, jo iſt dies 
bei den oftpreußifchen Pferden ein 
häufig vorlommender Erbfehler, der 
für den Gebrauh um fo weniger 
von Belang erfcheint, wenn eine 
lange Feffelung damit verbunden 
if. Da nun im allgemeinen das 


Reitpferd der Dame im Gebraud - 


nicht annähernd fo harten Anfor: 
derungen ausgeſetzt ift, wie dag 
Pferd im Dienfte des Herrn, jo 
bin ich der Meinung, daß man bei 
Beurteilung des Damenpferdes 
nicht zu rigoros bHinfichtlich Des 
Gebäudes zu fein braucht und 


II. 4. Damenreit[port. 


darum gute® Temperament und 


Niro. 89. 


Dad Einvernehmen zwiſchen 


ein vornehmes fchnittiges Exterieur | Lehrer und Schüler wird um fo 


um fo mehr mitjpredhen dürfen. 
Gegen die mweitverbreitete Auf: 
fafjung, daB das Pferd der Dame 
ein eines, zierliche8 Tier fein 
müfje, möchte ich geltend machen, 
daß grade kleine Pferde häufig 
Temperamentfehler haben; ganz 
abgefehden von den Schwierigkeiten 
eines leichten Rückens und ſchlecht 
angejetten Halſes, die man auch 
bei großen Pferden feltener findet. 

Der leichte Kopf und hoch an- 
geſetzte Hals find, ftreng genommen, 
eine Frage der Echönbeit, aber fie 
find dennoh von nicht zu unter: 
ihäßender Bedeutung für Die 
Dreffur. Betreff3 der letteren 
möchte ich bHinfihtlih der Anz 
forderungen, die man billigermweije 
an die Rittigkeit des Damenpferdes 
ftellen follte, bier nur folgendes 
jagen: 

Wenn id) in meiner Annahme 
nit fehl gehe, daß die über: 
wiegende Zahl unjerer Antazonen 
ihren Wohnfig auf dem Lande hat, 
fo dürfte auch meine Behauptung 
zutreffen, daß nicht jede port: 
liebende Dame fih in der ange- 
nehmen Lage befindet, ein voll» 
fommen erprobte und durch— 
gearbeitetes Pferd in einer renom⸗ 
mierten Pferdehandlung oder aus 
einem DOffizierftal erftehen zu 
fönnen, und da meine jchönen 
Zeferinnen um alles in der Welt 
nicht auf die Freuden des Heit- 
fport® verzichten möchten, jo wird 
im NRoßgarten unter den zurüd- 
aeftoßenen NRemonten des väter: 
lihden Gutes oder unter der jungen 
Nachzucht eined Nachbargeftütes 
Umſchau gehalten. Syn den meijten 
Fällen läuft dieſes Erperiment auch 
glüdlich ab, vorausgejegt nur, daß 
die Neiterin einige Beanlagung und 
das Tier feine Temperamentfehler 
bat. 


glüdficher jein, je mehr beide ein: 
ander im Temperament ausgleichen ; 
denn der Sag, daß ungleiche 
Temperamente einander ergänzen, 
fcheint fich mit Bezug auf Roß und 
Reiter mehr zu bewahrheiten, als 
in der Ehe! 

89. Anzug der Reiterin. „Vom 
Erhabenen bis zum Lächerlichen ift 
nur ein Schritt” — das findet 
nirgends jo treffend feine Beſtäti⸗ 
gung, wie in der Damenreiterei ! 
Obwohl unfere Fachliteratur eine 
Reihe vortrefflider Schriften auf: 
mweift, die das Reiten der Damen 
zum Gegenftand baben, fo findet 
man felbft bei routinierten und ge= 
ſchickten Neiterinnen mannigfache 
Veritöße, die dad Auge des Zu: 
ſchauers verlegen. Die befannte 
englifhe Monatszeitſchrift „The 
Badminton Magasine of Sports“ 
brachte einen trefflichen Aufſatz aus 
weibliher Feder: „Sport3damen 
und ihre Bekleidung. Unter den 
fporttreibenden Damen, jo jchreibt 
die Berfafferin, gibt es zwei Klaſſen, 
die, welche aus reiner Bajlion 
einem Sport huldigen, und jolche, 
die e8 der Mode halber tun. Die 
erjteren tragen das, mas dem 
Zweck entſpricht und ihrer Figur 
zuſagt, letztere dagegen ordnen ſich 
blindlings ihrem Schneider unter 
und ziehen gehorſam alles an, was 
dieſer für richtig hält, mag es noch 
ſo unpraktiſch und unbequem ſein.“ 
Selbſtredend richten ſich meine 
Zeilen nur an die erſtere Kategorie 
der dem Reitſport huldigenden 
Damen. 

Verfolgen wir aus geſchichtlichen 
Werfen und alten Stichen die Ent- 
wicklung des weiblichen Reitkoſtüms, 
fo ift es unverkennbar, daß von 
Anbeginn an das fchönere Gejchlecht 
feinen Anzug zu Pferde von dem 
ftärteren zu entlehnen ſuchte. Es 


Nro. 89. 


liegt hierin das ftillichmeigende 
Zugeftändnig, daß das ftärkere Ge= 


Ihleht im Sattel Meifter ift, und 
die Anlehnung der NReiterin in 
ihrem Anzuge an die Moden der 
Herrenwelt mußte naturgemäß aus 
dem Beltreben entjprinaen, es in 
der Beberrfchung des Pferdes den 
Herren der Schöpfung gleich zu tun. 
Fürdten Sie nun nicht, fchönfte 
«ejerin, daß ich darum dem Herren: 
beinfleid ald8 Tracht für die Ama: 
zone das Wort reden wollte. Im 
Gegenteil! Obwohl ich gegen die 
Borteile des Herrenfigeg nicht blind 
bin, fo würde ich energifch pro= 
teftieren, wollte ınan damıt brechen 
oder Kniehojen für unfere Damen: 
welt zu Pferde einführen. Go 
niedlich und fofett ich die dampfende 
Yigarette zwiſchen zwei rojigen 
Yippen finde, fo unſchön ift es in 
meinen Augen, wenn dieje jelben 
Lippen eine große Importe paffen, 
und ich möchte hiermit den Gebrauch 
der männlichen Reithoje vergleichen. 
Aber ſelbſt wenn die unberechen- 


baren Yaunen des Modegottes Sie | 


je in die Lage bringen follten, fih 
zum Herrenſitz befennen zu müjlen, 
meine Damen, jo brauchen Sie 
darum nicht zu fürchten, mit Ihren 
älthetiichen Anfchauungen in Ver— 
legenheit zu geraten, Denn die 
Englander, die in diefem Puntft, 
wie in allen, 
trifft, unſere Yehrmeijter find, haben | 
Ihnen dur den geteilten Nod die 


Frhr. tB. A. v. Elebeck. 


den durch ein Gummiband um den 
Hinterkopf gehaltenen Hut hinein» 
geftect. Vorne ift die Friſur glatt 
und anliegend. „Die Dame,“ jagt 
Fillis, „die zu Pferde den Hut 
verliert, ift auch nahe daran, den 
Kopf zu verlieren.” Zu Gelegen— 
beiten — Mufitreiten, militärifchen 
Beranftaltungen und im Jagdfelde 
am Hubertustage — trägt man den 
niedrigen Bylinder. Beides, Hut 
wie Zylinder, ift natürlich ſchwarz 
und wird ohne Schleier getragen. 
Auf dem Lande mag im Sommer 
ein Eleiner engliicher Herrenftrohhrt 
ttatthaft fein; niemals die viel ge⸗ 
tragene Jockeymütze! Berzeiher 
Sie, Gnädigite, aber es ift merk: 
würdig, wie oft Sie die weibliche 
Eitelkeit im Stiche läßt, jobald es 
ih um den Anzug zu Pferde ban- 
delt. Schauen Sie ſich mit Ihrer 
Mütze nur einmal in den Spiegel 
und dann, bitte, feien Ste ehrlich! 
Ein weicher Filzhut, womöglid mit 
Feder und wehendem Scleier, ift 
ebenſo unmöglich wie bunte Schleifen 
und Krawatten. Es fehlen dazu 
nur noch ein paar Handfhuhe mit 
Stulpen, und die Berta voa 
Bruned, die auf ihrem mild; 
weißen Zelter im Tell auf die 


Bühne galoppiert, ift fertig! 
Apropos Handfhuhe; — man 
trägt zweiknöpfige rötlichhraune 


was den Sport be- | Dogs fing oder furze, gelbeSchweden. 


Sch rate, diejelben aud) im Sommer 
_mindefteng zwei Nummern größer 


Möglichteit geſchaffen, alle Vorteile | zu wählen, al® die Straßenhand- 


der männlichen Reitbekleidung zu! 
genießen, 
Nez. Ihrer r Weiblichkeit einzubüßen. | 
Sm übrigen Dat Die Sricheinung ! 
der Neiterin durch Nachahmung der 
männlichen Tracht nur gewonnen, 


Im von oben anzufangen: gibt | loden. 
es etwas Vornehmeres und zualeich ſchwarz, 


Praktiſcheres, als der runde, fteife , 
Herrenhut? Die Haare werden in 
einem feiten enaliihen Sinoten in 





Ihuhe. Die Belleidung der Hard 


ohne etwas von dem tft für Yaufthaltung und Führunz 


von höchſter Bedeutung. 

Zu dem oben erwähnten Stroh— 
hut gehört cin Reitkleid aus weißen 
Drell oder aus grauem Sommer: 
Sonft ift das Reitkleid 

im Winter Ddider, im 
Sonmer aus dünnerem Stoff. 
Grauer oder dunkelgrüner Man: 


heiter ift hübſch, aber nicht „Klaſſe“. 


& — — — — 


| 
| 
| 
| 


II, 4 Pamenreiffporf. 


Die glatte Taille mit langen, nicht 
men für habits find W. Shingle- 


angejegten Schößen liegt eng an. 
Der Kragen ift wie beim Herren: 
rock umgelegt und der Halsausſchnitt 
durh einen hunting-scarf aus 
weißem Pikee geſchloſſen, eine 
einfahe goldene Sicherheitänadel 
hält legteren zujammen. 





Dies iſt 
zugleih der Anzug im Sagdfelde. 


Niro, 89. 
ringert. Die renommierteften Fir- 
ton, 60 Bond Street, und Mitrs. 


Thomas and Son, Brook: 
jtreet in London; bei und Bene— 


diet, Königgräßerftraße, und 
Hoffmann, Friedridftraße, 
Berlin. 


Allgemein üblich ift der grade 





17. Eine Meisterin im Sattel. 


Der kurze englifhe Jagdrod mit | gejchnittene Stiefel aus Lackleder 


ausgearbeitetem Knie hat fi) auch 
im Tagesgebrauch allgemein ein: 
gebürgert. Damen, die Hinter den 
Hunden eine Rolle zu spielen 
pflegen, habe ih aud auf dem 
Damenfattel im geteilten Rod, 
dem ſog. safety-habit geſehen; die 
Gefahr des Geſchleiftwerdens beim 
Sturz wird durch denfelben ver: 


mit fteifen Schäften, wie ihn die 
Herrenwelt trägt. Fillis gibt 
furzen Gummizugitiefeln mit eng: 
anliegender Strippenhoje den Vor— 
zug, weil er meint, der fteife Etiefel- 
ihaft behindere den Kontakt mit 
dem Pferde. Sch finde, die lange 
Keithoje hat etwas Saloppes, Un- 
ſchickes und rate zu einem hohen, 


Niro. 90--91. 


weihihäftigen Stiefel aus Chevrau- 
oder dünnitem Bachetteleder. 

Der äußere Anzug der Amazone 
wäre damit erſchöpfend behandelt. 
Nicht minder wichtig für das Wohl- 
behagen der Reiterin ift aber der 
unfihtbare Teil ihrer Zoilette. 
Da, wie ich eingangs betonte, dieſe 


Frhr. B. MR. v. Efeberk. 


erinnerungen: „Der ahnungslofe 
Zuſchauer wundert fi, weshalb 
das Pferd der Dame fo viel leichter 
und freier tritt, als das ihres Ka- 
valierd.” „Das ift die Damen- 
band,” jagt er voller Bewunderung. 
— „Keine Spur,” antwortet der 
Eingemeipte, „es ift der Damen- 


Zeilen nur für Damen gejchrieben | fu 


find, die ed mit Ausübung ihrer 
Paſſion ernſt meinen, jo hoffe ich, 
werden meine Zejerinnen mir einige 
intimere Bemerkungen nicht ver- 
übeln: Zur Vermeidung von Falten 
fei da8 Hemd möglichſt kurz und 
von feinftem Stoffe. Fillis 
empfiehlt, dagfelbe über der Hüfte 
zu befejtigen. Das Korjett muß 
ebenfall3 kurz jein und darf nur 
wenig Fiſchbein enthalten. In 
meinen Augen fann eine fchlante, 
jugendliche Figur ſehr wohl dieſes 
Kleidungsftüd völlig entbehren, und 
eine andere folte überhaupt auf 
den Neitjport verzichten. Db die 
Reiterin für dad Beinfleid den 
Breechesſchnitt wählt oder die eng⸗ 
anliegende lange Hofe, wie Fillis 
vorſchlägt, iſt Geſchmacksſache, 
ebenſo, ob dieſelbe mit Leder be— 
ſetzt iſt oder nicht; dagegen muß 
das Unterbeinkleid aus Trikot mit 
Seide oder feinſtem Hirſchleder ge— 
füttert ſein. Fillis warnt drin: 
gend vor dem Gebrauch von Strumpf⸗ 
bändern und rät daher an Stelle 
des langen Strumpfes kurze Soden 
zu tragen; zum Schuß der Kniee 
empfehle ich einen jeidenen Gummi: 
jtrumpf. 

Ich für meine Perfon führte 
Eporen auf der Jagd nie, im 
Nennen höchſt felten; weshalb ihn 
Damen benötigen follen, will mir 
ſchon deshalb nicht in den Sinn, 
weil die Sporenwirkung ja nur 
eine einfeitige wäre. Ueber den 
Gebrauh des Sporns burd Die 
Reiterin ſchreib White-Mel- 
ville in feinen prachtvollen Reit: 





Die kurze Sagdpeitjche mit Leder: 
ſchlaufe ift auch für den Gebraud) 
auf der Promenade und auf dem 
Spazierritt übernommen worden. 
Sn der Bahn führt die Dame 
einen leichten Neitftod mit ein: 
fachem Silberfnopf oder eine furze, 
nicht zu weiche Peitſche. Soge— 
nannte Drefjurpeitichen, die wie 
die Angelruten ausfehen, und 
brillantengefhmüdte Peitſchengriffe 
gehören, ebenfjo wie Armbänder 
und Eoftbare Brojhen, in den 
Zirkus. Der einzige Schmud, 
welcher im Sattel zuläffig, ift die 
erwähnte goldene Nadel in der 
Pikeebinde und allenfalls eine 
Blume im Knopflod. 

90. Ajuſtement des Pferdes. 
Ohne unhöflich fein zu wollen — 
noch wichtiger als die Toilette der 
Reiterin erjcheint mir die Toilette 
ihre8 Pferdes. Jedenfalls gibt 
legtere häufiger zu Augftellungen 
Anlaß, als die Reiterin feldft. 

Während der gute Gejchmad der 
Reiterin ihr bei der Wahl ihres 
Anzuges zu Hilfe kommt, fehlt es, 
was das Ajuftement des Pferdes 
anbelangt, häufig an der unent- 
bebrlichen Anleitung: Dies macht 
fi) namentlich auf dem Lande be: 
merkbar, wo Doch der Damenreitfport 
in erfter Linie zu Haufe ift. Einige | 
Winke über die „Zoilette” des 
Pferdes find daher vielleicht auf 
ſattelfeſten und gemwiegten Reite— 
rinnen willfommen. 

91. Der Sattel. Ein großer 
Teil meiner Lejerinnen ift gewiß 
in Tavalleriftiihen Dingen bewans 


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Il. 4. Bamenreilfport. 


Nro. 91. 


dert, und diefen dürfte e3 bekannt | lahm zu gehen. Ach habe wieder: 
fein, daß in jeder Schwadron, d. h. holt das Experiment gemacht, wäh⸗ 


unter etwa 120 Pferden fi acht 
bis zehn befinden, auf welche eih 
normaler Sattel beim beiten Willen 
nit beraufpaßt. 
. daß der Sattel dem Rüden des 
Pferdes — der Stellung der Rip: 


Hieraus folgt, | geweht. 


rend des Rittes mit meiner Be— 
gleiterin das Pferd zu wechſeln, 
und die Lahmheit war mie fort: 
Es beweiſt dies, daß die 
durh den Damenjattel bedingte 
Gemwichtsverteilung der Reiterin die 


pen, dem Anjat des Widerriftes | Nieren des Pferdes über Gebühr 


uſw. — angepaßt fein muß. Wie 
viel mehr noch gilt dies für den 
Damenjattel, der doch den Pferde: 
rüden auf einer viel größeren Fläche 
belajtet, als der „englifche” Sattel 
oder jelbft der Armeejattel es tut. 

Es ift daher naturgemäß beim 
Damenfattel vielmehr zu befürchten, 
daß der andauernde Drud auf die 
lebenden Gemebezellen der Haut 
dieſelben zum Abfterben bringt, d.h. 
milde ausgedrüdt: „fcheuert”, in 
ernfteren Fällen Entzündungen her⸗ 
vorruft. Die bekannte Furcht aller 
Herren, deren Pferde von einer 
Dame geritten werden, vor dem 
„Drüden” bedeutet nicht etwa ein 
Mißtrauen gegen die Reitfertigkeit 
unferer Amazonen, al® vielmehr 
eine Beftätigung meiner Behaup- 
tung, wie wenig Fürjorge im großen 
und ganzen die Damen der Wahl 
ihres Satteld zumenden. ch wette, 
mehr als eine Dame, die bei ihren 
Mitfchmweitern und bei der Schar 
ihrer Bemunderer in dem Rufe 
einer kühnen Amazone fteht, hat 
es fich noch nicht einmal vergegen- 
wärtigt, wie weit die Lage, oder 
befjer geſagt die „unrichtige” Lage, 
des Satteld den Gang des Pferdes 
beeinflußt. Sch felbft habe ein Pferd 
im Stalle gehabt, dag "jahrelang 
mein Brotverdiener mar und mid 
jede Saifon, von Mitte September 
bis Ende November, wöchentlich 
dreimal hinter den Hunden trug, 
ohne auch nur eine Stunde zu ver: 
fagen; aber jobald dieſes brave 
Tier eine Dame im Sattel fühlte, 
mar es unböfli genug, krücken⸗ 


! 


| 


belaftet. Aus diefem Grunde ſchon 
bin ich gegen die übermäßig großen 
Sättel eingenommen, die noch aus 
der Zeit ftammen mögen, da „der 
Großvater die Großmutter nahm“. 
Es bedarf lediglich der Gewohnheit, 
um fih in dem kleinſten Sattel 
fiher zu fühlen; ich neige jogar 
zu der Anfiht, daß ein großer 
Sattel die Feftigfeit des Sitzes 
nicht® weniger als erhöht. Gräfin 
Sibylle Bismarck, eine der beiten. 
„horse-women“, die je hinter 
Hunden geritten ift, hatte fich zum 
Galoppieren in der Morgenarbeit 
eigens in Paris einen Sattel bauen 
lafien, der vorn in der Kammer 
faft fo fla wie unjere Rennfättel 
war. Iſt fon für den Herrenfattel 
die Forderung berechtigt, daß er 
den Reiter in tunlihft nahe Be: 
rührung mit dem Pferde bringt, 
wie viel mehr noch muß dies für 
den Sattel der Dame gelten, die 
um fo mehr auf die Einwirkung 
mit dem Gefäß und auf Gewichts⸗ 
hilfen angemwiejen ift, als ihre 
Schenkelwirkung nur eine einfeitige 
ift. Der Damenfattel darf darum 
nur wenig gepolitert fein, damit 
die Reiterin ihr Pferd „fühlen“ Tann; 
vor allem aber erfordert es die 
Sicherheit der Neiterin, daß ihr 
rechtes Knie tiefer ruht als ihr 
Gefäß. Iſt der Sattel nicht wage: 
recht, fo muß dies unfehlbar die 
Feftigfeit des Sites beeinträd)> 
tigen. 

Iſt der Sattel zu lang, fo leidet 
das Pferd darunter; ift derjelbe 
zu kurz, fo geniert dies u: Reite⸗ 





Nero. 91. 


rin. Diejelbe ſollte daher bei Be- 
ftellung eines Sattels es nie ver: 
ſäumen, die gewünschte Größe bezw. 
die Breite und Länge des Sitzes 
anzugeben. Beffer ift e8 aber, man 
ſcheut nicht die Heine Mühe und 
ftattet felbft im Reitkoſtum dem 
Sattler einen Befuh ab, um den 
Sattel auf einem Bod zu erproben. 
Sit die Dame eine Anfängerin, jo 
rate ich ihr dringend, ſich zu diefem 
wichtigen Gange die Begleitung 
einer erfahrenen Reiterin zu fichern. 
Wer aber in der Lage ift, nur 
eigene Pferde zu reiten, der follte 
lieber auf den Anfauf eines ferti- 
gen Satteld überhaupt verzichten, 
und einen folden nad dem Maß 
des Pferderüdend arbeiten laſſen. 
Es Tiegt auf der Hand, daß der 
Damenfattel ſich nicht in gleichem 
Maße dem Gebäude des Pferdes 
anzufchmiegen vermag, wie es der 
englifche Sattel tut. Hieraus folgt 
die Notwendigkeit ftändiger erhöhter 
Aufmerkſamkeit beim Satteln. Er: 
weiſt ſich ein Sattel dennoch als 
unbequem für Roß oder Neiterin, 
fo fäume man nicht, den Sattler 
zu Rate zu ziehen. 

Der Sitz fei von glattem Leder. 
Sol der Sattel mit einer Tafche 
verjehen fein, jo muß diefelbe in 
die rechte Klappe eingelaſſen fein, 
nicht aufgejegt, wie man es fo 
häufig ſieht. Für größere Reit⸗ 
erfurfionen, wie fie auf dem Lande 
Sitte find, ermeift ſich die An⸗ 
bringung zweier kleiner Lederöfen 
oder Ringe an der rechten Seite 
des Sites praftifh zur Mitnahme 
einer Negenpelerine, Sandmwid: 
büchſe uſw. Wildlederne Sitzkiſſen 
find nicht praktiſch und mit Ara⸗ 
besken und anderen herrlichen 
Muſtern verzierte Sättel, in denen 
unſere deutſchen Sattler zu erzellie- 
ren lieben, find höchſt unſchik. üeber— 
haupt befommt man einen wirklich 
guten, richtig gebauten Sattel nur 


Frhr. 5. R. 


v. Efeberk. 


in England. Bitte, breden Sie 
nicht in Entrüftung aus, meine 
Damen, aber unfere deutjchen 
Sättel geben ausnahmslos Ihrem 
Knie eine viel zu hohe Lage! Bei 
den englifhen Sätteln zflegt die 
Kammer ſehr meit ausgeſchnitten 
und nur mit einer Lederklappe be- 
det zu fein; dieſe gibt dem red): 
ten Oberfchenfel die für die Feſtig— 
teit des Sites unentbehrliche wage: 
rechte Lage. Und dann entfinne 
ich mich faum, einen in Deutjchland 
gefertigten Sattel gejehen zu haben, 
der nicht den unfinnigen Flaſchen⸗ 
zug:Bügelriemen aufmweift, der um 
das ganze Pferd herumläuft, und 
durh melden die Reiterin mit 
ihrem ganzen Gewicht auf die rechte 
Miderriftfeite drückt. Man könnte 
ſchwerlich etwas Grauſameres er: 
finden, um dem Pferde den Bruft- 
korb zuſammenzupreſſen oder etwas, 
das mehr geeignet wäre, den ſchön⸗ 
ſten Widerriſtdruck zu erzeugen. 
Man wird vermutlich zugunften des 
Flafchenzugriemeng anführen, daß 
er der Reiterin geftattet, ſich im 
Sattel den Bügel zu ſchnallen; 
diefer Vorteil dürfte indeflen durch 
die von mir ſoeben gefennzeichneten 
Mebelftände mehr als aufgehoben 
werden. Ein einfacher Bügel, analog 
dem Herrenfattel angebracht, ver⸗ 
dient im Sntereffe des Pferdes 
unbedingt den Borzug. Ich möchte 
bei dieſer Gelegenheit glei vor 
dem' Gebrauch eines Fomplizierten 
Sturzbügeld3 warnen; ein foldes 
Inſtrument bewirkt Häufig das 
Gegenteil von dem, was die Sicher: 
heitsvorrichtung bezwedt. 

Shre Maj. die Kaiferin ritt einen 
Sattel, den die Firma Champion 
u.Wilton, 457159 Orford Sireet, 
London W. geliefert hat. Ein 
folcher fogenannter „Champion-side 
saddle“ toftet fomplett 294 Marf; 
aber befanntlich ift in ver Geſchirr⸗ 
und Cattelfammer das teuerjte 


II. 4 Bamenreitfporf. 


ftet3 das billigfte. 
land fannih Erbu. Marfmann 
Berlin, Paſſier u. Tiele, Han: 
nover und Maad, Hamburg, der 
Leferin empfehlen; diefelben arbei: 
ten nad engliſchem Modell einen 
recht brauchbaren Sattel. 

Bon weientlicher Bedeutung für 
die richtige Lage des Sattels ift 
die Unterlegedede, oder vielmehr 
da8 Fehlen derjelben; denn dag 
Rutſchen des Satteld am Wider: 
rift wird durch den Gebrauch eines 
folden „Belleidungsftüdes” nur 
befördert, meil die Kammer, die 
zu beiden Seiten neben dem Wider: 
rift liegen follte, durch die Unter- 
legedede eine zu hohe Lage erhält. 
Es ift jomit nicht allein das Ele- 
gantefte, fondern auch fahlih am 
ridtigften, wenn man den Sattel 
auf den blanken Pferderüden legt. 
Das Lederfiffen der modernen Sättel 
madt in der Tat eine Sattelunter- 
lage völlig überflüffig; läßt man 
alte Sättel aufpolftern, fo benuße 
man die Gelegenheit, um fie mit 
einem Lederkiſſen verfehen zu lafjen. 
Allerdings fett ein ſolches ſach— 
gemäße Behandlung voraus, wenn 
anders das Leder nicht hart und 
brüdhig werden fol; ohnehin wird 
ja aber der Damenfattel meniger 
der Näfje ufm. ausgeſetzt fein, als 
3.8. ein Offizierdfattel im Manöver. 
Mer jedoh an der hergebradten 
Unterlagedede feſthält, der wähle 
eine ſolche aus weißem Filz, Reh: 
fell oder Leder, nad) der Form des 
Satteld gejchnitten. Bunte Scha- 
braden, womöglich mit eingefticttem 
Monogramm, mit denen man im 
Tatterfal jo manche Amazone mit 
Vorliebe prangen fieht, mögen ſich 
auf dem Weihnachtstiſch ſehr hübſch 
ausnehmen; ſie gehören aber auf 
Schoßhunde und nicht auf Pferde! 

92. Die Zäumung. Sch komme 
jegt zur Zäumung. Dad Baum: 
zeug follte rad Möglichkeit mit 


Niro. 92, 


In Deutfch- | dem Sattel in der Farbe überein: 


ftimmen; zum mindeften, wenn die 
Reiterin einigen Anſpruch auf Ele: 
ganz erhebt. Zur Behandlung des 
Lederzeuged empfehle ich weißen 
„Meltonian-Sream”, mit dem das—⸗ 
jelbe eingerieben wird, nachdem 
zuvor aller Shmut und vor allem 
die alte Sattelfeife (jehr wichtig!) 
gründlich abgewaſchen find, und 
dann das Leder getrodnet it. Nach 
der Behandlung mit dem ermähn- 
ten Creme wird das Leder mit 
einer reinen Bürfte bearbeitet bis 
es Glanz erhält. Die Breite des 
Lederzeuges ift Geſchmackſache; ich 
fenne Reiterinnen, denen die ſchma⸗ 
len fogen. „Damenzaumzeuge” ein 
Greuel find. In der Hauptfache 
fommt es darauf an, daß die Zügel 
weich find und nit in die Finger 
ſchneiden. Der Martingal ald Aus: 
puß ift eine Albernheit, querfeld- 
ein eine Gefahr! Ich Habe ihn 
zumeilen bei Hengſten aufgelegt, 
die unter einer Dame gingen. Mit 
dem Martingal wird auch das Bor: 
derzeug überflüſſig. SHierzulande 
ift ein farbiger Stirnriemen bezw. 
ein folder in den Wappenfarben 
geftreift, gang und gäbe; in Eng- 
land verrät ein bunter Stirnriemen 
den Stall des Pferdehändlers. 
Jedenfalls find Rofetten oder ſon⸗ 
ftige Kinferlighen am Kopfjtüd 
nit „comme il faut“, 

Trotz Shrer weichen Hand, meine 
Damen, würde ich ftet3 raten, hr 
Pferd recht weich zu zäumen, natür: 
lih auf Kandare oder allenfalls 
a Eine Kandare mit kurzen 

nzügen und großen Zügelringen 
(fog. „englifche Jagdkandare“) legt 
zugleich Scherenfängern das Hand: 
wert. Korrekter Weiſe follen die 
„Anzüge“ der Kandare in einem 
Winkel von 45° dem Zügelanzıa 
folgen; den Engländer jieht man 
indefjen faft immer mit einer faſt 
bi8 zur Wagerechten durchfallenden 





Nro. 93. 


Frhr. B. AR. v. Eſebeck. 


Kandare! Wie ſchon früher gefagt, | Seite, die des Trenfenbadenjtüdes 


ift unter allen unvergleichlichen 
Eigenſchaften des „Hunters“ dejjen 
„angenehmes“ Maul die unver: 
gleihlichite; und ich ſchreibe das 
Verdienft hieran nicht am wenig— 
ften der weichen Jäumung zu. Die 
Lage des Gebiſſes — einen Stroh- 
balm breit über den” Hafenzähnen 
— ift jedenfall3 dann forreft, wenn 
die Kinnkette, die dem Mundftück 
genau gegenüberftehen joll, tatjäch- 





reht3, jo daß mit den beiden 
Schnallen des Kandarenbadenstüdes 
auf jeder Seite zwei Schnallen 
figen. — Hiergegen wird oft ge: 
fehlt! Ein, übrigend auch bei der 
Herrenmwelt häufig zu beobacdhtender 
Toilettenfehler ift die „Dienſtkan— 
dere‘ und Militärkinnfette im Zivil: 
zaumzeug: es macht dies etwa den 
nämliden Eindrud, als wenn Sie 
mit einer Militärmüge auf dem 


| 


18. Damenpreisfpringen. ' 


ih in der Kinnfettengrube liegt. 
Da es fih immer empfiehlt, von 
zwei Uebeln das kleinere zu wäh— 
ten, fo rate id, das Gebiß lieber 
etwas höher zu legen, als zu tief. 

Für Damen, welche häufig ihre 
Pferde wechfeln, erweiſt jih ein 
Zaumzeug praftifch, in welches das 
Gebiß mit unfichtbar auf der Innen—⸗ 
feite des Backenſtückes und der 
Zügel angebradten Drudfnöpfen 
eingefnöpft wird. Muß e3 aber 
durchauseinSchnallenzaumzeugjeitt, 
dann nur feine bezogenen Schnallen, 
fondern mwenigjtens jchmale, ovale 
Metallignallen. Die Schnalle des 
Kehlriemens gehört auf die linke 


Kopfe fpazieren ritten, meine Gnä— 
digfte ! 

93. Sis und Führung. Ich 
glaube, die Toilette der Reiterin 
wie des Pferdes vorjtehend ein— 
gehend genug erledigt zu Haben 
und möchte noch in aller Kürze 
einige Benterfungen über Sik und 
Führung Hinzufügen, welde id 
gleichfall8 als Toilettenfrage be— 
zeichnen möchte, weil fie nicht fo 
jehr die Regeln der Reitkunſt be= 
treffen, als vielmehr den Eindrud, 
welchen die Erſcheinung der Rei— 
terin hervorruft. Findet man der— 
artige, ich möchte es „Schönheits⸗ 
fehler” nennen, grade bei routinier⸗ 





‚II. 4 Damenreillport. 


Niro. 93. 


ten und geſchickten Reiterinnen ſchwierigſten Pferde und auf der 


häufig, fo gebietet mir die Pflicht | 


der Höflichkeit, von vornherein zu 
ertlären, daß wir Herren der 
Schöpfung keineswegs von ſolch 
Heinen Unarten und Angewohn⸗ 
beiten im Sattel frei jind. Im 
Gegenteil! Aber gegen das jchönere 
Geſchlecht pflegt das Auge des Be: 
obachters bHinfihtlid der Regeln 
des Graziöſen und Schönen ftrenger 

zu verfahren, als gegen ung, die 
wir häufig auf ungehorjamen und 
ungerittenenPferden zur Abweichung 
von der korrekten und gefälligen 
Form verführt werden. Aus diejem 
Grunde jollte die Reiterin ſich auf 
einem rohen unbotmäßigen Pferde, 
fofern fie überhaupt Fertigkeit und 
Verſtändnis befigt, ein ſolches zu 
reiten, nie den Bliden und damit 
der Kritif eines unberufenen Publi- 
kums ausfegen. Daß das fchöne 
Geflecht die Fähigkeit befigt, un- 
fertige Pferde zu reiten, mage ich 
nicht zu beftreiten, dazu kenne ich 
zu viele Damen, die auf dem Lande 
jede zurüdgeftoßene Remonte ohne 
weitere? reiten, und die in der 
Bahn ein Pferd anfafjen und bear: 
beiten fönnen. Immerhin bilden 
derartige Amazonen die Ausnahme. 
Die große Mehrheit aller reitenden 
Damen kann und darf nur „Damen: 
: pferde” reiten. Zum mindeiten, 
wo die Reiterin an die Deffentlich: 
feit tritt — auf der Promenade, 
im Sagdfelde, im Tatterjall — follte 
dies nur auf einem durchaus fiche- 
ren und rittigen Pferde geichehen. 

Es liegt in der Natur der Sache 
(den beichräntten Hilfen des ein- 
feitigen Sites), daß man von einer 
Dame nidt eine annähernd ähn- 
liche Einwirkung auf das Pferd er- 
wartet, wie von dem Reiter, aber 
dafür um fo mehr eine dem Auge 
wobhlgefällige, anmutige und freie 
Haltung. Wenn man von dem 


Soldatenreiter jelbft' auf dem 


jungen ungerittenen Remonte jeder- 
zeit einen tadello8 korrekten und 
eleganten Sig verlangen muß, un 
wieviel mehr follte dies bei der 
Dame der Fal fein, die nur gut 
gehende durchgearbeitete Pferde 
reitet! „Aber leider,” fchreibt 
Keudell, „glaubt die Mehrzahl 
unferer Damen, daß, wenn fie fo 
weit find, fich grade auf dem Sattel 
zu halten, fie die nötige Vorübung 
haben, um fich öffentlich bewundern 
zu lajjen.” In den Jahren, die feit 
dem eriten Erſcheinen der Keu— 
dellfchen HReiterinnerungen ver— 
floffen find, bat fih unter dem 
Einfluß unjerer Fachliteratur und 
der hippologifchen Preſſe, nicht zum 
mindeften durch das Vorbild der 
Concours hippiques und anderer 
derartiger Beranftaltungen unjerer 
Sportvereine viel, ſogar jehr viel 
auf dem Gebiete der Damenreiterei 
wie des Reitſports überhaupt ge- 
bejjert; aber immerhin muß id) be= 
fennen, meine Damen, daß Ihnen 
hinſichtlich Ihrer Kunft im Sattel 
doch Shre Eitelkeit oder die Sucht, 
al® sport-woman zu gelten, nod) 
recht häufig einen Streich ſpielt; 
und ich glaube, daß mander von 
ung, der von einer hübſchen Ama— 
zone zu Rate gezogen wird, oder 
die Ehre hat, ihr al Tavalleriftijcher 
Mentor zu dienen, feiner Schülerin 
durch größere Ehrlichkeit einen Dienft 
erweijen würde. Die Zahl unferer 
Fachſchriften, welche das Reiten 
der Damen zum Gegenjtand haben, 
ift keineswegs gering und man 
findet in ihnen gewiß vortreffliche 
Anleitung, aber derartige Bücher 
teilen dag Los der großen Klaſſiker, 
d. 5. man kauft fie, um fie zu be= 
fiten; fodann aber iſt e3 eine 
Eigentümlichfeit jedes reitenden 
Menihen — Sei ed Mann oder 
Weib — und ich will mich ebenjo= 
wenig davon freifprechen, als irgend 


Niro. 93. 


einen meines Geſchlechts — fi 
für einen befonder8 von Gott be- 
gnabeten Reiter zu halten, mag der 
oder die Betreffende auch auf jedem 
andern Gebiete des Sport3 noch 
fo ehrlih von der eigenen Talent- 
lofigfeit überzeugt fein. „Das was 
der Reiterin die Sicherheit gibt,“ 
fagt Meifter Fillis, „verleiht ihr 
gleichzeitig die elegante Haltung.“ 
In Diefer Hinfiht begehen Ans 
fängerinnen einen bedauerlichen 
Fehler, indem fie, wohl in dem 
Beſtreben, nad recht? herunter- 
zufigen, mit der linken Hüfte gegen 
die rechte zurüdbleiben. Dies ift 
nicht nur unfchön, fondern Direkt 
gefährlich, denn es erhöht zweifeld- 
ohne die Gefahr, nad rechts her- 
untergemorfen zu werden. Sit die 
jchiefe Haltung von Hüften und 
Schultern ſchon im Schritt häßlich, 
fo ift dies noch mehr im Trabe der 
Fall und die bekannte forfenzieher- 
artige Bewegung beim Engliſch⸗ 
traben ijt obendrein gejundheits- 
IShädfihd. Würden unjere Damen 
fich in jeder Gangart eines korrekten 
Sites befleißigen, d. h. Hüften und 
Squltern parallel zu den Ohren 
des Pferdes — jo märe ein jehr 
wirkſames Argument der Geitfih: 
gegner, die den Herrenfiß in der 
Damenteiterei einbürgern wollen, 
hinfällig. Ein anderer Schönheits⸗ 
fehler beim Englifchtraben — eine 
andere Art zu traben mödte ich 
der Dame überhaupt nicht konze⸗ 
viert fehen, tft ed, wenn man eine 
Bewegung des linken Beines nad) 
auswärts fieht. Es entjpringt dies 
aus einem zu furzen Bügel und 
dem Beftreben der Reiterin, ſich im 
Bügel zu heben. Letzteres iſt grund: 
falſch, man überlafje dag Heben 
des Körper8 der Bewegung des 
Pferdes und trete den Bügel nad 
hinten meg, wobei Knie und Fuß: 
gelen? federnd wirken. Es erhellt 
hieraus, von welcher Wichtigkeit 


Frhr. B. R. v. Eſebeck. 


| die richtige Bügelfchnallung ift. Ich 
| habe die Bemerkung gemacht, Daß 
grade die beften NReiterinnen aud) 
in fohwierigen Situationen, auf der 
Sagd, auf der Galoppierbahn, auf 
ungezogenen Pferden u. ſ. w. den 
Bügel auffallend lang Ichnallten, 
jo daß die Fußfpige nad) unten 
zeigte. Sicher befördert der lang- 
geichnallte Bügel eine weiche elafti- 
jche Tätigfeit des Knies und be— 
feftigt den Sit, während bei zu 
furzem Bügel die Reiterin leicht 
nach rechts aus dem Sattel fommt 
und, um dem vorzubeugen, in die 
bereit3 oben gegeißelte Verdrehung 
der Hüften fällt. 

Damen, melde viel in der Bahn 
reiten und ſich dabei in ihre Pferde 
vertiefen, neigen mit Borliebe zu 
der Angemohnheit, das Kinn vor: 
zuftreden und bei jedem Tritt des 
Pferdes mit dem Kopf zu niden. — 
Tröſten Sie fi, meine Damen, 
wir Herren machen e3 nicht beffer! 
— Dean findet grade dieje Feine 
Unart häufig. bei beſonders pajlio- 
nierten und verftändnigvollen Reite⸗ 
rinnen, die den Wunfch haben, mit 
Gefäß und Mittelpofitur energifch 
vorzutreidben. Wird dies über: 
trieben, fo verfällt die Neiterin 
leicht in den Fehler, den Leid ein- 
zuziehen und mit bochgezogenen 
Sdultern und rundem Rüden zu 
figen, was ein höchſt unvorteil- 
haftes Bild macht. Für die Dur: 
ſchnittsreiterin jollte jedenfalls das 
Geſetz der Schönheit noch über 
dem reiterlichen Gebot Stehen, — 
nebenbei find diejelben faſt immer 
identiſch, — ich gebe daher der An⸗ 
fängerin unbedingt die Snftruftion: 
Oberförper lieber hinter die Senf: 
rechte neigen, als vornüber, nament: 
ih beim Anreiten und beim Ber- 
ftärfen der Gangart, bezw. des 
Tempo8. Der regelmäßige Fehler, 
den man bei Anfängern beiberlei 
Geſchlechts zu bekämpfen bat, ift 


II, 4 Damenreitfporf. 


da8 Vorneigen des Oberkörpers 
beim Bortreiben und Hintenüber- 
werfen in den Paraden. Reiterlich 
wäre es logifcher, in das entgegen- 
gejegte Ertrem zu verfallen; aber 
jelbftredend liegt der goldene Weg 
in der Mitte, d. h. in der tun: 
lichſten Innehaltung einer jenf: 
rechten Lage über dem Schwerpunkt 
des Pferdes. Das Herunterjehen 
auf den vorgreifenden Fuß beim 
Angaloppieren ift ein Schönheits- 





fehler, den jede Reiterin wohl mit 
den hippologiſchen Kinderjchuhen 
auszieht. Grade beim Angalop- 
pieren macht das Vorbeugen des 
Oberkörpers und Cinziehen der 
Mittelpofitureinendilettantenhaften 
Eindrud. Der Kopf fei ein wenig 
zurüdgenommen, das Kinn leicht 
angezogen, ohne daß die Haltung 
etwa Krampfhafte® annimmt; 
Sdultern und Oberarme feien weit 
zurüdgenommen. Die berühmten 
Henkeltopfellbogen find ein Spezial: 
fehler älterer, routinierter Reite- 
rinnen, und weder jchön, noch faval- 





Niro. 93. 


Veriftifch motivierbar. Ich möchte 
bei diefer Gelegenheit gegen ein 
Dogma proteftieren, das allgemein 
in den Damentreitinftituten von den 
Herren „Damenreitlehrern“ ge: 
predigt wird: die einhändige Füh— 


‚rung! Sch glaube, erjt als Soldat, 


wenn man gezwungen ift, im Dienft 
beim Reiten mit der Waffe 2c. jedes 
Pferd mit einer Hand zu führen, 
lernt man es erfennen, welche un: 
geheure Erleichterung die angefaßte 


Aus dem Album der Sportwelt. 
19. Damenpreisfpringen. 


Trenfe oder gar die geteilten Kan- 
darenzügel gewähren. Nun ift die 
Gefahr der Ermüdung und damit 
einer franfhaften, harten Führung 
bei dem zierlicheren Handgelenf der 
Dame wohl noch größer. Noch aus 
einem anderen, vielleiht einleuch- 
tenderen Grunde bin ich gegen die 
Führung mit einer Hand: ein un— 
beftreitbarer Nachteil de8 Damen: 
jattel8 — hierin haben feine Gegner 
unbedingt Recht! — ift die durch 
den Reitfit bedingte hohe Führung. 
Teilt die NReiterin alle 4 Zügel und 
jegt die Hand auf der Sattelflappe 


0 ...........sss.n.———————— ——————— 


Nro. 94. 


auf, etwa da, wo die Taſche zu ſein 
pflegt, die linke an (nicht auf) den 
linken Oberſchenkel, ſo iſt dem an— 
gedeuteten Uebelſtande weſentlich 
abgeholfen. Dieſe Art der Führung 
hat den ferneren Vorteil der langen 
Zügel und in dieſem liegt ein Haupt: 
faltor der „weichen Damenhand“. 

„ie viel öfter,” ſchreibt White- 
Melville in jeinem unvergleid): 
lihen Buch über Sagdreiten, „wür- 
den wir Damen im Sagdfelde ftürzen 
jehen, wenn nicht der Sig im Damen- 
fattel fie zu dem langen Bügel 
nötigte.” Ohne Frage wird Die 
Reiterin in der von mir befchrie- 
benen Weife weicher führen, als 
wenn die oben auf dem rechten 
Knie thronende Zügelhand alle vier 
Zügel vereinigt. Leicht gibt auch 
die Führung mit einer Hand der 
Reiterin etwas Linkiſches, weil die 
Rechte, die nur die Peitſche führt, 
gewiſſermaßen beſchäftigungslos ift, 
wohingegen die Führung mit ge: 
teilten Zügeln auch) auf die grade 
Haltung der Schuttern und Hüften 
förderlih wirtt. Der Oberarm ift 
leicht angelegt, der Unterarm bildet 
am Ellbogen einen rechten Wintel. 
Die Hand fteht, ob höher, ob tiefer, 
ſenkrecht und jo, wie fie am Unter: 
arm angewadhlen ijt; das ift das 
ganze Geheimnis der weichen Füh— 
rung! Eine in den Pulsadern ein- 
gezogene, ebenfo wie eine zu ſtark 


eingerundete Yauft wird Erampf: | 


haft und unnachgiebig. Sp un 
mefentlich es fcheinen mag, fo wirft 
eine verderfte Fauſt, bei welcher der 
Handrüden'nad) oben zeigt, nach⸗ 
teilig auf den Gefamteindrud der 
Reiterin. Der höchſte Punkt der 
Hand ift der Knebel ded Daumensg, 
die Finger find lang zugemadt, 
nit in die Handfläden 
eingefralft. 

94. Im Jagdfeld. Wohl jede 
Dame, die fich jattelfeft genug fühlt, 
um einen Ritt „querbeet“ zu wagen, 


| 


1 


I 


Frhr. B. AR. v. Eſebeck. 


hat den Wunſch, wenn ſich Gelegen- 
heit bietet, eine Schniteljagd oder 
Schleppe zu reiten und darum glaube 
ih, einen Augenblid bei diefem 
Punkt verweilen zu dürfen. 
„Ladies in the hunting-field are 
a nuisance,“* pflegt der Engländer 
zu jagen, aber ich kann dem nicht 
beipflichten, dazu fenne ic) zu viele 
Damen, die hinter den Hunden 
manchen Rotrod befchämen Tünnen. 
Freilich jenen Amazonen, die den 
Reitjport ald eine Art Bentinktur 
betradjten, oder ihn um der Mode 
willen betreiben, täten allerdings 
befier daran, von vorneherein auf 
die Freuden einer guten Jagd zu 
verzichten, denn mo gehobelt wird, 
fallen Späne, oder wie Cramford 
in feinem Buche „horsesandriders“ 
jehr bezeichnend ausdrückt: „Wer 
Gierfuchen efjen will, muß Eier 
zerichlagen, und wer Jagd reiten 
will, ohne zu fallen, der hat nur 
den halben Sport und ficher nur 
ven halben Spaß.” Auch die er- 
fahrenfte und fattelfeftefte Reiterin 
muß — wenn fie ehrliih und mit 
Vergnügen den Hunden folgen will, 
auf einen gelegentlichen Akeident 
gefaßt fein; da aber — ganz ab⸗ 
gefehen vom äfthetiiden Stand⸗ 
punkt — ein Sturz für die Dame 
leicht erniter abläuft, als für den 
Herrn, ſo mödte ich an daS Jagd⸗ 
reiten der Damen zwei Bedingungen 
telen und von diefen auch Die 
perfekte Reiterin nicht frei machen: 
einmal ein unbedingt fichereg Jagd: 
pferd, jodann einen gemandten und 
befonntenen Piloten. Die Aufgabe 
des letzteren ift feine ganz leichte; 
por allem muß der Herr, welcher 
die Ehre hat, im Sagpdfelde einer 
Dame als Kavalier zu dienen, felbit 
auf einem erprobten, abfolut ficheren 
hunter figen, denn er kann und 
darf fih nicht um fein Pferd küm⸗ 
mern. Sch denfe noch mit Grauen 
an einen Tag, an dem ich ein neue? 


II. 4 Pamenreikſport. 


Pferd zum erftenmal Hinter den 
Hunden ritt; plötzlich machte ich zu 
meinem Schreden die Bemerkung, 
daß eine Dame auf mich Border: 
mann hielt. Alles Rufen und 
Winken war vergeblid, alfo mag 
tun? Ich verfudte, den Abftand 
zu vergrößern, aber je mehr Dampf 
ich aufjegte, dejto mehr drückte auch 
mein Verhängnis auf dad Tempo. 
Cine Weile ging alles gut, dann 
fom ein ganz fleiner, aber mit 
hohem Kraut zugemadjfener Graben, 
und — da lagen wir! Die Frau 
Generalin famt Pferd auf mir und 
überflüffiger Weiſe mählten noch 
2 Herren den gleihen Ruhepunkt. 
Abgefehen von einem entlaufenen 
Pferd, einem zerrifjienen Reitkleid 
und einigen blauen Flecken hinter: 
ließ dieſes Maffengrab bei feinem 
der Beteiligten Yolgen, aber id 
möchte doc bitten, meine Damen, 
ſich durch diefe Heine Epifode warnen 
zu lafjen und nie auf Shren Border: 
mann Strid zu reiten, ſonſt kann 
eine ganz harmloſe Lerche, die dag 
Pferd desſelben jchlägt, Ihnen 
beiden verhängnisvoll werden. 
Nah dem Anlegen gilt ed für 
den Piloten zunächſt, fich mit feiner 
Scupbefohlenen aus dem üblichen 
Gedränge zu retten. So lange man 
fih mitten im Jagdfelde befindet, 
rate ih dem Herrn, links neben 
der Dame zu bleiben. Es verftößt 
dies gegen die Regel, empfiehlt ſich 
aber im Gedränge, um die Dame 
vor Anreiten zu ſchützen. Sobald 
man freie Fahrt hat, eilt der Pilot 
vorauf und, lafjen Sie es ſich bitte 
nochmal and Herz legen, jchönfte 
Zeferin, folgen Sie demfelben nicht 
in feinem direkten Kielwaſſer, fon= 
dern in gehörigem Abftande ein 
wenig feitmärtd; dann „Volldampf 
vorauf“ und ih wünſche Shnen 
guten Sport! Am angenehmften 
reitet es fich naturgemäß auf den 
Flügeln. Hinter einer Hafenmeute 


Nro. 94. 


muß man fi allerdings fehr hüten, 


nicht den Unwillen des Mafters zu 
erregen, denn bei den Widergängen. 
die Lampe zu machen liebt, Tann 
man leicht die Fährte überreiten 
und außerdem madht man häufig 
Relaishafen hoch, die dann vor die 
Hunde laufen und diefe von der 
Fährte des Jagdhaſen abziehen. 
Hinter anderem Wilde oder auf 
der Schleppe hat es hiermit feine 
Gefahr, und wenn man hinter 
größeren Hunden reitet, fo ſorgen 
diefe ohnehin durch ihre größere 
Schnelligkeit dafür, daß das Feld 
bald auseinander gezogen ift. In 
jedem Falle rate ic), von vorn: 
herein jeinen Platz im erften Treffen 
zu wählen; einmal ijt das Ber: 
gnügen des Jagdreitend® doc nur 
vollfommen, wenn man die Hunde 
bei ihrer Arbeit auf der Fährte 
beobadten fann, zweitens pflegt 
jedes Pferd hier am angenehmiten 
zu geben, und fchließlih kommt 
man dort auch am ficherften über 
unfaire Hindernifje, Gräben mit 
jumpfigen Rändern u. dgl. hinweg. 
E83 folgt hieraus, daß die Dame 
nit nur eines ficheren, fondern 
auch eines fchnellen Pferdes be- 
nötigt, um den Hunden folgen zu 
können und beim Halali zu fein. 
Zur Schande meines Geſchlechts 
muß ich geftehen, daß es Leute 
gibt, denen die Anmwefenheit von 
Damen immer und überall ein 
Dorn im Auge ift und zumal im 
Sagdfelde. Diefe behaupten, daß 
eine Frau niemald® die Pace zu 
beurteilen vermöge und darum kopf⸗ 
108 auf alles losjtürme. Da, wo 
das Pferd eher einen Pul nötig 
hätte, um fi aufzunehmen, wie 
3. B. im tiefen Boden vor einem 
großen Hochſprung, wird die Gefahr 
des Sturzes dur blinded Gegen: 
ftürmen zweifellos erhöht; aber 
meiner Meinung nach entjpringt 
diefer Schneid nit aus einem 








Nro. 94, 


Mangel an Urteilsfähigkeit, ſondern 
aus der Unkenntnis der Gefahr. 
Verzeihen Sie den etwas un: 
galanten Vergleich, meine Damen, 
aber e3 ijt mit Shrem Mut wie 
mit der Courage unjerer Refruten. 
Dort muß der Lehrer ängſtlich dar— 
auf bedacht fein, den angehenden 
Reitfünftler vor dem Herunterfallen 
zu bewahren, ehe derjelbe nicht volles 
Vertrauen zu feinem vierbeinigen 
Kameraden gewonnen hat und 





Fchr. B. AR. v. Efeherk. 


tung beftätigen. Der Schneid 
unferer jagdtreibenden Damen tft 
eine Eigenjchaft, um die mander 
Rotrod fie beneiden darf; und jeder 
— fei es Gatte, Vater oder Lieb: 
haber — der eine Dame zum Jagd— 
reiten beritten macht, oder fie dabei 
haperoniert, jollte es für jeine vor- 
nehmſte Pflicht anjehen, unferen 
Gefährtinnen im Sagdfelde den 
„pluck* zu erhalten! Sn erfter 
Linie kann dies durd die Auswahl 


20. Damen beim Ballali. 


ebenjo müfjen wir jeve Dame, die 
Sagd reitet, jorgjam vor‘ der Bes 
kanntſchaft mit einer ernitlichen Ge— 
fahr bewahren, denn „wo Feine 
Furcht auch feine Gefahr”. So 
parador Dies Klingen mag, jo 
zweifellos hat es, was die Sicher: 
heit im Sattel anbelangt, jeine 
Berechtigung; es ijt geradezu Fächer: 
lich, wie die Unficherheit des Rei— 
ter8 oder der Neiterin ſich dem 
Pferde mitteilt. Auch die befannte 
Tatjahe, daß gerade Furzjichtige 
Damen häufig die Fühnjten und 
fiherjten NReiterinnen Hinter den 
Hunden find, dürfte meine Behaup- 





des Pferdes gefchehen, welchem wir 
eine Dame querfeldein anvertrauen. 
Sch habe bereits früher betont, daß 
dag ganze Geheimnis bei Auswahl 
eine Damenpferdes im Tempera: 
ment liegt; dies muß in nod 
höherem Maße gelten, wenn es ji) 
um die Beichaffung eined Jagd— 
pferdes handelt. Dur den Sitz 
im Damenjattel ift e3 der Reiterin 
verfagt, ihr Pferd gegen einen 
groben. Sprung „gegenzureiten”, 
fie bedarf daher im Jagdfeld ein 
Pferd, dag aus fich jelbit das 
Hindernis anzieht, ohne dabei jeiner 
Reiterin die Hand zu nehmen. 


II, 4. Pamenreiffporf. 


Andrerfeit3 vermag die Dame auch 
nicht, ihr Pferd vor einem feier: 
lihen Hochſprung durch die Schenfel- 
wirfung „aufzunehmen“; wenn es 
daher für unfereinen ſchon fein 
Vergnügen ift, hinter den Hunden 
einen kopfloſen Puller zu reiten, 
jo ift Died für die Dame eine direkte 
(Sefahr. Freilid maht man zu: 
weilen mit Bullern die über: 
rafhendften Erfahrungen, wenn man 
fie einer zarten Hand anvertraut; 
aber, verzeihen Sie, wenn ich ehr: 
lid bin, meine Gnädigite, id 


Ihreibe diefe mwohltätige Wirkung. 


nit Ihren Heinen Händchen zu, 
jondern dem langen Zügel, zu dem 
Sie der GSeitfig im Damenjattel 
wohl oder übel benötigt. „Give 
them plenty of rope* ift ein Re- 
zept des englifchen Jagdreiters, das 
ihn vor mandem Sturz bewahrt 
und in diefer Hinfiht können wir 
von den Damen, die wir hinter den 
Hunden ſehen, viel lernen. Drei 
Punkte bat das ſchönere Geſchlecht 
im Jagdfelde vor dem ſtärkeren 
voraus: das leichtere Gewicht, den 
feſten Sitz und den langen Zügel. 

95. Querſitz. Man kann heut⸗ 
zutage das Tema „Damenreiterei“ 
nicht anſchneiden, ohne den Quer⸗ 
ſitz wenigſtens geſtreift zu haben. 
Meines Erachtens ſind die Argu⸗ 
mente, die auf beiden Seiten ins 
Feld geführt werden, häufig nicht 
ganz zutreffend, während andrer⸗ 
ſeits in beiden Lagern manches 
überfehen wird, was zugunften 
der eigenen Sade ind Gewicht 

ällt. 


Ich möchte den Verſuch machen, 
vom objektiven Standpunkt das Für 
und Wider beider Auffaſſungen zu 
beleuchten. 

Madame Durand, die in ihrer 
Zeitſchrift „La Fronde* fi zur 
Vorlämpferin des Herrenfattelg ge: 
madt bat, madt für den Duerfit 
geltend, berfelbe fei günftiger: 


Nro. 95. 


1. für die Feftigfeit des Sitzes, 

2. für die richtige Zügelführung. 

Man begegnet vielfach der Anz 
fit, eine gute Reiterin müßte von 
frühefter Jugend an und zuerft im 
Herrenfattel geritten haben. 

Gräfin Wilhelm Bismarck ift erft 
nah Mitte der Zwanzig in den 
Sattel gejtiegen und konnte bereit 
nach verhältnismäßig kurzer Zeit 
hinter den Hunden der hannover- 
ſchen Reitſchule debütieren, wo fie 
ſelbſt nach den ſchwerſten Jagden 
beim Ende zu ſein pflegte. Ich 
kenne andrerſeits Damen, die von 
ihrem 5. Lebensjahr ab auf dem 
Pony geſeſſen haben und erſt mit 
dem 15. Jahr auf den Damen— 
ſattel gekommen ſind und die trotz⸗ 
dem auf letzterem ein wenig glück⸗ 
liches Bild machen. Mag nun das 
eine wie das andere ein Ausnahme⸗ 
fall ſein, ſo wird jeder, der ſelbſt 
Rekruten ausgebildet hat — und 
die Mehrzahl meiner Leſerinnen 
hat doch gewiß zum mindeften eine 
Rekrutenabteilung bei ihren An: 
fangstünften beobadhtet — es mir 
betätigen, daß nicht der Schluß 
dem jungen Kavalleriften die Haupt- 
ſchwierigkeit bereitet, jondern bie 
Erlangung der Balance. 

In unferer Soldatenreiterei ift 
es heutzutage Grundſatz, nicht von 
dem Schüler zu verlangen, mas 
fein Können, die von ihm bereitd 
erlangten Fähigkeiten überfteigt. 
Der Rekrut darf nicht herunter: 
fallen, denn nicht wäre mehr ge= 
eignet, ihm die unentbehrliche Liebe 
zu feinem ſchönen Handwerk zu 
nehmen. Trogdem paſſiert es nicht 
gerade felten, daß die angehenden 
HZentauren fi mehr oder minder 
unfanft von ihren Roſſen trennen. 
In den Tatterfallbahnen, wo un= 
jere Amazonen ihre Anfanasjtudien 
maden, fieht man dagegen hödit 
jelten, um nicht zu fagen „nie — 
ein derartiges Afcidend. Ergo ber 


Nro. 95. 


Damenfattel gewährt von vorn: 
herein einen jicheren und fefteren 
Sit, als ihn der Anfänger im 
Herrenfig, jelbft mit Hilfe der 
Scentel findet; ganz abgejehen 
davon, daß die von dem Herren 
fit geforderte flache Schenfellage 
aus anatomiihen Gründen ven 
Damen verjagt iſt. Den Verehrern 
von Filliß dürfte eg in der Mehr: 
zahl. nicht bekannt fein, daß der 
Meifter auch zum „Spreitfi” Stel: 
lung genommen hat; ich zitiere ihn 
daher wörtlich (Grundſätze der 
Dreffur und Reitkunſt, ©. 39). 
„Was fehlt dem Reiter im allge- 
meinen? Der fidere Sig! Der 
Sit wird den Damen noch mehr 
fehlen, welche doch einen runderen 
und viel energielojeren Schenkel 
haben, als der Mann. Pferde, die 
gewöhnlich feine Höflinge find, 
werden denjenigen Damen, welche 
diejer neuen Art der Reiterei hul- 
digen, jo oft Unfälle bereiten, daß 
fie nicht jäumen werden, darauf zu 
verzichten.” 

Ich für meinen Teil ftehe auf 
dem Standpunft, daß Pferde, „die 
feine Höflinge find”, ſich überhaupt 


für Damen nicht eignen. Damen: 


gehören eben nur auf Damenpferde, 
und dieſe find durchgeritten, be- 
dürfen feiner Kraftaufwendung und 
bereiten feine Unfälle. Die Reiterin 
darf alfo ebenjomwenig in die Lage 
fommen, die beiderjeitige Schenfel- 
wirkung zur Dreſſur des Pferdes 
zu gebrauden, wie in die Möglich- 
teit, mit dem Kleiderrock an der 
Gabel des Seitjattel® hängen zu 
bleiben. Gerät eine Dame in Ge- 
fahr, gefchleift zu werden, jo tft 
das Tier fein Damenpferd und 
man hätte fie auf eine ſolche Krea- 
tur nicht berauffegen dürfen. Die 
Gefahr wäre auf dem Herrenfattel 
die gleiche, wofern fih am Seit: 
jattel ein einfacher Herrenbügel 
ohne Tomplizierte Sturzuorrichtung 


Frhr. B. R. 


| 


v. Eſebeck. 


befindet. Selbjtverftändlih fol 
nicht geleugnet werden, daß ed aud) 


Damen gibt, die troß des einfeis - 


tigen Sites jedes rohe Pferd reiten 
und durcharbeiten; dieſes find aber 


Koryphäen und es ift feine Frage, 
daß derartig präbeftinierte Reite⸗ 
rinnen im Herrenfattel es zu der 


gleihen Vollkommenheit gebradt 
hätten, wenn nicht zu einer höheren, : 


Eine Dame, die auf den Ren 
pferden des Gatten häufig bei der 
Arbeit im Sattel war, bat mir 
verfichert, DaB fie oft den impul- 
fiven Wunſch fühle, dad rechte Bein 
über den Sattel zu fchlagen. 

Die berühmte Tatfache, die id 
übrigen? an meinen eigenen Pfer: 
den unzählige Male erfahren habe, 
daß heftige, diffizile Pferde und 
berüchtigte Puller in Damenhand 
weich und manierlih gehen, hat in 
der Regel ihren Grund darin, daß 
die Neiterin ficherer und darum 
ſtiller jigt und daß die daß Pferd 
irritierende, den Sit unruhig 
macende Schenkelwirkung fehlt. — 
Verſuchen Sie es mit dem Duer- 
fit, meine Gnädigfte, ich wette, Die 
Kalamität ift diefelbe, wie unter 
einen ungefchictten Herrn. Sch bin 
nämlich unhöflih genug, an die 
jogenannte leichte Damenhand nit 
zu glauben. Berzeihen Sie, meine 
Damen, Sie fönnen mit Ihren 
niedlichen Heinen Händen — Die 
th für meinen Freimut reuevoll an 
die Lippen führe, den Pferden ger 


börig weh tun und eine arme Krea⸗ 


tur genau fo fefthalten und in dad 
Maul reißen, wie unjereind mit 
feiner fogenannten Klaue. Der 
unbejtreitbare Nachteil des Geit: 
fiße8, die zu Hohe Fauftjtellung, 
würde freili durch den Querſitz 
abgeftellt, aber der Porteil der 
tieferen Führung wird in den 
meijten Fällen durch den unruhigen 
Sit im Herrenfattel mehr wie auf: 
gehoben werden. Was für den 


II. 4 Damenreilfport. 


Rekruten am ſchwerſten zu erlernen 
ift, eine vom Si unabhängige 
Sügelführung, wird der NReiterin 
durch den ficheren Sit im Damen- 
Jattel von vornherein gegeben. 
Andrerjeit8 darf man ſich den 
Vorzügen des Herrenjattel3 nicht 
verjchließen : zugegeben, daß der von 
den Anhängern des Herrenfiges ing 
Feld geführte Vorteil des beider: 
jeitigen Schenkeldruckes aus den 
bereit3 eingangs gejtreiften Grün: 
den tatjächlich gar nicht vorhanden 
ift, — ausgenommen vielleicht ein 
Fall, in dem die Beinmusfeln fich 
von Kindheit auf der jahrelangen 
Gewöhnung angepaßt haben — 
jo bleibt es doch außer Frage, daB 
der Duerfit die Gemichtöverteilung 
erleichtert und dadurch der Reiterin 
ein feinere® Gefühl und größere 
Meichheit gibt. In der fleinen 
Reitinftruftion für Damen jchreidt 
die Berfaflerin, Fräulein von Wo— 
bejer: „Ohne Gefahr ift allerdings 
daß Reiten nicht, am mwenigiten dag 
Damenreiten; es fehlt der Dame 
nidt nur die größere Muskelkraft 
des Mannes, fondern fie ift aud 
durch den einjeitigen Sit, wie durch 
die geringen Hilfen, die ihr zu 
Gebote jtehen, jehr behindert, einen 
nachhaltigen Einfluß auf das Tier 
auszuüben. Stünde ihr felbit das 
nötige Verſtändnis zu Gebote, ein 
Pferd gründlich und regelrecht durch— 
zureiten, fo würden felbft, wenn 
dasjelbe feinerlei Schwierigkeiten 
böte, doch die beſchränkten Hilfen 
des einjeitigen Sites daS volle 
Gelingen unmögli machen.” 
Wenn. ic) audj meine perjönliche 
Anfiht über das Reiten roher 
Pferde Durch Damen im vorftehen- 
den bereit? ausgeſprochen habe, jo 
liegen doch die Vorteile, die der 
Herrenfattel in der von Fräulein 
von Wobeſer angedeuteten Be- 
zrehung gewährt, zu augenfällig auf 
der. Hand, um einer bejonderen 


- 


Niro. 95. 


Hervorhebung zu bedürfen, auch 
ohne die tatſächliche oder illufori- 
ſche Wirfung des rechten Schentelß. 
Selbjt daS beftgerittene und tem= 
peramentlojefte Pferd ift noch lange 
fein mechaniſches Transportmittel, 
fondern bleibt allen möglichen, nicht 
vorher zu jehenden Einflüffen und 
Eventualitäten unterworfen, Stall 
mut, Scheumwerden, Stolpern ujw. 
Nicht unerwähnt möchte ich laſſen, 
daß der Herrenfattel hinfichtlich des 
Auf: und Abfteigend, namentlich) 
des erfteren, die Reiterin viel felb- 
jtändiger madt. Wenn es aud 
möglid ijt, mit Hilfe des ganz lang 
gejchnallten Bügels allein in den 
Damenjattel zu gelangen, jo ver: 
fügen doch die wenigiten Damen 
über dieje Kunft, abgefehen davon, 
daß die auch in der Regel den 
ominöſen Flajfhenzugbügelriemen 
bedingt. Last not least ift der 
Herrenfattel für das Pferd be- 
quemer. Bei einem gut gemachten 
Damenfattel gehören ja Druckſchäden 
zu den Seltenheiten, aber der Seit- 
fig greift die Nieren des Pferdes 
mehr an, als man denkt. 

Sch fomme nun zu der Gefund- 
heitsfrage, zu der die Deutſche 
medizinische Wochenfchrift unter der 
Ueberſchrift „Wie jollen die Damen 
zu Pferde ſitzen“ Stellung nimmt. 
Die Verfafjerin dieſes Artikels, eine 
enragierte Berfechterin des Seit- 
fies, hält den Querſitz auf die 
Dauer für höchſt geiundheitsjchäd- 
lid. Endlid, um mit ihren eigenen 
Worten zu reden „raubt der Herren: 
fig der Frau dauernd unmieder- 
bringlich den ſchönſten weiblich äft- 
hetiſchen Reiz, ihre ſchlanke Figur.” 
Selbitredend hat diejer Artikel eine 
Ermiderung gefunden, in mwelder 
zugunften des Querſitzes geltend 
gemadt wird, daß die Damen beim 
Radeln den analogen Sit unbe 
Ihadet anwenden. Meines Eradı: 
tens handelt es fi) auf dem Rade, 


- 





Niro. 95. 


Frhr. B. A. v. Efebech. 


zum mindeften auf dem Damenrad, | größere Macht über ihr Pferd, ohne 
um einen reinen Stuhlfit, d. h. daß ich deshalb von ihrem Schenkel, 


einen Sitz auf dem Gefäß, während 
man zu Pferde im Herrenfattel doch 
auch auf der Spalte fit und hierin 
gerade liegt die Gefahr für Die 
weibliche Gejundheit. Im übrigen 
habe ich Anfängerinnen auch auf 
dem Rade darüber Hagen hören, 
daß ihnen der Drud des Sattels 
Schmerzen verurſacht. Jedenfalls 
iſt die Analogie mit dem Radelſitz 
inſofern unzutreffend, als die „Nad- 
lerin“ auf dem Herrenſattel noch 
ſeltener iſt, als die „Reiterin“. 
Einleuchtend iſt unbedingt, daß 
der bequemere engliſche Trab und 
überhaupt die freiere Bewegung 
im Herrenſattel vorteilhafter für 
die Geſundheit iſt, als die gebun— 
dene und gedrehte Stellung im 
Damenjattel. Die richtige Körper: 
haltung — beide Hüften und Schul- 
tern der Reiterin parallel zu den 
Schultern des Pferdes —, kann 
allerdvingg auh im Damenfattel 
nad) diejer Richtung vieles befjern, 
aber immerhin bleibt eg bemerkens⸗ 
wert, daß einer an Erkrankung 
innerer Drgane leivenden Dame 
von einer ärztlichen Autorität dag 
Reiten nur unter der Bedingung 
geftattet wurde, daß es im Herren: 
fattel geſchähe. Eine Bekannte von 
mir legte vor einigen Jahren an- 
läßlich einer fünftägigen Bergpartie 
in das turfeftanifche Gebirge täg- 
ih 70 Werft im Herrenfit, teils 
auf Kofatenfattel, teils auf eng⸗ 
liſchem Sattel zurüd, ohne jemals 
die geringften nachteiligen Folgen 
an fi verfpürt zu haben. „Dies 
bemeift,* ſchrieb mir damals ihr 
Gatte, „L. die Ermüdung im Herren= 
fig it infolge der richtigen Körper- 
haltung eine weit geringere, 2. Nach⸗ 
teile oder Beſchwerden find nicht 
zu befürdten, 3. die Reiterin ift 
mehr Herrin ihrer Kräfte und Be: 
mwegungen und damit gewinnt fie 


eine ähnliche Einwirkung wie beim . 
Denn die Lei . 
ftungen, die unfere Damen be . 
aſiatiſchen Crpedition im . 


Manne erwarte. 


jener 
Herrenſitz vollbrachten, — Leiftungen 
deren fie im Damenjattel nie fähig 
geweſen wären — bezogen fid 
nit nur auf die geforderte Aus: 


dauer bei anftrengenden Nitten, als 


vielmehr auch auf das nötige Ger 


[hie zur Erlangung der Herrſchaft 

über recht bösartige und ſchlecht 

gerittene, unbändige Pferde.” 
Was die äjthetifche Frage des 


Querſitzes betrifft, jo glaube id, . 


daß wir deren Löſung getroft den 
Parifer und Miener Toiletten 
fünftleen überlaffen können. 68 
unterliegt feinem Zweifel, daß dies 
felden einen Ausweg finden mwer- 
den, der die weibliche Eitelkeit, wie 


das Auge des ftarfen Geſchlechts 


gleichermaßen befriedigen wird. 
Dem Einwand der „Hervenfiggeg- 


ner”, daß eine Dame in Reithojen | 


zu Fuß unmöglih fei, ift mit 
Leichtigkeit Durch einen Radmantel 
oder Umhang abgeholfen, deſſen 
man fi auf dem Wege zum Stall 
oder nad der Neitbahn bedient, 


Ich möchte jedoch dem langen ge ' 


teilten Rod, der nur Fuß um 


Bügel freiläßt die meifte Anmart: 
haft auf eine Zukunft zuſprechen. £ 


An der Bahn, wo die eine Seite 
der Neiterin dem Zufchauer durd 
die Bande entzogen wird, hat man 


auf den erften Blick volllommen = 


den Eindrudf, eine Dame im alt 
gewohnten Seitfig zu ſehen. Einer 
ſchlanken, elaſtiſchen Figur wird der 
Duerfit in dem befchriebenen Roftim 
feinen Abbruch tun, und die Wir 
fung ift nit nur im ſtrengſten 
Sinne dezent, fondern überraschend 
anmutig und elegant. 


Den Leferinnen find gewiß die 


| 


N 


reizenden Skizzen „Seitfig” un 


| 


J 


IE 


— Du 


II. 5. Yahrfport. 


„Duerfig” gegenwärtig, in denen 
auch die „Jugend“ ſ. Zt. zu diefer 
bippologifchen Tagesfrage Stellung 
genommen hat: eine fchlagenvere 
Löſung derjelben ift nicht denkbar. 
Zu deutfh: quod licet Jovi, non 
licet bovi. Uebrigend wird der 
geteilte fogenannte Scürzenrod 
ſchon heute vielfah nicht nur von 
unfern beiten, jondern von den 
vornehmften Amazonen auch im 
Damenfattel getragen. Db der 
Duerjit von den Damen der Ge- 
ſellſchaft je allgemein akzeptiert 
werden wird, wage ich nicht zu 
entfcheiden. Sch möchte jedoch da= 
ran erinnern, daB vor wenigen 
Sahren eine Dame auf dem Rade 
ebenfo unmöglid war. Bor gar 
nicht allzu langer Zeit radelten die 
Damen der „guten“ Gejellfchaft 
nur unbeadtet in der Abgeſchieden⸗ 
heit ihres Gartens oder in ge— 
ſchloſſenen Räumen, fo etwa wie 


Niro, 96. 


man in. Spanien zur Zeit der In⸗ 
quifition die Bibel lad: heute zählt 
der Radſport mehr ald eine ge- 
Ichloffene Krone zu feinen An 
hängern, offenfundig.e Wer von 
den Damen jemald einen einzigen 
ernfihaften Gedanfen über Reiterei 
und Pferdedrefiur gehabt hat, die 
wird gewiß auch ohne meine Aus⸗ 
laſſungen zur Würdigung der Vor: 
teile gelangt fein, die der Querſitz 
für die Neiterin im Gefolge hat. 

Den andern aber, denen das 
Reiten nichts ift als ein faſhionables 
„Passer le temps“, die auf dem 
Pferderüden mit unmöglichen Hüten, 
Armbändern und bunten Krawatten 
prangen und denen beim erften 
Galopp die Frijur aufgeht, rate ich 
dringend von jedem Berjuh im 
Herrenfattel ab. 

Schon Wilh. Buſch hat gejagt: 
„Erſtens weil es ſehr gefährlich, 
Zweitens gar nicht nötig iſt!“ 


Fahrſport. 


96. Einleitung. Wenn wir uns flüſſigen Summen den Löwenanteil 


fragen, warum Deutſchland, das 
einen Karoſſier liefert wie den Hol- 
fteiner, einen Hunter wie den Hans 
noveraner, ein Kampagnepferd wie 
den Djtpreußen, im Pferdefport — 
abgejehen von dem Herrenfport auf 
der Hindernigbahn — hinter dem 
Auslande unverfennbar zurüd: 
geblieben ift, jo müſſen wir hier- 
für neben fozialen und Himatiichen 
Momenten in erjter Reihe die Ent- 
widlung des Wafferfportes ver: 
antwortlih machen, der in dem 
festen Jahrzehnt das Intereſſe der 
fapitalträftigen Sportöfreunde im— 
mer mehr auf die „Kieler Woche” 
fonzentriert hat und von dem in 
unferem Vaterland für Sportzwede 


abforbiert. Ein meiterer Konkur⸗ 
rent, der namentlich dem Fahrſport 
Einbuße tut, ift neuerdings in der 
mwachfenden Popularität des Auto— 
mobilismug zu erbliden: nicht 
allein, daß derjelbe viele wohl: 
fituierte Privatleute zur Aufgabe 
ihrer Equipage veranlaßt hat, auch 
in den fürftliden Marjtällen, die 
bisher berufen fchienen, auf dem 
Gebiete des Luxusfuhrwerkes vor- 
bildlich zu mirfen, beginnt das 
Automobil immer mehr die Wagen— 
pferde zu verdrängen. In heutiger 
Zeit ſcheint darum ein mwerbendes 
Wort für den Sahriport doppelt 
angebracht; denn je mehr die Zahl 
der PBrivatequipagen fi in unjerem 


Nro. 96. 


Baterlande verringert, defto unren- 
tabler wird fi die Warmblutzucht 
für den Landwirt geftalten. Auch 
der Fahrſport Hat eine nationale 
Bedeutung, indem ein ausgedehntes 
und blühende® Luxusfuhrweſen 
wirffam dazu beitragen wird, den 
Rückgang der Edelzudt und das 
für unfere militärifhe Schlagfertig- 
feit bereits höchft bedenkliche Leber 
bandnehmen des Kaltblutes zu 
hemmen. 

Wer in der Lage ift, fich beides 
zu gönnen, der wird ehrlich einge: 
ftehen müfjen, daR es ein unver: 
gleichlich höherer Genuß ift, vom 
hohen Bod herab einen PViererzug 
Ichneller Pferde durd die Gottes: 
welt zu lenfen, als auf ftaubiger 
Chauſſee in einem Benzinduft aus: 
ftrömenden Auto „Kilometer zu 
freſſen“. Um nicht einfeitig oder 
voreingenommen zu fcheinen, will 
ich konſtatieren, daß ich gerade ala 
pafftonierter Sagdreiter die Bor: 
züge des Automobils ſchätzen ge: 
lernt habe, die unbeſtreitbar in der 
Schonung des Pferdematerials und 
dem Gewinn an Zeit für andere, 
berufliche Zwecke liegen; allein im 
nachſtehenden ſoll nicht die Equi— 
page als Fortbeförderungsmittel 
empfohlen, ſondern dem Fahren als 
Selbſtzweck, d. h. als ſportlichem 


Vergnügen, das Wort geredet wer— 


den. Wenn der oben angeführte 
Vergleich — die Handhabung einer 
Maſchine und das Lenken von vier, 
ja ſelbſt von zwei edeln, tempera— 
mentvollen Pferden, ausnahmslos 
zugunſten des Fahrſportes aus— 
fallen muß, und trotzdem viele 
Leute ſelbſt zu reinen Luxuszwecken 
den Kraftwagen bevorzugen, ſo 
dürfte dies ſeinen Grund nicht zu— 
letzt darin haben, daß mit den 
nötigen Barmitteln ſich jedermann 
zum Herrn eines dem verwöhn— 
teſten Geſchmack genügenden Auto— 
mobils machen kann, wohingegen 


Frhr. B. A. v. Efeberk. 


der Beſitz eines erſtklaſſigen Ge— 
ſpanns ein reiches Maß von per: 
jönlihem Verſtändnis, eigener 
prattiiher Erfahrung und theore— 
tiiher Sachkenntnis voraugfegt. 
Das Koftjpieligfte ift bier nod) 
lange nit das Chickſte und Kor: 
rettete; während man einerfeits 
bei einer mit dem größten Koften- 
aufmand zufammengeftellten Equi— 
page oft genug grobe Berftößel 
gegen die äſthetiſchen und ſport— 
lichen Regeln Eonftatieren Tann, 
wird andererfeits fich ebenfo häufig 
auch mit verhältnismäßig geringen; 
Mitteln eine ftilgerehte und ge— 
Ihmadvolle Anjpannung erreidhen 
lafien. Selbftredend kann es ſich 
bier nit darum handeln, alle 
Einzelheiten zu erjchöpfen, die ganze 
Bände der Fadjliteratur anfüllen, 
nur in großen Zügen fol das ein: 
Ichlägige Gebiet fkizziert werden. 
Bor allem gilt e8, einer Auf: 
fafjung entgegenzutreten, die es 
zum großen Teil mitverſchuldet hat, 
daß die Leiftungen unferer Ama: 
teurfahbrer — wenige Koryphäen 
ausgenommen — fih im allgemei: 
nen nicht über Mittelmäßigfeit er: 
heben: es ift dies die in Deutich- 
land landläufige Anficht, daß jeder 
Reiter auch ohne weiteres auf dem 
Bode Meifter ſei. Wenn auch zu: 
gegeben fein mag, daß vielleicht der 
Si auf dem Kutſchierkiſſen eine 
ruhigere Führung gejtattet, als fie 
mandem im Sattel möglich ift, jo 
verlangt doch das Wagenpfert: 
immer noch eine fehr viel mweichere 
Führung ald dag Reitpferd; fchon 
aus dem einfahen Grunde, weil 
dem Fahrer feine andere Einwir: 
fung als allein durch den Zügel zu‘ 
Gebote fteht. Ach bin zwar etwas 
jfeptilch gegen die fo oft gerühmte 
„weiche Damenhand“, aber die Tat- 
jache, daß unter den perfekten Fah— 


rern das ſchöne Geſchlecht verhält-, 


h 


nigmäßig zahlreicher vertreten ijt 


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I. 5. FJahrſport. 


Nero. 97—98. 


al® das ftarfe, ift jedenfalls auf: | pferded. Schon bei der Produf- 


fallend. 

97. Drefinr des Wagenpferdes. 
Sn den im großen Stil gehal- 
tenen Ställen, die auf WMufjter- 
gültigfeit Anſpruch erheben, iſt es 
wohl Brauch, die Wagenpferde vor 
dem Einfahren durchzureiten. Man 
ſollte indeſſen nicht vergeſſen, daß 
das Reitpferd durch die Dreſſur 
auf die Hanken gerichtet werden 
ſoll, während das Wagenpferd not⸗ 
gedrungen auf die Schulter ge- 
richtet fein muß. Für ein reines 
Zurußgefpann, von dem nur 
Schnelligkeit gefordert wird, dürfte 
fih daher eine gründliche Durchs 
bildung unter dem Sattel gar nicht 


einmal empfehlen: für das Reit- 


pferd iſt Rüdenaufmölbung Bor: 
ausfegung, für dad Wagenpferd 
ein Hemmnig, — das find nun 
einmal unvereinbare Gegenjäte! 
Um dies zu illuftrieren, vergleiche 
man einmal da8 Bild eines im 
abjoluten Gleichgewicht befindlichen 
Reitpferdes, wie es beigezäumt, 
mit gebogenen Hanken im verjam- 
melten Trabe unter feinem Reiter 
zu ſchweben fcheint, gleichjam ba- 
lanciert, mit der Silhouette des 
Renntraber®, der mit hochgewor⸗ 
fenem Kopf und abgeipanntem 
Rüden über den Boden fliegt. Aus 
analogen Gründen bin ih auch nicht 
für das von vielen empfohlene 
vorbereitende Longieren der Wagen⸗ 
pferde; und Autoritäten bejtätigen 
meine Grfahrung, daß die Pferde 
hierdurch nur auf das Gebiß ge- 
trieben werden, den Gang aber 
verlieren. Durch die Spannung in 
die Beinahmezügel und das Her- 
untertreiben der Hinterhand mit 
der Peitſche lernt dad Pferd bei 
der Longenarbeit auf dem Zirkel, 
den Rüden aufzumölben: dies ge⸗ 
trade aber ift mit den „Allüren‘ 
des „fort trotteur“ unvereinbar! 

98. Die Zucht des Wagen: 


tion eine Karoſſiers jollten die 
Züchter auf die oben gekennzeich⸗ 
neten Gegenſätze in der Verwen—⸗ 
dung des Reit: und Wagenpferdes 
Rüdfiht nehmen; noch mehr aber 
tut es not, dies den Konjumenten 
an das Herz zu legen: eben daß 
man von unferer Zudt ein „Mäd: 
hen für alles“ verlangt, läßt dieſe 
nie über die Mittelmäßigfeit hin— 
austommen. Ein Karojfier, wie 
ihn die deutſche Zucht in Olden— 
burg und Holftein liefert, märe 
ohne den meiden Rüden und. 
fladen Widerrift gar nit im 
Stande, den ſchönen elevierten Tritt. 
zu zeigen, der feinen Weltruf be- 
gründet hat. Die Armeeremonte 
andererfeits, die ein Gemwichtäträger 
fein fol und weite Streden in ge⸗ 
ftredtem Galopp zurüdlegen muß, 
fönnte die von dem Luxuswagen⸗ 
pferd geforderte Trabaktion ſich nur 
auf Koften ſeines Galoppierver- 
mögen? aneignen. Wodurch hätte 
England, das der Welt nicht nur 
das befte Rennpferd, jondern auch 
dag Ideal des Jagd- und Wagen- 
pferdes geliefert hat, diefe Zucht⸗ 
erfolge erreicht, anders als durch 
die Begründung von Spezialzuchten 
(Shire, Hadney u. ſ. w.) und deren 
ftrenge Konfolidierung auf den für 


ihre Beftimmung geeignetejten 
Tore. So lange wir aber in 
Deutfhland Leinen Luxusmarkt 


haben, ift an ſolche Spezialzucdten 
im engliſchen Sinne bei uns nicht 
zu denten; Sade eines blühenden, 
in allen Kreifen der Bevölkerung 
populären Reit- und Fahrſports 
wäre e8, hierfür erſt die Voraus: 
fegungen zu fchaffen. 

Was von dem Wagenpferd — 
ob leicht, ob ſchwer — unter allen 
Umftänden gefordert werden muß, 
ift: eine lange, fchräg gelagerte 
Sdulter und Trabaktion mit er- 
hobenem Knie; zugunften = let: 





— 


Nro. 99 - 100. 


Irhr. B. A. v. Eſebeck. 


teren wird man hinſichtlich der | hinter dem Pferde hergehen kann, 


Korrektheit des Ganges ſchon etwas 
weniger rigorog jein müffen, al? 
3. B. dem Soldatenpferd gegen: 
über. Bor allen Dingen aber follte 
der Karoffier oder Jucker von un: 
bedingt gutartigem Temperament 
fein, da, wie wir gejehen haben, 
die Drefjur vor dem Wagen längft 
nit die Rolle ſpielen fann, wie 


unter dem Sattel, vielmehr Er: 


ziehung und Gewöhnung einen viel 
breiteren Raum in der Ausbildung 
des Wagenpferdes einnehmen 
müſſen. 

99. Das Einfahren. Als vor- 
nehmſter Grundſatz bei der Ge: 
mwöhnung des jungen Tieres an 
Wagen und Geſchirr muß gelten, 
daß beim erſten Verſuch unbedingt 
jeder Alzident vermieden werden 
muß; it die erjte Arbeit im Zuge 
für das junge Pferd mit Schreden 
verbunden, jo wird es denjelben 
auf lange Zeit hinaus, vielleicht 
Zeit feines Lebens, nicht vergeffen. 
Es geht beim Einfahren, wie mit 
dem erjten Reitunterricht eines 
Rekruten: alles fommt darauf an, 
daß der Schüler nicht die Nerven 
verliert; deshalb ſollte man beim 
Einfahren das Pferd nie jchlagen. 
Der übereifrige Gebraudh ver 
Peitſche wird unmeigerlich einen 
Schläger erziehen. 

Die erfte Schwierigkeit, Die zu 
überwinden ift, ijt die Gewöhnung 
des Neuling? an das Geräuſch des 
Magens; daher tut man gut, das 
junge Pferd zunächft recht? neben 
einem alten, ruhigen und vor allem 
zugfeften Tier vor die Egge oder 
noch befjer vor eine Schleife zu 
fpannen. Sch ſetze voraus, daß das 
einzufahrende Pferd zuvor durch 
Führen mit hochgehobenen Strän- 
gen an dieje gewöhnt it. Zu 
diejem Zwecke verlängert man die 
Stränge durch Stride Hinreichend, 
fo daß ein Mann ohne Gefahr 





wobei er die Strangenden jo trägt, 
daß diefe geſpannt find; hierdurd) 
gewöhnt ſich das Pferd ohne mei: 
tere8 an die Berührung durch den 
Strang. Wählt man ald Schau: 
plag der erften Uebungen einen 
Sandplat, fo wird faft jedes das 
Pferd beunruhigende Geräuſch von 
vorneherein vermieden; und nach⸗ 


dem diefes die Scheu vor der neuen. 


Beihäftigung überwunden bat — 
was jehr bald der Zal iſt —, 
wird man ohne Gefahr das Tier 
mit jeinem Lehrmeifter vor einen 
mäßig ſchweren, aber auch nicht 
zu leichten Kaftenmagen oder Break 
jpannen können. Auch jest noch 


77 


wird es ſich empfehlen, anfäng=- 


lih beide Pferde anführen zu 
laſſen, damit nicht der Beteran, 


duch feinen jungen Nachbarn irri- 


tiert, fich allzu ungeftüm in die 
Sielen wirft. Sobald dag Pferd 
auf dieje Weife ficher im Zuge ge- 
macht ift, beginnt der Unterricht in 
der Schere. 

100. Das Einfpännigfahren. 
Borausjegung beim Einfahren ift 
ein vierräderiger Wagen, und es 
wird dem Kutfcher jedenfalls be- 
Haglicher zu Mute fein, wenn der: 
jelbe „unterwendet”. Die grund: 
legende Arbeit bilden ſtundenlange 
Zrabreprijen, ohne daß das Pferd 
überanjtrengt würde; dabei muß 
die Hand jtet3 dafür jorgen, daß 
das Pferd bei leichter Anlehnung 
am Zügel maultätig bleibt. Die 
linfe Hand ergreift die Zügel, den 
linfen Zügel oben unter dem Dau- 
men, den rechten Zügel unter dem 
Mittelfinger, fo daß zwei Finger 
die Zügel teilen. Bei den Wen: 
dungen und auch fonft, fobald es 
fi nötig erweift, einen Zügel zu 
verfürzen, greift Die rechte Hand 
zu. Ganz befonders liebevolle Auf- 
merffamteit muß darauf verwandt 
werden, daß das Pferd in voller 


II. 5. Fahrfporf. 


Nero. 101. 


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21. Ein preisgefrönter Dogcart. 


Ruhe und Gelafjenheit anziehen 
lernt; zu diefem Zmwed kann man 
bei den erften Fahrten nicht oft 
genug halten, um fich minutenlang 
mit dem Pferde zu bejchäfligen, es 
zu liebfofen, mit Zuder zu füttern, 
anzureden u. ſ. w. Dabei lernt das 
junge Tier mit dem Anziehen auch 
gleichzeitig das Stehen, was ebenjo 
unentbehrlich ift.. 

Sch bin bei den eriten Stadien 
des Einfahrens jo langatmig ge— 
mwejen, weil man allzuoft Zeuge 
fein muß, mie junge Pferde durd 
Unverftand und Uebereilung bei 
diejen einleitenden Manipulationen 
für geit ihres Lebens verdorben 
werden, zu Strangjchlägern ge— 
madt und dergleichen. Beim Ein- 
fahren — wenn möglich noch mehr 
als beim Einbreden unter dem 
Sattel — halte man fich jtet3 vor 
Augen, daß man nie auf die Ver- 
nunft des jungen Pferdes zählen 
darf, ſtets aber mit jeinem Ge— 
dächtnis rechnen muß. 


101. Zweifpännigfahren. Das 
wichtigfte bei der Zuſammenſtel— 
lung eines Zweigeſpannes ijt, daß 
die Pferde im Gange zujammen- 
paſſen; erſt in zweiter Linie fällt 
die Größe und zulegt Gleihmäßig- 
feit der Farbe in das Gemwidt. 
Damit die Pferde nicht jchief wer— 
den, vielmehr die Musfelpartien 
auf beiden Seiten gleichmäßig aus— 
gebildet werden, iſt e8 wünſchens— 
wert, daß die Pferde täglich um: 
geipannt werden. Niemals jpanne 
man von vorneherein gleich zwei 
junge Pferde zufammen. Zum Ein— 
fahren empfiehlt ſich Die jog. 
„Wiener Leine‘, bei der man jedes 
Pferd mit zwei Zügeln fährt; dieje 
dürfen bei jungen Tieren nicht zu= 
jammengejhnallt fein, ſondern 
müflen vor der Hand nur durd) 
eine Schlaufe oder einen Ring ver: 
einigt jein, jo daß alle vier Zügel 
frei durch die Hand laufen. Sehr 
wichtig ift e8, daß beide Pferde 
gleihmäßig anziehen und gleich: 





Nro. 101. Frhr. 5.9. 
mäßig im Strang ftehen. Eine zu 
lange Anjpannung mit lofen Strän: 
gen ift ebenſo unvorteilhaft für die 
Pferde, als es auch falopp und 
unfchid ausfieht; andererſeits dürfen 
Stränge und Aufhalter aud nicht 
fo kurz fein, daß die Pferde fi 
im Kummet jpannen. Letztere 
müſſen genau verpaßt fein, die 
Aufhalter jo verjchnallt, daß fie 
dem Kummet Spielraum laſſen, 
ohne daß dieſes fcheuert; dies iſt 
der Fall, jobald die Aufhalter zu 
lofe find, fo daß die Pferde im 
Gefchirr hängen. Ballen die Pferde 
nicht genau in der Länge, fo muß 
diejed durch den Strang reguliert 
werden; ed empfiehlt jich beim 
Einfahren loſe Schmengel und eine 
fpielende Wacht zu wählen. Geht 
ein Pferd nicht genügend in das 
Geſchirr, jo gebe man ihm mehr 
Zügelfreiheit, fuche dies aber nicht 
durch Verfürzen des Zügels aus— 
zugleichen. 

Was ſchon vorher über die 
Führung beim Einjpännigfahren 
gejagt wurde, gilt hier in ver: 
doppeltem Make: je mehr Pferde 
man in einer Hand vereinigt, deſto 
unerläßliher wird es, diejelben 
maultätig zu erhalten. Man jollte 
an feinem Tage verfäumen, die 
Pferde auf ebenem Boden vor dem 
Magen zurüdtreten zu laffen; dies 
muß ohne jeded Herren vor fidh 
gehen, die Hand dabei ſtets am 
Pferdemaul bleiben; nur im aller: 
äußerſten Falle darf diefelbe zurüd- 
genen. Auch dag Berfürzen der 
Zügel darf nur nad) vorwärts ge— 
ſchehen, indem die rechte Hand Die 
Keinen hinter der, Zügelfauft ers 
greift und Dieje vorgleitet. Um 
das Pferd Stets weich zu erhalten, 
muß von vorneherein jeder Laden— 
drud vermieden werben; hierauf 
wird beim Einfahren junger Pferde 
ganz bejonders zu achten jein. Daß 
man auch auf den Beſchlag fein 


v. Eſebeck. 


Augenmerk richten muß, ift wohl 
jelbftverftändlich, zumal junge Tiere 
fi bei der ungewohnten Arbeit 
leicht jtreichen werden. 

Wenn man jhon mit’ Rüdficht 
auf den Straßenverkehr und zur 
Sicherheit der Wageninfaffen ge- 
wiſſe BorfihtSmaßregeln nit um= 
gehen Tann, jo follte man zum 
nindeften dabei alles vermeiden, 
was dem Pferd unnötige Unbequem- 
lichkeit, wenn nit gar Schmerzen 
verurſacht. Scheuflappen find nun 
einmal von vornherein unentbehr- 
lid; allein fie werden dem Pferde 
zur Dual, wenn fie nicht richtia 
verpaßt find, oder gar das Auge 
des Pferdes verlegen; dies ift 
leicht der Kal, wenn die Scheu- 
flappen zu Hein find. Diefelben 
erfüllen ihren Zwed nur, wenn fie 
groß genug find und fo liegen, 
daß das Pferd nur von vorne 
jehen kann; die fog. halben Scheu— 
tappen find darum ein Unpding. 
Eine ebenfo falfhe Humanität wie 
die halben Scheuklappen ift das 
Fahren auf Trenfe. Häufig fteht 
man Gebifje, die jo jcharf wie ein 
Mefferrüden, für Zunge und Laden 
des Pferdes die reine Tortur fein 
müfjen, eine weiche, bewegliche 
Kandare mit didem Mundftüd ift 
unter allen Umftänden vorzuziehen. 
Muß es ſchon eine Trenje fein, 
etwa weil es der Etil der An: 
jpannung erheifcht, fo folte man 
wenigſtens eine ganz dide Hohl: 
trenje wählen. Die Kandare follte 
ganz durchfallen und die Leine fo 
hoch eingejchnallt werden, daß nur 
dag Mundftüd wirkt, die Hebel: 
wirkung alfo möglichſt gering ift. 
Die Peitſche hält der Fahrer ftet3 
ruhig in der Hand; gänzlich ver: 
pönt iſt es, mit derfelben zu Inallen. 
Tritt die Peitſche in Gebrauch, um 
eine Strafe zu erteilen, ſo ſoll 
dies auch energiſch geſchehen; dabei 
darf man die Pferde nie hinten 


) 


I 


II. 5. Jahrſport. 


berühren, fondern fchlage fie auf 
Bauch oder Schulter, bezw. vorn 
an den Hald. Schon aus dieſem 
Grunde ift die „Fahrgerte“ un- 
brauchbar; Bogen und Schnur 
der Peitſche müfjen jo lang fein, 
daß man gegebenenfalls die Schnau- 
zen der Pferde damit erreichen 
fann. 

102. Tandem. Diejenige An- 
jpannung, die an Ruhe und Ge- 
borfam der Pferde die höchſten 





Niro. 102. 


reiter, die in der „guten alten Zeit“ 
in ihrem zmweirädrigen „cart“ zum 
Stelldihein fuhren und ihr Jagd: 
pferd al3 „leader“ davor fpannten. 
Hieran erinnert noch heute eine bei 
den amerifanifhen Schauen jehr 
beliebte Kofurrenz, bei der ſich die 
Mitglieder anerkannter Jagdvereine 
im Huntingdreß mit einem Tandem 
produzieren; als Spitpferd ift ein 
„Hunter“ zu fahren, der dann aus— 
geipannt, gejattelt und über ſechs 





22. Dierrädriger Dogcart. 


Anforderungen ftellt und auch auf 
dem Bod die größte Kunftfertigfeit 
vorausjegt, ift da8 „Tandem“, bei 
dem die beiden Pferde voreinander 
gejpannt find, derart, daß beide 
an denjelben Strängen ziehen; die 
Stränge des Vorderpferdes werden 
mittel8 Karabinerhafen in der 
Strangihnalle des Hinterpferdes 
eingehaft. Der hiſtoriſche Urſprung 
diefer typifch englischen Anjpannung 
ift der Brauch der engliichen Jagd— 


je 4'/, Fuß hohe Sprünge geritten 
werden muß. Die Gejamtleiftung 
— fowohl des Tandems wie die 
des „Leaders“ über die Hindernijje 
— mird beurteilt. 

„Ih halte jeden, der Tandem 
fährt, für einen Narren,” läßt der 
Herzog von Beaufort einem be: 
fannten Bierdehändler jagen: „er 
läßt die Arbeit eines Pferdes von 
zweien verrichten und bricht dabei 
höchſtwahrſcheinlich den Hals!” — 


Nro. 103. 


„Mag immerhin,“ fo fährt der 
Berfafjer des unjterblihen Werkes 
über „Drivina“ fort, „ein geringer 
Grad von Gefahr mit diejen Ber: 
gnügen verbunden, und der Menſch 
ein Narr jein, um diefen Sport 
zu lieben, jo dürfte es dennod) fein 
größeres Vergnügen geben, als eine 
TZandemfahrt durh ein Gelände, | 
da8 beiden Bierden Hinreichend 
Arbeit gibt. Es liegt jedoch kein 
Grund vor, weshalb das Tandem ' 
eine bejonders gefährliche Art der, 
Beförderung fei. Wer es verſucht, 
jolange er jung ift, gute Nerven, 
ein jcharfed Auge und die Aus: 
dauer hat, es gründlich zu erlernen, 
den wird ed nicht reuen. Zunächſt 
jtudiere man die Beipannung, den 
Zwed und die Wirkung jeder 
Schnalle; dann ſetze man fid neben . 
einen quten Lehrer und beobadıte 
ihn. Sat man hinreichend er: 
trauen erlangt, um fich ſelbſt zu 
verjuchen, jo wähle man einen feft: 








Irhr. 5. R. v. Elebeck. 


ihon der bloße Schreden Binrei- 
hend fein, um dasſelbe für dieſen 
Beruf ein für allemal zu verderben. 
Die Zügelführung ift derartig, daß 
mit dem linfen Zügel oben liegend, 
die Zügel des Vorderpferded® um 
den Zeigefinger, die des Hinter: 
pferdes um den Mittelfinger lau: 
fen. Wendungen merden Ddurd) 
Einfchlaufen der inwendigen Bor: 
der- und event. Verfürzen der äuße- 
ren SHinterleine ausgeführt; bei 
Iharfen Wendungen läßt man 
nötigenfall® das Hinterpferd zurück: 
treten. Das Gabelpferd muß ein 
ganz Fein wenig inter dem Zügel 
gehen; dag Borderpferd darf nur 
bergauf fo viel ziehen, daß Die 
Stränge ftraff find. Bor den 
Wendungen muß man fo viel ver- 
fürzen, daß die Stränge des Spitz- 
pferdes faſt auf der Erde fchleifen, 
das Scherenpferd jedoch nicht hin— 
eintreten fann. Beim Anziehen ift 
es jehr wefentlich, daß das Vorder: 


gebauten Dogcart, ein ruhiges, gut | pferd mit lofen Strängen angeht, 
gezäumtes und weichmäuligesGabel- : dabei darf fi dasfelbe nicht am 
pferd und ein gängiges Spitzpferd, Gebiß ftoßen. Beim Halten muß 
auf einer Vierringtrenſe.“ zuerſt das Vorderpferd pariert wer: 

Nach den heutigen, von Geſchmack den, desgleichen beim Bergabfahren 
und Mode aufgestellten Regeln joll dasjelbe zuerft verfürzt werben ; 
das Spigpferd eine Idee kleiner andernfalls zieht e8 dem Gabel: 
jein, als das Pferd in der Gabel, | pferde den Wagen auf die Haden 
ein fofette8 Tier mit fehr viel. und das Unheil ift unausbleiblich. 
Sana; es muß abfolut fcheufrei Der genügende Abjtand des Hinter: 
fein und unbedinat fein Echläger. pferdes ift bei allem Vorbedingung. 
Vorteilhaft ift es, wenn das Vorder: ' 103. Dreifadhes Tandem. Wäh- 
pferd aeritten tft; daß beide Pferde rend dag Tandem in England gang 
todficher einipännig gehen, ift feibft: und gäbe tft, und man ſolche Ge- 
redend Borausjekung, ehe man ſich ſpanne alle Tage als Transport: 
an das Erperinent einer Tandem= mittel auf der Yandftraße begegnen 
fahrt heranwagt. Selbft dann aber ı faıın, iſt das fog. „Randem”, — 
noch wird man bei diefer alle Vor— drei Pferde voreinander — mehr 
ſicht walten laſſen, damit die eine Spielerei, die nur bei Con— 


Brerde dieſen eriten Verſuch in 
angenehmer Grinnerung bebalten 
und zu der ungewohnten Anſpan— 
nung Vertrauen fallen. Paſſiert 
dagegen beim eritenmal 3. B. dem 
Spispferd etwas, fo kann auch 


cours, Korſofahrten od. drgl. eine 
Rolle ſpielt. Leinenführung und 
die Handgriffe beim Wenden ꝛc. 
regeln ſich nach denſelben Grund: 
ſätzen, wie beim Tandem; die Zügel 
des Gabelpferdes teilt der vierte 


11. 5. Yahrfport. 


Nro. 104—105. 


Finger, die des Mittelpferdes laufen | im Tandem — ein Pferd von auf: 


um den Mittelfinger. 
gut tun, Gabel- und Mittelpferd 
auf Kandare zu zäumen; jedenfalls 
dürfen beide nicht zu jehr auf die 
Hand gehen; während das Spit- 
pferd fiher am Zügel ftehen und 
flott vorwärt® gehen muß. 

Mas über dad Spibpferd im 
Tandem gejagt wurde, gilt bier 
noch in erhöhtem Maße, und ent: 
ſprechend auch für das Mittelpferd. 
Während man zwei Pferde vor: 
einander zur Not auch vor einem 
beliebigen zweirädrigen Wagen fah— 
ren Tann, ift für dieſe Art Der 
Anjpannung der hohe „Tandem: 
cart“ nicht zu entbehren. 

104. Biererzug. Biel leichter 
al3 das Tandemfahren ift e8, einen 
Viererzug zu lenken, da dag Ge— 
ſpann gewiſſermaßen ftabiler ift. 

Wie Shon beim Tandem müfjen 
auch bier Hinter- und VBorderpferde 
“unbedingt auf Vorderrichtung gehen. 
Die Borderpferde dürfen etwas 
Heiner fein, fofern der ganze Zug 
im Gange möglichjt überinjtimmt; 
erwünjcht ift e8, wenn die Vorder: 
pferde etwas mehr Aktion haben. 
Mit Borliebe fährt man vorne 
links — mie aud) als Spibpferd 


>, Im '$& J 
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Man wird fallender Farbe oder Zeichnung. 


Jedenfalls müſſen die Vorderpferde 
ſehr gutartig ſein (keine Schläger!), 
weil ſie zu dicht vor den Stangen— 
pferden gehen. Zügelführung und 
Theorie des Fahrens find genau 
diefelbe wie beim Tandem, mit 
dem Vorbehalt, daß alle Berfür- 
zungen viel fchärfer fein müſſen. 
Als Grundſatz ift ftet3 feftzuhalten, 
daß die linfe Hand alle vier Zügel 
in der fejtgejchlofjenen Kauft ver: 
einigt, während die rechte Hand 
die Peitjche führt und zum Zus 
greifen beim Wenden, Parieren ꝛc. 
frei bleibt. Im Kaiferlihen Mar: 
jtall werden die Vorderleinen durch 
einen Ring geführt, der ſich an der 
Außenfeite des Hauptgeftelle8 der 
Stangenpferde befindet. Fährt 
man SHinterpferde mit unrubiger 
Kopfhaltung, jo dürfte es fich mehr 
empfehlen, die Zügel der Border: 
pferde durch zwei= event. dreifache 
Ringe zu führen, welche auf den 
Kreuzleinen der Stangenpferde 
ſchweben; hierdurch werden Die 
ersteren bei etwaigem Kopfichlagen 
od. drgl. jeitens der Hinterpferde 
nicht geftört. 

105. Mehripänner. Bei Sechs-, 


e * 
W AT 5, RT 1 u 107 2 


25. Zehnerzug des Kal. Landgejtüts Celle. 


Rro. 106. Frhr. B. R. v. Eſebeck. 
Sieben: und Achterzügen nimmt | befonder®, wo es fi um öffentliche 
man die beiden Zügel der Vorder: | Schauftellungen handelt, wie beim 
pferde, bei einem Zehnerzug die | Concours Hippiques, ift e8 uner- 
vier Zügel der fünf VBorderpferde | läßlih, daß die ganze Aufmadhung 
durch je einen Ring an den Haupt- des Gefährtes korrekt und ftilgerecht 
Babure) bie 1eop, Beau. ac Süget nit wen Aula Kae 
bejjer uberſehen zu können; Die | fie nur tadellos Gebalien find. 
Zügel laufen aber dann wieder Nachſtehend einige Regeln, die bei 
weiter durch Doppelringe, melde | der Beurteilung in Fahrkonkurren⸗ 
auf den Kreuzzügeln der Mittel: | zen maßgebend fein dürften: 
pferde ſchweben. Die Stränge der | Welder Art das zu mwählende 
gen — en a ee — — — 
aken in eine Defe am Kummet Geſpanne odell de agen 
nn Mittelpferde eingehaft. und Schlag der Pferde) ebinnte 
106. Anfpannung. Auf alle Geſchirr aud immer fei, Grundfag 
Variationen und Nuancen der Anz | bleibt, daß jede Schnalle, jede Ber: 
jpannung einzugehen, verbietet der . zierung zu vermeiden ift, die irgend 
es a 1a RE Ä eher werben un die unOlle 
andeln, die marfanteften Grund: ! Befhirrung wird immer den vor= 
fäte zu unterftreihen. Obenan | nehmften Eindrud hervorrufen. Das 





fteht die Negel, daß das Geſpann 


einen ausgeſprochenen, in allen 
Teilen — Wagen, Beipannung und 
Beihirrung, Livree ꝛc. — Tone: 


quent durchgeführten Type tragen ı 


jol. Schon die Pferde müſſen in 
ihrer Größe und Figur zum Wagen 
paffen; man unterfcheidet nad) den 
vom Deutſchen Sportverein gege— 
benen Concours-Regeln: Wagen: 
pferde fchweren Schlags (über 
1,70 m Bandmaß); mittleren 
Schlags (1,60—1,70 m); Teichte 
Wagenpferde (über 1,55 m), Jucker 
und Ponys (unter 1,55 m). Dem: 
gemäß gehören Suder nit vor 
einen Yundauer, jo wenig wie 
ſchwere Karoſſiers vor einen leichten 
Selbjifahrer paſſen; Hackneys oder 
Hunter fünnte man nit in ruſſi— 
jher Anſpannung (Troifa) fahren 
und ebenſowenig im Trabergeſchirr 
(amerikaniſche Anſpannung); Traber 
dagegen wären undenkbar vor einer 
Coach oder in Tandemcart u.1.f. 

Die Phantaſie oder der perſön— 


liche Geſchmack des Equipagen- 


beſitzers Dürfen in dieſer Hinſicht 
nicht willkürlich kombinieren; ganz 





Kummetgeſchirr, ſchwerer oder leich⸗ 
ter, wird die Regel ſein; das 
Kummet darf niemals frei liegen, 
ſondern muß auch im Halten auf 
der ganzen Schulter ruhen. Prin⸗ 
zipiell ſollten die Pferde ſo dicht 
als irgend möglich an den Wagen 
gebracht werden — (mit der allei⸗ 
nigen Ausnahme des Vorderpferdes 
beim Tandem, ſ. oben!); die 
Deichſel iſt demgemäß nach der 
Länge der Pferde bemeſſen. 
Sielen ſind nur für Jucker⸗ 
geſpanne und bei amerikaniſcher 
Beſchirrung zuläſſig; bei letzterer 
tritt an Stelle des Aufſatzzügels 
der fogen. „Overchec“, ein Trenjen- 
gebiß, deſſen Zügel ſich vor der 
Stirn des Pferdes kreuzen, um 
dann zwifchen den Ohren hindurch 
nah dem Kammdeckel zu laufen. 
Der Auffaßzügel, der heute nicht 
mehr obligatorifh tft, follte nie— 
mals das Pferd in eine unnatür= 
lihe Haltung zwängen; entjprechend 
geichnallt wird derfelbe niemals zur 
Qual, vielmehr dem Pferde beim 
Aufhalten, Parieren u. dergl. eine 
Hilfe jein. Zum Juckergeſchirr ge— 


‚beider Pferde abhängt. 


II. 5. Yahrfporf. 


hören lederne Aufhalter, fonft 
Stahlfetten. Bei der amerikanischen 
Anjpannung können die Scheuflap: 
pen eventuell fortfallen; in diefem 
Falle ift auch ein farbiges Kummet 
oder eventuell braunes Sielen— 
geijhirr angängig; während im all- 
gemeinen nur ſchwarze Geſchirre 
„Stil“ find. Für die Concours 
des deutjchen Sportvereins ift die 
„englifche Leinenführung‘” vorge: 
Ihrieben. Hierbei ift das richtige 


Nro. 107. 


zelnen Pferdes zum mindeften eben 
jo viel Verſtändnis vorausſetzt, als 
das Verpaſſen der Kreuzleinen. 
107. Die Wagen. Während 
man die Technik des Fahrens und 
die zur Vollendung erforderliche 
Routine nur auf dem Bod er: 
werben kann, jet die für den 
Amateurkutſcher ebenfo unentbehr- 
lie Kenntniß der Wagen, ihrer 
Konftruftion, des Zweckes der ein- 
zelnen Bejtandteile uſw. ein ein- 





24. Im Tor. 


Verſchnallen der Kreuzleinen am 
Kreuz befonders wichtig, weil da: 
von das gleichmäßige Arbeiten 
Sm praf: 
tiihen Gebrauch bevorzugt man in 
Deutichland heute vielfach die „Wie: 
ner Leine‘, die es gejtattet, jedes 
Pferd (mit 2 Zügeln) getrennt zu 
führen; diefer Vorteil kommt mei- 
ned Erachtens nur in der Hand 
eines gemwiegten Fahrers zur Gel- 
tung, während da3 richtige Ver: 
ihnallen diefer vier Bügel ent— 
jprehend dem Temperament, der 
Hals» und Kopfhaltung jedes ein: 


aus. Nachftehend einige Geſichts— 
punfte, die dem Laien bei Zuſam- 
menjtellung einer Gquipage von 
Nuten fein dürften. 


gehendes iheoretijche8 Studium vor⸗ 


I. Einfpänner: 


1. Damenparfwagen (Duc). Be- 
fpannung : Hadney, Cob oder 
Pony bis 1,50 m. Beldirrung: 
Leichtes Kummetjellettegeichirr, Kan— 
dare beliebig. 

Der „„Duc” erinnert im Bau an 
die ‚Viktoria‘ mit dem Unterfchiede, 





ro. 107. 


daß er feinen Bod führt, Dagegen 


hinten einen Dienerfig aufweilt. 


2. Bmeirädriger Wagen, von| „Trap”, 


Herren oder Damen zu fahren: 


Frhr. B. A. v. Efeberk. 


tbon. Ein ungewöhnlich praktiſches 
Model eines GSelbftfahres ift der 
ein niedrig gehalterter 
Magen amerilaniihen Urjprungeß, 


Rabriolett, Buggy (englifch), Dog: deſſen Hinterfig ſowohl eingetlappt 


cart, Rallycart, Charette, Roadcart 
(amerifaniich). 

Beipannung: Hadney, Hunter, 
Cob, Pony, Amerikaner; vor dem 
Kabriolett (ſtark gebogene Scher: 
bäume mit eifernen Tragdjen), 
leichter Karoffier in plattiertem Kum- 
metiellettegefhirr, Burton oder 
Liverpoolfandare; in den übrigen 
Fällen Giggefhirr; zum Noadcart 
Trabergejchirr, fall Pferd lang- 
ſchwänzig. 

Um nicht zu ſtoßen müſſen die 
zweirädrigen Wagen genau der 
Größe des Pferdes entſprechen. Ein 
richtig balancierter Dogcart darf 
weder nach vorne überfallen, d. h. 
auf das Pferd drücken, noch nach 
hinten überhängen, in welchem Falle 
er das Pferd hochheben würde; um 
bei der je nad) der Perſonenzahl 
wechjelnden Belaftung ein jtändiges 
Gleichgewicht zu erreichen, muß ſich 
der Sit durch eine Spindel ver: 
Schieben lafjen, derart, daß derjelbe 
bei einer Belaftung durch drei big 
vier Perſonen nad vorne gejtellt 
wird, während man ihn bei ein 
bis zwei Perfonen gan; zurüd- 
ſchraubt. 


II. Zweiſpänner: 


A. Selbſtfahrer für Her— 
ren: Mailphaethon, Demi-Mail— 
phaethon, Curricle, vierrädriger 
Dogcart (Trap), Americain. Der 
hohe VBorderfig des Phaethon iſt 
nach Art des Cabcart mit einem 
Klappverdeck verfehen ; der Hintere, 
für den Diener beitimmte Sitz, ijt 
zum Einſchlagen eingerichtet; eine 
elegantere Spielart des Phaethon 
ift der auf Parallelogrammfedern 
und Langbaum ruhende Mailphae- 





(wie beim vierrädrigen Dogcart), 
als auch dos-ä-dos und vis-A-vis 
geftellt werden kann; der Wagen 
bietet Raum für vier Berjonen. 

a) Engliſche Anfpannung: 
Hackneys oder Hunter mit viel Auf: 
ja und Aktion; englifche Kummet⸗ 
geſchirre, für Mailphaethon ſchwerer, 
fonft leichter; Kandaren mit oder 
ohne Auffaßzügel; polierte Auf: 
balterfette. 

b) Ungarifde Anſpan— 
nung: Suder in Sielengefdirr, 
eventuell mit Schalanten oder Ring: 
gehängen, Zuderfandaren oder Tren⸗ 
jengebiffe, ohne Aufjagzügel, Leinen 
mit Fröſchen, Juckerpeitſche; am 
Wagen bewegliche Schwengel (Orts. 
ſcheit); wenn Kuticher in National: 
tracht Schnurrbart gejtattet. 

c) Amerikaniſche Anjpan- 
nung: NRoadcart, Buggy, Runa⸗ 
bout ujw., davor. Xraber oder 
leichte, jchnelle Pferde, wenn ku⸗ 
piert im leichten Kummetgeſchirr, 
für Traberund langfchweifige Pferde 
amerifanifche8 Geſchirr mit Over: 
hec oder Sielen, eventuell ohne 
Scheuflappen. 

d) Ruſſiſche Anfpannung: 
Driginaltroila. 

B. Selbftfahrer für Da— 
men: Phaethon, Spider, Dur, 
Americain; Pferde unter 1,60 m, 
ſehr edel und gängig; leichte Kum— 
metgeſchirre mit polierten Aufhalter- 
fetten (Stahl); eventuell Jucker in 
entſprechender Beichirrung (ſ. unga= 
riſche Anſpannung). 

Der „Spider“ iſt dem „Duc“ 
ſehr ähnlich, nur erheblich höher, 
und daher mehr für größere Pferde 
geeignet; die Lackierung wird wie 
beim Duc meiſt dunkel, die Polſte⸗ 
rung in hellem Tuch gehalten. 





II. 5. Jahrſport. 


III. Tandem: 


Tandemcart bezw. hoher “Dog: 
cart; Gabelbäume durcdlaufend und 
faft grade, in der Anfpannung 
horizontal liegend, bewegliche Ort- 
heit, durch eine Kette an der Achſe 
befeftigt, fo daß dad Pferd an 
diejer zieht. Kummetſellettegeſchirr 
mit Kandare; Gabelpferd mit Hinter- 
zeug; beim Spitpferdb Siele und 
Trenſe zuläffig.e Die Borderleinen 
laufen durch bewegliche Zeinenaugen, 
die fich direft an das Kummet des 
Gabelpferdes anlegen, dann durch 
deſſen Sellettejchlüffel, der fichel- 
fürmig geteilt ift, jo daß der untere 
Zeil desfelben zum richtigen Ein- 
ziehen der Hinterleine Raum ge- 
währt. 

Die Balance pflegt beim Tandem: 
cart auf drei bis vier Perjonen 
berechnet zu fein; da der Sit nicht 
verftellbar iſt, jo empfiehlt es ſich, 
unter dem Hinterfiß ein entſprechen⸗ 
des Gewicht anzubringen, falls der: 
felbe nicht belaftet ift. 


IV. Bier- und Mehrfpänner: 


Drag, Coach, Charäbanes, Break; 
Pferde im Huntertype oder Jucker; 
für leßtere, vor Charäbancs oder 
ungariihem Wagen, ungarifche Ge: 
Ihirre; bei Drag und Coach eng- 
lifde Anjpannung: ſog. Draghar- 
neß, bezw. Roadgeſchirre, niemals 
zwei zuſammengeſtellteZweiſpänner⸗ 
geſchirre. 

Das Haupterfordernis eines 
„Drag“, wie der Fachmann die 
„Four in hand-Coach“ kurz be- 
zeichnet, ift: daß der Schmerpunft 
tief liegt, der Wagenkaſten alfo 
niedrig gehalten wird, damit die 
Dedbelaftung nicht ein Schwanken 
des ganzen Fahrzeuges hervorruft, 
das bei raſcher Fahrt nicht ohne 


Nro. 108. 


großer Teil jener Unfälle zuzu: 
fchreiben, die die Reiſekutſchen der 
guten alten Zeit fo häufig erlitten, 
und die und den Vorwurf zu vielen 
heiteren Bildern geliefert haben. 
Heutzutage ift durch eine Vermin- 
derung der Radhöhe und dadurch, 
daß man Kaften und Langbaum 
einander genähert hat, die Geſamt— 
höhe des Wagend allgemein ver- 
tingert worden. Die Mailcoach ift 
das Meifterwerf moderner Wagen- 
bautechnif, die bier für die Ent- 
faltung des raffinierteften Luxus 
Spielraum findet. Nicht minder 
elegant, wenn aud nicht jo raffi⸗ 
niert ausgeſtattet, ift die offene, 
fog. „Sommercoad”, deren Hinter: 
fig mit einem Klappverded verjehen 
it. Geſchmackvoll Hinter einem 
Juckerzug wirkt aud der ſoge— 
nannte „Herrenbreak“, der ſechs bis 
neun Perſonen faßt. Um mit Ver: 
gnügen vierfpännig zu fahren, muß 
der Bod jo hoch fein, daß man 
beim Wenden den Bogen jehen 
fann, den das linfe Hinterrad be- 
ſchreiben wird. 

108. Fahrkonkurrenzen. Alle 
näheren für den Wettbewerb in 
öffentlihden Preisaugsfchreibungen 
maßgebenden Grundjäße findet der 
Sintereffent in den bereit3 ermähn- 
ten vom Deutſchen Sportverein 
herausgegebenen „Anhaltspunkten 
für die Beihirrung und Anſpan⸗ 
nung bei den Yahrpreißbemerbungen 
des Deutfchen Sportverein?” , die 
von einem Experten wie Benno 
Achenbach bearbeitet find. Ohne 
Zweifel hat die Tätigkeit des Deuts 
Shen Sportverein, der durch feine 
Ausſchreibungen nad diefer Rich: _ 
tung bin aufflärend wirft, bereits 
fihtbar dazu beigetragen, das In— 
terefje am Fahrſport zu beleben. 
Sade des zurzeit in der Bildung 


begriffenen SKartellverbandes für 


Gefahr wäre. Dem Außerachtlaſſen | Reit: und Fahriport wäre es, durch 
diejes Punktes ift zweifeldohne ein | Vermehrung und einheitliche Aus: 


* — — — 


— — —— 


Nro. 109 - 110. 


geſtattung der Concours Hippi- 


ques das Verſtändnis für korrekte 
Anſpannung in immer weitere Kreiſe 
zu tragen. Allein, man darf nicht 
verkennen, daß, wie überhaupt die 


deutſche Nation kein Volk des P 


Sportes im engliſchen Sinne iſt, 
jo ganz beſonders für einen Lurus- 
fahrfport bei und der Boden fehlt. 
Hieran werden alle Preisaufbefie- 
rungen in den Fahrlonfurrenzen 
nicht3 ändern, denn unfere Haute- 
finance und die Machthaber der 
Suduftrie und des Großhandels 
ftelen ihre Paſſion und Mittel 
immer mehr in den Dienft des 
Automobils. Selbft in Berlin ver: 
mochte der Fahrſport, der ohnehin 
auf die großen Städte, wie Köln, 
Frankfurt, Hannover uſw. ange: 
wiejen ift, ſich nicht Hinreichend ein: 
zubürgern, um die vom Deutſchen 
Sportverein inſzenierte Korjofahr- 
ten lebensfähig zu machen. 

109. Korſofahrten. Bereit3 1860 
hatte fich in der preußifchen Haupt: 
ftadt ein Verein der „notabelften 
Equipagenbeſitzer“ Berling gebildet, 
der neben der Beranftaltung regel: 
mäßiger Korſofahrten, die Einfüh- 
rung einer Fahrordnung für Berlin 
und die Gründung eines Inſtitutes 
zur Ausbildung von Kutfchern und 
zur Drefiur von Wagenpferden an 
ftrebte. Im Mai des genannten 
Sahres fanden bereits vier Korſo— 
fahrten ftatt, an denen fi u. a. 
auch jämtlihe in Berlin anmejen- 
den Brinzen und Brinzeffinnen des 
Königlichen Hauſes beteiligten; die 
Korſoſtraße, zu deren Seiten ver- 
ſchiedene Militärfapellen pojtiert 
waren, führte die „Große Stern: 
allee” und die Charlottenburger 
Chauſſee Hinauf vom „Kleinen 
Stern” bis zum Brandenburger 
Tor. Am 21. Suni 1861 fand in 
der SHofjägerallee im Tiergarten 
ein „Prämienfahren“ ftatt, zu dem 
alle Gefpanne (auch Droſchken) zu= 





Irhr. B. R. v. Efeberk. 


gelafjen waren; Gegenftand der 
Prüfung war die Haltung des 
Kutſchers, Anſpannung und Lenken 
der Pferde; die Kutſcher, welche 
ſich hierin auszeichneten, erhielten 
rämien von 30, 20 und 10 Talern. 
Gelegentlid der Berliner Rennen 
fhrieb in jenem Jahre der Fahr: 
verein ein Trabfahren für Ein- 
fpänner, von Herren zu fahren, 
aus, für dag durch Subfkription 
bei den Mitgliedern 300 Rtr. auf: 
gebracht wurden; es ftarteten ſechs 
Gefpanne, darunter eins aus Wien; 
Sieger blieb ein Berliner, Herr 
Neuß, der die englifhe Meile in 
drei Minuten vierundzmanzig Se: 
funden zurücdlegte. 

Angeſichts des noch in frischer 
Erinnerung befindlichen Mäglichen 
Schickſals der jüngften Berliner 
Korjofahrten, mutet diefe biftorifche 
Erinnerung ganz eigentümlidh an.- 
Verhältnigmäßig größerer Beliebt: 
heit au in meiteren Kreiſen er- 
freuen ſich die „Blumenkorſo⸗ 
fahrten”, wie fie gelegentlich der 
Concours an größeren Pläten ab- 
gehalten zu werden pflegen. Dem 
Sportjinn kommt bei diefen Ge: 
legenheiten ein wirkſamer Bundes: 
genoffe zu Hilfe in Geftalt der 
weibliden Eitelfeit, die in den 
blumengeſchmückten Gefährten, mit 
fiherer Hand ein paar zierliche 
Jucker oder fofette Hackneys lenkend, 
ihre höchſten Triumphe feiert. Die 
bedeutendſten, an Eleganz und 
Luxus alles übertreffenden Veran: 
ſtaltungen dieſer Art, finden all⸗ 
jährlich während der Rennen zu 
Nizza, in Monte Carlo und auch 
bet ung während der internatio- 
nalen Woche in Baden-Baden ftatt; 
allein jelbjt bier beginnt bereits 
dag Automobil der. Equipage Kon: 
furrenz zu machen. 

110. Diftanzfahrien. Selbft- 
redend bleiben derartige koſtſpielige 
und einen großen fachmännijchen 





II. 5. Jahrſport. 


Apparat erheiſchende PBeranital- 
tungen ein Borredht der fajhio- 
nablen Luxusbäder und der vor: 
nehmen Weltſtädte. Auf dem 
Lande werden alle Goncours in den 
Provinzialhauptitädten einen Luxus⸗ 
fahrſport nicht in das Leben rufen 
können: es fehlt hierzu ſelbſt den 
größeren Grundbeſitzern nicht nur 
an Verſtändnis, ſondern vor allem 
auch an finanziellen Mitteln; daher 
ſind die Fahrſportkonkurrenzen in 
der Provinz meiſt recht ſchwach be⸗ 
ſtritten. Wollte man hierbei von 
einer Bewertung der Aufmachung 
— Livreen, Kutſcher ohne Schnurr⸗ 
bart, Wagen u. ſ. w. — abſehen, 
die Anſprüche an die Beſchirrung 
und Anſpannung herabſetzen, und 
nur die Leiſtungsfähigkeit des 
Pferdematerials beurteilen, ſo wäre 
die Beteiligung an dieſen Kon—⸗ 
furrenzen aus agrarijhen und 
Züchterkreiſen vorausfihtli eine 
größere, als es heute in den Preis- 
fahren der Sal iſt. Dabei wären 
derartige Leiftungsprüfungen als 
Empfehlungsmittel für unfere ein- 
beimifchen Wagenjchläge, zur Hebung 
ihre8 Renomeed weit wirkſamer, 
als reine Erterieurprüfungen, bei 
denen obendrein die Korrektheit, 
der „Stil“ der Anjpannnng den 
Ausſchlag gibt. Daß auch heute 
noch im Beitalter des Automobilg 
für Diftanzfahrten Intereſſe vors 
handen ijt, lehrt der Erfolg, den 
der SHerrenfahrerfiub jüngft mit 
feiner Etappenfahrt Berlin- Münden 
hatte. Der glänzende Verlauf diejer 
Ausſchreibung erbrachte zugleich den 
Beweis, daß ſolche Leiftungsprü- 
fungen keineswegs eine Tierquälerei 
bedeuten. Es war dies mohl das 
unmittelbare Verdienft der Propo- 
fition, welde die Prüfung als 
Etappenfahrt zum Austrag bradite. 
Die Gejamtftrede von 685 km war 
in fieben Tagen zurüdzulegen. Die 
Etappen waren: I. Berlin-Süter- 


Niro. 110. 


bog — 80 km, II. Züterbog- 
Grimma = 100 km, ILI. Grimma: 
Plauen — 110 km, IV. Blauen: 
Bayreuth — 90 km, V. Bayreuth: 
Regensburg —=180km, VI. Regen?- 
burg=Freifing = 90 km, VIL rei: 
fing-Münden — 35 km. 

Die Zweckmäßigkeit der Etappen- 
fahrt wird wohl am beften durch 
die Kondition der eingefommenen 
Geſpanne iluftriert: Diejelben 
famen ohne Ausnahme in tadel: 
Iojer Berfafjung and Ziel. Der 
Sieger „Nibelung” hat bereit3 nad) 
24 Stunden, nahdem er aus Mün⸗ 
chen mit der Bahn wieder in Berlin 
angelangt war, mit völlig intakten 
Beinen und ganz gejund wieder 
im Privatfuhrwerk feines Befiters 
Dienft getan. Bon den Gefpannen, 
melde die Fahrt aufgeben mußten, 
waren hierzu gezwungen: 

2 wegen Ermüdung, reip. 

Beinmüdigfeit, 

1 megen Gefdirrdrud, 

1 wegen Lahmbeit, diejes 
Pferd war bereit3 beim 
Start ſchulterlahm, 
wegen ſtarker Maufe, 
wegen Fiebers, reſp. Darm⸗ 
katarrhs, 
aus unbekannten Gründen, 
wegen Darmkatarrh und 
darauf folgendem Ein- 
gehen. 

Sa. 10. 

Bis auf das letztere Gefpann 
find alle Pferde wiederhergeftellt; 
vier davon haben fogar das in 
Münden ausgefchriebene Diftanz- 
fahrtrennen mitbeftritten, nachdem 
fie dorthin transportiert waren, 
und hiervon find wieder zwei auf 
den erften. refp. den zweiten Plak 
geendet, ein Zeichen, daß es ſich 
nur um ganz vorübergehende Afzi- 
dent? handelte. Das einzige Pierd, 
deſſen Verluſt zu beflagen ift, ging 
infolge infettiöfen Darmkatarrhs 


ph juh & 





Pro. 111. 


ein, und die Sektion ergab, daß | Fahrt“, 
pro Kilometer ca. 7’, Minuten bes 


das Pferd Thon vor Beginn der 
Fahrt daran gelitten hatte, ohne 
daß der Beſitzer dies bemerken 
konnte. Wahrſcheinlich hat ſich das 
Pferd bei dem Trangport von Frank⸗ 
furt a. M. nad) Berlin infiziert. 
Das obige Reſultat beweift zur 
Genüge, daß die gewählte Form, 
Ausfchreibung der Fahrt in Etappen, 
derart, daß an jedem Tag nur eine 
beftimmte Strede zurüdgelegt wer: 
den durfte, richtig und ſegensreich 
gewejen iſt. Erſtens wurde im 
Intereſſe der Pferde Ueberanitren- 
gung vermieden, — die Gefpanne 
hatten ja obligatorische Nachtruhe 
von 15—18 Stunden — hingegen 
mwurde gleich wohl die Leiftung der 
Pferde heraufgefchraubt. Die Durch⸗ 
ſchnittsleiſtung ded Sieger pre 
Kilometer beträgt unter 4 Minuten, 
während 1899 bei der legten Di- 
jtanzfahrt Berlin-Totis, bei unge: 
fähr gleicher Diftanz, aber „freier 


Frhr. B. A. vo. Efeberk. 


die Durchſchnittsleiſtung 


trug, beide Male unter Abrechnung 
der Ruhepauſen. Dadurch aber, 
daß Geſpanne, welde bis 12 Uhr 
nachts nicht am Etappenziel einge- 
troffen waren, ohne weiteres aus: 
jhieden, murde wiederum erreicht, 
daß nicht allzu eifrige Konkurrenten 
mit notdürftig hergeftellten Pferden 
nadhjagen und den Berluft einzu: 
holen verſuchen konnten. 

Selbſt in kleinerem Maßſtabe 
werden Dauerfahrten — etwa von 
50—70 km — in Verbindung mit 
Konditiond- und event. Aktions⸗ 
prüfungen ihre Wirkung nicht ver: 
fehlen. Die Produktion eines auf 
dem Luxusmarkt gangbaren Wagen: 
pferdes ift für die Rentabilität 
unferer inländiſchen Edelzucht von 
jo mwefentlicder Bedeutung, daß es 
für den Staat eine Chrenpflicht 
wäre, derartige Prüfungen durch 
Zücdterprämien zu fubventionieren. 


6. Traberfport. 


111. Allgemeine Bedeutung des 
Traberſportes. Auf der Mitte 
zwiſchen Fahrſport und Rennjport 
ſteht der Traberfport, der weder 
mit dem Galoppjport auf dem 
grünen Raſen identifiziert, noch 
ohne weiteres in den Begriff des 
Fahriport mit hineinbezogen werden 
fan. Immerhin ließe fidh ein Zus 
fammenhang zwiſchen Zrabrennen 
und Fahrſport jehr wohl fon 


‚ ftruieren, fofern es gelingt, eine 


hinreichende Zahl geprüfter und 
allen Anjprüden an einen Yand- 
bejchäler genügender Traberhengite 
im Reiche aufzuftellen, um diefer 
Zucht einen durchgreifenden Ein: 


fluß auf die Produktion ſchneller 


Magenpferde zu fihern; Die immer 
mehr hervoriretende Forderung des 
Luxusmarktes nad ſchnellen Wagen: 
pferden und das allgemeine Ber: 


langen nad Trabaktion bei unſeren 


deutſchen Halbblutfchlägen feheint in 
der Tat geeignet, dem Ehrgeiz der 
Traberfreunde die Wege zu ebnen. 


Ob freilich das erfehnte Heil von 


den Trabern zu erhoffen ift, bildet 
heute noch eine in Fachkreiſen heiß- 
umftrittene Frage: Die Traberzucht 
ift verhältnismäßig noch jungen 
Datum; e8 wäre aljo mohl er: 
Härlih, wenn ihr Blut noch nicht 
hinreichend fonfolidiert ift, um ſich 
durdfchlagend mit BZuverläffigfeit 
zu vererben; andererjeit3 wurde 


II. 6. Traberſpork. 


der Traber bisher nur nad) Leijtun- 
gen gezogen, wobei man natur- 
gemäß zuguniten der Schnelligkeit 
binfichtlich der Korrektheit von Gang 
und Gebäude mandes in den Kauf 
nehmen mußte, was man einem 
Regenerator der Landespferdezucht 
ſchwerlich wird nachſehen können. 
Wenn unſere fiskaliſche Geſtütsver— 
waltung, die bisher aus den ſoeben 
geſtreiften Gründen der Verwen— 
dung von Traberhengſten ſkeptiſch 


F, 


5 


gegenüberjtand, jich in allerjüngiter 








— W — — 
— — AG —J N 
— —J MN | 


Niro. 111. 


deutſchen Fahrſportes bereit3 aus— 
üben: Die Verwendung von Tra— 
bern auch in zahlreichen Privat— 
equipagen zeigt, daß das Bedürf— 
nis nach ſchnellen Wagenpferden — 
trotz, oder vielleicht grade unter der 
Rückwirkung des Automobils — 
immer weitere Kreiſe zieht; der 
Sieg eines Trabers, Herrn Fel— 
ſings „Nibelung“ (Züchter W. 
Möſſinger-Mariahall), der die 
635 km der Etappenfahrt Berlin— 


Tg 


5. Nibelung“, der Sieger der Diitanzfabrt Berlin-München, am Start. 
— — zfah 


ı Münden in 49 Std. 12 Min. 


Beit zu zwei bemerfenswerten An: | (7 Etappen) zurüdlegte, wird nicht 
läufen nah diejer Richtung ent- | verfehlen, für die Verwendung von 


ſchloſſen hat, jo beweiſt dies einer- 
jeit8, daß es bei hinreichend forg- 
fältiger Auswahl ſchließlich doc 
möglich ift, Traber zu finden, die 
den bewährten Grundſätzen unjerer 
Gejtütverwaltung, den unerläß- 
lihen Anjprühen an Korrektheit 


entſprechen; andererjeits fennzeich- 
nen dieſe Ermwerbungen charaftes 


riſtiſch, welchen Einfluß die Trab: 
rennen auf die Entwidelung des 


Traberblut des weiteren Propa— 
ganda zu machen. Unter den 21 
Gejpannen, die in Berlin für die 


Fernfahrt jtarteten, befanden fich 


13 ZTrabergefpanne, und zwar 12 
orthodor gezogene, 1 aus rujlilch- 
amerifanijcher Kreuzung. Unter 
den 10 Gejpannen, welche die Fahrt 
aufgaben, waren 5 Traber; dafür 
belegten dieſe aber die erjten fünf 
Pläge mit Bejchlag. Beide Eltern 


Nro. 112. 


Frhr. B. A. v. Eſebeck. 


des Sieger? waren wie diefer feldft | Traberbahn gezeigten Leiftungen 


in Deutichland gezogen. 

Der in Frankreich angelaufte 
Onragan (1:38) ijt im Kgl. Land» 
geftüt zu Neuftadt a. D. aufgeftellt 
worden, um unmittelbar in der 
Halbblutzucht Verwendung zu finden; 
mohingegen der Amerikaner Wain⸗ 
jeott (1:20) auf der neuen Trab- 
rennbahn Ruhleben (bei Berlin) den 
Traberzüchtern unmittelbar zur Ber: 
fügung gejtellt ift. — — Im Gegen: 
jag zum Galoppſport ift das Gros 
der Rennftallbefiger im Trabrenn- 
fport felbit Züchter. — Daß man 
nicht gemillt ift, die mit dem An- 
fauf des Hengſtes verbundenen 
Opfer umfonft gebracht zu haben, 
geht aus den Bedingungen hervor, 
die an die Benügung Wainſcotts 
geknüpft find: nur Stuten im Be- 
fig deutfcher Züchter werden in be- 
grenzter Zahl zu dem neuen Bes 
ſchäler zugelajlen werben, bei deren 
Auswahl dur die „Technische Kom- 
milfton für Trabrennen” neben dem 
eigenen Rekord und den Leiftungen 
der Nachzucht auch das Exterieur 
in Betracht gezogen werden fol. 
Sit e8 auf dieſem Wege der in- 
ländifhen Traberzucht gelungen, 
ein für die Halbblutzucht geeignetes 
Beſchälermaterial zu liefern, fo 
dürfen auch die Trabrennen darauf 
Anſpruch maden, als Zuchtprüfun⸗ 
gen im Sinne der Landespferde⸗ 
zucht zu gelten und dem legitimen 
Rennſport ebenbürtig eingefchätt zu 
werden. 

112. Rekord. Die der Traber⸗ 


zucht durch den Ankauf von 


Wainſcott ſeitens der Geſtüts⸗ 
verwaltung gewordene Unterſtützung 
erſcheint vollauf berechtigt, wenn 
man ſich vergegenwärtigt, welchen 
Aufſchwung die deutſche Traber⸗ 
zucht aus eigenen Mitteln während 
der letzten Jahre genommen hat; 
es jpricht fich Died am deutlichſten 
in ber Berbefjerung der auf der 


aus: Bei den Trabrennen wird. 
die Zeit, in welcher die ein- 
kommenden Pferde die Bahn zurüds 


legen, genau regiftriert, und hier⸗— 


durh die Schnelligkeit feitgeftellt, 
in der eine gewifje Strede zurüd-' 
gelegt wurde. Diejer Rekord, dem’ 
in Amerika die engliſche Meile, in: 
Deutfchland ber Kilometer zugrunde: 
gelegt wird, bezeichnet das pofttive: 
Reiftungsvermögen eines Pferdes 
und gewährt jomit einen mwefent 







Rekordlifte aufgenommen; in einem 
analogen Verzeichnis merden Die’ 
deutſchen Traber eingetragen, die! 
den Kilometer in 1:40 zurüd- 
legten. Ein Vergleich diefer jähr⸗ 
liden Zuſammenſtellung zeigt am 
beiten Fortichritt oder Rückgang 
der Gejamtleiftung. Obwohl die! 
Zahl der ftartenden Pferde in 
Deutjchland gegen dag Vorjahr um| 
16 zurüdgegangen ift, ftieg Die 
Zahl der den Kilometerreford hal: 
tenden Pferde heuer von 181 auf 
206; die Zahl der Pferde, welche 
einen Rekord von 1:30 und 
darüber erzielten, betrug 1908 12, 
d. 5. fie Hat ſich feit 1907 ver- 
doppelt. Der Rekord des vorigen 
Sahres, der von einem einzigen 
Pferde mit 1:28 aufgeftellt wurde, 
ift in der legten Saijon (1908): 
dreimal erreicht worden. Am deut⸗ 
lichſten fennzeichnet fich die Hebung 
des allgemeinen Zuchtniveaus durch 


die jtändige Zunahme der 1 : 40: | 
Klaſſe, die in den legten vier Jahren N 


einen Zuwachs von 61 Pferden! 
aufweilt. Die Leiftungen der 
jüngften Altersklaſſe im verflofjenen 
Rennjahr verjprechen einen weiteren 


Fortichritt in der kommenden Sai⸗ 


$ loan gun auyspn® 





lI. 6. Traberſport. 


Jon; während 1907 der 1:40: 
Pelord nur viermal von Zwei: 
jährigen erreiht wurde, vermochten 
2 908 fieben Zweijährigeihnzu halten. 
2eider ift die ſchnellſte Stute 
Deutſchlands, „Nelly Grattan”, 
Die den SKilometer in 1 Minute 
21 Selunden trabte, nad Italien 
»»erlauft worden. 

Defterreid. In unferer Nach⸗ 
Barmonardie jenfeit3 der ſchwarz⸗ 
gelben Grenzpfähle waren die beiten 
Rekords 1908: 1:33 auf 1700 m 
Fiir Zmweijährige; 1:27 für Drei: 
jährige, Diſtanz 2260 m; den Re- 
Tord für ältere Pferde Hält ein 
Sechsjähriger mit 1:24°, über 
2800 m in 3:57 zurüdgelegt. 
Charafteriftifh für den öſterreichi⸗ 
ſcchen Traberjport find die Prü- 
Furngen auf weite Diftanz und die 
errenfahren für Mebhripänner. 
m 6. Oktober 1904 wurde in 
einem Bierfpänner-Herrenfahren 
iıher 10 km der Rekord 2: 01° 
azufgeitellt; das fiegende Gejpann, 
in welchem ſich zwei PVierjährige 
Defanden, abjolvierte die Geſamt⸗ 
Strede in 20 Min. 16? Sek. Am 
18. Juli 1900 wurde auf der 
Zrabrennbahn Baden bei Wien mit 
1 :323 ein Zweifpänner-Kilometer: 
zelord für Europa geſchaffen; der- 
Telbe wurde am 2. Sept. 1906 auf 
Der Weſtender Traberbahn mit 
41 : 30 gejchlagen, wobei die von 
i Hrem Befiger, Herren C. Schmidt, 
gefahrenen Stuten Glüdsfind und 
Queen Foreiter 3120 m in 4 Min. 
239° Gef. zurüdiegten. 1908 er: 
zielte ein öſterreichiſches Zwei—⸗ 
geſpann im Rennwagen 1: 32°, 
‚uährend zwei andere im Inlande 
g ezogene Traber im Kutichiermagen 
mit Bneumatifrädern) 1:39? über 
75000 m erreichten. Ueber 6 km 
‚uurden von einem Viergeipann im 
Frutſchierwagen 1: 49° gezeigt. 

Auch in Frankreich bradte 
„ie Trabrenntampagne 1908 eine 


SD 
A 


Nro. 113 


Verbeſſerung der Rekords: Die 
| befte Zeit eines Dreijährigen be= 
trug 1: 31° über 4000 m; eine 
vierjährige Stute bradte es über 
2800 m auf 1:29? und der Re— 
ford für ältere Pferde wurde auf 
1: 24° verbeffert. 

In Amerika, der eigentlichen 
Heimat der Trabrennen und Traber: 
zucht, wurden 1908 folgende Meilen 
rekords aufgeftellt: 2:30 von einen 
Sährling, 2:12", für Zmweijährige, 
2:07 für Dreijährige, 2: 06'/, 
für Vierjährige. Es ift auffallend, 
daß dieſe Leiftungen fämtlid auf 
dad Konto von Stuten famen; 
nur der Rekord für ältere Pferde 
wurde von einem Walacdh gedrüdt, 
der die engliiche Meile in 2:03'/, 
trabte. Es findet dies feine natür- 
liche Erflärung wohl darin, daß in 
den älteren Sahrgängen weniger 
Stuten von Klaſſe noch auf die 
Bahn fommen, die Mehrzahl viel: 
mehr vierjährig in die Geſtüte 
wandert. Faſt in allen Ländern 
läßt fich verfolgen, daß die „Rekord⸗ 
traber” in der Wutterlinie auf 
Vollblut zurüdgehen. 

113. Der amerifanifche Traber- 
fport. Traberzucht und Trabrennen 
find in Nordamerika ein nationaler 
Sport, der in der „neuen Welt” 
die Role des klaſſiſchen Renn— 
ſportes vollkommen erſetzt; auch 
der Entwicklungsgang der Trab— 
rennen iſt dem des Galoppſportes 
in deſſen engliſcher Heimat ganz 
analog: Zu Anfang des vorigen 
Jahrhunderts ſpielten ſich die ame⸗ 
rikaniſchen Trabrennen meiſt auf 
5—10 Meilen ab; dieſe Vorliebe 
für meite Diftanzen fteigerte ficy 
in der Mitte des 19. Jahrhunderts 
bis zu den „100 Meilenrennen” 
für ältere Pferde, die unter 10 
Stunden abfolviert werden follten. 
Heute ift man in dag entgegen: 
geſetzte Extrem verfallenund ſchreibt, 
entjprehend der Fliegerrennen im 

9 





£ — one a 


Niro. 114. 


Achr. B. A. v. Eſebeck. 


legitimen Sport, faſt nur nod | ftammvater der heutigen Traber- 


Meilenrennen aus, die als Stich⸗ 
rennen zur Entiheidung fommen 
und in der Regel nur für Zmeiz, 
Drei: und Bierjährige offen find. 
Don der Ausdehnung des ameri- 
fanifhen Traberjportes geben die 
Zahlen ein Bild, die Landftallmeifter 
v. Dettingen in feinem 1894 
erichienenen Neifebericht über die 
„Pferdezucht in den Bereinigten 
Staaten“ mitteilt. Danach eriftieren 
dort etwa 1300 Trabrenngefell- 
haften mit eigenen Bahnen, auf 
denen ca. 6000 Renntage im Jahre 
mit über 4 Millionen Dollars (ca. 
17 Millionen Mark) zur Aus: 
Ichreibung fommen. Die Zahl der 
im Training befindfihen Traber 
bezw. Pacer ijt mit 30000 mohl 
nicht zu niedrig gegriffen. 

Man unterjcheidet zwiſchen Tra- 
bern (trotters) und Paßgängern 
(pacers) ; für die lesteren werden 
befondere Rennen ausgejchrieben, 
in denen es zur Disqualifizierung 
führt, wenn der Pacer in Trab 
fallt, — ebenfo wie das „Pacen“ 
in Trabrennen; beides kommt 
namentlih in Stihrennen infolge 
von Uebermüdung häufig vor. Die 
höchſte Leiftung eines Traberg 
1:58',, die von ber berühmten 
Lou Dillon erreicht wurde, iſt von 
dem Pacer „Dan Path“ gedrückt 
worden, ber im Paßgange die 
Meile in 1: 56%/, zurüdlegte, d. h. 
den Kilometer in 1:12°/,. Die 
Beranlagung zum Paßgange iſt 
erblich und wird einzelnen Hengiten, 
ſo bejonder8 den Nachkommen von 
Hambletonian nachgeſagt. 

114. Traberzudt. „Standard 
bred trotter” nennt man in 
Amerika die in das Traberftutbucd) 
eingetragenen Pferde. Die Auf—⸗ 
nahme in dasfelbe hängt, jofern 
nicht Thon beide Eltern des Tieres 
eingetragen waren, von dem er- 
zielten Reford ab. Der Haupt- 


raffe ift der 1786 aus England 
importierte Vollbluthengſt „Mehr 
enger”. Zurzeit laſſen fich drei 
Hauptblutrihtungen unter den 


amerilanifchen nachmeifen: 1. Die 


Electioneerdeszendenz, derdiegrößte 
Schnelligkeit nacdgerühmt wird; 
2. die Nachzucht von Abdalla XVI, 
die den meiften Adel zeigt; B. die 


George Wilkesprodukte, die Die 


derbften aber korrekteſten find. 


Da ſowohl vielfach Vollblutſtuten 


als auch Stuten unbekannter Ab: 
kunft in die Zucht hineingebracht 
worden find, fo iſt, wie ſchon er: 
mwähnt wurde, das heutige Trabers 
blut noch nicht hinreichend Ton: 
jofidiert, um mit Zuverläffigfeit in 
unjere abgeichloffenen europäifchen 
Haldblutfchläge hineingekreuzt zu 
werden. Dies hat fi namentlid 
bei der Verwendung von Traber 
hengjten in der Normandie gezeigt 
Der Traber ift im allgemeiner 


Heiner und in feiner ganzen Statut 


derber als das VBollblutpferd, ohne | - 


diefem an Adel viel nachzugeben; 
die Muskulatur der Hinterhand if | . 


naturgemäß oft in abnormem Gradt | 


entwidelt. Wenn auch feine Anochen: 


jtärfe, die dur) eine harte Aufzucht | 
erlangte Genügfamfeit und dal 
dur den Zraßtraining erzielt - 
gute Temperament den Traber für : ‘ 


die Kreuzung mit unferen Halbblur 
Schlägen zu empfehlen ſcheinen, j 
darf Doc nicht überjehen werden 
daß eine fteile, abgefchlagene Kruppe, 
ftarf gewinfelte bezw. zu weit ber 
ausgeſtellte Hinterbeine und fchlechtt 
Einfhienung der Sprunggelentt 
ebenjo häufig typiſche Merkmal 
diefer Raſſe find. 

Was, abgefehen von den guten 
Eigenſchaften und der vielfeitigen 
Bermendungsfähigfeit des Traber 
deſſen Zucht im Mutterland de 
Trabrennfportes jo populär macht 
ift die große Mohlfeilheit des Be 


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It. 6. Craberſport. 


triebe8 im Dergleih zu den ge- 
waltigen Geldopfern, die die Voll: 
blutzucht erheifcht. Auch der Hleinfte 
Züchter Tann einen Klafjetraber 
ziehen, der einen Weltrekord jchlägt, 
weil ihm die berühmteften Hengite 
gegen eine für unfere Verhältniſſe 
faum nennenswerte Derfgebühr 
zugänglich find. Dies wird dadurch 
ermöglicht, daß die Beſchäler nad 
beendeter Deckzeit wieder auf ber 
Rennbahn ausgenütt werden. Die 
den amerilanifhen Hengſten noch 
im hohen Alter nacdgerühmte 
Sruchtbarfeit mag hierdurch nicht 
unmwejentlich gefördert werden. Nach 
vollendetem dritten Sahr pflegen 
die Traberhengfte .in jedem Früh— 
jahr zu deden; daß ihre Renn- 
fähigkeit hierdurch nicht leidet, zeigt 
u. a. das Beilpiel von „Cresceus“, 
der bereit3 mehrere Nachkommen 
im Training hatte, al3 er ſelbſt 
den Weltrelord von 2 :02'/, auf: 
ftellte. 

115. Der Training des Trabers. 
Der für die Rennbahn beftimmte 
Traber wird fchon in früheitem 
Alter, vielleicht noch früher als dag 
Bollblutfohlen, für feinen Beruf 
eingebroden; kommen in Amerika 
im Spätjommer und Herbft doch 
bereit3 Ssährlingsrennen über die 
halbe Meile zur Entfheidung. Das 
Charafteriftiihe des Trainings für 
die Trabrennbahn liegt darin, daß 
der von dem Traber geforderte 
Renntrab nicht wie der Galopp des 
Bollblutpferde® eine natürliche 
Gangart ift, ſondern durch fünft- 
lie Mittel entwidelt und gejteigert 
werden muß. Hierzu bedarf es 
einer unnatürliden, durch den 
„overchec“ hervorgerufenen Kopf: 
haltung und einer Fünftlihden Ber: 
ſchiebung des natürlihen Schwer: 
punktes auf die Borhand. Dieſes 
„Ausbalancieren“ des Traberg, das 
durch Zehengewichte bewirkt wird, 
fpielt in der Vorbereitung für die 


Niro. 115. 


Rennbahn eine mwejentlihe Rolle. 
Vielleicht noch mehr als fein Kollege 
im Flach: oder Hindernigftall muß 
der Trabertrainer zwiſchen feinen 
Pflegebefohlenen zu individuali- 
fieren wiffen. Da bei der Aktion 
des Traberd die Knochen und 
Sehnen des jungen Tieres viel 
mehr als im Galoppfport ver 
Gefahr ausgefegt find, durch An: 
fhlagen, Greifen und dergleihen 
Berlegungen zu erleiden, fo betritt 
der Traber die Renn= oder Trainier: 
bahn mit einem ganzen NRüftzeug 
von Schutzvorrichtungen, Kappen, 
Gamaſchen u. f. w. an den Glied: 
maßen. Um die Kraftleiftung des 
Trabers richtig einzufchägen, muß 
man fi vergegenwärtigen, daß 
um eine. Strede, die. man mit 100 
Galoppfprüngen bededt, in der 
gleihen Zeit im Trabe zurüdzu- 
legen 150 Tritte erforderlich find, 
die Muskeln mithin um einhalbmal 
öfter gefpannt werden, ald im 
Galopp; dies drüdt fih in der 
leicht feitzuftellenden Erhöhung der 
Körpertemperatur aus, die im 
forcierten Trabe unverhältnismäßig 
raſcher eintritt, al8 im natürlichen 
Galopp. Selbitverftändlih wäre 
es ein Unding, durch die oben er⸗ 
mwähnten Hilfsmittel: Auffagzügel, 
Hufbelaftung u. ſ. w. irgend einem 
beliebigen Pferd den Renntrab an= 
gewöhnen zu wollen, die natürliche 
Anlage zu diefem muß vorhanden 
fein und ift durch Zudtwahl und 
die Paarung nad) Xeiftungen in 
die Traberrafie ebenfo hinein 
gezüchtet, wie das Galoppierver- 
mögen beim PBollblut; ohne die 
natürliche, namentlih im Gebäude 
liegende Beranlagung vermöchten 
auch der erfahrenjte Trainer und 
alle Kunft nicht3 zu erreichen. Mit 
welchem Aufgebot von Hilfsmitteln 
der Training in den amerifanijchen 
Traberetabliffements betrieben wird, 
erhellt allein ſchon daraus, daß in 


Nro. 116—117. 


den großen Trainingzentralen für 
den Winter verdedte Trainier- 
bahnen erbaut find, die die Länge 
einer engliihen Meile erreichen 
und mit den Stallungen der Trainer 
durch überdachte Zugänge verbunden 
find. Mit diefem Aufwand ftehen 
freilich auch die Preife in Einklang, 
die der Züchter mit gut gezogenem 
Material zu erzielen vermag; ein 
Zraberjährling, der etwas verheißt, 
findet mit 10000 und mehr Dollar 
jeinen Käufer. 

116. Der techniſche Betrieb der 
Trabrennen. Der gefamte Trab- 
rennfport fteht heute im Zeichen 
des niedrigen Pneumatikſulky, der 
den Kilometerreford um fünf Se- 
funden verbefiert und damit das 
Schickſal des früher gebräudlichen 
hochräderigen Gigs befiegelt Hat. 
Die in Frankreich üblichen Trab- 
prüfungen unter dem Reiter ge= 
hören ftreng genommen nicht unter 
die Rubrik des Traberfportes, da 
fie ausgeſprochen im Dienfte der 


Halbblutzucht ftehen; und felbft bei 
den ffandinavischen Trabrennen auf 
ı geahndet. 
julfy den Rennſchlitten zu erjegen. | 


dem Eiſe beginnt der Pneumatik— 


Während der Galoppiport, nament- 
lich wo es fi) um Hindernisrennen 
handelt, ſich mit Vorliebe natür— 
liher Bahnen bedient, bedarf der 
Traber zur vollen Entfaltung feiner 
Fähigkeiten und um den hemmen: 


den Einfluß des hinter ihm befind= 


lichen Gerährtes zu neutralifieren, 
einen fünftlich hergerichteten Kurs, 
der in feinen Bedingungen faft an 
cine Nadrennbahn erinnert. Mit 
einer Jolden hat auch der Verlauf 


eines Trabrennens fait mehr ges 


mein, als mit einer Prüfung auf 
den Hafftiichen Turf. Mangels der 
Möglichkeit, einen Ausgleich der 
Chancen durch Gewichtsbeſtimmun— 
gen herbeizuführen, wie dies beim 
Vollblutſport in den Altersgewichts— 
rennen durch Erlaubniſſe und Pö— 


Frhr. B. A. v. Eſebeck. 


nalitäten bezw. durch Handikaps 
geſchieht, werden im Traberſport 
die Pferde verſchiedener Klaſſen 
durch Vorgaben zuſammengebracht. 
Für Pferde, die noch nicht geſiegt 
haben, wird z. B. der Kurs um 
25 oder 50 Meter gekürzt; während 
für erprobtere Pferde die Diſtanz 
nach der Höhe ihrer Gewinnſumme 
oder ihrem Rekord entſprechend 
verlängert wird. Analog wird in 
den Prüfungen verſchiedener Alters⸗ 
klaſſen der Kurs für die älteren 
Jahrgänge durch Extrazulagen (etwa 
25 Meter pro Jahr) verlängert. 
So gleicht in der Tat der Start 
auf der Traberbahn mehr einer 
Regatta, als einem Pferderennen. 
Nur in den Klaſſenrennen für 
Pferde gleichen Alters oder mit 
gleichem Rekord gehen alle „vom 
Start“, d. h. ſie werden von der 
gleichen Stelle abgelaſſen. Neben 
der Zeitmeſſung fällt bei Entſchei— 
dung des Rennens die Reinheit 
des Ganges weſentlich in das Ge— 
wicht; wiederholtes,In⸗den⸗Galopp⸗ 
fallen“ wird mit Disqualifizierung 


117. Traberſport auf dem 
Kontinent. Auf dem Kontinent 
dürfte der Traberfport feinen Aus: 
gangspunkt von Holland genommen 
haben; ja die Annahme fcheint faft 
ı begründet, daß er von bier erft 
'nah der neuen Welt verpflanzt 
wurde. Jedenfalls ift der ruffifche 
„Harttraber“, der lange Zeit die 
fontinentalen Trabrennbahnen be- 
berrichte, auf Importationen aus 
den Niederlanden zurüdzuführen. 
Sn der alten Welt fcheint fih Der 
Traberfport meift au den Iofalen 
Verhältniſſen entwidelt zu haben, 
wo diefe das Zurüdlegen weiter 
Strecken in einjpännigem Gefährt 
‚erheifhten, jo haben das Karriol 
und der norwegifhde Bergponny 
wohl zuerft dag gerade in Skandi— 
navien von alter® her befonders 








II. 6. Traberſpork. 


rege Antereffe für Trabrennen ge- 
we, Somohl die Holländer als 
auch die Ruffen haben in der Ent- 
wigtung ihrer Traberrafje Anleihen 
bei däniſchem Blute gemacht, man 
Dill ſogar die dem ruſſiſchen Traber 
eigentümliche Unregelmäßigkeit des 
Ganges, das ſog. Bügeln auf dieſe 
Kreuzung zuruͤckführen. 

118. Orlowtraber. Die Orlow⸗ 
tolle, welcher der ruſſiſche Traber— 
pport feinen Weltruf verdankt, 
wurde im erſten Jahrzehnt des 
19. Jahrhunderts vom Grafen 
Orlow-Tſchesmens ki in Chre— 
nowoje gegründet. Am 1. Januar 
1906, kurz bevor das hiſtoriſche 
Geftüt durch die aufſtändiſchen 


- Duuern vernichtet wurde, ift das 


— — 


Geſtütsbuch der Orlowtraber ge— 
ſchloſſen worden. Als Kern der 
Itlowrafje gelten die Nachkommen 


des Chrenowſchen und Schiſch⸗ 


kinſchen Originalgeſtüts, 


— 


t ſoweit 
ſolche bis 1845 geboren find, und 


‚ ber Nahmeis erbracht wird, daß 


— *F 


— 


— 


in ihnen kein Blut von Pferden 
iſt, die nad) 1810 angekauft wur— 
den. Unter dieſem Geſichtspunkt 
waten ale Pferde als „Orlow⸗ 
traber“ eintragungsberechtigt, bei 


denen entweder beide Eltern in 


- R 


— 


— — 


— 


vier Generationen reinblütig, wenn 
and nicht auf der Rennbahn ge: 
prüft waren, oder Vater und Groß—⸗ 
vater in der männlichen Linie ge- 
laufen, in der mütterlihen Äb⸗ 
ſtammung aber Mutter und Groß= 


‚ mutter reine Traber find bezw. 


; umgekehrt. 


— * 


= 


Diefe Bejtimmung 
wurde 1889 dahin eingefchräntt, 
dab die nad) dem Jahre 1889 ge- 
borenen Pferde nur dann als rein- 


raſſig anzufehen feien, wenn beide 
‚ Eltern nicht weniger als ?|, Tra- 


— — 


berblut führen. Die 1908 und 
ſpater geborenen Pferde find als 


‚ Drlomtraber qualifiziert, wenn nad): 


weisbar in drei aufeinanderfolgen- 
den Generationen bei jeder Baarung 


| 


Neo. 118. 


ih auf einer Geite Drlomblut 
findet. Mit der zunehmenden Ein- 
fuhr von amerifanifshem Zucht: 
material wurde es unerläßlich, auch 
Kreuzungsprodufte ald Traber an- 
zuerfennen; demgemäß werden zu 
den Rennen für Inländer auch 
jolde Traber gemijchter Rafje zu: 
gelafjen, melde mindeſtens |, 
Orlowblut führen. Intereſſant ijt 
eine Öegenüberftellung der Rekords, 
die auf der Beterburger Trabrenn- 
bahn von drei Vierjährigen ver- 
ichiedener Abftammung über die 
Strede von 1, Werft erzielt 
wurden: es trabten ein reinblütiger 
Orlowtraber 2:21’|,; Kreuzung mit 
amerifaniihem Blut 2:20°|, ; Kreu= 
zung mit engliſchem Vollblut 2: 23°|,. 
Der bier erwähnte Amerikaner 
marjdierte mit einer Gewinnſumme 
von 6788 Rubeln an der Spite 
der fiegreihen Traber des Jahres, 
in welcher erjt an adjter Stelle der 
befagte Orlow mit 2884 Rubeln 
figurierte; ein weiterer Beweis, daß 
der Stern jener berühmten Rafje 
im Sinten ift und da$ „Sternen: 
banner” der Standard Trotters 
aud) auf dem Traberfurs des Zaren- 
reiches heute unbeftritten weht. 
Wie in Rußland, fo erfreut fich 
auch in den ſkandinaviſchen Reichen, 
Schweden und Norwegen - der 
Traberjport auf dem Eije 
großer Beliebtheit. Diefe Kon: 
kurrenzen fommen ſowohl mit hohen 
und niedrigen Schlitten als auch 
mit dem Pneumatikſulky zum Aus- 
trag. Selbſtverſtändlich bedürfen 
die mit Zehenſtollen verjehenen 
Pferde ganz bejonderer Schugmaß- 
regeln an den Gliedmaßen; mit 
dem entjprechenden Bejchlage traben 
diejelben auf der jpiegelblanfen 
Fläche mit der gleichen Sicherheit, 
wie auf dem idealſten Trakt. Ge— 
legentlich der Nordiſchen Spiele in 
Stodholm fand dort ein zmeitägiges 
Trabermeeling auf dem Norra 


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11 
1) 
J 


Nro. 119. 


Brunsvifen ftatt. Es war ein in 
jeiner Eigenart mir unvergeßliches 
Bild, die gewaltige Eisflähe von 
Hunderten von Gefährten, Schlitten, 
Droſchken, Automobilen u. ſ. w. 
und von Taufenden von Menſchen 
bevölkert zu jehen. Die Konkur— 
renzen — es famen an jedem Tage 
deren ſechs zur Enticheidung über 
2000— 3000 Meter — dienten meijt 
als Prüfung für den einheimijchen 
Halbblutjchlag, der vielfach mit 


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” 


26, Trabrennen 


Orlowblut gefreuzt iſt; ein folcher 
„Halbbluttraber‘ erzielte in einem 
„Sudtfahren”, das vom Gtaate 
mit Züchterprämien ausgeftattet 
war, 1:54. Durchweg ſahen die 
Kennen zehn bi zwölf und mehr 
Geſpanne am Ablauf, die meift von 
ihren, dem Mittelftande angehöri- 
gen Beſitzern gelenkt wurden. 
Eine Hochburg des Traberfportes 
im Norden iſt die Trabrennbahn 
Charlottenlund bei Kopenhagen; 
dort gelangt u. a. das ‚‚Dänifche 
Traberderby‘ zur Entſcheidung, eine 
Prüfung für vierjährige Hengſte 
und Stuten über 3000 Meter, die 
vom Daäniſchen Traberfiub mit 


Frhr. B. A. v. Eſebeck. 






















10000 Kronen dotiert ift. Drei- 
jährig werden die Derbykandidaten 
über 2400 Meter in dem mit 8000 
Kronen ausgeftatteten „Traber: 
friterium‘‘ geprüft; im Jahre zu: 
vor meſſen ſich die Zweijährigen 
im Qugendprei® (6500 Kronen) 
über 1609 Meter. Die Ausdeh- 
nung und Bopularität des Traber- 
jportes in Dänemarf überfteigt dort 
bei weitem die Bedeutung de 
Vollblutſportes; während im Elaj- 


auf dem Eije. 


ſiſchen Lande des leßteren die en 
lichen Trabrennen neben der hiſt 
riihen Bedeutung der Bollblu 
rennen nur eine untergeordne 
Rolle jpielen. Daß zwiſchen Trabe 
und Fahriport ein gewiſſer pra 
tiiher Zufammenhang bejteht, zei 
auh die Entwidlung des öſte 
reichiſchen Traberjportes, der n 
mentlic) in Ungarn, dem Lande de 
Juckers, im Aufblühen it. Au 
in Stalien befindet fih der vo 
nehmlich auf ruſſiſchem Blute b 
fierte Traberfjport auf dem au 
jteigenden Aſt. 

119. Traberfport in Sranfrei 
Eine Sonderjtelung im Trab 


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II. 6. Graber[pori. 


Nro. 120. 


rennfport nehmen die Prüfungen | find. An der Spige der erfolg: 


der Traberraffe in Frankreich ein, 
injofern als diefe ausgefprodhen im 
Dienfte der Halbblutzucht ftehen; 
die Normandie, die den auf dem 
Luxusmarkt fo Hoch bezahlten Ka- 
rojfier produziert, ift denn aud) das 
Zentrum der Traberzudht in der 
Republif, die für die anglo-nor- 
manniſche Raſſe feinen Bejchäler 
abnimmt, der nicht dreieinhalbjährig 
4000 Meter in 7 Min. 4 Sekunden 
— 1:46 zu traben vermag. Diefe 
Prüfung des fisfaliihen Zucht: 
materials findet unter dem Reiter 
ftatt, und diefem Umijtande ift es 
vielleicht zuzuſchreiben, daß der 
franzöfifhde Traber in feinem Er- 
terieur nicht jo ausgeſprochen an 
den Standard Trotter erinnert. 


Vielleicht ift er im Blute auch kon⸗ 


folidierter, als der an Schnelligkeit 
allerdings erheblich überlegene 
Amerikaner, da bei Bildung der 
franzöſiſchen Traberraſſe immer 
wieder auf die alten bodenſtändigen 
Blutſtröme zurückgekreuzt wurde. 
Eine fundamentale Bedeutung in 
der franzöſiſchen Traberzucht hat 
der ſoeben im Staatsgeſtüt Le Pin 
an Altersſchwäche eingegangene 
Fuſchia erlangt. Der Rekord dieſes 
Hengftes war 1:36; fein Berdienft 
liegt jedoh auf anderem Gebiete: 
er hinterließ nicht weniger als 347 
Produkte in der ZTraberlifte, und 
während er felbft unter den erfolg: 
reihen Baterpferden des Jahres 
1907 mit 161774 Franks an 
zweiter Stelle ftand, brachten fünf 
feiner Söhne mit ihren Produften 
711961 Franken zufammen auf das 
Ehrenfonto des Erzeugers. Das 
fchnellfte Produkt Fuſchias mar 
Charles Angot, der 1:25 trabte; 
mehrfach murde von feiner Nach— 
zudt 1:29 erzielt. Biel mehr be= 
deutet aber die Tatfahe, daß 
59 Söhne des Fünfundzwanzig⸗ 
jährigen heute in der Zucht tätig 


reichen Baterpferde marjchiert nad) 
der legten Zufamntenjtellung der 
Fuſchiaſohn Narquois mit 182 504 
Franks; Narquois (1891 geboren) 
fteht mit 138 Nachkommen in der 
Traberlifte, bat der Zudt aber 
nur zwei Bejchäler geliefert. Nun 
geht Narquois durch feine Groß: 
mutter (mütterlicherfeit3) auf die 
englifche Vollblutſtute „Debutante“ 
zurück, die der Running-Familie1 
entſtammt; Fuſchia ſelbſt erhält 
durch ſeine mütterliche Großmutter 
Sympathie (engl. Vollbl.) das Blut 
der Dutfiver- Familie 22; dieſe neigt 
aber ohnehin mehr zum Sire— 
harafter und ift bei Sympathie 
überdied durch Sire- (Familie 12) 
und Running-Sire-Blut (Fam. 3) 
verſtärkt. Der Pedigreeaufbau 
Fuſchias liefert jomit einen inter: 
eflanten Beitrag zu der viel be— 
ftrittenen Theorie Bruce: Lomweß. 
Abgefehen hiervon iſt Fuſchias 
Vater Reynolds für einen Traber 
ungewöhnlich Eonfolidiert (Inzucht 
im dritten Grade auf La Juggler) 
und dieſer vermochte wiederum bei 
Fuſchias Mutter (Reveuſe) durch 
eine Inzucht auf The Norfolk Cob 
bezw. Did Phoenomenon anzu— 
knüpfen. So erklärt ſich der durch⸗ 
ſchlagende Einfluß Fuſchias, der in 
ſeiner Tragweite vielleicht der 
Wirkſamkeit eines St. Simon im 
Vollblut oder der Rolle Chamants 
im deutſchen Halbblut vergleichbar 
iſt. Jedenfalls zeigt der Einfluß 
des Sireblutes bei Fuſchia eklatant, 
daß die von Bruce-Lowe ſo 
bezeichneten Stämme in der Tat 
den Namen „Baterpferdfamilien” 
verdienen. 

120. Der deutſche Traberfport. 
Da man jene im Kapitel „Fahr: 
port“ erwähnten Wettfahrten des 
Berliner Yahrvereind? mit einer 
ernften Zrabprüfung unmöglich 
identifizieren kann, fo iſt ber 


ro. 121. 


Irhr. B. A. v. Efeberk. 


deutfhe Trabrennfport noch jungen | jeit 1900 (603135 ME.) bis 1908 


Datums. Erft mit der Gründung 
des Berliner Traber:Klub8 am 
5. Dez. 1877 erhielt derfelbe offi- 
zielle Geftalt. Am 16. Juni 1878 
wurden die erjten Trabrennen in 
Weißenſee gelaufen. 1889 erhielt 
die Neihshauptitadt im Weftend 
eine zweite Trabrennbahn, auf der 
1894 das erite „Traber-Derby“ 
gelaufen wurde, das, außer mit 
dem Wanderehrenpreije des Kaiſers 
für den Züchter des Sieger? mit 
40 000 Mt. ausgeftattet ift. Fortan 
wird dag „Blaue Band“ der Traber 
auf der neuen Bahn der vereinigten 
Berliner Trabrenn = Sefellicgaften 
zu Ruhleben zum Austrag fommen. 
Insgeſamt wurden im verflofienen 


(1248145 ME.) mehr ald verdop⸗ 
pelt hat. An der Spite der er- 
folgreiden Rennjtälle, deren 167 
in der legtjährigen Siegerlifte figu- 
rieren, marſchiert das Geftüt Klein- 
Helle mit 77 455 ME., das fid) da- 
mit feit 1904 in führender Stellung 
behauptet. 

121. Traberzucht in Deutichlaud. 
Dank dem Brinzip der maßgeben- 
den Vereine ihre Ausſchreibungen 
— vielleiht mehr als eg im Boll- 
blutfport gefchieft, — der inlän- 
diſchen Zucht zu refervieren, bat 
fid in Deutfchland eine fchnell 
emporblühende, auf amerifanifche 
Smportationen bafierte Traberzucht 
entmwidelt. Die bedeutenditen Zucht- 


Jahre an 21 Plätzen 98 Meetings | ftätten find da8 vom Grafen Aug. 


mit 591 Rennen abgehalten. An 
der Spite marſchieren die haupt: 
ftädtiihen Bahnen, Weißenſee 
(Rennklub) mit 24 Tagen und 175 
Rennen (= 425 300 ME.) und Welt: 
end (Trabrennverein) mit 20 Kenn: 
tagen und 158 Konfurrenzen (= 
440 400 ME.). Nächjtdem ift Altona— 
Bahrenfeld der bedeutendite Traber- 
plag, auf dem 1908 an 10 Tagen 
17 Rennen gelaufen wurden, und 
165500 ME. an Preiſen zur Ber: 
teilung famen. 


Beſonders lebhaft | 


Bismard geleitete ſog. Haupt- 
trabergeftüt XYilienhof in Baden, 
und dad fhon genannte medlen- 
burgifche Geftüt Kl.-Helle. Obwohl 
erft 1898 in das Leben gerufen, 
bat das bei Neubrandenburg be= 
legene Geftüt ded Herrn Shwa= 
niß diefem ſchon manden Hajft- 
ihen Sieger geliefert; 1904 und 
1908 ſah das Traberderby Die 
weiße Jade mit den blauen Ster- 
nen in Front. In Summa ge— 
mwannen die Produkte des medlen- 


ift das Intereſſe für die Traber= burgiichen Geftütes 93 885 Mark, 


Jade in Bayern, wo auf vier ver: 
Ihiedenen Plätzen Trabrennen ge= 
laufen werden; in Münden, mo 
übrigend der Traberfport fon 
früher heimiſch war, als in Berlin, | 
wurden, abgejehen von den mit 
96090 Mk. ausgeſtatteten drei Rennen 
des „Oktoberfeſtes“, im letzten 
Jahre 15 Trabrenntage ausge: 
Ichrieben, an denen 93 Nennen mit 
142 150 Mk. dotiert waren. Der 
allgemeine Aufihwung des deut— 
jchen Traberjportes im legten Sahre 
zehnt fennzeichnet fich am deutlich- 
jten darin, daß fih die Geſamt— 


fumme der jährlich gegebenen Preiſe 


Rekord hält, 
'jeit 1904, Proſe mit 41 fiegreichen 





während die Lilienhofer 118207 M. 
im verflofjenen Jahre heimbradten. 
Sanio, der Beichäler des „Haupt- 
geftütes”, rangiert mit 18 erfolg: 
reihen Produkten und einer Ge- 
winnfumme von 61678 ME. in= 
dejien erſt an vierter Stelle unter | 
den erfolgreichen Baterpferden. Den 
wie ununterbroden 


Nachkommen und 118629 Marf 


' Siegesfonto. Unter den 75 Bater- 


pferden, deren Nachzucht 1908 
Siegedehren einheimfte, ift Die 
Traberzucht Frankreichs, Rußlands, 
Italiens und Oeſterreich-Ungarns 


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II. 6. Graberfporf. 


je einmal vertreten; 17 Hengfte 
waren in Deutſchland gezogen; 
der Reit aus Amerika importiert. 

Es ift auffallend, daß in der 
Lifte der 1908 erfolgreichen Züchter 
bezw. Geftüte von 127 nicht we—⸗ 
niger als 58 in Bayern beheimatet 
find. Der Zufammenhang zwiſchen 
Zudt und Rennbahn tritt bier 
deutlih zutage, wenn man ſich 
vergegenmärtigt, daß nicht nur der 
Münchener Trabrenn- und Zudt: 
verein für jeden bei feinen Mee- 
tings fiegenden Hengft oder Stute 
aus bayriſcher Privatzucht eine 
Züchterprämie von fünf Prozent 
des erſten Preiſes zahlt, ſondern 
auch Bayern der einzige Bundes- 
fontingent ift, der Staatspreife für 
Trabrennen auswirft. Wenn der 
preußifche Fiskus dieſem Beifpiel 
bisher nicht gefolgt ift, fo dürfte 
dem die Erwägung zugrunde liegen, 
dat eine Traberzuct, die in For: 
cierung der Refordleiftungen ihren 
Endzweck fieht, mit den Bielen 
einer in erfter Reihe der Landes 
verteidigung dienenden Edelzucht 
ju wenig gemein hat. Gelingt es 
der Traberzudht, Hengfte zu produ= 


. zieren, die ihre Trabaktion in die 


Zandespferdezudt hineinzupflanzen 
vermögen, ohne daß dies auf Koften 
der von dem Soldatenpferde uner- 
bittlih zu fordernden Korrektheit 
und Harmonie ded Gebäudes ge: 
ſchieht, jo wird aud die ftaatliche 
Beihilfe nicht ausbleiben. 

Um jene? Ziel zu erreichen, 
wäre e3 jedoch Borausfegung, daß 
die eigentlihen Zucdtprüfungen nad) 
franzöfiidem Vorbild in Trabreiten 
über meite Diftanzen umgewandelt 
würden. Einftmweilen find bereits 
die Zuchtprüfungen auf der Berlin: 
Nublebener Bahn, d.h. die fürHengſte 
und Stuten refervierten Rennen, fajt 
durchgehende mit Prämien von 
1000 ME. für den Züchter des ſiegen⸗ 


den Pferdes audgeftattet worden. 


Nro. 122. 


122. Soziale Bedeutung des 
Traberfported. Der im Borftehen- 
den gefennzeichnete Charakter des 
Traberſportes, feine geringe Be— 
deutung für die Landespferdezucht, 
baben die Trabrennen fajt aus— 
ſchließlich zum Selbſtzweck gemadt. 
In gewiſſer Hinſicht ift dies aller- 
dings auch im Hindernisſport der 
Fall; allein bei dem großen Riſiko 
und der Unſicherheit des Gewinnes 
wird es niemandem einfallen, ſich 
einen Hindernisſtall zu halten, der 
nicht ſelbſt aktiver Sportsmann 
wäre und perjünlid am NReiten 
über Hinderniffe Gejhmad findet. 
Die Beteiligung am legitimen 
Sport aber verlangt vollends von 
dem Rennmann und Vollblutzücdhter 
eine jo erorbitante Opferfreudigfeit, 
daß ohne diefe im idealjten Sinne 
felbft die reichiten Mittel einer 
Reihe von Mißerfolgen nicht ftand 
halten werden. 

Wer etwa aus Gewinnjucht oder 
perjönlicher Eitelkeit den Rennſport 
betreibt, der wird nad den erjten, 
fih häufenden Enttäufchungen jehr 
bald dem Zurf den Rüden Tehren. 
Anders im Trabrennfport: — Die 
Konkurrenz ift eine Zleinere, Die 
Gefahren, denen das vierbeinige 
Material auf der Rennbahn aus: 
gejegt ift, find verhältnismäßig 
geringere ; vor allem aber find die 
Produktionskoſten des Traberg nie- 
driger, um jo mehr al? ein Traber, 
der nicht die Rennklafje erreicht, 
vermöge feiner Härte und feines 
meift guten TQTemperamentes als 
ſchnelles Wagenpferd auf den Luxus⸗ 
markt ftet3 Liebhaber findet. So 
fommt ed, Daß bei ung, mie 
aud) in anderen Ländern, die Trab: 
rennen der Sport der breiten 
Maffe wurden und Elemente zur 
Traberbahn drängten, die von 
nicht8 meniger als von idealer 
Sportpaffion dorthin gelodt wur⸗ 
den, die im Traber nicht das edle 


——— — — * 


Nro. 123. 


Pferd, ſondern nur die rollende 
Kugel im Lotterieſpiel der Wette 
erblicken. Die Urteilsloſigkeit der 
Menge, unter der ohnehin der 
Rennſport in Deutſchland ſo viel 
zu leiden hatte, macht ſich auf der 
Trabrennbahn mit beſonderer Vor⸗ 
liebe bemerkbar. Dieſe Geſtaltung 
der Dinge hat es bewirkt, daß 
bisher die ſogenannte erſte „Geſell⸗ 
ſchaft“ ſich dem Sport auf der 
Trabrennbahn gegenüber reſerviert 
verhielt. 

123. Herrenfahren. Seitdem 
die bedeutendſte Körperſchaft des 
Landes, der Weſtender Trabrenn⸗ 
verein, ſo klangvolle Namen, wie 


Irhr. B. A. v. Eſebeck. 


den des Prinzen Salm, des Grafen 
Bismarck u. a. an ſeiner Spitze 
führt, iſt das Anſehen der Traber: 
ſache unverkennbar geſtiegen. Vor 
allem aber dürfte dies das Ver⸗ 
dienſt des Herrenfahrerklubs ſein, 
der es ſich zur Aufgabe gemacht 
hat, durch Ausſchreibung von 
Herrenfahren dem Traberſport in 
jenen Kreiſen Freunde zu werben, 
die ihm bisher verſchloſſen waren. 
In den Herrenfahren bürfte ber 
Vierrad-Sully mehr zu Ehren 
fommen, und namentlich die Zwei: 
ſpännerkonkurrenzen werden auch 
auf den Fahrſport im weiteren 
Sinne anregend wirken. 


— — —— — — 


fachausdrücke im Reit- und Fahrſport. 


Abklappen, Abſchlagen der Hunde von | Bread, Wagen, eine Art offener Omnibus. 


einer Fährte. 

Ablauf (beim Rennen), ſ Start. 

Altersgewichtsrennen, Rennen, in dem 
die Pferde nach ihrem Alter gewichtet ſind. 

Anzug, der längere, untere Hebelarm der 
Kandare. 

Aufgalopp, Kanter vor dem Rennen, von 
den Tribünen nad dem Ablaufpfoſten. 

Aufbalter, Riemen oder Kette, mit der 
die Pferde an der Deichfel feftgemacht find. 

Aufridtung, Biegung des Genickes bei 
erhobenem Halfe. 

Auffagzügel, Zügel zum Auffegen bes 
Pferdehaljes im Geſchirr. 

Auffegen, j. Krippenſetzer. 

Ausbrechen, Ein Hindernis refufieren. 

Ausgleihsrennen, ſ. Handikap. 

Ausheben, das Wild beim Halali den 
Hunden entreißen. 

Ausreiten (im Rennen), ein Pferd zur 
Hergabe ſeines beſten Könnens bringen. 

Bahn (ganze, halbe), rechteckiger Reitplatz. 

Bande, Einfafjung desfelben burd Bretter 
wand ober Hede. 

Beagle, Raſſe kleiner Haſenhunde. 

Betzäumung, Einſtellung des Halſes am 
Zügel bei ſenkrechtſtehender Stirn des 
Pferdes. 

Beſchäler, Zuchthengſt. 

Bitch, Hündin, 

Blanke Kandare, ausſchließlicher Ge— 
brauch der Kandare, ohne Anfaſſen der 
Trenfe. 

Bodeneng, ⸗æeit, Stellung ber Vorder⸗ 
gliedmaßen nach innen bezw. außen. 

Bor, Losftall. 


Breeches, Neithofen nach engliſchem 
Schnitt. 

Bruch, Eichen: oder Tannenzweig, die der 
Mafter nah erfolgreiher Jagd an die, 
Teilnehmer verteilt. 

Buchmacher, Perſon, vie Buch legt, d. 5. 
Wetten zu feſtem Kurſe annimmt. 

Bügeln, fhaufelnde Bewegung bed Pfer: 
des im Gange mit den Vorberbeinen 
nad außen, 

Canter, kurzer Galopp („Hanbgalopp”). 

Sapriole, Lektion der Hohen Schule. 

Caſt, Umſchlag des Huntöman, wenn bie 
Hunbe die Fährte verloren ober über: 
ſchoſſen haben. 

Changement, Wechſel der Hand bezw. 
Stellung und Fußſetzung (. 3. im Ga⸗ 
lopp) beim Reiten. _ 

Ched, Stopp auf ber Jagb. 

Coach, Hoher Wagen zum Vierſpännig⸗ 
fahren, nah bem Modell der alten 
Poſtkutſchen. 

Cob, kleines, tiefes Pferd. 

Condition, Futterzuſtand, Muskel⸗ und 
Lungentraining des Pferdes. 

Coupieren, Abhacken ver Schweiirübe. 

Crack, das beſte Pferd eines Stalles. 

Cross-country, Querfelbein. 

Curée, Aufbruch des Wildes, den dic 
Hunde nad der Sagd erhalten. 

Dauerritt, ſ. Diftanzritt. 

Disqualifizieren, ein tim Rennen fieg- 
reiches Pferb des Preifes verluftig er- 
flären. 

Diftanz, Entfernung eines Rennens, bzw. 
Zänge des Einlaufes. 


at 0m 


Zachausdrücke im Reit- und Jahrſport. 


Diſtanzritt, ein⸗ oder mehrtägiger Ritt 
über weite Entfernung. 

Dogcart, Zweiräbriger Wagen (niebrig). 

Doghound, Hund (Baterbund). 

Doping, die Behandlung des Pferdes 
mit Reizmitteln zur Erhöhung feiner 
Leiftungsfähigleit im Nennen, 

Dreß, feidene Jade der Jockeys. 

Dreffur, Ausbildung bes Pferdes unter 
dem Reiter. 

Einlauf, Strede vom legten Sprung 
(Einlaufshürde) bis in das Ziel (Sieges- 
pfoften). 

Cinfag, Die vor dem Rennen (Abwiegen) 
gemachte Einzahlung, dur welde ein 
Pferd die Berechtigung zur Teilnahme 
an dem Rennen erlangt: die Höhe des 
Einfages wird durch die Propofition 
feftgejegt. 

Erklärt, ftartet ein Stall 2 Pferde in 
einem Rennen und beabfichtigt, das eine 
derjelben nicht ausreiten au laflen, jo 
muß berfelbe eine Erklärung abgeben, 
welde3 Pferd für ben Sieg in Betracht 
fommt. Dieſes ift der „Erflärte” des 
Stalle3. 

Erlaubnis, die einem Pferde durch die 
Bropofition zugeftandene Gemwidtser- 
mäßigung. 

Fahrt, Tempo, 3. B. in guter Fahrt, 
voller Fahrt u. dgl. 

Fährte, Spur des Wildes (j. Ecent). 

Faires Hindernis, Sprung, den das 
Pferd zu tarieren vermag. 

Favorit, das am meiſten gewettete Pferd 
im Rennen. 

Fehljagd, Jagd ohne „Halali“, bei der 
das Wild entkommt. 

Feld, die Zahl der Jagdreiter oder Starter 
im Rennen. 

Finiſh, Endkampf im Rennen. 

Flaggen, zwiſchen den Rennen auf der 
Hindernisbahn. 

Flankierbaum, Baum, der zwei Nach⸗ 
barſtände trennt. 

Flieger, Pferd, das auf kurze Diftanz 
große Schnelligkeit entwickelt. 

Form, Leiſtungen eines Pferdes auf der 
Rennbahn. 

Forhound, Fuchshund. 

Führung, Einwirkung der Hand auf das 
Pferdemaul. 


Gabel, Einſpännerdeichſel (Scherbäume). 

Ganaf hen, Genickmuskeln bes Pferdes. 

Geläut, Boden einer Rennbahn. 

Gig, zweirädriger Wagen (bod)). 

Grade, Einlanf der Rennbahn , von ber 
legten Ede bis in das Biel. 

QBurtentiefe, Umfang des Pferdes hinter 
dem Widerriſt. 

Had, Reitpferb. 

Halbe Barade, Einwirkung ber Hand 
sum Verkürzen des Tempos. 

Halfter, —— zum —— des 
re im S 

Halali, bie —— beim Ende einer 


Nro. 123. 


erfolgreichen Wildjagd, wobei das Wild 
verblafen wird, mit dem Rufe „Halali, 
Halali, Halali !" 

Handikap, Ausgleichsrennen, bei bem bie 
Chancen ver einzelnen Pferde durch das 
ipren Leiftungen entiprehende Gewicht 
ausgeglichen werden. 

Handıltapper, offizielle Perjönlichkeit, 
die die Gewichte in den Ausgleichsrennen 
feftfegt, für die Flachrennen der Hanbi- 
fapper des Union-Klubs, der Handi- 
tapper des Hindernid-Bereins (in Berlin) 
für die Hinderniärennen im Reiche. 

Hanten, Hinterbeine des Pferdes. 

varrier, vaſenhund. 

Hindernisſtall, -pferd, Rennſtall 
bezw. Pferd für HDindernisſport. 

Hinterhand, hinterer Teil des Pferdes. 

Hofe, Muskulatur des Oberſchenkels. 

Hubertus, 3. November, Tag des Jagd⸗ 
ſchutzpatrons. 

Hufſchlag, Linie, auf der man in der 
Bahn reitet. 

Hülfe, Einwirkung durch Zügel, Schenkel, 
Gewicht. 

Hunter, Jagdpferd. 

Huntsman, Oberpikör. 

Se Sagdgefeufchaft, die den Hun: 
ven folgt. 

Sagbdfolge, bie Erlaubnis über das Ge: 
lände den Hunden zu folgen. 

Sährling, einjähriges Fohlen. 

Illegitimer Sport, Hindernisrennen. 

Inländer, im Inlande geborened Pferd. 

$uder, fchnelles Wagenpferd leichten 
Schlages, meift ungarifcher Herkunft. 


Kammdeckel, Teil der Beſchirrung. 

Kammer, Hoblraum des Sattel über 
dem Wiberrift. 

Kandare, Stangengebiß. 

Kartätſche, Bürfte zum Bugen der Pferde. 

Kaftenftand, Pferdeitand mit fejten 
Wänden. 

Kenneld, Zwinger der PBarforcemeute. 

Kettenhbang, Verlegung durch Ueber: 
treten über die Halfterkette. 

Kinnkette, Kette, die bie Lage der Kan- 
dare regelt. 

Klaffe (beim NRennpferd), bemiefene Lei— 
ftungsfäbigfeit. 

Kolik, Erkrankung der Verdauungsorgane 
bes Pferdes. 

Kontraftellung, Stelluna nad augen. 

KRontragalopp, Rechtsgalopp auf der 
linten Hand und umgekehrt. 

Koppel, ein Paar Hunde. 

Köte, Beuge des Fefjelgelentes. 

Krippenfeger, Aufjegen mit ben Zähnen 
auf den Rand der Krippe, mobei die 
Pferde die Luft einziehen. 

Kreuzleine, die Inneren, fi kreuzenden 
Zügel beim Zweilpänner. 

Kummet (Gefdirr), Halsjtüd, an dem 
die Stränge befeftigt find. 

Kurs, Bahn eines Rennen?. 

Xampe, Hafe. 


ne 


Nro. 123. Frhr. B. A. 

Lancieren, das Wild zu Beginn der 
Jagd in eine beſtimmte Richtung drücken. 

Leader, Spitzpferd (Tandem). 

Legitimer Sport, Flachrennen. 

Longe, Leine zum Bewegen des Pferdes 
auf dem Zirkel. 

Loſung, Exkremente des Wildes (Fuchs 
oder Schwein), mit welchen der zum 
Legen einer Schleppe benutzte Schwamm 
oder Strohwiſch getränkt wird. 

Maiden, Pferd, das noch nicht geſiegt hat. 

Mailcoach, Poſtkutſche, auch moderner 
Vierſpännerwagen. 

Martingal, Hilfszügel. 

Mafh, Pferdefutter aus Leinſamenbrei, 
Hafer und Kleie. 

Mafter, Präſident einer Jagdgeſellſchaft 
bezw. Meute. 

Match, Privatrennen zwiſchen zwei Pferden. 

Maucke, Hautkrankheit in der Feſſelbeuge. 

Melaſſe, Pferdefutter, aus Rübenzucker 
gewonnen. 

Meét, Stelldichein zur Parforcejagd. 

Meeting, Reihe aufeinanderfolgender 
Renntage. 

Mittelpofitur, Hüſte, Gefäß und Ober: 
ſchenkel des Neiters. 

Modinländer, bei Fuß der Mutter ein 
geführtes Fohlen. 


Odds, Kurs einer Wette; „Odds auf” 


über Bari. 
Dutfider, ein auf bem Wettmarkt nicht 
beachtetes Pferd, das ohne Chancen ftartet. 
Overchek, Auffagziügel beim Trabergeidirr. 


Pace, Schnelligkeit, Tempo, in dem ein 
Nennen gelaufen wird. 

Pace-Macder, ein Stallgenofje des er- 
Härten Pferdes, ober ein zu dieſem 
Zweck nemietetes Pferd, das dafür forgt, 
daß das Nennen, in dem für den Er- 
tlärten bed Stalles nötigen Tempo ge⸗ 
laufen wird, fall3 dieſer ein ſchnelles 
Rennen braudt, um feinen speed aus⸗ 
zujpielen (fiehe Flieger). 

Pacer-Paßgänger (Trabrennfport). 

Bad, Meute, 

Barade, Einwirkung ver Hand, bie das 
Pferd zum Halten bringt. 

Parforcejagd, Neitjagb auf freier 
Wildbahn. 

Paſſage, Lektion ber hohen Schule. 

Paßgang, Gangart, wobei das Pferb mit 
ven gleichjeitigen Füßen gleichzeitig vor- 
greift. 

PVedigree, Stammtafel des Pferdes. 

Pelham, Stangengebiß mit gebrochenem 
Nundftild. 

Peſade, Lektion ber Hohen Schule. 

Piaffe, Gangart der hohen Schule. 

Pilaren, Pfeiler, zwifchen denen das 
Pferd an der Hand gearbeitet wird. 

Bi 9 — Jagdbedienſteter, der die Hunde 


Polo, Bauſpiel zu Pferde. 
oint⸗to⸗Point, Kirchturm⸗ ober 
Flaggenrennen. 


v. Eſebeck. 


Pönalität, Aufgewichtmit dem in den 
Altersgewichtsrennen ein Pferd für Siege 
ober beflimmte Gewinnſummen mehr bes 
laftet wird. 

Propofition, die im Wochen: Rennla: 
lender veröffentligten Bebingungen eines 
Rennens. 

Proteft ‚Einfpruch gegen den Sieg eines 
Pferdes. 

Pull (einen — geben), das Pferd ver: 
halten. 

Pullen, fih auf die Zügel legen. 

Puppy, junger Hund. 

Duerfeldeinrennen, 
nah Richtungspunkten oder 
ohne Fünftlih angelegte Bahn. 

Raid, Diftanzritt verbunden mit Duer- 
feldein: Prüfung. 

Nation, Futterfag pro Tag ıc. 

Raufutter, Heu, Stroh 2c. im Gegen: 
fat zu Kornfutter. 

Relais, frifcher Borfpann. 

Nelaishafe, während ber Jagd vor ben 
Hunden aufipringenber Hafe, der dieſe 
ehe ber Fährte bed „Jagdhafen“ ab- 
sieht. 

Rekord, Höchſtleiſtung auf einer beſtimm⸗ 
ten Entfernung, z. B. km oder engliſche 
Meile. 

Remonte, junges Pferd. j 

Nennfarben, bie beim Unionklub ein: 
getragenen Farben (dress) eines Nenn: 
ſtalles. 

Renvers, Seitengang in Kontraſtellung. 

Reprife, Dauer einer Lektion beim Reiten. 

Neugeld, ber bei Abgabe einer Nennung 
gezahlte Betrag, der, wenn das Pferd 
nicht ftartet, ber Kaffe des Nennvereins 
verfält, meift die Hälfte des Einſatzes. 

Roaren, Geräufb des Pferbes beim 
Atmen , infolge Lähmung eines Muskels 
im Kehlgang. 

Rogue, Verbreder, b. h. ein Pferd, befjen 
Temperament verborben. 

Rübe, Schweifanfag bed Pferdes. 

Rumpler, Fehler bes Pferdes beim 
Springen, der dasfelbe nit ganz zu 
Fall bringt. 

Nute, Fuchsſchwanz. 


Sattellage, Stelle des Pferderüden, auf 
welcher der Sattel ruht. 
Sattelpferd, das linke Stangenpferb. 
Sattelzmwang, Wehren des Pferbes 
gegen den Sattel durch Budeln und 
Boden. 
Scent, die Witterung des Wildes, bie 
deſſen Fährte ven Hunden verrät. 
Scherbaum, Einſpännerdeichſel (f. Gabel). 
Schere, untere Teil der Kandare. 
Scherenfänger, Pferd, welches mit der 
Unterlippe den Anzug der Kandare fängt. 
Scherriemen, Niemen, ber bie3 ver: 
Binder. 
Schleppe, künſtlich hergeftellte Wilbfährte 
(f. Loſung). 
Schluß, Feſtigkeit des Sitzes durch An- 


Gelaͤnderennen 
⸗Marken, 


8 


.“ BURHsashH 


Jachausdrücke im Reit- und Jahrſporlt. 


Nro. 124. 


klemmen der Oberſchenkel und Kniee Tipfter, Agent der Wettbureaus, der die 


ESpaltſfitz.) 

Schnitzeljagd, Reitjagd, bei der die 
Fährte durch Streuen von Papierſchnitzeln 
bergeftellt wird. 

Shrammer, ein Pferd, das durch Boh— 
ren auf den Zügel feinem Reiter bie 
Hand nimmt. 

Seitengang, Xeltion, bei der ba3 Pferd 
auf zwei Hufſchlägen gebt. 

Sielen, Bruftplattgefdirre. 

Skala, vom Rennreglement feftgejegte 
Gewichtstabelle. 

Speed, Fähigkeit auf kurze Diſtanz große 
Schnelligkeit zu entwickeln (ſ. Flieger). 

Stamina (Stehvermögen), die Fähigkeit, 
auf lange Diftanz die gleiche Schnelligteit 
beizubehalten. (Stehber im Gegenjag zu 
Flieger). 

Stangenpferde, die Pferde an der 
Deichſel. 

Start, das Ablafſſen des Feldes zum 
Rennen. 

Steeple-chase, urſprünglich Kirch⸗ 
turmrennen, im modernen Sinne jedes 
Jagdrennen. 

Stellung, Biegung des Pferdes im Genick. 

Steward (beim Nennen), Richter. 

Strahl, Innerer Teil des Hufes. 

Strang, Geſchirrteil, an dem das Pferd 


zieht. 
Stride, Galoppſprung. 
String, die Pferde eines Stalles. 
Striegel, Werkzeug zum Pferdeputzen. 
Sulky, Zweirädriger Rennwagen (Traber⸗ 
ſport). 
Sweep-stakes, Rennen, deſſen Preis 
von den beteiligten Ställen aufgebracht 
wird. 
Tandem, Zweigeipann, vor einander. 
Team, Geſpann Pferde, meift Viererzug. 
Temperament, Charaktereigenſchaften 
des Pferdes. 
Tempo, Geſchwindigkeit einer Gangart. 


mutmaßliden Sieger nambaft madit. 

Tips, die von der Fachpreſſe ausgeſpro⸗ 
chenen Mutmaßungen über den Verlauf 
eines Rennen?. 

Totalifator, Wettmafdine. 

Traber, Pferderafje, für die Trabrennen 
gezüchtet. 

Training, Vorbereitung bes Pferdes 
zum Rennen oder bergl. 

Trakt, Geläuf der Traberbahn. 

Trap, amerilaniiher Wagen mit Stellfigen. 

Travers, Seitengang. 

Trenfe, Gebif mit beweglidem Mundjtüd. 

Trial, Probegalopp. 

Turf, der „grüne Raſen“, die Rennbahn. 

Weberfhießen, die Hunde vermögen, 
weil in zu raſchem Tempo, einen Bogen 
der Fährte nicht inne zu halten, fondern 
laufen in der biäherigen Richtung weiter. 

WMeberzäumen, zu tief ftellen des Pfer: 
bed, ſodaß die Etirn hinter bie Sent- 
rechte fällt. 

Unfair, ein Hindernis, das das Pferd 
nit Mar zu erfennen vermag. 

Berfammlung, Zufammenftellung bes 
Pferdes im Gleichgewicht. 

Volte, Kreis von ſechs Schritt Durchmefier. 

Vorhand, der vordere Teil bed Pferdes. 

Waage oder Wacht, Schwengel am Wagen 
zum Befeftigen der Stränge. 

Weben, Angemohnheit mander Pferde an 
der Krippe, fih auf ben Vorderfüßen 
bin und ber zu wiegen. 

MWendeflagge, Flagge, bie im Rennen 
die Wendungen anzeigt. 

Whip, Whipper-in, bie Gebilfen des 
— (Oberpikörs), die mit der 

eitſche die Meute zuſammenhalten. 

Widerriſt, Teil des Pferdes (Bug) der 
Hals mit Rücken verbindet. 

Witterung, die Ausdünſtung des Wils 
des, die auf deſſen Fährte zurüdbleibt 
(f. Scent). 


7. Notbilfe bei Unglücksfällen und plötz- 
lichen Erkrankungen der Pferde. 


Von 
Dr. Goldbeck, Stabsveterinär, Schwedt a. ©. 


124. Notwendigkeit der ceriten 
Hilfeleiftung durch den Sport- 
treibenden felbft. Bei allen fport- 
fihen Uebungen, welde mit Hilfe 
der Pferde oder anderer Tiere ab- 
gehaltenwerden, und beidenenes ſich 


„Wo gehobelt wird, da fallen Späne.“ 


in der Hauptſache nur darum han: 
delt, das Höchſte an Leiſtungsfähig— 
feit berauszuholen, werden Ver: 
legungen und Erkrankungen diejer 
Tiere unvermeidlich fein. Dieſelben 
find fogar häufiger, als beim 


. — — — — — 


Nro. 125. 


Dr. Goldbeck. 


Menſchen, da den Tieren zwar meift | dabei die Haut zerriſſen iſt, fo 
derſelbe Sporteifer wie den Herren |reden wir von einer Quetſchung. 


innewohnt, ihnen aber der Verftand 
fehlt, um ſich vor drohenden Ge: 
fahren zu ſchützen. Bei den meiften 
größeren fportlichen Beranjtaltungen 
3. B. bei Rennen ift es Daher Sitte, 
dafür zu forgen, daß ein Veterinär 
am Plage ift. Hier wird es alſo 
leicht möglich fein, rechtzeitig ſach— 
verftändige Hilfe zu erlangen; 
anders jedoch bei denjenigen Ueb— 
ungen, melde den Neiter oder 
Fahrer allein in die Welt hinaus: 
ſchicken. Bei allen Dauerritten, bei 
jeder größeren Reitertour, bei Dauer: 
fahrten, bei fajt allen Pferdeipielen, 
jo beim Polo, wird es nicht mög: 
fih fein in jedem einzelnen Falle 
fofort veterinäre Hilfe zur Hand 
zu haben. 

Grade dieſe fportlichen Mebungen 
find ja wichtige Vorbereitungen für 
den Ernſtfall der Lundesverteidi- 
gung, und hier heißt eg: „Selbſt 
ift der Mann“. Auf dem Felde, 
weit ab von menidhliden Woh— 
nungen, auf der Jagd muß der 
Reiter oder Fahrer in der Lage 
jein, bei Bejchädigungen oder Er- 
franfungen feines Tieres felbftändig 
eingreifen zu fTönnen. Er muß 
willen, was er zu tun hat bis es 
gelingt, bei ernften Erkrankungen 
einen Veterinär heranzuziehen. 
Grade dieſe Fälle, bei denen fo- 
fortige Hilfe unbedingt erforderlich) 
iſt, ereignen fi) im Sportgebiete 
außerordentlich häufig. Hier wird 
oft durch unzweckmäßiges Eingreifen 
fo fchwer gejündigt, daß es felbjt 
dem tüchtigſten Veterinär nicht mehr 
möglich ift, den Schaden wieder 
gut zu machen. 

125. Quetfchungen. Wird dur 
irgend. eine ftumpfe Gewalt, Stoß, 
Fall oder Schlag ein tiefer liegen 
ver Teil des Pferdekörpers, 3. B. 
Blutgefäße, Muskeln in dem Zus 
fammenhange getrennt, ohne daR 


Dabei fammelt fi) naturgemäß das 
Blut in größeren oder geringeren 
Mengen unter der Haut, und die 
Stelle fängt an zu fchmellen. 

Beſonders häufig treten dieſe 
Quetſchungen da auf, wo der Sattel 
oder das Geſchirr jeine Lage Bat. 
Sie werden dann ald Sattel: 
drud oder Geſchirrdruck be 
zeichnet. Man bemerkt dann bald 
nad dem Abfatteln eine mehr oder 
minder große Anſchwellung, die zu: 
weilen 5-Markſtückgröße und mehr 
erreichen kann. Diefe Stelle ijt 
vermehrt warm und trodnet daher 
von dem nad dem Reiten meilt 
naſſen Budel ſchneller ab, als die 
andere Haut, zugleich zeigt das 
Pferd beim Befühlen Schmerzen. 
War ber Drud fehr lebhaft oder 
Batte er längere Zeit gedauert, jo 
fann auch wohl ein ganzes Stück 
der Haut ausfallen. In der eigent- 
lien Sattellage pflegen Die Schwel⸗ 
lungen hart und derb zu fein, 
während fie nach der Gegend des 
Miderriftes zu, mehr in Form einer 
mit Flüffigkeit gefüllten Blafe auf- 
treten. Leßtere enthält Häufig im 
Anfange nur Blutmwaffer, jpäter 
fann fie eitrig werden. Der Er: 
öffnung folder frifhen Blutblafen 
pflegen häufig langwierige Eite: 
rungen zu folgen. 

Auch in der Gurtlage, insbeſon⸗ 
dere an der Stelle, wo die Schnalle 
figt, treten folde Quetſchungen als 
„Scähnallendrüde, oder Schwellun 
gen” auf. 


Meift entjtehen diefe Drudichäden | 
bei Pferden mit flachen Rippen, bei 
jehr unruhigen zudelnden Zieren; | 


bei Pferden, welche früher ftärfer 
waren, und in leßterer Zeit abge: 
magert find, ſo daB der Sattel 
nicht genau paßt. Ebenſo werden 
Thlecht verpaßte Sattel, unjaubere 
oder ſchlecht aufgelegte Deren, Auf- 


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II. 7. Rothilfe bei Unglücksfällen. 


ro. 126. 


liegen der Schnallen direlt auf dem | 3 Stunden abgenommen und er: 
Pferdekörper Drud verurfacden. | neuert wird. 


Endlich ift es befannt, daß Sattel- 
drud dann leicht entjteht, wenn der 
Reiter ermüdet ift und ſchief auf 
dem Pferde hängt. 

Da mo es möglich ift, wird man 
ein ſolches Pferd außer Dienft 
ftellen, 6i8 die Duetfhung abge- 
heilt ift. Dies ift natürlich auf 
Dauerritten und ähnlichen Veran- 
lafjungen nit möglid. Hier wird 
es fi) darum handeln, die Quet⸗ 
ihung jo bald ald möglich zur Hei- 
lung zu bringen und die Urſache 
zu befeitigen. 

Zu dieſem Zwede verwenden wir 
zunädft Fühlende Umſchläge. Da 
man jedoch nicht genau weiß, ob 
nicht feinere Stellen der Haut ver- 
legt find, wird man dem Wajler, 
mit meldem das Kühlen erfolgt, 
etwas eſſigſaure Tonerde zufeten. 
Das Kühlen ſelbſt erfolgt dann 
durh Auflegen meißer, jauberer 
Leinwandlappen, oder durch Riejeln. 
Ganz unzweckmäßig ijt das oft ge⸗ 
übte Aufbinden von Steinen, Fla⸗ 
fhen, oder Raſenſtücken. Durch 
erjtere wird die Haut leicht zum 
Abſterben gebracht, durch letztere 
Innen ſchwere Wundfrankheiten, 
Eiterungen u. dgl. hervorgerufen 
werden. Länger ald 24 Stunden 
fol man nit fühlen, jondern es 
wird dann zwedmäßig ein Prieß- 
nitzſcher Umſchlag umgelegt. Zu 
dem Zweck taucht man ein größeres 
Stüd Leinwand in eine ſchwache 
Löſung von effigfaurer Tonerde 
oder einem anderen Wundmittel, 
legt diejes auf das Pferd und dar- 
über eine größere Dede oder Woy⸗ 
lad. Letzterer wird dann mit zwei 
Dedgurten, je einen vor und hinter 
der verlegten Stelle fo feft ange 
zogen, daß Feine Luft an die 
Duetfhung beranlommen Tann. 
Sit der Umſchlag richtig gemacht, 
jo dampft er no, wenn er nad) 


Gleichzeitig ift es erforderlich, 
den Sattel, die benugte Dede und 
jo weiter, genau nachzuſehen, und 
vorhandene Uebelftände abzujtellen. 
Muß man meiter reiten, fo wird 
man aus der Bolfterung des Sattels 
diejenige Stelle herausjchneiden 
lajjen, welche dem Drud entſpricht. 
Nötigenfalg kann man auch unter 
dem Sattel eine Strohmatte, Filz: 
unterlage, oder dgl. anbringen und 
die gequetichte Stelle durch Aus⸗ 
ſchneiden ſchützen. 

Derſelbe Weg wird bei Gejdirr: 
drüden eingefchlagen werden. Hier 
handelt es fich beſonders um Duet- 
fhungen de Kammed vor dem 
Widerrift der beiden Schulterjeiten 
und der Vorderbruft. Bei allen 
Sattel- und Geſchirrdrücken, welche 
nit in 2—3 Tagen bejeitigt find, 
ift Dringend zu empfehlen, die Be- 
bandlung dem Veterinär zu über: 
lajien. 

126. Wunden. Hat ein Körper 
die Haut durdtrennt, jo erzeugt 
er eine Wunde. Eine Wunde 
ift alfo eine blutende Ber- 
legung. Wir bemerfen bei der 
jelben, glei nah) dem Entſtehen 
die Blutung, den Schmerz und das 
Auseinanderkflaffen der durdtrenn- 
ten Zeile. Nah der Art ihres 
Entfteheng unterſcheiden wir Stich», 
Schuß⸗, Schnitt:, Riß-, Biß-, Hieb- 
und Quetſchwunden. Lebtere zeigen 
die fchlechtefte Neigung zur Heilung. 

Se nach der Tiefe der Wunden 
unterfcheiden wir Haut-, Muskel—⸗ 
und Knochenwunden. Dabei nennen 
wir Wunden, weldhe nur die ober: 
flächlichſten Teile der Haut betreffen, 
Abſchürfungen. Erftreden ſich die 
Wunden big in die tieferen Höhlen 
hinein (Brufthöhle, Bauchhöhle, Ge— 
lenkhöhle), fo reden wir von durch: 
dringenden Wunden. Sehr wichtia 
ift es, die Wunde genau nad dem 


ee — 
I’ 


Nero. 126. 


Dr. Goldbeck. 


Sit zu unterfheiden. Befonders | vor dem Ahfterben geſchützt werden, 


wenn der Tierarzt benachrichtigt | die Sporen. 


werden fol, ift es von größter 
Wichtigkeit, Diefem ganz genau 
den Si und ben Umfang der 
Munde angeben zu fünnen, da er 
danach imftande ift, die erforder: 
lihen Vorbereitungen (Auswahl der 
Inſtrumente, Wurfzeug, Verband: 
zeug) zu treffen. Berüdjichtigt man, 
daß ſolche Berlegungen ſich oft an 
ſolchen Orten ereignen, die vom 
Wohnſitz des Arztes weit entfernt 
find, wird ınan die Wichtigkeit dieſes 
Umftandes leicht begreifen. Aber 
aud für Die gefamte Pflege des 
Pferdes ift es nötig, fi einen 
Ueberblid über die einzelnen Gegen- 
den dieſer Tiere zu befchaffen. 
Die Gefährlichkeit der Wun— 
den bängt in der Regel ab von 
ihrer Größe und Tiefe, ſowie von 
dem Sit. Sind widtige innere 
Organe, Knochen, Nerven, Lunge, 
Gehirn, Eingeweide, große Adern 
ufw. verlegt, jo ift die Wunde 
natürlich jehr viel gefährlicher, als 
wenn einfahe Musfelmunden vor⸗ 
liegen. Stih und Schuß müſſen 
deshalb als gefährlicher angeſehen 
werden, weil man nie weiß, wohin 


. der betreffende Kanal führt, und 


weil die tiefer gelegenen Teile des 
Stichkanals fi fehr ſchnell ver: 
ſchieben. Auch können gerade in 
jolden Stichwunden leicht abge- 
brochene Teile des verlegenden 
Körpers ſtecken geblieben fein. 
Die Hauptgefahrjedodhliegt 
in der Berunreinigung, welche 
die Wunde dur das Eindringen 
von Fremdkörpern, vor allen Dingen 
aber durh das Eindringen der 
Heinften, nur mit ftarfen Vergröße- 
rungen jichtbaren Lebewefen, der 
„Bakterien“ erleiden. Letztere fiten 
an allen fih in der Natur befind- 
lihen lebenden und toten Gegen: 
ftänden. Häufig zeigen fie eine 
bejondere Dauerform, bamit fie 


Man kann dieje mit 
dem Samen der Pflanze vergleichen. 
Gelangen fie auf einen geeigneten 
Nährboden, 3. B. in eine Wunde, 
jo wachſen fie wieder zu Bakterien 
aus. Sie vermehren fi) außer: 
ordentlich, erzeugen ſchwere Gifte, 
reizen die Wunde — es entjteht 


Eiterung, Wundfieber, Starrframpf . 


und andere jchmere Folgen. 

Man fieht alfo, die Gefahr 
jeder no fo kleinen Wunde 
liegt in ihrer Berunreini 
gung durch die Meinften Lebe: 
weſen. Diejelben find fehr viel 
ſchwerer zu entfernen, als die ein- 
gedrungenen größeren Fremdkörper. 

Eine folde Runde hat nun drei 
Wege zu ihrer Heilung: 

1. Durch direkte Vereinigung der 
Wundränder ohne Eiterung. Hier: 
bei verfleben die Ränder unmittel- 
bar, es bildet fih nur eine kleine 
Narbe. Diefe Heilung wird in 
jedem Falle angeftrebt, kann aber 
nur zuftande kommen, wenn die 
MWundränder aneinander gebradt 
werden fünnen, und die fo her: 
geftellte Verbindung nicht wieder 
duch Blut oder äußere Veranlaſſung 
getrennt wird. Cine ſolche Wunde 
muß in Ruhe gelafjen und vor 
äußeren Schädlichkeiten geſchützt 
bleiben, ſie muß rein ſein und darf 
nicht verunreinigt werden. 

2. Unter Bildung einer breiten 
roten Narbe durch Eiterung. 
Dieſe Wundheilung tritt ein, wenn 
der Verſchluß nicht völlig gelingt, 
oder wenn dieſer durch Blut oder 
Wundflüſſigkeiten auseinander ge⸗ 
drängt wird, ſodann wenn die 
Wunde nicht in Ruhe gelaſſen wird, 
z. B. beim Gehen oder Stehen, 
endlich wenn die Wunde nicht ge⸗ 
nügend gereinigt war, oder verun⸗ 
reinigt wurde. 

3. Unter einem trockenen 
Schorf. Derfelbe entfteht häufig, 


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. anftreben. 


. haben, 


II. 7. Bothilfe bei Unglürksfällen. 


wenn ed nicht möglich ift, die | benugen kann. 


Munde verbunden zu halten. Da 
wo die Wunde genügend gereinigt 
ift, wird oft durch Brennen oder 
Aetzen abfihtlih ein folder Schorf 
erzeugt. Demgemäß darf ein trodener 
Wundſchorf nicht abgefragt werden. 
Unter demfelben heilt eine Wunde 
meift wie unter einem Berbande. 
127. Behandlung von Wunden. 
Was baben wir zu tun, 
wenn ein Pferd eine Wunde 
erlitten bat und der Bes 
terinärnidtzur Stelle ift? 
Wir werden dann ftet3 eine 
Heilung nad dem erjten Verfahren 
Die Hände der Be- 
handelnden werden durch Wajchen 
mit warmem Seifenmwafjer und mit 
einer der noch anzugebenden anti- 
feptifchen Löfung gründlich gereinigt. 
Sodann erfolgt die Reinigung der 
Wunde des Tiered. Da die Pferde 
an allen Körperftelen Haare 
jo werden dieje zunächſt 
und zwar noch ehe man die Wunde 


wäſcht, abgefchnitten oder rafiert. 


Se nad der Größe der Wunde hat 
man einen Umkreis von zwei Fingern 
big zu einer Handbreite von Haaren 
zu befreien, jodann wird die Wunde 


ſelbſt peinlichſt gejäubert. Dies ift 


der allerfchwerfte Punkt. Es iſt 
ſchon ſchwer in die Wunde nichts 
Unreines hineinzubringen. — Man 
darf alſo zur Säuberung keine ge- 
braudten Schwämme, ſchmutzige 
Zappen, die auf der Erde gelegen 
haben, Scharpie die aus unjauberer 
Leinwand hergejtellt ift, noch un⸗ 
reine Watte hierzu benutzen. Das⸗ 
felbe gilt von ſchmutzigen Fingern, 
oder ſchmutzigen Inſtrumenten. So⸗ 
weit es die Gegenſtände vertragen, 
werden fie am beiten vorher 5 bis 
10 DWinuten lang in Waſſer ge- 
kocht; dies gilt beſonders, wenn 
man mit einfadher Leinwand ver: 
binden muß und nicht die in den 


Niro. 127. 


Rah der erften 
Säuberung, durch genügend Wafler 
und Seife — gerade lettere iſt jehr 
empfehlenswert, da fie die fettigen 
Beitandteile der Pferdehaut auflöft 
— töten wir die kleinſten Lebeweſen, 
welche eingedrungen find, durch anti⸗ 
feptifche Mittel ab. Als jolche fom- 
men für Pferde in Betradt: Kreo- 
lin, Lyſol, Bazillol, Formaldehyd⸗ 
feifenlöfung Bengen, Karbolfäure, 
ejfigfaure Tonerde, Hergejtellt aus 
einem Gewichtsteil Alaun und zwei 
Teilen Bleizuder. Bon all diejen 
Mitteln genügt eg 1—1'/, Eßlöffel 
in einer Flaſche mit 1 Liter Wafjer 
zu löſen und damit die Wunde 


gründlich auszujpülen. Jedes Mittel 


hat feine Vorteile und jedes feine 
Nachteile; für die erjte Behandlung 
können fie aber alle angewendet 
werden. Nur am Auge wirken fie 
zu reizend. Hier nimmt man Bor: 
ſäure, ein weißes Pulver, in der- 
felben Stärfe, oder wenn dieſe 
nicht zur Hand ift, einfach abge: 
kochtes Waſſer. 

Eins der beſten antiſeptiſchen 
Mittel, aber außerordentlich giftig 
bei innerem Gebrauch, alſo nur für 
den chemiſch gebildeten verwend⸗ 
bar, iſt das Sublimat. Dasſelbe 
wird in Form von feſten, ſehr 
handlichen Paſtillen, mit je 1 
Inhalt in den Handel gebracht und 
gibt eine ſolche Paſtille mit 1 Liter 
Waſſer ein vorzüglihes Wundheil- 
mittel. 

Bielfah wird nun grade bei 
Notfällen keines der genannten 
MWundmittel zur Stelle fein, da 
muß man fih dann anders hel⸗ 
fen. Man benugt dann eine %- 
fung aus Seife in abgekochtem 
Waſſer, oder aber 1, Eplöffel 
Aaun auf 1 Liter Waller. Faſt 
in jedem Haushalt vorzufinden find 
Ablohungen von Kaffee, ſowie 
folde von Eichenrinde, die aber 
nicht in eifernen Gefäßen eeent 


5 — — —— nr 





— — 





Nro. 128. 


Dr. Goldbeck. 


werden dürfen und gut filtriert durchtränkt iſt, ſich verſchoben hat, 
werden müſſen. Sehr günſtig wirkt wenn Fieber, ſtarke Schmerzhaftig⸗ 


Spiritus mit ?/, Waſſer verdünnt, 
auch reiner Schnaps, im Notfalle 
auch Rotwein. 

Die fo gereinigten Wun— 
den müffennun reinerhal- 
ten werden. Zu dem Zweck 
werden diefelben mit einem anti: 
ſeptiſch zubereiteten Stoffe verbun- 
den. Solche Stoffe erhält man in 
den Apothefen vorrätig als präpa= 
rierte Verbandmittel, Gaze, Mull, 
Jute. Diefelben find meift mit 
einem der obengenannten. antijep- 
tifhen Mittel durchtränkt. Hat man 
folche Verbandsſtoffe nicht zur Hand, 
jo benugt man Xeinmand, die 
möglihft vorher ausgekocht wird. 

Wenn e3 irgend angängig iſt, 
werden die Wunden verbunden. 
Sitzen diefelben anden Gliedmaßen, 
fo geht dies meift leicht, ſitzen fie 
am oberen Körper, fo muß man 
etwas erfinderifch fein, und bie 
Leinwand durch BZujammennähen, 
Bänder u. vergl. fo am Körper be- 
feftigen, daß der Verband fißen 
bfeibt. Am Huf benußt man be- 
fondere Schuhe oder legt Splint- 
verbände an (ſ. fpäter bei „Huf”). 

Glaubt man, daß die Wunde ge- 
reinigt ift, fo verbindet man am 
beften ohne bejondere Streupulver. 
Fürchtet man aber, daß noch Eiter: 
erreger in der Wunde find, jo be= 
ftreut man dieſelbe zunächſt mit 
einem Wundftreupulver, von denen 
ed eine große Anzahl gibt. Am 
befannteften ift eine Zuſammen⸗ 
feßung von 1 Teil Sodoform, auf 
4 Teile Gerbfäure oder 1 Teil 
Dermatol auf 2 Teile Borſäure. 
So lange als möglih läßt man 
den Berband fiten, da Orund- 
bedingung für daß Heilen 
ver Wunden die möglidfte 
Ruhe ift. Abgenommen werden 
ſoll der Verband erft dann, wenn 
er von Eiter, Sekret oder Schmuß 


teit, oder Schwellung in ber Um: 
gebung der Wunden auftreten. 
Bei der großen Gefahr, melde 
ſelbſt die Heinften Wunden für die 
Tiere bieten, ift die Hinzuziehung 
eines Veterinärs, ſobald al3 viele 
möglich ift, Dringend zu empfehlen. 
128. Blutungen. Das, ma? 
den meilten Wenjchen bei der 
Wunde befonder® gefährlich er- 
jheint, die Blutung, pflegt beim 
Pferde nur jelten große Gefahren 
in ſich zu Schließen. Bei Aderläfjen 
entnimmt der Arzt oft dem Pferde 
einen halben Eimer und mehr Blut 
abjichtlich aus der Halsvene. Solde 
große Blutmengen werden bei zu- 
fälligen Wunden, nur felten ver- 
loren, die Blutung jteht in ber 
Regel bald, und nur der Ume 
ftand, daß das herabriefelnde Blut 


mit dem Waſſer auf der Erde 


fih mifht, und eine große rote 
Fläche bildet, läßt in dem Zur 


jhauer den Eindrud auflommen, | 


daß höchſte Gefahr vorliege. 


Diefen Verlauf der Selbftftilung — 


nimmt die Blutung dann, wenn 
das Blut aus der Wunde, wie aus 
einem Schwamm herausrieſelt, wenn 
alſo keine größeren Gefäße verletzt 
find. Hier genügt die oben ange⸗ 
gebene Art der Behandlung in 
jedem Falle auch zur Blutftilung. 

Gefährlicher iſt es, wenn dunkel⸗ 
rotes, blauſchwarzes Blut, gleich⸗ 
mäßig aus einem größeren Gefäße 
aus der Wunde herausquillt. Am 
ſchlimmſten und zuweilen in ganz 
kurzer Zeit tödlich ſind ſolche Ver⸗ 
letzungen, bei denen das Blut mit 
hellroter Farbe und in ſtarkem 
Strahl ſtoßweiſe (pulſierend) aus 
der Wunde herausſpritzt. Es iſt 
dann eine kleinere oder größere 
Pulsader durchſchnitten, und ſolche 
Verletzungen können zum Tode 


durch Verblutung führen. Es heißt 


II. 7. Bothilfe hei Unglürksfällen. 


Niro. 129. 


kr dann alfo unbedingt, die Blutung zuſammengebunden und angefeuch⸗ 


i ſofort ſtillen. Man verſucht durch 
1 Drücken mit dem Finger, mit dem 
ı Daumen, nötigenfal3 der ganzen 
ns Hand, das biutende Gefäß zu- 
», jammen zu fchließen. Durd Ver⸗ 
x ſuche muß man diejenige Stelle 
„ feitjtellen, bei welcher das Gefäß 
w nicht mehr jprigt, und hier einen 
kräftigen Drud ausüben. Wenn 
ed irgend geht, faßt man nicht mit 
den Fingern in die Wunde. So- 
dann kann man Poljter aus reiner 
Leinwand, Werg, Jute oder Watte 
auf die Wunde auftragen, und um: 
m Tchnüren. 

# _ Selbitredend wird man aud) hier- 
;i bei nah Möglichkeit für abjolute 
FReinlichkeit forgen, doch kommt in 
„ erfter Linie die Blutitillung in 
Frage. Man muß deshalb zuweilen 
Gegenftände anmwenden, die nicht 
ftreng desinfiziert, jondern nur ges 
waſchen find. 

Das herausquellende Blut wirkt 
auf die Gegenftände ebenfall3 des⸗ 
infizierend. Man drüdt diefe Watte 
ufmw. feft auf die Wunde und hält 
„ fie mit den Händen oder den 
* Fingern feſt. Die vollgeſaugten 
‚„ Pfropfen darf man nicht entfernen, 
„, jondern e8 werden immer neue auf- 
„ gedrüdt. Gelingt auf dieſe Weiſe 
— die Blutftilung noch nicht, fo verſucht 
man mit Hilfe eines elaftifchen Gum⸗ 
miſchlauches oder eines elaftifchen 
4 Hofenträgerd den höher gelegenen 
Teil, 3. B. mit der Gliedmaße ab- 
zuſchnüren. Hierbei muß der Gegen: 
; ftand fo feit und wiederholt um⸗ 
, widelt werden, daß auch die Blut- 
„ gefäße in der Tiefe zufammenge- 
“ orüdt werden, ſonſt würde die 
a Blutung nur beftiger auftreten. 
Fehlt auch ein folder Hojenträger, 
"fo nimmt man ftarlen Bindfaden, 
' over eine leinene Binde, die jo 
F sımgelegt wird, daß die nädjite 

Wickeltour immer die vorhergehende 
; pedt. Sodann wird die Schnur 


tet, wodurch fie ſich noch meiter 
zufammenzieht. Fehlt auch eine 
Binde, jo kann ein einfaches 
Tuch an ihre Stelle treten. Man 
fnotet es zufammen, fchiebt einen 
Knebel (Hol, Stod, Schlüfjel, 
Mefjer, Säbel) dazwifchen und dreht 
den Knebel jo lange herum, bis die 
Blutung geftilt ift. 

Ale chemiſchen Blutſtillungs⸗ 
mittel (Eiſenchlorid, Alaun, Eiſen⸗ 
vitriol) ſind zu vermeiden, da ſie 
die Wunde ſtark reizen und die 
Heilung verzögern. Auch die An—⸗ 
wendung mander fog. Hausmittel, 
z. B. der leider noch immer be⸗ 
nutzten Spinngewebe, führt häufig 
zu fchwerer Verunreinigung der 
Wunde. Gelingt die Stillung der 
Blutung auf feine andere Weife, 
fo nimmt man zweckmäßig ein weiß⸗ 
glühendes Eifen und hält dies feſt 
auf die biutende Stelle. In diefer 
Form werden 3.8. die Blutungen 
beim Kupieren des Schweifes ge- 
ftilt und ift das Brennen bei wei- 
tem nicht fo fchmerzhaft, als das 
Aetzen mit hemilhen Mitteln. 

Bor allen Dingen heilen unter 
dem trodenen Wundfchorfe Die 
Wunden vorzüglid. 

129. Wunden an bejonderen 
Stellen. Einige Wunden erfordern 
wegen der Körperitellen, an denen 
fie fiten, bejondere Mapregeln. 

1. Wunden der Gelente. 
Ale Gelenftwunden find ala jehr 
ſchwere Berlegungen anzujehen, auch 


wenn fie ganz klein find. Sie ent- 


ftehen meift durch Berlegungen mit 
ſcharfen Stollen, durch Stechen mit 
Heugabeln und dergl., auch durch 
Sturz. Gelentwunden find ſtets 
dann anzunehmen, wenn die Ber- 
legungen ihren Si in der Nähe 
der Gelenfe haben, und find be: 
wiefen, wenn aus den Gelenten 
Hare, fadenziehende Gelenkſchmiere 
abfließt. Hier heißt es, jede un- 


meins Ve 
= - 2... — 


Nro. 129. 


Dr. Goldbeck. 


nütze Berührung der Wunde und | welcher nur von der Maulſchleim⸗ 


jede Bewegung des Pferdes ver: 
meiden. Die Wunde ift eiligit zu 


. besinfizieren und fofort zu verbin- 


den. Läßt fich ein Verband nit 
anlegen, jo muß fo lange mit einem 
Nundmwaffer gefäubert werden, big 
ärztliche Hilfe zur Hand ift. 

2. Wunden der Sehnen. 
Wunden der Sehnen und Sehnen- 
ſcheiden entjtehen beſonders durch 
Zerſchneiden, Treten in einen ſchar— 
fen Gegenftand, Stih oder Auf- 
ſchlagen auf ſcharfen Kanten. Sie 
gehören zu den ſchweren Ber: 
legungen und laſſen ſich fat ſtets 
verbinden. Das beliebte Einftellen 
des Fußes in Waffer ift ſehr fehler- 
baft, und Daher zu unterlafjen. 

3. Wundender Augen. Die 
Wunden der Augen betreffen ent: 
weder die Schugorgane oder ben 
Augapfel felbft. Sehr Häufig ent: 
ftehen Verlegungen des Auges da⸗ 
durch, daß fih Tiere in der Nacht 
den Halfter abftreifen. Zur Ber- 
meidung dieſer Untugend gibt eg 
eine zweckmäßig konſtruierte Vorrich⸗ 
tung, welche von der tierärztlichen 
Snftrumentenfabrif, Hauptner, 
Berlin NW, Luiſenſtraße 56 ge- 
liefert wird. Bei der Empfindlich- 
teit des Auges müſſen alle die 
reizenden desinfizierenden Mittel 
bei der Reinigung vermieden wer⸗ 
ven. Man bringt über dag Auge 
durh Feftnähen am Stirnriemen 
der Halfter einen fauberen Leinen: 
lappen an und fühlt die Wunde 
mit gelochtem Waffer. Lehterem 
wird zwedmäßig fo viel Borfäure 
zugejeßt, Daß immer noch ein Boden 
fa des weißen Pulver in der 
Flaſche liegen bleibt. 

4. Wunden in der Maul: 
höhle. Sn der Maulhöhle werden 
nicht jelten die Kinnlade, die Zunge, 
der Gaumen, die Lippen oder Backen 
verlegt. Als Laden bezeichnen wir 
den oberen Rand des Unterkiefers, 


haut bedeckt ift. Hier entjteht zu: 
weilen durch Drud des Gebiſſes, 
beſonders bei plötzlichen Paraden 
(Ruck mit dem Zügel), zu ſtraff ge⸗ 
legter Kinnkette oder ſchlecht paſ⸗ 
ſendem Gebiß eine Verletzung. Die 
Wunde iſt mit reinem Waſſer, dem 
etwas Eſſig zugeſetzt wird, mehr⸗ 
mals zu ſäubern, das Gebiß ſorg⸗ 
fältig zu verpaffen und nötigenfalls 
höher oder tiefer zu legen, Bei 
alten Berfegungen im Maule muß 
den Tieren Wafler nad) Belieben 
zur Berfügung geftellt werden, da⸗ 
mit fie fich ſelbſt das Maul fort: 
während reinigen können. 

5. Wunden des Hufes. Beim 


Beichneiden des Hufes zum Zwed 


des Beichlagend, werden zumeilen 
oberflächliche Verlegungen (Durch⸗ 
fchneiden) erzeugt. Meift genügt 
es, den Huf zu reinigen, die Wunde 
mit Holzteer zu beftreihen. Nur in 
ſchweren Fällen ift ein Verband 
erforderlihd. In letzteren Fällen 
wird naturgemäß ftetS der Bete: 
rinär zu Rate zu ziehen fein. 

Die häufigfte Veranlafjung zum 


A = 


jeldfttätigen Eingreifen des Reiter? _ 


oder Fahrers geben die VBerlegungen 


des Hufes, hervorgerufen durdy Ein: | | 


treten von Fremdförpern (Nagel: 
tritt). Beſonders häufig find es 
Radnägel mit breiten Köpfen, melde 
bei den Pferden eingetreten werben. 
Die Tiere lahmen dabei ftarf und 
forgfältige Unterfuhung des Hufe 
läßt den Fremdkörper bald er- 
fennen. Sede ſolche Verlegung ift 
wegen der Gefahr des Starrframpfes 
als gefährlich zu betrachten. Am 
größten ift die Gefahr, wenn der 
Nagel hinter der Strahlipige ein- 
gebrungen war, da hier die Huf- 
beinbeugejehne und das Hufgelenk 
dicht über dem Horn liegen. Natur- 
gemäß wird die Gefahr um Jo 
größer, je tiefer der Nagel einge- 
drungen ift. 


zz re 


c— 
a 


Bra —7* 


= 


aa Re z—serÄr nn Br 3B * 


II. 7. Bothilfe bei Unglürksfällen. 


Die Hilfeleiftung hat in der Ent- 
fernung des Fremdkörpers zu be- 
ftehen, wobei man forgfältig darauf 
achtet, daß nicht ein Teil desjelben 
in der Wunde zurücbleibt. So— 
dann wird der Huf gründlich ge: 
reinigt, mit Waſſer und Seife, der 
Stichfanal etwas erweitert und ein 
Bad in einen halben Eimer Wund⸗ 
wafjer gegeben. Sofern e3 möglich 
ift, wird der Huf nunmehr ver- 
bunden und über den Verband ein 
Schuh angelegt. Muß weiter ge⸗ 
ritten werben, jo wird auf die 
wunde Stelle etwas Berband- 
material gelegt, und dieſes durch 
zwei über Kreuz gelegte, biegjame 
Hölzer, welche zwiſchen Huf und 
Eifen gehoben werden (Splint- 
verband) befejtigt. Auch Tann man 
durch einen Blechdedel, der mit 
einer Naſe am vorderen Teil unter 
das Eifen gefhoben wird und am 
hinteren Teil mit Hilfe der Schraub- 
ftolen angefchraubt wird, einen 
feften Verband berftellen, der es 
gestattet, daS Pferd weiter zu be= 
nügen. 

Zumeilen wird in der Schmiede, 
befonders bei zu ſtarkem Bejchneiden 
der Hufe, ſowie bei brödlichen 
Hufen ein Nagel, anftatt in das 
MWandhorn in die Fleifchteile des 
Hufes Hineingejagt. Wird Diefer 
Nagel ſofort entfernt, fo find üble 
Folgen damit nicht verfnüpft. Man 
hat dann aber ftet3 dafür zu forgen, 
Daß in der Nähe fein anderer 
Nagel gefchlagen wird, fonjt ent- 
ftehen meift nadteilige und lang: 
Dauernde Folgen. 

Durch Auftreten des Hufeiſens 
des einen Hufe auf den andern 
entjtehen, beſonders im Winter, 
wenn Scharfe Stollen vorhanden 
find, gefährlihe Verletzungen an 
der Krone des Hufes (Kronentritt). 
Diefelben erfordern forgfältige 
Reinigung und Verband. 

130. Lahmheit. Als Lahmheit 


Nro. 130—131. 


bezeichnen wir denjenigen Zuſtand 
einer Gliedmaße, bei dem dieſelbe 
durch irgend eine Erkrankung in 
ihrer freien Benutzung gehindert 
iſt. Meiſt empfinden die Tiere 
Schmerzen und ſuchen die Belaſtung 
abzukürzen. Sit die Lahmheit hoch⸗ 
gradig, ſo wird der erkrankte Fuß 
entweder gar nicht aufgeſetzt oder 
nach vorn geſtellt. Läßt man das 
Pferd im Trabe vorführen, ſo tritt 
es mit dem lahmen Fuß weniger 
ſtark auf, auf den geſunden ſtärker. 
Man hört lup, dup, lup, dup. 

Der ſchwächere Ton rührt dann 
alſo von dem erkrankten Fuße her. 
Hierbei darf man aber nur die 
gleichnamigen Beine, entweder 
Vorderbeine oder Hinterbeine be⸗ 
trachten. Auch dann iſt die 
Erkennung des Sitzes der 
Lahmheit nicht in jedem 
Falle leicht. Sind nicht deut- 
liche Verletzungen (Wunde, Nagel⸗ 
tritt) als Urſache der Lahmheit 
feſtzuſtellen, ſo überlaſſe man 
die Behandlung ſtets dem 
Veterinär. Dies iſt um ſo 
zweckmäßiger, da die erſte Behand- 
lung in jedem Yale in Ruhe be- 
ftehen muß. Bleibt dag Pferd bis 
zum Eintreffen des Tierarztes ruhig 
im Stalle ftehen, fo ift damit meijt 
für die Behandlung mehr getan, 
als wenn es an irgend einer Stelle, 
die oft gar nicht der Sit der Lahm⸗ 
heit ift, gefühlt wird, oder gar das 
Tier zu einem meit entfernten 
Bache oder Fluß geführt wird. Hat 
der Arzt ein bejtimmtes Gelent 
oder Sehne als erfrantt feitgeftellt, 
und verordnet Kühlen desſelben, 
fo erfolgt das legtere da, wo Stal- 
lungen mit fejtem Unterboden vor⸗ 
handen find, am beſten im Stalle 
jfelbft, weil bier die Tiere am 
rubigiten ftehen bleiben. 

131. Knochenbrüche. Eine plötz⸗ 
lihe Trennung des Zufammenhanga 
des Knochens bezeichnen wir al? 


ur. rn — 


Top. a en: he er 


Nero. 132. 


Bruch. Die Urfaden find meijt 
äußere Gewalten (Stoß, Schlag, 
heftiges Parieren, Sprung). Es 
kann der Knochen in feinem ganzen 
Zufammenbange durchbrechen, oder 
er kann wie ein Topf einen Sprung 
(Fiffur) erhalten. Wer das Bild 
des Anochenftelettes fih gut ein 
prägt, wird meift imjtande fein, 
durch Bewegung der unteren Slied- 


maſſe feftzuftellen, um welche Anos | 


hen es fih handelt. 

Die Tiere feßen in der Regel 
den gebrochenen Fuß gar nicht auf, 
fondern halten ihn frei in der Luft. 
Meiſt erſcheint er kürzer als Die 
gefunden Gliedmaßen und läßt man 
das untere Ende von einem Ge- 
hilfen aufheben, fo bemerkt man 
an der gebrochenen Stelle ein 
knirſchendes Geräufch, das beſonders 
gut beim Auflegen der Hand ver: 
jpürt wird. 

Es gibt Zerreißungen von Sehnen, 
die fehr wohl heilen können, und 
vollftändig das Bild eines Knochen: 
bruches vortäufhen. Wenn aljo 
der Bruch nicht ganz ficher feitge- 
ftellt wird, fei man mit dem Urteil 
vorfichtig. Leider ift bei der Körper: 
ſchwere der Pferde der Bruch von 
Knochen meift das ZTodesurteil für 
das Pferd. Wo ed alfo möglich 
ift, laſſe man das Tier ruhig ftehen 
und Hole ſobald als möglich den 
Veterinär herbei. Dies kann um fo 
ruhiger gejchehen, ald die Tiere 
in den erſten Stunden fo gut 
wie gar feine Schmerzen zeigen; 
fie verzehren vorgelegtes Futter mit 
größten Appetit. Dasſelbe Ber: 
fahren gilt auch dann, wenn der 
Bruch oder Sprung eined Knochens 
nur vermutet wird. Grade in leh- 
teren Fällen trägt unbedingte Ruhe 
zur Heilung außerordentlich viel bei. 

Iſt natürlid der Knochenbruch 
fiher feftgeftellt, liegen 3. B. die 
gebrochenen Knochenenden frei, fo 
bleibt nicht8 anderes übrig, al3 dag 


Dr. Goldbechk. 


Zier zu töten. Da Pferde immer: 
bin noch einen gewifſen Schlacht: 
wert haben, fo liegt es im Intereſſe 
der Allgemeinheit, ſolche Tiere dem 
Schlächter zu überliefern. 

132. Kolik. Als Kolik bezeich⸗ 
nen wir eine Reihe von krankhaften 
Zuſtänden, bei denen die Tiere als 
Haupterſcheinungen Schmerzen im 
Bereiche der Bauchhoͤhle zeigen. 

Die Tiere ſind unruhig, ſcharren, 
ſehen ſich nach dem Bauche um, 
ſchlagen nach demſelben, ſie ſtrecken 
den Körper, legen ſich nieder, 
ſpringen auf, legen ſich auf den 
Rücken oder verſuchen ſich zu mwälzen. - 
Dabei verfagen fie die Aufnahme 
von Futter und Wafjer, drängen 
auf den Kot, zumeilen auch auf den 
Horn. Im leßteren Falle nehmen 
die Vferdepfleger meift irrtümlich 
an, daß die Pferde nicht ftallen . 
fönnen. Jede, auch die leid - 
tefte Kolik, Tann in ihrem 
weiterenBerlaufezumTode 
führen. Es gibt feine andere | 
Krankheit beim Pferde, welche jr | 
viele Berlufte aufweiſt, als grade ' 
die Kolif. Deshalb wird man be 
ſonders bei wertvollen Pferden, um 
die es fich beim Sport meift handelt, 
in jedem Falle von Kolik den 
Veterinär hinzuziehen. Bis 
zum Eintreffen desſelben wird das 
Tier in die friſche Luft geführt 
Grade diefe wirft bei der Kolil ı 
wie bei allen inneren Erfrantunger 
außerordentlih heilend. Zuden 
wird durch die ruhige Bewegun— 
des Tieres die Tätigfeit de Darmel 
angeregt, und das Pferd daran ge 
hindert, ſich rückſichtslos niederzu 
werfen. Sodann läßt man dit 
beiven Bauchwände kräftig mil 
Strohwiſchen reiben, 20 big 30 
Minuten lang. Befteht feine Kot 
oder Gasentleerung, jo wird dei 
Bauch von zwei Leuten, anftatt zu 
reiben, gedrückt. Die beiden av 
beiten jo, als ob fie jich mit ihren 


3.8 


= 


AFTER R 


EEE en 


I. 7. Boihilfe bei Unglürksfällen. 


Fäuften dur den Bauch des Pfer- 
des hindurch die Hand reichen 
wollten. Endli legt man eine 
feuchte Komprefje um den Baud). 
Es wird ein Sad in einen Eimer 
falten Waſſers getaucht, und jo 
ausgerungen, daB er eben noch 
feucht if. Der Sad wird auf 
einen Woilach gelegt und fommt 
derart um den Bauch des Pferdes, 
daß ein luftdichter Abſchluß erfolgt. 
Durch Dedgurte am vorderen und 
hinteren Ende des Umifchlages 
wird das Ganze feitgehalten. 
133. Borbeuge innerer Er: 
frantungen. Eine große Anzahl 
von inneren Erkrankungen des 
Pferdes lafjen fich durch forgfältige 
Pflege dieſes Tiere vermeiden. 
Insbeſondere gehört dazu die Ber- 
wendung nur guten Futters, guten 
Strohes, Negelmäßigfeit in der 
Fütterung, gute Lüftung des 


Nero. 133. 


Stalles. Grade in le&terer Hin- 
fiht wird meift viel gejündigt. 
Die Pferde find Lufitiere, und 
werden dur den Aufenthalt in zu 
warmen Stallungen, über 10 Grad, 
derart verweichlicht, daß fie den 
Anftrengungen des Sportes nicht 
mehr gemadjen find. Endlich ift als 
ein wichtiges Mittel zur Vorbeuge 
vieler Erkrankungen (Kolik, Hitz⸗ 
ſchlag) das regelmäßige und reich- 
liche Tränken der Pferde zu nennen. 
Wenn auch die Tiere von Wafler 
in ſehr verſchiedener Weife Ge- 
brauch maden, jo fehlt ihnen doch 
die Eigentümlichkeit des Menjchen, 
dag Trinken im Uebermaß zu be- 
treiben. Durch Verabreichen von 
Waſſer zur beliebigen Aufnahme, 
durch Gelegenheit zum Saufen bei 
der Arbeit, Tann man deshalb 
viele Berlufte an wertvollem Pferde⸗ 
material vermeiden. 


ERFERTERFEFERRTELTRIE REIT Tr TEE T Te 


Il. Der Alpinismus. 
Von 
Alfred Steinitzer, Major a. D., München. 


(Mit Driginalgeihnungen von Carl Moos : Planegg.) 


„Sn Die Berge!” ruft ein jeber, 

Miündlich teils, teil mit der Feder. 

Und es iſt aud wirklich fo. 

Dort erft wird man frei und froh! 
(Fliegende Blätter.) 





1. Der moderne Alpinismus, Pygiene und Pbylio- 
logie, Bekleidung und Husrüftung, Allgemein- 


Touriftilche 


Alpinismus und Bod- 
touriltik, 


134. Vom modernen Alpinis- 
mus. Die antiten Bölfer, das ge- 
famte Mittelalter und noch ein 
großer Teil der Neuzeit ſtanden 
dem Hochgebirge fremd, ja feind- 
felig gegenüber. Allerdings treffen 
wir auch einige Ausnahmen, Dante 
und Betrarca werden vom Baus 
ber der Gebirgswelt geftreift und 
in den Zeichnungen Leonardo 
da Bincis befundet fi ein be= 
wunderungsmwürdiges Gefühl für 
die Bergformen. Die beiden 
Schweizer Naturforfher K. Geßner 
und Scheuchzer bezeugten ein 
lebhaftes Intereſſe an den Schön 
heiten der fie umgebenden Hoch⸗ 
alpen und Haller Pidtung 
„Die Alpen“ fand froß ihres 
trodenen und lehrhaften Tones 
mächtigen Widerhall bei feinen Zeit: 
genoſſen. 


Grundlätze. 


| 
Der erfte aber ift Jean Jacı Ä 
. 


ques Roufjeau, der nicht nur 
die Empfänglichkeit für die Schön: 
beit und Erhabenheit des Hoch— 
gebirges befitt, fondern fie aud 
mit flammender Begeifterung ver 
fündet; an die Stelle jcheuen, 
furchterfüllten Anſtaunens tritt bei 
ihm die äſthetiſche Würdi— 
gung Mit dem Eintritt der 
wiflenfhaftliden Beobachtung wird 
das ftürmifche Naturempfinden bei 
Goethe zum bewußten Ge; 
nießen; der Gedanke der Ent: 
widelung, eine der größten Taten 
ſeheriſchen Menfchengeiftes und 
forfchender Wiſſenſchaft zeigt dem 
Menſchen feine ewige Heimftätte in 
der Natur, im Kosmos. 

Etwa in der Mitte des vorigen 
Jahrhunderts tritt als neues Ele: 
ment die Hochtouriſtik Hinzu, 
die „körperliche Betätigung des 
Menſchen im Hochgebirge und deren 
Rückwirkung auf das feelifche Emp⸗ 


ın 


| 
| 


be 
m 


II. Der Alpinismus. 


Nro. 134. 


finden“. Sie findet ihre Wurzeln | feren und Gipfelfreffer beißen. 
in dem unabweisbaren Bedürfnijle | Leiftung, Schwierigkeit und Gefahr 
des modernen Menſchen, die bes | find großenteils fubjektive Begriffe 


engenden Feſſeln der Zivilifation 
zeitweife abzuftreifen, um die brach⸗ 
gelegten Kräfte und gebundenen 
Snitinkte im Kampfe mit der Natur 
zu betätigen. 

Es ift dies das ſportliche 
Moment, „mit dem die geiſtige 
Bewegung, die mit Rouſſeau 
begann, ihr letztes und bezeichnend⸗ 
ſtes Merkmal empfängt; ſie wird 
zu der Erſcheinung, wie wir ſie in 
der Gegenwart ſehen und der wir 
als Geſamtheit mit allen ihren 
Nebenwirkungen den Namen Al⸗ 
pinismus beilegten.“ (Hegen- 
auer.) 

Durd die Entwidelung des Ber: 
kehrsweſens, die Erſchließung der 
Gebirgswelt durd die Weg- und 
Hüttenbauten der alpinen Vereine 
u. dgl. hat der Alpinigmus einen 
noch vor einigen Sahrzehnten un⸗ 
geahnten Aufſchwung genommen, 
fo daß die Kenntnig der Alpen 
heutzutage zu einem Inventar un 
ſeres allgemeinen Bildungsjchages 
gemorden ift. 

Die Bedeutung des Alpinismus 
anderen Sporten gegenüber liegt 
in der Bereinigung des äfthes 
tifhen Genießend, des bemußten 
Naturerfenneng mit der rein ſport⸗ 
lichen Betätigung. Dazu fommt noch 
die ethifche Seite, denn fein Sport 
fordert in gleihem Umfang ruhige 
Ueberlegung und rafchen Entfchluß, 
entfagende Selbjtüberwindung , 
ftandhaftes Ertragen von Entbeh- 
rungen und ausdauernde Tatfraft, 
fowie aufopferungsvolle Hilfäbereit- 
Tchaft gegen den Kameraden. End- 
lich tritt beim Alpinismug das Mo- 
ment des Wettbewerbs zurüd, der 
Rekord verſchwindet, der Gewinn ift 
ein rein idealer. Das letztere gilt 
für alle, mögen fie nun Jochfinken 
und Bergbummler oder Sletter: 


und deshalb ift Geringihätung auf 
der einen Seite ebenſowenig am 
Plage, wie auf der anderen Ber: 
ftändnislofigfeit denen gegenüber, 
die ihre Ziele höher ſtecken. Die 
Liebe zu den Bergen vereint aud) 
die Ertremften und jeder empfindet 
in feiner Weife die Freuden des 
Sieger3. 

Etwas anderes iſt's um die 
Gegner des Alpinigmus. 

Der Alpinift geht feine eigenen 
Pfade, er bietet den Mitmenfchen 
fein Schaufpiel wie andere Sporte. 
Bei diejen ift der Laie wenigſtens 
Zujdauer, er fennt die Elemente, 
wenn auch nur oberflädlid, und 
findet dabei für ſich felbft Unter: 
haltung. Nicht jo beim Alpinis⸗ 
mus und deshalb hat er mehr und 
erbitterte Feinde, als jeder andere 
Sport. Müßiggänger und Denf: 
faule find es zumeift, welche feine 
Kulturmacht nicht erfajlen können; 
auf ſolche iſt das Wort gemünzt: 
„Du gleichſt dem Geift, den du be⸗ 
greifft.“ 

Ich darf hier bemerfen, daß 
ih im Hinblid auf den Zweck des 
Buches und den zur Berfügung 
ftehenden Raum im nachfolgenden 
dasjenige eingehender behandeln 
zu müſſen glaubte, was mir für den 
angehenden Bergfteiger zu 
wiflen als vordringlihd erichien. 
Deshalb mußte die alpine Ted: 
nit verhältnismäßig furz 
gefaßt werden, da ihre Be— 
herrſchung erſt von dem verlangt 
werden kann, der wenigſtens mittel: 
fhwere Touren führerlos zu 
unternehmen imftande ift, aljo fchon 
einige Erfahrung befitt. Für mid 
fonnte es fich alfo nur darım han 
deln, einen allgemeinen Leber: 
blic über das geſamte Gebiet zu 
geben, das die Hochtouriftif umfaßt, 


Nero. 135. 


fowie auf diejenigen Fragen und |. Tſchudi, 


Verhältniſſe Hinzumeifen, die der 
Hodtourift Ternen und beberrichen 


muß. 

135. Zur Entwidelung der 
Hochtouriſtik. Die Alpen find er: 
ſchloſſen, was noch Neues geleiftet 
werden kann, hat nur mehr aus⸗ 
ſchließlich ſportliche Bedeutung. Die 
Begründer der Hochtouriſtik hatten 
es nicht ſo leicht, wie die ihnen 
techniſch allerdings weit überlegenen 
Bergſteiger von heutzutage. Für 
ſie galt es noch zu entdecken und 
das Entdeckte feſtzuhalten, auf un⸗ 
bekannten Pfaden ohne die Er— 
leichterung hochgelegener Schlaf⸗ 
plätze eine fremde, noch feindliche 
Welt zu erobern. Schon um an 
den Ausgangspunkt der eigentlichen 
Beſteigung zu gelangen, um die 
Fülle von Unverſtändnis und 
Widerſtänden zu beſiegen, die ſich 
jedem hochalpinen Unternehmen 
entgegenſtellten, war meiſtens mehr 
Willensſtärke, Zähigkeit und Bes 
geiſterung vonnöten, als heutzutage 
zu mehrwöchigen Bergfahrten. Es 
ziemt den Epigonen, die in der 
Bewältigung einer mit dem ſtolzen 
Ausdrucke „alpines Problem“ be- 
zeichneten Variante echten alpinen 
Lorbeer zu erringen glauben, in 
Ehrfurcht und Dankbarkeit jener 
Männer zu gedenken, die uns 
neue Ziele wieſen und die Wege 
ebneten. 

Die erſten bedeutenden und bahn⸗ 
brechenden Gebirgsexpeditionen wa⸗ 
ren die Beſteigung des Montblanc 
durch Sauffure 1.3.1787 und 
des Großglockners i. 3. 1800, die 
durch den Fürftbifhof Graf Salm 
ing Werk gejegt wurde. Die ei- 
gentlihe Wiege der Hochtouriſtik 
it die Schweiz, unter den älteren 
Schweizer Gebirgsforichern find be⸗ 
fonder8 zu nemen 9. Chrijt, 
General Dufour, M. Ulrid, 
D. Heer, ©. Studer, F. und 


Alfred Steiniker. 


% J. Weilen- 
mann und €. Savell. Eine 
befondere Förderung nad der rein 
ſportlichen Seite erfuhr der Alpi- 
nismus durch die Engländer, die 
fih hauptſächlich in den Weftalpen 
betätigten; unter ihnen find als 
die hervorragendften J. Ball, 
VB.M. Conway, W.A.B.Coo- 
lidge, C. T. Dent, D.W. Fres⸗ 
field, E. ©. Kennedy, A. F. 
Mummery, L. Stephens, 
F. F. Tuckett, J. Tyndall 
und E. Whymper zu verzeichnen. 

In den Oſtalpen eröffnen V. 
Stanig und P. K. Thurwieſer 
den Reigen, ihnen folgen Fried—⸗ 
ri Fürft Schwarzenberg, 
A. v. Ruthner, J. A. Spedt, 

. 8% BWeilenmann, 9. v. 

arth, 3. v. Bayer, K.Hof—⸗ 
mann, J. Stüdl, $. Senn, 
P. Grohmann. Unter den neue: 
ren Vertretern find u.a.: v. Hecht, 
P. Güßfeld, M. v. Dedy, 
E Richter, K. Schulz, T. 
Harpprecht und A. Madlener 
zu nennen. 

Die Bahnbrecher des modernſten 
Alpinismus im beſten Sinne des 
Wortes ſind L. Purtſcheller 
und die Gebrüder Zſigmondy. 
Ihnen war das führerloſe Gehen 
Ideal; harmoniſch verbindet ſich in 
ihnen die Begeiſterung für die 
ewige Schönheit des Hochgebirges 
mit dem rein ſportlichen Element 
kühnſten Wagens. Die jüngſte 
Schule der Alpiniſten betont nahe⸗ 
zu ausſchließlich das letztere, es 
ſind die alpinen Stürmer, die vor 
keiner Schwierigkeit zurückſchrecken; 
ſelbſtverſtändlich gehen ſie führer⸗ 
los und ſchlagen mit ihren Lei⸗ 
ſtungen die beſten Führer. Von 
den alpinen und noch mehr von 
den anderen Philiſtern angefeindet, 
muß man doch anerkennen, daß 
auch ihrem Handeln ein rein ide⸗ 
aler Zug zugrunde liegt, ein in 


„zu veuTre _S.. EWR _ 5: gg: 


UI. Der Alpintsmus. 


unferer materiellen Zeit nicht hoch 
genug zu jhätendes Moment. Für 
fie gilt dag Dichterwort: „Und 
ſetzet Ihr nicht das Leben ein, nie 
wird Eud dag Leben gewonnen 
fein.” Die Alpiniften älterer Ge: 
neration, die da nicht mehr „mit 
tun“ können, dürfen fie immerhin 
beneiden. Daß in den letten Sahr- 
zehnten auch dag ſchwächere Ge- 
Schlecht fi den Bergen gegenüber 
ſtark erwies, bezeugen die Namen 
Jeanne Jmmint, Hermine 
Tauſcher, Beatrice Tomaſ— 
fon, Louiſe v. Chelminski, 
Zenzi v. Fider, Jlona und 
Rolanda v. Eötvös u. a. 


Hygiene, Geſundheitsſtö- 
rungen, Leiftungsfäbigkeit. 


136. Zur Hygiene und Phy: 
fiofogie. Was in Abjchnitt I. über 
die hygieniſche Bedeutung des 
Sport8 im allgemeinen gejagt 
murde, trifft für den Alpinismus 
in erhöhtem Maße zu. 

Prof. Zung faßt die Wirkungen 
des Sports in folgendem Sate 
zujammen: „Wir erreidhen durch 
die fportlihde Tätigfeit und ſpe⸗ 
ziell durch Ausübung des 
Bergiports ein Anwachſen un: 
ſerer Körpermugfulatur, eine Stär⸗ 
fung des Herzens und der Lunge, 
eine Uebung des Nervenfyftems und 
eine Stählung und Stärkung un: 
ferer pſychiſchen Funktionen.” Das 
Bergiteigen ift demnach (nach Prof. 
Örtel) als eine Bewegungskur 
anzuſehen, bei der durch intenfive 
Arbeitsleiftung vornehmlich Herz: 
muskel- und reſpiratoriſche Gym⸗ 
naſtik getrieben wird. Durch die 
ſtarke Schweißabſonderung wird 
der Körper bedeutend entwäſſert, 
unter der Einwirkung des Höhen: 
klimas — deſſen Einfluß auf den 
gefamten Organismus des Berg: 
fteiger8 in den Werfen der Pros 


Nro. 136—137. 


fefloren Moſſo und Zung eine 
Haffifhe Darftelung erfahren hat 
— die Blutbildung gejteigert und 
eine befjere Ernährung aller Kör: 
perorgane bewirkt. Durch Die 
Tätigkeit der Bein, Arm: und 
Bruftmugfeln ſowie die erhöhte 
Herztätigfeit wird die Blutzirfu- 
lation verbeflert, dur Anregung 
jämtliher Ausſcheidungsvorgänge 
und Steigerung de3 Verbrennung?- 
prozeſſes, d. h. des Stoffwechſels 
wird der Appetit gehoben. 

Durch die anhaltende geiſtige 
Ruhe erholt ſich das Nervenſyſtem, 
ed wird umgeſtimmt und neu ge- 
ſtärkt. 

So kann man mit vollem Recht 
behaupten, daß eine mehrwöchige 
Bergtour den ganzen Organismus 
regeneriert und die körperliche Wi⸗ 
derſtandsfähigkeit und die geiſtige 
Spannkraft gegen künftige Anfor⸗ 
derungen ſtärkt. 

137. Die häufigſten Störungen 
in Wohlbefinden und Geſundheit. 
Der häufigſte, das Wohlbefinden 
und damit die Leiſtungsfähigkeit 
beeinträchtigende Zuſtand iſt die 
Uebermüdung. Sie entſteht da— 
durch, daß in den Muskeln durch 
große Anſtrengungen Ermüdungs⸗ 
gifte gebildet und vom Blut auf: 
genommen werden. Mit größerer 
Höhe wächſt die Bildung der Er—⸗ 
müdungstorine infolge des Sauer: 
ftoffmangeld. Hand in Hand mit 
der Webermüdung geht das Nach— 
laffen der geiftigen Spanntraft und 
der Willendenergie, das ſich bis 
zur völligen Lethargie fteigern kann. 

Der Uebermüdung kann dadurd 
vorgebeugt werden, daß man ans 
fänglih einige Kleinere Touren 
unternimmt und entjprechende Rait= 
tage einlegt, bi ſich der Organis— 
mus an die phyfifhen Anftrengun: 
gen gewöhnt und dem Höhenklima 
angepaßt bat. Hat man ich ven: 
noch übermüdet, was auch dem 


Niro. 137. 


I————— 


Alfred Steinihher. 


trainierten Bergſteiger nach ſehr | Momente; die Tour fol deshalb 


anftrengenden Tourenzuftoßen kann, 
fo ift e8 notwendig, fi gründlich 
auszuruhen, bis die Leiftungsfähig- 
feit wieder normal it. 
Verdauungßftörungen 
fegen die körperliche Leiftungs: 
fähigkeit jehr herab. Am häufig- 
jten iſt die Urſache das Trinken 
von zu vielem und zu falten Waſſer; 
oft werden fie auch Durch äußerliche 
Berfältung hervorgerufen. Nach 
großen Anjtrengungen ift ſchwere 
Nahrung, indbefondere Fleiſch, nicht 
befömmlih; erſt wenn ſich der 
Körper wieder erholt hat, ſoll man 
ihm eine ergiebige Mahlzeit zu— 
muten. Leichter Tee, heiße Limo⸗ 
nade, Suppe, weiche Eier, Ome— 
lette mit Marmelade u. dgl. find 
unmittelbar nad) Beendigung einer 
großen Tour am bekömmlichſten. 

Die Bergfranfheit tritt bei 
einzelnen ſchon in 3000 m Höhe, bei 
andern erft von 4000-5000 m ein. 
Sie hat ihre Urſache in dem Sauer: 
ftoffmangel der dünneren Luft- 
Schichten, die allgemeinen Sym- 
ptome find Mattigfeit, die fich bis 
zum völligen Verfagen der Musteln 
fteigern Tann, Kopfichmerz, Herz- 
Hopfen und Atmungsbeſchwerden, 
Abneigung gegen Nahrung, Nebel- 
feiten bis zum Erbrechen, allges 
meine Apatbhie. Diefe Erjcheinungen 
treten bei förperlicher Anftrengung, 
alfo beim Bergfteigen, in geringerer 
Höhe und intenfiver auf, als wenn 
man paſſiv in die Höhe gelangt. 
Sm Luftballon werden deshalb weit 
größere Höhen ohne Befchwerden 
erfragen. 

Nachdem als mitwirkfende Ur: 
ſache die ftarfe Förperliche Anftreng- 
ung bedeutungsvoll ijt, fo iſt bei 
Touren, die in großeHöhe führen, ein 
vorausgehendes Training in mittle= 
ren Höhen erforderlid. Ermüdung, 
unzureichende Nachtruhe und mangel⸗ 
hafte Ernährung ſind disponierende 


ausgeruht angetreten werden, für 
genügende und zweckmäßige Nah: 
rung iſt zu ſorgen. Tiefes Atem⸗ 
holen, das die Sauerſtoffzufuhr zu 
den Lungen ſteigert, beugen dem 
Eintritt vor. Belebende Mittel, wie 
Kognak, Hoffmannſche Tropfen, Kola 
können für kurze Zeit Erleichterung 
ſchaffen; wenn die Beſchwerden zu 
intenſiv werden, erübrigt nichts als 
in niedrigere Höhenlagen abzu— 
jteigen. 

Sonnen: und Gletjder: 
brand entjtehen burd die ftärfere 
Sntenfität der chemiſchen Licht: 
jtrahfen in größerer Höhe. Die 
Symptome find Rötung und‘ 
Schwellen der Haut, die fich in der 
Folge ablöft, Bildung von juden- 
den Bläschen; bei hochgradigem 
Sonnenbrand tritt jchmerzhafte 
Entzündung ein, die von ftarfem 
Fieber begleitet ift. Am Jeichteften 
treten dieſe Erfcheinungen bei friſch⸗ 
gefallenem Schnee auf, weil dieſer 
das Licht am intenfivften reflel- 
tiert. 

Grundfäglih find Geficht und 
Hände vor Antritt einer Schnee: 
oder Eistour nicht zu waschen, am 
wenigjten mit Seife, die das eigene 
Hautfett aus den Voren entfernt. 
Ein guter Schuß tft, die Haut, und 
zwar alle unbededten Teile, mit 
einer ſchwer ſchmelzbaren Fettſchicht 
(Ichtyollanolin, Zinkſalbe) zu be: 
decken; Paulke empfiehlt Dr. H. 
Lorenz's Gletſcherſalbe beſonders. 
Nach der Entzündung hilft Ein- 
reiben mit fetter Milch, die einen 
fühlenden Einfluß ausübt, Damen 
jhügen fi außerdem durd einen 
Schleier (grün ift am beiten), der 
jedoch andererfeitS den Nachteil 
hat, die Erhigung zu fteigern. 

Schneeblindheit wird durd 
die Reflerwirkung des Schnees auf 
die Augen erzeugt, fie tritt indeſſen 
auch bei diffufem Licht, felbft bei 


HE ren. Pe 


II. Der Alpinismus. 


Nro. 138. 


Nebel auf. Den einzigen Schuß | anftrengung auch längere Zeit hin- 


gewährt eine Schneebrille von rauch⸗ 
grauer Farbe; für große Eis- und 
Schneetouren nehme man dunlle 
Gläfer. Kalte Umfchläge lindern 
den Schmerz, Schuß der erkrankten 
Augen vor jeder Lichteinwirkung 
und die Heranziehung eines Arztes 
bei bochgradiger Schneeblinpheit 
find unbedingt nötig. 

Um dad Wundlaufen der 
Füße zu vermeiden, ift die erjte 
Bedingung Reinlichfeit. Laue oder 
falte Fußbäder find marmen vor: 
juziehen, da lettere die Oberhaut 
zu jehr erweihen und empfindlich 
maden. Nah dem Bad ift der 
Fuß ordentlich zu frottieren. Wunde 
Stellen werden am beiten mit 
Zinkſalbe beftriden; an der be— 
treffenden Stelle einen Leinenfled 
einzunähen, der das Eintrodnen 
der Salbe in den Soden verhin- 
dert, ift praktiſch. Gegen Schweiß: 
füße Hilft das Salizyl-Fußitreu- 
pulver; zur Verhütung des Wolfes 
wird Zink⸗ oder Gletſcherſalbe vers 
mendet. 

Erfrieren. Scmwerere Yälle 
werden im Abſchnitt XV beſpro⸗ 
hen; fie werden, wenn in bezug 
auf Kleidung die erforderlichen 
Borfihtsmaßregeln getroffen find, 
nur als Folge von Unglüds- 
fällen eintreten. Leichtes Erfrieren 
der Füße, Hände, Ohren bejteht in 
bloßer Erftarrung und Abgeftorben- 
fein; die erfrorenen Körperteile 
werden weiß und gefühllos, die 
Haut wird runzelig. Die betroffe- 
nen Glieder dürfen nur langjam 
eine höhere Temperatur erlangen; 
Reiben mit Schnee ift das beite 
Mittel durch die folgende Reaktion 
Die normale Empfindung herzu⸗ 
ftelen, deren Eintritt fi durch 
ein ftart pridelndes Gefühl und 
Rötung ankündigt. 

138. Leiftungsfähigfeit. Ein ge- 
übter Bergfteiger kann ohne Ueber- 


durch jeden Tag gehen. Cine 
durchſchnittliche Marjchleiftung von 
7—10 Stunden und die Bemälti: 
gung eines Höhenunterjchied3 von 
1500 m genügt, um in den Oft: 
alpen die weitaus meiſten Hoch— 
touren auszuführen. Ungünſtiges 
Wetter erzwingt ohnedem zur rechten 
Zeit auch unwillkommene Raſttage. 
In den Weſtalpen iſt es wegen 
der größeren Höhenunterſchiede 
kaum möglich, mehr als alle zwei 
Tage einen Gipfel zu beſteigen. 
Einmalige Leiſtungen können we: 
ſentlich größer ausfallen als Dauer⸗ 
leiſtungen; bei Beginn einer Reihe 
von Bergtouren ſoll man mit einer 
nicht zu anſtrengenden Tour an⸗ 
fangen und dann einen Raſttag 
einſchieben, denn auch der rüſtigſte 
Menſch bedarf einiger Tage der 
Uebung, ehe er zu großen Leiſtungen 
fähig iſt. 

Was die Steigegeſchwin— 
digkeit anlangt, ſo gilt als Regel, 
daß man auf Saummegen und Fuß: 
fteigen in der Stunde 400 m Höhen⸗ 
differenz zurüdlegt. Bei Touren, 
bei denen der Aufitieg 5—8 Stun- 
den dauert, ift e8 empfehlengmwert, 
nicht mehr al3 300 m zurüdzulegen. 
Auf Schneehängen wird man bei 
guter Schneebejchaffenheit 250 bis 
300 m rechnen dürfen. Bei großen 
Höhen von über 4000 m wird fidh 
die Marichgefchwindigleit im Ber: 
hältnis zum abnehmenden Luftdrucke 
verlangjamen. 

Durch Schlecht verbradte Nächte 
oder Biwaks wird die Leiftungs: 
fähigkeit nicht unweſentlich herab: 
gejegt, ebenfo durch Schneewaten 
und Steigen in loſem Geröll. 
Klettertouren ftrengen erfahrung®: 
gemäß weniger an als Gletjcher: 
touren, weil die Muskulatur viel- 
feitiger in Anfpruh genommen 
wird und fie auch meiſt mehr Ab- 
wechslung bieten. Großen Einfluß 


Niro. 139-141. Alfred Steiniker. 
auf die Leiftungsfähigteit hat end: | Korpulenz neigt, Tann mit Vorteil 
lid dag Gewicht des mitgeführten | vor Antritt feiner bergfteigerifchen 
Gepäcks. Tätigkeit ein paar Dampfbäder 
139. Training. Ein eigentlich nehmen, um den Körper etwas zu 
ſportliches Training (wie z. B. beim entwäſſern; hierdurch wird Das 
Ruderſport) iſt beim Bergſteigen übermäßige Tranſpirieren bei den 
ſchon deshalb nicht nötig, weil der erſten Touren erſpart. 
Vergleich der Leiſtungen, die Er: 140. Raſttage. Wenn der Abend 
zielung des „Rekords“ wegfällt. ſchönes Wetter verſpricht, und der 
„Jemand, der im allgemeinen nach Gedanke, früh aufſtehen zu müſſen, 
den Regeln der Hygiene lebt, ein gelindes Grauen erweckt, fo iſt 
braucht fic) deshalb feiner bejon= | man müde, fei e8 körperlich oder 
deren Trainierung für Alpentouren auch geiftig unter der Wucht der 
zu unterziehen; andererfeit3S aber empfangenen Eindrüde. Wer Die 
dürfen jene, die ihr Beruf zuhaufe Hochgebirgdnatur genießen will, 
beftändig zu einer ſitzenden Lebens— | zwingt fich dann nicht zu der Tour, 
weiſe zwingt ... ſich nicht einbil- jondern fchaltet einen Rafttag ein, 
den, daß eine einzige Uebungstour | ehe er dur‘) Ermüdung die Genuß- 
allein genüge, um die Wirkungen ' freudigfeit völlig einbüßt. Sie 
einer acht- bis zehnmonatlichen  fommt aud) nad) den größten An- 


alpinen Untätigfeit aufzuheben.” 
(Dent.) Es iſt demnach, je nad) 
der förperlihen „Kondition“, ein 
mehr oder weniger langſames Vor—⸗ 
gehen in den Anforderungen, die 
man fi) zumutet, zu beobaditen. 
„Man muß vor allem wieder Tritt: 
fiherheit geminnen, die Gejamt- 
musfulatur und dag Nervenſyſtem 
müffen erft wieder leicht zufammen- 
jpielen.” (Baulfe) Wer aus 
geringer Seehöhe fommt, braucht 
auch einige Tage, bis ſich der Or⸗ 
ganismus an das Höhenflima ge— 
wöhnt. Nach wenigen Tagen der 
Uebung wird der Energieverbraud) 
bei der gleichen Yeiltung bis auf 
50%, berabgejegt, wie Zung bei 
jeinen Verſuchen ziffernmäßig fon- 
jtatieren fonnte; daraus geht um— 
gefehrt hervor, daß man nad) eini- 
gen Uebungstagen mit der gleichen 
Anjtrengung doppelt fo weit kom— 
men fann. 

Ein richtiger Alpinift wird aud 
dann, wenn ſich ihm während des 
Sahres feine Gelegenheit zu Berg- 
touren bietet, durch irgend welche 
Uebungen feinem Körper die Elafti- 
zität zu erhalten fuden. Wer zu 


ftrengungen fpätejtend am zweiten 
Tag wieder. Die fportlide Selbit- 
überwindung beſteht darin, das 
angefangene, ſoweit vernünftig 
möglich, durchzuſetzen, aber nicht in 
förperlich und geijtig mindermwerti- 
ger Berfaflung neues zu beginnen. 
Körper und Geift haben ein Recht 
auf Ruhe, und nervöſes Heben 
Ichließt von vornherein jeden wirk⸗ 
liden Genuß aus. 


Ernährung. 


141. Ernährung und Berpro- 
viantierung. Die Ernährungsfrage 
ift beim alpinen Sport im Ber: 
gleih mit anderen Sporten bes» 
halb von bejonderer Wichtigkeit, 
weil erfterer ſchon an und für fich 
eine Reihe länger dauernder kör— 
perliher Anftrengungen erfordert. 
Wer nur eine Bergtour unter: 
nimmt, wird wenig NRüdficht zu 
nehmen haben; wer hingegen meh— 
tere hintereinander durchführen will, 
muß darauf bedacht fein, feine 
Leiftungsfähigfeit dauernd zu 
erhalten, | 

Die Anforderungen, die an die 


way 3 


AR TRXın. 


. I 


— 
* 


II. Der Alpinismus. 


Niro. 141. 


Nahrung des Bergfteigers geftellt kann, viel wichtiger ift als Fleifch- 


werden müflen, find: Ausgiebig⸗ 
feit und leichte Berdaulid- 
keit. Bezüglich erjterer ift zu be⸗ 
merten, daß der arbeitende Musfel 
Fett und Kohlehydrate benötigt, 
die Koft des Bergfteiger8 alfo an 
diejen beiden reicher fein muß, als 
bei gewöhnlicher Tätigkeit. Wenn 
einerjeit8 Fett bei Höhenwan⸗ 
derungen, namentlid bei Kälte, 
in weſentlich größerer Menge ver- 
tragen wird, ald im Rubhezuftand, 
fo macht andererſeits, vornehmlich 
bei Beginn der Tourenfaifon, Die 
größere körperliche Anftrengung den 
Magen weniger leiftungsfähig, weil 
ihm durch die Muskelarbeit ein 
beträchtlicher Teil feiner Blutzufuhr 
entzonen wird. Bon vielen wird 
deshalb Fett nicht gut vertragen 
und muß durd erhöhte Aufnahme 
von Kohlehydraten erjegt werden. 

Durh die Bemwirtichaftung bez. 
Berproviantierung der Hütten ift 
in den Dftalpen eine rationelle 
Ernährung heutzutage jehr er: 
leichtert ; in den Weftalpen ift die 
Schwierigkeit deshalb größer, weil 
die Hütten meift nicht verprovian- 
tiert find und deshalb die Nahrung 
bei größeren Unternehmungen für 
einige Tage mitgeführt werben 
muß. Die Frage wird alfo erft 
dann jchwierig, wenn es fih um 
den Tourenproviant handelt. 

Die Gefihtspuntte find biefür 
wie folgt, gegeben: Höchſter Nähr⸗ 
wert bei geringjtem Gewicht (d. i. 
möglihft geringem Waffergehalt) 
fomwie ein Bolumen, das zur Stillung 
bes Hungers genügt, alfo den Darm 
ausreichend fült. Weiter ift zu 
beachten, daß die Zufammenfegung 
der Nahrung den großen An: 
forderungen an die Arbeitsleiftung 
der Muskeln entiprehen muß, daß 
aljo eine fett- und kohlehydratreiche 
Koft, wobei das Fett auch teilweife 
durch Kohlehydrate vertreten fein 


foft. So ftellt fi die Frage nad) 
der zweckmäßigſten Zufammen- 
fegung als ein reine8 Rechen: 
erempel der Ernährungsphyfiolo- 
gie dar. 

Es ift nicht möglich in Einzel: 
heiten weiter einzutreten und muß 
bier genügen, wenn die Auswahl 
der Lebensmittel kurz beiprochen 
wird, die ſich auf Grund der obigen 
Forderungen ergibt. Vielleicht ift 
es nicht überflüffig zu bemerken, 
daß die praktiſchen Konfjequenzen 
der theoretifchen Erwägungen (na- 
mentlih was den Nährwert und 
die Befömmlichkeit des Zuders an⸗ 
langt) vom Berfaffer im Berlaufe 
einer mehrere Jahrzehnte langen 
bergfteigerifchen Tätigkeit erprobt 
wurden und er fich dabei ſtets 
fehr wohl befunden bat. 

Brot ift zurFüllung ded Darmes 
(Stillung des Vagushungers) un⸗ 
entbehrlich. Fleiſchpains in 
Dofen, event. Mettwurſt, find 
auf Brot geftrihen ſchmackhaft und 
ausgiebig, erregen feinen Durft, 
(namentlich die erfteren), find ſehr 
fettreih und können für mehrere 
Tage jede andere Fleiſchnahrung 
erſetzen. 

Als Fett kommt außer dem in 
den Konſerven und der Schokolade 
enthaltenen eigentlichnur Butter, 
Käſe und Speck (möglichſt wenig 
geſalzen!) in Betracht. Butter und 
Speck erleichtern den Genuß des 
Brotes, das ſie mit ihm zugleich 
genoſſen ſchmackhaft machen; Speck 
iſt außerdem in kleine Würfel ge— 
ſchnitten als Einlage in Erbswurſt 
und Reisfuppevorzüglid.Schinfen 
ift nur zu empfehlen, wenn er 
wenig geräuchert bezm. geſalzen iſt; 
die meift ftarl gewürzte Salami 
wird von vielen nicht gut ver- 
tragen, während der Zonr macht 
fie Durſt. Sehr nahrhaft und 
mohlihmedend find ferner Sar- 


Neo. 142. 


dinen, Tunfifh und Lad 8 
in Büchlen. 

Bon Suppenkonſerven find 
Erbswurſt- und NReigfuppe, die ein 
jehr glückliches Verhältnis von Ei: 
weiß, Fett und Kohlehydrate re- 
präfentieren, die bejten. Bei Ber: 
proviantierung für einige Tage 
ziehe ic) rohen Reis wegen feines 
geringeren Gewichtes und reicheren 
Gehalte® an Kohlehydraten vor; 
mit wenig Waſſer als Rifotto ge= 
focht, fann er durch Zugabe von 
Spedmwürfeln, Scinten, Mett- 
wurſt 2c. ſehr ſchmackhaft gemacht 
werden. Schokolade iſt wegen 
ihres Nährgehaltes an Fett und 

Zucker jederzeit außerordentlich 
wertvoll, Frühſtücksbiskuits 
und Kakes kommen wohl als die 
einzige „Jüße Speiſe“ in Betracht 
und bilden bejonders zum erften 
Frühſtück eine wertvolle Zugabe. 
Borzüglich find ferner, wegen ihrer 
erfrifhenden Wirfung und Des 
Zudergehalteg, Zruhtmarme: 
laden, die jet in Tuben in den 
Handel gebracht werden. Der hohe 
Bedarf an Kohlehypdraten 
wird? vor und während der 
Zour am beiten durch Zuder ge— 
jtillt, namentlich auf größeren Tou- 
ren, wo jedes Gramm wertvoll 
ift, das man nicht zu tragen ge— 
nötigt iſt. Guter Würfelzuder be— 
jteht zu 99,8°%/, aus Kohlehydrat, 
Gewicht und Nährwert find alfo 
identisch. Er wirkt anregend auf 
das Nervenjyftem und wird ohne 
Derdauungsarbeit ſehr raſch affi- 
miliert, Bei vorübergehender Er: 
müdung genügen 50—100 g (10 
bi8 20 Stück) um innerhalb einiger 
Minuten wieder frilch zu fein. Bei 
ftarfen Touren werden big zu 500g 
gut vertragen. Bedingung ift, daß 
er in Waſſer, Tee 2c. gelöft ge- 
nommen mird. 

142. Setränfe. Sch befenne mich 
von vornherein als ein entjchiedener 


Alfred Steiniker. 


Gegner des Alkohols während . 
und vor Antritt der Tour, auıch | 
des Abends vorher. Die Schäd⸗ 
lichkeit des Alkoholgenuffes unter : 
gewöhnlichen PBerhältnifien wird | 
verjchieden gewertet ; ganz einwanid= 
frei erhärtet aber ift die Tatjache, | 
daß er nit im ftande tft, eine | 
Steigerung der Leiftungsfähigkeit ! 
zu bewirken, es jei denn ganz vor= : 
übergehend, bei momentanen Er— 
Ihöpfungszuftänden. Hier dient 
er dann ald Peitſche, deren‘: 
Wirkung beineuerlicher Anftrengung 
bald verjagt. 

Die beiten Getränke find Tee; 
und Kaffee, die zudem mäßig 
anregend wirlten und Limonade, 
die den Durft am beiten jtillt ; alle 
drei Getränfe find, foweit fie 
während der Tour genommen 
werden, ſtark mit Zuder zu ver- 
fegen. Limonade hat den Vorzug, 
daß fie jederzeit mittelft Zitronen- 
fäure oder Baftillen frijch hergeftellt 
werden Tann, wo fih nur Waſſer 
findet. Die von der Firma %. Kath- 
reinerd Nachf. neuerdingd in den 
Handel gebrachte Teekonſerve, Turi“ 
Löft fich gleichfalls in kaltem Waſſer. 

Nah Zuſatz von Zuder, Zitro- 
nenfäure 2c. fann auch Schnee- und 
Gletſcherwaſſer ohne Nadteil ge: 
trunfen werben. 

Sm allgemeinen bat man id 
während der Tour davor zu hüten, 
mehr zu trinken ald unbedingt zur 
Stillung des Durſtes nötig ift. Zu 
viele8 Trinten erhöht nur Die 
Tranfpiration, macht fchlapp, ftört 
die Verdauung und erzeugt leicht 
Magenkatarrhe. Das Durftgefühl 
wird vermindert durch Frucht: 
drops ꝛc.; läßt man zugleich ein 
Stückchen Eis oder Schnee auf der 
Zunge vergehen, jo bat man den 
Genuß eines Fruchtgefrorenen, ein | 
bei vielftündigen Gletſcherwande⸗ 
rungen außerordentlich erquickendes 
Mittel. 


un 











Heberjchreiten einer Randfluft. 





(Zu Nro. 185.) 


III. Der Alpinismus. ro. 143—145. 

143. Anregungsmittel. Hier fön- | zu einer Hütte. In letzterem Falle 
nen nur die Kolapräparate interef | empfiehlt es fih namentlich auf 
fieren, die in verfchiedenen Formen : Fleifchkoft in größerem Umfang 
in den Handel gebracht merden. | zu verzihten, weil dieſe eine 
Am meiften zu empfehlen find Kola= ; längere Berdauungsarbeit verlangt. 
tropfen, von denen eine Dofig von | Unridtig ift ed, am Morgen 
8-15 Tropfen ausgezeichneteDienite | mit leerem Magen aufzubrechen ; 
tut. Indeſſen ift ihre Wirfung, wie ‚am längiten hält ſtark gezuderter 
die des Alkohols, nur ald Peitiche ; Kakao oder Schofolade mit Milch 
anzufehen; fie ift weit fräftiger vor. Sit lettere nicht erhältlich, 
und nachhaltiger als bei legterem, fo tut man gut zum Tee viel 
aber die ſchädlichen Folgen find , Zuder, Kakes, Schokolade, Butter- 
bei fortgejegtem Gebraud) dauern= | brot u. dergl. zu nehmen. 


der. Sie fünnen deshalb nur als 

Arzneimittel gebraucht werden, alſo Eignung. 

bei plößliden Schmwädezuftänden 

oder allenfall® noch wo es gilt, zur 145. Welche Eigenſchaften ver: 


legten Anftrengung zu fpornen; langt das Bergfteigen? Die 
ein dauernder Gebrauch würde ſich | Frage ift natürlich nur vom Stand- 


dur 
bitter rächen. Hier ift es am Plate, 
der viel verbreiteten Anfchauung 
entgegenzutreten, daß man ſich 
durh den Alfoholgenuß erwärmen 
könne. Allerdings erzeugen Kognak, 
Schnaps u. dergl. ein augenblid- 
liches Wärmegefühl in der Speije- 
röhre und im Magen; unter dem 
Einfluß des Alkohols werden aber 
die Blutgefäße der Haut ermeitert, 
und durch den Temperaturaus- 
gleich gegenüber der umgebenden 
fälteren Luft tritt ein MWärmever- 
luft ein. Thermometermefjungen 
haben tatfächlich ergeben, daß nach 
Altoholzufuhr felbit in nur Heinen 
Mengen die Körpertemperatur im 
Snnern abnimmt. 

144. Einteilung der Mahlzei- 
ten. Zur Verdauung einer größeren 
Mahlzeit beanſpruchen die Ber: 
dauungsorgane fo viel Blut, daß 
die arbeitenden Muskeln nicht ge- 
nügend verforgt werden. Deshalb 


fol man während der Tour öfter? | 


Heinere Mahlzeiten nehmen und 
die Hauptmahlzeit auch da auf den 
Abend verlegen, wo man Gelegen: 
heit hätte, fie untertags einzuneh- 
men, wie 3. B. vor dem Aufitieg 


Schädigung des Herzens | punkt des Hocdhtouriften aus geftellt 


und fol aud in diefem Sinne be 
antwortet werden. Denn gelegent: 
lih einen bequemen Ausfichtäberg 
wie den Wendeljtein oder den Rigi 
befteigen, Tann jchließlich jeder, der 
nicht frank oder gebrechlich ift. 

Die Eigenſchaften, die von einem 
Bergfteiger gefordert werden müfjen, 
find förperliher, geiftiger und 
moraliiher Art; fie beruhen auf 
natürliher Anlage, können aber 
durh ſachgemäße Webung und 
Selbjterziehung wejentlich gefteigert 
werden. 

Das erfte Erfordernis ift völlige 
förperlidhe Gefundheit und 
zähbe Ausdauer im Ertragen 
von Strapazen und zwar in er: 
höhterem Maße wie bei allen andern 
Sporten, denn eine angefangene 
Bergtour läßt fih nicht fo leicht 
unterbrechen, wie 3. B. eine Rad: 
tour und elementare Creignifje 
tönnen auch bei einer relativ leid): 
ten Befteigung unvorhergejehene 
Schmierigkeiten fchaffen, die ein 
außerordentlihe8 Maß von Zähig- 
feit und Ausdauer erfordern, joll 
es nicht zu einer SKatajtrophe 
fommen. Daraus —— daß 


Nro. 146. 


ſchwächliche oder gar kranke Menjcen | | 


ungeeignet find ; insbejondere ſollen 
Herzkranke, 
ſchwere Rheumatiker und Gichtiker, 
Nierenkranke und Leute mit Lungen— 
emphyſem keine Hochtouren unter— 
nehmen. 

Körperliche Kraft und Ausdauer 
ſind etwas gänzlich verſchiedenes; 
ſehr häufig ermüden Leute ra ih, | 
die im ftande find, ftaunenswerte 
furze Mugfelleiftungen zu volle 
bringen. Umgefehrt finden mir 
oft bei wenig fräftigen Menichen 
eine zähe Ausdauer, wofür u. a. 
die bergfteigenden Tamen ein Bei: 
jpiel bieten. In zweiter Linie iſt Ge— 
wandtheiterforderlich; der Berg- 
fteiger muß einen gefchärften Muskel— 
finn bejigen, um injtinktiv jederzeit 
die jwedmäßigftendemegungen ( aus⸗ 
führen zu können. In dritter Linie 
wäre das Maß körperlicher Kraft 
zu nennen, das zum Klettern, 
Seilgebrauch und Stufenſchlagen 
gehört. 

Weiters ſind noch gute Augen, 
namentlich für den Leiter einer 
Expedition und für Alleingeher ein 
unbedingtes Erfordernis. Bei Regen, 
Schneetreiben, Dämmerung und 
Nebel verſagt die Brille und auch 
unter gewöhnlichen Verhältniſſen 
beeinträchtigt ſie den weiten Ueber— 
blick und die unmittelbare Orien— 
tierung. 

Schließlich muß der Hochtouriſt 
abjolut ſchwindelfrei ſein; auch 
nur einigermaßen ſchwierige Touren 
werden durch das Schwindelgefühl 
ausgeſchloſſen. Indeſſen laſſen ſich 
leichtere Grade von Schwindel durch 
Energie und Gewöhnung über— 
winden. 

An geiſtigen und moraliſchen 
Eigenſchaften ſind notwendig: ſtarker 
Wille (Energie), ſcharfe Be— 
o bachtungsgabe und Mut. 
Namentlich iſt Energie zum Berg— 








mäß die 


‚ist. 


müſſen 


Alfred Steinitzer. 


lich als bei andern Sporten, da die 
Dauer der Anſtrengungen und der 


— Blutarme, Verzicht auf die gewohnten Bequem— 


lichkeiten ein weitaus größerer iſt. 
Wer nur mit Führern geht, 
ſeien es Berufsführer oder führende 
Alpiniſten, für den ſind naturge— 
erwähnten körperlichen 
Eigenſchaften im allgemeinen wich— 
tiger als die geiſtigen. 
Z3ſigmondy ſagt: „Bon einem 
Anfänger verlange ich nichts als 
Ausdauer und einen gewiſſen Grad 
von Entſchloſſenheit, damit er ſich, 
am Seile gehalten, eine ſchwierigere 
Stelle zu bewältigen getraut und 
Unterordnung unter die Befehle des⸗ 
jenigen, der reichere Erfahrung be— 
Das ſind die einzigen Er— 
forderniſſe, alles andere eignet er ſich 
erſt im Laufe der Zeit an.“ Ein ganz 
ungeheurer Vorteil liegt deshalb 
darin, früh anzufangen und zwar 
unter Leitung erfahrener Alpiniſten, 
denn die Jugend iſt eindrucks- und 
aufnahmefähiger, wie das reifere 
Alter, und der jugendliche Taten: 
drang Spornt zur höchſten An- 
fpannung der Willengenergie. Die 
alpine Schulung, die der Anfänger 
3. B. in den afademifchen Sektionen 
des D. und O. Alpenvereind ge— 
nießt, kann als vorbildlich bezeichnet 
werden. Aber auch jede ſportliche 
Betätigung auf anderweitigen Ge— 
bieten wird dem Alpiniſten in irgend 
welcher Richtung zugute kommen. 
146. Ueberlegung und Vor— 
ſicht. Das Korrelat zum Mut 
ſind Ueberlegung und Vorſicht. Vor 
jeder hochalpinen Unternehmung 
iſt abzuſchätzen, ob man dem Kampfe 
mit den Naturkräften auch gewachſen 
iſt; die Gefahren, die in der Perſon 
und im Objekt begründet ſind, 
wohl abgeſchätzt werden. 
„Mut beſteht nicht darin, daß man 


die Gefahr blind überſieht, ſondern 
dab man fie ſehend überwindet.“ 


jteigen in höherem Maße erforder: ı (Jean Paul.) Unter Umftänden 


III. Der Alpinismus. 


Nro. 147—148. 


darf man ſich nicht ſcheuen eine Terrain, ſondern auch Beurteilung 


begonnene Tour abzubrechen; es 
gehört manchmal mehr Mut dazu als 
Geſchlagener heimzukehren, als 
weiter zu gehen. Als Grundſatz 
muß aufgeſtellt werden, daß der 
Bergſteiger mit allen techniſchen 
Hilfsmitteln verſehen iſt, die das 
Rüſtzeug des alpinen Kampfes ſind; 
ein Unglücksfall, der ſich infolge 
ungenügender Ausrüſtung ereignet, 
iſt ſelbſtverſchuldeter Leichtſinn. 

Purtſcheller ſagt: „Wir 
wiſſen aus eigener Erfahrung, daß 
bei großen gefährlichen Touren die 
Zahl der ſchwarzen und weißen 
Kugeln gleich groß iſt.“ Und 
F. Eckardt ſetzt hinzu: „Mehrt 
ſich die Zahl der ſchwarzen Kugeln 
fo, daß auf viele ſchwarze nur eine 
weiße fommt, danır erfcheint ein 
ſolches Unternehmen nicht mehr als 
Kampf, jondern als Lotterie und 
verliert damit völlig den jportlichen 
Charalter. Wejen (Kampf, nit 
Lotterie) und Zweck (leiblide und 
aeiftige Erholung) des alpinen 
Sports müfjfen als oberſtes Geſetz 
für den Bergſteiger maßgebend 
bleiben.“ 

147 .Orientierung.Drientierungs= 
gabe ift eine angeborene Eigen- 
ſchaft, wer fie nicht. befit, wird fie 
auch durch Hebung nie in hervor: 
ragendem Maße erwerben. Außer 
der Anlage ift natürlid noch Er⸗ 
fahrung nötig. „Der Bergiteiger darf 
nit nur oberflädhlich fehen, 
er darf nicht nur allgemeine Ein: 
drüde von Farben, Formen 2c. 
empfangen; er muß jtet3 jcharf 
beobadten, d. 5. mit Verſtand 
fehen, ſich rafch über das Gejehene 
Rehenjhaft geben und fofort 
die richtigen Schlüſſe ziehen. 
E3 haben viele Menſchen gute 
Augen, aber nur wenige haben ge- 
lernt damit zu fehen.” (Baulfe.) 
Zur Orientierung gehört nicht nur 
die allgemeine Weberfiht über dag 


der Schnee= und Gletſcherbeſchaffen⸗ 
heit, Lawinengefahr, der Eigen: 
ſchaften des Gefteing, der möglichen 
Anftiegslinien, Kartenlefen, Ber: 
gleich bezw. Webertragung der Lite: 
raturangaben auf die Wirklichteit 2c., 
fowie der Gebrauh von Kompaß 
und Aneroid. Ein gutes Mittel fich 
zu üben ift für Anfänger, wo tun: 
lih, voraugzugehen, wenn man 
falſch geht fi vom Führer durd 
Zuruf leiten zu lafjen und fich dabei 
jedesmal klar zu maden, warum 
man von der richtigen oder befjeren 
Route abgewichen iſt. Wer dem 
Führer nur blind nachſimpelt, er⸗ 
wirbt nie auch die nur für leichte 
Touren erforderliche Drientierungs: 
fähigfeit. 

Das richtige und gewandte Lejen 
von Karten in größeren Maßftäben, 
wie fie der Bergfteiger benötigt, 
fann nur durch Uebung erworben 
werden. Das Lefen der Situation 
ift ja leiht, größere Schmwierig- 
feiten bietet jedoch die Kenntnis 
und richtige Beurteilung des Ge: 
ländes. Abgejehen von der genauen 
Kenntnis der Signaturen der Ge: 
ländedarftelung (Uequidiftanten, 
Schraffen, Schummerung) iſt es 
notwendig, durch häufige Vergleiche 
der Karte mit dem dargeſtellten 
Terrain ſich eine derartige Uebung 
zu erwerben, daß man einerſeits 
imſtande iſt, ſich auf Grund der 
Karte das Terrain plaſtiſch vorzu⸗ 
ſtellen, andererſeits jederzeit auf 
der Karte genau angeben kann, an 
welchem Punkt man ſich befindet. 


Bekleidung und Ausrültung. 


148. Beffeidung. „Omnia mca 
mecum porto“ ijt die für den Hod)= 
touriften gebotene Devije. Unab— 
hängigfeit vom Koffer für mehrere 
Zage, Anpaffung der Bekleidung 
für extreme TQemperaturmechiel, 





— — 


ED nn rn an — 
m irn — — — — — 
—— * 
— 


ro. 148. 


Mitführung der notwendigen tech— 
nifhen Hilfsmittel bei tunlichjter 
Gewichtsbeſchränkung find die all: 
gemeinen Gefichtspunfte. In den 
Einzelheiten ift für Gefhmad und 
perſönliche Bedürfniffe ein Spiel- 
raum gegeben und deshalb können 
abfolut bindende Vorſchriften, na— 
mentlih was die Bekleidung ans» 
langt, nicht aufgeftellt werden. 
Kleidung. Am beiten eignet 
fih gemufterter Cheviot aus reiner 
Wolle und nicht zu ſchwerer Qualität. 
(Segen die Kälte kann man id 
durch Unterkleider ſchützen, nicht 
aber gegen die Hiße.:: Die Farbe 
jol jo gemählt werden, daß fie gegen 
Flecken und dergl. möglidjt uns 
empfindlich ijt. 


fehnlich. Die fertig gefauften An: 


züge find im allgemeinen in Stoff 


und Arbeit von minderer Qualität. 


Wer wochenlang auf einen Anzug 


angewiefen ijt, für den genügt nur 


das Beite. ALS Zoppenfchnitt ift der 


gewöhnliche Saffo vorzuziehen; die 


Länge ſoll fo bemejjen fein, daß 
fie ven Unterleib ſchützt; die Weite 


muß geftatten, eine Aermelweſte 
unterzuziehen. Die verfchtedenen 
Faffons von Faltenjoppen, wie jte 
jest gebräuchlich, find wegen des 


größeren Gewichtes zu verwerfen. | 


Kragen und Aermel müſſen zum 
Schließen, die Taſchen zum Zu— 
knöpfen mittelft Klappen eingerichtet 
eit, 

Bei der Hofe, nur Pumphoſe 
oder Breaches fommen tin Betradt, 
ift darauf zu fehen, daß dem Knie 
genügende Bemwegungsfreiheit ge— 
währt wird. Ein Beſatz am Ge: 
ſäß ift praktiſch; Reſervebeſatz im 
Koffer empfehlenswert. Lederhoſen 
ſind zwar zum Felsklettern ange- 


Alfred Steiniher. 





Loden iſt weniger 
haltbar und wird ſehr bald unan- 


legt, laffe den Stoff vor Fertigung 
des Anzuges imprägnieren. 

' Eine MWollwefte oder leichte Leder— 
weſte mit Aermeln ift unentbehrlich. 
ch ziehe letztere vor, weil jte gegen 

Wind undurdläffiger ift, als die 
eritere. 

ALS Kopfbedeckung verdient die 
Mütze mit nicht zu Heinem Schirm 
‚vor dem Hut den Vorzug, da fie 
bei Wind fefter fit und beim 
Klettern nicht fo leicht abgeftreift 
wird. Daneben führe ih noch 





eine Zipfelmüte oder Schneehaube 
ı mit mir. 











28. Sonnenhut, zufammengelegt. 


\ Das wichtigite find gut pafjende 
und ſolide Bergfhuhe zum 
Schnüren. PVorzuziehen iſt Die 
amerikaniſche Form, die den Zehen 
Spielraum gibt, mit niedrigem Ab- 
ja. Die Sohle darf nicht weiter 
vorjtehen, als e8 die Möglichkeit der 
Nagelung erfordert, da Jonft die 





nehm, auf Eistouren ımd bei 
ſchlechtem Wetter aber gänzlid) un= | 
brauchbar. 

Wer auf Imprägnierung Wert 


Trittficherheit beim Traverfteren von 
fteilem Schnee und Grashalden be— 
einträchtigt wird; der Schuh muß 
jo angepaßt fein, daß der Fuß feſt 





| 


den zujammenlegbaren franzöfiihen | 
Sonnenhut, für größere Kälte | 


| 





III. Der Alpinismux. 


ie; darin fit und muß fo weit jein, 


daß er nicht drüct, wenn der Fuß 
. beim Geben anläuft. Poröſe Ein: 


ix lageſohlen find für jeden erforder⸗ 


a lich, der nicht ſehr unempfindliche 


Füße hat; außerdem find fie nicht 


nur angenehm, jondern auch hygie⸗ 


;„. niſch wertvoll, weil fie den Fuß 


„ trodener halten. Die befte Benage⸗ 


nn lung find Nietnägel aus Schmiede 
eiſen, die in Abftänden von ca. lcm 


paarweiſe eingejchlagen werden. Die 


Sohle lafje man nur mit ganz Heinen 


Nägeln gegen die rajche Abnügung 
beſchlagen. Der obere Rand fol 
'. mit Loden eingefaßt fein, um am 
Strumpf feft anzuliegen, und da⸗ 
durch Das Eindringen von Schnee und 
Heinen Steinen zu verhindern. Zur 
Konjervierung und zum gefchmeidig 
maden nehme man Marsöl; auf 


= der Tour genügt fehließlich jedes 


Fett. Soden follen aus weicher 
dider Wolle und nicht zu feit ge- 
ftriet fein; gewalkte Soden find 
. hart und unelaftifh. Darüber ziehe 


- man fußlofe Touriftenftrümpfe 


(Stuten) aus nicht entfetteter Wolle, 
die jo lang find, daß fie über das 
za Knie gejichlagen werden können. 
’ Gamaſchen find unpraftifch ; Waden⸗ 
binden oder Widel, die von Eng⸗ 
ländern bevorzugt werden, find jehr 
,; warm und nur auf großen Eidtouren 
; zu empfehlen. 
? Für da8 Hemd kommen nur 


2 Schafmwolle (Flanell) oder die jo- 


genannten Touriftenhemden aus 
-. Wolle mit Einſchlag von Baum- 
"" wolle oder reiner Baummolle in Be- 


Niro. 149. 


Hettern find Kletterhandſchuhe 
(ohne Fingerſpitzen) praktisch. 

Welcher Mantel und au welche 
Faflon am beiten ift, darüber find 
die Anfichten ſehr geteilt. Die 
fertig gefauften Lodenmäntel find 
alle zu ſchwer. Ich trage nun ſchon 
feit Sahren PBelerinen mit Drud- 
knöpfen (nad) eigener Angabe), bei 
denen jeder Einjchlag vermieden ift 
und die deshalb nicht über 500 gr 
wiegen. Billrotbatift oder Mafin- 
toſch haben beſonders bei Biwaks 
den Vorzug, daß ſie gegen Wind 
undurchläſſig ſind; ſie ſind aber 
wenig dauerhaft, das Gewicht ift 
ca. 300—450 gr. 

AS Reſervebekleidungs— 
ftüde find ein paar Soden und 
Taſchentücher, ein leichte8 Nacht: 
hemd aus Seide oder Batift und 
leihte Hausschuhe das Minimum. 

Bei Wintertouren find weiters 
Schneehaube und warmes Woll- 
unterzeug, auch Sweater, nötig. 

149. Ausrüftung. Der Rudjad, 
der dem Tornifter wegen der viel 
günftigeren Gemichtsverteilung auf 
dem Körper unbedingt vorzuziehen 
ift, muß leicht und waſſerdicht fein, 
Außentafchen und breite Ledertrag⸗ 
riemen befiten. Toilettezeug, 
(Zahnpafta und Mittel gegen Glet- 
Iherbrand in Tuben), Reſervewäſche, 
Hausfchuhe, Nähzeug, BProviant 
(orgl. oben) und fonftige Kleinig- 
feiten werden in Leinenbeuteln ver: 
padt. Weiterd gehören zur Aus: 
rüftung Schneebrillen aus 
rauchgrauem Glas, Trinkbecher 


‚tradt. Die Unterbeinkleider 
" follen leicht fein; ich ziehe nur bis 
zum Knie reichende vor, weil fie 
* die Bewegung nicht behindern und 
* trage dazu mit leichter Jägerwolle 
" gefütterte Stutzen, die ohne Fütte- 
rung auf der Haut zu rauh find. 
Für die Hände find bei Gletjcher- 
da wanderungen nur dide Fänit- 
ar finge zu gebrauden, zum Fels⸗ 


vu 


(ih gebraude einen dünnen Horn- 
becher, der vor Gummi und Leder⸗ 
bechern den Borzug größererSauber: 
feit hat), eine Gummi- (Alpina) 
oder Aluminiumflafjche die im 
Ruckſack untergebracht wird (die ſonſt 
ſehr praktiſche Thermosflaſche iſt 
leider zu ſchwer und zu voluminös), 
ein Meſſer mit Korkzieher (feſt⸗ 
ſtehende Meſſer find in Italien ver: 


Nro. 149. Alfred Steiniker. 


boten), ein Verbandpäckchen, | fein, daß ein Teilnehmer ein qutes 
eventuell Arzneimittel(Opium: Fernglas zum Rekognoszieren 
tabletten, Aspirin und Kolatropfen) | befigen muß. Ein Kohapparat 
und Schuhlöffel (beim Anziehen 

















32. Minimum:Touriften-Stativ. 


50. Eispidel mit Schlinae. 


aus Aluminium mit feitem Spiritus 
nafjer Schuhe jehr angenehm). Für | iftbei Wintertouren äußerſt praktisch. 
Führerloje jind zujammenlegbare | Hiezu fommen nod) die techniſchen 
Xaterne, Kompaß, bei Nebel | Hilfsmittel, Eispickel mit Schlinge 
u. drgl. auh Tajhenaneroid|zum Anhängen, den Schuhen ge 
unentbehrli, ebenjo kann es nötig 'nau angepaßte Steigeijen, für 


uf 


III. Der Alpinismus. 


Zouren im Kalfgebirge event. Klet- 
terſchuhe, bei Führerlojen Seil, 
Seilringe, Rebſchnur, und 
event. Mauerhafen und Mar: 
fierungspapier. Für Ama: 


iS 
„et — 
J Dee 


— AISLLIYTTE 





33. Allgäuer Steigeifen mit Wiener 
Derfchnürung. 


teurphotographen find die beiden 
Stativvorridtungen jehr zu 
empfehlen, deren Anwendung fic 
aus den nebenjtehenden Abbildun— 
gen ohne weiteres ergibt. 

Wer, mit Führer geht, wähle 
einen leichten Pickel, ſchwere Modelle 
ſind nur nötig, wenn man ſelbſt 
Stufen ſchlägt. Von den Steig— 
eiſen ſind die Algäuer und Stei— 
riſchen (Tragöß) wegen des geringen 
Gewichtes vorzuziehen; die „Wiener 
Verſchnürung“ habe ich als ſehr 
praktiſch befunden. Seit einigen 
Jahren werden Manilahanfjeile in 
jogenannter Kunſtwebung in den 
Handel gebracht, die bei gleicher 
Tragfähigkeit wejentlich leichter als 
die gedrehten Seile find. Für 


CT 


— 


Nro. 150. 


leichtere Touren genügen 25—30 m. 
Nicht zu vergejjen ſind endlich 
Karten und die nötige Literatur. 

150. Befleidung und Ausrüftung 
‚für Damen. Für Damen gelten, 
mutatis mutandis, die gleichen 
Grundjäße wie vorſtehend. Rock 
und Jacke werden am beiten aus 
leihtem Cheviot gefertigt: der Rod 
muß unter der Taille Batten und 
Knöpfe zum Aufſchürzen befiten. 
Die Auffhürzvorridhtung in der 
Mitte ift durchaus unpraftifch, weil 
die Horizontalfalten auf den Kinieen 
aufliegen und beim Steigen hindern. 
Eine Blufe aus Wolljtoff vervoll- 
ftändigt das Koſtüm in der Haupt: 
jade. Für Kleinere Touren genügen 
gejchlofjene Krepp- oder Laſtingbein— 
fleider; für jchwierigere Eistouren 
und zum Klettern find Beinkleider 
aus gleichem Stoffe wie das Kleid 
notwendig. Was die innere Fuß— 
befleivung anlangt, jo babe ich 
mehreren Damen die oben unter 148 
befchriebene empfohlen, die als jehr 
zweckmäßig anerkannt wurde. Unter 
den Stugen find anftatt des Futter 
dünne Zmirnjiugen zu empfehlen, 
da Wolle von den Damen gewöhn— 
lich auf der Haut nicht ertragen wird. 

Aus dem gleihen Grunde emp— 
fiehlt jich das Tragen von dünnen 
Netzhemden unter dem Oberhemd ; 
Leinen und Schirting auf der bloßen 
Haut müſſen ausgeſchloſſen werden, 





will man ſich nicht ſchweren Er— 


| 


fältungen ausjeßen. 
Zur Kopfbededung iſt — jei es 





34. Gletjchergürtel für Damen. 


— 
— 


— — — —* 


pr 


Neo. 151. 


Alfred Sfeiniker. 


Mütze oder Sonnenhut — ein | fist er die Eignung felbftändig zu 
weißer, bei Schneetouren ein grüner | gehen? Und zwar müfjen bei diefer | 


oder grauer Schleier zu nehmen. 
Die Ausrüftung verringert fih auf 
ein Minimum, da Damen immer 
in männlicher Begleitung gehen; 
für größere Gletjchertouren ift ein 
Sletichergürtel angenehm, der das 
bei Damen läftige Heraufrutfchen 
des Seiles über die Bruſt verhindert. 
Nicht ladylike ift eg, alte Kleider 
im Gebirge auftragen zu wollen, 
hingegen kann eine Dame aud in 
einem fchon abgetragenen, aber für 
den Zweck eigend gemachten, gut 
gejcehnittenem Kleide reizend aus— 
jehen. Gerade in der Befchränfung 
der Toilettemittel kann fi die 
Meifterin bewähren. 


Allgemeine touriſtiſche Ge- 
fibtspunkte und Grundfätze. 


151. Mit Führer oder führerlos? 
Diefe früher jo viel umitrittene 
Frage iftjegtprinzipielleinmand- 
frei gelöft, nachdem die Erfolge 
zahlreicher Führerlojen im legten 
Sahrzehnt gezeigt haben, daß fie 
den Führern nit nur gemachlen, 
fondern jogar überlegen find. Faft 
alle großen Probleme der Neuzeit 
wurden von Führerlojen gelöjt, das 
glänzendfte Beijpiel hiefür iſt viel- 
leicht die Beiteigung des Uſchba 
im Kaukaſus. Bon den bahn= 
bredenden Erfolgen Purtjchellerg 
und der Brüder Zfigmondy an 
haben die Sührerlofen gezeigt, wie 
Sntelligenz und Idealismus tim 
Dienfte der Hochtouriſtik auch Die 
feit faft einem Sahrhundert gezüch— 
teten Führerleiftungen der beiten 
Schmeizerführer in den Schatten 
ftellen. 

Die Frage kann alfo nur mehr 
individuell geftelli werden: „ift 
der betreffende Alpinift 
der Aufgabe, die er ſichſtellt, 
auch völlig gewachſen,“ be— 


Prüfung die denkbar ungünſtigſten 
Bedingungen angenommen werden, 
denn durch Eintritt von ſchlechtem 
Wetter, Schneefall, Vereiſung, 
Nebel ꝛc. können die beſten Ver- 
hältnifſe in kürzeſter Zeit außer- 
ordentlich ſchwierig werden. Für 
den Leiter einer Unternehmung 
kommt noch die weitere Frage hinzu: 
„ob er den Schwierigkeiten 
auch mit einem ſchwächeren 
Begleiter gewachſen iſt.“ „Nie 
ſoll ein Bergſteiger ſich in ein 
Unternehmen einlaſſen, bei dem er 
verraten und verkauft tft, ſobald 
feinem Gefährten ein Unfall zu⸗ 
ftößt.” (Baulfe.) 

Zweifellog macht den meiften 
eine leichte führerlofe Tour mehr 
jportliche Freude als eine ſchwerere 
mit Führer, die Wonnen des Kampfes 
und Siege? find eben ganz andere. 

Leichtfinnig unternommene führer: 
loſe Befteigungen find ein Frevel 
gegen die Angehörigen und alle, diein 
Mitleidenfchaft gezogen werben, wie 
z. B. die oft mitäußerfter Gefahr ver: 
bundenen Rettungserpeditionen ꝛc. 
Dft geben die hohen Löhne den 
Ausschlag, von der Mitnahme eine? 
Führers abzujehen und eg muß zu: 
gegeben werden, daß es ſchmerzlich 
iſt, von einer Tour lediglich aus 
diefem Grunde abftehen zu müſſen. 
Allein das läßt ſich nicht ändern; 
leider ift es nicht nur das Krieg— 
führen, zu dem Geld, wieder Geld 
und nochmals Geld gehört. 

Ungewöhnlich ſchwere oder ob- 
jektiv gefährlihde Touren jollten 
grundfäglich nicht mit Führern unter: 
nommen werden; wo ausſchließlich 
das extrem fportliche Moment das 
treibende Motiv if, muß man 
jelbftändig kämpfen oder e8 bleiben 
laſſen. Niemand fann vom Führer 
verlangen, daß er gegen klingende 
Entlohnung fein Leben bemußt von 


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Pflichten der Gefährten. 


III. Ber Alpiniemus. 


Nro. 152-154. 


vorneherein in Gefahr bringt. „ES | eine in eine Gletjcherfpalte, fo wird. 


ift nun einmal fo, daß das Schwerfte 
und Höchſte auch im Hochgebirge, 
wie im Leben, nur wenigen beſchie⸗ 
den ift, und daß nur die es ver: 
dienen, die es ſich ſelbſt erringen.” 
(Paulke.) 

152. Das Alleingehen. Das 
Alleingehen bietet ohne Zweifel be= 
fondere Reize; die Intenfität der 
Eindrüde ift eine gejteigerte, jedes 
Heine Vorflommnig wird zum Er- 
lebniig, die gejchauten Bilder haften 


unauslöfchlider in der Erinnerung. | 
Die Selbftprüfung, ob man die 
: nötige Bergerfahrung und das tech 
nifhe Können befigt, muß aber, 
ı eine noch viel ftrengere fein, als 

beim führerlofen Gehen. 


Schwere 
Touren fünnen nur von ganz erft- 
Haffigen Alpiniften allein unter: 
nommen werden; „Alleingehen auf 
Gletfhertouren ift der größte 
Unfinn,” fagt Baulfe kurz und 
bündig und mit vollem Recht. 
153. Anzahl, Wahl und 
Bei 
reinen Felstouren find zwei, 
höchftend drei Teilnehmer am vor- 
teilhafteften. Bei Gletſcher—⸗ 
touren, abgejehen von ganz 
leichten Touren, fol die Anzahl 
nicht unter drei und nicht über 
fünf fein. Je nad der Schwierig- 
feit Tann bei legteren ein Führer 
für zwei Touriften genügen. Prof. 
Bonney, der ehemalige Präſident 
des „Alpine Klub” fchrieb: „Sn 
allen Fällen, mo das Seil (bei Glet- 
fhertouren) in Anwendung fommt, 


ſollte die Zahl der durch dasfelbe 


verbundenen Perfonen weder größer 
als fünf, noch Eleiner als drei fein. 
Bier Perjonen — zwei Touriften 
und zwei Führer — ift die emp- 
fehlensmwertefte Rombination. Wenn 
nur zwei Perfonen am Seile gehen, 
wird, wenn einer außgleitet, der 
andere in zehn Fällen neunmal 
mitgerifien werden. Stürzt ber 


fein Gefährte weder imftande fein 
ihn zu halten, noch ihm heraufzu— 
helfen. Ein unbedeutender Zufall 
mag den beſten Bergjteiger plöglich 
zum Weitergehen unfähig machen 
und ein einzelner Gefährte ift dann 
nicht imftande, ihm genügend Hilfe 
zu leiſten.“ 

Muß ſchon bei gemeinfamen 
Führertouren die Leiftungsfähigkeit 
der Teilnehmer eine möglichft gleiche 
fein, fo ift dies in noch höherem 
Maße bei führerlojen erforderlid. 
„Seder Teilnehmer muß vom 
anderen genau wifjen, wie er fteigt; 
jeder muß den moraliiden Mut 
haben, nötigenfalls umzukehren, 
jeder muß fähig fein, fih an der 
Arbeit wirklich zu betätigen.” (Ch. 
Pilfington.) 

"Die Pflichten des Leiters einer 
alpinen Unternehmung find ganz 
befondere. E. Enzensberger 
ftelt biefür den Grundſatz auf: 
„Der Leiter übernimmt, wenn er 
minder Geübte veranlaßt, im Ber: 
trauen auf feine Tüchtigfeit an 
Bergfahrten teilzunehmen, unter 
allen Umjtänden die Garantie für 
Leben und Gefundheit und hat, fo- 
bald die Tour angetreten ift, big 
zur letten Konjequenz der Ber: 
pflidtung nacdzufommen, die er 
freiwillig auf fi genommen bat.” 

Andrerſeits muß ald Pflicht der 
übrigen Teilnehmenden unbedingte 
Unterordnung unter ale Maß: 
nahmen und Anordnungen des 
Leiters gefordert werden. 

154. Der „Alpine Knigge”. 
Jeder Sport hat fein eigenes Zere— 
moniell, feinen Komment u. dgl. 
Der Alpinift konnte fie entbehren, 
folange das Bergjteigen nicht durch 
Hütten, Wege 2c. jo leicht gemacht 
mar, als jegt, folange nur eine 
geringe Anzahl alpin Ausermählter 
die Berge bejtiegen. Mit der Po— 
pularifierung des Bergſports hat 


Rro. 155. Alfıed Steiniker. 


ih die Notwendigfeit einer Fodi- 
Fizierten gegenfeitigen Rüdficht- 
nahme ergeben; Dr. C. Arnold 
und %. Friedengberg haben 
in den Mitteilungen des D. u. De. 
AB. „Die zehh Gebote des Berg- 
fteiger8” vorgejchlagen, deren Be- 
achtung bejonders den Anfängern 
nicht warm genug ans Herz gelegt 
werden kann, denn „bie meiften 
jungen Leute glauben natürlich zu 
jein, wenn fie unhöflid und grob 
find,” jagt LaRodefoucaulp. 
Dr. Arnold hat eine Erweiterung 
derſelben, einen „alpinen Knigge“ 
in Ausſicht geſtellt, deſſen Erſchei— 
nen und Beherzigung alle alten 
Alpiniſten im Intereſſe des Alpi— 
nismus und der Allgemeinheit er: 
hoffen dürfen. 

Die zehn Gebote lauten: 

1. Du ſollſt auf der Wanderung 
deine Erziehung und Bildung nicht 
von dir tun; Unart und Roheit 
find nicht dasjelbe wie Yreudigfeit 
und Kraft. 

2. Du follft feine Bergfahrt 
unternehmen, der du nicht gemach- 
fen bift; denn es ift ſchimpflich, 
in fremde Hand gegeben zu fein. 

3. Du ſollſt jede Bergfahrt ſorg⸗ 
fältig vorbereiten, gleichviel ob du 
allein, mit Freunden oder mit 
einem Führer geht. Deine Kennt: 
nie, mo, wie und wie lange du 
zu gehen baft, jei ebenſo vollkom⸗ 
men wie deine Augrüftung. 

4, Du ſollſt deinen Führer ge⸗ 
ziemend behandeln. Du braudjft 
dich nicht herriſch zu gehaben, aber 
du darfſt Dich auch nicht gemein 
maden. 

5. Du ſollſt deinem Führer ein 
kurzes und mwahrhaftiges Zeugnis 
Schreiben. Die übertriebene Der: 
herrlihung einer nicht aufßerge- 
wöhnlihen Bergfahrt macht Dich 
lächerlich, den Führer eingebildet. 
Bei ſchwereren Berfehlungen mußt 
du auch den Mut der Anzeige haben. 


- 


| 
| 
6. Du ſollſt dich in der Hüte ! 
befcheiden betragen und follft keine 
Anfprühe machen, die fih nur in ' 
einem Großſtadthotel verwirkiichen 
lafien. Denn du wirft nicht deines 
Gelded wegen aufgenommen. 

7. Du ſollſt die Hütte nicht zur 
Kneipe herabwürdigen. Alkohol ! 
ift der übelfte Wandergefährte, die 
Hütten aber find zur Erholung ber 
Bergfteiger da und die Nacht zum 
Schlafen. | 

8. Du follft die Gegend, in der | 
du wanderſt, nicht verunehren. | 

| 





Darum foljt du Feine Scherben 
und feinen Unrat umberftreuen, 
feine Gattertüre offen laffen, feine | 
Einfriedigung überjchreiten, teine 
Duelle verunreinigen, feinen Weg: | 
weiſer bejchädigent. 

9. Du folit die Alpenblumen 
fhonen und Vieh und Wild nidt | 
beunruhigen. Auch die Pflanzen 
und Tiere find Gottes Geſchöpfe 
und fie tragen ihr Teil dazu bei, 
die < für di zu ſchmücken. 

10. Du folft des Bergvolks 
Glauben und Sitten nicht bewigeln 
noch verbeffern wollen. Der un: 
berufene Apoftel der Aufklärung 
ſchadet der Sache des Alpenverein 
und wird ausgeladt, wenn ihm 
nichts Schlimmeres mwiderfährt. 

Diefen Geboten möchte ich für 
unbewirtſchaftete Hütten noch ein 
elftes anfügen: 

Du follft eine nicht bewirtſchaf⸗ 
tete Hütte immer in demjenigen 
Zuſtande zurücklaſſen, in dem du 
ſie vorzufinden wünſcheſt. 

155. Touriſt und Führer. Die 
Nichtbeachtung der Gebote 4 und 5 
bat hauptſächlich dazu beigetragen, 
das ſchöne perfünliche Verhältnis 
zwiichen Tourift und Führer, wie 
es früher war und ſich heute nod) 
jofort ergibt, wenn ein erfahrener 
Alpinift und ein alter Führer mit- 
einander gehen, mejentlich zu ver: 
ſchlechtern. Es ift bier nicht der 


- 
09» 


er 2 es EEE ©. - 


— 


© Raum gegeben, auf das wichtige | zu halten. 
Kapitel des Verkehrs zwiſchen Tou: | die Führerordnung zeige man un: 


III. Der Alpinismus. 


rift und Führer ausführlich einzu: 
gehen; deshalb befchränte ich mich 
nur auf die allernotwendigiten 
Winke und empfehle im übrigen 


; dem alpinen Anfänger das ein- 


gehende Studium der „Beobad- 


. tungen in Ausübung der Führer: 
: auffiht” von 9. Menger (Mit: 


teilungen de8D. u. De. X.:2. 1907, 
Wr. 12, 13 und 15), er wird fidh 
damit manchen Aerger erjparen 
fönnen. 

Alſo: Man nehme nur die von 
den alpinen Bereinen autori- 
fierten Führer — lafje fih den 
Zarif geben und ftelle die Entloh— 


t nung bei fombinierten, nicht im 


Zarif enthaltenen Touren vorher 
feſt — gehorhe dem Führer in 
allen tehnifchen Dingen, denn 
er hat die Verantwortung für Leben 
und Gefundheit der Touriften — 
beihränfe das Gepäd, denn der 
Führer ift fein Tragtier — ver: 
wöhne andererjeit3 aber den Führer 
nicht durch Trinfgelder, zumal wenn 
er nichts Beſonderes geleiftet hat; 
der weniger Bemittelte, der feine 
Trinkgelder zu den an und für ſich 
hohen Tarifen geben kann, wird 
ſonſt vom Führer als Tourift zweiter 


Klafſe behandelt. In Wirtshäufern 


und bemwirtichafteten Hütten hat der 
Führer unbedingt für ſich zu forgen, 
den Tourenproviant teilt der Tou= 
rift üblichermweije mit dem Führer (in 
Italien ift dies dem Führerregle— 
ment zufolge obligat). Die Zeugniffe 
jeien kurz und jahlih; wenn man 
3.8. im Führerbuch bei leichten 
Zouren Einträge lieft: er ift tritt- 
fiher und jchwindelfrei, oder er 
führte und ficher und mit großer 
Drientierungsgabe über dad Pordoi— 
job (auf der großen Straße! ich 
habe diejen Eintrag ſelbſt gelejen), 


‚ jo muß der Führer dazu fommen, 
: den Touriften für einen — Trottel 


Nro. 156. 
Grobe Verſtöße gegen 


nachſichtlich an. 

Die Marimaldauer der Touren 
ift im Tarif angegeben (benötigt 
man mehr geit, fo werden Weber: 
ftunden beſonders entlohnt). Die 
angegebene Zeit ijt bei normalen 
Berhältniffien auch für bequeme 
Touriften völlig ausreichend und 
der Führer bat fein Recht, fie 
durch Hetzen zu verfürzen. Biele 
Führer haben dag Beitreben, mög: 
lichft früh wieder zu Tal zu fom: 
men, um eine neue Tour zu be: 
fommen, man lafjje fi deshalb 
nicht durch nichtige Vorwände ab- 
beten und den Genuß an der Tour 
verfümmern. 

Allen Differenzen wird am beiten 
vorgebeugt, wenn der Führer fich 
möglichft bald überzeugt, daß der 
Tourift die einfchlägigen Vorſchrif⸗ 
ten kennt und einerſeits auf feinem 
Recht beiteht, andererſeits aber auch 
die Nechte des Führers reſpektiert. 

156. Führerlofe und Führer. 
Leider bejteht vielfach, ein gejpann= 
tes Verhältnis zwiſchen Führerlojen 
und Führern. Die Schuld liegt 
zum geringeren Teil an den erſte— 
ren, indem fie oft demonftrativ ihre 
Ueberlegenbeit, feine Führer zu 
benötigen, befunden oder fi) auch 
durh Unerfahrenheit in Lagen 
bringen, wo dann doch die Führer 
wieder helfen müfjen, zum größeren 
Teil aber bei den Führern, die den 
Entgang des Verdienfted durch die 
Zunahme der führerlojen Touren 
unangenehm empfinden. Der Ge: 
rechtigfeit halber muß id) jedod) 
ausdrüclich bemerken, daß fich auch 
viele Führer, namentlich unter den 
älteren finden, die den Führerlojen 
gerne mit Ratichlägen an die Hand 
gehen. 

In den lehten Jahren find mehr— 
fach Klagen über ein direkt feind- 
jelige8 Verhalten der Führer ver: 


Niro. 157-159. 


öffentlicht worden, 3.8. die ab⸗ 
ſichtliche Entfernung von Markie— 
rungspapier. Jeder Führer iſt ſich 
unbedingt bewußt, daß er bier: 
durh die Gejundheit und das 
Leben der Touriften gefährdet und 
die Unterlaffung der Anzeige ſeitens 
legterer aus falſch angebrachter 
Sentimentalität muß als ein Un- 
recht gegen alle anderen Führerloſen 
angejehen werden. Die Strafgefege 
geben genügend Handhabe, um fehr 
energiſch gegen diejen Unfug ein- 
chreiten zu können. 

157. Neifezeit. Die befte Reife: 
zeit ift von Anfang Juli bis Mitte 
September ; vorher find häufig noch 
die Schneeverhältniffe ungünftig, 
namentlich fommt nad) fchneereichen 
Wintern die Lawinengefahr in Be- 
tracht. Andererfeit3 find Gletſcher⸗ 
touren in Suli häufig durch die 
Schneebededung viel leichter aus: 
zuführen, als es jpäter der Fall 
it. Für die ſüdlichen Alpen ift 
die Zeit von Anfang Auguft bis 
Mitte September wegen der ge: 
ringeren Hitze und der reineren 
Ausficht vorzuziehen. Wenn nicht 
frühzeitige Schneefälle eintreten, 
ft auch noch die zweite Hälfte 
September und ſelbſt noch der 
Dftober für nicht zu lange Fels- 
touren fehr fhön; die Kürze des 
Tages wird teilweife dur die 
Kühle und die dadurch vermehrte 
Leiftungsfähigfeit aufgehoben. Er- 
ſchwert werden Spätherbittouren 
dadurd, daß die Hütten mit jehr 
wenigen Ausnahmen gejchlofjen 
find. 
Mintertouren werden heutzutage, 
außer imBorgebirge,faummehr ohne 
Stier ausgeführt und fallen daher 
außerhalb des Rahmens diejer Be⸗ 
ſprechung. (Vergl. Abſch. IV. 1.) 

158. Aufbruchszeit. Im allge⸗ 
meinen ſoll man möglichſt früh 
aufbhrechen; in der Morgenkühle 
geht man leichter, bei Gletſcher⸗ 


Alfred Sfeiniker. 


touren hat man den Vorteil des 
hartenSchnees, und auch die Anwart⸗ 
Schaft reine Ausficht zu haben, ift, 
zumal im Sommer, größer. Auch 
Steinfall- und Lawinengefahr ma: 


hen oft frühzeitigen Aufbruch un: | 


bedingt nötig, Das gleiche gilt 
bei viel Zeit erfordernden Touren; 
nicht8 ift unangenehmer, als mit 
jeder Minute geizen zu müſſen. 
Alzufrüher Aufbrud ift dann nidt 
rätlih, wenn man bald an fchwie: 


rige Stellen fommt, zu deren Be: 
wältigung das Tageslicht erforder: . 


li ift oder bei Felstouren, wenn 


e8 jehr kalt ift, wodurch das Klet: 


tern fehr unangenehm und aud 
[hwieriger wird. Ein erfahrener 
Bergfteiger wird, wenn er mit 
Führer geht, die Aufbruchsftunde 
jelbft feftfegen, nachdem er ſich mit 
ihm gegebenenfalls über die maß: 
gebenden Verhältniſſe beſprochen 
hat. Bei den Führern ſpielen oft 
nicht ſachliche Rückſichten eine 
große Rolle für die Aufbruchszeit. 

Unternimmt man keine Beſtei⸗ 
gung und geht nur zu einer Hütte, 
ſo iſt es üblich, ſo ſpät aufzubrechen, 
daß die Unterkunft erſt abends er- 
reicht wird. Wenn es nicht zu heiß 
iſt, empfiehlt es ſich, jo früh auf: 
zubrecdhen, daß man mindestens zwei 
Stunden vor Sonnenuntergang auf 
der Hütte ift, denn der Abend ift 
oft das ſchönſte; man hat Zeit, die 
Vorbereitungen für den folgenden 
Tag in Ruhe zu treffen und Tann 
trogdem früh zu Bette geben. 
Außerdem ift es namentlich bei 
führerlojen Touren häufig notmwen- 
dig, am Abend vorher noch zu re: 
fognoszieren. Für mich waren immer 
die Tage mit die ſchönſten, wo ich früh) 
auf der Hütte anlangte und die 
Hochgebirgswelt in volliter Muße 
genießen konnte. 

159. Literaturfunde und Karto- 
graphie, Wer führerlos geht, muß 
felbjtverftändlih die einfchlägige 


— —— 


— — — — —— — — — — 


Ill. Der Alpinismus. 


; Literatur genau fennen und mit 


dem beften vorhandenen Karten: 
material verfehen fein. Aber auch 
der Führertourift wird mehr Ge: 
nuß haben, wenn er die allgemeine 
Zopographie der Alpen und fpeziell 
diejenige de8 von ihm bereijten 
Gebiete Tennt. Das lebtere ift 
auch deshalb notwendig, um bei 
eintretendem Witterungsmwechlel, der 
die Durchführung einzelner Touren 
unmöglich machen Tann, jeinen Plan 
entijprechend ändern zu können. 
Die fiterarifhe Grundlage für 
Bergtouren in den Weftalpen find 
Studers „Ei und Schnee”, 
Tſchudi „Der Tourift in der 
Schweiz” ſowie die leider noch nicht 
ind Deutjche überfegten „Climbers 
guides“ von Conway; für bie 
Oftalpen der „Hocdtourift” von 
Purtſcheller und 9. Heß. 
Zur Einführung in die Hoch— 
touriftit find vor allem das klaſſi⸗ 


Niro. 160. 


he Wert „Hochtouren, ein Hand: 
buch für Bergjteiger” (dem nur 
mit Rüdficht auf die jegige alpine 
Technik eine Neubearbeitung zu 
wünſchen wäre) von C. T. Dent 
und „Die Gefahren der Alpen” . 
von Zſigmondy-Paulke zu 
nennen. 

Als Weberfichtsfarte kommt die 
Ravenſteinſche Karte der Schweiz 
und der Oftalpen (1: 250000) in 
Betracht, als Detailfarten für die 
Schweiz der Siegfried: Atlad 
(1:50000), für die Dftalpen die 
Spezialfarten des D. u. De. A.⸗V. 
(für die vom D. u. De. A.⸗V. noch 
nicht bearbeiteten Gebiete Yrei- 
tags Touriften-Wanderfarten (1: 
100000), in letzter Linie die öjter- 
reihilhe Spezialfarte (1: 75000), 
für Stalien die Carta topografica 
(1: 75000 und 1: 100000), für 
Frankreich die Carte de la France 
(1:100.000). 


2. Die Technik des Berglfteigens. 


Die Gefahren der Alpen. 
160. Bon den Gefahren der 
. Alpen. Das Hochgebirge birgt 


. durch feine Eigenart für den Berg: 
. jteiger eine nicht unerhebliche An— 
zahl 


von Gefahren. In ihrer 
Ueberwindung befteht zum größten 
Teile die Technik des Bergfteigens. 
Eine eingehendere Würdigung wer: 
den fie bei Beſprechung der alpinen 
Technik jelbft finden. (Val. insbef. 
Nr. 171 u. 182.) 

Die Gefahren der Alpen find 
ihrer Natur nach zweifach; nämlich 
erſtens jolche, welche ausſchließlich 
in den elementaren Gemalten und 
ſolche, welche in der geiftigen und 
förperliden Unzulänglichkeit des 
Menſchen begründet find. Die Be- 
zeichnung der erfteren als „objek—⸗ 


tive”, der legteren ala „ſubjek— 


itive* ift feit © Zfigmondy 


allgemein geworden. 

Die objektiven Gefahren find 
bedingt durch die befonderen Eigen: 
tümlidhfeiten des Hochgebirges, 
(Beſchaffenheit der Felſen, des 
Schnees, Eiſes) und deſſen unter 
dem Einfluß der Atmoſphärilien 
wechſelnden Zuſtänden und Ver— 
änderungen (Steinſchlag, Schnee: 
und Eislaminen, das Wetter jelbft). 

Die fubjeltiven Gefahren beftehen 
im Berfagen der geiftigen mie 
förperliden Kräfte, unzureichender 
Orientierungsgabe, mangelnder Er: 
fahrung, nicht erfannter Schwierig: 
feiten u. dgl. Aus legterem Um— 
ftand refultiert gewöhnlich die große 
Gefahr der Selbſtüberſchätz— 
ung des eigenen Können? 
al8 der häufigsten Urjade 
von alpinen Unfällen. 


Nro. 161-162. Alfred Steiniker. 


Während die objektiven Gefahren | Unfälle *°/,, und hochalpine Unfälle 
jedem Menjchen gegenüber gleich | *%/,,, mobei der Nenner die Zahl 
bleiben, ift die Größe der fubjef: | der Umpgelommenen angibt und 
tiven Gefahren für jeden Menſchen unter halbalpinen Unfällen ſolche 
verfchieden; fie ift proportional | im Gebiete der Bor: und Mittel: 
feinem bergfteigerifhen Wifjen und | alpen, bei leichten Paßübergängen 
Können. Paulke führt aus: |und Gipfeln und auf Spazier: 
„wie manche Gefahren injofern fie zu | gängen verftanden find. 
den fubjeltiven aehören, al3 ohne] Wenn man bedenkt, daB das 
das VBorhandenfein des Menjchen | Automobilfahren eine weit größere 
ihr Eintritt nicht erfolgt, aber die! Zahl gänzlih unbeteiligter Opfer 
Momente, die dem Menschen ver: | erfordert, fo ift der Vorwurf, Der 
hänanisvoll werden, doch im Ob: |in diefer Richtung dem Alpinismus 
jet ruhen und erft durch den Pien= | gemacht wird, gänzlich unbegründet. 
hen zu unheilbringender Wirkung | Died fann denen gegenüber, Die 
veranlagt werden.” vom Wefen des Sport und ſpe— 

Hiezu gehören alle die Gefahren, | ziell ded alpinen Sport® nichts 
die man durch Beherrihen der | verftehen, nicht fcharf genug betont 
bergfteigeriijhden Technik werden, wie e8 aber aud) anderer: 
vermeiden kann und die er deshalb ſeits geboten ift, die durch Leicht: 
verfhuldete Gefahren nennt. |finn veranlaßte Gefährdung des 

Diefe anfcheinend rein theoretische | eigenen Lebens oder dasjenige an: 
Auseinanderfegung ilt Deshalb von | derer (mag oft Hand in Hand geht) 
praftiiher Wichtigkeit, weil fie die | ftrenge zu verurteilen. 
allgemeine Nichtlinie bietet, nad) 
der alpine Unternehmungen — Vom Geben im allgemeinen, 
auf Durdführbarfeit und Unglüdg: 
fülle auf die veranlafjenden Ur: das Abfabren. 
fachen zu prüfen find. Eine ein | 161. Allgemeined. Die för: 
aehendere Kharafterifierung der | perlide Haupttätigkeit des Berg: 
alpinen Gefahren ift gelegentlich | ſteigens beſteht im Geben; die 
der Beipredung der alpinen Tech- Technif des Gehend im Gebirge 
nik vorbehalten. muß gelernt werden, foll unter 

Die alpinen Unfälle dienen den | möglichiter Schonung der Kräfte 
Gegnern de8 alpinen Sports | die größtmöglichfte Leiftung erzielt 
als größte Handhabe; die fenja= | werden. Der Anfänger wird zuerii 
tionelle Behandlung durd die weniger deshalb ermüden, meil 
Tagespreſſe leiftet hierin Borfchub. , Musfeln, Herz und Lunge nod 
Abgefehen davon, daß mit dem | nicht entiprechend gewöhnt find, 
Sport immer eine gemwilje Gefahr als weil er nicht rihtig, nidt 
verbunden ift — fie bildet, wie wir rationell geht; die Mecha nik 
wien, einen integrierenden Be- des Gehens zu erlernen, muß Des: 
jtandteil des Begriffs — zeigt die | halb für jeden das erite fein. 
Statiftif, das die Anzahl der ale) 162. Bom Bergaufgehen. Alle, 
pinen Inglüctsfälle außerordentlich | Anfänger gehen zu ſchnell. Ge— 
überfhägt wird. Obwohl jährlich Hwindigfeit und Tempo! 
Hunderttauſende die Berge beftei: |de8 Steigend? muß danach be— 
aen, iſt der Durchfchnitt der legten | meſſen werden, daß weder ein] 
7 Zahre (nad Morigal) wie weſentlich vermehrter Herzſchlag 
folgt: Winterunfälle ®;,, halbalpine noch ein erjchwertes Atmen eintritt. | 


| 





r 


— 


1. 
if 


II. Der Alpinismus. 


Eine gute Kontrolle bildet die 
Leichtigkeit, mit der man fpridt. 
Wer fih beim Sprechen anftrengen 
muß, fteigt zu fchnell. 

Im allgemeinen vermeide man 
viel zu reden, rauchen ift ganz zu 
unterlaffen; das Einatmen fol 
durh die Najfe, das Ausatmen 
dur den Mund erfolgen. Aimet 
man durh den Mund ein, jo 
trocknen die Schleimhäute ſehr raſch 
aus; bei ſtarkem Wind benimmt 
es den Atem. 

Die Schnelligkeit richtet ſich im 
allgemeinen nach der Steigung; je 
größer dieſe, deſto langſamer muß das 
Tempo ſein. Bei vorübergehend ge— 
ringerer Steigung beſchleunige man 
jedoch nicht das Tempo; möglichſte 
Gleichmäßigkeit iſt von großem 
Vorteil. Gehen mehrere gemeinſam, 
ſo muß ſich das Tempo nach dem 
Schwächſten richten. 

Sehr wichtig iſt, wie ſchon be⸗ 
merkt, die Mechanik des Gehens. 
Die Bewegungen ſollen langſam, 
gleichſam bedächtig, ausgeführt wer⸗ 
den, der Anfänger hat immer zu 
haſtige Bewegungen. 

Der vordere Fuß ſoll den rück— 
wärtigen hebend nachziehen; das 


Abſchnellen des hinteren Fußes er- 


müdet Waden- und Fußmuskeln. 
Der richtige Gebraud) des Pik— 


.tel8 oder Bergftodes, dem die 
. Aufgabe zufält, einen Teil des 


Körpergewichtes während des Nach: 
ziehens des rüdmärtigen Fußes 
aufzunehmen, erleichtert dag Stei- 
gen in hohem Maße. 

Bei jedem Tritt muß die richtige 


. Stelle gewählt und der Fuß mit 
der ganzen Sohle aufgejett werden ; 


ftolpern und auggleiten wird hie: 


: Durch vermieden. 


Sehr empfehlendmwert ijt, einen 


Grashalm in den Mund zu nehmen; 


das regt die Speicheljefretion an, 


‚ zwingt den Mund gejchlofjen zu 


halten und verhindert dadurd das 


Nro. 163—165. 


Austrodnen der Rachenſchleimhäute. 
Noch befler ift es, Drops oder 
andere Bonbond auf der Zunge 
zergehen zu lafjen, namentlich bei 
großen Gletjchertouren. 

163. Das Bergabgehen. Es ift 
befannt, daß das Bergabgehen viel 
mehr Uebung erfordert, al® das 
Bergaufgehen, da die Trittficherheit 
und das richtige Finden des Gleich- 
gewicht3 jchwerer ift. Die Kniee 
jolen leicht gebogen fein und 
federn. Se fteiler der Hang, 
defto mehr joll man fih mit dem 
Oberkörper nad) vorne neigen und 
gegen den Berg Ireten, dadurd 
wird einem Ausgleiten am beiten 
vorgebeugt. Auf Schneehängen tritt 
man mit den Abjäten feft in den 
Schnee ein, je fjchüchterner man 
auftritt, deſto leichter gleitet man 
aus. Den Birel halte man mit 
beiden Händen ſo nach rückwärts, 
daß er in jedem Moment das 
Körpergewicht aufnehmen kann. Auf 
harten Schneehängen ſchlägt man 
die Spitzhaue, bei weichen die 
Schaufel ein, um bei etwaigem 
Ausgleiten daran Halt zu finden. 
Bei ſehr ſteilen Schneehängen ſteigt 
man, die Bruſt gegen den Hang 
gekehrt, ab, tritt mit dem Vorder⸗ 
fuß in den Echnee und rammt den 
Pickel ein, um beim Ausgleiten 
einen Halt zu haben. 

164. Traverfieren von jteilen 
Hängen. Hiebei trete man auf 
Gras- und fteinigen Hängen feſt 
mit der inneren Kante der Sohle 
und des Abſatzes auf und halte 
den Biel mit beiden Händen gegen 
den Hang, um, wie beim Bergab: 
gehen, eine Stüße daran zu finden, 
wenn man außgleitet. Den Pidel 
wie einen Spazierftod mit der 
vom Hang abgewendeten (äußeren) 
Sand zu gebrauden, indem man 
auf dieje Weife eine Stüte jucht, 
ift falſch. (Firnhänge f. Nr. 187.) 

165. Das Gehen auf loderem 


Nro. 166—168. 


Alfred Steiniker. 


Geröll iſt im Aufftieg wegen des | weicht; der Erfahrene geht jpielend 


Nachgebens jehr mühfam, im Ab- | darüber hin. 


jtieg madht e83 Anfängern aus dem 
aleihen Grunde Schwierigkeiten. 
Am fiheriten und rajcheiten fommt 
man beim Abjtieg vorwärts, wenn 
man den Pickel nah rückwärts 
horizontal hält oder in die lodere 
Maſſe drücdt und gänzlich unbefüm- 
mert um die ausmweichende oder ſich 
bewegende Unterlage mit etwas 
vorwärts geneigtem Oberkörper 
und leicht gebogenen Knien jtetig 
vorwärts geht. 

Beim Traverfieren hält man den 
Pickel jeitwärtd® gegen den Hang; 
auch hier ift e8 am beften, immer 
in Bewegung zu bleiben; der nächite 
Schritt muß gemacht werden, ehe 
unter dem vorhergehenden die Un: 
terlage ing Rutſchen gekommen ift. 

166. Das Gehen auf Moränen. 
Die Moränen beftehen, nament: 
[ih im Urgebirge, der eigentlichen 
Heimat der Gletjcher, aus großen 
Blöden, die meift nur lofe auf: 
einandergejchichtet find. Dem An: 
fänger fällt das Gehen jchwer, 
weil er fürchtet, daß die labile 
Unterlage unter jeinen Tritten 


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55. Geben auf Moränen. 


Die Tritte werden 
dur das Auge feitgeftellt, man 
bevorzuge die Felſen, die auf breiter 
Baſis liegen und trete lieber auf die 
Kanten; auch Hüte man fich davor, in 
die Löcher zwiſchen den Steinen zu 
treten. Man halte immer ſchon 
die näcdjten Tritte im Auge, um 
fie rajch zu erreihen, wenn die: 
jenigen, die man gerade inne hat, 
nachgeben. Das Gehen wird eigent- 
lih zur fortwährenden Balance, je 
weniger man bejorgt ift, defto ſicherer 
geht man, dejto rajcher fommt man 
vorwärts. 

167. Das Gehen auf aperem 
Gletſcher erfordert feine befondere 
Uebung; die fürnige Struftur des 
Sletjchereijes bietet eine jo rauhe 
Oberfläche, daß bei mäßiger Neigung 
die Trittjicherheit ohne weiteres 
gemwährleiftet ift. Die Spalten find 
jihtbar und bieten deshalb Feine 
Gefahr. Noch bequemer iſt das 
Gehen auf nidht zu fteilem 
Firn, da bier die Oberfläche 
weniger unregelmäßig ift, als auf 
dem Gletſcher. Schwieriger und 
ermüdender ift 

168. Das Gehen auf weichem 
Schnee. Der Hauptvorteil be— 
fteht darin, flah aufzutreten und 
das Gewicht möglichſt auf beide 
Füße zu verteilen, weil man dann 
weniger einfinft. Bejonders bei ver- 
harſchtem Schnee bietet diefe Art 
des Sehens, wobei man gleich einer 
Kate jchleicht, ohne feſt aufzutreten, 
große Vorteile. Der geübte Schnee: 
gänger geht jtredenmweit ohne ein- 
zufinfen, wo der Ungeübte bei 
jedem Schritt einbridt. Wenn ein 
Fuß einfinktt, jo jtrebe man mehr 
danach, den nicht gebraudten Fuß 
vorwärts zu bringen, als zu ver: 
juchen, dem Einfinfen des andern 
Einhalt zu tun. 

Wo man bei mildem Wetter die 
Wahl des Weges hat, bevorzuge 





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Sicherung in einer fteilen Eisrinne. (Zu Nro. 186.) 


man in früher Morgenjtunde die 
Seite, die ded Nachmittags im 
Schatten lag; ſie iſt ftärfer ge= 
froren, als diejenige, welche der 
Einwirkung der legten Sonnenjtrah: 
len ausgejegt war. Nach Sonnen= 
aufgang tft jelbjtredend die Schatten 
jeite zu wählen, da die Sonne 
den Schnee unglaublich rajch er: 
weicht. 

169. Abfahren nennt man das 
abjichtliche, fjtehende oder ſitzende 
Hinabgleiten auf Schnee. Es iſt 
ein herrliches Vergnügen, auf dieje 
Weiſe im Abftieg Hänge in wenigen 


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36. Abfahrt. 


Minuten zu paſſieren, zu deren Er— 
klimmung man morgens Stunden 
benötigte. Zwei Vorbedingungen 
ſind nötig, um ſich dieſes Ver— 
gnügen zu erlauben: genaue Kennt— 
nis oder Möglichkeit der Beurteilung 
des ganzen Hanges und dann des 
Terraing unter ihm. Man fahre 
nur da ab, wo man gegebenen 
Falles jederzeit jofort anhalten kann. 


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III. Per Alpinismus. 


Niro. 169. 


Deshalb fann man nicht abfahren, 
wenn der Schnee häufig mit aperem 
Eis wechjelt, wenn die Eißunter: 
lage nur dünn mit Schnee belegt 
ift, wenn der Schnee zu hart ift 
u. dergl. Dem Anfänger kann nur 
dringend geraten werden, lieber 
hundertmal auf das lodende Ver— 
gnügen zu verzichten, al3 einmal 
unvorfichtig abzufahren, denn ein 
Aufhalten auf jteilem Hang ift, 
wenn man fällt und ins Rollen 
u. dergl. fommt, für den Geübten 
jchwierig, für den Ungeübten une 
möglich; er iſt dann ausjchließlich 
dem Zufall preisgegeben. Am beiten 
lernt man das Abfahren, wenn das 
Seil in der Hand eines jicheren 
Führers oder Kameraden tft, oder 
auf Hängen, wo auch im “Falle 
eines Sturzes nichts zu befürchten 
iſt. Lebteres fann aber wieder nur 
der Bergerfahrene beurteilen. 

Die Regel ift, ftehend abzu— 
fahren. Die Hauptſache ift, den 
Körper und die Kniee gerade zu 
halten; man gleitet auf beiden 
Sußfohlen, je flacher die Sohle 
gehalten wird, deſto jchneller iſt 
die Fahrt. Das Bremjen gejchieht 
durch Heben der Fußſpitzen, wo— 
durch die Laſt auf den Abſätzen 
ruht und durch das Eindrüden der 
rückwärts gehaltenen Pickelſpitze. 
Den Pickel faßt man dabei mit 
einer Hand an der Haue. Wenn man 
ſtürzt, halte man nur einen Gedanken 
feſt: den Pickel nicht auszulaſſen und 
die Klinge in den Schnee einzu— 
treiben. Am beſten erfaßt man 
auf feſtem Schnee hiezu die Schaufel 
und ſtößt die Spitzhaue wie einen 
Dolch in den Schnee. Nur auf dieſe 
Weiſe konnte ich mich am Gran Saſſo 
bei einem Sturz, der infolge Ein— 
brechens der Füße in eine Höhlung 
erfolgte, wieder zum Halten bringen 
und vor dem Abſturz bewahren. 
Fahren mehrere am Seil ab, jo 
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Nro. 170—171. 


bezug auf Gejchwindigfeit erforder: 
ih, damit fih niemand in das 


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Alfred Steiniker. 


deren PBeränderung durch Ber: 
witterung und Bereifung. Der 


Seil verwidelt oder einen plöglichen | Steinfall wird teild dur Men- 
ſchen oder durch Tiere (Gemjen, 


Rud erhält. 

Sitend fährt man ab, wenn 
der Schnee fo weich ift, daß man 
nicht ftehend abfahren kann oder 
wenn er mit einem dünnen Harich 
überzogen ift, Durch den man ftehend 
einbricht. Man bremſt durch Ein: 
jtoßen der Abjäte, Aufftehen und 
Einhauen des Eispideld. Genaue 
Beurteilung der Bejchaffenheit des 
Hanges ift beim figenden noch viel 
wichtiger als beim ſtehenden Ab- 
fahren. 


In den felfen. 


170. Bejonderer Reiz der Fels— 
touren. Naturgemäß ftrebte der 
Menſch zuerit danad), die höchiten 
eis- und firnbelajteten Gipfel der 
Alpen zu bejiegen. Erſt jpäter 
wandte er jich den niedrigeren Kalt: 
alpen zu und heutzutage ift das 
Felsklettern die bevorzugteite Be— 
tätigung des alpinen Sports. Der 
Grund liegt in der viel größeren 
Abwechslung der Musfelarbeit in 
den Felſen — jeder Schritt, jede 
Stelle ift ander8 — und dergrößeren 
Unabhängigfeit des Einzelnen felbft 
bei Führertouren. Dazu fonımt, daß 
die ungeheure Entwidlung der Fels— 
technit eine unabjehbare Anzahl 
neuer Erſteigungswege und Er— 
fteiqungSsmöglichfeiten geſchaffen 
bat, die vom fportliden Stand. 
punft aus reizen. Allerdings ift 
als Schattenfeite nicht zu verfennen, 
daß aus diefem Grunde für viele 
die Alpen faft nur mehr zum Turn— 
gerüjte geworden find, daß faljcher 
Ehrgeiz, Senjation, Ruhmredigfeit 
und Rekord auch hier fih zum 
Schaden des idealen Weſens des 
AUlpinismus eingeichlicden haben. 

171. Die objektiven Gefahren 
der Felſen jind Steinfall, Brüdig- 
feit infolge der Geſteinsart und 








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Ziegen) veranlagt, teil$ hat er 
natürliche Urſachen. Die Steinfall: 
gefahr nimmt zu mit der Höhe des 
Berges und der Bermitterung des 
Geſteins; fie ift auch abhängig von 
dem Wetter, der Tages- und Jahres⸗ 
zeit. Am bäufigiten und ergiebigjten 
find Steinfälle bei und nad) Regen- 
güffen, nah Schneejchmelze und 
nad der Beitrahlung durch Die 
Sonne inden erftien Morgenftunden 
infolge der Loderung ded durch 
Froſt verfitteten Gefteind durch die 
Erwärmung. 

Der natürlide Weg der fallen: 
den Steine find Rinnen und Cou⸗ 
loird; da die Steine im großen 
ganzen den gleihen Weg nehnten, 
jo find fteinfallgefährlide Stellen 
durch Anhäufung des herunterge- 
fallenen Materiald ſchon von ferne 
erfenntlich. 

Müffen  fteinfallgefährliche 
Stellen paffiert werden, was oft 
nicht zu vermeiden ift, fo gibt es 
fein anderes Mittel, als fie tunlichit 
Schnell zu überwinden. Wo der Auf: 
jtieg nur in fteinfallgefährlichen 
Rinnen und Kaminen unternommen 
werden fann, ift es notwendig, ihn 
in den früheſten Morgenjtunden 
und bei einem Wetter zu voll: 
führen, das Steinfall möglichft au$- 
ſchließi. 

Sehr häufig werden Steine durch 
Menſchen losgelöſt und man muß 
daher auf häufig beftiegenen Bergen 
ebenfojehr darauf bedacht fein, Feine 
Steine lo3zutreten, die unterhalb 
befindliche Partien treffen fönnten, 
als man auch ſelbſt auf Steinfall 
von oben gefaßt fein muß. Bor: 
fichtige8 Klettern ift in ſolchen 
Fällen nötig, jeder Stein, der mit 
Hand oder Fuß berührt wird, ift 
zu prüfen; ein gefchieter Kletterer 


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II. Ber Alpinismus. 


Nro. 172. 


bewegt fich lautlo8 da, wo der fih| 3. B. die Spite in eine Spalte 
baftig bewegende Anfänger - den zwängt und ihn fo hält, daß der 


halben Berg in Bewegung jest. 
Auch der Pidel oder dad am Feljen 
fchleifende Seil können Steine los⸗ 
machen. 

Der Schaden, den ein fallender 
Stein anrichtet, iſt von ſeiner Größe 
und Geſchwindigkeit abhängig; aus 
letzterem Grunde iſt es notwendig, 
daß die Teilnehmer einer Partie 
möglichſt nahe beiſammen bleiben; 
bei ſehr ſteinfallgefährlichen Routen 
kann es vorkommen, daß auch 
mehrere Partien nur mitſammen 
ſteigen können und an den gefähr- 
lichſten Stellen die unteren Teil: 

nehmer Dedung juchen und die 
oberen nach dem Paſſieren der bez. 
Stellen wieder auf die unteren 
warten müſſen. 

Wenn troß aller Vorſicht Steine 
herabfommen, jo gibt e3 nichts 
anderes, als raſch Dedung unter 
einem Felſen zu juchen oder fidh 
zum mindeften aus der wahrſchein⸗ 
lichſten Fallrichtung zu entfernen, 
an die Wand zu ſchmiegen und 
feinem Glüd zu vertrauen. 

Se größer die Brüdigfeit 
der Felſen, deſto fchwieriger ift 
eine Klettertour wegen der Unver⸗ 
läßlichkeit der Griffe und Tritte, 
defto größer die erforderliche Vor: 
fiht. Bereifung der Yeljen 
fann eine jonft unfchwierige Tour 
unmöglid maden. (Lawinen, die 
fih natürlih aud bei mit tiefem 
oder loſem Schnee bededten Felſen 
bilden können, fiehe Nr. 182). 

172. Die Hilfsmittel des Klet- 
terers find Pidel,Steigeifen, Kletter- 
ſchuhe und last not least das Seil 
mit Zubehör (Seilringe, Mauer: 
baten :c.) und Marfierungspapier. 
Der Pirel, der im Abitieg als 
Stüte verwendet wird, ift ſchon er- 
mähnt worden. Außerdem kann 
er dazu dienen, einen künſtlichen 
Tritt berzuftelen, indem man 


Genofje darauf treten fann. Im 
allgemeinen ift er jedoch beim 
Klettern hinderlich und wird beſſer 
beim Einftieg in die Feljen zurüd: 
gelafjen, wenn man den gleichen 
Rüdmeg nimmt und ihn während 
der weiteren Tour nicht benötigt. 
Muß er mitgenommen werden, jo 
befejtigt man ihn mittelft der Pickel⸗ 
ſchlinge am Handgelenf. 

Die Steigeijen find vorzüg- 
lich auf bratfhigem und morjchem 
Geſtein und auf mit Schutt bedeckten 
Platten (wie 3. B. im Karmendel- 
gebirge); ferner auf vereiften und 
verjchneiten Felſen, auf fteilen 
Rajenhängen und gefrorenem 
Schutt; fie ermögliden Touren, 
die. ohne fie ſchlechterdings nicht 
ausführbar wären. Auf harten und 
trodenen Felſen (wie 3. B. in den 
Dolomiten) find die Kletterfchuhe 
von unübertrefflihem Wert dadurd, 
daß fie gegenüber den genagelten 
Schuhen einen unglaublich ficheren 
und fejten Stand geben. 

Das wichtigſte Hilfsmittel iſt 
das Seil; es dient nicht nur zur 
gegenfeitigen Berficherung, fondern 
auch zur Bewältigung von Stellen, 
die ohne Seil überhqupt unüber: 
mwindbar wären. 

Wann dag Seil zur Siherung 
angelegt wird, hängt von der 
Schwierigkeit der Felſen und von 
der Qualität der Steiger ab. Maß- 
gebend ift in letzterer Hinficht, daß 
das Seil genommen wird, wenn 
dem ſchwächſten Gefährten Gefahr 
drohen könnte. Grundſätzlich müſſen 
die Teilnehmer der Partie durch 
dag Seil fe ft verbunden, „angeſeilt“ 
werden (da8 Halten mit den Händen 
allein genügt nicht), im fchweren 
Fels darf ſich nur immer einer be— 
wegen, während der ander fo fejten 
Stand haben und womöglid das 
Seil um einen Feldzaden ſchlingen 


Alfıed Steiniker, 


uß, daß er aud im Falle eines | fo daß e8 vom zweiten (von unten) 


turze® des Gefährten nicht aus 
Stellung herausgeworfen 
Die Länge des auszu- nützt wird, um fih ziehen zu 
ebenden Seiles richtet ſich nad | 


iner 
ird 


er Entfernung der Haltepunkte 
er Kletternden, der feſtſtehende 
ibt ſo viel aus, als der ſich be— 
vegende benötigt. Bei unbekannten, 
chwierigen Touren, namentlich im 
Abſtieg, muß deshalb für ent- 
prechende Seillänge vorgejorgt fein. 

Die einfachſte Art des Anſeilens 
ift mitteld de8 Führerknotens 
(Sadftich), der ſich ſowohl für die 
Endſchlinge, 





angezogen werden kann. Wenn 
das Seil vom Nachſteigenden be—⸗— 


laſſen, fo iſt das infofern eine miß— 
bräudlide Anwendung, als Der: 


jenige, der folder Hilfen benötigt, . 
der Tour nicht gewachſen ift. reis | 
lich werden heutzutage viele Unbe: . 


rufene auf ſchwierige Gipfel hinauf: : 


gehißt. 
Beim Abftieg ift e8 umgekehrt, 
beſſer 


Mittelmann (bei Dreien) eignet nnd erſter, im Abſtieg als letzter gehen. 


am leichteften zu maden ift. 


37. Führerknoten. 


Aus: Anwendung des Seiled der Alpenvereinsſektion 


Bayerland. 


Seilfhlinge wird um den Bruſt⸗ 
forb gelegt (bei Damen um die 
Taille) und fo angezogen, daß man 
noch gut atmen, aber nicht aus der 
Seilfehlinge herausgleiten kann. Sit 
das Geil zu lang, jo wird dag 
überflüffige Ende vom PBorderften 
um den Leib (von einer Schulter 
zur andern Hüfte) gejchlungen. 
Beim Aufmwärtsfteigen fann der 
Untenftehende den Borausflettern: 
den im Falle eined Sturzes nur 
bedingt vor dem völligen Abfturz 
bewahren, während der Nachfol—⸗ 
gende vom Obenftehenden am leicht 
gejpannten Seil fofort gehalten 
mwerden fann, wenn er ausgleiten 
follte. Unter Umjtänden Tann 
hd aud der erjte von oben 
fihern, wenn es ihm gelingt, 
dag Geil über einen Feldpor- 
jprung (ev. Mauerhaken) zu legen, 


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‚indem der Vorauskletternde vom 
Obenſtehenden 
werden kann. Deshalb wird der 
als auch für den beſſere Kletterer im Aufſtieg als 


verſichert 


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Schwerer, unter Umſtänden un: 
möglich iſt die Verſiche⸗ 
rung beim Traverfieren, 

— weil der Stürzende in 


die Wand hinausgeworfen 
wird. Wenn das Seil in 
ſolchen Fällen nicht mit 
Hilfe eines Felszackens 
und dergl. feſtgelegt wer⸗ 
den kann, iſt es praktiſch 
wertlos, weil der Feſt⸗ 
ſtehende durch den Ruck mitgeriſſen 
wird; höchſtens kann ihm „mora⸗ 
liſcher“ Wert zugeſprochen werden. 

Unbedingt nötig iſt, daß der 
Nahfommende — fei e8 im Auf 
oder Abftieg — ruhig fteht, während 
der andere klettert, was von An- 
fängern Häufig nicht genügend 
beadhtet wird. 

Außer ala Sicherungsvorrichtung 
oder zugleich mit diefer wird das 
Seil zur Ueberwindung von ted: 
niſchen Schwierigfeiten verwendet. 
Beim Aufwärtsflettern ge 
Ihieht dies in der Weife, daß der 
Erſte das Seil nad oben um einen 
Felszacken wirft, derverläſſigen 
Halt gewährt (was zu beurteilen 
oft die größte Schwierigkeit bietet), 
während der Untenſtehende das 
Seil feſthält. Findet ſich Fein ge: 
eigneter Haltepunkt für das Seil, 


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III. 


Schnur zum Zurückholen 


des Seiles 


4 kann man fi) nur mitteld eines 
x eingetriebenen Mauerhakens helfen. 
4 Auf ähnlihe Weije Tann man fi 
ı auch bei fchwierigen Traverjen 
ſichern. 
# Biel mannigfaltiger und wid: 
tiger ift der Gebrauch des Seiles 
beim Abſtieg. Wo die Felſen fo 
fteil, überhängend oder griffarm 
find, daß man nit mehr in 
der gemöhnliden Weife flettern 
fann, ift man genötigt fih abzu= 
: feilen. Der PBorausfletternde 
wird hiebei durd) almähliches Nach— 
lafien des Seiles herabgelaſſen, 
mobei er fi mit den Füßen tun- 
lichſt an den Felfen zu ftügen hat, 
um fein Gewicht zu erleichtern und 
nit ind Pendeln zu kommen. 
Wenn der Abfeilende hiebei das 
Seilende um einen Borjprung und 
dergl. laufen läßt, gewährt dies 
den Borzug größerer Sicherheit ; 
empfehlendmwert ift zur Schonung 
des Seil mehrfach gefaltetes Papier 
unterzulegen. 
Wenn die Füße feinen Halt mehr 
„) finden, fo ift eg am vorteilhafteften, 
« Sich frei abzufeilen, ein Verfahren, 
das vom Letztſteigenden immer an- 
ö gewendet werden muß. Die ein: 
# fachite Methode ift die am doppelten 
„ Seil, dad um einen Felsvorſprung 
gelegt wird. Bei nicht entiprechend 
ns Kletterern muß allerdings 
der Poranfletternde noch mittels 
‚ eined® zweiten Geiles gefichert 
i werden. Wenn die beiden Seil— 
; jtränge enge aneinander liegen, jo 


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Per Alpinismus. 


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Nero. 172 





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2. 
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38. Derwendung der ganzen Seillänge. 
Aus: Anwendung bed Seiled der Alpenvereinsjeltion Bayerland. 


werden beide, wenn fie weit aus: 
einanderftehen, nur einer benütßt; 
der Untenjtehende muß im leßteren 
Fall das andere Ende feithalten. 

Muß die ganze Seillänge zur 
Verwendung kommen, oder ift zu 
befürchten, daß das Seil fih am 
Haltepunft leicht feſtklemmt und 
dann ſchwer oder gar nicht abzu= 
Ihnellen oder durchzuziehen ift, jo 
benügt man Seilringe, von 
denen man einen Vorrat im Rud- 





39. Derwendung der ganzen Seillänge. 
Aus; Anwendung des Seiles der Alpen— 
vereindfeltion Bayerland. 


Nro. 172. 


eingefnüpfter Eijenring, durd den 
das Seil läuft. Wenn fich feine 
geeigneten Punkte zum Anbringen 


eines Seilrings darbieten, bleibt 


auch hier nur dag Einfchlagen eines 
Barrenringes übrig. 

Eine einfahe und fichere Art 
für den Lesten ift, fih an einem 


Alfred Btkiniker. 
ja mitführt. Sehr praftijch ift ein | 


Schnur herabgezogen. Das Klettern 
am einfahen Geil ift immer 
ſchwieriger, als am doppelten und 
deshalb nur ganz geübten Kletterern 
anzuraten. 

Beim freien Abjeilen muß guter 
Kletterjhluß mit den Füßen 
genommen werden, der ed ermög- 
licht, fi Tangfam herabzulaffen und 





40, Kletterfchluß. 


Aus: Anwendung bed Seiles der Alpen- 
vereinsjeftion Bayerland. 


Ende des Seiled, das durch 


41. Freies Abfeilen. 


einen durch ſtärkeres Aufdrücken aud) 


Seilring läuft, anzubinden und völlig zu bremſen. 


herabzulajjen, während der Ge: 
jährte das andere Ende entfprechend 
nachläßt. 

Wenn die Abfeilftelle fo hoch ift, 
daß die Yänge des doppelt ge- 
nommenen Seiles nicht ausreicht, 
jo wird daß Geilende mit einem 
größeren Eifenring oder einem Holz- 
Inebel verjehen, der nicht durch den 
Abjeilring durchgleiten kann. Nach 
Beendigung des Mbfeileng wird 
das Geil mittel3 einer dünnen 


Wenn Piel und Gepäd beim 
Klettern hinderlih find, werden 
auch dieje aufs bezw. abgefeilt. 

Ein Beifpiel origineller Seil: 
verwendung, die allerdings fast den 
Charakter jenfationeller Equilibriftif 
trägt, zeigt Bild 43. Die „Be: 
jteigung” eines touriftifch gänzlich 
belanglofen Dolomitzadens, wie 
man taujende finden fönnte, wurde 
dadurch ermöglicht, daß von dem 
benachbarten Gipfel eine an einer 





Il, Per Alpinismus. Niro. 173. 


einem Stein beſchwert 
an marfanten Bunften 
feftgelegt wird, man 
markiert fih alfo den 
Meg. An befonders 
wichtigen Stellen emp: 
fiehlt jih die Errich- 
tung von mweither ſicht⸗ 
baren Steindauben. 

In den Bentralalpeu 
und öſterreichiſchen 
Dolomiten find Die 
Führer im allgemeinen 
mit guten Seilen au3: 
gerüftet, in allen an— 
deren Gebieten über- 
zeuge man fih von 
der Befchaffenheit des 
Seild, mofern man 
fein eigenes mit ſich 
führt. Die Staliener und Fran: 
zoſen bringen öfter Seile mit, Die 
höchſtens zum Anbinden eines Kal: 
bes brauchbar find. 

173. Grundregeln des Klettern®. 
Wenn vie Beichaffenheit des Ge: 
ländes eine derartige wird, daß 
— der Gebrauch der Füße als Stütz— 

I * und Taſtorgan nicht mehr ausreicht 

! und die Hände hHiezu in Anſpruch 

genommen werden müſſen, jo nennen 

N wir dieſe Bewegung „Klettern“. 

ı Man bezeichnet hiebei die Gtüß- 

! punkte für die Füße als „Tritte“, 

42. Abfeilen am doppelten Seil, | diejenigen für die Hände als 
„Griffe“. Jeder Tritt und Griff 

Schnur befeftigte Bleitugel hinüber | tft Durch dag Auge und durch Taſten 
geworfen wurde, die ein an der | forgfältig auf feine Feſtigkeit und 
Vaſis der Guglia aufgeftellter | Verwendbarkeit zu prüfen, ehe wir 
Träger auffing und daran ein Seil | ung ihm anvertrauen. „Man nimmt 
hinüberzog, daB die Verbindung | am richtigiten an, daß jeder Zeljen, 
zwiſchen den beiden Gipfeln her- | der mit der Hand und dem Fuß 
ttellte. Diefes benüßten dann die | berührt mird, Ioje jein kann.“ 
Befteiger als luftigen Pfad. (C. 7. Dent), In erponierten 
Wo der Rückweg ſchwer zu finden | Tagen ſoll der Körper ſtets an brei 
iſt — und das ift häufig der Fall, | Punkten — alfo durch beide Füße 
denn im Abftieg ift das Terrain | und eine Hand, oder durch beide 
viel ſchwerer zu überblicken al8 im | Hände und einen Fuß geftüßt fein. 
Aufftieg — verwendet man rotes Sit die Neigung fo fteil, daß ein 
Martierungspapier, dag mit Ausgleiten gefährlich werden kann, 


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|| 


ro. 173. 





43. Seilverwendung als Brücke. 


fo darf fein Haltepunkt aufgegeben 
werden, ehe man fich nicht eines 
anderen geeigneten verjichert hat. 
Der Griff ift an ſolchen Stellen 
wertvoller wie der Tritt, 

Sehr Häufig hängt die Bewälti— 
gung einer Stelle davon ab, wie 
man die vorhandenen Tritte und 
Griffe benützt und einteilt. Es 
ift daher nötig, das nächte Weg: 
ſtück vorher anzujehen und nicht 
blindlingS zuzugreifen. Das An— 
treten mit dem richtigen Fuße 3. B. 
it oft der Sclüffel zu einer 
ichiwierigen Stelle. Der Anfänger 
achte genau auf jeinen Führer und 
made es jich dabei Far, warum 
diefer e8 jo und nicht anders an— 
padt. 

Sm allgemeinen ift der Abjtieg 
fchwerer als der Aufjtieg, was zum 
Teil daran liegt, Daß e8 viel leichter 
ift, die Gangbarfeit der Feljen vor 
unten zu beurteilen, als von oben. 
Dazu kommt noch, daß es beim 
Abstieg ſchwerer iſt, die Tritte zu 
prüfen; deshalb find die Griffe 


Aifred Sleiniher. 








hier ganz bejonders mwidtig. Es 
muß zum Grundſatz gemacht werden, 
nie eine Stelle zu erfteigen, die 
man nicht mit Sicherheit auch im 
Abjtieg wieder bewältigen kann, 
voraudgefeht, daß man die gleiche 
Route auch zum Abftieg benügen 
muß. Dies ift vornehmlich dann zu 
beachten, wenn man nicht mit dem 
Seil ausgerüftet ift, was bei einiger: 
maßen jchwierigen Touren aller: 
dings conditio sine qua non iſt. 

Beim Abftieg über mäßig ge: 
neigte Felshänge kann der Pidel 
eine gute Stüße fein und aud) 
zum Prüfen eines Trittes gebraucht 
werden, indem man ihn an der 
Klinge faßt und mit der Spihe 
jondiert. Bei fteilen Feljen kann 
man diejen den Rüden zumenden 
oder mit dem Geficht gegen die 
Feljfen abfteigen., Das erftere Ver- 
fahren ift immer vorzuziehen, wenn 
die Steilheit nicht zu groß ift, weil 
e3 jo viel leichter ift zu überbliden, 
wo ſich Griffe und Tritte finden. 
Bei der lebteren Art des Abſtiegs 


4 
— 


III, Der Alpiniemus. 


ift e8 notwendig, fich an den Griffen 
fejthaltend ſoweit mit geftredten 
Armen hinauszulehnen, daß man 
das nächſte Stück überfieht. 

Der Anfänger jehe in eriter 
Linie darauf, daß er ficher Elettert, 
denn es fommt zunächſt nicht darauf 
an, eine Stelle rafch zu bewältigen; 
Öfteres Ausgleiten macht, auch 
wenn gar nichts pajfiert, nervös 
und zaghaft. 

„Dengutenfelsfletterer 
erfennt man daran, daß er alle Be- 
mwegungen ruhig, langjam, geräufch- 
los und ſtillſchweigend : vollzieht. 
Ruck- und ſprungweiſes Vorgehen 
ift beim Klettern felten am Plate, 





+4. Klettern in der Wand. Berftellung eines künſt— 


lichen Trittes mit der Schulter. 





ro. 173. 


45. Traverfierung in der Wand, 
Sicherung durch eingefchlagenen 


Mauerbafen. 


der gewiegte Felfenmann 
bewegt ſich vorfihtig, er 
taftet fi mehr über die 
Felſen hinauf, als daß 
er fie erflimmt; er madt 
feinen Schritt nach vor 
wärts, ehe er nicht für 
Hand und Fuß einen 
neuen jicheren Halt er: 
jpäht hat. Er ift ftet3 
auf das Ausgleiten, Los— 
breden eines Steines, 
auf die Verforgung des 
Pickels und auch auf 
Schonung feiner Kleider 
bedacht, er wird, wenn er 
in Geſellſchaft Llettert, 
feine Nachfolger vor trü— 
geriihen Griffen warnen, 


Neo. 174-175. 








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das Seilvonihren Füßen wegziehen 
und lodere Steine möglid) weg— 
räumen. Er faßt nit nur das 
Nächftliegende fjondern aud das 
Entferntere ind Auge, er erfennt 
die Gefahr und weiß ihr zu be- 
gegnen; er wird am Ende der 
Tour ebenjo vorfihtig über die 
Feljen hinabfteigen, wie zu Beginn 
der Bergfahrt." (Burtjcheller.) 

174. Das Klettern in Wänden 
jieht häufig viel jchlimmer aus, als 
es in der Tat ift. Die abmweifend- 
ten Wände löſen fich oft bei 
näherer Bejichtigung zu einer zahl: 
reihe Griffe und Tritte bietenden 
Stiege auf. Da die Erpofition 
im Gemwände jehr groß iſt, fommt 
es mehr auf die Feſtigkeit der 
Haltepunfte an, ald auf die Steil- 
heit. Brüdige Wände find weit 


gefährlicher als feſtes Gejtein bei | Eijenhaten (ſ. o.). 









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46. Am Band. Sicherung durch Seil, das | kann es notwendig werden, gebüdt 


über einen Selszaden (Mauerhafen) 
geleat ift. 


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Alfıed Steiniker. 


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größerer Steilheit. Namentlid 
beim Mbftieg über ausgejeste, 
griffarme und brüdhige R 
ift das Seil eine ganz unentbehr- 
lihe Hilfe. 

Beim Traverfieren, — 
im brüchigen oder plattigen, griff⸗ 
armen Geſtein iſt Seilverſicherung 
allerdings ſehr erwünſcht, aber 
meiſt ſehr ſchwierig. Das Seil it 
hiebei jo furz zu nehmen, ala es 
die Wahl des feiten Standes > 
den Berfichernden geftattet, dan 
im Falle eines Sturzes der Aud 
möglichjt ‘gemildert und er 
jelbft mitgerifjen wird. Im 
gemeinen wird eine —S 
Verſicherung überhaupt nur möalich 
ſein, wenn das Geil an einem 
Felsvorfprung fejtgelegt werder 
fann oder mittelſt eingejchlagener 
Die Sicherung 
wird bei einer Partie von mehre 
ren wenigſtens für die in der 
Mitte befindlihen leichter ſein 
weil jie von beiden Geiten ge 
jihert werden können. 

175. Bänder. Die Schwierigfeit 
der Bänder hängt von der Breite 
der Neigung gegen den Abgrund, 
und den vorhandenen Griffen ab. 
Die ſchmalſten Felsleiften find un 
jchwer zu begehen, wenn fich ober 
halb gute Griffe bieten; nach außen 
geneigte, plattige Bänder find, went 
griffarm, viel gefährlicher. S m 
die Bänder mit Schutt bedeckt, ji 
ift große Vorficht geboten, da 08 
Gerölle leicht ins Rutſchen * mm * 

Oefters find die Bänder 
Riſſe u. dgl, unterbrochen; we ent 
die Unterbrechung überhaupt he 12 
ihritten werden fann, jo ift ee | 
zu achten, jenjeit3 einen fo 
Tritt und womöglich zugleich 
feften Griff zu erfaffen. Wenn bie 
Felſen ober dem Bande ber 4 
zu gehen, zu kriechen oder J 
in den Abgrund baumelnden — Fuß 


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niederzujegen und jich mit den Hän- 
den jeitwärt3 zu jchieben. 

Der Gebraud) des Geiles ift 
ähnlich wie beim Traverfieren von 
Wänden. Die Sicherung wird we— 
jentlich erleichtert, wenn es gelingt, 
das Seil über einen oberhalb der 
zu pajjierenden jchwierigen Stelle 
gelegenen Haltepunkt zu führen. 

176. Platten nennt man mehr 
oder weniger fteile, glatte Felſen, 
die wenige oder feine Griffe und 
Tritte bieten. 

Im letteren Fall hängt die Mög— 
lichkeit der Begehung nur von der 
Neigung ab. Kletterſchuhe find 
beſonders im glatten Gejtein der 
Kalfalpen jehr vorteilhaft ; bei ver: 
eiften Platten find Steigeijen note: 
wendig. Beim Abjtieg wird man: 
öfter das Gefäh verwenden, um 
die Reibungsflähe zu vergrößern. 
Seilverfiherung ijt nur verläßlich, 
wenn mindeſtens einer feiten Stand 
findet; manchmal wird es gelingen, 
durch Einzwängen des Pickelſtiels 


47. Auf einer Platte. 


ns Dorn li a =. 


III, Der Alpinismus. 





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Nro. 176-177. 





sa 2; 
48. Einjtieg in den Kamın. 


oder der Spithade in Kleine Spalten 
einen Griff oder Tritt zu improvi— 
fieren. Grponierte Platten jind 
mit das unangenehmjte und ge— 
fährlichite, was beim Klettern vor: 
fommt. 

177. Im Kamin. Gut gejtufte 
Kamine find leichter als gleich ge= 
ftufte Wände, zudem find fie we— 
niger ausgejegt. Sehr häufig find 
fie jedoch durch Schmelzwaſſer und 
Steinfall plattig und griffarm, dann 
ift e8 erforderlich, ji mit dem 
Rüden und Ellenbogen an die eine, 
mit den Füßen oder Knien an die 
andere Wand zu ftemmen und jich 
jo nad) Art der Kaminfeger weiter 
zu arbeiten. Sit der Kamin hiefür 
zu eng oder zu jeicht, jo dab man 
nur mit einem Teil de3 Körper 
hineinfommt, jo ift die Schwierig: 


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Nrv. 178. Alfıed Steiniker. 


Kletterers und die meift große 

’ | Brücigfeit des Gefteind. Bei 

Eu jteilen Graten, die wie eine Wand 
! ji \erflettert werden, ift die Brüchig- 
) feit geringer, weil das loje Geftein 
von jelbjt in die Tiefe ftürzt. Die 
Gejtaltung der Grate ift jehr ver— 
7 „ |Nhieden; oft find fie mit Nadeln, 
/ Baden und Türmen gejpidt, zer: 
jpalten und zerfägt, oft beftehen 

| ſie nur aus lojen, aufeinanderge- 
| 'Y Ihichteten Platten und Trümmern, 
ı)\ Ze die fih im labilen Gleichgewicht be= 

| 7 / finden, jo vernehmlich ein Urgebirge. 
jj } / $ Genaueſte Prüfung der Tritte und 
a Griffe ift daher ganz bejonders 

4 fi unerläßlid. Sehr jchmale Grate 
 / müſſen reitend oder hangelnd über 
I AR — werden. Eine gute Seil— 








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49. Stemmfamin. Sicherung durch 
Mauerhaken. 


keit weſentlich größer; iſt er ſehr 
breit, ſo muß man oft zu recht 
heiklen Spreizſtellungen greifen. Wi 
Ein tücifche® Hindernis bilden PN 
häufig eingeflemmte Blöde, die 9 
überklettert oder durch Hinausklet— Ri 
tern in die Wand umgangen werden | N 
müſſen. 

Die Seilverſicherung erfolgt ähn— 
lich wie beim Klettern in der Wand; 
im Abſtieg bietet eine gute Ver— 
ſicherung häufig geringere Schwie— 
rigkeiten, da unſchwer die ganze 
Seillänge benützt werden kann. 

178. Auf dem Grat. Die Cha— 
rakteriſtik des Gratkletterns iſt die 
hervorragende Ausgeſetztheit des 50. Abſtieg im Kamin. 





IHN, Per Hlpinismus. 


verfiherung ift dann unjchwer, wenn 
man es jo einrichten kann, daß fich 
die Kletternden auf verfchiedenen 
Seiten des Grates befinden. Tiefe 
Einſchnitte im Grat maden es oft 
nötig, ſich abazufeilen und ein Seil- 
ftüd zurüdzulafjen, um gegebenen- 
falls die Stelle auh im Rückweg 
bewältigen zu fönnen. 


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51. Am Grat. 


179. Befchneites oder vereiſtes 


ſicht erfordert das Paſſieren ſelbſt 
ſchwach geneigter Platten, da ſie 
wenig oder gar keine Reibung 
geben. 

180. Bewachſene Felſen und 
ſteile Grashänge ſind griffarm, 
der Kletterer iſt daher nahezu gänz⸗ 
lich auf ſeine Füße, d. h. auf Tritt⸗ 
ſicherheit angewieſen. Steigeiſen 
find daher unerläßlich. Durch Ein⸗ 
hacken des unmittelbar unter der 
Haue gefaßten Pickels kann man 
ſich das Gleichgewicht erleichternde 
Griffe ſchaffen; das Körpergewicht 
darf denſelben jedoch auch nicht 
zum geringſten Teil anvertraut 
werden. Seilverſicherung iſt mei⸗ 
ſtens nicht möglich oder ganz illu— 
forifch, weil der Berfichernde feinen 
fejten Stand findet. Nach längerer 
Trodenbeit ift da3 Erdreich bröcke— 
lig, nad naſſem Wetter reißen die 
Raſenſchöpfe ſehr leicht aus, mas 
die Gefahr erheblich erhöht. Bei 
gefrorenem aperen Boden ift hin 
gegen die Beiteigung häufig des— 
wegen erleichtert, weil die Steig- 
eifen in dem durch Froſt gefeitigtem 
Boden befjeren Halt finden. Schnee, 
der immer nur lofe auf der Gras⸗ 
unterlage liegt, fteigert die Gefahr 
außerordentlich. 

Eine große Zahl der jährli in 
den Alpen vorfommenden Unglücks⸗ 
fälle ereignet ſich auf fteilen Gras: 
hängen, oft unmittelbar neben dem 
guten Steig, der verlafjen wird, 
um eine lodende Blume zu pflüden. 


Geftein erhöhen die Schwierigkeiten | Der alpine Anfänger und noch 


und Gefahren einer Felstour ganz 
bedeutend, wenn jte diejelbe nicht 
überhaupt unmöglich machen. KRletter: 
Ihuhe find gänzlid unbrauchbar, 
hingegen leiften Steigeijfen vor: 
zügliche Dienfte. Die Brüfung von 
Griffen und Tritten erfordert des: 
halb die allergrößte Vorficht, weil 
jie oft durch Anfrieren feft erjchei- 
nen, unter dem Körpergewicht aber 
doch nachgeben. Bejondere Bor: 


mehr der Spaziergänger kann vor 
dem Betreten derartigen Terraing 
gar nicht genug gewarnt werden. 


In Eis und firn. 


181. Zur Charafteriftif der 
Eistonren. Die Gletfchertouriftif 
führt uns in die großartigjten Re- 
gionen des Hochgebirged, in bie 
Märdenpradt ſchillernder Eispa⸗ 





Nro. 182. 


läfte, abenteuerlichiter Schnee und 
Firnbildungen, in eine Welt, die 
durch die gänzlich anders gearteten 
klimatologiſchen Bedingungen eine 
jo ganz andere ift, als die uns 
gewöhnlich umgebende. Wenn der 
reinen Felstfetterei injoferne mehr 
Abwechslung zugeſprochen werden 
muß als den Gletichertouren, ala 
bei erfteren faft jeder Schritt neue 
Kombinationen in der Art des 
Vorwärtskommens bringt, wenn die 
Felstechnik vielleicht, was aus: 
Ichließlich die turneriiche Gewandt- 
heit betrifft, größere Anforderungen 
ftelt als die Eistechnik, fo ver: 
langt andererfeit3 die Touriſtik in 
Eid und Firn ein weit höheres 
Maß von Gebirgsfenntnis. Denn 
die elementaren Gemalten find in 
den Regionen ded ewigen Eiſes 
mwechjelnder und mannigfaltiger, 
die Gefahren vieljeitiger, die An- 
forderungen an Urteil und rajches 


Handeln deshalb größer. 


Während bei Felstouren die 
Muskulatur vielfeitiger beaniprucht 
wird, leiſten bei Gletichertouren 
(dag Stufenfchlagen ausgenommen) 
die Füße Die gejamte Arbeit; 
Trittficherheit ift auch in höherem 
Make erforderlih, meil Griffe 
fehlen. 

182. Die objektiven Gefahren 
von Schnee und Eis find in der 






52. Schnesfchild. 


Ablagerungsgeblet für 
„Schneeichilder” 


— gefährlichiter 
Störungsort 


Alfred Steiniher. 


Hauptſache: Lawinen, Schneewäd;: 
ten und Gleiſcherſpalten. 

Lawinen entitehen, wenn ber 
Schnee durd die Eigenſchwere ins 
Rutſchen fommt; ihre Bildung it 
abhängig von der Beſchaffenheit 
des Schnee jelbft und derjenigen 
der Unterlage. 
glatter die letztere, deſto mehr iſt 
die Lawinenbildung begünftigt. Ein: 
teilung und Benennung der Lawinen 
ift eine verfchiedene; ich zähle fie 
bier nad der von Prof. Paulke 
vorgenommenen Unterjcheidung auf. 
l. TZrodene Neujdnee 
lawinen(Staublamwinen); Schnee: 
beichaffenheit troden, pulverig, 
ftaubig, feinfandig, luftreich, locker; 
der Schnee ballt ſich nicht, feine 
Maffe fest fih nur langfam. Bor: 
bedingung: Schneefall oder Schnee: 
treiben bei Kälte oder rajcher Ein- 
tritt von Kälte und Anhalten der: 
jelben nah Neufchneefal. Nach 
ftarfen Neufchneefällen Tann bei 
andauernder Kälte Trorenjchnee: 
lawinengefahr verhältnismäßig 
lage andauern. 


Hieher gehören aud) die Schnee: ' 


Schilde (Öuflen, Guxen) und die 
Schneebretter. Erfteres find 
kleine Schneefelder, die fih in 
muldenartigen Vertiefungen fteiler 
Hänge anjammeln; die letzteren 
find vom Wind angeblafene und 
oberflächlich feitgewehte 
Heinere Schneefelder, die 
beim Betreten in einzel- 
nen Schollen gleichfam 
zeriplittern und dann als 
Lawine zu Tal fahren. 
2. Feuchte Neu— 
chneelawinen; 
Schneebeſchaffenheit 
feucht, ſchwer, der Schnee 
ballt ſich leicht und ſetzt 
ſich verhältnismäßig ſehr 
raſch. Vorbedingung: 
Neuſchneefall bei höherer 
Temperatur (Flocken⸗ 


Je ſteiler und 


III, Der Alpinismue. 


ichnee), oder Eintritt von Regen, 
warme Lufttemperatur, beziehungs⸗ 
weiſe ftarfer Sonnenftrahlung nad 
Neufchneefal. Zwiſchen ihnen und 
den Trodenfchneelawinen gibt es 
mannigfadde Webergänge. 

Die feuchten Neufchneelaminen 
find für den Bergfteiger am ge⸗ 
fährlichiten; erft durch Feitfrieren 
des friſch gefallenen, feuchten Neu- 
ſchnees wird eine fejte Verbindung 
mit der Unterlage gejchaffen, mas 
einige Tage dauern Tann. 

3. Altſchneelawinen (Grund- 
lawinen) ; Schneebejchaffenheit 
nafler, ſchwerer, zufammengefinter- 
ter, körnig verfirnter, alter Schnee. 
Borbedingung für Abbruch: Alt- 
fhnee, warme Witterung, Yöhn, 
Regen oder ſtarke Sonnenftrahlung. 

Die Lamwinengefahr ift natur: 
gemäß im Spätwinter und Bor: 
frühjahr am größten, wo mehrere 
Schichten Schnee mit verfchiedener 
Konſiſtenz und Spannung über: 
einander liegen; fie ift bei Neu= 
jchneelaminen von der Tageszeit 
nahezu unabhändig, während Alt- 
fchneelamwinengefahr ded Morgens 
und ev. Abends geringer, oft aus: 
geichloflen ift (vgl. Nr. 168 Ab. 2). 

Sn der Region der Firn- und 
Eisbrüche bilden fih durch ab- 
bredende Eiäftüde, Zufammenfturz 
von Eidnadeln und 
dgl. die fog. Eiß- 
lawinen Ihr 
Borhandenfein und 
ihre Bahn mird 
gewöhnlih durch 
die zerftreuten Eis⸗ 
trümmer ſchon von 
weitem verraten. 
Bei ftarfem Wind 
und warmen Wet: 
ter follen von Eis⸗ 
lawinen beftrichene 
Räume grundfäßs 
lich nit über: 
ſchritten werben. 


Niro. 182. 


Firnlawinen entftehen durd 
Abbrechen von Wächten und durch 
Zufammenfturz von Firnferacs. 

Schneewächten find eine im 
vergleticherten Hochgebirge außer: 
ordentlich häufige Erfcheinung. Sie 
beitehen in Schneedächern oder 
Balkonen, die fi weit — bis zu 
6 Meter und mehr — in die Luft 
hinauswölben und durch Anmwehen, 
Tauen und anfrieren des Schnees 
an Gipfeln, Kämmen und Graten, 
auch außerdem an jehr fteilen 
Feld: oder Gletjcherabbrüchen 
gebildet werden. Die Gefahr 
befteht darin, daß der Bergſteiger 
wähnt, ſich noch auf feitem Boden 
zu bewegen, während er jchon das 
Iuftige Gebilde betritt, das plöß- 
üb mit ihm zur Tiefe ftürzen 
fann. 

Durch die Bewegung der Gletſcher, 
die wechjelnde Breite und Die 
Krümmungen des Gletſcherbettes 
und die Unebenheiten des Unter- 
grundes entjtehen die Spalten. 
Wo das Gletjcherbett fteile Ab: 
ftürze aufmeift, entjtehen Glet⸗ 
fherbrüde; das Eis ift dann 
in Türme und Nadeln, „Seracs“, 
welche die bizarrften Formen zeigen, 
zeripalten. 

Wenn die Gletjcher aper find 
und die Spalten zutage treten, 


„. Schnee 





...... Selsgerüft 


53. Schneewächte. 


RR ——— 


Nro. 183. 


Alfven Steiniker. 


bieten fie keinerlei objektive Ge- firnlawinengefährliche Strecken nicht 


fahren. 

Anders iſt es, wenn eine Schnee- 
dee die Spalten verdedt. In 
früher Jahreszeit find die Schnee- 


umgangen werden fünnen, fo durc — 
ſchreite man fie mit tunlichſter Eile: 
Die Gefahren der Gletſcherſpalten 
werden durch fachgemäße Anwen— 


brücden noch ftarf und tragfähig; | dung des Seiled vermieden (Nr.183).-. 


Neufchnee beſitzt feine Tragfähig- 
feit. In früher Morgenftunde oder 
bei falten Wetter bejigen die ge— 
frorenen GSchneebrüden auch bei 
geringer Dide eine bedeutende 
Tragfähigkeit; je mehr der Schnee 
ermweicht, deſto unverläßlicher find 
fie. Bei gleicher Dide und Schnee: 
bejchaffenheit ijt eine kurze Brücke 
naturgemäb tragfähiger als eine 
längere. Die größten Schwierig- 
feiten bietet gewöhnlich die lebte, 
den Gletfher vom Bergmajfiv 
trennende Spalte — Bergfhrund 
oder Randfluft — wegen ihrer 
Breite und der häufig überwächteten 
Ränder. 

Die Gefahren bei Baffieren von 
Gletjcherbrüchen beftehen, abgejehen 
von der Spaltengefahr, noch in 
dem Iabilen Gleichgewicht der Se- 
rac8; bei warmer Temperatur und 
Sonnenftrahlung wächſt die Wahr- 
ſcheinlichkeit des Einſturzes der bi- 
zarren Rieſenkriſtalle. 

Der einzige Schutz gegen La— 
winen beſteht darin, die Beſteigun—⸗ 
gen jo einzurichten, daß bei be— 
ginnender Lawinengefahr, aljo nadj= 
dem die Tageswärme den Schnee 
ꝛc. erweicht hat, die gefährlichen 
Stellen ſchon paffiert find. ft dies 
nicht möglich, jo bleibt nichts übrig, 
als fich größerer Unternehmungen 
folange zu enthalten, bis fich Die 
Schneeverhältnifje gebefjert haben. 

Iſt man troß alledem gezwungen, 
einen laminengefährlihen Hang 
queren zu müfjen, jo gejchieht es 
möglihft am oberen Ende des 
Lawinenhangs; die Spuren werden 
feft eingetreten und der Pidel als 
Berjiherung bis in die feſte Unter- 
lage eingerammt. Wenn eiß- oder 


Befondere Borficht ift beim Ueber— 
Schreiten der gänzlich ungefährlid; - 
ausfehenden alten amwinenrefte 
nötig, die fich oft big in den Spät— 
fommer hinein erhalten und Tobel: 
und Bergbäche überbrüden. Durch 
die Unterjpülung des Waſſers bil⸗ 
den fih große Hohlräume, über‘, \ 
denen fi nur mehr eine bünnel ‘ 
Dede fpannt, die unter der Be! 
laftung des Menſchen einbricht. bh 


Fr. In 


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Zweifellos ift weit mehr Erfah: 
rung und Bergkenntnis zur Beur⸗ 
teilung und Würdigung der Schnee=*' 
verhältniffe, des Vorhandenſeins '. 
und Verlaufe von Spalten u. dal. 
nötig als zur Durchführung tech— 
nich fchwieriger Felstouren. Der 
junge MAlpinift kann nicht genug“) 
davor gewarnt werden, die Gebiete 
des ewigen Eiſes zu betreten, die ' 
führerlos erft dem offen ftehen, J 
der in jahrelanger Uebung den ık' 
Blick geſchärft hat. 5 

183. Die Hilfgmittel bei Eis: A 
touren find wie auf Felfen Piel, N 
Steigeifen und Geil; jeboh iſt IR 
Zwei und Gebrauch großenteils |. 
verschieden. Der Pidel wird al? 
Stod, zum Verſichern, als Sonde 
und zum Stufenfchlagen benüßt. 
Auf fteilen Schnee- und Firn⸗— 
hängen wird der Pidel ſenkrecht 
eingetrieben und der Schaft mög- 
licht weit unten angefaßt. Sit 
der Schnee weich, fo ftedt man 
ihn bis an die Haue ein und faht | 
dieje mit der Hand. Sit der Schnee 
oder Firn fo hart, daß man den 
Pickelſtock nicht feft genug einjteden | 
Tann, jo benügt man den Piel ald \ 
Anker, ebenfo auf Eis, wobei mit 
der Spishaue ein Loch ausgeſchlagen 
werden muß. Beim Traverfieren 


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Am Grat. 


(Zu Nro. 189.) 


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III. Der Alpinismuz. 


Nro. 183. 


fteiler Hänge fol jeder der Touren- | der Fuß genügenden Halt findet, 
teilnehmer, ausgenommen demjeni= | eine leichte Neigung nad innen 


gen, der Stufen fchlägt, den Bidel 
zur Berfiherung als Unter ge- 
brauchen. 

Als Sonde benützt man den 
Piel zur Prüfung der Schneetiefe, 
der Schneebefchaffenheit — 3. 
wie tief Pulverjchnee, Neufchnee ift, 
ob die Unterlage unterdiejen harter 
Schnee, Eis ift — zur Unterſuchung 
von Schneebrüden über Gletjcher- 
fpalten und Brüden, die von 
Zaminenreften gebildet werden, in 
bezug auf Dide und Haltbarkeit und 
von Wächten. 

Wo infolge Steilheit und Härte 
des Schneed, Firns oder Eijes der 
Fuß feinen fiheren Tritt mehr 
findet, müſſen fünftlide Tritte 
„Stufen“ geichlagen werden. Jeder 
Tourift fann in die Lage fommen, 
wenigfjtend vorübergehend einige 
Etufen berftelen zu müſſen; es ift 
deshalb notwendig, daß er die 
elementaren Grundfäge fennt und 
ſich zum mindeften eine geringe 
Uebung aneignet. 

Auf mäßig hartem Firn und 
Schnee genügt ed, mit der Schaufel 
des Pidels eine Stufe auszufragen. 
Bei einiger Fertigkeit genügt hiezu 
ein Schlag. Das Stufenjchlagen 
in bartem Firn und noch mehr im 
Eis geſchieht mit der Spikhaue; 
e3 bedarf großer Hebung, um nicht 
jehr rafch zu ermüden. Es fommt 
hiebei weniger auf Kraft als Ge- 
fHid an, man muß mehr mit dem 
Schwung des Pickels als mit der 
Armkraft arbeiten. Dabei muß 
das Gleichgewicht bewahrt werden, 
das gemwöhnlid nur auf einem 
Fuße ruht. 

Die Stufen müfjen an der Stelle 
gefchlagen werden, wo der Fuß in 
natürlicher Stellung hintritt, aljo 
nit in einer Linie, jondern fo 
wie man die Füße beim Gehen 
jegt. Sie müflen jo groß fein, daß 


und eine ſcharfe Kante nad) 
außen befiten. Grade aufs oder 
abwärts Stufen zu fchlagen, ift 
fehr unbequem, man zieht e8 daher 
vor, fie in ſchräger Richtung zu 


B. | Schlagen und im leichten Zidzad 


anzufteigen. Die Stufen beim 
Wendepunkt macht man zweckmäßig 
etwas größer, ſo daß man mit 
beiden Füßen hineintreten kann. 
Benützt man die gleichen Stufen 
zum Abſtieg, ſo müſſen ſie größer 
bezw. tiefer geſchlagen werden, weil 
beim Abſtieg die Trittſicherheit 
ſchwieriger iſt. Wenn die folgenden 
Gefährten den Erſten, während er 
Stufen ſchlägt, nicht zu ſichern 
brauchen, iſt es vorteilhaft, wenn 
ſie inzwiſchen die Stufen für den 
Abſtieg verbeſſern. Bei ſehr ſteilen 
Stellen kann es nötig werden, 
auch Stufen für die Hände (Griffe) 
herzuſtellen, die kleiner wie die— 
jenigen für die Füße ſind, aber 
ſtärker nach innen geneigt ſein 
müſſen. 

Steigeiſen erhöhen die Tritt- 
ficherheit außerordentlih und er- 
möglichen deshalb da noch ficher 
und raſch fortzufommen, wo ſonſt 
das Gehen fehr bejchwerlich wäre; 
fie erjparen in vielen Fällen das 
Schlagen von Stufen und aud in 
den Fällen, wo Stufen geſchlagen 
werden müſſen, fann man ſich mit 
rafher und flüchtig bergeftellten 
Stufen begnügen, da man mit 
dem Eijen viel fefter und ficherer 
in der Stufe fteht als ohne 
fie. Namentlih ift die erhöhte 
Trittfiherheit beim Abftieg von 
großem Borteil. Die große Er: 
jparni? an Zeit und Kraft, die 
durd) den Gebrauch der Eiſen er- 
zielt wird, kann bei größeren Touren 
gar nit hoch genug bemertet 
werden. Bei einer dünnen Eis— 
ſchicht, die nicht ml, Stufen 


Niro. 183. 


zu Schlagen, können fie allein noch 
ein Fortfommen ermöglichen, bei 
weichem, fich ballenden: Schnee find 
fie nicht angebradt. 

Das Seil ift auf fchneebededten 
Gletſchern und in der Firnregion 
die unbedingt nötige Sicherheits— 
vorfehrung gegen die Gefahr des 
Einbrechens; außerdem kann e8 
ähnlich wie in den Feljen zur Ber: 














Alfred Steiniker. 


beiteht, wird das Seil am beiten 
doppelt genommen. Daß lofe Ende h 
wird beim Geben an der Bruft- 
jchlinge befeftigt. Wenn der Vorder: 
mann in eine Spalte bricht, jo 
wird der Piel durch die Schlinge a 
geftedlt und eingerammt ; bricht Der 
Hintermann ein, jo bindet er das 
Endftüct b feft an die Bruftfchlinge, 
der Vordermann zerfchneidet das 


fiherung an techniſch ſchwierigen Seil bei ce und madt eine Schlinge 


und objektiv gefährlihen Stellen 
gebraucht werden. Das Betreten 
von befchneiten Gletſchern undFirnen 
ohne Seil bezeihnet Whymper 
al8 eine Dummdreiftigfeit; ein 
großer Teil der alpinen Unglüds- 
fälle wird durch unfachgemäße An: 
wendung und Handhabung des 
Geiles verurfadt. 

Das Anfeilen erfolgt wie unter 
172 Abf. 5 beichrieben. Der nor: 
male Abjtand ift bei zwei Mann 
ca. 10m, bei drei Dann ca. 7m. 
Das Seil muß leicht gejpannt ge— 
halten werden, fo dab es nicht am 
Boden fchleift; am beften läßt man 
e8 durch eine Hand laufen. Der 
Bordermann tft durch die Auf: 
merfjamfeit auf den Weg, Son: 
dieren 2c. in Anipruch genommen; 
es iſt Pflicht des Nachfolgenden, 
daß dag Seil rihtig gehandhabt, 
und inSbejondere der Vorangehende 
beim Sondieren gefährlicher Stel: 
len gefichert wird. Die Reihen: 
folge ift wie in den Felſen, beim 
Aufſtieg der Geſchickteſte als Eriter, 
im Abjtieg als Letzter, der Schwächſte 
event. in der Mitte. 

Wenn die Partie nur aus Zweien 


Vordermann 


8-10m 


wie bei a zum Befeftigen am ein> 
gerammten Pickel. 

Wie in den Feljen (vgl. Nr. 172) 
ift e8 auh im Firn und Eis ge= 
boten, daß man an gefährlichen 
Stellen — alfo da wo der Sturz 
eine® Gefährten zu einer Kataſtrophe 
führen könnte — nicht gleichzeitig 
marjcdiert, fondern den fih be: 
mwegenden Gefährten aus feitem 
Stand tunlidit ſichert. „Das 
jpannraupenartige Gehen einer 
Partie. in gefahrvollem Gebiet 
mag weniger raſch von ftatten gehen 
und weniger elegant ausjehen, es 
ift aber ficherlich die einzig richtige 
Art, wie man unter den genannten 
Berhältniffen zu marjchieren hat. 
Und vor allem nur feine faljche 
Scham vor anderen Partien, die 
unrichtig gehen!" (Paulke.) 

Die Berfiderung ift auf Eis 
ſchwerer als auf Felſen, da Die 
natürlichen Haltepunfte fehlen, an 
denen man dag Seil befeftigen 
fann. Sn fehr vielen Fällen wird 
ed indefien gelingen, durch den 
eingerammten Bidel einen Halte: 
punkt herzuftellen, um den dag Seil 
ähnlich geführt wird, wie um einen 


Hintermann 





54, Mnfeilen anf Gletſchern. 
Aus: Anwendung des Eeiles der Alpenvereinsjeltion Bayerlanb. 


III. Der Alpinismus. 


Nro. 184. 


Felsvorſprung (Bild 58). Beim di- | Spalte bewegt, To bredden voraus- 
reften Auf- und Abitieg ift der Rud, ſichtlich alle zugleich ein. Der Ge- 


den der oberhalb Befindliche durch 
das Ausgleiten eines Gefährten be⸗ 
fommt, bei gefpanntem Seil gering 
und Tann von einem ftandfeiten 
Steiger im allgemeinen ausgehal⸗ 
ten werden. 

Am fchwierigften ift die Ber: 
fiherung beim Traverjieren von 
fteilen Eishalden; wenn man nicht 
die Spighaue tief einſchlägt, ift es 
faum möglich, einen Stürzenden zu 
halten. Auch auf Eisgraten ift eine 
ausreichende Sicherung nur aus: 
nahmsweiſe möglid). 

Einige hervorragende Alpiniften 
find der Anficht, daß an foldhen 
Stellen, wo das Ausgleiten eines 
Gefährten die ganze Partie mit 
fih reißen müßte, dag Seil abzu— 
legen ift. Diefe Forderung märe 
ganz richtig, wenn nicht Gefühls- 
imponderabilien dagegen jprechen 
würden. Sedenfalls iſt der mora- 
liſche Wert des Seils nicht zu unter: 
ſchätzen. 

Anders liegen die Verhältniſſe 
beim Paſſieren von mit Schnee= und 
Eislawinen beftrichenen Räumen. 
Hier ift das Seil unbedingt ab⸗ 
zulegen, wenn nicht große Spalten: 
gefahr vorhanden ift oder in Rinnen 
u. dgl. die Sicherung von unge: 
fährdeten Punkten aus erfolgen 


fann. 

184. Gletſcherſpalten. Durch die 
unabläffige Bewegung der Eis: 
und Firnmaſſen find aud die 
Spaltenjyfteme einer fortwährenden 
Veränderung unterworfen. Es ge- 
hört ein langjähriges Studium und 
ein geübte® Auge dazu, um bei 
Schneebevedung das Vorhanden⸗ 
ſein und die Richtung der Spalten 
beurteilen zu können. Die Spalten 
müſſen grundſätzlich ſenkrecht zu 
ihrem Verlauf überſchritten werden; 
wenn ſich eine Partie in der Längs⸗ 
rihtung auf einer verfchneiten 


braud) des Seiles beim Marjchieren 
auf verſchneiten Gletſchern ift ſchon 
in Nr. 183 Abſ. 8 erwähnt. Wo 
Spalten vermutet werden, muß der 
Schnee vom Vordermann bei jedem 
Schritt durch Sondieren mit dem 
Pickel auf feine Tragfähigkeit ge- 
prüft werden. Stößt man hiebei 
auf feiten Grund, fo Tann man 
auftreten; fticht man aber ins Boden⸗ 
fofe, jo ift man ſicher, vor einer 
verjchneiten Spalte zu ftehen. Man 
prüft dann zunächſt dur) Sondieren 
ihre Breite und jpringt darüber, 





55. Sondieren bei vermuteter Gletfcher: 
fpalte. 


wenn man jenjeit3 fejten Boden 
findet, oder ſucht eine geeignete 
Uebergangsſtelle. Während des 
Sprung® muß das Seil jo meit 
gelodert werden, daß der Springende 
nit zurüdgerifjen wird; ift ber 
Erfte drüben, folgt der Zweite am 
ftraff angezogenen Seil un. j.f. 
Bemerkt man ſeitwärts eine 
offene Spalte, fo ift anzuneh- 


ze ir a 
1. 185 


n, dab fie fih unter unjerem 
be fortjeßt und wir auf einer 
chneebrücke jtehen (ver- 
ꝛiche Nr.184 Abi. 1). Die Trag- 
Jigfeit derjelben wird geprüft, 
e oben bejchrieben. Ueber Schnee: 
üden gehe man behutjam ohne 
ſt aufzutreten, mitmöglichſter Ber: 
— Gewichtes auf beide 
üße. 

Bricht man trotz aller Vorſicht 
weine Spalte,” jo hält man ſofort 
en Bidel quer zu ihrer Längs— 
ihtung oder, man wirft ſich mit 
em Lberförper nad vorne und 
verankert ſich mit dem Pickel. 
Sinft man troßdem ein, jo muß 
er Nachmann den Gtürzenden 
energiſch zurüczureißen ſuchen, da— 





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56. In eine Spalte gebrochen. 


mit er nicht unter die nachbrechen— 
den Schneemaffen gerät, dann 
werden die Pickel eingeranımt und 
das Seil daran befeftigt. Iſt die 
"Spalte nicht breit, fann man den 
Pickel quer überlegen, den der Ge— 
ftürzte vielleicht mit den Händen 
regen fann. 


Alfred Steinifer. 


Am beiten unter: Raftieren Be ‚Kluft —* wi n 


⸗ 



































- 


jftügt man ihn GeimSerautmeneh 
wenn von beiden Seiten greige R 
mäßig gezogen wird; dazu ift es 
nötig, das Seil durchzufcneiden; i 
der Geſtürzte befeſtigt das von der 
andern Seite zugeworfene Ende 
an ſeiner Seilſchlinge. Bei nur 
zwei Teilnehmern ift dad Herauf⸗ 
ziehen eines Geftürzten meift un- 
möglich, wenn es lebterer nicht 
ſelbſt kräftig zu unterjtügen ver: 
mag. Das doppelt genommene‘ 
Seil (vergl. Nr. 183 Abf. 9) iſt 

ein ganz vorzüglicher Behelf. Um 
am Spaltenrand das Einſchneiden 
des Seils in weichem Schnee oder 
das Durchſcheuern an ſcharfen Eis— 
kanten zu verhindern, legt ma 
einen Pickelſtock, eventuell einen 
Lodenmantel u. dal. unter. 

185. Ueberjchreiten einer Rand⸗ 
kluft (Bergſchrundes). Die gefähr⸗ 
lichſten und techniſch am ſchwierigſten 
zu bewältigende Spalten ſind Rand⸗ 
klüfte. Man kann ſie mit Sicher⸗ 
heit überall da vermuten, wo ſich 
das Firnfeld an das eigentliche 
Bergmaſſiv legt, oder auch unter 
halb fteiler, mit Schnee und EIS]! 
bevecdter Wände oder eiserfülter] 
Couloirs, wo fich beim Beginn dei 
flacheren Firnfeldes der Neigung 
winfel erheblich ändert. In ſchnee 
reihen Jahren iſt die Nandklufl 
häufig verdedt und kann dei 
Morgend, wenn der Schnee not 
hart iſt, unbedenklich überjchritten 
werden. 

Im Spätfommer oder im Herbild 
went die Kluft offen ift oder went 
die Schneebrüden nicht mehr trag! 
fähig find, bietet die Meberjchreitung 
oft große Schwierigfeiten. 

Die den Bergjchrund überſetzer 
den Schneebrüden find genau zl 
fondieren; wenn fie nicht ganz ver 
läſſig find, fo überfchreitet man fit 
friechend, um das Körpergewicht i 
möglichft zu verteilen. Nach dem 





— er Art 


III. Ber Alpinigmus. Nro.-186—188. 


nötig, der Pidelftiel eingeftoßen, Aufmerffame und forgfältigite 
um fich Daran'emporzuziehen. Wenn Seilverfiherung ift womöglich in 
Schneebrüden nicht vorhanden oder noch höherem Maße geboten, als 
nicht pajfierbar find, fo müffen | beim Ueberjchreiten gewöhnlicher 
Stellen gefucht werden, an denen Spalten. 
der Bergfchrund zum Teil mit| 186. Eis— und Schneerinnen find 
' wegen der Stein: 
fallgefahr nur bei 
altem Wetter zu be⸗ 
gehen. Der Weg der 
fallenden Steine ift 
durch die ſchon von 
weitem fichtbaren 
Furden gekenn— 
zeichnet. Das Eis 
iſt in ſolchen Rin— 
nen meiſt ſehr hart 
und erfordert müh— 
ſamſte Stufen— 
arbeit. Bei Schnee: 
bedefung ift ins 
folge der Steilheit 
die Lamwinengefahr 














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7 


h) I — \ TE N zu berücfichtigen. 
1 nl Sur 187. Firm: und 
y ® Eishänge, nament- 


lich letztere ftellen, 
wenn fie jteil find, 
an die Trittjicher- 
heit die größten 
Anforderungen. 

Whymper jagt: 
„Ser Auf einer 
Treppe, die in 
einen Eishang ge- 

hartem Lawinenſchnee aus- | hauen ift, auf jeinen Füßen bleiben 

gefüllt ift; injolden Fällen | kann, der mag dieſe eigentümliche 

iſt meijt das GErklettern | Art von Treppe benüßen. Kann er 

des jenfeitigen höheren | das nicht, fo tut er beſſer, von folden 

Randes jehr jchwierig. Es Plägen ferne zu bleiben.” Das 
fann erforderlich werden Griffe zu | „Ipannraupenartige” Gehen (Nr.183 
ſchlagen und für den Erften Fünftliche | Abſ. 10) wird fich häufig empfehlen. 
Tritte mit dem eingeftoßenen Pidel- | 188. Gtetjcher- und Firnbrüche 
jtiel herzuftellen. Zeichtergeftaltetfich | bieten bei größerer Ausdehnung 
die Sade im Abjtieg, wo man die | Gelegenheit "nahezu ale Arten 
Spalte einfach überjpringt, wenn | der Eistechnik im verfleinerten 
der tiefer gelegene jenfeitige Rand | Maßftabe anzuwenden. Offene 
iheren Stand bietet. Schneebrüden | und verdedte Spalten, Schnee: 
werden durch vorfichtiges Abfahren | brüche, kurze Eiswände und Balan- 
paſſiert. cieren auf ſcharfen Eisrändern fol- 


* 
ir 


57, MHeberfjpringen der Randluft. 





189—190. Alfred Steiniker. 


in bunter Reihenfolge. Das geht man, fomeit tunlid, ba deren | 


(immite hiebeiift die Gefahr von | Ueberkletterung zeitraubend ift; 
lawinen und der Zufammenfturz | mandmal ift das Ausweichen in 
; Seracs unter Einwirkung der | den fteilen Eisflanken indefjen noch 
nne und des Windes (vgl. Nr. 182 | fehmwieriger und gefährlicher. Der 
1.8). Daß der Schall der Stimme | Gang auf fhmaler Eiskante, vor: 
3 Gleichgewicht von Eisnadeln | nehmlich im Abftieg und dazu nod) 
ftören vermödte, wie mande ; Stufen fehlagend ift vielleicht die 
hrer behaupten, ift unbedingt größte Probe auf Trittficherheit 
glaubhaft. und Balancierfunft, die uns das 
189. Am Grat, Bei Gratwande: | Hochgebirge bietet. Hier gilt der 
ngen wedjeln Eis, Schnee und | obenzitierte Ausfpruh Whympers 
8, „wir können alle Arten der Eis: |in höchſtem Make. Eines der un- 
id Felstechnik, ſowie den ganzen | angenehmften Hinderniſſe bei Grat- 
touren find Die 
190.Schneewächten.(Nr.182). Auf 
ihr Vorhandenjein kann meijt aus 
der gejamten Terrarmnfiguration ge: 
ſchloſſen werden; die Breite läßt 
fich Häufig bei Biegungen des Grates 
vom feitlihen Standpunkt aus über: 
ſehen. Müffen Schneewädhten über: 
ſchritten werden, jo ift mit dem 
Nickel zu fondieren, ob man fid 
auf feftem Grunde befindet. Im 
Bmeifelsfale weicht man befjer 
nah der Flanke aus, feldft wenn 
dadurch zeitraubende Eidarbeit er- 
forderlih ift. Gegenfeitige Seil 
verfiherung und „Ipannraupen: 
artiged” Marſchieren ift felbftver- 
ſtändlich. 
Bricht eine Wächte ab, während 
ſich die ganze Partie darauf be: 
Mfindet, fo beſteht die einzige Rettung 
m. darin, daß ein Teil der Teilnehmer 
:tauf der andern Seite herabjpringt, 
58. Traverfieren eines Eishanges. fo daß die Bartie, durch das Seil 
gehalten, zu beiden Seiten des 
IpparatbergfteigerifcherBehelfeund | Grate8 hängt. Es erjcheint dies 
tunftgriffe anwenden.” (Purt⸗ | abenteuerlich, doch wurde Durch die 
heller.) Das Charafteriftifche | Geiftesgegenwmart eine? Führer? 
olcher Touren ift die außerordent- | auf diefe Weife am Piz Palü da? 
ihe Ausgefegtheit und die Be⸗ | Leben einer ganzen Partie gerettet. 
chränkung in der Wahl des Wegd;| Muß ein Grat von der Flante 
ft ift jeder Schritt und zwar gerade | au8 gemonnen werden, fo kann ed 
n den fehwierigften und gefähr- | vorfommen, daß die Wächte von 
ichjten Stellen vorgezeichnet, ein | unten her durdhgefchlagen werden 
lusweichen unmöglid. TQTürme, | muß, indem ein Kamin audgehauen 
jaden und ſcharfe Schrofen um | wird, den man zum Auffteigen be- 















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II. Der Alpinismux. 


nüßt. Der damit Bejchäftigte muß 
gut verfichert jein, damit er beim 
Losbrechen größerer Schneeftüde 
nit herabgeworfen wird. Im 
Augenblide des Abbruches muß der 
Bordermann raſch zurüdweiden, 
eventuell von dem Sichernden 
zurüdgerifjenwerden. Das Schlagen 
eines Tunnels, was bei großen 
Wächten zur Anwendung kommen 
kann, bezeichnet Prof. Paulke 
für ſehr gewagt, weil der am Durch—⸗ 
ſchlag Arbeitende von der id 
jenfenden Wächte erdrückt oder von 
den abbredenden Schneemafjen 
herabgefchleudert werden kann. 


Wintertouren, Kletterf&ulen, 
Aufseralpine Hochtouren. 


191. ®intertouren. Unbejchreib- 
lih großartig ift die Pradt des 
Winters im Gebirge. Die Emp⸗ 
fänglichfeit für die Eindrüde der 
Natur ift für den der Nebel- und 
Kohlendunftatmofphäre der Stadt 
Entfliehenden eine im Vergleich mit 
dem Sommer noch geiteigerte; der 
Kontrajt zwiſchen den Theater:, 
Konzert: und Ballfälen und dem 
traulihen Berggafthaufe oder gar 
der Hütte, in der man jelbft kocht 
und maltet, ift von unjagbarem Reiz. 
Das Wefen des Sports als „Real: 
tiongerjcheinung” gegen die Zivili- 
fation findet hier feinen ſtärkſten 
Ausdruck. Wintertouren find daher 
feit ein paar Dezennien, ganz ab⸗ 
gejehen vom Skilaufen, das hier 
nicht behandelt werden ſoll, gerabezu 
populär geworden. 

Wenn auch jchon eine große An: 
zahl erftllaffiger Hochgipfel im 
Winter bezwungen worden iſt, 
fo bleibt das eigentliche Gebiet für 
BWintertouren immerhin das Mittel- 
gebirge, das durch Die winterlichen 
Schneeverhältnifje gleichſam in die 


Nro. 191—192. 


betont deshalb den Wert von Winter: 
touren im Mittelgebirge für die 
technische Ausbildung des Alpiniften. 
Er weiſt darauf hin, mie felbjt 
leihte Partien im Winter den 
Charakter hervorragender Hoch: 
touren gewinnen fönnen, wie el: 
jenfteige, die im Sommer in einer 
halben Stunde zurüdgelegt merden, 
fchwierige, ftundenlange Arbeit er- 
fordern, wie man durch die wech— 
jelnde Bejchaffenheit des Schnees 
in den verjdhiedenen Höhenlagen 
Gelegenheit für ale Arten des 
Gehen? vom Schneewaten bis zum 
Stufenfchlagen findet. Die im 
Sommer harmlojen Hänge drohen 
mit Laminengefahr, Graskämme 
find mit den prädtigjten; Wächten 
geſchmückt; die Wege find im Schnee 
verfhmwunden, jo daß es gilt, auf 
Grund der Geländegeftaltung und 
Schneebejchaffenheit fich feinen Weg 
felbft zu juchen und zu kombinieren. 
Schneejturm, Nebel und Kälte, die 
bei Hochgebirgstouren zu Kataſtro⸗ 
phen führen, find im Mittelgebirge 
meift mehr unangenehm und „in- 
ſtruktiv“, als eigentlich gefährlich, 
weil man rajcher zu Tal fommen 
fann; kurz, der Bergjteiger findet 
bier gerade für das führerloje 
Gehen eine überaus wertvolle Bor: 
Thule. 

Die vorftehenden Ausführungen 
folen aber durchaus nicht fo ver- 
ftanden werden, ald ob der Unge- 
übte aufs Gerademwohl im Mittel: 
gebirge promenieren könnte; die 
zahlreichen Unfälle beweijen, mie 
falfch diefe Anſchauung wäre. 

192. Kletterfchulen. Eine aus: 
gezeichnete VBorübung für Erlernung 


der Yelstechnit bieten die ſoge— 


nannten Kletterfchulen. In Den 
Felspartien der Borberge der Alpen, 


des Sura, Schwarzwaldg, der Säch— 
fifhen Schweiz ufw. finden ſich 


Hodregion gehoben und geadelt | Kamine, Wände und Bänder, welde 
wird. Th. v. Smoluchowski die ſchönſte Gelegenheit zur appli- 


Neo. 193. 


tatorif hen Unterweilung in den 
im 
Gebraud) des Seild: gegenjeitige 
Verſicherung, Abjeilarten, Auf: und 
Abjeilen des Gepäds u. dgl. ge— 
einigen Seftionen 
finden Unterweifungen im Geil: 
gebraud an den Klettergerüjten der 
Gerade Die 
Grundſätze der Seiltechnit müſſen 
von jedem, der Kletterer werden 
will, praktiſch eingeübt werden, ehe 
„Es gibt 


Grundregeln des Kletterng, 


währen. 


In 


Turnſchulen ſtatt. 


er in die Berge geht. 
nichts Unangenehmeres und Zeit: 


raubenderes, als einen Gefährten, 


der nichts vom Seilgebrauch ver— 
ſteht, er iſt geradezu eine ‚objek— 
tive Gefahr‘, auf welche man 
dauernd aufpalien muB” (Paulke). 
Dies gilt auch bei Führertouren, 
will man nidt als bloßes Gepäd- 
jtüct behandelt werden, daß auf 
einem Berg auf- oder abgeſeilt 
wird. Endlich ift die Uebung in den 
Kletterichulen aud ein vorzügliches 
Mittel, Mustelkraft und Muskelſinn 
zu erwerben und zu erhalten. 

Freilich darf man nicht glauben, 
daß es das gleidhe iſt, an einem 
drei Meter hohen Wand! zu tur- 
nen oder in einer ausgeſetzten Tage 
zu Hettern. Sch möchte behaupten, 
dab ein Menſch, der feiner Glieder 
einigermaßen Herr ift, jede Kletter: 
ftele, die nicht befondere Kraft: 
anjtrengung erfordert, bewältigt, 
wenn man fte ihm auf dem Gras: 
boden jtellt. Am Berg wirkt eben 
alle® doch ganz anders. 

193. Außeralpine Hochtouren. 
Nenn aud) die alpinen Autoritäten 
darüber einig find, dag die Alpen 
alle andern Webirge Europas nicht 
nur an Großartigfeit, fondern auch 
an Rieljeitigfeit ihrer landſchaft⸗ 
lichen Schönheiten übertreffen, fo 
hat doch der Drang, Neues zu 
jehen und den allzu „frifierten” 
Gebieten zu entgehen, etwas un- 
gemein Berlodendes. „Den ganzen 


Alfıed Steiniker. 















Duft des Alpinigmus in feiner 
höchften Vollendung,” jagt D. W. 
Freſhfield, „genießt doch nur 
der, der zuerft kommt, ber fühne 
Mager, der über das Gelingen 
noch ungemwiß bleibt big zu dem 
Augenblid, wo der Horizont für 
ihn unbegrenzt ift. Und diefe feine 
Würze des Genuſſes kann man heute 
in den Alpen nicht mehr koſten.“ 
Sn den Karpathen, einem großen 
Teile der Pyrenäen und ber Ge 
birge Norwegens findet man zwar 
Hütten, melde die Beteigungen 
erleichtern, aber im allgemeinen 
Doch noch eine gewiſſe Urſprünglich⸗ 
feit, die der wahre Alpinift in 
vielen Gruppen unferer Alpen |; 
ſchmerzlich vermißt. Waährend 
die außereuropäiſchen Gebirge | 
früher ausnahmslos im Intereffe | 
der Erforfhung, alfo aus willen: 
ſchaftlichem Interefſe, aufgeſucht 
wurden, ſind auch ſie in der 
neueſten Zeit zum Schauplatz der 
reinen Sportbetätigung erkoren; 
insbeſondere ſind der Himalaja 
und der Kaukaſus „en vogué“. 
Die von W. Rickmer-Rickmers 
geleitete „Deutſche und öfterreichifche 
alpine Raufajuserpedition” (1903), | 
deren größter Erfolg die Bezwin: |. m. 
gung des Ufchba war, darf als Merl: 
ftein bezeichnet werden, außereuros |" :: 
pätfhe Hochgebirge dem „modernen 
Alpinismus“ vienftbar zu machen. 
Ob die höchſten Gipfel des 
Himalaja ſich dem Fuß des Alpi- 
nilten beugen werden, ift fraglid; 
es Scheint, Daß hier dem Vordringen 
des Menjhen in der durch die 
dimne Luft herabgeſetzten Leiſtungs⸗ 
fähigkeit eine Grenze geſetzt ift. 
‚ Die Augrüftung einer Erpedition 
im außereuropätfchen Hochgebirge 
verlangt jelbftverftändlich Die ein- 
gehendſte Vorbereitung von langer 
Hand. Im Hinblick auf Zweckund Um⸗ 
fang des Buches dürfte es bei diefen :" 
Andeutungen jein Bewenden haben. “: 


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III. Ber Alpinismus. Nro. 194—195. 


3. Vom Wetter. 


194. Wetterprognofe, DieDurch- | Himmel Klar erfcheint, fo ift meift 
führbarfeit von Hochgebirgstouren | auf ſchönes Wetter zu rechnen. 
ift meift, da8 Vergnügen, da8 man | Ein jchlechtes Wetterzeihen find 
dabei hat, ift immer vom Wetter | die fi an den Hängen bildenden 
abhängig. Die Wetterprognofe | Wolkenfahnen. „Hat der Berg einen 
ipielt deshalb im Leben des Berg: | Sabel, wird das Wetter mijerabel,” 
fteiger8 eine große Role. An den iſt ein durch die Erfahrung be- 
zelegraphenftationen der öfter: | währter Tiroler Sprud). 
reihifhen und bayriſchen Alpen] Wenn fernere Berge auffallend 
wird jeit einigen Jahren täglich | nahegerüdt und ihre Einzelheiten 
die Prognoſe von der meteorolo: | bejonder3 deutlich erfcheinen, jo 
giihen Zentralftation von Wien | deutet dies auf einen hohen Grad 
bezw. München angefchlagen. Dieje | des Feuchtigkeitögehalte8 der Luft 
Prognoſen, welche fih auf die all- | und ſomit auf die Wahrfcheinlich- 
gemeine Witterungslage gründen, keit baldiger Niederjchläge. 
fönnen natürlich nicht immer zu: | Das befte Mittel, ſich eine ge- 
treffend fein, da insbefondere in wiſſe Uebung in der Stellung der 
den Bergen örtliche Verhältniſſe Wetterprognofe anzueignen, ijt täg- 
(3. 3. Föhn) eine große Rolle | liche Hebung und Beurteilung der 
jpielen. Die Einwohner kennen | harakteriftifchen Anzeichen und Ver- 
ih gewöhnlich gut aus, mas Iofale | gleih mit den von den meteoro- 
Nebelbildungen anlangt, im übri⸗ | logiihen Stationen ausgegebenen 
gen möchte ich ihrer Prophetengabe | Berichten. 
feinen bejonderen Wert zumefjen. 195. Einfluß des jchlechten 
Ueber die Hauptfrage, ob der Ein: | Wetters im allgemeinen. Schlecd- 
tritt ſchlechten Wetters zu befürch- |te8 Wetter kann entweder felbjt 
ten ift, fan man fich durd) Beob: | zur Gefahr werden, oder es Tann 
achtung der Cirruswolken (Feder: | die Schwierigkeiten und Gefahren 
wolfen) orientieren. Wenn diefe | einer Befteigung erhöhen. „Das 
weißen, in leichten Streifen wie | bergfteigeriiche Können, die körper⸗ 
Federn hoch ziehenden Wolfen im | liche wie geijtige Leiftungsfähigfeit 
Weiten oder Südmeften auftauchen, | wird erft auf die richtige Probe 
jo kündigen fie das Herannahen | geftellt, wenn ungünftige Verhält- 
einer Depreffion an, der fchlechtes | niffe eintreten, wenn Wetter- 
Wetter zu folgen pflegt. Insbe- umſchlag, Sturm und Kälte, plötz⸗ 
jondere wenn bei ſonſt klarem | liche Bereifung der Felſen, un- 
Himmel der Horizont im Weften | erwarteter Neufchneefall in ſchwe— 
oder Südweſten eine weißgraue rem Gelände das Können des 
Färbung annimmt und diefer graue | Bergfteigers prüfen. Es kommen 
Schleier rafch immer näher heraufz | aber auch Fälle vor, wo die Natur: 
zieht, kann man ficher auf baldigen | gemalten auch den Beſten bezwin- 
Eintritt von NRegenwetter rechnen. |gen. Jedenfalls follte fein Berg- 
Bemerkt man dagegen die Cirrus⸗ | fteiger eine Tour unternehmen, der 
wolfen im Dften oder Nordoften, | er nur unter günftigen Berhältnifjen 
10 zeigt Died an, daß eine nur gewachſen ift.“ (Paulke.) 

Heine Depreffion bereit im Ab-| Die hauptfählichften Formen des 
zuge ift, und wenn dabei ber Weit ſchlechten Wetters find Sturm und 


Sirv. 196-197. 


Kälte, Nebel, Schneefall und 
Schneeſturm, Gewitter. 

196. Sturm und Kälte. Der 
Sturm fann allein durd) feine Ge- 
malt da8 MWeitergehen unmöglich 
maden; ich erinnere mic eines 
Abſtieges von der Dufourjpige, 
wo wir am Grat minutenlang ge: 
zwungen murden, ung nieder 
zufauern und an die Feljen anzu: 
klammern, um nicht heruntergemweht 
zu werden. 

Schlimmer ift no, daß Sturm 
und Kälte innig zufammenhängen, 
weil der erjtere, namentlich an den 
der Luft ausgeſetzten Hautſtellen 
eine intenfive Abkühlung bewirkt; 
ein jtarfer Sturm bläft jelbjt noch 
durch eine Nehlederweite genü= 
gend, um die Kälte recht fühlbar 
zu maden. Bejonders unangenehm 
wird die Kälte beim Felsklettern 
und insbejondere dann, wenn es 
die Bejchaffenheit der Griffe not— 
wendig madt, die Handſchuhe aus: 
zuziehen und man oft warten muß, 
bis durch Reiben der Finger für 
einige. Minuten dag Gefühl wieder 
hergeftellt ift. Sind die Feljen gleich: 
zeitig vereift, jo fann nur durd) 
raffinierte Abwechſſung im Ge— 
braud) der Handſchuhe, Reiben und 
in die Taſche ſtecken die Gebrauchs—⸗ 
fähigkeit der Hände erzwungen 
werden. 

Zur Erhaltung der Körperwärme 
find neben warmer Kleidung Be: 
wegung und Nahrung, bejonderg 
Fett und Zucker die beften Mittel. 
Der Genug von Alkohol iſt Selbit- 
täuſchung (vgl. Ir. 142). 

197. Nebel kann zu einem der 
Ihlimmiten Feinde des Bergſteigers 
werden. Nicht nur Die weitere 
Orientierung it außerordentlic) er: 
Ihwert, auch die nächitgelegenen 
Gegenjtände nehmen ein fremd— 
artigeg, veriwirrendes Ausjehen an. 
Auf Schnee und Firn kann man 
im dichten Nebel kaum unterſchei— 


Alfıed Sfeiniker. 


den, wohin man den Zuß feßt. So 
erlebte ih e8 auf dem ſonſt un⸗ 
ſchwierigen Firngratdes Mt.Siffonef 
daß wir bei jedem Schritt fon 
dieren mußten, um nicht ftatt auf 
den Firn in die Luft zu treten. 

Auf gebahnten, gut marlierten 
oder verjicherten Steigen iſt es 
faum möglich, bei entjpredhender 
Aufmerkjamtfeit den Weg zu ver- 
lieren. Auch auf Gletjchern ift der 
Nebel im Abſtieg nicht zu fürchten, 
wenn man den Fußſpuren des Auf- 
ftiegS$ folgen kann. Iſt zu erwarten, 
daß Nebel einfällt, fo wird man 
auf hartem Schnee den Weg durch 
Einriffe mit dem Pidel, in den 
Felſen dur Steindauben und Mar— 
fierungSpapiere bezeichnen. Gänz⸗ 
lid) unzuverläffig ift es, ſich mar— 
fant fcheinende Stellen merken zu 
wollen, da, wie erwähnt, der Nebel 
alle8 verändert. 

Schmwieriger ift ed, wenn man 
im Nebel ausgedehnte Schneefelder, 
Plateaus, "Almen und SKare zu: 
durdichreiten hat, um einen be= 
ftimmten Punkt, Einftieg, Scharte, 
Kamin u. dal. zu finden, zumal, 
wenn dem Bergfteiger das Ge— 
lände unbekannt ift. Hier bietet 
der Befig einer guten Karte, Die 
Fähigkeit, fie lefen zu können, und 
der Kompaß, mitteljt deſſen die 
Karte orientiert, d. h. nad) der 
Himmelgrichtung geftellt wird, Die 
einzig mögliden Drientierungs= 
mittel. _ Ein mefentliche8 Hilfs⸗ 
mittel ift außerdem ein gutgehendes 
Aneroid, das im Verein mit einer 
in Schichtlinien gezeichneten Karte 
die Ortsbeſtimmung jehr er 
leichtert. 

Sft man nicht im Beſitze der ge: 
nannten Hilfsmittel, jo kann nur 
dringend geraten werden, bei Nebel 
feine Tour zu unternehmen, oder 
bei einfallendem Nebel rechtzeitig 
umzufehren, insbejondere in ben 
Gebieten, wo man einer guten 


III. Der Alpinisſsmus. 


Karte ermangelt. Sch würde e8 5.8. 
einzig aus dieſem Grunde nicht 
magen, bei unficherem Wetter das 
Plateau der Balagruppe ohne orts⸗ 
kundigen Führer zu überjchreiten. 

198. Schneefall und Schnee: 
fturm. Schneefall allein bei ruhiger 
Luft Tann die objektiven Gefahren 
einer Tour erhöhen und die Schwie: 
rigteiten fteigern. Gejellt fih zum 
Schneefall der Sturm, der wiederum 
Nebel und Kälte im Gefolge hat, 
dann gilt e8 nur eines: möglichft 
raſch die. jchügende Hütte oder das 
Tal zu erreihen und, ift man im 
Aufitieg begriffen, umzukehren. 
Alles, was über die Schmwierig- 
feiten der Drientierung im Nebel 
gejagt ift, gilt in vervielfachten 
Grade vom Schneefturm; dazu 
fommt noch der Kampf gegen die 
phyſiſche Gewalt des Winddruds, 
des Schnee und der Eisnadeln, 
die das Geficht peitihen und kaum 
ermöglichen, die Augen auch nur 
vorübergehend offenzuhalten. Wer 
nur einmal auf Bergeshöhen den 
Kampf mit diefen elementaren 
Mächten durchfechten mußte, weiß, 
welche Erfahrung, Willenskraft und 
— welches Glück dazu gehört, ihn 
fiegreich zu beſtehen 

199. Gewitter und Wetterfturz. 
Die nur in der heißen Jahreszeit 
auftretenden lokalen, die fogen. 
„Hitzegewitter“, find häufig 
raſch vorübergehend. Die Haupt- 
gefahr befteht in Bligjchlägen, denen 
man befonder® auf den Gipfeln, 
Graten und auf verſicherten Steigen 
ausgejegt ift, weil der Blik natur 
aemäß den als Blittabel wirkenden 
Seilen folgt. Das Summen der 
Pidel kündet die elektriſche Span: 
nung der Atmofphäre meift ſchon 
an, ehe dag Gemitter zum Aus- 
bruch gekommen iſt. 

Um der Blitzgefahr zu entgehen, 


Nro. 198-199. 


Wand u. dgl., wobei man jedod) 
auf die durch den Regen eintretende 
Steinfallgefaht zu achten bat. 
Kamine und Rinnen find deshalb 
zu meiden. Pidel und Steigeijen 
legt man beijeite; muß man mäl)- 
rend des Gemitterd gehen, fo um— 
widle man die Haue mit einem 
Tuche. Bei Fels- und Eistouren 
ift dringend zu raten, bei Gemitter- 
gefahr dann Sofort umzufehren, 
wenn man eine ftein=, eisfall- oder 
laminengefährlide Route begehen 
müßte. — 

Weit mehr zu fürchten ſind die 
„Depreſſionsgewitter“, de— 
ren Urſache in ausgebreiteten 
Gleichgewichtsſtörungen der Atmo— 
ſphäre beſteht. Ich erinnere mich, 
Gewitter erlebt zu haben, die über 
vierundzwanzig Stunden währten; 
Hand in Hand geht eine ſtarke und 
plötzliche Abkühlung, die in den 
höheren Regionen Schneefall und 
Schneeſturm bringt; das ſchlechte 
Wetter dauert meiſt einige Tage, 
ehe es wieder aufzuklaren beginnt. 
Dieſe „Wetterſtürze“ kommen 
auch außerhalb der warmen Jahres⸗ 
zeit vor, wo fie aber nicht durd) 
Gewitter eingeleitet werden. 

Der mwetterfundige und aufmerk—⸗ 
ſame Beobachter wird jelten völlig 
überraſcht werden, denn ſtarkes 
Fallen des Barometerd geht dem 
Wetterfturz immer voraus; graue, 
gleihfam ineinandergewilchte Hauf- 
wolken erjdeinen am weſtlichen 
und nordweſtlichen Horizont, wäh: 
rend der Himmel eine mweißgraue 
Färbung annimmt. Von größeren 
oder jchwierigeren Partien hat man 
bei diejfen Anzeichen unbedingt ab: 
zuftehen; wird man auf der Tour 
von einem Wetterjturz überraicht, 
fo gelten für das Verhalten die 
gleihen Grundſätze mie beim 
Schneefturm — ſchleunigſt ing Tal 


jude man einen gededten Pla | oder wenigftens in niedere Regionen 
unter einem Yelsblod, an einer | abzufteigen. 


Nro. 200-202. 


Alfred Sfeiniker. 


4. Nacht und freilager. 


200. Die Dunkelheit jchafft noch 
größere Schwierigfeiten wie der 
Nebel, wenn auch letterer wie 9. 
Dubhamel fchreibt, deshalb mehr 
zu fürdten ift, weil die Nacht ein 
Ende hat, der Nebel aber unbe 
rechenbar ift. Für längere Touren, 
fomwie zu Jahreszeiten, in denen der 
Tag nur kurz ift, wird man fid 
grundjäglich mit einer Laterne aus⸗ 
rüften. In fehwierigem Terrain 
und beim Klettern ift auch die La— 
terne unzureichend. Auch auf Mond- 
ſchein kann nicht mit voller Sicher: 
heit gerechnet werden, weil ein 
tretende Bewölkung ihn illuſoriſch 
madt. 

„Sorgfältige Berechnung des Zeit— 
aufmandes für eine beabfichtigte 
größere Tour mit Berüdfihtigung 











muß man rechtzeitig einen geeig- 


neten Pla hierfür ausjuden. Sn 
erster Linie ift darauf zu achten, 
daß dasſelbe nach Tunlichteit gegen 
den Wind gejhüst ift ; überhängende 
Felſen, Löcher, Nifchen find will- 
fommen und können durch Stein- 
mauern an der Windjeite noch 
„häuslicher“ geftaltet werden. Sind 
Latſchen zu haben, jo kann man fich 
ein ganz erträgliches Lager her— 
'ftellen und ein märmendes Feuer 
entzünden. 

Jeder Romantif bar find er— 
zwungene Biwaks in den Felfen, 
wenn fie fo erponiert find, daß man 
. gezwungen iſt fich anzubinden und 
abwechjelnd Wache halten zu müfjer, 
ferner bei Kälte und im Schnee. 
Im legteren Falle gräbt man eine 


aller möglichen Verzögerungen durch : Höhle, die mit den Wettermänteln 


bejondere Umjtände 
Bereifung 2c.), dann fehr früher 


Aufbruh am Vlorgen, oder wenn 


nötig, Biwak in höherer Yaye vor—⸗ 
her, für welches man ſich mit Deden, 
Feuerungsmaterial uſw. verjehen 
und einen geeigneten Platz wählen 
kann, eventuell ſelbſtverleugnender 
Rückzug, wenn ſich während der 
Tour ergibt, daß der Rückweg in 
die Nacht fallen müßte, das ſind 
die Vorſichten, welche dem Touri= 
ſten zur Verhinderung eines unfrei— 
willigenFreilagers zuGebote ſtehen.“ 
(JI. Meurer.) 

Wenn es nicht mehr möglich iſt 
eine Schutz- oder Alphütte vor Ein 
bruch der Nacht zu erreichen, fo 
da man zum 

201. Freilager gezwungen ift, fo 





(Neufchnee, | austapeziert wird; die Füße ftedkt 


'man in den entleerten Rudfad. 
ı Die Stiefel werden nur ausgezogen, 
wenn es nötig ift, die Füße durch 
Reiben vor dem Erfrieren zu [hügen, 
denn dag Wiederanziehen gefrorenen 
Schuhwerks ift jehr mißlich. Sit 
man gezwungen auf dem Eije zu 
bimalieren, fo wird es nur bei un— 
gewöhnlich milder Temperatur mög- 
lich fein, jich vorübergehend nieder- 
zulegen. Auch unter günftigen Ber- 
hältniſſen ift der Ausfpruh Gü $- 
feldtS zu beherzigen, „daß die 
Wohltat eines fchügenden Daches 
und eines hellen Feuers ftunden- 
weiten Ummeg rechtfertigt” und 
man wird deshalb gut tun, alles 
zu verjuhen, um ein Biwak zu 
| vermeiden. 





5. Verhalten bei Unglücksfällen. 


202. Grundſätze. „Es ift Pflicht 
eines jeden Bergſteigers fich über 
die wichtigſten Maßnahmen bei Un- 





fällen zu unterrichten und ftet3 etwas 
geeignete8 Verbandmaterial mitzu⸗ 
führen, da oft nur durch ſchnelles, 


— — nn 


III. Der Alpinismus. 


richtiges Handeln das Leben eines 
Menjchen gerettet werden Tann.“ 
(Paulke). Die erjte Hilfeleiftung 
bei Unglüdsfälen wird im Kapitel 
XV befonders beſprochen werben, 
hier ſei nur darauf hingewieſen, wie 
gerade der Alpinift in die Tage 
kommen fann, längere Zeit auf 


Niro. 203-205. 


müfjen deutlich fichtbare Spuren 
hinterlafien werden. 

204. Sicherung von Verletzten 
an erponierten Stellen. Wenn 


durch DVerlegungen ein Gefährte 


nit mehr imftande ift weiterzu- 
geben und, um Hilfe zu holen, allein 
gelafjen werden muß, fo ift es not⸗ 


ärztliche Hilfe verzichten zu müffen, | wendig, ihn an eine vor Abfturz 
wie die Hilfeleiftung allein ſchon | fihere Stelle zu bringen, oder wenn 


dur die äußeren Berhältnifjfe er: 
ſchwert iſt und wie unbedingt not- 
wendig eg daher ift, über dag ein- 
fhlägige Wiſſen zu verfügen. Die 
Führer erhalten zwar beiden Führer: 
lehrfurfen Unterricht, aber bei der 


Menge des dort gelehrten Stoffes | 


fann nicht erwartet werden, daß fie 
das Gelernte vollftändig behalten 
und anwenden fünnen. Der Führer: 
loſe ift unter allen Umftänden auf 
fih allein angewiejen. Im folgen: 
den feien nur einige Punkte er- 
mwähnt, die ausſchließlich für den 
Bergfteiger in Betracht fommen und 
außerhalb der eigentlichen, zunächſt 
den Arzt erjegenden SHilfeleiftung 


liegen. 

203. Einbrechen in eine Spalte. 
Wenn ed nicht möglich ift, einen 
in eine Spalte Geftürzten heraus- 
zuziehen und aud das Notfignal 
(f. unten) nicht angewendet werden 
kann, fo tft Hilfe zu holen. Zus 
nächſt muß der in der Spalte Be: 
findlihe jo gefichert werden, daß 
er nicht weiter ftürzen fann; wenn 
tunlid, ift er mit Mänteln und 
Proviant zu verjehen. Von der 
Anzahl der Gefährten und der 
Spaltengefahr des Rückweges wird 
ed abhängen, ob ein Mann genügt, 
um Hilfe zu holen oder ob er allein 
gelaffen werden muß. Im letzteren 
Falle muß die Unglüdsftelle durch 
Hinterlegung eined weithin ficht- 
baren Gegenjtandes Tenntlich ge= 
macht werden, denn es Tann fonit 
vorfommen, daß fie nicht mehr ge: 
funden wird. Bei nebligem Weiter 


dies nicht möglich ift, ihn mit dem 
Seile fo anzubinden, daß ein Ab- 
fturz ausgeſchloſſen ift. Soweit tun⸗ 
lich ijt er mit Kleidungsftüden und 
Ruckſack bequem zu betten und zu⸗ 
zudeden; Broviant ift zurückzulaſſen. 

205. Transport Berlester. Sehr 
ſchwierig gejtaltet fich der Trans 
port, wenn ein VBerlegter nicht mehr 
in der Lage ift, jelbjt gehen zu 
fönnen. Für einen wird eg, er fei 
denn ungewöhnlich kräftig, meijt 
unmöglich jein; in den Felſen wer: 
den immer mehrere nötig fein, wo— 
bei die komplizierteſten Abfeilkunft- 
ftüde zur Anmwendung kommen 
fönnen. Die nachftehenden Ab- 
bildungen zeigen verjchiedene Arten 
von improvifierten Tragbahren, die 
feiner meiteren Grläuterung be— 
dürfen (angegeben von Dr. D. 
Bernhard). 

Eine ſehr praftifhe Tragbahre 
beſchreibt Dr. Lieber, die 
(ähnlich derjenigen mit Kleidungs- 
ftüden) aus Rudjäden hergeſtellt 
ift, die vieredig ausgeftrichen find; 
die Strife werden jo gebunden, 
daß fie oben und unten gleich weit 
find, die Riemen werden abge: 
fhnitten und die Pidel dur die 
Säde geſchoben, nahdem in die 
unteren Zipfeln Löcher gefchnitten 
wurden. 

Auf Gletfhern kann es vorteil- 
haft fein, den Verletzten zu ziehen, 
inden man ihn auf einen Wetter: 
mantel oder auf geleerte, zujammen- 
gefnüpfte Rudjäde legt, an denen 
man dag Seil befeitigt. 





06. Alfred Steiniker. 





59. Tragbaren. Aus Bernhard, Samariterbdienft. N 


206. Notſignal. Von den alpinen | Hilfe braudt. Es ift natürlich nidt | 
ereinen ifteininternationales in allen, aber immerhin in vielen 
otfignal eingeführt worden für | Fällen verwendbar. IM 
ne Fälle, in denen eine Partie Das Notfignal befteht darin, daß % 


5 


— — — ⸗ ur | 


Ill. Der Alpinismus. 


innerhalb einer Minute ſechs— 
mal in regelmäßigen Zwiſchen⸗ 
räumen ein Zeichen gegeben wird, 
hierauf eine Pauſe von einer 
Minute eintritt, worauf wieder 
das Zeichen ſechsmal in der Minute 
gegeben wird, und fo fort, bis Ant: 
wort erfolgt. 

Die Antwort wird gegeben, in- 
dveminnerhalbeinerMinute 
dreimal in regelmäßigen Zmi: 
Ihenräumen ein Zeichen gegeben 
wird. 

Die Art des Zeiheng hängt von 
den Umftänden ab; es fünnen op= 
tiihe oder afuftifche fein. 

1. $laggenfignal. Ein an 
einem Stode oder Piel befeftigtes 
Tuch, ein Wettermantel 2c. wird 
gejchwentt. 

2. Wechſelweiſes Heben 
und Senten irgend eine auf- 
fälligen Gegenftandes, 3. B. eines 
Brettes, einer ausgehobenen Hütten- 
türe u. dgl. 

3. 2Laternenfignal (bei 
Duntelheit). Wechfelmeifes Hoch⸗ 
heben und Verdunkeln einer Laterne 
oder eines brennenden Latſchen⸗ 
zweiges 2c. 

4. Bliglidt. Iſt ein gut 
ipiegelnder Gegenftand zur Ber: 
fügung — entweder ein wirklicher 
Spiegel (ein Tafchenjpiegel von 
10—12 cm Durcdmefjer genügt) 
oder eine blante Metallflähe —, 
ſo können, fei e8 mit Benützung 
des Sonnenlichte8 oder bei Nacht 
mit einer Laterne Blitlichtzeichen 
gegeben werden. 

5. Rufen. Kurzes lautes 
Schreien, ſchrille Pfiffe in den an- 

gegebenen Zwilchenräumen. 

6. Stoßmweiße in den angegebenen 
Zwiſchenräumen wiederholte Sig- 
nale mit einem Horn (Trompete, 
Sprachrohr oder fonft weithin 
Ihallendem Snftrumente). 

Welches von den genannten Zei- 


Nro. 207. 


hängt eben von den Umftänden ab. 
Die NRegelmäßigkeit der Zwiſchen⸗ 
räume wird entweder nad) der Ahr 
oder einfacher derart erzielt, daß 
man taftmäßig von 1—20 zählt, 
dann das Zeichen gibt, wieder von 
1—20 zählt und fo fort. Nach 
dem ſechſten Zeichen wird die Mi- 
nutenpaufe durch Zählen von 1 bis 
120 bemefjen, morauf wieder die 
feh3malige Abgabe des Zeichen? 
erfolgt. 

Bei der Antwort — dreimaliges 
Zeiden in der Minute — wird 
zwiſchen jeder Zeichenabgabe von 
1—40 gezählt. 

207. Rettungswefen. Sm Gebiete 
der deutfchen und öfterreichifchen 
Alpen beiteht einvom D.u.De. A.⸗V. 
organifierteg Rettungsmwefen. Für 
den Bergiteiger fommen in erjter 
Linie in Betradt: 

Die NRettungsftellen im 
Alpengebiete, welche die zur Ret- 
tung und zur Bergung von Verun⸗ 
glüdten erforderlichen Maßnahmen 
treffen. 

Die Wohnungen der Leiter diejer 
Stellen find durch Aufichrifttafeln 
gefennzeichnet, wie auch 

die Meldeftellen im Alpen⸗ 
gebiete, welche eine raſche Benad): 
richtigung der Nettungsftelle bei 
Unfällen zu vermitteln haben. Dieje 
Meldeitellen find gleichfall3 durch 
Aufichrifttafeln gekennzeichnet; ei— 
nige derjelben auch mit Rettungs= 
mitteln ausgejtattet. 

Alles nähere erfährt man an den 
genannten Stellen, in den Schuß: 
hütten, bei den Führern ꝛc. 

Für die Schweiz beftehen in den 
Hauptorten des Touriftenverfehrs 
ähnliche Einrichtungen, wenn aud) 
in geringerer Ausdehnung; man 
fann fih hierüber in den Hotels 
informieren. Für Italien hat man 
fih (telegraphiih) an den Klub 
Alpino Staliano, Turin, Via Monte 


hen zur Anmendung gelangen fol, | di Pietà 28, für Franfreid) an den 





tro. 208. 


mb Alpin Francais, Paris, Rue 
u Bac 30 zu wenden. 

208. Schluß. Ich glaube, das 
Rapitel über den Alpinismus nicht 
yefier Schließen zu können, ald mit 
den Schönen Worten des viel zu 
früh verftorbenen Purtſcheller: 
„Auf den Bergen erhebt fi) der 
Geiſt zu dem Unendlihen, Unman: 
delbaren, ewig Schönen und Großen; 
fie wirkten auf die Jugend beleh- 


Rlfred Steiniker. 


auf den Greis tröftend und neu: 
belebend. Der Alpinismus Tann 
ung — mehr ald alle Weisheit und 
alles Geld der Welt — Eines geben: 
Gefundheit und Lebensfreude, Kraft 
und lörperliche Wiedergeburt, Liebe 
zur Natur und Menschheit, Aus: 
dauer und Geelenftärfe im Kampf 
mit Schwierigfeiten; er ijt ein Ele: 
ment gejunder Lebensäußerung, 
äſthetiſchen Genuſſes und innerer 


vend, auf ven Mann weltverjöhnend, Herzensbefriedigung.“ 


ES 


| 


[4 


| 
hr; 


y = 


6. Erklärung der gebräuchlichlten berglteigerifchen 
Ausdrücke. 


Abfahren, auf einem Schneehang ftehend 
oder figend hinabgleiten. 

Alpe, Alın, Matten, die ald Viehmeide 
dienen; wird aud für die auf ihnen 
ftehenden Baulichkeiten (Hütten) ge- 
braudt, mandmal auch als Beziehung 
für den ganzen Berg (Raralp). 

Aper, jchneefrei, bei Felſen auch eizfrei. 
Ausapern, Wegichmeljen des Schnees. 
Aperer Gletſcher, die Teile des 
Gletſchers, wo das blanke Eid zutage 
tritt. 

Band, eine mehr oder weniger horizontal 
verlaufende Leifte, Über und unter ber 
dag Terrain fteil abfällt. Man unter: 
ſcheidet Eis-, Fels-, Gras-, Schnee: und 
Schuttbänder. 

Bergſchrund, ſ. Randkluft. 

Bergſturz, das Herabſtürzen großer 
Felsmaſſen ſowie auch als Bezeichnung 
für die herabgeſtürzten Trümmer, 

Bratihen, Fellen aus weihem, ſchiefrig⸗ 
brüdigem unb blättrigem Geftein. 

Couloir, fteile, ſchmale Rinne in einem 
Berghang, vgl. Shludt, Runje und 
Rinne. . 

Ferner, Bezeichnung ber Gletſcher in 
den Stubaier= und Destaleralpen. 

Firn, der fefte, körnige Schnee, der die 
oberen Teile eines Gletſchers bildet. 

Firnbrud, analoge Erjdheinung im 
Firngebiet wie Gletfherbruc beim Glet⸗ 

er, j. d. 

PA: ndeden, Moräne (Schweizer Aus- 
drud). 

Gendarm, Gratzaden, Feliturm im 
Grat, 

Gerdll, durch Bermwitterung zerkleinerte 
Geröllmafjen, die in ven Karen am Fuß 
von Rinnen und Wänden 2c. liegen. 

Gletſcher, Eisftrom, der dem Firn⸗ 
gebiet entjpringt. Gletſcher erfter Ord⸗ 
nung (primäre) find folde, bie ihr Eis 
ins Tal hinabjenden; Gletſcher zweiter 


Kamm, jchmälerer Bergrüden. 


Ordnung (fetundäre) füllen nur bie hoch⸗ 
gelegenen elfentäler aus. Dazwiſchen 
find viele Uebergänge vorhanden. 


Gletfherbrudc(sfturg), ftark zer⸗ 


tlüfteter Teil des GI., der dadurch ent- 
ſteht, daß das Eis durch bie Unregel- 
mäßigleiten der Unterlage unb die hier: 
durd bewirkte Spannung zerteilt wird. 


— mühle, durch bie Tätigkeit des Waſſers 


entſtandener ſenkrechter Schadht. 
— tiſch, Steinblock, der auf einer Eis⸗ 
ſäule ruht, findet fich auf aperen Glet⸗ 
ern 


ſchern. 

— tor, Eishöhle am unteren Ende des 
Gletſchers, die durch ben dort entſpringen⸗ 
den Gletſcherbach ausgeſchmolzen wird. 

— ge, das unterſte Ende des Glet— 

ers. 

Grat, Schneide eines Eis-, Fels- oder 
Schneekammes. 

Griff, ein Haltepunkt für die Hände 
(beim Klettern). 

G f — Linie, Moräne (Schweizer Aus⸗ 
rue). 

Halde, Bergabhana; es gibt Geröll-, 
Gras-, Schnee-, Schutt, Steinhalben. 

Hängegletiger — Gletſcher zmeiter 
Drbnung, |. d. 

Kar, ſchutt- ober fchneeerfüllte Hochmulde. 

Kamin, enges Couloir (ſ. d.), fo baß 
man mit beiden Händen zugleid die 
beiden Seiten erreichen fann. 


! 

Karrenfelder, durch Vermitterung von i 
parallelen Riſſen und Furchen durch⸗ 
zogene, meiſt wenig geneigte Felsmaſſen 
im Kaltgebirge. 

Kees, Bezeichnung für Gletſcher in den 
hohen Tauern und im Zillertal. 

Klamm, enge Felsſchlucht, bie meiſt durch 
einen Wildbach in bag Geftein eingerilien 
wurde. 

Kluft, größere Spalte im Eis ober Firn 
ber Gletfher, |. aud) Randkluft. 


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Durchſchlagen einer Schneewächte. (Zu Nro. 190.) 





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III. Der Alpinismus. 


Latſchen, Zwergkiefern, die die Hänge 
der Kalkgebirge beveden. 

Zamine,Lahne, abftürzende Ei3-, Schnee-=, 
auch Felsmaſſen. Stanblamwinen ent 
ftehen durch fich löjenvden, loderen Schnee ; 
Grundlamwinen find foldhe, bei denen 
infolge des Schmelzprozeſſes eine ganze 
Schneeſchicht niedergeht ; bei Gletſcher— 
(Eis:)lawinen bridt ein Teil bes 
Gletſchers ab. 

Moräne, Trümmer, die dur die Ver— 
mitterung der ben Gletjcher begrenzen- 
den Felſen losgelöſt werben, auf ben 
Gletſcher hHerabfallen und durch deſſen 
Bewegung ſich in langen Reihen wall— 
ähnlih aufbauen. — Die Seiten: 
moränen laufen den Seiten des Glet— 
ſchers parallel. Mittelmoränen bil: 
den ſich durch die Vereinigung der beiden 
Seitenmoränen zweier ineinander fließen- 
der Gletſcher. End- oder Stirn— 
moränen find die Ablagerungen am 
unteren Ende des Gletjchers. 

Muhren, Muren, Geröll:, Sand- und 
Schlammafjen, die durch das Waſſer zu 
Tal getragen werden. 

Bas, Einjentung des Kamms zwijchen zwei 
Gipfeln. 

Platten, glatte Feljen ohne oder mit 
nur geringen Griffen und Tritten. 

Randktluft, die große Spalte, die ge— 
wöhnlich den Gletſcher, Firn- und Schnee= 
felder von dem Feldgerüft des Berges 
trennt; fie entfteht durch Abſchmelzungs— 
prozeß. 

Rinne, unbedeutende Schludt, ſ. auch 
Gouloir. 

Runſe, daS gleihe in Ioderem Ge— 
ftein. 

Scharte, ſcharfer Einjhnitt in einem 
Eis- oder Feldgrat. 

Schneebrett, in ihrer Ausdehnung be— 
grenzte Schneeſchichten von dichtem, fein— 


Nro. 208. 


körnigem Gefüge und harter Oberfläche. 
Es iſt mit der Unterlage nur wenig ver— 
bunden und löſt ſich deshalb leicht trotz 
der anſcheinenden Feſtigkeit. 

Schneeſchild, kleines Schneefeld, das 
ſich in einer kleinen Depreſſion ſteiler 
Hänge bildet und beim Betreten leicht 
ins Rutſchen kommt. 

Schrund, f. Randkluft. 

Schulter, ein mehr oder weniger hori— 
zontal verlaufender Abſatz in einem ſteilen 
Gipfelgrat. 

Schutt, feineres Geröll. 

Seracs, Firn= oder Eisnadeln und Türme, 
die durch ſtarke Zerklüftung des Glet— 
ſchers entftehen. 

Steinfall, Steinfhlag, die durch 
die Vermwitterung herabfallenden Steine; 
in größeren Mengen Steinlamine. 

Steinmann, aus Steinen errichtetes 
Mertzeihen, bejonders auf Gipfeln; 
Steindaube, kleinere Steinmänner, 
die zu Drientierungszweden (als Markie— 
rung) errichtet werben. 
obel, Schweizer Ausdrud für Klamm. 

Traverfieren, einen Hang quer über- 
ſchreiten, wobei man fich mehr oder we— 
niger horizontal hält. Unter Traver- 
fieren eines Berges verfteht man den— 
jelben auf einer Seite zu erfteigen und 
auf der andern binabzufteigen. 

Tritt, Stütz- oder Haltepuntt für den Fuß. 

VBerjhneidung nennt man das Bus 
fammenjtoßen zweier Wände unter ftump= 
fen Wintel; wenn fie parallel oder in 
ſehr jpigen®intel zufammentreffen, bilden 
fie einen Kamin bezw. Rinne oder Runfe. 

Wächte, Gemädte, eine überhängende 
Schnee= oder Firnmaſſe, die ſich auf der 
Höhe eines Kammes oder Grates durch 
Anwehen des Schneeg auf der dem Wind 
abgemwendeten Seite bildet. 





14 


Nro 208. 


Alfred Steiniker. 


7. Die wichtiglten alpinen Husdrücke 
in deutjcher, franzöfilcher, italienifcher und engliſcher Sprade. 


Abfahren 
Abgrund 
Abhang 


abjeilen 
Alm, Alpe 
Alphütte 
aper 


Band 
Bergkette 


Bergſchrund 


Couloir 
Ebene 


Felsabſatz 
Felsabſturz 
Felsvorſprung 


Felsblock 

Felſen 

Felsrippe 

Selsturm 

Firn 

Firnbruch 

Firngrat 

Firnhang 

Slanke (eines Ber: 
ges) 


Gemſe 
Gendarm 
Geröll 
Gletſcher 
Gletſcherbruch 


Gletſcherſpalte 
Gletſcherſturz 


Gletſcherzunge 


Grat 
Gratabbruch 


Gratkante 
Griff 

Dalde 
Hängegletidher 
Hügel 


Jod 


glisser 

precipice 

escarpement, 
pente 


devaler a la corde 


pacage 
chälet 


‚sans neige 


corniche vire 

chaine de mon- 
tage 

rimaie 


couloir 
plaine 


gradin rocheux 
precipice 
contrefort, eperon 


bloc de rocher 
roc, rocher 
eperon 

tour rocheuse 
neve de taite 
rupture de neve 
arete de neige 
pente de neige 
versant 


chamois 
gendarme 
eboulis 
glacier 


| rupture de glacier 


| 
: crevasse 


chute du glacier 


| langue du glacier 


arete, crete 


: cassure de l’arete 


linge de faite 


prise 


. pente 
. glacier suspendu 
colline 


| col 


t 
ı 
1 
I 


ıp 


scivolare 
precipizio, abisso. 
pendio 


calarsi alla corda 
astura 

casolare, malga 
senza neve 


cengia 
catena di monte 


crepaccia termi- 
nale 


canalone, colatoio 


pianura 


bastione di roccia 


dirupo 

contrafforte, epe- 
rone 

macingo 

roccia 

sperone 

torre di roccia 


. nevato 


‚ frattura del nevato 


cresta nevosa 


. pendio di neve 
versante 


camoscio 
. spuntone 


j 
! 
i 
| 
j 


detriti 


ghiacciaio (vedret- 
ta in den Ortler- 


alpen) 
colata di ghiacci- 
aio 


crepaccio 


cascata del ghiac- 
ciaio 

lingua del ghiac- 
ciaio 


‚ cresta, crestone 


intaglio nella cres- 
ta 


. spigolo della cresta 





‚. appiglio 


china 


‚, ghiacciaio pensile 


collina 


: forcella, colle 


to glissade 
precipice 
slope 


to lower by the rop 


alpine pasture 
hut 


dry, freefrom snow 


ledge 
range 


Bergschrund 


gully 
plain 


tier 
cliff, precipice 
rocky spur 


boulder 

rock 

rib of rock 
rock-tower 

neve 
brocken-up-neve 
snow-ridge 
snow-slope 

side, face 


chamois 
rock-tower 
Scree 
glacier 


ice-fall 


crevasse 
; ice-fall 


tongue of a glacier 
) 


| crest 
| drop in a ridge 


edge of a ridge 
hand-hold 


ı slope 
. hanging-glacier 
| hill 


col, pass 


2 






108 


En 


Kabel 
ne 
Oaß 


Bet, 


Randkluft, ſ. Berg- 
rund 


* I. Der Alpinismu 


. cheminee 

cröte 

cirque, combe 
lapiaz 
gorgez 

souliers à varappe 


gouffre, fissure 
avalanche 


moraine 
combe 


aiguille 
neige fraiche 
niche 


col 


piolet‘ 
plaques 


coulisse 
fissure 
dos, croupe 


selle 
bröche 

orge 

eye . 
pont de neige 
nev6es 
Epaule 
eboulis, pierrier 
cabane, refuge 
face 


chute de pierres 
marches 


tailler des marches 


vallee 
un pas 
tour 


verglas 
eperon 


face, paroi 
corniche 


dent 
dentelure 





a5 
ixc22 


a 07 
5. 


camino 

spigolo 

conca 

lapiaz 

gola 

scarpe di corda, 
scarpetti 

burrone 


valanga 


morena 
conca 


guglia 
neve fresca 
nicchia 


colle, bocca, bo- 
chetta, passo 

picozza 

lastroni 


canale, canalone 
fessura, spaccatura 
dosso 

zaino 


sella 

bocchetta 

gola 

occhiali 

ponte di neve 
nevaio 

racchette 

spalla 

detriti (-tini) 
capanna, rifugio 
lato 

seracchi 
ramponi, ferri 
ometto di pietra 
caduta di pietre 
gradini 

tagliare gradini 


valle 


appoggio 
torre 


vetrato 
contrafiorte 


parete 
cornice 


dente 
dentello 








u 
5 


wall 


y > ze [= 


. Nro. 208. 
chimney 
crest 
corry 


karst phenomenon 
ravin, canyon 
scarpetti 


gulf, rif 
avalanche 


moraine 
hollow 


needle 
new snow 
recess 


pass 


iceaxe 
plates 


gully 
cleft 
ridge 


saddle 

gab 

gorge 
goggles 
snow-bridge 
snow-field 
snow-shoes 
shoulder 
debris 
club-hut 

side 

seracs 
climbing-irons 
cairn 

falling stones 
steps 

to cut steps 


valley 
foot-hold 
tower 

to be glazed 
promontory 


cornice 


tooth 
crag 


Kl... 
STE 


TS 





Jetcktekafetekstektsiekskekkkstekskteketsektstekakih eh 
| 


IV. WDinterfport. 


1. Das Schilaufen 
Von 


Denry Hoek, freiburg i. Br. 


Geldidte und Charakteriftik 
des Schilaufes. 


209. Urſprung des Schilaufes. 
Schi und Schilauf find höchſt wahr: 
fcheinlich eine Erfindung mongoli- 
her Etämme und ftammen ur: 
jprünglid aus dem Innern Des 
nördlichen Aſiens. Schon in vor 
geijchichtlicher Zeit wanderten Gerät 
und Kunft mit deren Befiger weſt—⸗ 
wärts und wurden jo den Ger: 
manen Standinavieng übermittelt. 

Sn den erften Sahrhunderten 
chriftliher Zeitrehnung muß im 
Norden der Schilauf eine ritterlich 
vornehme Kunft gewejen fein. Denn 
in vielen altnordifchen Helden— 
gefängen rühmt fich der Held unter 
anderen vornehmen Künften auch 
ver des „Schreitend auf Sciern“ 
(„Sfriva fann ef a ſtidom“). 

Es iſt wohl fraglid, ob man 
diefe Ausübung des Schilaufens 
als „Sport“ bezeichnen darf, Ganz 
fiherlid) aber wurde das allmählich 
in allen Bevölferungsihichten uns 
entbehrlih gewordene winterliche 
Derfehrsgerät im Mittelalter ſchon 
gelegentlich „rein jportlich”“ benützt. 
Ganz unzweideutig erfahren wir 
das aus des italienischen Biſchofs 
ODlaus Magnus fhöner Schilde: 


rung eines norwegiſchen Bauern: 
rennens um junge Pferde und bron: 


zene Gefäße. Olaus Magnuß:|: 


„Historia de gentibus septen- 
trionalibus etc.“ Rom 1555.) 

Ueber die ganze Geſchichte des 
Schilaufd von da an Big. zum 
Ende des 19. Jahrhunderts wifjen 
wir dann recht wenig. r ge 
wiffermaßen zufällig erfahren mir, 
daß gelegentlih nordiide Berg: 
leute den Schilauf nah Mittel: 
europa gebradt haben, daB das 
Gerät dort aber feine dauernde 
Heimat fand. Auh in Skandi— 
navien felbft ſcheint der Schi im 
Laufe der Jahrhunderte zu ziem- 
liher Bedeutungslofigfeit herab: 
gejunfen zu fein. Nur in einzelnen 
Diftriften benügte die Landbevölfe- 
rung noch das althergebradite Ge— 
rät. Dem Städter war es völlig 
unbefannt geworden. 

210. Der Schilauf als Sport. 
Erſt im Laufe der fiebziger Jahre 
des vorigen Jahrhunderts griff 
dann eine kleine Gruppe von 
Sport3leuten in Chriftiania den 
Schilauf wieder auf. Und ihrer 
tatfräftigen und begeijterten Pro- 
paganda, die weſentlich unterftügt 
wurde dur das Beifpiel guter 
Bauernläufer aus Telemarlen, ift 


IV. 1. Das Sıhilaufen. 


wohl Hauptfählic zu verdanten, | nale 


dag 
Rorwegen der Schilauf zum Na— 
tionalſport geworden ift. Zahlreiche, 
über dag ganze Land zeritreute 
Meine Vereine, gemöhnlih im Be: 
fig eigener „Hütten“, pflegen den 
Schilauf. Die bedeutenderen haben 
fih zu einem Landesverband zu= 
ſammengeſchloſſen, der über die 
Dettlampfregeln wacht und nament- 
li dafür Sorge trägt, daß dem 
Schilauf der Profeſſionalismus 
fernbleibe. 

Außerhalb Skandinaviens ſind 
im 19. Jahrhundert zahlreiche Ver⸗ 
jude unternommen worden, um 
den Schilauf einzubürgern. Bon 
einem wirklichen Erfolg dieſer Be⸗ 
ſtrebungen kann man erſt ſprechen 
ſeit Anfang der neunziger Jahre. 

Größere Verbreitung fand der 
Schilauf zuerſt in Süddeutſchland 
und Steiermark. Es folgten in 
ziemlich kurzer zeitlicher Folge 
Rieſengebirge, Harz und Oeſter⸗ 
reich und vor allem die Schweiz, 
wo ſich unter dem Einfluß günſtiger 
klimatiſcher Bedingungen an vielen 
Orten der Schilauf zu einer Art 
Nationalſport zu entwickeln ſcheint. 
Bedeutend ſpäter fällt das Er- 
wachen allgemeinen Intereſſes in 
England, Frankreich und Ober⸗ 
italien. 

Zur raſchen Ausbreitung des 
Schilaufs trugen viele günſtige 
Umſtände weſentlich mit bei, ſo 
das Erſcheinen und der Erfolg des 
Nanſen ſchen Buches „Auf Schnee⸗ 
ſchuhen durch Grönland“, die auf: 
opfernde und begeifterte Lehr⸗ 
tätigfeit nordifcher Studenten, eine 
gerade in diejen Jahren fait un- 
glaublich wachſende Borliebe für 
Sport im allgemeinen, die fonft 
im Winter menig Auswege fand, 
die zielbewußte Hilfe mancher 
alpiner Sportvereine unter 
denen in erfter Linie der internatio- 


Nro. 211—212. 
„Ofterreichiſche Alpenklub“ 


in wenigen Jahrzehnten in | zu nennen iſt —, ſowie ſchließlich 


die ausgiebige Propaganda man⸗ 
her Enthuftaften, jo 3. B. des 
Schiapoſtels Zdarsky, der ganz 
aus eigener Kraft und Snitiative 
eine jehr große Schiläuferſchar 
berangebildet bat. 

211 Scivereine und literatur. 
Hand in Hand mit dem rafchen 
Wachstum des Sportes felbft ging 
(namentlich in den deutjchjprecdhen- 
den Ländern) eine ausgiebige Grün- 
dung von Schivereinen und Zeit- 
ſchriften, die fi allerdings nicht 
immer als lebensfähig erwiejen 
haben. Die Mehrzahl der deutjchen, 
öfterreihifchen und jchmweizerifchen 
Vereine haben fich zu Landesver- 
bänden zuſammengeſchloſſen, die 
Landesmeiſterſchaften ausfchreiben. 
Außerdem kommen natürlih faft 
zahllofe Vereins- und Lolalrennen 
von größerer oder Fleinerer Be⸗ 
deutung zum Austrag. Auch ein 
zufammenfafiender ° „Mitteleuro- 
päifcher Schiverband” tft gegründet 
worden; er umfaßt aber nur 
deutfche und öfterreichifche Vereine. 

Schließlich wären noch zu er: 
mwähnen der ſchwediſche Landes- 
verband, einige oberitalienijche 
Bereine, der Klub Alpin Francais, 
der fih ſchon rege der Schiſache 
angenommen bat, ſowie einige 
Heine, aber jehr tätige englijche 
Klub. 

212. Allgemeines über den 
Schilauf. Seinem innerften Wefen 
nad) ift der Schilauf in der Haupt- 
fade ein Wanderfjport, wenn dies 
Wort geftattet ift. Und als folder 
ift er dem Alpinismug in vielen 
Zügen weſensverwandt. 

Abgeſehen vom Springen, dienen 
alle Uebungen des Schilaufg eigent- 
lih nur dazu, die nötige Gewandt⸗ 
beit für den Geländelauf zu er- 
langen. Der reine Schilauf um 
feiner felbft willen ala nur äfthett- 


o. 213. henry 
e Uebung oder Wettkampf wird 
ir von einer verſchwindenden 
inderzahl ausgeübt. Das ſchließt 
ttürlich nicht aus, daß der Ge— 
ndeläufer alle Uebungen Des 
chilaufs beherrfche und ſich ihrer 
usübung als folche freue. 

Die Leiftungen nun, die mit 
en Schi vollbradt werden, find 
atürlich außerordentlich abhängig 
on der Schneebejchaffenheit. Im 
roßen und ganzen kann man 
agen: In der Ebene find Ge: 
hwindigfeiten zwifchen 5 und 7 km 
ie Stunde etwas Gewöhnliches. 
Bergauf ift 200 big 300 m Stei- 
aung in der Stunde ein guter 
Durchſchnitt. Die Abfahrtsgeſchwin— 
digkeiten können unter beſonders 
günftigen Bedingungen bis 80 km 
in der Stunde, ja felbft darüber, 
ſteigen. 

Die Maximalweiten des als be— 
fondere Kunſt gepflegten Tiefmeit- 
fprunges legen um 40 m herum 
(mobei die ſchiefe Bahn auf etwa 
33° geneigten Hängen gemejjen 
wird). 

Bei wirklich guten Läufern, die 
die Uebungen des Scilaufd voll- 
ftändig beherrſchen und die gleich— 
zeitig einen harmonisch ausgebil- 
deten Körper befigen, kann der 
Scilauf Fehr ſchön und graziög 
ausjehen. Doc ſieht man bei und 
fetten wirklich elegantes Laufen, 
und die Grazie des Schlittſchuh— 
läufer8 3. B. ift dem Schilaufen 
fremd. Dafür ift ein korrekter Tief: 
weitiprung von etlihen 30 Metern 
ein derartig überwältigendes Schau 
ipiel, wie das fein anderer Sport 
in einer Einzelleiftung zu zeigen 
imstande tft. 

Die ftarfe Bewegung in ſtaub⸗ 
freier Luft, fern dem Dualm der 
Städte, und die ausgiebige Ans 
ftrengung nicht nur der Bein, ſon⸗ 
dern auch der Arm, Bruft- und 
Bauchmuskulatur ftempeln das Schi- 


Bork. 


laufen für gejunde Menfchen zu 
einer der beiten Sportarten über- 
haupt. Da der Schilauf aber auch 
hinausführt in die winterlich pfad: 
Iofe Natur, in den Kampf mit dem 
Wintermetter, und da auch unfere 
Mittelgebirge im Winter immerhin 
ein gewiſſes Maß von Gefahr 
bieten, fo ftellt der Schilauf auch 
Anforderungen an Geifteögegen: 
wart, Findigkeit und Verantwor: 
tungsgefühl. 

Aehnlich wie in Norwegen wird 
es auch in der Schweiz und in 
Süddeutſchland immer mehr Sitte, 
daß namentlih die Jugend auf 
ihren Fahrten Heine anfpruchslofe 
Hütten zum Uebernachten benüßt, 
in denen man fich jelbjt kocht und 
den ganzen primitiven Haushalt 
beforgt. Sollte diefe ſchöne Sitte 
größere DVerbreitung finden, jo 
fönnte der Schilauf durch Erziehung 
zur Einfachheit und Selbſthilfe jehr 
ſegensreich auf einen Teil unferer 
ſtädtiſchen Jugend einwirken. 


Ausrüftung. 


213. Der Schi. Im Gegenjat 
zu vielen anderen Sports ift beim 
Schilauf dag Gerät felbft billig im 
Verhältni® zur fonftigen Aus- 
rüftung. Es gibt der Schiformen 
zwar beinahe unzählige, und fait 
jede Landfchaft und jedes Tal 
Standinaviend hat eigene Typen 
aufzumweifen. Für den fportlichen 
Gebrauch hat fich aber nur eine 
Form als überall gleichmäßig 
brauchbar erwieſen, das ift der jo: 
genannte „Telemark“⸗Schi, der aus 
dem füdlihen Norwegen ftanmt. 
Ale Benügung in Zentraleuropa 
und in ferneren Zändern hat an 
diefer Form des Gleitholzes nicht? 
MWejentlihes geändert, jehr im 
Gegenfag zur jogenannten „Bin 
dung“, die viele Erfinder beihäf- 
tigt hat. 


— — — —— — 
—F 
— 
— 2 





Bi 





Iv. 1. Pas Schilaufen. 


Der Sportichi jelbit, faſt aus⸗ 
nahmslos aus Eiche oder Hidory 
bergejtellt, ift ein langes, ſchmales 
Brett mit aufgebogener Spitze, 
aufgemwölbter Mitte und mit gegen 
die Mitte zu ſchwach konkav ver: 
laufenden Längslinien. 

Die Spitenaufbiegung, die höch- 
ftend 20 cm beträgt, muß in ganz 
flacher Kurve in das SHinterende 
übergehen, ſie beanjprucht etwa ein 
Fünftel der gejamten Schilänge. 
Die mittlere Aufmölbung oder 
„Spanne” (au „Federung“) be: 
trägt im Marimum 2'/, cm. Sie 
richtet fi natürlich nad) dem Ge: 
wicht des Läuferd und der Elaſti⸗ 
zıtät des Holzes. Ihr höchſtes Aus—⸗ 
maß erreicht fie unmittelbar unter 
dem Fuße des Läufers, alfo ſchon 
in der Mitte zwiſchen Ende des 
Schies und Ende der Aufbiegung. 
Die Dide des Scies ift an ver: 
fchiedenen Stellen ver⸗ 
ſchieden. Am dünnjten 
ift der Uebergang der 
Aufbiegung in das Hin⸗ 
terende, am kräftigſten 
die Partie unter dem 

Manche Schier 
zeigen verſtärkte Quer⸗ 


Lange 2.20- 


III LUIS III); 


ro. 213. 


profile. Dieſe dürfen aber (aus 
Federungsgründen) nicht bis in die 
Aufbiegung durchgeführt werden. 
Die Länge de zu benußenden 
Schies ſchwankt zwiſchen 2 und 
2,60 m, je nach Körpergewicht des 
Läufer und Art des Terraing. 
Ein Blid auf den beigegebenen 
Aufriß und Duerriß eines richtig 
gebauten Schneejchuhes zeigt die 
üblichen anderen Maße. 
Beionderes Gewicht muß natür= 
li gelegt werden auf die Aus⸗ 
wahl ajtreinen, teodenen, aber doch 
nit brüdigen Holzes, ſowie auf 
die Art, wie das Brett für den 
Schi aus dem Stamme herausge- 
Schnitten wurde („Kernholz“ oder 
„Splintholz”). Bei der Anmen: 
dung „grünen“ Holzes werfen oder 
tordieren fich die Schier, jobald fie 
naß werden, fie werden „mwind- 
ſchief“ und unbraudbar. Alle 


falſch 


richtig 


60. Spanne und Aufbiegung. 


em 





amlNINm 


62. Neuere Sormen. 


- 2,0 Mrtr. 





er Mas 


63. Telemarkſchi. 


64. Splinthols. 


65. Balbliegendes und reines Kernholz 


(A u. B iſt die wirkliche Breite der Jahresringe.) 








tro. 214. 


Schier, die quer verlaufende Holz= 
truftur zeigen („Widerholz“), oder 
yeren Struftur auf der Oberfläche 
itarf mwellig verläuft („Uuerholz“), 
find fehlerhaft und jollten vom 
Käufer zurücgemwiejen werden. 
Die meisten Schier zeigen außer: 
dem auf der Laufflähe eine ſoge— 
nannte „Führungsrinne“, die die 
grade Abfahrt ftetiger macht, die 
aber bei der Ausführung von 
Schwüngen gewiß ein — wenn 





68. Rohrbügel:Riemen=Bindung. 


auch kleines — Hindernis ift. Mar 
läßt fie deshalb gerne fort bei 
Schiern, die ausſchließlich für den 
Gebrauch in jehr ſchwierigem Ges 
lände beftimmt find. 

Die Laufflähe des Schi mird 
faft ftet8 mit Fettſtoffen irgend- 
welcher Art imprägniert, einmal 
um das Holz gegen Näfje wider— 
ftandsfähiger zu maden, zum ans 
deren um das Anſetzen von Eis 
während der Fahrt nah Möglich: 
feit zu vermeiden. Seitenfanten 
und Oberfläche des Holzes werden 
zum Schuß gegen Näffe entweder 
durhfichtig oder farbig ladiert. 

Sm allgemeinen ift dem durch— 
jihtigen Lad der Vorzug zu geben, 


Benry Borh. 


da die Farbe häufig dazu dient, 
Fehler im Holz zu verbergen. 

Mer feine Schier ftet? im beften 
Zuftande erhalten will, der muß 
fie Ddementfiprechend behandeln. 
Dazu gehört eine gewiſſe Schonung 
beim Gebraud (ausziehen, went 
die Steine durch den Schnee durch— 
drüden!) und eine ſachentſprechende 
Behandlung während des Som— 
mers: die Yaufflächen werden geölt, 
die Hölzer werden „aufgeipannt“ 

und dann an einen 

(uftigen, aber ſehr 

trodenen und vor 

allem dunklen Ort 
gebracht zumlleber: 
jommern. 

214. Die Bin- 
dung. Bindung 
heißt der Apparat, 
der Zuß und Schi 

verbindet und der 
die Steuerung der 
gleitenden Hölzer 
ermöglicht. Es 
gibt eine ſchier 
rieſige Schar ver— 
ſchiedener Modelle, 
die alle ihre Lieb— 
haber haben. Wir 
können hier natür: 
ch nur in Kürze eine Auswahl 
der gebräuchlichſten Bindungsty- 
pen beiprechen, ſoweit fie fi 
im Gebrauch bewährt haben. Die 
Ichließlihe Auswahl wird immer 
Geſchmacksſache bleiben. 

1. Riemen=- oder Lappen 
bindung: Einfache, leichte Bin- 
dung ohne Metallteile. Etwas 
mangelhafte Führung. Sie ift 
bauptjählih am Pla auf langen 
Fahrten in faſt ebenem Gelände 
und bei großer Kälte (da fie fein 
Metall enthält)). 

2. Huitfeldt-Bindung, Mo 
dell A: Leiftungsfähige, einfache 
Bindung, Deren Lederteile aus 
einem langen Riemen beftehen und 


au 


h 


EI Zn Auge 


IV. 1. Das Schilaufen. 


jehr leicht reparierbar find. 
Durch Ziehen läßt fie fich jehr 
genau einjtelen und gibt 
tadelloje Führung. Das An- 
und Ausziehen dauert aber 
ein Weilchen. Sie ift deshalb 
nur am Pla, wo man ficher 
it, ven Schi unterwegs nicht 
gelegentlid ausziehen zu 
müfjen (aljo nit in Hoch— 
gebirge). 

3. Huitfeldt-Bindung, 
Modell B: Bei ihr ift der 
Ziehriemen des älteren Mo: 
dell3 durch Schnallenanord= 
nungen erjegt. Das ermög- 
licht raſches An- und Aus— 
ziehen, allerdings auf Koſten 
des „Sitzens“, ſofern die 
Bindung nicht ganz genau 
verpaßt iſt. Es iſt wohl die 
in Mitteleuropa meiſt ge— 
brauchte Bindung. 

4. Schuſter-Hoek— 
Bindung: Sehr einfache 
und leiſtungsfähige Bindung. 
Steht im Prinzip der Huit- 


feldt-Bindung jehr nahe. 
Bermeidet aberdie Duer- 
durchbohrung des Scieg, 
die viele als Schwächung 
des Holzes betraditen. 

5. Sohlenkappen— 
bindung: Biel benutzte 
Bindung. Namentlich 
Ausleihſchier find mit 
Borliebe mit ihr ausge: 
ftattet, da fie immer eine 
gewiſſe Führung gibt, 
aud wenn jie nicht paßt. 
Bielerjeit3 werden häu— 
fige Sciverlegungen 


aı u. 72. Buitfeldt:Bindung, Modell B. (Liner Fuß.) 


73. Schufter-Hoef-Bindung. 


Nro. 214. 





69. Huitfeldt- Bindung, Modell A. 
(Ohne Behenriemen und Baden. Linker Fuß.) 

























(Rechter Fuß.) 





(Lint3.) 


74. Sohlen-Kappen=Bindung. 


Nro. 214. 


(Knie und Knöchelverftauchungen) 
dem Fahren diejer Bindung zuge: 


ſchrieben. 





75. Ellefſen-Bindung. 
a Fußplatte, b Abfagriemen, e Eiferner Abſatz— 
flügel, d Umgehämmerte Zunge der Zehen: 




















baden, f Balatajohle. 

















* — ar 
Benry Hoek. | 


6. Ellefjen:Bindung: Eine 
jehr gute und leiftungsfähige Bin- 
dung. Dabei leicht und relativ ein 


fah. Doch muß fie ganz aus: 
gezeichnet verpaßt fein und muß 
ganz genau nad Vorſchrift auf: 
montiert werden, oder der 
Fahrer erlebt wenig Freude 
an ihr. Sie wird namentlich 
in Norwegen viel benugt. 

7. gLilienfelds oder 
Alpen-Schibindung: Diefe 
Bindung, aus einer biegjamen 
Stahljohle, mit verftellbaren 
Baden und Abjatfappe und 
einer ‘Feder, die fich bei jedem 
Gleitſchritt fpannt, 
hat jehr viel Zanf 
hervorgerufen. Sie 
wurde ebenjo ver— 
himmelt wie ver: 
dammt. Die Nad: 
teile diejer Bindung 
jind: jchweres Ge: 
wicht, Koften und 
Kompliziertheit. Die 
Vorteile find: eine 


außerordentlich weit- 
N gehende Beherrſch— 
728 ung des Schies und 


ein jchnelle8 Erler- 
nen des Laufens. 










77. Müller-Bindung mit 
gehobenem Fuß. 


76. Lilienfeld oder Alpen=Schi:Bindung. (Links.) 
a le, b Pufferfeber, © yehenbaden, d Staplfohle, unfih in Gebraud 


Wir fehen fie dem— 
entjprechend haupt 








‚bei älteren Leuten, 
pie im vorgerüdten 
Alter anfingen, ſo— 
—* in dem außer— 
ordentlich ſchwierigen 


78. Müller-Bindung. 
(Ohne Zehenriemen, rechts.) 


IV. 1. Das Schilaufen. 






Nro. 214. 


LD ———— — 


79. Bilgeri-Bindung, 


Gelände] dern öfterreihiihen Vor⸗ 
alpen. 

9. Müller-Bindung Das 
Prinzip der Huitfeldt-Bindung, ver- 
bunden mit dem der Feder. Sehr 
leiftungsfäbige Bindung, die aber 
genau verpaßt fein muß. 

10. Bilgeribindung. Eine 


der Lilienfeldbindung ſehr nahe: 


verwandte Form. Die Anordnung 
der Feder ift eine andere, den 
Schi nit ſchwächende, und die 
ganze Bindung ift viel leichter und 
eleganter, wie es jcheint aber doch 
ſtark genug für fräftige Benüßung. 

Gleichgültig, welche Bindung je= 
mand fährt, es ift vor allem auf 
tadelloſes Material und tadellofe 
Arbeit zu achten. Beſonders bei 
dem jtändig jtarf ftrapazierten und 
dem Schmelzwaffer ausgejegten 
Riemenzeug, madt fi die Wahr: 
heit des Satzes „Billig ift gleich 


ſchlecht“ jehr bald und unangenehm 


bemerkbar. 








Der üblihe Preis für ein Paar 


guter Schier mit Bindung wird je 
nad Auswahl ded Holzes und der 





80. Stöde. 


Nro. 215 —216. 
Bindung zwifhen 20 und 35 Mart 
liegen. 
215. Hilfsgeräte. Die Zahl der 
Hilfsgeräte, die der Schiläufer zum 
Sport als jolhem braudt und Die 
nit der allgemeinen Ausrüftung 
(Kleidung 2c.) zuzuzählen find, ift 
nicht fehr groß. Da wären zunächſt 
die Stöde zu nennen. Entweder 
benüst man einen fräftigen, 
ſchulterhohen, eiſenbeſchlagenen 
Eſchen- oder Haſelſtock oder zwei 
leichte bruſthohe Bambusſtöcke mit 
beweglichen Schneetellern am Unter⸗ 
ende und ſtarken Handſchlaufen oben. 
Ueber die Art der Benützung werden 
wir weiter unten reden. Es gibt 
viele brauchbare Modelle. Haupt⸗ 
ſache iſt auch hier wieder ſaubere 
Arbeit und gutes Material. 
Vielfach werden die Schier mit 
Fußplatten verſehen, um ein 
Ballen des Schnees unter dem 
Abſatz zu verhüten. Als Material 
kommen in Betracht: Zelluloid, 
Leder, Ballata, Gummi und Birken⸗ 
rinde, Aluminium, ſowie Linoleum. 
Feſte und flüſſige Schmier— 
mittel (Wachs mit Teer und 
Stearin 2c.) dienen dazu, Die Lauf: 
fläche bei Elebendem Schnee einzu— 
reiben und dag „Ballen“, „Biden“ 
oder „Eifen” zu vermeiden oder 
wenigſtens zu vermindern. 
Abnehmbare Fellbeſätze, die 
mittels Schnallen oder Schrauben 
befeftigt werden und die dag Rüd- 
wärtgrutfchen jelbft bei ſehr glattem 
Schnee und an recht teilen Hängen 
verhindern, find auf Hochtouren 
jehr ſchätzenswert. Für rein ſport⸗ 
liches Laufen (im Mittelgebirge) 
bedient man fich ihrer lieber nicht, 
da fie (befonders bei Anfängern) 
infehlbar eine Verfchlechterung des 
„Stiles“ bergauf zur Folge haben. 
Ein Tragriemen ift oft fehr 
angenehm. Am zmedmäßigften ift 
er dann fo eingerichtet, daß man 
ihn auch gleih zum Ziehen der 


Benen Boek. 


Schier benügen kann, wenn man 
lange Zeit vereifte ober bloß 
ſchwach verfchneite Straßen zu be: 


gehen hat. 
Als ſehr nützlich —— ſich A 
ein Reparaturbeutel, Er 


enthalte zum mindeften: Schrauben: 
zieher, Mefler, Säge, Feile, Zange, 
Pfrieme (vielleiht in der Form 
eine? „Univerjalinitrumentes”), 
Schrauben, Nägelchen, Draht, etwas 
Zinkblech, ftählerne Verſteifungs⸗ 
ſchienen und einen langen kräftigen 
Riemen. Abgebrochene Spitzen (bei 
weiten das häuftgfte Unglück) kann 
ein geſchickter Mann in der Regel 
irgendwie wieder ſo befeſtigen, daß 
ein Nachhauſekommen ermöglicht 
iſt. Iſt der Schi dann ſonſt noch 
gut, fo läßt man dem Patienten 
vom Fabrifanten mittels Leim und 
Nieten eine neue Spike anjeßen. 
Wenn dieje Arbeit (ca. 4—5 MI.) 
gut beforgt wird, fo hält ein fo 
reparierter Schi io lange, wie ein 
nie gebrodener. 

216. Kleidung und fonftige Aus⸗ 
rüſtung. Wie die allermeisten im 
Sreien betriebenen Sportsarten, 
erfordert auch der Scilauf eine 
den Bedingungen. der Bewegung 
und des Winterwetters angepaßte 
eigene Kleidung, jofern man wenig. 
ſtens fih vor Schaden bewahren 
und möglichſt großen Genuß aus 
dem Sport ziehen will. Und die 
allgemeine Ausrüftung ift leider 
bedeutend teurer als die fpezielle 
Sportausrüftung; während lehtere 
faum mehr ald 40—50 Mark koſtet, 
wird man für eine fachgemäße all- 
gemeine Kleidung u. ſ. w. immer: 
hin feine Hundert Mark aufwenden 
müſſen. 

Der Schiläufer wandert durch 
Wind und Wetter, in Schneeſturm, 
Kälte, glühender Sonne und manch⸗ 
mal leider auch in Regen. Die 
meiſten fallen oft in den Schnee. 
Auf ihren Fahrten, wo jeder ſein 


j 


IV. 1. Das Schilaufen. 


ganzes Gepäd jelbft zu tragen hat, 
legen fie weite Entfernungen zurüd 
und kommen in Hoteld und Ort⸗ 
Ihaften mit vielerlei Menjchen zu⸗ 
fammen. 

Daraus ergibt ji als allge- 

meinfte Regel: Die Kleidung des 
Schiläufer® ift eine angepaßte 
Touriſtenkleidung, d. h. praktiſch, 
warm, nicht zu ſchwer und nach 
Möglichkeit elegant und unauf- 
fällig. 
Unterfleiver find zu Fehr Geſchmack⸗ 
und Gewohnheitsſache, ald daß da 
irgend etwas zu raten wäre. Die 
Allgemeinheit wird? wohl mäßig 
dide Wolle wählen. Schneeſchuh— 
läuferinnen aber jei gejagt, daß 
die gemöhnlide Damenunterflei- 
dung recht wenig für Sport ge- 
eignet ift. Die amerikaniſchen Hemd⸗ 
hoſen („Combinations”) feien in 
empfehlende Erinnerung gebradt. 
Strümpfe und Soden find dann 
aber nicht mehr Geſchmacksſache. 
Der Sciläufer braucht unbedingt 
ftarfe mwollene Soden und zwar 
trägt er zwei Baar übereinander, 
das äußere ein wenig größer und 
momögli aus unentölter Wolle, 
die einigermaßen waſſerdicht ift. 

Den Anzug jelbft wähle man 
aud einem dunklen, baltbaren, 
warmen, nicht zu ſchweren Stoff, 
der vor allem aber möglichft glatt 
fei, damit im Schneefturm oder beim 
Stürzen fich fein Schnee daran an: 
fegen Tann. 

Lange Hojen haben fih im Laufe 
der Jahre ald die für den Sci- 
Läufer bequemjte und auch elegantejte 
Beinbefleidung erwiejen. Unbedingt 
nötig ift es aber, daß man das 
Eindringen von Schnee unten in 
die Hofenbeine verhütet. Am beften 
geſchieht dies durch Zubinden mit- 
telft kurzer Widelgamajchen. Die 
Weſte fei leiht und ſchmiegſam, 


Nro. 216. 


empfinden. Die Soppe fei Furz, 
eng in den Hüften, bis oben zu= 
Inöpfbar und mit verjchließbaren 
Tafchen verjehen. Sie jollte einen 
großen aufflappbaren Kragen haben 
und eine Vorrichtung, die Aermel- 
löher an den Handgelenfen eng 
zu ſchließen. Die Mübe muß einen 
großen Schirm haben, zum Schuß 
für die Augen, und einen großen 
niederflappbaren Rand, der aud 
die Ohren noch mit bededt. 

Als Handſchuhe find nur Fäuft- 
linge verwendbar und zwar folde 
allerbeiter Arbeit mit langen Arm- 
ftulpen, die auch noch einen Zeil 
de Aermels aufnehmen können. 
Fingerhandfchuhe taugen nichts auf 
Schneefhuhtouren und dürfen nur 
unter den Fäuftlingen getragen 
werden. Nebſt den Händen und 
Ohren find auf Scifahrten vor 
alem die Zehen der Gefahr des 
Erfrierend ausgejegt. Die Aus- 
wahl der Fußbefleidung muß des⸗ 
balb ſehr vorfichtig und forgfältig 
vorgenommen werden. Am beiten 
bemährt haben fich fräftige Leder: 
ſchuhe; über Rift und Knöchel müfjen 
fie genau pafjen und gut jchließen. 
Die Zehen follten aber nicht ein- 
geklemmt fein, jondern auch unter 
zwei Paar Soden eine gewiſſe 
Beweglichkeit haben. Ein Füttern 
des Stiefeld mit Pelz ift in unferem 
Mittelgebirge und in den Boralpen 
wohl nidt nötig Wem aber 
zwei Baar Socken noch nicht ge= 
nügen, der lafje ſich lieber ein Baar 
Fellſocken machen, als daß er fich 
fejten Belzbefat in die Schuhe nähen 
läßt 


Selbſtverſtändlich ſollten die 
Schuhe ſo waſſerdicht ſein, wie 
dies möglich iſt und eine einge— 
nähte bis oben reichende Laſche 
beſitzen. Für die meiſten Bin— 
dungen find doppelte Sohlen Er⸗ 


am beften geftriet. Lange Nermel | fordernig und um einen Drud ber 
an ihr wird man oft angenehm | Bindungsbaden zu vermeiden, jollten 


Neo. 217- 218. 


fie einwenig (vielleicht ’/, cm) über: 
ſtehen. Wer feine Schuhe ſtets 
gut im Stand haben will, wird 
gut tun, fie in Gafthöfen ſelbſt zu 
behandeln, da ſchlechtes (jäure- 
haltiges) Schmiermaterial die beiten 
Nähte alsbald zerjtört. Sehr be- 
liebt geworden find in letter Zeit 
die jogenannten „Lauparſchuhe“, 
deren fteife Seitenleder die Zehen 
etwas vor dem Drud des Zehen: 
riemeng behüten. Doch empfehlen 
wir nicht ſolche normwegifcher Her- 
kunft. Eine leichte Benagelung der 
Sohle ift oft fehr angenehm. Sie 
ihadet auch der Oberfläche des 
Schies weniger ald man annehmen 
ſollte. 

217. Was die Kleidung unſerer 
Schi Ianfenden Damen betrifft, 
fo müfjen wir ung hier mit einigen 
wenigen Schlagworten begnügen: 
Selbftverftändlih trägt die Schi⸗ 
läuferin eine Hofe und zwar eine 
jiemlih anliegende Kniehoſe, Die 
unter dem Rod nicht auffällt. Sie 
ift am vorteilhaftejten, fo gearbeitet, 
daß draußen im Wald oder im 
Gebirge der Rod in den Rudjad 
wandern kann, was fatjächlich eine 
weſentliche Erleichterung bedeutet. 
Der Rock ſelbſt ift natürlich zum 
mindeften „fußfrei” aus glattem, 
ſtarkem aber möglichft leichtem Stoff. 
Eine einfache Flanelldlufe und ein 
joppenartiges Jackett wird für den 
Oberkörper noch Die praftijchite 
Kleidung fein. Die möglichſt feite 
und einfache Frilur deckt eine 
Müte, die das Naßwerden ver: 
tragen kann. 

Gerade beim Schiſport ift es 
nicht leicht, in der Frauenkleidung 
Brauchbarkeit und Eleganz glüd- 
lich zu vereinigen. Es ijt bier 
dem perjönlichen Geſchick ein dank⸗ 
bares Feld eröffnet. 

Selbjt auf kleineren Schitouren, 
überhaupt fobald man die unmittel- 
bare Nähe bemohnter Orte verläßt, 


Benin Bork. 


nehme man jtet3 etwas Referve- 


Heidung mit und zwar zum min: 


deften ein Paar trodene Soden, :-- 


ein zmeites Paar 


guter ftarker 


Füuftlinge, fomie Sturmhaube und — 


Halstuch. Bei größeren Fahrten 
kommt dazu dann noch, je nach 
Geſchmack Lederjacke oder Sweater. 

Schon weil man faſt ſtets Reſerve⸗ 
kleidung mitnimmt, — außerdem 
aber auch auf kleinen Touren oft 
Schiwachs u. ſ. w. iſt der Ruck— 
ſack der unentbehrliche Begleiter 
des Schiläufers. Er ſoll geräumig 
(aber eher hoch als breit!) und 
waſſerdicht ſein, aber nicht ſchwer, 
(alſo kein für Schitouren unnötiger 
Lederbeſatz). Die Tragriemen 
müffen breit und kräftig fein, ſo⸗ 


dag fie nicht einfchneiden und eine 


Klappe follte die zugefchnürte Deff- 


nung zudeden, um gegen eindringen: 


den Schneeftaub zu ſchützen. 


Fe —— 


218. Proviant ift auf großen 
Touren felbftverjtändlich und durde 


aus Geſchmackſache. Für eine Diät 


des Sportes ift hier fein Platz. 


Aber auch auf Kleinen Ausflügen 
tut man gut, ftet3 eine Kleinigkeit 
mitzunehmen, etwas gute Schofo- 
lade, ein bißchen gezudertes Brot 


oder dergleichen. (Sergl. Abſch. II . 


und XIV). 


An fonftiger, eigentlich gangfelbfte ° * 


verftändlicher Auzrüftnng ded Shi |. 
läufer8 erwähnen wir dann nod: 


Tafchenmeffer (kräftig und groß, 
mit Lochpfrieme und Korfzieher), 
zufammenlegbare Taſchenlaterne 
mit Glimmerfcheiben, am bejten 
die befannte Alpiniftenlaterne „Ex- 
celsior Lux“ 
italieniſchen Alpentlubs), Kompaß 


(mindeſtens 7 cm Durchmeſſer und 


mit Schutzdeckel über dem Glas), 
Landkarte (und zwar neueſte Auf—⸗ 


lage!), ſowie ein klein wenig Ver- 


bandzeug. 


Die allermeiften dieſer Sachen 


ſind natürlich durchaus entbehrlich, 


nr 


(das Model dei 


en Ha 


zn 


.\ASRARAEN 


IV. 1. Das Sıchilaufen. 


jolange man fich bei feinen Schi- 
Lernverfuden in unmittelbarer 
Nähe eines Winterfportplaes oder 
großen Hotels befindet. Wer aber 
auch nur die kleinſte Tour unter- 
nimmt, ſich auch nur auf einige 
Stunden | von jeinem Stüßpunft 
entfernt, der Tann beim Schilauf 
jehr leicht in die Lage kommen, 
einen der oben genannten Gegen: 
ftände, in unangenehmfter Weije 
zu vermiflen. Und andere um Aus: 
bilfe und Gefälligfeit bitten müſſen, 
ift für die meiften auch feine An- 
nehmlichfeit, ganz abgejehen, da- 


Nro. 219-220. 


nie richtig auf ihnen jtehen, 
am wenigften wird er in der Ab: 
fahrt richtig „ftehen“, wie der 
Norweger das zu Talfahren be- 
zeichnet. 

220. Das Wenden oder Um⸗ 
drehen ift an und für ſich recht 
einfah. Man ftellt einen Sci 
nach außen, joweit dies geht, ohne 
die Hinterenden übereinander zu 
bringen. Dann ftelt man den 
anderen daneben und fo fort bis 
die entgegengejette Front erreicht 
ift. Biel einfader als diefe um- 
ftändlide und häßliche Art, Die 


81. Bilder vom Umdrehen oder Wenden. 


von, daß nicht immer „andere” da 
find 


für Schihodtouren ift dag ent⸗ 
ſprechende zu finden in dem Kapitel 


„Schilaufen im Hochgebirge”. 


Die Bewegungen des 
Schilaufs. 


219. Das Stehen auf Schiern 
ift ein Belaften des VBorderfußeg, 
ein „Nachvornelegen“ des Ge— 
wichtes, ſoweit dies angängig iſt, 
ohne die Abſätze von den Schiern 
zu heben und ohne die Hüften zu 
beugen. Wer in der Ruhe nicht 
richtig auf den Schiern ſteht, wird 


Ueber die bejondere Augrüftung 


dazu am geneigten Hang natürlich 
nicht anwendbar ift, ift eine andere, 
die viel Fniffliher ausſieht als ſie 
ift. Man hebt ein Bein und ftredt 
ed grade nad) vorne, jo daß der 
Schi, mit der Lauffläche nad vorne 
Ihauend, genau ſenkrecht jteht. 
Dann ſchwingt man die Schijpihe 
nad) außen, um dag aufdem Schnee 
ftehende Hinterende als Drehpuntt. 
Man ftelt dann diejen berumge- 
ſchwungenen Schi wieder in den 
Schnee, neben den anderen ftehen 
gebliebenen. Natürlich ſchaut die 
Spite jet aber in die entgegen 
geſetzte Richtung. Dieje „Uebers⸗ 
freuz”= Stellung, in der die meiften 
die Anie ein Hein wenig merben 


Nero. 221—222. Benrn Bopek. 


beugen müſſen, ift dag einzig 
Schwierige an der ganzen Sache. 
Fernerhin hebt man die Spite des 
anderen Sci, bemegt fie über das 
Hinterende des zuerſt umgeftellten 
hinweg und jtellt den zweiten Schi 
neben den eriten. 

Man beginnt diefed „Menden“ 
mit Stod zu üben. Die Haltung, 
Griffwechſel, jobald der erjte Schi 
umgeftellt ift, ergibt ſich ganz von 
ſelbſt. Gewandte Menjchen können 
die Uebung ohne weiteres auch ohne 
Stock ausführen. 

221. Das Wenden am Hang kann 
nur in dieſer Weiſe ausgeführt 
werden. An wenig ſteilen Hängen 
tut man gut, die Bewegung mit 
dem oberen Bein und Schi zu be- 
ginnen, da man auf diefe Weije 
etwad an Steigung gewinnt. An 
wirklich fteilen Hängen muß man 
aber mit dem unteren Schi anfangen, 
da man fo fejteren Stand hat. Vielen 
macht das Wenden am Hang 
Schmwierigfeit, weil der Blic in die 
Tiefe fie unfider madt. Solde 
tun gut, an ganz Keinen Hängen, 
Straßenböfchungen u. f. w. ihre 
Vebungen zu beginnen. GSelbjtver- 
ftändlih muß man zuerft gut und 
fiher ftehen, mit den Schiern ganz 
quer zur Fallrichtung, ehe man an= 
fängt zu wenden, 

222. Das Laufen in der Ebene 
it etwas weſentlich anderes als 
gewöhnliches Laufen oder Sclitt- 
jchuhlaufen. Man holt weder aug, 
noch ſtößt man fih ab. Es ift 
ein Vorwärtsſchleifen mit langen 
Sleitjehritten. Nie werden die 
Schier gehoben und vorwärtsgejeßt. 
Man legt ſich nach vorne und unter 
ftüßt den fallenden Körper durch 
Borführen eines Beines mit ges 
beugtem Knie. Dabei bejtrebt man 
fh, diefen Schi noch möglichſt 
weit gleitend nach vorne zu drüden. 
Dann ftredt man das Knie wieder, 
fällt wieder vor und jchiebt das 


andere Knie mit dem anderen Schi 
nach vorne. Wenn es die Schriee=' 
befchaffenheit irgend erlaubt, be= 
ftrebe man ſich das zweite Knie, 
ſchon vorzufdhieben, während Der: 
erfte Schi fih noch bemegt. Man 
unterlaffe alle Verſuche, ih mit 
dem hinteren Schi abzuftoßen, fie 
führen unmweigerli nur dazu, daß 
der hintere Schi nad) rüdmärts 
rutſcht. | 

Beim Laufen in der Ebene ſoll⸗ 
ten die Schier möglich nahe bei— 
einander gehalten werden, fo nahe: 
wie died die Bindung En 
geitattet. 

Erft wenn jemand ohne Stöcke 
raſch und ſicher in der Ebene laufen 
kann, ſollte er ſich der Doppelſtöcke 
bedienen, um durch rhythmiſches Ab⸗ 
ſtoßen die Geſchwindigkeit zu er: 
höhen. 

Das Laufen in der Ebene ſieht 
außerordentlich leicht und einfach 
aus; es iſt auch gar nicht ſchwer, 
ſich einfach vorwärts zu bringen. 
Das wirklich ſtilvolle, fördernde 
Laufen muß aber geübt und gelernt 
werden. Dafür ermöglicht es dem, 
der es kann, dann auch große] 
Streden ohneübermäßige&rmüdung 
raſch zurückzulegen. 

Bei wirklich pappendem Schnee, 
wenn ſich dicke Eisknollen an die 
Laufflächen der Schies anſetzen, iſt 
ein richtiges Vorwärtsſchleifen natür: | | 
lich ausgefchloffen. Man ift dann 
manchmal gezwungen jededmal einen 
echten Schritt zu machen und den 
Schi dabei zu heben (wie es jeder: 
Anfänger überhaupt tut). Es madt 
dies das Laufen in der Ebene aber, 
zur ermübdenden Dual, Wer i immer 
es maden fann, tut dann gut daran, : | 
einige Stunden zu warten. Der 
allerfchlechtefte Zuftand des Schnee | | 
liegt gerade. bei Temperaturen um : 
0° herum. Sobald es kälter wird | 
ift der Schnee wieder glatt, fobald 
ed wärmer wird, wird er jo naß, | 








ash Fe. ra Fri El 


= 





Schi-Wettſpringen an der Neuen Schlefifchen Baude. 


IV. 1. Das Schilaufen. 


daß ſich wenigftens feine Eisftollen 
mehr bilden und ein, wenn auch be- 
fcheidenes, Gleiten ermöglicht wird. 

223. Das Berganfgehen fommt 
dem Anfänger im Schilauf ge: 
- wöhnli wie ein kleines Wunder 
vor, das ihm nad) einigen Ver: 
fuhen mehr imponiert als die 
fchnellfte Abfahrt. Doch ift es 
leicht genug zu erlernen, jofern man 
nur regelrecht ein bißchen übt und 
ein bißchen nachdenkt und je nad) 
Schnee und Steilheit des Hanges 
die entjprechende Art des Bergauf: 
gehen? anwendet. 

Tatjählih laſſen fih Hänge 
jeder Steilheit mit Schiern erfteigen, 
fofern fie nicht hart vereift -find 
oder Laminengefahr droht: Im 
allgemeinen — abgejehen von er- 
zeptionell günftigen oder fchlechten 
Berhältniffien — werden die Auf- 
ftiegzeiten ein wenig Hinter den 
fommerlidhen zurüdbleiben, was ſich 
zum Teil ſchon daraus erflärt, dab 
man eben doch aud die Scier 
mitzuheben hat, die immerhin ein 
Gewicht von ungefähr zehn Pfund 
befigen. 

Das Bergaufgehen wird nun je 
nach der Neigung des Hanges in 
ſehr verjchiedener Weife bewerk⸗ 
ſtelligt. So lange der Hang nur 
ſchwach geneigt ift, geht man genau 
wie in der Ebene. Wird er etwas 
fteiler und fängt man an zurüd- 
zurutfchen, jo hebt man am Ende 
eines jeden Gleitjchrittes die Spite 
des Scieg ein wenig und drüdt 
fie mit lei ftampfender Bewegung 
in den Schnee. Bei richtiger Ge— 
wicht3verteilung kann man fo über: 
rajchend gut bergauf gehen. Sobald 
man allerdings durch irgend welches 
unruhiges Schwanten dag Gewichts⸗ 
zentrum nicht mehr über der Bin- 
dung liegen bat, rutjcht man fofort 
zurüd, 

Iſt auch diefe Art bergan zu gehen 
nicht mehr anwendbar, jo wird man 


Niro. 223. 


beginnen, den Hang quer bergauf 
zu gehen und eine Zidzadipur ans 
zulegen. Dabei kommt es dann für 
ein rationelles Laufen ein wenig 
auf die Beobachtungsgabe des Län: 
fer an. Die große Kunft ift hier, 
„ih dem Gelände anzupafjen”, d. 
h. unter allen Umftänden fo fteil 
zu geben, wie die gerade noch 
möglich if. Man wird aljo je nad 
der Steilheit die Richtung ein wenig 





ändern müflen. Am Ende einer 
jeden Linie der Zickzackſpur heißt 
ed natürlich umdrehen. 

Diefes nah Möglichkeit zu ver: 
meiden wird man einmal die Spur 
jo weit wie irgend möglich anlegen 
um weniger Eden zu befommen, 
zum anderen findet man beinahe 
an jedem Hange Kleinere, ſchwächer 
geneigte Stellen, die die Anlage 
eines Bogens (an Stelleder ſcharfen 
Ede mit Wenden) geftatten. 

Auf langen Fahrten, bei ſtunden⸗ 
langen alpinen Aufftiegen wird man 
faft ftet8 diefe Art des Zidzad- 
aufftiege® als die wenigft an— 
ftrengende anwenden. 

Wil man aber fürzere Hänge 
Schnell erfteigen, eine Terrain: 
wellen überwinden, oder gilt eg, 
auf beichränften Raum (Hohlmege 
ujm.) zu fteigen, jo gibt es nod) 
eine Reihe anderer ee 

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Niro. 223. 


Da wäre zunächſt ver „halbe Grä— 
tenjchritt“ zu nennen. 

Der Schi wird bei jedem Schritt 
gehoben und im jpigen Winkel zur 
Anftiegsrichtung in den Schnee ge: 
ſetzt. Dabei wird er ftarf nad 
innen gefantet und man madt &= 
Beine vom Knie an abwärts. 

Wächſt der Neigungswinkel des 
Hanges, jo wird der halbe Gräten- 
Ichritt zum großen „Grätenſchritt“. 
Jetzt heißt es jeweild den unteren 
Schi über das SHinterende des 
vorderen hinweg heben und im 
ftumpfen Winkel zur Anftiegsrich- 
tung wieder hinftellen. Dieje Art 
des Bergaufgehens ift auf Die 
Dauer ſehr ermüdend. Sie wird 
deshalb gewöhnlich nur an fürzeren 
Hängen oder zur Abwechslung ein- 
mal angewandt. 

Wird der Neigungsmwinfel des 
Hanges fo groß, daß auch die Ans 
wendung des Grätenjchrittes ſchwie— 
rig wird, jo fann man fich mittelft 
des „Treppenjchrittes“ bergauf 





All 3 De 


83. Treppenfchritt aufwärts und 
defien Spur. 


helfen. Man jtellt fich quer zum 
Hang und tritt mit ſtets paralleler 
Schiern jeitwärts höher. 
Bei feitem Schnee fann man jo 
jehr fteile Hänge überwinden. 
Der Treppenjchritt jeitwärts läßt 


ſich auch recht gut vereinigen mit 
dem Duer-Bergaufgehen. 


Benry Boek. — — 























Man ſchleift dabei zunächſt nor— 
mal vorwärts, hebt nach Beendi— 
gung dieſer Bewegung den Sci 
und jest ihn jeitwärt® höher in 
den Schnee. Es rejultiert jo eine 
„Treppenſpur“, die jchräg bergauf 


84. Spur des Treppenfchrittes fchräg 
bergauf. 


führt. Dieſe Art des Steigens ift 
außerordentlich fürdernd und auch 
nicht beſonders ermüdend. 

Ein Stod ift bergauf feine wejent- 
(ihe Hilfe; an jehr jteilen Hängen, 
namentli) wenn man quer berg— 
auf geht, kann er zur moralijchen 
Stüße werden. Das ift aber auch 
alles. 

Beim wirklichen Ueben wird der 
Anfänger gut tun, jeinen Stod zu— 
nächſt einmal zu Haufe zu lafjen. 
Jedenfalls hat er alle Gedanken, 
fih mit dem Stod bergaufzudrüden 
oder ih an ihm emporzuziehen, 
fahren zu lafjen. Das Bergaufs 
gehen ijt im wejentlichen eine Ba=- 
lanceſache. 

Zwei Stöcke können allerdings, 
beſonders beim Gräten- und Halb⸗ 
grätenſchritt eine große Erleichte 


Br "70 
dr» 


IXLEXE 


IV. 1. Das Schilaufen. 


und Hilfe ſein, doch tut man gut, 
auch dieſe Uebungen zunächſt ohne 
Stock zu erlernen. 

Und im übrigen 
gilt für das Stei⸗ 
gen auf Schnee⸗ 
ſchuhen, wie für 
jedes Steigen, die 
gute alte Regel: 

Langſam aber 
ftetig ! 

224. Die Ab- 
fahrt gibt dem 
ſportlichen Schi⸗ 
lauf ſeinen Reiz. 
Es können dabei 
große Geſchwindig⸗ 
keiten erzielt wer⸗ 
den; wenn die Ver⸗ 
hältniſſe günſtig, 
(glatter Schnee und hindernisfreier 
Hang), find 80—90km die Stunde 
auf Entfernungen von 1—2km feine 
Seltenheit. Solche Geſchwindig⸗ 
keiten bergen aber naturgemäß Ge⸗ 
fahren in ſich. Man kann den An⸗ 
fänger deshalb nicht genug darauf 
aufmerkſam maden, daß ed für ihn 
feinen Sinn hat, die Abfahrt in 
größter Gefchwindigfeit zu verfuchen, 
bevor er recht weiß wie abzufahren, 
wie jeine Balance bewahren, wie 
Hinderniffen auszuweichen und zu 
bremien. j 

Mit Schneid allein meiltert man 
die Sache nit; ſowenig wie bei 
jedem anderen Sport! €3 fällt 
feinem Bernünftigen ein, feine Berg⸗ 
fahrten mit einer Matterhornüber: 
fchreitung einzuleiten oder nad) drei 
Tagen Automobilrennen mitzu⸗ 
maden. Es ift aber ein gewöhn⸗ 
liches Scaufpiel, wenn ſich der 
Anfänger im Schilauf oben an einen 
fteilen Hang hinſtellt, der total ver- 
eift ift und nun verfudht, dem aus: 
gebildeten Läufer die Sache nad 
zumachen, in geraderjaufender Fahrt 
binunterzugleiten. Der Erfolg ift 
felbjtverftändlich ein ſchwerer Sturz, 





Nro. 224. 


der gewöhnlich harmlos ausgeht, 
weil man eben in den Schnee fällt; 
unter Umftänden aber auch weniger 


85. A. Richtige fchmalfpurige Abfahrtsitellung, 
2. u. 3. falfch und unter Umjtänden gefährlich. 


harmlos, weil unter dem Schnee 
harter Boden ift, oder weil fich ein 
Sci tief einbohrt, oder aus hundert 
anderen möglihen Gründen. 

Aus alledem geht hervor, dal; 
der Anfänger gut tut, ſich für feine 
eriten Abfahrtverjuche kleine leichte 
Hänge und guten gleichmäßigen 
Schnee auszuſuchen. Und ferner, 
daß er bejtrebt fein fol, zuerft das 
Bogenfahren und Bremjen (f. unt.) 
wenigſtens einigermaßen zu erlernen, 
bevor er ſich an große Abfahrten 
in fohneller Fahrt macht. 

Was er nun aud) fieht und hört, 
er halte fich ftet3 gegenmärtig, daß 
es (abgefehen von ganz mwenigen 
Ausnahmen) nur eine einzige rich: 
tige Haltung für die Abfahrt gibt. 
Das ift: Schier möglichft nahe zu— 
fammengedrüdt, womöglich bis zur 
Berührung, einen Fuß jtet3 etivas 
vor, Körpergewicht möglichft nad) 
vorne gelegt, Hüften nicht gebeugt, 
aufrecht und gerade aber nach vorne 
gelehnt, fo daß man einigermaßen 
jenfreht zum Hange fteht. Mit 
den Stöden wird nichts getan, man 
läßt fie (oder ihn), nadjchleppen, 
weil fie fo bei einem Sturze 


Neo. 225— 227. 


am menigften Unheil 
können. 

Es iſt ja zweifellos richtig, daß 
die Balance nach links und rechts 
leichter iſt mit breit auseinander⸗ 
genommenen Schiern. Dafür iſt 
aber die Balance vor: und rüd- 
wärts, und das ift die bedeutend 
wejentlicdere, faſt ganz unmöglid. 

Mit enggeſchloſſenen Sciern ift 
e3 leicht Durch entiprechend weites 
Borführen des einen Fußes die 
unterftügende Gleitflähe zu ver- 
längern und fo Unebenheiten bes 
Bodeng auszubalancieren. Breit- 
jpurig fahrend befommt man bei je= 
dem Heinften Graben oder ähnlichem 
einen Stoß, der gewöhnlich einen 
jehr unangenehmen Sturz nad vorne 
oder nach rückwärts nach fich zieht. 

Nur unter beitimmten BVerhält- 
niffen, wie jchon gejagt, wird man 
diefe Normalabfahrtitelung auf: 
geben. So 3. 8. beim Befahren 
gleichmäßig geneigter vereifter Stra- 
Ben, auf denen die feitliche Balance 
ausnahmsmeife ſchwerer ift als die 
nad) vor= oder rückwärts. 

Manche gute Läufer lieben es 
auch bei jteilen Abfahrten und 
wechfelnder Schneeglätte fich tief 
niederzufauern, umden Schwerpunft 
tiefer zu verlegen und um ſo un= 
empfindlicher zu fein gegen Stöße. 
Das alles ändert aber nicht daran, 
daß die oben bejchriebene Stellung 
dem Anfänger auf lange Seit hin- 
aus die einzig richtige bleibt. 

Sm Beginne macht es mandmal 
Schwierigfeit an fteilem Hange zur 
Abfahrt „los“ zu kommen. Das 
ift nun lediglich eine Sade des 
Schneids. Wer mutig den einen 
Schi in die gewünſchte Abfahrt$- 
richtung ftelt und den zweiten 
Schnell daneben, der wird faft ftet3 
ohne Fallen ablommen. 

225. Auch das Fallen kann man 
falſch und richtig machen. Vor 
allen Dingen iſt es ſehr viel weniger 


Benry Boek. 
anrichten | häufig unumgänglich notwendig zu 


fallen, ald man im Anfang glaubt. 
Mer nicht gleich alles aufgibt, jo- 
bald feine Balance ein wenig frag: 
li wird, merkt jehr bald, daß man 
oftrecht verzweifelteSituationennod) 
retten fann. Sit aber jede weitere 
Abfahrt außer Frage, jo verjude 
man womöglich) nad) rückwärts oder 
ſeitwärts zu fallen. Am gefähr: 
lichſten find immer die Stürze nad) 
vorwärts, bei denen man fi oft 
überſchlägt und die Schiſpitzen oder 
Enden in den Schnee bohrt, mas 
dann wieder die Knie: und Knöchel⸗ 
zerrungen zur Folge hat. Ein Fall 
nach ſeitwärts oder rückwärts da⸗ 
gegen endet gewöhnlich mit einem 
harmloſen Bergabrutſchen und Ta- 
ſchen voller Schnee. 

226. Das Aufſtehen, namentlich 
in tiefem Schnee oder an ſteilem 
Hang, macht manchem Anfänger 
bittere Pein. Gewöhnlich liegt die 
Sache daran, daß der verunglückte 
Läufer verſucht, mittelſt großenKraft⸗ 
aufwandes ſich mit ſeinem Stock in 
die Höhe zu ſtemmen, was ihm faſt 
ſtets mißlingt. 

In der Ebene ziehe man die Knie 
möglichſt eng an den Körper, ſuche 
dann in eine ſitzende Stellung zu 
kommen und richte ſich auf, indem 
man einen Schi moglichſt nach hinten 
bringt, fo daß das Körpergewidt 
dauernd unterjtügt if. Am Hang 
ift vor allem darauf zu achten, daß 
die Schier bergabmwärts,pom Läufer 
find und genau fenfrecht zur Fall⸗ 
richtung des Hanges ftehen. Sonft 
bringt jeder Verſuch des Aufrichtend 
nur den Aerger eined erneuten 
Hinfallens. 

227. Das ſogenannte Schlitt⸗ 
ſchuhlaufen iſt eine Art der Fort⸗ 
bewegung auf Schiern, die nur auf 
ſchwach geneigten Hängen bergab 
anwendbar ſind. Die Bewegungen 
dieſes Schlittſchuhlaufens ähneln 
ziemlich denen des Laufens auf 


ig mie TA FR Ta FH To mM 1:7 


, 


IV. 1. Das Sıhtlanfen. 


langen Tourenſchlittſchuhen. Der 


Nro. 228. 
228. Das Bremfen mitdem Schi 


Körper ruht abwechjelnd ganz auf| ift eigentlih Die Bremsart. Alles 


einem Schi, während der andere 
frei in der Luft ſchwebt. Am Ende 
der Öleitbewegung einesjeden Fußes 
ftößt man fräflig mit der ganzen 


86. Schlittfchuhlauf-Spur. 


Fläche des ſtark nad innen gefan- 
teten Schies ab und holt gleidh- 


ur 
Be — 
— 


andere Bremſen mittelſt des Stockes 
iſt nur gelegentlicher Notbehelf. 
Ein guter Läufer ſollte bergauf wie 
bergab vom Stocke unabhängig ſein, 
dazu gehört aber 

n natürlih, daB er 
dann ſonſt irgend⸗ 
wie imſtande iſt, 
bei der Abfahrt 
ſeine Geſchwindig⸗ 
keit zu regulieren 
und auf das wünſchenswerte 
Maß zurückzuführen. Und tat- 


zeitig mit dem anderen Schi mit ſächlich iſt auch keine Bremsart 


möglichſt viel Schwung zu einem 
neuen Gleiten aus. Die Spur der 
ganzen Bewegung beſteht aus ein⸗ 
zelnen, im ſpitzen Winkel zur Fahrt⸗ 
richtung verlaufenden Furchen von 
mehrfacher Schilänge. An flachen 

ängen kann man durch Schlitt⸗ 
ſchuhſchritte die Abfahrtsgeſchwin— 
digkeit weſentlich ſteigern. 

Durch ſtändiges Verkürzen des 
einen Schrittes, z. B. des linken, 
im Verhältnis zum anderen iſt es 
möglich, ſelbſt ziemlich ſcharfe Bögen 
zu machen ohne an Geſchwindigkeit 
einzubüßen. 


Um eine gewiſſe Freiheit der 


Bewegung auf Schiern zu bekommen, 
eine natürliche Vertrautheit mit 
ihnen, die ſich als nonchalante Ele⸗ 
ganz äußert, gibt es keine beſſere 
Uebung als das ſogenannte Schlitt⸗ 
ſchuhlaufen und überhaupt das zeit⸗ 
weiſe Abfahren auf einem Schi. 

Man bekommt dadurch auch die 
ſelbſtverſtändliche Gewohnheit ein- 
gefrorenen Straßenſteinen durch 
Hochheben eines Schies zu entgehen, 
Pfadabbiegung durch Anwendung 
von ein paar Schlittſchuhſchritten 
zu nehmen uſw. Es ſind das lauter 
Sachen, die ſpäter ganz natürlich 
erſcheinen, und deren Nichtkönnen 
ſofort ein eckiges unbeholfenes 
Laufen zur Folge hat. 


wirkungsvoller, als die mit den 
Schiern ſelbſt ausgeführte. Doch 
gehört zu ihrer Beherrſchung ein 
wenig Uebung, wie dies mit allen 
körperlichen Bewegungen der Fall 
zu fein pflegt. Es gibt nun ver: 
ſchiedene Möglichkeiten mit dem 
Schi felbjt zu bremfen. 


Fanrichtung des Hange P 





87. Schneepflugfahren. 


1. Die Schneepflugftellung. 
Sie wird angewandt, um in gerader, 
abwärts gerichteter Fahrt die Ge— 
Ihwindigteit zu breden. Dan 
nimmt die Knie etwas auseinander 
und drüdt die Fußſpitzen nad innen 
und die Abſätze nach außen. Die 


Nro. 228. 


Schneefhuhe ftehen in der Form 
eines V niit ftark genäherten Spiken 
und auseinander gedrängten Hinter: 
enden. Es entfteht jo eine Art 
Schneepfiug, deſſen bedeutende 
Schneeverdrängung die nötige Nei- 
bung hervorruft. Je nah dem 
wünjhendmwerten Ma des Bremſens 
muß man das V größer oder Heiner 
machen, oder die Schier mehr oder 
weniger kanten. Es ift ftrenge 
darauf zu achten, daß das Körper: 
gewicht gleichmäßig auf beide Schier 
verteilt ift, jonft überfreuzen fich die 
Schier. 

Die Uebung als ſolche iſt nicht 
ſchwer. Schwieriger iſt es aber 
während einer ſchnellen Abfahrt 





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n des ——* ER 


Na J 
ar Falirıchtun — * 


Benry Dorf, 


eine Schi bremſend und zwar der 
untere. Wir nennen dieſen den 
Stemmſchi und den anderen den 
Gleitſchi. Der obere (der Gleit⸗ 
ii) fährt in der Richtung der 
Fahrt. Seine Spur ift eine Linie. 
Der’andere (der Stemmſchi) fteht 
mehr oder weniger quer zur Fahrt: 
tihtung. Er bürftet über den 
Schnee weg und feine Spur ilt 
eine langgezogene Fläche. 

Die Hauptſchwierigkeit bei dieſer 
Bewegung liegt darin, die Spiken 
zufammen zu behalten und die Ab: 
ſätze nicht von den Schiern zu heben. 
Die Intenfität des Bremjens kann 
ftark beeinflußt werden durd dad 
Maß des Kantens des Stemm- 

ſchies ſowie durch die Größe 
des Winkels, den die bei- 
den Schier miteinander bil- 
den. Im allgemeinen liegt 
bei dieſer Art des Fahrens 
dag Hauptgewicht auf dem 
oberen Gleitſchi. Durch ein 
Verlegen auf den unteren 
(Stemmjdi) Hat man die 
Möglichkeit in der Hand, 
recht kurze Bögen bergwärts 
zu machen und ſo raſch zu 
halten. 














88. Stemmfahren. 


diefe Stellung einzunehmen. Es 
geht dies beſonders bei einiger- 
maßen tiefem Schnee nur allmäh- 
ih. Bei plötzlicher Notwendigkeit 
des Bremſens wird man deshalb 
die Fahrtbrechung durch einen 
Schwung (f. weiter unten) einleiten 
müffen. 

2. Die Stemmftellung wird 
angewandt, um bremjend mehr oder 
weniger quer zum Hange abzu-= 
fahren. Diesmal wirkt nur der 


3. Das Seitwärts— 
fahren iſt die allerwir⸗ 
kungsvollſte Bremsart in der 
Fallrichtung auf ſehr ſteilen 
oder vereiſten Hängen. Das 
Prinzip der Bewegung iſt 
eigentlich ſehr einfach: Man 
ſteht quer zum Hang und rutſcht 
mit dauernd quer geſtellten Schiern 
ſeitwärts hinunter. Das gibt 
natürlich eine ſehr ſtarke Brems⸗ 
wirkung, die durch Kanten noch 
geſteigert werden kann. 

In praxi wird man aber finden, 
daß diejes Seitwärtsfähren durch⸗ 


aus nicht jo fehr einfach ift. Auch 


wird man gut tun, die Schier nit 
genau parallel zu halten, jondern 
ein wenig im Winkel zueinander 


— — — —— — — — — 0 _ 


Le — 
_ — 


— 


1V. 1. Das Sıhilaufen. 


Nro. 229 —230. 





89. A Richtige Bremsitellung. 


2 u. 3 falfch und zum Sturz nach rüdwärts führend. 


zu ftellen. Man bat ed dann in|fo wie etwa die Here auf dem 


der Hand, das Seitwärtsfahren 
fofort in ein Stemmfahren vor: 
wärts übergehen zu lafien. Ein 
Belaften der Borderenden und des 
oberen (etwas geneigten Scies) 
wird dann eine Vorwärtsbewegung 
zur Folge haben, ein Belaften der 
Hinterenden und des unteren Sci, 
ein ausgeſprochenes Seitwärts⸗ 
fahren u. ſ. w. Sehr elegant iſt 
ja dieſe Art des Fahrens ſicherlich 
nicht, ſie iſt im Gelände außer⸗ 
ordentlich nützlich und iſt wohl 
wert, daß man ſie ein wenig plan⸗ 
mäßig übt. 

229. Das Bremfen mit dem 
Stod ift unter normalen Verhält⸗ 
niffen ſehr viel weniger wirkungs⸗ 
vol al? dag mit den Sciern 
ſelbſt. Es fönnen aber Verhält⸗ 
niſſe eintreten, wo es unmöglich 
iſt, mit den Schiern zu bremſen, 
« jo zum Beiſpiel auf engen Hohl⸗ 
wegen, bei Knöchelverrentungen ꝛc. 
Deshalb muß jeder, der als aus—⸗ 
gebildeter Tourenfahrer gelten will, 
auch mit dem Stod bremſen können. 
Wir bemerken aber von vornherein, 
daß unter feinen Umftänden der 
Läufer auf dem Stod fiten darf, 


Bejenitiel. Denn dann verliert er 
jede Einwirkung auf die Richtung 
der Fahrt und bei Stürzen kann 
dieſes Stodreiten zu jehr unange- 
nehmen Berlegungen führen. 

Das Weſen allen Bremjend mit 
dem Stod ift natürlich eine mög: 
lift große Reibung hervorzurufen. 
Deshalb muß man den Stod mög- 
licht fteil Halten. Se fpiter der 
Winkel zwiſchen Stod und Boden 
ift, um jo geringer wird die Brems⸗ 
wirkung. Se mehr Drud man auf 
den Stod legt, umſo beſſer. Das 
Bremfen mit dem Stod erfordert 
eben ein gehörige® Duantum 
Muskelkraft. Andererjeit3 darf 
man fih nicht mit dem Körper: 
gewicht nah rückwärts auf den 
Stod legen, denn ein Aufrichten 
aus diejer Stellung ift fait un- 
möglih und das Ende tft ftet3 ein 
„Sitzfall“. 

230. Große Bögen zu fahren, 
namentlich auf freiem Hang, der 
keine Hinderniſſe aufweiſt, iſt nicht 
ſchwer. Man kann das leicht durch 
eine geringe Gewichtsverlegung und 
ein Drehen der Front. Schon wer 
unausgeſetzt ſeitwärts blickt, wird 


Nro. 231. 


Benry Bork. 


bemerken, daß er ganz von felbjt | Worte links und rechts zu ver- 
anfängt in die Richtung zu fommen, | taufchen. 


wohin er fchaut. 

231. Stemmbögen nennen wir 
furze Bögen bergabwärt3 in ver— 
langfamter Fahrt unter ftarfer 
Bremsmirfung und ohne Fahrt: 
unterbredung. Es muß offenbar 
für jeden Fahrer ein großer Bor- 
teil fein, jolche Bögen fahren zu 
fönnen. Ganz abgejehen von dem 
ſchnellen Ausweichen von Kinder: 
niffen ift es natürlich jehr ange: 
nehm, wenn man einen fteilen, 
langen Hang befährt, der zu fteil 
ift, grade herunter zu fahren, nicht 
ein Zickzackſpur mit jemweiligem 
Umdrehen anlegen zu müfjen, fon 
dern in, fontinuierliher Fahrt in 
Schlangenlinien herunterfommen zu 
fönnen. 

Das Prinzip des Stemmbogeng 
ift einfah genug. Es iſt eine 
Kombination von Stemmfahren, 
Schneepflugftelung und wiederum 
Stemnfahren — aber diesmal in 
die andere Richtung. 

Wir geben im folgenden die 
Anweifung für Ausführung eines 
Stemmbogend nad links. Ebenſo 
wie weiter unten beiden „Schwün= 
gen” wird immer nur die DBe- 
wegung nad) einer Seite bejchrie= 
ben. Die Vorſchrift für die andere 
Seite lautet natürlich wörtlich ge= 
nau jo, bloß find jeweils Die 





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90. Stemmbogen nach links. 


Einen Stemmbogen nach links 
zu machen: 

1. Der Fahrer kommt von oben 
in der Richtung der Pfeile. Er 
ſtemmt kräftig mit dem linken Schi. 
Das Gewicht liegt faſt ganz auf 
auf dem linken Schi. Beide Schier 
liegen ganz flach. Die Abſätze ſind 
auf den Schiern. 

2. Der Läufer legt ſich ſich ſtark 
nach links vorwärts. Er drückt die 
Abſätze (und damit die Schihinter— 
enden) noch weiter auseinander. 
Die Schier liegen flach. Das Ge— 
wicht liegt zu °/, auf dem linken 
und '/, auf dem reiten Sci. 

3. Der Läufer fieht jetzt grade 
bergabwärt. Einen Augenblid 
früher bat er feinen Stod umge- 
ftelt. Das Gewicht liegt einen 
Augenblid gleichmäßig auf beiden 
Schiern. Beide Scier find gleich— 
mäßig ein Elein wenig gefantet. 

4. Der Fahrer geht über in die 
Stemmitellung rechts. Dad Haupt- 
gewicht liegt auf dem rechten Sci. 

5. Er fährt weiter in Stemm= 
jftelung recht8, verlegt aber das 
Gewicht mehr auf den linken Schi, 
um die Fahrt wieder zu beichleu- 
nigen. 

Der hauptjädhlichite Fehler, den 
alle Anfänger immer und immer 
wieder maden, ift, daß fie ſich von 
3. an nicht genug nad) vorn legen. 
Am fteilen Hang geht einem das 
am Anfang fozufagen wider Die 
Natur. Das Refultat ift aus: 
nahmslos ein Sturz nad) rückwärts. 
Sonjt werden noch Fehler gemadht,. 
indem man nicht die Spiken zu: 


jammen behält, die SHinterenden 


nicht auseinander drüdt oder Die 
Schier zu fanten verſucht. 
Schlieglich noch etwas über den 
Stod. Richtig angewandt unter: 
ftüßt er die Nebung wefentlid. Er 


| 


N 
| 
N 


IV. 1. Das Sıhilaufen. 


ift aber fein fejter Drehpunkt, um 
den man ſich herumſchwingt! Alle 
derartige Berjuche enden mit einem 
Sturz nach innen, da der äußere 
Schi „mwegläuft“, jobald der innere 
belajtet wird. 

Der Stemmbogen wird im Ge: 
lände jehr viel angewandt, und zwar 
um fo mehr, je fchwieriger das 
Gelände ift. 

Stemmfahren und Stemmbogen 
find für den Tourenfahrer unbeding- 
te8 Erfordernis für 
ein genußreiches Lau⸗ 
fen, jedenfalls viel 
mehr als Schwung 
und Sprung. 

Dafür ſtehen aller⸗ 
dings die letzteren, 
rein „ſportlich“ be⸗ 
trachtet, viel höher 
und ſehen auch un⸗ 
vergleichlich viel ele⸗ 
ganter aus. 

232. Der Tele⸗ 
markſchwung iſt ein 
kurzer Bogen mit ſtar⸗ 
ker Bremswirkung 
(bis zum Halten!) 1 
aus unverminderter | 
Fahrt. Er ift ein 
Bogen, der haupt 
ſächlich auf der In⸗ 
nentante des be: 
lafteten, etwas vors 
gejchobenen, äußeren 
Schies gefahren wird. Ein guter 
Fahrer hält mittelft des Telemark⸗ 
ſchwunges in jeder Fahrt und bei faſt 
jeder Art Schnee. Doc) ift der Tele: 
markſchwung der Hauptfchwung bei 
tiefem Schnee und auf weniger ge- 
neigten Stellen nad) der eigent- 
lichen Abfahrt, jo 3.8. beim Aus- 
lauf nad dem Sprung ıc. 

Einen Zelemartihwung nad) 
rechts zu maden: 

1. In der normalen Abfahrt: 
ftelung ſchiebt ver. Läufer den 
Iinten Schi fo meit vor, daß die 





2 Schistellung während 


! 
' 
! 3 Spur des Schwunges. 
‘ 


Nro. 232. 


Bindung etwa neben der. Aufbie- 
gung des rechten Scierd fteht. 
(Diefe Angabe ſchwankt natürlich 
je nah Schi- und Beinlänge, Ab- 
fahrtsgeſchwindigkeit, Schnee u.ſ.w.) 
Er hebt dabei den rechten Abſatz 
und legt faſt ſein ganzes Gewicht 
auf den linken Schi. (Das nennen 
wir „Telemarkſtellung“.) 

2. Er kantet nun den linken Schi 
nach innen und drängt gleichzeitig 
das Hinterende des linken Schi 





1 ‚„Telemarkstellung r 
vor Anfang des Schwunges 






des Schwunges 


1 


P 


91. Telemarkſchwung nady rechts. 


fräftig nad) außen (unten) und die 
Spike dieſes Schneejchuhes mit 
der Zehenmwurzel nad) innen (oben). 

Die Schier kommen dadurd im 
Winkel zueinander zu ftehen und 
bleiben während der ganzen folgen 
den Bewegung in dieſer gegen: 
jeitigen Stellung. 

Der rechte Schi (und Fuß) wies 
derholt die Bewegungen des linten, 
aber mit viel weniger Kraft und 
faft ohne Belaftung; er bleibt da= 
bei ftet3 nur Bruchteile einer Se⸗ 
funde hinter den Bewegungen des 


Niro. 233. Beniy Bork. 


linfen zurüd. Der Fahrer legt fich 
(je nach Gejchwindigfeit und Steil- 
heit) nach vorne und innen. 

Es ift wohl ganz ſelbſtverſtänd— 
li, daß vorbereitende Stellung 
und Schwung felbit ſich nach einiger 
Uebung unmittelbar folgen. Der 
Lernende wird qut tun, mit ganz 
großen Telemarfbögen (Schier bil: 







—XX 
XX& nun N 
J X \\\ \ WR 
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SIR LALLLIDINT 
RN NN \ 
\ \ \\ 


\ ' 






92a. Spur des „gezogenen“ 
Chriſtianiaſchwunges. 


— — — 


92b. Spur des „geriſſenen“ 
Ehriftianiafchwunges. 


den einen ganz 
ſpitzen Winfel 
miteinander)zu 
beginnen und 
jeineSchwünge 
4 allmählich klei— 
Fr ner und ſchnel— 
J ler zu machen. 

Der Stock hilft 

bei dieſem Schwunge gar nicht 
mit, höchſtens als Balancierſtange. 
Man tut gut, ohne ihn zu üben. 
Ein Telemarkſchwung aus großer | 





wird bei 





zu beſprechende Chriftianiafhmwung. 
Doch ift er nicht jo nützlich wie 
jener, da er nie fo plöglih zum 
Halten bringt. 
allerbeiten Läufern wird ein Tele= 
marf aus ganz großer Fahrt ſtets 
mehr oder weniger zum Bogen. 
Aehnlich wie mitteljt aneinander- 
gereihter Stemmbögen fann man 


Seldft bei den 


auch mitteljt nicht 


ganzdurdgeführter 


Telemarkſchwünge 
einen ſteilen Hang 
in Schlangenlinie 
abfahren. Doch iſt 
das nicht leicht, da 


man ſtändig den 


führenden Fuß 
wechſeln muß. 
233. Der Chri- 
ſtianiaſchwung ift 
ebenfall® ein kur— 
zer Bogen (aus 
unverminderter 
Fahrt!) unter ftar= 
fer Bremdwirfung. 
Aber diefer Bogen 
wird der Haupt— 
jahe nad) auf der 
Außenfante des 
führenden inneren 
Schies gefahren. 
Der Chriſtiania— 
Ihwung iſt der 
eigentliche „Ge— 


brauchsſchwung“. Er iſt am leich— 
teſten bei nicht zu tiefem Schnee 
und am ſteilen Hang. 
Schwünge gleich gut beherrſcht, 
plötzlich 
Hinderniſſen zweifellos den Chri— 
ſtianiaſchwung anwenden. 
der ſchnellere und beſonders des— 
halb im Gelände ſehr brauchbar, 
weil man die Ausübung dieſes 
Schwunges ſehr weſentlich durch 
Stockhilfe unterſtützen kann. 

Einen Chriſtianiaſchwung nach 


Wer beide 
auftretenden 


Er iſt 


Fahrt ſieht ſehr hübſch aus. Hüb- rechts zu maden: 


ſcher als ſein Bruder, der unten 


1. Der Fahrer kommt in nor⸗ 


| 


IV. 1. Das Schilanfen. 


maler Abfahrtftelung von oben. 
Er hat den rechten Zuß ein wenig 
vorgefchoben. Die Schier ftehen 
ganz enge, fie fahren zufammen 
bloß eine Spur. Der rechte Sci 
ift ein wenig mehr belaftet al? der 
linfe. Die Knie find ein wenig 
gebeugt. 

2. Beinahe ruckweiſe ſchwingt 
der Läufer feinen Körper, vor allem 
aber die Mittelpartie — Hüften und 
Gefäß — nad) rechts, gleichzeitig 
legt er fih nad innen, bergwärts. 
Beide Abfäge Stehen auf den 
Schiern und drüden die Scdi- 
binterenden gleihmäßig nad links 
außen, bergabmwärt?. 

Man kann den Chriftianiafhmwung 
mebr „ziehen oder mehr „reißen. 
Der Unterſchied geht deutlich aus 
der Spur der Bewegung hervor. 
Sm erſten Falle rejultiert ein 
fäherförmiger Bogen, im zweiten 
ein chief verzerrteg Dreied. Der 
„gerifjene” Schwung ift der bei 
weitem plößlichere und wirkungs⸗ 
vollere. 

Ein Fehler, den faſt alle An⸗ 
fänger machen, iſt, daß ſie nicht 
gleichzeitig den Körper herum⸗ 
Ichwingen und die Schienden mit 
den Abjägen nad) außen drüden. 
Gleichgültig, welde Bewegung zu: 
erft fommt — Sobald fie nicht 
gleichzeitig find, ift die Folge ſtets 
ein Sturz. 

Bei einer Yahrt quer zum Hang 
(chief bergab) kann man feine Ge⸗ 
fchwindigfeit auch fehr gut regu= 
lieren durch eine Reihe von 
halb durchgeführten . Chriftiania- 

mwüngen. 

Es ift ſchließlich wohl faſt un: 
nötig zu fagen, daß zwiſchen all 
den oben befchriebenen Bögen und 
Schmüngen eine Reihe von Ueber: 
gangsformen und Zwilchenftufen 
liegen, ſowie, daß fie fich in der 
mannigfadften Weife verbinden 
und aneinander reihen lafjen. Wer 


Nro. 234. 


die Uebungen einmal wirklich be- 
herrſcht, der wird das ganz inſtink—⸗ 
tiv tun. 

234. Der Sprung wird häufig 
bezeichnet ald8 „Krone des Schi— 
laufs“. Tatſächlich gibt es wohl 
feine andere körperliche Einzel- 
übung, die einen jo übermältigen- 
den Eindrud madt. Andererjeits 
darf man aber nicht vergefien, daß 
der Sprung faft ausnahmslos ein 
Kunſtſtückchen ift, eine (turnerifche) 
Uebung, der feine andere praftifche 
Bedeutung zufommt, als daß fie 
dem Fahrer ein weiteres Mittel 
ift, feine Hölzer in vollfommener 
Weiſe meiftern zu lernen. -Im 
freien Gelände kann e8 wohl mal 
vorlommen, daß man Kleinere 
Sprünge (gewöhnlich au8 Freude 
an der Sade) ausführt. Eine 
Notwendigkeit dazu wird faft nie 
vorliegen. Im Gegenteil, nament: 
lich im unbefannten Gelände, wird 
der Läufer Sprüngen nad) Möglich⸗ 
feit ausweichen. - 

Und wirklich weite Sprünge, 
jagen wir mal von über 15 m, 
werden, abgejehen von verjchmwin: 
dend feltenen Ausnahmen, nur an 
fünftlich vorbereiteten Sprungſchan⸗ 
zen, auf fünftli vorbereiteten 
Sprungbahnen möglich fein. Der 
Sprung verhält fi zum übrigen 
Schilauf wie eiwa die „Hohe 
Schule” zum Reiten, wie dag 
Kunftfahren zum jonftigen Rad: 
fahren. Es gibt daher auch viele, 
viele Schiläufer, die tadello3 gut 
laufen, ohne weite Sprünge madjen 
zu können, und recht gute Springer, 
die feine erftflaffigen Geländeläufer 

ind. 
Abgeſehen von alledem ift aber 
der Sprung eine jo ausgezeichnete 
Balanceübung und bietet an und 
für fih jo viel Freude, daß mir 
allen jungen Läufern nur eindring- 
lich raten fönnen, auch diefe Hebung 
nad Kräften zu erlernen. 


Nro. 234. 


Ein Schifprung ift immerund aus— 
nahmslo8 ein Tief= Weitjprung. 
Irgend etwas ähnliches wie einen 
gewöhnlicher Hochſprung, oder wie 
einen Weitjprung auf ebenem Bo- 
den, gibt es überhaupt nicht. 

Der Läufer kommt jtet3 einen 
Hang hinunter, auf einer Art Klei- 
nen (natürliden oder künſtlichen) 
Schanze jpringt er ab und die 
Eigengeſchwindigkeit wirft ihn weit 
in die Luft hinaus. Tief unten 








95. Zwei Arten im Gelände Mebungsfprunghügel zu bauen. 
a Untergrund; b Schneedede; c Künftliche Auffüllung. 


Benry Boek. 


werden und faft jtet3 künſtlich ge— 
Ihaffen werden müſſen. 

Zu Heinen Sprüngen wird fidh 
unterwegs auf Touren häufig Ge— 
legenheit finden. Jeder Zaun, 
Straßenrand, Baumftumpf Tann 
unter Umijtänden als „Schanze“ 
dienen, da es bei kleinen Sprüngen 
nicht jo genau auf die Neigung des 
unteren Hanges ankommt. Auch 
fann man fich in furzer Zeit eine 
Sprungfchanze und Bahn jchaffen, 
an der ſchon 
vecht beträchtliche 
Sprünge möglich 
find. Das „Wie“ 
geht deutlich ge= 
nug aus unjeren 

Ihematijchen 

Beihnungen 
hervor. 

Zu adten ift 
nur darauf, daß 
die Aufjprung- 
bahn fteiler fei 
als die Anlauf= 
bahn und hin— 
dernigfrei jei, fo= 
wie ferner, daß 
der Schnee nicht 
gefährlich ift, alfo 
nicht fruftig oder 
flebrig oder gar 
zu tief. Einen 
fruftigen oder tie= 
fen Schnee fann 


berührt er dann wieder den wo- | man dadurch forrigieren, daß man 
möglich noch fteileren Hang und | auf der Aufſprung- und Auslauf: 


fährt weiter. 


Gemeſſen wird die | bahn durch wiederholte Stampfen 


wirkliche jchiefe Sprungbahn und | mit quergeftellten Schiern die eifige 
nicht etwa die Projeftion auf die Kruſte zerbricht oder den Schnee 


Ebene. 

Aus dieſer ganzen 
Sprunges ergibt ſich ohne weiteres, 
daß die Vorbedingungen für einiger— 
maßen weite Sprünge 


niger ſteil als unten — Sprung— 
ſchanze, freie Bahn 2c.) ſich in der 


Natur nur äußerjt jelten finden 


(richtige | 
Neigungsverhältnifie — oben we 





| zujammenpreßt. 
Art des 
ſchanze ganz allmählid in die An— 


Im allgemeinen fol die Sprung= 


laufbahn übergehen und jelbit noch 
ziemlich geneigt fein. Schanzen, die 
faft horizontal find oder fajt etwas 


nad) oben zeigen, werfen den Läufer 


ſehr hoch in die Luft und er hat 
die Tendenz nah rückwärts zu 


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IV. 1. Pag Sıhilanfen. Nro. 234 
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fallen. Solche Schanzen find des— I N; 
bald für Heinere Sprünge fehr gut, SI N. 
um die Balance in der Luft, N, 2 
R u an 
namentlich das „Nachvornewerfen — N 
ju erlernen, \ 
Viel ſchwieriger liegen die Ver: * 
hältniffe, wenn es ſich darum Qi N 
handelt, für Wettpringen Sprung- N IQ 
bahnen für große Sprünge zu er: x NN 
ftellen. Nach Möglicgkeit wird man NR N 
verfuchen, geeignete Hänge in nörd- N N 
lihen Lagen zu finden, die den I IQ 
ganzen Tag vor Sonnenjtrahlen 28 AR 
geihügt find. Doch fpielt bei der 
Auswahl die allgemeine Windrid;- N. 


hung natürlich eine große Rolle. 


Nro. 234. 


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Benry Boek. 


prunabilder. 


chematiſche 5 
I Letztes Stadiun des Anlaufs. 


S 


95. 


IV 


II Mbiprung (Saß). 


V das Aufflommen. 


HE u. IV. im Sprung. 


Es ift oft gar nicht leicht, geeigs 
nete Sprungbahnen in der Nähe von 
Winterzentren zu finden und manch⸗ 
mal wird ein Hang, der jonft der tage 
nach geeignet ift, künſtlich ausgeebnet 
und verbeflert werden müflen. 

Viele Vereine bauen nun an 
folden im Laufe der Jahre als 
gut erprobten Bahnen feite Gerüjte 
für die Sprungfdanze. Das muß 
aber als verfehlt bezeichnet werden. 
Die Schanze follte für große Wett- 
ſpringer je nach der Schneebejchaffen- 
heit vor= oder rückwärts gerüdt 
werden und das ift in praxi fehr 
wohl möglich, da eine Schanze von 
2 m Breite fih aus Schnee und 
Tannenreifig recht gut in einigen 
Stunden aufbauen läßt. 

Die hier beigegebenen Bilder vom 
Solberg- und Feldbergiprunghügel 
zeigen Profile guter Sprungbahnen. 
Bor allem fommt es darauf an, 
daß die größte Steilheit der ganzen 
Bahn unterhalb der Schanze liege 
und erſt einige Meter unterhalb 
der Schanze beginne. Es hat dies 
zur Folge, daß die Kurve der Bahn 
einigermaßen in der Form mit ber 
Sprungfurve übereinftimmt. Der 
Läufer kommt fo, felbjt bei jehr 

großen Sprüngen, nie 
ſehr hoch über den 


Ss Boden. 


N Se fteiler die Auf: 

I Iprungftelle,um fo ſanf⸗ 

I ter wird die fallende 

\Q Bewegung in die glei- 

tende übergeführt, um 

jo geringer ift der 

„Drud“ beim „Auf: 

fommen”. 

S WenigeMeter unter: 

S>  halbder Landungsſtelle 

ſollte die Sprungbahn 

SQ fid) verfladen um Aus- 

lauf und Schwung zu 
ermöglichen. 

Und nun zu dem. 

Sprunge felbjt: Das 


Iv. 1. Das Siıhilaufen. 


Niro. 235. 


m 


wa? wir beim Schilauf Sprung | um ihre Balance zu unterftüßen. 


nennen, beiteht aus einer Folge 
verjhiedener Bewegungen: Anlauf, 
Abiprung, Flug durd die Luft, 
Aufkommen und Weiterfahrt. 

1. Ter Anlauf erfolgt in durch⸗ 
aus normaler Abfahrtjtelung bis 
etwa 10 m vor der Kante - der 
Sprungfchanze. Dabeugtder Fahrer 
die Knie ein wenig, nimmt die Füße 
faft genau nebeneinander und legt 
fih von den Hüften ab ſtark nad) 
vorne, wobei er die Arme gejtredt 
nach unten hängen läßt, jo daß ſie 
beinahe den Boden berühren. Diefe 
Stellung fieht auch bei den aller: 
beiten Läufern nicht gerade ele- 
gant aus. 

2. Der Abſprung: Plötzlich firedt 
fih der Fahrer rudweile in den 
Hüften, ftredt die Knie (ähnlich wie 
beim Schlußiprung) und wirft die 
Arme nah vorne und oben. Er 
fchnellt fih jo vom Boden empor. 
Diefe Bewegung zufammen mit der 
dynamiſchen Energie der Abfahrt 
wirft ihn über den Abbruch der 
Sprungſchanze weit in die Luft 
hinaus. Da die Gejchwindigfeit 
des Anlaufs fehr groß ift, fo muß 
mit dem Abjprung rechtzeitig be- 
gonnen werden. Sonſt fommt die 
Streckbewegung zu jpät, wenn der 
Läufer ſchon in der Luft ift. 

3.u. 4. Die Haltung in der Luft 
ift das fchwierigft zu erlernende 
am ganzen Sprung. Der Körper 
ift ganz geftredt, aber jtarf nad) 
vorne gelegt, fo weit, daß er jent- 
recht zum Aufjprunghang fteht. Die 
Schier dürfen nit, wie man das 
oft fieht, mit den Enden „hängen“, 
fondern der Läufer muß ihre Spiten 
mit den Zehen nad) unten drüden, 
fo daß fie während der Luftreife 
parallel mit dem Hange verlaufen. 
Die Haltung der Arme ift indi- 
viduell fehr verſchieden. Die meiften 
werden fi genötigt jehen, ein 
wenig mit den Armen zu rudern, 


— — — — —— — —ñ — — — — — — — — — — — — — — — m — — — — — — — — 


Das Ideal ſind aber geſtreckt nach 
hinten unten weiſende unbeweg— 
liche Arme. Die Schier ſollten eng 
zuſammengedrückt ſein, wie bei einer 
guten Abfahrt. 

5. Das Auflommen ift jelbft auf 
den allerſchönſten Schifprungbahnen 
mit einem gewiffen Chod verbunden. 
Diefen Stoß juht man auszu— 
gleihen durch Balance in den 
Knien. Gleichzeitig führen die aller- 
meiften einen Schi weit vor, um 
die Unterftügungsflähe nad) Mög: 
lichfeit zu vergrößern. Beide Schi 
müffen aber unbedingt gleichzeitig 
und zwar mit ihrer ganzen Lauf: 
fläde auf einmal den Schnee wie- 
der berühren. Aus der etwas zu- 
fammengedrüdten Stellung des 
Landen jucht fich der Läufer mög: 
licht bald wieder zur normalen 
Abfahrtsſtellung aufzurichten, damit 
erden die Yahrt endigenden Schwung 
ausführen Tann. 

Sehr hohe Sprungfchanzen find 
durchaus fein Erfordernis für weite 
Sprünge. Eine richtig angelegte 
Sprungbahn vorausgefett, wird ein 
guter Läufer auch an ganz niederen 
Schanzen weit fommen. Es hängt 
eben alles vom Abſprung („Sat“) 
ab. Daher jind für Wettfpringer 
niedere Sprungfchanzen fehr ange: 
bracht, um einen Eindrud von dem 
wirklichen Können jich zu verfchaffen. 

235. Sprungweifes Vendern der 
Fahrtrichtung ift eine ausgezeich- 
nete Balanceübung und gleichzeitig 
eine jehr nützliche Kunft. 

Sn der normalen Abfahrt ſchnellt 
man fi, ähnlich wie beim Sprung, 
in die Höhe und gibt gleichzeitig 
Körper und Schiern eine Drehung. 
Ein guter Läufer bringt es auf 
Sahrtabmweichungen big zu 30°. Die 
Schwierigkeit ift, die Schier gleich: 
zeitig und parallel zueinander in 
die neue Fahrtrichtung zu befommen. 
Natürli) muß man fich bei dieſer 


Nro. 236—238. Benty Bork. 


Mebung ftark nah innen legen, um | ganze fonftige Rennbetrieb zeigen, . 
der Zentrifugaltraft entgegenzu= | daß hierbei der Schi nur eine neue 


wirfen. 

Ueberhaupt ift es eine gute 
Uebung, fih auch in der gewöhn- 
lihen araden Abfahrt gelegentlich 
möglichft in die Höhe zu ſchnellen und 
zu verjuchen, wie große „Sprünge“ 
man fo maden kann. Unter Ume 
ftänden ermöglicht dies aud über 
plöglich auftauchende Steine, über 
einen geftürzten Kameraden oder 
ähnliches hinwegzukommen. 

236. Schifahren mit Segel wird 
in Zentraleuropa wohl faum irgend= 
wo betrieben. Wir können ung 
deshalb mit dem Hinweis be: 
gnügen, daß in den langen flach: 
bodigen Gletichertälern Sfandina- 
viens oder auf den langageftredten 
Talfeen des dortigen Gebirges 
leichte Seidenfegel oft mit großem 
Borteil verwandt werden. Ent: 
weder hat jeder Fahrer eine Art 
dreiefigen Segeld oder zwei zu: 
fammen Haben ein langes redt- 
edige8® Segel zwiſchen fi ge— 

annt. 

237. Schifahren mit Pferden 
ift ein Sport der aus Schweden 
ftammt. Auf gebahnten Straßen, 
Schwach überfchneiten ebenen Feldern 
oder auf gefrorenen Seen lafjen 
fih große Streden in kurzer Zeit 
zurücklegen. Entweder hält man 
die Zualeinen in der linfen und die 
Zügel in der rechten Hand, oder die 
Keinen find an einen Leibgurt be— 
feftigt mitteljt eines Berjchluffeg, 
der ih beim Sturz automa= 
tiſch löſt. 

Da jedoch für die ſportliche Aus» 
übung dieſes Fahrens das Pferd 
durhaus im Vordergrund Steht, fo 
fei auch hierbei mit dem Hinweis 
auf die aanze Sache genug getan. 
In nenefter Zeit werden aud in 
der Schweiz richtige Nennen von 
durch Pferde gezogenen Schiläufern 
abgehalten. Totalilator, ſowie der 


Senſation darftelt und daß es fid 
nur um Pferderennen in einer et: 
was anderen Form handelt. 


Der Scilauf im Bodb- 
gebirge. 


238. Der Schilauf im eigent: 
lichen Hochgebirge, alſo in der 
RegiondesemwigenEifesundSchnees, 
ift fein fportlicher Selbftzwed mehr 
wie der Scilauf im Mittelgebirge 
oder in den Boralpen. Er iſt Hilfs: 
funft des Alpinigmus. Das Biel 
ift die alpine Tour. Das Mittel 
it der Schi. Daß viele Alpiniften 
ihre winterlichen Bergfahrten in y 
neuefter Zeit jo wählen, daß Dem 
Schi eine große Gebrauhgmöglich- 
feit gewährt wird, ift felbjtverftänd- } 
lid. Trotzdem bleiben ſolche Fahr-⸗ 
ten ihrem inneren Weſen nach Berg- | 
touren und find erft in zweiter 
Linie Schitouren. Auf allerdeut: 
lihfte wird das Kar, fobald man 
die erforderlide Eignung des Schi— 
läufers im Hochgebirge unterfudht. 
Denn da zeigt ſich's alsbald, daß 
Schitouren wohl unternommen wer: 
| den können und dürfen von Leuten, 
die nicht gerade hervorragende Schi⸗ 
läufer find, daß aber andererfeits 
jeder, der nicht über eine ftattliche 
alpine Erfahrung und über einen 
alpin geſchulten Körper und Geift 
verfügt, fi unverantwortlicdhen 
Leichtfinnd ſchuldig macht, fobald 
er fich ind winterliche Hochgebirge 
wagt. | 

Wir fönnen ung deshalb in die⸗ 
jem Abſchnitt des vorliegenden : 
Buches ziemlich kurz faflen über : 
das Schilaufen im Hochgebirge. | 
Das wejentlie was hier zu jagen | 
wäre, ift in dem Kapitel über den 
Sport des Bergfteigend zu finden 
und wir haben hier nur hinzumeifen 
lauf eimge ganz fpeziele Eigen: 


| [5 PERERENSE un om > m euer Ds ⏑— 





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Schiſprung in korrekter Körperhaltung und Schiftellung 





(Aus Sport im Bild.) 


Iv. 1. Das Schilaufen. 


Nro. 239 —243. 


tümlichfeiten des Steigen? im Hoch⸗ nehmen leichte Bambusdoppelftöd- 


gebirge mit Sciern. 

239. Die Ausrüftung des Schi 
laufenden Hochtourtiten wird im 
großen und ganzen die des Hoch— 
— und nicht des Schiläufers 
ein. 

Eine Anpaſſung an die winter⸗ 
lichen Verhältniſſe liegt vor allem 
in der möglichſt ſorgfältigen Aus- 
wahl der Fußbefleidung (ausgezeich- 
nete, ein wenig ſchwächer genagelte 
Schuhe, zwei Paar Soden, event. 
Fellſocken und Filzüberfchuhe, ſowie 
lange big übers Knie reichende Ueber⸗ 
ziehgamajchen), in der Mitnahme 
entſprechender Reſervekleidung, eines 
Spiritusapparates und möglichſt 
fettreicher Nahrung. Alkohol iſt noch 
ſtrenger als im Sommer zu meiden, 
iſt nur „Medizin“, aber unter 
keinen Umſtänden Erwärmungs⸗ 
mittel, am allerwenigſten im Falle 
eines Biwaks. Hier kann er ge- 
radezu verderbenbringend wirken. 

240. Der Schi des Hochtouriſten 
wird im allgemeinen etwas kürzer 
ſein, als er ſeinem Körpergewicht 
eigentlich entſpricht. Das hat ver⸗ 
ſchiedene Vorteile: Leichtere Trans⸗ 
portfähigkeit beim Klettern, leichteres 
Gewicht und leichtere Lenkbarkeit. 
Der letzte Grund iſt auch ausſchlag⸗ 
gebend dafür, daß der Hochtouriſt 
oft auf die Führungsrinne verzichtet. 
Es kommt eben im Hochgebirge 
mehr darauf an ſchnelle Wendungen 
und Bögen machen zu können, als 
möglichſt große Geſchwindigkeit in 
gerader Abfahrt zu erzielen. 

241. Befondere Ausräftung für 
Schi-Hochtouren. Bei leichteren 
Touren follte jede Bartie wenig⸗ 
ſtens einen Pickel mithaben, bei 
ſchwereren jeder einzelne Teilnehmer. 
Manche bevorzugen nun ziemlich 
lange Bidel, die ald Stock benut- 
bar find beim Scilaufen, andere 
laufen mit ihrem gewöhnlichen 
Sommerpidel und wieder andere 


chen mit und außerdem einen leichten 
PVidel, der während des Schilaufeng 
mit der Haue unter die Rudjad- 
Happe gebunden wird. Wer nur 
mit Pickel läuft, follte ein Futteral 
für die Haue haben oder dieje in 
Lappen einbinden, einmal um jeine 
Hände gegen die Kälte des Metalls 
zu ſchützen, zum anderen um die 
Icharfe Haue beim Stürzen unjchäd- 
lich zu machen. 

Ein forgfältig zufammengejegter 
Reparaturbeutel ijt im Hochgebirge 
unerläßlih. Es genügt aber natür- 
ih ein Beutel für eine ganze 
Partie. 

Abnehmbarer Fellbeſatz kann einem 
bergauf ſehr viel Zeit und Kraft 
erſparen. Und deshalb wird heute 
wohl jeder ernſte Hochtouriſt ſich 
ſeiner bedienen. Nicht ſo unbedingte 
Anerkennung haben Schiſteigeiſen 
gefunden. Ihre Anwendung iſt eine 
zu beſchränkte, als daß es ſich häufig 
verlohnte ſie mitzuſchleppen. 

242. Schitechnik. Was nun das 
rein ſchitechniſche im Hochgebirge 
anbelangt, ſo iſt dies Hauptſache, 
daß der Läufer imſtande ſei, an⸗ 
und ausdauernd in gutem Tempo 
in der Ebene und bergauf zu gehen 
und daß er bergab ſeine Geſchwindig⸗ 
feit durch Hemmen und Schneepflug⸗ 
fahren zur Genüge regulieren kann. 

Sprünge, Schwünge und ſonſtige 
Kunſtſtückchen werden äußerſt ſelten 
zur Anwendung kommen. Die groß⸗ 
artigiten Schitouren im Hochgebirge 
find zum guten Teil von Leuten 
gemacht worden, die nichts weniger 
als gute Schiläufer waren, dafür 
aber um jo beſſere Alpiniften. 

243. Die Gefahren des win- 
terliden Hochgebirges. Abgejehen 
von Kälte, Dunkelheit und lang- 
andauernden Schneeftürmen und 
Nebel — denen man genau jo be- 
gegnet wie im Sommer, nur daß 
man von vorne herein — mit 


Nro. 243. Henry Bock. 
ihnen rechnet — liegen die Haupt⸗ 
gefahren des winterliden Hochge- 
birges in den Lawinen und Öletjchers 
fpalten. 

Lawinen gehen das ganze Jahr 
im Hochgebirge, bloß naturgemäß 
im Winter und Frühjahr unverhält- 
nismäßig häufig und in viel tieferen 
Regionen als im Sommer. Im 
Abſchnitt „Alpinismus“ tft alles 
wesentliche über Lawinen gejagt, 
es genügt ung bier darauf hinzu 
weilen, daB die typiſche Winter: 
Iawine die „trockene Pulverſchnee⸗ 
lawine“ ift, die ohne vorgezeichnete 
Bahn überall abbrechen fann und 
daher eine ſtets drohende ſchwer 
berechenbare Gefahr bildet. Die 
typiſche Frühjahrslawine ift die 
ſchwere nafje Lawine aus wafler- 
durchtränktem Schnee („Grund 
lawine“), die Lawine, die gewöhn- 
lih dem Laufe der Wildbäcdhe folgt 
und deshalb relativ leicht vermeid- 
bar ift. Im Winter und Frühjahr 
gleichmäßig treffen wir das tüdifche 
Schneebreit. 

Bor der mwinterlihen Lamwinen: 
gefahr kann man nicht nachdrücklich 
genug warnen. Ueber die Hälfte 
aller winterliden Unglüdsfälle wird 
verurfacht durch Leicätfinn oder Un- 
kenntnis in diefer Beziehung. 

Im Gegenfaß zu einer Beit, die 
noch gar nicht weit zurüdliegt, ift 
man jet zur Einficht gekommen, 
daß die Gletfher im Winter wohl 
noch gefährlicher find al8 im Som: 
mer. Der tiefe Schnee verhüllt 
alle kleinere Spalten, er bildet aber 
nur ein Ioderes Gefüge und Feine 
fefte Brüden. Daraus folgt, daß man 
auf jedem einigermaßen zerrifjenen 
Gletſcher auch auf Sciern ſtets 
anſeilen ſollte. Bergauf iſt das ja 
auch leicht getan. Anders bergab, 
da liegt die Gefahr nahe, daß ſich 
die Läufer überholen, gegenſeitig 


iv. 1. Das Scilaufen. 


umreißen uſw. Durd ein wenig 
Uebung läßt es ſich aber fehr wohl 
erreichen, daß man in gleichen Ab⸗ 
ftänden in gleichem Tempo abfährt 
(Stemmfahren !). Jedenfalls jollte 
bei Abfahrten am Seil ſtets der 
befte Fahrer als lekter gehen. 

Mir empfehlen aljo auf Gletſcher 
das Seil au beim Schifahren für 
Auf: wie Abftieg! Verwerflich iſt 
fein Gebraud am fteilen Hang (fo 
lange man auf Sciern ift, mohl: 
verjtanden), beſonders jobald die 
Spur von Lamwinengefahr vorliegt. 
Nur beim Baffteren fchmaler, lawi: 
nengefährlicher Couloirs ift fein Ge- 
brauch unter Umſtänden angezeigt. 
Doch wird man da ftet3 befjer tun, 
die Schier auszuziehen, wie man 
ſich überhaupt vergegenmwärtigen 
muß, daß bei einer Neigung zur 
Lawinenbildung der Schier zu: 
fammenhängender Einſchnitt viel 
gefährlicher ift, als die einzelnen 
Löcher des Fußgängers. 

Und zum Schluß noch einmal 
den Hinweis auf alles im Kapitel 
„Alpinismus” gefagte und die 
Mahnung: Schihochtouren find aus: 
ſchließlich Sache des Alpiniften und 
nicht des bergunfundigen Schi⸗ 
läuferg ! 


Techniſche Ausdrücke. 


A, Säit ESchneeſchuh): 

Spite, NAufblegung, Spanne, Ende, 
Stemmloch, Wiberholz, Querholz, Kernholz, 
Splintholz. 

Bindung: Backen, Zehenriemen, Zieh⸗ 
riemen, Feder, Sohle. 

Stod: Schneeteller, Handſchlaufe. 


B. Das Laufen: 


Gleitſchritt, Grätenſchritt, Halb⸗Gräten⸗ 
ſchritt, Treppenſchritt, ſchräger Treppen⸗ 
ſchritt, Wenden, Abfahrt, Schlittfhuhlaufen, 
Schneepflugfahren, Stemmfahren, Selt- 
wärtsfahren, Stemmbogen, Bremen, Tele: 
markſchwung, Chriftianiaſchwung, Schlan 
genfahrt, Sprung, Anlauf, Satz (Ab 
Sprung), Flug, Auffommen (Landen), Drud. 


. 
” 
I 


— ee a ra Rei na ee a nn — — — — — 
— 3 a = } — 
5* atr rer Page n * * 


— — — — — — 


E. Gräfin Baudilfin. 


IV. 2. Schlittſchuhlaufen. 


Nro. 244. 


2. Schlittfchublaufen. 
Von 
Eva Gräfin v. Baudilfin, München. 


D Süngling, der ben Waſſer⸗ 
fotdurn 
Zu befeelen weiß und flüdtiger 


[4 


ta 
Laß der Stadt ihren Kamin! 
Komm mit mir 
Wo bed Kriſtalls Ebene Dir 
- wintt! 


. er 8 8 8 —* 


Zu der Rechten bin halbkrei⸗ 
fend mid drehn; 
Nimm den Schwung, wie Du 
mich ihn nehmen fiebft: 
Alfo! nun fleug ſchnell mir 
vorbei! 

Klopftod. 
244. Räüdblid. Es ift natürlich, 
daß fi die Völker des Nordens 
etwas erfanden, das fie über Schnee 
und Ei hinwegtragen fonnte und 
innen half, auh im Winter der 
Sagd zu obliegen, auf deren Ertrag 
fte ja hauptſächlich angewieſen waren. 
So finden fih ſchon in prähifto- 
rifhen Gräbern Refte von Schlitt⸗ 
chuhen, die aus Bein und Holz 
bergeftellt find; Wotan gibt Sieg- 
fried unter feinen Lehrſprüchen 
auch den, daß „das Eis zum Schlitt- 
fhuhlaufen da fei” und in der 
Heldenjage Tegnerd von „Frithjof 
und Ingeborg” läuft der junge Held 
auf Eiſenſchuhen vor König Rings 
Schlitten her und rist mit ihnen 


Runen in dieFläche, ſodaß ſchönInge⸗ 


borg über den eigenen Namen fährt — 
eine Kunſtfertigkeit, die kaum einer 
der beſten Kunſtläufer unſerer Zeit 
ihm nachmachen wird! — Hollän⸗ 
diſche und engliſche Kupferſtiche, 
die Schlittſchuhläufer und -läufe⸗ 
rinnen darſtellen, ſind uns ſchon 
aus dem Mittelalter überkommen — 
ſo gar eine holländiſche „Eisheilige“ 


gibts, Skt. Lydwina, die ſich als 
junges Mädchen im Jahre 1380 auf 
dem Eife eine Rippe brad, fortan 
ein gottfelige8 Leben im Bett ver- 
bradhte und feit Ende des vorigen 
Sahrhundert3 zu den Heiligen ge- 
rechnet wird. eo. 

Wie man fich zuden frohen, lebens⸗ 
luftigen Tagen Ludwig. des XV. 
auh dag Wintervergnügen nicht 
entgehen ließ, jtellen verjchiedene 
im Louvre befindlihde Gemälde 
großer Meifter jener Zeit dar. Wir 
geben den „Eislauf” von Lancret 
wieder. 

Dieerften Wettkämpfe auf Schlitt- 
ſchuhen, von denen wir willen, 
wurden in Holland 1801 in 
Groningen und 1805 in Leeuwarden 
und zwar zwifchen Frauen veran= 
ftaltet, während England, das 
Land, das fonft jedem Bergnügen 
einen fportliden Charakter auf: 
drüden muß, in diefem Falle hinter 
den Dutchman zurüdtritt und erft 
feitdenzwanziger Jahren des vorigen 
Sahrhundert3? von regelmäßigen 
„skating-matches“ ESchlittſchuh— 
wettlämpfen) meldet. Die großen 
Moorſtrecken Englands, die „fens“, 
die leicht zufroren, boten auch dem 
Sport günſtigſte Entwidlung ; troß 
des härteren Klimas war in Deutſch⸗ 
land wohl nur in den Gegenden 
des Spreewald der Schlittſchuh 
von jeher ein Verkehrsmittel. Wer 
heutzutage einmal einen Winter: 
fonntag im Spreewald verbracdte, 
dem wird der fröhliche Anblid un— 
vergeßlich bleiben, wie ganze Fami⸗ 
lien, von den Großeltern bi® herab 
zum Heinen Enkelkind, in luſtigſter 


Niro. 244. 


Stimmung über die glikernden 
Waſſerſtraßen fort, die von be— 
ſchneiten Büſchen eingefaßt find, 
auf Schlittſchuhen zur weit ent- 
legenen, ſonſt unerreichbaren Kirche 
laufen. Im übrigen Deutichland 
begann erft gegen Ende des acht⸗ 
zehnten Sahrhundert3 die Freude 
und das Intereſſe an dem Ichönen 
Sport; doch blieb er fait aus— 
fchließlih auf die Männermelt be- 
ſchränkt. Die Frauen ließen fid, 
wie es dem zurüchaltenderen, ver: 
zärtelten Wefen der damaligen Zeit 
entfprah, höchſtens auf Stuhl⸗ 
fohlitten übers Eis ſchieben. Nur 
in einigen Städten, wie 3. B. in 
Stanffurt und Weimar, magten es 
die Frauen der höhern Stände, 
durch Goethe Enthuſiasmus für 
den Eidlauf wie dur das gute 
Beifpiel der Herzogin ermutigt, 
dem Borurteil, daß Schlittſchuh⸗ 
laufen durchaus „unmeiblich” fei, 
zu troßen. reilich zeigt das be- 
fannte Bild, der junge Goethe auf 
dem Eife, das ihn in feiner Frank⸗ 
furter Zeit darſtellt, auch ſchon 
einige junge Yrauengeftalten mit 
Stahljohlen doch ift es nicht ficher, 
wie weit hier des Malers poetijche 
Licenz geht. Denn obwohl Goethe, 
Platen, Herder und Klopftod den 
Eisfport in begeifterten Verſen 
bejangen und Projafchriftiteller wie 
Erzieher jeine günftige Wirkung 
auf Gefundheit und Gemütsver⸗ 
faſſung betonten, verbreitete er fich 
nur ſehr allmählid.. Ernte Männer 
fanden in Deutjchland lange Zeit 
jeden Sport ihrer Stellung und 
ihres Weſens unwürdig, ſelbſt Jahn 
hatte nicht viel an dieſer Vorein⸗ 
genommenbeit, die auch heute noch 
nicht in allen Kreifen befiegt ift, 
ändern fönnen. Ein im mörtlich- 
fien Sinne „bahnbrechendes" Er⸗ 
eignis war daher im Anfang ver 
dreißiger Jahre des vorigen Jahr⸗ 
hundert? das Erſcheinen der Gräfin 


G. Gräfin Baudilfin. 


Rofft, der ehemaligen vergötterten 
Schaufpielerin Henriette Sonntag, 
auf Schlittſchuhen. In einem blauen 
Samtkleid, wie die Chronik meldet, 
produzierte fie fih, an der Hand 
ihre Heine Tochter, auf dem Eile 
der Rouſſeauinſeln vor den er 
ftaunten Augen der Berliner. Da- 
mit war die Parole für die Frauen 
ausgegeben; denn was man an 
einer Andern gewiß getadelt oder 
ſogar anftößig gefunden hätte, dad 
wurde der ſchönen, tonangebenden 
Frau nicht nur vergeben, fondern 
an ihr laut bewundert und gepriefen; 
und nachdem anfangs Taufende täg- 
lid dem Schaufpiel ihres graziöjen 
Laufe vom Ufer aus zugefchaut 
hatten,begannen nebenden Männern 
auch die Frauen fih auf die er- 
ftarrte Fläche der friedlichen Tier- 
gartenfeen zu wagen, 

Bon jener Zeit an bat der Eis⸗ 
lauf ſich ftetig und immer zu: 
nehmend alle Kreife erobert. Denn 
ſeine Bedeutung für den im Winter 
der Natur faft entfremdeten menjd- 
lien Organismus ift gewaltig. 
Die reine, ftaubfreie Atmofphäre 
für die Lungen, die vonder ſchweren, 
mit Kohlenſtaub durchſetzten Stadt⸗ 
luft verdorben werden, die Erzieh⸗ 
ung zur Energie, zur Freude am ein⸗ 
fachen, anſpruchsloſen Vergnügen, 
zur Abhärtung — das find Fak—⸗ 
toren, die ein Gegengewicht gegen 
die Schäden unfrer Lebensweiſe 
bilden und daher nicht hoch genug 
eingeſchätzt werden können. Ein 
weiterer Vorzug des Eislaufes iſt, 
daß er allen Volksſchichten zugäng- 
lich ift, und Daß er von beiden 
Geſchlechtern von frühefter Jugend 
an bis ing fpätefte Alter hinein aus⸗ 
geübt werden kann. Ebenſo ſtark nun, 
wie fi der Eislauf in den legten 
Sahrzehnten ausgedehnt hat, find 
die Anſprüche an feine Kunfifertig: 
feit und an fein Ausdrucksmittel: 
den Schlittſchuh gewachſen. 


IV. 2. Schlittſchuhlaufen. 


Während man früher einen 
„Bogenläufer“ höchlichſt bewun— 
derte, und von einer Frau nichts 
als höchſte Grazie beim einfachen 
Vorwärtslaufen forderte — übri— 
gens bleibt „Grazie“ auch heute 
noch bei allen Künſten das Er— 
ſtrebenswerteſte für die Frau — 
teilt man die Schlittſchuhläufer 
heutzutage ſtrenge, mögen ſie Ama= 
teurs oder Profeſſionals ſein — 
in Schnelläufer und Kunſtläufer 


Nro. 244, 


auf dem Eiſe nun 'mal der „Wal— 
zer“ bleibt. 

Die erſten berühmten „Paar— 
läufer“ waren die Amerikaner Miß 
Nellie Dean und Mr. Callie 
Curtis, die in den jechziger 
Sahren in Europa auftraten; der 
erite „Kunſtläufer“, Mr. Jackſon 
Haynes, fam ebenfalld um die— 
jelbe Zeit von „drüben“, mo das 
Kunftlaufen damals Schon in voller 
Blüte jtand. 





96. Klubhaus des Berliner Schlittfchuhflub. 


und ftellt zur Erringung der Meifter- 
jchaft auf beiden Gebieten beftimmte 
Bedingungen auf. Auch das Paar: 
und Gruppenlaufen bat fih zu 
hoher Vollendung ausgebildet und 
grade in den Ländern, die fich durch 
ihre klimatiſchen Berhältniffe zur 
Anlage fünftliher Eisbahnen ver- 
anlaßt jahen, wie 3.8. Franfreich 
und Dejterreich, wird Hervorragen= 
des in beiden Arten geleijtet. Eine 
elegante Bariferin nachmittags im 
palais de glace mit ihrem Partner 
Figurenlaufen zu ſehen, iſt ebenſolch 
ein anziehendes Bild wie die tanz— 
luſtige Wienerin, deren Force auch 


Aus Sport im Bild. 


Die erſten internationalen Wett- 
fämpfe zwiſchen Schnelläufern wie 
zwiſchen Kunftläufern begannen in 
Europa in den adtziger Jahren. 
An ihnen beteiligten ſich neben 
den fchon lange durch ihre Künite 
rühmlichſt befannten Holländern 
und Engländern auch Norweger, 
Schweden, Finnen und Rufjen. 
Deutihland hat die Europameijter- 
ſchaftswürde des Schnellaufs zwei: 
mal durh den Münchner Julius 
Seyler erlangt; aud im Kunft- 
laufen haben verjchiedene Deutiche 
wie Gilbert, FZud3, W 
Benger und andere es zur 


Nro. 245. 


Meifterihaft gebracht. Der beite 
Läufer und jetzige Weltmeiſter ift 
aber vorläufig der Schwede U. 
Saldhom. 

Mie ernft es jedoch unferem 
Vaterlande mit jeinem Beitreben 
it, aud auf dieſem jportlichen 
Gebiet um die Krone zu ringen, 
beweifen die Gründungen eleganter 
Klubhäufer und künſtlicher Eis— 
bahnen im ganzen Reich, die eine 
gründlicdere und ununterbrochene 


— ur a IL — 


— — 


E. Gräfin Baudiſſin. 





245. Der Schlittſchuh. Lange 
bewahrte man die ſeit der Eiſenzeit 
bekannte, höchſt primitive Form 
des Schlittſchuhs: Die eiſerne 
Schiene, auf die eine Art Holz— 
ſchuh mit lederner Kappe für Spitze 
oder Hacken und mit viel Riemen: 
zeug befejtigt war. Der jogenannte 
„Holländer“ zeigte neben denjelben 
Eigenjchaften nur eine nad vorn 
mehr oder minder weit emporge: 
bogene Spite der Schiene. In 


Ra 


= 





Aus Sport im Bild. 


97. Bonner Klubhaus. 


Ausbildung des Schlittſchuhlaufens 
gewährleiften. Natürlich die 
feifche, Föftlihe Luft des fonnigen 
Wintertages fehlt ihnen; aber fie 
werden ja auch immer nur den 
Schauplak der eleganteren Kreife, 
wie der Profeffionierten, bilden 
föonnen, das Gros der eifrigen 
Läufer bleibt Gott fei Danf draußen 
auf Flüffen, Seen oder übergoffe- 
nen Wieſen! 

Die beigefügten Darftellungen 
zeigen ein paar hübſche und zweck— 
mäßige Klubhäufer — zur Nach; 
eiferung! 


— 


meiner SKinderzeit litten wir 3. B. 
noch unter dem Borurteil, daß ſich 
eigentlich nur mit diefer Art von 
Schlittſchuhen regelrecht „hollän— 
dern“ ließe, wie das Bogenſchlagen 
nach vorn genannt wurde. Mein 
Großvater demonſtrierte und da- 
gegen, wie er fich mit feinen Ka- 
meraden im befcheidenen Lande 
Mecklenburg ſelbſt „Strittichoh” 
aus dem Bruſtbein der Gänſe und 
einer Handvoll Bindfaden gemacht 
habe und in einem Wettlauf über 
den Schweriner Eee trotzdem Sie: 
ger gegen die vom Schickſal mit 


— 


* 2 


IV. 2. Schlitffchuhlanfen. Nro. 245. 


Eiſenſchuhen Begünftigte geworden | fanifhe Halifar, defien Grund: 
ſei. Diefe einfahen Zeiten find | formen: Klammern von linf3 und 
längſt überwunden; die Snduftrie | reht8 um den vorderen Fuß mie 
wirft jährli neue Modelle mit | von vorn und hinten um den Hafen, 
immer neuen „Berbejjerungen” auf | alle8 durch diejelbe Feder regu= 
den Markt und die billigen Breife | liert, au) noch in jeinen Nach— 
einfacherer Sorten geftatten troß: | folgern, dem Kaledonier und dem 
dem fajt jedem den Befit der | Merkur beibehalten wurden. Nur 
„Waſſerkothurne“, wie Klopfto d | fand man Methoden heraus, den zum 


ul ſ 


im | | m — 
— ENDEN II 


INN 


Im 


Da 


II 
ı 











100. Bero. 


fie nennt. Allmählich ift das Holz (| Schrauben nötigen Schlüfjel ent: 
am Sclittfhuh vollftändig ver= | behrlih zu machen. Anbei Die 
fchwunden, ebenſo die Nille, die | Abbildungen der alten Fabrifate in 
früher der Stahljohle das Aus- | „neuefter Aufmahung”. i 
fehen einer der Länge nad) durch⸗ Zu ihnen gejellt fi der „Hero” = 
Schnittenen Röhre gab — aud das | Schlittihuh, ein Konglomerat des 
Riemenzeug ift bei den meiften Mo: | Kaledonier- und Merkurſyſtems. 
dellen ganz fortgelaffen. Der erſte, Weſſen Ehrgeiz nit auf eine 
den großen Umſchwung herbeifüh- | Weltmeifterihaft in Kunſt— oder 
rende Schlittfhuh war der ameri= | Schnellaufen geftellt ift, wird gut— 


Nro. 246. 


tun, fih an diefe Modelle und ihre 
jährlich auftauchenden Ab- und 
Spielarten zu halten. Die Sclitt- 
ſchuhe find nicht koſtſpielig, dabei 
leiftungsfähig und figen feſt am 
Fuß. Vorausgeſetzt natürlich, daß 
der Stiefel eine vernünftig dicke 
Sohle, fein Zaubblatt hat und daß 
der Hafen von mäßiger Höhe und 
ganz grader Form ift. Die böfeften 
Stürze find die Folgen des in den 
Klammern abbrecdhenden, zu ſchma⸗ 
len oder zu hohen „Stöckels“, wie 
der Süddeutſche faat. 

246. Der Schnellauf - Schlitt- 
ſchuh. Baffionierte Läufer wie 
Profeſſionals verbinden jett, um 
jedem Unfall durch einen fchlecht- 
figenden oder fih von der Sohle 
trennenden Schlittſchuh vorzubeu: 
gen, Stiefel und Sclittfchuh direkt 
dur Schrauben miteinander; die 
beiden werden dadurch ein unlös— 
bares Ganzes. Der einzige Uebel: 
ſtand an diefer jonft gewiß genialen 
Idee ift nach meiner Meinung die 
entjeßliche Kälte in den mitgenom= 
menen Schlittjchuhitiefeln. In der 
Schmeiz halfen wir diefem Fehler 
mit Bratäpfeln oder heißen Kafta- 
nien ab, die wir in die Stiefel ſteckten 
und fanden nachher jogar auf 
Bergeshöhen nach längeren Eijen- 
bahnfarten nocd eine erträgliche 





| 


€. Gräfin Baudiſſin. 


Temperatur in ihnen vor. Kleine 
Handmwärmer, wie die Offiziere fie 
im Norden während des Dienftes 
oft in den Baletottafchen tragen, 
täten jicherlich dieſelben Dienjte. 
Was den Erfolg madt, ift einerlei; 
aber die Kraft, die man vergeuden 
muß, um der „Eisbeine“ erft "mal 
Herr zu werden, läßt fich befier 
auf den Sport jelbjt anwenden. 

Der Schnellauf-Schlittſchuh ver— 
langt eine vollſtändig gerade, aus 
beſtem Stahl hergeſtellte Schiene 
und eine nur mäßige Höhe. Der 
holländiſche Rennſchlittſchuh, der 
noch auf der vorn emporgebogenen 
Schiene eine Holzſohle trägt, mit 
Riemen befeſtigt wird, und unter 
dem Namen Ilſter-Shaͤtes lange 
im Gebraud war, ift jet durch 
den norwegiſchen Schlittſchuh faſt 
ganz entthront. Auch ſeine Eigen— 
tümlichkeit: die ungefähr um ', mm 
höhere Kante ſeiner inneren Schiene, 
der man dadurch eine ſtärkere 
Schärfe nachſagte, wird kaum mehr 
nachgeahmt. 

Der Schnellaufſchlittſchuh par 
excellence iſt alſo der „Chriſtiania⸗ 
Schlittſchuh“; er iſt in faſt allen 
deutſchen Eislauf-Klubs eingeführt 
und wird wegen ſeiner Leiſtungs⸗ 
fähigkeit und Leichtigkeit von 
den Meiſterſchaftsläufern bevorzugt. 





102. Rennſchlittſchuh. 


IV. 2. Schlittſchuhlaufen. 


Seine Stahljchiene ift mit kupfer— 
nen Nieten an einer Stahlblech- 
Ihiene befeftigt, während der Fuß 
vorn und hinten auf Stahlblech- 
förpern ruht. 

247. Der Tourenſchlittſchuh. 
Der Tourenſchlittſchuh, der in der 
Hauptſache diefelben Eigenſchaften 
wie der Schnellaufſchlittſchuh ver: 


ſchuh Eonftruiert, den „Lohengrin“, 
der nur eines einzigen Riemens 
überm Spann bedarf, während der 
Fuß vorm wie der Haden von ver: 
jtelbaren Klammern gehalten wer: 
den; die Schiene ift nach vorn be= 
deutend verlängert und leicht em= 
porgebogen. 

248. Der Kunſtlaufſchlittſchuh. 









| 


DALE 


ruriiununaraa OT) n⸗ 





105. Grenander. 


langt, muß leicht an- und abge— 
ſchnallt werden können, denn nichts 
verdirbt die Schiene ſchneller und 
gründlicher, als das Gehen über 
Land. Das läßt ſich ja bei 
weiteren Ausflügen nicht verhin— 
dern, und doch wird man natürlich 
nicht noch ein zweites Stiefelpaar 
mitnehmen wollen. Man hat nach 
Art des Kaledoniers einen Schlitt- 


Der für den Kunftlauf bejtimmte 
Schlittſchuh verlangt bedeutend 
mehr Höhe als der Schnellauf- und 
Tourenſchlittſchuh, damit auch bei 
den jchärfjten Kurven jede Berüh- 
rung des Eiſes mit den Stiefel: 
johlen vermieden wird. Die Höhe 
wird ſich aljo nad der Haltung 
des Läufer® wie nad der Breite 
der Fußſohle richten. Allerdings 


Neo. 2AT—248. 


Nro. 249. 


wird der höhere Schlittfchuh immer 
der unfichere bleiben, ift dem An: 
fänger daher nicht zu empfehlen. 

Die Schiene weift bei dem jeßt 
gebräuchlichiten Modell, dem Jack— 
ſon-Haynes, eine ftarfe Kurve 
wie eine Breite von mindefteng 








E. Gräfin Baudilfin. 


find ferner noh „Rival“ und 
„Rehm“. — Grfahrene Läufer 
lafjen ji übrigen® nah ihren 
eigenen Angaben und felbftverftänd- 
lich aus bejtem Material Schlitt- 
ſchuhe anfertigen; jeder hat beim 
Lauf eine oder die andere Kleine 
4—6 mm auf, um den Anfprüden,  Eigentümlichfeit, die er berückſich⸗ 


die an ihre Unbiegſamkeit geſtellt tigt haben möchte. 











108. Damen-Merkur. 


werden, genügen zu können. Auch 
dieſerSchlittſchuh wird durchSchrau— 
ben direkt am Stiefel befeſtigt. 

Der „Grenander', gleichfalls 
ein Kunſtlaufſchlittſchuh, zeigt im 
Gegenſatz zum „Jackſon-Haynes“ 
eine vorn ganz ſpitze Schiene. Sein 
Erfinder, der ſchwediſche Kunſt— 
läufer Grenander, verwendete 
gerade dieſe Spitze zur Ausführung 
ſeiner Figuren. 


Neuere Modelle beider Arten 


249. Der Schlittſchuh für Da— 
men. Für die Damen, die bisher 
um die Meiſterſchaft des Schnell— 
laufens noch nicht konkurriert haben, 
auch kaum je in diefen Wettfampf 
mit den Männern treten werden, 
ift alfo nur ein guter Schlittſchuh 
zum SKunftlauf nötig. Natürlich 
gelten hier diejelben Regeln wie 
für die Herrenjchlittichuhe, doch be— 
vorzugen die befanntejten Kunft- 
läuferinnen Schienen ohne Kurven. 


IV. 2. Schlifffchuhlaufen. 


Nro. 250-251. 


Nebenftehend das Modell des leich: | „Smweater” zum Laufen iſt prat- 
ten und eleganten „Damen-Merfur”. | tif, fürs Tourenlaufen außerdem, 


50. Das Aufbewahren des 
Schlittſchuhs. Sobald man vom 
Eislauf zurüdfehrt, veibt man die 
Schlittſchuhe mit einem weichen 
Tuche ab und legt fie dann neben 
den Ofen zum völligen Trocknen. 
„Weberfommert” werden fie an 
einem trodnen Pla, nachdem fie 
dünn mit Fett eingerieben worden 
find. Roſtflecke entfernt man fofort 
mit feinftem Schmirgelpapier. 

251. Die Kleidung beim Eis: 
lauf. Paſſionierte Schlittſchuhläufer 
wie alle Profeſſionals tragen das 
richtige „Sport⸗Dreß“ — nicht nur 
aus Eitelkeit, die bei jedem Sport 
immer erſt in zweiter Linie ſteht 
— ſondern hauptſächlich aus praf- 
tiſchen Gründen. Für die Herren, 
die ſich nicht in Kniebeinkleidern 
und kurzem Wams zeigen mögen, 
kaäme höchſtens noch der Jackett⸗ 
anzug in Frage. Gehröcke auf dem 
Eiſe wirken geradezu grotesk. Auch 
den Mantel läßt man jetzt fort 
oder bewahrt ihn höchſtens, wenn 
man ängſtlich iſt, in der Garderobe 
zum Nachhauſeweg auf. Doch iſt 
die Gefahr des Erkältens bedeutend 
geringer als man denkt. Durch 
die lebhafte Bewegung beim Laufen 
wird genug Wärme im Körper 
aufgeſpeichert, um noch für den in 
gutem Tempo zurückzulegenden 
Heimweg zu reichen. Natürlich, wer 
ſich lange Zeit im Freien zum Aus⸗ 
ruhen hinſetzt, darf ſich nicht über 
den folgenden Schnupfen wundern, 
der drei Wochen dauert, wenn man 
im Bett bleibt, und einundzwanzig 
Tage, wenn man ſich nicht „unter⸗ 
kriegen laſſen will.“ 

Das beſte und kleidſamſte Koftüm 
für Herren iſt ein Kniebeinkleid 
mit kurzem Wams aus demſelben 
Stoff, Wadenſtrümpfe, Schnür⸗ 
ſtiefel und eine leichte, warme Woll⸗ 
mütze. Auch der helle oder dunkle 


falls man über verſchneite Strecken 
gehen muß, Lodengamaſchen. 

Die Damen, die heutzutage zum 
Teil ſchon faſt abgehärteter ſind 
als die Männer, ſieht man ſelten 
mehr in ſchweren Mänteln auf dem 
Eiſe. Oft wird ſogar die kurze 
Velziade verſchmäht — die Wie—⸗ 
nerin wie die Pariſerin verſtecken 
ihren ſchlanken Wuchs unter keiner⸗ 
lei winterlicher Umhüllung und 
laufen faſt durchweg „per Taille“ 
nur eine weiche Pelz- oder Feder⸗ 
boa als Schuß um den Hals. Dar: 
über mag perfönliher Geſchmack 
und mehr oder minder große Emp- 
findlichfeit gegen Kälte entſcheiden; 
Bedingung für dag elegante Aus— 
jehen der Läuferin ift jedenfalls 
ein durchaus fußfreier, gutfigender 
und :fallender Rod von nicht zu 
großer Weite. Verpönt ift der 
Schleppro® und ebenjo der mit 
Schlingen oder Nadeln verkürzte 
Rod, der immer die Figur verdirbt. 
Helle Farben wirken gegen die 
Schneelandſchaft leicht „fad“; kräf⸗ 
tige dunkle Töne in Blau, Schwarz, 
Braun oder Grün, als Folie der 
weiße Hintergrund, ſind vorzuziehen. 
Schnürſtiefel breiterer, ſogenannter 
amerikaniſcher Faſſon mit dicker 
Sohle und flachem, ganz geradem 
Hacken ſind jetzt auch für Damen 
durchweg „Uſus“; ſie geben dem 
Knöchel den beſten Halt und laſſen 
dem Fuß Spielraum und infolge⸗ 
deſſen Wärme genug. Ein einge 
engter Fuß erftarrt bald, da der 
Blutumlauf gehemmt wird. Aus 
demfelben Grunde müſſen die Hand- 
Schuhe weit und bequem fein und 
das Mieder, wenn eg nicht über: 
haupt ganz fortgelaffen wird, loſe 
gefhnürt und von kurzer Form, 
gleih dem Reitkorſett, um dem 
Körper jede freie Bewegung zu 
geftatten. Als Kopfbededung wählt 


Nr. 252. 


man enganliegende 


Pelz: 


&. Gräfin Baudiffin. 
oder | wechfelnd beide Füße vorwärts: 


Wollmützen oder Kleine, zierliche | zufhieben und beim Abftoßen nicht 


Hüte mit beſcheidener Ausſchmückung. 
Große, überladene Hüte fiten jelten 
ganz feſt auf dem Kopf und wirken 
mit ihrer Neigung, auf ein Ohr zu 
rutschen, immer lächerlich. Unter: 
röde vermeidet man am beiten ganz; 
man trägt Statt deſſen ein Inapp= 
geſchnittenes Neformbeinkleid in 
der Farbe des Rockes. Nicht wirkt 
bei einem Sturz unjchöner und 
unäfthetifcher als der Anblick ver- 
jchiedenfarbener Röcke und der 
Wäſche. 

Für ſchwache Gelenke werden die 
„Knöchelhalter“ empfohlen. Ein 
genau nach dem Fuß angefertigter 
Schnürſtiefel macht ſie aber faſt 
überflüſſig und bietet denſelben 
Halt; für Läufer ohne dieſe Stiefel— 
form, z. B. für Offiziere, die zur 
Uniform nur Zugſtiefel tragen 
dürfen, mögen ſie allenfalls eine 
praktiſche Ergänzung ſein. 

252. Die Schule des An: 
fängers. Zum Schlittſchuhlaufen 
werden ſicherlich noch weniger 
Meiſter geboren als zu einer an— 
dern Kunſt. Selbſt graziöſe Men— 
ſchen verlieren dieſe Eigenſchaft bei 
ihren erſten Verſuchen auf dem 
Eiſe vollſtändig. Und die erſte 
Regel, die ſo ſelbſtverſtändlich 
klingt und ſo ſelten beachtet wird, 
iſt die, daß niemand auch nur das 
einfachſte Kunſtſtückchen verſuchen 
ſollte, bis er nicht abſolut ſicher 
im einfachen Vorwärts-, Ruückwärts⸗ 
laufen und Bremſen iſt. Um es 
zu lernen, ſich erſtmal auf den 
tückiſch fortgleitenden Sohlen im 
Gleichgewicht zu halten, ſchiebt man 
anfangs einen Stuhl oder einen 
Schlitten vor ſich her und verlaſſe 
ſich nur auf die eigene Geſchicklich— 
keit. Wer ſich von fertigen Läufern 
oder Lehrern unterſtützen läßt, er— 
ſchwert ſich nur das Lernen. Von 
Anfang an achte man darauf, ab— 


hinten auszuſchlagen, ſondern ſich 
mit der inneren Kante des Schlitt⸗ 
ſchuhs abzuſtoßen. Der auf dem 
Eiſe ruhende Fuß wird der Stanb- 
oder Gleitfuß genannt, der in Be⸗ 
wegung befindliche, ſchwebende Fuß 
heißt der Spielfuß. Sobald man 
gut balancieren Tann, ſchiebt man 
den Schlitten mit Träftigem Stoß 
von ſich fort und verjudt ihn in 
möglihft langen, gleichmäßigen 
Zügen, bei denen das Knie des 
Gleitfußes leicht gebogen und der 
Spielfuß mit fanften Schwung 
dit neben den Gleitfuß nieder- 
gejegt wird, wieder zu erreichen. 
Beſſer als auch die genauejten 
theoretiſchen Anleitungen es zu tun 
vermögen, hilft das aufmerkſame 
Beobachten guter Läufer. Und das 
ganze Streben des Lernenden ſei 
darauf gerichtet, niemals die Herr⸗ 
ſchaft über eines ſeiner Glieder zu 
verlieren. Nur wer bei jeder Be⸗— 
wegung eine freie, natürliche Hal- 
tung bewahrt, der fi Arme und 
Beine ungezwungen, nicht gemalt- 
ſam, anpafjen, kann die Wirfung 
vollfter Harmonie erzielen. Kein 
anderer Sport fordert fo ftreng, 
den Körper in abfolut harmonifcher, 
Schöner Bewegung zu zeigen, wie 
der Eislauf; kaum ein anderer 
bietet hierzu aber auch ähnliche 
Möglichkeiten. Durch feine Aus: 
rüftung bejchwert, die Kraft durch 
die Gewandtheit im Zaum gehalten, 
an den Füßen Stahlfohlen, die 
jede Bewegung unterftügen und 
den Willen im Augenblid, da er 
zum Bemußtfein fommt, in die Tat 
umjegen fünnen, jo wagt im mo: 
dernen Leben eigentlich nur noch 
der Schlittfhuhläufer, angeborene 
Anmut auszubilden und vor Aller 
Augen zu entfalten. Der NRund- 
tanz bat faft jede Gelegenheit, 
Grazie zu entwideln, verloren. Die 


IV. 2. Schlifffchuhlaufen. 


wieder eingeführten NReigentänze 
find noch auf gemiffe Kreife be— 
ſchränkt, ihr Erfolg auch meiſtens 
vom Partner mit abhängig, wäh: 
rend der Schlittſchuhläufer ſich ganz 
allein auf die eigene Geſchicklichkeit 
verlafien und bei jeder Wendung 
und Drehung feines Körpers be- 
mweifen muß, daß Abficht und Aus- 
führung fih in volliter Weberein- 
ftimmung ineinanderpafien. Ein 
gefchulter Schlittihuhläufer bietet 
deshalb dem Auge einen vollendeten 
äfthetifchen Genuß. 

253. Die Schule des Kunſt⸗ 
läufers. Bon dem unficher über 
die Fläche frarelnden, mit den 
Armen wie mit Windmühlenflügeln 


Niro. 253. 


aus ihm ſetzen fi alle Figuren 
des Kunftlaufes zufammen. Man 
teilt ihn in Bogen, Schlangen: 
bogen, Dreier, Doppel: 
bogenoder Dreierumd Schlinge 
ein; diefe fünf Figuren werden 
auch am Pla ald „Achter“ aus— 
geführt. 

a) Den Bogen wiederum zer: 
legt man in vier Formen, in den 
1. Vorwärts⸗Auswärts-Bogen, 
2. Vorwärts-Einwärts-Bogen, 
3. Rückwärts-⸗-Auswärts-Bogen, 
4. Rückwärts-Einwärts-Bogen. 

Zum Vorwärts-Auswärts— 
Bogen müſſen die Füße in knap⸗ 
pem rechten Winkel aneinander ge⸗ 
ſtellt werden, die rechte Schulter 


— 


109. I. Bogen, 2. 


um ſich fchlagenden bis zu dem in 
Haffifher Ruhe dahinſchwebenden 
Künjftler, der mühelos die ſchwie⸗ 
rigften Figuren bejchreibt, ift nun 
ein harter Weg, obgleich es ficher 
auch für diefen Sport „Geborene“ 
gibt, die mit Leichtigkeit die Schwie- 
rigteiten überwinden, während es 
wiederum auch hier von Anderen 
heißen mag: „Mander lernt's nie 
— und dann noch unvollflommen.” 


Aber das wichtige Abc des Schlitt= | fuß 


ſchuhlaufens müffen ſich Mehr wie 
Minderbegabte durchaus aneignen. 
Dazu gehört in erfter-Linie, nach⸗ 
dem das Vorwärts- und Rückwärts⸗ 
Iaufen beherrſcht wird, der Bogen; 
er ift die Grundform des Eislaufes; 


Schlangenbogen, 3. Dreier oder Herz, 4. Doppeldreier, 5. 


Schlinge. 


wird leicht zurüdgenommen, das 
Gewicht auf den rechten Fuß (den 
Stands oder Gleitfuß) verlegt und 
mit dem Spielfuß abgeftoßen. Man 
läßt den Standfuß ausgleiten, faft 
folange der Schwung anhält, den 
man durch das Abftoßen und das 
Berlegen des Körpergewichts auf 
eine Seite erhalten hat. Che je- 
doch die Kraft des Schmunges 
ganz nachläßt, führt man den Spiel: 
neben den Standfuß nieder, 
verlegt auf ihn das Körpergewicht 
und ftößt nun mit dem redten, 
jet dem Spielfuß, ab. 

Der Vorwärts-Einwärts— 
Bogen beginnt in gleicher Weije 
wieder Vorwärts⸗Auswärts⸗-Bogen, 


| 
| Nro. 253. 


doch wird der Spielfuß nicht ſeit⸗ 
wärts, ſondern direft Hinter den 
Standfuß gehalten, die linfe Schul- 
ter wird etwas zurüdgezogen und 
während des Schwunges der Spiel- 
fuß langfam neben den Standfuß 
gebracht, jo daß die Kraft im 
rehten Moment gleih auf das 
linke Bein übertragen und num die 
rechte Schulter zurüdgenommen 
werden kann. 

Diejer Bogen ift bedeutend leich- 
ter als der zuerjt befchriebene, er- 
fordert aber troßdem große Uebung, 
bis er vollitändig beherrfcht wird. 

Zum Rüdmwärt3-Auswärt$- 
Bogen werden die Füße neben- 
einander gejtellt, das rechte Knie 
wie bei jedem Bogen leicht gebeugt, 
Kopf und linke Schulter ſtark nad) 
links rückwärts gewendet und der 
Spielfuß nad) rüdmwärts hinter den 
Standfuß \gebradt. Nimmt die 
Stärke des Zuges ab, jo wird der 
Spielffuß nah vorn neben den 
Standfuß geſchwungen, nad er: 
folgtem Abſtoß mit dem rechten 
Fuß werden Kopf und Schulter 
nad rechts rückwärts gewendet. 

Beim Rückwärts-Einwärts— 
Bogen Stellt man die Füße mit 
der Spige gegeneinander nad) ein⸗ 
wärts, verlegt dag Körpergewicht 
auf den rechten Fuß, nimmt die 
rechte Schulter zurüd, um gleich 
nad erfolgtem Abſtoß den Spiel- 
fuß rückwärts mit dem Standfuß 
zu Treuzen. Um denſelben Bogen 
mit dem linken Fuße auszuführen, 
wird der Spielfuß wieder parallel 
neben den Standfuß geftelt und 
nun diefem das Amt des Abſtoßens 
und Kreuzens übertragen. 

Der Schlangenbogen ent- 
fteht aus Auswärts- und Einwärts⸗ 
bogen, d. 5. er muß fich immer aus 
zwei der Richtung nach diametralen 
Bogen zuſammenſetzen. Infolge⸗ 
deſſen hat er ebenſo wie der Bogen 
vier Arten: Vorwärts-Auswärts⸗ 


E. Gräfin Baudiffin. 


Vorwärts: Einwärtd- 
Rückwärts-Auswärts 


Einwärts; 
Auswärts; 


Einwärts und Rückwärts-Einwärts⸗ 
Der Schlangenbogen - 


Ausmärt?. 
wird abwechſelnd mit der inneren 
und äußeren Kante des Schlitt⸗ 
ſchuhs ausgeführt, dem fogenannten 
Kantenwechfel, der durch ruckweiſes 
Bor: und Rüdjchwingen des Spiel: 
fußes erreicht wird. 

Der Dreier bringt eine neue 


Jt 17 
[2 


> 


Schwierigkeit, nämlih außer dem 


Kantenwechfel auch die Frontver: 


änderung des Körpers. Nach jedem 


halben Bogen wird eine halbe 
Mendung ausgeführt, fo daß fi 
3. B. an einen halben Ausmwärt?- 
Borwärtsbogen immer ein Rück⸗ 
wärts-Einmwärt3bogen ſchließt. Aud 
beim Dreier, einer fchönen, aber 
ſchwierigen Figur, unterjcheivet 
man vier Arten: Dreier Borwärtd- 
Auswärts, Dreier - Vorwärts - Ein: 
wärtg, Dreier-⸗Rückwärts⸗Auswärts, 
Dreier - Rüdmärts- Einwärt3. 

Der Doppeldreier fegt fid 
aus zwei Dreiern zufammen und 
kann deshalb ebenfo wie ber Dreier 
Vorwärts-Auswärts, Vorwärts⸗ 
Einwärts, Rückwärts-Auswärts 
und Rückwärts-Einwärts gefahren 
werden. 

Auch die Schlinge hat die 
felben vier Formen: Vorwärts⸗ 
Auswärts, 
Rückwärts-Auswärts, Rückwärts⸗ 
Einwärts. Sie iſt die ſchwerſte 
der Grundfiguren. Bei all ihren 
Arten wird immer nach einem 
halben Bogen der Spielfuß mit 
dem Standfuß ſo weit gekreuzt, 
daß eine halbe Wendung vollbracht 
wird. 

Die Kraft für diefe fünf Grund: 
formen des Kunſtlaufens wird in 
der Hauptfache aus dem einfachen 
Mittel des Kniebeugens geſchöpft. 
Das Geheimnis beiteht darin, ge 
nau abzumefjen, wie lange der durch 
das Beugen gewonnene Schwung 


Vorwärts - Einmärtd, 


Y 


u 


* 


a ım. w 


IV. 2. Schlittfihuhlaufen. Nro. 253. 


aushält: warn man das Bein all» | nod) einige gebräuchliche ſchwediſche 
mählich ftreden und fi empor= | und deutjche Schulfiguren für den 
rihten muß, und wann man den | Lernenden hinzu. 

Körper wieder hinabgehen läßt, | Die dur bedeutenden Anlauf 
um neue Kraft zu gewinnen. Das Iund Schwung vergrößerten Grund- 


( NS 5 
0888 


130. Bogen- I11. Achter auf 112. Gegendreier: 113. Schlinge- 
achter. einem Fuß. Rüdwendungs Rüdwendung: 
Gegendreier. Schlinae. 114. Rückſchritt. 


Jar 117. Maiglöcdchenjtern. 


115. Schwedifcher Stern. | 

116. Seeftern. 118. Doppelfpirale. 
läßt ſich durch feine theoretifche | figuren heißen Spiralen. Be: 
Erklärung erlernen, ſondern eben | fonders jie geben Gelegenheit zu 
nur durchs Ueben, Heben — und äußerft graziöfer Haltung und Be— 


nochmals Ueben! wegung, da man ſich dem durch 
Zur Vervollftändigung fügen wir | Anlauf gewonnenen Schwung bis 





— —2— 
— 


— mean 
— — 


Nro. 254. 


E. Bräfin Baudiſſin. 


zuletzt in derſelben Haltung hingibt. mals auf⸗ und abbewegen, er muß 
Spiralen mit Wendungen heißen parallel zur Oberfläche des Eiſes 


Ueberſetzer. 


119. Pirouettenroſe. 


254. Die Schule des Schnell⸗ 
läufers. Die Aufmerkſamkeit des 
Schnelläufers hat ſich naturgemäß 
auf ganz andere Dinge zu richten, 
als die des Kunſtläufers. Ob er 
im Lauf und in ſeinen Bewegungen 
ein harmoniſches Bild bietet, iſt 
ihm ziemlich gleichgültig, er ver⸗ 
wendet Kraft und Geſchicklichkeit 
nur auf das eine große Ziel: 
möglichft viele Kilometer in mög- 
lichft kurzer Zeit zu durchfliegen 
und an Schnelligkeit alle feine Kon- 
furrenten zu überflügeln. Daber 
unterjcheidet er fich auch in Hal» 
tung und Bewegung vom Kunſt⸗ 
läufer. Während dieſer bei den 
meiften Figuren die Arme leicht 
und ungezwungen jeiner Körper- 
haltung anpaßt, fie hebt und ſenkt 
und in ihrem geſchickten Gebraud 
eine Unterftüßung bei Wendungen 
und Drehungen findet, wird der 
Schnelläufer, befonders der Anz 
fänger, die Arme auf dem Rüden 
verſchränken; erft in vorgerüdteren 
Stadien hängen die Arme oje 
herunter oder folgen dem leichten, 
gleihmäßigen Hin- und Herpendeln 
des Körpers, einer weiteren Be: 
dingung für den Schnellauf. Da⸗ 
gegen darf der Oberkörper fich nie= 


ftehen, um dem Wind mödglichſt 
wenig Angriffsfläde zu bieten. 


Shen: Das Starten, 


Spurtten. 


Zur Veranfchaulichung des Starts F 


Vier Sachen bat der Schnee. — 


läufer zu lernen und zu beberr: 
das. 
Laufenüber grade Streden, r 
dad Rurvennehmen und das 


Ihalten wir das Bild eines Vaters % 
und Sohnes ein, des böhmifchen * 


Meifterläufers 3. Po tucef (recht) 
und feined Sohnes bei einem 5000 
m:Schnellauf gegeneinander. Beide 


ftehen leicht vornübergeneigt, einen & 


Fuß im Winkel zur Bahn geitellt, 


den andern ſeitlich vorgefchoben; . 
die Arme werden nicht vorge: ' 
ſchwungen, jondern bei den erften ' 


furzen Schritten, die jchnell auf: 
einanderfolgen müffen, um Ge: 
ſchwindigkeit zu gewinnen, dicht am 


Körper gehalten. Beim Start darf * 


nicht volle Kraft eingeſetzt werden, 
fondern die Gejchmwindigfeit muß 
allmählich zunehmen. 


Nach wenigen Stößen geht man | 


zum Laufen auf grader 
Strede über. Das Abftoßen 
darf niemals mit der Spike des 
Spielfußes erfolgen, fondern mit 
der ganzen Länge der Schiene und 


muß von halb⸗ſeitwärts⸗rückwärts, 


nicht direft von Hinten ausgeführt 
werden. Der Spielfuß wird dicht 


hinter dem GStartfuß gehalten und | 


erſt allmählich nad vorn gejchoben, 


wenn fih der Schmung feinem | 
Ende naht. Ze länger jeder Stoß 


ift, deſto beſſer. Der Spielfuß 
muß jo feit auf dag Eis gejegt 
werden, daB ohne weiteres der neue 
Abſtoß erfolgen kann. Viele der 
beiten Läufer Halten auf graden 
Streden den Iinfen Arm im Kreuz, 
während fie den rechten fchwingen. 

Zu den Kurven merden die 








Züge verkürzt und der Oberkörper 





Der junge Goethe auf dem Eife von Wilhelm von Kaulbac. 


IV. 2. Schlifffehuhlaufen. 


. 255. 





120. Potucef und Sohn. Aus Sport im Bild. 


jo tief als möglich zur Innenfeite 
der Bahn geneigt. Sehr oft wird 
die Kurve durch Ueberſetzen ge— 
nommen; jedes Springen ift jedoch 
verboten. 

Unter Spurt verfteht man den 
Verſuch, möglidft viel Stöße in 
einer Minute zu maden. Durd) 
dieje Anftrengung, die gewöhnlich 
den Schluß eines Wettlaufs bildet, 
wird die Geſchwindigkeit aufs höchſte 
gejteigert. Man hält den Ober— 
förper genau wie auf den graden 
Streden parallel zur Eisfläche, doch 
hängen die Arme tief und loſe 
herab und folgen jeder Bewegung 
des Körpers. Auch hier ift jedes 
Springen zu vermeiden, da es zu 
viel Kraft vergeudet. 

255. Das Tourenfahren. Diefes 
dem Großftädter faft ganz unbe— 
fannte, herrliche Vergnügen erfor- 
dert ein gute Training; denn zum 
ftundenlangen Laufen ohne Raſt, 
vielleiht jogar gegen den Wind, 


braucht man Kraft und Ausdauer. 
Aber wie lohnend ift auch jold 
ein längerer Ausflug auf Schlitt- 
ihuhen! Gemwöhnli wird man 
fih nicht allein auf die Reife be— 
geben, jondern in Geſellſchaft an— 
derer, froher und gleich leiſtungs— 
fähiger Menfchen, die ebenjo nur 
der Wunſch, einen ganzen Tag den 
geheizten, dumpfen Zimmern zu 
‚entfliehen, ins Freie führt. In 
unjerem Klima, vorzüglich in den 
legten Wintern, ift jelten anhalten= 
der Froft gewejen — plant man 
aljo eine Tour, jo zögere man nicht 
zu lange, bis die Gelegenheit glück— 
li) wieder vorüber ift. 

Bei mehreren Teilnehmern an 
einem Ausflug läuft man am bejten 
hintereinander und wechſelt Die 
Führung regelmäßig von Zeit zu 
geit. Große Vorſicht ift bei uns 
befannten Eisflähen geboten. Er: 
ſcheint das Eis mürbe, fo jeile 
man ſich BEINEN RUND. nu wie 


Niro. 256. E. Gräfin Baubilfin. 


im Gebirge. Paſſiert ein Unglüd | Haff oder die Dftjee, befahren, fo 
und bricht jemand ein, jo zieht iſt wegen der Nebelgefahr ſtets ein 
man ihn, fobald er auftaucht, lang= Kompaß mitzunehmen. 
ſam am Seil heraus und auch noh 256. Die Dame auf dem Eijfe. 
auf dem Eife ein Stüd fort, bis Erſt in den legten zwanzig Jahren 
er auf ganz feites Eis gelangt ift. | hat fich das Kunftlaufen der Damen 
Der zu Errettende darf ſich nicht | ausgebildet, jo daß fie jogar gegen 
aufrichten, fondern muß flach liegen | die beften Kunftläufer der Welt 
bleiben, um jein Gewicht recht zu | zu fonfurrieren begonnen haben. 
verteilen. Die erite Dame, die um Die 
Will man weite Flächen, wie ein | Weltmeifterjhaft ftartee, war 





12). Mrs. E. M. Syers, Weltmeijterin im Kunftlauf. 


IV. 2. Schlitffchuhlaufen. 


Mrs. Syers aus London — fie 
fann die Bahnbrederin für den 
Damenfunftlauf genannt werden. 
Grade für die Frau, deren Haupt: 
reiz Grazie in Gang und Bewegung 
it, bringt ja dag Schlittihuhlaufen 
die beiten Chancen und es ift da— 
ber faum erjtaunlich, daß ſich das 
Kunftlaufen in kurzer Zeit jo ftarf 
unter den Frauen verbreitet hat. 
Die beiten Läuferinnen ahmen nichts 
blindling® nad, jede Hat ihre 
Eigentümlichkeit und ein Talent, 
den befannten Figuren neue Nu= 
ancen zu verleihen, jede findet eine 
andere, natürliche Poſe, die ihre 
bejonderen Borzüge zur Geltung 
bringt. Das SHauptbeftreben ver 
Frau auf dem Eife richtet ſich eben 
trogß aller Kunitfertigfeiten doch 
darauf, abfolut harmoniſch zu wir- 
fen. Sehr vorteilhaft ift daher für 
die Damen das Spiralenlaufen, 
da dur den Schwung, den es 
verleiht, Geftalt wie Bewegung 
gleihfam von allem Srdifchen, 
Schweren loSgelöft werden. 

Eine gute, auf Beachtung hoffende 
Kunftläuferin muß die Grundfigu— 
ren des Kunftlaufens vollitändig 
beherrſchen fünnen; an fie werden 
bei Konkurrenzen dieſelben Ans 
fprüde geftelt wie an den Kunit- 
läufer. Im Schnellauf Haben 
Frauen fich bisher noch nicht neben 
den Männern in die Deffentlichfeit 
binausgemagt, es ift auch kaum 
anzunehmen, daß ihre Kraft je dazu 
reichen wird. | 

257. Das Paarlaufen. Durchdie 
lebhafte Teilnahme der Frau am Eis⸗ 
[port ift auh das Paar: und Gruppen- 
laufen in ein neues Stadium ge⸗ 
‚treten. Die Möglichkeiten, Figuren 
zu laufen, find zu Zweien nod 
größer als allein und laſſen vor 
allem bedeutend mehr Abwechſelung 
zu. Während man fich früher da- 
mit begnügte, Hand in Hand gra- 
ziöjfe Bogen zu laufen, oder zu 


Neo. 257. 


„bolländern”, gibt es jetzt eben- 
falls feſte Vorfchriften, die ſich 
alle zu Paaren oder in Gruppen 
Laufenden, die zu Vereinen oder 
Klubs gehören oder an Wett: 
fümpfen teilnehmen wollen, an 
eignen müſſen. 

Selbftverftändlich verlangt das 
Paarlaufen eine noch intenfivere 
Uebung als das Sololaufen. Denn 
der Läufer muß fo ficher fein, daß 
er den Partner niemals durch eine 
Ungeichidlichfeit zum Entgleifen 
bringt und daß er feinen Schritt 
abfolut dem des andern anpafjen 
fanın. Den Läufern muß alfo 
gleihe Art und vor allem gleicher 
Schwung eigen fein; daß es aber 
nit jtörend wirft, wenn ihre 
Geftalten verfhieden find, 3. 2. 
ein großer Herr neben einer Kleinen 
Dame, das hat das ungleiche Baar 
Hübler-Burger bemwiefen; nur 
im Stil müfjen fie übereinjtimmen. 
Laufen zwei Herrn oder zwei Damen 
miteinander, ijt- allerding® gleiche 
Größe und ähnliche Figur vorzu= 
ziehen. 

Drei Arten des Laufen® muß 
das Paar beherrichen: 

Das gewöhnliche Figuren: 
laufen; das Tanzen und die 
Ueberſetzer. 

Beim Figurenlaufen unterſcheidet 
man zwei Arten, je nach der Stel: 
lung der Läufer zueinander: ent- 
weder die Stellung gegeneinander, 
vis-&-vis, oder die Stellung neben: 
einander. Die Art, in der die 
Läufer fich zu einander verhalten, 
wird ihre „Bindung“ genannt. Alle 
Grundformen des Kunftlaufens 
fönnen beim Figurenlaufen aus: 
geführt werden; und zwar führen 
beide Läufer dasjelbe aus oder 
ergänzen die einzelnen „Parts“ 
ſymmetriſch. 

Je nach der Stellung halten ſich 
die Läufer an den gleichnamigen 
Händen, mit vorn verjchräntten 


Armen, oder auch nur an einer 
Hand; bei Drehungen und Wen: 
dungen muß natürlich losgelaſſen 
werden. Biel mehr Freiheit ver 
Bewegung geftattet die Erfindung 
des Kunftläuferd Engelmann: 
Die gleichnamigen Hände fallen 
fih aucd hier, doch nur eine von 
vorn, die andere von hinten. Tiefe 
Haltung eignet fi aber nur für 
Figuren, in denen feine Schlingen 
vorfommen. 

Die Grundfigur des Paar- oder 


Duolaufens ift der Amerikaner: 
Achter. 
Das Tanzen ift bejonders 


durch die Wiener Schule be- 
fannt gemadt und gepflegt wor— 





2/ 
10 * 4 


E. Bräfın Baudiſſin. 


einzelnen kleinen Bogen, die nicht 
den Muſiktakten gleich zu ſein brau: 
hen, fondern über mehrere au®: 
gedehnt werden können; doc müfjen 
fie dem Tempo angepaßt jein. 
Bekannte Schritte find der „Kiebitz⸗ 
Ihritt”“, die „Monddrehung” und 
die „Rebenſchritte“. Das „Kontra⸗ 
laufen” wird in der Art getanzt, 
daß fih die Partner Rüden an 
Rüden aufftellen, fi voneinander 
entfernen und wieder zueinander 
zurüdfehren. 

Die Ueberſetzer find ähnlich 
den Spiralen befonderg große, mit 
ftarfem Schwung weit audgeführte 
Bogen. Sie werden in einfade 
und zufammengefette eingeteilt. 


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se 6 — 
7 5 * 

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322. Schöller-Marſch. 


den. Der Amerikaner Haynes 
erfand den erſten Sechsſchrittwalzer, 
den „Haynes-Walzer“, dem der 
„Amerikaner“ von Gallie Eur: 
tis folgte. Die befannteften, übri- 
gen Eiswalzer, die in der üblichen 
Zanzhaltung des Ballſaals ausge: 
führt werden, ſind der Sodl-Mazur, 
ver Schöller-Marſch, der Links— 
walzer, bei dem beide Läufer die 
Schritte in gleiher Richtung aus: 
führen, und die Tänze in Engel: 
mann=Haltung. 

Die Tanzichritte beitehen aus 


Die Partner halten fi entweder 
an einer Hand, in Tanzhaltung, in 
Engelmann-Haltung oder auh an 
beiden Händen Rüden an Rüden. 

Ein Paar, das fih an einem 
Wettkunftlauf beteiligt, hat fich ein 
vollfommened® Programm zuſam⸗ 
menzuftellen, das alle drei Gruppen 
des Kürlaufens, Figuren, Tanz: 
ſchritte und Ueberſetzer, umfaßt. 
Das Programm muß möglichſt ab- 
wechslungsreih fein und fordert 
zudem die harmonische Verbindung 
der einzelnen Leiſtungen durch 


—— —— 


IV. 2. Schliftfchuhlaufen. 


„Berbindungsfiguren“ und „Zwi- 


fhenjcritte” ; den Schluß bildet 
eine jelbjterfundene „Abgangs- 
figur“. 


Die Kunſt⸗ und Paarläufer halten 
ihre Neuerfindungen ebenjo ängſt⸗ 
lich und ftreng geheim, wie Erfin- 
der, die fich goldene Berge von 
ihrer Idee erhoffen. Der Schlitt⸗ 
fchuhläufer bat zwar nur einen 
Preis oder eine Auszeichnung zu 
erwarten, aber jein Ehrzeiz ift 
ebenfjo brennend — "dafür aber 
unfportlid und unfameradjchaftlidh. 

258. Das Gruppen: oder Ge- 
ſellſchaftslaufen. Cine Ermeite- 
rung des Paarlaufens ift das 
Öruppenlaufen. Es verlangt noch 


Niro. 258. 


mehr Anpafjungsvermögen ald das 
Duolaufen; denn iſt es fehon 
ſchwierig, bei fomplizierteren Figu- 
ren, mit einem Partner genau in 
Schwung und Form übereinzuftim- 
men, fo verlangt dag Gruppen- 
laufen natürlich die exakteſte Auf- 
merkſamkeit aller Teilnehmer auf 
fih felbjt und aufeinander. 

Da das Gruppenlaufen erſt in 
den legten Jahren vom Inter⸗ 
nationalen Eislauf-Verein zur Kon: 
furrenz zugelafien worden ift, mar 
es nach dem Aufichwung, den dag 
Kunſt- und PBaarlaufen genommen 
hatte, arg vernachläſſigt worden. 
Es bleibt eine vortreffliche Hebung 
für alle Läufer und Tann, gut 


mehr Training und vor allem noch | ausgeführt, von grandiojer Wir: 





123. Sternlaufen für 4 Käufer. 


Nero. 259. 


fung fein — der draw-back bei 
allen Unternehmungen, die von 
mehr als einer oder zwei Perſonen 
abhängen, ift aber auch hier, daß 
oft durch einen Unfall oder eine 
Erkrankung die feit Wochen müh— 
famft einftudierten Tänze oder Rei- 
gen im legten Augenblid nicht zur 
Ausführung gelangen fünnen, Es 
verfteht ſich von ſelbſt, daß nur 
abfolut „firme” Kunftläufer ſich 
zum Geſellſchaftslaufen melden dür- 
fen. Die gebräuchlichen Formen 
find das Figurenlaufen, dag Kontra- 
laufen und die „Moulinet3”, Die 
glei der befannten Tour der 
Duadrille in Sternform, von einem 
Mittelpuntt aus, gefahren werden. 
Zum Laufen in der Engelmann 
haltung eignen ſich der „Ameri- 
faner" und der „Leykaufachter“, 
benannt nah Ignaz Leykauf, 
der fih neben Diamantidi in 
Wien am meijten um die Förde- 
rung des Gruppenlaufend verdient 
gemacht hat. Auch ermöglicht die 
„zeyfauf-Aufftelung” es vier Läu- 
fern, zufammengefegte Figuren zu 
laufen, während die Echulfiguren 
in diefer Aufitelung von beliebig 
vielen Bartnern ausgeführt werden 
fönnen. Ihre Anordnung ift der: 
art, daß die Front der neben— 
einander in einer Linie ftehenden 
Läufer abwechſelt und immter die— 
felben Läufer zufammen Moulinetg 
laufen. 

259. Beitimmungen für Welt: 
und Curopa - Meifterfchnft im 
Schnellaufen. Bon den Gefegen 
der Weltlaufordnung der Inter— 
nationalen Eiälaufvereinigung nen: 
nen wir folgende: 

„Alle internationalen Rennen 
müflen über 500, 1000, 1500, 
5000 und 10000 m abgehalten 
werden und zwar entweder über 
einzelne dieſer Streden oder auch) 
über mehrere Stredfen unter einer 
Preiszuerfennung.” 


&. Gräfin Baubdilfin. 


„Alle internationalen Rennen 
müſſen zu zweien ftattfinden.” 

Die Ausschreibung zu einem 
internationalen Lauf muß die Höhe 
bes Einſatzes, die Bezeichnung der 
Preiſe, die Länge der Bahn mit 
Angabe der Biegungen und ihrer 
Grade, Bezeichnung desKruͤmmungs⸗ 
radius und ferner die Angabe, ob 
doppelte oder einzelne Bahn benutzt 
wird, enthalten. 

„Bei Laufen über mehrere 
Streden ift derjenige der Sieger, 
der die Mehrheit der Streden ge: 
wonnen hat. Hat feiner die Mehr- 
beit der Streden gemonnen, fo 
entfcheidet die Summe der Platz⸗ 
ziffern über alle Streden. Iſt die 
Summe der Plabziffern gleich, fo 
wird die Entiheidung nad der 
Punktwertung getroffen.“ 

„Als Punktzahlen gelten bei 
500 m die Selundenzahlen der er- 
reichten Seiten, bei 1000 m die 
Hälfte, bei 1500 m der dritte Teil, 
bei 5000 m der zehnte Teil und 
bei 10000 m der zwangzigfte Zeil 
der in Sefunden ausgedrüdten er⸗ 
reichten Zeiten. Steger ilt, Der 
die niederſte Gejamtpunftzahl bat.“ 

„Die Welt: und Europameifter: 
ſchaften müſſen auf doppelter Bahn 
ftattfinden (Bahnlänge, wenn mög: 
ih, 500 m, doch mindejten? 
400 m).“ 

„Der Radius bei der Welt: und 
Europameifterfchaft ſoll mindeftens 
20 m betragen.” 

„Die Streden ſowohl für Die 
Welt: wie. auch für die Europa- 
meilterfchaft find 500, 5000, 1500 
und 10000 m.’ 

„um die Welt: und Curopa= 
meifterfchaft zu gewinnen, muß der 
Sieger fih an allen Streden be> 
teiligen und diefelben auch voll: 
ftändig durchlaufen.” 

„Derjenige iſt Sieger in der 
Weltmeiſterſchaft, welcher drei oder 
vier Streden gewonnen hat.” 


—— - 


IV. 2. Schlittſchuhlaufen. 


„Um die Europameiſterſchaft zu 
gewinnen, muß der Läufer über 
wenigſtens zwei Streden gefiegt 
Haben. Wenn zwei Läufer zwei 
SStreden gewonnen haben, ift der: 
jenige diejer zwei Läufer Sieger, 
woelder die niedrigfte Summe der 
Platzziffern auf allen vier Streden 
bat. Sit die Summe der Platz⸗ 
ziffern gleich hoch, fo entſcheidet die 
Punktwertung.“ 

„Das Laufen um die Welt⸗ und 
Europameiſterſchaften dauert zwei 
Tage. Am erſten Tage wird ge—⸗ 
laufen über 500 und 5000 m, am 
zweiten Tage über 1500 und 
10000 m.” 

260. Beftimmungen für Welt- 

und Europameifterfchaft im Kunſt⸗ 
laufen. Die Ausfchreibungen für 
eine Konkurrenz geſchehen nad) den 
Beftimmungen der Intern. Eislauf⸗ 
vereinigung, der die meilten Ber: 
eine der Welt angehören, für Neu: 
linge, Junioren, Senioren, Europa: 
meiſterſchaft und Weltmeifterfchaft. 

Die „Pflichtübungen“ find durch 
den internationalen Kongreß 1897 
feftgelegt worden. 

Zür das „Kürlaufen”, dag fich 
aus gefälligen Figuren zujammen- 
ſetzen muß, bei denen e3 weniger 
auf die Schwierigfeit als auf har- 
moniſche Vollendung ankommt, ift 
für die beiden erften Klaffen (Neu: 
linge und Sunioren) eine Zeitdauer 
von 3 Minuten, bei den übrigen 
Klaffen von 5 Minuten fejtgejekt. 

Für das Kürprogramm eignen 
fi) bejonder8: Spiralen, Ueber: 
feger, Flügel-Achter, Reben, Tanz: 
fchritte, Kombinationen der Brille, 
der Wende u. ſ. w. Die meiften 
Kombinationen müfjen ſowohl auf 
dem rechten wie auf dem linken 
Fuß gelaufen werden. 

Die „Spezialfiguren” find, da 
fie ganz verfchiedene Anforderungen 
ftelen, vom Kürprogramm getrennt 
worden. Sie verlangen eine ori- 


NMro. 260. 


ginele Kombination von Figuren, 
die eine Schöne Zeichnung auf dem 
Eije ergibt. Die Schwierigfeit der 
Figur wie die tadellos forrefte 
Ausführung der Zeichnung find 
Hauptbedingung — die Körper: 
haltung tritt gegen dieſe Forde— 
rungen zurüd. Für Spezialfiguren 
eignen ſich „Kombinationen der 
Bremsfiguren mit Schlinge, Rebe, 
Brille und Sterne, die aus den 
Schwierigften Wendungen zufammen: 
geſetzt fein können.“ 

„Das Programm der Spezial⸗ 
figuren muß vorher in Wort und 
Zeichnung zum Gebrauch der Preis⸗ 
richter eingeſandt werden.“ 

Berechnet werden die Rejultate 
des Kunſtläufers beim Pflichtlaufen 
durch Multiplizierung der bei jeder 
Pflihtübung gegebenen Note mit 
der Wertzahl, welche der betreffen- 
den Hebung nad) dem Grade ihrer 
Schwierigkeit zufommt. 

Beim Kürlaufen werden die für 
den Inhalt des gezeigten Pro- 
gramm wie für die Art und Weije 
der Vorführung gegebenen beiden 
Noten addiert und die Summe mit 
der in der Augfchreibung befannt 
gegebenen Zahl multipliziert. 

„Die Punktzahl für Kürlaufen 
der Punktzahl für Pflichtlaufen 
binzugezählt, ergibt für den einzel- 
nen Läufer die Gefamtpunftzahl, 
welche derjelbe bei dem einzelnen 
Preisrichter erzielt bat. (Es 
müſſen mindeftens fünf Preisrichter 
vorhanden fein.) „Das Endrejultat 
wird feftgeftellt durch Zufammen- 
zählung der von den einzelnen 
Preisrichtern gegebenen Plab- 
ziffern.” 

Für das Damenkunftlaufen um: 
faßt das Programm 4—6 Pflicht- 
übungen; das Kürlaufen ift auf 
3 Minuten fejtgejegt und bejteht 
aus Spiralen, Ueberjegern, Kom— 
binationen von Dreiern, Achtern, 
Amerifanern und Tanzſchritten. 


Nro. 261. &. Gräfin 
Schwerere Figuren find nur für 
hervorragende Läuferinnen zuläffig, 
denn fie müfjen nicht nur korrekt, 
fondern auch graziös gelaufen wer— 
den. Die jhöne Ausführung der 
Figuren wird beim Damenkunftlauf 
höher bewertet als ihre Schwierig: 


keit. 

261. Das Schlittſchuhſegeln. 
Eine bedeutende Erhöhung der 
Geſchwindigkeit und damit auch ein 
noch größeres Vergnügen erreicht 
man beim Eislauf durch das Se— 
geln. Auch dieſer Sport hat ſich 
erſt in den letzten Jahrzehnten ent— 
wickelt, findet nun aber unter den 
geſchickten Läufern immer mehr 


Anhänger. Denn je größer die 
Anforderungen an Gewandtheit 


und Kühnheit eines Sports ſind, 
deſto mehr Reize bietet er. Das 
Schlittſchuhſegeln kann natürlich 
nur der betreiben, der neben dem 
Eislauf auch in alle Geheimniſſe 
des Segelns eingeweiht iſt; denn 
im Aufkreuzen gegen den Wind 
liegt der Hauptreiz. Sich ein 
Schlittſchuhſegel auf die Schulter 
zu legen, ohne eine Ahnung deſſen, 
welchen Wirkungen durch den Wind 


vn 


Baudilfin. 


es ausgejegt ift — dieje Leicht: 
fertigfeit wird fich Schnell und gründ- 
lihjt an dem Unternehmer rächen. 
Mer aber diefen Sport beherricht, 
wird ihn faſt dem Eisjachtjegeln 
vorziehen, obgleich die Gewalt, die 
Dort durch das Ruder und die Ta- 
felage gegeben wird, ja bedeutend 
größer ijt. Dafür hat die einfade 
Ausrüftung beim Sclittfchuhlegeln 
den Vorzug beqguemerer und leid: 
terer Beförderung vom und zum 
Schauplag der Tätigkeit. 

Als Schlittſchuh verwende man 
zum Segeln feinen hohen, da jonjt 
die Füße zu leicht ermüden. Prak— 
tiſch ift der bei den Schnellanf: 
ſchlittſchuhen erwähnte liter: 
Shätes oder ſonſt ein flacher, Janger 
Tourenſchlittſchuh. Auch Knöchel⸗ 
halter ſind beſonders für den An— 
fänger zu empfehlen. Die Kleidung 
darf beim Schlittſchuhſegeln wärmer 
ſein als beim Eislauf; beſonders 
ſchütze man die Ohren mit Ohren: 
klappen oder einer dehnbaren Mütze 
und die Hände durch gefütterte 
Handſchuhe. — Das Segel wurde 
früher faſt viereckig zugeſchnitten; 
eine neuere, hinten ſpitzer verlau— 





124. Schlittſchuhſegelregatta auf dem Müggelſee. Aus Sport im Bild. 





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Aus „Madame et Moufieur”, Paris.) 





„Eislauf“ von Nicolas Kaneret. 


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IV. 2. Sıhlittfchuhlaufen. 


fende Form zeigen die Segel des 
Jachtklub „Müggeljee‘ (Bild 124). 
Die Größe des Segeld richtet fich 
nach der Perſon des Segler3; denn 
die Höhe des vorderen Stabes muß 
jo ausgemefjen fein, daß jein Ende 
nicht das Eis berührt, wenn der 
Läufer mit leicht gebeugten Knieen 
fteht und die Duerftange ihm auf 
der Schulter ruht; dieſe Duerjtange 
hat vorn einen Griff, während die 
Leine zum Bedienen des Segels 
oben und unten am vorderen Stab 
angebradt iſt. Da deſſen Länge 
meiſtens über 3 m geht, jtellt man 
ihn aus zwei Teilen her, die fich 
zufammenfcdieben lafjen und um 
die beim Transport das Segel ge= 
rollt wird. Der hintere, fleinere 


Nro. 262. 


den Schlittfchuhjegeln ganz außer: 
ordentlihe Gejchwindigfeiten er— 
reicht, 3. B. brauchte bei einem der 
legten Wettfämpfe auf dem Müggel— 
jee der Sieger für eine Strede von 
18km nur 20 Min. 35 Sef.! Und 
grade dadurch, daß die richtige 
Handhabung de3 Segel Webung 
und Geiftesgegenwart erfordert, 
kann man das Sclittjchuhjegeln 
zu den interefjantejten und ſchönſten 
Winterſports zählen. 

262. Das Rollfchuhlaufen. Eine 
in Deutjchland faft vergejjene Kunft 
ift die des Rollſchuhs; und doch 
hatte fie auch einmal in Deutjchland 
eine Blütezeit, in den ftebziger und 
achtziger Sahren, a8 Jackſon 
Haines und Callie Curtis, 


Stab hat das Segel ſtramm zu | die beiden berühmten Schlittjchuh:- 


halten. Als Material verwendet 
man das leichtefte, nämlich Bambus. 
Bei gutem Winde werden mit 





wie Roljchuhläufer, fie von „drü— 
ben“ importierten. Damals gab 
es in Berlin verjchiedene „Skating- 





125. Einfache Grapevine. 


Niro, 262, 


rinks“, die viel benutt wurden; 
jegt ijt feine Spur mehr von ihnen 
vorhanden, noch kaum ein einziger 
Roljchuhläufer in Deutfchland zu 


a 
E. Gräfin Baudilfin. IV. 2. Schlifffehuhlanfen. 


dem glatten Zementboden faft gar 
feine Reibung finden. Im Lande 
feiner Geburt, in Amerifa und im 
jportluftigen England hat das 


finden. Im Zirkus erfchtenen früher Rollſchuhlaufen auch heute noch eine 


nob dann und wann bei den 
Schlußpantomimen „Schwälbchen“ 
und andere merkwürdige Erfchei- 
nungen auf Rollſchuhen — aber 
in Deutjchland findet man dieſe 
Kunft augenscheinlich jogar für die 
Manege zu altmodijch. Und doc 
wäre e8 bei den mäßigen, dem 
Schlittſchuhlauf fo unvorteilhaften 
Wintern der letzten Jahre nur 
vorteilhaft, fie neu zu beleben. 
Denn fie bietet dem Läufer Ge- 
legenheit zum Trainieren, ja ver: 
langt eigentlich eine noch größere 
Geſchicklichkeit, da die Schiene des 
Schlittſchuhs immer etwas ins Eis 
ſchneidet, während die Rollen auf 





126. Pirouetten-Spirale. 


große Anhängerſchaft; und dem— 
entſprechend elegante und gute 
Skating-Rink-Halls, in denen ſich 
bei Muftkbegleitung geſchickte Läufer 
und Läuferinnen zeigen und aud 
Konfurrenzen ausgefochten werden. 

Die Entwidlung des Rollſchuhs 
iſt natürlich auch nicht ftehen ge: 
blieben; er hat jede Schwere und 
Plumpheit verloren und wird mei: 
jtend wie der gute Schlittihuh am 
Stiefel mit Schrauben befeftigt, 
um jedes Riemenzeug überflüffig 
zu maden. Jackſon Haines 
Rollſchuh beftand aus zwei Schienen, 
zwiſchen denen fih vier Rollen 
hintereinander befanden; Good: 
ridgeund Fuller, ebenfalls be: 
rühmte amerifanifche Läufer, jegten 
die Rollen zu zweien nebeneinander 
und diefe Art wird auch von der 
modernen Form bewahrt, trogdem 
dazwiſchen Schuhe mit fieben oder 
mit drei Rollen hintereinander auf: 
tauchten. 

Die Rollen find aus härteften 
Holz gearbeitet und bei den Schuhen 
für Kunftläufer mit Kugellagern 
verfehen. Um die Linien der ge 
fahrenen Figuren verfolgen zu kön— 
ten, werden die Rollen die mit 
Kreide beftrihen. Auch Rollſchuhe 
von Motoren betrieben, die zwijchen 
den Rädern liegen, find kürzlich 
erfunden worden; ihnen ift aber 
feine Zufunft zu prophezeien — 
noch zu wünschen. 

Die beliebteften Rolfchuhlauf: 
figuren find die „Srapevine” (beim 
Eislauf als „Rebe“ bekannt), der 
Bogenachter, die, KRompaß- Acht” und 
das „Malthefer: Kreuz. Die „Bi: 
rouetten-Spirale” Tann von den 
beiten Läufern nur durd) jahrelange 
Vebung erlernt werben. 





7 


Mdolf Rziha. IV. 3. Schlittenſporte. 


Niro. 263—264- 


3. Schlittenfporte. 
Von 
Dr. Adolf Rziba-Mödling (Wien). 


Das Welen der Schlittenfporte. 


263. Schlitten nennt man jedes 
zum Perjonen: oder Laftentrang- 
port geeignete Fahrzeug, dag mit 
mindeſtens zwei Gleitflähen auf 
einer glatten Fahrbahn ftabil auf- 
ruht und auf diejer gleitend fort- 
bewegt werden Tann. Yür den 
Begriff ift es gleichgültig, welcher 
Art die fortbewegende Kraft ift. 
In der Regel ift ed die Zugkraft 
von Tieren oder Menjchen. Ber: 
einzelt wird auch die Kraft des 
Windes mittelft Segel zur Fort: 
bewegung verwendet. Neueſter 
Zeit find Berfuhe mit dem An: 
trieb durch einen Erplofionsmotor 
im Zuge. Eine große Anzahl von 
Gebrauchsſchlitten ift derart gebaut, 
daß die menschliche oder animalijche 
Zugkraft nur dazu verwendet wird, 
dag Yahrzeug an einen höher ge: 
legenen Punkt der Fahrbahn zu 
bringen. Die Bergabfahrt gefchieht 
dann lediglich durd die Einwirkung 
der Schwerkraft. Be nah dem 
Grade der Gleitfähigkeit der Fahr: 
bahn ift eine größere oder geringere 
Neigung derjelben erforderlich, damit 
die Schwerkraft dag Reibungs⸗ 
moment der Gleitflädhen auf der 
Fahrbahn überwinden Tann. 

Sleihgültig für den Begriff 
Schlitten ift e8 endlich) auch, welcher 
Art die glatte oder richtiger gleit- 
fähige Unterftügungsfläde be⸗ 
ziehungsmeije Fahrbahn ift. In der 
Negel werden Schlitten freilich nur 
- zur Befahrung fchneebederter Wege 
oder Eisflähen verwendet. In 
manden Gebirgsgegenden benützt 


man jedoch auch Schlitten, die auf 
feuchten Wieſenhängen, in Hohl: 
wegen, die mit Waſſer beriejelt 
werden, auf Geröllhalden und auf 
feuchten Holzprügelwegen gleiten. 
Die Gleitfähigkeit gefetteter Holz- 
laden iſt ſogar von ſpekulativen 
Unternehmern zur Anlage von 


„Sommer-Rodelbahnen“ benützt 
worden. 
264. Sportſchlitten. Weitaus 


enger iſt der Begriff des ſportlich 
verwendbaren Schlittens. Zunächſt 
ſcheiden alle Fahrzeuge aus, welche 
nicht auf Schnee und Eisdecke fort⸗ 
bewegt werden. Bi3 heute ift der 
Schlittenſport ganz ausſchließlich 
ein Wintervergnügen. Die in der 
Schweiz an verſchiedenen Orten 
üblichen ſommerlichen Schlitten— 
fahrten auf Gletſchern, können keinen 
Anſpruch auf ſportliche Bedeutung 
erheben. 

Allein auch die fortbewegende 
Kraft kommt bei Abgrenzung des 
Begriffes „Sportſchlitten“ in Be: 
trat. Unter Sportſchlitten ſchlecht⸗ 
weg verfteht man derzeit nur ſolche 
Fahrzeuge, die fi durch die Ein- 
wirkung der Schwerfraft, alfo ver- 
möge ihre® und des Gemictes 
ihrer Fahrer auf einer geneigten 
Fahrbahn fortbewegen. Die Bes 
mwegung des Schlittend kann daher 
nur in einer Richtung, nämlich talab 
erfolgen. Die Aufmärtöbeförderung 
des Fahrzeuges ift niemals eine 
ſportliche Betätigung. Vielfach 
geſchieht ſie gar nicht durch die den 
Sport ausübenden Perſonen. 

Im weiteſten Sinne können 
allerdings auch Schlitten, die durch 


Nro. 265- 266. 


animaliſche oder motoriſche Kraft 
bewegt werden, als Sportſchlitten 
aufgefaßt worden. Die Grenzlinien 
zwiſchen dem Winterſport und 
einigen anderen Sporten fallen auf 
dieſem Gebiete eben zuſammen. So 
könnte das Fahren mit Traber- 
pferden vor leichten Rennſchlitten 
oder fog. Gaſſeln eher dem Pferde: 
Iport, die Benügung eines Motor: 
Schlitten dem Automobiljport, der 
Segeliglittenfport dem Segelfport 
überhaupt mit mehr Berechtigung 
als dem Schlittenſport zugezählt 
werden. 

265. Schlittenſport nennt man 
jene nicht berufsmäßige, aber nad) 
beftimmten Regeln und technifchen 
Kunftgriffen vorgenommene Betäti- 
gung mit fportlih anerkannten 
Sclittentypen, für welche dieſe je 
nach ihrer Eigenart beſtimmt find. 

Die Ausübung des Schlitten— 
ſportes befteht im Tunftgerechten 
Bergabgleiten mit dem Fahrzeug. 
Die bloße Fortbewegung allein ge⸗ 
nügt jedoch hiezu nicht ; es ift ſport⸗ 
li, die größtmöglide Schnellig- 
feit der Fortbewegung zu erzielen. 

Diefer Zweck wird objektiv er: 
reiht Dur Verwendung einer 
möglichft brauchbaren, den Terrain 
verhältniffen angepaßten Schlitten⸗ 
type und Befahrung einer geeig- 
neten Bahn. Der Zwed wird aber 
auch jubjeftiv erreicht durch Ent: 
faltung der perfünlichen Fähigfeiten, 
die demjelben förderlid) find. 

Diefe perfönligen Fähigfeiten 
find hier wie bei allen Sporten 
und insbeſondere allen Bewegungs⸗ 
iporten: Geſchicklichkeit und tech— 
nifches Können, Mut, Geiftesgegen: 
wart und Körperfraft. Lebtere hier 
erft in zweiter Linie, während ſie 
bei anderen Bemwegungsiporien 
(Rudern, Radfahren) anerfter Stelle 


Adolf Riiha. 


ift Sportlich, das Ziel jo raſch wie 
möglih zu erreichen. Wie nun 
gleich gezeigt werden wird, haben 
fih verſchiedene Formen von 
Schlitten entwidelt, die aber nidt 
alle ihrer Bauart auch diefem Haupt: 
zweck gleich dienfibar gemadt find. 


Entwidlung und Einteilung 
der Schlittenfporte. 


266. Die ältefien Formen der 
Schlitten, die unjeren heutigen 
Sportſchlitten zur Vorlage dienen, 
dürften die ſchweren Zugſchlitten 
der Holzknechte fein. In vielen 
Gebirgdgegenden wird das gefällte 
Holz zur Winterdzeit in eigens 
hiefür gebauten Schlitten zu Tal 
gefördert. Der Lenker des Schlitten 
zieht zwar an Stellen des Weges, 
die ein zu geringes Gefälle haben, 
den Schlitten, aber in der Regel 
erfolgt die Fortbewegung nur durch 
die eigene Schwere des Schlittens. 

Pferdebefpannte Schlitten Haben 
den heutigen Sportfchlitten kaum 
zum Borbilde gedient. Ihre Baus 
art ift derartig, daß fie bei einer 
Fortbewegung dur die eigene 
Echmere gänzlich unlentbar wären. 

Auch die oben erwähnte Type 
der Holzſchlitten hat aller Wahr: 
icheinlichfeitt nach nicht den um 
mittelbaren Anjtoß zur jportlichen 
Verwendung des Schlitten gegeben. 
Dazu hat es noch eined Umweges 
bedurft, merkwürdigerweiſe 
über den Kinderſchlitlen. 

Zu einer Zeit, in der noch nie 
mand das Wort „Bobsleigh“ kannte, 
war der Kinderiglitten, dag un 
mittelbare Borbild des heutigen 
Skeleton? einerfeit3, der Rodel 
andererjeit8, bei der Jugend in 
hoben Gnaden. Der Schlitten 
diente als harmlofes Spielzeug zu 
Heinen Rutſchpartien über janfte 


— 


fteht. 
Der Schlittenſport ift alfo in erfter | Hügel. Wenigſtens in den Stäbten 


Linie ein Schnelligfeitsfport. 


E3 | und wenig gebirgigen Lanborten 


— An * = Br 4. Far 
ir Bes) ae ee RT 
en — Dr Ba = . 








IV. 3. Schliftenfporfe. 


wurden die Kinderfchlitten nur in 
diefer Weife verwendet. 

Anders hatte ſich die Sade in 
den gebirgigen Gegenden entmwidelt. 
Dort war langjam aus dem ſchweren 
majfigen Holzjclitten, für den 
Einzelgebrauch ein leichterer, ihm 
fonft ähnlicher Schlitten entjtanden, 
defien fih auch Erwachſene be: 
dienten. Der Holziclitten war zu 
ſchwerfällig, um überall ficher ge⸗ 
lenkt zu werden, auch war -jeine 
Bergaufbeförderung eine mühſame 
Arbeit. Wenn es fih alſo nur 
darum handelte, von einem hoch- 
gelegenen Arbeit3plaß, einem Berg: 
gehöft raſch hinab ind Tal zu 
fommen oder nur geringe Lajten 
talmärt3 zu befördern, dann ergab 
fih das Bedürfnis nad einem 
leichteren Fahrzeug. Seiner Be: 
ftimmung nad mußte dieſes Yahr- 
zeug auch für Fußſteige vermend- 
bar fein, auf welden Fuhrwerk 
nicht verfehrte. Damit war eine 
ſchmälere Bauart gegeben und dieſe 
wieder hatte zur Folge, daß der 
Schlitten vom Fahrer in Reitjig 
benüßt wurde. 

In diefer Form, wenigſtens dem 
Grundgedanfen nad, im Detail 
natürlih ſtark verſchieden, waren 
Handfdlitten im Gebirge bereits 
zu einer Zeit im Gebraudh, in 
welcher die Träger des Sportes, 
die erwachfene Jugend der größeren 
Städte, überhaupt den Winter im 
Gebirge noch gar nicht fannten. 

267. Die erfte annähernd fport- 
liche Berwendung dieſer Handſchlit⸗ 
ten begann mit der „Entdeckung“ 
des Winters durch die Städter. Die 
Zeit liegt nicht weit Hinter ung, 
in der man in Mitteleuropa außer 
dem Eislauf und Sclittenpartien 
mit pferdebefpannten Schlitten ein 
Wintervergnügen für Erwachſene 
nit kannte. 

Die Kinder hatten ihre Heinen 
Schlitten, außerdem betrieben fie 


Niro. 267. 


das Schneeballen werfen, Schnee- 
männer maden und dergl. Die 
Erwachſenen ftanden in Pelz und 
Ueberfchuhen dabei und freuten ſich 
der luftigen Jugend. Diegumutung, 
fi felbit eines ſolchen Schlittens 
zu bedienen, wäre mit Entrüftung 
zurüdgemwiejen worden. 

Das Belanntwerden der Winter- 
furorte und der Giegedzug des 
Schi, den diejer aus feiner nordi- 
ſchen Heimat durch alle deutfchen 
Lande antrat, find die Faktoren, 
die ung den Schlitteniport gebracht 
haben. 

Freilich fpielt noch ein dritter 
Umjtand mit: die wieder ermachende 
Liebe zur Natur, die gemaltige 
Sehnſucht, die feit einigen Jahren 
die Kulturmenſchen erfaßt hat, in 
den freien Stunden und Tagen, die 
uns das Berufsleben übrig läßt, fich 
dem Zauber der Natur hinzugeben. - 

Die Winterfurorte bewirkten die 
feinere Differenzierung der Sclit- 
tenfporte, die wiederkehrende Natur⸗ 
freude deren Verallgemeinerung. 

An den Kurorten fanden jidh, 
angelodt durh Die begeijterten 
Schilderungen der Kranken, bald 
auch die Gefunden in Scharen ein. 
Ein genußfreudige® und gutfi= 
tuierte8 Publikum fam. Engländer 
mit ihrem untrügliden Sinn für 
Sport griffen als erjte die Mög- 
lichkeiten auf, die ihnen die Kleinen 
Handſchlitten boten. So entftanden 
die ſpezifiſch anglo-amerifanifchen 
Sportilitten der Bobsleigh und 
der Steleton. 

Die große Menge der Winter: 
touriften, mit Schi, Schneereifen 
und ohne dieſe Behelfe, wendete 
fih den genügfameren Scdlitten- 
formen zu, fie ſchufen die fportliche 
Rodel und den Hörnerfchlitten. - 

Einige Typen wurden endlich 
direft importiert: der Toboggan 
aus Canada, der Rennmwolf und 
Kiälfer aus Norwegen. 


Niro. 268— 269. 


268. Die Einteilung der Sport- 
jehlitten ergibt ſich aus der eben 
in Kürze dargeftellten Entwidlung | 
des Sclittenjportes. 

Das älteſte jportlihe Fahrzeug 
ift die Rodel, der unmittelbare 
Nachkomme des Handſchlittens wie 
ihn die Gebirgsbauern benüßten. 
Von ihr aus vollzog ſich die Ent: 
wicklung der zwei ganz augjchließ- 
lich für ſportliche Zwecke verwend- 
baren anglo-amerifanijchen Sclit- 
tentypen, des Sfeleton zunädjt, 
de8Bob8leigh in weiterer Folge. 

Die Rodel ſelbſt fand bleibend 
eine hochſportliche Berwendung, 
wurde aber daneben aud ein 
Touriftenvehifel und ein bloßes 
Winterbeluftigungsmittel,wenn auch 
mit jportlidem Charakter. Der 
Hörnerſchlitten ift der unver- 
änderte Holzichlitten der Gebirgler, 
lediglich angepaßt für die Aufnahme 
von Berjonen — ftatt von Scheit- 
holz. Importiert wie der Schi, 
aber nicht annähernd mit demjelben 
Erfolg murden in unveränderter 
Form der Rennwolf, der To- 
boggan und der Kjälfer. 

Eine noch nicht 
jehv bedeutende 
Rolle jpielt der Eis— 
ſchlitten. Der Se— 
gelſchlitten dagegen 
fällt in das Gebiet 








Adolf Ryiha. 


diefer wieder den Bobsleigh ent: 
ftehen laſſen. 

Dieje beiden Formen nehmen 
neben der Rodel ſportlich den höchſten 
Rang unter den Sportſchlitten ein. 

Allen übrigen Typen kommt 
dann eine beträchtlich geringere 
Bedeutung zu, weil ſie einerſeits 
nicht überall gute Lebensbedingniſſe 
finden und andererſeits nicht Sen— 
ſationen von gleichem Maße wie 
die zuerſt genannten drei zu geben 
vermögen. 

Bei jeder Type wird deren Bau— 
art, die Art der erforderlihen Bahn 
und die Technik ihrer Benügung 
getrennt zur Beſprechung fommen. 


Die Rodel. 


269. Die Rodel ift das Ge- 
meingut aller Winterfreunde und 
erfreut fich gleicher Beliebtheit bei 
alt und jung, bei bedächtigen 
Wintertouriften und mwagemutigen 
Nennfahrern. Wenn der Laie von 
Sportichlitten und vergl. hört, denkt 
er zunächit überhaupt nur an die 
Rodel. Sie fann verwendet werden 








des Gegeljportes 
und findet hier nur 
gelegentlih eine 
Würdigung. 

Die folgende Daritellung wird | 
fh der hier gegebenen Einteilung 
anſchließen. Zunächſt joll Die 
Rodel inihren verjchiedenen Formen 
und DBerwendungsarten zur Be: 
jprehung fommen, weil fte das 
verbreitetite und univerjellite der 
Sportfahrzeuge ift und mehr oder 
weniger auch bei allen Bate ftand. 

Die jpeziell jchweizerifche Form 
der Rodel hat dem Skeleton und 








127. Norweger Kjälfer. 


auf fteilen furvenreichen, mehrere 
Kilometer langen Bergmwegen ſowohl 
als auch auf fanften Hügellehnen. 

Wie der Schi ein Gemeingut 
faft aller Winterfreunde geworden 
ift, fo iſt's auch die Rodel, ja noch 
in größerem Maße. Cbenjo wie 
die Schiläufer ſehr ungleiches 
Können zeigen, find auch die Rodler 
nicht mit gleichem Maße zu mejjen. 


‚Den Schiläufern, die vor der Ber 


IV. 3. Sıhlitfenfporfe. 


Nro. 270. 


zwingung eines Hochgipfels nicht | Boden auffteht. Sie ift ein 70 big 
zurüdichredfen, ftehen die Rodler | 110 cm langes Holz oder Metall: 


gegenüber, die in Eilzugstempo 
ihre Fahrzeuge beim Rennen über 
Tchwierige Streden jteuern. Bon bei- 
den geht dann die Stala herab bis zu 
den Beſuchern fanft geneigter 
Uebungswieſen und den fröhlichen 
Wieſenrutſchern. Alle fommen auf 
ihre Rechnung. Und wie im Sci- 
fporte die Heine Schar der kühnen 
Springer gemifjermaßen die Elite 
der Sportjünger bildet, fo ſtehen 
die Bobsleigh-⸗Leute und die wag- 
balfigen SteletonsFahrer an der 
Spige der großen Gilde der 
Sdlittenfportler. 

Eine Befhreibung der Rodel 
ift ungeachtet der Annahme, daß 
das allgemeine Ausfehen des Fahr⸗ 
zeuges wohl befannt jein dürfte, 
unbedingt geboten. Bei allen 
Sportvehifeln fpielen ja die De- 
tail8 eine große Rolle. 

Die Industrie hat mit dem raſchen 
Aufblühen des Winterfportes nicht 
nur volllommen Schritt gehalten, 
fie bat fogar ein noch fchnelleres 
Tempo eingefchlagen und gerade 
auf dem Gebiete der Rodelfabri- 
fation eine Anzahl Typen und For⸗ 
men auf den Markt gebracht, die 
nicht gerade durch wirklich praftifche 
Erwägungen, vielmehr häufig nur 
durch das Beftreben, wieder etwas 
„Reue“ zubringen, entſtanden find. 
Es empfiehlt fih daher eine Art 
Normalform der Rodel aufzuftellen 
und mit diejer die verjchiedenen 
marktgängigen Formen auf Güte 
und Zweckmäßigkeit zu prüfen. 

Die Rodel ift ein zur Vorwärts⸗ 
bewegung durch die eigene und die 
Schwere de Fahrers beftimmter 
Schlitten mit einem in fefter Spur 
laufenden Kufenpaare, auf welchem 
ein bis drei Perſonen im Reitſitz 
Pla nehmen können. 

Kufe nennt man den Beftandteil 
der Rodel, mit welchem diefe am 


ftüd, da8 vorne ungefähr in einem 
ViertelfreiS aufgebogen ift. Zwei 
jolde Kufen, parallel und ſym— 
metriſch in einer Entfernung von 
30—40 cm nebeneinander auf den 
Boden gejtellt, bilten das Auflager 
der Rodel. Ober den Kufen laufen 
zwei Längsleiſten, durch zwei oder 
mehrere Duerleiften verbunden, die 
den Sit tragen. Borne find die 
Längsleiften mit dem Aufbug (Hör- 
nern) der Kufen verbunden, rüd- 
wärts unter dem Sit befinden ſich 
ein oder zwei Paare von GSib- 
ftreben, die hier die Verbindung 
zwifchen Sit, Leiten und Kufen 
berftelen, fo daß der Sitz etwa 
20—25 cm ober den Kufen ſteht. Die 
untere Fläche der Kufen trägt eine 
feft aufgenietete Metallfchiene. 

270. Das Material ift, wie 
Ion erwähnt, Holz oder Eifen. 
Urfprünglid wurden die Rodeln 
nur aus trodenem Eſchenholz, 
jpäter auch aus anderen Holzarten, 
insbefondere Hickoryholz, Heute 
vielfah aus Stahl, u. zw. Winfel- 
oder U-Eiſen oder Mannesmann- 
rohren, hergejtellt. Hölzerne Rodeln 
bedürfen ſehr erafter Arbeit an 
den Perzapfungen, die übrigens 
vielfah mit Metallſchuhen ver: 
ftärtt werden. Trodenes, zähes 
Holz: ift unerläßlih, ebenfo ein 
Metallbeichlag der Kufen, da Holz 
allein zu wenig Gleitfähigfeit be= 
fist. Den fchmiedeeijernen Bän- 
dern, die im Anfang zum Beichlag 
verwendet wurden, find Schienen 
aus Werkzeugſtahl, an der Auflage: 
fläche etwa 12—16 mm breit und 
nicht zu Scharflantig, entſchieden 
vorzuziehen. In jedem Falle müfjen 
die Köpfe oder Nieten gut verjenft 
jein, damit die „Sohle“ der Kufe 
nicht kratzt. 

Se weniger Verzapfungen und 
Verbindungen eine Nodel zeigt, 


— — — — 
v * 


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> ai Zi De Di De En —— 
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u 





Nro. 271, 












Adolf Ryiha. 


deito mehr Garantie bietet ſie Der Sit befteht in der Regel 
gegen Brüche und Ausfprengungen | aus einem Gurtengefleht; auch 
der Zapfen. Darin liegt der Vor- Holzleiften werden verwendet, find 
zug der Metallrodeln, die meift | aber nicht jehr zweckmäßig. 
aus einem Stüd gebogen werden | Das Gewicht einer Rodel b 
und deren Teile mit Muffen zu: |trägt 3—6 kg; jchwere Formı 
Jammengehalten find. die bejonders für Rennen weg 
| des größeren Eig 
gewichtes und d 
beträchtlichen 
derſtandsfähigk 
bevorzugt werd 
wiegen auch bis 
10 kg und dar 
über. uf 
271. Die ge- 
bräudlichiten For⸗ 
men find die Da— 
vofer Rodel, 


u‘ 


ein langes, niede= | 


— ——— — — res Fahrzeug mit 
HE Breiten Bandeijen- 
johlen, Holzleiſten⸗ 


fig über die ganze 
Länge, kurzen Hör- 
nern, jtarf gebaut 
aber nicht jehr praf- 





tiſch. Die Breite 
der Sohlen, die | 
Länge und der zu 
niedere Bau er: 
jchweren die Lens 
fung, die fehlenden | 
Hörner laſſen den 
Fuß die Stübe vers | 
mifjen, der Holzes 
leiftenfis iſt une 
bequem; dennoch 
find fie in der 
Schweiz am mei- 
jten verbreitet. 
Das Gegenſtück 
ft die Salz 
burger Rodel, 
ein hoher, kurzer 
Schlitten, auch mit 
Holzleiiten und et— 
was Ddurchfedern- 
den, leicht konver 
131. Tiroler Rodel, gebogenen Kufen, 











| 


4 | * a) 





Dr. Rziha (Mödling bei Wien): der Begründer des NRodeljportes. 


Ein flinfe8 Fahrzeug, das aber 


leicht fippt. 


Die Halltaler Rodel, ein 
rihtig Dimenfionierter 
mit größeren Hörnern, Sitleiften, 
die gegen rüdmwärts etwas tiefer | 


ftehen, kurzem, 

zurücgelegenem 
Gurtenſitz, mittel- 
breiten Bejchlägen; 
eine handliche und 
Ichnelle Form, nur 
nicht immer ganz 
verläßlich. 

Die Vordern- 
berger NRodel, 
ein Mittelding zwi— 
hen Galzburger 
und Halltaler, mit 
feinen Stahlbe— 
Ihlägen und hohen 
Kufen, die gut den 
Schnee _ jchneiden. 
Die Bayrifde 
Rodel, ein ftarf- 
fnodiger, wider— 
ftandsfähiger, et— 
was furzer Schlit- 
ten, der bejonderg 
dadurch auffällt, 
daß fich die Längs- 
leiftten vor dem 
Sit kreuzen, die 
linfe aljo zum 
rechten Kufenhorn 
führt und umge— 
fehrt, wa3 zur Ber- 
fteifung dient. Die 
Tiroler Rodel, 
gleichfall3 ein jtar- 
fer, gebrungener 
Schlitten, charak— 
terifiert dadurch, 
daß die Hufen durch 
den Aufbug und 
die Hörner jofort 
in die Längsleiſten 
übergehen, mit 
ihnen aljo ein Gan⸗ 
ze bilden. Die 





“ er . \ B #7 en 
vn - * J 


IV, 3. Schlittenſporte. 


Leobner Rodel, 


Niro. 271. 


aus einem 


Stück Stahlrohr gebogen, mit einer 


bogenartigen Berbindung der Hör: 


Schlitten | ner, die eine gute Handhabe bietet, 








154. Phönirrodel. 


ähnlih auch die Bhönirrodel. 
Die Leobner Rodel ift in Oeſter— 





18 































= 272. Mdolf Rziha. ou 
reich ſehr beliebt und wird in | portieren, für jehr jharje Fahrten 
ftärfer gebauten Typen von den aber etwas zu wenig verläßlih. 
befanntejten Nennfahrern benutzt. Mit diefer Aufzählung find nur” 
Nanſen-Rodel, aus fevernden | einige der marktgängigen Typen 
Bandeifen, daher etwas unficher. | erwähnt. Es gibt natürlich eine‘ 
Menge Zwiſchen— 
formen, je nad 
ihrer Brovenienz 
der einen oder 
anderen Grundtype 
näherfommend und 
von jehr ungleichem 
Werte. 

272. Kleidung - 
und Ausrüſtung 
der Fahrer bedür— 
fen, wie bei allen 

Winterjporten, 
einer bejonderen 
Sorgfalt. Für ges 

135, Phönir:Rodel nach Leobner Modell. legentlihe Kleine 
Rodelfahrten mag 

Klapprodel, zwei zufammenleg- | bald ein guter Winteranzug ges 
bare Kufengeftelle, die aufgeklappt |nügen, wer aber Ausflüge auf 
durch einen Gurtenfit und einzus | alpine Bahnen zu machen gedenkt, 
hafende Eiſenſpreizen verbunden | fol in diefer Richtung ja nicht leicht= 
werden. Sie jind bequem zu trang- | finnig fein. — 














- 





EEE ZT ———— EL — —— rrr— FTIR 


136. Nanfen=Rodel im Gebrauch. 137. Keobner 





IV. 3. Sıhlitten[porfe. 


Der Rodler iſt bedeutenden 
Temperaturjchwanfungen ausgejeßt. 
Beim Aufftieg erhigt das Steigen, 
verbunden mit dem Tragen oder 
Ziehen der Rodel den Körper, bei 
der Abfahrt dringt ein Falter Luft- 
jtrom durch alle Boren der Klei- 
dung. Es empfiehlt fich, über einer 
. wollenen Unterfleidung ein Paar 
Kniehofen aus ftarfem glatten 
Zrifotjtoff, der den ftaubenden 
Schnee nicht fejthält wie die rauhen 
Stoffe, zu tragen. Ein Leibchen 
aus gejtridter Wolle mit Nermeln 
it als Kleidung 
für den Oberförper 
dem Smweater vor: 
zuziehen, weil es 
nötigenfall3 geöff- 
net werden fann. 
Der Rod, au glei- 
chem Stoffe wie 
das Beinfleid, muß 
am Halſe gut zu 
Ichließen ſein. Sehr 
zweckmäßig ift eine 
furze Lederjade, 
weil fie feinen Luft- 
zug durdhläßt. Die 
Kappe joll über 
die Ohren zu ſchla— 
gen fein. Die Wa: 
den merden am 
beiten mit Loden— 
gamaſchen, engli= 
hen Wideln oder 
ftarfen Stutzen befleidet, lebtere 
bedürfen aber eines Wickelſtreifens, 
der das Eindringen von Schnee in 






den Stiefel verhindert. Unerläßlich | ſ 


auh für Kleinere Fahrten find 
ftarf genagelte Bergihuhe und 
grobe Fäuftlinge, die mit Stulpen 
über die Aermel gezogen werden 
fönnen. Fäuftlinge, die ſchwer 
wafjerdurdläffig find oder minde— 
ftend über die Fingerjpigen einen 
Beſatz aus weichem Leder haben, 
find für Fahrer, die bereits in die 
Geheimnifje der Handlenfung ein- 


Nro. 272. 


zudringen vermochten, unerläßlid). 
Jedenfalls ift ein ſehr warmer 
Handihuh notwendig. 

Den Damen jei dringend das 
Tragen von ſog. Reformbeinflei- 
dern aus jtarfem, aber nicht rauhem 
Stoff empfohlen. Wenn irgend 
tunlich, dann bleibt der lange Rod 
(Schoß) überhaupt weg oder wird 
wenigſtens zur Abfahrt aufgefchnallt. 
Auf der Rodel wirkt der Frauenrod 
geradezu al3Schneefänger, durchnäßt 
I außen und innen und ift aljo 
direft geſundheitsſchädlich. Auch 





138. Klapper-Klapp=Rodel. 


— — 


139. Klapper-Alapp-KRodel. 


ſieht das Aufſchlagen und Einklem— 
men des Rockes unter die Beine 
gewiß nicht ſehr ſchön aus. Mag 
ein, daß bei andern Sporten das 
Tragen von Männerfleidung jeiteng 
der Damen nicht gerade notwendig 
mar, beim Winterjport, insbeſon— 
dere Schilauf und Rodeln, ift es 
aus bygienifchen Gründen geboten. 
Ein gut gejchnittenes® Beinfleid 
und eine über die Hüften reichende 
Sade wirken bei allen nicht zu 
ftarfen Figuren ſehr hübſch. 

An Ausrüftungsftüden bedarf 


—R 


Nro. 273. 


der Rodler eigentlich nur eine gute 
Rebſchnur zum Ziehen der Rodel. 


Der Ruckſack iſt bei ſchneidigen 
Fahrten hinderlich; tft feine Mit: 
nahme unentbehrlich, dann muß er 


vor der Abfahrt an den Leib feft- 


gebunden werden, damit er nicht 
beim Zurüdlegen des Oberkörpers 


nachjchleift. 


140. Keobner Stahlrennrodel im Gebrauch. 


Schugbrilfen find bei Schnee— 
treiben fehr gut, doch laufen fie 


raſch an; beſſer ift eine neue Form 


der Automobilbrilen mit einem 
Shmalen Augenfhlig. Zu warnen 
iit vor der Mitnahme von Stöden. 
Selbft wenn fie bei der Abfahrt 
unter den Sig gebunden werden, 
befteht dod) die Gefahr, daß man 
bei eventuellen Stürzen fi oder 
andere mit der meiſt eifenbejchla- 
genen Stodfpige verlegt. 


| gabemeg, 
;10°, und darüber hat, deffen 











Adolf Rıiha. 


273. Als Rodelbahn Tann jeder 
der ein Gefälle von 


Oberfläche aus hartgefrorenem oder 
gut niedergetretenem Schnee be: 
flieht und der nicht zu fehr von 
Fußgängern oder Pferbefuhrmerl 
benüßt wird, in Verwendung kom: 


men. Auch geeignete Wiefenhänge, 


wenn fie nicht zu 
hoch mit Schnee 
bededt find, oder 
wenn die Schnee 
dede hart gefroren 
iſt, geben jchöne 
Nodelbahnen. 
Allein man wird 
eine gewiſſe Unter: 
Scheidung vom 
Standpunkte der 


müffen. 

Für den Anfän- 
ger und für be 
quemere Fahrer 
eignen ſich breite, 
möglihft gerade 
verlaufende Wege 
ohne befondere 
Hinderniffie und 

Schmierigfeiten 
und mit feinem al: 
zugroßen Gefälle. 
Alſo etwa ein 
Stück Landſtraße, 
ein gut ausge⸗ 
fahrener Wieſen⸗ 
hang, der unten in 
ein flaches Stück (den Auslauf) 
übergeht, ein ſanft fteigender Pro: 
menadenmweg, alles mit eima 10 
bis 15°/, Gefälle, einige hundert 
Meter lang, ohne ftarfe Windungen 
und Kurven. 

Auch die Schneedede folder An: 
fänger- und Beluftigungsbahnen 
fol nicht zu hart gefahren jein. 
Dann kann ſich ein luſtiges Rodler⸗ 


— — — — ee stem 
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—* 


Fahrer aus machen 


— — — — — — — — — — 


völkchen ungeſtraft tummeln, die 


unvermeidlichen Stürze werden 


— —— 


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IV. 3. Sıhliffenfporfe. 


harmlos verlaufen, die Bahn kann 
zehn-, zwanzigmal befahren mer: 
den, und dazwiſchen gibt es noch 
immer Gelegenheit zu plaudern 
und über die drolligen Stürze der 
andern zu laden. 

Bon diefem Standpunkte au? 
fann man alſo ſolche Bahnen als 
gute Rodelbahnen bezeichnen. Sie 
find wichtig, denn fie ziehen die 
erften Freunde des Sportes heran 
und geben ihnen Gelegenheit, fich 
auszubilden, die Feinheiten der 


Lenkung zu lernen und dienen als 


Borftufe für das Befahren echter 
fportlider alpiner Bahnen. 

Dieje wieder find die Domäne 
der gejchulten Rodelfportleute. An⸗ 
fänger tun gut, ſich auf ſchwierige 
Bahnen erft zu wagen, bis fie die 
Lenkung volljtändig erlernt haben. 
Bedauerlihe Unfälle, die ja leider 
ziemlich häufig vorlommen, find in 
der Regel darauf zurüdzuführen, 
daß unerfahrene Rodler fich auf 
Bahnen wagen, denen fie nicht ge- 
wachſen find. 

Für den wirklich geübten Fahrer 
Dagegen gibt es nichts Köftlicheres, 
als eine ſchöne Bahn, ſchön von 
feinem Standpunfte. Die Kunft 
des Sportrodlerg befteht eben darin, 
das Fahrzeug in möglichſt großer 
Schnelligkeit auf einer fchwierigen, 
bindernigreihden Bahn zu Tal zu 
fteuern. Der fportlide Reiz liegt 
ja doch überall in der Befiegung 
von Schwierigkeiten. 

Diefe fchönen Bahnen, die ihm 
dag ermöglichen, findet man in ge⸗ 
birgigen Gegenden in großer Zahl. 
Sie führen entweder von verein- 
zelten Gehöften, von Schughäufern, 
Alpengafthöfen oder Holzichlägen 
ind Tal, oft find ed auch Alpen 
ftraßen — .aber nit aus der 
jüngften Epoche des Straßenbaug, 
der nie über 10°, Steigung 
trafjiert —, die prächtige Abfahrten 
gewähren. 


Nro. 274. 


Eine gute Bahn in diefem Sinne 
muß lang fein, ein entſprechendes 
Gefälle von 12—15°/, im Durd- 
Schnitt und zahlreiche, vom Stand: 
punkte des Rodlers aus inter- 
efjante Kurven befigen. Eine Länge 
von 2—3 km und darüber ift jtet3 
erwünſcht, damit fi die Mühe 
des Aufſtieges lohnt. Sol eine 
folde Bahn auch zu Rennen be- 
nützt werden, dann find diefe Er- 
forderniffe doppelt geboten, damit 
die Fahrer ihr volles Können zur 
Geltung bringen können. 

Die Oberfläche der Bahn bedarf 
einer gewiſſen Beachtung. Ber: 
eijungen follen womöglich vermie- 
den werden. Auch fol die Bahn 
nit von ſchwerem Fuhrwerk aus— 
gefahren, geleiſig ſein. Tiefe 
Schneelage bei lockerem Schnee be- 
einträchtigt die Fahrgeſchwindigkeit 
ſehr. Wo eigene Vereine fich die 
Erhaltung folder Bahnen zur Auf: 
gabe machen, läßt fich mit geringen 
Mitteln leicht ein fchöner Erfolg 
erzielen. Aber auch dag Fuhrwerk 
fann bei richtiger Ladung (Holz 
nicht in einzelnen Stämmen, jons 


‚dern verfettet mit Reiftgunterlage) 


die Bahn befahren und fie dadurd 
befiern. 

274. Die Ausübung des Rodel- 
ſportes gefchieht in drei Arten. 
Bloße Beluftigungs= oder Uebungs⸗ 
fahrten auf leichten Bahnen al? 
Selbſtzweck oder zur Ausbildung 
in der exakten Lenkung; Rodeln 
als Beigabe der Touriftit, Ab- 
fahrten von Schughütten, Paß- 
übergängen u. dgl.; Rennfahren 
und deſſen Vorübung, das Trai- 
ning. Als fportliches Bravourftücd 
kommt endlih noch dag Springen 
mit der Rodel dazu. 

Welche Art immer gewählt wird, 
um dem Sporte zu huldigen, immer 
halte man fi vor Augen, daß es 
eben ein Sport ift, den man be- 
treibt, und kein Kinderſpiel. Das 








J Nro. 275. 


vermietet. 
wertige Fahrzeuge, Die leicht den 
Dienſt verſagen. Auch find folche 
- Abfahrten meift nicht unſchwer und 
daher nur Geübteren zu empfehlen. 
Rennfahrten bieten wohl das er- 
leſenſte Wintervergnügen. Der | Große Gefchwindigfeiten können 


4 


u 


Adolf 


Außerachtlaſſen dieſer goldenen 
Regel hat ſchon viel Unglück ver— 
ſchuldet. Auch Uebungsfahrten wer: 
den trotz aller guten Laune, allem 
Uebermut doch beſſer ſtets mit 
einem gewiſſen Maß ſportlichen 
Ernſtes zu unternehmen ſein. Die 
Grundprinzipien einer richtigen Len— 
kung ſollen nie aus dem Auge ge— 
laſſen werden. 

Touriſtiſche Rodelausflüge zählen 


1 


zu den ſchönſten Vergnügungen, die 


Rıiha. 


Fahrer weiß, für welden Zmwed er I 
jein Können einjeßt,; die raſche 

Fahrt, die Aufregung des Kampfes’ 
und die Hofinung auf den Sieg, ° 


dabei die verhältnismäßig geringe 
Anftrengung laffen die Teilnahme 
an einem Nodelrennen ald eines 


der ſchönſten Wintervergnügen, das. 


der Allgemeinheit zugänglich iſt, 
ericheinen. 


275. Die Lenkung der Rodel 


geſchieht durch die Füße, die Hände 





141. Nehmen einer Kurve nach der veralteten Sahrmethode, 


der Winter bietet. Eine Heimfahrt 
durch den ftillen weißen Wald, bei 
Mondichein etwa, ift etwas ganz 
Köftliches. Nicht ſehr zu empfehlen 
it e8, fih auf die Rodeln zu ver- 
lafien, die der Schutzhauspächter 
E3 find meift minder- 


— —— 2 


und die Verlegung des Körper: 
gewichtes. In einigen Gegenden 
Zirol8 und Salzburgs lenkt mat 
auch mit einem langen Bergftol. 
Dieje Methode wird bei Belchrei- 
bung des Kiälferfahrend genauer 
geichildert und ift für die Rodel 
nicht zu empfehlen. 

Anfänger müſſen zuerft die Len- 
fung mit den Füßen erlernen, bie 
im allgemeinen für Heine umd 


mittlere Geſchwindigkeiten ausreicht. 


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IV. 3. Schlittenſporte. 


nur dur Lenkung mittel® Ge- 
wichtSverlegung und Handfteuerung, 
die nur an ſehr ſchwierigen Stellen 
mit der Fußlenfung unterftüßt wird, 
erzielt werden. 

Es werden in neuefter Zeit fog. 
„lenkbare Rodeln” in den Handel 
gebracht. Sie haben meijt entweder 
zwei zueinander drehbare Kufen- 
paare oder eine dritte drehbare 
Lenkkufe. Da aber das Wefen der 
Rodel in den zwei feiten Kufen 
beiteht, fo gehören dieſe Fahrzeuge 


eigentlich gar nicht in die Kategorie 


der Rodel, jondern find eigentlich 
Miniaturbobgleigh3. Sie bewähren 
fih in der Regel auf jteilen Bah— 
nen nit, da die Lenkvorrichtung 
nicht ausreicht, um das Beharrungs⸗ 
vermögen der Rodel zu übermwin- 
den, und find eigentlich) nur eine 
Spielerei. Der Volljtändigfeit halber 
werden fie mit den Eleineren Bobs⸗ 
leightypen (Boblettes) bejprochen 
werden. 

276. Die Fußlenkung beruht 
auf dem Prinzip, dab durch Ekin- 
feitige Bewirtung einer Reibung 
auf der Bahn die Rodel nach jener 
Seite abgelenft wird, an welcher 
der MWiderftand verurſacht wird. 
Die Rodel wird alfo dadurch ge— 
fenft, daß je nad) Bedarf der linke 
oder rechte Fuß mit dem Abjah 
auf den Boden gedrüdt wird, wenn 
die Rodel fih nah links oder 
recht3 wenden foll. Die Stärke und 
Dauer dieſes Drudes richtet fich 
nach dem Grade der erforderlichen 
Ablenkung der Rodel von der im 
Momente ded Lenkens eingeſchlage— 
nen Ridtung. Zum Ausfteuern 
der Rodel auf gerader Bahn ge: 
nügt ein ganz fanftes Streifen mit 
dem Abfat. Bei Wegbiegungen und 
ftärferen Kurven muß der Drud 
entjprechend ftärfer fein und folange 
fortgejegt werden, bis die Kurve 
durchfahren ift. 

Der Fahrer fitt, un diefe Fuß—⸗ 


Nero. 276. 


bewegungen ſicher ausführen zu 
fönnen, mit etwas zurüdgelegtem 
Oberkörper ziemlich am rückwärtig— 
ften Teil des Sites, fo daß die 
Füße über die Hörner hinausſtehen, 
und legt die Innenſeite der Knie 
an die Rodel feit an; mit den 
Händen wird die rüdmwärtige Ber: 
längerung der Sißleiften, eventuell 
der Lenkbogen erfaßt. Schlecht ift 
es, die Rodel an einem Stück 
Strick wie mit einem Zügel lenfen 
zu wollen. 

Beim Durchfahren ftärkerer Krüm— 
mungen legt ſich der Oberkörper 
von jelbjt in die Innenſeite der 
Kurve. 

Die Handlenfung und Yen: 
fung durch Gewichtsverlegung be= 
ruht auf demjelben Grundfaß, ein 
feitig einen Widerftand zu verur- 
ſachen. Statt mit dem Stiefel: 
abja wird diefe Reibung mit der 
Snnenfeite der Hand und Finger 
bewirkt. Der Fahrer legt zu dieſem 
Zwecke den Oberkörper meiter nad) 
rückwärts und bei ftärferen Kurven 
auch mehr einwärts und läßt mit 
ftärferem oder ſchwächerem Drud 
die leicht gefrümmte Hand auf der 
Fahrbahn ſchleifen. Der Vorteil 
diefer Methode liegt darin, daß 
einerfeit3 die Hand für die Lenkung 
viel empfindlicher ift als der Fuß, 
alfo daß UWeberfteuern des Schlit— 
tens vermieden wird, andererſeits 
aus phyſikaliſchen Gründen ein viel 
geringere®? Maß von Widerjtand 
notwendig ift, um fchon den ge— 
wünſchten Effekt hervorzurufent. 
Außerdem wurde bei beſonders 
ſcharfen Wegbiegungen die Hand 
noch durch gleichzeitiges Einſetzen 
des Stiefelabſatzes unterſtützt und 
kann ſo eine ausgiebige Lenkwirkung 
erreicht werden. 

Die bloße Verlegung des Körper— 
gewichtes und die dadurd bewirkte 
Mehrbelaftung und erhöhte Reibung 
einer Kufe reicht allein bei geringerer 


Niro. 277-279. 


Schhnelligfeit aus, um ſchwache 
Drebungen der Rodel zu veran- 
laſſen. 

277. Das Bremſen des Fahr⸗ 
zeuges geſchieht bei nicht zu raſcher 
Fahrt durch gleichmäßiges Einſetzen 
beider Abſätze. Bei raſcher Fahrt 
werden dagegen beide Füße mit 
der vollen Sohle auf den Boden 
aufgefegt und mit den Händen die 
beiden Kufen vorne aufgehoben. 
Dabei ftüßen ſich die Ellenbogen 
auf die Oberjchenfel. Durch dag 
Aufheben des vorderen Teiles der 
Rodel gräbt ſich das rückwärtige 
Ende der Kufen in die Bahn ein 
und bemirft im DBereine mit dem 
fräftigen Aufdrüden der Sohlen 
ein Stehenbleiben auf fürzefte Di- 


ſtanz. 

278. Hinderniſſe und ſchwierige 
Bahnſtücke bedürfen beſonderer 
Sorgfalt ſeitens des Fahrers. 

Waſſerablaufgruben werden über: 
jprungen, wobei die Füße gut hoch— 
gehalten werden müfjen und der 
Oberförper fi) etwas nach vorn 
neigt. Ebenſo werden fandige, 
felfige Wegftellen mit feft an die 
Hörner gelegten, hochgehaltenen 
‚süßen überfahren. Während ber 
Paſſierung folder Stellen darf 
feine Lenkung vorgenommen werden. 

Eifige Bahnftüde Haben Teicht 
ein Schleudern der Rodel zur Folge. 
Dieje Stellt fih dann quer zur 
Fahrtrichtung, behält aber diefelbe 
bei. In folden Fällen muß mit 
dem Fuße fräftig abgeftoßen mer: 
den, um dad Fahrzeug wieder in 
die Richtung zu bringen. 

Iſt ein Sturz unvermeidlich, fo 
jol er vorweg genommen werden. 
Der Fahrer läßt fich alfo, ftatt in 
der Fahrrichtung abgefchleudert zu 
werden, im leßten Moment freie 
willig gegen die Fahrrichtung fallen 
und ſchwächt jo den Sturz. 

Anfänger verfallen gerne in den— 
felben Fehler wie angehende Rad: 


Adolf Riiha. 


fahrer und Automobiliften. Sie 
firieren die ihnen gefährlih er- 
Iheinenden Hinderniſſe, Bäume 
Pflöde ıc. und Ienfen dadurch auto⸗ 
matiſch, ohne es zu wollen, ihr 
Fahrzeug auf das Hindernis zu. 
Man gewöhne fih an, immer dort⸗ 
bin zu jehen, wohin man fahren 
will. 

Alles in allem genommen ift der 
Rodelfport nicht ſonderlich gefähr- 
lid. Wenn dennoch zahlreihe und 
mitunter auch ernite, ja tödliche 
Unfälle zu verzeichnen find, fo liegt 
died nur darin, daß die Mehrzahl 
aller Freunde des Sportes fich 
nicht die Mühe nehmen, die wenigen 
Griffe zu erlernen, deren Kenntnis 
zu einer halbwegs fchnellen Abfahrt 
unerläßlid ift. Man übe aljo an= 
fang nur auf ganz gefahrlofen 
Wiejenhängen und breiten, janft 
fallenden Straßen und wird jo 
jehr bald die allernotwendigften 
Kenntniffe erwerben. Freilich, zur 
Feinheit des Sportes vorzudringen, 
dazu gehört viel Fleiß und Liebe 
zur Sache. 

279. Das Zweifigigfahren ge⸗ 
Thieht nad denfelben Regeln wie 
da8 Fahren am Einſitzer. Ganz 
verfehlt iſt es aber, Rodeln, die 
als Einfiter gebaut find, zwei⸗ oder 
mehrfigig zu befahren und noch 
ſchlimmer ift ed, wenn ein mäßig 
geübter Fahrer, Perjonen die gar 
nichts von der Technif des Sportes 
wiljen, mit fih nimmt. Gut 70 
Proz. aller Rodelunfäle find auf 
diefe Kapitalfünde zurüdzuführen. 

Ein einzelner kann das doppelt 
belaftete Fahrzeug allein nicht 
fteuern und es wird unfehlbar in 
einer Kurve die Lenkung verjagen. 
Ein gutes Zweifiterpaar muß alfo 
aufeinander „eingejpielt” fein und 
alle Lenkbewegungen rhythmiſch und 
gleihmäßig vornehmen. 

Mehr Perſonen als zwei follen 
eine Rodel nicht befegen. Das 


"quawmgau gaany auio vqiſg ‘ıa "chi 





ro. 280. 


Fahrzeug müßte, um allen Pla zu 
gewähren, übermäßig lang gebaut 
jein und würde dadurch unlenfbar. 
Kürzer gebaute Fahrzeuge dagegen 
find überlaftet und haben daher die 
Tendenz zu pendeln und zu fehleu- 
dern. Zwei qut eingefahrene Rodler 
auf einem entfprechend langen Fahr: 
zeug von 80—100 cm Xauffläche 
erzielen im Durdichnitte eine per 
Kilometer um etwa 10 Gefunden 
bejiere Seit als ein Einzelfahrer. 

Andere Verwendungsarten der 
Rodel, ausgenommen das Springen 
über eine niedere, wellenförmige 
Sprungichanze, haben feinen fport- 
lichen Charafter; insbejondere nicht 
das Jahren auf Rodeln, die an 
einen Pferdeichlitten angehängt find. 
Doc, bietet dies in heiterer Geſell— 
jhaft ein beliebte und luſtiges 
Wintervergnücen. 

280. Tas Nodelrennen gilt wie 
jeder ſportliche Wettkampf als die 
vornehmſte Ausübungsart dieſes 
Sportes. Selbſtverſtändlich gilt 
dies nur von den wirklich ſportlich 
geleiteten Rennen auf ausgeſpro— 
chenen, langen Rennſtrecken. Rodel— 
rennen auf Bahnen, die nicht min— 
deſtens 1’, km lang find und ein 
Durchichnittsgefälle von etwa 13 big 
15 Proz. beſitzen, gewähren feine 
Sicherheit für eine forrefte Aus: 
tragung Des Kampfes. 

Die Art der NRennftrede, ein 
ſchmaler Bergweg u. dgl. gejtattet 
nicht den gleichzeitigen Start aller 
zeilnehmer. Die Nennen werden 
daher nur nach Zeit gefahren, in- 
dem ein Fahrer nad dem anderen 
in der Neibenfolge der durchs Los 
bejtimmten Startnunmern mit In— 
tervallen von Y, bis 3 Minuten, 
je nach der Schwierigkeit der Strede 
vom Start abgelaffen werden. Die 
Zeit, die jeder Fahrer zur Zurück— 
legung der Nennftrede benötigt, 
wird Durch zwei genaueit repaifierte 
Stoppuhren abgenommen. Die 


Adolf Ryiha. 


Geſchwindigkeiten, die bei Rodel- 
rennen erzielt werden, find relativ 
ſehr bedeutend, wenn man bedentt, 
daß abfichtlih Furvenreihe Wege 
gewählt werden, deren Gefälle aud 
nicht ftet3 genügend groß fein kann, 
um die Rodel zur vollen Geſchwin— 
digkeit kommen zu laffen. 

So murde im Jahre 1906 die 
Meijterfhaft der öfterreichifchen 
Alpenländer auf einer 3200 m 
langen Paßſtraße, die im oberften 
Drittel ſtark verfchneit war und 
neben vielen Krünmungen zwei 
ftarfe S-förmige Kurven befigt mit 
der Zeit von 4 Minuten und 11°), 
Sekunden gewonnen. Der Fahrer 
(Dr. Rziha) legte den Teßten 
Bahnkilometer auf leicht vereifter, 
ziemlich gerader Bahn in 57 Se— 
funden zurüd, hatte aber dabei vier 
Wafjerablaufgräben zu überspringen, 
die von der Rodel in zirfa 4 bis 
5 m langen Säßen genommen 
wurden. 

Die befte Zeit, die mit einer 
Rodel nah offizielen Mefjungen 
je gefahren wurde, erreichte Karl | 
Markel (Graz) am Anninger bei | 
Wien auf einer 1000 Meter langen 
Bahn in 1 Min. 10%, Sek. 

Zu folden Rennfahrten gehört | 
Mut, Gejchidlichfeit und Geiftes: 
gegenwart. Die Anftrengung iſt 
nicht jehr bedeutend, nur dag Kreuz 
jhmerzt durch Die zurückgelegte 
Haltung und die Augen brennen | 
infolge de3 eindringenden Schnee: | 
ſtaubes. 

Eine eigenartige Technik erfordert 
der Start. Der Fahrer läuft, um | 
jofort in Schwung zu fommen, an, 
und fpringt von rückwärts auf die , 
Rodel, die er vor fih berfcdhiebt 
oder mit der Hand hält. Für bie 
Fahrt felbjt gilt der Grundfag, auf 
geraden Streden fo jchnell als 
möglich; die Rodel wird durch 
Körperjchwingungen angetrieben. 
In den Kurven jo vorfihtig als 


— — — 


IV. 3. Sıhliltenfporte. 


möglich ohne allzuviel an Echnellig: 
feit einzubüßen. 

Die Preiſe find entweder Deko— 
rationsgegenjtände aus Edelmetall, 
insbefondere auch die Wanderpreije 
oder Plafetten au8 Gold, Silber 
und Bronze. 

Sie ftehen natürlich, darin liegt 
ja der fportlihde Wert, in feinen 
Verhältnis zu den Mühen der Reife, 
des Trainings und den Anjtren- 
gungen des Rennen jelbft, und doch 
find fie als fichtbared Zeichen des 
Nennerfolges heiß erfehnte Ziele. 


Der Skeleton. 


281. Der Steleton ift wie fchon 
fein Name fagt, engliihen bezw. 
amerifanifhen Urjprunge® und 
wurde an den befannten Schweizer 
Winterkurorten zuerft in Benügung 
genommen. 

Einer unverbürgten Mitteilung 
zufolge, ſoll ſchon im Sahre 1887 
ein Amerikaner Namens Chield 
einen Sfeleton im Engadin vor- 
geführt haben. 

Bei Belprehung der gebräud)- 
lichjten Rodeltypen wurde nicht 
ohne Grund an erfter Stelle der 
Schweizer: oder Davoferfdlitten 
genannt. Als Rodel nicht fehr 
verwendbar hat er doch eine große 
Bedeutung für den Winterjport, da 
er den Skeleton und diefer wieder 
den Bobsleigh ind Leben rief. So 
ift die Davofer Rodel aljo der 
Vater des erjteren und der Groß: 
vater des „Bob“, des Königs unter 
den Sportfdlitten. 

Wann der Skeleton zum erften- 
male gebraucht wurde läßt fich nicht 
genau feitjtellen, doch dürfte feine 
Entftehung in die 80er Jahre des 
vorigen Sahrhunderts fallen. 

282. Die Bauart des Skeleton 
greift auf die lange, niedere Da⸗ 
vojer Rodel zurüd. Wer jemals 
Knaben beim Sclittenfahren beob= 


Nro. 281—282. 


achtet hat, wird den einen oder 
andern Fahrer beobadtet haben, 
der ſtatt auf feinem Schlitten 
im Reitſitz zu fiten, mit dem 
Bauhe darauf lag und mit 
den nachſchleifenden Fußſpitzen 
lenkte. Dieſe nicht gerade ſehr 
äſthetiſch wirkende Fahrmethode hat 
auf den kurzen Rodelſchlitten keiner—⸗ 
lei beſondere Vorteile. Die langen, 
niederen Davoſer Rodeln dagegen 
eignen ſich für dieſe Methode ge— 
radezu beſſer als für das Fahren 
im Reitſitz. Nur reicht die Lenkung 
mit den nachſchleifenden Fußſpitzen 
nicht immer, beſonders nicht auf 
kurvenreichen Hohlwegen, aus. Der 
Fahrer wird daher naturgemäß 
trachten, das Fahrzeug auch mit 
den Händen zu lenken, indem er 
die Hörner in die gewünſchte Yahırt- 
richtung reißt. 

Diefem Verfahren entipricht die 
Bauartdes Skeleton. Kufen, Hörner 
und GSigleiften find für jede Seite 
aus einem einzigen Stüd Rund 
eilen gebogen und zujfammenge- 
ſchweißt. Die Länge diejes Eijen- 
gerippes beträgt etwa 1 m big 1 m 
20 cm. Beide Bögen find quer 
mit Eifenftangen verbunden und 
die rüdmärtigen ?/, der Länge 
tragen Statt des Sitzes ein mit 
einer Matrage verjehenes Brett. 
Das vordere Drittel der Längs— 
leijten ift mit Schnüren ummunden, 
um der Hand einen ficheren Griff 
zu gewähren. Der Teil des Eiſen— 
bogens, der die Kufe bildet, weijt 
einen gleichmäßigen runden ober 
ftehend ovalen Querſchnitt auf, die 
rüdmärtigften 10 cm aber find 
bäufig Fantig zugefeilt. 

Außerder Steletontype mit feſtem 
Polſter ftehen aud) folche mit Gleit— 
politer, Sliding, in Gebraud. Der 
Sliding ermöglicht es dem Fahrer, 
den Körper je nad) Bedarf mehr 
gegen das Schlittenende zu legen 
oder fih mit famt dem auf Schie— 


Nro. 283—284. 


nen gleitenden Polfter nad) vorn 
gegen die Schlittenfpige zu ziehen. 
Dieje Bewegungen find bei der 
Lenkung oft notwendig. 

Auch Holzifeletong werden ge= 
baut, find aber nicht beliebt. 

283. Zur Augrüftung des Stele- 
tonfahrer8® gehört unbedingt ein 
Paar Fußeiſen zum Bremjen und 
zur Unterjtügung der Lenkung, da 
die bloßen unbemwährten Stiefel: 
ſpitzen auf glatter Bahn nicht an= 
greifen würden. Sie beftehen aus 
einer der Sohle angepaßten Metall: 
platte, die vorne einige ſcharfe ge— 
radeftehende Stacheln trägt. Mit 
Niemen oder Gurten werden die 
Eifen feit an den Fuß gefchnallt. 


Adolf Rıiba, 


Fahrzeug ganz fabelhafte Geſchwin⸗ 
digfeiten erreichen Tann. 

Diefe Umftände zufammen ge- 
nommen und endlid die Unmög- 
lichfeit, den Schlitten im vollen 
Laufe zu bremien, lafjen es begreif: 
lich erfcheinen, daß der Skeleton 
nicht auf jeder Bahn gefahren wer: 
den kann. Gigentliche ſchwierige 
Rodelbahnen find für ihn über: 
haupt unbefahrbar. Nur ganz leichte 
Bahnen, Straßen, Bromenademwege 
fönnen mit dem Skeleton befahren 
werden, gejtatten ihm aber aud 
nicht die volle Entwidlung feiner 
Fähigkeiten. 

Der Steletonjport braudt daher 
eigene Rennbahnen. Freilich laſſen 


Als weitere Ausrüſtung find ſich auch gut gehaltene Fahrwege 
Knieſchützer häufig in Verwendung, | benügen, allein die größten Ge— 


die nach Art der Meißelſchützer des 
Fechters die Kniejcheibe mit einer 
aepoliterten Lederkappe, die in der 
Kniekehle feitgefchnallt wird, ein- 
hüllen. Auch Ellbogenſchützer glei- 
cher Art, ja fogar Sturzfappen aus 
Leder zum Schutze des Schädels 
und der Ohren bei Stürzen ſtehen 
manchmal und nicht mit Unrecht 
in Verwendung. 

Die Kleidung darf keinerlei Haken, 
Taſchen, Knöpfe u. dgl. haben, mit 
denen ſich der Fahrer am Schlitten 
verhängen könnte. Skeletonfahrer 
benützen daher regelmäßig den 
Sweater und befeſtigen ihn um den 
Leib mit einem Riemen. 

284. Skeletonbahnen. Die 
charakteriſtiſche Fahrmethode für 
den Skeleton iſt die Bauchlage des 
Fahrers. Kollidiert der Fahrer 
alſo mit einem Hindernis, ſo iſt 
unfehlbar der Kopf zunächſt in Mit— 
leidenſchaft gezogen. Außerdem 
bewirkt aber die Bauart und 
Schwere des bis zu 30 kg wiegen: 
den Sclitteng, der geringe Luft: 
widerftand den der liegende Körper 
bietet, der geringe Schnelligfeitg- 
aufbraud) bei der Lenkung, daß das 


Ihmwindigfeiten erfordern unbedingt 
einen eigenen Bau der Kurven, 
damit der Fahrer nicht durch die 
Flugfraft aus der Kurve gejchleu- 
dert wird. Auch genügt eine bloß 
harte Schneedede nicht zur Ent: 
faltung der vollen Geſchwindigkeit, 
die Dede muß vielmehr Fünftlich 
vereift werden. 

Ausſchließliche Steletonbahnen 
befigen nur Davos und St. Morit 
in der Schweiz u. 3m. letzteres bie 
klaſſiſche Skeletonbahn: den Creſta 
Run. Die Bahn hat die Länge 
einer engliſchen Meile (1206 m) 
und ein Durchſchnittsgefälle von 
122/, Proz. Die zahlreichen Kurven 
ſind nach Art der Radrennbahnen 
beträchtlich überbaut. Außerdem 
hat St. Moritz den 600 m langen 
Dimfon-Run mit 9 Proz. Gefälle 
und Davos den Ice-Run 600 m 
lang mit 10 Proz. Gefälle, beide 
natürlich mit hochgeböſchten Kurven 
und blanter Eisdecke. 

An den Sportpläßen Deutſch⸗ 
lands und Dejterreichg, fowie an 
anderen Schweizer Kurorten werden 
die bejtehenden Bobsleighbahnen 
für Sfeletonrennen verwendet. 


IV. 3. Sıhlitfenfporte. 


285. Die Lenkung des Skeleton 
erfolgt, wie jchon angedeutet, in 
der Weife, daß der auf dem Fahr: 
zeug liegende Fahrer mit den Hän- 
den, die den vorderen Teil der 
Zängsftangen und die vordere Quer⸗ 
fpange erfafjen, den Schlitten um 
den rückwärtigen Teil der Kufen 
berum in die gewünſchte Richtung 
reißt. Dazu muß ſich der Ober- 
törper etwas aufrihten und mit 
gefrümmten Cllbogengelenten in 
Stüß gehen. Die Fußſpitzen helfen 
nur in dem Falle mit, wenn gleich⸗ 
zeitig dad Tempo verlangjamt wer: 
den fol. 

Außerdem folgt natürlich der 
ganze Körper der Lenkung mit und 
pendelt in den Kurven je nad der 
Flugfraft aus. 

Die Lenkung eines Skeleton auf 
fchneller Eisbahn ift ungemein 
ſchwierig. Die ſchweren Schweizer 
Bahnen dürfen auch nur von ge- 
übten Fahrern befahren werden. 
Es iſt ganz unmöglid, in Furzen 
Worten die Detail® der guten 
Lenkung näher auszuführen. 

286. Die Ausübung des Ste- 
letonſportes befteht fait nur im 
Nennen und dem vorbereitenden 
Training bezw. in Rekordverſuchen. 
Die Schwierigfeiten des Sportes, 
wenn er richtig, — das heißt auf 
eigens erbauter Bahn, — ausgeübt 
wird, laflen feine Halbheiten zu. 

Die nad) Zeit gefahrenen Rennen 
bilden an den großen Schweizer 
Winterfporiplägen Senfationen. 

Dies ift begreiflih, wenn man 
die Zeiten vernimmt, in welden 
die Rennftreden zurückgelegt werden. 
Grefta:Run (1206 m) Thornton in 
59,7 Sek., Dimfon-Run (600 m) 
Moegli in 41 Sek., Sce-Run (600 m) 
Gaudy in 49°, Sek. 

Weſentlich weniger inıpofant find 
die Zeiten des GSteletond auf 
Bobsleigh-Bahnen 3.8. Poftitraße 
Aroja bis But 3200 m in 5 Min. 


Niro. 285—287. 


18 Sef., Schlittenbahn in Friedrichs: 
roda 1600 m in 1 Min. 56 Sek., 
Bob8leighrennbahn am Semmering 
(1907 noch in halber Länge mit 
1300 m) in 1 Min. 54 Self. 1909 
gewann die Meiſterſchaft Jar Gouſſi 
mit der Zeit von 2 Min. 38 Se. 
(über 1908 m). 

Aus diefen wenigen Beijpielen 
geht hervor, daß der Skeleton ein 
ausſchließliches Rennfahrzeug, aber 
nur auf ganz jpeziellen Bahnen, ift. 
Auf einer Bobgleigh-Bahn vermag 
er weder gegenüber dem Bob noch 
gegenüber der Rodel aufzulommen. 
Bei einem Rennen dag im Winter 
1908 auf der ausgebauten 1908 m 
langen Bob8leighrennbahn am Sem⸗ 
mering bei Wien gefahren wurde, 
differierte die befte Zeit zwiſchen 
Rodel und Skeleton um 1 Sekunde, 
ein Beweis dafür, daß der Skele⸗ 
ton nur in ganz bejchräntter An- 
wendung eine ſportliche Berechti- 
gung hat. 

Bei den ganz enormen Schnellig- 
feiten aber die der Skeleton auf 
eigenen Bahnen entwidelt — 3. B. 
bei den Creſta Leaps, ber fteilften 
Bahnitele rund ein Tempo von 
125 km per Stunde — fommt dem 
Sport auch eine bedeutende Gefähr- 
— 2— zu. 

287. Zeitnehmung. Intereſſant 
iſt es, die Methode zu kennen, nach 
welcher die Fahrzeiten auf Skeleton⸗ 
bahnen gemeſſen werden. Bei den 
ungeheueren Schnelligkeiten die alle 
Fahrer erzielen, ergeben ſich natür⸗ 
lich zwiſchen den einzelnen Favorits 
nur ganz geringfügige Zeitdiffe— 
renzen. Um dieſe nun bis auf 
eine Zehntelſekunde genau feſt— 
ſtellen zu können, geſchieht die 
„Zeitnehmung“ automatiſch mit 
Benützung der Elektrizität. Am 
Ziele befindet ſich eine elektriſche 
Uhr mit einem großen, in Zehntel: 
(Fünftel-)Sefunden geteilten Ziffer 
blatt. Der Strom, der die Uhr 


Niro. 288. 


in Gang feßt, ift für gewöhnlich 
nicht geſchloſſen. Ein einfacher 
Mechanismus am Start von dem 
eine Drahtleitung zum Ziele führt, 
Schließt den Stroinfrei3 in Dem 
Moment wo der Fahrer ftartet und 
unterbricht ihn im Augenblid wo 
der Schlitten dag Zielband berührt. 
Die Uhr läuft daher gerade jo 
lange als der Fahrer Zeit zum 
Durchfahren der Strede benötigt. 
Die Zufeher können dadurch den 
Derlauf des Rennens fontrollieren. 
Das Deffnen und Scließen des 
Stromkreiſes gefchieht, indem der 
Fahrer in fliegendem Start eine 
quer über die Bahn gefpannte feine 
Schnur zerreißt. Dadurd) fällt ein 
geſpannter Kontafthebel nieder. 
Am Biel wird wieder eine Schnur 
durchriſſen, was aber hier das Ab— 
reißen eines Kontaktes zur Folge 
hat. 

Eine Zeitnehmung von gleicher 
unfehlbarer Verläßtichfeit ift bisher 
in feinem anderen Sportzweige in 
Uebung. Die Rennrefultate, welche 
durch Die automatisch-eleftrifche Zeit⸗ 
nehmung fejtgejtellt werden, find 
ſchlechterdings unanfechtbar. 

Die Rennen werden ſowohl mit 
dem Skeleton als auch mit dem Bobs⸗ 
leigh meiſt in mehreren „Läufen“ 
gefahren, jeder Fahrer bezw. jedes 
Fahrzeug hat alſo die Rennſtrecke 
zweimal oder öfter und zwar das 
zweite Mal mit umgekehrter Reihen— 
folge des Startes zu befahren. Die 
in den einzelnen Läufen erzielten 
Fahrzeiten werden addiert. 


Der Bobsleigb. 


288. Entwidlung. In Kanada 
benübte man, wie aud) bei ung, 
zum Transport von Langholz im 
Minter zwei voneinander unab— 
hängige Kufenpaare, auf welden 
dag Langholz fo befeftigt war, daß 
die Kufenpaare fi drehen können. 


Adolf Ryiha. 


Dabei pendelt dad Langholz natur: 
gemäß hin und ber, was zu dem 
Namen Bobsled (bob = pendeln, bau: 
meln) für diefen Schlitten Anlaß 
gab. Sm Sabre 1890 Fam der 
Ameriluner Wilfon Smith auf 
die Idee, zwei Skeletons mitteld 
eines Brettes in gleicher Weile zus 
Sammenzufoppeln, um mehreren 
Perſonen Pla zu ſchaffen Der 
vordere Skeleton erhielt eine ein 
fache Lenkvorrichtung und der Bobs⸗ 
leigh mar fertig. Zunächſt wurde 
er, da die fporttreibenden Ameri⸗ 
kaner und Engländer nur die Schweil 
zu ihren Wintervergrügungen er 
wählten, auch nur in der Schweiz 
befannt und erft um das Jahr 1903 
begann diefe prächtige Schlittentype 
auch in Deutfchland und Defterreid 
Anhänger zu finden. 

Die Verbreitung des Automobild 
und damit die Webertragung der 
Lenfradfteuerung auf den Bobsleigh 
bildet den lebten Schritt in deſſen 
Entwidlung. 

Sp jung der Sport ift, fo hat 
er doch ſchon eine erftaunlich große 
Verbreitung, wenn man bedentt, daß 
wenige der vorhandenen Wege und 
Straßen fi für den „Bob“ (die 
gebräuchlide Abkürzung) eignen, 
daß die Anlage eigener Bahnen 
fer Eoftjpielig ift, und daß auf 
der Betrieb des Sportes nicht ge 
rade billig ift. 

Im Winter 1907 eriütierten in 
der Schweiz, in Deutſchland und 
in Defterreich bereits je zwei künſt⸗ 
liche Bobbahnen. Beſonders die 
Bahn am Semmering bei Wien, 
deren Anlage ſtellenweiſe 4 m hohe 
Stüß- und Futtermauern erforderte, 
ift ein Kunftwerf der Straßenbau: 
ingenieure. Die Geſamtbaukoſten 
diefer ſechs Bahnen repräjentieren 
ein ftattliche8 Vermögen, die Er: 
haltung derſelben verjchlingt jähr- 
li einen Betrag, von dem eine 
Familie luxuriös leben könnte. 





Ri — — — —— 





3 >- 2: 23. Ge sr BE hr 


IV. 3. Sıhliffen[porfe. 





Nr. 289. 


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143. Ein Bobsleigh-Crew in der Kurve, 


Dabei breitet fich der Sport im— 





auf einer Drehicheibe oder Dreh— 


mer mehr und mehr aus und neue | jchiene des vorderen Kufenpaares 


Bahnen find teild in Bau teils 
projeftiert. 

Auch die Fahrzeuge ſelbſt geben 
Gelegenheit zu neuen Verfuchen und 
Verbefjerungen und es läßt fidh 
heute noch gar nicht ermeſſen, welche 
Ausgeftaltung diefer jüngfte aber 
enorm lebensfähige Winterjport 
noch erfahren wird. 

289. Das Fahrzeug bejteht im 
Weſen, wie jhon erwähnt, aus 
einem Syftem von zwei zueinander 
drehbaren, mit einem langen Sib- 
brett verbundenen Kufenpaaren. Der 
Drehpunft liegt, wie bei einem 
Magen, ober der Mitte des vor: 
deren Kufenpaared. Bei gerader 
Fahrt laufen beide Kufenpaare in 
gleiher Spur. Das Sitzbrett iſt 
gepoljtert und gibt Raum für vier 
bis ſechs Fahrer, die im Reitſitz 
auf demjelben jo Play nehmen, 
daß der Vordermann zwijchen den 
Füßen des Hintermannes fit. Am 
vorderen Ende des Sitbrettes be: 
findet ſich die Lenfvorrichtung, die 
auf das vordere Kufenpaar wirft 
und dieſes bi zu 45°/, gegen die 
Längsachſe des Schlitten? beider- 
feit3 drehen läßt. Der Sig ruht 


mit einem Drebzapfen auf. 

Die Lenkvorrichtung älterer Mo— 
delle bejteht in zwei Seilen, die 
über fejte Rollen laufen und an 
dem vorderjten Teile der Kufen 
befeftigt find, der vorderfte Fahrer 
(Lenker) hält diefe Seile mit zwei 
Griffringen und bewirkt durch einen 
Zug linf3 oder rechts die analoge 
Drehung der Kufen. Die neueren , 
Modelle befigen die ſchon erwähnte 
Steuerung mit dem Lenfrade. Am 
unteren Ende der, wie beim Auto- 
mobil oben das Lenkrad tragenden 
Bolantjtange, unter dem Site, iſt 
eine Seiltrommel aufgejchraubt, um 
welche die beiden Seile gegengängig 
laufen. Die Lenkvorrichtung iſt häu— 
fig mit einer rammſpornartig zu— 
laufenden Blechkappe geſchützt. Dieſe 
dient auch dazu, die Luft leicht zu 
durchſchneiden. 

Sm Winter 1908/09 hat man 
an den Schweizer Sportplägen 
vielfah auf den Bob mit Seil: 
fteuerung zurüdgegriffen, während 
jonft noch der Volant-Bob domi— 
niert. 1 
Bon großer Wichtigkeit ijt beim 
Bob die Bremfe, die beim Sfeleton 


“ 


Nro. 290-291. Adolf Rıiha. 


überhaupt unbelannt, bei der Rodel 
eine feltene, immer höchſt unfport= 
liche Beigabe ift. Sie wird vom 
rückwärtigſten Fahrer mit zwei bei- 
derfeitigen Hebeln betätigt und be— 
fteht in einem quer hinter den rück— 
wärtigen Kufen liegendem Eijen 
mit mehreren fcharfen Baden. 

Das Material der alten Bob- 
modelle war — abgeſehen vom Sitz⸗ 
brette — Eifen. Die neueren Mo— 
delle find aus Holz mit Stahl: 
befchlägen, ja bejonderd gut Fon: 
ftruierte Fahrzeuge werden mit 
maffiven Nideljtahlkufen hergeftellt. 
Die alten Modelle haben Sfeleton- 
fufen aus Rundeifen, die Rufen der 
neueren Formen find jchmale, etwas 
über Handbreite hohe, vorne ge— 
pist zulaufende Bretter. 

Zum Schute der Füße befinden 
fich feitlih am Sigbrette Fußraften, 
längs derer eine Schutzſtange aus 
Metall oder Holz parallel zum Siß: 
brette läuft. 

Die ganze Bauart ift Außerft 
folid und eraft. 

290. Die Kleidung der Fahrer 
ift ähnlich, wie beim Steletonfport. 
Es gilt aber als fportlih, daß die 
Fahrer eines Bobs ſich gleich Fleiden 
und irgend ein gemeinjames Ab: 
zeichen auf der weißen Müte oder 
an der Bruftfeite der Smeater ein 
gefticlt tragen. Es ift üblich, dem 
Schlitten einen Namen zu geben. 
Tiefer Name bietet dann öfter Ge- 
legenheit zur Auswahl des erwähn— 
ten Abzeichens auf der Kleidung. 
Sp trug die Mannschaft des Bobs 
„Beetle“, der im Winter 1907 in 
St. Mori Triumphe feierte, mäch: 
tige Käfer in jchwarzer Wolle ge: 
jtidt auf den weißen Smeatern, 
die Mannihaft des Bobs „Kis— 
mei” Halbmond und Stern. 

291. Bobsleighbahnen find ent- 
weder eigene Kunjtbahnen oder 
Gebirgsitragen. Mangelhaft traf: 
fierte Mege mit mechjelndenm Ge- 





fälle eignen fih ſchon nit mehr 
jehr für Bobfahrten, Rodelbahnen 
find nicht befahrbar. In der Schmeii 
werden die berrlihen Poſtſtraßen 
an verfchiedenen Orten dazu be: 
nüßt, haben aber natürli Den 
Nachteil, daß ihre Kurven nidt 
überböjcht, bezw. nur notdürftig mit 
Schneewällen ohne Unterbau über: 
böfcht find. 

Solde Bahnen hat u. a. Aroſa, 
Grindelwald und GCaur. 

Die tonangebenden Orte Davos 
und St. Morig haben natürlich ihre 
eigenen Bobbahnen, die nicht nur 
für Rennen, fondern au für Ver: 
gnügungsfahrten benügt werben. 
Erftere8 hat im Jahre 1907 die 
Schaßalpe-Bahn mit 3400 m Länge 
und 9%, Durchſchnitt-Gefälle neu: 
erbaut. (Befte Fahrzeit 4 Min. 
52 Sef.) St. Mori hat eine Bahn 
von 1600 m Länge und 8°/, Ge 
fälle. (Befte Zeit Prinz H. Reuß 
XXXVI in 1 Min. 39,5 Self.) 
Deutſchland befitt die Bahnen von 
Friedrichsroda mit 1600 m und 9 °/, 
Gefälle (1Min. 41 Sek.) die im Jahre 
1905 errichtet wurde, von Uber: 
hof und Bad Kohlgrub eine 2000 m 
lange Bahn, die 1907 erbaut wurde. 
In Dejterreih wurde im Sabre 
1905 mit dem Bau einer Nenn: 
bahn begonnen, die 1907 auf die 
Länge von 1908 m ausgebaut 
wurde. (2 Min. 08 Sek.) Sm 
gleichen Jahre wurde in Kitzbühl 
eine 1000 m lange Bahn erbaut. 
Außerdem dienen die Bergftraßen 
bei Gofjenfaß, St. Anton am Arl⸗ 
berg und am Präbichl ald Bob: 
bahnen. Die Bahnen in St. Morig| 
und am Semmering find mit autos: 
matijchseleftrifdereitnehmung ver: 
jehen. Vielfach erfolgt auch die Zeit: 
nehmung telefonifh, indem ver’ 
Starter fein „Los!“ in die Tele: 
fonmufdel ruft und der Zeitnehmer 
am Ziel im jelben Momente die 
Stoppuhr in Gang feßt. ' 





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iv. 3. Schliffenfporie. 


Die obigen Angaben über Bahnen 
werden wohl bei Erfcheinen dieſes 
Buches Schon wieder überholt fein. 
Die Erhaltung einer guten Bob- 
bahn bedarf vieler Sorgfalt. Die 
Bahn foll täglich gekehrt und glatt 
‚gerecht, gewalzt oder geftampft und 
fodann mit Waſſer befprigt werden. 
Beionderd in den Kurven, in wel—⸗ 
hen der Schlitten durch die Flug: 
fraft ganz befonders ſtark auf die 
fchräg ftehende Bahndede drüdt, 
muß dieſe Pflege jehr gewiſſenhaft 
geſchehen, da eine lodere gleifige 
Dede dad Einbreden einer Kufe 
und jo einen fchweren Sturz ver: 
ſchulden kann. 

292. Die Lenkung des Bob3- 
leighs obliegt in allererjter Linie 
dem Steuermann. Durch Zug an 
den Lenkfeilen oder Drehung des 
Lenkrades gibt er dem vorderen 
Kufenpaare die gewünſchte Richtung, 
welcher dann der ganze Schlitten 
folgt. So einfach ift jedoch diefe 
Lenfung nidt. Schon auf gerader 
Bahn wird dag vordere Kufenpaar 
durch Heine Unebenheiten der Bahn 
oder unrichtige Bewegungen der 
Fahrer ftet3 ein wenig aus der 
Richtung gebradt. Der Lenker muß 
daher ununterbroden die Richtung 
forrigieren. Dazu gehört vor allem 
Feinheit und Weichheit in der Hand. 
Wie ein gutes Reitpferd will der 
Bob gelenkt werden; niemals derb, 
aber unter fortmährender Füh— 
lung. 

Sehr jchwierig ift dag gute Be- 
fahren ftärferer Wegtrümmungen 
und beſonders der eigentlihen Kur: 
ven. Die größte Kunft liegt im 
Einfahren in die Kurve. Der Lenker 
muß das richtige Gefühl für die 
Triebfraft feines Schlitten in jedem 
Momente haben. Er muß genau 
fühlen, wie fharf oder janft er die 
Kurve einfahren darf, damit die 
Flugkraft eben durch den feitlichen 
Drud der in der überhöhten Kurve 


Niro. 292. 


fohief ftehenden Kufen aufgehoben 
werde. Fährt er die Kurve zu ſpät 
an, fo fann bei ftarfen Trieb der 
Schlitten über die Böſchung ſchießen, 
bei ſchwachem aber auf derſelben 
ſtecken bleiben oder ſeinen ganzen 
Schwung verlieren. Fährt er die 
Kurve zu früh an, ſo wird er bei 
ſtarkem Trieb die Drehung nicht 
zuwege bringen, bei ſchwachem aber 
von der Ueberhöhung abgleiten und 
in beiden Fällen ſtürzen. Will er 
im letzteren Fall den Sturz ver- 
meiden, fo muß er von der Ueber—⸗ 
höhung herunter gegen die Innen 
jeite der Kurve halten, fährt alfo 
in der Kurve eine Schlangenlinie 
und verliert allen Schwung. 

Das richtige Anfahren der Kurve, 
der gemifje goldene Mittelweg iſt 
nicht leicht zn treffen. Sit die Kurve 
richtig angefahren, dann halte man 
fo lange als möglich die äußere 
überhöhte Seite, was beim Weber: 
gang in die Gerade eine Verſchär— 
fung des Tempos bemirft. 

Viele Kurven enden in eine 
Gegenkurve vor dem Uebergang in 
die Gerade, die meift bejondere 
Schmierigfeiten bietet. 

Die Mannſchaſt des Bobs ift 
feinesmegs untätig. Zunädjt hat 
der Bremfer die verantwortungg:- 
volle Aufgabe, im Notfalle, aber 
aud nur dann, das Tempo ent- 
ſprechend zu vermindern. Auch er 
fann durch einen Bremszug im rich- 
tigen Moment die Einfahrt in die 
Kurven erleichtern oder dag Schleu- 
dern des Schlittens aufheben, einen 
drohenden Sturz abwenden. Sm 
unrichtigen Moment kann ihm aber 
auch gerade das Gegenteil glüden. 
Nur dur Mebung läßt fich bier 
dag richtige Gefühl erwerben. 

Die Mittelleute (2 —4 Mann 
zwiſchen dem Lenker und Bremjer) 
haben zweierlei Funktionen. Sie 
treiben zufammen mit dem Brem- 
fer den Scdlitten zu NEN 


Nro. 293. 


Tempo an und jorgen für 
tige Gemichtsverteilung 
Kurven. 

Eriteres gejchieht durch rhyth— 
miſch pendelnde Bewegungen der 
Oberkörper („boben“ vom — eng— 
lifden: to bob). Auf Kommando 
des Bremferd werfen alle gleich— 
zeitig mit einem jähen Ruck den 
Oberförper nach vorn über, legen 
fih dann langjam wieder nad) rüd- 
wärts, wiederholen wieder auf Kom— 
mando den Rud ujw. 


Durch, das gleichzeitige Vorfallen 





144. Detail aus dem Bobparf. 


der Oberförper erhält auch der 
Schlitten einen kräftigen Ruck nad) 
vorne. 

Die Unterftügung in der Lenkung 
gefchieht durch das jeitliche Aus⸗ 
legen der Oberkörper in die Innen— 
feite der Kurve. In der Regel iſt 
nämlich die Flugkraft des Schlit— 
tens in Biegungen noch größer, als 
der feitlihe Widerſtand der Ueber— 
böhung. Dieſes Plus an Flug: 
fraft wird durch das „Auslegen“ 
der Oberkörper nach der Innenjeite 
der Kurve aufgehoben, außerdem 
bewirkt die Mehrbelajtung der in— 


Adolf Ryziha. 


die rich- Ineren Rufen eine Erleichterung der 
in den | Lenkung. Natürlich dürfen dieje Be: 





nur befördern. 


wegungen nicht plötzlich, jondern 
ſanft, entfprehend dem Einfahren 
in die Kurve ausgeführt werden 
und muß der Grad des Auslegens 
dem Zwecke angepaßt jein. Dat 
der Lenker aljo die Kurve zu früh 
angefahren und läßt die Triebfraft 
des Schlitten auf der Höhe Der 
Böſchung ftarf nad, jo würde das 
„Auslegen“ den Sturz nadhinnen 


Sehr geübte Mannſchaften fönnen 


das „Auslegen” mit dem „boben“ 
verbinden. 

Man fieht aus dem ganzen, daß 
ein fehr feines Zufammenjpiel der 
Bobmannſchaft unbedingt erforder: 
lich ift. 

293, Die Ausübung des Bob3- 
leighſportes geſchieht, wie gejagt, 
meift nur auf Kunſtbahnen oder in 
Ermangelung derjelben auf guten 
Alpenftraßen. Straßen niederer 
Ordnung eignen fih ſchon Ichlecht, 
Waldwege und überhaupt alle eigent- 
lichen Rodelbahnen find, ebenſo wie 
die ausfchlieglich für Skeleton ge- 





IV. 3. Schliftenfporfe. 


bauten Kunftbahnen nicht zu be- 
fahren, 

Das ſchwere Fahrzeug kann von 
der Mannschaft nicht transportiert 
werden. Es wird durch ein Zug: 
fer auf die Bahnhöhe gebracht. In 
Defterreich ſowohl als in der Schweiz 
beſtehen Bobbahnen (Straßen), deren 
Traſſe die Aufwärtsbeförderung 
der Schlitten durch eine Gebirgs⸗ 
bahn geſtattet. 

Der Bob iſt nicht in dem Maße 
wie der Skeleton ausſchließliches 
Rennfahrzeng. Mit einem ficheren 
Lenker und einem vorfichtigen Brem⸗ 
fer kann aud) eine zuſammengewür⸗ 


felte Mannſchaft getroft eine Ber: 


gnügungdfahrt wagen. Da aber 
die Bobrennen an allen Winter: 
jportpläken den Höhepunkt der 
Iportlihen Veranſtaltungen bilden 
und die Bobmeifterfhaft in St. 
Morik, Oberhof und am Semmering 
nahezu ſchon Die Rolle eines Winter- 
derbys einnehmen, ift Nennen und 
Renntraining doch die michtigfte 
Form der ſportlichen Betätigung 
mit dem Bobsleigh. 

‚ Die Zeitnehmung der Nennen ift 
in vielen Fällen elektro-automatiſch 
oder telephoniſch. Da die Nenn: 
bahnen meift fo angelegt find, daß 
eine legte ſchwierige Kurve knapp 
vor dem Ziele und in Sicht der 
Zufeher liegt, fo geftaltet fich auch 
für den Unbeteiligten ein Bobrennen 
ſehr fpannend, wenn er an der 
elelttifchen Uhr die Zeiten verfolgt 
und die großen Rennſchlitten in 
wilder Fahrt über die fteile Kur: 
en oung in den Einlauf fommen 
ieht. : 


Die übrigen Sclittenformen. 


294. Boblett (Boby) und „Ienf- 
bare Rodel“. Aus dem Beftreben 
der Fabrikanten einerfeit3 neue 
Schlittentypen auf den Markt zu 
bringen, andererfeit3 die beftehen- 


den für andere Zwede verwendbar 
zu machen, ift eine Reihe von Ient- 
baren Sportſchlitten entftanden. 

Zunädjft ſei feftzuftellen, daß der 
Begriff „lenkbare Rodel“ einen un= 
bedingten Widerſpruch enthält, da 
ein einziges ftarre8 Kufenpaar zum 
Begriffe einer Rodel unerläßlich ift. 
Immerhin wird der unlogifche Name 
viel angewendet und joll daher auch 
bier beibehalten werden. 

Dieje Typen lehnen ſich meift an 
die Bauart der Bobsleighs an. Die 
beften und verwendbarjten find 
furze, leichter gebaute Schlitten, 
ganz nah der Form von Bobs— 
leigh3 mit Bolantjteuerung für zwei 
oder höchſtens drei Perſonen. Sie 
fönnen auf jeder Bobbahn und auf 
leichteren Rodelbahnen verwendet 
werden, laufen recht brav und find 
für bloße Bergnügungsfahrten fehr 
verwendbar. 

Weniger verläßlih find Rodeln 
mit Lenkoorrichtung. Es gibt foldye 
mit zwei drehbaren Kufenpaaren, 
mobei das vordere Paar entweder 
duch eine einfahe Zug- oder 
Steuernorrichtung oder aber durch 
feitlihe Handhaben gedreht werden 
fann. Andere Formen befiten zwi⸗ 
fchen zwei ftarren Kufen vorne oder 
rückwärts eine drehbare Lenkkufe, 
wieder andere haben nur zwei Au- 
fen, die aber elaftifch find und mit 
ihrem vorderen Teile gedreht werden 
können. Alle diefe Yahrzeuge laufen 
auf guten Bahnen ganz erträglich, 
verfagen aber auf fteileren und 
furvenreihen Rodelbahnen fofort 
den Dienft. 

Im allgemeinen fpielen fie heute 
noch im Schlittenſporte eine ziem: 
fih untergeordnete Rolle. 

295. Der Hörnerſchlitten. Eine 
allgemeine jportlihe Bedeutung 
fommt den weiters noch zu be— 
handelnden Sportſchlitten nicht zu. 
Dagegen haben fie vielfach eine 
Iofale Bedeutung. Am meiften ver- 


Niro. 294—295. 


Niro. 296— 298. 


‚ breitet ift der Hörnerjdlitten. 
Er ift ein großes Fräftiges Fahr— 
zeug mit mehr als Doppelt fo großer 
Spurmeite wie die übrigen Sport 
Schlitten. Seine Hörner find hoch 
aufgebogen. Zwilchen diejen nimmt 
der Lenker Bla. Hinter dem Lenker: 
fit befinden fich zwei phaethonartige 
Site für Fahrgäfte. Das Fahr: 
zeug wird durch Fräftige Riſſe an 
den Hörnern unter gleichzeitigem 
jeitliden Cinjegen der Füße ge: 
lenkt. Bei diefem Einjeßen befindet 
fih der Lenker in halbfigender Stel- 
lung und läuft gleichzeitig mit dem 
Schlitten, da ihm fonjt die Füße 
nad rückwärts gerifien würden. 
Eine bedeutende Kraftaufwendung 
ift alfo bei diejer Art der Lenkung 
nicht zu vermeiden. 

Einige Formen haben vonein- 
ander unabhängige Bremshebel an 
beiden Kufen. Wenn Ddiefe ein: 
jeitig betätigt werden, erfolgt die 
venfung nach der Eeite der ab— 
gebremiten Kufe. Da diefe Schlitten 
meift nur in ausgefahrenen Gleifen 
verwendet werden, laufen fie mit 
ziemlicher Sicherheit. 

Sie find bejonderd im Rieſen— 
gebirge, aber auch in einigen Ge— 
genden Defterreichg in Bermendung, 
in der Schweiz dagegen jo gut wie 
nicht befannt. Sn der Regel er- 
folgt die Lenkung durch Holzknechte 
und überhaupt dur gewerbs— 
mäßige Xenfer, die Benübung eines 
jolchen Fahrzeuges ift daher über: 
haupt Teine Sportliche Betätigung. 
Es gibt jedoh auch unter den 
Sportleuten der betreffenden Ge— 
genden jehr tüchtige Lenker. 

Verhältnismäßig wenig befannt 
find der Rennwolf, der Kjälfer und 
der Toboagan. 

296. Der Rennwolf ift nordi— 
Ihen Urſprunges. Er beiteht aus 
einem langgeitredten Kufenpaare, 


daß auf feiner vorderen Hälfte einen | eine große Gleitfähigfeit, ift aber 


Rdolf Rıiha. 


erhebt fich über den Kufen je eine 
ſenkrechte, etwa bruſthohe Stütze; 
beide Stützen ſind mit einem Ouer⸗ 
griffe verbunden. Der Sitz dient 
zur Aufnahme eines Fahrgaſtes 
oder des Gepäckes. Der Führer 
ſelbſt ſteht auf den Kufen hinter 
dem Stützgeſtell, das er mit den 
Händen feſthält. An den Füßen 
trägt er ſteigeiſenförmige Stahl— 
ſpitzen und ſtößt abwechſelnd mit 
einem und anderem Fuße ab. So 
bringt er den Schlitten auf harter 
Bahn in rajhe Vorwärtsbewegung 
und lenft durch mehr oder weniger 
Ichliefes Abftoßen. Auf ebenen oder 
ſchwach geneigten Bahnen gleitet 
der Schlitten ſehr raſch vorwärts. 
Das elegante Fahrzeug hat bisher 
in der Sportswelt wenig Beachtung 
gefunden. 

297, Der Kjalker ift nit an- 
deres als die norwegiſche Rodel. 
Er ift ziemlich lang, fehr nieder 
und nad vorne zu fpig gebaut. 
Die Lenkung gefchieht nicht mit den 
Füßen, fondern mit einer nach— 
gefchleiften, 3—4 m langen Stange, 
die der rüdmärtige Fahrer unter 
der rechten Achfel eintlemmt und 
mit Untergriff fefthält. Diefe Stange 
wird wie ein Steuerruder nad 
links oder recht3 gedreht und der 
Schlitten folgt dDiefem Steuer augen- 
blicklich und fehr ficher. 

Nah Schilderung von Augen- 
zeugen follen einzelne Fahrer in 
Norwegen, die diefen Sport be- 
treiben, ein hohe Maß von Ge- 
Ihielichfeit befiten und den Kjälker 
auch auf fteilen, gemundenen Wegen 
mit verblüffender Sicherheit fteuern. 

298. Der Toboggan ift ein 
Fahrzeug des fchneereihen Kana= 
dag. Er fieht aus mie ein fehr 
breiter Schi, auf welchem der Fah— 
rer liegt. Dieſes vorne aufgebo- 
gene Brett befigt unter Umſtänden 


Sig trägt. Ungefähr in der Mitte ſchwer lenkbar und daher nur zum 


— — — — — — — 


IV. 3. Schlittenfporte, 


Befahren freier Schneeflähen ge- 
eignet. In Kanada follen mit die- 
fem Fahrzeug vereifte Holzrinnen 
befahren werden, was an und für 
fih ganz gut denkbar wäre. 

299. Eisjchlitten werden von 
den Uferbemohnern einiger Alpen- 
feen verwendet. Es find dies nur 
furze Schlitten, zum Stehen geeig- 
nei, die der Fahrer mit einem 
Stadelftod über die gefrorene Ober: 
fläche des Sees forttreibt. Die Be: 
wohner des Königfees follen darin 
eine bejondere Fertigkeit befiten. 
Bon einer durchgebildeten fport- 
lichen Verwendung dieſer Yahr- 
zeuge ift bißher nichts bekannt. 

(Segeljdlitten fiehe Ab- 
ſchnitt V. 1.) 


Verzeichnis der widtigften 
Fachaus drüũcke. 


Auslauf — gerades, ebenes Bahnſtück, 
am Ende der Bahn. 

auslegen — Seitwärtsneigen des Ober⸗ 
körpers. 

boben — den Lauf des Schlittens durch 
Körperſchwingungen beſchleunigen. 

Bobsleigh (Bob) — ein langer, mehr: 
fpigiger, lenkbarer Schlitten. 

Boblett (Boby) — dasfelbe Fahrzeug in 
tleineren Dimenfionen. 

Brate — die Bremfe des Bobäleigh3. 

Brater — der Fahrer, welder Die Bremfe 
betätigt. 

Dede — die Dberfläde der Fahrbahn. 

Durchſchnittsgefälle — die Gejamt: 
fteigung einer Fahrbahn auf die Längen- 
einheit rebuziert. 

Durchſchnittsgeſchwindigkeit — die 
Gefamtfahrzeit eined Fahrers auf einer 


Niro. 299. 


beftimmten Bahn auf eine Längeneinheit 
reduziert, 

einfahren — die Lenkung zu Beginn 
einer Wegfrümmung. 

Fußraften — feitlide Stügen, zum Auf- 
fegen der Füße am Schlitten befeftigt. _ 

Handlentung — Steuerung der Rodel 
mit der Hand. 

Hörner — der aufgebogene Teil ber 
Kufe. 

Hörnerfdlitten — großer, breiter 
Schlitten. 

Kjälker — die norwegiſche Rodel. 

Kufe — der am Boden aufſtehende Teil 
des Schlittens. 

Kurve — Wegbiegung. 

Lenkung — Vorkehrungen, um den 
Schlitten in der richtigen Bahn zu halten. 

Lenkkufe drehbare, als Steuer 
dienende Kufe. 

Rennwolf — norwegiſcher Schlitten, 
zur Fortbewegung auf ebener Bahn ge⸗ 
eignet. 

Rodel — kleiner, zweikufiger Sitzſchlitten. 

Run — Schlittenrennbahn. 

Schleudern — unbeabſichtigtes Quer: 
ſtellen bes Schlittens während der Fahrt. 

ſchneiden — Befahren einer Wegtrüm: 
mung, die als Kreisbogen gedacht iſt, 
in ber Sehne desſelben. 

Steleton — amerikan. Liegeſchlitten. 

Sliding — Gleitfig. 

S 

S 


ſitz 
ohle — der Eiſenbeſchlag der Kufe. 
pur der Abftand zweier paral⸗ 
Spurweite leler Kufen. 
Start — der Beginn einer Rennftrede 
oder eined Rennens. 
Starter — der Rennfunftionär, welder 
das Zeichen zur Abfahrt gibt. 
Toboggan — kanadiſcher Schlitten, aud) 
Sportſchlitten ſchlechtweg. 
Tobogganing — Schlittenſport be⸗ 
treiben. 
Training — Vorübung zum Rennen. 
nueberhöhung — halbkreisförmige Auf⸗ 
böſchung der Kurven. 
verſagen (bie Kurve) — die Lenkung 
reicht nicht aus, um dem Schlitten die 
gewünſchte Richtung zu geben. 


UCHEUEIETCIHLETTCIHETEITCH TEDE TEE TEE REDE TIEDIE 


V. Waijferfport. 


— — 


1. Segellport. 


Von 


Eva Gräfin v. Baudiſſin, München und 
Korvettenkapitän Titus Türk, Kiel. 


Einleitung. 


300. Geſchichtlicher Rückblick 
und Entwicklung. Wann die Kunſt 
des Segelns entſtanden iſt, läßt 
ſich nicht nachweiſen. Sie mag faſt 
ſo alt ſein wie die Geſchichte der 
Menſchheit, wenigſtens der Küſten— 
bewohner. Es war zu natürlich, 
daß ſich die am Meer Lebenden 
aufs Waſſer hinaustrauten und ihre 
Kenntnis des Windes und der 
Strömungen ausnutzten. Unſere 
deutſche Literatur bringt uns übri— 
gens in ihren älteſten Denkmälern 
davon Beweiſe. Im „Nibelungen 
Liet“ lieſt man „als Gunther gen 
Iſenlande nach Brunhilt fur“: 

„Ir wil ſtarchen ſegelſeil diu wur: 

den in geſtraht; 
ſie furen zweinzech miele, n daz 

ez wurde naht, 
mit einem guten Winde nider 

gegen dem ſe; 

ir ſtarchez arbeiten taet ſit den 

hochgemuten we.“ 

Alſo zwanzig Meilen ſegelte das 
gewiß doch noch kunſtloſe Schiff, bis 
es Nacht wurde; es iſt wohl der erſte 
Rekord auf dem Gebiete des Se— 


„andern Lied von Sigurd dem 
Fafnirstödter“: als König Hialprek 
dem Sigurd Schiffsvolk zur Vater⸗ 
rache gab: 

„Wer reitet dort auf Räwils 


Hengſten 
Ueber wilde Wogen und wallen- 
des Meer? 
Vom Schweiße fchäumen Die 
Segelpferbe: 


Die Wellenrofje werden den Wind 
nicht halten.“ 
Und Regin antwortet: 
„Hier find wir mit Sigurd auf 
Seebäumen:: 
Wir fanden Fahrwind in den Tod 
zu fahren,“ 
ein Beweis, wie genau die nordi⸗ 
jhen Helden Wind und Wetter be: 
rechneten und ein Schiff zu fteuern 
veritanden. 

Welche gefhichtlihe Bedeutung 
die Seefahrt — morunter wohl 
meijtens für dag offene Meer nur 
die Segelei zu veritehen iſt — 
Ihon in den erſten Jahrhunderten 
unferer Zeitrehnung annahm, ift 
befannt. Die Angeln, Sachſen und 
Süten, die ſchon längft als See- 
räuber an den Küften der Nordfee 


gend, von dem mir Kunde haben. | berüchtigt waren, wurden im Jahr 
In der Älteren Edda heißt e8 im | 449 von den Briten zur Hilfe ge— 


V. 1. Segelſport. 


Nro. 300. 


rufen, und brachten das germaniſche abzulaufen, iſt wohl von jeher 


Element auf die britiſchen Inſeln 
hinüber. Und da von jeher die 
Briten ihre Kräfte bei Kampfſpielen 
gegeneinander abmaßen, ſo iſt doch 
— auch ohne daß wir direkte Nach— 
richt darüber hätten — anzunehmen, 
daß Eroberer und Beſiegte in der 
Kunſt des Segelns miteinander 
wetteiferten. 

Die Wikinger Schiffe, wie die 
Koggen der Hanfa, von denen ung 
Bilder und Modelle überliefert find, 
weiſen ſchon einen jehr entwidelten 
Schiffstyp auf; er genügte, um die 
damals befannten Meere zu be- 
fahren und alle kaufmänniſchen 
Märkte der Hanja zu unterwerfen. 
Nefte des alten „Drachen“ der 
Wikinger find noch heute die Laft- 
fahrzeuge im nördlichiten Norwegen. 

Die Einzelrace — das Wetteifern, 
der Erjte am Platz zu fein, um Ware 
zu holen oder zu bringen und dem 
Konkurrenten buchftäblich den Rang 


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Brauch gemwejen. Bon der Kunit, 
überall der Erjte zu fein, iſt ja 
eigentlich der ganze Handel bedingt. 
Zwiſchen den Kapitänen der fogen. 
„zeeflipper” — jchnellen und jcharf 
gebauten Barkſchiffen, die Tee aus 
Dftindien holten —, wurden jchon 
zu Anfang des 19. Sahrhunderts 
Wetten abgeſchloſſen: dieſe erwei— 
terten ſich bald zu Wetten zwiſchen 
den Reedern, denen ſich wieder 
die Börſenagenten anſchloſſen. Auch 
die engliſchen und holländiſchen 
Fiſcher veranſtalteten ſchon vor 
langen Zeiten Wettfahrten unter— 
einander auf der Themſe und dem 
Zuider See und haben damit auch 
wohl mitgewirkt am Zuſtandekom⸗ 
men des ſportmäßigen Segelns. 
Die erſten Privatjachten, ein aus 
dem holländiſchen Wort „Dagt” ent: 
ſtandener Name, der das einmajftige 
Küftenjchiff mit langem Klüverbaum 
und hohem Hinterjchiff bezeichnete, 


145. Kaftfahrzeug aus dem nördlichiten Norwegen, Reſt des alten „Drachen der 
Wilinger”. 


—— —* ns ar en | - — — 
209PUT "YdY 





- — ——— — —————— rm m Tu 


V. 1. Segelfpori. 


befaßen im 17. Sahrhundert englijche 
Prinzen; auch der erjte Jachtklub 
wurde bereit3 im Sabre 1720 in 
Cork gegründet, während die an- 
deren europäifhen Länder, 3. B. 
Deutichland, erft in den dreißiger 
Sahren des legten Jahrhunderts 
fih zu regelrechten Segelverbänden 
auffchwangen. Wie fich inzwifchen 
grade in Deutjchland und haupt: 
ſächlich unterſtützt durch das große 
Intereſſe, das Kaiſer Wilhelm II 
und ſeine Söhne dieſem wahrhaft 
„königlichen“ Sport entgegenbrin⸗ 
gen, die Segelei entwickelt hat, be⸗ 
weiſt ſich alljährlich aufs beſte in 
der „Kieler Woche“ und den ihr 
vorangehenden und folgenden Ra⸗ 
cen, an dem Boote aller Nationen 
teilnehmen. Die „Kieler Woche” 
ift feit den 16 Sahren ihres Be- 
ftehend — die erjte fand im Sabre 
1892 ftatt — zu einem internatio- 
nalen Meeting geworden, auf das 
die Deutſchen, denen man fo lange 
Schwerfäligfeit und Ungemandt- 
heit in jedem Sport nachſagte, mit 
Recht ftolz fein fönnen. Welch eine 
Freude und Genugtuung ift es 
nicht auch für jeden Deutihen, daß 
der „Meteor“ des Kaifers jeit zwei 
Sommern den bisherigen englifchen 
„Skipper“ wie aud die. gejamte 
fremde Mannfchaft gegen Deutjche 
eingetaufcht und den Wechfel durch 
zablreihe Siege gerechtfertigt Hat! 
Damit, daß fi der höchſte Herr 
zur Anerkennung deutfcher See⸗ 
mannſchaft entſchloſſen hat, ift au 
dem Auslande hoffentlich der letzte 
Zweifel an deutſcher Tüchtigfeit 
auf fportlidem Gebiet genommen. 

Dem erften deutjchen Seglerver- 
ein, der „Tavernen-Geſellſchaft“, 
die 1835 in Berlin-Stralau ge= 
gründet wurde, find einige fünfzig 
Klubs gefolgt, deren Zahl noch ſtän⸗ 
dig im Wachſen begriffen ift. Als 
die drei Zentren Deutfchlands für 
den Segelfport gelten Kiel und die 


Nro. 301. 


Elb-⸗ und die Wejermündung im 
Norden, Königsberg und Memel 
im Often und als Treffpunft für 
die Binnenfegelei die Haveljeen bei 
Berlin. Auch über den Zeitpunft 
der fportliden Veranjtaltungen eint 
man fich jest untereinander, jo daß 
die Zeiten der Regatten möglichſt 
wenig follivieren und allen Sport3- 
freunden eine Teilnahme ermög: 
lien. 


Boote und Jachten. 


301. Kiel- oder Schwertboot ? 
Das Model der erjten englifchen 
Jachten lieferten jchwerfälige Kü- 
ftenfahrzeuge, die erft am Ende des 
18. Jahrhunderts dur den Typ 
franzöfifher Schmuggelfahrzeuge 
leidlih verbefjert wurden. Der 
große Umſchwung des Jachtbaus 
und die Einleitung zu der allmäh— 
lich aufſteigenden Entwicklung der 
heutigen Boote datiert von dem 
Erſcheinen der „America“, die im 
Jahre 1851 von Amerika herüber⸗ 
kam, um ſich in England um den 
Pokal der Königin zu bewerben. 
Da jedoch die Regatta nur für eng— 
liihe Boote ausgeschrieben war, jo 
wurde vom Klub „Royal Yacht 
Squadron” ein neuer Pokal ge- 
ftiftet, den die „America“ ji in 
einem geradezu glänzenden Siege 
über die englifhen Boote errang. 
Auch waren es drei amerifaniiche 
Jachten, die im Jahre 1866 die 


| erfte „Oceanrace“ madten. 


Der Unterſchied zwiſchen den bis⸗ 
her gebräuchlichen Jachten und der 
„America“ lag in ihrem ſchmäleren 
und bedeutend ſchärferen Bau — 
die Engländer hatten immer noch 
an dem etwas romantiſchen breit— 
ausladenden Typ der Seeräuber 
feftgehalten, dem man auch auf 
deutfhen Waflern begegnete! — 
und fortan wurde das Schwertboot 


Feldgeſchrei. 


u 
Nro. 301. E. Gräfin Baudiffin n. Hapilän €. Gürk. 


Jedes Segelboot bebarf ald Ge: | Sie blieben aber bei diefer Erfin- 
: gengewicht für das Seitwärtäbrän- | bung nicht ftehen , fondern verbef: 
gen dur den Wind eines Kieles, ferten unermübli am Typ ihrer 
den fchon frühzeitig die Oftfeefifcher | Nennboote herum und troß aller 
bequemlichfeitähalber für Haches | Anftrengungen gelang es den Eng: 
Waffer durch ein ſeitwärts herab: | ländern nicht, den „Amerika“⸗Pokal 
zurückzugewinnen. 
Denn wäaͤhrend die 
Engländer am ſchma⸗ 
len Kutter, dem Kiel: 
ichuner, fefthielten, 
gingen die Ameri—⸗ 
faner wieder zur 
flachen „Sloop“ mit 
Mittelſchwert über, 
bis dieſe im Jahre 
1881 von der kleinen 
engliſchen „Madge“ 
ausgeſtochen wurde. 
Der neuen ameri⸗ 
kaniſchen Konftruf- 
tion, einer Miſchung 
147. Schunerjacht „America“. Aus Seglers handbuch. von Kutter und 
Derlag Waflerfport, Berlin. „Sloop”, mußten 
wieder die Engländer 
zulaffende3 Schwert erſetzten. Die unterliegen. Der Kampf zwiſchen 
Amerikaner verlegten das Schwert | Kiel und Schwert blieb aber dem 
in einen bejonderen Kaften in die | noch unentſchieden. 
Mitte des Boote, von bem aus | Eine neue, große Ummälzung im 
es mit leichter Mühe an Ketten , Bau des Racebootes vollzogen Die 
auf: und abgezogen werden Tann. | Gebrüder Herreshof durd die Er: 


ende 





148. Bubble. 





V. 1. Segellport. 


findung des fogen. „Wulſtkiels“. 
Das Blei wurde nicht mehr wie 
bißher direlt am Kiel, ſondern an 
einer bejonderen Metallplatte unter: 
halb des Kiel befeitigt — die be= 
rühmte „Bubble“ und „Wenonah”, 
päter im Befit des Prinzen Hein- 
ri unter dem Namen „Gudruda”, 
find die erften berühmten Typen 
der Wulftkieler. Der Gewinn liegt 
in der geringeren Raumbean= 
jpruchung bei großer Stabilität und 
großer Segelflädhe. 

Aber auch dag alte Schwertboot 
blieb Mode, bildete fih jedoch all: 
mählich zu einem Ertrem, den ganz 
flachen Rennflunder, aus, dem jetzt 
die Regatten verjchlofjen find. Man 
unterjcheidet übrigend neuerdings 
nad) den Gejeten der „Snternatio- 
nal Yacht Racing Union”, denen 
fih 1907 der deutſche Seglertag 
anjchloß, für Wettjegeln nur noch 
nad dem Rennwert des Bootes. 
Diefer wird nad einer jpäter noch 
zu bejprehenden Meßformel feft- 
geſetzt. Hierbei handelt es fich aber 
ftet8 um Kielboote, fie feien nun 
Kreuzer: oder Rennjachten. Schwert- 
jachten dürfen überhaupt nicht mehr 
mit Kieljadhten zufammen oder al? 
Klaffe für fih an offenen Wett- 
fahrten teilnehmen, es jei denn, 
daß ihre Zulaffung befonders in 
der Ausschreibung ausgeſprochen ift. 

Wann wird nun ein Boot zur 
Jacht? Wenn in feinem Bau wie 
in feiner Tafelage das Hauptgemwicht 
auf Schnelligkeit und geringe Waſ⸗ 
ferverdrängung, nicht auf Sicherheit 
gelegt wird, es in der Hauptjache 
alfo für den Sport beitimmt ift; 
und zwar muß eine Kreuzerjacht 
eine Schnelligfeit erreichen, die 
ihrem Bau und ihrem Wert ent- 
fpriht, während eine Rennjacht be- 
dingungslos ale ihre Konkurren⸗ 
tinnen überflügeln fol. 

Ueber den Bau einer Yacht 
laſſen fi nicht fefte Regeln auf: 


Niro. 301. 


ftelen; mathematifhe Berechnung 
ſpielt ebenfo viel Role wie Er: 
fabrung, Ueberlieferung und ge— 
junder Menjchenverftand bei Felt: 
legung der Linien eined Schiff: 
fürperd. Es gibt beftimmte Prin- 
zipien, die jedem Bau als Grund: 
lage dienen, die aber dem Erbauer 
viel Möglichkeiten zu eigenen Speen, 
Borteilen und — unangenehmen 
Ueberrafchungen freilaffen. 

Winke zum Bau einer Jacht zu 
geben, iſt auf diefem bejchräntten 
Raum unmöglih, liegt auch nicht 
in der Aufgabe des Buches. Ein 
Laie wird, follten ihm feine Be— 
rechnungen und Zeichnungen noch 
jo unumftößli Zar und ridtig 
vortommen, am bejten tun, fid) 
lange an ihnen zu erfreuen, immer 
wieder an ihnen herumzubajteln 
und fie als fo heilig zu betrachten, 
daB es eine Profanie wäre, fie je 
durh grobes Material ausführen 
zu laſſen. Nur fo wird ihm das 
reine Wohlgefallen an feinen Auf: 
riffen und Längsſchnitten erhalten 
bleiben, denn ein gutes Boot zu 
bauen, heißt ein Kunftwerf herzus 
ftelen. Und das ift eben nicht 
jedem gegeben! Dagegen jollte ſich 
jeder Segler fo viel Verſtändnis 
aneignen, daß es ihm leicht wird, 
den Bau und die Vorzüge eines 
Bootes auch nach einer Zeichnung 
zu erkennen. Ebenſo genau muß 
er über die Eigenfchaften und et= 
mwaigen Nachteile feine eignen 
Bootes Beſcheid willen — leider 
hat ja auch das beite Mängel, da 
es eben nichts Bollflommenes gibt 
— um im Momente der Gefahr 
mit ihnen zu rechnen und danad) 
zu handeln. Se nad) dem von ihm 
zu befahrenden Wafjer wird ſich 
der Segler für ein Kiel- oder ein 
Schwertboot entſcheiden; und je 
nah feinem Geldbeutel wird ſich 
die Größe feines Bootes beitimmen. 
Sid eine Jacht mit vielköpfiger 


Nro. 302. 


Bemannung zu halten, iſt wohl 
neben einem Rennſtall der teuerite 
Sport. Ein Heinered® Boot kann 
fih Schon ein weniger Bemittelter 
geftatten, bejonder8 wenn er ſich 
als echter SportSmann nicht ſcheut, 
tüchtig mit Hand anzulegen und 
jelbft Sorge für die Inſtandhaltung 
zu tragen. 

302. Boot: und Jachttypen. 
Wir geben eine kleine Auswahl 
der verjchiedenen in Betracht kom⸗ 
menden Boot3: und Jachttypen. — 
Ein Boot kann in der Regel von 
einem Mann bedient werden. — 
Die Jacht jest faſt immer die Be— 
dienung durch mehrere „Hände“ 
voraus. 

Das Kanoe, fozufagen das Ur: 
jegelboot aller feefahrenden Völker, 
zeigt auch heute noch fait dieſelben 
Merkmale wie der Kajak der Es— 
fimo$, der allerdings für Paddeln 
wie für Segel eingerichtet ift, wäh— 
rend die beiden Arten jegt bei ung 


wenigfteng für Racezwecke gejchie- 


den find. 


G. Gräfin Baudillin u. Rapitän €. Türk. 


das erfte Modell, der „Nautilus“ 
von Baden-Powell nad) Amerika 
gebracht und fand hier ungeteilten 
Beifall und ebenfo große Nach» 
ahmung. Es gibt jegt in Amerifa 
ungezählte Kanoeklubs, deren Boote 
an Rennen teilnehmen und als 
Reifeboote per excellence auf den 
großen Strömen und Seen ſchwim⸗ 
men. Moderne Kanves haben im 
Unterfchied zu den alten faft durch- 
gehendg Schwerter ftatt der Kiele; 
für ihre Tafelage eignet ji am 
beiten die einfache Lateinertafelage, 
ein dreiediges, jpigig auslaufendes 
Segel an langer, fat jenfrechter 
Raae; ferner eine Bereinigung des 
Lateiner- mit dem Luggerſegel: das 
Mohikan-Setteejegel und die Shar- 
pietafelage mit ftengenlojem, ſich 
nach oben ſtark verjüngendem Majte. 


Kanoes find durch ihre Form eins 


der bequemjten Boote, da fie nod) 
mit dem feichteften und fchmalften 
Waſſerarm zufrieden find — aud) 
für ihre Tafelage lafjen ſie die 


Dem Paddelkanoe hat | größten Variationen zu. 





149. Rob:Roy. 


man die urfprüngliche, breite Form 
gelafjen, das Segelfanoe, dejjen 
Vorzüge von jeher von den India— 
nern Nordamerifad anerkannt und 
ausgenußt worden find, wurde 
zuerft von dem Schotten Mac 
Gregor eingeführt. Sein würdiger 
„Rob-Roy“ ftand Sahrelang un: 
angefochten da und fungierte haupt— 
ſächlich als „Reiſeboot“. Die heu— 
tige ſchmale Geſtalt des Segelkanoes 
iſt jedoch eine engliſche Erfindung; 
anfangs der ſiebziger Jahre wurde 


Aus Seglers Handbuch. Verlag Waſſerſport, Berlin. 


Auf der Münchner Ausſtellung 
1908 war das Modell eines aller⸗ 
liebſten Kajaks aus Segelleinen zu 
ſehen, das nur ein Gewicht von 
15 kg beſitzt und ſich bis auf die 
Segel in einen Rudjad paden läßt, 
aljo bequem über Land zu tragen 
ift. Das Boot „Delphin“ hat fi 
auf den gar nicht ungefährlichen, 
böigen oberbayriſchen Seen bereits 
gut bewährt und mag wegen feiner 
leichten Trangsportfähigfeit eine Zu= 
kunft haben. 


Der 
= 


— — 0 r2 77er. 95 5353 ;_ 707535 BR, — 8 „n35 


= 


Pz 


— — 














151. Delphin. 


Nro. 302. E. Gräfin Baudilfin u. Rapilän €. Türk. 


Das Dingy, ein fiheres kleines | einem einzigen, an einer Raa unter: 
Boot mit einem cockpit für | geſchlagenen Segel, das in einen 
2—3 Perfonen, und einem einzigen , am Maft auf- und niederzuziehenden 
Segel, ein bei den Racen in Kiel | Ring eingehalt wird. Das laufende 
viel gebräuchliched Fahrzeug. Gut ift auf das Außerfte bejchränft 
und befteht aus Fall, 
Hals und Schoot. 





a ee ——— Das Catboot, 
a ee ae ausgestattet mit ei- 
DEIIERELLIL. REN, nem Gaffelſegel, kann 


152. Grundriß ei Di Mus Sealers Bandbud jomahl Kiel me 

32; iß eines Dinay. Aus Sealers Ban? j i 
Derlag Wafferfport, Berlim —— ——— es ‚je 
: für Schlechtes Wetter. 
Aus der in Hamburg berühmten | Die Gig, ein Kielfahrzeng, it 
Alfterjolle find die Heinen fehr | eigentlich ein Ruderboot und ur- 
ſchnellen „Fliegen“ oder „Mot: | Jprünglich das Boot des Komman⸗ 
ten” entftanden, die auf der Kluge: | danten auf engliſchen Kriegsſchiffen 
gewefen. Zum ©e: 
geln rüftet man fie 
entweder mit einen 
Luggerſegel aus oder 
mit einer Gleittafe: 
lage; d. h. mit zwei 
bis drei Gleitſegeln 
von dreieckiger Form 
und einem Vorſegel. 
Die Spriet—⸗ 
boote, die haupt 
ſächlich im Norden, 
in Dänemarf unter 
dem Namen „Krage 
jole* und in Ror- 
wegen Mode find, 
fahren ein vieredige? 
Segel, das vom 
Spriet diagonal ge 
ſpreizt wird. Es 
ſind ſehr ſichere und 
praktiſche Boote, aber 
in andern Ländern 
155. Segelplan der „Laprice” Catboot. Aus Seglers wegen des ungrazid- 
Handbuch. Verlag Waſſerſport, Berlin. ſen, ſteif wirkenden 
Segeiſchnittes nicht 

ſchen Werft in Potsdam gebaut beſonders beliebt. 

werden. Die Alfterjolle wieder | Unter Südjeebooten in ihrer 
ift der eigentlihe Lugger, das |einfachften Geftaltung und mit fo- 
bejte und zugleich wohl billigfte | genannten „Auslegern“ verſehene 
Uebungsboot für Anfänger. Die Kanoes, verfteht man Doppelboote 
einfache Luggertakelage befteht in | oder Katamarans. Sie fegen ſich, 











Nro. 302. 








Ar 


— — TAN 
N RRX N AD. 


\ —— —— — 





— — — 








154. „Gig“. a) Beſan, b) Großſegel, c) Fock d. Klüver. 
Aus Seglers Handbuch. Derlag Wafferjport, Berlin. 


wie ſchon der Name bejagt, aus | ten find Variationen de Kutters 
zwei einzelnen, durch Querbalfen | oder des Schoners. 
verbundenen Booten 

zufammen, die ſchwie⸗ j 
rig zu mandprieren 

find, da beim Ueber- 

ftaggehen nicht wie 

gebräuchlich Zuv und 

Lee, jondern Bug 

und Heck vertaufcht 

werden. Außerdem —* 
machte die Berbin- — IN 


dung die Boote zu —— — ö 
ſchwer, bis es dem = SL 
AmerifanerHerre3- RL I a 
hoff gelang, einen N J 
leichten Deckverband Sr \ Er 
herzuftellen. \ F 
Waährend es ſich J 
bei den bisher ge— Es \ 


nannten Typen fat 
immer um Ffleinere, 
ee oder * er 

dboote handelt, 
verlangen Die fol: f — 
—— —* größere T —— — 


gebräud- 155. Segelplan eines Sprietbootes. 
4 — — Aus Seglers Handbuch. Verlag Waſſerſport, Berlin. 









REN u Py 





Nro. 302. €. Gräfin Baubdilfin u. Rapitän T. Türk. 


Der „Kutter“, d.h. der Schnei- Gaffel befeftigte Segel, die am ,— 
| dende, ift, wie fein Name jagt, ein | Großmaft Großfegel, am Fodmalt 
"Bl Icharfgebautes Fahrzeug. Seine | Schonerfegel heißen. Dreimaft- 
I0 Kennzeichen ſind: ein einziger Maſt Schoner ſind für den Sportsge- 


mit einer Stenge (Verlängerung), brauch ſeltener. Der „Meteor“ des 


ein Großſegel, ein Gaffel-Topp- Kaiſers, die „Iduna“ der Kaiſerin, 
4 jegel, Klüver, Flieger und Stag- ebenſo die in der Kieler Woche 
Ef fod. Dazu der Spinnader, aus | 1908 zum erftenmal erfchienene 
|! leichtem Stoff, oft aus Seide her: | „Germania“, find Schonerjadten; 


geftellt,; er dient zum Segeln vorm 
Winde, wird am Maſt geheißt und 
durch einen Baum feitwärt3 aus— 


land entworfene und auf deutjcher 
Werft erbaute Boot diefer Größe, 
während „Meteor” und „Iduna“, 
auch die beiden früheren „Meteore" 
des Kaiſers, der eine jebt noch als 


1 gebreitet. Diefe Urform des Kut- 
N 44 ters hat nun durch den Wunſch 


| 

| 

die letztere ift das erfte in Deutſch— | 

) 

nad immer fchnelleren, bequemeren | 











We 
min Chi Phot. Strumper & Cie, Hamburg. R 
| 156. Rennfchoner Hamburg vormals engl, Rainbow. * 


und dabei ſicheren Booten die „Komet“, der zweite als „Orion“ 
mannigfachſten Veränderungen er- bekannt, amerikaniſchen oder eng— 
fahren. Die größten Rennboote liſchen Urſprungs find. Die „Ger: 
find heutzutage Schonerjadhten, | mania” Hat inzwiihen alle im jie 
deren Takelage fi dahin ums | geftellten Erwartungen erfüllt, er: 
änderte, daß ein zweiter Majt, der | wies fich befonders als vorzüglicher 
Fofmaft, vor den Großmaft ge= | Flautenläufer. Jedenfalls hat mit 
ftellt worden ift. Der Zweck ift, | diefem Refultat eine neue Xera 
Statt der Niejenflähe in einem |für die deutſche Schiffsbaufunft 
Stüf, die ſonſt nötig wäre, geteilte, | begonnen. _ 

leichter handliche Segel zu haben; Yawls, zu denen jebt der 
beive Maften führen Gaffeljegel, | erfte „Meteor” und der „Komet“ ge: 
nat d.h. nit an grader Raae, jondern | hören, haben neben dem Groß— 
HE an fhräg geitellter Stange der | maft, den furzen Befanmaft mit 


L/ 


— — — —— oo 





en EU 








157, Der „Kom et” 


— auf dem Heck; bei der 
er 2 ‚ ebenfalls eine Variation 
— ers, ſteht der Beſanmaſt 
Steuerpinne. Das Groß⸗ 
ge hi e beiden etwas verkürzt. 
78400p“ ift wegen ihre 
Kin, leichten — an 
5 henmwafjer geeignet, ala für die 
ee. Die Stenge iſt fortge= 


\ V. 1. Segelfport. ro. 302. 


Phot. Hinz, Flensburg: 
von der „Armgard“ aus gefehen, in der Slensburger Söhrde. 


lafjen, auch führt fie nur das Gaffel- 
jegel und ein Borjegel, zumeilen 
auch Fock und Klüver. Der Maſt 
Heinerer „Sloops“, die eben meiſtens 
zu Binnenfahrten dienen, beſteht 
aus zwei Stücken, um leicht ver— 
kürzt werden zu können. Eine 
jetzt viel gebräuchliche, aber kom— 
pliziertere Art der ag eg 





Eu 


Nro. 303, €. Gräfin Baudilfin u. Rapilän €. Türk. 


die der H ouari, ftellt die Gaffel 
fo fpig, daß fie am Mafte auf: 
wärt3 gleiten fann. Sie ijt von 
den Fahrzeugen der provencalifchen 
Küfte entnommen und nur zu Nenn: 
zwecken zu verwenden. Sie ſieht | benugten die nordiihen Fifcher 
hübſch, faft keck aus, ift aber nicht | primitive Kufen mit ein paar Sitz— 
ungefährlich, da der Segelſchwer- brettern und einem Segel zum 


teile: ungeteilte Segelflähen wie 
Leichtigkeit liegen auf der Hand. 
Große Jachten behalten die Kutter: 
tafelage bei. 

303. Eisjachtſegeln. Schon lange 








— 


N EM T.ı nam 


— 





158. „Orion“ Rennjacht I. Klaſſe früher „Meteor“ II. 


punkt jehr hoch liegt und dadurd | Eisfegeln. Zum Sport ift Diejes 
das Boot „rank“ wird, d. h. zum | wundervolle Vergnügen durch die 
Umfallen neigt. Amerifaner geworden, deren große 

Für Heinere Rennjachten ift jett | Seenflähen und breite Ströme das 
die Slooptafelage, d. h. eigentlich | Eißfegeln jehr begünftigen. Den 
die eines Kompromijjes zwiſchen | fportliebenden Engländern fteht das 
Sloop und Houari weitaus die | weihe Klima entgegen — denn 
gebräuchlichſte. Die großen Vor- | natürlich: je glatter und fefter das 













\ 





N Tr ei 
——— 


Eis iſt, möglichft 


ohne jeden Schnee⸗ 
fall, um jo vorteil- 
hafter iſt es für 
das Schlittenſegeln. 

Das Eisſegeln 
erfordert dieſelben 
Künſte, vielleicht 
noch etwas mehr 
Geiſtesgegenwart, 
wie das Segeln 
auf dem Waſſer. 
Denn die Ge— 
ſchwindigkeit kann, 
wenn der Wind 
direkt von Achtern 
kommt, geradezu 
ins Ungeheure 
wachſen. Die Rei— 
bung durchs Waſſer 
fällt fort, man hat 
auf glatten Flächen 
nur mit dem Wind 
zu rechnen. Zu be⸗ 
nugen jind Eis— 
jchlitten, wie fie 
3. B. auf den Ha= 
veljeen Mode find; 
oder joldhe, die im 
Bau mehr an ein 
Boot erinnern, auch 
deſſen Schwimm—⸗ 
fähigkeit beſitzen, 
ſodaß bei offenen 
Stellen oder von 
Fiſchern geſchla— 
genen Waken jede 
Gefahr ausge⸗ 
ſchloſſen iſt. Für 
weiches Eis ſind 
ſtumpfe, für hartes 
ſcharfe Kufen nötig. 
In Schweden ge: 
braucht man leichte, 
dreiedige Schlitten, 
die ruffifchen find 
aus bedeutend ftär- 
ferem Material her: 
gejtellt und haben 


ED I. 






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Um die harten Stößebei Hindernifjen | aufzufangen, wird der Maft auf eine 





7* 2 — 
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-—_ m r 


v1. Segelfport. Nro. 303, 






DEI TER 








— — & — wi 
— — — 2 
—— — — 


— —* * 

















159. Hawl. Aus Seglers Handbuch. Derlag Waſſerſport, Berlin. 






—— *8 Er A u ale NN ER | 





160. BHouari-Tafelage. 
Aus Seglers Handbuch. Derlag Waſſerſport, Berlin. 


Kuttertafelage. | oder unvorhergefehenen Wendungen > 


Nro. 304 


elaftiijche Unterlage geſtellt. Auch 
ift, um das Herausfchleudern der 
Segler zu verhindern, ein Godpit 
fehr angebradt. Das Eisſegeln ift 
jolch ein herrlicher, amüjanter und 
für einen quten Segler wenn aud) 
sicht ungefährlicher, jo doch jo an: 
regender Sport, daß er fi in 
Deutjchland, wo die Bedingungen 


E. Gräfin Bawilltn u. Kapitän @. Türk. 


liches Vergnügen diefer Sport be: 
reitet und bald zu feinen Anhängern 
‚gehören. Das Eisjegeln verlangt 
mindeſtens fo viel förperliche Ge— 
ſchicklichkeit wie das Schlittſchuh—⸗ 
laufen, gibt aber vielleicht nicht ſo 
viel Gelegenheit Bewunderung zu 
erregen; dagegen bietet es unge: 
heuer viel Abwechfelung durd den 





161. Fahren mit Eisfegeljachten auf dem Müggelſee bei Berlin. 


durchweg günftig find, jedenfalls 
mehr und mehr einbürgern wird. 
Er ift auch durchaus nicht jo koſt— 
jpielig, wie man bis jet annimmt, 
da ein Fahrzeug einfachſter Kon— 
ftruftion genügt und man nad 
eigener Zeichnung fich leicht einen 
Schlitten oder eine Feine Jacht mit 
Kufen von einem einfachen Tijch- 
ler herſtellen laſſen kann, während 
die Segel — zum Eisſegeln wird 
ſich hoffentlich immer nur ein tüch— 
tiger Segler entfchließen, der Er- 
fahrung Hat — von einem Segel: 
macher auch nad eigener Berech— 
nung gemacht werden können. Wer 
jemals auf einer Eisjacht über eine 
gligernde Fläche gejagt ift, in einem 
Tempo, das kaum je ein Eilzug 
erreicht, wird verftehen, welch föft- 


luſtigen Kampf mit dem Wind und 
‚das Beftreben, ihn ſich möglichſt 
dienſtbar zu machen. 


Die Segelkunſt. 


304. Grundregeln der Segel⸗ 
kunſt. Das Wort „ſegeln“ bedeutet: 
ein Schiff unter Segel fortzubewe⸗ 
gen; die Kunſt des Segelns beſteht 
alfo darin, für dies Fortbewegen 

die dafür zu Gebote stehenden Mittel: 
‚den Bau de3 Schiffes, die Form 
und den Stand der Segel, Die 
Reibung durch das Waſſer, den 
Wind und jeden Wechſel des Wet: 
ters richtig auszunützen oder zu 
paralyjieren. 
Wie bei jedem Sport, ijt die 


Pratis alles; die Theorie nur in— 


4 


V. 1. Segelfporf. 


ſofern geboten, als jeder Segler 
genau den Bau ſeines Bootes und 
die durch denſelben bedingte Ver⸗ 
teilung der Gewichte und der Segel 
kennen ſollte. Deshalb iſt es er- 
wünſcht, aber nicht nötig, daß er 
ſich von feinem Boot eine Zeich— 
nung anfertigen und von einem 
tüchtigen Schiffer in die große und 
geheimnisvolle Kunft der Berech- 
nung des Segelſchwerpunktes ein- 
mweihen läßt. Hauptſache bleibt 
aber: praftifche8 Segeln, Führen 
des Ruders, Bedienung der Tale: 
lage! Fehler am Rumpfbau find 
nicht wieder gut zu maden, aber 
oft durch richtiges Segeljegen aus⸗ 
zugleihen oder doch zu mildern; 
faljch bemefjene Segel dagegen ver: 
derben die fchönfte Yacht und ihre 
Rennfähigkeit, find allerdings durch 
andauerndes Ausprobieren und Aen⸗ 
dern zu befjern. Selbſtverſtändlich 
handelt es fih auch bier darum, 
ob ein Boot nur zu Rennzweden 
oder auch zu Vergnügungs⸗ und 
Reifezweden benugt werden joll; 
große Segelflähen bieten größere 
Chancen, find aber unbequemer zu 
handhaben. Infolgedeſſen führen 
jegt viele achten doppeltes Zeug; 
ungeteilte Segel zum Rennen und 
geteilte für die übrigen Zwede. 
305. Berechnung der Segel. 
Die Hauptregel für eine gute Be- 
fegelung bleibt aljo: daß fie richtig 
verteilt ift und in ihrer Größe in 
abjolut richtigem Verhältnis zur 
Größe und Schwere des Bootes 
fteht, d. 5. dem Wind genügend 
Fläche bietet, um das Boot zu 
treiben. Dabei fprechen jelbftver: 
ftändlid auch noch die örtlichen 
Berhältniffe mit; ein fefter Grund: 
ja für den Umfang der Segel 
dem Areal des Rumpfes gegen: 
über kann nicht aufgeftellt werden, 
wohl aber für ihre Verteilung. 
Nachdem die Segel berechnet wor: 
den find, dreiedige nad) der Formel 


Niro. 305. 
abe = ab) (ed) nn 


vieredige nach der Formel 
— 9) 


muß das Areal des Rumpfes be: 


74 


o D 


162. Berechnung eines dreiedigen Segels. 
Aus Seglers Handbuh. Derlag Waſſer— 
fport, Berlin. 





74 


163. Berechnung eines vieredigen Segels. 
Aus Seglers Handbuch. Derlag Waffer: 
fport, Berlin. 


Nro. 306. 


meſſen werden. Tür Heinere Boote 
bis zu 10 m gilt die Formel 

S = Länge mal Breite (W. L.) 
>< 38 big 4’ (für Schwertjadhten). 

S = Länge mal Breite (W.L.) 
> 1], bis 3 (für Kutter und Bar⸗ 
kaſſen). 

Für größere Jachten käme nach 
beſonderen Formeln, deren Angabe 
bier zu weit führen würde, Die Be— 
rechnung des Deplacements (d. h. 
der vom Schiffsrumpf verdrängten 
Waſſermenge), der benetzten Ober: 
fläche, der eingetauchten Fläche des 
Nullſpants (d. h. des am meiſten 
ausgebauchten Schiffsſpantes) und 
des Waſſerlinienareals hinzu. 

Sind beide Reſultate gefunden, 
dann könnte man biernad) tbeo: 
retifch die Segel zujchneiden. Es 
find aber, wie ſchon früher beim 
Bootsbau erwähnt, neben der grauen 
Theorie au für den Segelzufchnitt 
eine Unmenge von Erfahrungsregeln 
maßgebend, und mer nicht Zeit 
noch Geld dafür verſchwenden mill, 
rein empiriſch die jeinem Boot gut 
tnenden Segel herauszuprobieren, 
der richtet fich bei Bemefjung des 
Areals am beiten wohl nad dem 
Beifpiel guter Boote ähnlichen Typs. 
Die Kunft des Segelzujchneideng 
ernährt 3. B. in England Firmen 
von Weltruf, die die Segel für 
nennendwerte Jachten feit Jahr⸗ 
zehnten liefern und in ihren Kom: 
binationen aus Theorie und Praxis 
unerreicht find. 

Das vorteilhaftefte Boot zum 
Lernen für den Anfänger iſt eine 
Schwertjolle; niemals fange man 
in einem zum Segelboot umfrifier- 
ten Ruderboot an, da gerade alle 
die Durch den Bau bedingten Gigen: 
tümlichteiten des Segelboots bei 
einem NRuderboot fortfallen und 
man fih für immer Auge und 
Hand, vor allem das feine Gefühl 
für das empfindliche Nachgeben 
nes Segelboot3 bei jedem Wind 


— 


&. Graäfin Baudiſſtn u. Rapitän €. Eück. 


und jeder Strömung verberben 
fann. 

306. Segelfeten und Abfeten. 
Ein gutes Segelboot wird, falls 
man nicht einen eigenen Schuppen 
zur Verfügung hat, an einer Boje 
vertäut und forgfältig mit einer 
wafferdichten Prejenning zugededt. 
Man rudert nun vorſichtig an das 
Boot heran, befreit es von feiner 
Hülle, die fauber aufgerollt oder 
zujammengelegt wird und fteigt 
dann an Bord, dad Nuderboot 
bi zur Nüdfehr an die Boje le 
end. 

Es kommt auf den Wind an, 
ob man gleih die Segel jekt; 
liegt man zmwijchen viel anderen 
Jachten oder vielleiht in einem 
Heinen Boot3hafen, jo fucht man 
fih erſt vorſichtig rudernd feinen 
Meg heraus. Auf alle Fälle müflen 
aber die Segel, falls fie nicht vorm 
Loswerfen ſchon geſetzt find, Kar 
zum Setzen ſein, d. h. ſie müſſen 
von ihren Bezügen befreit werden 
und die für fie nötigen Enden 
(Taue) Kar laufen, 

Kommt der Wind von vorn, So 
fee man zuerft das Großjegel, 
dann den Klüver, hole deffen Schon! 
nad der entgegengefehten Seite, 
nad der man abfallen will und 
werfe los; das Ruder lege man, 
fo lange das Boot noch achteraud 
ſackt, gleichfall3 fo, daß das Blatt 
nad) der, der abfallenden entgegen: 
geſetzten Seite zeigt, damit man 
ſchneller abfällt und den Wind ind 
Großfegel befommt. Steht dieſes 
vol, fo nimmt man die Klüver- 
ſchoot über und fteuert nun, bie 
Segel immer voll Wind haltend, 
auf und davon. £ 

Bei Wind von acdhtern jekt man 
erft den Klüver, wirft dann 108, 
[dert mit dem Ruder aus und 
jegt dann, fobald die Boje jrel 
pajftert ift, dag Großfegel. 

Man überzeuge fi noch vorm 


v. 1. Segelfporf. 


Ablegen, ob die Ruderpinne mie 
das Schwert in Ordnung find. 
Nunmehr fteuert man, wenn die 
Windrichtung ſolches geftattet, da⸗ 
hin, wohin man will, gleichzeitig 
die Segel fo ftellend, daß der Wind 
möglichſt günftig, d. h. rechtwink⸗ 
lig in ſie fällt. Kommt der Wind 
aber aus der Richtung, wohin man 
will, ſo iſt man gezwungen, gegen 
ihn „aufzukreuzen“. Hierzu holt 
man die Schooten dicht an und 
ſteuert das Boot nun ſo zum Wind, 
daß dieſer, mehr von vorn als von 
der Seite kommend, die Segel 
gerade noch füllt. So ſegelt man 
„an“ oder „beim Winde”. Hierzu 
ift beſonders angeftrengte Aufmerk⸗ 
famteit nötig; jedes unnötige Ruden 
am Ruder bringt dad Schiff aus 
der Fahrt und dem Kurs, ebenjo 
allerdings jede Heine Veränderung 
des Wetters. Genau auf Wind und 
Wetter zu achten, ja, auch nicht auf 
Setunden beide, wie die Bewe— 
gungen des Bootes außer acht zu 
laffen, ift die erfte Bedingung für 
richtiges und gefahrloje Segeln. 
Sollte dennoh ein Unglüd ge- 
fchehen und eine plöglich einjeßende 
Bd oder eigne Nadläffigkeit dag 
Boot kentern, fo merke man fidh, 
daß man nie nad Lee, d. h. in 
der Richtung, in die der Wind 
bläft, ausfteigt, da man fonft unter 
die Segel gerät, die ja natürlich 
nach diefer Seite ind Waſſer ge: 
drüdt werden, fondern nad Luv, 
d.h. in der Richtung, aus der der 
Wind kommt, über Bord fpringt. 
Man bleibe, bi8 Rettung naht, in 
der Nähe des Boote, um fidh, 
fal3 die Kräfte erlahmen, am 
Bootsförper oder font umber: 
ſchwimmenden Gegenftänden zu hal⸗ 
ten. Bei diefer Gelegenheit muß 
bemerkt werden, daß es für jeden 
Segler unerläßlih ift, ſchwimmen 
zu lönnen, nicht nur, um fich bei 
Gelegenheit zu retten, ſondern aud), 


Niro. 306. 


weil dad Gefühl, ſchwimmen zu 
fönnen, mehr Ruhe und Geijtes- 
gegenwart verleiht. Der Nicht: 
ſchwimmer wird leicht kopflos und 
gefährdet dadurch auch feine Be- 
gleiter. Bei kritiſchen Momenten 
ift es angebradt, die Stiefel, wo⸗ 
möglih aud das ſchwere Jackett 
auszuziehen. 

Der Steuernde, d. 5. alſo der: 
jenige, der das Boot führt und 
der die Kommandos gibt, falls 
noh mehr Hände an Bord find, 
figt Iuvmard von der Pinne und 
tft für alles verantwortlich; er hält 
in einer Hand die Pinne, in der 
andern die Schoot. Beſonders An- 
fänger jollen die Schoot nie be= 
legen. Bei langen Schlägen und 
längerm Segeln in einem Kurs 
fann man fie mit einem Kneifſteek be⸗ 
legen, d. 5. fie um einen dazu an⸗ 
gebraditen Holznagel fchlagen, Doch 
ftet3 jo, daß fie beim leichteften 
Ruck loskommt. Im allgemeinen 
hake man ſie aber nur über den 
Nagel, ſo daß man die meiſte auf 
ſie kommende Kraft auf dieſen 
überträgt, aber ſie ſofort loslaſſen 
und auslaufen laſſen kann. 





N 
— 
MN 





JM 


164. Kneifiteel. Aus Seglers Handbuch. 
Derlag Wafferfport, Berlin. 


Steht der Klüner gut voll Wind, 
ohne Falten zu werfen, jo liegt 
das Boot gut am Wind. Beginnen 
jedoch die Segel zu „Eillen”, d. h. 
hin⸗ und berzuflattern, jo ift das 
Boot zu hoch an den Wind ges 
fommen, der Wind fommt zu viel 
von vorn. Drängt ein Boot zu 
fehr in den Wind, fo ift es luv— 
gierig, eine Eigenſchaft, die in ge: 
wifjem Grade jedes gute Fahrzeug 


Nro. 307-308. 


haben fol; man Torrigiert daß 


E. Sräfn Baudilfin u. Hapttän €. Gürk. 


Längsfciffsebene des Bootes weg 


duch ein „Auflegen” der Pinne, kommen und nicht mehr auf ſeit⸗ 
liche Umfallen (Kentern) wirken ; 


d. 5. man läßt das Boot unter 
dem Kommando: „Auf das Ru— 
der!” abfallen. Iſt ein Boot lee⸗ 
gierig, eine weit unangenehmere 
Eigenſchaft, da fie die Manövrier⸗ 
fähigfeit einjchräntt, fo wird Die 
Pinne unter dem Kommando: 
„Ruder in Lee!” in Lee gelegt, um 
wieder anzıluven. 

307. Am Wind fegeln. Segelt 
man am Winde, d. h. wenn der 
Wind fchräg von vorn fommt, fo 
bat men darauf zu achten, daß die 
Schooten nicht zu feſt angeholt find. 
Die Segel müſfſen „willig“ bleiben, 
da fte fonft von ihrer treibenden 
Kraft auf das Boot verlieren. Ge- 
rade beim Am-Wind-jegeln, das 
die größte Kunft verlangt, ift 
ſchärfſte Aufmerkſamkeit nötig, be- 
ſonders auf Waſſerflächen, die durch 
hohe Ufer begrenzt ſind. Jede 
Aenderung der Küſte, jedes kleine 
Gehölz, ein Hügel oder ein Tal, 
verurſacht einen Wechſel des Win⸗ 
des, oft auch eine vermehrte oder 
verminderte Windſtärke und eine 
zu ſpät beobachtete Bö bringt ge: 
rade ein am Wind liegendes Boot 
am leichteften zum Kentern. Die 
beften Anzeichen für eine ſolche Bö 
find die vom Wind hervorgerufenen 
dunklen Streifen auf dem Waſſer; 
man begegnet ihr durch „luven“, 
indem man den Bug des Bootes 
mehr in den Wind fteuert und fo 
dem nunmehr längs der Gegel 
wehenden Wind die Kraft nimmt. 
„Schralt“ der Wind, d. h. dreht 
er fih gegen den eingenommenen 
Kurs, jo muß dag Ruder vorjid;- 
tig aufgelegt und entfprechend ab⸗ 
gehalten werden. „Raumt” die ein= 
fegende Bö jedoch, d. h. ift fie von 
Borteil für den Kurs, fo müffen 
entweder die Schooten geſchrickt 
oder gefiert, d. 5. nachgelafien 
werden, damit Die Segel von der 


können, oder man Hält mit dem 
| Boot ab und erzielt fo, daß ber 


Wind achterlicher als quer zur 
Längsebene kommt. Wird der Wind 
überhaupt ftärfer — er frilct 
dann auf, wie der technifche Aus: 
drud lautet — fo muß man Segel 
bergen ober reefen. Reefen ift, 
auch wenn man Batenteinrichtungen 
bierfür Hat, immer ein längeres 
Manöver. Zumweilen wird man da 
ber, 3.8. bei zu großer Nähe ded 
Zandes in Lee, feine Zeit mehr 
zum Reefen haben. Dann Bolt 
man in Lee des Großfjegeld den 
Klüver nieder, luvt auf und fert 
die Piek (oder Gaffel) weg. 

308. Bor dem Wind fegeln. 
Das Segeln vor dem Winde oder 
raumſchots, d. h. bei günftigem 
Wind von einer mehr achterlichen 
Richtung als querein, iſt bedeutend 
einfacher und ungefährlicher; zu 
vermeiden ſind nur grobe Seen 
bei einſetzenden Böen, die nicht 
recht von achtern, ſondern ſeitlich 
von achtern kommen. Man weicht 
ihnen aus, indem man möglichſt 
recht vor den Wind geht und erſt, 
wenn ſich das Fahrzeug achtern 
hebt, die alte Richtung wieder auf- 
nimmt. Sollten die Seen jedoch 


—* 


ſchneller laufen als das Boot, jo | 


iſt darauf zu achten, daß das Boot 
nicht plötzlich in den Wind gedreht 
wird oder weiter abfällt. Dies 
kommt dadurch, daß das Ruder 
nicht mehr wirkt, weil das von 
achtern auflaufende Waſſer ſeine 
Wirkung aufhebt; man nennt dieſen 
Moment: das Boot läuft aus dem 
Ruder. Hierbei kann leicht der 
Großbaum übergehen dieſer ſchlägt 
dann mit großer Gewalt von der 
einen Seite, nach der hin er ab- 
gefiert war, über dag Hed herum 
nach der andern und es können 


; 


V. 1. Segelfport. 


nun leicht Unfälle dadurch ent» 
ſtehen, daß die Schoot, oder der 
Baum ſelbſt bricht, oder durch den 
Ruck der Maft gefährdet mird. 
Auch zum Kentern Tann ein über: 
gehender Baum das Boot bringen. 
War dag UWebergehen unvermeid- 
lich, fo hole man wenigſtens jo 
Schnell als möglich die Großjchoot 
mit ein, um fo den Baum zu halten 
und wieder in die Gemwalt zu bes 
fommen. 

Der Segler auf beichräntten 
Wafferflähen, Binnenfeen, Haffs 
oder Flüflen, hat auh noch mit 
den Strömungen zu rechnen. Es 
fann fih um die viermal täglich 
wechſelnde Ebbe und Flut oder 
auch nur um das Talmärtsftrömen 
des Waſſers handeln; dies leßtere 
fann vom Wind verftärkt oder auch 
ganz geändert werden, d. h. der 
Strom fann ein- oder ausgehen. 
Selbftverftändlihd müſſen dieje Be- 
dingungen berüdfichtigt werden, 
bejonder® auch beim Unterjegel- 
gehen. Da die Berhältniffe auf 
beſchränkten Gebieten überall va— 
riieren, jo lafjen fich feine feiten 
Negeln geben. Die Praxis muß 
den Segler lehren, auch die ge- 
ringjte Veränderung von Wind und 
Wetter zu erfennen und fi) durch 
allerlei Anzeihen am Land oder 
die ſchon oben erwähnten Wafler: 
ftreifen ein genaues Bild des je- 
weiligen Standes der Witterung 
zu madıen. 

Bor längeren Ausflügen mit dem 
Segelboot jtudiere man die überall 
aushängenden Wetterberichte und 
Barometer; man wird bald lernen, 
auch als Laie aus ihnen richtige 
Schlüſſe abzuleiten. 

309. Reefen. Niemals wird fich 
der tüchtige Segler — wie fo oft 
der Laie! — genieren, zu reefen, 
falls es ihm nötig fcheint. Bei 
ſehr ftarfer Brife alle Segel un⸗ 
gereeft zu führen, ift ein Leicht 


Nro. 309. 


finn, der dem Vergnügen des Un⸗ 
fundigen, ein Ruderboot ind Schau 
fein zu bringen, entfpridt. Es it 
feine Torheit und durchaus fein 
Mangel an Mut, wie eben wieder 
nur Laien behaupten können, lieber 
eine Stunde zu früh ala eine Mi- 
nute zu jpät zu reefen. Man wird 
daran nur erfennen, daß ein Mann 
das Boot führt, der Wind und 
Wetter fennt und fie fich richtig 
zunuge macht, ftatt ihnen über: 
mütig zu troßen. Außerdem hält 
ja das Boot die Windftärfe nur 
bis zu einem gewiſſen Grade aus; 
es gehört zur Kunft des Segelng, 
genau abfehägen zu können, warn 
diefer Grad erreicht ift. Und dann 
veeft man eben; das Boot, das 
vor dem Reefen zu jehr überlag, 
d. 5. zu tief mit der Seite ing 
Waſſer gedrüdt war, wird fich nad) 
der Erleichterung des Segeldruds 
wieder aufrichten und feine Ge— 
Ihmwindigfeit wird zunehmen. Die 
fleinere Segelfläcdhe ift alfo in die- 
fem Falle von Borteil. 

Den richtigen Zeitpuntt fürs 
Reefen zu finden, muß fich jeder 
Segler angelegen fein lafjen. Bald 
wird er lernen, daß durch eine zu 
ftarte Krängung, d. h. Ueberliegen 
des Schiffes, der Wind die Segel 
nicht mehr ſenkrecht, fondern in 
einem Fleineren Winkel trifft und 
dadurd feine Wirkung für die Vor: 
wärt3bemegung vermindert wird; 
es fei denn, daß das Boot bei jehr 
vollen Uebermwafjerformen durch die 
tief einfchneidende Leefeite näher 
an den Wind gedrüdt wird und 
dadurd) höher liegen Tann. Das 
Reefen vollzieht ſich am einfachſten 
und müheloſeſten, wenn man das 
Boot in den Wind ſchießen läßt 
oder doch ſo hoch am Wind ſteuert, 
daß die Segel loſe kommen. Man 
bindet unter gleichzeitigem Fieren 
der Fallen die Reefe mit den Reef— 
bändſeln ein oder dreht, falls Pa⸗ 


Nro. 310. 


tenteinridtung vorhanden, den 
Baum um feine Längsachſe, fo das 
Segel um ihn aufwidelnd. Schooten 
und Haljen werden in die für fie 
vorhandenen Kaufhen verhaft, da= 
nad das Segel wieder aufgeftredt 
und dann geht man wieder auf den 
alten Kurs. Sit man allein im 
Boot, fo fiere man das Großfegel 
mit alter Reefeinrichtung zunächſt 
ganz herunter, das Boot jo lange 
vor dem Klüver treiben lafjend. So 
farın man die Arbeit ruhiger und 
gründlider machen; danach reeft 
man den Klüver und jegt dann nach 
ihm dag gereefte Großſegel wieder. 

310. Kreuzen. Will man ein in 
der Windridtung nah Luv ge— 
legenes Ziel erreichen, jo muß man 
freuzen, d. d. man geht von einem 
Bug auf den andern über und 
zwar fo oft, bis man den Punkt 
erreicht hat. Den Weg, den man 
von einem Bug bid zum andern 
macht, nennt man einen „Schlag“. 
Je nach der Windftärfe wie nad) 
der Breite des Fahrwaſſers handelt 
es fih um fürzere oder längere 
Schläge. Der Bug, der am fchnell- 
ften zum Biel führt, beißt der 
„Stredbug”. Das Kreuzen befteht 
alſo in einer Zidzarlinie, in der 
man bei einem guten Boot in einem 
Winfel von 45 Grad gegen den 
Wind fegelt. Man unterjcheidet je 
nah dem Stand des Segels 
zwiihen „Steuerbordihlag” und 
„Badbordichlag”; ein Schlag wird 
nach der Seite benannt, auf der 
das Segel fteht. 

Um nun auf den andern Bug zu 
kommen, bat man zweierlei Mög: 
lichfeiten, entweder „wendet“ man 
oder man „halit”. 

a) Wenden Beim Wenden 
oder Lleber-Stag-gehen, geht man 
gegen und dur den Wind. Dazu 
wird das Ruder in Tee gelegt und 
fo das Boot fo lange gegen und 
durh den Wind gedreht, bis es 


€. Gräfin Baudilfin u. Rapilän €. Türk. 


über den neuen Bug abfält. Man 
jhridt die ‚Schooten der Vorſegel 
auf, damit Stagfod und Klüver 
Iofe fommen. Die Großfchoot läßt 
man fteif angebolt ftehen oder holt, 
bei jchlecht wendenden Booten, mit 
ihr den Baum bis mittihiff?. Die 
Segel werden zu ſchlagen beginnen, 
fobald der Wind recht von vorn 
kommt; durch das in Lee liegende 
Ruder dreht nun das Boot weiter 
und allmählich wird der Wind von 
der andern Seite in die Segel 
fallen. Man läßt nun dad Groß- 
jegel übergehen, holt danach die 
Klüverfchoot über den neuen Bug 
an und fommt mit dem Ruder auf, 
fobald die Segel voll ftehen und 
das Boot feine durch die Wendung 
verlorene Fahrt wieder aufnimmt. 
Se Schneller und gemwandter diefe 
Manöver ausgeführt werden, deſto 
weniger wird an Fahrt eingebüßt. 
Die Größe des PViertelfreijes, den 
man beim Wenden befchreibt, hängt 
nicht nur von der Form des Booteg, 
fondern auch vom Ballaft und 
Eigengewicht desjelben ab. Se 
größer beide find, defto ftärler wird 
auch die Fahrt fein und deſto 
größer kann der Bogen werden. 
Was man an Zeit durch den weiten 
Weg verliert, gewinnt man reichlich 
an Höhe wieder. 

Ein ridtig „geftautes” Boot 
würde aud) wenden, ohne daß man 
die Segel rührt; man tut es den- 
no, um da8 Wenden zu bejchleu- 
nigen und gleich wieder auf Die 
alte Fahrtgeſchwindigkeit zu kommen. 

Die verſchiedenen Kommandos 
zum Wenden lauten: 

„Klar zum Wenden!“ 

Die volle Fahrt wird beibehalten 
und jeder ſteht klar bei der Schoot, 
die er bedient. 

Bei „Rhe!“ legt man das Ruder 
langſam in Lee, die Großſchoot 
wird aufgeholt und die Klüverſchoot 
losgeworfen. 


V. 1. Segellporf. 


„Hol über!“ bedeutet, die Klüver⸗ 
foot überzuholen und auf der 
anderen Seite zu belegen, die 
Großſchoot wird aufgefiert, um das 
Abfallen zu ermöglichen. Das Boot 
muß dabei vol im Wind liegen. 





165. Wendemanöper. 
1. Klar zum Wenden. 2. Rhe. 3. Hol über. 
Aus Seglers Handbuch. Derlag Waffer: 
ſport, Berlin. 


Bei „Klar Dei!“ wird das 
Nuder etwas aufgelegt, das Tau 
werk geklart und die Segel richtig 
gefantet. 

Das Tertbild veranſchaulicht 
deutlich, wie dag Boot wendet, das 
Segel übergeht und dag Boot über 
den neuen Bug abfällt. 

b) Haljen. Das Halfen ift 
ein bedeutend jchwierigered und 
oft nicht ungefährlide® Manöver. 
Beim einfachen Vergnügungsfegeln 
wird es deshalb auch nur dann 
angewandt, wenn bei fchlecdhtem 


— — — — — — — — 


Nro. 310. 


Wetter das Wenden verſagen ſollte. 
Bei Regatten halſt man dann und 
wann beim Runden des Markbootes 
oder der Boje, führt oft jedoch nur 
die erſten Teile: das Abfallen oder 
das Uebergehenlaſſen des Baumes 
aus, je nach der Richtung des nach 
dem Runden einzuſchlagenden Kur⸗ 
ſes. — Statt wie beim Wenden 
durch den Wind zu gehen, fällt 
man nach Lee ab und beſchreibt 
einen vom Winde abgewendeten 





Wind 





166. Das Manöver des BHalfens. 

1. Klar zum Balfen. 2. Auf das Ruder. 
2. Klar zum Schiften. 4. Rund achtern. 
5. Beim Wind überall. 6. Klar Ded. 
Aus Seglers Bandbuh. Derlag Waffer: 
port, Berlin. 


Dreiviertelfreiß. Das Halfen koſtet 
alfo außer den bedeutend ſtärkeren 
Anfprüden, die an Segel und Tau— 
werk geftellt werden, fajt die dop— 
pelte Zeit wie das Ueberjtaggehen. 
Das Boot muß big vor dem Winde 
abfallen, die Schooten müſſen über- 
geholt und dann über den neuen 
Bug bi8 an den Wind angeluvt 
werden. 


—— 
Zune 


ro. 311—312. 


Die Kommandos zum Manöver 
des Halſens lauten: „Klar zum 
Haljen!” Das Leegroßbaditag 
wird losgeworfen, die Großſchoot 
zum Fieren Tlargehalten, 

Bei „Auf das Ruder!” wird bag 
Ruder hart aufgelegt und die Groß⸗ 
ſchoot gefiert, damit das Großfegel 
„lebend“ bleibt und für den Augen 
blick keinerlei Einfluß ausübt. 

„Klar zum Sciften!” mahnt die 
Leute zum Aufpaffen. Man gibt 
dies Kommando erft, wenn der 
Mind direft von achtern kommt, 
das Zuvbarlitag wird überholt und 
das Leebaditag mit dem Herum⸗ 
holen des Großſegels fteif geſetzt. 
Die Großſchoot wird von allen 
übrigen Händen allmählich wieder 
mit durchgeholt. Died Hat den 
Zweck, zu verhindern, daB das 
Großſegel noch mit loſer Schoot 
übergeht, weil hierbei ſehr leicht 
Havarien duch Breden von 
Blöcken, Schoot uſw. entjtehen. 

„Rund achtern!“ bedeutet, den 
Großbaum übergehen zu laſſen; der 
Wind muß dazu jchon über den 
neuen Bug fommen. Die Grob: 
ſchoot wird langſam ein wenig mit- 
gefiert, bi das Segel wieder am 
Mind über den neuen Bug jteht 
und mit dem Ruder mird auf: 
gefommen. Das neue Lupbackſtag 
wird angeholt, das Leebaditag los⸗ 
gemorfen. 

„Beim Wind überall!" Heißt, 
daß alle Schooten getrimmt werden 
müffen, um fofort wieder hoch am 
Wind liegen zu können. 

Bei „Klar De!“ wird das Tau- 
werf aufgeffart. 

Aus der Beichreibung wie dem 
eingefügten Tertbild, dag auch dieſes 
Manöver Kar illuftriert, fieht man, 
um wieviel fchmwieriger und zeit- 


raubender das Halfen ift ala das 


Menden. Man follte ed, beſonders 
bei kleineren Booten, die den bef- 


E. Gräfin Bawilfn u. Raptlän ©. Cürk. 


des Großſegels oft fehlecht ftand: 
halten, nach Möglichkeit vermeiden, 
fann dag aud häufig, indem man, 
wie beim Wenden, durch den Wind 
geht und dann erſt den Dreiviertel: 
kreis befchreibt. 

311. Beidrehen. Will man aus 
irgend einem Grunde die Fahrt 
unter Segel hemmen, fo „breit 
man bei"; dag Boot wird durch 
das Badholen des Klüverd ver: 
hindert, anzulunen, am Abfallen 
hindert das Großjegel. Die Wir: 
tung beider Segel hebt ſich dadurch 
gegenfeitig auf. Man dreht bei, 
3. B. um auf ein anderes Boot zu 
warten, um etwas am Ballajt oder 
an der Tafelage in Ordnung zu 
bringen oder um fich vielleicht vor 
einem Unwetter ind Schilf zu 
retten. Doch iſt das nur dem 
Segler zu raten, der genau weiß, 
was feine Segel außhalten. Kleinere 
Boote und Anfänger follten bei 
aufziehendem Gemitter auf ftarf 
einjegende Böen lieber fofort die 
Segel bergen. Selbftverftändlid 
richtet ſich auch die Stellung der 
Segel beim Beidrehen nach dem 


Ban und der Stabilität des Bootes. 


312. Bor Anker gehen. Bill 
man vor Anker gehen, fo muß das 
Boot noch Fahrt voraus oder achter⸗ 
aus haben, damit die Kette nidt 
auf den Anker fällt und ihn um 
klar macht. Man rechnet drei⸗ bis 
vierfach mehr Kette als die Waſſer⸗ 
tiefe beträgt, bei ſchlechtem Wetter 
ſieben- bis neunmal fo viel. Da: 
durch wird der Anſpruch an den 
Anker bedeutend verringert, da die 
ziehende Kraft erſt das Gewicht der 
Kette heben muß, ehe der Anker 
getroffen wird. Es iſt immer rat⸗ 
ſam, am Anker eine kleine Boje 
oder ſonſt irgend etwas Schwimm⸗ 
bares zu befeſtigen, das den Plat 
des Ankers angibt, ihn auch, falls 
man aus irgend einem Grunde ihn 


tigen Bewegungen beim Uebergehen „ſchlippen“, d. h. Die Kette kappen 


V. 1. Segelf[port. 


muß, leicht wiederfinden läßt. Die 
Boje wird an einer Leine befeftigt, 
deren Länge der Wafjertiefe ent- 
ſpricht und die durch ein Webelein- 
fteet um den Anker gelegt wird. 
Gewöhnlich ſchießt man zum An⸗ 
kern in den Wind, um die Haupt⸗ 
geſchwindigkeit aus dem Boot zu 
bekommen, und wirft den Anker, 
wenn das Boot gerade noch Fahrt 
voraus hat oder zu ſacken anfängt. 





1067. Webeleinfteel. Aus Seglers Hand— 
bud. Derlag Wafferfport, Berlin. 


Hat man mit Strom zu rechnen, 
fo wird das Ankern Tomplizierter. 
Iſt der Strom entgegenlaufend, fo 
beachte man, daß man mehr Fahrt 
als gemwöhnlid beim Ankern be⸗ 
halten muß, um bis an den ge⸗ 
wünſchten Anferplag zu gelangen. 
Bei Strom zu Luv birgt man das 
Großfegel erft, wenn das Boot 
querab vom Ankerplatz liegt und 
legt dann das Ruder in Lee; bei 
Strom zu Lee werden die Bor: 
fhooten losgeworfen, Klau: und 
Piekfall weggefiert, das Ruder 
in Lee gelegt und das Vorſegel 
niedergeholt. 

Hat man auf ungeſchütztem 
Ankerplatz ſchlecht Wetter zu be⸗ 
fürchten, ſo halte man alles bereit, 


Nro. 312. 


um eventuell den Anker gleich 
ſchlippen zu können. Man hält die 
dicht gereeften Segel klar zum 
Setzen und befeſtigt an einem 
Glied der Ankerkette, am beſten an 
ihrem Tamp, eine Boje, wobei zu 
beachten iſt, daß die Kette vorher 
fo klar zu ſehen iſt, daß fie aus⸗ 
rauſchen kann, ohne durch die Boje 
behindert zu werden. Die Boje 
dient zum bequemeren Wiederfinden 
der Kette. Man gehe nicht erſt im 
letzten Moment unter Segel, da 
dies um ſo ſchwieriger iſt, je gröber 
der Wind wird. Zwei Anker aus⸗ 
zumerfen, ift oft nicht ficherer als 
vor einem zu liegen; denn die 
Ketten tragen nicht immer gleich; 
befjer ift e8, bei fchlechtem Wetter 
auf einen Anker möglichſt viel 
Kette zu ſtecken und den zweiten für 
alle Fälle bereit zum Fallen zu 
halten. Zmei Anker find nur dort 





108. Mooringfchäfel. Aus Seglers Band- 
buch. Derlag Wafferfport, Berlin. 


nötig, wo das Boot feinen Raum 
zum Schwojen bat, d. h. um den 
Kreis zu bejchreiben, den es unter 
dem Einfluß von Wind und Strom 
um den mit langer Kette ausliegen⸗ 
den Anker madt. Um zu verhin- 
dern, daß fich die beiden Anferfetten 


Mro. 313-316. E. Gräfin Baubdiifiin u. Rapitän 9. Türk. 


vertörnen, benußt man einen Moo- | Navigation Tönnen auf viefem 
ringsſchäkel. Raume nur einzelne Punkte an- 
313. An die Boje gehen. Auch gegeben werden; ſolche, die auch 
der Boje naht man fi von Lee | für den Amateurfegler von Wichtig: 
und berechnet die Fahrtgeſchwindig- | keit find. 
feit genau, um nicht über die Boje | Für die Seemannfdaft 
fortzuſchießen, noch ein Stüd ab | kämen vor allem allerlei Winte für 
von ihr die Fahrt zu verlieren und | Ereigniffe in Frage, die auf Binnen- 
an ihr zum Stehen zu Tommen. wäſſern felten, auf See häufiger . 
Ein gutes Bojenmandver erfordert | vorfommen. : 
genaue Kenntnis des Drehfreifes 315. Wenden und Halfen bi... 
und des Fahrtmoments des Boote | Secegang. Beim Wenden wie beim :...' 
und ift beſonders fchmwierig und viel | Halfen ift ſowohl zum Abhaltn :. 
Geſchick erfordernd. wie zum Anluven die ftet3 ein: 
Statt das Boot für gemöhnlich | fegende Pauſe nad mehreren 
an eine ſchwimmende Boje zu legen, | ſchweren Seen abzumarten, weil «8 
follte man ſich lieber eine jogenannte | ungünftig ift, wenn gerade das in 
Mooring herftellen laffen; bei der | der Wendung liegende, aljo wenig 
Ihwimmenden Boje find Zufammen: | Fahrt machende Fahrzeug von 
ſtöße mit dein Boot nicht zu ver: | gröberen Seen getroffen wird. Vor 
meiden. Die Mooring ift ein ftarfer | der Wendung fteuere man zunächt 
Zement: oder Betonblock, an ven etwas vollere Segel, damit dad |... 
eine eijerne Kette in einen Ring | Boot tüchtig Fahrt befommt. Damı ... 
gefchäfelt wird. Die Kette hat wie | beginne man das Manöver wie :. 
beim Anfer ungefähr die dreifache | üblich und beachte ein befonded 
Länge der Waffertiefe und trägt an | Jorgfältiges Bedienen der Vorjegel: .::. 
ihrem leßten Glied eine Kleine, mit | ſchooten, damit die Iofen Segel nad ..: 
einem Ende befeftigte Boje, um |der Wendung nicht unndtig lange 
das leichtere Auffiihen zu ermög: ſchlagen. Oft ift e8 gut, die Stay‘... 
lihen. Natürlid muß das Ende fock erft übergehen zu laffen, nad? :... 
ftarf genug fein, um die Kette in | dem das Boot über den neuen Bug! 
die Höhe ziehen zu können. abgefallen ift, weil häufig eine See | ::, 
dag — in den haben = Di 
tun i- zurückwirft. Hierbei entſtehen dann 
nn: s And leiht Schäden am Vorgelhür. %. 
Beim Halfen wird der Großhals 
314. Seemannfdnft. Unter Eee: | aufgeholt, ehe "man abhält,; bei; 
mannfchaft verfteht man das durd) | „Klar zum Schiften!“ die Piel weg: u 
Grfahrung in See gefammelte | gefiert und die Leedirk geholt; bi ı 
hauptfählih praftifihe Willen; | „Rund achtern!“ das Piekfall Har- |. 
unter Navigation die Steuermanns= | gelegt zum Holen, die andere Dirt | x; 
oder Sciffahrtsfunde, d. h. die |losgeworfen und die Piek wieder , ı 
Wiffenfchaft ver Schiffsführung und | aufgeholt ;, Großfchoot angeholt und 
Schiffsortsbeſtimmung auf See mit | zulegt Großhals heruntergeſetzt. vi 
Hilfe von Kompaß, Logg und Lot | Died ganze hat den Zwei, die 
und von Landobjelten, Seezeichen | Segelfläche während des Halfens : 





und Geſtirnen. zu verffeinern und jo das Manöver ; 
Was muß der Segler von beiden | ungefährlicher zu maden. J 
wiſſen? 316. Bö auf See. Liegt man 


Bon Seemannſchaſt mie von | „am Wind": Vorſchooten auffieren, 


— | | 


V. 1. Segelſport. 


das Boot foweit anluven laſſen, 
daß ein Teil feines Drudes aus 
dem Großfegel fommt. Man ver: 
meide es, die Segel loje zu fteuern, 
weil dann das Boot zu viel Fahrt 
verliert, daher dem Ruder fchlecht 
gehorcht und Später nad) dem 
MWiederabfallen daher nicht fteuert 
und bei einer neu einfallenden Bö 
fentert oder Havarie erleidet. — 
Wird das Boot „vor dem Wind“ 
von einer Bö überrafcht, jo müſſen 
als erſtes Piekfall und Großſchoot 
losgeworfen werden. Dadurch fällt 
das Boot wieder ab, falls es in 
der Bö luvte und kommt wieder 
vor den Wind; jetzt fiert man die 
Vorſchooten und holt den Großhals 
auf. Bei andauernd hartem Wind 
ſteckt man Reefen ein und ſetzt in 
Lee eine Stoßtalje, um das Schlagen 
des Großbaumes oder ſein Ueber⸗ 
gehen beim Schlingern zu ver⸗ 
hüten. i 
317. Lenzen. Wenn man „lenzt”, 
d. 5. platt vor Sturm und See 
läuft, fo ift eine gereefte Breitfod, 
d. h. ein Raaſegel an fliegender 
Raa und ein Sturmklüver mit an- 
geholter Schoot das befte. Hat man 
feine Breitfod, fo lenzt man vorm 
abgefierten Tryfegel und birgt das 
Großfegel. Dazu wartet man wieder 
einige ſchwere Seen ab, luvt auf 
und holt Großfchoot und Vorſchooten 
an. Sit man am Wind, fo werden 
Piek- und Klaufall gefiert, die 
Stagfodfchoot zu luvward geholt 
und beigedreht, bi8 das Großfegel 
geborgen ift und das ftatt feiner 
zu ſetzende Tryfegel oben ift. 
318. Beiliegen. Auch beim Bei- 
liegen auf See wird das Tryfegel 
gejegt; und zwar bei einer Yawl 
Tryfegel und GStagfod, beim 
Schoner Großtryfegel und Sturm- 
ftagfegel. Beim Lenzen wie beim 
Beiliegen werden Luks und Cockpit 
mit waſſerdichten Preſennings ge- 
deckt oder verjchalft. Ueber die Luks 


Niro. 317-319. 


fommen zuerit feſtſchließende Deckel; 
über dag Codpit, das bei größeren 
Booten gegen die übrigen Räume 
abgeichloffen fein muß, gemölbte 
Bretter. Bei Windftille verjucht 
man dag willfürlide Schlagen der 
Segel und Enden möglidhft zu ver: 
hindern. Die Piek wird herunter- 
gefiert, der Klüver niedergeholt und 
der Großbaum durch eine Stoß- 
talje abgeftüßt, bis neue Brife ein 
ſetzt. Nadeinander werden dann 
die Stoßtalje losgeworfen und 
Klüver und Piekfall geheißt. 

319. „Auf Legerwall*. Ein Fahr: 
zeug befindet ſich „auf Legerwall“, 
wenn Wind und See oder Strö- 
mung es auf den Strand zu ſetzen 
drohen. Es bleiben dem Schiff in 
diefer üblen Lage nur zwei Mög- 
lichfeiten, die Strandung zu ver- 
meiden, nämlid entweder durch 
Segen von mehr Segeln und da- 
durch durch Vermehrung der Fahrt 
Seeraum zu gewinnen, d. b. fi 
frei zu kreuzen von den gefahr: 
bringenden Sänden, oder zu anfern. 
Man reeft alfo zunächſt aus oder 
ſetzt Gaffeltoppfegel und fonftige 
Beifegel. Sett der Wind diefem 
Segelpreflen ein Ende, fo bleibt 
nur noch unter gleichzeitigem Segel⸗ 
bergen das Antern nad. Da es 
beim Abreiten eines derartigen auf- 
landigen Sturmes befonderd auf 
Halten der Anker ankommt, jo tut 
man gut, den Anfer, vor dem man 
— natürlih mit möglichſt langer 
Kette — liegen will, zu „verkatten“ 
oder zu „verwarpen”. Man ver- 
bindet den Buganfer vor feinem 
Fallen durch eine ftarfe Leine oder 
ein Stück Kette mit den meift 
an Bord befindlihen leichteren 
Warpanfer oder fonft irgend ei- 
nem jchmweren, nicht ſchwimmenden 


‚Gegenftande, Rofteifen, Ballafteijen, 


Steinen und ftert dieje Hilfsver: 
ankerung zuerft ing Waſſer; danad) 
anfert man wie fonft und ftedt Die 


Nro. 320-321. 


Kette vorfihtig aus, jo daß fie 
immer fteif bleibt und trägt, um 
ihr Brechen beim Loſekommen dur 
Einrucken möglichſt zu vermeiden. 
Die Haltbarkeit des Bugankers wird 
durch diefe Verankerung weſentlich 
erhöht. 

Danach erleichtere man die Take⸗ 
lage, um den Windfang zu ver- 
ringern, nehme die Stenge an Dec, 
oder entjchließe fich unter Umftän- 
den zum Kappen der Maften. 

Treibt das Boot dennoch auf 
den Strand, fo ſchlippe man gleicdh- 
wohl die Anfer nicht, damit das 
Boot nicht dwars auf den Strand 
geworfen wird. Es pflegt dann 
zu kentern und feine Snjafjen er- 
trinten. Brechen die Ketten, fo 
bemühe man fih, durch Geben 
eines Vorjegeld das Boot vor dem 
Winde auf den Strand mit dem 
Vorſteven laufen zu lafjen. 

320. Anterlichten. Zum Anter: 
lihten, da8 auf fleineren Booten 
mit der Hand gejdieht, gebraucht 








nd 
u 





169. Putent:Dertifalfpill. 
Mus Scalers Handbuch. 


man bei größeren eine Anterwinde, 
eine Hebelvorrihtung. Das jekt 
gebräuchliche Vertikal- oder Brat- 
ſpill befteht aus einer horizontal 


Derlag Wafferfport, Berlin. 


€. Gräfin Baudilfin un. Rapilän €. Cürk. 


liegenden Ankerwinde mit verti: 
Talen Speichen. Sobald die stette 
ſoweit aufgehient ift, daß fie „auf 
und nieder“ fteht, werden erft die: 
Segel gejegt, ehe der Anfer voll: 
ftändig gehievt wird. Er hat feinen 
Pla vorn auf der Reeling oder 
in einem bejonderen Lager, dem 
„Schweinsrüden“, in den Kleinere 
Anker mit der Hand, größere mit 
dem „Fiſchdavit⸗ gebracht werden. 
321. Anker mit Boot ans: 
bringen. Wil man einen Anker 
mit einem Boot ausbringen, was 
feine Schwierigleiten hat, wenn es 
fid um leichte Anfer handelt, fo. 
muß man bei fchwereren genau 
willen, ob das Boot Tragfähigkeit, 
genug befigt. Iſt dad Boot zu], 
ſchwach im Verhältnis zum Anker, | 
jo wird er nicht an Bord des Bootes 
genommen, jondern quer zur Längs⸗ 
achſe des Bootes unter dasjelbe 
gehängt. Bon der Kette wird min: 
deſtens eine Länge der anderthalb: 
fachen Waflertiefe gerechnet, davon 
möglihft viel ing 
Boot genommen, 
über die Duchten 
aufgefhoffen und! 
über .eine Spiere 
zu Waffer gefahren. 
ft das Boot auch 
für die Kette zu 
ſchwach, fo wird aud 
fie außenbord3 auf: | 
gehängt. Vorher 
bringt man dort, wo 
geanfert werden jo, 
ein Warp aus, an 
dem ſich das Boot 
verbolen Tann, da 
das Gewicht des 
Ankers und der Kette . 
das Rudern meifteng 
ausfchließt. Bei jehr 
ſchwerer Kette und größerer Ent: 
fernung muß ein zweites Boot einen 
Zeil der Kette aufnehmen. Dann 
fteden die Boote die mitgenommene 








„ 
nfee. 
„Wannf 


5 —— ehr te — 
aan —— 
— — 


— — — 


V. 1. Segelfport. 


Kette aug und zwar zunächit das 
nur mit der Kette beladene Boot 
die jeinige, danad) das Boot, das 
den Anker trägt, Kette und zu= 
legt den Anfer. 

322. Auf Spring anfern. Auf 
Spring anfert man, wenn man das 
Boot dward auf den Wind legen 
will. Spring heit eine Leine, die 
an der Anferfette oder am Anker— 
jchäfel befeftigt it; fie wird von 
achtern außenbord3 an der Luv— 
jeite entlang genommen, vorn durch 
die Klüfe geführt und am Anker— 
ſchäkel oder an der Kette befeftigt. 

323. Schleppen. Um ein an- 
deres, größeres Boot zu jchleppen 
und jelbft unter Segel zu bleiben, 
belege man die Schlepptrofje nicht 
am Hed, weil dort da8 Gewicht und 
der Zug die Manöprierfähigfeit zu 
fehr behindern, jondern um den 
Maft; am beiten find jedoch zwei 
Trofjen, je eine an Barbord und 
Steuerbord, die das Gewicht gleich- 
mäßig tragen. Das zu fchleppende 
Boot wirft dann wie ein zweites 
Ruder und kann durch Einholen 
und Fieren der Trofjen beim Wen- 
den dad Manöver unterftügen. 

324. Geſchleppt werden. Wird 
man von einem Dampfer gejchleppt, 
jo. fann dies längsſeit mit zwei 
gefreuzten Leinen oder von achtern 
gejchehen. Längsfeit ift zwar dag 
bequemere, macht aber dad Aus: 
jcheren unterwegs unmöglid). 

Beim Schleppen von adtern muß 
man genau im Kurs des Dampfers 
bleiben, damit jedes Hin- und Her— 
Ichlagen des Bootes, eventuell auch 
das Brechen der Schlepptrofje ver- 
mieden wird. Beim Schleppen gegen 
den Wind kann man unterwegs die 
Segel jegen, um beim Loswerfen 
gleich an den Wind zu gehen. Die 
Sclepptrofie fol wie beim Selbit- 
jhleppen am beiten um den Maſt 
gelegt werden, nicht wie oft üblich 
um die Beting oder die Voller, um 


Nro, 322--325. 


die die Anferfette aufgefchofjen 


wird. 


Sollen gleichzeitig zwei Boote 
gejchleppt werden, jo iſt es befier, 
fie nebeneinander als hintereinan- 
der zu legen. Die Boote jcheren 





120. Schleppen mit gefreuzten Leinen. 
Aus Seglers Handbud. Derlag Waffer: 
fport, Berlin. 


mit dem Ruder beim Schleppen: 
dann jo weit aus, daß fie fich nicht 
gegenjeitig berühren. 

325. Mann über Bord. Bei 
dem Ruf Mann über Bord! ijt die 
erjte Bedingung für alle im Boot 
Befindlihen abjolute Ruhe und 
Geiftesgegenwart zu bewahren. 
Strenger denn je ijt nur auf die 
Kommandos des Skipper oder 
Steurers zu achten. Die Rettungs- 
bojen müfjen immer Far und leicht 
zur Hand fein. Eine Boje ift jofort, 
wohlgemerkt, nicht über Bord, ſon— 
dern dem im Waſſer Liegenden zu— 
zumwerfen. Kleinere Boote werden 
wenden, das Großjegel lebend halten 
und dadurd, daß die Klüverſchoot 
belegt bleibt, der Klüver aljo badt, 
nad) Zee abfallen und jo auf den über 
Bord Gefallenen zutreiben, bei deſſen 
Anbordnahme jorgfältig EN 


Nro. 326— 327. 


ift, daß nicht weiterer Schaden da— 
durch entfteht, daß mehr Menfchen 
als nötig hierbei hilfreiche Hand 
leiften. Die übrigen noch im Boot 
Befindlihen ſollen ſich an der an: 
deren Bordfeite des Gegengewichtes 
wegen aufhalten. Größere Jachten, 
die ſchwerer zu manöprieren find 
und deren Fahrt nicht jo leicht zu 
ftoppen ift, jeßen lieber ein Boot 
aus und zwar jobald die Wendung 
ausgeführt ift und Sich die Fahrt 
etwas verlangfant hat; man nimmt 
das Luvboot, da ed nad) dem Wen: 
den der Jacht zum Leeboot wird. 
Seder Segler follte dies wichtige 
Manöver des Bojeauswerfen und 
seinfifhen fo oft üben, daß im 
Augenblid der Gefahr fein Moment 
mit Zaudern, Ueberlegen und wo— 
möglih falfhen Kommandos ver: 
loren geht. 

326. Kielholen. Muß ein Boot 
zu Kiel geholt werden, d. h. ſoweit 
zur Seite gehievt, daß der Kiel 
freiliegt, fo benutt man dazu einen 
Prahm, das jogenannte Kielfahr: 
zeug, oder macht es mit einer Winde 
von Land aus. Die Urſache zum 
Kielholen kann ſowohl eine Havarie 
wie eine notiwendig gewordene Bo⸗ 
denreinigung fein. Vollzogen wird 
e8, indem man am Top, dem oberen 
Ende des Majtes, einen ſchweren 
Block lafht; ein zweiter Bloc ift 
am Kielprahm in einem Kettenftropp 
feit; durch beide Blöde fchert man 
das Kielgien und holt mit diefem 
den Top herunter, man „krängt“ 
das Boot. Selbftverltändlid) muß 
jever Balaft und jedes loſe Gut 
entfernt und der Maſt abgeftügt 
werden; auf der heruntergefierten 
Seite gefchieht dies durch Stüßen, 
auf der andern mit ſchweren Tafeln, 
fogenannten „Giens“. 

Die Stabilität der achten er: 
ſchwert das Aufzdie-Seite-legen des 
Fahrzeuge8® und kann leicht zu 
Brüchen des Maftes oder zum Leck— 


E. Sräfin Baudiffin u. Rapitlän €. Türk. 


Ipringen des Bootes führen. We 
irgend angängig, holt man babe: | 
das Boot auf ebenem Kiel in ein 
Dock oder auf ein Slip. 

327. Brühe und Beſchädi— 
gungen. Bricht bei fhwerem See: 
gang das Ruder oder wird es gar 
volljtändig fortgejchlagen, fo fertig 
man fi ein Notruder an. Hier: 
benugt man den Spinnaferbaum, 
nagelt an feine eine Nod einig: 
Bretter, lajcht ihn danad) Über da: 
Heck und fteuert mit am NRuderbla: 
aufgeftedten Sorgleinen, deren Be 
dienung man durch Arbeitstalie: 
erleichtern kann. Bei größere: 
Jachten, die ftatt der Ruderpinn: 
ein Steuerrad haben, aljo ein 
Uebertragung durch Zahnrad un: 
Melle, ift e8 natürlich ſchwerer 
Schäden dieſer Art auszubefjern. 

In See wird man nad) Mög— 
lichfeit mit den Segeln weiterfteuer: 
und Schlepperhilfe requirieren, fo: 
bald ein anderes Schiff in Sid: 
fommt, unter bewohnter Küſte 
anfern und dur ein an Land ge: 
ſchicktes Beiboot Hilfe holen. Gi: 
ift es immer, das Rudergefchir: 
bei auflommendem ſchlechten Wette: 
vor Beſchädigung zu hüten, in 
dem man ein Steuerrad mit min 
deſtens 2 Mann bejegt. Iſt ftatt de: 
Rades eine Ruderpinne vorhanden 
jo jegt man Rudertaljen auf die 
felbe; fie erleichtern die Bedienun: 
und unterftügen das Material beffer 
als es die Fauſt ded Steuernder 
allein vermag. 

Iſt die Klüvernock gebrochen, |: 
wird der Klüver niedergeholt, ei: 
Steertblod für den Klüverauspol« 
angebracht und ein anderer Eleiner«: 
Klüver geſetzt; ift dagegen de 
Klüver dit vor der Brille ge 
brochen, jo dreht man bei, fiert di: 
Großſchoot auf und Holt die Stag 
fockſchoot zu luvward. 

Unter den Klüverbaum, der nun 
zu Lee treibt, nimmt man vorn 















: mit diefem wieder eingefeßt. 
Großſegel erhält ſoviel Reefe, wie 
es der Verkürzung des Maſtes ent- 


nicht hilflos iſt; je, 


vn Segellport. . 


und adtern ein Schrottau durch, 
holt den Klüver nieder, haft ihn 


: aus dem Augsholerring und ſchrotet 


den Klüverbaum nun über, feilt 
ihn zwiſchen den Betings feft und 


ſetzt nach der Größe des gebliebenen 


Stumpfes einen neuen Klüver. 
Sft der Maft gebrochen, jo geht 


‚ man fofort in den Wind und wirft 


einen Treibanfer, Spiere mit Leine, 
aus. Die Segel und dag laufende 
Gut werden geborgen, Baum und 
Gaffel übergeholt. Sit der Maſt 
nicht allzuſchwer, jo verſucht man 
ihn mit unter ihm durchgenommenen 
Tauen an Bord zu fchroten. Se 
nachdem der Maft gebrochen, wird 
er entweder, wenn noch ein Stumpf 


Niro. 328-329. 


berechnung nad) Geftirnen, Bered): 
nung von Stand und Gang der 
Chronometer, Beftimmung der Kom: 
paßdeviation, Berechnung der Ge: 
zeitenftrömungen und anderes mehr. 
Gelehrt wird fie auf den in den 
meijten größeren Küftenftädten vor: 
bandenen Navigationsſchulen, und 
ihre Kenntnis ift unentbehrlich für 
den Sachtjegler, der ſich auf den 
Ozean hinauswagen will. 
Hingegen ſollte ein jeder Segler 
von den Anfangsgründen der 
terreftrifen Navigation 
fo viel wiſſen, daß er in einer 
Seefarte leſen und die unentbehr- 
lichten nautifchen Suftrumente — 
zu Logg und Lot — bedienen 


ftehen geblieben iſt, an dieſen ge: | Tan 


laſcht; oder, falls er direkt über 


„Deck gebrochen ift, wird ein Bod aus 
: zwei Spieren, man Tann SKlüver- 
. baum und Spinnaferbaum dazu 


nehmen, aufgetafelt und der Maft 
Das 


ſpricht. 

Sind Gafſel oder Baum ge— 
brochen, ſo wird das Tryſegel ge⸗ 
ſetzt, falls Gaffel oder Baum nicht 


. zu laſchen find. 


Briht die Stenge und kommt 
von oben, fo birgt man zuerft das 
Topfegel, ſchert das Gut aus, 
bringt die Stenge auf und nieder 
an die Leewanten, ftreift das Gut 
ab und läßt e8 durch einen Mann 
am Eſelshoofd, der Verbindung von 


.. Maft und Etenge, zeijen. 


328. Navigation. Bon der Navis 
gation muß der Segler ebenfalls 
fo viel wiflen, daß.er auf See 
ohne jede 
Kenntnis der Navigation follte das 
Binnenwaffer nicht verlaffen werden. 

Die aftronomifhe Navi— 
gation ift ein für diefe Ausfüh— 


. rung zu umfangreiches Gebiet. Sie 
. umfaßt die Längen- und Breiten- 


"389. Seekarten. Die Seefarte 
ift ein Abbild der Erdoberfläche, 
auf den der Seemann Drt und 
Meg des Schiffes darftellt. Eine 
in allen Punkten getreue Abbildung 
muß alle Flächen, Richtungen und 
Streden den Berhältnifjen an der 
Erdoberflähe entjprechend in ver: 
kleinertem Maßſtab genau mieder: 
geben. Sie muß den Forderungen 
der Flächentreue, der Winteltreue 
und der Abjtandstreue gerecht wer- 
den — alle diefe Bedingungen er- 
füllt aber nur der Globus. Der 
Seemann kann nun aber einen 
Globus nicht gebrauchen, er bedarf 
einer Darftellung der Erdoberfläche 
auf ebener Fläche: der Karte. Da 
die Karte nun nicht imſtande iſt, 
ein nach jeder Hinſicht richtiges 
Bild zu liefern, begnügt man ſich, 
je nach dem Zweck derſelben nur 
der einen oder der anderen Grund⸗ 
forderung ſtreng nachzukommen und 
hierdurch entſtehen dann die ver— 
ſchiedenen Kartenkonſtruktionen. Je 
nach dem Zweck unterſcheidet man 
Ueberſichtskarten, Segelkarten, Kü— 
ſtenkarten, Sonderkarten und Pläne. 

Sie alle enthalten eine Abbil— 
dung des Landes nur inſoweit, 


Nro. 330-331. 


als dieſe für die Schiffahrt von 
Wichtigkeit oder vermertbar ift: 
die Landmarlen. Sn der Das 
Meer darftellenden Fläche der Karte 
hingegen finden mir eingetragen: 
die Waffertiefe, die Befchaffenheit 
des Grundes, Untiefen, Watten, 
Sände, Riffe und Klippen, An— 
gaben über die Gezeiten, die 
fünftlihden Hilfsmittel der Schiff: 
fahrt, die Seezeichen, Tonnen, 
Feuerſchiffe ufm. — Der ridtige 
Gebrauch einer Seekarte ift nur 
dem möglich, der es verjteht, vie 
Karte zu lefen. Diefe Drientie- 


rung darf nit dann erft er⸗ 


folgen, wenn die Karte zum Ges 
brauch auf dem Kartentifch liegt, 
jondern fie muß vorher, ohne Ueber: 
eilung, vorgenommen werden. Man 
ftudiere aljo vor dem Antritt einer 
Segelfahrt die Strede, die man 
abzujegeln beabfihtigt — dies ift 
beſonders wichtig bei den Vorbe- 
reitungen zur Regatta. 

330. Der Kompaß. Der Kom- 
paß, ein Inftrument, welches im 
wejentliden aus einer mit einer 
Windrofe verbundenen, in der 
Horizontalebene freiſchwingenden 
Magnetnadel befteht, dient zur Be: 
ſtimmung der Himmelßrichtung, zur 
Beftimmung und Snnehaltung des 
Schiffskurſes und der Beftimmung 
von Horizontalrichtungen zwischen 
Schiff und anderen Gegenftänden, 
zum Feſtlegen des Schiffsortes. Er 
zeigt Die Richtung des magnetijchen 
Meridiand an und fol unausge— 
jet in einer beſtimmten, hierdurd) 
bedingten Lage verharren. 

Beim Anfauf eines Kompaſſes 
achte man darauf, daß Derjelbe 
einer Ablenkung aus Diefer Lage 
einen möglichſt großen Widerftand 
entgegenjegt — man nennt dieſe 
Eigenichaft die „Nuhe“ des Kom— 
paſſes — und daß er ferner, aus 
diejer Lage abgelenkt, leicht und 
ſchnell wieder in diefelbe zurück: 


die 360 Grade des Kreiſes, außer: 


&. Gräfin Baudiſſin u. Rapilän €. Gürk. 


kehrt — daß er „empfindlich“ ift. 
Am empfindliditen, nebenbei am 
billigften, theoretiih am volfom: 
menften ift der „Trodentompaß”. 
Der „Fluidkompaß“ dagegen, defſen 
Roſe in einem mit Flüffigfeit ge: 
fülten Kefjel ſchwimmt, zeichnet ſich 
durh eine größere „Ruhe“ aus, 
ift daher für kleinere, leichter bin- 
und hergierende Boote empfehlens: 
werter. | 

Die Roſe des Kompafjes ift in 

















dem in die 32 „Striche“ der Wind: 
rofe eingeteilt. Zwifchen je zwei 
ganzen Strichen find die drei Viertel: 
ftride angedeutet. 

Diefe 32 GStride auswendig, 
vor» und rüdwärts, zu fennen un 
berfagen zu können, follte eine At 
ra jedes guten Segler 
ein. 

331. Das Lot. Die Beftimmuns 
der jemeiligen Waffertiefe ift eines 
der wichtigſten Erfordernifie für 
die ſichere Sciffsführung, nid! 
allein als ein Mittel zum Ber: 
meiden unmittelbar drohender Ge] 
fahr, jondern aud als weſentliche 
Hilfe zur Beftimmung des Schiffs] ' 
Loted. Sie geſchieht mittelft dei 
Lotes und beißt Loten. Mit den]: 
2ot ermittelt man aud die Bei: 
ſchaffenheit des Meeresgrundes. 
Es iſt daher meiſt mit einer Vor— 
richtung zum Heraufbringen der 
ſogenannten „Grundprobe“ ver: 
ſehen. Die Kenntnis der Grund 
beſchaffenheit iſt als Orientierungs 
mittel bei unſichtigem Wetter von 
großer Wichtigkeit; die Art dei 
Grundes i 


Grundproben und ZBeitnotieruma. 
welche man dann unter Berückfid: 
tigung des Kurſes und der Fahr! 
des Schiffes im Maßſtab der Karte 
auf Pauspapier aufträgt. Die fo 


V. 1. Segelfport. 


it erhaltene Lotungslinie mit Grund- 
nk bezeichnung verjchiebt man folange 
„: in der Nähe des angenommenen 
hm Schiffsortes auf der Karte, bis fie 
nr ih mit einer entſprechenden Stelle 
tr dieſer dedt. 
Ar Für eine Jacht oder ein Boot 
g, Tommt nur das Handlot in Frage, 
ir; ein Bleigewiht von d—6 kg an 
‚u; einer 50m langen Hanfleine, die von 
2 zu 2m mit bunten Marten ver- 
„+ ſehen ift, in der Reihenfolge: ſchwarz, 
; „weiß, rot, gelb, Lederſtreifen. 10 m 
„„bat einen Lederftreifen mit einem 
in Loch, 20 m mit zweien ufw. 
1, Zum genauen Loten bringt man 
durch Anluven oder Beidrehen zu⸗ 
ige nächſt Die Fahrt aus dem Boot und 
läßt dann das Lot auf den Grund 
ig fallen. Man fühlt die Grundberüh- 
rung fofort, zieht die Leine ftraff, 
ſodaß das Lot eben no auf den 
im Grund ftößt, und lieſt nad) der über 
Waſſer befindlichen Marke ab, wie: 
ir viel Leine ausgelaufen ift. 
.. 332. Das Loggen. Der Schiff: 
„weg wird nad) Richtung und Sirecke 
se beftimmt. Die Richtung zeigt der 
„Kompaß an, die Strede wird mit 
dem Logg gemeflen. Die Maß—⸗ 
‚„ einheit hierfür bildet die Seemeile; 
„, Die in einer Stunde zurücdgelegte 
N Wegſtrecke, ausgedrüdt in Seemei- 
„fen, wird als „Fahrt des Schiffes“ 
"pezeichnet. Diefe in Seemeilen 
© ausgedrüdte Fahrt per Stunde ift 
 angenähert gleich der Anzahl halbe 
„Dieter, melde das Schiff in ber 
"Sekunde zurüdlegt. — Zur Zahıl- 
"peftimmung durd das Waffer gibt 
"3 verfchiedene Arten von Loggs, 
"und zwar: das gewöhnliche Long, 
u das Reelingslogg und Patentloggs. 
Auch kann man die Fahrt des 
Bootes über den Grund berechnen 
" pur den aus der Karte entnom- 
menen Abftand zweier Punkte (See- 
zeichen oder Landmarfen) und die 
‚zeit, die man zum Durdjfegeln 
dieſes Abftandes gebraudte. 


A 


Niro. 332—333. 


Rleidung, Ausrüftung und 
Verproviantierung. 


333. Kleidung des Beſitzers 
und der Mannjchaft. Der Segler 
bat aufeinfache, tüchtige Kleidung zu 
halten, die vem Wechſel der Witte- 
rung entjpricht und von einer Farbe 
ift, die der ſcharfen Sonne und Luft 
widerjteht. Ein Anzug aus dunkel⸗ 
blauem Cheviot, ein warmer ge= 
ftridter Troier, eine feſtſitzende 
Mütze und, fobald es fi nicht 
mehr um offene Boote, fondern 
um Sadten handelt, Schuhe mit 
Gummifohlen find die nötigften 
Beitandteile feiner Toilette, zu 
denen noch ein komplettes Delzeug: 
Hofe, Jacke und Südweſter, käme. 
Der Schnitt, des Anzuges: ein 
loſes, doppeltgeknöpftes Jackett 
und ein etwas weites, allen Be⸗ 
wegungen nachgebendes Beinkleid, 
ſollte immer beibehalten werden. 
Ein ſogen. „Tagesanzug“ an Bord, 
womöglich mit Taille und langen 
Rockſchößen, wirkt direkt lächerlich. 
Auf eleganten Booten wird ein 
Smoling oder ein Fradanzug mit 
an Bord genommen, den man bei 
den gemeinjamen Mahlzeiten im 
Hafen an Bord trägt. 

Für Damen an Bord gilt eben⸗ 
falls als vornehmfte Regel, fich fo 
einfah und vernünftig wie möglich 
zu leiden, vor allem jeden un- 
nützen Bub und Bejah zu ver- 
meiden, der durch Wind und Wetter 
leicht unanjehnlich werden würde. 
Weiße oder duntelblaue warme 
Kleider — auf See, beſonders des 
Abends, ift es immer fühl —, war: 
med Unterzeug und vor allem: 
fejtfigende Hüte oder Mützen find 
Bedingung. Jeder Sport foll er: 
zieherijch wirkten, und auch die ver: 
möhntefte Dame Tann bei einiger: 
maßen gutem Willen an Bord leicht 
lernen, ihre Anſprüche an Luxus und 
Komfort etwas zurüdzufchrauben. 


Niro. 334. 


Für längere Fahrten ift auch 
für eine Dame ein imprägnierter 
Mantel oder ein Gummimantel 
eine Notwendigkeit. 

Wer fih ein Boot halten kann 
und auch nur einer Hand zur 
Hilfe bedarf, follte die Mittel an- 
wenden, für eine anjtändige Aus: 
rüftung des Mannes zu forgen. 
Diefe Pfliht wird oft vernach— 
läffigt, während der Eigner einer 
Jacht natürlich für eine mehr oder 
weniger elegante Kleidung feiner 
Mannihaft Sorge tragen muß. Im 
Durchſchnitt wird er jedem Mann 
zwei Anzüge, einen zur Arbeit und 
einen befjeren, aus dunfelblauem 
Cheviot, zu geben Haben; dazu 
fommt ein geftriefter Troier in be- 
liebiger Farbe, dem quer über der 
Bruft der Name des Bootes wie 
die Anfangsbuchſtaben des Klubs, 
dem der Eigner angehört, einge⸗ 
webt oder aufgenäht find, ferner 
Mützen oder Hüte mit Namen?- 
bändern, gutes Schubzeug: Segel: 
ſchuhe aus Leinen und Lederitiefel, 
und für ganz grobe Arbeiten 
Leinenanzüge zum Schub, fogen. 
„Hinz und Herbüxen“, wie die 
Fiſcher fie im Norden tragen, und 
paffende Jacken dazu. Das Unter: 
zeug und Delzeug hat der Mann 
ſelbſt mitzubringen ; zum Berftauen 
jeiner Sachen find Kleiderfäde, mie 
fie in der Marine Brauch find, am 
rationelliten und nehmen am 
wenigften Pla fort. Es ift in 
Deutfchland im allgemeinen nicht 
Ujug, wie in England und Amerifa, 
dem für einen Sommer geheuerten 
Mann die ganze Ausrüftung zu 
jhenfen. Nimmt man ihn im näd: 
ften Jahr wieder an Bord, fo 
Ichafft man das Nötige oder Ver 
brauchte nad, hat alfo nur einmal 
die großen Anjhaffungstoften. — 
Auch. dem „Skipper“, d. h. dem 
Eriten der Mannjchaft, eventuell, 
wenn der Befiger nicht jelbft fegelt, 


E. Bräfin Baubiffin u. Rapilän €. Türk. 


der Kapitän des Bootes, muß feine 
Ausrüftung, die aus Anzügen aus 
etwas beſſerem Tuch beiteht, ge: 
liefert werden. 

Zu vermeiden find in der Klei- 
dung der Mannſchaft grelle Farben 
des Troierd wie der Kopfbedeckun—⸗ 
ge, nur bei Regatten find ge: 
jtridte Rennmützen mit grellroten 
oder bunten Gtreifen geftattet. 
Auch ift es durchaus unſeemänniſch, 
zwei Sporte miteinander zu ver: 
mengen und dad Boot wie die 
Leute Namen und Embleme eines 
andern Sportd, der mit Dem 
Waſſer nit dag geringite zu tun 
bat, tragen zu laflen. Auch Das 
fommt leider vor! | 

334. Ausrüftung des Bootes. 
Segel wie Takelage müflen in 
tadellofem. Zujtande fein, ebenjo 
einige Srtraleinen, die man für alle 
Eventualitäten, aud) für eine Segel: 
partie von wenigen Stunden, mit: 
nimmt. Ein Kanoe mit Cockpit 
genügt ſchon für einen längeren 
Ausflug; unter dem nachts über 
da8 Codpit gededten Prejenning 
it ein angenehmes und marmes 
Schlafen; die Borräte werden gleich: 
mäßig nad ihrem Gewicht rechts 
und links vom Schwert im Schwert: 
fajten verftaut oder zwiſchen Die 
Bodenmwrangen gelegt, wodurch ihr 
Hin: und Herrollen verhindert wird 
und fie gleichzeitig als Ballaft wirken. 

Bei Jachten teilt man den zur 
Verfügung. jtehenden. Raum unter 
Ded in Räume fürs Wohnen und 
Schlafen — bei mittleren Booten 
ein Raum, da die Sofas nachts 
in Kojen verwandelt werden können 
— und in die Kombüje ein; alles 
übrige wird jorgfältig für Pro— 
viant, Segelfoje, Taumerf ujm. aus: 
genugt. Die große Kunft ift, immer 
die Balance des Bootes zu berüd: 
fichtigen, befonder8 aud, daB beim 
Schlingern und Weberliegen jede 
„Schlagſeite“, d. H. ein ftärferes 


il m 





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06 3 


Er a a Te 


20=t:Kreuzerjacht. 


chnitt Durch eine Futtergetafelte 


= 


17). 


a ae | 


Nro. 334. &. Grafin Baudilfin 
Meberliegen nad einer Seite durd 
ungleiche Gemwichtöverteilung, ver: 
mieben wird. 

Bei einer Jacht mittlerer Größe 
ift neben der Schlaf- und Eßkajüte 
ein Kleiner Raum mit eingebautem 
Waſchtiſch und Klofett. Zur Kom: 
büſe ift eine direkte Verbindungs- 
tür. Die Eden der Kajüte find zu 
Kleider, Gejdirr- und Karten 
Ihränfen ausgenukt, die Wand: 
ſchränke über den Kojen zu Wäjche, 
Büchern ıc. Der Waſſertank be= 
findet ft unter dem Kajütsboden, 
die Segelkoje gewöhnlich achtern 
beim Ruder, Hängematten bezw. 
Kojen für die Mannfchaften im 
Raum vor der Kombüfe. Die Leute 
haben Anfpruh auf Hängematte | 
mit Matrage oder Koje und Woll: | 
deden. Das Inventar wird in die 
Boot3manns-, Zimmermannd- und 
Steuermannginventarien geteilt, zu 
dem noch der Materialbedarf Hin- 
zukommt. Je einer das Boot ift, 
defto einfacher ift diefe Ausrüftung. 
Sie wächſt natürlich mit der Größe 
der Jacht. 

Das Boot3mannsinventar 
für eine größere Jacht müßte um⸗ 
faffen: 


2 Großfegel, |2 Spannmwanten, 


1 Sturmtryfegel, 1 Fodftag, 

2 Stagfod, 2 Badftagen, 
3 Klüver, 1 Wafjerftag, 
ı Gaffel 2 Bugftagen, 


ı Dreied | Topjegel, 


1 — 
1 Flieger, 

1 ln 

ı Sonnenſegel, 

2 Schaltprefennings, 
2 Bezlige für Grof- | ı Achter ) davits, 
fegel und Stagfod, |2 Feftmacheleinen, 
Segelfäde, 2 Warptroffen, 

ı Buganter, 2 Dlarlipiter, 
ı Warpanter, 1 Bootsmannſtuhl, 
ı Heiner Draggen, !1 Kappbeil, 


1 Stengeftag, 

2 Stengewanten, 

2 Stengebadftagen, 
ı Stengenmwindreep, 
1 Borber=| ftander f. 
1 Mittels j Boots⸗ 


120 m Ankerkette, 1 Kleid=) Keul 

1 Ankerdavit mit |1 Mug, (Keule, 
Kattalje, Segelnadelt, 

ı Anterliättalje, Segelhandſchuhe, 


2 Ankerbojen v. Kork, 

2 Spillſpaken, eiſern, 

1 Mooringsſchäkel, 
Schlippſtopper, 


2 Decwaſchpützen, 
1 — —— 
1 agpüge, 
Roten > 


x. Rapifän €. Cürk. 
Fürs Beiboot: 


1 Bootömaft, 1 Bootsanker mit 
1 Spriet, Reine. 

1 Sprtetfegel, 2 Hetßtroppen, 

1 Kluver, Wielings. 


1 Bootsfonnenfegel, 


Für Steuermannsinventar 
braudt man: 


ı Sertant, 

1 Chronometer, 

ı Fluidkompaß, 

1 Aneroidbarometer, 
1 Thermometer, 

1 Doppelglas,Kieter, 
ı Nebelhorn, 

1 Batentlogg, 

1 2ot mit 26 m Leine, 
1 Parallellineal, 

1 Zirkel, 

2 Buglaternen, 

2 Tauflaternen, 

ı Anterlaterne, 

1 Nadtfignallaterne, 
2 Kompaßlaternen, 
1 Kajütslampe, 

4 Nettungsbojen aus 


2 Bootäbede, 

Korkweſten (entipre 
chend der Kopfzahl 
an Bord), 

1 kompl. Tiſchgeſchirr 
für die Rajüte, 

1 Sag Kochgeſchirr, 

1 Feuerzange ı für 

ı Feuerfhaufels die 

Kombilfe, 

1 Zupfer. Raudfang, 

1 Nautifche Tafel v. 
Domte, 

1 Nautiſch. Jahrbuch, 

1 Berechnungsbuch, 

2 Loggbüder, 

1 Segelanweifung f- 
die Oſtſee, 


Kork, 1 Segelanweijung f. 
1 Sag internation. | vie Norbfee, 
Signalflaggen, ı internat. Signal; 


4 Nattonalflaggen, 
1 Lotfenflagge, 

2 Klubftander, 
ROHR Haggen nad) Be⸗ 


buch. 
1 Jachtſfignalbuch, 
3 Seemanndorbng,, 
1 Loggiafel, 
1 Leuchtfeuerver⸗ 
zeichnis, 
1 Inventarienliſte, 
1 Rolle mit Schiffe 


art, 
2 Bootsflaggen, 
4 Hängematten, 
4 — 


4 Decken ojen, papieren, 
8 Bootskifſen, 1 Mappe für See— 
1 Stel-Tifchzeug; karten. 


Das Zimmermannsinventar 
umfaßt: 


1 Maſt und Saling, 8 Stützen für See 
1 Stenge m. Flaggen: | reeling, 
kno 6 Farbentopfe, 
12 Farbenquäfte, 
4 Schaltbretter fir 


1 Alitverbaum, 
ı Großbaum, 


2 GSaffeln, Cockpit, 
1 Spinnakerbaum, 2 Hämmer, 
1 Topſegelraa, 6 Bohrer, 
1 Breitfockraa, 1 Axt, 
1 Breitfodbaum, 1 Dediel, , 
2 eif. Bootsdavits, |8 Sägen, verſchied. 
1 Pumpentolben, Größe , 
1 Pumpenſchlüſſel, 3 Hobel, verfchie. 
2 bölgerne Ruder⸗ Größe, 
pinnen, 1 Meißel 


8 Sonnenfegelftügßen, 
1 Flaggenftod, 2 Kneifzangen, 
2 Stemmeijen, 


1 Fallreeptreppe, 
1 KlameisEifen, 


2 Fallreepftützen, 


— — — 
zur 





V. 1. Segelfporf. 


1 hölzerner Sammer, ! Bandmaß, 
1 Lineal, 1 Zirkel, 

ı Winkelmaß, 4 Schraper, 

1 Lot, 1 Leimtiegel. 





Fürs Beiboot: 


8 Riemen, 

4 Bootshaken, 

6 meſſ. Ruderkronen, 
1 meſſ. Ruderjoch, 


4 Sonnenſegelſtützen, 
1 Delfaß, 
2 Bootäwaflerfäffer. 





Diefe zum Inventar gerechneten 
Gegenftände werden durch den Ge: 
brauch allmählich abgenußt; zum 
Material gehören dagegen Joldhe, 
die regelmäßig verbraudht werden. 
Es wären daher zum Boot3mann?- 
inventar vorrätig zu halten: 

Taumerf, Segeltuch und Brefen- 
nings, Blöde, Hafen, Kaufchen, 
Schiemannsgarn, Hüfing, Kabel- 
garn, Takelgarn, Segelgarn, Flagg⸗ 
leine, Loggleine, Teer, Fett, Talg, 
Beſen, Abſetzer, Scheuerfteine, Putz⸗ 
ſteine, Twiſt, Oel; 

zum Steuermannsinventar: 

Lichte, Bleifedern, Seife, Nadeln, 
Zwirn und Flaggentuch; 

zum Zimmermannsinventar: 

Farbe, Firnis, Spieker, Nägel, 
Schrauben, Stifte, Leim, Werg, 
Kitt, Spiritus, Terpentin, Blech in 
Tafeln, Meſſing, Kupfernägel, 
Schmirgelpapier, Putzpreſennings, 
Putzketten (nach „Seglers Hand⸗ 
buch“). 

Ergänzungen zu den gegebenen 
Tabellen, reſp. Aenderungen wird 
der Segler ſelbſt nach den erſten 
Fahrten vornehmen müſſen, wenn 
er die Eigenſchaften ſeines Bootes 
erkannt hat. Außer dem ſchon er⸗ 
wähnten Patentreef wird jetzt auch 
zum Reefen der Fock die Rollfock 
gebraucht, die beide durchaus nicht 
mehr als unſeemänniſch betrachtet 
werden. Ebenſo iſt der alte Anker 
moderniſiert worden; zwar behält 
auch der gewöhnliche unbewegliche 
ſeinen Anhängerkreis, denn er hält 
gut und iſt billig. Der neuere, bei 
dem Schaft und Arme durch Ge—⸗ 


Nro. 334. 


lenke beweglich verbunden ſind, 
bietet den großen Vorteil, daß 
die zum Grunde ſpitzwinklig ſtehen⸗ 
den Arme ſich beide eingraben. 
Der Anker muß nad feinem Ge—⸗ 


1 hölz. Ruderpinne, | wicht im richtigen Verhältnis zur 


Größe des Bootes ftehen; der beite 
ift der, der größte Haltbarfeit mit 
geringftem Gewicht verbindet. 
Die Glieder der Anferfetten 
werden durch fogenannte „Stege“ 
verftärkt, die dem Recken der Ketten 





172. Anker. 
Derlag Wafferfport, Berlin. 


Aus Scalers Handbuch. 


glieder entgegenjtehen. Um die 
Ketten nad) Gefallen verlängern 
oder verfürzen zu können, find 
„Schäkel“ eingefügt, die ſich durch 
eiſerne Bolzen öffnen laſſen und 
an denen zugleich die Ketten ge— 
meſſen werden, von Schäkel zu 
Schäfel nennt man eine „Ketten: 
länge”. Anferfetten find unbedingt 
Anfertroffen vorzuziehen. Der Kom— 
paß fol genau mittſchiffs in Der 
Kielebene jtehen und möglichſt nie 
vom Plate gerücdt werden. Am 


Neo, 335336. 


beiten ift es, ihn auf einer Art 
feftftehenden Säule einzulafjfen und 
ihn mit einer Schuglappe von Meſ⸗ 
fing, über welche bei jchlecht Wetter 
und außer Gebraud noch eine Bre- 
fenning fommt, zu bedecken. 

835. Verpropiantierung. Für 
fürzere, auf Stunden oder auf 
einen Tag berechnete Ausflüge im 
kleinen Boot genügt der befannte 
und beliebte. „Futterforb“ , der 
leicht feinen Play unter einer 
Bank findet. Leicht zerbrechliches 
Geſchirr ift natürlich zu vermeiden, 
ebenjo halbflüffige Nahrungsmittel. 
Belegte Brötchen, ein paar Konjer- 
ven und Getränke in gut verkork⸗ 
ten Flaſchen werden dem aud bei 
fürzeren Touren fich einftellenden 
„Bärenhunger“ genügen. Bei 
mebhrtägigen Touren überlegt man 
fih genau, was zu fräftigen und 
reichliden Mahlzeiten nötig ift; 
eine Kochgelegenheit wird dann ja 
auch meifteng an Bord fein. Wenn 
nit, genügt ein Spiritusfocher, 
falls man nicht landet und ſich ein 
Feuer madhen wird. SKonferven, 
die ſich beim Deffnen der Dofe 
ſelbſt wärmen, find ebenfalls praf- 
tifch, aber ziemlich koſtſpielig. Man 
nimmt bei kleineren Fahrten un⸗ 
gefähr das Doppelte des nötigen 
Proviants mit, bei größeren min- 
deitend das Dreifadhe, um für alle 
Fälle geficdert zu fein. Wei Touren 
für Wochen oder Monate ift e8 
ratfam, den ganzen Bedarf an Kar: 
toffeln, Mehl und Kolonialwaren, 
Fleiſch- und Fifchlonferven, Ge⸗— 
tränfen, Butter und Schmalz an 
Bord zu nehmen. Ein Eisfchranf 
wird dann auch meiſtens vorhanden 
jein, um leicht verderbende Sachen 
aufzubewahren; es ift bedeutend 
einfacher und billiger, in fremden 
Häfen höchftend dann und mann 
friſches Fleifh, Brot und einiges 
Gemüfe einzufaufen. Auf jeden 
Tal hat man einen gehörigen Ap— 


E. Gräfin Bawdilfin u. Rapilän €. Türk. 


petit aller Teilnehmer an Bord zu 
berüdjichtigen und ebenfo, daß auf 
See ein folides, gutgekochtes Effen 
befjer ſchmeckt und befjer befommt, 
als auf die Dauer feine Delifa= 
teffen. Für die Leute wird, abge- 
jehen vom „Skipper“, der meiſtens 
mit am Tiſch des Eigners fpeift, 
immer ertra gekocht; und zwar feßt 
man entweder dem Koh pro Mann 
eine bejtimmte Summe aus — 
nach heutigen VBerhältniffen unge: 
fähr 1,30— 1,50 ME. pro Kopf und 
Tag — oder man übernimmt die 
Berproviantierung felbjt, kommt 
dabei durchaus nicht billiger davon, 
ift aber ficher, daß die Mannſchaft 
gut genährt wird. In der Regel 
beftebt die Hauptmahlzeit ver 
Leute in einer Suppe mit hinein- 
gejäänittenem Fleiſch, Gemüfen 
oder Kartoffeln, zu welchem Ge- 
richt meiſtens Konferven benust 


‚werden. Morgend und abends er- 


halten die Leute Kaffee oder eine 
Suppe; an Brot in der Haupt: 
jahe Hartbrot, an Schnaps täg- 
ih Ys 1 Rum, welche Ration bei 
befonderen Anläffen, nad Siegen, 
Ihlecht Wetter oder grober Arbeit 
erhöht wird. 

Fehlen follte an Bord niemals 
ein Mebdizinichrant oder -kaſten. 
Enthalten foll er außer in geringen 
Doſen vom Eigner zu verordnenden 
Mitteln wie: Opium, Chinin, Rizi- 
nusöl oder Bitterfalz, Hoffmanns: 
tropfen und Wundfalbe, einige 
Mull- und Leinenbinden, um vor: 
fommende Verwundungen kunſtge⸗ 
recht verbinden zu können. Der 
Eigner ſollte einige chirurgiſche 
Kenntniſſe beſitzen, auch richtige 
Mittel bei der Wiederbelebung Er: 
trunfener anzuwenden wiſſen. 


Indienftitellung und An- 
multern der Mannfchaft. 


336. Indienitftellen Des Bontes. 
Schon in den erften warmen Früh: 


V. 1. Segelfporf. 


lingstagen, wenn Flüſſe und Seen 
eisfrei werden, überfällt den Sport3- 
mann die Sehnjuht nad feinem 
Boot. Er weiß, daß auch bei dem 
beftüberminterten Fahrzeug fich im⸗ 
mer Reparaturen finden werden 
und denkt nicht daran, das Fahr⸗ 
zeug einfach aus dem Schuppen zu 
holen, es ind Wafjer zu lafien, 
Segel zu jegen und mwohlgemut 
davon zu fahren. Denn nichts ift 
fataler — oft auch verhängnisvoll 
— al3 unterwegs faule Holz= oder 
Eifenteile zu entdeden oder mürbe 
Schooten und Leinen zu fahren. An 
einem Boot muß von der oberiten 
Nock bis zum Kiel alles in tadel: 
loſem Zuftande fein. Der Anfänger 
follte fih in den erften Sahren bei 
diefer Mufterung nicht allein auf 
feine eigenen Augen verlafien, 
fondern eines Erfahrenen Rat er- 
bitten. Bor allem wird ein Boot, 
um genau unterfucht werden zu 
fönnen, aufs Trodene. gebracht, 
größere fommen zu einjchneidenden 
Umbauten oder Reparaturen in? 
Dod, ſonſt, wie die Heinen Boote, 
auf Selling. Bei den troß aller 
Berbeflerungen immer enipfindlicher 
gewordenen modernen „Rennma- 
ſchinen“ ift es ſogar Die Regel ge⸗ 
worden, die Fahrzeuge auf dem 
Trockenen ſtehend und mit einem 
Schutzdach verſehen, überwintern zu 
laſſen. 

Bei kleineren Booten ſind Take⸗ 
lage, Spieren, Klüver, Maſt, Pinne, 
Anker zu unterſuchen, außenbords 
vor allem die Verbände, die even⸗ 
tuell nachgedichtet werden müſſen 
und der Kiel reſp. der Schwert- 
faften, in dem fich leicht Fäulnis 
bildet. Wünfcht man die Farbe zu 
erneuern, was eigentlich jedes Jahr 
zu gefchehen Hat und die Delfarbe 
außerdem die beſte Erhaltung für 
das Holz ift, fo muß zuerft jorg- 
fältig die alte Farbe abgefragt 
werden. Ganz neue Boote erhalten 


Niro. 336. 


nur einen Zadüberzug, ältere, deren 
Außenbordsmwände nicht mehr tadel- 
[08 ausſehen oder fchon geflict find, 
werden ein- bis zweimal gefirnißt, 
dann mit Delfarbe gemalt. Die 
Ihönfte, und nur fcheinbar teuerfte 
Sarbe bleibt „weiß“. 

Die Revifton der größeren Sach: 
ten ift natürlich zeitraubender, jeder 
Tank, jeder Winkel, jedes Wert: 
zeug des Inventars und Materials 
muß geprüft werden. Falls Die 
Jacht außenbords gefupfert ift und 
fih Falten im Kupfer zeigen, fo 
ift e8 ein Beweis dafür, daß der 
Verband zu ftark angeftrengt ift. 
Die Lafhungen am Border: und 
Achterfteven werden auf ihre Halt- 
barkeit Hin geprüft, an Ded die 
Nähte, beſonders beim Maft und 
zwiihen den Badftagen. Das Ded 
der Jacht muß aus möglichſt ſchma⸗ 
len Blanten zufammengefegt fein; 
foldes Ded fieht, jauber verfittet 
und richtig behandelt, am ſchönſten 
aus. Der Stolz des Jachteigners 
ift das meißgejcheuerte Ded, das 
auf eleganten Booten niemald ge: 
ftriden wird — auf einfacheren, die 
mehr zum Tourenjegeln dienen, 
wird es zuweilen mit Leinenftreifen 
belegt und dann gemalt, um jedes 
Leden zu verhindern. 

Die Reeling mit Mejfing zu ver: 
fhalen oder auch außenbords als 
Abſchluß einen Kupferftreifen laufen 
zu laſſen, wirkt jehr hübſch. Kupfer 
und Meffing find überhaupt ihres 
fchwereren Zerfegend? wegen dem 
Eifen vorzuziehen; daher ift es 
auch vorteilhafter, ftatt des Eifen- 
kiels einen aus Blei zu nehmen, 
der außerdem ein höheres ſpezi— 
fiſches Gewicht Hat, alfo von ge= 
ringerem Umfang fein wird, al3 
der eijerne. 

Das Boot fol erit zu Waſſer 
gelaflen werden, wenn die äußere 
Farbe vollftändig troden iſt. Da— 
ber beginne man rechtzeitig mit 


Nro. 337. 


der Inftandfegung und warte nicht 
mit den Vorbereitungen bis zum 
legten Moment, bejonderg nicht, 
wenn als Erfted eine Regatta ge= 
jegelt werden fol. Der Segler 
muß fidher fein, daß fein Boot abs 
ſolut „ſeeklar“ ift. 

337. Anmnſterung der Mann⸗ 
ſchaft. Das Nächſte, um das man 
ſich während der Inſtandſetzung des 
Bootes kümmert, wird die Anmuſte⸗ 
rung einer guten ſeetüchtigen Mann: 
Ichaft jein. Führt der Eigner jelbit, 
jo braucht er als Erften und Be- 
auffichtigenden feiner Leute nur 
einen „Bootsmann“; übernimmt er 
jedod die Führung nicht jelbit, To 
bedarf er eines „Kapitäns“ oder 
„Skippers“. In beiden Fällen ift 
die Mannfchaft diefem Borgejegten 
abjoluten Gehorfam jchuldig. 

Seder in Dienjt tretende Schiffs⸗ 
mann muß ordnunggmäßig ange: 
heuert werden und fteht unter der 
Surisdiftion der Seemannsämter 
und unter der Disziplinaritraf- 
gewalt des Führers. Früher war 
man für den „Skipper“ wie für 
geeignete Sachtmannjchaft faft aus: 
Ichlieglich auf England angewiesen. 
Seit dem Wahlen unferer Marine 
wie der Verbreitung des Gegel: 
ſports bildet ſich allmählich auch 
in Deutſchland ein gutes Material 
heran und da der Kaiſer mit beſtem 
Beiſpiel vorangegangen iſt und für 
ſeinen „Meteor“ ſeit zwei Jahren 
einen deutſchen Kapitän und deutſche 
Leute geheuert hat — nachdem 
ſeine engliſche Beſatzung wiederholt 
geſchlagen war — ſollte jeder 
Deutſche ebenfalls ſeine Ehre dar— 
einſetzen, nur mit deutſcher Be— 
mannung zu fahren. Den 
„Skipper“ ſollte man für ein Jahr 
heuern, damit er das Ueberwin— 
tern der Jacht überwacht, die 
Matroſen für die Dauer der Sai— 
ſon. Die Bedingungen für einen 
Jachtmatroſen ſind nicht gering; 


E. Gräfin Baudiſſin vw. Rapitän €. Türk. 


als Erſtes und Hauptjädhlichites 
fol er natürlich ein tüchtiger See⸗ 
mann jein; aber man verlangt 
von ihm auch noch eine gute ee 
ein hübſches intelligentes Geficht 
und gute höflihe Manieren. Daß 
er tadellofe Papiere aufzumeifen 
bat, ift ferner durchaus wün- 
\henswert. Man fommt beim Jacht⸗ 
leben viel mit den Leuten in Be— 
rührung und muß daher vorfichtig 
fein, wen man an Bord nimmt. 
Die Heuer für einen Jachtmatroſen 
ift bei diefen Anfprüden an Die 
Leitungen, das Aeußere und den 
Charafter des Mannes, auch be= 
deutend höher als für den Matro- 
jen eines Kauffahrteifchiffes; fie 
beträgt im Durchſchnitt 70—80 
Mark pro Monat; für den „Stip- 
per” je nad feiner Bildung und 
jeinen Kenntnifjen 100 Marl und 
darüber. Bom erften” Tage an 
nehme man die Mannfchaft feit in 
die Hand, richte eine Taged- und 
Wocenroutine ein, d. h. eine regel- 
mäßige Verteilung der Arbeiten 
und ebenfo verteile man genau die 
„Rollen“. Daraus erfieht ver 
Mann, welde Funktion ihm bei 
jedem Segelmanöver zufält. Die 
Wade wird durh die Wadrolle 
verteilt; im Hafen hat der Mann 
24 Stunden die Wache, in welcher 
Zeit er nit von Bord darf und 
die Anferlaternen, fowie die Flag—⸗ 
genparade bejorgen muß; in See 
wird die Wache alle 4 Stunden 
abgelöjt. Man dulde feine Trunfen- 
beit und feinen rohen Ton an Bord 
und beitrafe Urlaubgüberfchreitun- 
gen mit Urlaubsentziehungen. Auch 
hat man das Recht, Leute, die den 
Gehorfam verweigern, ſchmuggeln, 
jih einer nad) dem Strafgefegbud) 
zu ahndenden Tat fchuldig machen, 
jofort zu entlafien. Zeigt fi ein 
Dann des Dienftes, den er über- 
nommen hat, unfähig, jo darf der 
Eigner ihn im Rang berabfegen 





V. 1. Segelfporf. 


und feine Heuer verringern, muß 
dies jedoch fofort ind Schiffsjournal 
eintragen; nicht unterworfen diefem 
Recht ift der Steuermann. Die 
Heuer wird den Leuten erft nad 
Beendigung der Reife oder des 
Dienftverhältniffes ausgezahlt. Doch 
hat jeder Matrofe von 6 zu 6 Mo- 
naten Anſpruch auf die Hälfte feiner 
Heuer. Kein Mann darf das Schiff 
ohne Erlaubnis des Kapitäns ver: 
laſſen; iſt für feine Rüdfehr keine 
Zeit feftgejegt, jo muß er vor 
8 Uhr abends wieder an Bord fein. 
Sedem Mann ift bei der Abmuſte⸗ 
zung im Seefahrtsbuch die Dienft- 
zeit wie feine Rangverbältniffe zu 
bejcheinigen, über jeine Führung 
muß, fald er ed wünſcht, ein 
Extraatteſt ausgeſtellt werden. Falls 
das Schiff die Flagge wechſelt, der 
Kapitän fich einer groben Verlegung 
feiner Pflidten dem Mann gegen 
über ſchuldig macht oder vor Be⸗ 
endigung der Ausreife noch eine 
neue Reife beichlofjen wird, jo kann 
der Mann feine Entlafjung fordern. 
Doch darf er fie nach beendigter 
Reife nicht früher verlangen, als 
bis dag Schiff gereinigt und im 
Hafen oder einem anderen Orte 
feftgemadt ift. Zu bemerfen wäre 
noch, daß die Gültigkeit des Heuer: 
vertrags nicht durch ſchriftliche Ab- 
fafjung bedingt ift, doch ift mit 
Rückſicht auf beide Teile — Führer 
wie Schiffemann — dringend dazu 
zu raten. Dieje bier angegebenen 
Punkte find der „Deutichen See— 
manngordnung” entnommen, die 
über Seefahrtsbücher und WMufte- 
rung, Vertragsverhältnis und Dis- 
ziplinar- wie Strafbeitimmungen 
Aufſchluß gibt. 


Touren- und Tlcttfegeln. 

338. Tonrenfegeln. Wie man- 
ches Gute auß der Fremde haben 
wir Deutfhen das Tourenfegeln, 
verbunden mit wochen: oder mo: 


Nro. 338. 


natelangem Leben auf dem Waſſer, 
auch erſt von den Engländern und 
Amerifanern lernen müjfen. Seit 
dem Heben des deutſchen Segelfport3 
ſtehen jegt allerdings auch billigere 
Wege offen, fich dieſes wunderbare 
Vergnügen zu geftatten, das wie fein 
anderes Erholung, Anregung und 
abjolütes Leben in der Natur bietet. 
Größere Bootsbauer vermieten Luft: 
jachten für die GSaifon oder für 
beitimmte Zeit — den Angehörigen 
der Marine ftehen ganze Reihen 
von guten, älteren Booten, wie 
„zuft”, „Liebe”, „Aſta“, und dazu 
auch Die immer noch modernen 
früheren „Meteors“ Seiner Maje- 
ftät „Komet“ und „Orion“ zur 
Verfügung und find ſchon von Jahr 
zu Jahr ziemlich für jeden Tag in 
voraus belegt. Kleineren Gefell- 
Ihaften von 3—4 Berfonen genügt 
für dieſe köſtlichen Fahrten auf 
Binnenwäflern und Flüffen das 
„zamilienboot”. Den Engländern, 
bei ihrer großen Naturliebe, der 
Sfolierung ihrer Inſel, die fie 
auf den Wafjerweg anmies, und 
bei ihrer Neigung zu jedem Sport, 
wurde von jeher die Ausübung 
dieſes Sports durch ihre reichlichen 
Mittel ermöglicht. Aber erſt in 
den letzten Jahren iſt das Touren: 
ſegeln in kleineren und größeren 
Booten zu zweien und dreien oder 
„en famille“ „Mode“ geworden und 
hat infolgedeſſen einen Umfang an- 
genommen, wie er leider in Deutjch- 
land wohl faum erreicht werden wird. 

Dem deutfhen „Familienboot” 
ift nämlich — faſt noch ehe es 
recht geboren — ein gefährlicher 
Konkurrent erjtanden: im Auto— 
mobil. Die Bemeife dafür hat fchon 
die Kieler Woche 1908 erbradt; 
fie war durchaus nicht weniger an: 
regend oder gemütlich wie ſonſt — 
im Gegenteil! — wies aber einen 
geringeren Beſuch, vor allem nicht 
die im Verhältnis ftehende, ermar: 


Niro. 338. 


€. Gräfin Baudilfin u. Rapilan ©. Türk. 


tete Anzahl von Neu-Nennungen auf. |; geräumige Kajüte zum Speifen und 


Das Automobil hat den Borzug, 
zu jeder Jahreszeit dienftbereit und 
von der Witterung unabhängig zu 
fein, und da die Leute in Deutjch- 
fand, die fich beides — Jacht und 
Automobil — halten können, im— 
mer noch nicht fehr zahlreich jind, 
jo zeigt fi) vorläufig ein Ueber: 
gewicht des „Töff-Töff“. Gegen 
den Automobiligmus als folchen 
ift ficher nicht einzuwenden — 
nur mit den Genülfen, die dag 
ftile friedliche Dafein auf einem 
Segelboot bietet, der heiteren Un: 
terhaltung,, der Beobachtung von 
Himmel und Waffer, dem gemüt- 
lihen Xeben, wenn man irgendwo 
für eine Zeitlang an Land geht 
und in eigenen Zelten Tampiert, 
itt dag Reifen mit einem Auto 
nicht zu vergleichen. Auch der Seg: 
fer bedarf großer Geiftesgegenwart 
und Kaltblütigfeit, auch feine Auf: 
merkſamkeit darf nie erlahmen; aber 
die Schöne, faft lautlofe Bewegung bei 
aut Wetter — morunter der Seg: 
ler durchaus feine Flaute, Jondern 
eine tüchtige Naſe vol Wind ver: 
fteht — geftattet doch ein ganz an= 
deres förperliche8 und geiftiges 
Ausruhen als das Nattern über 
Landſtraßen und Chauffeen. 

Die Bedingungen, die man an 
ein richtiges „Familienboot” ftellt, 
ind naturgemäß ganz andere, als 
die an eine Kennjadt. Die Bor: 
züge der lektern müfjen in ihrem 
ſcharfen, leiten Bau und einer im 
Berbältnis zu dieſem möglichit 
aroßen Segelflähe beſtehen; Rück— 
jihten auf Komfort wie Stabilität 
treten hinter Ddiejen Forderungen 
faft ganz zurüf. Tas „Familien: 
boot“ verlangt abjolute Sicherheit, 
größte Bequemlichkeit und dement— 
jprehend viel Raum für den Eig- 
ner und feine Gäjte. Ohne fid) 
gleih in ein fchwimmendes Hotel 
umzumandeln, wird e3 doch eine 


Wohnen, vielleicht auch ein Rauch⸗ 
oder Leſezimmer, haben müſſen; 
dazu dann ein oder zwei Bademög- 
lichkeiten — man läßt die Wannen 
in den Schlaflabinen oder Toiletten 
im Fußboden ein, mit gut fchließ- 
barem Dedel — und verfchiedene 
Kammern für den Eigner und feine 
Familie, wie für die Gäfte. Für 
die innere Ausihmüdung ftehen 
jest durch die Entwidlung des 
Kunſtgewerbes ſehr viel Mögliche 
feiten offen; gerade der moderne 
Stil: einfahe Linienführung und 
Anwendung fchöner Hölzer, Die 
durch ihre Maferung wirken und 
feinerlei Farbe bedürfen, eignet fich 
vortrefflich zur Ausſchmückung eines 
Booted. Wo man fimplere Holz- 
arten anwendet, für Schlaffabinen 
und Nebenräume, bleibt weiße Del- 
farbe immer die fauberfte und feinfte. 
Für eine qute Bibliothet und einige 
Spiele (Schach, Domino 2c.) follte 
Sorge getragen werden, um et=- 
maiger Langeweile an Regentagen 
vorzubeugen; Kartenſpiel, beſon⸗ 
ders Haſard, ſollte der Eigner 
möglichſt wenig an Bord dulden, 
ſchon wegen des ſchlechten Beiſpiels 
für die Mannſchaft. Wie man bei 
dieſer auf anſtändigen Ton halten 
und feine Trunkenheit, Raufereien ꝛc. 
dulden ſoll, ſo führe man auch „hinter 
dem Maſt“ — dem reſervierten 
Plag für den Eigner und feine 
Säfte — ein ftrenges® Regiment. 
Seden Einſpruch in Kommandos, 
Befehle an die Leute, Kursrichtung 
uſw. jol fi der Wirt gleich beim 
erftenmal energijch verbitten, um 
gar Teinen Irrtum auflommen zu 
lafien. Meberhaupt tut er am 
beiten, an jeine Säfte einen ähn- 
lichen Maßſtab zu legen, wie an 
jeine Leute beim Heuern. Und 
einen unliebjamen Gaft wieder von 
Bord zu befommen, ift bedeutend 
ſchwerer, als ihn aufzunehmen. 


V. 1. Segellpori. 


Ein oder zwei Beiboote wird 
jede Jacht führen, um die Berbin- 
dung mit dem Lande aufrecht zu 
halten, falls man nidt am Ufer 
oder Bollwerk feftmachen will. Auch 
zu Ausflügen in ſchmälere Gemwäfjer 
tun dieje Boote gute Dienjte. Sehr 
angenehm und von modernen Jach— 
ten bevorzugt find Kleine Motor: 
boote. 

Zum behaglichen Leben an Bord 
eines „Familienbootes“ gehört reich- 
lihe Bedienung. Da der Kod 
oder Steward immer als „Hand“ 
gerechnet werden, in Notfällen 
alfo an Deck helfen müſſen, jo tut 


. man ganz gut, falls Raum genug 


vorhanden iſt, eine Köchin, ev. aud) 
noch eine Jungfer refp. wenn Kin- 
der an Bord find, ein Kindermäd- 
chen, mitzunehmen. 

Die Grundpläne der Reife wird 
man ja im voraus ungefähr feit- 
legen und ſich Boft 2c. zu beſtimm⸗ 


Nro. 339. 


ten Terminen an die und die Sta- 
tionen bejtellen können; einige 
kleine Schwanfungen und Abmei- 
Hungen des Fahrtplanes find un: 
ausbleiblih und durch Wind und 
Wetter bedingt. Mit diefen Un— 
befannten hat jeder Teilnehmer zu 
rechnen. Die legten Sahrbücher 
des Kaiferl. Jachtklubs, befonders 
das von 1908, enthalten allerlei 
amüfante Berichte über deutjches 
Tourenjegeln, die deutlich beweifen, 
welch Gewicht man aud) bei ung jett 
diejen ſportlichen Reifen beilegt. 

339. Wettfegeli. Weber die An- 
fänge des Wettjegelns ift in der 
Einleitung zum „Segeljport” ge= 
jproden worden. Es erübrigt nun 
über das Wettjegeln, wie es nach 
den heutigen Regeln und Gefeten 
jtattfindet, einige Anhaltspunfte zu 
geben. 

a) Vermeſſen der Boote. 
Die Haupteigenjchaft eines zum 





123. „Rennmaſchine“. 


Nro. 339. 


MWettfegeln beftimmten Bootes iſt 
Schnelligkeit. Um dieſe zu er: 
reichen, gibt es zwei Grundtypen, 
das ganz ſcharf gebaute, tief ein: 
ſchneidende Boot oder die flache 
Slunderform, deren Breite die Ba- 
lance für die große Segelfläde 
hält; die Flunder ift jet aber von 
den Regatten ausgeſchloſſen wor⸗ 
den. Infolge der von Jahr zu 
Jahr fteigenden Konkurrenz hat ſich 
das Rennboot allmählich zur „Renns 
machine” ausgebildet. | 
Jede Rückſicht auf Bequemlic- 
feit an Bord fällt fort, nur die 
Devife „Höchſte Schnelligkeit“ ift 
maßgebend. “Da die Boote nun fo 
leicht wie möglich gebaut werden 
und um an Deplacement zu ge: 
gewinnen, der Segeldruck baber 
natürlich ein äußerft ftarfer ift, jo 
hält eine Rennjacht felten viele 
Saiſons aud. Die Verbände wer 
den überanftrengt, das Boot in⸗ 
folgedeffen undicht oder „weich“. 
Um daher auch Unbemittelteren, 
die fih nicht alle zwei oder drei 
Sahre den neueften Typ bauen 
taffen können, die fernere Teil- 
tahbme an den Negatten zu er- 
möglichen, läßt man in befonderen 
Klaſſen ältere Kreuzerjachten wie 
Tourenboote unter fich fegeln. Doch 
auch hier gilt ed, den genauen 
Unterfhied an Größe zwifchen den 
verfchiedenen Booten feſtzuſtellen; 
denn die Grundregel ift, daß bei 
gleich gut gebauten Booten mit ent- 
Iprechender Segelfläcdhe dag größere 
das Heinere immer an Schnellig: 
feit beftegen wird. Um aljo Boote 
mit gleicher Takelage von verfchie= 
dener Größe miteinander racen zu 
lafien, tft ein befonderes Meßver⸗ 
fahren eingerichtet. Diefes teilt 
die Boote nad) ihrer Größe ein 
und zwingt die größeren, den flei- 
neren eine entſprechende Zeit zu 
„vergüten”. Ein abfolut ficheres 
Mepverfahren gibt e8 kaum; das 


E. Gräfin Baudiffin u. Rapitän U. Gürk, 


Boot allein nad feinem Deplace: 
ment zu bejtimmen, was das Nat: 
famfte und Einfachfte zu fein ſchiene, 
ift nit angängig, da dann bie 
flaheren Bauarten zu fehr im Vor: 
teil wären, man auch fein richtiges 
Bild von der Leiſtungsfähigkeit des 
Bootes erhieltee Man hat nun 
preierlei Arten der Vermeſſung; 
eine nach Raum und Deplacement 


(alfo Höhe, Breite und Tiefe), die 


zweite nur nad) Länge und Breite, 
die dritte, die allein die Länge be 
rechnet. Jede dieſer drei Ber: 
mefjungen ift für beſtimmte Baus 
arten von Vorteil und je nachdem 
fte eingeführt find, wird fich der 
Typ der Yachten nad) ihnen ver 
ändern und öfters rechte Mif- 
geburten, die alle Vorteile des be: 
ftimmten Meßverfahrens wahrzu⸗ 
nehmen ſuchen, zeitigen. Außer⸗ 
dem kommen noch die örtlichen Ver⸗ 
hältniſſe in Betracht; z. B. die 
Eigentümlichkeiten des Seeganges. 
Eine Jacht, die in jedem Seegang 
gleich gut läuft, wird ſich kaum je 
bauen laſſen; aber auch dazu, um 
ſie genau der Eigenart eines Re⸗ 
viers anzupaſſen, gehört eine große 
Kunſt; z. B. verdankt die „Wann⸗ 
ſee“, die im Auguſt 1907 den 
Kaiſer Wilhelm-⸗Pokal in der Kieler 
Föhrde gewann, ihren Sieg mit 
zum Teil dem Zufall, daß durd 
eine Verkettung unglüdlicder Um: 
ftände die amerikanischen Boote, bie 
fih wohl am beiten dem „Schwer: 
wetter” der Föhrde angeeignel 
hätten, nicht zum Auswahlrennen 
gelangten. Dagegen gewannen die 
Franzoſen ebenfalls im Sommer 
1907 den „Coupe de France“ 
zurüd, da fich in Deutjchland nut 
ein dem veralteten franzöfijchen 
Meßverfahren entjprechendes Fahr: 
zeug, die „Felca“, meldete und nie 
mand gewillt war, fi nur zur 
Verteidigung dieſer Trophäe ein 
fonft ungültige8 Boot hauen zu 


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1, Jay ID 0 


22 


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ro. 339, 


lafjen. Die Franzofen aber, denen 
die Schwächen der deutſchen Jacht 
aus den lebten Kämpfen befannt 
waren, batten ein leichtes Spiel, 
die „Felca“ zu übertrumpfen und 
entjandten die eigen? zu dieſem 
med erbaute „Ar Men”. Beide 
Boote mußten von gegenfeitigen 
Bertrauengmännern neu vermefjen 
werden bis auf die Berechnung der 
Segel, die zweimal wegen zu ftarfen 
Windes unterbrochen wurde und 
deshalb zulegt ganz unterblieb. 
„Felca“ wurde in beiden Wettfahr- 
ten von „Ar Men” gejchlagen „und 
zwar bat hier dag zweifellos jchnel- 
lere Boot den Preis gemonnen“”, wie 
es im Jahrbuch 1908 des Kaiferl. 
Jachtklubs heißt. Die Boote waren 
raumjchot3 und vor dem Winde 
gleid, am Wind jedoh war die 
„Ar Men” der „Felca“ weit über: 
legen. Beide Boote wurden in der- 
jelben vorzüglichen Weife gejegelt, 
der Sieg ift folglich allein dem Kon= 
jtrufteur und Erbauer zu danken, 
„alfo ein Ergebnis der ftilen Ars 
beit auf dem Reißbrett“. 

Bei Kreuzerjachten fpielt dag 
Mepverfahren, fofern fie ungefähr 
den herkömmlichen Typ bewahren, 
bei weitem nicht die große Rolle 
wie bei den „Rennmaſchinen“. 
Diefe werden in drei Gruppen 
beim Meſſen eingeteilt: in flache, 
mitteltiefe und tiefe Jachten. 

Bon größter Wichtigkeit für 
die Schnelligkeit und Leiſtungs⸗ 
fähigfeit der Jacht ift, wie ſchon 
betont wurde, die Segelfläche, der 
Schnitt der Segel und ihre rich- 
tige Verteilung auf das Fahrzeug. 
Das „Segel-Areal” muß im rid)- 
tigen Verhältnis zur Größe des 
Bootes ftehen. Die Enttäufchung, 
die die neue „Germania“ des 
Herrn Krupp von Bohlen u. Hal: 
bach bei ihrem erften Auftreten in 


E. Gräfin Baudilfin u. Rapilän €. Türk. 


fie no nicht im richtigen „Segel: 
Trimm“ war. Als die Segel nad 
der erjten Niederlage erft gut 
„ſtanden“, eilte der neue, herrliche 
Schoner von Sieg zu Sieg, ein 
Beweis, von welder Wichtigkeit es 
ift, daß fi das Zentrum Der 
Segelwirfung lotredt über dem 
Zentrum des jeitlihen Widerftan- 
des befindet. 

b) Wettjegeln. Die große 
Kunft des Wettjegelnd läßt fich 
alfo auch nur durd die Praris 
erlernen. Der Segler muß Die 
tüchtigſten Segelfenntniffe befiten, 
ferner eine fichere Hand und Die 
Ihärffte Beobadtung haben für 
Wind und Waſſer — wie für feine 
Konkurrenten. Da faft alle Racen 
durch das Auffreuzen, folglih am 
Wind fi entjicheiden, fo bleiben 
eben die erforderlichen Eigenfchaften 
des Rennbootes: möglichjte Schnelle: 
ligfeit und die Fähigteit, am Wind 
am beiten zu laufen. Genauer und 
pünktlicher noch al8 beim Spazieren- 
oder Tourenjegeln müſſen die Kom: 
mandos des Führers befolgt wer: 
den, er muß feiner Leute und ihrer 
Geſchicklichkeit abfolut ſicher fein. 
Segeljegen, Fieren und Anbolen 
der Schooten, Reefen — dies Alles 
muß ohne Aufenthalt vollzogen 
werden; jede Minute, ja, jede Se: 
funde, die durh ein langjames 
oder gar falihe8 Manöver ver: 
Ioren gebt, iſt oft entſcheidend. 
Schnell und vorfihtig müflen die 
Leute beim Wenden oder Halfen 
die Plätze wechjeln, jede unnüße 
Erfhütterung des Bootes vermei- 
dend. Beim Auffreuzen müſſen 
die Leute in offenen Booten nicht 
auf den Bänken, fondern zwiſchen 
ihnen an Ded boden oder liegen, 
um dem Winde möglichit geringe 
Angriffsflähen zu bieten. Das 
Setzen des Spinnakers, Ballonfock⸗ 


der Kieler Woche 1908 bereitete, ſetzen und Bergen, überhaupt alle 
verdankte ſie dem Umſtand, daß etwas ſchwierigeren Manöver müſſen 


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= 1 cm 


V. 1. Segelfporf. 


ſo lange geübt werden, bis die 
Mannſchaft vollkommen „einge: 
trimmt“ iſt. Sich mit ſchlecht ein- 
geſchulten Leuten am Start einzu⸗ 
finden, iſt gelinde gejagt, eine Un 
verfrorenheit, kann auch beim Racen, 
wo jede Rüdfiht auf den Nachbar 
fortfält, von großer Gefahr für 
alle Beteiligten werden. 

340, Anfegeln. Sede ſommer⸗ 
liche Wettfegelfaifon beginnt mit 
dem Anfegeln. Das ift die erſte 
Öffentlihe Prüfung, nachdem vor⸗ 
ber das Boot „klargemacht“ und 
die Mannfchaft einererziert wurde. 
Man beicheinigt durch das Teil: 
nehmen am Anfegeln, daß man in 
den kommenden Monaten als Kon⸗ 
kurrent mitzählen will, gibt den 
Rivalen Gelegenheit, fi ein Ur- 
teil über Boot wie Leute zu bilden 
— fann vor allem aber Tonftatieren, 
in welcher Berfaffung ſich die alten 
Gegner befinden, ob und melde 
neuen Gegner hinzugelommen find 
und wie man zu ihnen abjchneidet. 
Das Anfegeln ift alſo fein eigent- 
liches Wettjegeln, geitattet jedoch 
„handicaps“. Das Anjegeln des 
Kaiferl. Jachtklubs in Kiel findet 
gewöhnlih im Mai ftatt. An ihm 
nehmen alfo Klubjachten aller Klaſſen 
teil; — falls einzelne Boote nicht 
untereinander handicappen, d. h. 
fih über Abfahrt, Geldeinſatz uſw. 
verabreden, findet ein von Klub- 
wegen angeſetztes Weitjegeln nicht 
tatt. 


841. Rennen, Beim Rennen 
unterjcheivet man zwijchen internen 
und offenen Wettfahrten; lettere 
können wieder nationale oder inter- 
nationale Wettfahrten fein. 

Interne Wettfahrten bält nur 
ber betr. Klub, für feine Boote und 
Mitglieder ab, die anderen Arten 
veranftalten ein oder auch mehrere 
Vereine gemeinjchaftlih und er⸗ 
wählen dann aus ihren Vorſtands⸗ 
mitgliedern einen Ausfhuß als 


Niro. 340-341. 


Regattavorftand. Diefem fällt das 
Programm des Wettjegelnd zu; 
nämlid die Beſtimmung, melde 
der oben angeführten Arten des 
Wettſegelns ftattfinden fol, ferner 
auf welchem Revier und zu mel- 
chem Zeitpunft. Ebenſo beftimmt 
der Ausschuß über die Zahl und 
Art der zugelafjenen Klafjen, über 
das anzumendende Bermefjungs- 
und Vergütungdverfahren, entwirft 
für jede Klaſſe die zurüdzulegende 
Segelbahn und fett die Höhe der 
Einſätze wie der Preiſe feſt. Die 
Preife beftehen in Ehrengaben, bis⸗ 
lang in Deutſchland nur felten in 
Geld. Der Ausſchuß muß die Auf- 
forderung zu feiner Regatta meh- 
tere Monate vor dem Termin er- 
laſſen und die Einjchreibliften einige 
Moden vor dem Regattatage jchlie- 
Ben, um Zeit zu den Vorberei— 
tungen zu haben. Eine Meldung 
gilt nur dann als gültig, wenn ihr 
der feſtgeſetzte Einſatz beigefügt ift. 
Einige Mitglieder des Ausſchuſſes 
haben das Nichteramt zu über: 
nehmen, nämlich das Starten der 
Boote, ihr Zeiten beim Runden der 
Marten, ſowie endlich ihr Paſſieren 
durchs Biel. | 

Selbitverftändlich enthält die über 
eine Regatta erlaffene Ausſchreibung 
eine ſorgfältige Feſtſtellung aller 
Punkte. 

Bei ungünſtigem Wind laſſen 
ſich die Boote zum Start ſchleppen 
und ſuchen ſich dann eine möglichſt 
vorteilhafte Lage vor der Start: 
linie. Vom Anfer aus zu ftarten, 
alfo mit feſtgemachten Segeln, ift 
faum mehr Brauch, da Boote mit 
einfacher Tafelage gegen jolche mit 
großer, ſchwerer zu jehr im Vorteil 
find. Man bevorzugt jet den 
„fiegenden Start”, d. h. die Boote 
laufen unter Segel durd die Start- 
linie. Jedes Boot trägt am 
Großfegel eine weithin ſichtbare 
Nummer. Fünf Minuten vor Ber 


Nro, 341. 


ginn der Regatta fält vom Start- 
dampfer ber Borbereitungsfchuß ; 
die Jachten der zuerſt laufenden 
Klaffe fchieben ſich vor der Start⸗ 
linie auf; die Startlinie wird vom 
Startvampfer zu einer querablie- 
genden Marke mit Flagge be— 
zeichnet. Bon Minute zu Minute 
jteigt auf dem in ſchwarze und 
weiße Felder geteilten Maft des 
Startdampferd ein roter 
empor; ift das legte Feld erreicht, 
fo fällt der Startſchuß und zugleich 
fintt der Ball wieder zum eriten 
Feld nieder, um in gleicher Weife 
dag Zeichen für die folgende Klafje 
zu geben. 

Macht fi ein Boot beim Durd- 
fegeln der Startlinie eine PBer- 
ſehens ſchuldig, ſo ertönt vom 
Startdampfer ein Pfiff und zu—⸗ 
gleich wird die Nummer der zu— 
rückgerufenen Jacht gezeigt. Nur 
wenn eine Jacht umkehrt, mo- 
bei fie allen anderen Jachten aus 
zumeidhen hat, und noch einmal 
die GStartlinie pafjiert, hat ihr 
Rennen Gültigkeit. Gibt ein Boot 
. das Rennen auf, fo muß es den 
MWimpel - F des internationalen 
Signalbuchs ſetzen und fofort den 
für die Regatta vorgejchriebenen 
Kurs verlafjen. 

Beim Fallen des Borbereitung- 
Schuffes darf fein Boot mehr ge- 
ihleppt werden, an einer oje 
oder an einem andern Fahrzeug 
feftgemadt liegen, noch Riemen 
gebrauchen. 

Alle Protefie gegen das Zurüd- 
rufen, gegen einen Gegner, einen 
Irrtum oder eine jiheinbare Un⸗ 
gerechtigfeit müffen zwei Stunden 
sach der Beendigung der Regatta 
Shriftlich eingereicht werden. 

Ausgeſchloſſen von der Regatta 
werden alle Boote, die faljche An 
gaben über ihre Maße, den Ballaft, 
ihre Mannschaft oder ihre Tafelage 
gemadt haben, die zum Nachteil 


Ball. 


E. Bräfın Baudiffin u. Kapilän C. Qürk. 


oder zur Störung der Mitjegler 
falſche Manöver ausführen oder 
während der Regatta gegen bie 
Segelvorſchriften verjtoßen, gegen 
die aljo ein Proteſt begründet iſt. 
Ueber die Diftanzierung (Ausfchluß) 
der Boote enticheiden die Schieds⸗ 
richter, die aus dem Regattaausſchuß 
gewählt werden und gegen deren 
Beſchluß es keine Berufung gibt. 

Beim „fliegenden Start” kommt 


ed darauf an, auf die Sekunde in 


voller Fahrt dur die Startlinie | 


zu gehen. Man dreht veshalb 
beſſer nicht bei und treibt langjam 
zum Start heran, wie es am ein—⸗ 
falten ſcheinen möchte; es würde 
zu viel Zeit damit verloren, wieder 
volle Fahrt zu gewinnen. Der 
Mann am Ruder muß aljo genau 
die Zeit und die Diftance berechnen 
und das Boot abjolute Manövrier⸗ 
fähigfeit im gegebenen Moment be: 
fiten; daher werden alle Beijegel 
erit nach erfolgtem Start, dann 
aber jofort gejeßt. 

Natürlich gilt eg, außer Wind 
und Kurs die Konkurrenten feſt im 
Auge zu behalten. Weber die 
Pflichten, die man ihnen gegenüber 
bat, geben die Regeln im folgenden 
Abſchnitt Auffchluß ; Über Die Rechte 
ihnen gegenüber wäre zu bemerfen, 
daß es erlaubt ift, einen Gegner 
zu bededen, d. h. ihn in Lee zu 
nehmen und ihm auf diefe Weile 
den Wind aus den Segeln zu 
ziehen. Verſucht der Feind ſich 
aus dem Lee zu retten, fo muß 
das eigene Boot hoch an den Wind 
gehen, denn nur dadurch, nid! 
durch Abfallen darf man das Ueber: 
holen eined anderen Booted ver: 
Bindern. 

Beliebt und erlaubt find aud 
Scheinmandver, um den Gegner 
zum Nachfolgen zu reizen und ihm 
dann, wenn er über den verfehrten 
Bug gegangen ift, ftolz vorbeizu⸗ 
ſegeln. 


V. 1. Segelſport. 


Bei beſuchten Regatten iſt das 
Runden der Bojen oder Markboote, 
die den Segelplan markieren, be— 
ſonders ſchwierig, da ſich hier oft 
die Boote zuſammendrängen. Sieht 
man an der Wendemarke bereits 
einige Vorderleute in gefährlicher 
Nähe zueinander oder gar ſich ſchon 
berührend, ſo gehe man ſelbſt nicht 
zu nahe an dieſe „kämpfende“ 
Gruppe heran, jondern fcheue einen 
fleinen Umweg um diejelbe nicht 


Nro. 341. 


fieren, jo würde felbjtverftändlich 
aud) dag vordere Boot anluven 
und es entjtände ein „luffing 
match“, aus dem vielleicht andere 
Gegner inzwiſchen Vorteil zögen. 
Hat man, wie e8 nicht jelten vor: 
fommt, nur einen Gegner in 
feiner Klafje, fo bleibe man ſolange 
dicht bei ihm, big die eigene Ueber— 
legenheit völlig ausgemadt it; 
man bat bis dahin vielleicht dies 
oder jenes Stüf der Bahn mit 





— er madt fi meift bezahlt! 
Ferner verfalle man beim Auf- 
freuzen nidt in den beliebten 
Fehler, zu hoch zu jteuern; dann 
liegt das Boot fcheinbar höher als 
die Gegner, aber macht feine Fahrt. 
Alfo: immer volle Segel fteuern! 

Wil ein Boot das andere über- 
holen, fo ift das am beiten in Lee 
zu maden, da ja der Gegner dies 


durch Abfalen nicht verhindern 
Würde man in Luv paf:| 


fann. 





175. Kuffing Maid. 


„verjegelt“, genieft aber daneben 
den Vorteil, daß der Gegner es 
durch eine Zufallsgunit des Windes 
nicht beſſer hat als man jelber: 
man befommt eben alles gleich ! 
Stoßen zwei nebeneinander je- 
gelnde Boote auf ein Äußeres 
Hindernis, das von dem Boot in 
Lee nicht genommen werden kann 
und ift e3 durch das Boot in Luv 
verhindert zu menden, jo ift dieſes 
auf einen Zuruf verpflichtet, gleich: 


Niro. 342—343. 


zeitig mit dem erſten Boot zu 
wenden. 

Fällt ein Mann über Bord oder 
fentert ein Boot, fo find die in 
der Nähe befindlichen Jachten zur 
Hilfe verpflidtet. Die Segel: 
ordnung gibt feine Klaren Bor 
Ihriften darüber, welches Boot am 
meiften zur Rettung angehalten ift; 
alle würden nur hinderlich fein. 
Ungefchriebene Regel ift es aber, 
daß jeder Mitjegler, wenn fich ihn 
Gelegenheit bietet, fein Aeußerſtes 
in Hilfeleiftung daran gibt, um den 
Berlujt von Menfchenleben zu ver- 
hindern. Gewöhnlich werben ja 
jest auch die Regatten von Bolizei- 
Motorbooten begleitet, die jeden- 
falls am ſchnellſten zur Stelle fein 
fönnen und denen man deshalb, 
fobald man fie nahen fteht, Die 
Hilfeleiftung unter Umſtänden 
überlafjen Tann. — Wird jedoch 
durch eine Hilfeleiftung eine Jacht 
außer Konkurrenz gebracht, fo 
muß die Regatta noch einmal ftatt- 
finden. 

Das erfte von der Wettfahrt 
heimfehrende Boot — fei e8 Sieger 
oder nicht — mird vom Gtart- 
dampfer mit einem Kanonenſchuß 
empfangen, der von der Mannſchaft 
mit drei Hurras beantwortet wird. 
Der Sieger fann natürlid erft 
dann feftgejtellt werden, wenn die 
Zeiten aller Jachten verglichen 
worden find und die Bergütungen 
ttattgefunden haben. Liegen einige 
Boote jo weit zurüd, daß fie für 
einen Preis doh nicht mehr in 
stage fommen fönnen, fo zeigt ein 
Kanonenjchuß den Schluß der Re— 
gatta an, diefe „Poſthumen“ find 
damit vom Wettbewerb audge: 
ſchloſſen. 

Die durch das Meßverfahren 
die Unterſchiede in der Größe der 
Beſegelung und des Rumpfbaues 
feſtgeſtellt und berechnet werden, 
ſo ſoll die Vergütung dieſe Unter— 


E. Bräfin Baudilfin n. Rapitän ©. Qürk. 


fhiede und Berechnung wieder aus⸗ 
gleichen. 

Die Theorie der Vermeſſungs⸗ 
beftimmungen ift ähnlid der der 
aftronomifhen Navigation ein für 
dieje Schrift zu umfangreidhes Ge⸗ 
biet. Es genüge der Hinweis, daß 
fid in Anbetradt der Wichtigkeit 
diefe8 Punftes in diefem Sabre 
(1908) eine internationale Welt- 
feglervereinigung mit Neuaufſtellung 
derſelben befaßt hat und daß ihre 
Feſtlegungen vom Deutſchen Segler⸗ 
tag angenommen worden ſind. Dieſe 
Geſetze der „International Yacht 
Racing Union“ find in einem gleich: 
namigen Heft Fäuflid. 

342, Abfegeln. Unter Abjegeln 
verfteht man das legte gemeinſame, 
womdglih gefchloflene Auftreten 
eines Klub8 am Schluß der Sommer: 
fampagne. Es hat den Zwed, ſich 
nod einmal gegenjeitig über Die 
während der Saiſon gemadten 
Berbefjerungen der Boote und ihre 
Reiftungsfähigkeit zu informieren, 
neue Wettfahrten zu beraten und 
event. Käufe abzufchließen. Beim 
Abjegeln find ebenfall® Handicaps 
möglich. | 

343. Negeln für Wettfegeln. 
Siehe die oben erwähnten Geſetze 
der „Intern. Y. Racing Union“. 

1. Jede Yacht darf durch Luven 
verhindern, daß eine andere ihr 
vorbeiläuft, nie durch Abfallen. 

2. Es find feine andern Fort: 
bewegungsmittel gejtattet, al3 die 
Segel. 

3. Kommt eine Jacht auf Grund, 
jo darf fie fih zum Fortkommen 
lediglich ihrer Segel und Anfer 
bedienen; benußt fie Riemen oder 
Stangen dazu, fo wird fie ausge: 
ſchloſſen. 

4. Die zur Bezeichnung des 
Kurſes dienenden Fahrzeuge oder 
Bojen dürfen von keinem Teil der 
Jachten oder ihrer Takelage berührt, 
noch von einer andern als der vor⸗ 


— — — 


V. 1. Segelfporf. 


gefchriebenen Seite gerundet wer- 


den. 

344. Berficherungenfür achten. 
Die Berfiherung einer Jacht ift 
feldftverftändlih von großem Wert 
für den Beliter. Da bisher die 
Berfiherungen in Deutſchland noch 
felten abgeſchloſſen find, fügen wir 
als Schema für Verficherung mie 
Jachteigner einen Abzug des Ueber⸗ 
einfommens bei, der zwifchen der 
Afjekuranzfirma Eiffe u. Moos 
in Hamburg und den Mitgliedern 
des Kaiſerlichen Jachtklubs in Kiel 
mit Gültigkeit bis inkl. 1909 ge= 
troffen worden ift: 

1. unbejchräntte Fahrt innerhalb 
Europas, einichließlih der afri- 
fanifchen und afiatifchen Plätze des 
Mittelländiiden und Schwarzen 
Meeres, ſowie Madeira und inkl. 
Eifenbahntrangport ufmw.; 

2. niedrige Befreiungsgrenze 
ana) bei Partikularſchäden; 

3. es findet im Schadenzfalle 
fein Abzug „neu für alt“ ftatt; 

4. Feuerfhäden während event. 
Bahntransports, des Liegend auf 
dem Lande oder im Winterlager 
werden immer zu voll erjeßt; 

5. Kajüt3einrichtung und Inventar 
valedieren nicht „frei von Befchädi- 
gung, außer im Strandungsfalle“, 
fondern jeder durch einen Unfall 
entitandene Schaden ift zu erjeten, 
fobald er die Franchiſe überfteigt; 

6. über Dampfjadıten ıc.; 

7. im Falle eines Verlaufs wird 
die verhältnismäßige Verkaufs— 
prämie zurüdgegeben; 

8. niedrige Prämie. 


Aufserdienftftellung, An- und 
Verkauf von Jachten. 


345. Anßerdienftftelung und 
Winterlagerr. Sit die Saiſon 
herum oder befchließt der Eigner, 
feine Regatten mehr mitzumaden, 
fo wird das Boot außer Dienft ge- 


Neo. 344345. 


jtelt, und zwar fo rechtzeitig, daß 
die Herbftunwetter dem Boot feinen 
Schaden mehr antun fünnen. Hat 
man fich einen Hafen als Winter: 
quartier auserjehen, jo überlegt 
man, ob das Boot im Waffer oder 
an Land überwintern fol. Kleinere 
Fahrzeuge wird man in einem 
Schuppen unterbringen können, 
größere wird man meiltend im 
Waſſer lafjen. 

Bleibt die Jacht im Waſſer oder 
an Land — das Inventar, die 
Segel und die Tafelage müfjen auf 
alle Fälle entfernt werden. Und 
zwar benußt man die Abtafelung 
zugleih, um fich zu notieren, was 
Thadhaft geworden ift, außgebefjert 
werden fann oder was vollitändig 
erneuert werden muß. Am vorteil- 
bafteften ift es, ſich am Lande, 
nit weit von der Jacht, einen 
Heinen Schuppen zu bauen, der 
die ganze Ausrüftung aufnehmen 
fann. Bedingung ift, daß er nicht 
feuht ift, ausreichenden Raum 
bietet, um event. Arbeiten am Boot 
jelbit zum Frühjahr hin vorzunehmen 
und daß er fih gut lüften läßt. 
Auch vor Ungeziefer, Ratten, Mäufen 
und Schwaben tft er nach Kräften 
zu fichern; befonder3 die Segel 
find von ihnen gefährdet. 

Man beginnt mit der Abtafelung 
durch das Bergen der Segel; nur 
ganz troden dürfen fie „aufgetucht“ 
werden, jonjt befommen fie un- 
weigerlih Stodfleden. Man jonnt 
fie an guten Tagen und hängt jie 
im Schuppen auf, big jede Spur 
von Feuchtigkeit aus ihnen ent- 
Ihmwunden ift, beſonders aus den 
Liefen. Dann werden fie „aufge- 
tucht“ und in ftarken, mit Blech 
ausgefchlagenen Käften verwahrt. 
Hat man dieje nicht zur Verfü 
gung, jo ſtreut man fie mit Pfeffer: 
oder arena gegen das Un- 
geziefer ein. 

Das Inventar wird nachgezählt 


Nro. 845. €. Gräfin Baudiſſin u. Rapitän C. Cürk. 


und mit den vorhandenen LKiften 
verglihen. Seder Mann muß für 
das ihm übergebene Inventar auf« 
kommen; daher entlaffe man nie- 
mand, bid das Boot nicht voll: 
ftändig abgetafelt worden iſt. 

Die koſtbareren Teile des Ka— 
jüt8inventard, wie Silber, Bilder, 
Uhren und Teppiche, dürfen dem 
Schuppen nicht anvertraut werden, 
Sondern müffen ins eigene Haus 
fommen, oder, bleibt dag Boot in 
einem fremden Hafen, einem Spe- 
diteur gegen Verſicherung über: 
geben werben. Der Chronometer 
wird zur Beobachtung einem Chrono- 
metermacher anvertraut, der Kompaß 
wird, fofern er nicht eine Arretierung 
befitt, außer Funktion gefegt, in⸗ 
dem man zwiſchen Roje und Pinne 
ein Stüdchen Kork ftedt. 

Für Steuermanng- wie Zimmer: 
manndinventar richtet man im 
Schuppen verjchiedene Käften oder 
Regale ein, damit alles leicht und 
überfichtlich geordnet und im Früh: 
ling bequem zur Hand ift. 

Beim Abtafeln werden zuerft die 
Gaffel und der Baum geborgen 
und alle Schooten ausgefchoren; 
dann folgen Stenge und Klüver- 
baum. Alle Enden werden zu 
Buchten aufgejchofjen, über Stangen 
oder Knaggen gehängt und an jedes 
ein fefter PBappftreifen mit Art⸗ 
bezeichnung befeftigt. 

Den Maft läßt man bei größeren 
Booten ftehen, falls man nicht einen 
Krahn zum Heraußheben zur Ver⸗ 
fügung hat. Auf alle Fälle — ob 
er ftehen bleibt oder nicht — muß 
der Maſtkragen volljiändig abge 
dichtet werden, da fih bier am 
Veichteften Feuchtigkeit anfammelt. 

Bleibt das Boot im Waſſer oder 
om Lande, jo wird es mit Pre: 
fenning3 oder Dachpappe zugebedt, 
falls man nicht vorzieht, das Holz 
— alle loſen Mejfingteile werden 
im Schuppen untergebradt — ftarf 


zu firniffen, was vor dem Zudeden 
den Vorteil des befleren Luft: 


umlaufs in den unteren Räumen -.. 


hat. Codpit, Kajütdeingänge 1. 


werden trogdem natürlich abge | 


Vie 
Kine 
- 


dichtet. Die Waſſertanks werden 


ausgepumpt und gereinigt, der be 


—— — 


wegliche Ballaſt entfernt; alle 
unteren Räume aufs gründlichſte 
geſäubert und mit Kalt oder 
Mennige friſch ausgeftrichen. Diele . 


Arbeit follte man bereit? im .'- 


Herbft vornehmen, da fie dem 
Faulen des Holzes vorbeugt, 
Ueberhaupt, je forgfältiger die 
Außerdienftftelung vorgenommen 
wird, um fo mehr vereinfacht id 
die Arbeit im Frühling und um fo 
geringer find die peinlichen Ueber: 
rafhungen und demnach — die 


Ausgaben. Jede Nachläffigle 


it 


beftraft fig, — deshalb follten . 
auch die Hölzer, die im Schuppen 
untergebradht werden, gleich im 
Herbft auf faulige gelbe Stellen 
bin unterfucht und dieſe ausgemerzt 
werden; die Ausbeſſerung kann 
Ichließlich big zum Frühling warten, 
aber man verhindert auf Diele 


Weife, daB die Fäulnis weiter u 


m 


fi greift. Auch bedenke man, dat 
zum Frühjahr Bootsbauer, Schiff? 
zimmerleute 2c. mit Arbeiten über: 
häuft find. Beibonte werben fiel 
oben im Schuppen aufbewahrt und 


ebenfo auf ihre Seetüchtigkeit b 
in alle Nähte geprüft. 


is 


8 


Zum Vertäuen der Jacht, ſoll 
ſie im Waſſer bleiben, benutzt man | 
Ketten, Teine Taue, da dieje vom ' 
ſchlechten Wetter im Winter zu 


fehr mitgenommen werden. 


Ob man umgreifende Berände 
rungen oder Umbauten eines Bootes 


wünſcht, ob die Verbände, bejom ' 


ders bei Aupferbelag, erneuert 


werden, ob das Der neu gedicht 


et j 


werden muß, über all dies wir 
man ſich im Herbft, beim Kielholen 
oder Abtafeln des Bootes, am beiten : 


| 


4 


V. 1. Segelfport. 


Har werden, wenn man die Er⸗ 
fahrungen und Refultate der ver- 
gangenen Saiſon noch in frifcheiter 
Erinnerung bat. Man jchiebe alſo 
nichts auf die lange Bank, fondern 
benütze die ftillen Monate, um mit 
einem Bootsbauer zu fonferieren, 
gebe die Yacht event. auch jeht in 
Umbau, da die Werften im Winter 
mehr Zeit haben. 

Sft die Abrüftung vollftändig 
beendet, fo werden die Leute ent- 
lafien, der Reit der Heuer wird 
ihnen ausgezahlt, je nach Ablommen 
ihnen ein Teil ihrer Equipierung 
übergeben und ihnen ihre See- 
fahrtsbücher behändigt. Ueber die 
Führung darf, wie ſchon ermähnt 
wurde, nicht8 ins Dienſtbuch ein- 
getragen werden; auf Wunſch ftellt 
man ein Führungsatteft aus. Das 
zujtändige Seemannsdamt, aljo das⸗ 
jenige, in deſſen Hafen fich Die 
Außerdienftftelung vollzogen hat, 
muß die Dienftbücher unterfchreiben 
und erhält die Mufterrolle. 

Gebräuchlich ift es, eine Flagge 
und einen Stander wehen zu lafjen, 
bi8 die Mannſchaft abgemuftert ift. 
Bei der Entlafjung, wenn der 
Eigner an die Leute ein paar 
Worte des Dankes oder des 
Wiederſehens richtet, werden beide 
niedergeholt und drei Hurras auf 
den Klub oder feinen Kommodore 
ausgebradt eine hoffentlich 
ſchöne und erfolgreiche Segelfaifon 
ift damit beendet! — 

346. Winfe für An und Ber- 
fauf von Booten. Wie im Anfang 
diefer Heinen Abhandlung der Laie 
verwarnt worden ift, ſich nad 
eignen Zeichnungen ein Boot bauen 
zu lafjen, jo wende er auch beim 
Anlauf eines fertigen Bootes größte 
Borfiht an. Beim Boot3verfauf 
gilt im allgemeinen die jchöne 
Regel wie beim Pferdelauf: „Augen 
für Geld!" Man beginne den 
großen Sprung in® GSeglerdafein 


Niro. 346. 


alfo nicht damit, fi als Erftes 
einen flotten Klubanzug mit Müte 
zuzulegen und auögeftattet mit 
diefem zu einem Boot3bauer zu 
wandern, um ihm fon äußerlich 
als „connaisseur“ zu imponieren; 
denn der Bootsbauer tariert einen 
Menfhen auf einen halben Blid 
oder ein halbes Wort richtig auf 
feine Kenntnifje hin und der ftolze 
Segler wird fih nur zu oft im 
Beſitz einer alten, würdigen Schiff3- 
filte wiederfinden. 

Eine Anzahl Firmen find im 
Anhang des Buches genannt, die 
als folide und gut befannt find 
und bei denen alle Einkäufe vom 
fertigen Boot bis zum Meffing- 
nagel gemadt werden können. 
Begleitet von einem anerkannt 
tüchtigen Segler, deflen Boot man 
auf feinen Fall übernehmen will, 
der folglich unegoiftifch raten wird, 
begibt man fi) zum Einkauf, im 
voraus Klar über die Art, die Tafe- 
lage, die Größe und — die Summe, 
die man anlegen will. Man büte 
fih vor Booten, die ſich durch auf- 
fallende Form auszeichnen, da man 
fie ſchwer wieder verlaufen Tann. 

Neubauten laffe man im Herbit 
beginnen, damit das Holz gut aus—⸗ 
trodnen Tann. Früher war man 
für Jachten faft ausſchließlich auf 
England angemwiefen, heutzutage 
bieten deutfhe Werften diefelbe 
Auswahl und diefelbe Vorzüglich- 
feit des Materials. 

Für Binnenfeen und Flüſſe wähle 
man ein Schwertboot mit Cat= oder 
Stooptafelage; für fürzere Touren 
in See oder auf Haffs Kielboote, 
für längere Touren Kielboote mit 
Kutter-, Yawl⸗ oder Cchonertafelage. 

Den Typ des Rennbootes wird 
fih jeder nad feinem Geſchmack 
und Geldbeutel felbjt ausmählen. 

Anfänger follten eher ein zu 
Heined als ein zu großes Fahr— 
zeug wählen. Die Revijion des zu 


ro. 346. 


faufenden Bootes muß fich auf alle 
Teile innen wie außenbords be= 
ziehen. Ein beftimmtes Alter als 
Norm für die Leiftungsfähigkeit 
der Jacht anzugeben, ijt nicht mög- 
lich; falls der Typ nicht zu ver: 
altet iſt, kann ein guterhaltenes 
Boot lange feetüchtig und ficher 
bleiben. Es iſt Regel, von einer 
alten Jacht nad den erften fünf 
Sahren 10 °/, des urfprünglichen 
Preijes, nach je weiteren 5 °/, ab⸗ 
zuziehen. Selbftverftändlih muß 
jedes Boot zum Verkauf auf Helling 
gebracht werden. — Der Preis für 
eine Jacht richtet ſich darnach, ob 
fie für Wettfegeln oder nur fürs 
Zourenjegeln bejtimmt if. Wie 
Ihon gejagt, werden in Deutſch⸗ 
land bisher noch faum Geldpreije 
für GSegelracen ausgeſetzt, ein 
Sachtbefiter Tann alſo nicht wie 
der Eigner eines Rennſtalles hoffen, 
allmählid auf feine Koften zu 
kommen, oder womöglich jogar ein 
Bermögen zu verdienen — im Ge: 
genteil, eine Jacht bleibt eine lau= 
fende Ausgabe, — deren Umfang 
ſich allerdings nach den Anſprüchen 
richtet, die man an Modernität, 
Größe und Schnelligkeit des Boo- 
tes ftellt. Die Koften für eine 
ganz moderne, mit allen Chifanen 
gebaute Rennmaſchine find fehr 
bedeutend und ebenfalls das Halten 
einer vielföpfigen Mannſchaft. Für 
jolhe Boote werden „Liebhaber: 
pretje” gezahlt. Ein Eleineres Boot 
von ca. fünfzehn Vermeſſungsein— 
heiten, dag Raum für 3—4 Pers 
jonen in der Kajite und 3 Mann 
Befagung böte, würde 40—50 000 
Darf koſten; entſchließt man ſich 
dagegen zum Ankauf einer ältern 
Jacht, die vielleicht fünf bis ſechs 
Saiſons mitgemacht hat, ſo wird 
kaum die Hälfte — für ein vom 
Wettſegeln ausgeſchiedenes, aber 
zum Tourenſegeln noch vorzüglich 


zu verwertendes Boot derſelben 


€. Bräfın Baudiſſin u. Kapitän C. Cürk. 


Größe aber höchſtens noch 3 big 
5000 Mark zu rechnen fein. Die 
Snftandhaltung eines ſolchen Fahr- 
zeuge8 betrüge bei jachgemäßer 
Behandlung und eigener, vielleicht 
von Freunden unterftügter Tüch- 
tigfeit nicht mehr als 2500 bis 
höchſtens 3000 Mark pro Bahr. 
Dafür bietet fih für mehrere Per: 
fonen ein monatelanges, herrliches 
Reifen — alfo ift die Ausgabe für 
den Einzelnen ſicherlich nicht höher 
als der Aufenthalt in einem Mode: 
bad für wenige Wochen! 

Auh beim Neubau einer Yacht 
handelt es fich darum, ob fie zum 
Wettfegeln beftimmt ift oder nicht; 
im erjteren Fall ift fie natürlich 
durch Material ꝛc. koſtſpieliger. 
Verzichtet man jedoch von vorn⸗ 
herein darauf, ſein Boot an Racen 
teilnehmen zu laſſen, ſo ſollte man 
nach amerikaniſcher Art vom V⸗ 
oder Uförmigen Querſchnitt ab: 
feben und einfache, gerade Linien 
wählen, wie fie 3. B. der beliebte 
„Skippjack“ aufweiſt. Sein Bau, 
an Größe für 3—4 Perfonen ge- 
nügend und von vorzüglidher See- 
tüchtigfeit, beanfprudt nicht mehr 
als 2c. 4000 Mark Kapital. 


Segelfportlibes Wörter- 
buch. 


Abfallen, dem Fahrzeug durch Auflegen 
des Ruders eine mehr vom Winde ab— 
gewendete Richtung geben. 

Abflauen, Abnehmen ber Windſtärke. 

Abhalten, auf etwas, dem Fahrzeug 
die Richtung auf biefes Ziel geben. 

Abihlagen, die Segel von den Rund» 
bölzern (Gaffeln, Raben 2c.) abnehmen, 

Abfegeln, 1) den Abgangdort unter Se— 
gel verlaffen; — 2) eine Strede zur 
Probe durchlaufen. 

Abtateln, von einer Spiere oder von 
einem Mafte das ftehende und laufende 
Gut entfernen. 

Abtreiben, durch Wind und See nach 
Lee getrieben werben. 

Abtrift, dag Ergebnid bed Abtreibeng. 

Achtern, hinten, in zahlreihen Berbin- 
dungen, wie Achterfteven, Achterholer, 
Achterwind u. f. w. 


V. 1. Segelfporf, 


Am Winde jegeln, fegeln mit Wind 
von vorn. 

Anterboje, eine kleine Boje, die zur 
Bezeihnung ber Stelle, wo. der Anter 
gefallen ift, dient. 

Anterlidten, ben 
Grunde Holen. 

Antern, zu Anter geben, dad Mand- 
ver des Fahrzeuges bei der Ankunft auf 
dem Anterplag. 

Antermade, die Nachtwache auf einem 
zu Anker ober an einer Boje liegenden 
Fahrzeug. 

Anlegen, längsfeit bet einem Schiffe oder 
an ein Bollwerk legen. 

Anliegen, einen Kurd —; bie durch den 
Kompaß gegebene Kursrichtung alten. 

Anluven, in den Wind geben. 

Anmuftern, Mannſchaft in Dienft nehmen. 

Anjegeln, 1) auf einem beftimmten 
Puntt halten; — 2) die Segelfaifon dur 
eine gemeinjame Segelfahrt eröffnen. 

Anfegen, das ftehende But; — das 
ftebende Gut fteif fegen. j 

Aufbringen, die Stenge nad oben am 
Mafttop bringen. 

Aufentern, ins Takelwerk fteigen. 

Auffriſchen, Stärkerwerden des Windes. 

Aufgeien, ein Segel durch Geitaue zu⸗ 
ſammenſchnüren und es dadurch vorm 
Wind bergen. 

Aufkreuzen, ein in Richtung des Windes 
befindliches Ziel durch Kreuzen erreichen. 

Aufſchießen, die holende Part eines 
Endes in regelmäßigen runden Buchten 
übereinander legen. 

Auge, eine durch Spliffung hervorgebrachte 
runde Deffnung am Tau. 

auf dem Vorſchiff 


Ausgud, der Poſten 
oder im Bortopp. 

Ausholen, das2iefeinesSegels fteif holen. 

Ausholer, der — des Klüvers oder des 
Großſegels; ein Ende ober Kette, welches 
den Hals be3 Segels fteif nad) außen belt. 

Ausklarieren, Meldung beim Zollamt. 

Auslaufen, in See geben. 

Ausrüften, ein Fahrzeug für eine See- 
reife vorbereiten. 

Ausfheren, ein Ende aus ben Blöden 
sieben. 

Ausfegeln, eine Jacht —; 
Schnelligkeit übertreffen. 

Außentlüpver, ein Borfegel, das auf 
dem Außenflüverbaum fährt. 

Ausfteden, ein Reef — ; das Segel durch 
Befeltigung des Reefs vergrößern. 


Anler aus dem 


biefe an 


Baaken, Segzeihen an der Küfie. 

Badbord, die links liegende Seite bes 
Fahrzeugs. Alle auf der gedachten Seite 
befindlichen Teile ded Rumpfes, ber Take⸗ 
lage u. ſ. w. werden durch Vorjegen des 
Wortes „Badbord” (abgekürzt B. 3.) 
bezeichnet. 2 

Bacbordſchlag Heißt der bei dem das 
Segel an Badbord fteht. 

Badfpiere, jede horizontal und vierkant 


Nro. 346. 


zur Kiellinie ausgeſetzte Spiere; meiften- 
teild wird der Spinnaferbaum vor Anker 
al3 Backſpiere benugt. 
— ckſtag, den Maſt nah achtern ſtützende 
au 


Backſtagwind, achterlich kommenderWind. 

Bändſel, dünne Leine, ev. zum Zu: 
fammenzeifen zweier Enben. 

Ballen, Dedsballen, die quer zur 
Kiellinie laufenden Hölzer, auf denen 
bie Decksplanken ruhen. i 

Ballonfegel, leihte große Segel, die 
bei raumer Brife gefegt werden. 

Baum, eine fhwere Spiere, 3. B. Groß, 
Klüver-, Spinnalerbaum. 

Bededen, ein Manöver beim Wettfegeln, 
indem man einen gefährliden Gegner 
unter Lee nimmt und feinen Segeln ganz 
oder teilweife den Wind entzieht. 

Beidrehen, die Segel io ftellen, dag die 
Wirkung des Windes auf Voriegel und 
Achterfegel ſich aufhebt, das Fahrzeug 
aljo nahezu auf einer Stelle bleibt. 

Beilegen, ein Fahrzeug auf Sturm und 

. See derart legen, daß das Kielwaſſer 

der Abtrift einen Schug gegen die 
Brecher gewährt. 

Beiliegen, die Tätigleit ded Fahrzeuges, 
nachdem e3 beigelegt fit. 

Beim Wind Segeln, eine Jadt fegelt 
beim Wind oder am Winde oder voll 
und bei, wenn der Wind ſchräg von vorn 
tommt, daß die Eegel vom Winde unter 
möglichit [pigem Wintel getroffen werden. 

Beimmindfegel, alle die Segel, die 
eine Jacht beim Winde zu jegen vermag, 
im Gegenſatz zu den Ballonfegeln. 

Beifetgen, Segel fegen. 

Bekalmen, einem Segel durch irgend ein 
Hiridernid den Wind entziehen. 

Belneifen, ein Ende wird befniffen, 
wenn es irgendwo eingellemmt tit. 

Belegen, ein Ende um Poller, Nagel 
oder Ducht mit einigen „Echlägen” oder 
einem „Steek“ feitmaden. 

Bergen, 1) Segel —; die Segel nieder- 
holen; — 2) Fahrzeug oder Ladung; — 
ein geſtrandetes oder verunglüdted Fahr: 
zeug abbringen oder die Ladung eines 
folden in Sicherheit bringen. 

Beſan, dad Segel am Hintern Kleinen 
Maft, dem jogen. Befanmait. 

Befhlagen, die Segel —; bie Segel 
feſtmachen. 

Beſchlagzeiſing, die zum Beſchlagen 
eines Segels dienenden kurzen Enden 
oder Streifen Segeltuch. 

Beting, ſtarke Poller auf dem Vordeck 
zum Feſthalten der Ankerkette, auf Jachten 
auch zur Lagerung des Spills. 

Block, eine Rolle, über die das Tauwerk 
geführt wird. 

Bodenplanten, die Außenhautplanten 
am Schiffsboden. 

Bd, ein plöglich einfegender Wind. 

Boje, ein auf dem Wajjer ſchwimmender 
Körper, zur Bezeichnung des Fahr— 


Neo. 346. 


waffers, zum $eftmaden von Fahrzeugen 
wie zur Bezeichnung des an ber Stelle 
liegenden Anters. 

Bojereep, Ende, durch weldes die Boje 
am Anker feftgemadt ft. 

Boot ahoi? Anruf an die bem Fahrzeug 
fi nähernden Boote. 

Bord, der obere Relingsrand bed Fahr⸗ 
zeuges; ülbertragen auf das ganze Jahr: 
zeug, 3. B. an Bord, außenbord3, über 
Bord u. ſ. w. 

Braffen, die Enden an ben Noden einer 
Rabe, um dieſe horizontal zu bewegen. 

Bratfpill, Horizontal liegende Anter- 
winde mit vertifalen Speichen. 

Breitfod, Raheſegel an fliegender Rabe. 

Briſe, leiter, guter Wind. 

Buchfe, die Lagerung der Welle, 3. 8. 
beim Spill. 

Bucht, die Biegung eined Endes beim 
Aufſchießen. 

Bug, 1) das Vorderteil des Fahrzeuges; 
2) die Bezeichnung der Seite, auf der 
die Schoten der Segel angeholt ſind; — 
3) der Streck — bezeichnet beim Kreuzen 
den kürzeſten Schlag; — 4) Ueber den 
andern — gehen, durch den Wind wen— 
den. 

Bugfpriet, Rundholz, welches vorn über 
ben Steven horizontal oder fchräg auf: 
wärts hinwegragt. 

Bugftag, die feitlihen Taue des Bug: 
fpriet oder Klüverbaum?. 

Bullentau, Bullentalje, ein Ende, 
beziw. eine Talje, um das Schlagen der 
Bäume zu verhüten. 


Cattakelage, Takelage eines kleineren 
Fahrzeuges mit nur einem Maſt dicht 
am Vorſteven und nur einem Gaffelſegel 
mit Baum. 

Chartern, ein Fahrzeug auf beſtimmte 
Zeit oder für eine beftimmte Netfe mieten. 

Cockpit, ein auf dem Adhterded befind⸗ 
liher Sigraum. 


Davits, eiferne Kräne an ben Seiten 
des Fahrzeuges zum Heißen der Seiten 
boote. 

Deck, horizontale Plankenbedeckung über 
den Deckbalken. 

Deplacement, das Gewicht der von dem 
Fahrzeug verdrängten Waſſermenge. 

Deviation, die durch den Magnetismus 
des Fahrzeuges verurſachte örtliche Abs 
lenkung des Kompaſſes. 

Dicht, das Gegenteil von leck. 

Dichten, die Decksnähte durch Eintreiben 
von Werg oder Lampendocht und Ueber— 
gießen von Pech oder Marineleim waſſer— 
dicht machen. 

Dingy, ein kleines Beiboot einer Jacht, 
aber auch ſelbſtändig zum Rudern und 
Segeln. 

Dippen, die Flagge —; zum Gruß | 
langiam halb niederbolen und gleich | 
darauf wieder langſam vorheißen. | 


E. Gräfin Baudiffin u. Hapifän €. Türk. 


Dirt, Tau, in dem bie bintere Nod bes 
Baumes hängt. 

Dollbord, oberer Rand eines Bootes 
sur Aufnahme der Dollen. 

Dollen, Gabeln zum Einlegen ber Riemen. 

Ducht, Bank im Boot und Teil einer 
Kabeltroffe. 

Duc d’Alben, ſchwere Pfähle im Waſſer, 
deren Köpfe durch ein gemeinfames ſtarkes 
Eifenband zufammengehalten werben; 
zum Feſtmachen von Yahrzeugen. 

Dünung, regelmäßige langfante Bewegung 
der See, bejonders kurz vor oder nach be= 
deutenderen atmofphäriichen Störungen. 

Durchdrehen, wenn ein Fahrzeug beim 
Winde plöglid den Wind von vorn be— 
tommt. 

Dwars, querab,. 


Einfheren, ein Ende in einem Blod. 

ginfteden, ein Reef —; bie Segel um 
bie Fläche des Reefs verkleinern. 

Ende, jedes Tau des laufenden Gutes. 

Entern, aufs, bezw. nieders —; an den 
Banten in die Talelage binauf: und 
binablaufen. 

Eſelshoofd, ein Band oder ein Klog zur 
Verbindung von Mafttop und Stengefuß. 

Etmal, ber Zeitraum von 24 Stunden, 
von Mittag an gerechnet. 


Faden, Tiefen und Längenmaß — 
1,829 Meter oder 6 Fuß. 

Fahren, Bezeihnung für den Lauf der 
Enden und Rundhblzer, fowie für 
„haben“; 3. B. bie Enden „fahren“ 
durch Blöde, die Jacht „fährt“ 8 Mann 
Beſatzung. 

Fahrt, Bezeichnung für die Geſchwindig⸗ 
keit des Fahrzeuges wie für das Revier; 
„große“ und „kleine“ Fahrt. 

Fall, das, Ende, zum Heißen und Fieren 
der Segel. 

Fall, der, der Winkel, den die Maſten 
mit der Senkrechten bilden. 

Glen Eingang am Reling. 
allreepstreppe, Treppe vom Falls 
reep aus zum Waſſer. 

Fangleine, Ende zum Feitmahen bes 
Bootes am VBorfteven. 

Sender und Wielings, mit Korkftüden 
oder altem Tauwerk gefüllte Säde aus 


Segeltuch, die zwifhen Schiffswand und 
Bollwerk gehängt werden, um die Bes 
rübrung zu verbüten. 
Feft! Kommando zum Aufbören mit Holen 
oder Fieren. 
eftfommen, auf Grund geraten. 
eftmaden, dad Schiff oder die Eegel 
unter ben Rahen oder Gaffeln. 
Feftfteden, ein Ende an ein anderes 
oder um eine Spiere feſtmachen. 
Fieren, ein fteif nejegted Enbe nachlaffen, 
um e3 „lebender” zu maden. 
Flaggengala, das Ausflaggen ber Sig⸗ 
nalflaggen über die Toppen von achtern 
bi3 zur Nod des Klüverbaums, ebenſo: 


V. 1. Segelfporf. 


Slaggenparade, Heißen oder Nieder: 
bolen der Nationalflagge. 

Fliegender Start, Art bed Starts, 
bei dem die Jachten unter Segel ftarten. 

Flieger oder Toppklilver, ein Vorſegel auf 
Jachten, welches am Stengeftag vom Topp 
der Stenge gefahren wird. 

% A under, ganz fladhes, breite Schwert⸗ 

oot. 


Fockmaſt, der vordere Maſt auf zwei⸗ 
oder dreimaſtigen Fahrzeugen. 
odftag, Tau des Fockmaſtes. 
reiwache, der freie Teil der Mannſchaft. 


Gaffel, ein Rundholz achtern am Maſt, 
um das Oberliek des Gaffelſegels aus⸗ 
zuholen. 

Gafffelſchoöner, Schoner, ber außer 
Breitfock nur Schratſegel führt. 

Gaffelſegel, ein trapezförmiges Schrat⸗ 
ſegel an einer Gaffel. 

Gaffeltoppſegel, auch nur Toppſegel ge⸗ 
nannt, ein dreiecki ges oder trapezförmiges 
Segel. 

Bangfpill, Ankerwinde mit ſenkrecht 
ftehender Welle. “ 

Garn, Kabelgarn, zum Tauwerk; Tatels 
garn, für Tafelarbeit; Segelgarn, für 
Segelmaderarbeit,;, Fiſchgarn, leichte 
Nege; — Ipinnen, Geſchichten erzählen. 

Gaſt, Bezeihnung für die zu einer bes 
ftimmten Station ober Yunltion abges 
teilte Mannſchaft, 3. B. Gigsgaft. 

Beitau, ein Ende, um dad Segel zus 
fammenzuholen. 

Gezeiten, Bezeichnung des Wechjeld von 
Ebbe und Flut. 

Gieren, pendelartige Bewegung des Fahr: 
zeuges um feine Vertikalachſe. 

Gig, ein ſchmales Beiboot. 

Giffung, die Schägung bed Weged und 
des Ortes mit Hilfe ded Logs, des Lotes, 
des Rompafjes und ber Karte. Ergebnis: 
das gegißte Befted. 

Slafen, die feit Beginn der vierftündigen 
Bade abgelaufene Anzahl halber Stun: 
den durch Schläge an die Schiffsglocke. 

Gode Wind! fegelfportliher Gruß. 

Göſch, eine YBugiprietflagge bei feftlichen 
@elegenbeiten. 

Gräting (vom Englifden „grate”), höl⸗ 
zernes Gitterwert zum Bededen ber 
Luken; auch Bierat. 

Großmaſt, bei dreimaſtigen Fahrzeugen 
der mittelſte, bei Schonern und Briggs 
ber achterſte, bei Yawls der vordere Maſt. 

Großfegel, Hauptfegel. 

Großſchote, zum Bedienen ded Groß⸗ 
fegel3. 

Grundtakelung, 
geſchirr. 

Grüßen, der Gruß mit der Flagge beſteht 
im Dippen der Sıagpe‘ beim Begegnen 
mit einem Kriegsſchiff entweber in drei- 
maligem Dippen der Ylagge ſeitens der 
Sr ober indem bie nn t gefentter 

lagge das Kriegsſchiff paffiert. 


bad ganze Anter- 


Nro. 346. 


Gut, alled Tauwerk mit Ausnahme ber 
Verbol-: und Feſtmacheleinen. Das ftehende 
Gut dient zur Stüge ber Maften und 
Spieren; das laufende Gut zur Hand⸗ 
babung der Segel und Rundbölzer. 

HSalberfhlag oder Halber Steel, 
halber Knoten. 

Halber Wind, Wind querein. 

Hals, vordere, untere Nod eines Schrat⸗ 
fegel8 und untere Nod eines Unterjegels. 

Halfien, Manöver, um ein beim Wind 
liegendes Fahrzeug vor dem Wind herum 
über den andern Bug zu bringen. Gegen⸗ 
teil von „Wenden”. 

Halten, Bol-Segel; — beim Winde fo 
fteuern, daß die Segel nicht Fillen oder 
lostommen. 

Hed, der binterfte, übers Waffer ragende 
Teil des Schiffes. 

Heißen, aufziehen eined Gegenftanbes, 
Gegenteil von fieren. 

Heuer, Monat3lohn eined Matroſen. 

Heuerbaa3, Agent zum Vermieten von 
Geeleuten. 

Hieven, aufmwinden. 

Hinterliet, hintere Kante des Segels. 


Yacht, ſ. Yacht. 

Jager, kleiner Außenklüver. 

Jigger, Ende, das durch einen bemweg= 
lichen Block geſchoren iſt im Gegenſatz zur 

Jolle, welche durch einen feſten Block 
geſchoren iſt. Die Verbindung von Jigger 
und Jolle ergibt die zweiſcheibige Talje. 
Außerdem bedeutet Jolle ein kleines 
Beiboot. 

Jungfer, Blöcke mit Löchern zum Steif— 
ſetzen der Wanten. 


Kabbelung, Bewegung im Waſſer, durch 
zwei verſchiedene Strömungen, oder durch 
Wind gegen die Strömung. 

Kabellänge, nautiſches Maß, der zehnte 
Teil einer Seemeile, alſo rund — 185 
Meter. 

Kalfatern, die Decksnähte dichten mit 
Werg oder Lampendocht und mit Pech 
oder Marineleim ausgießen. 

Kanten, Segel —; die Segel beſſer ſetzen 
alſo „trimmen“. 

Kappen, die Tallreeps durchſchlagen. 

Kardeel, Verbindung mehrerer Kabel: 


garns. 

Karvel, Planken, die mit den Kanten 
ſt umpf aneinanderſtoßen. 

Kauſch, eiſerner Ring mit konkaver 
äußerer Rinne, um welche ein End ge: 
fplißt wird. 

Kentern, Umſchlagen. 

Kiel, unterfter Längsbalken des Bootes, 
als Widerſtand gegen das Seitwärt3- 
treiben. 

Kielholen, ein Fahrzeug zur Boden⸗ 
ae auf eine Seite herunter- 

even. 

Kielfhwein, ein Balken, der über dem 
Kiel figt und die Spanten mie bie 
Maften Hält. 


Nro. 346. E. Gräfin Baudilfin 


Kielwaſſer, Spurwaſſer des Fahrzeuges. 

Killen, Schlagen der Segel, wenn der 
Wind ſie grade von vorn trifft. 

Kint, Knoten in einem Ende, das das⸗ 
felbe „untlar” madt. 

Klameien, lalfatern oder dichten. 

Klar! bei Tauwerk oder Eegeln; bereit 
zum Gebraud, fonft al3 Meldung; fer- 
tig, bereit. 

Klar Ded! Kommando nad) jedem Ma⸗ 
növer, das Ded aufzullaren, das Taus 
wert aufzufhießen und alles in Ordnung 
zu bringen. A 

Klaren oder Klarieren in Drbnung 
bringen. 

Klar zum Wenden! Kommando vor 
dem Manöver ded Wenden. 

Klau, gabelförmige Gaffel. 

Klaufall, Fall zum Heißen der Gaffel. 

Kleid, die Klau, einzelne Streifen Tu 
eines Segels. 

Klinter, Blanfen, bie mit ven Kanten 
iibereinander greifen. 

Klüfe, mit Eiſenbeſchlag gefütterte Deff« 
nungen an beiden Eeiten des Bugd zum 
Ausfahren der Ankerketten. 

Klüver, Borfegel der Jachten. 

Klüverbaum, beweglicdhes Bugipriet zum 
Segen des Klilvers. 

Knoten, ein Abfchnitt der Logleine, von 
6,84 Meter Länge. 

Kombüje, Echiffstitche. 
ompromisfloop, Mittelding zwischen 
Sloop und Kutter. 

Krängen, auf die Seite neigen oder 
überliegen. 

Kreuzen, im Zidzad gegen den Wind zu 
fegeln,, auch eine Gegend längere Beit 
befahren. 

Kreuzerjadt, zu Vergnügungs- und 
Kreuzfahrten beftimmte Jacht. 

Kutter, einmaftige Jacht mit zwei Vor⸗ 
fegeln, Stenge, Klüverbaum und Groß- 
fegel; auch mittelgroßes Kriegsfciffs« 
boot zum Rudern und Segeln. 


Landmarke, Kennzeichen am Lande, ges 
wöhnlich Torrefpondierend mit Boje. 
Laft, unterſter Raum im Sdiff, zum 
Verftauen von Proviant. 

Lateralplan, Bootsflähe, die fih dem 
Seitwärtstreiben widerjegt; bei Eegel: 
jachten Kiel oder Echwert. 

Lavieren, Laienausprud für Kreuzen. 

xebend, ein Segel ift lebend, wenn der 
Wind ed in der Nichtungslinie beftreicht, 
es aljo weder voll noch bad fteht; Re— 
fultat das „Nillen”. 

Led, Undidtigfeit im Schiff. 

Lee, die von der Windrichtung abgefehrte 
Seite eines Fahrzeuges. 

Leegierig, zum Abfallen geneigt. 

Leine, jedes dünne Ende. 

Lenz, leer, Lenzpumpe zum Leerpumpen 
des Schiffes. 

Lenzen, vor Sturm und See laufen. 

Li ek, ſchwachgeteerte Taueinfaſſung derSegel. 


u. Rapitän ©. Türk. 


209, Apparat zum Meffen ver Geſchwin⸗ 
digfeit bes Fahrzeuges; beſteht aus 
Logglas, Logbret und Logleine. 

Logbuch, das Schiffstagebuch oder Journal. 

Loggen, durch das Log die Fahrtgeſchwin⸗ 
digkeit meſſen. 

Los! Befehl zum Loswerfen eines Endes 
und Meldung, wenn das Fahrzeug zu 
nahe am Wind liegt: „Los vorn!” 

Loskiel, ein bölzerner Balken, zum Schut 
be3 eigentlichen Kieles; jet meiftens 
aus Blei. ’ 

Lot, Bleigewiht mit eingeteilter Leine, 
um bie Tiefe des Wafjers zu ntefjen. 

Zuggerfegl3, Segel in Trapezform. 

Luk, Zugang zu den unteren Räumen. 

Zuv, die dem Winde zugelehrte Seite. 

Zuvgierig, Neigung des Bootes in ben 
Wind zu drehen. 


Meldefhluß, Termin, bis zu dem bie 
Meldungen zu einer Wettfahrt angenom« 
men werden. 

Meldung, Mitteilung, daß eine Jacht an 
der betreffenden Wettfahrt teilzunehmen 
wünſcht. 

Meßbrief, amtliche Urkunde über Größe 
des Fahrzeuges. 

Meßverfahren, Verfahren, 
Zeiftungsfähigleit einer Jacht feftzus 
ftellen. 

Metazentrum, Punkt oberhalb des 
Syſtemſchwerpunktes im Fahrzeug. 

Muiterrolle, Urkunde, zur Ans und 
Abmufterung. 


Nachtſignal, mit Lihtfarben ober 
:blinten gemachtes Eignal. 

Naht, Fuge zwifchen zwei Planken. 

Nautik, Seefahrtäfunde. 

Navigation, Steuermannsfunde, Wiffen: 
fhaft der Berechnung des Schiffsortes 
auf See mit Hilfe der Geftirne. 

Nicht Höher! Kommando, nicht dichter 
an den Wind zu geben. 

Nock, äußerfted Ende einer Nabe, Gaffel 
oder Spiere. 

Notzeihen, Leihen, daß man fich in 
Not befindet und augenblidliih Hilfe 
nötig bat. Bei Tage Schüffe und bie 
Flagge im Schau, bei Nacht Leuchtkugeln 
und regelmäßig wiederholte Schüffe. 

Nullfpant, bezeichnet den breiteften Um: 
fang des Boote3. 


Oberliek, obere Liek eines Segels. 

Ochſenauge, rundes, burd) ſtarkes Glas 
verſchloſſenes Feniter. 

Oktant, Spiegel:Infirument zur Höhen: 
mefjung der Geſtirne. 

Orkan, ftärtfte Luftbemegung. 


PBagaien, kurze Ruder mit löffelförmigem 
Blatt, und das Rudern mit benfelben. 
Pardun, Haltetaue, die Stenge und 
Majt nah achtern ftügen. 

Part, Teil eines laufenden Endes, fefte 
und bolende Part; ferner Anteil am 
Befis eines Schiffes. 


um bie 


Segelſpork. 


an n, etwas meſſen oder Ioten. 

eilung, genaue, nautifhe Beobachtung. 

Perſenning, geteerted oder geöltes, 
ftarted Segeltud. 

Viel, äußere Nod der Gaffel. 


Bie ten ‚etwa3 aufftreden ober hodbringen. 


„Riemen vielen” oder „Riemen hoch“ 
nehmen beißt die Riemen gleichzeitig als 
Ehrenbezeugung bochwerfen. 

Pielfall, Fall, zum Heißen ber “Biel 
einer Gaffel oder eines Gaffeljegels. 

Pinne, die bes Ruders, Hebel- 
arm zum Dreben bed Ruders. 

Poller, hölzerne oder eiferne Pflöde zum 
Belegen der Enden. 

Preien, Anpreien, anrufen. 

Preſſen, ——— ſo viel Segel als mög⸗ 
lich führen 

Proteſt, veſchwerdefuhrung beim Schieds⸗ 
gericht über eine bei einer Wettfahrt 
vorgefommene Ungebörigfeit. 


Querfaling, über die Längsfalings ges 
Thraubte eiferne oder hölzerne Stange 
zum Einlegen und Spreizen ber Stenge- 
wanten. 


Rabe, Rundholz, horizontal vor Maft ober 
Stenge aufgehängt; Rabefegel, trapez: 
förmig, an der Rabe. 

Rank, Gegenfag zu fteif, Eigenfchaft des 
Fahrzeuges, das leicht überliegt. 

Raum, der — eines Schiffes, Raum 
vom unterften Deck bis zum Kielfepwein ; : 
auch: Raum, vom Binde, günftiger 
Wind von aditern. 

Raumen, vom Winde, günftiger werden. 

Raumſchots, wenn man mit raumer 
Shot jegeln fann. 

Neef, zum Berkleinern des Segel3 einges 
ridteter Teil. 

Reefen, Segel durd Aufrollen verkleinern. 

Reefta ij je, dreiſcheibige Talje, zum Nieder⸗ 
holen des Reefs. | 

Regatta, Wettjegeln. 

KReling, Geländer um die Bordwand 
über Ded, bei Jachten oft waſſerdicht. 
Rhe! Kommando zum Veberftaggehen oder 

Wenden. 

Riemen, Ruder. 

Rip, Konftruftiongzeichnung eines Schiffes. 

Rollen, pendelnde Bewegung eined Jahre 
zeug3 um feine Längsachſe; basfelbe wie 
ſchlingern. 

Roller, brechende hohe See. 

Ruder, zum Lenken und Steuern des 
Fahrzeugs am Achterſteven drehbar auf⸗ 
gehängte Balkenverbindung. 

Ruder le gen, Ruder nach einer Seite 
bewegen. 

Rudertalje, an der Ruderpinne bes 
feftigte Lleine Talje, zur Erleichterung 
des Steuers. 

N Su mp 2 Fahrzeug ohne Takelage und 


Ruͤndooiz, Sammelname für alle zylin⸗ 
driſchen Hölzer an Bord. 


Nro. 346. 


Saling, Quer⸗oder Längsholz oder ⸗eiſen 
als Unterlage für den Mars und zum 
Spreizen der Stengewanten. 

Schäkel, U-förmiges, eiſernes Verbin⸗ 
dungsglied, um zwei Teile einer Kette 
zu verbinden, aneinander zu „ſchäkeln“. 

Schamfielen, ſcheuern, durch Reibung 
beſchädigen. 

Pannen Belleivung der NReling3- 


ftüg 
Sal, All Schoten fo dit wie möglid 


— Tauwerk, durch Blöcke und 
Scheiben leiten; auch für Herankommen 
eines Dampfers er „ſchert“ längſeit. 

Scheibe, Rolle, um welche ein Ende ge- 
legt wird. 

Schiemannegarn, aus zwei ober brei 
Kabelgarns zuſammengeſetzte Leine. 

Schiften, Segel wechſeln, übergeben. 

Schlag, mit dem Riemen, einmaliges 
Durchziehen; beim Kreuzen, die über 
einen Bug abgelaufene Strede. 

Scälagfeite, Neigung ded Fahrzeugs 
nad einer Seite. 

= — ein Schiff durch ein anderes 
ziehen 

Schlingern, dasſelbe wie „Rollen“. 

Schlippen, plötzliches Loswerfen oder 
Kappen von Tauen und Ketten. 

Schot, Ende, durch welches die hinteren 
unteren Nocken der Segel angeholt werden. 

Schralen, Aenderung des Windes zum 
Ungünſtigen; Gegenteil von „Raumen“. 

Schrapen, mit ſcharfen Snftrumenten 
etwa3 abfragen. 

Schratſegel, fämtlide Segel, die nicht 
an Raben gefahren werben, aljo Gaffel- 
und Borjegel, ſowie Gaffeltopfegel. 

Schwabber, aus altem Tauwerk herge- 
fielter Bejen zum Trodnen des Ded3. 

Schwanenhals, gebogen. eiferner Bolzen, 
sum Einhaken bes Spinnaterbaumd in den 
Maftring. 

Säweres Wetter, Sturm. 

Schwert, bölzernes oder metallened Brett, 
fentrecht ins Waffer gelafjen, um den La⸗ 
teralplan des Fahrzeuges zu vergrößern, 
die Abtrift zu verringern, und dadurch 
befjeres Kreuzen zu erzielen. 

Schwertkaſten, zum Aufnehmen ber jegt 
am meiften gebraͤuchlichen Mittelſchwerter. 

See, offenes Waſſer und Bezeichnung des 
Seeganges. 

Seetlar, fertig unb bereit in See zu 


geben. 

Seemeile, ſechzigſter Teil eines Yequator: 
grades oder eine mittlere Meridianminute 
= 1852 m, 

Seemwärts, nad) See zu. 

Seewind, anflandiger, aus See fommen- 
ber Wind 

Segel, zur Fortbewegung durch den Wind 
dienende Zeinwandfläcden. 

Segel-abfhlagen, Segel von den Spier 
ren abnehmen und verftauen. 

Segelbergen, alle Segel fejtmaden. 


Niro. 346. &. Gräfin Baubilfin 


Segelfertig, fertig zum Segeln fein. 

Segelmebhren, mehr Segel jegen. 

Segel mindern, einige Segel bergen. 

Segelreefen, Segel verlleinern. 

Segelfegen, Segel aufziehen. 

Segeltuch, Stofj zur Anfertigung der 
Segel. 

Segelunterfhlagen, die Segel an ihre 
Spieren befeftigen. 

Setbord, abnehmbare Erhöhung der 
Bordjeiten auf Meinen Fahrzeugen, zum 
Schuß gegen das Waſſer. 

Sigen, aufgerannt fein. 

Sloop, einmaftige Jacht mit feftem Bug: 
fpriet und feit an den Baum gereihten 
Großjegel ; Lleinere haben nur Pfahl: 
maften ohne Stenge und nur ein Borjfegel. 

Sog, Nadftrömung des durch das Fahrzeug 
verdrängten Waſſers in das Kielwaſſer. 

Sonnenfegel, Zelt aus Segeltud gegen 
die Sonne. 

Spanten, Rippen eines Fahrzeuges, tra«- 
gen die Außenhaut und vermitteln den 
Quer: u. den Längsverband des Echiffes. 

Spiegel, flacher Abſchluß des Hecks. 

Spieren, dünnere Rundhölzer d. Takelage. 

Spill, Ankerwinde. 

Splißen, zwei Tampen durch Verflechtung 
der Kardeele verflechten. 

Spriet, dünne Spiere zum diagonalen 
Spreizen des Sprietſegels. 
Spring, vom Heck an Anterfette ober 
Unter befeftigte Leine. 
Stag, Haltetau von Maſt- oder Bugipriet- 

fpige zur Stütze nad vorn. 

Stag, über — gehen, dasſelbe 
Wenden. 

Stagfod, am Fockſtag fahrendes Vorfegel. 

Stagjegel f. Stayfod. 

Stampfen, pyendelnde Bewegung des 
Fahrzeugs um feine Querachſe. 

Stander, gleichſchenklig dreisdige, ge— 
flammt rechteckige oder geflammt dreieckige 
Flaggenabzeichen eines Klubs 

Start, Entlaſſung der wettſegelnden Jach⸗ 
ten zur Wettfahrt. 

Stauung, richtige Anordnung d. Ballaſtes 
oder der Ladung. 

Stecken, fieren, außfteden, 3. B. bei ber 
Ankerkette. 

Steek, Verknüpfung zweier Tampen. 

Steekbolzen, kurze, ſtarke Enden, durch 
die Reefkauſchen der Segel geſchoren und 
das Reef auf der Rahe oder dem Baum bes 
legen. 

Steif, Gegenteil von rank beim Schiff; 
beim Tauwerk, wenn es feft angeholt ift. 
einge, Verlängerung bes Untermaftes, 
zum Setzen des Topfegeld, Fliegers, 
Ballontliivers und Spinnafers. 

Stengewindreep, zum Heißen und 
Streichen der Stenge dienendes Ende, 

Steuerbord, redte Seite des Fahrzeugs. 

Steven, die den Bug (Vorfteven) und da3 
Heck (Achterfteven) bildenden Hölzer. 

Stille, Mangel an Rind. 

Stoppen, fefthalten. 


5 


wie 


u. Kapifän €. Türk. 


Stoßtalje, basfelbe wie Bullentalje. 

Stredbug. Bug beim Kreuzen, ber am 
nächſten ans Ziel „ftredt”. 

Streden,an ein Ziel —, ba3 Biel mit 
einem Schlag beim Wind erreichen. 

Streiden, bie Stenge —, bis der Flaggen⸗ 
Inopf überm Eſelshoofd iſt, auch : die 
Flagge nieberholen. 


Talel, Flajchenzug mittlerer Stärke. 

Talelage, alles Tauwerk nebft Blöcken, 
Spieren, Rundhölzern und Segeln. 

Tatels oder Segelriß, Teil ber Kon: 
ſtruktionszeichnung eines Fahrzeugs, wel: 
der das tote Werk, Form: und Größen: 
verhältnis enthält. 

Talje, Kleiner Flaſchenzug, beftehendb aus 
Blod und Ende. 

Tallreep, Ende, welches durch die Jung⸗ 
fern gefhoren wird und zum Anfegen ber 
Wanten dient. 

Tamp, letztes Ende eines Taues. 

Tiefgang, ſenkrechter Abftand d. Waſſer⸗ 

linie eines Fahrzeugs von dem am tiefften 
taudenden Punkt des Kiels. 

Totes Wert, oberhalb ver Waſſerlinie be: 
findlicher Teil des Schiffärumpfes. 

Tonne, Seezeichen, zylinderförmig : ferner 
Schiffsmaß: in Deutfchland — 1000 kg. 

Top, oberes Ende ber Maften und Stengen. 

Topjegel, ander Stengeeines mit Schrat: 
fegeln getalelten Maſtes heißbares Segel. 

Törnen, unklar maden oder feft machen. 

Treiben, forttreiben durch Wind, See 
oder Strom. 

Trimmen, etwas in Drbnung bringen. 

Troffe, ein aus drei Karbeelen befteyendes 
Ende auf ſtarke Verhol⸗ und Feſtmache⸗ 
leinen, eine noch nicht angefchnittene, 
ganze Rolle Tauwerk. 


Ueberholen, revibieren; auch die Segel 
überholen, d. 5. auf die andere Seite; 
Talje überholen, d. 5. Talje verlängern. 

UVeberlegen, Krängung bes Fahrzeuges 
bei Winddrud. 

BVeberliegen, durch das Ueberlegen ver: 
urſachte Zage. 

Ueberſchießen, Ballafl oder Ladung geht 
bei ſtarker Krängung nad) einer Seite über. 

— Stag geben, dasſelbe wie 

en 


" ‘ 

Untlar, verwirrt, befniffen, vertörnt, das 
Gegenteil von „Klar“. 

Unterlief, untere Liek eines Segels. 

Unterjegel, an ben Unterraben befinb- 
liche Segel. 


Verband, bie Verbindung ber einzelnen 
Teile des Rumpfes. 

Vergütung, Ausgleichsverſuch der infolge 
verſchiedener Größe, Bauart und Takelage 
differierenden Leiſtungsfähigkeit der Jach⸗ 
ten beim Wettſegeln; wird als Zeit oder 
als Abzug an gemeſſener Größe gewährt. 

Verholen, ein Fahrzeug von ſeiner Stelle 
auf eine andere bringen. 

Verklicker, Windfähnchen. 


V. 1. Segellport. 


Verſagen, von einer Wendung, wenn das 
Fahrzeug nicht durch den Wind geht. 

Verſtauen, ordnungsmäßig, verladen. 

Vertauen, Boot anlegen, feſtmathen. 

Vierkant, rechtwinklig. 

Bollund bei, möglichſt dicht am Wind. 

Vorbereitungszeihen, beim Wett⸗ 
fegeln da3 Zeichen, das bie Bewerber ſich 
* au halten haben ; Schuß oder Flaggen 

gnal. 

Vor dem Wind, mit Wind redt v. achtern 
fegeln. 

Vorgeſchirr, Bugipriet, reip. Klüver- 
baum nebft Talelage und Segel. 

Vorſchiff, vorderer Teil des Schiffes. 

Bor Top und Takel, dv. 5. vor ben 
nadten Spieren, ohne jedes Segel. 


Want, feitliche Haltetaue eines Maftes oder 
einer Stenge. * 

Warpen, mittels des Ankers verholen. 

Waſſerlinie, Linie des Fahrzeuges, bis 
zu der es im Waſſer liegt. 

Waſſerſtag, Ende oder Kette, die Bug⸗ 
ſpriet oder Klüverbaum ſtützt. 

Wenden, durch den Wind über d. anderen 
Bug gehen. 


Nro. 346. 


Wettfahrt, gemeinſames Segeln mehrerer 
Jachten auf gleichem Kurs und unter 
gleichen Bedingungen. 

Windreep, Ende zum Aufbringen einer 
Stenge. 

Wulſtkieler, Kielboot mit ſtarkem, extra 
befeſtigtem Bleikiel. 


Yacht, urſprünglich holländiſches Außen⸗ 
fahrzeug: Yagd; jetzt Jacht, ausſchließlich 
zum Vergnügungs⸗, Touren- und Wetts 
ſegeln dienende Fleinere Dampf- u. Segel- 
fahrzeuge, als Sloop, Kutter, Yawl oder 
Schoner getatelt. 

Yaml, Yacht, als ein Kutter getakelt, jedoch 
mit Heinem Befan (Treiber). . 


Beifen, etwas mittels eines dünnen 
Bändels feſtmachen. 

Zeiten, wettſegelnde Jachten, — 
beim Paſſieren einer Marke oder des Ziels 
die Zeit notieren. 

Ziel, Linie, welde das Wettfegeln bei einer 
Wettfahrt beendet. 

Zurren, zufammenfhnüren, 3. 3. von 
Hängematten ; auch feftbinden. 


Verzeichnis der hauptfäclichften technifchen Ausdrücke. 


Block 


Deutſch Engliſch 
Abhalten to bear away 
Abſtoßen to put off from shore 
Achtern aft 
Achterliek leach 
Achterſteven sternpost 
Auf das Ruder! hard up the helm! 
Aufgeien to brail up 

Aufholering traveller 

= - Aufichießen to coil up 
Auftakeln to rig 
Auftakelung rigging 
Bad back 
Backbord port 
Backbord das Ruder! | port the heim! 
Baden bows 
Badeftag back-stay 
Balkenknie knee 
Ballonklüver ‚| balloon-jib 
Baum - boom 
Beiboot boat 
Beidrehen to come up, to bring to 
Beilegen to come to 
Beiliegen to lie to 
Bejan mizzen 
Bejanmaft mizzenmast 
Befanfegel ‚| mizzensail 
Befanftag mizzenstay 
Beſitzer (Eigner) owner 
Betings bitts 


block, pulley 


Sranzöfifch 


tenir le large 

deborder une chaloupe d’un 
vaisseau 

de l’arriere 

chute d’arriere f. 

etambot m. 

la barre au vent! 

carguer 

rocambeau m. 

lover 

greer 

greage m. 


en arriere 
bäbord 
bäbord la barre! 
jouteraux m. pl. 
pantotre de bastaque m. 
courbe f. 
foc-ballon m. 
guy m.; böme f. 
embarcation f. . 
mettre en panne 
se mettre a la cape 
prendre la cape 
tapecul m. [m. 
mät de tapecul, mät d’arriere 
flöche-tapecul m. 
etai du tapecul m. 
proprietaire m. 
bittes f. 
poulie f. 
23 


ro. 346. 


Deutich 


Bodenplanken 
Bramfegel 
Brajjen 
Breitfock 
Bugjpriet 
Bugitag 


Dapits 


Deck 
Decksbalken 
Decksplanken 
Dirk 
Durchſcheren 


Entern 


Fallreep 
Senfter (rund) 
Sieren 
Slaggen 


Slaggenknopf 
Slaggenſtock 
Sackmaſt 
Fockſegel 
Sockſtag 
Slieger 


Gaffel 
Gallion 


Gangjpill 
Geitau 
Großmafjt 
Großſchoot 
Großſegel 
Großtopſegel 


Bals 

Halſen 
Halstalje 

Halt ab! 

Hart Backbord! 
Holende Part 
Hol nieder! 
Hol weg! 


Sungfern 


Rabelgarn 
Kapitän 
Kentern 

Kiel 
Kieljcdwein 
Klar 

Klar zum Wenden! 
Klaue, Klaufall 
Klüver 

Knoten 
Kreuzen 

Kutter 


Kateinjegel 
Taufendes Gut 
Tebendes Werk 


Englifch 
ceiling-planks 
main-top; gallant-sail 
braces 
square-sail 
bowsprit 
bowsprit-shrouds 


davits 

deck 
beams 
deck-planks 
topping-lift 
to reef 


to grapple, to board 


gangway, ladder-rope 

bull-eye 

to veer, to lower 

to hoist the flag, colours, 
to dress ship 

truck 

flag-mast 

foremast 

foresail 

fore-stay 

flying-jib 


gaff 
gallion 


capstan 
clew-line 
mainmast 
mainsheet 
mainsail 
maintopsail 


tack 

to wear ship 
tack-tackle 

bear away! 

hard a-port! 

fall, hauling part 
haul down! 

haul away! 


dead-eyes 


yarın 

captain, skipper 
to capsize 

keel 

keelson 

ready 

ready about! 
main-halyard 
jib 


latin-sail 
running rigging 
| quick work 


E. Gräfin Bawdilfiun u. Rapitän €. Türk. 


Sranzöfifc 
bordages du fond m. 
voile de perroquet f. 
bras de vergue m. 
fortune f. 
mät de beaupre m. 


haubans du beaupre m. pl. 


davies m. pl. 

pont m. 

baux m. pl. 

bordages du pont m. pl. 
balancine f. 

passer une manoeuvre. 


aborder 


[mon f. 
passavant m., e’chelle d’arti- 


bulleye 
amener 
pavoiser 


pomme f. 

mät de pavillon m. 
mät de misaine m. 
voile de misaine f. 
etai de misaine m. 
foc-volant m. 


vergue ä corne f. 


figure de poulaine, du vais- 


seau 
cabestan 

cargue f. 

grand mät m. 
grande écoute f. 
grande voile f. 
grand flöche m. 


amure f. 

amurer 

palan d’amure m. 

faites porter! 

bäbord tout! 

courant de manoeuvre m. 
amenez! 

halez! 


cap-de-moutons m. 


caret m. 

capitaine, maitre m. 
chavirer, cabaner 
quille f. carene f. 
carlingue f. 

degage, pare 

paré à virer! 

drisse de mat f. 

foc m. 

noeud m., &talingue f. 
louvoyer, croiser 
cotre m. 


voile latine f. 


manoeuvres courantes f. pl. 


oeuvres vives f. pl. 


Deutſch 
Cee 
Liek 
Cotfe 
Los! 
£Zugger 
Cuken 
Cuv 
Cup! 
Cuven 


M 
Amina 


—ã 


Niete 

Nieten 

Nock (einer Raa) 
Nod (eines Segels) 
Norden 


Oberlicht 
Oſten 


ieck 
ieckfall 


reſenning 


Ruderbank 
Ruder in Lee! 
Ruder in Luv! 
Rudern 
Ruderpinne 
en 
uderfhlag 
———— 
— 


5a ädel 
emannsgarn 
Sch = 


p 
Sonnenfegel 
Spieren 
Spinnaker 


Sprietfegel 


V. 1. Segelfpprt. 


Engliſch 
leeward 
bolt-rope 
pilot 
le’ (t) go! 
lug-sail 
hatches 
windward 
luv! 
to luv 


crew 


top 
top-halyard 
marline 
top-square 
square-topsail 
mast-head 
midships 


rivet 

to rivet 
yard-arm 
sail-arm 
north 


| sky-light 


east 
n. —— to gauge 


—2 yard 
arpaulin 


yard 

square sails 
steady! 

reef 

to reef 

reef-tackle - 

rail 

oar 

rudder 

thwart 

helm ’s a lee! 
helm windward! 
to row 
rudder-helm, tiller 
wheel 

pull, on of the oar 
helm-tack le 

huN 


shackle 
spun-yarn 
bulk-head 
screw 
schooner 
fore-sail 


centerboard 
:gäll 


sloop 
awning 
spars 
spinnaker 
sprit-sail 


Nro. 346. 


Stanzöfifch 
sous le vent 
ralingue f. 
pilote m. 
larguez! 
voile de lougre . 
panneaux m. pl. 
au vent 
au lof! 
aller au lof 


equipage m. 
hune m. 
drisse f. 
merlin m. 


vergue du grand hunier m. 


hunier m. 
ton du mät m. 
au milieu du pont 


rivet m., rivure f. 
river 

bout de vergue m. 
pointure d’une voile 
nord m. 


claire-voie f., jour ä plomb m. 


est m. 


sonder 

empointure du pic f. 
drisse de pic f. 
prelart m. 


vergue f. 

voiles carrees f. pl. 
comme ca! 

ris m. 

prendre des ris.. 
palanquin de ris m. 
lisse f. 

rame f. 

gouvernail, timon m. 
banc de nage 

barre dessous! 

barre au vent! 

ramer 

barre du gouvernail m. 
roue du gouvernail f. 
coup de rame m. 
palan du gouvernail m. 
coque f. 


manille f. 

bitord m. 

paroi f. 

vis f. 

goelette, schoner f. 
misaine-goelette f. 
derive f. 
voile f. 
sloup f. 
banne f., tenderolle f. 
espars m. pl. 

tangon m. 

voile aurique f. 


Nro. 347. 


Rorveffenkapifän €. Türk. 


Deutſch En gliſch 
Stag stay 
Stagfoc staysail, foresail 
Stander standard 
Steckbolzen reef-earning 
Stenge top-mast 
Stengenftag topmast-stay 
Stenge jtreifen to house the topmast 
Steuerbord starboard 
Sturmklüver stormjib 
Süden south 
Südwejter southwester 
Takelage rigging 
Takeln to whip 
Talje tackle 
Tamp end 
Tauwerk cordage 
Top top, head 
Totes Werk dead work 
Trojje hawser 
Tryſegel trysail 
Vierkanttopſegel gaff-topsail 
Doraus forward 
Dorftenge foretopmast 
Dorijteven stem 
Dortopfegel foretopsail 
Wade watch 
Warpen warp 
Warpleine warp 
Waffergang waterway 
Waſſerſtag bobstay 
Waſſerſtiefel jack-boots, water-boots 
Wenden to veer, to turn ship 
Weiten west 
Nawl yawl 
Zeiten to seize 


Sranzöfifch 
etai m. 


trinquette f. 

gun m. 

fague de ris f. 

mät de fläche m. 

etai de mät de fläche m. 
caler le mät de fläche 
tribord m. 

tourmentin m. 

sud m. 

suroit m. 


greement m. 
surlier 

palan m. 

bout m. 
cordages m. pl. 
&te f. 


oeuvres mortes f. pl. 
fil d’acier m. 
voile de cape f. 


flöche carre m. 

de l’avant 

petit mät de fläche m. 
etrave f. 

petit fläche m. 


quart m. 

touer un vaisseau 
grelin m. 
gouttiere f. 
sous-barbe f. 


bottes imperme&ables f. pl. 


virer de bord 
onest m. 


cotre-dandy m. 


genoper. 


2. Ruderfport. 


Von 


Titus Türk, Korvettenkapitän, Kiel. 


347. Geſchichtliches. Nach Ben 
Akiba ift alles ſchon dageweſen. 
Und wenn auch Virgil der einzige 
Schriftſteller iſt, der uns ein 
Längeres von einer trojaniſchen 
Ruder-Wettfahrt zu Aeneas Zeiten 
berichtet, ſo erzählen uns ägyptiſche 
Wandgemälde von Jahrtauſende 


älteren Menſchengeſchlechtern, daß 
der Ruderjport wohl ſchon von den 
Erfindern des erften Floßes oder 
des erften ausgehöhlten Baum: 
ſtammes her datiert. Wo aud 
immer Menſchen gelebt haben, die 
nicht geradezu Engel waren — und 
dieſes ift die feltener aufzufindende 


V. 2. Ruderiporf. 


Sorte — Hat ed auch die rein 
„menſchlichen“ Triebe des Neides 
und des „Beflerfeinwollend“ ge= 
geben. Und wenn mein guter 
Freund und Nachbar in feinem 
Einbaum ſchnell rudert, dann ru⸗ 
dere ich noch etwas ſchneller: denn 
wer zuerſt das gegenüberliegende 
Ufer erreicht, iſt der erſte auf dem 
gemeinſamen Jagdgrund im kühlen 
Schachtelhalmenwalde — ſo denkt 
der eine Urmenſch. Der andere 
ſieht ihn mit Ihaumumfprühten 
Bootsbug näher kommen und fagt 
fih troden: den lafſen wir keinen⸗ 
fal8 vorbei. Er legt fih ing 
Zeug, die Riemen biegen fi, daß 
das Holz kracht: Hurra, die erfte 
Ruder⸗Regatta ift fertig! 
Tatſächlich ift in unferem alten 


Europa dag Sportrudern auf mo= 


derner, noch heute gültiger Grund: 
fage wohl zuerft im Lande des 
Sport3, im Iuftigen „old England“, 
ausgeführt worden, und zwar erft 
zu Beginn des neunzehnten Jahr⸗ 
hunderts. Wir wifjen, daß 1822 
an der Uiniverfität Oxford die erſten 
NAuderrennen unter den ftudenti- 
fhen Bereinigungen ausgefocdten 
wurden, daß 1826 zum erftenmal 
die noch heute in Henley ftatt- 
findenden Regatten zwifchen Oxford 
und Gambridge ftattfanden, und 
daß von 1839 an regelmäßige 
Ruder-Wettfahrten in England 
überhaupt Brauch wurden. 
Ausübung eines Sporte3 pflegt 
im Leben der Bölfer ein Zeichen 
von Wohlitand, von politifchem 
Sicherheitsgefühl, von behaglicher 
Ruhe zu fein; man hat neben dem 
notwendigen Kampfe um das täg- 
liche Brot noch zu etwas anderem 
Zeit. Die infulare Lage Groß: 
britanniens gab feiner Bevölkerung 
in erjter Linie Gelegenheit, ſich 
nad) den die Nationen zerfleifchen- 
den Napoleonifchen Kriegen zu er: 
holen und auf ſich felbft zu be⸗ 


Werd. 348, 


finnen — fie erfand nicht nur den 
Namen „Sport” für ein Muskeln 
und Sinne ftärfendes Spiel, ſon⸗ 
dern ungezählte Sportarten jelbit. 
Und fo verdanken mir die Ein- 
führung des Ruderfports in unferem 
deutſchen Baterlande jenen Eng- 
ländern, die, auch auf fremdem 
Boden fich niederlafjend, an hei- 
mifhen, liebgemordenen Gewohn⸗ 
heiten eifern feftzuhalten pflegen, 
und in Hamburg den „English 
Rowing Club“ als erjten grün- 
beten. Ihm folgte dann 1836 der 
„Hamburger Ruderklub“. Mitte 
der vierziger Jahre hatten ſich ſchon 
mehr Vereine in Hamburg aufge- 
tan, und das erfte Wettrudern 
fonnte jtattfinden, und nun folgten 
almählid auch andere, an dem 
Ruderſport günftigen Gemäfjern 
liegende Städte, wie Frankfurt im 
Sahre 1865, Kiel 1862 — die dann 
folgenden Kkriegsjahre ließen unſe⸗ 
rer mannhaften Jugend nicht Zeit 
zum Auftun von Sportvereinen, 
noch den Alten das Geld zu Be— 
zahlen der notwendigen Inventa⸗ 
rien. Erſt 1876 folgte Berlin, 
und heute gibt es kaum eine Stadt 
am Waſſer ohne einen nennens⸗ 
werten Ruderklub. 


Die Ruderboste. 


348. Tonrenbonte. Zur Aus: 
übung des Ruderſports gibt es 
überall da, wo überhaupt ſchiff— 
bares Waſſer iſt, mehr Gelegen- 
heit als zu jeder anderen Art 
der Sportausübung. Es ift ja 
durchaus nicht nötig, daß jemand, 
der das Rudern erlernen will, 
einem Ruderklub Beitritt. Sogen. 
„Vergnügungsboote“ und „Diet: 
boote“ gibt es in Hülle und Fülle 
und es ijt einer der Hauptvorzüge 
des Ruderns, daß es zu jeder 
Sahreszeit und von jedermann — 
Männlein wie Fräulein — aus— 


Nro. 348. 


geübt werden fann. 
auch Kinder, die an fih noch nicht 
„klubfähig“ ſind, rudern gern, und 
gerade für fie ift das bequeme, 
ftabile „VBergnügungsboot“ das 
geeignete Werkzeug zur Erlernung 
der Ruderei. 

Unfere Abbildung zeigt und 
einen bejonders geeigneten Typ 


Korveitenkapitän C. Türk. 


Beſonders 


Dimenſionen, die ſchließlich nach 
Art der größten Kriegsſchiffsbei— 
boote bis zu hundert Menſchen be— 
quem faſſen können, und bei doppelt 
beſetzten Riemen von 24 Mann ge— 
rudert werden, heißen Kutter, 
Pinaſſe und Barkaſſe. Wenn 
auch in dieſen ſchwerfälligen Ko— 
loſſen heutzutage das arbeitsmäßige 














— — 
— 


— —— 





—— — 


177. Jolle mit 4 Riemen. 


des „Vergnügungsbootes“, Rudern vom ſportsmäßigen kaum 


wie er in dieſer vollendet elegan— 
ten, leicht beweglichen und dabei 
ſicheren Form von der berühmten 
Bootswerft von Lürſſen — Bremen 
hergeſtellt wird. Die Bezeichnung 
eines ſolchen Bootes iſt nach ſeiner 
Größe verſchieden, und läßt ſich 
nicht leicht in ſcharfen Grenzen 
halten. Ein Boot für 2 Perſonen 


nennt man „Dingi“, ein ſolches 


noch zu trennen ift, jo verdienen 
fie doh der Erwähnung, da in 
allen Marinen der Welt in ihnen 
der Nuderfport des einfachen Ma— 
trojen gepflegt wird. 

Man baut folde Boote nad 
verſchiedenen Syftemen aus Fichten= 
oder Zedernholz, ſchwere und ftär: 
fere Boote aus Eiche oder Maha— 
goni. Letztere Holzart wird be: 


für 3 bis 6 Berfonen heißt Jolle ſonders für die größten Rennboote 
oder Gig, Boote von noch größeren | gewählt, weil fie eine enorme Halt- 


v2. Ruderfport. Nro. 348. 








..une 
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* 
—8 


178. Gig für Vergnügungsfahrten, 1—5 Perſonen, Gewicht nur 70 kg. 
(Erbauer Kürffen, Degefad.) 


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* — — — 


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129. Ein Stuller als Tourenboot. 


Heck des Bootes. Bug des Bootes. 








r 


Spiegel. Ruderducht. 
180. 


barkeit beſitzt. Dieſe geftattet dann | bat, Wände von nur einem halben 
wiederum, die Planken jehr dünn | Zentimeter Stärke aufzumweifen hat. 
zu maden, jo daß das Boot trog | Das PVergnügungsboot ift ſtets 
großer Tragfähigkeit verhältnis- | auf Kiel gebaut, d. h. ein langer, 
mäßig feberleicht if. Nur fo ift | aus einem oder mehreren Stüden 
es möglich, daß der moderne, faft | beftehender Längsbalfen bildet jo- 
20 Meter Jange Nennadter, der | zufagen das Rüdgrat ded Boote, 
neun erwachſene Menfchen zu tragen | an welchem fich die Rippen, „Span 


Nro. 348. 


— Dollbord. 






Dudht. 





Krawehl. 


181. 


ten’ genannt, in der Querſchiffs— 


Rorvettenkapitän T. 


Türk. 








Klinkerartige 
CLage der Planfen. 


182. 


Diefe Bauweiſe iſt die leichtefte 


rihtung anfügen. Auf die Spanten | und am bequemiten auszubefjernde. 


legt man die Blanfen, die die Wand 
des DBootes bilden. 
fih die längsſchiffs angebrachten 
Planfen miteinander, jo daß das 
Boot außenbords glatt erjcheint, jo 


Bedeutend miderftandsfähiger, 


Vergleichen | aber auch etwas jchwerer, wird dag 


Boot mit Hlinferartiger „Außen— 
baut’. Hier „überlappt‘‘ die höher 
liegende, längsjchiff laufende Planke 


ijt dasjelbe „Eramwehl’artig gebaut. | die darunter liegende um ein we— 


Dollbord. 





Diagonal, 


niges, und in dieſer Stellung 
werden dann die Blanfen miteinan= 
der und den Spanten verbolzt und 
vernietet. 

Befonders jtarfe Boote baut man 
nach dem Diagonaljyjten, indem 
man die nicht längsjchiffs, jondern 
vom Kiel ſchräg oben zum „Doll 
bord“ verlaufenden Planken in zwei 
Schichten, etwa in einem Winfel 
von 90° fich freuzend, aufeinander 
legt und befeitigt. 

Man verwendet bei einem guten 
Boot ald Nägel, Bolzen, Nieten 2c. 
nur jolhe aus Kupfer, d. h. man 
baut das Boot „kupferfeſt“. 

Der Borderfteven trägt Metall» 
bejchlag, der Achterjteven, der, wenn 
nicht Scharf, ſondern flach gehalten, 
auch „Spiegel“ genannt wird, er— 
hält in der Mitte, lotrecht über: 
einander, Metalldjen zum Einhaten 


V. 2. Ruderfport. 





ih 
Kopf des 
Ruders. 






| Schere. 


Singerlinge. 
184. 


Ruder. 


der „Fingerlinge” desSteuerruders. 
Dieje Dejen nennt man „Scheren“. 
Ueber den „Kopf“ des „Ruders“ 
— 0 jagt man in der Sport= und 
Seemannsſprache kurz ftatt „Steuer: 
ruder“ — ift das „Ruderjoch“ ge— 
ſtreift, durch das die zum Steuern 
dienenden „Jochleinen“ „geſchoren“ 
werden. Die „Duchten“ ſind die 
querſchiffs angebrachten Ruderbänke, 
auf denen der Ruderer Platz nimmt, 


— Ruderpinne. 








Ruderjoch. 






ws 





111 


185. 


um die in Gabeln — „Dollen” — 
liegenden „Riemen“ zu bedienen. 

Nicht unerwähnt darf hier eine 
Art von Tourenboot bleiben, die 
ſich allerdings in Deutſchland bis— 
her wenig eingebürgert hat, dafür 
aber in England und Amerika, 
feinem Mutterlande, jich bejonderer 
Beliebtheit erfreut. Es iſt das 
urſprünglich aus Birfenrinde er- 
baute indianifche Kanoe, zum Se: 





186. Kanoe. 


ee ee BE 


Biornetienkapilän €. Türk. 


ro. 349. 


geln wie zum Rudern gleich ges 
eignet. Man verwendet es bejon- 
ders auf ſchmalen Wafferläufen, 
wie in den fleinen „Creeks“ und 
Bächen der Urwälder, die eine 
Verwendung von Riemen nicht ges 
ftatten. Es wird mit der „Paddel“ 
(fiehe fpäter) vorwärts getrieben. 
Auch der „Kajak“ ſei erwähnt. Er 
ift grönländifchen Urfprungs, der 
einzige Ruderer fißt ohne Ducht 
auf dem Boden des völlig einge: 
dedten, vorn und achtern ſcharf ge⸗ 
bauten Bootes und arbeitet mit 
einer Art von Doppel-Paddel. 
349. Rennboote. Ein Rennboot 
hat eigentlid von den eben be= 
fchriebenen Tourenbooten nur noch 
die Benennung feiner einzelnen 
Teile behalten und mit feinem 
Vorgänger weit weniger Form und 
Geſchwindigkeit gemeinjam als fonft 
irgendwie ein zur Ausübung eines 
Sports dienendes Inſtrument. Die 











ze, 


t — > >55 HESS GE > — 


liche, äußerſt empfindliche Renn⸗ 
maſchine bedienen zu können. 

1. Reunſchulboote. Soent- 
ſtanden — nachweislich auch erft 
in der erſten Hälfte des neunzehn⸗ 
ten Jahrhunderts beſondere 
Schulboote, in denen die Klub⸗ 
mitglieder eines Klubs, der Wett⸗ 
rennen belegen will, vorgebildet 
werden. Es wären bier zu erwäh—⸗ 
nen das „Wherry” von 7 bis8 
Meter Länge und nur 60 cm Breite. 
Es dient als Schulboot für „Shff": 
Fahrer, ift zwar etwas langjamer 
aber dafür ftärker und „jeefähiger“ 
als das „Skiff“, wenn überhaupt 
der Ausdruck „feefähig” noch auf 
ſolche Nupfchalen Anwendung finden 
darf. Ein Wherry wird von einem 
einzelnen Menfchen ohne Eteuer- 
mann gerubert. 

„Auslieger-Gigs“ werden 
bejonder8 zum Einfahren von 
Mannſchaften für das Rennboot 











BE a en one 


187. Wherry. 


meiften Sportarten, wie das Ten 
nisjpiel, das Golfſpiel, die edle 
Schießkunſt, Polo, Fußball — ſie 
alle verwenden denſelben Schläger, 
dasſelbe Gewehr beim Erlernen 
des Spiels wie nachher beim Wett⸗ 
kampf. Das direkt zu einem Kunſt⸗ 
werk gewordene Rennboot bedarf zu 
ſeiner Bedienung einer ganzen 
Reihe von Vorbereitungsfahrzeugen, 
in denen der Ruderer zunächſt ler- 
nen muß, um nachher die eigent- 


benügt und haben nebenbei. den 
Vorteil, daß fie räumig und ftabil 
genug find, um auch als Touren 
boote gebraucht werden zu Fünnen. 
Es gibt diefe Gigs in allen erdenk⸗ 
lihen Größen für zwei bis adt 
Ruderer. (Siehe Abbildung.) 

2. Das eigentlide Renn— 
boot. Das kleinſte Rennboot iſt 
das bereit8 erwähnte „Skiff“ 
Aus den feinften Hölzern — meill 
Bedernplanfen und eichene Spanten 


V. 2. Ruderfpori. 


— iſt e3 gerade imjtande, einen 
einzelnen Menſchen zu tragen, mwel- 
cher mit zwei Riemen — in diefem 
Falle „Stullen” genannt — das 
Boot vorwärts treibt und gleich: 
zeitig fteuert. Unfer Bild zeigt 
ung, wie diefer Miniatur:Renner, 
faum 10 kg mwiegend, leer fajt 
ohne Tiefgang wie. eine Blafe auf 


Yiro. 349. 


in die Deffnung für den Sit des 
Ruderers hineinlaufen. Selbſtver⸗ 
ſtändlich iſt das Boot auf ſeine 
ganze Länge mit einem Verdeck 
nach oben abgeſchloſſen, dieſes be⸗ 
ſteht jedoch aus Gewichtserſparnis 
nur aus geölter Leinwand. Um 
den Waſſerwiderſtand auf das 
äaußerſte zu reduzieren, iſt der 





190. „Stiff“, auf deutfch „Einer“. 


dem Wafjer ſchwimmt. Sikt der 
Nuderer drin, fo erhebt fih das 
Dolbord nur noch wenige Zoll 
mit feiner Oberkante über Die 
Waflerflähe, fo duß ein Xleiner, 
faftenartiger Aufbau mittſchiffs 
verhindern muß, daß nicht ſchon 
bei ganz glattem Waffer Dampfer- 
wellen oder ähnliche Erfchütterungen 


„Einer“, wie alle Rennboote über: 
haupt, ohne äußeren Kiel konſtru⸗ 
iert und vorn wie adtern fait 
meſſerſcharf zulaufend gehalten. 
Um ferner aud) das Gewicht des 
rudernden Mannes für die Yort- 
bewegung des Bootes augzunügen, 
ift die Ruderducht nicht eine feſt 
eingebaute Bank, wie wir jie vom 


Niro. 350. 


Tourenboot her kennen, fondern 
fie bejteht in einem auf Schienen 
oder Rollen vorwärts und rüd- 
wärts gleitenden Si, der den Be: 
wegungen des Ruderers folgt: die 
lebendige Kraft des nach vorn ſchnel⸗ 
lenden Körpers hilft das Boot mit 
nad) vorwärts treiben! 
Aber nicht genug damit. Noch 
ein dritter Faktor kommt binzu, 
welcher geftattet, die das Boot be- 
wegenden Kräfte bis zum äußerjten 
auszunügen. Das kaum einen 
Viertelmeter breite Boot würde nur 
den Gebraud jehr furzer Riemen ge: 
jtatten, oder der innere Hebeldarım 
des Riemen? müßte im Vergleich 
zu der ganzen Länge desjelben 


Rorvettenkapitän €. Türk. 


folgen nun Dollen-Rennboote 
und Ausleger- Rennboote 
für zwei, vier und acht Mann. Die 


Dollen-Rennboote erreihen nie 


ganz die Gejchwindigfeit der Aus: 
legerboote, da fie ein wenig breiter 
find; dafür find fie aber ficherer 
und ftetiger im Waffer und werden 
mit Vorliebe für Erftlingsrennen 
jüngerer Mannſchaften, der ſogen. 
Aunioren, verwendet. 

Das fchönfte und ſchneidigſte 
Rennboot iſt und bleibt ver Nenn: 
achter, wie ihn in modernfter 
Ausführung unfer Bild zeigt. Er 
ift nahe an 20 Meter lang, alfo fo 
lang wie ein mehrftodige® Haus 
hoc, und dabei nur 60 cm breit, 





Auslieger mit Dolle. 


unverhältnismäßig fur; werden, 
wenn die Auflage der Riemen, ihr 
fejter Bunft, wie beim gewöhnlichen 
Boot, direkt auf dem Dolbord 
wäre. Auch hier hat menfchlicher 
Scharffinn ausgeholfen. Man hat 
ven fogen. „Auslieger” Tonftruiert, 
ein aus feinem Stahl gearbeiteteg, 
feichte8 Geftänge mit Drei an der 
Bordwand befeitigten Streben, die 
nach außen zu in einem Punkt zu— 
fammenlaufen; Hier iſt dann die 
Dole für den Niemen drehbar 
befeftigt. Auf diefe Weife ijt die 
Entfernung von Dolle zu Dolle auf 
ca. 1'/, Meter erhöht, und gejtattet 
die Benüsung von faſt 3 Meter 
langen „Skulls“ für den Einer. 
Dem „Skiff“ für einen Ruderer 


fürmahr ein Extrem des Boot3- 
baues; und bei faum !/, cm Planken⸗ 


ftärfe gleichzeitig ein Triumph des⸗ 


jelben, wenn wir bedenken, daß 
fonft der mit Stahl und Eijen nad) 
Belieben fchaltende Schiffbau ſich 


ungern an Schiffe heranmagt, deren 
Verhältnig von Breite zur Länge 
die Zahl 1:10 überfteigen fol! 


Allerdings koſtet fo ein Nenner 
bereit3 1200 Mark und. ift dabei 


empfindlich wie ein rohes Ei. 


350. Riemen, Stulls, Baddeln, 
Pagaien. Die Injtrumente, mit de⸗ 


nen der Ruderer das Boot vorwärts 


treibt, nennt man Riemen. Die 
Abmefjungen der Riemen find ver⸗ 
jhieden nad Zweck, Größe des 
Bootes und Körperkraft des Ru— 








a A 





2 a AM en ee , = 





1 * 
—— 


WER 


192, Rennellchter. 


uderſpork. 







al ar 


Nro. 350. 


derers, ebenſo wie ihr Gewicht, je 
nachdem man fie aus Tannen- oder 
Eſchenholz fertigt. 

Für die Sportzwerde der Ruder- 
vereine jind allgemein Schaufel: 
riemen eingeführt, deren Blatt ein 
wenig gebogen ift. 

Die Länge eines Niemens wird 
im allgemeinen 3,75 m nicht über: 
Ihreiten dürfen, da derſelbe ſonſt 
zu unhandlich wird. 

„Skulls“ find die in Skiffs 
und Wherrys gebräuchlichen Rie— 
men. Sie ähneln in der Form dem 
Riemen, find aber naturgemäß 
fürzer und leichter, da der Ruderer 
mit zwei Riemen gleichzeitig zu 
arbeiten hat. Sie erreichen jelten 
die Yänge vorn 3 m. 

Paddel, zum Rudern im Kanoe 
und im Kajak benußt, nennt man 
einen Riemen, der an jedem Ende 
ein Blatt hat. Man rudert mit ihm 
freihändig ohne Auflage; Tektere 
wird durch die beiden in entgegen- 
gejegter Richtung arbeitenden Arme 
erſetzt. 

Die halbe Paddel, d. h. ein 
ganz kurzer Riemen von nur einem 
Blatt, wird auch im Kanoe benützt. 
Man nennt ſie „Pagai“. 

Die Dollen ſind die Auflage 
des Riemens und ſitzen entweder 
direkt auf dem Dollbord oder auf 
dem Ausleger. Sie können feſt 
ſein und beſtehen dann aus dem 
vorderen und hinteren Dollenſtift. 
Die Drehdolle hat die Form einer 
Gabel, deren Zinken ſich zu— 
ſammenbiegen (ſiehe beide Bilder) 
oder auch eines Rhombus, der 
durch einen Ueberfall geſchloſſen 
wird. Sie ſteckt drehbar in einem 
Metallfutter und folgt den Be— 
wegungen des Riemenſchaftes. 

Ueber die Vorzüge der Drehdollen 
wie der feſten Dollen ſind die „Ge— 
lehrten“ ſich nicht einig; Tatſache iſt 
jedenfalls, daß Drehdollen auf allen 
Skullbooten eingeführt ſind. 










ro. 351. 


Rorveifenkapifän ©. Türk. 





193. Schaufelriemen. 


Die feften Dollen müffen näm- 
lih eine größere lichte Weite ha- 
ben, als die Drebdollen, um eine 
gleich weite Auslage wie die fidh 
mitdrehende Ga⸗ 
bel zu geitatten. 
Dafür ift die feſt⸗ 
ftehende Fläche 
der feften Dolle 
einem fcharfen 
Durchziehen gün⸗ 
ftiger, als eine 
fih ftändig ein 
wenig drehende 
Anlage, auch be⸗ 
bauptet ein er- 
fahrener Trainer 
wie unjer Hugo 
| Borrmann, 
— daß ihre Hülſe 
= zur Herbeifüh⸗ 
rung eines gleich- 
mäßigen Taktes 
durch den gleich- 
mäßigen „Anad“ beim Ausheben 
ihm feine Arbeit gemaltig erleichtert 
habe. 
351. Der Sitz. Der Sit des Tou- 
renbootes befteht in der quer über 





194. Dolle. 


das Boot reichenden „Ducht“. Der 
allein Rudernde fett fih genau auf 
die Mitte der Ducht über dem Kiel 
des Bootes, damit er, gleich weit 
ab von beiden Bordwänden, gleid) 
lange Innenhebel Hat und Das 
Boot bei gleichmäßiger Arbeit 
beider Arme geradeaus läuft. 
Wollen zwei Menfhen, auf einer 
Ducht figend, mit je einem Riemen 
rudern, fo achte man auf gleiches 
Gewicht der Betreffenden. Sonft 
legt ſich das Boot auf eine Seite 
über, läuft fchlechter, ſieht ſchlechter 
aus und kann unter Umſtänden 
ſogar umſchlagen, „kentern“. 

Beim Rennboot iſt, ſchon aus 
Gewichtserſparnis, die Ducht nicht 
mehr durchgeführt, ſondern beſteht 
lediglich in einem feſten oder rol⸗ 
lenden Sitz für den einzelnen 
Ruderer. Oft ſind dieſe Sitze 
hintereinander über dem Kiel ge- 
jegt, neuerdings aber bringt man 
diefe Site an der Borbwand, und 
zwar „verſchränkt“ an, d. 5. Rude- 
rer Nr. 1 fit an Steuerborbfeite 
des Bootes und führt den erften 
Badbordriemen, Nr. 2 fitt an 
Badbord und rudert an Steuer: 
bord uſw. Diefe Art des Sites 
erfordert eine genaue Gewichts⸗ 
verteilung, um das Boot genau 
wagerecht und auf „ebenem” Kiel 
liegen zu laflen. Das Sitzen 
hintereinander fieht Dagegen beſſer 


—— Jaus. 


























195. Seite Dolle mit Neberfall. 


Die Einführung des ſchon unter 
„Skiff“ erwähnten Rollfiges 
ift für Wettruderei eine allgemeine 


V. 2. Ruderſport. 


geworden. Der Rollſitz enthält 
ſoviel Gewinn an Kraft, daß bei 
gleich kräftiger Körperbeſchaffenheit 
der ſchlechtere Ruder auf Rollſitz 
den beſſeren Ruder auf feſtem 
Sig ohne weiteres fchlägt! 


Ausrüftung, Hnkauf, Behand- 
lung der Boote. 


352. Die Ausrüftung des Rude- 
rer8. Zu jeder Sportbetätigung 
gehört eine entſprechende Klei- 
dung, die ſowohl zweckmäßig fein 
muß, als aud äußerlich zu dem 
Sport und feiner Umgebung paßt. 
In der Hinfiht wird in unferm 
deutſchen Baterlande noch recht 
oft, bewußt und unbemwußt, gefün- 
digt; mwahrlid, man braucht fein 
„Sportgigerl” zu fein, um fid 
dennoch zu entjegen, wenn man 
Sonntags den Süngling im Braten: 
rod mit Melonenhut auf dem 
Kopfe und bi8 an die Fingerſpitzen 
vorgerutihten „Röllchen“ feine 


„Flamme“ vahinrudern fieht, die 


mit Federhut und fliegender Boa, 
mit Schleppe und Aermelhand⸗ 


ſchuhen Iuftig durch den friſchen 


Morgenwind zerzauſt wird. Man 
vermeide zunächſt bei der Betäti⸗ 
gung des Waſſerſports jegliches 
Kleidungsſtück, das durch Berüh⸗ 
rung mit dem feuchten Element 
Form und Farbe verändert oder 
dem eigentlich immer auf Fluß 
und See wehenden Wind beſondere 
Angriffspunkte bietet. Man rui⸗ 
niert nicht ſeine guten Sachen 
und ſieht dennoch entſprechend und 
anſprechend gekleidet aus. — Die 
Dame, die ſich ind Ruderboot be⸗ 
geben will, wähle einen dunklen, 
fußfreien, nicht zu ſchweren Rock, 
eine bequeme Woll- oder Lein⸗ 
mwandblufe, die fehliht und ohne 
viele Falten, Schleifen und jonfti- 
gem „Behang” geſchnitten ift, und 
halte dies Koftüm durch einen 


Yıro. 352. 


elaftifchen, nicht zu engen Gürtel 
zufammen. Nicht zu ſchwere, mög- 
lichft hackenloſe Schuhe oder Stiefel, 
eine blaue, ſog. Sportmüße mit 
event. dicht und feſt umgebunde- 
nem Schleier vervollftändigen den 
äußeren Menſchen. Gehört die 
Dame mit ihrer Sympathie oder 
gar ald Mitglied einem Wafler- 
port treibenden Klub an, fo ift 
ein Klubabzeihen an der Mütze, 
ein gleiches am Gürtelfhloß und 
womöglich ein Schlips in den 
Farben des Klub3 dic und für 
jedermann zu erſchwingen. — Will 
das ſchöne Gefchleht fih am Ru: 
dern perjönlich beteiligen, jo: fort 
mit dem Lungen und Herz beengen: 
den Korjett! Statt defjen vielleicht 
ein Leibchen und jtatt der Blufe 
eine enganliegende gejtridte Woll- 
jade, ein ſog. „Smweater”, der dem 
Körper jegliche Bewegung geftattet, 
vor allem die Handgelenfe freigibt 
und dem Stoffwechjel der Haut 
günſtig ift. 

Nie verfäume man, einen wär: 
menden Umhang oder Paletot mit- 
zunehmen, der nach getaner Arbeit 
den Körper vor Erkältung ſchützt. 

Der junge Mann kleidet ſich 
finngemäß. Blaue Kniehoje, dunkle 
Strümpfe und harenlofe Schuhe, 
ein heller oder dunkler Smweater 
und ein Zadett, womöglich in der 
Farbe der Kniehofe, dazu eine feit, 
aber bequem figende Mütze, geben 


einen durchaus richtigen, immer 


gut ausſehenden und dabei billigen 
Anzug her, mit dem er fi aud) 
in Damengejellfchaft zeigen Tann. 
Zum Rudern wird das Sadett aus: 
gezogen und „aufgetucht” ind Boot 
gelegt; man achte darauf, es jo 
hinzulegen, daß es nicht durch etwa 
eindringende8 Leckwaſſer durchnäßt 
werden kann, ein Umſtand, der jo- 
fort den Neuling verrät. Die 
Mübe nehme man beim Rudern 
nur dann ab, wenn man nicht im 


Nro. 353—354. 


Sonnenbrande rudern muß; Die 
Temperatur erfcheint auf dem 
Waſſer immer fühler ald an Land, 
und gar mander bat fich gerade 


beim Rudern einen Sonnenſtich 


zugezogen. 

Ruderklubs pflegen für ihre Mit- 
glieder beftimmte Anzüge, ſowohl 
für Rennen als auch für Touren- 
fahrten, vorzufchreiben. Für Rennen 
gibt es befondere „Race“-Hoſen; 
fie find aus Leinen, liegen nur 
lofe an und reichen nur big ober: 
halb der Knie. Die Waden und 
Knie bleiben ganz nadt, die Füße 
fteden im dünnen Tropenftrumpf 
von faum Sodenlänge und leichtem 
Leinenſchuh, der Oberkörper in 
einem dünnen Trikot, der weit 
herab bi auf Bruft und Scdulter- 
blätter ausgejchnitten ift und die 
Arme völlig bloß läßt. Den Kopf 
Ihügt eine papierdünne Trifot- 
müßte; der Trikot ift oft in den 
Klubfarben gehalten oder trägt das 
Klubwappen auf der Bruft. Der 
zum Rennen fertig „angezogene” 
Ruderer fieht eigentlih, wie aus 
obigem hervorgeht, ziemlich „aus 
gezogen” aus. Aber dies Minimum 
an Belleidung ift nötig, um allen 
Musfeln des Körpers ungeftörte 
Betätigung zu geftatten, um une 
nützes Gewicht zu fparen — man 
rechnet im Rennboot mit Gram⸗ 
men! — und ſchließlich, um bei 
gelegentlih immer auftretenden 
Bootsunfällen unbehindert folange 
Ihwimmen zu fünnen, bis Begleit- 
boote uſw. Hilfe bringen. 

Es ſei hier gleich ermähnt, daß 
das vollgefchlagene oder gefenterte 
Nennboot bei der geringen Holz— 
menge, aus der es fonftruiert ift, 
nicht den genügenden Auftrieb be= 
fit, um feine Inſaſſen über Waffer 
zu halten. 

353. Schwimmen lernen. Jeder 


Rorveffenkapilän €. Türk. 


ſchwimmen. Es ift fhlimm genug, |_ 
wenn wir in der Statiftif Iefen, — 
wieviel Menſchen jährlich ertrinten, '- 
die, des Schwimmend unfundig, - 
fih aus Verkehrs- oder Berufs: '? 


rüdfichten dem Waffer anvertrauen . 


mußten. Wer aber aus Sportluft 
fih freiwillig auf das Element, 


⸗ 


Ya? 


.71 


rs 


welches nun mal feine Balten hat, : 
begibt, der Handelt an fih und an 7 
feinen Mitmenſchen unverantwort-  ; 
li, wenn er ſich der Heinen Mühe | * 


nicht unterzieht, die Schwimmkunſt 


zu erlernen. Ueberall mo Boote 
fahren, pflegt auch fonft noch Ver⸗ 
fehr auf dem Wafler zu fein — 
eine kleine Kollifion, eine vor- 
witige Dampferwelle können ein 
leichtere8 Ruderboot ſchon in eine 
fritifhe Situation bringen, und 
nun ift e8 immer der Nichtfchwim- 
mer, der fofort den Kopf verliert, 


denn er bat inftinktiv Angft, ins 


Waſſer zu fallen, wo ihm ftatt 
eine® den Schwimmer höchſtens 
erheiternden „impromptu“-Bades 
der fichere Tod’ erwartet. 

354. Der Ankauf des Ruder⸗ 
boote8. Will man ſich einzum Sport- 
rudern pafjendes Boot anjdhaffen, 
jo überlege man vor allem: wel: 
hem Zwed foll dag Boot 
dienen? Ein guted und bequemes 
Tourenboot wird nie ein zum 
Wettrudern fjonderli geeignetes 
fein, und ein Rennboot ift nie ein 
richtige Vergrügungsfahrzeug, in 
weldem man Pafſagiere, Proviant 
und ähnliche Gewichte laffen kann. 
Es ift ferner zu berüdfichtigen, ob 
man das Boot in einem Seehafen 
oder auf einem Fluſſe, für einen 
größeren Binnenjee oder auf flachem 
Gebirgsbache haben will. 

Das Boot, dag eventuell See- 
gang und Sturm auszuhalten hat 
— aud wenn man nidht gerade 
darin rudert, fondein es feitge- 


Menſch erierne daher, ehe er ſich macht liegen hat —, muß natur: 


dem Ruderſport hingibt, zunächſt 


gemäß das ſtärkſte ſein. Man 


E 
* 





n.deia 








J 4 


— —————— —— — 





Ein engliſcher Damen-Doppelachter beim Training. 





V. 2. Ruderſport. 


wähle alſo ein auf ſtarkem Kiel 
gebautes Eichen: oder Zedernholz⸗ 
boot mit hohem Dollbord, tüchtiger 
Tragfähigkeit und einer Breite, die 
nicht weniger als '/, der Länge 
beträgt, um ein abfolut ficheres 
und feefähiges® Fahrzeug zu be= 
figen. Natürlih muß es kupferfeit 
gebaut fein, da gerade das Salz- 
waſſer der See andere Metalle 
zu fchnell zerfegt. Die eigentliche 
Größe beftimmt fih nach der An: 
zahl Menſchen, die in dem Boot 
die Riemen handhaben follen, jo= 
mie nad) der Zahl der „Mitreijen- 
den“. Es ift immerhin ratlam, 
nicht zu viele Menſchen im Boot 
zu haben und fich dementſprechend 
für feine Tourenfahrten nicht eine 
„Arche“ zu kaufen, die nachher 
trog aller Anftrengungen nicht 
durchs Waffer zu „prügeln” ift. — 
Dana tue man noch einen Blid 
in feinen Geldbeutel und erfundige 
fih nun nad) einer Bootsbauerei, 
womöglich an dem Ort, mo man 
den Ruderfport zu pflegen gedenft. 
Faft jeder Hafen, jedes Gewäſſer 
bat feine Sonderheiten, und man 
weiß an feinen Ufern am beiten, 
wie ein Sportboot pafjend zu jenen 
zu entwerfen ift. Die angerufene 
Bootsbauerei wird dann Profpelte 
ſchicken; ein Borfichtiger mendet 
fi vielleicht an mehrere derartige 
Zirmen mit der Bitte um Bor: 
fhläge, um Vergleiche zu haben, 
und außerdem iut dann nod) der 
Neuling gut, Sachverftändige außer: 
halb der betr. Bootswerft mitzu Rate 
zu ziehen. Nicht als ob er ſonſt über: 
vorteilt würde, denn die Solidität 
unſerer deutſchen Werften iſt welt⸗ 
bekannt und konkurriert überall mit, 
wohl aber, um ſich in der Wahl des 
Bootstyps nicht zu vergreifen. 
Ein ganz nettes, ſeetüchtiges, 
leichtlaufendes Ruderboot Tann 
man, mit völliger Ausrüſtung an 
Riemen, Bootshaken, Dollen uſw., 


Nro. 354. 


ſchon für 500 Mark haben; ein 
ſolches kann dann von vier bis 
ſechs Mann gerudert werden und 
bietet dazu noch Platz für vier 
Menſchen. Ein Dingi für einen 
Ruderer und einen Steuerer koſtet 
kaum 120 Mark. 

Für Binnengewäſſer und Flüſſe 
wähle man eine leichte Gig mit 
feſten Dollen, ledernen Sitzkiſſen 
und einem über den hinteren Teil 
des Bootes aufklappharen Sonnen: 
ſchutz. Dieſe leicht und ſcharf ge⸗ 
bauten Boote ſehen reizend aus 
und ſind beſonders handlich zu 
rudern für Damen und Kinder. 
Auch können fie, wie alle Touren 
boote überhaupt, weil auf ihnen 
Platz ift, durch waflerdichte kupferne 
Luftläften unverfinfbar gemacht 
werden. Diefe werden unter den 
Ducdten, an den Bordwänden 
innen und in den beiden Boot3- 
enden angebradt und gewähren 
ihren Inſaſſen abfolute Sicherheit 
gegen Untergang des Boote. 

Gigs erhält man in allen be= 
liebigen Größen. 

Kanoes, die nur in gemijjen 
Gegenden zu gebrauchen und felten 
für mehr als zwei Menſchen ein- 
gerichtet find, kann man in Deutſch⸗ 
fand auch bereit3 erhalten. Zu 
ihrem Anlauf fei auf das Firmen⸗ 
verzeichnis am Schluß verwiefen. 
Der Anfauf von Rennbooten er⸗ 
fordert von vornherein die Kennt: 
nid der Ruderei, der Maße und 
Gewichte von Boote und Riemen 
und wird auch dann felten von 
einzelnen Ruderern gejchehen, fon- 
dern in der Regel von dem ganzen 
Borftand eines Vereins. 

Rennboote find felten auf Lager 
zu haben. Es fommen für ihre 
Konftruftion fo viele individuelle 
Wünfde in Frage, daß man jie 
faft immer für jeden einzelnen 
Fall in Beftelung geben muß. 

Die Preije der N richten 


Nro. 355. 


Rorvettenkapilän €. Türk. 


fih einfah nad der Länge des | liegende Boot wirkten Näffe, Son: 
Bootes in Metern, und man madt nenſchein, Klimawechſel zerftörend. 


feinen großen Fehler, wenn man 
den laufenden Meter mit rund 50 
Markt berechnet. So koſtet ein 
Stiff von 7'/, nm Länge 350 Mk., 
ein ſolches von 9 m ca. 500 ME, 
ein „Zweier“ von 11 m 550 Mk., 
ein „Bierer” von 13,5 m 700 ME., 
— der „Achter“ macht wegen feiner 
Konftruftionsfchwierigkeiten aller- 
dings einen Sprung und Loftet, 
19 m lang, von 900 bis zu 1200 
Marl. 

3595. Behandlungder Boote. Das 
neuangefaufte Boot fommt an — 
es entiteht die Frage: wie bringen 
wir es unter, wie erhalten wir es 
ung? — Kommt das Boot per 
Bahn an, fo fee man es möglichſt 
direft mit einem Krahn von dem 
auf das Hafengeleijfe gefchobenen 
Gütermagen zu Waffer. Ein qutes 
Boot tft enıpfindlih und verträgt 
nicht gern das Gerumpel eines 
Frachtwagens auf dem Straßen: 
pflaiter. 

Ein NRennboot, beſonders ein 
Achter, der wegen feiner Riejen- 
länge leicht dDurdhbiegt, wird aud) 
beifer nicht einem Krahn anver: 
traut. Die betreffende Rudermann— 
Schaft darf es ſich nicht nehmen 
alien, in gleichmäßigen Anzug 
unter Führung ihres Schlagmannes 
auf dem Bahnhof anzutreten und 
den vorsichtig und gleichmäßig vom 
Wagen abgehobenen Eoftbaren An: 
kömmling auf ihren Schultern ang 
Waſſer oder in fein Bootshaus zu 
tragen. Bedenft man, dab 3. 2. 
ein 9 m langes Sfiff nur 16 kg 
wiegt, fo tjt die Kraftleiftuna hier: 
bei nicht Ihlimm und — fieht gut 
aus! 


Jedes Boot, welches während 
der Zeit, da es nicht benutzt wird, 
unter Dach und Fach gelagert 
wird, bewahrt länger fein gutes 
Ausfehen. Auf das im Freien 


Die Farbe wird zuerft riffig, ſpringt 
ab, das Holzwerf beginnt zu faulen, 
die Beſchläge roften durd). 

Iſt trogdem feine Möglichkeit, 
dag Boot ſchwimmend oder aufge: 
jegt in einem Bootshauſe unter: 
zubringen, fo fpare man in den 
erften Jahren nicht an Del, Lad 
und Farbe; das irodene Holz faugt 
diefe Stoffe begierig ein und wird 
dadurch widerftandsfähiger gegen 
Feuchtigkeit. Das Boot wird innen 
ganz, außen auf der Fläche von 
der Wafferlinie big zum Kiel mit 
Farbe beftriden, dem Reſt Täßt 
man am hübſcheſten die Farbe Des 
Naturholzes und verfieht ihn nur 
mit Leinöl- oder Ladanftrih. Man 
fol zum Ladieren eines Bootes 
nur das feinfte Bootsmaterial 
verwenden, wie ſolches beſonders 
im Handel verkauft wird. Die 
Eigenfchaften eine guten Boots— 
ladeg find nämlich grundverfchieden 
von jedem andern Lad. Der erfte 
Anftrih wird ganz dünn aufges 
tragen, erft wenn er völlig getrod: 
net ift, fommt ein zweiter und wo: 
möglih noch ein dritter auf das 
Boot. 

Led: und Regenwafler fchöpfe 
man täglich aus, aufgejprungene 
Nähte zwiſchen den Planken dichte 
man jofort mit heißen Wachs 
oder Ped. 

Rennboote werden immer in einem 
Bootdhaufe aufbewahrt, wo fie 
trocken auf Gerüften oder Böden 
gelagert werden. Sie werden nicht 
mit Farbe gemalt, jondern bleiben 
naturholsfarben und werden mit 
Leinöl oder Lad geſtrichen. — Sind 
beim Gebrauh Stellen am Boot 
abgeftoßen oder abgejcheuert, fo 
müſſen diefelben jofort wieder mit 
etwas Lad ausgebeſſert werben, 
und zwar auch wieder mit zwei: 
maligem Anſtrich. 


— — 
— — — 


— — 


V. 2. Ruderſport. 


Bevor man ein Rennboot ganz 
neu lackiert, wird die alte, meiſt 
dunkel gewordene Lackſchicht völlig 
entfernt. Dies geſchieht, indem das 
Boot innen und außen mit heißem 
Seifenwaſſer und einer ſcharfen 
Bürfte abgeſcheuert und dann mit 
reinem Waſſer nachgeſpült wird. 
Nachdem es völlig getrodnet ift, 
wird es tüchtig mit grobem Sand⸗ 
papier abgerieben, fauber abgefegt, 
und nun beginnt man mit der 
Zadierung, wie oben bejchrieben, 
mit feinftem Bootslack. Se dünner 
die einzelne Schicht aufgetragen 
wird, um fo härter und glänzender 
wird der Anſtrich. 

Mit den Riemen verfährt man 
ähnlich, für fie genügt aber der 
billigere Zeinölanftrich. 


Das Rudern. 


356. Allgemeines. Das Ruͤdern 
erfordert durchaus nicht die körper⸗ 
fihe Anftrengung, wie fie oft an- 
genommen wird, und deshalb gilt 
das bier zu Sagende für jeder- 
mann, er fei Mann, Frau oder 
Kind, der dem Ruderjport huldigen 
möchte. In Seeftädten fieht man 
halbwüchſige Knaben mit derjelben 
Ruhe und Geihidlichkeit ihr kleines 
Boot zu den auf Reede liegenden 
Schiffen Hinüberrudern, um dort 
irgend eine Beforgung zu erledigen, 
wie alte, weißbärtige Männer. Und 
die Filhfrauen der Kieler und 
Lübecker Föhrde find bereits Hifto- 
rifche Perjönlichfeiten, mie fie mor⸗ 
gen? in ftundenlangem Rudern 
den naht? von den Männern ge⸗ 
madten Fang in die Stadt brin- 
gen müſſen. Dies ift zwar fein 
Sport, aber feiner der eben ange⸗ 
führten Menſchen könnte fich etwa 
Tennigsjpiel, Fußball- oder Rad⸗ 
fahrfport leiften; man denke nur, 
wie ſchnell ihre Körperkonftitution 
verfagen würde — rudern dagegen 


Niro. 356—357. 


fönnen fie! Alfo: wer fchwächlich 
ift oder fih ſchwächlich fühlt, der 
nehme eben zum Rudern ein leichtes 
Boot und einen kurzen Riemen, — 
die gefamte Leibesmugfulatur ent: 
wickelt ji ſchon von ſelbſt bei der 
Ausübung des Ruderſports. — 

357. Der Amateur. Wir 
fteigen nun ind Boot. Man 
holt dasſelbe zunächſt längsſeits 
eines Stegs oder des Ufers ſelbſt, 
macht es vorn und achtern kurz 
feſt und ſteigt, ſich mit den Hän— 
den irgendwo feſthaltend, ein. Man 
ſteigt hinein; nie ſpringe man 
in ein Boot. Sein unebener Bo— 
den, auf dem zum Schutz der 
Planken ein Holzgitterwerk, die 
ſogen. „Flichten“ und „Grätings“ 
liegen, läßt den Fuß leicht um⸗ 
niden, ein leichtere Boot Tann 
durch Hineinfpringen kentern oder 
fogar direkt led jpringen oder zer- 
breden. Man trete ftet3 in den 
„Raum“ des Bootes, nicht auf die 
Dudten, denn man würde jonjt 
unter Umftänden den Pla mit 
dem unfauberen Schuhmerf verun- 
reinigen, auf den ınan nachher zum 
Rudern fiten will, und man fteht 
auch nicht ficher genug jo hoch über 
dem Schwerpunft des fchmimmen- 
den Bootes auf der Ducht, fondern 
fann leicht das Gleichgewicht ver: 
lieren. Sm Boot glüdlic ange- 
langt, jege man fich fofort nieder; 
dag Sieben im Boot ift ebenfo 
unfachmänniſch wie das Hinein- 
jpringen und das Betreten der 
Duchten. 

Nachdem man die Dollen einge: 
jeßt oder zum Einlegen des Riemens 
geöffnet hat, nimmt man „Riemen 
bei”. Die Riemen werden im 
Boot ſtets mit dem Blatt nad 
vorn niedergelegt und, fall® meh: 
tere Duchten vorhanden, je nad) 
der zugehörigen Ducht gezeichnet. 
Man legt den Riemen mit dem 
Scheuerleder in die Dolle, ergreift 


Niro. 358. 


ihn mit beiden Händen am Griff, 
jet fi bequem und feit und in 
- aufrechter Haltung, die Füße gegen 
„Fußbrett“ oder „Zußleifte” tem: 
mend auf die zugehörige Ruder: 
ducht, „ar zum Anrudern“ mit 
dem Geficht nach achtern. Die zu 
der betreffenden Ducht gehörende 
Dolle befindet ſich ſtets achterlich 
von derſelben, und zwar ſo weit, 
daß Raum zwiſchen Achterkante, 
Ducht und Dolle genügend iſt, um 
dem Körper des Ruderers Platz 
zum „vierkanthalten“ des Riemens 
zu gewähren. Der „vierkant“ ge⸗ 
haltene, mit Aufgriff gefaßte Rie— 
men ragt im Winkel von 900 ſenk⸗ 
recht zum Kiel des Booted mit 
feinem „Außenhebel” wagrecht über 
die Bordwand hinaus, da3 Blatt 
liegt flach und parallel zum Waſſer⸗ 
fpiegel. Dieſe Etellung nennt der 
Auderer: „auf Riemen” halten. 

Man bringt nun dur) Vorbeugen 
des Oberförpers und ohne denjel- 
ben zu verdrehen den Innenhebel 
de3 Riemens vor, gleichzeitig die 
Handgelenfe, die in der Stellung 
„auf Riemen durchgefallen” lagen, 
nad) oben und vorn fo weit biegend, 
daß der Riemen ſich während diefer 
Bewegung mit feinem Blatt ſenk— 
recht zur Wafferoberflähe dreht. 
(Tempo 1 nennt man dieje Bemwe: 
gung.) Auf Tempo 2 taucht man 
das weit nach vorn gebradte Blatt 
ins Waſſer und zieht nun, mit bei: 
ven Füßen ſich Fräftig abftemmend 
und den Oberkörper hintenüber 
beugend, durch. Der Riemen foll 
hierbei nicht ganz bis zum Hals 
eintauchen. Die Arme bleiben bis 
zur Beendigung der Bewegung des 
Oberförpers lang ausgeſtreckt, erft 
nach dem Ende des Schlages zubiegen 
fie fich gleichzeitig an der Schulter 
und dem Ellenbogen, während And 
chel und Handflächen noch in der- 
felben Ebene verbleiben. Beide Dau— 
men liegen unter dem Riemengriff. 


Rorveltenkaptlän ©. Türk. 


Nur wenn bei diefer Körper: 
haltung gerudert wird, kommen 
aud) die Rücken, Lenden: und Bein: 
muskeln mit in Tätigfeit; es ift 
von Anfang an zu vermeiden, nur 
mit den Armen zu rudern. 

Mit dem Schluß des Schlages 

jenfen fi die Hände ein menig, 
damit da8 Riemenblatt aus dem 
Waſſer fommt und nun läßt man, 
während man fi kurz aufrichtet, 
die Handgelenfe nad unten durch— 
fallen, damit der Riemen wieder 
flah gedreht wird. (Tempo 3.) 
Dreht man die Hände, ehe man 
fie ſenkt, fo dreht fi} dag Riemen- 
blatt no im Wafler, der Riemen 
„ſchneidet unter”. 
. Hat man in diefer, nur furz und 
abfichtlih nicht zu detailliert ge: 
ſchilderten Weife einige Zeit im 
feftgemachten Boot geübt, jo werfe 
man los und begebe fih in Be 
gleitung eines erfahrenen Ruderers 
auf die erjte Fahrt. Es ift um 
bedingt notwendig, das Rudern 
zunädft nur mit einem Riemen 
zu erlernen, man wird ftet3 jeman: 
den finden, der die Bedienung des 
zweiten übernimmt. 

Hat man die nötige Gefchicklid; 
feit mit einem Riemen erreicht, fo 
mag man almählih zum Rudern 
mit zweien übergehen. Aber aud) 
bier nehme man zu Anfang einen 
Erfahrenen mit ind Boot, der, 
gleichzeitig fteuernd, auf Fehler 
aufmerkſam macht, die einem, wenn 


ſie ſich erſt feftgefegt baben, zum 


Nachteil in Ausbildung der Körper: 
fraft und Ausdauer gereichen 
fönnten. 

358. Der Renuruderer. Wir 
jheiden in unjerer Beſprechung 
den berufgmäßigen Rennruderer 
aus. Ein jeder diefer Kämpen 
bat wohl feine eigene Ruder=, feine 
eigene Ausbildungsmethode. 


1. Auf feitem Sit. Dad 


„aktive“ Klubmitglied, welches Luft | 


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ro. 359. 


hat, ſich als Herren-Ruderer zu 
betätigen, wird ſeine Laufbahn 
ähnlich, wie oben beſchrieben, auf 
einem breiten und ſchweren Boot, 
und auf feſtem Sitz beginnen 
müſſen. Ein erfahrener Kamerad 
nimmt mit ihm im Boote Platz 
und nun wird „Schule gerudert“. 
Es iſt ſelbſtverſtändlich, daß bei 
dieſer Art der Ausbildung eine 
Unmenge von Fineſſen beobachtet 
werden müſſen, wenn es dem Klub 
daran liegt, möglichſt viele ſeiner 
Boote mit erſtklaſſiger Mannſchaft 
für die ausgeſchriebenen Wettfahr⸗ 
ten zu geſtellen. Wir finden über 
ſie ſehr beachtenswerte Worte in 
„Kunſt des Ruderns“ von Hugo 
Borrmann ımd in dem engli- 
ſchen Bud) von Walter Woodgate: 
Rowing and Sculling. Es ift un: 
möglich, bier auf ſolche Details 
einzugeben — man fönnte ein 
neues Buch über die Ruderkunft 
abfafjen. 

2. Auf Rollfig. Erft der auf 
fejtem Sitz außgebildete Neuling, 
der „Sunior”, wird dann in ein 
Boot mit NRolfigen hineingeſetzt. 
Für das Rudern auf Rolfig fei 
hier beſonders noch darauf binge- 
wiefen, daß nicht? unberüdfichtigt 
bleiben darf, was für den feiten 
Sit Geltung gehabt hat. Hinzu 
fommt dann aber noch dag ſchwie⸗ 
rige Halten des Gleichgewichtes, 
die Gemwöhnung an dag VBorrollen 
und Zurüdrollen ded Sites, dag 
Negulieren dieſer Bewegung durch 
die Beine und anderes mehr. 

3. Sm Kaften. Eine weitere 
Vorbereitung für den angehenden 
Nennruderer, der den langen Winter 
oder andauernd ſchlechtes Wetter 
nicht ungenugt hingehen laſſen will, 
ift dag Rudern auf dem Trodenen 
im fogen. „Kaſten“, oder das 
„Baflinrudern”, bei dem das Boot 
durch einen unbeweglich befeftigten 
ſchwimmenden Kaften erjegt wird. 


Rorvelfenkapitän €. Türk. 


Man jagt zwar, daß diefe Art der 
Uebungen zur Vernadläffigung ge: 
wifler Feinheiten in der Ruder: 
technik verleitete, ficher ift aber, 
daß fie zum mindeſten den Körper 
gefhmeidig und die Musteln ftraff 
erhält, alſo immer noch beſſer ift, 
ar ‚gar feine Uebung. 
Das Kraining. Hat fo 
S — ſeine Vorübungen 
erledigt und zeigt Anlage zum 
Rennruderer, ſo wird er ins „Trai— 
ning“ genommen — auch wieder 
ein engliſcher, aber durch ein, das⸗ 
felbe jagende, deutfches Wort kaum 
überfegbarer Ausdruck. Jeder 
größere Ruderklub hält ſich einen 
Trainer, einen Lehrer, der die 
Ruderei berufsmäßig betreibt. 
Die jungen Ruderer werden für 
die Dauer des 7—8 Wochen dauern: 
den Trainings am beiten in einem 
gemeinjchaftliden Wohnhaufe unter: 
gebracht, etma in einem An= ober 
Aufbau des Bootshaufe®, um 
dauernd unter Aufſicht des mit 
ihnen baufenden Trainers zu fein 
und davor geſchützt zu werden, daß 
fie auch nicht unbemußt gegen die 
für die Trainingszeit von ihnen 
freiwillig unternommene Leben?: 
weiſe verftoßen. Man jteht früh 
auf, nimmt ein Glas Milh und 
ein Stüd trodenes Brot und be: ! 
ginnt mit einem halbftündigen 
Spaziergang, der mit einem kurzen 
Wettlauf endigt. Erſt hiernach 
findet gründliche Abwaſchen und 
Duſchen ftatt — körperliche Rein: 
lichfeit ijt immer gleichbedeutend 
mit Körperpflege. Dann folgt ein 


kochte Eier, gebratenes Fleiſch oder 
Fiſch nicht fehlen ſollen und auf 
dieſes das ca. 1';, 
Rudertraining. Schon i in den erften 
Wochen des Trainings finden Heine 
interne Wettrudereien innerhalb 


| 


handfeſtes Zrühftüd, in dem ge: | 


bis 2ſtündige 


] 


| 


des Klub3 ftatt, um den Junior 


an „Offenfivgeift” zu gewöhnen, : 


V. 2. Ruderfporf. 


an da® Gefühl: rudere tüchtig, mit 
Körper und mit Sinnen, und dein 
ift der Sieg! 


Das zweite Frühſtück gegen halb, 


2 Uhr mittags ift meiftend aus 
falten Speifen mit viel Gemüfe 
und Salaten beftehend; ein Glas 
Wein oder Bier dazır ift durchaus 
geftattet. Danach wird ein Stünd- 
chen geruht und die Zeit bis 5 Uhr 
nachmittags der Selbſtbeſchäftigung 
überlaſſen. Ein einſtündiges Ru⸗ 
dern ſchließt die Tagesarbeit; das 
gemeinſame Abendeſſen darf aus 
Fiſch und Fleiſch mit Kompott und 
Früchten beſtehen; Suppe vermei— 
det man, ebenfalls alle fetten und 
ſchwer verdaulichen Speiſen. Bier, 
Rotwein oder ein Glas Portwein 
kann in mäßigen Mengen genoſſen 
werden; jeder Exzeß, jede Kneiperei 
ift verpönt. Punkt 10 Uhr geht's 
zu Bett, acht Stunden Schlaf iſt 
das Mindeitmaß für die Geijt 
und Körper wieder ſtärkende Nacht⸗ 
e 


ruhe. 

360. Das Stullen. €3 ift hier 
der Ort, über das Skullen wenige 
Worte zu fagen. Das Skullen ift 
das Rudern im Stiff mit zwei 
Riemen ohne Steuermann. Nur 
ein gejhidter und bewährter Rie- 
men-Rennruderer, der fich für den 
Rennſkuller talentiert zeigt, fol fich 
an dag Training für dieje Ruder: 
art heranwagen. Sie ift bei wei⸗ 
tem die fchwierigfte und erfordert 
mindeftend 10—12 Wochen Bor: 
übungszeit, da der Skuller in feiner 
Perſon alled da8 vereinigt, was 
im NRennboot fonft Steuerer, 
Schlagmann und Mannſchaft ge: 
meinjam leilten. Er muß völlig 
Herr des Bootes und des Elementes 
fein, welches dagjelbe trägt, denn 
nachher beim Nennen muß er feine 
ganze Aufmerkjamfeit auf den 
Gegner oder gar die Gegner fon: 
zentrieren, muß nad ihren Abfich- 


Nro. 360-362. 


dann bligichnel und entſchloſſen 
durdführen. Es erfordert oft jahre- 
lange Webung, bis ein Skuller ſich 
al dieje Eigenschaften fo weit zu 
eigen gemacht hat, daß fein Name 
ein befannter in den Kreifen des 
Ruderſports wird. — Der Stuller 
wird vom Trainer ausgebildet, in- 
dem diefer neben oder hinter dem 
Stiff in einem Dampfboot her: 
fährt, oder, wie es beſonders in 
England meift gefchieht, am Ufer 
nebenher läuft oder reitet. 

361. Der Schlagmann. Den 
fräftigften, erfabrenften und ent: 
Ihlofjenften Ruderer einer Mann: 
ſchaft wählt man zum Schlagmann. 
Er führt den binterften Riemen, 
gibt den Schlag an fowie die Wucht, 
mit der durdhgeriffen werden joll. 
Er behält nah Möglichkeit den 
Gegner im Auge und richtet ſich 
mit der Veraudgabung der Kräfte ' 
feiner Mannſchaft nah ihm. Er 
hält gelegentlich weiſe etwas zurück, 
damit feine Leute nicht vorzeitig 
ausgepumpt werden oder er gibt 
da8 Beiden zum Einjegen des 
legten, wenn die endgültige Ent: 
fheidung im Nennen droht, zum 
Rudern auf fiegen oder zufammen: 
breden. Er allein vermag, weil 
er jeldft mitrudert, zu beurteilen, 
was er den hinter ihm fitenden 
Ruderern noch zumuten fann — er 
ift die Hauptperfon im Boot. 

62. Der Steuerer. Schlag: 
mann und Steuerer ergänzen fich. 
Der Steuerer in jedem Ruderboot 
bat zunächſt die Aufgabe, das Boot 
auf dem Fürzeften zuläffigen Wege 
zu dem verlangten Ziel zu fteuern. 
Man kann dag Boot mit der Ruder: 
pinne oder den Leinen des Ruder: 
joches fteuern; Grundregel ift, mit 
fo wenig NRuderlage wie möglich 
bei Kursänderungen auszulommen, 
weil der Widerftand des Ruder: 
blatte8 im Waſſer, der das Boot 


ten feine Pläne machen und dieje | zwingt, nad) Steuerbord oder Bad= 


Niro. 363. 


bord abzufallen, auch gleichzeitig 
hemmend auf die Gefchmindigfeit 
einwirkt. 

Etwa nötige Kommandos für 
die Ruderer gibt der Steuerer. 
Die landläufigſten find: „Riemen 
hoch” — es werben dann die Rie- 
men ſenkrecht aufrecht gejtellt, mit 
dem Griff auf die Flichten; der 
Schaft fteht zwiſchen den Knien 
des Ruderers, das Blatt ift längs⸗ 
ſchiffs gerichtet, die äußere Hand 
hält den Riemen oberhalb Der 
inneren. „Laßt fallen“ — die Nie- 
men werden in die Dollen fallen 
gelafjen, aber am Griffe jo feft- 
gehalten, daß das Blatt nicht das 
Waſſer berührt, fondern der Rie- 
men wagrecht über demselben fchwe- 
bend „vierfant“ Tiegen bleibt. 
„Ruder — an“ ift ohne weiteres 
verftändlid. „Auf Riemen” be 
deutet: aufhören mit Rudern, „halt 
Waſſer“ oder „ftreih überall” 
bringen das Boot zum Stillftand 
oder zum Gang über den Achter- 
fteven. Statt „Riemen hoch“ und 
„laßt fallen“ nimmt man, befonders 
in leichten Booten, fofort „Riemen 
bei”. Died Kommando geftattet 
das Herauslegen des Riemens von 
den Ducten in die Dolle ohne 
weiteres. Nach Beendigung des 
Ruderns kommandiert man „Ries 
men ein“, oder, wenn man gleich 
zeitig eine Ehrenbezeugung beab- 
fichtigt, zunächft „Riemen hoch“; bei 
geſchloſſenen Dollen heißt es: „laß 
laufen”; auf dies Kommando läßt 
der Ruderer nach beendetem Schlag 
vor dem Wiederaufrichten den Griff 
des Riemens einfach los. Letzterer 
klappt dann durch die Fahrt des 
Bootes längsſeit bei. 

Der Rennſteuermann hat nun 
außer dieſer, man möchte ſagen, 
beruflichen Tätigkeit noch die Ehren⸗ 
pflicht, durch rechtzeitiges Anfeuern 
ſeiner Mannſchaft, durch richtige, 


Rorvelfenkapilän T. Türk. 


zelnen das Marimum der Leiſtung 
aus ſeinen Ruderern herauszuholen. 
So wie ein guter Schlagmann eine 
Mannſchaft zum Siege mit ſich 
fortreißen kann, ſo vermag ein ge⸗ 
ſchickter Steuerer, der natürlich auch 
ein guter Ruderer ſelbſt ſein muß, 
den Schlagmann ergänzend den 
Löwenanteil eines Sieges gelegent- 
lich an ſich zu bringen. Der 
Steuerer iſt ſozuſagen der Kopf 
des Geſamt-Bootskörpers; feine 
Kunſt und ſeine, ſtets in knappe 
und klare Worte einzukleidenden 
Anordnungen und mit lauter, kräf⸗ 
tiger Stimme zu erteilenden Kom⸗ 
mandos drücken der Muskelarbeit 
der Mannſchaft die Seele auf. 

Zum Steuerer wähle man unter 
Berückſichtigung des eben Geſagten 
einen Mann von möglichſt geringem 
Gewicht. 

863. Start und Eudſpurt. 
Unter Start verjteht man beim 
Rennen den Moment des Abruderns 
nad dem Zeichen zum Beginn der 
Wettfahrt. Meift befteht dieſes in 
dem Kommando des „Starters” : 
„Los“ unter gleichzeitigem Senken 
einer Heinen Handflagge. — Es 
ift wichtig, Thon gleich beim Start 
der vorderfte zu fein. Die Mann⸗ 
haft legt ſich aljo gleich für die 
erften Ruderſchläge gehörig ind 
Zeug, der Schlagmann gibt eiten 
ſchnellen Schlag an, denn nur ſol⸗ 
cher fchafft, und das derart mit 
Schneid losgelaſſene Boot ſchießt 
an die Spitze, „es übernimmt die 
Führung”. Die Mannſchaft des 
vom Start aus führenden Bootes 
hat eigentlich da3 Nennen meiſtens 
Thon Halb gemonnen es ift verhält- 
nismäßig leicht, an der Spihe zu 
bleiben, weil man alle zurüdge- 
bliebenen Gegner in Ruhe über: 
ſehen kann und ſich mit dem eige: 
nen Schlag nad ihrer Geſchwindig⸗ 
feit einzurichten vermag. Kommt 


individuelle Behandlung des ein- | einer von ihnen auf, fo legt der 





—X mann — 
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V. 2. Ruderfporf. 


Schlagmann ein wenig zu, um 
gleichen Abftand vom Gegner zu 
halten; jchießt man ſchnell vor den 
zurüdbleibenden auf, jo läßt nıan 
in Ruhe etwas nad: das Gefühl, 
vorn zu fein, fichert meifteng das 
Fortbeſtehen der moraliſchen Kraft. 
Unendlich viel ſchwerer iſt es, einen 
verlorenen Vorſprung wieder „auf⸗ 
zupullen“, und nur eine tatſächliche 
Ueberlegenheit im Rudern, ein 
großes Quantum von Willensſtärke, 
eine faſt „wurſchtige“ Seelenruhe 
geſtatten es, einen mißlungenen 
Start wett zu machen. 

Der „Spurt“, beſonders der 
„Endſpurt“ hat den Zweck, durch 
eine plötzliche Erhöhung des Schla⸗ 
ges an Schnelligkeit dem zurüd: 
bleibenden Boot nochmal eine 
Chance zum Siege zu verleihen. 
Hat man fih, ruhig und lang 
durchziehend, bis nahe an’ feinen 
Vordermann aufgefchoben und neigt 
die Regatta fi ihrem Ende zu, 
fo ift e8 an der Zeit, einen „Spurt“ 
zu risfieren. Der Schlagmann 
geht von feinem Durchſchnittsſchlag 
von 36 bi8 39 Schlägen pro Mi- 
nute auf das äußerſte der men: 
fhenmöglichen Leiftung. Es find 
dies rund 44 Schläge in der Minute, 
und das bedeutet eine Anftrengung, 
welcher der menſchliche Körper jel- 
ten länger als auf zwei Minuten 
gewachſen ift. Das nunmehr fchnel 
aufrüdende Boot zwingt den Gegner, 
mit zu jpurten, oder, merkt er den 
Spurt zu fpät, bezw. ift er ſchon 
„ausgepumpt”, es fiegt mit Sicher: 
beit. Natürlich hat diefe Tempo- 
verjhärfung ihre zwei Seiten; miß- 
lingt fie das erjtemal, fo ift damit 
für das fpurtende Boot jede Sie⸗ 
gesaugficht gefhwunden, denn ein 
nochmaliges Spurten verträgt feine 
Mannſchaft. 

364. Allgemeine Wettfahrts⸗ 
beſtimmungen. Die Wettfahrts⸗ 
beſtimmungen enthalten die Aus⸗ 


von Unglücsfällen. 





Nro. 364-365. 


ſchreibungen zu Wettfahrten, die 
Vorſchriften über Meldung und 
Nennung, über die zu rudernde 
Bahn, über Startplätze und Start, 
Richter und Schiedsrichter, Kolli⸗ 
fionen und Protefte u. ſ. w. Für 
Deutichland find dieſe Beltins 
mungen allgemein durch den Deut 
ſchen Ruderverband feitgelegt und 
in einem befonderen, jedermann 
zugängigen Bude veröffentlicht. 
Sonderbejtimmungen erläßt dazu 
der einzelne Verein, der Rennen 
augsfchreibt, jomeit Abweichungen 
von den allgemein gültigen Regeln 
dur) DertlichfeitSverhältniffe ge- 
boten find. Selbſtverſtändlich ſchlie⸗ 
Ben fih unfere Regatta-Regeln an 
jolde anderer Nationen an, jo daß 
im allgemeinen ein "Bufammen- 
rudern mit Ausländern und fomit 
eine internationale Sportbetätigung 
jedem deutichen Ruderer ohne wei- 
tered möglih it. 

365. Berhalten zur Verhütung 
Auch Das 
Ruderboot ift, wie alles, was mit 
dem tüdifchen, feuchten Elemente 
in Berührung kommt, Zufälligfeiten 
und Unglüdsfälen unterworfen, 
und feine Bedienung erfordert daher 
überall und unter allen Umftänden 
Borfiht. Es genüge, bier nur auf 
einzelne Punkte Hinzumeijen, gegen 
die der Neuling zu verftoßen 2 
neigt iſt. 

1. Ueberlade nie dein Boot. 

2. Nimm keine Nichtſchwimmer 
mit, noch weniger Angetrunfene. 

3. Rudere nicht, ohne felbft 
ſchwimmen zu können. 

4. Vermeide es, quer zum See— 
gang zu fahren. 

5. Staue alle Gewichte im Boot 
feſt, ſo daß ſie nicht von ſelbſt ihre 
Lage ändern können. Das Boot 
iſt ſo zu beladen, daß es hinten 
tiefer liegt als vorn. 

6. Mache dich mit den für jo 








Niro, 366. 


ftimmungen über Ausweichen und 
Lichterführung befannt. 

7. Kentert dein Boot oder jchlägt 
es voll, fo verſuche nicht, an Land 
zu Schwimmen, jondern halte dic) 
am Wrare feft, bis Hilfe kommt. 
Sit das rettende Yand ganz nahe, 
jo entfleide dich wenigſtens vor- 
her nach Möglichkeit, ehe du Los 
ſchwimmſt. 

366. Damenrudern. Daß es 
für Damen ein leichtes iſt, ſich 


Rorveffenkapitän T. Cürk. 


gebiet an der Spitze zu marſchieren 
gleichſam das hiſtoriſche Vorrecht 
zu haben ſcheint, hat ſich der Ruder— 
ſport nicht nur im Tourenboot mehr 
Eingang in Damenkreiſen verſchafft 
als bei uns, ſondern es haben ſich 
dort bereits Verbindungen aufge— 
tan, die das Damenrudern im 
Rennboot pflegen. Unſer Bild zeigt 
uns einen Damenachter, am Steuer 
der greiſe Trainer, der in väter— 
licher Fürſorge ſeine niedlichen 





197. Damen-Ruderſport in England: Klarmachen zur Sahrt. 


an der Betätigung des Ruder— 
fport3 zu beteiligen, erwähnten 
wir ſchon früher, denn die all- 
gemein verbreitete Meinung iſt 
irtig, daß nur Athleten fich als 
Nuderer eigneten. Und nad) den 
ihönen Reſultaten, die unſere Da- 
men in dem Lungen und Herztätig- 
feit durchaus angreifenden Tennis: 
ipiel zu erreichen pflegen, nad) den 
vielen Erfolgen als fühne und 
musfelftarfe Reiterinnen oder beim 
dur langes Marjchieren ermüden- 
den Golfjpiel muß es in Erftaunen 
verfegen, wie jelten unfere Schönen 
ſich ind Ruderboot wagen. In 
England, welches auf dem Sport- 


Schülerinnen anlernt; das zweile 
Bild zeigt uns in vollendeter Weile 
das ſchon im früheren Kapitel be: 
ſchriebene Sportloftüm, nur mit 
dem Unterſchied, daß die felbit- 
rudernden „Suniorinnen“ ohne 
Kopfbededung arbeiten. Hoffentlich 
macht das gute Beifpiel auch bei 
ung Schule, um jo mehr, als der 
Durchſchnitt der deutſchen Frauen 
es an Kraft und Gefundheit un: 
zweifelhaft mit der enalifchen 
Schweſter aufnehmen fann. Jeden— 
falls ift die Zeit in England nidt 
mehr fern, da mir das erfte für 
Damen außgefchriebene Ruder— 
rennen erleben werben. 





— ———— ———— — — 





|. > 00° 2 DEzee Eu u 


V. 2. Ruderfporf. 


367. Wanderrudern. „Das 
Wandern ift des Müllers Luft” — 
ja, weshalb eigentlich hat ver Müller 
das Vorredht, an der Bewegung in 
freier Luft Luft zu empfinden ?! 
Eine ganz bejondere Luft ift es, 
gerade im Boot in die fchöne 
Gotteswelt Hineinzurudern. Ein 
Körbchen mit zurechtgemachtem 
Butterbrot, hartgekochten Eiern 
oder dergleichen, ein Fläſchchen 
Moſel und eine wärmende Decke 


Nro. 367. 


laſſen. Ein Leinwandzelt iſt leicht 
beſchafft und im Boot verſtaut; 
hat man Raum genug, nehme man 
auch einige zuſammengerollte dünne 
Matragen mit, Kochkeſſel und dazu 
gehörige Rohmaterialien, und ge= 
rade da, wo es einem am beiten 
paßt, da fchlägt man feine Wohn 
ftatt auf. Man trifft in Amerika 
Bootspartien, die oft ſchon 3 bis 
4 Wochen von Haufe fort find und 
fih in Selbſtkochen, Zeugwaſchen, 





198. Ein Srühftüd im Sreien. 


— und die Augrüftung für eine 
Tagesfahrt ift beendet. Wer ein 
mal die Wonne empfunden hat, 
allein oder in froher Geſellſchaft 
am Scilfesrand oder unter den 
überhängenden Zweigen der Bäume 
am grünen Ufer im ftillen Boot 
dahinzugleiten, der wird bald fich 
auch zu größeren und längeren 
Fahrten entjchließen. In bejon- 
ders warmen Sommern braucht 
man fi nicht einmal auf Unter- 
funft für die Nacht in den im Boot 


Aus „Die Woche”. 


Fiſchfang jo eingearbeitet haben, 
daß fie gar feine Luft verfpüren, 
ind Großftadtgetriebe mit feinem 
Geräufh und feiner Hetze um das 
tägliche Brot zurüdzufehren. Immer 
weiter im ruhigen, behaglichen 
Ruderſchlag, dem „Wanderjchlag“, 
unabhängig und felbitzufrieden, und 
dabei mit weniger Geld aus: 
fommend, als man es ſonſt für 
feinen täglichen Lebensunterhalt an 
Land nötig hat. Und dazu ermei- 
tert fich der Blick, der Körper ftählt 


zu paffierenden Ortichaften zu ver: | und fräftigt fich, die Nerven fommen 


Niro. 367. 


Rorvelfenkapilän €. Türk: V. 2. Ruderſport. 


zur Ruhe, dazu gleitet Wald und ı Jodleine, bient zum Steuern, wirb anı 


Flur, Dorf und Stadt in buntem, 
ftet3 wechjelndem Bild an ung vor- 
über, über ung lacht die. Sonne, 
ftrahlt der Himmel, zwitfchern die 
Bögel — da lat auch das Herz 
und wir ſegnen den Tag, da mir 
uns dem edlen, befreienden Ruder: 
ſport zuwandten! 


Verzeichnis der techniſchen 
Ausdrücke. 


Außenbebel des Riemen, der Teil 
bed Riemens, der beim Bullen außen 
bords ift, 

Audleger, gabelförmiger Anfag an ber 
Seite des Bootes, in welchen der Riemen 
beim Pullen gelegt wird. 

Auslegerboot, ſchmales, langes Boot 
mit Auslegern. 

Barkaſſe, großes Ruderboot für 80—40 
Mann. 

Bootslad, ein bejonders fir Boot3- 
anftrich zubereiteter Lad. 

Diagonalboot, einnad bem Diagonal- 
ſyſtem gebaute3 Boot. Beplankung Läuft 
kreuzweiſe. 

Dingi, Dinghi, kleines Ruderboot für 
1i—2 Mann. 

Dollbord, oberer Rand der Borbwanb. 

Dolle, zylindrifhe Pflöde aus Rundeifen 

. oder Holz, welche paarweiſe in die Löcher 
des Dollbords eingejegt werden und als 
Widerlager für bie Riemen dienen. 

Dollenftift, Stift, welcher die Dolle an 
dem Herausfallen hindert. 

Dollenzmweier, ein Ruderboot für, zwei 

Ruderer mit Dollen. 

Drebdolle, eine eiferne Gabel, in einem 
zylindriſchen Pflod endend ; Widerlager 
für Riemen. 

Dreier, Ruderboot fir 8 Mann. 

Ducht, Querbant in einem Boot als Sit 
für die Mannſchaft. 

Einer, Ruberboot für 1 Mann. 
Endspurt, bejchleunigter Schlag beim 
Rudern gegen Ende des Wettruderns. 
Flicht, Gräting zum Schug der Beplankung, 
39 „Fußbodenplanke zum Schutz bed 

iels. 


Fingerling, einer ber eiſernen Bes 
thläge am Adterfteven, in deren Augen 
n a —— * 
ußbrett, zum Feſtſchnallen der Süße 

— Roll⸗ bezw. Gleitſitz. duß 

Gig, leichtes, ſcharf gebautes Ruderboot. 

Gleitſitz, ein auf Schienen gleitender Sitz. 
nnenhebel des Riemens, innerer 
Teil des Riemens, der beim Pullen binnen⸗ 
bords iſt. 


Ruderjoch befeſtigt. 

Jolle, Ruderboot für 6—8 Mann. 

Aunioren, Anfänger beim NRuberfport. 

Klinterartig, Bauart, beider bie Außen: 
plantentanten nicht ftumpf zuſammen⸗ 
ftoßen, jondern von oben nad unten 
überfaffen. 

Kramelartig‘, Bauart, bei ber die Plan: 
ten ftumpf aneinander ftoßen und eine 
glatte Außenhaut bilden. 

Kupferfeft, wenn bie Unterwaſſer⸗Be⸗ 
feftigungsteile, Bolzen, Niete 2c. aus 
Rupfer find. 

Kutter, Ruderboot für 10—14 Mann. 

Nennung, Anmeldung zu einer Regatta. 

Paddeln, Schaufeln zum Vorwärtsbe⸗ 
wegen bes Bootes. 

Pinaffe, ſchweres Boot filr 30—40 Mann. 

Racehofe, kurze, leichte Nniehofe. 

Rennachter, Rennboot für 8 Mann. 

Nennboot, leichtes Boot für Rennzwecke. 

Riemen, zum Vorwärtsbewegen (pullen) 
des Bootes. 

Riemenblatt, fhaufelförmiges Ende bes 
Riemens, welches beim Pullen ind Waſſer 
getaucht ift. 

Rollfig, ein auf Rädern laufender Sig. 

Ruderjoch, wird auf ben Kopf bed 
Nuderd gefegt und dient zum Steuern. 

Ruderpinne, Holzgriff, welder, auf den 
Ruderkopf aufgejegt, zum Steuern dient. 


Ruderſchlag, Tempo. 


Scähaufelriemen, Riemen mit breiten 
Blättern (Gig). u 
Scheuerleder, Schutzleder am Schaft 
des Riemens, welches beim Pullen in bie 
Dolle zu liegen kommt. 
Schlagmann, adterfter Mann im Boot, 
der den Huberfchlag angibt und nad 
dem fi bie übrigen Mannfchaften zu 
richten Haben, — 
Skiff, Einriemer mit Auslegern. 
Skull, kürzerer Riemen, zum Rudern mit 
2 Riemen dienend EGciff). 
Spiegel, plattes Heck eines Schiffes oder 
Bootes. 
Spurt, plötzliche Anſtrengung beim Pullen, 
Beſchleunigung des Schlags. 
Stemmbrett, ſiehe Fußbreit. 
Tourenboot, ſtärker als ein Rennboot 
ebautes Boot, zum Zurücklegen großer 
trecken. 
Verſchränkte Ruderſitze, Site, die 
abwechſelnd an St.B. und an BB. an 
den Bootöfeiten angebradt find. 
Vierer, Ruderboot für 4 Mann. 
Wanderrudern, Dauerrudern, um große 
Streden zuridzulegen. 
Wanderfhlag, mäßig ſchneller, aber 
kräftiger Ruderſchlag. 
Wherry, Fährboot, jollenähnliches Fahr⸗ 
zeug, dem Skiff ähnelnd. 
Zweler, Ruderboot für 2 Mann. 





E. Gräfin Baudilfin: V. 3. Schwimmſport. 


Nro. 368. 


3 Schwimmiport. 
Von 
Eva Gräfin von Baudilfin. 


368. Geſchichtliche Nachrichten 
über das Schwimmen und Baden. 
Bei allen Nachrichten, die ung von 
den aſiatiſchen Völkern überfommen 
find, finden wir auch Berichte über 
das Baden und Schwimmen. Die 
regelmäßigen Abwaſchungen des 
ganzen Körpers gehörten 3. B. bei 
den orientaliiden Bölfern zum 
Gottesdienft. Zoroafter und Moſes 
nahmen die Gejete darüber in ihre 
Sittenlehre auf. Mofes jelbjt wurde 
nach der Bibel nur vom Tode ge: 
rettet, weil „die Tochter Pharaos 
herniederging und wollte baden im 
Waſſer.“ 

Das natürliche Bad boten die 
Flüſſe, Teiche, Seen und das Meer; 
deshalb wird auch die Schwimm⸗ 
funft jo alt fein wie dag Baden 
jelbjt, denn naturgemäß verjuchten 
die Menfchen, fich gleich den Tieren 
vom Wafjer tragen zu laffen und 
auch wie diefe ohne Hilfe von 
einem Ufer zum andern zu ge 
langen. Erſt die Griechen, die 
den hohen Wert des Bades und 
des Schwimmeng für die Körper: 
und Hautpflege voll erfannten, 
begannen künſtliche Bades und 
Schwimmanftalten zu erbauen. In 
ihren Gymnafien, deren Bes 
deutung ja für und eine gänzlich 
andere, faſt entgegengeſetzte ge= 
worden ift, da fie bei ung zur 
geiftigen, in Griechenland jedoch 
hauptſächlich zur förperlichen Aus⸗ 
bildung dienten, fand fich jtet3 ein 
Bad mit Schwimmbajfin vor, das 


Motto: „D, dreimal ſchwimme gefalbt 


durch den Tibrig, 
Wer feligen Schlafes begehret.” 
Horaz. 


alle Männer nach beendetem Spiel 
benutzten; verließen ſie das Bad, 
ſo wurde der Körper mit feinem 
Oel eingeſalbt. Den höchſten Luxus 
in Bade⸗ und Schwimmhäufern ent: 
widelten die Römer; die Refte der 
Thermen des Caracalla, des Titus, 
des Diocletian, des Konſtantin geben 
von der praftiichen Einrichtung, 
zugleich aber auch von der wachſen⸗ 
den Ueppigfeit des römischen Leben? 
ein gutes Bild. Selbft im Fleinen 
Pompeji finden ſich jehr wohler⸗ 
haltene Räume eleganter Thermen, 
die fogar im Kaldarium einen dop⸗ 
pelten Fußboden und hohle Wände 
aufweifen, um den Raum durd) 
heiße Luft zu erwärmen. — Die 
Römer verbreiteten die Sitte des 
Baden und Thermenbaueng über: 
alpin, wohin fie famen oder wo 
fie Kolonien bejaßen. Doc erwäh- 
nen ihre Schriftfteller bereits rüh- 
mend, daß die Gerinanen auch im 
Winter Talte Bäder in Flüffen und 
Teihen nähmen und vorzügliche 
Schwimmer feien. 

Sn den erſten Sahrhunderten 
nad Chrifti wurde das Baden je- 
doch als fündig von der Geiftlich: 
feit unterfagt, und es ift aus— 
ſchließlich das Verdienſt Karla des 
Großen, der ſelbſt ein vorzüglicher 
Schwimmer war, daß die Kunſt 
des Schwimmens in Deutſchland 
wieder in Aufnahme kam und im 
Mittelalter bereits eine der ſieben 
ritterlichen Künſte ausmachte. Die 
„Bader“, unter welchem Namen, 





iro. 369. 


venn er noch je angewendet wird, 
nan jet die Barbiere veriteht, 
waren einft in den Städten wid 
tige, fpäter ihres Lebenswandels 
wegen aber ſchlecht angejehene Per: 
onen, die die Bedienung des Ba— 
denden in den Öffentlichen Bädern, 
das Scheren, Kopfwalchen, Aneten, 
Abreiden 2c. zu bejorgen hatten. 
Das Unweſen in den Badehäufern 
bradite es fogar dahin, daß im 
18. Sabrhundert das Baden als 
unſittlich, das Schwimmen ala 
lebensgefährlich verboten wurde 
und daß erjt Aerzte und Päda— 
gogen ſich der verrufenen Kunft 
wieder energiich annehmen mußten. 

369. Hygieniſche und fportliche 
Wertung des Schwimmens. Wel- 
chen Wert man heutzutage dem 
Schwimmen beilegt, das als beftes 
Abhärtungsmittel zu betraditen ift 
und außerdem die ganz gleich: 
mäßige Ausbildung und Entwid- 
lung aller Musfeln des Körpers 
zur Folge hat, die wiederum den 
Kreislauf des Blutes befchleunigt 
und infolgedeffen Herz und Lungen 
fräftigt, das fieht man an dem 
Eifer, mit welchem in allen Län— 
dern, in denen das Klima nur 
furze Monate das Baden im Freien 
geftattet, Schwimmhallen erbaut 
werden. Deutfchland ift diefer von 
England ausgehenden Anregung — 
dort wurde bereits im Jahre 1828 
das erfie Volksbad in Liverpool 
eröffnet — endlich gefolat. In 
den Schulen wird auf die Nüß: 
tichkeit wie Annehmlichfeit des 
Schwimmen? hingewieſen, Frei— 
und Volksbäder erſtehen in reicher 
Anzahl, und der Deutſche, der ſich 
fonft nur Sonnabends vorfichtig 
die Füße wuſch, lernt es wieder 
einjehen, welde Kräftigung ber 
Gejundheit und welde Quelle 
neuer Lebensfreude und -Iuft ihm 


das Schwimmen bietet. Architekten 


&. Gräfin Baudiflin. 


Aufgabe im praktiſchen und [chönen 
Entwurf und Bau moderner 
Schwimmhallen; denft man jebt 
an die früheren primitiven Einrich⸗ 
tungen der Dampf und anderer 
Bäder zurüd, die mit ihren un- 
günftigen fanitären Verhältniſſen 
jeder Hygiene geradezu Hohn ſpra⸗ 
hen und denen ein Schwimmbajfin 
ja ftet8 fehlte, fo ſchaudert man! 
Melde Prachtbauten jetzt — melde 
künſtleriſch wie hygieniſch allen 
Anforderungen entiprechenden Ein- 
richtungen in den Schwimmhallen! 
Denn wie dad Wafjer der beite 
Freund des Menfchen fein und ih 
helfen muß, die jchredlichfte aller 
Krankheiten, die Tuberkulofe, zu bes 
tämpfen, fo fann es auch z. B. bei 
Epidemien al3 Bazillenträger ein 
böfer Feind werden. Daher hat 
jedermann die Pflicht gegen fid 
und feinen Nächſten, ein öffentliches 
Bad nicht mit ſchmutzigem Körper 
und ebenfalls niemals vor voll 
ftändiger Rekonvaleszenz nad) ir 
gend einer anftedlenden Krankheit 
aufzufuchen. Außerdem find in 
jeder modernen Schwimmhalle 
Räume zum Abjeifen und Duſchen 
vorgejehen, die nicht oberflächlich, 
fondern gründlich benugt werden 
müjfen. 

Das ideale Bad bleibt natürlid 
dag im Meer, im See, im reinen 
Fluß oder raufhenden Bergjtrom. 
Als gejundheitlicde Faktoren treten 
dann noh Sonne und Luft zur 
ftählenden Wirkung des Waſſers 
hinzu. Die Möglichkeit, ſich auch 
in Winter dem feuchten Element 
nit zu entfremden und dem 
Körper die rechte Pflege angedeihen 
zu laſſen, ift aber bei und nur 
durch künſtliche Schwimmbaffins 
geboten. Der Staat follte daher 
noch mehr als bisher den Bau 
diefer Gebäude unterftüßen. In 
England ſetzen die Schulbehörden 


und Künftler finden eine dankbare Preiſe aus für die beften Schwim- 


—W— 


“ 
“ 
. 


— 
N, 


V. 83. Schwimmfport. 


mer unter den Schullindern. Die 
London-School-Swimming-Asso- 
ciation, die der großen Amateur- 
Swimming-Association angeglie= 
dert ift, bildet jährlich viele Tau- 
fende von Schulkindern unentgelt- 
ih im Schwimmen aus. 
370.Modernedeutfche Schwimm⸗ 
halfen. Das größte Schwimmbad 
in Deutſchland ift das in Han: 
nover (404 qm), den aber das 
von Frankfurt a. M. mit 400 qm 
nur wenig nachſteht. Die künſtle⸗ 
riſch am fchönften ausgeführten 
Bäder dürften das in Karldruhe 
fowie in Berlin das in der Denne- 
a und in der Bärmwaldftraße 
ein. 

371. Wann fol man ſchwim⸗ 
men lernen? Wie Vater Jahn das 
Verdienft gebührt, das Turnen in 
Deutfchland neu belebt zu haben, 
jo muß der Bater der Schwimm⸗ 
anftalten General v. Pfuel ge—⸗ 
nannt werden, der im Jahre 1817 
die erjte Schwimmidule an der 
Spree, unterjtüßt vom Brinzen 
Auguft, eröffnen konnte. Aber 
diefe Schwimmſchulen wie die fol- 
genden waren nur für Jünglinge 
und Männer, hauptjädhlich für Sol- 
daten, beitimmt. Und es dauerte 
bi8 zum Anfang der Siebziger 
Sahre des lebten Jahrhunderts, 
bi3 die ſchon um 1830 erlafjenen 
Beitimmungen über den Schwimm⸗ 
unterriht in Kraft traten. Sn 
allen Seminaren ift feit 1873 das 
Schwimmen obligatorisch geworden, 
für die Schulen bejteht ein folches 
Geſetz leider noch nicht. Das Rudern 
und Teilnehmen am Segeln jollte 
man Kindern aber ein- für allemal 
erit dann geftatten, wenn fie tüchtige 
Schwimmer find. Denn bei Hlei- 
neren oder größeren Kataſtrophen 
verliert der Nichtſchwimmer nur zu 
leicht den Kopf und wird daher 
auch für die übrigen Bootsinfafjen 
von größter Gefahr, während der 


Nero. 370-372. 


Schwimmer weiß, daß er fich ent- 
weder felbjt retten oder ſich doch 
jolange über Wafjer halten kann, 
bi8 Rettung naht. Der Schwimmer 
wird ſich alfo in der Nähe des ge- 
fenterten Boote8 aufhalten, Not: 
ſignale geben oder vielleicht, wenn 
die Strede bis zum Ufer weit ift, 
mit Hilfe irgend eines Schwimmen: 
den Gegenjtandes, den er vor ſich 
hertreidt und dann und mann zum 
Ausruhen benüßt, and Land zu 
fommen verfuchen. Bei der Armee 
wie der Marine ift dag Schwimmen 
obligatoriſch. 

Emil Rauſch, der berühmte 
deutſche Meiſterſchwimmer, erzählt 
zwar von ſich, daß er erſt mit 13 
Jahren Schwimmunterricht bekam; 
dann allerdings ging feine Ent- 
widlung zu einem unjrer beiten 
Schwimmer ſchnell vor ſich. Kin- 
der im ſchulpflichtigen Alter von 
6—7 Jahren dürfen jedoch un— 
beſorgt das Schwimmen beginnen, 
natürlich unter ſorgſamer Bewa— 
chung, um jede Unvorſichtigkeit zu 
verhüten. Auch bier ift „jung ge⸗ 
wohnt, alt getan”; der Menjch, 
der fih von Hein auf ang Baden 
und Schwinmten gewöhnt, wird es 
bis ing hohe Alter hinein nicht ent⸗ 
behren mögen. 

372. Die Kleidung beim 
Schwimmen. Am gebräucdhlichiten 
für Männer und Knaben ift die 
furze Badehofe und die Hofe in 
dreiediger Form. Sn den jet jehr 
beliebten Samilienbädern oder den 
gemeinfamen Bädern, wie fie in 
Ausland viel üblih find, werden 
geringelte Trifot3 getragen, die 
den Oberkörper bededen und nur 
Arme und Beine freilaffen. Klubs 
und Vereine fehreiben oft eine be- 
ftimmte Farbe der Badehofe oder 
Abzeichen, Streifen, Sterne 2c. an 
derjelben vor. Kopfſpringer ſchützen 
den Kopf, befonderg beim Lernen, 
duch wattierte Kappen; Dauer: 


a 


’ 


—— WW NEN TEILT EUIFWTT 
- v . 





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2 


— —39 
er 


Niro. 373. 


E. Gräfin Baudiffin. 






ſchwimmer ſchützen ebenfall8 Kopf | aus einer etwas weiten, furzen 


und Augen: und laſſen fich die 
Haut mit Talg einreiben. Bei 
einer ſolchen „Toilette“ jehen wir 
den Kanalihwimmer Wolffe, den 
der Ruhm’Kapitän Webb8, des 
einzigen, der je den Aermelkanal 
durchſchwommen hat, nicht jchlafen 
läßt. 
Frauen, 
Leiftungen ankommt, 


denen es auf wirkliche 
ignorieren 


Hofe, an die das ärmelloje Ober— 
fleid gleich angejchnitten ift; im 
Familienbädern wird noch ein 
furzer Rod über dem Beinfleid 
getragen. Praktiſch find ſchützende, 
über die Kappe geſetzte leichte Stroh— 
hüte. 

Für fteinigen Boden beim Baden 
wie für das Gehen über jandige 
Streden bedient man fich leichter 
Sandalen, die am Knöchel feſtge— 
bunden werden, für längeres 
Schwimmen jedoch Hinderlich find. 

Für längere Touren, ebenjo für 
das Springen, ift es ſehr vorteil 
haft, einen Keinen Wattebaujh in 
die Ohren zu jteden. Dadurch wird 
den leicht durch zurüdbleibendes 
Waſſer veranlaßten Obhrenentzün= 
dungen vorgebeugt. 

373. Der Schwimmunterricht. 
Die jet gebräuchlichen vielen Arten 
des Schwimmend wird man guten 











199. Kanalfchwimmer Wolffe wird mit 
Talg eingerieben. 
Aus Sport im Bild. 


die in eleganten Konfektionshäu— 
jern ausgejtellten „Spitengebilde”. 

Ein enganliegendes Trikot bietet 
jedenfall vollite Bewegungsfrei— 
heit. Der üblihe Badeanzug für 
Frauen und Mädchen bejteht jonft 








200. Schwimmitellung, Seitenanficht. 


Vorbildern abfehen können und jeit 
man begonnen bat, Die erjten 


“ 


DB 


— 








V. 3. Schwimmſpork. 


Schwimmübungen trocken zu 
lehren, d. h. auf dem Lande nach 
der ſogenannten „d'Argyſchen Me— 
thode“, wagt ſich der Unkundige 
bereits mit einem guten Teil prak— 
tiſcher Vorkenntniſſe ins Waſſer. 
Beſonders hingewieſen werden muß 
darauf, daß jede Art der Frei— 
übungen, vorzüglich die Rüſt- und 
Gerätübungen, ferner Armübungen 
(Armſtrecken, ⸗beugen und -aus— 
rollen) Kniebeugen und -ſtrecken und 
Beinjpreizen eine vorzügliche Vor— 
bereitung für das Schwimmen bil- 
ven. Turnen und Schwimmen find 
überhaupt zwei jehr nahe, fich abjolut 
ergänzende Sportsarten; daher jollte 
jeder Turnlehrer auch ausgebildeter 





Nrv. 373. 


Schwimmlehrer jein. E83 wäre 
dann für ihn ein Leichtes, die 
Kinder die rechten Borübungen fürs 
Schwimmen in den Turnftunden 
zu lehren. 

Der Menſch, der ohne Ahnung 
vom Schwimmen ind Waffer fällt, 
ſucht fich zu retten, indem er wie 
jede3 andere vierfüßige Tier Beine 
und Arme freuzweije in Bewegung 
jegt, alfo fich fo bewegt, wie der 
Hund läuft und auch jchwimmt. 
Dies mag die natürliche Art des 
Schwimmens für den Menjchen 
jein; doch ermüdet dies fogenannte 
„Pudeln“ jehr jchnell und bringt 
zudem nur wenig vorwärts. 

Die Meinungen, ob das Bruft- 


Nro. 374-375. 


ſchwimmen als erſtes zu lehren fei 
oder nicht, find heutzutage ſehr ge- 
teilt; daß die meiften Rennjchwim: 
mer fich anderer Arten (des Spaniſch⸗ 
ſchwimmens, des Seiteſchwimmens 
2c.) bedienen, ſpricht wohl gegen 
dag Bruſtſchwimmen, als zum Xer: 
nen geeignet. 

Die verjhiedenen Bewegungen 
beim Schwimmen heißen „Tempi“ 
und laffen ſich entweder nad) der 
d'Argy hen Methode oder nach der 
in allen deutſchen Militärſchwimm— 





202. Mn die Bruft führen der Arme. 


anjtalten gebräuchlichen des Gene- 
ral von Pfuel einteilen. Zu er: 
lernen find fie leicht am Lande, und 
zwar zuerft in „Schwimmſtellung“, 
dann an eigens dazu bergeftellten 
Apparaten in der „Schwimmlage”. 

374. Die Schwimmſtellung. 
Die Schwimmitellung lehrt Die 
Körperhaltung, Die genau der 
Schwimmlage im Waſſer entſpricht. 
Die Haden werden gefchlofjen, die 
Füße zueinander in einen Winkel 


G. Gräfin Baudillin. 


naturgemäß auch die Beine fchlie- 
Ben, die geftredten Arme werden 
über dem Kopf erhoben, die Hand: 
flächen aneinandergedrüdt, der Kopf 
leicht bintenüber gebogen. Das 
Atmen gejchieht langſam und gleich— 
mäßig durch die Nafe. 

375. Führung der Arme nad 
Pfuel. Tempo I löft die Hände 
und führt die Arme jeitwärts-ab- 
wärts, wobei ſich die Schultern 
eimad anziehen, jo daß die Bruft 





203. Dorführen der Arme. 


hervor, der Baud) zurüdtritt; Die 
Hände neigen ſich etwas nach innen, 
die Daumen liegen alfo tiefer als 
die feinen Finger ; darauf gehen 
die Arme nad) vorn, Tempo IL, und 
die Unterarme drehen fich, big Die 
Handflächen wieder gejchloffen an- 
einander liegen, aus welderStellung 
fie mit kurzem Rud an die Bruft 
gezogen werden. Die Oberarme 
müſſen jest flach an den Seiten des 
Oberförper8 anliegen, die Unter: 


von ca. 45° geftellt, wobei fich arme liegen feft auf der Bruft. 


— — — 


V. 3. Schwimmſpori. 


Tempo III ftredt mit ſtarkem 
Stoß die Arme wieder aus, gibt 
alfo die erſte Stellung zurüd. 

376. Beinftelung. Auch die 
Bewegungen der Beine werden 
entſprechend der Armführung in 
drei „Tempi“ eingeteilt. Ueber 
die einzunehmende Haltung jchreibt 
das Königl. preußifche CErerzier- 
reglement vor: „Die Stellung muß 
natürlih und ungezwungen jein. 
Die Abſätze werden auf eine Linie 
und fo nahe aneinandergejeht, als 





204. Beintempos. 


es der Körperbau erlaubt; die 
Fußſpitzen find gleichmäßig jo weit 
auswärts gedreht, daß die Füße 
nit ganz einen rechten Winkel 
bilden. 

„Die Kniee find zurüdgezogen, 
ohne fie fteif zu halten. 

„Der Leib ruht ſenkrecht auf den 
Hüften. 

„ruft und Oberleib werden 
etwas vorgebradt, die Schultern 


Nro. 376 - 377. 


Die Einnahme diefer Stellung 
wie zugleih „Hfften feſt“, d. h. 
die Hände auf den Hüften, Daumen 
nach hinten, Singer gejchlofjen nad) 
vorn, gleiht Tempo I. 

Tempo II beiteht in Kurzem, 
rudartigen Emporziehen des einen 
Beined, bis der Haden fih in 
Kniehöhe des anderen Beines be- 
findet; e8 muß abwechſelnd mit 
beiden Beinen geübt werden. Bei 
Tempo III wird daS gebeugte, 
emporgezogene Bein fchräg ſeit— 





205. Derübung des Tempos II. 


wärts-abwärts abgeftoßen und jo: 
fort gegen dag geitredte Bein ge— 
ihlagen, jo daß die Füße wieder 
die Grunditellung annehmen. 
377. Gemeinſames Ueben der 
Arm: und Beintempi. Werden 
die beiden Bewegungen einzeli 
vollkommen beherricht, jo beginnt 
man, die Tempi gemeinfam einzu— 
üben. Bon. der Schwimmiftellung 
ausgehend, werden bei „eins“ Die 


mäßig zurüdgenommen und unge: | Arme zur Seite geſtreckt, bei „zwei“ 
zwungen in gleiche Höhe geſenkt.“ die Hände wieder aneinander ge- 


Nro. 373-380. 


Schloffen und vor die Bruft ge= 
bracht und gleichzeitig mit gebeug: 
tem Knie der Haden des einen 
Beines bis zum Knie des feit- 
jtehenden gebracht. Bei „prei“ 
wird dag Bein wieder abwärts 
geftoßen, die Füße gefchloffen und 
die Arme von neuem nach jeitwärtg 
mit Turzen Ruf geftredt. 

378. Zählmethode d’Argy. Ent- 
gegen der eben dargelegten Zähl- 
methode des General von Pfuel 
bejtimmt d'Argy ald Tempo I das 
Ausftopen der Arme und Beine, 
als Tempo II das Zufammen- 
Ichließen der Kniee und das Trennen 
der Hände voneinander. Bei III 
werden die Arme jeitwärts geftredt, 
dann unter die Bruft gebracht und 
die Haden emporgezogen. Nach der 
d'Argyſchen Methode wird in Franke 
teih noch allgemein gezählt; bei 
uns befolgt man faft überall die 
Tempi des General von Pfuel, 
allerdings gibt e8 auch Lehrer, die 
des leichteren Erlernens wegen für 
den Anfänger vier Tempi vor« 
Ihlagen —; doch die Methode, 
überhaupt Schwimmbewegungen auf 
dem Lande üben zu laffen, lernte 
erſt im Sabre 1855 der Königl. 
preußifhe Generalleutnant von 
MWillifen in der ecole normale 
de gymnastique in Bari fennen 
und ließ mit ihr Verſuche in der 
ihm unterftellten Divifion anftellen ; 
fie bewiefen, daß nad) diejer Me— 
thode fünfmal fo viel Soldaten 
wie bisher das Schwimmen erlern= 
ten; dieſer D’Argyfhen Methode 
des Trodenfchwimmens ift bei ung 
das Zählfyften des General von 
Pfuel zugrunde gelegt worden. 

379. Die Schwimmlage. So— 
bald Arm- und Beintempi gemein 
ſam beherrjcht werden, wird zum 
Veben in der Schwimmlage über- 
gegangen; aljo in der wagerechten 
Stellung, die der Körper im Waffer 
einnehmen muß. Das einfachjite 


——_ 


E. Gräfin Baubilfin. 


Hilfsmittel iſt der Feldſiuhl, deſſen 
weicher Gurten⸗ oder Leinenſitz den 
Bewegungen nachgibt. Vorteilhafter 
find jedoch freifchwebende Apparate, 
die es geftatten, die Aniee an die 
Bruft heranzuziehen. Ein Barren, 
zwiſchen deffen Holmen ein Tud 
aufgehängt wird, eignet ſich bejon: 





206. Hahnfcher Apparat in Anwendung. 


ders gut zu diefen Schwimmübun: 
gen; ebenfo der Zahnſche Apparat, 
der dadurch, daB die Arme in ar 
Gummijchnüren hängenden Arm: 
baltern ſtecken, die zur Kraftanmwen: 
dung zwingen, den Widerftand des 
Waſſers nahahmt. 

Bei Einnahme der Schwimmlage 
werden Arme und Beine ausge 
ftredt, die Hände aneinander ge: 
Ichloffen und der Kopf möglidit 
wagrecht zum Körper gehalten. Die 
Tempi werden genau ausgeführt 
und innegehalten, wie bei der 
Schwinmftellung: bei I die Arme 
zur Seite geftoßen, bei II Beine 
wie Arme kurz und fehnell an— 
gezogen, bei III die Arme nad 
porn, die Beine nach hinten ge 
ftoßen und gejchloffen. 

380. Das Selbjterlernen des 


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V. 3. Schwimmſpork. 


Schwimmens. Für Manchen wird 
doch oft kein anderer Ausweg übrig 
bleiben, als das Schwimmen ſelbſt 
zu erlernen, z. B. auf dem Lande; 
und der Lernende, ſich Abmühende 
mag ſich mit dem Gedanken tröſten, 
daß ſchließlich, trotz mancher Miß— 
erfolge im Anfang, ſeine Mühſal 
belohnt werden wird. Der Selbit- 
lernende verfude die am Lande 
eingeübten Arm= und Beintempi 
unter genauem Zählen im Wajjer 


Nro. 381—383. 


Schwimmfugelapparat, von dem 
öfterreichifchen Schwimmlehrer 
Himmel erfunden. 

381. Schwimmen in Kleidern. 
Da abgejehen von der Freude am 
Schwimmfport und der vortreff- 
lihen Einwirfung desjelben auf 
Gejundheit und Gemütsverfafjung, 
das Schwimmen auch eventuell dent 
Schwimmer jelbjt oder andern das 
Leben retten kann, jo jollte es 
jeder Schwimmer, jobald er gut, 





202. Korfengurt. 


zu wiederholen; um für den eriten 
Stoß — länger wird man fi 
das erjtemal faum halten fünnen 
— eine wagerechte Lage zu be: 
halten, ftößt man fich kräftig vom 
Baſſinrand ab — oder, badet man 





208. Schwimmfugel-2lpparat. 


im Freien, von einem Balken oder 
der Treppe. Ferner bilden eine 
große Hilfe beim Selbfterlernen 
geeignete Tragemittel, 3. B. ſolche 
aus Kork. Billig herzujtellen find 
zwei fleine Leinenfäde, mit ge— 
braudten Korfen gefüllt und durch 
einen Gurt verbunden, von dem 
der Körper getragen wird; ebenfo 
Korkengurte, aus gebrauchten Kor- 
fen, die auf jtarfen Bindfaden ge— 
zogen werden, oder auch der 


fiher und ausdauernd ſchwimmen 
fann, lernen, auch in Kleidern zu 
Ihwimmen. Natürlich ftellt dies an 
die Kräfte hohe Anforderungen, da 
fih die Kleider ſchnell voll Wafler 
faugen und auf den Gliedern laften. 
Daher fügt man allmählich dem An- 
zug mehr und mehr hinzu, ſchließlich 
aud) Stiefel, bi8 man in vollfom: 
mener Kleidung das Element be- 
zwingen kann. Der Nuten diefer 
Verſuche kann nicht genug betont 
werden. 

382. Arten des Schwimmens. 
Man teilt das Schwimmen jeiner 
Art nah ein in Bruſtſchwim— 
men, Seitefhmwimmen, 
Rückenſchwimmen und Spa: 
niſchſchwimmen, dazu fommt 
das Ta uchen, Wenden, Waj: 
ſertreten und Waſſerſprin— 


gen. 

383. Das Bruſtſchwimmen. 
Das Bruſtſchwimmen, auch das 
deutſche Schwimmen genannt, iſt 
die Grundlage aller Schwimmkünſte. 
Die Anleitung zu dieſer Schwimm— 
art iſt ausführlich durch die Be— 
ſchreibung der am Lande zu üben— 
den „Schwimmſtellung“ und 


Nro. 384 — 385. 


„Schwimmlage‘, die man im felben 
Tempo im Waſſer wiederholt, ge= 
geben worden. Als fportliche Regel 
gilt für die8 Schwimmen in Deutich- 
land wie in den meijten anderen 
Ländern, abgejehen von Oeſterreich, 
daß der Kopf nicht zur Seite ge: 
dreht werden und nicht weiter als 
bis zum Mund eingetaucht werden 
darf. Das Ziel und die Wenden 
müſſen zu gleicher Zeit mit beiden 
Händen berührt werden. 

384. Das GSeitefhwimmen 
oder engliide Schwimmen wird 
recht3 oder links ausgeführt. Man 
unterjcheidet zweierlei Arten: Die 
ohne Herausgreifen und die mit 
Herauggreifen (over arm stroke); 
bei beiden arbeitet der untenliegende 
Arm wie die Beine in gleicher 
Weife; die Tätigfeit des oberen 
Armes macht den Unterjchied aus. 
Der untere Arm wird nad unten 
geftreckt, dann der Unterarm ange: 
zogen, bis er quer über der Bruſt 
liegt, dann wieder langfam, mit 
dem Handrüden nad oben,. nad 
vorn gejtredt. Der obere Arm 
wird beim Seitefhwimmen ohne 
Herausgreifen rückwärts geftredt 
und im Ellbogen leicht gefnidt; 
die nach unten gefehrte Sand be— 
Ichreibt einen Bogen. 

Beim Seitefhwimmen mit Her: 
ausgreifen muß der obere Arm 
leicht geftrecdt über Waſſer bleiben, 
wird im Halbkreis um die Schulter 
geichwungen und befchreibt num erft 
unter Wafjer einen Bogen. Beim 
„double over arm stroke* führen 
beide Arme einen Teil der Tempi 
über Waſſer aus. Bedingung des 
Seiteſchwimmens ift, daß die Beine 
Itet3 unter Waſſer bleiben und daß 
beide Arme immer in entgegen 
gejegter Richtung fein müfjen, aljo 
abwechſelnd vorn und hinten. Das 
Seiteſchwimmen geftattetden Beinen 
eine weitere Spreizung als das 
Bruſtſchwimmen, nämlich das fo: 


E. Gräfin Baudiffin. 


genannte Scherenfußtempo; infolge: 
dejien iſt ein ftärferer Stoß, eine 
größere Gefchwindigfeit zu erreichen. 
Das Deffnen und Schließen der 
Beine muß genau den Bewegungen 
der Arme angepaßt werden; jobald 
der obere Arm fich vorftreet, ſpreizt 
ſich das untere Bein nach rückwärts; 
kehrt der obere Arm in die erfte 
Stellung zurüd, müſſen fi 
à tempo aud die Beine wieder 
fließen. Um ein beſſeres Tempo 
zu erzielen, legen fih viele Renn⸗ 
ſchwimmer beim Ausſtrecken des 
oberen Armes auf die Bruft. Diefe 
Weiſe, obgleich ganz erflärlih, da 
der Körper ohnehin beim Ausftreden 
und Wechſeln der Arme die Lage 
etwas verändert, wird in Dejter- 
reich nicht zugelafien. 

: 385. Das Rüdenfhwimmen. 
Dies Tempo, von allen Arten das: 
jenige, welches am wenigiten er- 
müdet, wird deshalb viel von 
Dauerfhwimmern angewendet. Es 
ift jehr leicht zu erlernen, und 
ift außerdem die Art, durch 
welche Ertrinfende am beten von 
einem Andern gerettet werden fön- 
nen. Ausgeführt wird es, indem 
man fich flach, wie zum „Treiben“, 
mit dem Rüden aufs Wafler legt, 
die an den Schenkel gedrüdten 
Arme im Bogen über den Kopf 
ſchwingt und gleichzeitig die Unter: 
ſchenkel mit leicht gebeugten Knieen 
ſtark nad) unten tritt. Die Arme 
fehren im Bogen unter Waffer 
in ihre erſte Stellung an den 
Schenfeln 'aırüd, à tempo mer- 
den die Beine wieder feit ans 
einander gejchloffen und geftredt. 
Auh Tann man mit Hilfe der 
Arme allein rückwärts ſchwimmen; 
die Beine bleiben dann lang aus: 
gejtredt und gejchloffen, die Arme 
liegen loſe an den Hüften, die 
Hände werden nur im Gelenf be- 
wegt, fie „tellern” und bringen den 
Körper durch dieſe Kleinen Kreig- 


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V. 3. Schwimmſport. 


bewegungen vorwärts. Will man 
dagegen nur mit den Beinen rück— 
wärts jhwimmen, jo nimmt man 


„Hüften fejt“ oder verjchränft die 


Hände im Genid. Die Grundlage 
des Rückenſchwimmens iſt das 
„Treiben“, d. h. man bemüht ſich, 
durch richtiges Atemholen ſo viel 
vom ſpezifiſchen Gewicht zu ver— 
lieren, daß der Körper, der ſchwerer 


iſt als das Waſſer, von dieſem ge: 


tragen wird. Beim ſogenannten 
„Rudern“ werden die Arme über 
den Kopf gehoben, im Bogen unter 
Waſſer zurückgeführt und kräftig 
gegen die Schenkel geſchlagen, 
gleichzeitig werden die Beine an— 
gezogen und geſpreizt. Der double 
over arm stroke beim Rückwärts-— 
ſchwimmen befteht darin, daß die 
Arme abwechjelnd über den Kopf 
aejhwungen werden. 

386. Das Spaniſchſchwimmen. 
Das fpanifshe Schwimmen, aud) 


1 


Nro. 386. 


Matroſen- oder Indianerſchwimmen 
genannt, ſtammt aus Südamerika 
und wurde von Mr. Trudgen im 
Sahre 1873 nad) England impor- 
tiert. Hier heißt e8 Trudgen 
Stroke oder auch nad) jeiner Me- 
thode: die Arme abwechjelnd in 
Kopfhöhe zu bringen und dann ge— 
jtredt nad hinten durchzuziehen: 
double over arm stroke. In der 
urjprüngliden Form wurde das 


| Beintempo bejchränft; 3. B. halfen 





nur, wenn der rechte Arm vorge- 
jtrecft wurde, die Beine Schwimmen, 
blieben dagegen während der Tätig- 
feit des linken aeftredt. Das „un: 
gariihe Tempo“ ift nur eine weis 
tere Ausbildung des jpanifchen ; 
entweder wird nurnach drei oder vier 
Zügen mit den Beinen geſchwom— 
men oder dieſe bleiben überhaupt 
ruhig und überlajien den Armen 
allein die Arbeit. Der Kopf liegt 
bei dem „ungarijchen Tempo“ ganz 





209. Burgeß, ducch den Kanal jchwimmend, 


òIEIII —î — 


Nro. 387. 


im Waſſer und wird nur von Zeit 
zu Zeit zum Atemholen gehoben. 

Heutzutage hat ſich das Spaniſch⸗ 
ſchwimmen dahin abgeändert, daß 
es vom Bruſtſchwimmen zum Seite⸗ 
ſchwimmen geworden iſt, wodurch 
auch die Beine das Tempo wie 
beim Seiteſchwimmen (Spreizen 
und Aneinanderfchliegen ohne An⸗ 
ziehen), alſo das „Scherenfußtempo” 
angenommen haben. Das Spaniſch⸗ 
ſchwimmen in biefer Form ift das 
Tempo aller befannteren Meijter: 
Ihwimmer. Daß auch die Frauen 
es gelernt haben, ſich des Spaniſch⸗ 
ſchwimmens bei ihren Konkurrenzen 
zu bedienen, beweiſt das Bild vom 
„Feſt der Undinen“ in Soinville 
bei Paris. Eine kleine Abweichung 
des ſpaniſchen Tempos zeigt Das des 
Mr. Tyldesley, der feine Beine 
nicht fpreizt, fondern fie parallel 
bewegt, als riebe er fie aneinander 
auf und ab. Dem Stil Mr. Tyl- 
desleys ähnlich ift das „Crowl⸗ 
Tempo“, bei dem von Zeit zu Zeit 
die Beine aus dem Waſſer heraus⸗ 
ſchlagen. | 

387. Das Tauchen. Zum guten 
Tauden, d. h. ſowohl dem Flach: 
taugen wie dem Tauden nad 
Gegenftänden, gehört ein langes 
und fchwierige8 Training Man 
fann den Körper erſt jehr allmäh- 
(ich an ein längeres Verweilen unter 
Waffer gewöhnen und ebenfo die 
Zungen daran, mit dem lem 
hauszuhalten. Auch die Augen, 
die fich allerdings meift von felbit 
im Waffer öffnen, müffen e8 lernen, 
Segenftände zu unterjfcheiden und 
vor allem die Richtung der vor 
gefchriebenen Strecke zu erkennen. 
Das Flachtauchen, auch Streden- 
oder Hechttauchen genannt, tft ein 
Bruſtſchwimmen unter Wafjer ; ein= 
zelne Glieder, aber nie ber ganze 
Körper, dürfen von Zeit zu Zeit 
an die Oberfläche kommen. Yürchtet 
man, ganz aufzuiauchen, jo muß 


E. Gräfin Baudiffin. 


man mit den flachgelegten Händen 
nad oben brüden, moburd der 
Körper von neuem fintt. Zum Er- 
lernen de Tauchens ift es am 
beiten, an einer Kletterftange all 
mählih mit den Händen immer 
tiefer hinabzufteigen, bis man im: 
ftande ift, fih eine Weile am 
Grunde zu halten. Um wieder auf: 


wärts zu kommen, ftößt man ſich 


fräftig mit den Füßen vom Grunde 
ab, worauf man in fenktrechter 
Stellung an die Oberfläche gelangt. 
Schwieriger ald vom Sprung au3 
tauchen ift da8 aus der Schwimm: 
lage. Man muß fi vornüber' ind 
Waſſer Hinunterlaffen, mit ange 
zogenen Beinen, bis man mit den 
Händen den Grund erreicht. Hier: 
auf wird der Körper langjam auf: 
gerichtet, dann mit den Füßen 
abgeftoßen, um wieder in die Höhe 
zu kommen. Das „Ueberfchlagen” 
vorwärtd und rückwärts ift eine 
Art des Tauchens; beim Vorwärts⸗ 
überjchlagen werben bie gefchlofle: 
nen Beine mit kurzem Rud an bie 
Bruft gedrüdt, die Arme ebenfo an 
die Hüften und der Kopf abwärts 
gebeugt. Das Rückwärtsüberſchlagen 
gefchieht durch Heben der beiden 
fejt gejchlojfenen Beine aus dem 
Waſſer, Hinabdrüden des Kopfes 
nah Hinten und Abwärtsdrücken 
ber Hände. 
Um fih beim Flachtauchen zu 
orientieren, merkt man fi im 
Baſſin oder der zu durchſchwimmen⸗ 
den Strede unter Waſſer einige 


leicht ins Auge fallende Punkte, 


wie Treppen, Stangen, Abfluß- 
röhren und vergleichen. Bei Kon: 
furrenzen wird nur die gerade Rich⸗ 
tung gemefjen, niemald die Ab- 
weichungen. Al Marximaldiſtanz 
werden jeit einigen Jahren in 
Deutſchland und Defterreid 50 m 
gerechnet. Sieger ift, der die 
fürzejte Seit zu dieſer Strede ge- 
braucht hat. 











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V. 3. Schwimmſpork. 


Das Tauchen nach Gegenſtänden 
wird zuerſt an einzelnen, weithin 
ſichtbaren Dingen geübt, bis das 
Auge mehr und mehr das richtige 
Sehen unter Waſſer lernt. Bei 
sonkurrenzen gilt als Sieger, wer 
die meiften Gegenftände ans Ufer 
bringt. 

Der „Schwimmijport”, das offi- 
jiele Organ des „Deutjchen 
Schwimmverbandes” jtellt aller: 


dings folgende Punkte zur Beur- nutzt, die Beine blei- 


teilung eines Sieges 
beim Tauchen nad 
Gegenjtänden auf: 

1. Anzahl der Ge- 
genfjtände ; 

2. Fläche in Qua— 
dratmetern, auf wel- 
che fich diefe Gegen- 
ftände verteilen; 

3. Zeit, die Die 
Leiftung erforderte; 

4. Tiefe des Waſ— 


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Nro. 388. 


Arm abzuftoßen; nun werden die 
Beine geftredt und gleichfallg mit 
ihnen abgeftoßen. Von den während 
des Abſtoßes ausgeftrecdten Armen 
wird der eine jofort angezogen, 
damit glei das alte Tempo 
(Seites oder Spaniſchſchwimmen) 
begonnen werden fann. Zum Wen- 
den an einem Balken wird nur 
ein Arm und diejer 
leiht gebeugt, be— 


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5. Temperatur des 
Waſſers. 

Eine Minute gilt 








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beim Tauchen als 
vortreffliche Leiftung, 
für Konkurrenzen 
find 70—80 Sekun⸗ 
den die Norm. 
388. Das Wen: 
den. Se fürzer das 
Balfin einer Badeanftalt ift, um jo 
häufiger wird der fich trainierende 
Schwimmer „wenden“ müſſen. 
Und dieſer Fertigkeit kann gar 
nicht genug Aufmerkfjamfeit bei- 
gelegt werden, da eg bei Wett: 
fämpfen auf möglichft ſchnelles und 
geſchicktes Wenden anfommt, ja dies 
jehr oft für den Erfolg den Aus— 
Ihlag gibt. Es ift Vorjchrift, ſich 
beim Wenden vom Bajfinrand ab- 
zuftoßen. Die Beine werden dazu 
angezogen, der Kopf unter Wafler 
gedrüdt, um über ihn fort mit dem 
der neuen Richtung entgegengejegten 








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ben geichlofjen, der Körper wird 
mit hohlem Kreuz am Balken vor: 
beigezogen. Beim Rückenſchwimmen 
darfmwährend des Wendens Bruftlage 
eingenommen werden. Dann muß 
jedoch, wie beim Bruftihwimmen, 
die Wende gleichzeitig mit beiden 
Händen berührt werden. Falfches 
Menden (nicht berühren, beim 
Rückenſchwimmen zu frühes Drehen 
in Bruftlage, beim Bruftfchwimmen 
nicht gleichzeitiges Berühren mit bei- 
den Händen 2c.) hat in allen Ländern 
die Ausfchaltung des Wettſchwim— 
mers von der Konkurrenz zur Folge. 


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N 2 — 


IAHMITTE 
Nro. 389-390. 


389. Das Wafjertreten. Das 
Wafjertreten ermöglicht ſowohl das 
Berharren auf einem Punkt, wie 
ein Schnelles Anhalten, um eine 
neue Nichtung einzufchlagen oder 
um in ein anderes Schwimmtempo 






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211. Wenden an der Baffinwand. 





überzugehen. Der Körper ſteht da= 
bei, etwas hinten übergeneigt, fajt 
jenfrecht im Waſſer, die Arme find 


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fie entweder einzeln oder zufammen 
angezogen und ausgeftoßen werden. 
Die Kniee bleiben leicht gebeugt. 
Die Beherrichung des Wafjertretend 
ift zu den meijten Wafferjpielen 
nötig und last not least ein wich— 





Aus NMordhaufen, Sport und Körperpflege. 


tiger Faktor bei der Nettung Er: 
trinfender. 


390. Das Wajjerfpringen. Zur 


in die Hüften gejtemmt, die Beine | höchſten Kunft des Schwimmens 
allein beforgen die Arbeit, indem | führt da3 Springen; denn hierbei 






























































212. Waffertreten. 





ift nicht allein die ſchöne Ausfüh- 
rung des Sprunges, fondern auch 
jeine GSchmierigfeit maßgebend. 
Allerdings gehen die Anfichten über 
die Bewertung eines Sprunges 
noch weit außeinander. In Schwe— 
den und England wird 3. B. Die 
Haltung und Bewegung während 
des Sprunges nicht beachtet — in 
beiden Ländern handelt es ſich nur 
darum, daß das Wafjer beim Ein— 
tauchen nicht aufiprigt; während 
Deutjchland und Defterreich alles 
von der Körperhaltung während 
des Sprunges abhängig maden 
und das Aufiprigen des Waſſers 
ignorieren. 

Zum Sprung holt man ſich die 
Kraft entweder durch Beugen und 
Streden der Muskeln oder durch 
Anlauf. Der Sprung „aus Der 
Ruhe” kann ftehend oder hockend 
und außerdem vorwärts, rückwärts 


— 8 
— 
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V. 83, Schwimmfport. 


oder feitwärt3 erfolgen. Zum Ab: 
fprung mit Anlauf läuft man das 
Sprungbreit entlang und jpringt 
einen Meter vorm Rand in die 
Höhe, jo daß man am äußerften 
Ende des Brettes anlangt. Diefer 
„Schlußſprung“, der durd Auf: 
wärtdjchlagen der Arme unterftügt 
wird, gibt dem Körper den nötigen 
„Schwung“. Die Schönheit eines 
Sprunges bängt von der Länge 
der Luftlinie ab, die der Körper 
zurüdlegt und, wie jchon gefagt, 
von feiner Haltung und Bewegung 
während desfelben. Se nach dem 
Eintauhen mit Kopf oder Füßen 
unterfcheidet man Kopf und Fuß⸗ 
jprünge. Die Arme werden mwäh- 
rend des Sprunges wagrecht ge= 
halten, auf der Bruft oder dem 
Nüden gefreuzt, an die Schentel 
gedrüdt oder über den Kopf ge⸗ 
ftredt. Der Schwung muß fo ab- 
gemefien fein, daß man weder mit 
Bruft oder Rüden auffchlägt und 
daß Kopf und Füße am felben 
Punkt ins Waffer tauchen, der Ein- 
falt fi alfo in ſenkrechter Stel- 
lung vollzieht. 

391. Die Kopfiprünge. Der 
Kopffprung aus Stand wird 
entweder mit durchgedrückten Knieen 
gemacht oder, um größeren Schwung 
zu erzielen, aus der Kniebeuige mit 
folgendem fräftigen Streden des 
Körpers. Die Arme werden nad 
vorwärts gefhmwungen und dann 
über dem Kopf geftredt. -Beim 
fladen Kopffprung liegt der 
Kopf fenkrecht zwiihen den Armen, 
und no ehe die Fußſpitzen eit- 
tauden, müſſen die Hände bereits 
wieder aus dem Waſſer emporragen. 

Die Hehtjprünge Finnen 
vorwärt3 oder rückwärts gemadıt 
werden. Ihr Merlmal ift, daß 
während des Sprunges fi) Füße 
und Hände berühren, der Kötper 
alfo in den Hüften quafi zuſammen⸗ 
klappt. 


Nro. 391. 


Kopfſprünge ſeitwärts 
(ſogenannte Schwertſprünge) wer: 
den nach rechts oder links ausge- 
führt. Der dem Waſſer abgemendete 
Arm ſtützt fich auf die Hüfte, das 
forrefpondierende Bein ift geftredt; 
an der dem Waſſer zugelehrten 
Seite ift der Arm erhoben und das 
Knie leicht gebeugt. Ferner unter- 
ſcheidet man noch Kopfſprünge 
rücklings, aus dem Sitz und 
aus dem Hockſitz; letzterer kann 
ebenfalls vorwärts, rückwärts und 
ſeitwärts ausgeführt werden. Die 
Beine werden beim Sprung aus 
dem Hockſitz gekreuzt und die Zuß- 
gelente fejt mit den Händen umfaßt. 

Zu den Bohrern rechnet man 
folhe Sprünge, bei denen fid) wie 
bei den Hedhtiprüngen Hände und 
Füße berühren, der Körper aber 
gleichzeitig eine Halbe oder ganze 
Drehung um feine Längdadjje aus— 
führen muß. Unterftüst wird die 
Bewegung durch) Ausfchlagen beider 
Arme nach der einzunehmenden Rich: 
tung. Bei den Schrauben fällt 
das Berühren der Hände und Füße 
fort, fie beftehen nur in Viertel= oder 
halben Drehungen um die Längs— 
achſe des Körpers und können 
vorwärts, aufwärts und feitwärts 
gemacht werden. Bei Bohrern 
wie Shrauben dürfen die Dre- 
bungen nie direft vom Brett aus 
gemadht werden, fondern immer 
erft dann, wenn fich der Körper in 
jenfredter Lage befindet; beide 
Arten find aus den Stand oder 
mit Anlauf möglid. Der Kopf: 
jprung mit Anlauf it die 
Grundlage für alle jchmwereren 
Sprünge und wird durd das Auf: 
fpringen mit einem Fuß oder mit 
beiden Füßen ausgeführt; die oben 
genannten Arten der Kopfiprünge 
laſſen fid) faft ale auch mit An— 
lauf maden. Der fogenannte „Ab— 
renner“ ift ein einfucher Kopf: 
fprung mit Abftoßen durch das 


Nro. 392. 


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rechte oder Das 
linfe Bein, bei 
dem der eine Arm 
erhoben, der andere 
geſtreckt wird. 
Der Add 
babjprung ift 
ein Mittelding zwi: 
hen Kopf- und 
Fußiprung. Ans 
fangs find die Füße 
des Springers nad) 
oben gerichtet, 

durch das Zus 

rüdnehmen des F 
Kopfes be: 
ſchreibt der 






Körper dann ei— 
nen Bogen, auch 
taucht der Kopf 
zuerſt ins Waſſer. 

Der Kopf 
weitjprung, 
engliih einfach: 
plunging, d. h. 
tauchen, genannt, 
ift von England 


2 Der aus bei ung ein— 
Schwertſprung. geführt. Der 

plunging iſt ein 
einfaher Kopfiprung aus dem 
Stand, dejien Schmung durd 


ſtarkes Armſchwenken verſtärkt wird. 
Bewertet wird er nach der Weite 








E. Gräfin Baudiſſin. 


des Sprunges, der Ruhe 
des Waſſſers beim Ein— 
fallen und dem unbemweg- 
lihen Ruhen des Körpers 
auf der Oberfläde, ohne 
jedes Tempo; das Geficht 
liegt dabei vollftändig im 
Wafjer, die Arme find 
ausgejtredt, das Gefäß 
muß aus dem Wafjer em— 
porragen. Der plunging 
joll nie vom Sprungbrett, 
jondern vom wenig hohen 
Balfinrand aus gejchehen, 
da der Schwung eben 
durch eigne Kraft gewonnen 
werden fol. Für Kon— 
furrenzen tft die Zeitdauer 
de8 Sprunges (60 Se— 
funden als Norm) maß: 
gebend, ferner die Länge 


‚der durch das Weitergleiten zurück: 
gelegten Strede. 


392. Die Fußſprünge. Auch 
die Fußjprünge erfolgen aus dem 
Stand oder mit Anlauf und find 
vorwärts, rückwärts oder jeitwärts 
zu machen. Ihre Variationen find 
faft noch zahlreicher als die der 
Kopfiprünge. Bei den Schritt: 
jprüngen werden die Beine ge- 
jpreizt und gleichfam mit dem hin- 
tern, nad) vorwärtsjhmwingenden 
Bein ein Riejenfchritt ind Waſſer 
gemacht; fie lajjen fich vorwärts, 
jeitwärt8 wie rückwärts ausführen. 

Zu den Schlußfprüngen, 
ebenfall® in den drei Arten, ge— 
mwinnt man den Schwung durd) 
Beugen und rüdmwärtiges Streden 
des Körpers. Den Bohrern und 
Schrauben des Kopfiprunges ähn- 
ih find die Sprünge mit 
Drehungen, es find Schritt: 
oder Schlußjprünge mit halben, 
dreivierteln oder ganzen Dreh— 
ungen, variiert werden fie außer: 
dem durch die verfchiedenjten Arm⸗ 
und Beinbewegungen. Beim Hock— 
ſprung werden die Kniee an die 


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V. 3. Schwimmſport. Nro. 393—395. 


Bruſt gezogen, jo daß mit dem Ge: | men. Zum Dauerſchwimmen gehört 
ſäß zuerſt eingetaucht wird. Bei | in erjter Linie das Rennſchwim— 
den Fußjprüngen mit Anse|men. Emil Rauſch, wohl jegt 
lauf, zu denen fih Schritt: wie 
Schlußſprünge eignen, ijt auf die, 
fenfrehte Haltung des Körpers 
beim Eintauchen zu achten. Das 
Ueberſchlagen, eine bejondere 
Kunftfertigfeit, auch ſchon vorher 
am Land zu üben, gejchieht immer 
durch Schwingen der Beine über 
den Kopf; es kann aus dem 
Grätſchſitz wie aus dem Hand: 
ftüt ausgeführt werden. 

393. Der Salto mortale. Diejen 
Namen tragen diejenigen Sprünge, 
bei denen der Körper ſich nicht um 
feine Längsachje, fondern ein= oder 
mehrmals um feine Breitachje dreht. 
Durch die verſchiedenen Richtungen, 
die beim Salto mortale 
angenommen werden — —— 
können, hat auch er NH *5* 
zahlreiche Variationen, E 
nämlich: vorwärts— 
vorlings, vorwärts— 
rücklings, rüdmwärts- 
vorlings, rückwärts— 
rücklings ꝛe. 

394. Sprünge an 
Geräten. Die Sprüns 
ge an Geräten jeten 
gute Turnfünjte vor= 
aus; auch werden fie 
über Stangen, über die 
Schranfe ıc. als Hoch— 
jprünge ausgeführt. 
Dem Flugjprung, 
einem freien Barriere= 
jprung, läßt ſich aud) 
ein Salto mortale hin= 
zufügen. Beim Bar: 
rierejfprung wer— 
den die Hände auf: 
gejegt und nad er— 
folgtem Abjprung die 
Arme über den Kopf 
genommen. 

395. Das Dauer: 
oder Tourenſchwim⸗ 215. Der Ueberſchlag mit der Handſtütz. 












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Nro. 395. 


216. der Salto mortale 
vorwärts=vorlinas. 


der beite deutſche Schwinmmer, er— 
zählt in jeinem kleinen Buch über 
„Zraining des Schwimmens“, daß 
er jeden Sommer mit der täglichen 
Ginübung von 150—200 m be= 
ginnt; nad drei Wochen legt er 





€. Gräfin Baudilfin. 


die Strecke von 200 m bereits unter 
3 Minuten zurüd. Trogdem er aber 
„Langſtreckenſchwimmer“ ift, geht 
er im Training nie über 600 m 
binauf, jhwimmt für gewöhnlich 
jogar nur 400 m und nur vor 
einem längeren Rennen über 1000 
oder 1500 m jchwimmt er diefe 
Streden ungefähr 14 Tage vor dem 
Wettſchwimmen zwei= bis dreimal. 
Emil Rauſch iſt Seitejfchwimmer 
und, wie er jelbjt zugibt, beim 
Wenden gegen Bruſt- und Spanifd): 
ſchwimmer im Nadteil, da diefe ihre 
Strede jtet3 genau vor Augen haben 
und deshalb nur halb jo gewandt 
wie der GSeitefhwimmer zu fein 
brauchen. Das Seiteſchwimmen hat 
dagegen, wie Rauſch jagt, den Vor— 
teil bejjerer Atmung. 


Pflegt man das Dauer: ober 


V. 3. Schwimmſport. 


Tourenſchwimmen, ohne ſich zu 
einem Meiſter ausbilden zu wollen, 
ſo iſt es vorteilhaft, bei beſonders 
langen Strecken, vielleicht 2 —8⸗ 
ſtündigem Schwimmen, die Tempi 
des öftern zu wechſeln. Bei einem 
Wadenkrampf, der jedes Schwim⸗ 
men mit den Beinen momentan 
unmöglich madt, wirft man fich ſo⸗ 
fort auf den Rüden und ſchwimmt 
jo lange mit den Armen, bis der 
Krampf ganz vorüber if. Sind 
nicht ganz ſichere Schwimmer oder 
Ungeübtere bei der Partie, fo muß 
in einiger Entfernung ein Boot 
folgen. Bei größeren Touren 
Ihwimmt man zu Beginn gegen 
den Strom, mit dejlen Stärfe man 
überhaupt zu rechnen hat, und zu— 
rück mit dem Strom. 

Niemals halte man beim Trai- 
nieren für lange Streden oder 
beim einfachen Tourenſchwimmen 
plögli auf, noch fteige man ſo⸗ 
fort aus dem Wafler, fondern zur 
Beruhigung des Herzens joll der 
Trainierende noch einige langfame 
Tempi ausführen, der Dauerſchwim⸗ 
mer allmählich feine Fahrt verlang- 


famen. 

396. Die Rettung Ertrinten- 
der, Wie im Anfang betont wurde, 
fol jeder Echwimmer ed lernen 
und üben, in Kleidern zu ſchwim⸗ 
men. Dennod iſt e8 von größtem 
Borteil, fi raſch aller oder doch 
der beengenden Kleidungsftüce wie 
der Stiefel, des Rodes, der Wefte ıc. 
zu entledigen, ehe man zur Hilfe 
ing Wafler fpringt. Ein unbeflei- 
deter Menfch dagegen iſt ſchwerer 
zu retten als ein befleideter. Vor 
allem verjuche man ftet3, von hin⸗ 
ten an den Ertrinkenden heranzu= 
fommen; ijt er bereit3 untergegan- 
gen, jo laſſe man fi in feiner 
Nähe auf den Grund und ftoße 
feinen Körper mit Träftigem Stoß 
nad oben, worauf man fi) ſelbſt 


Nro, 396-397. 


Gefahr für den Retter liegt immer 
darin, daß der Ertrinkende ſich an 
ihn klammert, vor allem feine Beine 
umfaßt; um diefem für beide ver- 
derbenbringenden Moment vorzu⸗ 


beugen, fucht man den Ertrinfenden 


unfchädlich zu machen, indem man. 
fi jeinen Körper auf die Bruft 
zieht, eventuell feine Hände mit 
einem Arm umklammert und ihm 
verfichert, daß er gerettet fei. Ein 
legte Mittel, fich feiner zu erweh— 
ren, fall er durd) feine Todesangft 
droht, auch den Retter hinabzu= 
ziehen, ijt, ihn durch einen heftigen 
Schlag auf den Kopf zu betäuben. 
Einen befleiveten Menſchen dreht 
man auf den Rüden, faßt ihn an 
feinem Rockkragen oder fonft an 
einem feiner Kleidungsftüde und 
fchleift ihn Hinter fich her. 

397. Wiederbelebung Ertrunfe: 
ner, Iſt der Ertrinfende glücklich 
gelandet, gibt aber fein Lebens— 
zeichen mehr von fih, jo ftelle 
manihn nit auf den Kopf 
— wie es früher faft ausnahmslos 
gefhah. Durch die obligatorische 
Einführung der Esmarchſchen Sa= 


 mariterfurfe an den deutjchen See- 


mannsſchulen werden heutzutage, 
Gott jei Dank, die verantwortlichen 
unter den Seeleuten (Steuerleute 
und Schiffer) über die richtigen 
Wiederbelebungsverjuche belehrt. 
Als erites entlleide man den 
Erirunfenen, reinige ibm Mund 
und Naſe von Schlamm ufm., lege 
ihn auf den Bau, jchiebe ein 
Polſter, eventuell aufgerollte Klei- 
dungsftüde unter feine Bruft und 
drüde auf feinen Rüden, um das 
eingejchludte Waſſer zu entfernen. 
Darauf dreht man ihn wieder auf 


den Rüden und beginnt fofort 


mit Atmungsverjuhen, die man 
eventuell ftundenlang fortjegt. Man 
Ihiebt dazu das Polſter unter den 
Nüden, zieht die Zunge aus dem 


vom Grunde abſtößt. Die größte | Munde und bindet fie am Kinn 


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E. Gräfin Baudiſſin. 


Neo, 398- 400. 


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398. Vorſichtsmaßregeln 
Schwimmanſtalten. 
Schwimmanſtalten ſollen Geräte 
zur Rettung Verunglückter vorhan: 


den 
Stangen, Rettungsgürtel mit auf— 


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in 
allen 


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fein; nämlich lange, feſte 


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geſchoſſenen, zur Handha— 
bung bereiten Leinen; ferner 
Boote mit brauchbaren Nie: 
men und vor allem ftets 
eine Wache. 






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217? u. 218. Künftliche Ein und Ausatmung. 


feft; niet zu Häupten des Verun— 
glüdten, erfaßt beide Arme ober- 
halb des Ellbogend und hebt fie 
langfam über den Kopf — Ein— 
atmung — zählt bis drei und führt 
die Arme wieder hinab bis zum 
Bruftlaften, den man dabei ſtark 
zuſammendrückt Ausatmung. 
Dies Berfahren wird nach kurzen 
Pauſen 15—18mal in der Minute 
wiederholt. Beginnt der Beruns 
glücte zu atmen, jo hüllt man ihn 
warm ein, legt ihm Wärmflafchen 
an die Füße und in die Seiten, 
reibt den Körper unter der Dede, 
bürftet die Fußſohlen und Figelt 
ihm Nafe und Schlund mit einem 
Federbart. Sobald er fchluden 
fan, beginnt man ihm heißen, 
ſtarken Kaffee, Wein oder dergl. 


einzuflößen. 


In Schwimmanſtalten die von 
Kindern beſucht werden, muß die 
Aufmerkſamkeit der Wärter und 
Bademeiſter ſtets wach ſein. 

399. Freiſchwimmer. Ebenſo 
dürfen nur Freiſchwimmer, d. h. 
Schwimmer, die 15 Minuten ohne 
Aufenthalt durchmeſſen haben, das 
Baſſin verlaſſen und ins tiefe Waſſer 
gehen. Unter der „Fahrt“ verſteht 
man das Schwimmen von einer 
halben Stunde, das von einer gan⸗ 
zen heißt das „Totenſchwimmen“. 
Bei den letzten beiden Proben darf 
der Schwimmer nad) Belieben die 
Tempi wechſeln; die erfte Probe wird 
durch Bruftihwimmen abgelegt. 

400. Kunſtſchwimmen. Unter 
„Kunftihwimmen“ verfteht mar die 
exakte Ausführung berjelben Tempi 
von mehreren Schwimmern zu glei- 


V. 3. Schwimmſport. 


cher Zeit. Es eignen ſich zu dieſen 
gemeinſamen Künſten das Kette— 
ſchwimmen (ſich an den Händen 
halten oder die Arme unterhaken), 
das Tanzen (gemeinſames Waſſer⸗ 
treten), gemeinſames Rückwärts— 
ſchwimmen, beim Rückwärtsſchwim⸗ 
men einen Kreis bilden, oder einen 
Stern, in dem die Füße gegenein— 
ander geſtellt werden 2c. Das 
„Srerzieren” wird bei jedem milis 
tärifhen Shaufhmwimmen vorge 
führt und zwingt zu ganz bejonders 
forrefter Innebaltung der Tempi. 

401. Wafferfpiele. Einfachere 
deutiche Spiele. 

Das Tauziehen gleiht dem 
auf dem Lande: es werden zwei 
gleich ftarfe Parteien gebildet, deren 
Teilnehmer ſich die ind Tau ge- 
nüpften Schlingen um die Bruft 
legen und auf ein Signal hin mit 
Aufmwendung aller Kraft nad) ent- 
gegengefegter Richtung Schwimmen, 
bis der Tetenjchwimmer einer Par: 
tei ein beſtimmtes Ziel erreicht hat. 

Das deutſche Waffjerball- 
ſpiel, aus dem engliihen und 
amerifanifchen Wafjerpolo entitan: 
den, bat zwei Parteien zu fieben 
Mann, zwei Tore und einen Fuß- 
ball nötig; die fiegende Partei muß 
in 2mal 7 Minuten den Bal am 
häufigſten durch das feindliche Tor 
geworfen haben; nach den erjten 
7 Minuten findet ein Platzwechſel 
der Parteien ftatt. Die von Ul- 
rih Baer im Jahr 1898 aufge 
ftellten Epielregeln find vom Bor: 
ftand des Deutſchen Schwimmver: 
bandes angenommen worden, folg: 
lich maßgebend. 


an re a 


Nro. 401. 


Das Fauftballfpiel hat wie 
dad Polo zwei Spielfelder, von 
denen jedes durch eine Partei von 
8 Spielern bejegt wird; der Ball 
ift aus Gummi und hat 25 cm 
Durchmeſſer. Die Spieldauer be— 
trägt 5 Minuten; die fiegende Bartei 
muß am meijten „Punkte“ und 
„Spiele” gewonnen haben. Ein 
„Punkt“ wird gewonnen, wenn der 
Bal die vor der Waflergrenze ge⸗ 
zogene Duerlinie, die von einem 
5 m breiten, 1'/, m über das 
Waſſer ragenden Tor unterbrocden 
wird, überfchreitet; ein „Spiel“, 
wenn der Ball das feindliche Tor 
pafjiert. Hierauf findet Platzwechſel 
der Parteien ftatt. 

Das Kriegsballfpiel. Das 
Spielfeld wird durch zwei Leinen in 
ein größeres Mittelfeld und zwei 
fleinere Seitenfelder geteilt, eben]o 
die Spieler in drei Parteien. Der 
leichte Gummiball bat nur 15 cm 
Durchmeſſer. Die Mittelpartei ſpielt 
gegen die beiden andern, die ſich 
den Bau nicht zumerfen dürfen. 
Trifft der Bal einen Spieler der 
feindliden Bartei, jo bedeutet dies 
einen Punkt Minus für diefe Partei, 
der Ball darf das Waſſer nicht be= 
rühren. Drei Minuspuntte gelten 
ald ein „Gang“; drei „Gänge“ 
entjcheiden den Sieg. Nad jedem 
Gang wechſeln Mittel: und Außen: 
feld die Bläße. 

Das Kriegsballfpiel wie das 
Fauftballfpiel find von Herrn Otto 
Scharf vom Krefelder Schwimm: 
verein erfunden. 


(Waſſerpolo fiehe bei Polo.) 


26 


HE IE IE IR IE IE IE IE IE SE IE SE SE IE IE IE SEE IE 


VI. Die Jagd. 


Von 
f. v. Sichart, Major a. D., München. 


1. Das deutfche Weidwerk. 


1. Gelchichte, der Jäger und fein Werkzeug, Jagdwelen. 


402. Die Geſchichte des Weid— 
werks ift jo alt, wie das Menjchen- 
geſchlecht und mit deſſen Geſchichte, 
den Wechſel der Zeiten und Sitten 
überdauernd, auf das innigſte ver- 
flochten und bfeibt doch ewig neu 
und reizvoll, wie die Gejchichte der 
Natur, die mit ihren feiten Gejegen 
des Werden? und Vergehens bis 
auf die heutige Zeit noch jo viele 
ungelöfte Nätfel birgt. — Sm 
Ringen um dag Herrſcherrecht mit 
den jtärferen Tierarten teild zur 
eigenen Sicherheit, teils zum Schuße 
der nutzbringenden Tiere, fand der 
Menſch der grauen Borzeit allmäh- 
lich im Uebergewicht die geeigneten 
Kampfmittel und mit deren Ber- 
vollkommnung wuchs in ihm die 
Luſt am Grproben der eigenen 
Kraft und Lift, die Freude an Er: 
folg und Sieg. Aus dem Kampf 
ums Dafein mar mit dem zuneh- 
menden Bemwußtjein eigener Ueber: 
legenheit und dem Reiz, der in der 
Ueberwindung der Gefahr liegt — 
die Luft am Weidwerk entftanden. 

AB Sport im engeren Sinne 
jehen wir das Weidwerk ausüben 
von den Bölfern des Altertums. 


Der Drient erfand die Beizjagd 
und die Geftaltung von großen 
Wildgehegen und Tiergärten. Im 
Kultus ihrer Götter belehnten Die 
Alten ihre jugendfchönen Gottheiten, 
wie Apollo und Diana, mit den 
Attributen der Jagd. Der große 
Wildreihtum Germaniens hat auch 
in unferen Altvordern die Luft am 
fröhlichen Gejaide großgezogen. 
Unter Karl dem Großen erhielt 
die bejcheidene Art zu Sagen feſte 
Formen, nach orientalifchem Beifpiel 
ſchuf der Hohe, Teidenfchaftliche 
Jäger ausgedehnte Yagdhofhal: 
tungen und legte den Grund zu 
dem, was man bis auf den heutigen 
Tag nod das Vorrecht der Könige 
und Herren nennt. Die freie Jagd 
hatte aufgehört und das Jagdrecht 
trat an feine Stelle. Mit ihm 
bildeten fich feititehende Gebräuche 
und Regeln beim Sagdbetriebe au. 
Einen weiteren Abjchnitt in der 
Geſchichte der Jagd bildete dag 
Ende des 30 jährigen Krieged. Der 
Wildftand war wieder gewachſen 
und mit der Erfindung des Schieß- 
pulver3 änderte fich der ganze Be- 
trieb der Jagd felbjt.- Viele fünft- 


VI. 1. Das deuffcdye Weidwerk. 


lihe Yangapparate, wie die Netz⸗ 
jagden, fielen weg und die Dreijur 
des Schmweißhundes und Borfteh- 
Bundes gewann an Bedeutung. 

‚Das Jagdrecht, noch ein befon- 
deres VBorrecht der Fürften und des 
hohen Adels, jogar der hoben 
Geiftlichfeit verwandelte fih durch 
Einteilung der Jagd in hohe und 
niedere Jagd in Sagdregale, nad 
denen die vornehmfte und edelite 
Jagd, die hohe Jagd, ausschließlich 
dem Herrſcher und hohen Geburts⸗ 
adel zufiel. 

Dieſe etwas rauhe Zeit, in der 
noch Fultur= und landwirtjchaftliche 
Intereſſen in den Hintergrund ge⸗ 
rüdt waren, die Jagd ſelbſt noch 
funjtgerecht geübt wurde und, wenn 
nicht Krieg und Fehde die Feudal⸗ 
herren beſchäftigte, als vornehmiter 
Lebenszweck herrſchte, könnte man 
die Blütezeit des edlen Weidwerks 
nennen. 

Aus der Freude und Luſt am 
Jagen hat ſich die Leidenſchaft 
herausentwickelt. Die Befriedigung 
derſelben, der unwiderſtehliche 
Drang, ſich in den Beſitz des ſo 
heiß begehrten Wildes zu ſetzen, 
das durch ſeine Schönheit und 
Farbenpracht, ſeinen feinen Inſtikt 
und die ſcharfen Sinne ſo herrlich 
in den Rahmen der großen, wunder⸗ 
baren Natur hineinpaßt, kommt den 
gewaltigen Naturtrieben, die des 
Menſchen Lebensinhalt beeinfluſſen 
und von einſt bis jetzt die Welt 
beherrſchten, vor allen anderen 
Trieben am meiſten nahe. 

Die rauhen Zeiten des Fauft- 
rechts laſſen den alten englifchen 
Sagdgrundfag erflärlih erjcheinen 
„Edelmannns Sagdfreiheit, ſoweit 
der Himmel blau“. Doch hinterließ 
dieſer Grundſatz auch in unſeren 
deutſchen Jagdgründen manche un⸗ 
heilvolle Spuren. Die zu ſcharfe 
Betonung dieſer Jagdrechte einer⸗ 
ſeits, die im Volke heranwachſende 


Nro. 402. 


Jagdleidenſchaft andererſeits führte 
zu jenen grauſamen Strafen, mit 
denen der Wilderer ſeine Luſt am 
Weidwerk büßte, und bildet noch 
jetzt den Anlaß zu den erbittertſten 
Kämpfen zwiſchen dem Jagdfrevler 
und dem Jagdberechtigten. 

Entfeſſelt wurde dieſe Jagdleiden⸗ 
ſchaft, als nach der franzöſiſchen 
Revolution durch die National- 
verfammlung die Freigabe der 
Jagd Geſetzeskraft erhielt, welchem 
Beiſpiel auch einzelne Staaten 
Deutſchlands folgten. Die Tage 
der pompöſen Parforcejagden waren 
vorüber, auch der Leithund ver: 
ſchwunden und die privaten Jagd⸗ 
rehte mit einem Schlage ver: 
nichtet. 

Die legte Periode, welche bedeu⸗ 
tende Veränderungen der Yagdver- 
hältnifje bervorrief und von ent: 
jheidendem Einfluß auf das Jagd: 
mwejen unjerer Tage wurde, trat im 
Jahre 1848 in die Erſcheinung. 
Das Jagdrecht in feiner urjpüng- 
lichen Form erhielt fi nur in der 
Ausübung auf eigenem Grund und 
Boden und der Jagdſport in feiner 
jegigen Geftalt fand in dem Jagd— 
gejeg eine in jeder Beziehung das 
edle Weidwerk fördernde Baſis. 

Als Gegenftand auf dem Geſamt⸗ 
gebiete des Sportes nimmt das 
Weidwerk durch die große Neid): 
baltigfeit der Materie und viel- 
feitige Abwechslung eine hervor: 
ragende Stelle ein troß der Gegen 
vorftellungen der Nichtjäger, die it. 
dem Meberliften und Töten des 
Wildes eine graufame unäfthetifche 
Betätigung erbliden. 

Nur der echte Weidmann ift im- 
ftande, die hohen ethiſchen Begriffe, 
die in den verfhiedenen Momenten 
ihn feelifh jo befriedigen, ihren 
vollen Wert nach zu beurteilen. 
Das Gefühl der Erwartung 
großer Sägerfreuden und die viel: 
verfprechenden Vorbereitungen, das 


ro. 403. 


3. v. Sichart. 


Borfpiel gewiffermaßen, ferner | man mit dem Wort „meidgeredhi“ 
die Erreichung des fehnlichen Wunz= | bezeichnen muß. Dieſen Charatter 


ſches und der endlihe Befig, der 
un glüdliiden Schuß feinen Ab- 
ſchluß findet, der Höhepunkt 
derbetätigten Jagdleiden— 
haft, und die Erinnerung, 
die in der Jagdtrophäe als Geweih, 
Gehörn, Federſchmuck oder als na- 
turgetreues Präparat die Gedanken 
jo reizvoll rückwärts Fonzentriert, 
ſozuſagen das Nachſpiel, alle 
dieſe drei Momente mag der Weid⸗ 
mann nicht miſſen, ſie erſt geben 
feinem Jägerleben den rechten In- 
halt. Sm modernen Leben der 
Ueberfultur entrüdt ihn dag Weid— 
werf aus der erftifenden Luft und 
der Unnatur des gejellfchaftlichen 
Lebens, er fühlt ſich wieder als Kind 
der Naturvon drückender Taft befreit. 

403. Der Jäger und Weib- 
mann. Die Dualififation zu einem 
wetdgerehten Jäger erwirbt 
man fich nicht durch Geſchicklichkeit im 
Tontaubenſchießen, obwohl dieſer 


Sport zur Erhöhung der Schieß⸗ 


fertigfeit fehr nüglid) genannt wer= 


den mag, auch nicht, wenn man 


auf den Hühnerjuchen oder bei den 
großen Hafenmorden, gen. Kejjel- 
jagden, gewohnt ift, ftet3 mit dem 
beten Rekord abzujchlieken, over 
wenn man burdh ſeine hohe Streden- 
zahl an Hirſch, Rehbock, Auerhahn, 
Fafan 2c. in regelrechten Jubiläen 
jeine Schießfertigfeit in breiter 
Deffentlichfett rühmen läßt. Bei 
diefer Art zu jagen ſpielt die Eitel- 
feit Die Hauptrolle. Die teuerften 
Gewehre, die eleganteften Jagd⸗ 
anzüge, die venommiertefien Hunde, 
die durch den Mammon erleichter: 
ten Sagdgelegendeiten und der 
ſchrankenloſe Gebraud der fogen. 
jilbernen Kugel geben dieſem 
Sportsmann wohl das Relief zu 
einem gewaltigen Säger. vor dem 
Herrn, zu einem richtigen Kern 
fehlt ihm jedodh eben das, was 


fann man ſich nicht erwerben, weder 
durch Fleiß noch Geld, er muß an- 
geboren fein. Diejer Charalter 
findet feinen Inhalt in der großen 
Liebe zur Natur, in der Gabe, im 
Buche derfelben zu lejen, in dem 
Verſtändnis aud für die kleinſten 
Freuden des Wildes und in dem 
warmen Herzen für feine. großen 
Leiden, ferner in dem fcharfen und 
geübten Blick im Beitätigen und 
Anſprechen des Wildes, ſowie in 
der Enthaltjamfeit und der weid: 
männiſchen Art der Erlegung. 

Neben dieſen Eigenſchaften ift 
erforderlich ein gründliches Eingehen 
auf die Lebensgewohnheiten des 
Wildes. Kein Studium, auch der 
beiten Werfe, genügt, hier muß in 
der zwar goldenen, aber rauhen 
Jägerpraxis erſt der Bruch erwor⸗ 
ben werden, der den Sportsmann 
zum weidgerechten Jäger 
ſtempelt. 

Hirſchgerecht und fährten— 
gerecht nennt man den Säger, 


der imftande ift, aus der Fährte 
des Wildes, der Art ihres Ein: 


dvruds im Erdboden, ferner aus 
den vom Wildkörper herrührenden 
Veränderungen in der Umgebung 
der Fährte jede Wildart, auch in 
bezug auf Stärke und Geſchlecht, 
feftzuftellen, fein Verhalten und 
Benehmen im gegebenen Augen: 


bit richtig anzuſprechen und den 


Sik der Kugel, die Schwere der 
Verwundung und ihre Art ficher 
zu beftimmen. 

Was die Förperliche Befähigung 
die Schießfertigteit und Wider: 
ttandsfähigfeit des Jägers gegen 
Mitterungseinflüffe betrifft, fo 
dürften erflärende und erläuternde 
Worte überflüfftg fein, der Begriff 
von Sport jeglichert Art ftellt die 
Beherrſchung des abgehärteten und 
geftählten Körpers als feftftehenden 


Kr 
5 


———— — — u — 


VI. 1. Dax deutſche Weidwerk. 


oberiten Grundfag an die Spibe 
feiner Theorien. 

404. Die Bekleidung und Aus: 
rüftung des Jägers bildet einen 
wichtigen Zweig bei der Ausübung 
ver Jagd. Sm allgemeinen kann 
als Grundfag gelten, fih im Som: 
mer nicht zu leicht, im Winter nicht 
zu warm zu fleiden. Naturfarben 
und widerſtandsfähig ſoll das 
Kleid des Jägers ſein. Der Hoch—⸗ 
gebirgszjäger wird andere Anfor⸗ 
derungen ſtellen, wie der Flachland⸗ 
jäger. 

Der eine liebt leichtere, loſe 
Kleidung, der andere feften, ge- 
ſchloſſenen Sit. Geſchmack und 
Mode, Zahreszeit, Witterung, Höhen- 
lage und Sagdart, ob Pirſche oder 
Anftand, Sudhe oder Treibjagd, 
find von entjheidendem Einfluß, 
ebenfo ob der Jäger längere oder 
fürzere Zeit auf dem Stande fidh 
befindet, ob er genötigt ift, viel 
und anhaltend in ebenen oder ber: 
gigem Gelände zu jagen. 

Auch in der Wahl des Sagd- 
ftoffed, od Loden oder Mancheſter, 
Molle oder Leinen, Glaceleder oder 
ſämiſches Leder, geben Liebhaberei 
und Grfahrung den beiten Aus— 
Thlag. Jedes Land mit feinem 
vorherrfchenden Iandwirtfchaftlichen 
Charakter, mit den verschiedenen 
Sitten und Gebräuchen hat feine 
eigenen Bariationen, feine bejtimmte 
Mode und Bedarfsgrundfäge. Die 
am Schlufje des Werkes aufgeführ: 
ten großen Sportmagazine und 
renommierten Fabriten geben von 
der Neichhaltigfeit diefer Materie 
genügenden und für. die nähere 
Auswahl treffenden Aufſchluß. 

Die Unterfleidung fei je nad 
Sahreszeit nicht zu leicht, von großer 
Aufjaugungsfähigfeit, nicht läftig 
für die Haut und doch ein wirk— 
famer Schuß gegen Verkühlung. 
Der Schuh oder Knieftiefel ſei nicht 
zu ſchwer, bequem am Fuß, mit 


Niro. 404. 


niederen Abfäten verfehen und 
waſſerdicht, gleichviel ob Sommer 
oder Winter, Schnee oder Regen 
und Tau feine Feftigfeit auf die 
Probe ftellen. Die. Feuchtigkeit, 
die durch das Leder ſchlägt und 
den Fuß durchnäßt und erfältet, 
fann zur größten Gefahr für Die 
Gejundheit des Jäger werden und 
Ihlimme Erkrankungen zur Yolge 
haben. Die Frage, ob Schnürſchuh 
oder Schaftftiefel, genagelt oder 
glatt und mit Gummifohlen ver: 
jehen, muß die Jagdart entjcheiden. 
Sm Sommer find für den Schnür= 
ſchuh hohe Wadenftrümpfe oder 
Leinengamafchen, im Herbit und 
Winter Gamaſchen von Leder mit 
oder ohne Vorſchuh und ſolche von 
Loden oder Filz zu empfehlen. Die 
Kopfbedeckung ſoll möglichſt leicht 
und weich ſein, ſie darf die Stirne 
nicht zur Schweißbildung reizen 
und ſoll die Augen ſchützen gegen 
blendendes Sonnenlicht. Die Joppe 
ſelbſt, gleichviel aus welchem Stoff 
fie gewählt wird, ſoll viele Innenz, 
wenig Außentafchen "haben, im 
Winter find fog. Mufftafhen fehr 
praftifih. Die Weſte kann aud) 
Aermelweſte ſein, im Sommer und 
Herbſt aus leichteſtem Gewebe, be— 
quem im Ruckſacke zu tragen, im 
Winter aus weichem Leder oder 
feſter, warmer Wolle. Auch die 
Pelzjoppe hat große Vorzüge. ALS 
ganz vorzüglich hat fich der Wetter: 
mantel bewährt, der in jeder Form 
den Jäger vor den Unbilden der 
Witterung zu ſchützen vermag, ohne 
ihn, wegen feine geringen Ge: 
wicht, zu beläftigen. Er: wird 
praftifch zufammengelegt, teil® auf 
der Schulter, wie im Hochgebirge, 
teil® Durch die Lederriemen des 
Ruckſackes gezogen, den Jäger nicht 
ſehr belaſtigen Der gleiche Stoif 
wie für die Sjoppe ift auch für 
die Sagdhofe maßgebend. 

Die weitere Ausrüftung Des 


ro. 405. 


Jägers befteht in einem feſten, ſo⸗ 
livden Jagdmeſſer mit feftzuftellender 
Klinge, Korkzieher ꝛc., in Jagdtafche, 
Patronentaſche oder Rudjad und 
Jagdglas. Letzteres ift für den 
Pirſchjäger unerläßlid. Die op- 
tiihen Fabriken ftellen dasfelbe in 
vorzüglicher Güte her, eine nähere 
Aufklärung hierüber erfcheint mir, 
als zu befannt, überflüffitg. Große 
Lichtſtärke und weites Geſichtsfeld, 
auch bei fehlechter Beleuchtung, ift 


unerläßlid. So groß die Vorzüge | f 


der modernen Prismengläfer find, 
die einfachen, aber lichtſtarken 
Sagdgläfer haben fie big jetzt noch 
nicht zu verdrängen gewußt. Die 
jchwierigfte Probe für das Jagd: 
glas ift die Dämmerung, bei der 
das Wild am häufigſten austritt 
und melde eine große Lichtftärke 
des Glaſes verlangt. 

405. Die Kunft des Schießens 
befteht in der Fertigkeit, ven Schuß, 
Schrot oder Kugel, dahin zu werfen 
bezw. zu dirigieren, wo er tödliche 
Wirkung hat. Beim jtehenden oder 
ziehenden, d. i. langſam ſich bewegen⸗ 
den Wild, ift dag ja feine Kunſt, nicht 
aber beim anlaufenden, flüchtenden 
oder fliegenden Wilde, das ab: 
warts oder aufwärts, in der Ebene, 
vom Säger weg, d. h. jpi von 
hinten, oder zum Jäger, ſpitz von 
vorn, Jich bewegt, oder halbſpitz, 
im Hafen abjpringt, die Schnellig- 
feit ändernd unter leichten oder 
fchwierigen Berhältniffen, auf kurze 
Dauer oder längere Zeit ſichtbar 
wird und Dadurd) die Trefflicherheit 
auf harte Proben ftellt. Ungemein 
zahlreich find die Variationen, na⸗ 
mentlich wenn ſchlechte Beleuchtung, 
Nebel, grelle® Sonnenlidt und 
Schneeblende ihren Einfluß dazu 
äußern, verjchiebt und erjchwert 
fih der Zielpunkt, mit ihm in 
naturnotwendiger Folge der Treff: 
punti, wenn auch oft unmerklich, 
aber im entſcheidenden Moment 


3. v. Sichart. 


ausſchlaggebend. Nicht in Anrech⸗ 
nung iſt hiebei das Jagdfieber ge⸗ 
bracht, d. i. die mehr oder minder 
hochgradige Aufregung, die ſich des 
Jägers beim Anblick beſonderer 
Wildarten bemächtigt und im 
Hirſchfieber den Höhepunkt zu er⸗ 
reichen pflegt, ein fieberhafter Zu⸗ 
ſtand, der den Jäger oft außer 
Stand ſetzt, den Schuß abzugeben, 
in weniger aufregenden Fällen die 
Treffſicherheit zum mindeſten ſtark 
chädigt. 

Der Schrotſchuß iſt nur auf 
Niederwild und Federwild anwend- 
bar und bietet dur die ſtarke 
Streuung der Schrote größere 
Treffwahrjcheinlichkeit, findet aber 
feine Grenze auf 45 m, d. i. die 
normal zuläffigfie weiteſte Entfer- 
nung, darüber hinaus wird jelbft 
von den beiten Gewehren eine ver: 
läffige Leiftung nicht immer zu er: 
warten fein. Das MWild verdient 
nicht, daß es nur zur Erreichung 
einer hohen Stredenzahl erft lange 
Leiden zu ertragen hat, bis e8 end- 
lich von diefen erlöft wird. Wohl 
haben die Gewehrtechnik wie die 
Patronenfabrifen vorzügliche Ge: 
wehre und Munition in den Handel 
gebracht, die bei genauem Zielen 
eine weite Schußbiftang zu redt: 
fertigen fcheinen, aber die von 
Stimmung, Laune, Witterung und 
Gewandtheit abhängige Treffſicher⸗ 
heit auch des ſonſt zuverläſſigſten 
Schützen iſt nicht immer fo gleich⸗ 
bleibend, daß dieſer zur Aufſtellung 
des Grundſatzes ſich berechtigt halten 
darf: „Mein Gewehr hat bis auf 
80 Schritte Durchſchlag und Deckung, 
alfo ſchieße ich auf 80 Schritte.“ 

Bleibt nun dad Wild auf Diele 
Entfernung .nicht im Feuer, dann 
glaubt der. betreffende Herr gefehlt 
zu haben, während das betreffende 
Wild frank abgeht. Eine gemiffen- 
bafte Prüfung des Anfchuffes und 
Nachſuche dürfte wohl felten von 


| 


t 
1 


VI. ı. Das beuffche Weidwerk. 


diefen Herren erwartet werden, 
namentlich wenn die Streden groß 
find und jagdlide Genüffe noch 
mehr in Ausficht ſtehen. Weid- 
geret nennt man ſolche Säger 


De Kugelſchuß verlangt große 
Uebung und wird jehr jchwierig 
auf flüchtendes oder eilig ziehendes 
Wild, das von Bäumen und Sträus 
ern gededt wird. Im allgemeinen 
fol man die Kugel im Lauf be: 
halten, wenn man das Blatt des 
Wildes nicht frei befommt. Weid- 


wundihüffe und Laufihüfle gelten | m 


im allgemeinen als ſchlechte Schüffe. 
Ueber die Theorie des Zielen und 
Schießens ſehe ih in Anbetracht 
des beſchränkten Raumes hinweg 
und befchränfe mi nur dem Cha- 
ratter des Werkes als „Goldenes 
Buch des Sportes“ entſprechend 
einige goldene Regeln anzuführen. 

Grelles Sonnenlidt gibt Kurz 
ſchuß, ſchwaches Büchſenlicht Hoc: 
ſchuß. Wild im dunklen Hinter: 
grund erjcheint weiter, man über: 
fhätt hier häufig die Diftanz, beim 
Schießen bergab und aud in der 
Ebene wird die Diftanz häufig 
unterfhäßt. Sonnenlicht von der 
Seite ergibt Abweichung des Ge- 
ſchoſſes nach der entgegengejetten 
Seite, ebenfo Verdrehen oder Ber: 
fanten des Laufes, auch das zu 
fefte Anftreiden an einem Baum 
ergibt gleichfeitige Abweichung. 
Kommt der Hafe jpig oder halb— 
fpig von vorn, fo ilt der Schuß 
vor den Hafen in defjen Laufrich- 
tung binzumerfen, fpringt der Hafe 
vom Schügen weg, muß über ihn 
binausgefchoffen werben. 

Nah aufftehendes Flugmwild joll 
erſt bejchofjen werden, wenn es 
Flugrihtung genommen hat, den 
ſpitz auf den Schüßen zuftreichenden 
Faſan jchießt man am ficherften ins 
Geſicht oder nach raſchem Umdrehen 
ihm nad. Der alte Kobell jagt: 


| Feinkorn, 


Nro. 405. 


„Am Huhn von vorn, von hinten 
am Haſen, 
Iſt leicht das Schrot vorbei⸗ 
geblaſen.“ 
Der eingangs erwähnte Grund— 
ja, den Schuß dahin zu werfen, 
wo der bejte Treffpunkt zu liegen 
fommt, der abfolute Tötung ver: 
ſpricht, erhält noch die Erweiterung, 
daß der Schüge auf flüchtendes 
oder fliegende® Wild eine nad 
Schnelligkeit des Wildes bemefjene 
Vordiſtanz, das jogen. Borhalten, 
fich jtedden bezw. zu eigen madjen 


uß. 

Diefe Geſchicklichkeit wird ſich in 
der Praxis jo geftalten, daß man 
in der Richtung des fich bewegen: 
den Wildes, indem man Kopf oder 
Blatt anvifiert, mit dem Gewehr: 
lauf folgend eine bejtimmte Ent: 
fernung (halbe oder ganze Wild- 
länge) vorfährt und im Vorfahren 
den Schuß abgibt, fehlerhaft wäre, 
wenn man nad dem Borfahren, 
wie ed manche Säger oft unbemußt 
tun, einen furzen Moment ftehen 
bleibt, was natürlich die beabfich- 
tigte Wirkung aufhebt, die darin 
befteht, ven Zeitraum zwiſchen Ent- 
ſchluß, Abdrüden und Ankunft der 
Schrote örtlih auszugleichen. 

Es muß das Geſchoß im Mit: 
ziehen des Gemehrlaufes denjelben 
verlaffen. Diefe Marime ift aud 
für den Kuaelfhuß auf flüchtendes 
Wild mit der Modifikation maß- 
gebend, daß man in Anbetracht der 
bedeutenden Anfangsgejchwindigfeit 
des Büchſenlaufgeſchoſſes dieſe Di- 
ftanz des Vorhaltens fo verringert, 
daß man bei Großmild das erite 
Haar an der Blattjpike als Ziel: 
punkt nimmt, bezw. an den Border: 
läufen abzieht und den Moment 
des Aufipringens auf die Border: 
läufe als Zeitpunft des Schuſſes 
wählt. 

Die Unterfchiede von Grobforn, 
Geftrihenforn, vom 


ro. 406. v. Sichark. 


Hineingehen in das Ziel, dasſelbe 
auffigen oder verſchwinden laſſen, 
hängen von Beleuchtung, Entfer: 
nung und der Güte der Schuß: 
waffe ab und find fo bekannt, daß 
ih fie hier nicht näher erklären zu 
müſſen brauche, 

406. Bon den Jagdwaffen 


fommt eingehend nur die Schuß: | 5 


waffe zur Beſprechung. Die 
blante Handmwaffe, der Hirſch— 
fänger und dad Weidmeſſer find 
nur als Beiwerk anzufehen, gehören 
aber zur unbedingten Ausrüſtung 
des Weidmanns, wenn es gilt, 
dem angejchofjenen größeren Wild, 
Hirſch, Sau, Gems oder Nehbod, 
den Fang zu geben oder dag er- 
legte aufzubrechen und zu zerwir⸗ 
ten. Diefe Tätigkeit bejchäftigt 
wohl großenteil3 den Berufsjäger, 
muß aber auch vom Herrenjäger 
nicht nur als befannt, fondern aud) 
in der grünen Praxis als wohl 
geübt verlangt werden, da aud 
diefer Häufig genug in die Lage 
fommt, den richtigen Gebrauch da⸗ 
von maden zu müffen. Ein trau 
riger Säger muß der genannt wer: 
den, der nicht imftande wäre, den 
erlegten Hirsch zu lüften oder den 
Rehbock aufzubredhen. In welcher 
Meife dies weidgerecht zu gejchehen 
fei, findet bei der Jagd auf den 
Gemsbock noch kurze, nähere Er- 
klärung. 

Die Jagdgewehre. Die 
Entwickelung und Technik der Jagd⸗ 
gewehre hat mit der der Kriegs— 
waffen ſtets gleichen Schritt ge⸗ 
halten trotz der feſten und zähen 
Art, mit der im Weidwerk ergraute 
Jäger an der ihnen ſo lieb ge— 
wordenen alten Waffe hingen. Die 
alten Borderlader mit Steinſchloß⸗ 
und dann Perkuffionzzündung hat- 
ten in den fechziger Jahren des 
vorigen SahrhundertS begonnen, 


Damaft, eine Verbindung von 
Stahl und Eifen, erforderte bald 
nad Einführung der Handfeuer⸗ 
waffen viele Mühe und Sorgfalt 
und die kunſtvoll, jolid und jchön 
bergeftellten Läufe mit den feinen 
Muftern erfreuten fich noch die 
legten Sahrzehnte großer Beliebt: 
eit. 


Drahtdamaſt, Hufnageldamaſt, 
Bernarddamaſt und türkiſcher oder 
Roſendamaſt waren die in Deutſch⸗ 
land beliebteſten Damaſtmuſter und 
werden noch heutigen Tages gerne 
geführt. Die Herſtellung der Läufe 
aus Eohlenftofffreiem Gußſtahl 
brachte eine gewaltige Ummälzung 
und Berbilligung der Läufe. 

Die meilten Hinterlader 
tragen das Kipplauffyften oder 
wie dag Dreyfefche einen auf ber 
Bewegung der LZäufe erjt nad) vor: 
wärts, dann nad) ſeitwärts beruhen: 
ven Mechanismus. Schon in den 
eriten fünfziger Jahren de8 19. Jahr⸗ 
hunderts waren die franzöfilchen 
Lefaucheur- und Dreyfe-Zündnadel: 
gewehre in Gebrauch gekommen. 
Anlehnend an die Berkuffionszün- 
dung der alten Vorderlader, bür- 
gerten fih die Lancaftergemwehre 
raſch ein, die noch heutigentags 
vielfach im Gebrauch ftehen. 

Das hahnenloſe Schrot— 
gewehr, das in der Dreyſeſchen 
Schlagbolzenzündung eine weſent⸗ 
liche Verbeſſerung erhalten und in 
dem Teſchner⸗Collathſchen Gewehr⸗ 
ſyſtem eine große Vervollkomm⸗ 
nung und Verbreitung gefunden 
hatte, findet in der Neuzeit allge⸗ 
meinen Eingang und wird von den 
großen renommierten Gewehr⸗ 
fabrifen Deutſchlands in vorzüg- 
lider Qualität bergeftelt, melde 
den engliihen Fabrikaten in nicht? 
nachſteht. 

Die Herſtellung von rauch— 


den Hinterladern Platz zu machen. ſchwachen Pulverſorten mit 
Die Fabrikation der Läufe aus ſtarkem Gasdruck bereitet dem 


— — 





VI. 1. Das deuifche Weidmwerk. 


Schhwarzpulver gewaltige Konkur⸗ 
renz, bedingt jedoch einen hohen 
Grad von Feitigkeit in den Ver⸗ 


fchlüffen und tadellofe Sicherung. | | 


Ohne amtlihe Beſchußprobe follte 
fein Gewehr gefauft werden. 

Die Leiftung eined guten Ge- 
mwehrlaufes ijt bedingt durch den 
Grad der Streuung und des Durd)- 
ihlagd. Die Chofbohrung, 
auh Würgebobrung genannt, d. i. 
die Verengung des Laufes auf 10 
bis 15 cm vor der Mündung, hat 
diefe Frage glüdlich gelöft. Diefe 
Bohrung bezwedt, den vorderen 
Zeil der Schrotjäule derart in 
ihrer Bewegung aufzuhalten, daß 
die mit großer Gefchwindigfeit auf 
die vorderen aufprallenden Schrot: 
förner in diefe eindringen, fich ein 
feilen und ihre größte Kraft auf 
dieje übertragen. Die Bibrationg- 
und GlaftizitätSverhältniffe der 
Läufe müffen auch hierbei in Be: 
rüdfihtigung treten, denn es hat 
fid in der Erfahrung oft genug 
ergeben, daß nicht ein Chokhohr⸗ 
lauf wie der andere fchießt. Un⸗ 
gleichmäßigfeiten in der Wand: 
ftärfe und im Zuſammenlegen der 
Läufe ift gleichfalls beftimmend auf 
die Güte der Chofbohrung. 

Die Steigerung der Schußbereit- 
fhaft hat auf dem Gebiete des 
Schrotſchuſſes die Schrotrepe- 
tiergewehre geſchaffen, unter 
denen das Windejterfgftem und das 
Bromningrepetiergewehr die Füh— 
rung übernommen haben. Die Zahl 
der Schüffe ift 5—6. Leider müfjen 
diefe Gewehre jehr ftarf gebaut wer: 
den, find deshalb ziemlich ſchwer und 
Ladehemmungen nicht immer zu 
vermeiden, jo daß gegebenen Falles 
ein derartige® Gewehr jchließlich 
auf das Niveau einer einläufigen 
Zlinte im günftigen Falle zurüd- 
fintt, ein Vergnügen, das durch 
da8 hohe Gewicht ziemlich ‚teuer 


und gemwährleijtet 


Niro. 406, 


befferungen find ja nicht ausge- 
ſchloſſen, eine abfällige Kritik joll 
auch von meiner Seite dies nicht 
ein. 

Die Kugelgemwehre finden 
in Berbindung mit Schrot— 
läufen Verwendung als Büchs— 
flinten einfachen Syſtems, Bod- 
büchsflinten, bei denen der Stugel: 
lauf unter dem Schrotlauf fich be- 
findet, als Schrotdrillinge mit 
einem Kugellauf unter den Schrot- 
läufen oder als Doppelbüchsdril: 
ling mit dem Schrotlauf unter den 
Kugelläufen, als PVierling mit je 
zwei Schrot: und Kugelläufen ꝛc. 

Ich fege voraus, daß diefe Waffen 
alle zu befannt find und begnüge 
mich, noch beizufügen, daß die Be- 
nügung des zylindrischen Schrot- 
laufes für den Kugelfhuß durd) 
die Erfindumg paffender Gefchoffe 
mit bejonderer Führung, wie der 
Witzlebenſchen Yanggeichoffe und 
der Stendebachgefchoffe, eine fehr 


glüdlihe Löfung gefunden hat, fo 


dag ſowohl Büchsflinte wie Schrot- 
drilling bei Rotwildjagden eine Ver=- 
wendung als Doppelbücdjen er: 
halten können. Diefe Gejchojie 
geben auf 80 m nody einen recht 
guten Schuß. 

: Reine Kugelgemwehre find 
die Doppelbüchſen, einfachen Pirjch- 
büchfen und Repetierbüdjjen. Leb- 
tere finden, mögen fie Mannlicher-, 
Maufer: oder Martinifyftem führen, 
Verwendung bei den Jagden auf 
Notwid, Tamwild, Gams und 
Sauen und werden aud), wie Büchs- 
und Drillinge, mit Ziel- 
fernrohre verjehen viel ge— 
braudt. Dieſes Fernrohr firiert 
auch auf weite Entfernung durch 
dag im Glas an Etclle des Bifiers 


‚enthaltene Fadenkreuz, den Ziel: 


ftachel oder Zielknoten, das Objekt 
einen ficheren 
Schuß. Für alte Augen, die fern- 


erfauft wird. Doc — künftige Ver⸗ ſichtig geworden find, ift das Ziels 


Rev. 407. 


fernrohr ein guter Notbehelf. Die 
Möglichkeit, durch Die große Schuß⸗ 
leiftung der kleinkalibrigen Waffe 
einen weiten Schuß zu wagen, ent: 
bindet den meidgeredhten Jäger 
nidt von der Berpflichtung, nur 
im äußerften Notfalle einen der: 
artigen Schuß zu wagen, denn es 
iſt unmöglid, das Pirſchzeichen 
des getroffenen Wildes auf weite 
Entfernung zu erkennen, den An⸗ 
ſchuß richtig feitzuftellen, abgejehen 
davon, daß nad meiner Anficht 
gerade in ber Weberwindung 
größerer Schmierigfeiten und im 
längeren und näheren Beobachten 
und Anpirihen des Wildes mit 
der Hauptreiz der Jagd zu fuchen tft. 
Das Kaliber ver Kugelläufe 
variiert zwiſchen 6 und 11,5 mm, 
das Fleinere Kaliber 6 und 7 mm 
wird ſich wohl nur auf Kleinwild 
und bei Schonzeitbüchſen (geringes 
Gewicht, geringer Knall) erhalten. 
8 mm dürfte auf größeres Wild 
wohl dag zuläffig Heinfte Kaliber 
bleiben, es beiteht Gefahr, daß 
namentlich bei größeren Wildarten 
der Wildförper glatt durchſchlagen 
wird, wenn das Geſchoß nicht auf 
Knochen zu treffen fommt. “Das 
Mild hat geringen Schweißverluft, 
und kommt in den feltenften Fällen 
zur Strede, leidet jedoch große Not 
und geht meiſt aud ein. 
Ringgefchoffe, Reifringgeſchoſſe, 
Randkegelgefhoffe und folde mit 
Kupfermantel haben fämtlih die 
jagdlihe Probe mit Erfolg beſtan⸗ 
den, jedes für fih hat feine Be— 
rechtigung und erfordert bei Be- 
rüdfihtigung der Stärke der Ladung 
und der Dualität des Laufes erſt 
die Beftätigung feiner Leiftung in 
der grünen Praxis. | 
Die gebräuchlichſten Schrotfaliber 
find 12, 16, 20 und entfpreden 
einer Lauffeelenweite von 18,6, 
17 und 16 mm. 
407. Der Jagdhund, der 


EIl————— — 


J. v. Sichart. 


treueſte Freund und Begleiter des 
Jägers, findet ſeine Verwendung 
faſt in allen Zweigen der Jagd. 
Seine ſcharfen Sinne, vor allem 
die feine Nafe, laſſen ihn geradezu 
als unentbehrlich ericheinen. Es 
gehört ein angeborenes Verftänd- 
nig dazu, alle die Eigenſchaften, 
die in dem befähigten Hunde liegen, 
audzulöfen und fih nußbar zu 
machen. | 

Ich befchräufe mich darauf, nur 
fur; die Verwendung der verjdie: 
denen Jagdhundearten zu jfizzieren. 
Der Vorſtehhund dient zum 
Auffuden und Vorſtehen des 
Wildes in Wald und Flur, mag 
er nun Deutſchkurzhaar oder Lang⸗ 
haar oder Pointer, Stichelhaar oder 
Griffon, Gordonfetter, iriſcher 
Setter oder engliſcher Setter fein. 
Er fol eine vorzüglide Naje und 
unbedingten Gehorfam befigen, ein 
verläjfiger Apporteur zu Waſſer 
und zu Land fein und auch Schneid 
auf Raubzeug haben. Schweißfährte 
verläfftg zu halten, Tod verweiſen 
oder verbellen läßt ihn noch wert: 
voller erſcheinen. Befist ein Bor- 
ſtehhuud nun alle diefe Eigen: 
ſchaften, und zwar mit der Durd- 
ſchnittsnote gut, jo wird er dem 
Jäger geradezu unentbehrlich wer: 
den. Das Ausbauen diefer Eigen: 
ſchaften erhöht den Wert, die Be 
deutung und den Reiz der Jagd 
in hervorragender Weiſe und ift 
von unverfennbarem Einfluß auf 
das Prädikat der „Weidgerechtig⸗ 
keit“ des Jägers ſelbſt. Jeder Jagd⸗ 
herr ſollte die ſtändige Führung 
ſeines Jagdgenoſſen ſtets ſelbſt 
übernehmen und nicht allein auch 
der bewährteſten Hand ſeiner Be: 
rufsjäger überlaſſen. 

Im Hochgebirg bei der Jagd 
auf Hirſch und Gams findet der 
genannte Vorftehhund feine Ber: 
wendung, feine Eigenjchaften Fön: 
nen ji dort bei dieſem Jagd— 


VI. ı. Das deutſche Weidwerk. 


betrieb nicht entfalten. Hier ift der 
Shmweißhund und Dachshund 
mehr am Pla. Auch der beſte 
Hochgebirgsjäger kann den Schweiß 
Hund nicht entbehren. Die Auffin- 
dung der Anfchußitelle, der Schweiß: 
fährte ift durch den Gebirgs— 
charakter ſo erſchwert, Felſen, Ge⸗ 
röll, Schnee und Eis verwiſchen 
dort in kurzer Zeit jeden Eindruck, 
daß es ſchon der feinen, findigen 
Naſe des auf kurzen, gedrungenen 
Läufen ruhenden Schweißhundes 
bedarf, das Wild zur Strecke zu 
bringen. Der Schweißhund, ob 
Dachshund oder hannoverſcher oder 
ſog. Gebirgsſchweißhund, führt an 
der Leine den Jäger verläſſig zum 
Wild oder verbellt das verendete 
Stück oder hetzt den Angeſchoſſenen 
mit hellem Halſe zu Stande, bis 
ihm der Jäger den Fangſchuß zu 
geben vermag. Seine Dreſſur be⸗ 
ruht mehr auf Anlage und lang⸗ 
währende Praxis, verlangt einen 
ſehr geübten, geduldigen und er- 
fahrenen Jäger. 

Einen Erſatz bildet der oben 
ebenfalls erwähnte krummläufige 
Dachsſshund oder Dackel, ein 
ungemein intelligentes, aber eigen⸗ 
ſinniges und ſchwer abzurichtendes 
Tier. Er findet vornehmlich als 
Bauhund Verwendung, um Fuchs 
und Dachs zu ſprengen, iſt wegen 
feiner großen Schneid und Ge: 
mwandtheit aud) an Sauen zu ver: 
wenden und leiſtet wertvolle 
Dienfte bei Waldtreiben in dichtem 
Unterholze durch feinen eminenten 
Sagdeifer, namentlich wenn er ge= 
mwöhnt wird, nicht über den Bogen 
hinaus zu jagen, auch beunruhigt er 
den Wildftand nicht, da das Wild, 
namentlid Reh und Hafe, den 
furzläufigen, mehr eifrigen als 
fchnellen Kleinen Kerl bald zu fürd: 
ten verlernt. Auch ald Schweiß: 
hund leiftet er an der Leine her⸗ 
vorragende Dienite. 





Nro. 408. 


Ihm ähnlich, aber viel drefjur- 
fähiger ift der Spaniel oder 
Machtelhund, eine Hunderaffe, 
die nah vielen Dezennien Ber: 
gefienheit jett durch Züchtung 
neuen Auffhwung erhält. Der 
Spaniel ift wenig größer als der 
Düdel, befigt guten Appell, läßt 
fih leicht abrichten, lernt raſch 
kleineres Wild zu apportieren, 
zeigt gute Naſe und ſtöbert laut 
jagend im dichteſten Geſtrüpp durch 
ſeine ſtarke Behaarung geſchützt auf 
Haſe, Huhn, Faſan, Schnepfe, Reh 
und lernt mühelos totverbellen. 
Die Beſchreibung der Dreſſur 
des Jagdhundes überhaupt fällt 
nicht in den Rahmen des Sports, 
die Kenntnis derſelben iſt aber für 
den Sportsjäger ſehr wichtig, da 
von der Tüchtigkeit und Verläſſig— 
feit des Hundes zum größten Teil 
der Erfolg des Jägers abhängt. 
408. Einzeljagd. Die vor: 
nehmfte und genußreichite Art zu 
jagen, ift die Pirfhe. Sie foll 
am beiten allein ausgeübt werden 
und erhält erſt dann ihren Haupt- 
reiz, wenn der betr. Säger ohne 
Hilfe oder Anmweifung und Führung 
eines Sagdbegleiters dieſe ausübt. 
Selbftverftändlich ijt genaue Kennt: 
nis des Nevierd wie des Stand- 
ortes und der Wechſel des Wildes 
Grundbedingung. Lautlos, im lang: 
famften Tempo, häufig ſtehen⸗ 
bleibend, jedes Geräufch vermei- 
dend, mit gutem Winde, überall 
binfehend und =hörend, pirfcht der 
Jäger alle die Stellen ab, wo er 
das Wild vermutet. Er darf nicht 
planlo8 feinen Weg gehen, die 
Zeit und Dertlichfeit wohl bered- 
nend und abmwägend, dem Wild 
auf feinem Wechſel oder augen: 
blilihen Aufenthalt entweder zu 
begegnen oder ihm nachzuziehen 
oder defien Wechfel Freuzend. Die 
Iharfen Sinne des Wildes mohl 
berücfichtigend,muß man jede heftige 


Niro. 409-411. 


Bewegung vermeiden, ftet3 Dedung 
juhend, jede Fährte und jedes 
Zeichen ift zu prüfen, und da man 
immer mit der Möglichkeit rechnen 
muß, plöglih mit dem erjehnten 
Wilde zufammenzutreffen, foll man 
ſtets jchußbereit fein. Die ftändige 
Erwartung, die ſtarke Erregung 
und Anjpannung aller Sinne läßt 
diejfe Sagdart ald eine der reiz- 
vollften erſcheinen. 

409. Der Anftand. Hier er: 
wartet der Säger entweder vom 
Hodftand oder der Kanzel aus, 
oder gededt Hinter Baum und 
Straud, oder in einem durch 
Zweige bergeftellten Schirm fißend, 
dag an- oder dDurchwechjelnde Wild. 
Der Bla hierzu, ebenfalld mit 
Berückſichtigung des Windes, wird 
ausgewählt entweder in der Nähe 
von Aeſungsplätzen oder von be— 
liebten, vom Wild mit großer 
Regelmäßigkeit bejuchten MWechjeln. 
Diefe Jagdart ift fehr bequem, weil 
hierbei die Hauptarbeit der Berufs: 
jäger oder Sagdaufjeher ſchon vor: 
weggenonmen hat. Sie erfordert 
nur viel Sigfleifh und Geduld, 
namentlih wenn Wind und Wetter 
und im Hochſommer Stechmücken, 
Schnafen 2c. den Aufenthalt unge= 
mütlich zu machen drohen. Der 
über die Zeit Hinwegtäufchende 
und die Nerven beruhigende Tabaf 
it auf Hochſitzen und bei bejtem 
Winde als wirtfamer Schnakenſchutz 
nicht zu verachten. Gilt der Ans 
ftand aber Hiric oder Sau, dann 
muß fich der Jäger auch dies ver- 
jagen, namentlich wenn er boden: 
eben den Anſitz wählt. Die befte 
Zeit für den Anstand ift der Mor: 
gen vor Tau und Tag, wenn das 
Wild von den Aefungsplägen zu— 
rückwechſelt in die fchügenden 
Dickungen, und der Abend beim 
Ausmwechjel aus dem Hol;. 

410. Die Suchjagd mit dem 


3. v. Bidyarf. 


genußreichiten allein oder in fehr 
Keiner Gejellfhaft ausgeübt. Die 
Hühnerfudhe im Herbit mit dem 
gut arbeitenden Borftehhund iſt 
ein frifches, fröhliches Gejaide. 
Unabhängig von andern Weid— 
genofjen wählt man jelbft jeinen 
Weg, nad) eigenen Gejchmad fein 
Zempo und überläßt fih ganz 
feinen Neigungen, augenblidlichen 
Gefühlen und dem Snftinkt des 
fiher revierenden Hundes. 

Ich vermeide abſichtlich, auf 
nähere Detail3 einzugehen, da bei 
der Befchreibung der verſchiedenen 


Wildarten die Bejagung derjelben 


noch. näher zum Ausdruck gebracht 
wird. Die Jagden auf das balzende 
Waldhühnerwild, auf Echnepfen, 
Bekaſſinen und Enten, auf den 
Brunfthirih, den brunftenden Reh⸗ 
bo und die Gamsbrunft gehören 
in dad Bereich der Einzeljagd, Der 
Pirfhe wie des Anftandes und 
findet an geeigneter Stelle Er: 
örterung. 

411. Die Gefellihaftsjagd 
findet in der Sudjagd eine Er- 
weiterung, wenn eine größere An= 
zahl von Herrenjägern fich zu einer 
gemeinfamen Hühnerfuche vereinigt, 
wobei in größeren Zwifchenabftän- 
den ein bejtimmtes Feldrevier mit 
den Vorſtehhunden abgeſucht wird. 
Außerden findet die Streife im 
Spätherbit oder Winter in ähn- 
licher Weile ſtatt, zwifchen je zwei 
Herrenjägern gehen ein oder zwei 
Treiber zur Aufnahme des erlegten 
Mildeg, und tag Kefjeltreiben, 
wobei ein freisförmiger Dijtrikt 
mit Schützen und Treibern abge— 
ftelt wird. Sobald der Kreis ge= 
Ichlofjen ift, geht alles konzentriſch 
nad) der Mitte vor bi auf etwa 
200 m Durchmefjer, hierauf bleiben 
auf Hornfignal die Schüßen ftehen, 
während die Treiber nad) der Mitte 
des Kreijed zujammentreten. Die 


Sorftehhund wird ebenfall® am jetzt noch nach außen flüchtenden 


VI. 1. Das deutfche Weidwerk. 


Hajen und Hühner dürfen von 


“ diefem Augenblid an nur mehr 


nad rückwärts bejchoffen werden. 
Den Borjchriften des Jagdleiters 
ift hierbei unbedingt Folge zu 
geben. Die näheren Anordnungen 
find ſtets vor Beginn der Jagd 
genaueſtens befanntzumaden, und 
jeder Säger wird verpflichtet, die- 
felben einzuhalten. 

412. Die Borftehtreiben find 
Ctandtreiben, bei denen dag Wild 
in Feld oder Wald auf die Stände 
der Schützen von einer Treiber: 
wehr zugetrieben wird. Es werden 
von den meift in Bieredform an 
gelegten Trieben Front und Flan⸗ 
fen von den Jägern befest, die "in 
bequemer Schrotſchußweite augein- 
anderjtehen, von der vierten Seite 
gehen die Treiber an. Der Wald 
fann nur als Vorftehtreiben bejagt 
werden in größerer Gefellichaft. 
Eine fehr beliebte Art ijt das Rie⸗ 
geln oder die Riegeljagd, die auf 
eine bejtimmte Wildart nur von 
wenigen Sägern ausgeübt wird. 

Sft die Treiberzahl nur bes 
ſchränkt, der Wald fehr dicht, die 


beftodten Hänge fehr jteil und mit | 


ftarfem Unterwuchs bewachſen, 
dann werden als Erſatz von Trei⸗ 
bern Dackel zur Jagd verwendet. 
Dieſe Jagd hat große Vorteile, es 
wird kein Wild übergangen, die 
kleinen flinken Hunde ſchliefen 
überall hinein, machen das Wild 
hoch, welches andererſeits durch 
die nicht eben ſehr ſchnellen, kurz⸗ 
läufigen Dackel ſich wenig beun- 
ruhigen läßt. Zu häufig darf eine 
derartige Jagd nicht ausgeübt 
werden, ohne daß Gefahr beſteht, 
das Wild zum Meiden dieſer Jagd⸗ 
bezirke bezw. zum Auswandern zu 
veranlaſſen. 

Die Jagd mit hochläufigen 
Bracken wird nur wenig geübt, 
in den Donauländern, in Bosnien 
und der Herzegowina iſt 


Brackenjagd ſehr beliebt. Sie er— 
fordert vorzüglich eingejagte und 
abgerichtete Hunde. 

Die Lappjagd findet auf Rot- 
und Schwarzwild ftatt. Es werden 
vor Beginn der Jagd beftimmte 
Triebe, in denen dad Wild gerne 
fteht, mit Feder: oder Tuchlappen 
umzogen, um das Wild zu ver: 
hindern, den Trieb zu verlaffen. 
Das Einlappen Tann vollitändig 
oder teilmweife gejchehen. Die 
Schüten ftehen innerhalb der Lap— 
pen, welche jichtbar am gegenüber: 
liegenden Rand der Schneußen und 
Waldwege in Mannshöhe ange: 
bracht werden, jo daß dag Wild 
diefe gut eräugen kann. Das Wild 
wird dann von den Treibern rege 
gemadt. Bei eingeftellten oder 
Zeugjagden wird dag Wild, das 
zum Abſchuß beftimmt wird, in 
einem Triebe vereinigt, der der: 
maßen von hohen Leintüchern, 
Sagdzeug genannt, eingefaßt iſt, 
daß dieſes Wild, wenn es getrieben 
wird, nur an beftimmten offenen 
Stellen, den Ständen hoher Jagd— 
herren, den Bogen verlafjen kann. 
Eine weitere Jagdart ift 
413. Anfahren im Pirſchwagen, 
welches auf dem Erfahrungsgrund: 
fat beruht, daß dad Wild den 
Magen weniger ſcheut ald den 
pirjchenden Jäger. Es findet auf 
Rehe, Dammwild, Trappen, Wild: 
gänfe 2c. Anwendung. Das Wild 
wird umfahren, der Schüte ſchießt 
entweder vom Wagen aus oder 
fteigt, wenn er Dedung findet, 
unauffällig während des langſamen 
Fahren? aus dem Wagen, das 
Wild äugt dem Wagen nad), und 
der Jäger ſucht das Stück zu er- 
legen, das zum Abſchuß beftimmt 
ift. Diefe Jagdart ift ſehr beliebt 
bei Feldrehen, denen ſonſt nicht 
gut beizufommen ift, wird auch im 
Wald mit Vorteil angewendet. Das 


die | Wild hält auf Schlägen, im lichten 


|—m— 


Nro. 414—415. 


Hochholz 2c. den Wagen länger 
aus, den ed von den Holzfuhr- 
werfen gewöhnt ift, ohne zu flüch⸗ 
ten. Der erhöhte Sig im Wagen 
ermöglicht auch dem Jäger befjere 
Meberfiht in jungen Beftänden. 
Trappen und Wildgänfe find nur 
in bäuerlichen Defonomiewagen 
anzufahren, ihre Scheu und ihr 
Mißtrauen vereitelt auch hier Härifig 
die Bemühungen bes Jägers. 
414. Die Wildhege ift ein in- 
tegrierender Zweig des deutſchen 
Weidwerks, ich möchte ſie die Nähr⸗ 
mutter der Jagd nennen, ihr ſach⸗ 
gemäßer Betrieb ift an den Aus- 
drud „Weidgerechtigfeit” gebunden 
und zu Diejer gehörig, wie der Baum 
zum Wald. „Kein Heger, fein Jäger.” 
Die Wildhege findet ihren Aus- 
gangspunkt in der treuen Fürſorge 
für das Wild, in der Linderung 
feiner Not, in der Hilfe in be= 
prängten Berhältniffen, in der rich⸗ 


‚ tigen Beurteilung feiner normalen, 


Ihönen Form, der Regelung des 
Geſchlechtsverhältniſſes und dem 
Schu vor den Jagdſchädlingen. 
Ale Wild, dad nidt in Wild: 
parks eingeengt ift, ſucht fich die 
ihm am meiften zufagende Aeſung 
felbft, legt oft große Streden zu⸗ 
rüd, ein Umjtand, der bei be- 
fhränttem Jagdbetrieb, den Pacht⸗ 
fagden, meift das Mißvergnügen 
des Jagdherrn hervorruft. 

Dem Wilde zufagende Futter: 
mittel zu gewähren, es vor dem 
Auswechſeln zu bewahren und ihm 
über die Zeiten der Not hinwegzu⸗ 
helfen, ift der Zweck der Fütterung. 

Bei Eintritt des Winters ſucht 
das Wild, in erfter Linie Rotwild 
und Nehwild, die ſogenannten 
Winterftände auf. Das find fon- 
nige, trodene Lagen, Hänge gegen 
Mind geihüst. 

415. Dort werden praftifche 
Sutterftelen ausgewählt, die eine 
Störung des Wildes ausfchließen, 


FT ⸗ 


X. v. Sichart. 


am beſten im Schutz dichten Hoch— 
holzes. Nähe des Waſſers iſt 
wünſchenswert. Die Futter— 
ftände beſtehen aus gedeckten 
Raufen, um das Trockenfutter, 
gutes Wald⸗, Wieſen⸗ oder Klee⸗ 
heu, vor Feuchtigkeit von oben wie 
unten zu bewahren. Vor dem 
alleinigen Gebrauch dieſer Futterart 
muß entſchieden gewarnt werden, 
da Erkrankungen des Panſens, 
Darmkolik ꝛc. die häufige Folge 
dieſer Fütterung ſein werden. So 
mancher gute Rehſtand iſt dadurch 
auf lange Zeit ruiniert worden, 
namentlich, wenn die Natur ſelbſt 
in Weichhölzern und Ranken nicht 
Abhilfe getroffen hat. Es ſind alſo 
nicht immer Nahrungsmangel, wohl 
aber das Fehlen jeglicher Flüffig: 
keit, ſowie Verdauungsbeſchwerden 
die häufigen Urſachen von Erkran⸗ 
kung und Eingehen des Wildes. 
Sind Pfriemenkraut, Wacholder, 
Haſelſtauden, Himbeer- und Brom: 
beerranken, Miftel, wilder Jasmin, 
Salweiden und Aſpen reichlich im 
Revier vorhanden und dem Wilde 


durch Ausfhaufeln des Schnees 


und Legen von Xeften und Zweigen 
zugänglich gemacht, dann leidet das 
Wild neben der Trodenfütterung 
im allgemeinen feine Not. Al 
Erſatz Diefer Pflanzen von reich⸗ 
lihem Gehalt an Wafjerftoffen 
können Rüben, Kartoffeln, Kalte: 
nien, Eicheln, Wildobft, auch Hafer: 
gaben verwendet werden. Ohne 
diefe Erjfagmittel darf das Salzen 
des aufgefterften Heues nicht ver- 
gejfen werden. Warm empfohlen 
wird Das Auslegen von Laubreifig, 
welches ſchon im Mai und Anfang 
Juni no im Volfaft geſchnitten, 
zu Wellen gebunden, an fchattigen 
Orten für den Winter aufbewahrt 
wird, Eine ſchwere Zeit beginnt 
mit dem Eintritt des Frühjahres 
für die ſchwächeren Stücke, die durch 
die Larven der Haut- und Rachen⸗ 





Yin 


Yun, 


VI. 1. Das deuffche Weidwerk. 


Nro, 416- 417. 


bremfe viel an Lebenskraft ein- Hege durch die Büchfe Hand in 


büßen, während die ftärferen, 
widerftandsfähigeren Stüde leichter 
diefe Parafiten aus dem Darm: 
fanal ausſcheiden oder dieſelben 
aus der Lunge auszuhuften und 
durh den Windfang (Nafe) aus: 
zuftoßen vermögen. Eine große Er⸗ 
leichterung bieten dem Wild bier 
die Salzleden. Die Anlage 
derjelben iſt frühzeitig zu beginnen, 
die einfachſte Zufammenfegung be⸗ 
fteht aus 4 Teilen Lehm, 1 Teil 
Kochſalz, gut gemengt und in einem 
Kaften eingejchlagen mit einem 
Salzftein verjehen und mit Anis 
beftreut, der dag Auffinden der 
GSalzleden mejentlih erleichtert. 
Waſſer fol in erreihbarer Nähe 
fih befinden. Die mit phosphor⸗ 
faurem Kalt verbundenen Lediteine, 
wie das Holfeldihe Pulver und 
das Wengleinſche Cervolith be- 
günftigen nebenbei eine gute Ge: 
mweihbildung. 

416. Unter Hege mit. der Büchſe 
verfteht man nit bloß, daß der 
MWeidmann mit der Büchfe feinem 
Nutzwild den nötigen Schuß ver- 
leiht, durch rationelle Abjchießen 
Schlechter Wildſtücke, die durch Ber: 
erbung auf den Wildftand degene- 
rierend einwirken fönnen, muß auch 
dag Geſchlechtsverhältnis geregelt 
werden, e8 muß aber aud) dem 
guten Bol und ſtarken Gemeih- 
träger die Gelegenheit zur Ber- 
erbung gegeben und der Abſchuß 
erft nach diefer Zeit betätigt wer—⸗ 
den. Auch dieſe Art der Hege mit 
der Büchſe gehört zur Weidgered): 
tigkeit und Tann nicht ſcharf genug 
al3 goldene Regel betont werden. 
Geht rationelle Fütterung mit der 


Hand, dann wird aud ein Wild: 
ftand erftarfen, ein Berftändnig für 
beide Arten muß von jedem Weid: 
mann verlangt werden, denn erft 
die fahgemäße Durchführung und 
Ueberwachung wird dem Jagdheren 
die Jägerfreuden garantieren, die 
er von feinem Wildftand erhofft. 
Macht fich trogdem in einer Wild- 
bahn eine ftarfe Degeneration be: 
merfbar, dann kann nur Blutauf- 
friſchung Helfen, indem ſtarke, 
widerftandsfähige Stüde beider Ge: 
ſchlechter eingeſetzt werden müſſen. 

417. Bevor ich zur Anwendung 
deutſchen Weidwerks übergehe, 
möchte ich erſt einige Worte der 
Weidmaunnsſprache widmen. Ihr 
Urſprung iſt auf die Blütezeit des 
Weidwerks zurückzuführen. Sie hat 
ſich ſeitdem unverfälſcht erhalten 
und ihr Gebrauch ſoll und kann 
von jedem verlangt werden, der das 
Weidwerk betreibt. Im Anhang 
findet ſich nur ein kurzer Teil 
dieſer Sprache. Doch ergeben ſich 
viele Ausdrücke aus dem Zuſam⸗ 
menhang ſelbſt und laſſen durch 
ihre Einfachheit und Kürze kaum 
ein Mißverſtändnis zu. 

Die Einteilung der Wild— 
arten in Tiere der hohen und 
niederen Jagd entſpricht nicht nur 
der Anſchauung unſerer Altvordern, 
ſondern wird auch heutigen Tages 
mit kleinen Abänderungen gegen 
früher von unſeren guten Jagd: 
fohriftftelern gewählt, eine Bezeich: 
nung, die ich vollfommen zutreffend 
und auch für unſere jegigen jagdlichen 
Berhältniffe und Begriffe geeignet 
halte, fo daß ich gerne der Fährte 
der bewährten Autoren folge. 


Niro. 418. 


J. v. Sichart. 


2. Hohe Jagd. 


Haarwild. 


418. Der Edelhirſch, der König 
der Wälder, das höchſte Ziel aller 
Sehnſucht des Jägers, der Traum 
jeiner Nächte. Seine Verbreitung 
fönnte überall fein, wo große zu= 
fanımenhängende Forſte und tiefe 
Waldesruhe die notwendigen Le- 
bensbedingungen liefern. Troß 
unferes großen Waldreichtumg find 
die guten Rotwildjtände Deutfch: 
lands zu zählen und ein nennens⸗ 
mwerter Stand nur da, mo hoher 
Herren Weidgerechtigfeit dem edlen 
Wild eine Heimftätte bereitet oder 
wo gejinnungstüchtige brave Weid- 
männer geit, Geld und Mühe nicht 
fheuen, den Hirih vor dem Aus- 
fterben zu bewahren. Forftliche, 
wie landmwirtfchaftlide Hochkultur 
erfchweren dem Rotwild das Da⸗ 
fein, welches durch fein fcheueg, 
heimliches Wefen und feine fcharfen 
Sinne ohnehin jede Störung läffig 
empfindet und noch obendrein durch 
feinen Schaden an jungen Pflanzen 
und bäuerliher Ausjaat fich ge— 
ringer Beliebtheit der am grünen 
Tiſch figenden Herren des Forft: 
fachs, wie der ewig über Wild- 
Schaden klagenden Agrifel erfreut. 
Wenn der Wonnemonat der Natur 
ihre Gaben verleiht, Wald und 
Feld in friſches Grün hüllt, fett 
das Nottier fein Kalb, felten zwei. 
Das männlide Kalb mird im 
1. Sahre feine Lebens Hirfchfalb, 
dag weibliche Wild» oder Tierfalb 
genannt. Der noch in den Kolben 
(nenne Geweihbildung) befindliche 
Hirſch Tebt mit feinen Artgenofien 
von Beginn des Winter an ger 
rudelt, iſt jegt ungemein fcheu und 
meidet ängjtlich das weiche, im Baft 
befindliche, noch nicht verecdte Ge: 
weih anzuftoßen, gemeſſen find feine 
Bewegungen. Im Juli, bei Beginn 


der Schußzeit, hängt ihm der Baft 
noch in Feten vom Gemweih, defjen 
Enden noch nicht verhärtet und 
blanf gefcheuert find ; feinen Stand- 
ort und Wechſel maht er dem 
Jäger durh Schlagen und Fegen 
an jungen Stämmen befannt, doch 
zu Geficht befommt diefer ihn nicht, 
gar heimlich wird fein Wefen, wenn 
dag Geweih verfegt ift und Die 
Teiftzeit beginnt, man jagt, der 
Hirſch fürchte jet fogar feinen 
eigenen Schatten. Beim Kahlmwild 
(Mutterwild mit Kälber, Schmal- 
tiere und Gelttiere [unfruchtbar]) 
ftehen nur geringe Hirſche, Jung: 
hirſche vom 1. Kopf, Spießer, 
Gabelhirſche und ſchwache Sedjer. 
Der gute Hirſch, deſſen Fraft- 
ftrogender Körper ſich immer ge: 
mwaltiger formt, zieht allein oder 
nur mit Artgenofjen auf Aeſung. 

Zuvor einige wenige Worte über 
Gemweihbildung. 

Im allgemeinen find die Hirfche 
des Flachlandes ſowohl an Körper: 
gewicht, wie an Geweihbildung den 
Gebirgshirfhen überlegen. Die 
ſtärkſten Hirſche mit befter Geweih— 
bildung bringt Oſtpreußen hervor, 
ebenſo die Donauniederungen in 
Oeſterreich, alle aber übertrifft der 
ungariſche Hirſch und zwar ſind 
hervorzuheben die Leibgehege des 
Kaiſers in Gödöllo, Bellye und der 
Bukowina. Der bayeriſche Ge⸗ 
birgshirſch hat kurze gedrungene 
Form und wenig Neigung zu 
reicher Endenbildung und weiter 
Auslage. Der Hirfch ift eben auch 
ein Produkt feiner Heimat. Klima⸗ 
tiſche, Boden- und Nefungsverhält- 
niffe bedingen die Konftruftion der 
Geweihform. Gegenftand der Wild- 
hege follte e8 bleiben, auf Wah⸗ 
rung der Eigenart der Gemweihbil- 
dung hinzuarbeiten und nicht dur) 
Einfegen fremden Gatterwildes den 


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deuffche weidwerk. No, 418. 





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) 219. Geweihbildung des Birfches. Aus Grashey, Handbuch für Jäger. 

8 1. Spießerjtufe. — 2. Gablerftufe. — 3. Sechferftufe. — 4. Achterjtufe. — 5. Zehner: 
' ftufe. — 6. Zwölferftufe. — 7. Dierzehnerftufe. — 8. Schadhirfchgeweih. — 9. Abnormität. 
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eigentlichen typiſchen Charakter zu auch an dieſer Stelle nicht ungehört 
ſteöoören. Ernſte Worte find in dieſer verhallen. 

Sinſicht bei den jährlichen Geweih- | Ungefähr im 15.—18. Monat 
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ausſtellungen gefallen und möchten | hat der Spießhirſch, als Sir vom 
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Niro. 418. 


3. v. Sichart. 


2. Kopf, fein 1. Gemweih fertig, im | legten Büchfenlicht3 verläßt cr das 


April des fommenden Jahres wirft 
er es ab. 

Als 2. Geweihftufe gilt im all: 
gemeinen das Gabelgeweih, doch 
fommt e3 häufig vor, daß der Hirſch 
vom 3. Kopf diefe Stufe überjpringt 
und ein Sechſergeweih aufjeßt. 

Das 3. Gemweih fest der Hirſch 
vom 4. Kopf auf, indem er neben 
der entwidelteren Augjproffe (Ende 
über den Lichtern) noch die Mittel: 
iprofje veredt, er fann zum zweiten 
Mal ein Sechſer (guter) oder ge— 
ringer Achter fein. 

Nad) dem 3. Abwurf feßt der 
Hirſch vom 5. Kopf fein 4. Geweih 
auf, iſt Achter geworden und jagd= 
bar, zählt aber immer noch nicht 
zu den ſchußbaren Hirfchen, denn, 
ift fein Wuchs kraftvoll und fein 
Gemeih vielverfprehend, dann ver: 
langt das ungejchriebene Gejek der 
Wildhege die Schonung des Zus 
kunftshirſches. 

Das 5. Geweih iſt Zehnergeweih, 
einfacher Kronenhirſch wird er, 
wenn er an beiden Stangen die 
Vereinigung von je 3 Enden zeigt. 
Eine Vermehrung dieſer Krone um 
je ein Ende wird als doppelte, in 
manchen Gegenden als 4. Krone 
(4 Enden) bezeichnet. Eisſproſſe 
iſt das Ende zwiſchen Aug- und 
Mittelſproſſe und iſt bei den baye— 
riſchen Gebirgshirſchen im allge— 
meinen nur angedeutet. In ſpäteren 
Jahren, mit dem Zurückgehen des 
Geſchlechtstriebes, ſetzt der Hirich 
zurück und kann, wenn er die 
Kronenenden verliert und vielleicht 
nur Gabel oder Sechſerſtange zeigt, 
als Schadhirſch viel Unheil ſtiften 
beim Abkämpfen zur Brunftzeit. 

Die Krone der Jagd auf den 
Hirſch iſt die Pirſche. Der Feiſt— 
hirſch liebt es, in großen Dickungen, 


in Brüchen, im Geröhricht, ja ſelbſt 


in hohen Getreide ſich unfichtbar 
zu machen, erſt nad) Schwinden des 


ſchützende Aſyl, um auf Xefung zu 
ziehen, und lang vor Tagesanbrud 
wechjelt er wieder ein. Anftand 
und Pirſche erfordern viel Orts— 
und Sachkenntnis, viel Geduld und 
Erfahrung. Oft Hilft der Zufall, 
dem wie ein Gefpenft plögli auf: 
tauchenden, zu begegnen. Ohne Be: 
finnen beißt es dann, dem ebenjo 
Ueberrafchten mit fefter Hand und 
fiherem Auge die Kugel anzu: 
tragen. Scharf muß der Säger 
nah Abgabe des Schußes dag 
Pirſchzeichen beobadten, d. i. 
da3 Zeichen, dag der Hirfch beim 
Erhalten der Kugel madt und die 
Art feiner Flucht. 

Beim Blattſchuß in die Herz- 
fammer zudt dag Wild nad) vorn 
nieder, bäumt ſich ſofort hoch auf, 
geht in rafender Flucht ab, um 
dann zufammenzubrecden. 

Beim Lungen, Leber- oder 
Milzſchuß zeichnet dag Wild 
ähnlich, ſchlägt auch mit den Hinter: 
läufen aus, bleibt bald ftehen, ver 
Schweiß liegt oft in großen 
Tropfen, ja fogar Klümpden neben 
der Fährte. 

Beim Schuß auf den Hals 
bleibt dag Wild im Feuer, wenn 
der Haldwirbel oder die Drofiel 
durchſchlagen ift, ſonſt ift es ſchwer, 
das Stück zur Strecke zu bringen. 

Der Weidwundſchuß geht 
durch das Geſcheide oder den Pan: 
fen, dag Wild geht mit krummem 
Rüden ab, braucht unbedingt län 
gere Ruhe nad dem Schuß. Der 
Scmeiß ift gemifcht mit unverdauter 
Aeſung, ſonſt ſpärlich. 

Beim Laufſſchuß iſt der Schweiß 
hellrot, das Wild ſtürzt wohl ge- 
legentlich vorn oder hinten zufam: 
men, kommt aber wieder N die 
Läufe und gebt Häufig verloren 
(ihleter Schuß). 

Beim Krell: oder Feder: 
ſchuß ftreift das Geſchoß Die 


VI. 1. Pas dentſche Weidwerk. 


Wirbelfäule, das Stüd bricht ſo⸗ 
fort zufammen, fommt auf die 
Läufe und nicht zur Strede. Hohl: 
ſchuß wird der Schuß zwiſchen Blatt 
und Wirbeljäule genannt, ohne ein 
edles Organ merklich zu verlegen. 
Rad) dem Schuß muß der Schüße 
den Anſchuß verbredden, ein joforti- 
ges Nachgehen ijt unftatthaft, außer 
wenn man den Hirjch hat zufammen- 
brechen hören. Erſt nach 1—2 Stun- 
den, je nach der Art des Schuffeg, 
darf die Nachſuche beginnen. 
Gegen Mitte September, wenn 
die Nächte Fühler werden, tritt 
der Hirſch in die Brunft, er 
zieht den Brunftpläßen zu, die Alt: 
tiere jchlagen ihre Kälber ab, die 
fich oft zu Waiſentrupps zufammen- 
rudeln. Allmählich wird das Brunft: 
fonzert in den fälteren Nächten 
vielftimmiger: Der Platzhirſch treibt 
das Wildbret zu Rudeln zufammen, 
verjagt die anderen Hirſche und 
duldet nur einen Beihirſch beim 
Nudel. Die raftlofe Unruhe Tag 
und Nacht, der jtarfe Brunfttrieb 
und die geringe Aufnahme von 
Aeſung nimmt den Hirjch jehr mit, 
er kommt ftart ab an Wilobret, 
nimmt einen fcharfen, weithin duf- 
tenden Brunftgeruh an, jein Hals 
ift did geſchwollen, feine Mähne 
ftarr und dicht. Mächtig ſchallt in 
der Stille der Nacht der Brunft- 
Ichrei ded Gemwaltigen. Die Füh— 
rung und Sicherung übernimmt 
das Wild, trogdem iſt der Rede 
noch äußerſt vorfichtig, auch feine 
Lebenszähigkeit nimmt zu, er braucht 
einen guten Schuß anı rechten Fleck. 
Wenn der pirfchende Säger dem 
Brunfthirſch nicht näher zu fommen 
vermag, ruft er ihn durch den 
Schneden an (Muſchel, um das 
Schreien des Hirfches nachzuahmen), 
der Hirſch antwortet. Tritt er aber 
aus der Didung nicht heraus, ge⸗ 
nügt oft das Mahnen des brünftigen 
Tieres, defjen Ton hervorgerufen 


Nro. 418. 


wird, indem man die Nafenflügel 
mit den Fingern zufammendrüdt 
und den franzöfifhen Artikel un 
herausquetfcht. Auch der Anſitz 
auf Kanzeln und Hodfiten 
wird gewählt, teils beim Auswechſel 
zur Aeſung, beim Durchwechſel zur 
Suhle oder beim Einwechſel, er: 
fordert jedoch viele Ausdauer und 
bietet oft nur geringe Chancen. 
Am beiten gelingt dag Trei: 
ben mit nur einem Treiber, der 
die großen Didungen durchdrückt, 
langjam hin und ber gebt, einen 
dürren Aſt abbrechend und ſich ab 
und zu räufpernd. Der beunruhigte 
Hirſch verläßt den Beſtand und 
fommt oft ziemlich vertraut auf 
dem Wechfel dem Jäger. Guter 
Wind unerläßlih. Alte gewißigte 
Hirſche laſſen ſich nicht gerne trei= 
ben, namentlich nicht von großer 
Treibermwehr, fie gehen durch dieſe 
zurüd und bleiben ſtehen. Manch— 
mal glüdt es, vom Schüßen weg: 
zutreiben und zwar ziemlich laut, 
wenn der Hirsch ſich nun drüct, wird 
zurüdgetrieben und zwar faſt laut- 
108. Im Gebirg ſucht man die Hirfche 
auf Zwangswechſel zu bringen. 
Hat die Schußzeit auf den Hirſch 
ihr Ende erreicht, dann beginnen 
die Kahlmildjagden. Man ver: 
meidet Kälberftüde zu ſchießen, d.h. 
Tiere mit Kälber ; diejelben find im 
Trieb leicht erfennbar, da das Kalb 
der Mutter unmittelbar folgt. Das 
Kopftier oder Leittier, welches die 
Führung des Rudeld übernommen 
hat, ift meiſtens ein Kälberftüd, 
einzelne Stüde, wie Schmaltiere 
und Gelttiere (unfrudhtbar), ſehr 
ſchwache Kälber, auch Hirfche mit 
ſchlechter Gemweihbildung, zurück— 
geſetzte Hirſche ev. auch Kahlhirſche 
oder Plattköpfe, auhMönche genannt, 
d. h. Hirſche ohne Geweihbildung, 
gehören auf den Abſchußetat. 
Unbedingtes Erfordernis zur 
Jagd auf Rotwild ift ver Schwe iß— 


un ne — 


Nro. 419—420. 


3. v. Sichart. 


hund, er mag reiner Schweißhund Weiden, Birken, Aſpen und andere 
oder Dackel oder Vorſtehhund fein, in Schwarzholzbeſtänden vorkom- 


ſobald er nur totverläſſig auf 
Schweiß arbeitet oder verbellt. 

Außer dem Mahnen des Tieres 
hört man häufig das Schrecken, 
ein ausgeſtoßener plärrender Ton 
des Tieres, als Zeichen der Unruhe, 
ſobald es etwas vernommen oder 
eräugt hat oder windet, ohne richtig 
erkannt zu haben. Iſt Rotwild un⸗ 
ruhig geworden, dann tut der Jäger 
gut, die Pirſche abzubrechen. 

Die Fährtenkunde gehört in 
das Gebiet der alten Jägerzunft; 
es iſt für den Pirſchjäger not— 
wendig, ſie zu wiſſen und dieſe 
Fähigkeit in dem großen Buche der 
Natur zu leſen, ſich anzueignen. 
Daß dem Hirſch nur die Kugel ge— 
hört, darf ich wohl als bekannt 
vorausſetzen. Poſten oder gar 
Schrotſchuß gehört in das Gebiet 
der Aasjägerei. 

419. Der Elch, das mächtigſte 
Wild Deutſchlands, ein Ueber⸗ 
bleibſel aus alter Vorzeit, war 
früher über ganz Deutſchland ver⸗ 
breitet (der grimme Schelk des 
Nibelungenliedes), kommt in kleinen 
Reſtbeſtänden nur noch in Oſt⸗ 
preußen, im Ibenhorſter Forſt bei 
Tilſit, vor und wird dort, dank 
ſcharfer Schongeſetze und dank dem 
hohen Weidmannsſinne des deut— 
ſchen Kaiſers, vor dem Ausſterben 
bewahrt. Der größte Feind des 
Elchwildes neben dem Menjchen ift 
das Waffer. Die großen Ueber: 
ſchwemmungen im Frühjahr, der 
harte Nachwinter mit feinem Harſch 
und den halbgefrorenen, mit brüchi⸗ 
gem: Eid bededten und halb unter 
Waſſer ftehenden Mooren und 
Brüchen fegen dem Sungwild jehr 
Schwer zu, mehr noch als Nahrungs⸗ 
mangel. Das Elchwild ift Fein 
eigentliher Bodenäfer, feine hohen 


Vorderläufe weiſen es mehr auf 


Nahrung von Holzgewächſen, wie 


mende Weichhölzer. Der Hirſch er: 
reicht ein Gewicht von I—10 Ztr. 
und eine Höhe, am Widerrift ge: 
mefien, von 1,85—1,90 m. Seine 
Sinnesorgane find ebenfo fein wie 
die des Edelwildes und ebenſo 
mißtrauifch flieht er jede Störung, 
der er fich durch weite Flucht, ohne 
aufzuhören, zu entziehen jucht. 
Seine Gangart ift ein äußerft für: 
bernder Troll. Die Pirſche ift 
deshalb jehr erichwert und hat nur 
zur Brunftzeit Ausſicht auf Erfolg. 
Der Brunftruf des Elchhirſches ift 
ein zweitöniges ſtarkes Plärren, 
ähnlich dem des Damhirſches, we: 
niger ftarf wie der Brunftſchrei des 
Rothirſches, aber doch weithin 
tönend. Im Treiben verbäft fid 
das Elchwild genau wie unfer Edel» 
wild, und die Entwidlung der Ge⸗ 
weihbildung ift ähnlich. Erſt vom 
6. Kopf an beginnt die Schauffl- 
bildung, der Abwurf erfolgt jtufen- 
weile vom Oktober bis Januar, 
wie beim Rehbock, indem die ſtärk—⸗ 
jten Hirſche am früheften abwerfen, 
am eheften aber auch mit Dem ver: 


eckten Geweih und dem Fegen 


fertig ſind. Den beſten Elchwild⸗ 


ſtand in Europa hat noch Skandi⸗ 


navien und die ruſſiſchen Oſtſee⸗ 
provinzen. 
420. Das Damwild gehört in 


die Familie des Edelhirjches, kommt 


in verjchiedener Färbung meift al? 
Gatterwild vor und ift eine Biere 
jeder Wildbahn. Sin freiem Stand 
fehen wir daS Dammild in Mecklen⸗ 
burg, Schleswig:Holftein und in 
Preußen, die beiten Schaufelgeweihe 
liefert Württemberg. 

Bei der dritten Gemeihbildung 
zeigt fich beim Hirſch vom 4. Kopf 
Thon die Neigung zur Schaufel: 
bildung. Die große Genügfamteit 
und fein ſchmackhaftes Wildbret 


haben dem Dammild einen fehr 


— Lo — — — 


VI. ı. Das deutſche Weidwerk. 


beliebten Standort im Wildgatter 
angemwiejen. 


Die Neigung zum Schälen ift ſ ehr 


unangenehm und kann nur in durch⸗ 
greifendem Abſchuß verhütet werden, 
fie wirft oft geradezu anſteckend. 
Der Damhirſch tritt nach dem 
Edelhirfch in die Brunft, er wird 
ungemein hitzig, gemalttätig und 
bartnädig in der Berfolgung, feine 
Bewegungen find troß der fürzeren 
Läufe und des ftärferen Körpers 
fehr flüchtig, im Trollen hebt das 
Dammild die Läufe jehr Hoch und 
federnd und Hatfcht beim Uebergang 
zur Flucht mit dem Wedel auf das 
Weidloch, was der Jäger, deſſen 
Kugel vorbeiging, für eine Bet: 
höhnung anfieht. Der Brunftruf 
ift ein fchnarchendes hartes Blöken 
oder Plärren. Der Beſchlag ift 
furz, das Stüd tritt zwifchen den 
Borderläufen des Hirſches heraus, 
während der Edelhirſch das be: 
ſchlagene Stüd in brutaler Weife 
zwijchen den Borderläufen heraus- 
wirft, wie mir ein Augenzeuge, ein 
alter Fagdgehilfe, meldete, welcher 
zuſah, wie das arme Stüd gegen 
einen Baumjtamm fiel und eine 
Zeitlang wie betäubt liegen blieb. 
Da die Lebensweiſe ded Dam: 
wildes der des Edelwildes gleicht, 
fo ift es ſchwer, die Pirſche 
auszuüben, natürlich in freier Wild- 
bahn, das Wild fteht meiftens. ge- 
rudelt und bei der ftändigen Un- 
ruhe einzelner Stüde und ihren 
ſcharfen Sinnen glüdt es fchwer, 
einem guten Schaufler die Kugel 
anzutragen. Auch im Treiben 
find fie nit leicht vorwärts zu 
bringen, zeigen immer Neigung, 
feitwärt8 oder rückwärts durchzu— 
breden. Der Anftand auf dem 
Hodjfige bietet noch die befte Ge- 
mwähr des Jagens, da der Dam- 
fchaufler fehr verläffig den Wechfel 
hält. Bei guter Maft und reich- 
licher Aeſung verlangt der Hirſch 


Nro. 421—422, 


einen guten Schuß, da er viel Feiſt 
anfegt und dieſes den Schußfanal 
leicht verfchließt, jo daß die Rot- 
fährte jehr wenig ergiebig ift. Dem 
angefchoffenen Stüde ift längere 
Zeit Ruhe zu geben, denn das 
Wild geht jehr weit und .erjchwert 
dem guten Schweißhunde das Hal- 
ten der Schweißfährte, 

421. Der Steinbod fol hier nur 
furze Erwähnung finden, in früheren 
Sahren war im Wetterfteingebirg 
und im Berchtesgadener Land noch 
ein guter Stand an Steinwild, jetzt 
ift dasfelbe in Deutſchland aus: 
geftorben und nur den Manen dieſes 
edlen Wilde gebe ih hier ein 
furzges Gedenken. Der König von 
Stalien befigt noch einen Beſtand 
von 300 Stüd in den grajejchen 
Alpen am Südfuß des Monte Roja 
und dank der Wunifizenz dieſes 
hoben Herren auh der Fürft 
v. Pleß im Tännengebirge im 
Salzburgfchen Lande. Die Erhal: 
tung diefer Wildart ift ſehr ſchwer, 
da die Seßzeit in die 2. Hälfte des 
Februar fällt und die Kitze in ſtrengen 
Nachwintern ſtark Schaden leiden. 
Die Brunft tritt im Auguft ein. 

422. Das Gemswild ift eine 
Wildgattung, die durch ihre ſeltſame 
Eigenart und ihre Lebensweiſe als 
Bewohner der Bergwelt das Intereſſe 
des Weidmanns herausfordert. 

Wie wir uns den deutſchen Wald, 
das Mittelgebirge und ſelbſt das 
Hochgebirge faſt bis hinauf, wo 
ſchnee- und eisbedeckte Firnen und 
Gletſcher den Abſchluß alles Lebens 
bilden, nicht ohne den Hirſch, den 
König der Wälder, denken können, 
jo iſt das Gemswild, deſſen Stand: 
ort in der Latſchenregion beginnt 
und das im harten Geſtein und 
Geſchröff mit der denkbar beſchei— 
denſten Vegetation noch ſeine 
Lebensfreude findet, als Kind 
dieſer großen unverfälſchten Natur 
eng mit dieſer verwachſen. 





Nro. 422. 


7. v. Stchart. 


Ebenſo wie der Hirſch kein Freund die Böcke werden aber oft noch 
von Berfchönerungsvereinen, Auto= | ſchwerer, 3. B. in den Allgäuer 


mobilfahrten, Gejangvereinen und 
Forftgärtnerei ift, jo meidet auch 
dag Krickelwild die Stellen im 
Alpengebiete, wo Zahnradbahnen 
und die Hochflut der Bergferen bie 
idyllifche Ruhe ftören und bevor- 
zugt unzugänglicde Lagen mit dich⸗ 
teftem Latjchengeftrüppe. Bod und 
Geiß, ſelbſt dag Kig trägt Krideln 
oder Kruden, das Geſchlecht ift 
ſchwer zu unterjcheiden, wenn auch 
der Bord ftärfer gebogene Kruden 
im allgemeinen trägt. Die Be: 
baarung tft derb und geht bei der 
Winterfärbung aus dem dunkelgrau 
mit gelblider Spitze in ſchwarz⸗ 
braun über, der Spiegel iſt gelblich- 
weiß, vom Narfen aus zieht fich ein 
ſchwarzbrauner Streifen, der Aal: 
ftreif, 6i8 über die Blume und um 
das Weidloch. Neben dem ge: 
bogenen Kopfſchmuck ift der Gams⸗ 
bart der begehrtejte Teil anı Gams⸗ 
bod, das find die ausgezogenen 
Rüdenhaare an der oberen Kante 
des Rückgrats, die in ihrer höchſten 
Höhe in der Brunftaufregung eine 
wallende (wachelnde) Mähne bilden. 
Sie find dunkelbraun glänzend, mit 
weißlichen Spiten (der Reif ge- 
nannt). Schön gefaßt und am 
Hut getragen, repräfentieren fie 
einen Lieberhaberwert von 60 —80 
Mark, wenn fie befonders lang und 
ſchön gereift find. Die Stärke des 
Bodes wird nah den Kruden ge⸗ 
meffen. Unter Höhe der Krucke 
verjteht man die Meſſung von der 
Baſis zur. höchſten Krümmung, 
unter Länge die Meflung der ganzen 
Krude über die Krümmung bis zur 
Spiße, unter Weite die Entfernung 
der Krümmungen voneinander, 
unter Dide den Umfang des ein. 
zelnen Horns. Mit ca. 17 cm 
Höhe beginnt die Güte des Bockes. 
Das Gewicht eines guten Gams⸗ 
bockes variiert zwischen 23— 30 Kilo, 


 verhärten. 


Alpen erreichen fie ein Gewicht bis 
zu 40 Kilo. Abnormitäten in der 
Kruckenbildung fommen jelten, etwa 
dur Steinjhlag oder Abkämpfen 
vor, Unter Hauthörner, die id 
am Kopfe vorfinden, verfteht man 
bewegliche, in der Dede ſteckende 
Hörner, den Krickeln ähnlich. Im 
Verdauungsmagen älterer Stücke 
befinden fich hie und da fog. Gams⸗ 
Ingeln (Bezoariteine), die eine grün: 
lichgraue Färbung und rauhe Ober: 
fläche haben, an der Luft fich ſofort 
Diefes Gebilde rührt 
von dem Harzgehalt der abgeäften 
Latſchentriebe her, die ſich mitRinden: 
faſern, Baumflechten zu einer feſten 
Kugel verbinden, meiſt Störungen 
im Ernährungszuſtand hervorrufen. 
Der Warnungspfiff der Gemſe 
wird von ihr aus ähnlichen Grün: 
den ausgeftoßen, wie dad Schalen 
und Schmälen des Rehbocks oder 
das Schreien des Rotwildes. 
Die Schußzeit auf Gams 
variiert in Bayern und dem dfter- 
reichiſchen Wipengebiete zwiſchen 
dem 25. Juli und 1. bezw. 15. De 
zember. Der gute Bod fteht als 
Einfiedler fern ab vom Mutterwild, 
bei dem auber den Schmal- und 
Geltgeißen au Kitzböcke und Jahr: 
linge, fogenanntes „Geraffel”, 
fih aufhält. Die Leitgeiß über: 
nimmt die Führung des Rudels. 
Wer nie im Hochgebirg gejagt hat, 
der wird fich fchwerlich einen Be: 
griff maden von den enormen 
Schmwierigfeiten, die mit ber 
Pirſche verbunden find. Der 
vielfah wechſelnde Wind, die 
Iharfen Sinne des Wildes, die 
große Hellhörigfeit in der Klaren, - 
reinen Bergluft, das ſchwierige 
Gehen auf dem fantigen Geftein 
mit genageltem Bergſchuh, die 
Deberwindung Iebensgefährlicher 
Stellen und ſchließlich doch am 


die Gamsbrunft. 


VI 1. Das deuffihe Weidwerk. 


Niro. 422. 


faliden Plate fich befinden, die | die Gams, dag rollende Echo des 
großen Ummege beim Einfteigen Büchſenknalls, und der Bock fchle- 


in die Gamsſtände, plötzlich ein- 
Tallender Nebel, das alles könnte 
den Säger zur Verzweiflung brin- 
gen, wenn die Jagdleidenſchaft nicht 
wäre, die ihn anjpornt, alles zu 
wagen. Der Anfis führt oft am 
beiten zum Biel, Ausharren, „net 
auslafjen“, und der gute Freund 
des Jägers, der Zufall, muß eben 
über vieles hinweghelfen. Ein ganz 
veränderted Bild zeigt dem Jäger 
Sieht man 
im Sommer und Spätherbft die 
Rudel in den Hängen und Lahnen 
ftehen, auf Aeſung ziehen und in 
die Wände einjteigen, fo find die 
Bewegungen des noch hell gefärbten 
Wildes, das fich wenig vom Berg: 
boden abhebt, noch gemefjen und 
ruhig. Sm November, jobald die 
Geißen brünftig werden, zeigt ſich 
ein total veränderte® Bild. Die 
guten Böcke verlaſſen ihre einſamen 
Stände, mit tiefem Windfange ſieht 
man ſie herumwechſeln, die Fährte 
des brünftigen Mutterwildes auf⸗ 
ſuchend. Von Tag zu Tag wird 
das Treiben lebendiger. Der Gams 
wird rogel (rege). Ungemein 
hitzig rennen die guten Böcke von 
einem Rudel zum anderen, dabei 
einen blökenden Ton, den man nur 
in der Brunftzeit hört, ausſtoßend. 
Der Bock „plädert“. Treibt der 
Bock eine Geiß oder jagt er hinter 
einem Nebenbuhler her, ſo iſt das 
ein herrlicher Anblick, es gibt kein 
Hindernis für beide, wie ein 
ſchwarzer Satan fleddert der trei⸗ 
bende Bock mit wackelndem Barte 
hinter dem Stück drein, hinauf und 
hinab in ſchier unmöglich zu er— 
klimmende Wände mit ungeminder⸗ 
ter Schnelligkeit, ein Bild raſtloſer 
Unruhe, ungezügelter Leidenſchaft. 
Das iſt die gute Zeit für den 
Gamsjäger, ein ſchriller Pfiff 
von ſeinen Lippen, kurz verhoffen 


gelt auf ſchneeigem Grund mit den 
Läufen. Doch iſt die Sache nicht 
immer ſo einfach. Viel muß der 
Weidmann berückſichtigen, ob er den 
Schuß wagen darf. Der geſchoſſene 
Bock ſtürzt ab und iſt für den 
Jäger verloren, gut ſitzen muß der 
Schuß, ſonſt ſteigt der kranke Bock 
mit großer Zähigkeit hinein in die 
Wand an unzugängliche Stellen und 
geht dem Schützen verloren. Die 
Weidgerechtigkeit fordert vom Jäger 
nur dann den Schuß, wenn ſichere 
Ausſicht beſteht, das Wild zur 
Strecke zu bringen. 

Bequemer iſt das Treiben 
auf Gams. Die Treiber nehmen 
die ſchwere Arbeit den Jägern ab, 
welche die beſten Wechſel beſetzt 
halten. Auch im Treiben geht der 
Bock ungern mit dem Rudel, er 
ſtellt ſich gerne ein, d. h. er drückt 
ſich in ſchwer zu treibende Stellen, 
aus denen er auch durch Stein— 
würfe nicht leicht herauszubringen 
iſt, er durchſchaut ſehr raſch die 
ganze Situation. Den im Rudel 
anwechſelnden Bock heraus zu 
kennen iſt trotz deſſen gedrungenerem 
Körper und dem kräftigen Hals, 
nicht leicht und erfordert große 
Uebung. Wechſelt der Bock flüchtig 
durch, dann ſoll man nicht hitzig 
ſchießen. Der Gams macht ſtets 
nach einigen Fluchten ein kleines 
„Steherl“, um zu ſichern, auch läßt 
er ſich anpfeifen und verhofft dann 
einen kurzen Moment. 

Einen Gamstrieb richtig an— 
zulegen erfordert viele Mühe und eine 
gut geſchulte Treiberwehr. Auf ein 
gegebenes Zeichen den Hebſchuß 
oder nach vorher genau kontrollierten 
Uhren, haben die Treiber anzu— 
gehen, deren Steige ihnen ſcharf 
eingeprägt und zeitlich ausgemeſſen 
ſein müſſen, die Flügel dürfen nicht 
vorkommen, ſonſt iſt die ganze 


Niro. 423—424. 


Arbeit verloren. Seltentönnen mehr 
ald 2 Triebe an einem Tage ange- 
legt werden, da die Anftrengungen 
und Gefahren für die Treiber zu 
hoch find, die oft Schon furz nad 
Mitternacht aufbrechen müffen. 
Leider ift das Gamswild auch 
verheerenden Krankheiten 
ausgeſetzt. Ich erwähne hier nur 
die Lungenwurmſeuche, die Räude, 
die Klauenſeuche, den Milzbrand 
und die Drehkrankheit (Blaſen⸗ 
würmer im Gehirn), welche einen 
Gamsſtand oft ſehr ſtark mitnehmen. 
423. Das richtige Aufbrechen 
muß unbedingt vom weidgerechten 
Jäger verlangt werden. Die Kennt: 
nis desjelben gibt ihm erft den 
rechten Aufſchluß, ob er feine Kugel 
richtig angetragen bat, die enorme 
Berftörung des Wildförpers, der 
Gedanfe an die lange qualvolle 
Zeit, bi8 das arme Wild zur 
Strede gebracht wurde, ſollen dem 
aufbrehenden Säger eine jcharfe 
Mahnung fein, das edle Geſchöpf 
nit in leichtfertiger Weiſe der 
Schießwut zum Opfer zu bringen. 
Sn Kürze folgt die weidmänniſche 
Art des Aufbrehend: Die Haut 
am Halfe wird vom “Drofjellopf 
bis zum Stih aufgefchärft, die 
Drofjel ausgelöft, von Fleiſchſtücken 
gefäubert, der Schlund am Droſſel⸗ 
fopf abgejchnitten und gefnotet. 
Das Wild liegt auf dem Rüden, 
der Jäger tritt zwiſchen die Hinter: 
läufe, durchſchneidet dag Kurzmild- 
grat (Hoden), ſchürft die Haut big 
zum Stich auf und löft die Brunft- 
rute aus. Da wo der Wanft an 
das Schloß anjtößt, erfolgt der 
Einschnitt, in diefen ſteckt man 
zwei Finger der linfen Hand, drückt 
mit den Knöcheln derſelben Blafe 
und Gefcheide zurüd und fchneidet, 
die Spite des Weidmeſſers zwiſchen 
die Finger der linfen Hand durch: 
laufen lajjend, von unten nad) oben 
die Bauchwand bis zum Stich auf. 


3. ». Sichart. 


Mit beiden Händen langt man nad) 
vorn und Holt den Banjen mit dem 
Schlund heraus auf dierechte Seite, 
dann wird dag Schloß gelöjt, der 
Weiddarn aus den Weidloch ge= 
Ihält, nad innen gezogen. Die 
großen Sclagadern der Keulen 
werden geöffnet. Der Drofielfopf 
wird jetzt erſt durchſchnitten, Die 
Droſſel in die Herztammer gezogen 
und das Geſcheide mit Gewalt 
herausgeriſſen. Dann wird das 
Stück vorne gehoben, um den 
Schweiß auslaufen zu laſſen. 

424. Das Rehwild. Es bildet 
den Uebergang der Wildarten der 
niederen Jagd zur hohen Jagd. Zu 
den Zeiten mittelalterlicher Jagd⸗ 
gerechtigkeit, als noch der wilde Ur, 
der Elch, der Hirſch, das Wildſchwein, 
Bär, Luchs und Wolf in größerer 
Zahl die deutſchen Wälder bevölker⸗— 
ten,da bot diefesGropmild dem Weid- 
wert mit feinen einfachen Jagd— 
waffen noch genügend Raum zur 
Betätigung deutſcher Mannesfraft 
im frohgemuten Wagen und das 
Rehmwild war der niederen Jagd 
beigezählt. Sett, mo ed neben dem 
befcheidenen Stand an Rotwild fajt 
allein von allem Schalenwild noch 
in großer Zahl über Deutſchlands 
Forften verbreitet ift, muß es der 
hohen Sagd beigerechnet werden. Es 
gebührt ihm mie allem Schalenwild 
wenigſtens auf Pirfhe und Anftand 
die Kugel, wenn auch bei Treibjagden 
wegen des ſchmalen zierliden Wild- 
förper8 und der hohen Fluchten der 
Schrotſchuß gerechtfertigt erſcheint. 

Wie der Hirſch der König der 
Forſten, ſo wird der Rehbock der 
Freiherr des Waldes genannt. Der 
Ende Mai im roten Rock erſcheinende 
Rehbock bildet eine reizende Staf- 
fage zu der im lidten Grün 
prangenden Landſchaft und wunder⸗ 
voll hebt fich der ſchlanke, zierliche 
Wildförper des Rehs mit feinen 
graziöjen Bewegungen vom dunklen 


VI. 1. Bas deuffihe Weidwerk. 


Wald und der fonnbeglänzten Flur 
ab. Seine weidgeredhte Jagd 
und Hege jollte jedem Säger tief 
ind Herz gejchrieben fein. Keine 
MWildart ift fo dankbar für treue 
Fürforge in Zeiten der Not dur 
Anlage von Futterplägen, Salz. 
leden und Wildäder als das Reh. 
Sein Schaden ift fg gering in 
Forftkulturen und landwirtjchaft- 
lichen Erzeugnifien, ja man rühmt 
fogar dem Reh nad), es habe goldene 
Schalen. Die im Kapitel der Wild- 
bege bezeichneten Futtermitttel wer- 
den vom Reh gerne angenommen. 
Sch möchte hier nur der Anlage 
von VWildädern nod das Wort 
reden, aber bei dem Ausdruck 
„Wildader” den Eindrud ver: 
meiden, al3 wenn dies Wort nur 
an den Grundbefit gebunden wäre. 
Es gibt auch bei Pachtjagden Ge- 
räumte und Graswege, Bodenftrei- 
fen, die zu land» und forftmirt- 
ſchaftlicher Ausnügung unbeachtet 
geblieben find, ferner Schutzſtreifen 
an Eijenbahnlinien die mit etwas 
Dünger bearbeitet und mit Klee- 
famen angefäet die berrlichiten 
Wildäder geben. Kahle Stellen 
mitten in Beftänden, Rompofthaufen 
lafjen fih mit Kuhkohl bepflanzen 
und anderes mehr. Für alle dieſe 
Wildfuttermittel, wie fte auch heißen 
mögen, findet der Säger am Reh 
einen danktbaren Abnehmer und 
fefjelt dasſelbe an fein Revier. 
Das Reh unternimmt troß eines 
feftgewurzelten Heimatfinnes und 
der Vorliebe für befondere Stand- 
orte aus Wafjermangel oft große 
Neifen, wie wir aus den Graf 
Bernftorffihen Wild marken 
fonftatieren Tönnen. Dieſe Wild- 
marfen im Luſer des Kites oder 
Wildkalbes beim Edelmwild eingeſetzt 
haben den Zwed über Veränderung 
des Standorte und über die Ent- 
widelung der Geweihbildung nähere 


Niro. 424. 


große Anerkennung und Verbreitung 
gefunden. Die Erfahrung hat 
ferner gelehrt, daß von Rehen be⸗ 
ſonders bevorzugte Reviere fait 
nit audgerottet werden können. 
Immer wieder findet ſich neuer Zus 
zug. Gute Nefungsverhältniffe, na- 
mentlih im Winter und im Frühjahr 
bei der Geweihbildung insbefondere 
Suttermittel, die viel Phosphor: 
ſauren Kalt enthalten, bringen gute 
Gemweihe hervor. Ein Bod mit 
normal entwideltem Geweih, ſtark 
in den Stangen und gut und rei) 
geperlt mit vollen Rofen, weit- 
jtehend und mit fcharfen langen 
Enden ift entjchieden einem mit 
widerfinnigem oder abnor= 
mem Gemweih vorzuziehen. Dieje 
Bildungen verdanken meiften® ihre 
Entftehung äußeren Beranlafjungen 
und Beichädigungen der noch weichen 
im Baſt befindlichen Geweihmaſſe, 
fommen beim Rehbock auch viel 
häufiger vor als beim Rothirſch, 
der viel heimlicher und vorfichtiger 
in diefer Zeit fih benimmt. Der 
Rehbod ift viel mehr geneigt, durch 
panikartige Flucht fih zu retten 
und bfeibt hiebei leicht in Dornen 
hängen oder verlegt ſich an vor: 
ftehenden Neften. Die fogenannte 
Perüdenbildung tritt mei- 
ftend bei Berlegungen der Hoden 
in der Zeit des Aufbaues des 
Gemweihes auf, die Gemeihmafie 
wuchert fort und bleibt ftet3 weich 
mit baftartigem Ueberzug. Erft 
mit dem Ende des Stüdes ver- 
härtert fi die Maſſe. Man kann 
im allgemeinen annehmen, daß 
diefe Stüde Frank find. Hie und 
da wird auch eine gehörnte Reh— 
geiß als Bol gejchoffen. Diele 
Gemweihbildung Tann als Herma: 
phrodismus angejehen werden, doc) 
ift auch ſchon eine Rehgeiß mit 
Kit, die ein ganz veritable8 Ge— 
weih gefchoben, aber nie abgeworfen 


Auffhlüffe zu geben und haben | hatte, ald Bor erlegt worden. Bei 








eo 


Nro. 424. 





220. Geweihbildung des Rehbods. 
Aus Grashey, Handbuch für Jäger. 





I. Erftlingsbildung des Rehbodgeweihs. — 2. Knopfjpießer. — 3. Spießergeweih. — 
4%. Gabelgeweih. — 5. Sechfergeweih. — 6. Sechfergeweih ohne Nebenfproffen. — 
2. Kreuzbodgeweih. — 8. Urbodgeweih. — 9. Schaufelgeweih. — 10. Tu engeweih. 





VI. 1. Das dentſche Weidwerk. 


derartigen vorflommenden Abnormi- 
täten follte ftet3 dag ganze Stüd 
von einem Sadverftändigen auf 
das genauejte unterjucht werden. 

Der Jäger, der jeden Bod ohne 
Auswahl erlegt, wird nie einen 
guten Rehftand großziehen. 
Das ganze Geheimnis, jagdliche 
Freuden zu erleben, beruht im 
Verſagen zu rechter Zeit, am rechten 
Ort und richtiger Auswahl. Es 
gehört der junge Bod, mag er 
Spießer, Gabler oder junger Sechler 
fein, unbedingt geſchont, außer er 
zeigt foviel Anormales in Körper: 
form und rüdjtändiger Gemeih- 
bildung, daß feine Vererbung un 
bedingten Schaden bringen müßte. 
Das Wort Kümmerer wird viel 
gebraucht, viel mit Unrecht und’ zur 
Ungzeit. 

Sunge Böde werden als ſolche 
geichoflen, die nichts weniger als 
fümmern. Dem Ausdrude „Küm— 
merer” muß mit aller Entjchieden- 
beit die Bedeutung „krankhaft“ 
unterlegt werden und ſcharfes 
Prüfen und Beobadten follte erft 
Platz greifen, ehe man einen der: 
artigen Bor auf den Abſchuß jest. 
Auch dem braven Sechſer jollte, 
namentlich wenn er in ſeiner Art 
vereinzelt im Revier ſteht, die Ge- 
fegenheit zur Vererbung erft noch 
gegeben werden, ehe man ihm die 
Kugel aufs Blatt jet. Auch dag 
richtige Geſchlechtsverhältnis feſt⸗ 
zuſtellen, gehört zur Hege mit der 
Büchſe. Bei Geißenabſchuß ſollen 
nur Geltgeißen oder ſehr ſchwache 
Schmalrehe auf die Decke gelegt 
werden. Der Abſchuß derſelben 
kann nur auf der Pirſche mit der 
Kugel geſchehen. Ich ſpreche hier 
in erſter Linie von Waldrevieren. 
In ausgedehnten Ebenen mit ge— 
ringem Baumwuchs, auch im Mooje 
fommen fogenannte Yeldrehe 
vor, die den Charakter ald Wald: 
tiere ganz verlieren, Sommer wie 


Niro. 424. 


Winter im offenen Gelände ftehen. 
Sie find deshalb nicht weniger 
ſcheu, leben immer ſtark gerubdelt. 
Das Bejagen verfelben, aud die 
Hege mit der Büchſe wird dort fehr 
ſchwierig. Das Anfahren der- 
ſelben hat noch den meiften Erfolg. 

Auch beim Rehbock vervient die 
Pirfhe wie der Anftand den 
Vorzug und gewährt die reichiten 
Sägerfreuden. Der Wechſel des 
Bockes während und auch nach der 
Tegezeit läßt ſich leicht feftftellen. 
Er liebt e3 beim Ein- und Aus: 
wechſel die Rinde der kleineren 
Bäume zu bearbeiten. Weichhölzer 
und jeltenere Koniferen find vor 
ihm nicht ſicher, vielfach ift Ueber- 
mut die Urſache des Fegens. Troß- 
dem er durch diejed Fegen feinen 
Standort verrät, entzieht er ſich 
häufig den Nachſtellungen des Jägers, 
ſeine Schlauheit und Vorſicht iſt 
groß, durch ſeine große Naſch— 
haftigkeit liebt er einen fortgeſetzten 
Wechſel der Aeſung, tritt häufig 
ſehr ſpät aus und wechſelt noch 
vor Tau und Tag zurück in die 
ſchützenden Dickungen, die er unter 
Tag nur verläßt, um auf graſigen 
mit Steinklee bewachſenen Wald— 
wegen, oft mitten in dichtem Be— 
ſtand zu äſen. Zur Zeit der faulen 
Pirſche, morgens zwiſchen 9 und 
12 und nachmittags um 4 Uhr hat 
jhon mander den SKapitalen ge= 
ftredt, den er in aller Herrgotts— 
frühe und am fpäten Abend ver: 
geblich ſuchte. Der alte heimliche 
Bock liebt ed auch unter Mittag 
auszutreten, wenn Wald und Feld 
von Forſt- und Landarbeitern frei 
ift und die Mittagsbrotzeit und 
Biehfütterung den Bauern an Haus 
und Hof bindet, und leichter läßt 
er ſich noch erfigen als erpirſchen. 

Die zur Zeit von benachbarten 
deutichen Staaten verfuchte Enquete 
über Regelung der Schon: 
zeiten und Einſchränkung der 


ER 


Niro. 424. 


Schußzeiten — e8 wird z. B. 
geplant, die Schußzeit auf den Reh⸗ 
bod für das ganze deutfche Neich 
am 1. Juni und den Beginn der 
Schonzeit am 1. Sjanuar feitzufegen 
— fann nur mit Freude begrüßt 
werden. Der Bord wird felten rot 
vor den lekten Tagen des Mai 
und in rauhen Tagen Tann man 
graue Rehe noch lange im Juni 
beobachten, wie alte Setzgeißen, 
ſchwache Schmalrehe und geringe 
Böde. Es gilt als unweid— 
männiſch den Bock zu ſchießen, 
bevorx er ganz verfärbt bat, er 
ſteckt noch voll Engerlinge, ift arm 
in Wilobret und gemährt einen 
unſchönen Anblick, wenn er auf der 
Dede liegt und womöglich noch im 
Baft fteht. Steigt gegen Mitte 
Suni die Sonne höher und fangen 
die Inſekten an im Walde Täftig 
zu werden und beginnt Die Heu— 
ernte, dann wird die Pirſche wie 
der Anfig fehr ſchwierig. Die Rehe 
wechleln ind hohe Getreide und 
finden dort Schug und Ruhe vor 
dem Ungeziefer und den beeren- 
ſuchenden Menfihen, verlafjen das⸗ 
jelbe nur, um auf furze Zeit auf 
Aeſung zu ziehen in Grabenränder, 
Rainen, ziehen oft weit in das 
Feld hinein, das fie erft wieder 
verlaffen, wenn die Roggenernte 
beginnt und der Brunfttrieb den 
Bock aus den ſchützenden Halmen 
heraustreibt in den Wald. Die 
Blattzeit beginnt. Jetzt ſucht 
der Jäger mit der Blatte, ent- 
weder einem Inſtrument oder 
auf einem Buchenblatt oder 
auf Birfenrinde, den feinen Lod- 
ton des brunftenden Rehes nad): 
zuahmen, um ben Bock zu betören. 
Ungemein ftarf wirft auch das fo- 
genannte Angftgefhrei auf die 
erregten Sinne des Kapitalen. Nur 


wenige Säger können fih rühmen, 


dasfelbe in Wirklichkeit gehört zır 


J. v. Sichart. 


das brünftige Liebeswerben des 
Bockes, das dieſer mit ſeinem ſpitzen 
Geweih unterſtützt, in ſtarke Be⸗ 
drängnis gerät, ſtößt einen wie 
Angſt klingenden Ruf aus. Doch 
ſtößt auch der Vock einen ähnlichen 
Ton dus, wenn er in feiner Er 
regung mit den Läufen den Boden 
Schlägt und Moos und Erde mil 
dem Geweih in die Höhe wirft. 
Der den Hauptreiz auf den Bol 
ausübende Ton des Angftgefchreis 
wird erft mit den leßten gedehnten 
und ausklingenden höheren Tönen 
feine vollendete Wirkung erreichen, 
was vielleicht manchem Jäger nicht 
ganz Har tft. Unter Herenringe 
verfteht man die kreisförmigen aus⸗ 
getretenen Wege um einen Baum⸗ 
jtamm, um den der Bod das er: 
mattete Reh herumtreibi. Der 
Blattjäger, muß viel Geduld, viel 
Ausdauer befigen, pirfchend ninmt 
er feinen Stand ein unter Berüd: 
fihtigung des Windes, geraume 
Zeit wartend, bis er beginnt. Der 
gute Bock kommt felten flüchtig 
angeiprungen. Deshalb gefpannie 
Aufmerkſamkeit und Vorficht drin: 
gend nötig. Vernimmt der Bod 
das geringfte, was ihn ftören Fünnte, 
oder bekommt er den Jäger in den 
Wind, dann geht er fchredend ab. 
Gelegentlih der Herbft- und 
Mintertreibjagden follte Fein 
Bock mehr gefihoffen werden, am 
allerwenigften einer, der bereits ab- 
geworfen Hat. Auch der Geißen⸗ 
abſchuß zu dieſer Zeit ift zu ver: 
werfen, denn der Sagherr hat es 
nie in der. Hand auf einer Treibjagd 
die Auswahl zu regeln und mande 
brave Setzgeiß liegt oft. als Geltgeiß 
auf der Strede und das Revier iſt 
nicht um 1 Stüd, fondern um 3 Stuck 
ärmer geworden. Wohl Tönnen 
Berhältnifie eintreten, daß der Ab- 
ſchuß zur Pirfchzeit nicht erreicht 
wurde, dann Hilft fi der gufe 


haben. Das Reh, welches durch Weidmann durch Veranſtaltung 


3 
m. 


% — « | 
u. 608 
—8 
—— 


— 


VI. 1. Das deuffche Weidmwerk. 


fleiner HRiegeljagden im 
Herbft mit wenigen . verläffigen 
Teilnehmern, wobei mehr gedrüdt 
als getrieben wird. 

Daß der Kugelihuß mehr Weib- 
mannsart entipicht, als der Schrot- 
ſchuß, das fteht wohl fejt beim 
braven Jäger. Doc wird wohl 
nicht jeder in der Lage fein, dem 
flüchtenden Bod die Kugel auf den 
richtigen Fleck zu jeßen, auf feinen 
Tall darf aber der Jäger bei den 
Kleinen Treibjagen mit Schrot auf 
weite Entfernung und mit Schnapp: 
ſchuß den Bor zu erlegen - juchen. 
Meidmännifh ift Schrotihuß nur 
Dann, wenn der Jäger mit Sicherheit 
rechnen darf, das Wild zur Strede 
zu bringen. Selbjtveritändlich find 
nur Starte Schrote zu wählen. (Ueber 
Aufdreden fiehe Gemswild.) 

425. Das Wildſchwein. Mit 
ungeftümer Kraft und Zähigfeit hat 
das ritterlihe Wild den Sturm ber 
Sahrhunderteüberdauert, mit feinem 
wilden fcheuen Wejen und feiner 
großen Widerftandsfraft gemahnt 
es uns in den menigen freien 
Mildbahnen, die ihm noch geblieben 
find, an die Rauheit und Boritig- 
feit alter Zeiten, trogend dem Ver⸗ 
nichtungsfampf, den es zu führen 
gezwungen ijt gegen die Hochkultur 
unferer Forſt- und Landwirtjchaft, 
in deren Rahmen es faft nicht mehr 
hineinpaßt. Gehegt finden wir es 
noch in den Sauparks fürftlicher 
hoher Herren, die dem Schwarz: 
fittel no mit altangejtammter 
Courtoifie ſympatiſche Regungen 
entgegenbringen. Die freien Wild- 
bahnen find zu zählen. In den 
Reichslanden, im Spefjart, Oden: 
wald, Schwarzwald, in der Rhön, 
Eifel, im Sauerland, im Weiter: 
wald und Dftpreußen gibt es noch 
Heine Beltände an Schwarzwild. 
Der Landwirt bringt ihm wenig 


Niro. 425. 


Nahrung brauden, es ift eben ein 
rückſichtsloſes Wild, aber nur durd) 
diefe Eigenjchaft widerfteht e3 der 
Vernichtung. Im Walde ift der 
Schaden nicht fo beträchtlich. Die 
Sauen breden wohl in jungen 
Kulturen, aber ihre Vernichtung 
der Larven und Forſtſchädlinge ift 
auch nicht zu unterjchäten. 

Die Jagd auf Sauen im 
Sommer und Herbit iſt fait 
ausſichtslos. Das Schwarzwild 
zieht erjt in der Nacht auf Aefung, 
legt biebei große Streden zurüd, 
ift heute bier und morgen da und 
längſt wieder eingewechjelt, wenn 
das Büchfenlicht des jungen Tages 
Ausfiht auf einen guten Schuß 
geben würde. Der alte Freund 
des Jägers, der Zufall, bereitet 
diefem manchmal einen guten An- 
bli, wenn nicht mehr. Werden 
die Nächte Fälter und tritt Schnee 
fall ein, dann gewinnt die Mög: 
lichfeit mit Hilfe des weißen Leit- 
hundes die Sauen feft zu machen. 
Wie alles Wild, ift auch die Sau 
beim erften Neufchnee überrajcht 
und hält oft feit im Kefjel au2. 
Der ne Anblid der in 
weißes Gewand gehüllten Natur 
und die inftinktive Unficherheit bannt 
fie mindefteng einen Tag lang feit. 
Es erfordert große Hebung, Sauen, 
die Schon gewechſelt jind, bei Schnee 
fejt zu maden. Nah dem erften 
Schnee laufen fie viel, aber nur 
in der Naht. Bon großer Wichtig- 
feit ift e8, eingefreifte Sauen aus 
dem Keſſel zu fprengen, um zu 
verhüten, daß fie alle, eines Hinter 
dem andern nur einem Schüßen 
anlaufen. Bei tieferem Schnee 
liegen fie oft fo feit, daß fie halb 
eingefchneit die Treiber an ſich 
vorübergehen lafjen. Dann können 
nur Hunde fie hochhringen. Der 
grobe Keiler, auch Hauptſchwein 


Sympathieentgegen, denn dieSauen | genannt, geht aldEingänger meijteng 
ruinieren oft mehr, als fie an | allein, er fchlägt fich erjt zur Rotte, 


Nro. 426. 


wenn die Raufchzeit, (Begattungs- 
zeit) im Dezember und Sanuar be- 
ginnt. Es gewährt einen herrlichen 
Anblick, einen ſtarken Keiler auf der 
Suche nad der Rotte einen freien 
Schlag überqueren zu jehen. Wetzend 
mit ſchäumendem Gebräche überfällt 
der alte Baffe im fördernden Jagd⸗ 
galopp den breiteften Graben. 
Sauen, die im Treiben einmal 
rege gemacht find, wieder feit zu 
machen, hält ungeheuer jeöwer. Das 
geringfte Geräufh beim weiteren 
Einfreifen veranlaßt fie, abgefehen 
davon, daß die Rotte große Wege 
macht, fofort los zu gehen, bevor 
der Trieb umftellt if. Der wirt: 
ſamſte Schuß bleibt allemal der 
Kugelſchuß, ſchwächere Stücke, 
Ueberläufer und Friſchlinge können 
wohl mit Poſtenſchuß im Feuer 
bleiben, aber die Durchſchlagskraft 
des Büchſengeſchoſſes allein iſt, und 
da nur an geeigneter Stelle, hinter 
den Gehören oder dem Blatt ge— 
eignet, daB die grobe Sau, deren 
ftarfe Schwarte namentlih nad) 
veiher Buchen: und Gichelmaft) 
einegroße Widerſtandskraft hat, mit 
dem Gebrädhe oder dem Wurf in 
den jtiebenden Schnee fährt, um 
nach kurzen Fluchten zu verenden. 
Der angefchoflenen Sau ſich zu 
nähern ift nicht ratfam und mancher 
fchneidige vorwigige Hund hat 
feinen Eifer mit dem Leben zu be- 
zahlen. Grundfag ſoll fein, ftet3 
init dem Fangſchuß an guter Stelle 
nicht zu jparen, folange noch Leben 
in dem geſchoſſenen Stück fich zeigt. 
Da das Schwarzwild durd feinen 
Schaden, den e3 in Wald und Feld 
verurjacdht, Feine Schonzeit in deut: 
ſchen Revieren genießt, fo fann von 
Hege nur in Sauparks Die Rede 
fein. Dort werden fie mit Kar—⸗ 
toffeln, Kaftanien, Mais gefüttert. 
426. Zum Raubwild der hohen 


3. v. Sidyart. 


vollftändig verfehwunden if, Der 
Luch s kann nur ald Einwanderer 
in Berüdfichtigung kommen, in 
Dfjtpreußen wird zu Zeiten aus 
Rußland ab und zu ein Luchs ge: 
meldet, die Karpathen in Ungarn, 
in Galizien, Siebenbürgen führen 
ihn noch als Standmwild, jeine Fährte 
ift der der Wildkatze ähnlid), doch 
viel größer und runder. Dem Wilde 
bringt er großen Schaden, da feine 
Mordluft jehr bedeutend ift, Am 
verläfjigiten Tann man ihm am ge: 
riſſenen Stüde mit großen Zeller: 
eifen beikommen. Bei Neufchnee 
ihn im Treiben zu jagen, erfordert 
viele Mühe und ſehr verläffige 
Ihneidige Hunde, die den Luchs 
zum Aufbäumen bringen und ver- 
bellen. Der lebte Luchs in den 
bayerifhen Bergen wurde in Hit: 
delang im Sahre 1840 erlegt. Ohne 
Hunde den Luchs im Treiben vor 
dag Nohr zu bringen, ift beinahe 
unmöglid. Er macht ſich wenig 
aus dem Lärm der Treiber und 
benüßt jede Gelegenheit ſich zu 
brüden. Da dieje große Kate, fie 
erreicht eine Höhe von 0,75 m, ein 
Gewicht von 30 Kilogramm, nur 
einzelne Teile aus dem gerifjenen 
Stüf herausfrigt und den Reſt 
meift liegen läßt, fo reduziert fie 
einen Wildſtand ungemein. Die 
verhältnismäßig befte Jagd ift, wie 
Thon erwähnt, der Fang mit dem 
Tellereifen. Der Luchs iſt feit 
jo guter Kletterer wie die Katze 


und nimmt nur. fchräg ftehende | 


Bäume oder folche mit tiefer Ver: 
äftung, wie freiftehende Buchen att. 
Daß er Wild vom Baum aus über: 
fät, ift eine Fabel, feine langen 
hohen Läufe erleichtern ihm dei 
Sprung gegen dad Wild, dad er 
beichlihen hat, mit einem Biß und 
den fcharfen Krallen reißt er die 
Drofjel oder die Halgfchlagadern, 


Zagd zählt in erfter Linie der | ſodaß das Wild zufammenbridt. 


Bär, der in deutſchen Revieren 


Der Wolf. Sind es die Mär 


VI. 1. Das deulſche Weidwerk. 


chen aus Kinderzeit oder ift es der 
Sahrtaufende alte Haß des Men: 
fchen gegen dieſes Raubtier, welches 
troß jeines Gemiſches von Grau: 
ſamkeit und Feigheit, Hinterlift und 
Raubgier diefen jeltfamen Reiz auf 
den Jäger ausübt? Wenn der 
Wolf in einer Wildbahn erfcheint, 
feine charakteriftiihe Fährte und 
die große Panik unter dem Rot: 
und Rehmild ihn unverfennbar dem 
fpürenden Auge des Belaufjägerg 
feftlegt, dann macht jelbjt ver 
zahmite Nimrod mobil. 

Faft immer find es diefelben 
feit Jägergedenken bewährten Wald- 
beftände und Sclupfwintel, die 
nämlihen Wechſel, auf denen das 
gefürdtete Raubtier gejpürt wird 
und in denen es ich jtedt. 

Die Fährte des Wolfes unter: 
fcheidet fih von der des Hundes, 
daß die Ballen der Tritte fchmal 
und lang find, die Tritte ſelbſt 
hintereinander ftehen, wie beim 
fhnürenden Fuchs. Auch der Wolf 
fhnürt. Eine Rotte Wölfe tritt 
hintereinander, einer in der Fährte 
des andern, jodaß die Anzahl ſchwer 
feftzuftellen ift. Die Ranzzeit findet 
in den Wintermonaten Dezember 
bis Februar jtatt, die Wölfin geht 
64 Tage did und wölft 4— 6 Junge. 
Die Gemohnheit der alten Wölfe, 
ihrer Brut zuzubeulen, wenn fie 
Nachts auf Raub ausgehen, wird 
vom Säger benugt, um dur An- 
heulen den Ort des Neſtes feitzu- 
ftellen. Hat man die Stelle genau 
feftgemadt, dann wird der betref- 
fende Trieb am folgenden Morgen 
umftellt. Der weiße Leithund, der 
Schnee, bietet die beſte Ausficht, 
des fahrenden Gejellen habhaft zu 
werden. Der Wolf braudt nur 
geringe, aber gefchulte Treibermehr, 
die der Fährte folgend ihn aus 
dem Schlupfmwinfel aufſcheuchen. Er 
geht beim geringften Lärm fofort 


Nro. 426. 


Dedung zu Dedung, und prüft vor 
dem Berlafjen der letzten Dedung, 
von den Treibern nad vorwärts 
gedrängt, die Stelle, die ihm am 
geeignetften jcheint zum Durd)- 
brechen. Getroffen ftößt er einen 
furzen heijeren Klageruf aus mie 
ein Hund. 

In Deutſchland wandert er ein 
von unferen Grenznadhbarn im 
DOften und Weiten, aus den Ar: 
dennen in ftrengen Wintern ge: 
trieben durch Hunger in die reich$- 
ländiihden Waldungen, aus den 
ruffiihen DOftfeeprovinzen nach Dit- 
preußen. Sin der Oberförfterei Lyf 
in Mafuren in Oftpreußen murde 
im Winter 1907/1908 ver legte 
Wolf gefhoflen. In Lothringen 
murde im Kreife Altfirch ein Straßen: 
wärter von einem Wolf angefallen 
und eine Wölfin mit 2 Jungen im 
Sommer 1908 im Walde nahe der 
franzöfiihen Grenze angetroffen. 
Aus den öfterreihifhen Kron- 
ländern am Fuße der Karpathen, 
wechjelt der Wolf über die Grenze, 
in der Bulomwina in Bosnien ift 
der Wolf noch Standwild. 

Am Luderplag anzufiten, er: 
fordert große Liebe zum Weidmerf, 
ftrenge Kälte, das lange Aus: 
barren im Dunfel der Nacht ift 
nicht jedermanng Sade. Je ftin- 
fender daS Aas, deſto größer der 
Lederbiffen. Die Zahl deuticher 
Jäger, die je das Weidmannsheil 
hatten, einen Wolf zu ftreden, iſt 
fehr Tlein. Nach dem deutich:fran= 
zöfifhen Kriege taudte der Wolf 
in den neuerworbenen Reichslanden 
noch ziemlich häufig auf. Da er 
gewöhnt ift, große Streden zu 
durchlaufen, konnte man ihn allent= 
halben ſpüren. Auch mit der 
Haſenquäbke ihn anzureizen wie 
den Fuchs, Tönnte gelingen, wenn 
der Wolf nicht in weiten Bogen 
den Platz erft umfreifte, wo er das 


108, fchnürt wie der Fuchs von | vermeintliche klagende Wild ver: 


Niro. 427. 


mutete, und dabei auf die Fährte 
des Jägers Täme. Seine enorm 
Iharfen Sinne und dag große 
Mißtrauen erjchweren die Jagd 
auf den Wolf fehr. 


federwild. 


427. Der Auerhahnnimmtunter 
dem Wildgeflügel der hohen Jagd 
die erjte und vornehmſte Stelle ein. 
Solange noch hoher Herren Jagd⸗ 
gerechtigkeit die Jagd auf den Ur⸗ 
bahn als Reſervatrecht für ſich be⸗ 
anſpruchte, ſolange auch in ſpäteren 
Zeiten außer den berufenen Hütern 
des Waldes und der Forſten nur 
bevorzugte Perſönlichkeiten und 
Weidmänner von beſter Art und 
Ruf den großen Hahn auf der Balz 
erlegen durften, da waren dies gol- 
dene Tage für diejes herrliche Wild. 
Set möchte man umgefehrt die 
goldene Zeit für den ſpekulativen 
Pachtjäger gefommen wähnen, der 
den Hahn nur mit der goldenen 
Kugel — felten unter einem blauen 
Lappen — erlegen läßt von den 
beatis possidentibus, die meift 
aus Eitelfeit und Ruhmſucht oder 
von Sportluft getrieben, weil es 
Modefahe geworden tft, fi den 
koſtbaren Schlaf zu verfneifen. 

Der Hahn ift jeßt zum großen 
Teil Spefulationgobjeft geworden. 
Db es ihm zum Vorteil gereicht, 
man möchte es bezweifeln. 

Der Auerhahn ift wohl ein Be 
wohner großer zufammenhängender 
Waldungen, aber er liebt nicht 
dihte Waldungen, die ihm freie 
Umfhau und Bodenäfung ver: 
wehren, dagegen ungleich altrige, 
lückige, gemijchte Beftände, er weicht 
der gejteigerten, auf hohe Renten 
abzielenden Forſtkultur. 

Da der Hahn zur Balzzeit in 
feiner Berliebtheit wie mit Blind- 
heit gejchlagen ift und feine Er: 


J. v. Sichart. 


| 
feine Schwierigkeit bietet, da ferner | 


die Henne zur Brutzeit in der al 
berniten und ungefchieteften Weife 
ihr Neſt oft mitten in das aus— 
gefahrene Geleife alter Waldwege 
oder an den Rand eines Beſtandes 
legt, für jedermann zu haben, eine 


leichte Beute für jegliches 2- oder f 
4beinige Raubmwild troß der Boden: F 
farbe der brütenden Henne, jo iſt 
es wirklich ein Wunder zu nennen, 4 
daß der große Vogel noch nicht Y 


vollſtändig ausgerottet ift. 

Eine ftarfe Weidmannshand müßte 
feine Hege übernehmen, damit er 
nicht der ungezähmteften Jagdluſt 
zum Opfer fällt. 

Die Aeſung des Auerwildes be= 
ftebt in Snofpen, Nadeln und 
jungen Zapfen, vornehmlich Der 
Kiefer, Baum: und Strauchknoſpen, 


auch Inſekten, Larven, Schneden. Y 
Solange die Yungen noch zart find, F 
werden fie von der Henne zu f 
Ameijenhaufen geführt und mit | 
Sämereien, k 


Puppen, Beeren, 
Spinnen, Würmern, Schneden ge- 
füttert. 
nah Hühnerart in raupenfräßigen 
Revieren die Larven der Forft- 
Ihädlinge au8 dem Boden. Der 


Schaden an jungen Trieben ift von j 
feiten unſerer Foritgärtnerei ent- 
ſchieden als übertrieben anzufehen, | 


auf feinen Fall rechtfertigt er die 


Anordnung unbedingten Abjchuffes. f 
Der Auerhahn ſoll nur auf der | 


Balz erlegt werden. Ihn im Herbit 


— der Treibjagden zu |; 


hießen halte ich für ein direftes 


Unrecht und unweidmänniſches Ges |’ 


aren. 
Selbſtverſtändlich muß auch das 


b 


wie es in Skandinavien und Rußland 








nn. 
72 





Die alte Henne ſcharrt 


Bufchieren auf junges Auergeflügel, | 


noch geübt wird, verurteilt werden.|: 


„Denn die Buchen Inofpen, fo 
denfe dran, Und fürze den Schlaf, 
o Weidmann!” jagt der alte Kobell 


legung für den Sachverſtändigen | in feinem Wildanger. 


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— 


VI. 1. Das deutfcdhe Weidiwerk. 


Denn die Natur aus dem Winter: 
ſchlafe erwacht, wenn warme Früh: 
lingslüfte Schnee und Eis zum 

Schmelzen bringen, dann erwacht 
im Hahn der Begattungstrieb, er 
ſucht aus den Winterftänden die 
ültgewohnten Balzpläge auf, die 
Hennen reifen bald nad) und mit 
dem grauenden Morgen ertönt der 
Balsgefang des Hahns. So groß 
und jhön der herrliche Vogel im 
Hochzeitskleide ift, fo Hein und un: 
bedeutend erjcheint feine Stimme. 
Beim Erwachen auf dem Balzbaum 
ſchüttelt er erft fein Gefieder vom 
Tau und der Feuchtigkeit der Nacht, 
die harzige, aus Nadeln beftehende 
Aeſung verjchleiert zunächſt feine 
Stimme, er befreit fich von diefem 
Reiz duch „Worgen” (Würgen), 
‚dann ſtreckt er fich fichernd auf 
jeinem Aft, äugt mit langem Kragen 
nach allen Seiten und beginnt fein 





Niro. 427. 


Diefe Baufen, das oft Schwierige 
Anjpringen, aufwärts oder abwärts, 
in dunkler Nacht, auf ſchlechtem 
Boden, über Gräben und durch 
Aeſte verjegen den Jäger in ftarfe 
Aufregung. 

Weit hört man den Balzhahn ja 
nicht, namentlich bei leichtem Wind 
im Raufhen der Wipfel oder in 
der Nähe eines gurgelnden Waſſer— 
laufes, nur wenige hundert Schritte 
weit. Das Sehen ift auch jehr er- 
ſchwert; nicht immer balzt der Hahn 
auf freiftehendem Afte, häufig dicht 
im Wipfel, oft ſehr hoch, oft ganz 
niedrig, Dazu kommt noch Die Nähe 
der wachſamen Hennen, deren janf- 
te8 Gegode der Säger beachten 
muß, denn dad Abftehen der Hen- 
nen bringt auch den Hahn zum Ab- 
reiten. Iſt man gut auf Schuß. 
meite am Hahn, gededt und die 
Dunfelheit noch zu groß, um den 


Minnlied, das er in drei verſchiedenen Schuß zu wagen, dann fommt für 


Abftufungen ertönen läßt. Zunächſt 
klippt er in größeren und allmählich 
id) verringernden Zeiträumen, im— 
mer ſcharf äugend, bis er im Haupt 
ſchlag, der wie ein furzer, heller 
Schnalzer erklingt, feinen Liebes- 
‚drang und Sinnegerregung auf die 
höchſte Stufe gebracht hat, -die ihn 
alles vergeffen macht, ex ſchleift 
dann und wetzt, ähnlich wie man 
eine Senſe am Wesftein ſchärft. 
Diefer furze Moment gleih nad) 
dem Haupiſchlag ift das Zeichen 
für den Jäger, die befannten drei An- 
ſprünge (8—4 Sekunden dauernd) 
zu wagen. Sat folgt nun auf Satz, 
namentlich zur Zeit der beften Balz. 
Verſtummt der Hahn, muß der Jäger 
unbeweglich ftehen, denn ſorgſam 
äugt der Wildvogel in der Runde, 
Gut iſt's, wenn man ftet3 eine 
Heine Dedung findet, um dem 
Körper, der durch unwegſames Ge- 
lände Häufig in Fährlichkeiten ge= 
tät, wenigfteng in etwas einen 
Ruhepunkt zu geben. 


den Säger der jchönfte Moment, der 
Anbli des balzenden Hahnes, fei- 
ned Federſpiels, der charakterifti- 
fhen Bewegungen, bis der rollende 
Schuß dag Schweigen des Waldes 
ftört und den großen Minnefänger 
polternd auf die Erde wirft. 

Sit der Balzmorgen ſchon vor- 
gefchritten und der Hahn ſchon am 
Boden bei den Hennen, dann er- 
freut fi) des Jägers Auge an den 
jpringenden Bewegungen des Hah- 
nes, der mit fchleifenden Flügeln, 
fächerndem Stoß den Hennen jeine 
ganze Schönheit zeigt. Selten hört 
man bier den Abſchlag, nur das 
heftige Klippen und Weten. Bei 
dem jtarken Gefieder bat nur der 
gut deckende Schrotſchuß mit ſtarkem 
Schrot und auf kurze Entfernung 
Erfolg. Man ſoll nie ſpitz von 
vorn ſchießen, entweder ſeitwärts 
oder ſchräg von rückwärts. Der 
Kugelſchuß hat bei einem Wilde, 
das zur hohen Jagd gehört, wohl 
feine Berechtigung, ie aber 


Yiro. 428. 


gewandten Kugelihüten, naments 
Gh im Dunkel des Maldes und 
bei meiſtens ſchlechtem Büchſenlicht, 
zerſtört aber, wenn man nicht kleines 
Kaliber führt, vielfach den Wild— 
braten, der ohnehin nicht gerade 
der Inbegriff alles Zarten iſt. 
Die Balz beginnt ſchon im Monat 
März. Im Gebirge beginnt ſie 
erſt in der zweiten Hälfte des April 
und dauert bis Mitte Mai. Sobald 
die Hennen getreten ſind und der 
hohe Sänger nur wenige oder keine 
Zuhörer mehr findet, dann reiſt der 
Heißblütige von einem Balzplatz zum 
andern, er hält den Stand nicht 
mehr ein, nur wenige „Geſatzeln“ 
hört man beim Anſpringen, man 
hört den Hahn abſtehen, ſich wieder 
einſchwingen und ruhelos folgt der 
Hahn dem Drange ſeines Herzens. 

Das Ausmachen bezw. Beſtätigen 
des Hahns geſchieht auf folgende 
Meile: . 

Mit Einbruch der Dunkelheit 
ſchwingt fi der Balzhahn von den 
Thütenden Dickungen, wo er unter 
Tags Aeſung gefunden, mit weit hör⸗ 
barem klatſchendem Slügelichlag auf 
feinem Balzbaum ein, häufig über: 
ſtellt er fi dann noch und fein Klip- 
pen ſchallt durch die ſinkende Nacht. 

Die unter dem Baum liegende 

Loſung beftätigt dem verlufenden 
Säger den Hahn, der regelmäßig, 
wenn er nit beim Einſchwingen 
geftört wird, den Baum einhält. 
Wenn am Morgen ftarfer Wind 
die Wipfel bewegt, Regen und 
Schnee einfegt, dann verjchmeigt 
der Hahn und geht ſehr bald zu 
Boden. Iſt Tchlechted Wetter an 
haltend eingetreten, dann geht die 
Balz ftil vorüber, die dann bei 
ſpäter aufflärender Witterung ſehr 
rafch ihrem Ende zugeht. Da man 
ven Hahn bei Wind überhaupt 
ſchlecht hört, derſelbe aud viel 
jchweigt, wird manche Jagd refultat- 
los verlaufen. 


3. o. Sichart. 


1 
\ 

An den Füßen zwilhen den «.... 
Zehen hat ver Hahn die fogen ... N 
Balzftifte, die im Frühjahr weg ...” N 
fallen. Der Hahn braudt fie ald - 
Schneereifen, wie man fi im 
Winter Teicht überzeugen Tann an 0 
ben Tritten im Schnee. Mit der 7" 
Balz Haben fie nichts zu tun. N 
Erſchwert wird die Balzjapd . 7: 
noch durch Die ungemein frühe Zeit. |. | 
Noh vor Eintritt der Morgen: ..  °\ 
dämmerung, der Hahn ift der erſte 
aler Sänger, muß der Jäger in... 


der Nähe des Balzplapes jtehen, .. ". 
denn oft nur kurze Zeit währt der 
Balzgefang. Iſt der Hahn am .,. 7 
Boden, ift ein Anſpringen durd 
die Nähe der zugeſtandenen Hennen 
jehr erfchwert, Died rettet nod |... 
am eheften dem Hahn das Leben —— £ 
in dem großen Vernihtungstampf |... 
mit der Spekulation der Menſchen. 
428. Der Birkhahn oder Spiel- |..." : 
bahn, der Keine graziöfe Better |." 
des Urhahns, Tiebt größere Ger |... 
jelligfeit. Er ift weniger im Schuße | :... 
großer Waldungen zu finden, bevor: |... “- 
zugt aber die nämlichen Aefungd- —‚R5— 
und Bodenverhältniffe Lüdige, |: 
Ichlecht gepflegte Bauernwaldungen, 
auf magerem, ſandigen Boden, 
unterbrodden von Feld; Heide⸗ und 
Moorflähen, auch die Latfchenregion 
des Hochgebirges ift fein Tiebiter 
Aufenthalt. Er kommt zahlreicher 
vor wie der Auerhahn und iſt 
faft überall in Deutjhland anzu“ | :. 
treffen. Alien 
Menn im Herbft die jungen |." 
Hahnen das erjte Aungherrentieid | ,,,, 
befommen, hört man den Heinen, |... 
fhneidigen Hahn in übermütigem | 1. 
Stolz und Liebeddrang fih im |“. 
Kollern wie Schleifen üben. A 
Aehnlich fieht man es bei den 
meilten Wildvögeln, deren männ⸗ 
liche Glieder nad) der legten Mauſe⸗ 
rung vor Eintritt des Winters fih, 
jedoch ohne viel Ernſt, im Liebes⸗ 
wert üben und regelrecht ohne Ber: | :, 


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VI. 1. Pax deutſche Weidwerk. 


bindlichfeit treten. Bei MWildenten 
habe ich es häufig beobachtet. 
Macht der Ernjt des Winters 
diejem Liebesjpiel ein Ende, dann 
ftreihen die jungen Hahnen zu 
großen Flügen zufammen und bleiben 
vereint bis zum Frühjahr, wo die 
Liebe jte wieder auseinander treibt. 
Nun beginnt ein Iuftiges Rodeln 
und Schleifen in Wald und Flur 
und heiße, erbitterte Kämpfe werden 
ausgefohten. Die Bewegungen 
des balzenden Hahnes jind von 
unbejchreiblider Schönheit. Mit 
dem Schnabel am Boden und mit 
ausgebreiteten,dvenBoden ftreifenden 
Schwingen grugelt er in langjamen 
Schritten umdie ummorbene Schöne, 
um mit ziichendem Laut, mit jchla- 
genden Echwingen und aufgejtellten 
Spiel in die Höhe zu jpringen, als 
Aufforderung zum Kampf und ge— 
wijjermaßen zur Einihüchterung des 
Nebenbuhlers. Wie fo manche ur— 
alte Gebräuche ihre Entitehung dem 
geheimnisvollen Walten und Wirken 
der Mutter Natur verdanken, jo tft 
auch der alte, beliebte Tanz, der 
Schuhplattler, vem Gebaren unjeres 
Spielhahns zur Balzzeit entnome 
men: 
„Spielhan gib acht, daß dich d' Bir 
net derlangt, 
Saager gib acht, daß dich 's Dirndl 
net fangt.“ 
Vorzugsweiſe balzt der Spiel— 
bahn am Boden und lange in den 
fonnigen Morgen hinein (Sonnen= 
balz). Gegen Ende der Balzzeit, 
wenn die Hennen großenteils jchon 
getreten find und nicht mehr zu= 
ftehen, jondern dem Brutgejchäfte 
fih widmen, follert der unermüd— 
liche, leidenjchaftlihe Hahn noch 
fort, vornehmlich auf dem Baum, 
weithin ausjchauend mit feinem 
ſcharfen Geficht, damit ihm feine 
der noch etwa zuftehen fünnenden 
Hennen entgeht. 





Sede Feder iſt 
ein Auge, jagt der alte Jägers: 


Nro. 428. 


mann. Zur auten Zeit wird der 
Hahn vom Schirm aus gejchofien, 
der unauffällig aus Bodenftreu ge- 
arbeitet jein joll, nachdem der Balz: 
ort erjt ausgemacht iſt. Sit der 
Balzmorgen weiter vorgejchritten 
und fein Hahn jteht mehr zu, dann 
gelingt auch der Schuß, wenn man 
jih die im Umkreis balzenden 
Hahnen angehen läßt. 

Bon hohem Reiz iſt das An: 
pirjchen des follernden Hahns, ver- 
bunden mit dem Anreizen, indem 
man das Schleifen und Ziſchen, 
nur etwas feiner abgetönt, nach— 
ahmt, um den Glauben beim Hahn 
zu ermweden, als frozzele (rveize) 
ihn ein Nebenbuhler. Ich Habe 
meine meijten Hahnen auf dieje 
Art geſchoſſen, es bietet einen un- 
gemeinen Reiz, jelbjt zum Gelingen 
und Ueberliften des jchlauen Hahnes 
beigetragen zu haben. 

Sm Treiben zur Herbft- 
zeit wird der junge Hahır gerne 
geſchoſſen, er gibt einen vorzüg- 
lihen Braten, auch zur Winters 
zeit, wenn die Hahnen in großen 
Flügen beijammen find, doch er: 
fordert der Schuß auf den rapid 
dahinftreichenden Spielhahn große 
Geſchicklichkeit. 

Gelegentlich der Hühnerſuche 
im Moos und auf großen 
Schlägen glückt es oft dem Jäger 
mit vorſichtig und verläſſig re— 
vierendem Hühnerhund eine Kette 
Birkgeflug hochzumachen und auf 
den jungen Hahn zu Schuß zu 
kommen. 

Doch lange hält das Birkhuhn 
den Hund nicht aus. 

Der Hahn der Bergregion 
ift von jtärferer Form,  jeine 
frummen Federn, Sicheln, jind 
zahlreicher, bi8 zu 5 auf jeder 
Seite, während der Mooshahn 
deren 3 frumme Federn in maximo 
aufweift, an diefen frummen Federn 
ift auch das Alter des Hahns leichter 


er Yu 


Niro. 429 - 430. 


J. v. Sichart. 


zu erkennen, indem der alte Hahn | häufig paarweiſe; im Sommer iſt 


ftarf gefrümmte Sichelfedern befitt. | die Kette noch beilammen. 


Ein Blendling zwijchen Auer: 
und Birkwild ift 

429. Rakelhahn undRakelhenne. 
Bald nähert ſich dieſer Miſchling 
mehr dem Typus des Auerhahns, 
bald dem des Birkhahns. Ob 
Rakelwild als Eigenart vorkommt 
und fortpflanzungsfähig iſt, darüber 
iſt die Jagdgeſchichte noch nicht einig 
geworden. 

Doch findet ſich häufig ab und 
zu ein derartiger Blendling, zus 
weilen auch mehrere, die ald Hahn 
bald auf dem Boden, bald auf dem 
Baume balzen, überall zuftehen, mo 
es Krafehl gibt, ungemein rau f- 
luftig und durd ihre Größe den 
Birkhahnen entjchieden überlegen 
find. 

Dad Balzen des Rakelhahns 
Hingt dem Ton nad wie der Auf 
des Waldfauzes aus tiefer Kehle 
herausgegurgelt, die Melodie ift 
dem Blajfen des Spielhahng ent- 
nommen; man hört es dem Sänger 
an, daß es ihm große Anftrengung 
fojtet ſich ſtimmlich zu betätigen. 
Da die Größe des Rakelhahns fich 
dem Auerhahn nähert, ift die An— 
nahme gerechtfertigt, daß der Blend- 
ling faft nur der Balz des Spiel- 
hahns und der Auerhennen feine 
Entjtehung verdantt. 

430. Das Hafelhuhn ift ein 
Bewohner der Borberge, kommt 
nicht jehr zahlreich vor, ift aber 
überall da zu finden, wo Baum 
und Pflanzenwuchs fein Fortkommen 
erleichtern. Es liebt Beerengewächſe 
und gemifchte Holzarten, ift ein 
zähes Wildgeflügel, fein Kleid ift 
geradezu ideal in Baum und Boden 
farbe. 

Seine Sagd kann man nur ala 
zufälliges Ergebnis betrachten, wenn 
das Hajelgeflüg im Trieb gelegent- 
lich der Herbſtjagden angeftrichen 
fommt. Man fieht das Hafelmild 


Sm 
Frühjahr beginnt die jogen. Balz. 
Der Hahn läßt ein hellklingendes 
Pfeifen ertönen,dadman, Spifjen“ 
nennt, es Klingt ungefähr wie „ti 
tfistfistfui”, die Henne antwortet 
mit einem leiferen, tieferen Pfiff. 
Mit der Locpfeife, aus einem 
Hühnerknochen gearbeitet, vermag 
man den ſehr erregten Hahn früh 
morgen? oder abends anzureizen. 
Doc es ift nicht jedermanng Sade, 
große Wege zu machen und den 
Hafelhahn anzufoden, außer wo er 
zahlreicher vorfommt. Wird Hafel- 
wild aufgegangen, jo fällt es ſehr 
bald wieder ein und baumt auf, 
drüdt fi) aber derart an den 
Baumftamm, baß es große Mühe 
madt, den Vogel von der Baum- 
farbe zu unterjcheiden. 

Dad Hafelfuhn ftreiht nie 
weit troß des fchwirrenden, unge 
mein fürdernden Fluges, und eg 
gehören geübte Augen dazu, vie 
Stellen ausfindig zu maden, die 
es bevorzugt‘; dies find. meiftens 
die niedrigeren Aeſte in höheren 
Beitänden, auf denen es ſich oft ge: 
drängt aneinander einftelt. Kommt 
der Herbftingtand,danntrennt 
ſich die Kette entgegengefegt 
vom Auer=- und Birkwild, bei denen 
die Gejchlechter ich zu Flügen ver- 
einigen; der Hafelhahn ſucht fich 
eine Henne, mit der er den gan- 
zen Winter über zufammen gejehen 
wird. Dies veranlaßte manche Jä— 
ger, die Balzzeit des Hafel- 
hahns in diefe Herbſtmonate 
zu verlegen, noch obendrein, da der 
Hahn auf den Lodruf des Jägers 
zu diefer Zeit gerne zufteht. Die 
tatfächlihe Balz ift März, April. 

Der harmloſe Bogel, der niemand 
Ihäbdigt, verdiente viel mehr Hege. 
Da durd die gleiche Gefiederfarbe 
die beiden Gefchlechter wenigſtens 
im Streiden ſchwer auseinander: 


VI. ı. Das deutſche Weidwerk. 


zuhalten find, follte man den Hahn 
nur auf der Balz hießen und die 
Ketten möglichft ſchonen, bis fie ſich 
fefter eingebürgert haben. 

Der Hahn hat ftark verlängerte 
Kropf: und SKehlfedern und eine 
rote Roſe über den Augen, auch ift 
die Kehle mehr weiß und ſchwarz, 
bei der Henne gelblich weiß ein- 


gefaßt. | 
431. Der Fafan, urjprünglich 
ein orientaliiher Vogel — feine 


Heimat ift eigentlich Afien — findet 
fih jegt über ganz Europa, mit 
Ausſchluß des Nordens, verbreitet. 


Das große Anpaffungsvermögen 


dieſes herrliden Wildvogeld Hat 
ihm das Eingewöhnen aus der 
warmen, minterlofen Heimat in 
unjer mitteleuropäifches Klima mit 
den oft jehr rauhen Lagen erleid- 
tert. Er findet fih im Mittel: 
gebirge wie in den Tiefebenen, 
wenn fie ihm bei günftigen Boden: 
verhältnifjen den nötigen Schuß 
gegen rauhe Winterjtürme fichern 
und vor allem, wenn der Jägers: 
mann e8 verfteht, durch reichliche 
Fütterung über die Zeiten der Not 
binwegzubelfen. 

Dann wird er ein dankbares 
Wild, das durch feine Fruchtbarkeit 
die Aufzucht rentabel madt. Sin 


‚großen Fafanerien urfprünglic) groß 


gezogen, hat der jchöne Vogel durch 
weites Berftreihen feinen Hegern 
gezeigt, daß er auch auf eigenen 
Füßen zu ftehen befähigt ift, und 
dies ficherte ihm fpäter feine große 
Verbreitung. 

Wie alles Wild, das die forgende 
Hand des Hegers inrauher Winters: 
zeit ſchützen gelernt hat, verliert 
der Faſan zu diefer Zeit und nur 
an diejen Futterplägen feine ur- 
fprünglide Scheu und fteht dort 
auf den Pfiff oder den Ruf des 
fütternden Hegers vertraut zu. 
Man wählt hierzu Diedungen mit 
Dornen und Geftrüpp, wie fie bei 


Niro. 431. 


Niederwaldwirtihaft gerne vor: 
fommen. Niedere, gededte Schub: 
hütten, der Boden von Schnee be= 
freit, fhügen die Körner ‚vor dem 
Naßwerden. Die Wege bierzu 
werden den Fafanen durch aus⸗ 
geftreute Körner angezeigt. Weber 
die Anlage von Fajanerien und 
fünftlide Aufzucht gibt die ein- 
oe Literatur Aufihluß. (Ans 
ana. 

Die Frage, ob der Faſan als 
ein SchädlingderLandmirt- 
haft anzufehen ift, ift glänzend 
gelöft durch Unterfuchung des Kropf- 
und Mageninhalts, hHauptfächlich zur 
Saatzeit, die ja eigentlih nur in 
Betracht kommen könnte. 

Der Inhalt beſtand meiſtens aus 
Kerbtieren, Larven, Würmern, 
Schnecken, ſo daß man ihn eher 
für einen Freund des Ackerbauers 
halten möchte. Wohl mag er. wie 
alle Hühnerpögel durch Scharren 
den anfeimenden Samen austreten, 
doch kann von einem nerinengwerten 
Schaden abjolut feine Rede fein. 

Der am meiſten verbreitete Faſan 
iftderböhmifche, auh Kupferfajan 
genannt, ferner der ihm verwandte 
Ringfafan, als Biervögel- in 
Faſanerien erwähne "ich noch den 
Goldfajfan, Silberfafan, 
Königsfafan, lekterer beginnt 
fi ebenfald als Jagdfaſan ein- 
zubürgern, kreuzt ſich aber gerne 
mit dem Edelfafan. Albinismus 
fommt häufig vor. Dieſe Abarten 
müffen aber als Degeneration an= 
gejehen werden und jollten nur der 
Spielerei halber nicht , geduldet 
werden, da fie den Faſanenſtand 
entwerten, von den anderen in 
Reinzucht gebliebenen gemieden 
werden bezw. dieje zum Ausmechjeln 
veranlaffen. Auch ift die Wider- 
ftandsfraft dieſer buntjchediaen 
Geſellſchaft gegen klimatiſche Ein— 
flüſſe nicht ſehr groß; ihre helle 
Farbe bildet noch obendrein eine 


Nro. 432. 3.0. Sicharl. 


Anziehungskraft für Raubzeug aller | Die Erlegung des Hahns 
Art. geichieht am geeigneiiten im Spät \... ; 
Solange der Tiſch gedeckt ift, |herbft gelegentlich der größeren :- .. 
fieht man den Faſan in Feld und | Treibjagden, das junge Volk zut ..,,, 
Wald, auf Wiefen und Schlägen; | Zeit der Hühnerjagd zu beihieken =... 
wie alle Hühnervögel geht er zeitig | muß als unmweidmänniscd verworfen -... 
zur Ruhe, baumt auf mit lebhaften | werden; der junge Faſan ift met >. _ 
Soden. Die Henne legt 8—10,| Haut und Gerippe als Fleiſch unnd 
auch 12—15 Eier, führt ihr Ges | jollte eigentlich erft bei Schnee er: | -.... 
\perre wie die Auerhenne anlegt werden. Dann haben alle 
Ameijenhaufen, wo die Kleinen zu: | Faſanen genügend Fleifch angeſetzt 
nädft die Eier der Waldameife zu | und geben einen vorzügliden Wild» | 
foften bekommen. Leider ift die | braten. Der Hahn geht beim 
Zahl der Feinde eine unge: | Treiben mit Poltern und lautem :.. 
heuer große. Der Fuchs holt Geſchrei in die Höhe, ftreicht aber ı:-, .. 
ih die brütende Henne vom Neft | dann ungemein raſch und ift im 
und dezimiert ihre Brut. Der | hohen Holz nicht leicht zu ſchießen. |. 
Dachs ift ein gefährlicher Eierdieb,| Wird nur auf Fafanen getrieben | 
Marder, Iltis und Wiefel, daS ge: | und find diefe in größerer Zahl | — 
fiederte Raubzeug und vor allem | vorhanden, dann muß die Treiber⸗ 3% 

















Bm He Er VEN 
’ 2 zes 3» 72 = 


dag gefährlichite Naubtier, der | wehr fehr dicht und fehr geordnet 
Menſch, jegen der Ueberproduktion 
Iharfe Schranken. Der Yäger 
kann fein Wild nur ſchützen, indem 
er gründlich mit dem Naubzeug 
aufräumt, für tadellofe Ruhe und 
Ordnung zur Brut: und Legezeit 
Sorge trägt und rückſichtslos allen 
den genannten Wildſchädlingen zu- 
letbe geht. 


gehen, ohne viel Lärm, auf Kom: 
mando ftehen bleiben, mit den 
Stöden auf den Boden jchlagen, 
um die Fafanen zum Laufen zu 
veranlaffen. Der Fafan bäumt 
fehr gern im Treiben auf und iſt 
in dichtem Stangenholz nit Zu: 
ſehen, läßt die Zreiber vorüber, |. 
wie er auch in Schlägen und 
Die Balz des Hahn be- | Didungen fich feſt auf den Boden 
ginnt anfangs März und dauert | drüdt. Da man auf einen Hahn 
oft bis in den Juni hinein. So: |Teiht 6—8 Hennen rechnen darf, 
lange nod eine Henne im Revier ſo jollten zur Erhaltung eines 
ift, die noch nicht auf dem Nefte | guten Faſanenſtandes nur Hahnen 1: 
fist, Hört die Eiferfucht der ſtrei- gejchoflen werden, alte Hennen |. 
tenden Hahnen nit auf. Alte, | müffen unbedingt geſchont wer: 1: 
meift gelte Hennen neigen oft zur | den, und der notwendig gewordene 
Sahnenfedrigfeit, d. h. fte nehmen | Abſchuß der Hennen nur die 
bei der Maufer verjchiedene charak: | ſchwächſten Stüde berühren. 

teriftifche Merkmale vom Gefieder | 432. Die Trappen find nut 
des Hahns an, find oftmals bei vor: | auf großen Ebenen heimiſch und 
gejcehrittener Hahnenfedrigfeit nur | dad mächtigſte Flugwild Deutid: 
am Fehlen des Sporns zu erkennen. | lands; ſie erreichen ein Gewicht 
Wird die brütende Henne am | bi8 zu 30 Kilogramm, In größerer 
Kefte geftört, dann verläßt fie | Zahl wird die Trappe in der Pro: 
häufig, namentlih im Anfang, für | vinz Sadfen und in Brandenburg 
immer ihr Gelege, daher große | angetroffen, dort ift fie auch Stand: 
Ruhe im Revier Dringend ges |vogel. Man unterfcheivet Groß: 
boten. trappen und Zwergtrappen. Letztere 





VI. 1. Das deutſche Weidmwerk. 


find nur 1 Kilogramm fehwer und 
treten, wenn ftrenge Winter fie 
vertreiben, als Zugvogel auf. 

Wenn die Felder kahl geworden 
find und die Jagd auf die Trappen 
beginnt, ift es jehr ſchwer, 7. 
habhaft zu werden. Wie alles 
Federwild, äugen und vernehmen 
fie ungeheuer weit, find ſehr miß- 
trauifh und laffen fih nit an: 
pirfhen. In unauffälliger Kleidung, 
im Gemwande des Bauerdmanng 
neben Aderwagen jchreitend, kommt 
man ihnen manchmal auf 120—150 
Schritte nahe. Die Trappen be- 
dürfen des Windes, gegen den fie 
laufen, um ſich zu erheben, ſtreichen 
aber dann jehr fchnel. Man kann 
fie auch ſich zutreiben laffen, wenn 
man fih vor Tag in fog. Scieß- 
löcher jeßt und die Trappen ans 
gehen läßt; die Stellen der Löcher 
müſſen genau ausgelundfchaftet jein 
in der Nähe von Aejungsplägen, 
an denen fich die Trappen. gerne 
aufhalten. Da man nie auf gute 
Schrotſchußdiſtanz rechnen kann, ift 
es geraten, ſich der Heinfalibrigen 
Büchfe zu bedienen. 

Das Wildbret der jungen Vögel 
it ſehr zart und delikat, das der 


älteren zähe und bedarf jtarker 


eize. 

433. Der Kranich ift Zugvogel, 
wird al8 Brutvogel nur in Pommern, 
Medlenburg und Schlefien ange> 
troffen. Wafjerreihe Niederungen 
oder Sümpfe, moorige von Erlen- 
gebüfch unterbrochene Wiefen find 
fein Lieblingdaufenthalt. Zur Zug: 
zeit im Frühjahr und Herbit kann 
man fein Gefchrei des Nachts in 
den Lüften mandmal hören, es 
gemahnt an das Gejaide des wilden 
Jägers. Die Jagd kann nur beim 
zufälligen Aufgehen mit Erfolg be= 
trieben werden, ſei es zur Zugzeit 
im Herbſt, wenn die Kraniche zu 
kurzer Raft einfallen, oder an ihren 
Standorten beim Einftehen des 


Niro. 433—434. 


Abende am Sumpfrand oder auch 
vom Entenſchirm aus. 

Ihr größter Feind ift weniger 
der Menjch als die rationelle Boden: 
bewirtihaftung, die ihm feine 
m raubt. 

434. Auch der Schwan gehört 
zur hoben Jagd. Er findet fi in 
ben großen Landſeen Europas, er⸗ 
ſcheint zur Zugzeit im Frühling in 
Oſtpreußen im Friſchen Haff mit 
dem Brechen des Eiſes, zunächſt 
vereinzelt, dann in größeren Scharen, 
um dann ſpäter die Brutplätze auf⸗ 
zuſuchen. Es iſt ein Anblick von 
unvergleichlicher Schönheit, dieſes 
mächtige Flugwild mit den breiten 
Schwingen und dem langen Halſe 
ſich von der klaren Luft abheben 
zu ſehen. Sein Geſchrei iſt weithin 
hörbar. Da, wo dieſes ſchöne Tier 
als Wildvogel auftritt, mag ſeine 
Bejagung von unverkennbar gro⸗ 
Bem Reiz ſein, jedoch find auch 
dort Stimmen laut geworden, daß 
es eigentlich ein Unrecht ſei, den 
Vogel, der ſich faſt in nichts von 
unſeren zahmen Schwänen unter⸗ 
ſcheidet, zu erlegen. Der Schwan 
führt das ſchönſte Familienleben 
bis zum Ende. 

Wird ein Stück getötet, dann 
kommt an dieſe Stelle mehrere 
Tage nacheinander der andere Teil 
wieder zugeſtrichen, um zu klagen, 
und ſucht nach ſeinem Gefährten. 
Man unterſcheidet den Singſchwan, 
den Höckerſchwan, der der größte 
feiner Gattung iſt, und den Zwerg⸗ 
ſchwan. Diejer hält feine Zug: 
rihtung ſehr ſcharf ein im Früh: 
jahr und Herbit und wird zmifchen 
Dftfee und Frankreich, wo er brütet, 
in Holftein, Oldenburg, Hannover, 
Weitfalen häufig angetroffen. 

Der Schwan ſchwimmt ungemein 
ſchnell; fteht er auf dem Waſſer 
auf, kann er dies nur gegen den 
Wind fertig bringen. Man ſchießt 
ihn gelegentlich mit der Kugel. 


Nro. 435. 


Gefiedertes Raubwild. 


435. Die Adler, Wie im Hoch— 
gebirge, im deutjchen Bergwald und 
in den weiten Forſten der Tief- 
ebene der Hirſch ald der König des 
Waldes gilt, fo herrſcht nach alter 
Sägerfitte in den lichten Höhen des 
Himmels, im Wolfengebirge, der 
Adler ald König der Lüfte. Stolz 
sieht der große Zlugfünftler, mie 
ein Pünfthen am blauen Firma: 
ment, feine gewaltigen Kreife, mit 
dem ſchärfſten Auge, da3 die Natur 
geichaffen, die Heinfte Kreatur er— 
fennend und prüfend. 

In den bayerifhen Alpen, im 
Allgäu, als Steinadler, in 
Oftpreußen als Goldadler be- 
fannt, tft diefer Typus als Horft: 
vogel nur in wenigen Gremplaren 
verbreitet. Die verjchiedene Be— 
zeichnung des gleichen Typs dürfte 
wohl nur im Alter und der damit 
verbundenen Färbung des Gefieders 
zu juchen fein. Der Steinadler 
wird fteinalt, wird erft nad dem 
10. Sabre fortpflanzungsfähig und 
joU in Gefangenſchaft ein Alter 
von über 100 Jahren erreicht ha— 
ben. Bon den 2—3 Jungen, die 


ausgebrütet werden, bringen die |- 


alten Horftvögel felten mehr als 
2, oft auch nur eines auf. Die 
meitt jehr jchmalen Felfenhorfte 
vertragen eine größere Bewegung 
der Jich drängenden und nad) dem 
Naub jo gierigen, nimmerjatten 
Jungen auf die Dauer nicht und 
mancher der Fleineren Vögel ftürzt 
vom Horſt. Der zugetragene Raub 
beiteht aus Gemstitzen, Rehkitzen, 
Haſen, Lämmer, Fuchs, Kate, Ge— 
flügel, aber nie aus Aas. Daß 
der Steinadler zur Horſtzeit großen 
Schaden anrichten kann, iſt erklär— 
lich. Eine methodiſche Jagdaus— 
übung i ſich nur ſchwer feſt— 
ſtellen. Wer die Elternvögel nicht 
am Horſte abzuſchießen vermag, 


J. v. Sichart. 


der verſucht ſie am geſchlagenen 
Raub mit dem Tellereiſen zu fangen. 
Da die geringſte Veränderung in 
der Umgebung des geſchlageuen 
Wildes das Mißtrauen des Adlers 
hervorruft, ſo iſt große Vorſicht und 
Sachkenntnis notwendig. 
Bei den Raubvögeln iſt das 
Weibchen ftet? größer ald das 
Männchen. Die befonderen Merk: 
male in den Klaffen der Raub: 
vögel finden Vortrag bei der Nie- 
derjagd, gefiedertes Raubwild. 
Der Kaiſeradler, kaum ſo 
groß als das Männchen des Stein: 
adlers, iſt in Deutſchland nur 
Strichvogel, er findet fih häufig 
im Dften Europas, in den Donaus 
tiefländern, als Bewohner der 
Steppen. Horftet lieber auf Bäumen. 
Der Zwergadler ift ein Be- 
mwohner der Waldberge, vermeidet 
das Hochgebirge, mie die Steppe, 
er hat Aehnlichkeit mit dem Buf: 
ſard, ift ebenfo wie der Schrei- 
adler nur ein vorübergehender 
Befuher Deutſchlands. Beide 
baflen gerne auf den Uhu. Der 
Zwergadler ähnelt in feinem Wefen 
jehr dem Steinadler, aud) in feiner 
Geſtalt. 
Häufiger verbreitet findet ſich 
der Seeadler, er iſt Bewohner 
der großen Landſeen und fiſch— 


— 


reichen Flüſſe, ſein Horſt iſt in der 


Nähe derſelben auf hohen Eichen, 
auch manchmal ganz niedrig im 


Schilf und erreicht durch Zubau 


eine ziemliche Höhe, ſo daß er auch 


kleineren Vogeln, wie den Rohr: 


ſperlingen, als Niſtplatz dient. Der 
Flug des Seeadlers erſcheint durch 
die großen Schwingen ſchwerfällig. 
Die Farbe der älteren Adler iſt 
lehmgelb, die der jungen Adler 
dunkelbraun, welch letztere außer⸗ 
halb ihrer Brutplätze häufig mit 
dem Steinadler verwechſelt werden. 

Die größte Verbreitung in 
Deutſchland hat der Fiſchadler. 


VI, 1. Das deutſche Weidwerk. 


Er ift ein ftarfer Fifchräuber und 
gibt der Otter darin nicht? nad. 
Erft fpät am Morgen, wenn bie 
Gewäſſer nicht mehr dampfen, zieht 
er auf Raub aus und wählt dann 
gerne altbeliebte filchreiche Stellen, 
an denen er leicht erlegt werden 
fann. Da er gerne erhöht auf: 
blodt, fo ift aud fein Fang im 
Pfahleifen dort von großer Wahrs 
Icheinlichkeit. Auf den Uhu haft er 
nicht. 
Der Shlangenadler fommt 
am Rhein, in der Pfalz, in Schle— 
fien, in Brandenburg häufig vor. 
Die Nadenfedern find zugejpitt 
und ftehen weit ab, an dieſen 
Merkmalen wird er von feinen 
Artgenofjen leicht unterfchieden, 
feine Größe ift gering, er bildet 
den Uebergang zu den MWeihen. 
Der Schlangenadler macht jeinem 
Namen alle Ehre, außerdem fängt 
er Fröfche, Eidechjen, Krebfe, auch 
Fiſche. Sein Schaden iſt gering 
und verdient er deshalb eher Scho- 
nung. Sch möchte bei diefer Ge- 
legenheit nicht verfäumen zu be— 
tonen, daß diefe Art Raubvögel, 
deren Schaden fo gering und fo 
wenig nachweisbar ift, vor der 
gänzlihen Vernichtung bemahrt 
werden jollten. Namentlich follte 
das Ausnehmen der Horfte, Töten 
der Brut möglichft verhütet werden. 
Unfere jchöne Tierwelt, zu denen 
diefe großen Flugfünftler in erfter 
Linie zählen, ift durch den Ber: 
nichtungskampf, den der Menſch 
oft aus reiner Mordgier, ohne 
wiſſenſchaftliches Intereſſe gegen 
dieſe, die Natur belebenden Ger 
ſchöpfe ausübt, ohnehin in Gefahr 
ihrer jchönften Zierden beraubt zu 
werden. 
Ueber die näheren Unterfcei- 
dungsmerkmale der Adler von den 
anderen Raubvögeln fiehe „gefie- 
derte® Raubwild“ der niederen 


Sagd. 


Niro. 436-437. 


436. Der Uhn bietet, abgejehen 
davon, daß er einer der fchönften 
Raubvögel in Federzeichnung zc. 
ift und daß er den Schaden, den 
er anrichtet, vielfach wieder, wenn 
auch unfreimillig, durch feine An- 
ziehungsfraft auf das Raubgefindel 
der Lüfte erjeßt, dem Jäger noch 
andermweitige® Intereſſe. Er it 
die Hauptveranlaffung von den 
Sagen vom wilden Heer, vom 
wilden Säger, dem Nacdhtgejaid 
durch feinen fchauerlichen, unheim- 
lichen Ruf, den er namentlich zur 
Paarzeit im Frühjahr ausftößt, 
wenn die Nacht hereinbricht. Wer 
je dem Duett des dumpfen, weit 
hörbaren Buhu! Hu! Hu! des 
Männchens und dem gräßlichen 
Kreifhen des Weibchens, dem 
Schreien eines gemarterten Men- 
ſchen nicht unähnlid, einfam im 
finfteren Walde gelaufht hat, der 
verfteht die Entſtehung diefer Sa: 
gen. — Der Ahu ift Standvogel, 
durdhftreicht aber weite Gebiete. 
Obwohl Nacdhtraubvogel, ift er am 
Tage doch aufgewedter ald alle 
feine Bermandten und äugt auch 
dann ungeheuer fcharf in die Ferne. 
Man kann ihn von, feinen Artge- 
noſſen den Beftgehaßten nennen. 
Er nimmt mit allem vorlieb, was 
da kreucht und fleudht, wird zum 
Schaden für die Niederjagd, auch 
Aas verihmäht er nicht. Ver— 
Ihludte Federn, Haare und Knodyen- 
jplitter wirft er jpäter als Gewölle 
in längliden Ballen wieder aus. 
Es follte, um das Ausſterben dieſes 
Vogels zu verhüten, nur der junge 
Neftvogel ausgenommen werden, 
um ihn zum Sagdbetrieb in der 
Auf- oder Krähenhütte zu verwen— 
den. 

437. Den Bau der Aufhütte 
jege ich als befannt voraus. Vor— 
zügliche Werfe (Anhang) und Jagd: 
bilder bringen das Weſen Der 
Hüttenjagd, ihren Betrieb zc. zum 


Nro. 437. 


Ausdrud, fo daß ih mich kurz 
faffen kann und nur das Verhalten 
des Aufs in Keiner Skizze aus 
eigener Anſchauung bejchreiben 
werde. 

Sch habe in der Ausübung der 
Hüttenjagd große, jagdliche Reize 
empfunden und mich immer vor⸗ 
züglich dabet unterhalten, nament- 
ih, wenn die Hütte jo gelegen 
war, daß man aus den jchmalen 
Schießſcharten überall bin freie 
Ausficht Hatte. Der Auf hodt auf 
dem Pfahl zunächſt faul und un 
willig. Die große Eule weiß, daß 
ihrer feine VBergnügungen harten, 
trägt den dicken Kopf eingeſunken, 
die Obrenbüfchel ſchräg jeitwärts 
und etwas nach Hinten geftellt, das 
Gefieder aufgeblafen. Nur das 
Auge zeugt von Leben und Bewe⸗ 
gung. Es ift von munberbarer 
Schönheit, die tiefſchwarze Pupille 
ift von feuriger Iris umgeben, 
jo daß das Auge oft förmlich 
Funken ſprüht und vom Goldgelb 
zum Orangerot ſpielt. Deutlich ver⸗ 
engert und erweitert ſich beim 
Atemholen die Pupille. 

Die kleinen Singvögel, die ein 
furchtbares Gezeter erheben, be- 
achtet er nicht. Sobald ſich aber, 
wenn auch noch in weiter Ferne, 
eine Krähe ſehen läßt, ſo wird ſein 
Gefieder plötzlich glatt, er ſtreckt 
ſich etwas und die Ohrbüſchel gehen 
zuſammen und pfeilgerade in die 
Höhe. Das Näherkommen oder 
ſich Entfernen markiert er ſofort, 
der Hüttenjäger muß ſtets ein gutes 
Glas bei ſich haben, um den je- 
weiligen Aufenthaltsort des aufs 
geblodten Raubvogels Eonftatieren 
zu können; der oft lange in der 
Ferne figen bleibt und beobachtet. 
Sit der Raubvogel größer und 
ſcheint er dent Uhu ein gefährlicher 
Gegner zu fein, fo wird der Auf 
immer länger und jchmaler, Der 
Kopf geht unruhig Hin und ber, 


J. v. Sichart. 


der Uhu knappt mit dem Schnabel, 
er blockt ſchließlich ab und duckt 
ſich mit geſträubtem Gefieder und 
ängſtlich nach oben gewendetem 
Kopfe auf den Boden oder er wirft 
ſich auf den Rücken, die Fänge 
nach oben gerichtet. Dieſer letzte 
Moment tritt natürlich erſt ein, 
wenn der Raubvogel ſcharf auf den 
Auf haßt. Der Schuß auf den 
Raubvogel muß fehr raſch erfolgen, 
entweder wenn er auf den Krafeln 
oder Fallbäumen aufgehodt bat, 
oder über dem Uhu fteht, oder im 
Stoßen fih wieder erhebt. Der 
Jäger muß troß der verbergenden 
Hütte ſehr vorfichtig mit der Hand- 
habung der Schrotläufe fein. Diefe 
dürfen nit zu meit aus den 
Schießlöchern herausragen, ſonſt 
ſchwenkt der Raubvogel, mißtrauiſch 
geworden, ſchon von weitem ab. 
Wenn ſich feine Raubpögel blicken 
laſſen und der Auf mißmutig und 
ſchläfrig auf ſeinem Pfahl hockt, 
dann muß man ihn ab und zu 
reizen. Dies geſchieht, wenn man 
den Pfahl, Jule genannt, der in 
einer Röhre läuft, durch eine Hanf- 
ſchnur etwas aus der Röhre heraus: 
zieht und den Pfahl dann wieder 
in die Röhre zurüdfallen läßt. 
Dieſe Erjchütterung veranlaßt den 
Auf, mit den Flügeln zu fchlagen. 
Kühles Wetter bei bemegter Luft 
ift der Hüttenjagd zujagender als 
jonnige, warme Tage. Der Uhu 
wird am beften in einem Korbe 
auf dem Rüden getragen, feite 
lederne Handfchuhe find unbedingt 


erforderlih, um ihn bei den Fängen 


zu fallen, mit denen er jehr ener- 
giſch zu greifen verfteht und ebenfo 
wie mit dem jcharfgefrümmten 
Schnabel ftarfe Berlegungen her- 
vorrufen kann. Man kann aud) mit 
dem Uhu eine Streife unternehmen, 
indem man ihn in der Nähe von 
Feldhölzchen auf den Boden oder 
auf eine Krücke fett und fich ſelbſt 


VI. ı. Das deutſche Weidwerk. Nro. 433 - 440. 


in der Nähe in dichten Gebüfch, nicht zu viel Fleifh und nament- 
vorzüglich nach) oben gededt, ver: lich nicht viel gejchoffenes Wild 
birgt. halten, da er teild an Herzver- 

Der Uhu iſt mit Mäufen, Kleinen | fettung, teils an Bleivergiftung 
Vögeln, Pferdefleifch, Geſcheide 2c. | trepiert. Drei Krähen oder drei 
ſehr beicht zu unterhalten, er braucht Eihhörnden pro Woche genügen 
viel Waſſer, um zu baden und ſoll vollauf. 


3. Niedere Jagd. 


der Alpenflora, es hält einen aus⸗ 
Haarwild. giebigen Winterſchlaf. 

438. Der Biber kommt in! Die Schußzeit iſt ſehr kurz, 15. 
Deutſchland nur noch in geringen | Auguft bi8 31.Oktober. Das Mantei 
Stämmen oder Kolonien vor, wie | braudt einen guten Schuß, weil 
in der unteren Saale, an der Elbe es fonft in ven Bau einfahrt und 
bei Alten und Wittenberg, und im | verloren ift, am beften Kugelfchuß 
Anhaltifhen. Auch in Bayern war |in den Kopf. Da zur jelben Zeit 
um die Mitte des vorigen Jahr: | die Jagd auf Hirſch und Gams 
hundert3 der Biber an der Donau | auf dem Höhepunft fteht, jo kann 
und an der Amper, allerdings in | man es ſich gut denken, daß 
nur wenigen Eremplaren, nod) hei: | man fchon um der Ruhe im Hod)- 
mifh. Der Biber ift der größte 'gebirgsrevier willen es meidet, 
Nager, erreiht ein Gewicht von | einen Schuß abzugeben auf ein jo 
20— 30 Kilo. Der breite, fchuppen= | kleines und jo wenig wertvolles 
artige Schwanz wird Kelle genannt. | Tier. Das Graben der Winter: 

Unter dem Weidloh hat er zmei | baue wird von Unberedtigten 
Drüſen, die mit dem jogenannten | manchmal geübt und follte verhütet 
Bibergeil, einer übelriehenden, aber | werden, um der Bernichtung des 
von den Mpothefern geſchätzten barmlojen Nagers vorzubeugen. 
Maſſe, gefüllt find. 440. Der Haſe. Bon allen 

Die Nahrung des Bibers befteht Wildarten das vielgeplagtefte, 
aus Fiſchen, aber auch vorzugs: | vielbegehrtejte, am meijten ver- 
weife aus vegetabilifchen Stoffen, | folgte Tier. Der alte Wildungen 
aus der Rinde weicher Holzarten, | jagt: 
wie Bappeln, Aipen, Weiden, ebenfo Menfchen, Hunde, Wölfe, Lüchie, 
aus Wafjerpflanzen und Wildobft. | Kagen, Marder, Wiefel, Füchſe, 
Der Schaden ift unbedeutend, den Adler, Uhu, Raben, Krähen, 
er anrichtet. Sn den noch vor: | eder Habicht, den wir fehen, 
handenen Kolonien genießt der) Glitern ja nicht zu vergejjen, 
Biber abfolute Schonung. Alles, alles will ihn freſſen. 

439, Das Murmeltier, aud | Seine ungeheure Fruchtbarkeit und 
Mankei in der Sprache der Aelpler | da8 große Anpafjungsvermögen 
genannt, kommt in Deutschland nur | fegt ihn in den Stand, allen ge- 
im bayerifhen Hochgebirge vor, | ftellten Forderungen nahzufommen, 
das Männden heißt Mantfeibär, | jo gewiſſermaßen die Nachjtellungen 
das Weibhen Mankeikatz. Seine | herauszufordern. 

Heimat ift die Gefteindregion, feine) Faſt jede freilebende Wildaattung 
Nahrung die aromatischen Kräuter | leidet unter den gefteigerten tultur- 


—— ee le el a Ta ee a a a sm a an 
. 


se. on ee 
| 3. v. Sichart. 


— — — —. 


Nro. 440. 


verhältniſſen und geht quantitativ 
und qualitativ zurück. Der Haſe 
dagegen gedeiht nicht nur, ſein 
Geſchlecht nimmt ſogar noch zu, 
als wenn das alles nur für ihn 
vorhanden wäre und auf ſeinen 
ſchwachen Schultern ruht infolge- 
deſſen oft allein die ſchwere Laſt 
des Jagdpachtes. 

Wird Zuwachs und Abſchuß in 
ein richtiges gegenſeitiges Verhält- 
nis gebracht, dann gedeiht Freund 
Lampe und die Rente der Jagd 
ſteigt, iſt das nicht der Fall, wird 
unrationell gewirtſchaftet, dann ver⸗ 
ſagt ſelbſt ſeine große Fruchtbarkeit, 
ſeine Zahl ſchwindet dann rapid. 

Mitte September, wenn die Ge— 
treidefelder abgeräumt ſind und die 
Kartoffelernte beginnt, geht die 
Schußzeit auf Haſen auf. 
Leider, muß ich ſagen, denn wer 
jetzt ſchon anfängt, Haſen zu ſchießen, 
wird manche trächtige Häſin, mans 
chen kleinen, hoffnungsvollen Jung⸗ 
haſen, der in 6 oder 8 Wochen 
ſpäter das dreifache an Gewicht 
betragen würde, erlegen. Der 
Haſe iſt auch zu dieſer Zeit noch 
nicht gut im Wildbret. Die reich: 
liche, bequeme Sommeräfung läßt 
an feinem Fleifche dag Kernige, 
Feſte, Ausgereifte vermifjen, wel⸗ 
ches fein Wildbret im Spätherbit 
und Winter fo auszeichnet. Der 
Hafe, der in allernädhfter Nähe ſeine 
Saß gemacht hat und nur bodelnd 
oder hoppelnd zur Aefung gezogen 
ift, Hat noch nicht gelernt, wie der 
Herbithafe flüchtig die abgeernteten 
Sluren zu durdeilen, Bier vor einem 
tläffenden Bauernföter die Hafen 
zujammenfchlagend, dort vom Kar: 
toffel grabenden Agrifel oder von 
Kindern aufgeſcheucht und planlos 
das Weite juchend, er muß erft 
wieder lertten, im Sampfe ums 
Dafein die Läufe zu gebrauchen. 
Dies gilt natürlih nur für den 
Feldhajen, der Waldhafe, 


der in großen, bergigen Waldungen 
ohnehin nie zahlreih vorkommt, 
und. dort weite Wege zur Aeſung 
zurüdzulegen genötigt ift, ift nicht 
fo verwöhnt, fein Wildbret aud 
im Dftober nicht zu verachten, feine 
Setzzeit hört auch früher auf, als 
im flachen Lande. 

Der Hafe liebt Feld und Wald 
im Wechſel, ebenfo angrenzendes 
Moos, Heide und ausgetrocdnete 
Teiche, überall findet er das Zu: 
fagende für feine Aefung, Die 
Dedung für fein gefährdeteg Leben 
heraus, er liebt die füße Ruhe über 
alles, ebenjo wie er den Wind 
haft und fih nie auf falten, dem 
Wind ausgeſetzten Hängen aufhalten 
wird Mit offenen Augen, 
heißt es, fchläft der Haje. „Wa: 
rum?" „Weil ihm feine Haut zu 
fur; wird,” fagt der lateinische Jä⸗ 
ger, „wenn er die Lichter Schliekt, 
muß er das Weidloch öffnen, und 
diefen Zug verträgt er nicht." Die 
Schnelligkeit feiner Läufe ift jeine 
Hauptftärte und Hat den Ausdrud 
Hafenfuß gefchaffen. Wer je eine 
Häfin ihren Sat gegen Krähen hat 
verteidigen fehen, der wird nicht 
mehr von Yeigheit reden. 

Die Einzeljagdb mit dem 
Borftehhund oder in ganz 
kleiner Gejellfhaft wird ausgeübt, 
teils um einen Küchenhajen zu 
ſchießen, teild um diejenigen Jagd: 
diftrifte, die nicht zu größeren 
Treibjagden vorgejehen find, zu 
bejagen. Man läkt den Hund nur 
fur; revieren und ſucht nur jene 
Felder oder Schläge oder Plätze 
auf, wo man Hafen vermutet. Die 
fefter als der Rammler figende 
Häfin läßt man am beiten durch. 
Am flacheren Kopf und den tief 
angevrüdten Löffeln fol man im 
Lager die Häfin vom Rammler 
unterjcheiben. 

Großen Reiz bietet die Einzel 
jagd mit dem Dadel. Sie 


VI. ı. Das deutſche Weidwerk. 


wird in größeren Waldrevieren 
ausgeübt, die wegen des geringen 
Haſenſtandes nicht getrieben mer: 
den. Man läßt den kleinen, eifri- 
gen Jagdgeſellen, am liebiten bei 
fteilen Hängen, revieren, bi8 man 
am Geläute hört, daß er einen 
Haſen hoch gemadt hat. Man be- 
gibt fih dann auf die Stelle, wo 
man den Hafen und den Hund zu: 
erft gejehen hat. Der Hafe läßt 
fi nicht weit jagen und kehrt nach 
1, oder 1, Stunde auf Ummegen 
wieder an feinen alten Aufenthalt3= 
ort zurüd, wo er vom Säger ge= 
ſchoſſen wird. 

Die Treibjagden können ver: 
fchiedener Art fein. Sm Walde 
find Borftehtriebe beliebt, bei 
denen die Rückwechſel am beiten 
nicht bejegt werden, um den zurüd- 
gehenden Hafen, meiſt Käfinnen, 
die Gelegenheit, ſich zu jalvieren, 
nicht zu nehmen. Liegen die Hafen 
bei feuchter oder warmer Witterung 
und in großen Dickungen feft, dann 
müſſen diefe Rückwechſel beſetzt 
werden, ſchon deshalb, um den 
Trieb wieder zurücktreiben zu kön⸗ 
nen. Die Verwendung von 
Dadeln zum Treiben ift in fteilen 
Hängen, dit mit Geftrüpp be— 
wachſenen Waldungen, in denen 
Niederwaldwirtſchaft getrieben wird, 
fehr zu empfehlen, namentlich wenn 
die Hunde gut jagen, d. h. nidt 
weiter al3 bi3 zum Ende des Bo- 
gend und das Aufgebot an Trei- 
bern ein geringes ift. 

Ein Dadel erfegt 6 Treiber. 
Häufig empfiehlt es ſich zur Scho⸗ 
nung der Jagd, den einen oder 
anderen Trieb liegen zu laj- 
fen. Es follte nur einmal im 
Sabre jeder Bogen getrieben 
werden. Das Wild wird, abge⸗ 
fehenvon der großen Beunruhigung, 
fonft ſehr ſtark dezimiert. 

Seldvorftehtreibenfind da 
anzumenden, wo die Ungunft des 


Nro. 440. 


mwelligen oder bergigen Geländes 
ein Kefjeltreiben als zu gefährlich 
erijcheinen läßt. Man wählt zu 
diefem Treiben als Linie für die 
Schützen abjchließende Höhenrüden, 
die leicht mit Obftbäumen oder 
Heden ꝛc. bewachſen find, große 
Straßen mit Alleebäumen, Wald- 
ränder. Auf drei Seiten werden 
die Schüßen angejtellt, die vierte 
Seite bildet die Treiberwehr. Lie- 
gen die Hafen fehr feit, fo ift es 
nötig, einige, aber wenige Schüßen 
in der Treiberfette mitgehen zu 
laffen, um die rückwärts heraus: 
rutihenden Hafen zu jchießen. Da 
dies aber meiſt Häfinnen find, fo 
follte nur ein geringer Gebrauch 
von diefer Methode gemacht wer: 
den. Diefe Feldvorftehtrei- 
ben finden gewöhnlich bei trocke— 
nem Froſt und Schnee ftatt. 

Einepraftifde Verteilung 
derhundebefigenden Jäger 
ift Sade des Jagdherrn. Grund» 
jag muß bleiben, nie einen ‚Hund in 
den Trieb zu lafjen, um einen an- 
geſchofſenen Hafen zu holen. Erftnad) 
Beendigung des Treibens werden 
die angeflidten Hafen apportiert. 

Beim Kefjeltreiben ift die 
Anlage des Kefjeld von größtem 
Wert, jeder Jäger follte es fich zur 
Pfliht machen, den Anordnungen 
des Jagdherrn gemifjenhaft nad): 
zufommen, nur dadurch jchädigt er 
nicht die Kafje des Sagdherrn und 
den Anlauf der benachbarten Sagd- 
gäſte 2c. 

Die böhbmifhen Streifen 
beruhen auf dem Grundjah, daß 
der Hafe fih nur eine beftimmte 
Strede vorwärts treiben läßt, dann 
umkehrt und nach jeinem alten Platz 
zurüditrebt. 

Die Streife wird jo angelegt, 
daß die Jäger auf einer langen 
Linie mit verteilten Treibern in 
gerader Richtung vorrücken, an bei- 
den Flügeln zmweigen Seitenwehren 






ro. 441. 


im Hafen auf 300 Schritte ab. 
Man kann auch das Ende des 
Triebe durch Treiber mit Yeder- 
lappen markieren, welche die Hafen 
zur Umkehr zwingen. Auch die 
Rebhühner Tcheuen fehr dieſe Lap— 
pen und Streichen gegen die Schützen 
zurüd. 

Da der Hafe dasjenige Wild ift, 
welches in größerer Zahl zur Strede 
kommt, fo liegt die Gefahr nahe, 
daß durch die meittragenden Ge- 
wehre die Schüßen fich gerne ver: 
leiten laffen, um die eigene Strecken— 
zahl zu vergrößern, weit auf Hajen 
zu jchießen, den armen Lampe 
jämmerlih anzuſchießen und anzı- 
flicken. Bei Waldtreiben ift jedes 
angejchoffene Wild dem Revierjäger 
genau anzugeben und der Anz 
ſchuß zur leichteren Auffindung zu 
verbreden. 

Als Feinde, die dem armen 
Löffelmanne dag Leben fehr er— 
ſchweren, find auch innere Krank: 
heiten zu rechten, die teil3 auf 
Anſteckung, teild auf zu üppige und 
fräftige Nahrung, Delſamen ıc. 
zurüdzuführen find. Paraſiten in 
Lunge, Leber, Milz und Einge—⸗ 
weiden vermögen einen Hafenftand 
namentlich im Frühjahr nad) hartem 
Winter arg zu dezimieren. 

Ueber den Schaden, den der 
fünftlide Dünger an Hajen 
und Rehen anzurichten vermag, ift 
viel’gefchrieben worden. Die Unter- 
fuchung hat ergeben, daß nur dann 
eine Gefahr für das Wild befteht, 
wenn beim Ausftreuen des Düngerd 
trodene Witterung bejteht und ber 
pulverifierte Dünger nicht durch 
Tau oder Wegen von den feinen, 
Heinen Blätichen, die meiſtens dem 
Milde zur Nahrung dienen, in den 
Boden abgeihwemmt wird. Die 
Aufnahme diejes Pulvers verurjacht 
beim Wilde Entzündungen der 
Magen: und Darmichleimhaut, an 
denen dasſelbe eingeht. 


F.v». Sichark. 





So raſch ein Haſenſtand ruiniert 
werden kann durch unrationelle 
Behandlung und zu ſtarkem Ab- 
Ihuß, jo ſchwer iſt derſelbe wieder 
in die Höhe zu bringen. Es dauert 
oft lange Jahre und erfordert ab: 
folute Ruhe im Nevier, viel Hege 
und Schuß des geringen, noch ver: 
bliebenen Standes, Füttern im 
Winter und Einjehen von wider: 
jtandsfähigen, Träftigen Stämmen 
im Frühjahr, um den Wildjtand 
wieder zu heben. Außerdem muß 


man zur Sabzeit fleißig im Revier . 


fein, jede mwildernde Kabe, jeden 
jagenden Bauern= oder Stadtköter 
und dag Nabengefindel vernichten. 
Die übrigen Räuber find durd 
Legen von Eijen, durch die Hütten; 
jagd 2c. kurz zu halten. Der erjte 
Sat iſt in vielen falten Lagen mit 
ſtarkem Nachwinter meiftend ver: 
Ioren, wenn nicht das Hegen durd 
Autterpläße und Freimachen von 
Schnee auf Winterfanten Hilft. Die 
alten Setzhaſen gehen manchmal 
auch durch Milchfieber verlorent. 
441, Das Kaninchen wird der 
Heine Wetter des Hafen genannt. 
Troß der großen Stammesver⸗ 
wandtichaft und der ziemlich ähn- 
lichen Familienanſchauungen befteht 
keine große Freundſchaft zwiſchen 
ven beiden Nagern. Die beängſti⸗ 
gende Fruchtbarkeit des Karnikels 
dürfte dem in dem nämlichen Glas⸗ 
hauſe fitenden Lampe wohl feinen 
Grund geben, fein Betterchen mit 
Steinen zu werfen. Gerade des⸗ 
halb liebt aber der Hafe die Nähe 
des Karnikels nicht und halt fid 
nur vereinzelt in der Nähe deren 
Baue auf. Es mird wohl die 
Liebe zur Ruhe fein, die ihn ver- 
anlakt, den Verkehr mit den ewig 
unruhigen und immer auf den 
Läufen befindlichen Verwandten zu 
meiden. Das Kaninchen lebt zu: 
meift im Bau, der Aufenthalt in 
der Erde gibt ihm feinen ange 





nehmen Geruh und auch fein 
Fleiſch, von Wildbret Tann man 
freilich nicht reden, ift nicht fehr 
begehrensmert, es ift füßlid im 
Geſchmack. 

Der jagdliche Nutzen iſt ſonach 
minimal, ſein Schaden ſehr groß. 
Es unterwühlt Waldungen, die der 
Zerftörung entgegengehen, Dämme, 
Hänge, verurſacht Erdrutſchungen 
und iſt, wenn einmal heimiſch ge— 
worden, nicht auszurotten. Es 
liebt leichten, ſandigen Boden, der 
ſich nicht gerade durch übergroße 
Fruchtbarkeit auszeichnet und iſt 
deshalb doppelt ſchädlich, genießt 
aber auch das ganze Jahr über 
keine Schonzeit. 

Die Jagd mit dem Gewehr allein 
bietet geringen Erfolg, obwohl es 
einem flinken Schützen ein Ver— 
gnügen bereitet, den über das Ge⸗ 
räumt flitzenden kleinen Kerl auf 
den Kopf zu ſtellen. Am ergiebig- 
ten ift noch das Frettieren. Das 
Frettchen, ein Kleines, zur Familie 
der Marder gehörendeg, ſehr biffi- 
ges Geſchöpf, wird gezähmt, finger: 
zahm gemacht und bringt die Kar: 
nitel zum Springen aus dem Bau. 
Ein Teil der Röhren wird von den 
Sägern unter Feuer gehalten, ein 
Teil mit Beutelnegen zugeſteckt, in 
denen die ausfpringenden Karnifel 
ih fangen, ein Teil wird zuge— 
worfen. Dem Frettchen müffen die 
Fangzähne gebrochen werden, denn 
erwiſcht es ein junges oder viel- 
leiht angefchofjenes Kaninchen, 
dann jaugt e8 deilen Blut und wird 
in dem gefättigten Zuftand müde, 
rollt fih zufammen und fchläft, fo 
daß es oft lange Zeit braucht, bis 
es beraugfchlieft, am beften hilft 
da noch im Bau angezündetes 
Zaub, deſſen fcharfer qualmender 
Geruh das Frettchen zum Ber- 
lafien zwingt. Um die Kaninchen vor 

eberrafhungen zu warnen, hängt 
man den Frettchen auch Schellen an. 


VI. 1. Das deuffche Weidiverk. 


Nro. 442-443. 
Die Zudt der Kaninchentefel 


wird, jo hofft man in Jäger- und’ 


Züchterfreifen ein bejferer und 
wirkſamerer Erſatz für die Frett— 
chen liefern, die zumeiſt träge und 
nicht immer disponiert find. 

Sit das Wetter fonnig und warm, 
trifft man das Kaninden auf den 
Schlägen, wo es ziemlich gut vor 
dem Hunde aushält, große Scho— 
nungen werden am beiten mit dem 
Hühnerhunde abgefuht, andere 
Schützen jtehen an der Front und 
den Seiten vor. Man nimmt fehr 
feine, dedende Schrote zum Schuß 
und muß gut vorhalten, um das 
flinfe Geſchöpf zu treffen. Der 
Schuß ift ähnlich ſchwierig, mie der 
auf die Bekaſſine. 

442. DerSchneehnfe oder Alpen: 
haje ift im Sommer graubraun 
und einfarbig, nicht gefprenfelt wie 
unfer Feldhafe, im Winter ſchnee— 
weiß mit ſchwarzen Löffelſpitzen. 
Menn der Gamsbock ſchwarz wird, 
wird der Haſe weiß, jagt der Ge- 
birgler. 

Er iſt nur ſpärlich in der Berg- 
region vertreten, denn fein Leben 
ift jehr fümmerlid. Die Jagd auf 
ihn lohnt nicht, fein Wildbret ift 
bläulic und hat füßlihen Geſchmack, 
auch der Balg ift von geringem 
Werte. Der Schuß auf ihn ge= 
legentlich der Bergjagden, oder bei 
der Pirfhe auf Gams verurjacht 
jo viele Störung, daß höchſtens im 
Tal beim Mbendanfit auf dem 
Schnee der eine oder andere Schnee- 
bafe erlegt wird. Es gewährt einen 
ſeltſamen Anblid, einen Schnee- 
hafen im Mondlichte laufen zu jehen 
auf hellglänzender Schneefläche, 
man glaubt bloß den Schatten des- 
felben zu erbliden. 


Baarraubwild. 
443. Der Fuchs. UWeberall, wo 
dieſes Schelmengeficht auftaucht, da 
wachſen die Klagen und Berwün- 











Nro. 443. 


Ihungen wie Pilze aus der Erde, 
der Bauer jammert über die fort- 
geſetzten Räubereien an jeinem Ge: 
flügelhofe, dem Jäger fchädigt er 
die Niederjagd, er holt fich die 
brütende Auerhenne, Birfhenne, 
Fafanenhenne vom Neft, fängt den 
Sunghafen im Klee, raubt daS Reh- 
fig, nicht® ift ihm heilig, feine 
Naubgier fennt feine Grenzen, ge- 
rade zu derjelben Zeit, im Ueber: 
gang vom Frühling zum Sommer, 
wenn das Wild am ſchwächſten ſich 
zeigt und am meiſten der Ruhe und 
Schonung bedarf, iſt ſeine Raub— 
luſt am größten, das nimmerſatte, 
ewig hungrige Geheck und die alte 
ſäugende Fähe verlangen ungeheuer 
viel Nahrung, man ſehe nur ein— 
mal bei einem Fuchsbau nad. Nur 
wenige Wochen und der Jungfuchs 
übt fich jelbft im Räubern, zunächſt 
find es Fröſche, Grashupfer, Näufe, 
denen er nachſtellt, aber der ge— 
lehrige Schüler befindet ſich auf 
einer eminenten Hochſchule der Spitz⸗ 
büberei. 

Endlos ginge die Aufzählung 
aller ſeiner Schlechtigkeiten und 
Gemeinheiten fort. 

Und doch zieht über des Jägers 
Antlitz ein heimliches Schmunzeln, 
wenn er dieſes roten Spitzbuben 
gedenkt. Seltſam aber wahr. Er 
kann ihm nicht ganz feind ſein, 
wenn er ihn auch mit allen Mit- 
teln verfolgt. Sagen wir — mit 
alfen erlaubten Mitten. Dazu 
vechne ich alle Sagdarten, die ihn 
zu Bulver und Blei begnadigen, 
die Heke aus dem Bau, den Fang 
und das Töten im Bau mit dem 
Dachshund, dag Tellereifen oder 
den Schwanenhals mit der famofen, 
unübertrefflihen Witterung — aber 
nur fein Gift. Dazu ift der 
arme Kerl doch zu edel, als daß 
man ihn auf dieje Sheußlihe Art 
der Bernihtung zuführt und jo 
zahlreich ift feine Sippe nicht, daß 


F. v. Sichark. 


der Jäger zu dieſem Radikalmittel 
greifen muß. 

Ich glaube, daß mancher brave 
Weidmann meine Anſchauung teilen 
wird. Die Anhänger von Gift— 
broden dürften wohl feine Ahnung 
haben, welche große Gefahren das 
Auslegen von Gift im Revier bei 
unjeren ausgedehnten Kulturver: 
bältniffen im Gefolge hat. Der 
Broden kann von allen möglidhen 
Tieren verjchleppt und verfhlungen 
werden und wie viel Liebhaber von 
Fleifh gibt es nit unter den 
Menden, ich erwähne beijpiels- 
meije nur die Zigeuner, die den 
Hund, den gel, Fuchs, Raben, 
Eihhörndhen, Nußhäher als Deli- 
fatefje betrachten und ähnliche Lieb- 
baber diejer Genüſſe gibt e8 auch 
in der Bevölkerung von Stadt und 
Land. Die Kochkunft hat meit- 
gehendſte Fortſchritte gemacht heut- 
zutage und der Erfahrungsſatz „mas 
der Bauer nicht kennt, das frißt 
er nicht“, gilt in der Jetztzeit nicht 
mehr. Wie viel Hunderte von 
Menſchen kennen das Revier min- 
deſtens eben ſo gut, wie der Jäger, 
wenn auch in anderem Sinne. Aus 
dem Walde zieht der Menſch heut⸗ 
zutage heraus, mas nur möglich ift, 
fein Schlupfmwinfel bleibt undurd- 
ſucht, Holzmeiber und Grasmeiber, 
Beerenjucher, Bilzjammler, Wurzel: 
graber durchftreichen zu allen Tages- 
und Abendftunden die Wälder und 
auch zur Winterszeit gibt es immer 
etwas zu juchen und zu jehen und 
alles findet Verwertung, was auf: 
gefunden wird, auch dag vom Gift- 
broden getötete Tier. 

Eine gute Eigenihaft muß id 
dem Fuchs doch nachrühmen. Er 
übt das Amt der Geſundheits— 
polizei im Revier hervorragend 
aus. Jedes angeſchoſſene Stück 
Wild, das dem Jäger entgangen 
war, jedes von verheerender Krank: 
heit befallene und den Keim der 


— — — — 


VI. 1. Das deutſche Weidwerk. 


Anſteckung in ſich tragende Wild 
wird unfehlbar vom Fuchs gerifſen 
und bei ſeiner großen Vorliebe für 
ſchärfſten Hautgout verſchlungen. 
Es werden alſo 3.8. Seuchen unter 
den Hafen vom Fuchs im Entftehen 
unterdrüdt. Der Jäger wäre allein 
nicht imftande einer Epidemie wirk⸗ 
faın entgegenzutreten, Warum aljo 
den Fuchs außrotten? Ter aus- 
gewachſene Lampe fürchtet ſich nicht 
vor dem Fuchs, der auch faft nie 
den Verſuch madt, diefen zu über: 
rumpeln, ich babe oft den äjenden 
Hafen und den maujenden Fuchs 
auf einem Ader beobadjtet, wäre 
die Gefahr für den Meifter Lampe 
wirklich fo groß, jo wäre er beim 
erſten Erbliden feines Todfeindes 
ausgeſchlitzt wie Schafleder. 

Iſt ein Fuchs im Jagdrevier, jo 
wird man feiner fehr bald gewahr. 
Die Baue, die jeder tüchtige Revier- 
jäger kennen muß, find befahren. 
Sie werden bei fchlechter Witterung 
jedesmal vom Fuchs aufgeſucht. 
Dieje Baue zu bejeitigen, wäre ein 
verkehrtes Mittel, im Oegenteil, 
alte Baue, die vom Fuchs gerne 
aufgejucht werden, müfjen erhalten 
bleiben, um ihm dag Handwerk 
legen zu können; nur ſolche ver- 
Hüftete Baue, aus denen der Fuchs 
nur mit Mühe und nicht ohne Ge- 
fahr für den Dachshund zu fprengen 
find, „Feljenbaue” follten zeritört 
werden. 8 find nicht feine Räu- 
bereien allein, die Meifter Reineke 
verraten, gewöhnlich merkt man fie 
erit, wenn e8 faft zu fpät zum Ein: 
greifen geworden iſt; feine Viſi⸗ 
tenfarte findet man (Loſung) jehr 
häufig an Kreuzwegen, auf Schneu- 
Ben und Pirfchwegen. 

Die Jagd auf den Fuds 
ift fehr vielfeitig. Gelegentlich der 
größeren Waldtreibjagden im 
Spätherbft und Winter, wenn das 
Wetter iroden ift, und auch fonit 
beim Anjtellen der Schüßen und 


Nro. 443. 


Treiber ziemlich viele Ruhe herrſcht, 
läuft der Fuchs verläffig an und 
bildet eine Zierde der Strede. Da 
er jehr bald los geht, eröffnet er 
meiftend die Jagd, der erite ver: 
einzelte Schuß der fällt, dürfte 
meiftens ihm gegolten haben. Der 
Fuchs pflegt feinen Wechfel genau 
einzuhalten, außer er wird ver- 
ftohen. Man verfteht darunter, 
wenn der glüdlihe Schütze, anftatt 
fih ruhig zu verhalten und abzu- 
warten bi3 der Fuchs auf gute 
Schußdiſtanz ſich genähert oder den 
Trieb verlaffen hat, ſchon beim erften 
Erbliden die Flinte hochnimmt. 
Das verträgt Neinefe nicht, er 
Ihlägt um, wie der Blit. Der 
Schuß an und für fi iſt nicht 
ſchwer, der Fuchs trabt und flüchtet 
ſehr fchnell, aber gleihmäßig, da 
aber feine lange Rute den Jäger 
verleitet länger mitten auf dem 
Fuchs mit dem Korn zu bleiben, 
anftatt ihn gut am Kopf zu fallen, 
oder genügend vorzufahren, fo geht 
der Schuß mandmal hinten weg. 
Aehnlide Wahrnehmungen kann 
man am Fajanenhahn machen. 

Sehr interefjant find Die Fuchs— 
riegel bei Neuſchnee. Die 
Treiben werden abgejpürt, der Fuchs 
eingefreift und dann die Wechſel 
beſtellt. Es genügen oft nur we— 
nige Treiber, den Fuchs zum Los— 
gehen zu bringen. 

Die Ranzzeit Meifter Reinefes 
fällt in die Wintermonate Sanıar, 
Februar. Nah 60 Tagen wölft 
die Fähe im Bau 5—6 Junge, die 
bis zur Hauptſetzzeit und Brütezeit 
des Nubmwildes im Mai und Juni 
geradezu unerfättlich find. 

Sit e8 dem Säger nicht gelungen, 
mit Hilfe des weißen Spürhundes 
der Hochzeitsgejellfhaft habhaft zu 
werden, dann wird es Zeit mit 
dem Tellereijen zu operieren. 
Die Eifen werden zumeijt tm 
Felde, dem Hauptoperationg- 

29 


— — — 


— 


Nro. 444. 


gebiete des Fuchſes, in der Nacht 
gelegt, in einer tiefen Furche, gut 
verdeckt mit Erde und Dung ze. 
Bevor man zum Legen der Eiſen 
ſchreitet, werden am beſten am 
Abend, um das Verſchleppen zu ver: 
hüten, Broden gelegt, welche aus 
einer für den Fuchdgaumen bered)- 
neten Delikateſſe beftehen, wie 
Katzengeſcheide, Haſengeſcheide, Eich- 
hörnchen, angegangene und ange— 
bratene Heringe ꝛc. ꝛc. Sind dieſe 
angenommen, was man häufig an 
der in der Nähe abgegebenen Lo— 
ſung entdeckt, dann beginnt man 
mit dem Legen von Eiſen, dem 
Schwanenhals, Kaſteneiſen, Teller⸗ 
eiſen. Die Eiſen ſind natürlich 
mit Kette und Widerhaken verſehen, 
ſie müſſen täglich nachgeſehen wer— 
den. Gar vielerlei Fangmethoden 
gibt es, jedes praktiſche Handbuch 
für Jäger gibt darüber ausreichende 
Auskunft. 

Fuchsſprengen und Fuchs—⸗ 
graben. Erzielt die Reviſion der 
Baue, daß einer derſelben befahren 
iſt, oder daß eine Fähin ihr Wochen⸗ 
bett darin aufgeſchlagen hat, dann 
ſucht man der Räuber mit Hilfe 
des Dachshundes ſich zu bemäch— 
tigen, bezw. wenn der Hund im 
Bau vorliegt und der Fuchs ſich 
nicht ſprengen läßt. Durch Ein⸗ 
ſchlag im Keſſel mit Hake und 
Schaufel die Räuberbande auszu— 
heben. Genaue Kenntnis der Röhren 
iſt notwendig, die entweder mit 
verläſſigen Schützen beſetzt werden, 
oder mit Steinen verrammt zu 
werden pflegen, wenn Fluchtröhren 
vorhanden ſind, die man wegen der 
Bodenbeſchaffenheit nicht unterFeuer 
nehmen kann. Erfahrene Dachshunde 
würgen die Jungfüchſe meifteng ab 
und ſchleppen fie aus dem Bau. 

Auh der Anfig am Bau 
bringt Erfolg, vorausgeſetzt, dag 
der Jäger dag genügende Sitzfleiſch 
und Ausdauer dazu befißt. 


‚rm wu. 


3. v. Sichart. 


Eine Jagdmethode möchte ich neh 
erwähnen, die weniger geübt wird, 


aber nur deshalb, weil eine ziem⸗ | — 


liche Fertigkeit dazu gehört, das | 
Anreizen des Fuchſes mit, 
der Hafenquäfe, aber fie erfordert 
große Webung, guten Wind und 
Ausharren. Aber mie gejagt, 
fönnen muß nan ed. Wie beim 
Angftgefchreiblatten, glaube ich, liegt 
auch im Haſengeſchrei der Haupt: 
moment des Reizes in dem Aus⸗ 
Hingen der lehten feineren Töne, 


die den legten Zweifel ander &chtheit 


des Gehörten im Rehbod, wie Fuchs 
befeitigen. In den jchärferen, grö: 
beren Tönen wird bei allen Inſtru⸗ 
menten vom Jäger die Aufmerl: 
ſamkeit wachgerufen und je nach der 
Qualität des Inftrumentes und der 
Fertigkeit des Ausübenden gelingt - 
auch ab und zu diefes Mittel, beim 
einen beſſer, beim anderen weniger, 
aber den entjcheidenden Moment 

zu finden und das entjcheidende 
Etwas im Tone zu produzieren 


— — 1.0. 


macht eben ben Meifter. Quod , ;, 


erat demonstrandum, { 
Diefe eben angeführten Metho: - 
den, dem Fuchs möglichſt Abbruch 
zu tun, können vollauf genügen, 
namentlich wenn der edte und ! 
rechte Weidmann ſich ihrer bedient. 
Ueber das Legen von Giftbroden ı 
mag entſcheiden, wer will, ich ver: 
zichte darauf. 
444. Der Dachs. Meifter Grim- 
bart, der ein ſehr weitläufiger Vetter 
Reinekes ift, auf deſſen Kerbhol; 
manches gejchrieben zu werden ver: 
dient, was dem armen didfelligen 
Burſchen angerechnet wirh, iſt eigent- 
lich ein eingefleifchter Vegetari— 
aner. Doch mo viel Licht ift, da 
ift auch Schatten. Wenn er auf 
feinen nächtlichen - Srrfahrten ein 
Waldhühnerneſt findet, oder ein 
Faſanen- und Nebhühnergelage, er 
nimmt die Eier heraus, den Heinen 
Junghaſen verfhmäht er auch nicht. 


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— —— —— — — — 


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tut 
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VI, 1. Pas deuffche Weidwerl:. 


Troßdem Tann man ihn feinen 
eigentlihen Räuber nennen, Der 
Dachs wohnt eben ziemlich benach⸗ 
bart mit den Fuchs, welcher jogar 
gerne bei ihm einmietet und Da 
lernt eben Meifter Grimbart viel, 
was ihn mit der ſcharfen Auf: 
faffung des Jägers in Konflikt 
bringt. Den Dachs ſchützt haupt⸗ 
ſächlich ſeine Heimlichkeit, als Nacht⸗ 
tier läuft er nur gelegentlich dem 
Pürſchjäger an in der Dämmerung. 
Doc felten ereilt ihn das Geſchoß 
des Jägers, der gerade zu dieſer 
Beit dem guten Gemeihträger feine 
Aufmertjamteit ſchenkt. SeineSchuß⸗ 
zeit beginnt mit dem 15. September 
und hört Ende Dezember auf. Sein 
Wert iſt nicht ſehr bedeutend. Die 
Schwarte kann als Fußteppich ver⸗ 
wendet werden, die langen Haare 
geben gute Raſierpinſel, das Fett gibt 
eine vorzügliche Lederſchmiere, die 
Hinterläufe werden gut geräuchert 
und geben ganz vorzüglihe Dachs⸗ 
ſchinken von zarteftem Fleiſche. Das 
ift fein Wunder, denn er nährt ſich 
im Frühling und Sommer von Wur⸗ 
zeln, Kräutern, Schwämmen, Käfern, 
Larven, Heufchreden, Schneden, 
Negenmwürmern, im Herbite von 
Obſt, Rüben, Buchen und Eichel: 
maft und fchläft im Winter. Die 
Ranzzeit findet nad neuejten 
zuverläffigen Angaben nicht wie 
bisher angenommen wurde, vor 
dem Winterfchlaf, November, ftatt, 
iondern Ende Juli und im Auguft. 
Im Februar und Märsy wirft die 
Dächſin 3 Zunge Es iſt ſonach 
ähnlich wie beim Reh eine Ruhezeit 
des befruchteten Eies zu konſta— 
tieren. 

Bei den Herbſttreibjagden 
läuft er manchmal dem Schützen 
an, wenn er vom Tageslicht über: 
raſcht, feine Zeit oder vielleicht auch 
feine Luſt gefunden hat, feinen Bau 
zu erreihen. Er neigt fehr zur 
Fettſucht. Es ift ein drolliger An- 


Niro. 445. 


blid, den feiften Burſchen fih an 
einem Eichenſtock abmühen zu fehen, 
wenn er nach Larven oder Wurzeln 
fticht, er fchnauft und rohrt gewaltig, 
wie ein von ärgjtem Aſthma ge: 
plagter Menſch. Bei dieſer Ge- 
legenheit fann man ihn, den man 
ſchon meit blafen hört, bis auf 
wenige Schritte anpürjchen. Das 
verdugte Gefiht und der Verſuch 
den Rückzug mit größter Beſchleuni— 
gung anzutreten erwedt geradezu 
Heiterkeit. 

Auh der Anftand am Bau 
bei Mondſchein wird geübt. Der 
Dachs verläßt den Bau oft ſehr 
jpät und erfordert der Anſitz viel 
Geduld. Man muß den Dachs aber 
gut einige 8—10 Schritte heraus: 
lafien, da er ſonſt angeſchoſſen 
wieder zurüdgeht oder verloren ilt. 

Beim Graben aus dem Bau 
und Aushetzen ſind ſehr ſcharfe 
ältere Hunde notwendig, die den 
Rummel gut kennen. Der Dachs 
jegt fich jehr heftig zur Wehr und 
verlegt oft ziemlich ftarf die Hunde. 
Um den Einfchlag richtig vornehmen 
zu fünnen, müſſen die Hunde fejt 
vorliegen und den Dachs am Ende 
des Keſſels halten. Sft der Dachs im 
Kefjel freigelegt, wird er mit der 
Zange, deren Griffe um feinen Hals 
ſich fchließen, ausgehoben. Das 
Anbohren mit dem Kräßer, einer 
Schraubenzange, ift graufam und 
unweidmänniſch. 

445. Die Fiſchotter iſt ein ge⸗ 
waltiger Fiſchräuber und verdient 
als ſolcher größte Beachtung und 
Verfolgung von ſeiten des Jägers, 
zu deſſen Pflichten es gehört, Schäd— 
linge im Haushalte der Natur kurz 
zu halten. Wenn Jäger und Fiſcher 
bei der Verfolgung dieſes Räubers 
Hand in Hand gehen würden, dann 
dürfte wohl eine böſe Zeit für die 
Otter kommen. Die Vermehrung 
der Otter iſt ſehr groß, von einer 
beſtimmten Ranzzeit kann nicht ge— 


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Niro. 446. j 3. v. Sichart. 


ſprochen werden, es finden ſich zu 
jeder Jahreszeit Junge. Keine 
Wildart iſt in Rückſicht des Auf: 
enthalts ſo unſtet, wie die Otter. 
Sie hat mehrere Wohnungen, die 
oft ſtundenweit auseinanderliegen, 
kehrt aber gerne an die ihr lieb 
gewordenen Fiſchplätze und Wohn: 
plätze zurück und verfehlt dann 
ſelten den gewohnten Ausſtieg, der 
faſt immer aus tiefem Waſſer ge⸗ 
rade ans Land führt. Diefe Plätze 
ausfindig zu maden, ift Sache Des 
Jägers, der dort mit Gejchid feine 
Eifen zu legen hat. Das Teller: 
eifen muß jehr ftarle Federn be- 
fiten, denn fein Tier wütet jo im 
Eiſen, als die Dtter, 

Die Eifen können auf dem Lande 
oder im Waſſer gelegt werden, je 
nad den Waſſer- und Grundver- 
hältnijlen, eine folide und feſte 
Verankerung ift notwendig. Wäh- 
rend des nächtlichen Fiſchens pfeift 
die Otter jehr Scharf und weithin 
hörbar, befonders zur Ranzzeit oder 
wenn mehrere Ottern beifammen 
find, im Kampfe mit dem Hunde 
und bei heftigem Schmerze ſtößt 
fie ein Kreiſchen aus. 

Die Diter macht auch zu Lande 
von einem Gewäſſer zum andern 
große Wanderungen, fo daß 
man fie gelegentlich fogar in einem 
Fuchsbau antrifft. Ihren Bau im 
Waſſer legt fie an überhängenden 
Geftaden unter Baummurzeln an, 
fo daß die Mündung noch unter 
Waſſer fih befindet. Eine Luft: 
röhre befindet fich ſtets am Ufer. 

Man kann den raubhaarigen 
Hühnerhund ala Otterhund ab- 
richten, der lernen muß, die Luft: 
röhren, die ſich wenige Schritte 
vom Ufer ‚befinden, abzuſuchen. 
Der Dtterjäger, der ungefähr die 


Baue fennen muß, läßt deſſen An 


wejenheit durch den Hund konſta⸗ 
tieren und dann graben, der Hund 
muß lernen, der unter Waſſer 


flüchtenden Otter zu folgen. Es 
find hierzu mehrere Hunde erfor: 
derlich und die größte Aufmerkjam- 
feit des Jägers. 

Der Anfig auf die Dtter ift 
eine fehr zeitraubende Sagdmethode, 
doch von Erfolg, wenn die Aus: 
ftiege vielleicht in der Nähe einer 
Mühle fich befinden und von dort 
aus öfter des Nachts bei Monplicht 
fontrolliert werden können. Iſt eine 
Dtter nun einmal feftgemadt, dann 
muß die nächſte, wenn monbhelle 
Nacht dazu beitimmt werden zum 
Anſitz. Doc ift der Fang mit dem 
Tellereifen allemal vorzuziehen. 

Es ift begreiflich, wenn der Jäger 
beftrebt ift, die Otter, wo er nur 
kann, zu verfolgen, denn ihre Mord» 
luft ift groß, fie raubt Fiſche, die 
fie nur zum Teil frißt und liegen 
läßt. Dadurch verrät fie noch am 
eheften ihren Ausſtieg. — Nah 
dem neuen bayer. Fifchereigefet ift 
der Fang der Dtter auch im die 
Hand des Filchers gelegt. 

Wer die Gewohnheit des Wildes 
jeglicher Art kennt in den bewach— 
jenen Rändern von Wafferläufen 
und Teichen fich zu fteden, wo aud) 
die Otter feine Wechſel und Aus: 
ftiege bat, der wirb wohl über die 
Unzulänglichkeiten diefer . Verord⸗ 
nung, die zwischen Jäger und Fifcher 
großen Verdruß herbeiführen mül- 
fen, nicht im unklaren bleiben. Biel- 
leiht trifft. dann hier der Erfah: 
rungsfat zu: duobus certantibus 
tertius gaudet. 


— 


446. Die Wildkatze iſt ein 


Raubtier, das über ganz Deutſch⸗ 
land verbreitet iſt, es findet über⸗ 
all feine Heimat, wo große Wal⸗ 
dungen Unterſchlupf bieten. Die 
verwilderte Hauskatze wird vielfad 
al8 echte Wildkatze gefchoffen, fie 
nimmt aud Form und Yarbe häu- 
fig von derſelben an. Wer aber 
je Gelegenheit hatte, einen echten 
ausgewachfenen Wildfater auf ber 


ww en — 


VI. 1. Das denifche Weidwerk. 


Strede zu fehen, der ift fi nie 
mehr darüber im Zweifel. Bor 
allem die Größe und das Gewicht 
ift harakteriftifh, 16—20 Pfund 
ſchwer und eine Höhe von 45 cm. 
Der über den Rüden ſich ziehende 
Ihwärzlide Streifen und die be- 
bänderte Rute ift auch bei vermil- 
derten Katen zu Tonftatieren, die 
Rute bat 22 Wirbel gegen 21 der 
Hauskatze, das Geſcheide der Wild: 
tage ift um ein Dritteil kürzer und 
der Sohlenfled der Wildfage un: 
verlennbar, der ebenjo wie die 
Lippen vollkommen ſchwarz ift. 

Sm ſcharfen Aeugen, auch bei 
Nacht, in ebenfo ſcharfem Wittern 
und ſehr leiſem Vernehmen wird 
te von feiner Wildart übertroffen. 

hre Nahrung find Kleinere Säuge- 
tiere und Vögel, auch Filche liebt 
fie über alles, Aas verfchmäht die 
Kate. 

Dem unverdrofjenen und fleißigen 
Säger bejchert der alte Freund 
„Zufall“ mandmal das jeltene 
Weidmannsheil beim Revierbegang 
dem gefährlichen Räuber zu begegnen, 
oder er wird auf ihn aufmerkſam 
durch das ängſtliche Geſchrei Heiner 
Vögel, das Kreiſchen der Häher, 
oder das Fauchen der Eichhörnchen, 
alles Anzeichen, daß von einem Ge⸗ 
noſſen des lichtſcheuen Geſindels, 
wie Marder, Wieſel, Katze, auch 
Fuchs eine Untat verübt wurde, 
oder werden fol. Wer im ent- 
fcheidenden Momente mit Hafenquäfe 
oder einer Vogelſtimme oder auch 
mit dem Mäujeln aufzumwarten ver: 
fteht, dem könnte leicht Hubertus 
hold fein und ihm den Anblid einer 
Wildfage beſcheren. Iſt die Kate 
nit tödlich getroffen, fo geht fie 
bei ihrem zähen Leben weit, und 
it nur mit dem Hunde noch zu 
befommen, der fie zum Aufbäumen 
zwingt. 

Auch hier beruht die Schwierig- 


Nr. 447. 


holzende, d. 5b. von Baum zu Baum 
auf den Zweigen weiter flüchtende 
Räuber in dichten hohen Beftänden 
leicht dem Auge entichwindet. Der 
brave Hühnerhund, der auf Marder: 
jagden diefen Rummel kennen ge- 
lernt hat, verfolgt oft ausgezeichnet 
mit den Augen aud den Freund 
Hinz, für den der ſcharfe Raubzeug- 
mürger eine ganz bejondere Bor- 
liebe befikt. 

Hohle Bäume, Felsſpalten, auch 
Dachsbaue liebt die Wildfage als 
Aufenthalt. Aug den Bauen wird 
fie mit dem Dachshund gefprengt, 
aus den Bäumen ausgeräudert. 

Bei großen Waldtreibjagden läuft 
fie dem Säger an, wie der Fuchs. 
Hier darf, ja fogar muß der Hund 
jofort gelöft werden, um die Katze 
zum Aufbäumen zu zwingen, wenn 
fie angeſchoſſen ift. 

447, Die Marder gehören zu 
den gefährlichiten Schädlingen der 
Niederjagd, da fie durch ihre Mord- 
gier große Berheerungen unter dem 
Kleinwild und namentlid) bei den 
Hühnerjorten anrichten und durch 
ihre große Heimlichfeit den Nach— 
ftelungen des Jägers mit der 
Schußwaffe ſich zu entziehen wiſſen. 

Der alte Kobell ſagt von 
ihnen: 

Stein: und Edelmarder find 
wohl zu kennen beide, 

Senem ift die Kehle weiß, dem wie 
gelbe Seide. 

Willſt du aber Raub und Liſt an 
dem Paar vergleichen, 

Darzutun den größern Schelm, weiß 
ich feine Zeichen. 

Beide Marderarten kommen zu— 
fammen vor im gleichen Revier, 
mifchen ſich auch gelegentlih. Der 
Edelmarder hat feinere Behaaruna, 


ift um ein weniged größer, jein 


Balg wertvoller, als der des Stein- 


| marder?. 


Der Edelmarder ift reines Baum— 


feit der Jagd darin, daß der fort: | tier, hohle Bäume, verlaſſene Nefter 


Niro. 448. 


von Wildtauben, Eihhörndhen und 
Raubvögeln find feine Wohnung. 
Der Steinmarder hält fich mehr bei 
den menfchlichen Wohnungen auf, in 
Scheunen, Ställen, Gartenhäufern, 
altem Gemäuer, Holzitößen ꝛc., 
niftet fi in Heulagern ein und 
macht an der Wand und unter den 
Balken feine Gänge und pflegt den 
Landwirt ungleich mehr zu be: 
jteuern, als den Säger. 

Die Jagd auf den Edel- 
marder mit der Shußmwaffe 
allein ift ungemein fchwierig, jelbjt 
für den guten Raubzeugjäger tft 
e3 eine harte Aufgabe, die Spur 
bei Neufchnee zu halten. Sie hört 
auf, fobald der Marder holzt, d. 6. 
von Baum zu Baum meiter flüchtet. 
Die von den Meften abfallenden 
Schneeflümpchen find unjchmer zu 
jehen. Jeder Horft, jeder dicke Aft 
muß geprüft werden, die Spur 
führt durch Dickungen mit ftarkem 
Anhang, zeigt häufige Wiedergänge. 
Ohne verläffigen Hund tft es oft 
unmöglich, die Fährte zu halten. 
Bevor der Marder fih auf einem 
Baume oder in einem Horjte ſteckt, 
pflegt er zu näffen, wodurd) er auf 
dem Schnee dem Jäger, oder deſſen 
treuen Begleiter jich verrät. 

Den beiten Erfolg verſpricht noch 
der Fang des Marderd im Eijen 
und in der Kaftenfalle. Die Eifen 
müſſen fehr fauber gehalten fein, 
event. vermwittert werden und bevor 
fie gelegt werden, ift der Marder 
anzufirren. Frifche Eier, gedörrte 
Pflaumen, Anisöl und Kampfer 
bilden ein großes Anreizungsmittel. 

Der Iltis ift in gleicher Weiſe 
Ihädlich, wechjelt Häufig mit feinem 
Wohnort, den er im Winter in die 
Nähe menihliher Wohnungen ver: 
. legt, wo er größeren Raub findet. 
Er wird aud) Rab oder Stänfer 
genannt, foll Ratten und Mäufe 
vertilgen, aber der Niederjagd wegen 
jeiner Vorliebe für Eier fehr ſchäd— 


J. v. Sichart. 


lich ſein. Sein Balg iſt weniger 
wertvoll, wird aber gut bezahlt, 
behält jedoch den ſcharfen penetran= 
ten Gerud, der unter der Rute in 
zwei Stinkdrüſen aufgefpeichert ift. 

Das Wiefel ift der Heinfte, 
aber tüdifchjte Räuber der Nieder- 
jagd, namentlid der Falanerien. 
Kleine Eifen und Kajtenfallen find 
allein imjtande feiner Gefährlichkeit 
Halt zu gebieten. Lockſpeiſen in 
Geftalt von Heinen Bögeln, die an 
Stäben über dem Eifen aufgehängt 
werden, oder Bilfendl und Moſchus 
in der Kaftenfalle find zum Ankirren 
anzuwenden. 

Wie wenige fennen die Schäd- 
lichkeit dieſer ſämtlichen eben ge— 
nannten Räuber, die eine Wildbahn 
vollkommen ruinieren können. 

Entſprechende Prämien und Ueber⸗ 
laſſung des oft koſtbaren Balges 
an den Revierjäger können allem 
Einhalt gebieten. 


Nützliches Federwild. 


448. Das Rebhuhn. In Flur 
und Feld wird es lebendig, der Vor⸗ 
ftehhund, der als Mädchen für alles 
gelegentlich zu einer Schweißjagd das 
mühſam Erlernte verwerten durfte, 
oder zur Waflerjagd auf Sungenten 
fih die nötige Bewegung machen 
durfte, tritt jegt voll in feine Rechte. 
E3 geht mandhem Säger nichts über 
einen ſchönen Herbfttag im Kartoffel: 
feld oder Rübenader, wenn er in 
friftallheller Luft den Blid in Die 
Ferne richtet, die ihm das ganze 
Jahr über nie fo wunderbar ent 
gegenihimmert, wie in den Zeiten 
der herbitlichen Feldjagd. 

Es liegt ein eigenartiger Zauber 
in der Ausübung der Hühnerjagd, 
namentlich wenn das Revier gut be= 
fegt ift und der Hund fauber arbeitet. 

Hühnerſuche. Der Hühner: 
hund muß eine vorzüglihe Naſe 
und eine geräumige Suche haben, 


VI. 1. Das deuifche Weidmwerk. 


mag er nun Setter oder Pointer, 


Deutifchlanghaar oder Kurzhaar 
oder Stichelhaar fein. Die Aus- 
wahl desjelben ift meift Liebhaberei 
und fol fi eigentlich mehr nad 
dem Temperament des Jägers rich- 
ten. In großen meiten Flächen 
mag der flinfe Bointer Hervorragen⸗ 
des leiften, in bergigem und büge- 
ligem Gelände kommt er häufig 
außer Sicht und mancher zieht dort 
den ruhiger juchenden deutſchen 
Hund vor, der namentlid, wenn 
die Kette gejprengt ift, die einzelnen 
Hühner verläjfiger ausarbeitet. Der 
Aufgang der Jagd richtet fi nad 
den Ernteverhältniffen der Gegend 
und wird von den einzelnen Regie- 
rungsbezirken jeweilig durch Ver- 
ordnung befannt gemacht. 

Jagdart. Am angenehmiten 
ift die Einzeljagd oder eine Jagd 
in Heiner Gejellfhaft, wo jeder mit 
eigenem Hunde die Ketten aufſucht 
und ſich ganz dem Genuß der Jagd 
bingibt. Es Tommt diefe Art zu 
jagen an Reiz der Pürſche am 
nächſten. 

Auch in größerer Geſellſchaft in 
breiter Streife kann die Hühner— 
ſuche ausgeübt werden, namentlich 
in ebenem Gelände. Es werden 
hier die Hunde führenden Jäger 
gleichmäßig verteilt, die Träger mit 
Hühnerkörben, in denen die erlegten 
Hühner aufgehängt werden, oder 
mit kleinen zweirädrigen Karren 
folgen zwiſchen den ſtreifenden 
Jägern. In den Karren werden 
in waſſerarmen Revieren Bled)- 
kannen mit Waſſer gefüllt für die 
Hunde mitgeführt. 

Verhören und Abſchuß. 
Das Verhören der Hühner in den 
frühen Morgenſtunden, wenn der 
Hahn das Volk zuſammenruft, bildet 
eine große Erleichterung, nament⸗ 
lich wenn der Stand an Hühnern 
ein geringer iſt. Die angenehmſten 
Stunden zur Hühnerjagd ſind die 


Nro. 448. 


Morgenftunden von 8—11 Uhr 
und nachmittags von 3 Uhr ab bis 
abends. Bor 8 Uhr morgen? hindert 
der an den Gräfern und dem Kraut 
anhaftende Tau den Hund die 
Witterung aufzunehmen, wodurch 
enge gejchofjene Huhn verloren 


ge 

ieh das Volk auf, follen, wenn 
möglih die Althühner gefchont 
werden. Es ift ein großer Unter: 
Ichied zwifchen dem im Aufgang der 
Jagd fi mühſam aus den Halmen 
herausarbeitenden Huhn und dem 
im jpäteren Berlauf fich raſch er- 
hebenden zur vollen Stärke heran- 
gewachjenen Vogel, der namentlich 
im Oktober wie ein Pfeil davon—⸗ 
ſchwirrt, aber den Hühnergalgen 
befler ziert, den Wildbrethändler 
und die Jagdkaſſe mehr befriedigt, 
al3 die Kleinen unſcheinbaren halb: 
gewadjfenen Böglein. Ein alter 
Jägerſpruch lautet: 

Zu St. Johann fangen die Hühner 
das Streichen an, 

Wer fie ganz erwachlen mag, ſchieß 
nicht vor Remigiustag (1. Oft.). 

Behandlung nad der Jagd. 
Bei heißer Zeit ift es dringendes 
Erfordernis die geſchoſſenen Hühner 
gelegentlic der allererften Ruhe— 
paufe auszuziehen. Die Gärung 
im Geſcheide beginnt bisweilen 
ſchon nad einer Stunde, ebenfo 
find die Hühner frei zu hängen. 

Fortpflanzung Nun nod 
einige Worte über die Naturge- 
Ihichte unferes Huhnes. Die Ehe: 
verhältniffe des Rebhuhns find die 
denkbar ſolideſten. 

Die Henne zeigt fich fehr ober- 
flächlich in der Wahl des Niftortes 
und der Herſtellung des Neftes am 
Rand von Getreideädern, neben 
Fußfteigen 2c. und mit großen: 
Eigenfinn ftrebt fie den gewählten 
Ort fejtzubalten. Da fie befonders 
Dedung bevorzugt, wählt fie häufig 
Wieſen und Kleeäder zum Nijtorte, 


z.o> 
— — — —— 


Nro. 449. 


die dann häufig ausgemäht werden, 
fo daß die Henne mitſanit dem Ge: 
lege zugrunde geht. Man Tann 
diefem Mißftand nur vorbeugen, 
indem man täglich die Hühner aus 
diefen Orten verſcheucht, um fie zu 
zwingen im Wintergeireide einzu- 
niſten. 

Anlage vom Neſt. Das 
Neſt ſelbſt wird durch Scharren und 
Drehen des Körpers tellerartig aus⸗ 
gerandet. Der Hahn hilft mit Gras, 
Stroh und Miſtteilen das Neſt not⸗ 
dürftig auspolſtern, das erſt mit 
zunehmendem Inhalt beſſer aus— 
geſtattet wird. 

Sitzt die Henne feſt auf dem 
Neſt, übt der Hahn dad Wächter: 
amt aus auf erhöhterem Stand: 
punft, mit langem Kragen fichert 
er überall treubejorgt umher und 
warnt die Henne vor Ueberra⸗ 
ſchungen, die fich dann tiefer in das 
Neft drückt, ja er fucht fogar die 
Aufmerkſamkeit auf fich abzulenken 
und kehrt erft auf Umwegen wieder 
zurüd. Sind die Küchlein ausge⸗ 
fallen, dann wacht und warnt der 
Hahn unausgefegt über die Sicher- 
heit der Familie und mehrt mit 
großer Schneid den Feind ab. 

Feinde. Als folde gelten alle 
Kaubtiere vom Fuchs bis zum 
Wieſel, verwilderte Katzen, jämt- 
lihe Raubvögel und beſonders aud) 
die Rabenvögel, welche als die ge- 
fährlichften Gierdiebe befannt, die 
Bruten der Nebhühner arg dezi« 
mieren. Als weiterer Feind kommt 
noch der Menſch hinzu. Der Sudt 
unferer Jugend, Bogelnefter auszu⸗ 
nehmen, muß energijh entgegen: 
getreten werden, auch von Jägern 
wird viel gefündigt durch Schießen 
der Althühner, zu frühes Bejagen 
ver nod) nicht ausgewachſenen Ketten 
und vor allem die geringe Auf: 
merkſamkeit, die dem armen hungern⸗ 
den Huhn im Winter geſchenkt wird. 
Der gute Wildheger wird bei Ein- 


J. v. Sichart. 


tritt des Winters an Hecken und 
geſchützten Plätzen Futterſtellen er⸗ 
richten, die auch dem Rabengeſindel 
gegenüber genügenden Schutz ge⸗ 
währen und ſich von wohlgeſinnten 
Landleuten gegen kleine Geſchenke 
den Getreideabfall verſchaffen. Daß 
mit Eintritt des Winters die Jagd 
auf Rebhühner einzuſtellen iſt, iſt 
ſelbſtverſtändlich. 

Geſchlechtsunterſchied. 
Der Hahn unierſcheidet ſich von 
der Henne durch das ſcharf ausge⸗ 
prägte hufeifenförmige Schild, wel: 
ches der Senne entweder ganz fehlt 
oder nur lückenhaft vorhanden und 
wenig ausgeprägt ift. 

Die mittleren Schwanzfedern de3 
Hahns find roftfarben, bei ber 
Henne heller. Beim Aufftehen leicht 
erfennbar. 

Bei jungen Hühnern find die 
Ständer gelblich, bei den alten grau 
bis ſchwarzgrau. Bei Beginn deö 
Winters nehmen aud die Ständer 
der jungen Hühner die Yarbe der 
alten an und andere Kennzeichen 
müflen jest an ihre Stelle treten. 

Der Schnabel bei jungen Hüh- 
nern ift hornſchwarz. 

Der Schnabel bei alten Hühnern 
ift blaßbläulich und heil. 

Beim heurigen Huhn find 1. und 
2. Schwungfeder fpig, deren Kiele 
find feft, die Kiele der 3. und 4. 
Schwungfeder find weich. 

Beim vorjährigen Huhn find 1. 
und 2. Schwungfeder ſchwach ab- 
gerundet, deren Kiele weich. 

Beim alten Huhn find 1. und 2. 
Schwungfeder ftarf abgerundet, 
deren Kiele feit. 

449. Die Wachtel ähnelt in 
äußerer Körperform und der Art, 
wie fie menigjten® bei und ın 
Deutfchland bejagt wird, dem Reb⸗ 
huhn. Bedeutend Kleiner als diefed, 
liebt die Wachtel milde klimatiſche 
Lagen und dort große Getreide 
ftüde, die Familienverhältnifie 


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VI. 1. Das deuffche Weidwerk. 


tönnen aber, was bei dem großen 
Wandertrieb erflärlih erjcheint, 
nicht ebenfo als geordnet bezeichnet 
werden, denn der Hahn Fümmert 
fih um feine Brut gar nicht und 
verſchwindet jehr rafh vom Schau⸗ 
platz, ebenjo löſt fi mit dem Er⸗ 
Starten der jungen Brut der Zu⸗ 
ſammenhang der Ketten. Die 
Wachtel ift ein Zugpogel und auf 
ihrer Wanderung nad) dem warmen 
Süden großen Nadhftellungen un- 
ferer ſüdlichen Nachbarn ausgeſetzt. 
Bei ung in Deutjchland kommt fie 
deshalb nicht jehr Häufig vor und 
wird nur gelegentlih der Hühner: 
fuche mit beſchoſſen. Das Verhalten 
des PVorftehhundes vor der feit- 
liegenden Wachtel ift ein eigen- 
artiges, das dem Säger fofort auf- 
fällt. Der Wilvbraten ift ausge: 
zeichnet, namentlich im Herbft vor 
der Zugzeit werden ſie oft fo fett, 
daß die Fettjchichte beim Herab⸗ 
fallen des Vogels auf den Boden 
häufig platt. Sehr zu empfehlen 
ift es, die fette Wachtel in ein 
Feldhuhn zu fteden und mit dieſem 
zujammen zu braten. Beide bilden 
dann eine hervorragende Delikateſſe. 

450. Die Waldſchnepfe. Wer 
fennt nicht den alten Jägerſpruch? 
Reminiscere — richt die Gewehre, 


Okuli — da kommen ſie, 
Lätare — das ſind die wahre, 
Judika — ſindſie auch noch da, 
Palmarum — Tralarum. 


Der Vogel mit dem langen Ge⸗ 
ſicht, dem zarten Wildbret und dem 
geheimnisvollen Weſen iſt der Lieb⸗ 
ling aller Säger. Wenn der Lenz 
beginnt der in Winterfälte, in Eis 
und Schnee gehüllten Natur neues 
Leben einzuhauchen, dann verkündet 
aud die Waldichnepfe den Beginn 
des Jagdjahres. Ihr Erfcheinen 
als der erſte jagdbare Zugvogel 
wird auf das freudigſte begrüßt, fie 
eröffnet den Balzreigen und erfüllt 
da8 ſehnende Herz des Jägers 


Niro. 450. 


durh ihr ſonores Duarren und 
Iodendes Puitzen mit neuen Jäger⸗ 
freuden. 

Schnepfenftrid. Wenn fie 
aus den warmen jüdlichen Lagen 
fommend — manchmal überwintert 
fie auch bei ung in Deutfchland — 
auf dem Zuge fich befindet zu ihren 
altgewohnten Brutpläßen, dann 
ftreicht fie in der Abenddämmerung 
über die Wipfel der Bäume, an den 
Rändern des Hochholzes entlang 
und über dichte - Schläge. Das 
Duarren oder Grohnen ift der 
Balzton des Männchens, das Weib- 
chen ftreicht meift niedriger. Häufig 
fiebt man zwei bintereinander 
ftreihen, oft aud aufeinander 
jtechen, dies find vielfah Männden, 
die fich verfolgen. Troßdem tut 
man gut, nur auf die zmeite 
Schnepfe zu ſchießen. Die Schnepfe 
hält den Strich ſehr genau ein und 
erjcheint gerne am nächiten Tage 
an gleicher Stelle wieder, wenn fie 
vorher gefehlt war. Es wäre wohl 
beſſer für die Erhaltung des edlen 
Vogels, die Jagd im Frühjahr auf 
dem Strid mehr einzufchränfen. 
Die Schnepfe ift zumeift auch durch 
die lange Reife nicht jehr kräftig 
im Wildbret und follte zu diejer 
Zeit, da die Lege und Brütezeit ſehr 
früh, oft ſchon Mitte März beginnt, 
größere Schonung erhalten. Doch wer 
möchte den Schnepfenftrich ganz miſ⸗ 
fen! Es ift ein Glüd für den Lang: 
ſchnabel, daß der Strich jehr fpät, 
erft nah 7 Uhr abends, beginnt, 
wenn der Abenditern erjcheint und 
der Dämmerung tiefe Schatten 
ſchon auf Wald und Flur liegen, 
und daß ferner ein jehr firer 
Schüte dazu gehört, den oft jehr 
Schnell und fehr hoch und auch laut 
[08 ftreihenden Vogel gegen den 
hellen Abendhimmel herunterzus= 
holen und endlich, daß die Witte: 
rung zu diefer Zeit meijt unver- 
läfſig ift. Die Schnepfe liebt nicht 


Niro. 450. 


ftarfen Wind und trodenen Froft 
zum Abendſtrich. 

Zugvogel. Für die große 
Reife ſelbſt liebt die Schnepfe 
mäßigen Wind, fie erfcheint in 
unferen Breiten, wenn Yöhnlage 
eintritt und Südoſt- oder Südmeft- 
auf Weftwind dem Strid günftig 
find. Im allgemeinen lieben Zug: 
vögel nicht bei ftarfer Luftftrömung 
mit Wind zu reifen, das Gefieder 
verträgt nicht einen ſtarken Luft: 
ftrom unter die Federn, namentlich) 
wenn die Windftärfe größer ift als 
die gewohnte Fluggeſchwindigkeit. 
Wer aber je das ungemein feine 
und doch Dichte Gefieder Der 
Schnepfe näher unterjucht hat, wird 
erfennen, daß die Hautempfindlich- 
feit der Schnepfe gegen Wind durch 
die ftraff anliegenden Heinen und 
feinen Federn jehr abgejchwächt 
wird. 

Arten. Man unterjcheidet die 
großen Eulenköpfe und die Blau: 
füße oder Dornjchnepfen. Ueber 
die Verjchiedenartigfeit bezw. Zus 
gehörigfeit diefer beiden Größen 
von= und zueinander find in der 
Sagdliteratur ſchon heiße Kämpfe 
ausgefochten worden. Sm allge- 
meinen neigt man der Anficht zu, 
daß die Dornfchnepfen jüngere 
Schnepfen find; fie find auch die 
ersten, die im Frühjahr erjcheinen, 
Tatſache ift, daß die Schnepfen, wie 
alle Wildvögel, 2—3 Sahre brau= 
chen, big fie ihre volle Stärke er- 
reicht haben. 

Auch die Gefchlechtsbeftimmung 
tft nur für den Jäger möglich, der 
mit dem Meſſer zu unterfuchen ver: 
jteht und eine Kleine anatomifche 
Kenntnis befitt, un die Eierſtöcke 
und die Teitifel bloßzulegen. 

Das Gefieder der Schnepfe ift 
jo eigenartig ſchön, fo praftiich und 
in den jo zart abgetönten reichen 
Bodenfarben jo fein zuſammen— 
geftellt, daB es auch beim alten 


3. v. Sichart. 


Schnepfenjäger immer wieder Be— 
wunderung erregt. Das große 
braunſchwarze Auge ſteht hoch und 
weit rückwärts in dem ernſten Kopf 
mit dem langen, zum Wurmen ſo 
gut geeigneten Schnabel. Daß das 
Wildbret ein vorzügliches iſt, dürfte 
ſattſam bekannt ſein, ebenſo der 
hiſtoriſche Schnepfendreck, der aus 
den feingewiegten Eingeweiden mit 
Herz, Lunge und Leber vermengt, 
nur durch die kunſtreiche Hand der 
Köchin den rechten Gaumenzauber 
ausübt. 

Wie ſchon eingangs erwähnt 
wurde, wird als Jagdart am lieb: 
ſten der Abendanſtand im Frühjahr 
beim Strich ausgeübt. Dieſer 
bildet den größten Reiz für den 
Weidmann, ſo kurz dieſe Zeit auch 
währen mag. Die noch halb im 
Winterſchlafe ruhende Natur, das 
erwachende Leben in der Vogel— 
welt, das ſeltſame Tönen und 
Klingen in Wald und Feld, der 
wie Frühlingsahnen durch die 
Wipfel ziehende milde Hauch er: 
fährt durch das tiefe Quarren des 
oft in ſchwerem Flug Ddahin- 
fhaufelnden Langjchnabel® eine 
ftimmungsvolle Unterbredung. 

Saft noch fürzer als der Abend: 
ftrid, ift der Strihd am Morgen. 
Manche Säger verfuhen auch, Die 
Schnepfe mit dem Borftehhunde im 
Frühjahr aufzugeben, auch Feines 
Schnepfenbufchieren mit ruhig fu: 
chenden Hunden, mobei eine An: 
zahl Jäger teils -vorfteht, teils feit- 
wärt den durchdrückenden Jäger 
mit den Hunden begleitet, wird 
namentlich gerne in Zothringen be- 
vorzugt. Wer feine Schnepfenlagen 
fennt und über den richtigen Hund 
verfügt, dem wird im Spätherbft, 
wenn die Schnepfe fih zur Aus: 
reife anfchiet, Diana mand guten 
Anblid und Weidmannsheil be- 
Icheren. Die meilten Schnepfen, 
wenn man von diefem Zahlbegriff 


VI. 1. Das deutſche Weidwerk. 


überhaupt reden darf, werden bei 


den herbſtlichen Treibjagden ge= ſuch 


ſchoſſen. Es ſind dies teilweiſe in 
der betreffenden Oertlichkeit aus⸗ 
gefallene Vögel, teils ſolche, die 
ſich bereits auf dem Herbſtzuge be—⸗ 
finden und zu kurzer Raſt ſich ein⸗ 
geſtellt haben. Die Zeit, zu der 
die Schnepfe reiſt, iſt meiſt die 
Nacht und in größeren und kleineren 
Flügen, doch wurde konſtatiert, daß 
auch in den Mittagsſtunden beim 
Herbſtzuge Schnepfen in größerer 
Zahl einfielen. Es iſt dies viel— 
leicht auf ſtarke Störungen in den 
höherenLuftregionenzurüdzuführen, 
die ein plößliches Einfallen herbei- 
führten, auch beſonders beliebte 
Plätze können die Beranlafjung ge- 
mefen fein. Die Schnepfe, die in 
der Nacht weiter zu ziehen gedenft, 
ftreiht am Abend nicht, mit diefer 
Gewohnheit fann man fi die 
häufig vorfommende auffallende 
Tatjache zujammenreimen, daß oft 
bei geradezu idealem Schnepfen- 
wetter der Schnepfenjegen 
Adend ganz ausblieb. 

451. Eine fehr nahe Verwandte 
der Waldfchnepfe ift die Moos— 
fehjnepfe oder Bekaſſine. Man 
unterſcheidet hier wieder die Moor⸗ 
fchnepfe oder Himmelsziege, jo ge= 
nannt wegen des medernden Toneg, 
den der kleine Vogel bei jeinen 
Flugkünſten, wenn er die Richtung 
plöglih nad) abwärts nimmt und 
ſozuſagen beidreht, mit denSchwung- 
und Stoßfedern hervorbringt, ferner 
die Tleinere Haarſchnepfe und Die 
Doppelichnepfe. Haarfchnepfe und 
Himmeldziege find nur in Größe 
voneinander unterfchieden, leßtere 
ift die Heinfte aller Befajfinenarten, 
während die Doppelfchnepfe in der 
Größe einer Turteltaube die größte 
ihrer Art darftellt. Dieſe iſt fehr 
felten in Deutfchland, da fie un: 
gemein früh auf die Reife fich be— 
gibt, zu einer Zeit, wenn der Jäger 


am: 


Neo. 451452. 
noch das Huhn im Kartoffelader 
ucht 


Jagd. Die Belajfinen halten 
fih vorzugsweife in Sümpfen und 
Mooren auf, auf nafjen Wiejen 
und Brücen. Ihre Bejagung findet 
gelegentlich der Entenjagden und 
zur Zeit der Hühnerſuche ftatt, nur 
wo fie in größeren Mengen zu 
Haufe find, verlohnt fich die eigene 
Bejagung mit dem Borftehhund, der 
bald lernt, den kleinen jchnellen 
Flieger auszumachen, der zu Zeiten 
oft ſehr feſt aushält, meiſtens aber 
Thon meit hoch geht und gerne 
nod) einige Kollegen zum Aufſtehen 
verleitet. Beim Herausfahren im 
Zidzadflug laſſen fie ein kurzes 
ätſch, ätſch hören, dann erft ftrei= 
chen fie gerade aus. 

Der Schuß ift nicht leicht auf 
die rasch ſich erhebende Bekaſſine 
und erfordert viele Uebung. Ob: 
wohl die Schußzeit auf die Moor: 
ſchnepfe bereits am 15. Mpril 
Ichließt, eine Zeit, in der fie eben 
erft eingetroffen fein mag, jollte 
man fie im Frühjahr doch möglichft 
jhonen, denn wo fie nicht geftört 
wird, brütet fie gerne, jo daß 
im Spätjfommer die vier= big fünf: 
fahe Zahl in den Brüden anzu: 
treffen iſt, wodurch die Jagd eher 
fi verlohnt, als durch die wenigen 
mageren Bögel des Frühjahrs. 

452. Die Berghühner. Unter 
diefen ift das Steinhuhn befon- 
ders ſchön gezeichnet, größer als 
das Rebhuhn zeigt es diejelbe Form, 
Oberſeite und Bruft find blaugrau 
mit rötlidem Schimmer, der Leib 
roftgelb, Kehle und Borderhals 
weiß mit ſchwarzer Binde über 
den Kopf, der Schnabel ift rojtrot, 
ebenfo die Füße. Die Zuſammen— 
ſtellung der Farben ift einzig fchön. 

Das Schneehuhn ijt von 
gleicher Größe, wechfelt im Winter 
die Farben, wo der Hahn ganz 
weiß erſcheint bis auf den Stoß, 


Niro. 453—455. 


der fchmarz und weiß gefäumt ift. 


Am Hochzeitzkleid legt das Schnee: | D 


huhn an Kopf, Hals, Bruft und 
Oberrüden jchwarze Federn an, 
auch die Schulterfedern find ſchwarz. 
Steinhuhn wie Schneehuhn fommen 
nur in der Alpenregion vor und 
gehen in der rauhen Jahreszeit aus 
den Höhenlagen in die milderen 
Waldbeſtände herab. 

Ihre Erlegung dürfte nur auf 
zufällige Begegnungen ſich erftreden. 
Es gibt viele Hochgebirgsjäger, die 
wohl bie und da das abjtiebende 
Schnee: oder Steinhuhn gejehen 
haben mögen, aber troß großer 
Sagdpaffion in dem jo überaus 
fchwierigen Gelände fi) dag Nad)- 
gehen fchenfen mußten. Troßdem 
es nur wenig bejagt wird, ift fein 
Vorkommen ein ſpärliches. 

453. Das Steppenhuhn wird 
in der neueren Zeit vielfach wieder 
genannt, es ift ein Einwanderer 
aus dem Inneren Rußlands und 
ſcheint ſich jetzt deutſches Bürger- 
recht erwerben zu wollen. Bereits 
vor 20 Jahren wurden große 
Scharen Steppenhühner in Mittel⸗ 
europa gemeldet, einzelne Paare 
haben auch gebrütet, ſind aber 
ebenſo raſch wieder verſchwunden, 
wie fie erſchienen waren. Die da— 
mals (1888) erlaffenen Schongejeße 
haben jedoch die Hoffnungen, die 
man auf ihre Afklimatifierung ge= 
jegt hatte, nicht erfüllt. Da dag 
Steppenhuhn nadhgemwiefenermaßen 
im Sahre zwei Bruten, im April 
und Suni, macht, fo wäre fein 
Heimijchwerden fehr zu begrüßen. 
Sm Sahre 1908 wurde dad Ein- 
treffen von Steppenhühnern aus 
Galizien, wo große Flüge fih ein- 
fanden, in der Provinz Poſen ge— 
meldet. Unjere deutjchen Säger: 
zeitungen legen ein warmes Wort 
für dieſen nüglichen Vogel ein, der 
die Größe zwiſchen Rebhuhn und 
Wachtel hat und über eine unge: 


3. v. Sichart. 


wöhnlih ſtarke Flugkraft verfügt. 
as Steppenhuhn Hat Bodenfarbe, 
it auf der Oberfeite lehmgelb mit 
Ihwarzbraunen Duerfleden, Kopf 
und Hals find aſchgrau, Kehle, 
Stirn und ein Strich über den 
Augen find roftgelb. Auf dem 
Bauch tragen fie ein ſchwarzes 
Schild. Die Hinterzehben fehlen 
gänzlich. Die drei Vorderzehen find 
miteinander verwachſen und bilden 
eine gemeinfame Sohle ; Zehen, wie 
der ganze Fuß find dicht beftedert. 

454. Bon den Rallen wird nur 
der Wadtellönig, auch Wiefen- 
ſchnärrer genannt, als Wildvogel 
erwähnt werden fünnen. Er wird 
gelegentlich der Hühnerjagd ge: 
ſchoſſen, mit der Wachtel jelbft hat 
er nicht8 gemein, nur daß er den 
Hühnerhund ähnlich wie diefe Durch 
jeine ſcharfe Witterung, fein ſchnelles 
Laufen und fi Steden in Grä- 
ben 2c. in ftarfe Aufregung ver- 
jegt. Er ift ſchwer zum Aufſtehen 
zu bringen. Er ift Zugvogel, jehr 
Ihön gefärbt und ſehr ſchmackhaft, 
von der Größe zwiihen Wachtel 
und Rebhuhn. - 

Die zur Klaffe der Rallen ge- 
hörenden Wafjerhühner find jagdlich 
von feiner Bedeutung. Die Heinen 
Teihhühner, auch Dudenten ge- 
nannt, find harmloſe Gefchöpfe und 
für die Küche nicht verwendbar. 

455. Das Schwarze Wafferhuhn, 
ein fehr jchiechter Flieger, wird ge= 
legentlich der Entenjagden geſchoſſen. 
Auch Bläßhuhn genannt, lebt es 
nicht gerade in Frieden mit Den 
MWildenten, die ihre Gefellichaft 
meiden, da die Bläßenten zänkiſch 
und unfriedfertig find. Im Spät: 
herbſt vereinigen fie fi zu großen 
Flügen. Ihr Wildbret ift nicht 
hervorragend, wird aber 3. B. in 
Lothringen von den eingeborenen 
Landbewohnern, diein der Kochkunft 
unferen Köchinnen beveutend über 
ſind, jehr gefhägtund gerne gegefjen. 


VI. 1. Das deuffche Weidmwerk. 


456. Die Wildtauben find jehr 
Thon gezeichnete Waldvögel, ver⸗ 
laffen ung als Zugpögel im Herbite 
zuerft und find faſt die letzten, die 
wieder bei und eintreffen. Als 
Wildvogel fommt in Deutjchland 
von den zahlreichen Arten nur die 
Ringeltaube und die Hohltaube in 
Betradt. Größer als die Haus: 
tauben, beleben fie den Wald, be= 
vorzugen als Niltpläte hohle Bäume. 
Die Wildtaube brütet zweimal im 
Jahr, wählt aber ftet3 ein anderes 
Neit bei der zweiten Brut, da fie 
durch ihre Unreinlichkeit, genau wie 
die Haustauben, das erfte Neft für 
dag Yahr volljtändig unbenügbar 
madt. Nur der Baummarder ift 
imftande, dasjelbe im Spätherbite 
noch zu beziehen. Die Sagd auf 
Tauben ift nicht unintereflant. Da 
fie ihre Schlafhäume feſt einhalten 
und auch gegen 11 Uhr zur Mittags⸗ 
‚ruhe gerne dort zuftehen, fan man 
:fie, wenn man gededt jteht, Teicht 
erlegen. Gemöhnli kommt ein 
Borläufer zuerft, der aufmerkſam 
in der Runde ſichert und dann 
rudt. Alsdann ftehen die anderen 
Tauben zu, die ſich gerne neben: 
einander, auch untereinander auf 


bie Zweige fegen, jo daß man leicht 


mit einem Schuß zwei, auch drei 
Stüd ſchießen kann. Auch der An- 
jtand an der Sulze, die ebenjo wie 
die Salzleden angelegt werden, ift 
fehr beliebt. Man irrt fte dort mit 
Anidfamen, Koriander und Fenchel: 
famen an, den fie jehr lieben. Waſſer 
oder ein Feiner Bach jollte in der 
Nähe der Taubenfulzen vorhanden 
fein. Im Herbit zur Erntezeit ftehen 
fie gern auf den abgeernteten Ge: 
treidefeldern ein, wo fie leicht, wenn 
Dedungvorhanden, angepürjcht wer: 
den können, landwirtfchaftliche Fuhr⸗ 
werfe halten fie jehr gut aus. Im 
Walde ift das Anpurſchen dagegen 
jehr erſchwert. Die junge Taube 
gibt einen vorzüglichen Wildbraten. 


Niro. 456—458. 


457. Die Reiher find arge Fiſch⸗ 
räuber. Die größte Verbreitung in 
Deutſchland hat der graue Fiſch— 
reiher. Die übrigen NReiherarten, 
mie der Burpurreiher, der Silber: 
reiher, Seidenreiher und Schopf⸗ 
reiher find jeltene Gäfte bei uns. 
Ihre Heimat find die Donautief- 
länder, auch in den norbdeutjchen 
Seen fommen fie gelegentlich, aber 
fehr jelten vor. 

Bom grauen Reiher, der an allen 
größeren Wafferläufen mit Scilf- 
rändern im Frühjahr ſich vereinzelt 
einftellt, befinden jich in Deutjchs 
land verjtreut NReiherkolonien, die 
jedoch allmählich ihrem Untergang 
entgegengehen, denn ihre Schäd- 
lichkeit in den Fiſchwaſſern ift un— 
gemein groß und zur Zierde gereicht 
eine folde Stätte durch die Un— 
jfauberfeit und dag mißtönige Ge: 
jchrei ihrer Bewohner einer Land⸗ 
ſchaft gewiß nicht. 

Der alte Vogel trägt am Kopf 
drei lange Schopffedern, die den 
fogenannten Reiherbufch bilden und 
qut bezahlt werden. 

Jagd. Die Sagd bejchränkt fich, 
abgejehen von dem Abſchuß an den 
Reiherfolonien, nur auf Zufällig: 
feiten gelegentlich der Pürſche auf 
MWildenten oder beim Abendeinfall. 
Der Reiher iſt ſehr jcheu und hat 
ein ungemein ſcharfes Sehvermögen, 
fein Charafter ift heimtückiſch und 
mißtrauiſch. Es ift nicht ratfam, 
den geflügelten Bogel vom Hund 
apportieren zu lafjen, da er mit 
Iharf gezieltem Stoß das Auge 
desſelben zu treffen fucht. 

458. Der Zwergreiher, auch 
fleine Robrdommel genannt, 
iſt nicht jelten, er ift ebenfall8 Zug— 
vogel und eigentlich Nachtvogel und 
wird gelegentlih der Entenjagd, 
wo er nur ſchwer zum Berlajien 
des Schilfes ſich nötigen läßt, er- 
legt. An Flußrändern fitsend, iſt 
er nicht leicht zu fehen; er gleicht 


Nro. 459—460. 


3. ». Stchart. 


mit dem hochgeftellten Schnabel | fand felbjt da, wo er nit Brut- 


und dem an den Rüden gelegten 
Kragen einem aus dem Boden 
tragenden Stock. 

459. Die große Rohrdommel 
gleicht in ihrem Gefieder volljtändig 
dem Heinen Zwergreiher, fie erreicht 
die Höhe eines geringen Reihers 
und die Stärke eined Raubvogels, 
fie ift unverträglich gegen alle 
Kreaturen und kann dem Hunde 
ebenfall® ſehr gefährlih werden. 
Das tiefe Gebrüll, das fie bei der 
Paarung ausſtößt, könnte einen 
einfamen Wanderer faſt erjchreden. 
Der Bogel bringt den Ruf hervor, 
indem er mit dem Schnabel tief in 
das Wafler tauht und aus dem 
Halje das Waſſer wieder heraus: 
ftößt, man hört den dumpfen Ton 
in den fpäten Abendftunden im 
Frühjahr bis gegen Mitternacht und 
auch gegen Morgen. Bejonderen 
Schaden bringt diefer Sumpfvogel 
nicht, er ift auch der Fiſchzucht nicht 
Ihädlih. Sein Wildbret wird als 
Ihmadhaft bezeichnet. Wenn die 
Rohrdommel auch durch ihr Gebrüll 
ihren Standort verrät, ſo iſt ſie 
trotzdem ſehr ſchwer herauszu— 
bekommen, ſie fürchtet ſogar den 
Hund nicht. Ihre Bejagung iſt 
auch nur zufälliges Ergebnis. 

460. Die Wildgans. 

„Alte Gans und alter Has 
Geben einen Teufelsfraß,“ 
lautet ein alter Weidſpruch. Erſteres 
ſtimmt, letzteres aber iſt nicht wahr, 
denn ſo alt, daß man ihn einen 
Teufelsfraß nennen könnte, wird 
Freund Lampe nicht. Er muß eben 
auch hier des edlen Reimes halber 
herhalten, wie überall in der Welt, 
wo es was zu nagen und zu beißen 
und zu kritiſieren gibt. Das Alter 
der Wildgänſe kann leicht kanoniſch 
genannt werden, denn einen 
ſchlaueren und vorſichtigeren Vogel 
gibt es kaum und trotz der großen 
Zahl, in der er auch in Deutſch— 


vogel iſt, zur Zugzeit erſcheint, wird 
er nur ſelten erlegt. Die Wild- 
gans verjteht es eben, durch ihre 
große Wachſamkeit und Scheue ſich 
allen Mühen des Jägers zu ent- 
ziehen. Wenn man fie nit am 
oder im Waſſer erpürfchen oder auf 
dem Abendeinfal wie die Wild: 
enten erlegen fann, auf den großen 
Winterjaaten bei Eintritt der rauhen 
Jahreszeit, auf denen fie mit großer 
Borliebe einftehen, fie zu beſchleichen, 
gelingt nur mit Liſt und Schläue 
im Aderwagen oder Dungkarren, 
im Kleid des Landmanns oder 
deffen Frau Gemahlin; viei näher 
al8 auf 100—150 m laſſen die 
Wildgänje auch diefe Gefährte und 
deren Inſaſſen nicht herankommen. 
Die Gans, Graugans oder Saats 
gand, der Unterfchied ift nur in 
geringer Federzeichnung zu fuchen, 
ift ein prachtvoller Vogel, wenn fie 
hoch in den Lüften zieht in Drei- 
edform oder niedrig im Abendnebel 
in berbftlider Dämmerung dahin: 
ftreicht und ihr metalliiche helles 
Gjak erſchallen läßt. Sowohl ihr 
Anblick wie ihre Stimme, die ſcharf 
durch die kühle Herbſtluft aus dem 
grauen Himmel herab ertönt, ers 
wet feltfame Gefühle im Herzen 
des Jägers, fie ruft die Reifeluft 
einerfeit3 wach, andererjeit3 reizt 
fie zu fröhlihem Gejaid, Halb 
mödte man ihr folgen in meite 
Fernen, halb weckt fie die Luft zu 
jagdliden Pürſchgängen. Ich habe 
die Wildgans hier fpeziell ald Zug: 
vogel erwähnt. Da wo fie Brut- 
vogel ift, find die jagdlichen Ber: 
hältniffe etwas befjer geartet, aber 
nit viel. Die Zeit, wenn die 
jungen Gänfe ihre Flugfähigfeit 
beginnen, Ende Juni, muß fcharf 
wahrgenommen werden. Die Jagd 
hat nur Ausfiht auf Erfolg, wenn 
die jungen Vögel ſich eben über 
das Geröhricht erheben können. 


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EP Re rn nn — 


— — — — — 


VI. 1. Pas deuffche Weidwerk. 


Am beiten veranftaltet man Trei- 
ben, indem man die Ränder der 
Weiher bejett und mit Nahen und 
guten Hunden im Schilf die Gänfe 
zum Verlaſſen des Weiher und 
zum Aufjtehen zwingt. 

Später wenn die Felder abge: 
räumt find, ftehen fie auch gerne 
auf den Stoppeln zu, hat man 
Dedung, dann gelingt es wohl auf 
Schrotſchußweite beranzufommen. 
Die Gang braudt einen guten 
Schuß, man hüte fi, ſpitz auf fie 
zu fchießen, das Federkleid ift ſehr 


dit und die Schrote werden leicht. 


wirkungslos. Beim Aufftehen aus 
dem Wafler beeile man fich nicht 
zu ſehr, man fann leicht erfolgreich 
den zweiten Schuß noch anbringen. 

Daß die Wildgang ſich auch mit 
zahmen Gänſen paart, fann id) aus 
eigener Anfchauung konſtatieren. 
Am unteren Main frettierte ich 
einft im März auf Kaninden, als 


der Ganshirt in der Nähe, der ſi 


mic) jchießen hörte, berbeilief und 
bat, ich möchte den wilden Gauſer 
fchießen, der täglich beim Austreiben 
der Gansherde herangeftrichen fam 
und große Beißerei verurfachte und 
fonftige Allotria in der Gänfeherde 
verrichtete. Sch trat Hinzu, der 
Wildgaufer erhob fich Jofort, um ab⸗ 
zuftreichen, ich ſchoß ihn, er hatte 
eine alte, aber gut geheilte Flügel: 
verlegung und war vom Herbitzug 
in der dortigen Gegend zurüd- 
geblieben. Es war natürlich ein 
Teufelsfraß. Der Braten der Jung⸗ 
gänfe fol aber nicht ſchlecht fein. 

461. Die Wildente. Nächſt dem 
Hafen, dem Rebhuhn und Fafan ift 
die Ente diejenige Wildart, welche 
die größte Verbreitung findet und 
durd ihr zahlreiches Auftreten dem 
Säger die meifte Gelegenheit zur 


Sagdausübung bietet. Faſt überall, 


wo größere oder Kleinere Binnen: 
wäfler, Teiche und Weiher mit 
Schilf und Binfen berandet, feichte 


bewachſene 





Nro. 461. 


Waſſerläufe, wo ſie leicht gründeln 
kann, vorhanden ſind, könnte die 
Wildente vorkommen, wenn ſie nicht 
ſo empfindlich gegen Störungen 
jeder Art wäre. Ihr Schaden in 
den Fiſchwaſſern fünnte gleichfal8 
groß fein, denn durd ihre Ge— 
fräßigfeit richtet fie große Der: 
heerungen an der Filchbrut an, 
wenn nicht gerade durch die hohe 
Aufmerfjamtleit, die heutigen Tages 
der Fifchzucht gemidmet wird, der 
Ente die Lebensbedingungen ver- 
fürzt würden. Die Ente verträgt 
eine anhaltende Störung nicht und 
wandert aus, fie verlangt gewiſſe 
Urzuftände, mit Binfen und Schilf 
Meiher, moorigen, 
Ihlammigen Untergrund , jeichtes 
Gewäſſer, bewachſene Brüche: und 
Wajlerflähen, die heutigen Tages, 
indem fie durch Trodenlegung der 
landwirtfchaftlihen Kultur weichen 
müfjen, nur jelten mehr vorhanden 
ind. 

Die Wildente iſt ein äußerft 
Iheuer Vogel, mit hervorragenden 
Sinnen begabt, fie äugt ungemein 
weit und vernimmt fehr ſcharf. Daß 
fie auch windet, wird vielfach be- 
bauptet, doch ift dies irrtümlich. 
Diefe Behauptung beruht auf fal- 
hen Boraugfegungen. Da die 
Ente jehr fein vernimmt, wird fie 
natürlih den mit dem Wind an— 
pirſchenden Jäger weiter hören, 
ebenjo die leichten fich bewegenden 
Rauchwölkchen aus der Pfeife des 
Sägerd jofort eräugen, mag er 
guten oder ſchlechten Wind beim 
Einfall haben. Der Geruchsſinn 
der Vögel ift äußerft ſchwach, wie 
durh Prüfungen an gefangenen 
Raubvögeln, welche doch die fchärf- 
ften Sinne unter allen Vögeln be- 
ſitzen, öfters feſtgeſtellt wurde, die 
ein in ihrer Nähe leicht vergrabenes 
und zugedecktes Aas nicht zu ent— 
decken vermochten. 

Die Wildente iſt un 


“ dringend geboten. 


Niro. 461. 


zweigte Yamilie, die befanntejte 
und verbreitetfte Art ift die Stod- 
ente, außerdem gibt es Brandenten, 
Roftenten, Löffelenten, Spießenten, 
Schnatterenten, Kridenten, Pfeif: 
enten, SKolbenenten, TQTafelenten, 
Keiherenten, Schellenten, Eis— 
enten 2c. ꝛc. 

Ueber da8 Gefieder der Stor- 
ente kann ich, als zu befannt, Hin 
weggehen. Das Hochzeitskleid des 
Erpels ift von wunderbarer Schön: 
heit. Die Reihzeit beginnt im 


- März und dauert big Anfang Mai. 


Geradezu wüſt geht der Entvogel 
mit feinem ſchönen Gewand um, 
das ihm zum Ende der Reihzeit 
beinahe in Segen am Leibe hängt. 
Er ift zu dieſer Beit ein hitziger 
Teufel, beißt fich mit feinen Ge: 
ſchlechtsgenoſſen herum, läßt feine 
Ente in Frieden und Solange er 
eine Ente no nicht auf dem Neft 
weiß, hören die erbitterten Kämpfe 
um ihren Befig nicht auf. Sch habe 
gefehen, dab ſogar die alte, ihr 
Schoof begleitende Ente von einem 
übriggebliebenen Heißkopf ſtark be- 
läftigt murde. Es gibt eben mehr 
Erpel als Enten und wer die Jagd 
auf die Märzente, die eigentlich 
ſehr ſchlecht in Wildbret ſteht, 
durchaus ausüben will, würde gut 
tun, nur den Entvogel zu ſchießen. 
Dies gehörte durch Jagdgeſetz ge- 
regelt. Es wäre das für die Er- 
haltung der Ente als Wildart,. die 
jo viel Fährlihfeiten, namentlich 
in der Brut- und Legezeit ausge: 
jet tft und durch die fortfchreitende 
Kultur immer mehr verdrängt wird, 
Dazu Tommt 
noch), daß die alte Ente im nächſten 
Sahre den alten Brutplag wieder 
aufzufuchen pflegt und ein viel ftär- 
teres Gelege macht. 

Im Anfang Mai fallen die erften 
Sungenten aus nnd find im Juli 
Schon flügge. Obwohl Bodenbrüter, 
jucht die Ente gelegentli auch er- 


- 


J. v. Sichart. 


höhte Plätze für ihr Wochenbett 
aus, Gipfel von Schopfweiden, 
wagrechte Aeſte von Pappeln, auch 
in den Kronen von Kiefern, nicht 
immer in der Nähe des Waſſers. 
Sie folgt darin eigener Erfahrung, 
namentlich wenn ihr Gelege ſchon 
einmal durch Hochwaſſer zerſtört 
oder von Menſchenhand oder durch 
Raubzeug, namentlich von Krähen, 
ausgenommen wurde. 

Die Mauſerzeit bei dem Erpel 
geht bald nach der Neibzeit vor ſich 
und vollzieht fich ſehr langjam, bis 
das zerzaufte Gefieder wieder ben 
vollen Glanz erhält. In der Mitte 
diefer Zeit tragen die Erpel dad 
Federkleid der alten Ente und find 
von dieſer nur durch dag ruppige 
Aussehen und den Schimmer am 
Kopfe unterſcheidbar. Wenn fie 
hierauf auch die Schwungfedern, 
an denen fie allein fich noch unter: 
ſcheiden laſſen, auswechfeln, machen 
fie einen ſehr unglücklichen Ein⸗ 
druck, ſie halten ſich nur zu ihres⸗ 
gleichen, ſuchen einen verſteckten 
Weiher ꝛc. auf, können nicht fliegen, 
müſſen ſich nur durch Tauchen retten 
und erleiden, wenn ſie bei den 
Entenjagden entdeckt werden, dann 
in gerechter Weiſe den Lohn für 
ihre begangenen Sünden. Man 
ſpricht von einer Frühjahr⸗ und 
Herbſtmauſerung. Dies dürfte nicht 
ganz ſtimmen. Mancher Entvogel 
beginnt ſchon die Mauſerung noch 
während der letzten Tage der Reih⸗ 
zeit im Anfang Mai, und mander 
Erpel ift noch im Auguft mit feinem 
neuen Gewand nicht ganz fertig. 
Sch glaube, die eigentlichen Monate 
der Mauferung find Juni und Juli. 
Weniger auffallend vollzieht fich die 
Mauferung bei der weiblichen Ente, 
die erft im Spätfommer, wenn die 
Sungenten gut flügge find, mit der: 
felben beginnt. Am Oktober haben 
auch die Zungenten die Gejchlecht3- 
reife erlangt, die jungen Entoögel 


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VI. 1. Das deuffche Weidmwerk. 


ihr Jungfernkleid angelegt und 
fangen bereit8 an, fi im Dienfte 
der Minne zu üben, wie die jungen 
Birkhähne. 

Die Jagd auf Enten beginnt 
am 1. Suli und Tchließt am letzten 
März Man benötigt zur Enten- 
jagd gute Wafferhunde, die auf die 
rinnenden Enten Laut geben, die 
taudenden angejchoflenen Enten 
nit aus den Augen lafjen und 
vorzüglich apportieren. Die Enten 
werden getrieben. Ein Teil der 
Säger fteht an den Weiherdämmen 
vor, wo Schneifen im Schilf aus⸗ 
gemäht find, ein anderer Teil treibt 
in Nahen mit den Hunden die 
Enten auf. Große Vorficht ift beim 
Schießen auf die niedrig ſtreichen⸗ 
den Enten zu beaditen, auch der 
Schuß auf den Wafjerjpiegel kann 
große Gefahr bringen, da die Schrote 
mit derjelben Kraft aufftehen, mit 
der fie auffchlagen. Die Sagd felbft 
ift ſehr amüfant und gibt gute 
Refultate, wenn die Zeit richtig 
gewählt ift, bevor die Enten die 
volle Flugkraft erreicht haben. 

Die Pirfhjagd oder Sudjagd 
auf Enten bietet ebenfal3 große 
Reize. Man fuche beliebte Pläte 
auf, an denen die Enten gerne 
liegen, es find dies Altwäfjer, nafje 
Gräben, Schlenten, Brüche, moorige 
Wieſen 2c. Diefe Art zu jagen ift 
vom Sommer bis zum Schluß der 
Schußzeit offen und bereitet dem 
Jäger viel Bergnügen, ebenfo der 
Anfig im Entenfhirm am Abend 
und morgend. Allzu oft darf man 
den Einfall der Enten in diefer 
Zeit an den gleihen Stellen nicht 
ftören, fie lernen ſehr rafch diefe 
noch fo beliebten Plätze zu meiden, 
man muß für reichlide Abmwechie- 
lung forgen. Auch ift eg gut, an 
verjhiedenen Stellen zu gleicher 
Zeit den Einfall zu nüßen, man 
fommt dadurch viel häufiger zu 
Schuß. Anfang März ftreihen die 


keit gefunden wird. 


Nro. 462. 


Enten ſchon paarweife. Wer Brut- 
enten im Revier hat, ftelle jet den 
Abſchuß gänzlih ein, man könnte 
höchſtens bei der Weberzahl von 
Entvögeln im Verhältnis zu den 
weiblihden Enten den Erpel ab: 
ſchießen. Doch nimmt diefe Stö- 
rung aud die Ente häufig übel 
und wählt andere Brutpläße. Be: 
fondere Aufmerfjamfeit verdient die 
alte Brutente bei Anlage und Aus—⸗ 
wahl des Nefted. Es finden ſich 
in den beliebten Weihern, die meijt 
im Wald liegen, alte Erlenftöde 
oder erhöhte Stände auf Kleinen 
Reifighaufen, die der Jäger vor 
der Legezeit praftifch herrichten kann, 
fie werden leicht gefunden, denn 
die Ente läßt nicht? ununterfucht, 
hat ſcharfes Auge und fie ift der 
Gefahr enthoben, ein Heft anzu: 
legen, da8 dem Hochwaſſer ausge—⸗ 
fett ift, oder von ftreunenden Men⸗ 
fhen, Hunden, Kagen, Raubzeug ꝛc. 
Die erſte 
Brut ift meift ergiebig. Die zweite 
Brut nad einer Störung bedeutet 
wenig. Die Differenz fteht oft 
wilden 4 und 16 Stüd. 

462. Säger und Taucher. Die 
verfhiedenen Sägerarten, jo: 
wohl der Gänfefäger, wie der Kleine 
Säger find Tauderarten, ihre Jagd 
wird zufällig ausgeübt, fie kommen 
auf den großen Waſſerflächen mit 
den Enten gemifcht vor, wo ſich dag 
Wafjergeflügel in großen Scharen 
und verfchiedenen Arten herum 
tummelt. Das Wildbret ift meift 
tranig, ihr Nuten ift ebenfo ge= 
ring, wie ihr Schaden. 

Bon den Tauern kommt der 
Haubenfteißfug am bäufigften 
vor, er ift ein harmloſer Bogel, 
lebt jehr vereinzelt und Hat ſich 
faft überall eingebürgert. Das 
Weibchen ift ziemlich ähnlich dent 
Männchen gezeichnet, welches nur 
am Kopf und Rüden etwas leb— 
haftere Farben zeigt. Nah Tſchudi 


Niro. 463. 


fol die Begattung nicht durd) Tre= 
ten auf dem Wafjer vor fich gehen, 
fondern in.der Weile, daß fi 
beide auf dem Waſſer jenfredt in 
die Höhe ftellen und Bruft an Bruft, 
Bauch an Baud) gedrüdt, den Be> 
gattungsaft vollziehen. Die Jagd 
iſt auch nur Zufall, denn der Vogel 
ift [ehr ſcheu und taucht fofort unter. 
Einmal im Fluge, ift derjelbe jehr 
fürdernd. Das Aufitehen madt 
ihnen entihieden Mühe. Der Steiß- 
fuß ift Strichvogel, er wechjelt auf 
eisfreie Gewäſſer, fommt aber im 
Frühjahr ſtets wieder zurüd. Man 
muß beim Schuß etwas tiefer ins 
Waſſer halten, da der größte Teil 
des Körpers unter Waſſer ift. 


Gefiedertes Raubwild. 
463. Raubvögel. Es Tann fidh 


bier nur um Aufzählung der haupt- 
ſächlichſten Schädlinge der Nieder: 


3.2». Sicharf. 


Beim Steinadler find die Fänge 
befiedert bis zur Zehenmwurzel, diefe 
mit großer Bindehaut. 

Beim Fiſchadler find die Fänge 
nur zur Hälfte befiedert, die Zehen 
ohne Bindehaut. 

Beim Flußadler find die Fänge 
nadt, die Zehen ohne Bindehaut. 

Die Klaſſe der Fallen bat 
Schnabel mit ſcharfem Zahn im 
Oberfiefer, der Unterkiefer den ent- 
ſprechenden Einjdnitt. Der Schna= 
bel ift an der Wurzel gebogen, die 
2. Schwungfeder ift die längite.. 

Die Klaffe ver Weihen bat 
ftumpfen Zahn und einen eulen— 
artigen Schleier um dad Auge 
(Kranz von kleinen bogenförmigen 
Federchen). Sie bilden den Ueber— 
gang zu den Nadhtraubvögeln; rau= 
ben in der Dämmerung. 

Die Klaffe der Milane hat 
feinen Zahn, der Stoß ift gegabelt, 
die Flügel überragen angelegt den 


jagd handeln, die in Deutjchland | Sto 


die größte Verbreitung haben und 
dem Jager gelegentlih vor die 
Flinte fommen. Ein Eingehen auf 
ihre Lebendgewohnheiten ift an 
diefer Stelle ausgeſchloſſen, ebenfo 
die nähere Belchreibung der Unter: 
Ihiede in Farbe und Art des Ge- 
fiederd, das bei jungen und alten 
Vögel einer Gattung fo großem 
Wechfel unterworfen ift, daß jelbjt 
berufene Kenner in Verlegenheit 
fommen. 

Sn Kürze follen die hauptjäd- 
lichſten Merkmale feftgeftellt werden, 
die bei einer Erlegung den Raub: 
vogel wenigftens annähernd Haffi: 
fizieren follen. Das Weibchen über: 
wiegt beiden Naubvögelndas Männ— 
chen bedeutend an Größe. 

Die Klajfe der Adler hat 
feinen Zahn im Oberjchnabel. Der 
Schnabel ſelbſt ift an der Wurzel 
gerade und feine Länge überjchreitet 
die halbe Kopflänge. Flügel find 
lang bis an das Ende deg Stoßes. 





die Klaſſe der Habichte 
hat keinen Zahn, die Flügel ſind 
abgerundet und bedecken, wenn 
angelegt, den Stoß nur zur 
Hälfte, die 4. Schwungfeder iſt Die 
längfte. 

Die KlajfederBuffarde bat 
feinen Zahn, abgerundete Flügel. 
3, 4. und 5. Schmwungfeder find 
gleih lang. Schnabel fürzer als 
die Hälfte des Kopfes. 

Die Schädlichkeit fämtlider Raub- 
vögel ift nachgemwiefen. Einzig allein 
der Turmfalfe wird vom Gefeb ge: 
ſchützt. Beſonders ſchädlich find von 
den Raubvögeln, die der niederen 
Jagd angehören, der Hühnerhabicht, 
der Wanderfalfe, der Merlin, let: 
terer troß feiner geringen Größe 
ein äußerjt frecher und ſchneidiger 
Räuber. Beim Buffard überwiegt 
der Schaden, den er der Jagd an⸗ 
richtet, den Nußen, den er der 
Landwirtſchaft durch Vertilgung von 
Mänfen und Hamjtern bringt. 


we, 


VI. 1. Das deutſche Weidmwerk. 


Die Raubvögel find Wander: 
vögel, ſuchen aber gerne ihre alten 
beliebten Horfte wieder auf. Dort 
fann man ihnen mit Erfolg bei- 
fommen, indem man die alten vom 
Neſt ſchießt, die jungen Horftoögel 
ausnimmt. Auch mit Pfahleijen kann 
man ihnen Abbruch tun. In Fa⸗ 
fanerien ftiften fie viel Unheil, dort 
muß man mit aller Energie ihnen 
entgegentreten und alle Mittel an- 
wenden, die dem Jäger zu Gebote 
ftehen. Den Habicht fängt man im 
Habichtskorb, in deflen Boden eine 
Zaube fejtgebunden wird, wenn der 
Habicht auf dieje ftößt, ſchlagen die 
Bügel des Netzes über ihm zu— 
fammen. 

Die Jagd mit dem Uhu, den 
faft alle diefe Räuber mit großer 
Heftigfeit haffen, bietet den meiſten 
und durchſchlagendſten Erfolg. Die 
Sagd mit der Krähenhütte ift be- 
reit3 beim Uhu gejchildert. 

464. Rabenvögel. Bon den 
Rabenvögeln iſt der Kolfrabe 
der Wildbahn durch feine Größe 
und Kraft ſehr ſchädlich, fteht aber 
auf dem Ausfterbeetat und erhält 
deshalb auch in dem neuen Bogel- 
ſchutzgeſetz Beachtung. Das übrige 
NRabengefindel richtet viele Ber- 
heerungen an durd) das maſſen⸗ 
bafte Auftreten und follte mit allen 
Mitteln, troß des gewiß großen 
Nutzens, den die Krähen der Land: 
wirtfhaft bringen, fehr kurz ge- 
halten werden. 

Namentlih an Jungwild und 
Eiern dezimieren fie ein Revier 
fehr ſtark und vergreifen ſich in 
harten Wintern am ausgewachjenen, 
ermatteten größeren Wild. 

Auch die Elfter, die ein großer 
Nefträuber ift, darf nicht geduldet 
werden und dem Nußhäher, dei die 
Nefter der Singvögel nicht fchont, 
folte ebenfall3 der Säger, wenn 
immer angängig, da® Handwerk 
legen. 


Nro. 464469. 


Zerftören der Rabenhorfte, Ab: 
Ihießen an denjelben, Jagd in der 
Aufhütte, Tonnen allein das Ge— 
findel, dem man bei jeder Ge— 
legenheit eine Batrone opfern follte, 
in den gebührenden Schranfen 
halten. Die Schädlichkeit der Raben- 
frähe ift in vielen authentifchen 
Berichten der Jagdliteratur feft- 
gelegt, es vergeht faum eine Sai: 
jon, ohne daß erneute Klagen über 
dieſes ſchwarze Gefindel, dem fo 
ſchwer beizufommen ift, einläuft. 
Wenn auch ihre Erlegung mehr 
Aufgabe des Berufsjägers ift, fo 
jolte doch jeder Jagdbeſitzer dur 
ausgejette Brämien den Eifer feiner 
Belaufbeamten erhöhen. Kein Reb⸗ 
bühnerneft, kein Enten und Fa⸗ 
fanenneft ift fiher vor diefen Räu— 
bern, die mit ungemein großem 
Sehvermögen auf weite Entfer: 
nungen alle Vorgänge in der Natur 
beobadten. Es mird Häufig die 
Wahrnehmung gemadt, daß 3. B. 
im Winter beim Entenfall weit und 
breit feine Krähe zu fehen ift. So— 
bald man die angejchofjenen Enten 
nad) kurzer Zeit aufſucht, kann man 
entdeden, daß die Krähen bereits 
reinen Tiſch gemacht haben. Sie 
verraten häufig durch ihr häßliches 
Gefchrei, wo man dag angefchofjene 
Wild, natürlih in unbrauchbarem 
Zuftande, zu ſuchen hat. 

465. Rüdblid: Die Lebendge- 
wohnheiten aller Wildarten hängen 
innig zufammen mit ihren Lebens⸗ 
bedingungen, ihrer Widerſtands— 
fraft. im Kampfe mit ihren Ber: 
folgern und mit dem Klima. Die 
einen haben die Fähigkeit, wie die 
Zugvögel, diefem Kampfe teilweiſe 
auszuweichen, andere zeichnen fid) 
durch ihr Anpaffungsvermögen aus, 
finden überall aud zur harten 
Sahregzeit die ihnen zufagenden 
Lebenserfordernifje, wie der Haje, 
das Reh, das Waldgeflügel, wieder 
andere können der forgenden Hand 


Pro. 466. 


des Hegers nicht entraten, wie das 
Rebhuhn, der Faſan. Wie der 
Jäger jagen, wie er hegen joll, 
das gibt ihm das Wild am beiten 
felbft an. Die überaus feinen Sinne 
unferes Wildes werden noch unter: 
ftügt durd feine Gedächtnistreue. 
Der öfter8 von der Büchje bedrohte 
Rehbock, der Hirſch, Die Ente, die 
Wildgans, die Trappe lernen raſch 
durh diefe Fähigkeit ihre durch 
Mißtrauen gejchärften Sinne dem 
mweidwerfenden Jäger mit famt 
jeiner Weberlegenheit in Waffen 
und Ausrüftung im Kampfe er- 
folgreich gegenüberzuftellen. Diefe 
Gedächtnistreue gibt aber auch bem 
hegenden Weidmann die Mittel an 
die Hand, feinem Wild die Lebens: 
bedingungen zu erleichtern. Hirſch, 
Reh, Fajan lernen rajch die Zutter- 
pläße, Salzleden 2c. Tennen. 

Auch Hier fann des Guten zu 
viel gefchehen. Das Wild, an die 
reihliden Fütterungen gemöhnt, 
verliert den Widerftand im Kampf 


3. v. Sichart. 


mit der Natur, wird weich und er⸗ 
liegt - vafcher auftretenden Kranf- 
heiten. In beiden Fällen, in Hege, 
wie in Sagd, ift ein richtiges Maß 
zu halten und die alten römischen 
Lebendgrundfäße „ne quid nimis“ 
und „est modus in rebus“ dürften 
au beim Weidwerk die richtige 
Stelle zur Anwendung finden. Auf 
der Empfindung froben Pflicht: 
bewußtjeing, die den Säger und 
Heger beim Begeben feines in weid⸗ 
männiſcher Behandlung ftehenden 
Reviers hejeelt, auf dem warmen 
Dantesgefühl für genoflene Jäger⸗ 
freuden baut fi der echte Weid- 
mannsfinn auf, der das Weidwerk 
zum Herrenwerk ftempelt. Daß der 
deutijhe Säger das rechte Zeug 
dazu befitt, ift eine unbeftrittene 
Tatſache und ich vermödte diefen 
Teil des Werkes nicht beſſer zu 
befchließen al8 mit den Worten: 


„Hie gut deutfh Weidwerk 
allerwege!“ 


2. In fremden Jagdgebieten. 


Europäilche FJagdgebiete. 


466. Allgemeines. Diejenigen 
Wildreviere, die au von deutſchen 
Jägern aefannt und bejagt im 
Brennpunkt jagdlichen Intereſſes 
jtehen, follen in diefem Kapitel in 
Kürze geftreift werden. 

Wo das Weidwerk als Herren- 
werf betrieben den Schuß des ftaat- 
lichen Oberhauptes genießt, mo die 
Herrſcher ſelbſt, wie in deutſchen 
Ländern, der Jagd ihr allerhöchſtes 
Interejje widmen und als echte 
Säger und Heger vorbildlich er— 
ſcheinen, da hebt fich der Wildftand 


zum Segen des Landes und zum 
Stolz der Nation. Werfen wir 
einen Blid auf unſern nädften 
Nachbar, die öfterreichifch-ungarifche 
Monardie! Ihr Oberhaupt Kaifer 
Franz Sofef ift der erfte und befte 
Jäger des Reichs, kein Land weift 
diefe kapitalen Hirfchreviere, dieſe 
reihen Gam3= und Auerhahnftände 
auf. Der enorme Reihtum an 
Wild der Niederjagd, an Waffer- 
geflügel, an Adler und Geier hat 
von jeher die Aufmerkſamkeit der 
Säger und Forſcher mwachgerufen. 
Die Jagdtrophäen dieſes Landes 
ftellen die der anderen europäischen 


— 


VI, 2. In fremden Tagdgebieten. 


Staaten weitaus in den Schatten. 
Der Reichtum an Wildarten bat 
diefen Revieren ihren Weltruf ge- 
fihert, die Kenntnis derjelben ſetze 
ich als befannt voraus und wende 
mid) nur denjenigen Revieren des 
öfterreichifchen Kaiferreich® zu, die 
weniger im allgemeinen Berfehr 
ftehen, aber eine ungeahnte Fülle 
von Wild in fih bergen. Es find 
dies die Kronländer im Okkupations⸗ 
gebiet. 

467. Bosnien und die Kerze: 
gowina. Diefe beiden Länder 
liegen auf der Waſſerſcheide der 
Donau und des Adriatifchen Meeres, 
welche durch die dinariihen Alpen 
und ihre Ausläufer gebildet wird. 
Bosnien? Gemäfjer ergießen fich 
in Save und Donau, die Flüffe 
und Bäche der Herzegowina ftrömen 
der blauen Adria zu. Der Gebirgs- 
charakter ift der Karjt, und zwar 
nad) Dften der Waldkarſt, nach der 
Meeresküfte und der Weitjeite der 
dinarifhen Alpen zu der fterile, 
nadte Karl. An Wildarten ift 
das Dffupationdgebiet jehr reich). 
Nutwild und Raubmwild verteilt ſich 
in verſchiedenen Mengen und Arten 
über das Land je nad Terrain: 
bejchaffenheit und durch Boden- 
und Rulturverhältnifje bedingt, und 
da mehrere verjchievene Wild: 
gattungen unweit nebeneinander 
vorkommen, fo bietet fich jagdliche 
Abwechslung und Reiz in Menge, 
wenn aud in der Nähe der Städte 
und größeren Ortſchaften der Wild- 
ftand zurüdgegangen iſt. Um der 
plan und wahlloſen Wildnugung 
von Seiten der zum Glück fpärlichen 
EinwohnerzahldesLandes zu fteuern, 
find unter zwar jtrengen, aber ſchwer 
durchführbaren Hegevorjchriften zur: 
zeit 6 Wildichongebiete errichtet 
worden. Wem Zeit, Paſſion und 
Vermögen die Ausübung des Weid- 
werks gejtattet, der findet in dieſem 
Lande Gelegenheit, ſich Jagdgebiete 


Niro. 467. 


von hohem Reiz und großen Wild- 
reihtums zu erjchließen und zu 
ſchaffen. 

F. B. Laska, der Verfaſſer von 
„Das Weidwerk in Bosnien ꝛc.“, 
ſieht in der Geſtaltung ſolcher 
Wildbahnen die Möglichkeit, daß 
dem bisherigen planloſen Jagd: 
betriebe gejteuert wird. 

Das Gems wild bevölfert die 
Berge und fommt als echter Wald- 
gams auch in der Holzzone häufig 
vor. An Stärke des Wildbrets, 
Größe der Krufen und Schönheit - 
des Bartes gibt es dem fteierjchen 
Gams nichts nad. 

Schwarzwild tritt in ver— 
ſchiedenen Orten des Landes auf, 
genießt aber keine Schonung, in 
den Wildſchongebieten hat es einen 
befriedigenden Stand erreicht. 

Das am häufigſten verbreitete 
Nutzwild iſt Reh und Haſe. 

Die Lebensbedingungen für das 
Reh ſind verhältnismäßig rauh; 
das zahlreiche Raubwild ſtellt harte 
Anforderungen an die Lebens— 
zähigkeit. Dementſprechend findet 
man auch mächtige Rehkronen von 
bedeutender Höhe und Stärke der 
Stangen und reich geperlt und 
ſcharf veredt. Der Haje findet ſich 
ſehr zahlreich in der fruchtbaren 
Saveniederung. 

An größerem Raubwild kommen 
Bär und Wolf nicht gerade felten 
vor. Innerhalb 20 Jahren, vom 
Sahre 1880— 1901, wurden für 1692 
Bären und für 13768 Wölfe Prä- 
mien gezahlt. Fuchs und Dachs, 
Dtter, Stein= und Edelmarder und 
Wildkatze find überall zu Haufe. 

Der Auerhahn ift in guten 
Ständen vertreten und dag Birk— 
wild fommt in den Wildjchon- 
gebieten in großer Zahl vor. In 
den hochkultivierten Ebenen der 
Save ift das Rebhuhn heimiſch. 
Die Wachtel ſucht im Herbſte 
von Norden kommend die Hirſe— 


Niro. 468. 


felder der Herzegowina in großen 
Scharen auf und liefert ebenfo wie 
die Wildtauben zur Erntezeit, 
wenn ihre Bruten flügge geworden 
find, reihe Ausbeute. In der 
Felſenwüſte des Karſt, wo man 
auch nicht die leiſeſte Spur ani⸗ 
malen Lebens vermuten ſollte, lebt 
das prächtige Steinhuhn in 
zahlreichen Völkern. 

Die Sumpf- und Waſſer— 
jagd in Bosnien und der Herze— 
gowina iſt reich an Eigenarten und 
von großer Ergiebigkeit. Die mäch— 
tigen Waſſerbecken, die Mündungen 
der Narenta in das Meer, das un: 
geheure Beden des Mojtarsto 
Blato, ein Sumpfgebiet von riefiger 
Ausdehnung, der rätjelhafte Sumpf 
Utomo, in welchem ein großer 
Fluß, die Trebenjca, einige Meilen 
vom Seeufer entfernt plöglih in 
der Erde fich verliert; ferner im 
Norden die Save, Drau und 
Donau, im Often die Drina, im 
Weiten das Adriatiſche Meer bilden 
unergründlihe Raſtſtationen der 
mwandernden Bogelmelt. Die Wald- 
Ihnepfe genießt im Frühjahr 
nah dem Geſetz Schonzeit vom 
1. Januar bis 17. Auguft. Kein 
Wunder, wenn der Jäger dann im 
Herbfte, wie Laska mitteilt, mit 
einem mittelmäßigen Hunde und 
wenigen Treibern Streden erzielte, 
mit denen unfere Säger auf der 
Hühnerjagd hoch zufrieden wären. 
Ueber den großen Wafferbeden 
und den hohen Bergen ziehen Adler 
und Geier im blauen Aether ihre 
Kreiſe. Der Bart: und Lämmer: 
geier horſtet in den dinarijchen 
Alpen. 

Wo zufammenhängende Wälder 
an die Kulturgrenze reichen, bietet 
das Hajelhuhn dem geübten Säger, 
der mit der Locke vertraut ift, große 
Meidmannzfreude und reiche Beute. 

Die beite Sagdart in diefen 
jtilen Revieren ift die Pirfche, 


3. v. Sichart. 


doch beſtimmen Terrainbeſchaffen⸗ 
heit, Lage, Zeitpunkt ꝛc. die Aus⸗ 
wahl verſchiedener anderer Jagd⸗ 
methoden. 

Da das Land ſelbſt nur ſpärlich 
bevölkert iſt und oft nur eine 
größere Zahl von Treibern Erfolg 
verſpricht, ſo hat ſich die Jagd mit 
Bracken ſtark eingebürgert. Die 
bosniſche Bracke gilt im Land als 
der Typus der edelſten Form und 
der größten Intelligenz des Jagd— 
hundes. Sie verlangen eine voll⸗ 
fommene Dreffur und müflen an 
Sagdfignale gemöhntmwerden. Leider 
verfagt die Brade zur Jagd auf 
den Wolf. Iſt der Wolf im Trieb, 
dann bringt feine Macht der Welt 
auch die jchneidigften Hunde mehr 
vorwärts. Mit geiträubtem Haar, 
eingeflemmten Ruten fchleidhen fie 
hinter dem Rüdenmann ber, ohne 
fih von ihm zu trennen, oder fie 
fommen zu den Sägern auf Die 
Stände. 

468. Jagd in Norwegen und 
Schweden. Das ftammverwandte 
Land der Mitternahtsjonne bietet 
dem deutſchen Jäger in feinen 
großen Waldestiefen erwünjchte 
Gelegenheit, das Tapitale Wild, den 
Elch, in weidmännifcher Art zur 
Strede zu bringen. Wo die Kron- 
forften mit ausgedehnten Liegen- 
Ihaften des privaten Großgrund- 
beſitzers zuſammenſtoßen und dort 
große Waldkomplexe bilden, kommen 
noch ftärfere Elchbeſtände vor. Troß- 
dem ift ein Ruckgang der Elchftände 
zu Eonftatieren, obwohl die Schuß⸗ 
zeit auf den Elhbullen nur auf 20 
Tage des September feitgejegt ift. 
Es ift eben au der Elch Speku⸗ 
lationgobjeft geworden. Unter der 
großen Zahl der alljährlih durch 
Vermittlung von Spelulanten er= 
legten Eichbullen find nur wenige 
gute Elchſchaufler. Die meiften der 
Jäger mußten fich mit jehr geringen 
Elchgeweihen begnügen. 


VI. 2. In fremden Tagdgebiefen. 





. 468 


223. Angefchweißter Elchhirſch von Elchhunden geitellt. 


Der Elch befigt in weit geringerem 
Grade ald das Rot: und Schwarz: 
wild einen Gefelligfeitstrieb, feine 
Manderlujt wird ihm häufig ver- 
hängnisvoll, wenn er ohne erfenn- 
bare Urfahe zu gemifjen Zeiten 
aus den gewohnten und jicheren 
Standquartieren in die minder vor: 
forglich behandelten Kleinen Wälder 


bäuerliher Jagdſchinder wechſelt, 
und da jeder Elchhirſch wahllos ge— 
ſchoſſen wird, jo muß der Stand 
zurüdgehen. 

Den analogen Fall hat man bei 
unſerm Edelhirfch und dem Nehbod 
leider jchon häufig beobachten fünnen. 

Durch den Abſchuß in den Sep- 
tembertagen wird allerdings ver: 


hindert, daß wie früher zur Winters: 
zeit mit Skiern das Wild verfolgt 
wird. 68 follte auch eine viel 
größere Schonung des Muttermwildes 
gefeglich geregelt werden, da der 
junge Ei mindeftend 19, Sahre 
der mütterlichen Fürſorge bedarf. 
Andererjeit3 jollten zur Fortpflan- 
zung ungeeignete Stüde aus der 
Wildbahn ausscheiden. 

Zur erfolgreihen Ausübung der 
Jagd ift der Elchhund unbedingt 
notwendig. Diefer mit molfsartigen 
Sinnen ausgeitattete Hund, der 
nur niedriger auf den Läufen ift, 
vermag allein dem Jäger den je- 
meiligen Standort ded Elchs an- 
zugeben. 

Sn dem jungfräuliden Walde ift 
ein Abfährten, Anlage von Buch: 
fteigen, Spürbahnen ausgejchloffen. 
Der Elchhund, welder jtet3 am 
Riemen geführt wird, arbeitet die 
warme Fährte aus und führt den 
Säger, der nod) nebenbei Wind ıc. 
berücjichtigen muß, an den unruhig 
hin und her ziehenden Elch. 

Der Bradierjäger macht fich die 
Sagd bequemer. Er läßt feinen 
Stöberer jelbjt finden, und wenn 
das Stück rege geworden ift, be- 
ginnt er ein Wettrennen über Berg 
und Tal und ſucht dem Wild Die 
Wechſel abzufchneiden ıc. 

Der Elch ftellt fi) gern der Brade, 
wenn dieſe nicht zu grob gebaut ift. 
Abgefehen von der großen fürper- 
lichen Anftrengung, die eine folche 
Hetze mit ſich bringt, ift ed dem 
folgenden Säger fehr ſchwer, dem 
auperordentlich fein vernehmenden 
Wilde fich zu nähern und in dem 
dichten Unterholze auf den den 
Hund abwehrenden Eld zu Schuß 
zu fommen. 

469. DiejagdaufSchneehühner, 


den nordiſchen Ryper, wird auf vers ' 


| 


3. v. Sichart. 


der Henne nach, der Hahn antwortet 
mit „err⸗reck und ſteht auf dem 
Schneefeld zu, mit dem Schnabel 
am Boden, herabhängenden Flügeln 
und hHalbgeöffnetem Stoß, dem 
Birkhahn ähnlid. Die Jagd im 
Spätherbit auf die Ketten mit 
dem Vorſtehhunde liefert jehr gute 
Streden, verlangt aber auf dem 
fteinigen Yield große Ausdauer 
und Gemwandtheit des Jägers, Da 
die Ketten nie gut aushalten, und 
verftehen fehr niedrig zu jtreichen 
und der Geftaltung des Fjelds fich 
anpafjend ungemein raſch zu ver- 
Ihwinden. Das Sommerlleid Des 
Ryper hat Bodenfarbe. Wie oft 
die Mauferung ftattfindet, ift noch 
nicht feſtgeſtellt. Nur fo viel ift 
fiher, daß bei eintretendem Schnee 
das weiße Federkleid überrafchend 
Ihnell angelegt wird. Der von 
den norwegiſchen Jägern beliebte 
„Vogelhund“ ift der iriſche Setter 
oder Gordonfetter. Auch auf Birk: 
hühner und Moorhühner wird Die 
Jagd mit dem Vorftehhund bevor- 


zugt. 

470. Rußland. Der Bär ift 
das größte europäiſche Raubtier; 
er findet fih in Schweden und 
Norwegen, in den Pyrenäen, Kar: 
pathen und bejonders in Rußland, 
im Ural, dem Kaukaſus und im 
Norden Rußlands überall verbreitet, 
wo ausgedehnte, zufammenhängende 
und ſchwer zugänglide Waldungen 
mit großem Beeren- und Wald: 
früchtenreichtum den Lebensbedin- 
gungen des Bären die richtige Unter: 
lage geben. 

Eigentlih ein harmloſer Gefelle, 
ift feine Jagd nicht? weniger als 
gefährlih, namentlih durch Die 
Heinfalibrigen Büchſen. Er ericheint 
im Trieb wie jedes andere Wild, 
und wenn der Jäger es vermeidet 


ſchiedene Art ausgeübt. Der gute ſpitz von vorn auf ihn zu ſchießen, 
Jäger bevorzugt die Balz im Mai, | fondern ihn an fi vorbeiwechſeln 
er ahmt den Lockruf „dji⸗-ak, djizat“ | läßt und Breit oder fchräg von 


VI. 2. In fremden Jagdgebiefen. 


hinten die Kugel anträgt, dann 
wendet ſich auch der ſchwergeſchoſſene 
Bär nicht leicht gegen den Schüßen. 
Den Meifter Pet im Winterlager, 
das vom ſpekulativen ruffiichen 
Jäger angepriefen und verlauft 
wird, aufzufuden und zu erlegen, 
bietet natürlich größere Sicherheit 
zu Schuß zu fommen. Die Zeit 
des „Einfchlagend” oder Bezieheng 
der Winterwohnung richtet ſich nach 
dem Klima der betreffenden Gegend 
und der momentan herrſchenden 
Witterung. Die Bärin zieht ſich 
meift ſchon Mitte November zurüd, 
der Bär ſchweift oft noch im De- 
zember umher. Nach der Berfiche- 
rung ruffiiher Bärenjäger jol er 
vor dem Schlafengehen die Um: 
gebung feines Lagers genau unter- 
ſuchen und dasſelbe jofort ver: 
tauſchen, wenn er auf Spuren von 
Menden ftößt. Tritt mitten im 
Winter Taumetter ein, fo verläßt 
er fogar in Rußland und Sibirien 
fein Lager, um zu fchöpfen oder 
auch Nahrung zu ſuchen. 

Das Lager errichten die Bären 
aerne auf erhöhtem Punkte in 
Sümpfen, Moorbrüden, Wind: 
brüden und in hauptſächlich mit 
Fichten beitandenen Dertlichfeiten 
ein und unternehmen hierzu aus 
ihren Sommerftänden oft Reijen 
bis zu 200 und 8300 Kilometer 
Entfernung. Da, mwo der Bär 
Standmwild ift, wird er dem Bieh- 
ftand und den Bienen fehr gefähr- 
lid. Das Wildbret eined jungen 
Bären hat einen feinen, angenehmen 
Geſchmack, die Keulen alter, aber 
feifter Bären gelten, geräudhert 
oder gebraten, als Leckerbiſſen. 
Die Branten werden von Yein- 
ſchmeckern ſehr geſchätzt, ähneln 
aber, wenn ſie abgehaart und zur 
Bereitung fertig gemacht ſind, in 
widerlicher Weiſe dem menſchlichen 


uß. 
471. Die Jagd auf Waldhühner, 


Nro. 471-472. 


Auerhahn und Birkhahn in Rup- 
land unterſcheidet fih im großen 
und ganzen fehr von unferen deut- 
[hen weidmännijchen Begriffen. 

Die Balzjagd, ebenfo das Treiben 
oder die Suchjagd wird von den 
ruffifhen Jägern als zu unergiebig 
nur wenig ausgeübt. Der rujfifche 
wie der ſkandinaviſche Berufsjäger 
erbeutet die Waldhühner, die durch 
ihr zahlreiches Auftreten ein wich- 
tige8 Volksnahrungsmittel und 
Gegenftand des Ausfuhrhandels 
bilden, in wenig meibmännifcher 
Weife in Schlingen, Netzen, Schlag: 
fallen, vor dem verbellenden Vogel⸗ 
hund, beim Anftand aufden Aeſungs⸗ 
pläßen, auf den Ruf, auch bei nächt⸗ 
liher Yadeljagd und mit Handnetz 
aus den Schneegräben. Auch das 
Anpiriden mit Skiern und im 
Schlitten und das GCrlegen mit 
Heinfalibrigen Büchſen wird geübt. 
Intereſſant ift die Jagd auf Birk- 
hühner mit dem fog. Bulvan, einer 
Art Puppe. Diefe beiteht aus 
einem ausgeftopften Birkhahn oder 
in Ermangelung eines ſolchen aus 
einem in Tuch und Holz nachge— 
bildeten Phantom, das im Spät- 
herbft vor Tagesanbruch auf einem 
hochragenden, freiftehenden Baum 
feftgemadt wird, in deſſen Nähe 
ein dichter Schirm errichtet wird. 
Es werden dann die benachbarten 
MWaldungen, in denen das Birfwild 
gerne ſteckt, in der Richtung nad) 
dem Baum abgetrieben. Diejes 
fteht fehr gerne auf diefem Baume 
ein und wird dann erlegt. Bei 
der großen Zahl der immer neu 
zuftreihenden Birfhühner ift zu= 
weilen die Ausbeute fehr ergiebig, 
oft big zu 40 Stüd. 

472. Das Renntier, der arktiſche 
Hirſch, hat in Norwegen und Schwe: 
den wie in Rußland große Ver— 
tretung, doch nicht ſo häufig, als 
es die Jagdluſt des Jägers ſich 
wünſchte. Auf den ſkandinaviſchen 


Niro. 473-475. 


Staatsdomänen zu jagen tit aud) 
dem fremdländiichen Jäger geftattet, 
wenn er den 2dfadhen Betrag des 
für den heimiſchen Jäger ange: 
fegten Jagdſcheines bezahlt. Das 
Renn ift ſehr ſcheu und wird felbit 
durch 24jtündige Fährten des Jägers 
vergrämt. In den Morgenftunden 
zieht ed von Stand zu Stand, um 
zu äſen, die einzige Zeit, es anzu= 
pirfhen. Sn den Mittagsjtunden 
ſchiebt es fich ein und ift dann 
jehr ſchwer auszumaden. Dem 
Elchhund bleibt es auch hier vor- 
behalten, die friſche Fährte auszu— 
arbeiten und den jeweiligen Stand 
feftzuftelen.. Dad Renn mindet 
fehr fcharf, und wenn die Dedung 
gering ijt, verjpricht nur dag Zu- 
drüden Erfolg. Der Hirſch mirft 
fein Geweih unmittelbar nad) der 
Brunftzeit im Oktober ab, dag 
Mutterwild dagegen erjt im Früh: 
jahr, wenn der junge Nachwuchs 
eritarkt ift, um der Milchjpende 
entraten zu Tönnen. (Brehm.) 
473. Es fei in Rußland nod) 
einer Wildgattung gedacht, des 
Wifent oder Auerocdhfen, der im 
Walde von Bialowitſch (2000 
Quadratkilometer) in einem Bes 
ftande von 7—800 Etüd noch vor⸗ 
fommt. Strenge Schongeſetze ſchützen 
den riefigen Reden einer alten, 
Ihon längſt dahingeſchwundenen 
Zeit vor dem Untergang. In 
Deutſchland iſt er nur in dem 
fürſtlich Pleßſchen Wildgatter von 
Mezerzitz in Schleſien in ſehr klei— 
nem Stand noch heimiſch. Der 
Wiſent gleicht dem nordamerifani- 
ſchen Biſon in Behaarung, Farbe 


und äußeren Kennzeichen und weiſt 


nur geringe Unterſchiede von dieſem 
auf in Stärke des Kopfes und der 
Hörner. 


Aufsereuropäilche Jagdgebiete. 


474. Allgemeines. Die Scil- 
derung der großen außereuro- 


3. v. Sichart. 


päifhen Wildreviere lag 
noch in der zweiten Hälfte des 
vorigen Jahrhunderts faft aus— 
Schließlich in den Händen englifcher 
und franzöfifcher Jäger. Mit gläu- 
biger Bewunderung folgte man den 
romanbaften Erzählungen der be: 
fannten Lömentöter in Afrika, 
Tiger= und Elefantenjäger in Sn: 
dien 2c., die teild durch ihre ſchreck⸗ 
haften und abenteuerlih gefärbten 
Beichreibungen, teild mit Beredh- 
nung einer fremden Konfurrenz 
entgegenzutreten wußten. Erjt al3 
Deutſchland Kolonialmadt wurde 
und deutſche Forſchung in der un— 
jerer Nation eigenen Gründlichkeit 
den Dunſtkreis der Phantafie Durch- 
brad, war es deutſchen Büchfen 
vorbehalten, die fagenummobenen 
Erzählungen‘ in dag Bereich der 
Wirklichkeit zurüdzuführen. 

Unfer größter Afrifaner Wi ß⸗ 
mann, trat ald bahnbrechend in 
Afrika für deutiche Sagdausübung 
auf, lange Jahre erniter Forfchung 
fejjelten ihn an den Schwarzen Erd⸗ 
teil. Ihm verdanfen wir die erfte 
Kenntnis der Wildarten und ihrer 
Gemohnbeiten in Afrika. 

475. Der Elefant nimmt unter 
den Großtieren die erjte Stelle ein. 
Er ift durch fein wertvolles Elfen- 
bein großen PBerfolgungen aus— 
gejegt. Hier mögen Zahlen fprechen. 
Nah Schillings wurde der Ant- 
mwerpener Elfenbeinmarft in den 
legten Jahren durchſchnittlich mit 
den Zähnen von 18500 Elefanten 
jährlich verforgt. In den Sahren 
1888—1902 murden 3212700 
Kilo Elfenbein dort eingeführt. 
Das Durchſchnittsgewicht eines 
Zahnes beträgt 8'|, Kilo. 

Die ſchwarzen Elefantenjäger 
üben die Jagd gewerbsmäßig aus. 
Mit großer Energie trat Wißmann 
dieſem Vernichtungskampf entgegen, 
und ſeiner Anregung iſt das Zu— 
ſtandekommen der internationalen 


VI. 2. In fremden Jagdgebiefen. 


Vereinbarung zweds Schußes der 
Großwildbeftände in Afrika zu 
danten. (Mai 1900,) 

Die Natur kommt aud) hier dem 
Menihen entgegen. Der Elefant 
bat gelernt ſich den Verhältnifien 
anzupajien. 

Bon der Küfte big zum Kili- 
mandſcharo ift der Elefant noch 
anzutreffen, fein Aufenthalt ift die 
Baumfteppe, zur Tageszeit jucht 
er das Dickicht auf und durch⸗ 
wandert nachts große Streden. 
Das Auffinden einer friſchen Ele— 
fantenfährte garantiert dem Jäger 
noch lange nit das Auffinden 
und Erreichen der Herde. 

Die SFortbewegungsart ift ein 
ſehr fördernder Trab, geräufchlos, 
fo daß. das mächtige Tier nament- 
fich zur Nachtzeit ebenjo wie das 
Nashorn und das Flußpferd fait 
geifterhaft wirkt. Die Jagd ift 
nicht eben gefahrlog und der Ele: 
fant verlangt einen guten Schuß 
an richtiger Stelle. Das Mantel: 
gefhoß mit rauchſchwachem Pulver 
am Rüſſelanſatz, am Blatt oder 
feitwärt3 zwifchen Auge und Ohr 
in das Kleine Gehirn ift allein im⸗ 
ftande den Rieſen zu fällen. Die 
beiden ‚Sinne, zu wittern und zu 
vernehmen, find jo ungeheuer fein 
ausgebildet, daß es ſchwer hält, 


den Elefanten, der fich durch große | R 


Intelligenz auszeichnet, zu über- 
lüften. Es ift ungemein ſchwierig, 
bei einer rege gewordenen und 
flüchtenden Elefantenherde die An⸗ 
zahl der Stüde feitzuftellen, da fie 
lange Zeit einer in der Fährte des 
andern wechjeln. 

476. Vom Nashorn jagt Schils 
lings, daß auch deſſen Untergang 
in nicht ſehr weiter Ferne liege. 
Das weiße Nashorn mit nur einem 
Horn iſt im Süden Afrikas primi⸗ 
tiven Jagdwaffen erlegen, um ſo 
eher dürfte es bei dem Doppel⸗ 
nashorn der Fall werden. Dieſes 


Nro. 476—478. 


fordert zur Jagd geradezu heraus, 
es durchbricht die Karawanen, ge= 
fährdet dieſe und bildet für den 
Pirfhjäger, der allein die Jagd 
ausübt, die gefährlichfte aller 
Sagden, weit gefährlicher als die 
Jagd auf Elefanten, Büffel, Löwen, 
Leoparden. Mit feinem ungemein 
ſcharfen Witterungsvermögen win 
det ed den Menjchen und madt 
jofort Front gegen ihn, um zum 
Angriff überzugehen. Der in der 
weiten Nyika (afrikanische Steppe) 
auf Tleinere® Nutzwild ftreifende 
Säger Sieht fih oftmals einem 
Rhinozeros gegenüber, und von 
vielen Sägern wird berichtet, die 
einem ſolchen Zujammentreffen er- 
legen waren. Es dürfte ſonach der 
intenfive Kampf mit diefem Did: 
häuter, der vorausfichtlich zu deſſen 
Ungunften ſich entjcheiden wird, 
begreiflich erjcheinen. 

477. Länger ald Elefant und 
Rhinozeros wird das Flußpferd 
in Afrika erhalten bleiben, da ein 
großer Teil feiner Aufenthaltsorte, 
die riefigen Sumpfgebiete im 
Weſten, außerordentlich ſchwer zu= 
gänglih find. Der riefige Did- 
häuter ift ein harmlofer Gefelle, 
der aud die Nähe des Menfchen 
nicht fürdtet. Die Jagd auf diefe 
vorſintflutlichen Tiere ift ohne allen 


eiz. 
478. Der oſtafrikaniſche Wild- 
büffel. Seine Sagd ift feine leichte, 
er bewohnt die mit dichtem Schilf 
beftandenen Sümpfe, iſt überhaupt 
nur in geringen Beitänden nod) 
anzutreffen. Der vermundete Büffel 
ift ein gefährlicher Gegner, nicht 
nur durd feine Lebenszähigfeit, 
fondern durch die Ausdauer und 
Schlauheit, mit der er den Jäger 
verfolgt, auf deſſen Fährte er bleibt. 

Die jeit 1890 herrfchende ums 
barmherzige Rinderpeft, welche in 
unheimlider Schnelligkeit in der 
Steppe fih ausdehnte und durch 


Niro. 479. 


F. v. Sichart. 





224. Oſtafrikaniſcher Wildbüffel. 
Mit Bligliht und Büchſe, R. Voigtländers Verlag, Leipzig.) 


(Aus Scillings, 


das zahme Vieh gefördert wurde, 
hat den Wildbüffel fait aus der 
Reihe der oftafrifaniichen Tierwelt 
ausgeſtrichen. 
ſtände an Büffeln verſtecken ſich in 
den dichten Sümpfen und ſind bei— 
nahe unerreichbar. Abgeſehen von 
der Undurchdringlichkeit dieſer Ver— 
ſtecke, die ſie den ganzen Tag nicht 
verlaſſen, verurſachen die Zecken— 
plage und die der Malaria ſo 
günſtige Ausdünſtung dieſer mit 
Giftſtoffen geſchwängerten At— 
moſphäre dem Jäger unüberwind— 
liche Schwierigkeiten. Die von 
Schillings erforſchte Maſainyika 
weiſt nur geringe Beſtände an 
Büffeln noch auf, ſo an den Pan— 
ganiſümpfen und in der Nähe des 
Manjaraſees. In dieſen Sümpfen 
führen natürlich auch die großen 


Echſen, die Krokodile, ein be— 


ſchauliches Daſein. 


Die geringen Be— 
ſäule in der Nähe des Kopfes wirkt 


Die Bernich- 
tung Ddiejer Tiere jcheint dringend 
geboten. Der Schuß der Klein 
falibrigen Büchſe auf die Wirbel: 


jofort und abjolut tödlich. Schilling3 
fing Diejelben gelegentlich feiner 
Büffeljagd mit Angeln und Ködern. 
Diefe Echjen bilden eine Land— 
plage, da fie alle Waſſerläufe be- 
völfern, das Waſſerſchöpfen und 
Baden, das Tränfen der Zugtiere 
zur Unmöglichkeit machen. 

479. Die Giraffe bildet eine 
auffällige Erjheinung, wie eine Er— 
innerung an eine entjchwundene, 
unjerer Anfhauung nicht mehr ge= 
läufige Fauna. Ihre Heimat ift 
die Steppe, ihre Nahrung die 
Blätter und dünnen Zweige der 
Afazien und anderer Laubbäume, 
an denen die Steppe nicht arm ift. 





VI. 2, In fremden Jagdgebiefen. 


Nro. 480—481. 





225. Giraffe. 


(Aus Schillings, Mit Bligliht und Büchfe, 


R. Voigtländers Verlag, Leipzig.) 


Eine freiwillige Aufnahme von menſchliche Auge aud auf nahe 


Gras ꝛc. vom Boden aus wurde 
nicht beobachtet. 

Die Giraffe lebt jehr gerne in 
Symbioſe mit anderen Tieren, die 
durh die Grgänzung aus der 
Schärfe ihrer Sinne gegenfeitig 
Nuten ziehen. 

Die Giraffe äugt vorzüglich und 
verläßt ſich weniger auf den Ge— 
ruhsfinn. So fommt es, daß fie 
häufig mit Elenantilopen, vor allem 
mit Glefanten fich rudeln. Sie 
werden viel verfolgt, find durch 
ihre Größe faum zu fehlen. Man 
follte glauben, daß das farben- 
reiche Kleid ihr zum Nachteile ge— 
reichen jollte. Aehnlich wie Zebra 
und Leopard paßt fich die Giraffe 
derart barmonijch in der Färbung 
ihrer Umgebung an, daß das 


Entfernung fih täujchen läßt. | 

480. Das Zebra kommt in 
großen Herden in Afrika vor. Es 
ift fein Sagdtier; fein Fleifch ift 
füßlich ; es verdient aber das Inter— 
eſſe des Jägers jchon deshalb, 
weil die Hoffnung beruht, das 
Zebra dereinft durh Züchtung in 
mehreren Generationen zu einem 
vorzüglihen Nustier, Zugtier ꝛc. 
umzugeftalten. Nah Scillings 
müßte der Staat eine derartige 
Aufgabe in die Hand nehmen, die 
bei dem gänzlichen Verſagen unferer 
Zugtiere dur die Berheerungen 
der Tietfefliege DraaenD geboten 
erjcheint. 

481. Der Löwe Afrikas iſt 
überall verbreitet, wo reiche Wild— 
ftände vorhanden find, denen er 





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VI 2. In fremden Jagdgebteten. 


zur Regenzeit folgt. 
ihn deshalb überall antreffen, trotz⸗ 
dem iſt feine Jagd jehr erſchwert, 
er gebt nur nachts auf Raub aus, 
ab die Ausſicht, ihn unter Tags 
aufzugehen, ift gering. Am Süden 
Afrikas wird er zu Pferde gejagt 
und mit Hunden aufgefudt, und 
wenn er fich ermüdet jtellt, erlegt. 
Diez ift im Aequatorialafrifa nicht 
möglid, weil Pferde dort nicht 
leben können und Hunde dort nicht 
gebrauhsfähig find. So tft der 
Säger auf zufällige Begegnungen 
angensiejen oder auf den nächtlichen 
Hochfi oder von der Dornenboma 
(Berhau) aus in der Nähe eines 
vom Löwen gerifjenen Stüd Wildes, 
der ſtets, wenn gejtört, zu feinem 
Raub in der Radt zurückkehrt. 
Die Dunkelheit beeinträchtigt jehr 
den Schuß, abgejehen davon, daß 
in den ungejunden Gegenden der 
fo notwendige Schlaf ohne Gefahr 


Niro. 482. 


Man Tann aus und werden, ba fie ſtarke 


Fleckung haben, fälfchlihermeije oft 
für Leoparden gehalten. Der Löwe 
ift nachts fein fo barmlofer Ge⸗ 
jele, wenn er auch tagsüber vor | 
dem Menjchen flieht. Shillings 
fagt von ihm, daß er zur Nachtzeit 
eine große Furchtloſigkeit dem Men⸗ 
ſchen gegenüber zeigt, angezündete 
Feuer verhältnismäßig wenig ſcheut 
und an dieſen ſogar Eingeborene 
raubte. Dieſe Gleichgültigkeit gegen 
den Menſchen tritt oft beim nächt⸗ 
lichen Anſitz im Dornenverſteck in 
die Erſcheinung, wo er unbeküm⸗ 
mert um den Jäger, den er ſchon 
lange gewindet oder eräugt hat, 
den gefeſſelten Stier oder Eſel 
ſchlägt und oft auf nur 3—4 Schritte 
erlegt werden Tann. 

Des berühmten Löwenjägers 
Gerard Schilderungen weiſt 
Schillings ald Ausgeburten einer 
a Phantaſie in das Reich der 


für die Geſundheit nicht verkürzt | Fabe 


werden follte. So bleibt oft nicht? 


anderes übrig, als den Löwen in- 


Fallen zu fangen, eine Jagdart, 
die ebenfall3 nicht gefahrlos ift, weil 
der Löwe mit der Falle oft weit 
flüdtet. Das zufällige Aufgehen 
in der Steppe vollzieht fich meift jo 
fchnell, daß man, vom Löwen ſchon 
längit erfpäht, ven Moment zur Ab⸗ 
gabe des Schuffes häufig verfäumt. 

Nah Schillings lebt der Löwe 
auch rudelmeije. Der kühne Afrika⸗ 
forfcher erzählt von 30 Löwen, die 
zu gleicher Zeit in feiner Nähe be- 
obachtet würden, er ſelbſt Hatte 
von diejen 14 mit eigenen Augen 
gejehen. An 3 aufeinanderfolgen- 
den Tagen fing er 9 Löwen, die 
fämtlih ihr Grab in den Mägen 
feiner fchwarzen Askaris (Träger) 
fanden, deren Obmann nad dem 
7. Löwen erklärte, er jehne ſich 
: wieder für eine Weile nach anderem 
Wildbret. Die jungen Löwen gehen 
ſchon frühzeitig allein auf Raub 


182. Der Leopard ift häufiger 
anzutreffen als der Löwe, er ift 
tatfählid überall und nirgend®. 
Felſige, von ſchroffen Bergzügen 
unterbrodhene Dertlichfeiten mit 
reichlicher Dedung jagen ihm am 
meiſten zu, mo er vielfach in den 
Baumkronen fih aufhält. Seine 
Bewegung iſt blisichnel. Auch 
feine Begegnung beruht auf Zufall, 
häufig verraten ihn die Paviane, 
die ihn mit Gekreiſch verfolgen; 
auch das andauernde Schmählen 
der AImpallahantilopen und dag 
Zautgeben der Buſchböcke künden 
dem Säger zur Nadtzeit an, daß 
der jchöne Räuber unterwegs ift. 


Wenn aud) der ausgewachjene Pa: . 


vian mit feinem jcharfen Gebiß, 
deſſen Reißzähne an Länge die des 
Leoparden übertreffen, ein nicht zu ' 
unterfchätender Gegner für die ges 


fleckte Kate ift, jo gelingt es letz⸗ 


terer doch häufig, aus der jchlafen- 
den Affenherde ſich ein ie zu 


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VI. 2. In fremden Jagdgebieten. 


holen. Daß der Leopard mur 
lebende Tiere reißt und das Aas 
verjhmäht, wird von Schillings 
beftritten, der gegen 40 Leoparden 
im Eifen, die mit Geſcheide oder 
irgend verendeten Tieren befödert 
waren, gefangen hat. Die mit 
lebenden Tieren beföderten Fallen 
übten auf den Leoparden viel ge= 
ringeren Reiz aus. Der gefangene 
oder angejchweißte Leopard ift un⸗ 
gemein gefährlih, er geht mit 
Bligesfchnelle auf den Jäger los. 
Unfehlbar fonnte man rechnen, nad 
einem glüdliden Fang am nächſten 
Morgen den Gatten des Paares 
im Eifen zu finden. Die gefangenen 


männlichen Leoparden erreichten ein- 


Gewicht bis zu 145 Pfund. 

Große Verbreitung haben 

483. Wildhunde oder Yagd- 
byänen, die meift in Rudeln jagen 
und überall auftreten, wo viel 
Wild vorhanden. Sie jagen zu 2 
oder 3 ftumm hinter einem Stüd 
drein, teils à vue, teil® nad) der 
Fährte. Ihre Opfer find alle Anti- 
lopenarten, auch die große Elen- 
antilope. Geftört, bellen fie den 
Menſchen an, wie ſcheue Haus: 
hunde mit eingelniffenen Ruten 
ſeitwärts prellend und wieder bel- 
lend verhoffend. Die Eingeborenen 
behaupten, daß fie unbemwaffnete 
Menſchen anfallen. Ihre Zähmung 
bezw. Züdtung zu jagdliden 
Zweden dürfte wohl bei ihrer 
MWildheit und Biffigfeit und ihrer 
ausgejprocdhenen Abneigung gegen 
Haushunde auf große Schwierig- 
feiten ſtoßen. 

484. Der Serval, eine fchöne, 
bochbeinige Kate mit jchwarzen 
Zupfen auf gelbem Grund, öfters 
auch ganz ſchwarz, die graue 
Wildfage und der oftafrifanifche 
Bertreter des Luchjeg, der Carra- 
cal, ferner die fchlanfe, Kleine 
Ginfterfage und die Fiſch— 


otter am Viltoria Nyanza find 


| wicht gegen 90 Kilo. 


Nro. 483—486. 


Heinere Vertreter der Raubtiermelt 
Afrikas. 

Hyänen und Schakale, ſo— 
wie die zahlloſen Arten von Geiern 
bilden die Totengräber der Steppe 
und wiflen mit den größten Kada= 
vern in unglaublich Turzer Zeit 
fertig zu werden. 

Unter den SHornträgern, den 
Antilopen, find die Kuduanti- 
lope und die Elenantilope die 
größten Arten, 

485. Das Kudu trägt den größ- 
ten und ſtärkſten Hornjchmud und 
ift im Süden von Deutſchoſtafrika 
noh am bäufigften. Die Elen— 
antilope ift an Wildbret die 
ftärfjte Art, fie erreicht ein Ge: 
Als ausge: 
zeichnete Bergfteiger kommen dieje 
großen Tiere fogar auf dem Pla— 
teau des Kilimandſcharo 5000 m 
über dem Meere vor. Sie war: 
dert wie ein großer Teil der Tier- 
welt, den oft ſehr unregelmäßigen 
Regenzeiten entjprechend, perna= 
nent, bald in der Niederung und 
an der Seefüjte, bald in der Hoch— 
iteppe oder im Gebirge ift fie an- 
zutreffen. Bei Annäherung von 
Gefahr pflegen fie fich zufammen- 
zurudeln und in ſchwerfälligem, 
aber förderndem Galopp flüchtig 
zu werden. Sie zeichnen in außer: 
ordentlih marlanter Weife auf 
die Kugel. 

Nur in der Steppe, faft gar 
nit in den SHochländern, findet 
man die BPferdeantilope, von 
ftarfem, pferdeähnlichem Gebäude, 
und die Kleinere Oryrantilope, 
von gedrungenem Körper und ſehr 
ſpitzem Gehörn, die felbft den 
Leoparden abmwehren könnte. 

486. Das Gnu, das als Weiß: 
bartgnu in den Salzfteppen Djft- 
afrikas in großen Nudeln häufig 
mit Zebraberden zufammen in Sym⸗ 
biofe vorfommt, ähnelt in jeinem 
Aeußern dem Büffel und wird 


Nro. 487—489. 


vielfach für denfelben, namentlich 


in größeren Entfernungen, gehalten, 
es liebt die weite, offene Steppe. 
Alle dieſe Wildarten Augen fehr 
ſcharf und fihern ftändig auch im 
Zuftand der Ruhe. Die Lebeng- 
zähigfeit diejer Tiere ift jehr groß, 
und fie verlangen einen gutfiken- 
den Schuß. Der zeitweije erfenn- 
bare Wildreihtum könnte vielleicht 
den Jäger verleiten, unbejonnene 
Schüffe abzugeben. Im Intereſſe 
der Erhaltung des ohnehin ftarf 
dezimierten Wildſtandes — manche 
Arten befinden fi in faum nen- 
nenswerten Beftänden — ift eg 
dringend geboten, die Jagd auch 
in diefen Ländern nad, feften weid- 
männifhen Gejeten auszuüben, 
Das Beijpiel des Europäers wirkt 
auf die Cingeborenen anſteckend 
und mit Freude und Anerkennung 
muß bier Tonitatiert werden, daß 
unfere jüngeren Afrikaner, mie 
Brandis, Paaſche u. a, dem 
Beilpiee Schillings folgend, 
mehr mit der Kamera al3 mit der 
Büchſe weidwerkten und wohlüber- 
legt ihre Kugel weidmänniſch an- 
zutragen redlich bemüht waren. 
ALS warnende Wahrzeichen leuch⸗ 
ten in der Steppe die gebleichten 
Knochenüberrefte von Großwild 
aller Art, die der Schießwut aus⸗ 
fändifcher Jäger und der Einge 
borenen zum Opfer gefallen jind. 
487. Als Nutzwild zum Lebens⸗ 
unterhalt liefert den Afrikajägern 
hauptſächlich der Waſſerbock das 
Wildbret. Dieſer trägt nur in 
jeinen männlichen Sremplaren den 
feierförmigen Hörnerfhmud, das 
weiblihde Wild gleicht jehr ftarf 
den Tieren unjeres Rotwilds. Zahl⸗ 
reich find die verfhiedenen Abarten 
der Antilopen. Außer den bereitd 
genannten größeren Cremplaren 
gibt es Die XLeierantilope, Kuh⸗ 
antilope, SImpallahantilope, an 
Gazellen die Granigazelle, Thom 


3. v. Sichart. 


- 


fongazele, Biraffengazelle, den 
Buſchbock. Dem Reh ähnlich tft der 


1 


4 


hr 


Riedbock. Diefer läßt einen pfeifen < :::. 
den Warnungsruf erfchallen, der | ‘un. 


von anderen Wildarten verjtanden 


wird und auf den auch Die Bogel- | x... 


welt achtet. Reiher und Ibiſſe 
ſtehen auf dieſen Schreckruf hin 
ſofort aus den Tümpeln und 
Waſſerpfützen auf. 

Wie die Tierwelt, ſo iſt 

488. auch die Vogelwelt reich 
vertreten. Sie findet in ihren größe⸗ 
ren und ſelteneren Arten, wie beim 


Strauß, der Rieſentrappe, jagblide | z-. . 


Beachtung, auch als Abwechflung für 
den Küchenzettel in den verjchiede- 
nen Hühnerarten, den PBerlhühnern, 
Buſchhühnern, Frankolinen, Keinen 
Schnepfenarten, Enten, Komoranen, 


oder werden im Intereſſe willen: i &;.,, 


ſchaftlicher Sammlung, wie die ! ii, 


Ibiſſe, Reiher, Kraniche und zahl- 
Ioje Geierarten, erlegt. 

489. Wildſchutz. Wie ſchon oben 
erwähnt, bejchäftigt fich die Ver: 
waltung der europäijchen Kolonien 
in Afrika danf den Bemühungen 
Wißmanns ſehr eifrig mit dem 
Wildſchutz duch ftrenge Erlaſſe. 
Den Eingeborenen ift die Jagd 
auf Nugmwild überhaupt verboten. 
England hat bereits in Britiſch⸗ 
Oſtafrika, namentlich in der Nähe 
der Ugandabahn, große Wildreſer⸗ 
ven angelegt, die unter ftrenger 
ſtaatlicher Kontrolle ſtehen. 

Große Gefahren für die Geſund⸗ 
heit des Europäers und ſeiner ihm 
unentbehrlichen Nußtiere, wie der 
Pferde, Efel, Rinder, beitehen in 
dem tüdifhen Malariafieber und 
der Widerſtandsloſigkeit der Laft- 
und Reittiere gegen die tödlichen 
Stiche der Tſetſefliege. 

Geheimrat Dr. Koch nimmt an, 
daß ein untrennbarer Zuſammen⸗ 
hang zwiſchen dem Büffel und der 


<ietfefliege beſtehe und daß das 


Wild latenter Träger der Tſetſe⸗ 


} 





VI. 2. In fremden Jagdgebtefen. 


krankheit fei und verlangt die Aus⸗ 
rottung des Großwildes als des 
gefährlichiten Krankheitsherdes. 

Diefen Ausführungen des Ge: 
hbeimrats Dr. Kod, deſſen un 
beſtreitbares Verdienſt es ift, die 
deutſche Landwirtſchaſt auf den 
Nutzen unſerer Kolonien hinge— 
wieſen zu haben und für die Nutz⸗ 
barmadhung des Wildes im Dienjte 
und im Haushalt der Landwirtſchaft 
einzutreten, trat im Sommer d. J. 
eine Kommiffion für Befjerung des 
Wildſchutzes entgegen, die e3 fi) 
zur Aufgabe madte, die in Be- 
tracht fommenden zoologifchen, bio⸗ 
logifchen und bafteriologiichen Fra- 
gen zu durchforſchen und ein ge⸗ 
jundes, auf Grundzügen der Selbit- 
verwaltung ruhendes Jagdrecht 
auszubauen und diejelben Grund⸗ 
fäge in den Kolonien zu feitigen, 
die in der Heimat des Jägers 
Ehrenſchild bilden. 

In diefer Kommiſſion ftellte 
Profefſſor Matſchie feft, daß es 
heute noh Büffelherden ohne 
Tietfefliege und zahlreiche 
Tietfefliegen ohne Büffel 
gäbe, daß ferner die Tjetjefliege 
auch auf kleinere Tiere und auf 
Menihen gehe, ferner daß durd) 
Ausrottung der Gloſſina 
(Geſträuch), die in den Hochländern 
fehle und nur in den feuchten Di- 
ftriften vorfomme, von feiten der 
Buren eine Abnahme des Inſektes 
hervorgerufen wurde. Dr. Sander 
führte aus, daß man, um radikal 
vorzugehen, auch die Eleinen Anti- 
Iopenarten, die Wildfchmeine, Wild» 
hunde, Zebra, Ejel, das Kleinwild 
und die mit der Krankheit behaf- 
teten Menſchen ausrotten müſſe. 
Schriftſteller Bley erklärte, Die 
afrifanifhe Tierwelt bilde große 
wirtſchaftliche Werte, die erhalten 
werden müßten. Das Krokodil 
dagegen müßte ausgerottet 
werden als der Träger der 


Nro. 490-492. 


Shlaffrantheit. Die Tſetſe— 
fliege müffe direkt, nicht indirekt 
befämpft werden. Sache der Wiſſen⸗ 
ſchaft jei es, entjprechende Mittel 
Dagegen zu finden. 

490, Wien. Allgemeines. 
Diefer Erdteil, der neben feiner 
enormen Breitenausdehnung von 
der Region der arftiihen Zone 
bi8 zum Aequator reicht, birgt 
jagdliche Schätze und undurdhforfchte 
Reviere in Menge. E83 fol bier 
nur eine oberflächliche Schilderung 
der Jagden und Sagdtiere Aſiens 
folgen und unter diejen nur foldhe 
näher berührt werden, die von 
jagdlichen und wiſſenſchaftlichen Er- 
folgen begleitet bereit3 auf breiterer 
Baſis das Intereſſe der ſportlieben⸗ 
den Jäger gefunden haben. Wie 
in allen Ländern der Erde in den 
wärmeren Zonen, weiſt auch der 
Süden Aſiens die größere Menge 
von Wild auf. Es ſteht zunächſt 
Indien und der indiſche Archipel 
im Brennpunkt jagdlichen Intereſſes. 

491. Indien. Der indiſche 
Elefant ſpielt auch hier die erſte 
Rolle. Er hat nur kurze bezw. kaum 
nennenswerte Stoßzähne entgegen 
ſeinem afrikaniſchen Vetter, iſt 
ebenſo ſcheu und nicht weniger ge⸗ 
fährlich. Seine Bejagung beruht 
auf denſelben Prinzipien wie in 
Afrika, doch ſteht er gezähmt als 
Nutztier und Jagdelefant auf viel 
höherer Stufe. Eine beſſere Zahn— 
entwicklung hat der Elefant Siams. 

Unter den dortigen Dickhäutern 
ſpielt das Nashorn wegen ſeiner 
Bösartigkeit und Gefährlichkeit eine 
ähnliche Rolle wie ſein Vetter in 
Afrika; es hat jedoch nur ein Horn, 
welches ſehr lang und ſpitz wird. 

492. Der Büffel Indiens, der 
ſogen. Waſſerbüffel, hat ſtarke, nach 
auswärts gekrümmte Hörner von 
dreieckigem Querſchnitt, iſt ſehr 
gefährlich, von unglaublicher Wild- 
heit und fürchtet jelbft die großen 


— mn. 


Mu eu 


Nro. 493-495. 


Katzen, wie den Tiger, den Panther 
und Leopard, nit; auf die großen 
zahmen Ninderherden übt er einen 
verderbenbringenden Einfluß aus, 
indem er fie gerne in den Buſch 
entführt. Ein Meifter im Schwim: 
men, erfcheint der Büffel auf dem 
Lande unbeholfener als im Wafler, 
in den er 6—8 Stunden des 
Tages verbringt. Gezähmt wird er 
von den Eingeborenen häufig zur 
Jagd auf Wafjergeflügel und 
Hirſche verwendet. 

493, Nutzwild. Bon den Anti— 
Iopenarten fei hier die Nilgai- 
antilope genannt, mit kurzem 
Gehörn und jhwerfälligem Körper, 
und die VBierhornantilope, 
ein Kleines, zierliche3 Tier mit vier 
jpiten, furzen Hörnern, die vor- 
deren 3—4 cm, die hinteren 10 
bis 12 cm hoc. 

Bon den Hirfhen iſt der 
Samburhirih in Ceylon heimiſch. 
Diefer Hirſch kommt unjerem Rot- 
hirſch gleich, fett aber nur ein Ge- 
weih von 6 Enden auf. Der Tidi- 
talhirſch Ceylons, in Indien Axis⸗ 
hirſch genannt, iſt eine gefleckte 
Hirſchart, deſſen Decke grau und 


rötlichbraun mit weißen- Flecken 


gezeichnet iſt, ſein Geweih trägt 
auch nur 6 Enden. 

Das Wildſchwein iſt überall 
zahlreich vertreten, wird aber nicht 
ſo ſtark wie unſer Schwarzwild, 
es bildet ſtets eine reiche Strecke 
für den Jäger und eine willkom— 
mene Beute für die großen Kater. 
In den indischen Garnifonen wird 
es viel parforce gejagt und mit 
Speerſtichen getötet. 

494. Der Tiger Indiens und 
Ceylons fteht im Mittelpuntt des 
Ssntereffed aller Jäger. Der Ein- 
geborene ſpricht von drei Gat- 
tungen, dem Wildtöter, dem Vieh⸗ 
räuber und dem Menjchenfreifer, 
die alle drei jedoch in einem folge: 
richtigen Zufammenhang ſtehen. 


3. v. SAichart. 


Der junge Tiger wird zunächſt am 
Wilde ſich ſättigen. Wo die Kultur 
zunimmt und das Wild verdrängt 
wird, tritt er als Viehräuber auf, 
und wenn er alt und ſeine Zähne 
ſtumpf geworden ſind und ſeine 
Sprungkraft nachläßt, wird der 
Eingeborene ihm eine leichte Beute, 
und der Menſchenfreſſer iſt fertig. 
Seine Heimat ſind die dichten 
Dſchungeln, die er nur nachts ver⸗ 
läßt. Treibjagden werden ſehr be⸗ 
liebt, bringen aber nur geringe 
Reſultate, da die Treiberſchar, aus 
Eingeboxenen beſtehend, feige und 
faul iſt. Am ſicherſten iſt noch der 
Anſitz am geſchlagenen Wild oder 
am lebenden, feſtgebundenen Rind 
vom Hochſitz, der Madjan, aus. 
Dieſer Anſitz hat nur in der Nacht 


und da nur bei Mondlicht Erfolg. 


Niedieck hat dort den Menjcden- 


freffer, aud) den Panther, der an ; & 


Wildheit dem Tiger nichts nachgibt, 
den Bär, den wilden Hund, eine 
Art Wolf, und die Hyäne geftredt. 

Der Banther mird von indi- 
ſchen Offizieren häufig parforce ge 
jagt. In Fallen oder Gruben ge 
fangen, wird die Katze auf dad 
freie Feld bHinausgefahren, det 
Käfig geöffnet, die Kate dann ger 
hegt und wie das Wildſchwein mit 
Speeren getötet. 

Der Bär ift der Lippenbär, 
tiefſchwarz, mit halbmondartiger 
weißer Bläße auf der Bruſt und 
langen Rückenhaaren. 

Das Innere Aſiens, 


495. Turkeſtan, mit den Steil⸗ 


hängen des Tiunſchangebirges, iſt 
auch die Heimat von Cerviden. 
Prinz Arnulph von Bayern jagte 
dortſelbſt im Sommer 1907 auf 
Rehe, Hirſche, Steinböde und Wild⸗ 
ſchafe. 
panther, Fuchs und Murmeltier ſind 
in dieſem Gebirgszuge nicht ſelten. 

Das Reh iſt ftärker in Form 
und Gehörnbildung als unſer hei⸗ 


Auch Bär, Wolf, Schnee⸗ 


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VI. 2. In fremden Jagdgebirten, 


miſches Reh. Die Gebörne ähneln 
in Berlung, Auslage, Höhe und 
Beredung den Hirichgeweiben. 

Der Maral hirſch ift ebenfalls 
größer und ftärfer als unfer Rot- 
hirſch, fein Geweih ftämmiger, 
höher und kräftiger entwickelt, zeigt 
jedoch niemal3 eine Krone und 
felten eine ſchöne Rofe. Die Brunft- 
zeit fällt in den Monat September, 
der Brunftfchrei des Hirfches ift 
ein jchrilles, auf nur geringe Ent- 
fernung börbares Pfeifen. 

Der Steinbod lebt im Tiun- 
Schangebirge wie unfer Gemswild 
in ſtarken Nudeln. Doc ftehen auch 
die guten Böde allein und machen 
fih fehr heimlich und ſuchen die 
Rudel nur zur Brunftzeit auf. Die 
Sagd ift infolge der enorm ſcharfen 
Sinne und des teilmeife fchlecht 
bewadfenen und nur geringe 
Dedung bietenden felfigen Gelän- 
des äußerft ſchwierig. 

496. Muffelwild. Das Wild- 
Ihaf, das Kaſchgar, fteht nur 
in geringen Rudeln faft noch höher 
als der Steinbod und iſt, wenn 
möglih noch heimlider. Seine 
Sinne und fein Mißtrauen find 
ungemein ſcharf und übertreffen 
noch faft die des Steinbodes. Die 
alten Jäger jagen, daß das Haar, 
da8 vom Jäger ausfällt, vom 
Keiler gemittert, vom Hirſch ver- 
nommen und vom Muffel geäugt 
wird. 

An Europa fommt dag Muffel- 
wild, der Muflon, noch in Sar: 
dinien und Korſika in kleinen Bes 
ftänden vor. Bon größerer Form 
und Stärke ala dieſes ift der 
Argali der Mongolen, der Kaſch⸗ 
gar auf dem Hochlande Pamir er: 
reicht die größte Höhe und Stärke. 
Auh die Halbinfel Kamtichatla 
führt das Dickhornſchaf ald Stand» 
wild. Die Sagdichwierigfeiten be- 
ftehben darin, daß das Wildſchaf 
fih nicht treiben läßt, ſehr ſchwer 


Nro. 496—497. 


anzupirfhen ift und einen unbes 
dingt tödlichen Schuß verlangt. Da 
wo es wenig verfolgt wird, iſt es 
nicht ſcheu. Seine Neugierde wird 
von den Kirgifen häufig benugt, 
um es zu erlegen, indem man 
einen Stod mit einem Kleidung 
ftüd behängt und jo die Aufmerf- 
famteit des Rudels auf einige Zeit 
zu erwecken ſucht. Inzwiſchen pirjcht 
ſich der Jäger von einer andern 
Seite an das Rudel. In Oeſter⸗ 
reich-Ungarn und auch in Deutſch⸗ 
land ſind verſchiedene erfolgreiche 
Verſuche gemacht worden, das 
Muffelwild einzubürgern. Es ver⸗ 
trägt ſich vorzüglich mit andern 
Wildarten, wie dem Rotwild, ſo 
zwar, daß in dieſen Wildbahnen 
beobachtet wurde, wie Rotwild⸗ 
rudel von Wildſchafen geführt wur⸗ 
den. Die Vermehrung iſt ſtark und 
ſicher. 

An Deutſchland wurde aus Sar⸗ 
dinien das Muffelmild vor Jahren 
im Herzogtum Anhalt eingefekt, 
genießt dort jet in freier Wild: 
bahn Hege, der Widder darf nur 
im September und Oftober, das 
Schaf nur im Oftober erlegt wer: 
den. So haben die anbaltiichen 
Reviere den Ruhm, nit nur die 
legte Biberfolonie, ſondern auch 
den erſten Muflonftand in freier 
Wildbahn Deutſchlands zu befiten. 

Die beiten Bärenreviere 
Aftens befigt die Halbinfel 

497. Kamtſchatka im äußerften 
Nordoften an der Beringitraße. 
Wenn der Bär aus dem Winter: 
fhlaf erwadt, im Monat Mai, ift 
die beite Zeit zu jagen. Sein Pelz 
ift noch weich und fein wie Seide, 
die Haare noch lang und glänzend. 
Sobald die Witterung wärmer 
wird, was fi in diefen Breiten 
oft ungemein raſch vollzieht, tritt 
der Haarwechſel ein. Im Herbit 
und Winter zu jagen, ift durch Die 
Ungunft des Klimas ausgeſchloſſen. 


Niro. 498. 


Auh Freund Pe ift dann ge⸗ 
zwungen, zu fchlafen oder Hungers 
zu fterben. Sm Frühjahr geht der 
Bär aus feinen Winterquartieren 
herunter an die Meeresfüfte, um 
dort den angeſchwemmten Seetang 
ſich einzuverleiben. Wenn das Gras 
auf den Halden zu fprießen be=- 
ginnt, fieht man die Bären wie 
Lämmer auf der Wieſe weiden. 
Zur Laichzeit des Salm fteigt der 
Bär flußaufwärts, Tchlägt mit ges 
ſchicktem Brantenfchlag den Fiſch 
ang Ufer, ſpäter lebt er wieder 
vegetarisch von wilden Erbjen und 
Beerenfrüdten, feine Jagdkünſte 
verſucht er nur an den Erdziejeln, 
Heinen Nagern, die er aus der 
Erde gräbt. Niedied erlegte in 
ganz kurzer Zeit 15 Bären, einen 
Heinen Trieb, in den er 4 Bären 
einwechſeln ſah, ließ er ſich von 
feinem ruffifhen Säger durchgehen 
und erlegte zwei davon. Der Bär 
ift ein harmloſer Gefelle, greift 
den Menjchen nie an. Trogdem ift 
die Sagd nicht gefahrlos, allerdings 
ohne Schuld des Bären, da da? 
Land volljtändig unfultiviert, von 
zahllofen Waſſerriſſen und Berg: 
waſſern durchzogen ift, die nur auf 
Heinen Nachen durchquert werden 
tönnen. Das Klima felbft ift in 
hohem Grade unmwirtlih und ftellt 
hohe Anforderungen an die Ge— 
fundheit des Jägers. 

Der Dften Afiend, vor allem 
China und Sapan, dürfte wohl mit 
Ausnahme des Mafjenwildes und 
Sumpfgeflügels und der zugereiften 
Zugvögel dag jagdlich reizlofeite 
Gebiet fein. Der Faſan bat dort 
zwar feine Urheimat, namentlich 
der mongolifhe. Er zeichnet fich 
durch große Farbenpradt aus, er- 
ſcheint im Sonnenlicht ftreichend 
goldſchimmernd, die Flügel find 
unten weiß, Hals und Bruft gold- 
und fupferbraun, jedoch ift feine 
Zahl ſehr beichräntt. 


3. v. Sicharf. 


498. Auftralien ift das Land 
und die Heimat der Beuteltiere. | 
Bon diejen ift das Känguruh 
noch am eheſten geeignet, die Jagd⸗ 
luft zu reizen. Es wird leider viel 
verfolgt, obwohl fein Schaden nicht 
größer ift, al3 der der Hafen und 
Kaninden, fie können nur, wenn 
fie in eine Fenz eindringen, an 
den jungen Pflanzen nennenswerten 
Schaden anridten. Das Wildbret 
ift nicht fehr berühmt, doch beſſer 
ald fein Ruf; der Schwanz gibt 
eine ausgezeichnete Suppe. Sie 
werden von Eingeborenen und 
Meißen nicht des Wildbrets halber, 
fondern nur aus Mordgier gejagt. 
Die Dede ift gegerbt feiner als 
Kalblever. Ihre Jagd ift ſehr ein- 
fah. Sie laſſen fih gut treiben, 
wenn man verfteht, dad Rudel zu 
ſprengen. Doch ift der Schuß nicht 
leicht, da Kopf, Hald und Bruft 
äußerſt ſchmal find und der Schuß 
auf die ftarfe Hinterhand nie töd⸗ 
lich wirkt, ihre eigenartige Bewe⸗ 
gung in der ungemein fürdernden 
Flut erfchwert dag Ablommen 
ſehr. Vielfach werden fie von den 
Squntterd mit Windhunden par: 
force gejagt. Diefe Bufhmänner 
lieben es ſehr, zu Pferd zu beten. 
Ein eigenartiger Sport bildet Dort 
auch das Einfangen und Hetzen 
verwilderter Rinderher— 
den, die im Buſch das Leben 
wilder Tiere führen und nur nachts 
auf Weide ziehen. Dieſe Mond: 
fcheinritte über Stof und Stein, 
dur Geftrüpp und didten Wald 
hinter den flüdtenden Rindern be- 
reitet hohen jagdlihen Reiz und 
erfordert große Gemwandtheit im 
Sattel. Aehnlich werden auch Die 
verwilderten Pferde, ver 
brumby, nädtlicherweile gejagt und 
indie Gehege getrieben. Dies fei er- 
wähnt, weil es als Herren und Jagd⸗ 
port viel zu den Annehmlichkeiten 
des dortigen Jägerlebens beiträgt. 


VI. 2. In fremden Jagdgebiefen. 


Auh das Dpoffum, die 
Beutelratte, die den Hühnerftällen 
als Eierdieb fo ſchwere Beſuche 
abſtattet, wird bei Mondſchein von 
den Bäumen geſchoſſen. Dieſe 
Ratte iſt eigentlich unbrauchbar und 
widerlich anzuſehen, doch vermag 
auch dieſe Jagd einigermaßen Reiz 
abgewinnen durch die hellen Mond⸗ 
nächte im auſtraliſchen Buſch. 


Bei Auckland, der Haupſtadt 
Neuſeelands, jagte Niedieck 
auf einer kleinen Inſel von 10 000 
Morgen auf Dammild, das in 
aroßen Beſtänden gehalten wird. 
Man jagt die Damhirſche Dort 
ebenfallg zu Pferd, fucht ihnen den 
Wechſel abzufchneiden, fpringt ab 
und erlegt fie mit der Büchſe. 

Bon der Bogelmelt find Enten 
und Faſanen heimiſch. 

Eine große Landplage bildet zur⸗ 
zeit in Auſtralien das Kaninchen, 
das dort eingebürgert wurde und 
ſich jetzt ſo ſtark vermehrt hat, daß 
feine Ausrottung eine Unmöglich⸗ 
keit wurde. 


499. Nord⸗Amerika. Allge⸗ 
meines. Nordamerika, das Land 
der Abenteuerluſt und der unge— 
zügelten Jagdſucht beſaß einſt Wild: 
reviere von unendlichem Reichtum. 
Mit dem Untergang der Büffel 
und der faſt der Sagenwelt an⸗ 
gehörenden Indianer war auch das 
Schickſal anderer Wildarten, der 
Wapiti und der Mooſe, beſiegelt. 
Wohl hat das frühere Oberhaupt der 
Vereinigten Staaten Nordamerikas, 
Präſident Rooſevelt, mit ſtarker 
und ſachlicher Hand durch Schaffung 
von Schongebieten den Untergang 
der Tierarten aufgehalten, ein 
Wiederaufleben alter Zeiten noch 
einmal herbeizuführen, wird wohl 
unmöglich ſein. 

500. Schongebiete. Eines dieſer 
Schongebiete beſitzt Nordamerika in 
dem Yellowſtone Park, einem Fels⸗ 


Neo. 499 -501. 


gebirge zwiſchen den Staaten Wyo⸗ 
ming und Montana. Bon wunder: 
barer landſchaftlicher Schönheit, in 
weldem alle Wildarten des Landes 
eine jtändige Schonung genießen 
und ſcharf bewacht werden. Außer 
diefem Parke find noch weitere 
Wifdrefervate entjtanden, fogen. 
Wildzuchtreviere, die ftrenge, ge: 
feglich geregelte Schonung genießen, 
aus denen dag Wild nah allen 
Seiten hin fich verbreiten und an⸗ 
dere benachbarte Gegenden, indenen 
ed nahezu ausgerottet ift, aufs 
neue bevölfern fol. Die Anſchau⸗ 
ung, die Präfident Roofevelt ver- 
tritt, da8 Wild zum Nationaleigen: 
tum zu maden und es unter den 
Schuß der ganzen Bevölkerung zu 
jtellen, entjpricht dem demokratiſchen 
Charakter des nordamerilanifchen 
Volkes. 

501. Biſon. So ſehen wir im 
Nationalpark von Yellowſtone den 
Biſon noch in Beſtänden von 200 
bis 300 Stück erhalten. Nur ver⸗ 
einzelte ſchwache Rudel dieſes mäch⸗ 
tigen zottigen Wildes ſtehen noch 
in der winterlichen Einöde von 
Athabasfa und in den verödeſten 
und unzugänglihen Gegenden ver 

Rody Mountaind. Der amerifa- 
niſche Jäger unterjcheidet den 
Präriebüffel und den Walpbüffel, 
der fi) durch ſchwächeren Körper: 
bau, fürzere, aber ftämmigere Läufe 
auszeichnet. 

Beiondere auffällige Merkmale 
zwiſchen dem europäifchen Wifent 
unddemBifon,die fich imallgemeinen 
ſehr gleihen, beſtehen in dem 
größeren und fchwereren Kopf des 
Bifong, defjen Rüdenlinie ſehr ſcharf 
abfällt und eine auffallende Ber: 
hmädtigung des Hinterteild auf- 
weiſt. Im Haarkleid find fich beide 
ähnlich. Da der Bijon jet voll- 
ftändige Schonung genießt, um ihn 
vor dem Ausfterben zu bewahren, 
werden wohl wenige Jäger fi 


Nro. 502-504. 3. v. Sichaxt. 


mehr der Jagd auf dieſen rühmen 
fönnen. 

502. Eid. Der Moofe oder 
kanadiſche Elch wird von vielen 
Jägern für das edelfte Wild ge- 
halten. Seine Heimat find Die 
feuchten, Falten Fichten: und Tan: 
nenmwälder, die fich aus den eifigen 
Regionen Kanadiend? nah Süden 
ziehen. Dem nordiſchen europäi- 
Ihen Elch wie ein Zwillingsbruder 
gleichend, liebt er wie diefer fühle, 
moraftige Lagen mit dichtem Pflan- 
zenwuchs. Die einzige richtige Art 
zu jagen ift die Pirfhe. Während 
der Brunftzeit im September find 
die Schaufler weit und breit auf 
der Sude nah den Tieren und 
ftoßen während der Nacht ein kurzes, 
lautes Schreien aus, das man jehr 
weit hört. Die Tiere antworten 
mit leifem, flagendem Mahnen. 
Wie der deutſche Jäger den Brunft⸗ 
birfch mit der Mufchel oder dem 
Schneden anruft, fo lodt der 
amerifanifhe Jäger den brunften- 
den Elch mittelft einer Locke aus 
Birfenrinde. Doc fteht der Elch 
nie fofort zu, fondern holt ſich erft 
den Wind, jo daß diefe Art zu 
jagen nur bei ganz ftillem Wetter 
ausgeübt werden fann. In früherer 
Zeit, als der Wildreihtum noch 
bedeutend war, war die fogen. 
Kruftenjagd jehr beliebt, eine Jagd⸗ 
art, die dem Säger feine Ehre 
macht und aud von Roojevelt fcharf 
verurteilt wird. Es werden die 
Elche, wenn nad) Taumetter bei 
tiefem Schnee Froſt eintritt, von 
Schneejhuhläufern gejagt und er- 
legt. 

Ein Elchrevier von nahezu un: 
berührter Schönheit und großem 
Reihtum hatte Niedieck Gelegen- 
heit in Alasfa zu bejagen; dem 
äußerften Nordweiten von Nord: 
amerifa. Dort erreiht noch ver 
Elch eine enorme Körpergröße und 
wird in Gewicht$bildung und Aus: 


lage der Schaufeln in feinem an⸗ 
deren Lande übertroffen. Werdas 
Wild den Menfchen ald das größte 
Raubtier noch nicht erfannt bat, 
bleibt e8 auch vertraut. So ftan= 
den um Niedied, als er den ftärfs 
ften El, der je erlegt wurde, mit 
einer Geweihauslage von 1,96 m, 
geftredt hatte, wohl an 20 Elche, 
die alle den Jäger anäugten. | 

503. Wapiti. Bon den Hirſch⸗ 
arten übertrifft der Wapiti, in 
Amerika „Elk“ genannt, den Deut- 
ſchen Rothirſch an Stärke und Ge⸗ 
weihbildung. Die beſten Beſtände 
ſind noch im weſtlichen Colorado, 
Wyoming und Montana, ſowie in 
Idaho, Waſhington und Oregon. 
Der amerikaniſche Jäger nennt den 
Brunftruf „Pfeifen“. Rooſevelt gibt 
hierüber in feinem Buh „Sagden 
in amerilanifcher Wildnis” ein an- 
ſchauliches Bild. Ein Wapiti mel: 
dete an einem naßkalten Morgen, 
ſtark röhrend, ab und zu plätzend 
und ſchlagend. Anfangs glichen 
die ſchmetternden Töne denen eines 
Jagdhorns, ſteigend und fallend. 
Beim Näherkommen nahmen ſie 
einen mißtönenden, quikenden Klang 
an, dann lauteten ſie wieder wie 
das Brüllen eines gewaltigen Raub⸗ 
tieres. 

504. Birginiahirſch. Die am 
weiteſten verbreitete Hirſchart iſt 
der virginiſche Hirſch, an 
Größe und Form dem Damhirſch 
gleichend, nur zierlicher und ge— 
wandter und in Farbe gleichmäßiger. 
Er findet ſich überall in allen 
Staaten, kann jedoch ohne Waſſer 
nicht leben. Er wird zu Fuß und 
zu Pferd gejagt, und teils vom 
Sattel aus geſchoſſen, teils ſpringt 
der Jäger ab. In dicht bewachſenen 
Wäldern wird mit dem Hunde ges 
jagt. Intereſſant ift die Feuer: 
jagd, wozu zwei Säger erforderlich 
find. Der eine trägt eine Feuer: 
pfanne auf der Schulter, der ans 


VI. 2. In fremden Jagdgebieten. 


dere das Gewehr. Das Wild bleibt 
überrafht von dem Scheine der 
Flamme ftehen. Der Jäger fieht 
nur die Augen des Wildes, welche 
die Flamme widerjpiegeln. Die 
Gefahr, anftatt des Hirfches ein 
Herdentier, Schaf, Rind 2c. zu er⸗ 
legen, ift biebei natürlich groß. 

505. Maultierhirſch. Der lang⸗ 
obhrige Blaktail oder Maul: 
tierhirſch ijt ebenfalls ziemlich 
verbreitet. In Südamerika findet 
fih noch der Pampashirſch mit fei- 
nem einförmigen Sechjergemeih und 
feinem, namentlid) zur Brunftzeit, 
unangenehm bemerkbaren Geruch, 
der Ausdünftung des Neger? ver: 
-gleihbar. In Brafilien, Peru und 
Guyana trifft man häufig den 
feinen Rotſchießhirſch, der nad) 
Art unjerer Rehe nie in Rudeln, 
fondern nur paarweije lebt. 

506. Renn. Dad Renntier 
Amerifad wandert im Frühjahr 
nordwärts zum Eigmeer, im Herbft 
mieder ſüdwärts. Zu dieſer Zeit, 
der eiftzeit, ift e8 Gegenftand 
der Jagd. Die Indianer im Nor: 
den der Vereinigten Staaten be: 
nüßen es, wie die Lappen, al? 
Herdentier. Der gefährlichjte Feind 
des Nenn ift neben dem Menjchen 
der Wolf, der den Wanderungen 
der Tiere folgt und ihre Herden 
ftark brandfhagt. Der Amerilaner 
nennt das Renn Karibu. Niedier 
jagte in Neufundlgnd auf Karibu 
bei Eintritt des Winters, als die 
Kenn die Reife nah dem Süden 
antraten. Um den Abſchuß einzu: 
ſchränken, der zu dieſer Zeit ſehr 
ftarf betrieben wird, bat die Staat3- 
regierung außer der gefeßlichen 
Schonzeit vom 15. Febr. bis 15. Juli 
noch den Zeitraum vom 1.—20. 
Dftober zur Hege beftimmt, fo daß 
die zehn Tage vor dem 1. Dftbr. 
und zehn Tage nah dem 20. Okt. 
als beſte Jagdzeit gelten. 

Die Renn ſchwimmen vorzüglich 


Nero. 505—508. 


und betradten einen Wafferlauf 


oder See nicht als Hindernis. 
Läftig empfindet der Jäger die 
Heinen jchwarzen liegen, vor de- 
nen man ſich faum zu fchüten ver: 
mag, fie bedeuten dasſelbe wie die 
Ameife in Indien und die Mos— 
fito8 in Afrika. 

507. Bergichaf. Auch das Did- 
born, das Bergſchaf, iſt ein 
Bewohner Nordamerikas. Im fo: 
genannten „Schlechten Lande“, wo 
die runzelige, harte Erde zerriſſene, 
düſtere und doch maleriſche Formen 
zeigt, wo die Hügel ſich mit ihren 
kahlen, ansgezackten und zerklüfte⸗ 
ten Abhängen und mit ihren Spitzen 
ſcharf wie Nadeln ſich erheben, wo 
die Bergwände mit dürftigem 
Pflanzenwuchs bedeckt ſind und in 
ſchwarzen, roten und grauen Far⸗ 
benjtreifen leuchten, ift die Heimat 
des Muffeld, das ebenfo fcheu, wie 
im Innern Aſiens ſich ſelbſt durch 
ſeine ſcharfen Sinne und ſeine 
Standorte vor der Büchſe des 
Jägers ſchützt. 

Die weiße Bergziege findet 
wegen ihres ſtark nach Moſchus 
duftenden Wildbrets nur geringe 
Aufmerkſamkeit beim Jäger. Doch 
übt die Jagd auf ſie durch die 
Großartigkeit der Landſchaft be— 
ſonderen Reiz aus. 

Die Gabelantilhope und der 
Springbod kommt überall in 
der weiten Prärie vor. Letzterer 
ift der einzige hohlhörnige Wieder: 
fäuer, der jährlich fein Gehörn ab- 
wirft. Die Jagd wird hauptſächlich 
zu Pferd ausgeübt, entweder vom 
Sattel aus geſchofſen oder abge- 
jprungen. 

508. Raubtiere. Als König 
der jagbaren Tiere bezeichnet Rooje- 
velt den Grislybär, die Jäger 
der Rocky Mountaind nennen ihn 
„Old Ephraim”, andere „Mocaſſin 
oe”, eine Anfpielung auf feine 
feltfame halbmenſchliche Fährte. 


Er ift ein gefürchteter Gegner, der 
feinen Mann ftellt und angejchweißt 
ſehr gefährlich wird, 

09. Ein Raubtier, dad dem 
Jäger auf feinen einfamen Pirſch⸗ 
gängen nur felten zu Geficht fommt, 
ift der Kuguar, der im Dften als 
Panther, im Weften ald Berglömwe, 
im Südweſten ald megilanijcher 
Löwe, auf dem füdlichen Feſtlande 
als Buma befannt ift. Es iſt faft 
unmöglid, da er nur nadt3 feine 
Sclupfwintel verläßt, ihn ohne 
Hunde oder Luder zu jagen. 

Das Gewicht eines augsgewad- 
jenen Kuguar variiert zwiichen 80 
und 200 Pfund. Das Geheimnis- 
vole und Romantifhe, welches 
die Sagd auf diefe Großraubtiere 
mit fi) bringt, webt um den 
Grisly wie um den Kuguar einen 
Kranz von Sagen und Legenden, 
die der Phantafie des einjamen 
Jägers entjprungen am fladernden 
Lagerfeuer ihre reizvolle Geftalt 
erhalten, wenn die Stille der 
Naht nur von den Stimmen der 
Wildnis unterbrodhen wird. 

510. Die Boblate ift der ame- 
rikaniſche Luchs, fie wird wie der 
Wolf und der Kuguar den Vieh—⸗ 
herden fehr gefährlih. Shr Ge: 
wicht fteht zmifchen 20 und 40 Pfd. 
Präfident Roofevelt hette fie im 
Winter, wenn der weiße Leithund 
die Kate feitgemadht Hatte, zu 
Pferd mit der Meute, die vorzüg- 
ih eingejagt, jede andere Wild: 
fährte außer acht läßt. Diefe Meute 
ift eigentlich eine bunte, zufammen= 
gewürfelte (Sejellfhaft von Kreu— 
aungsproduften aller Art, aller 
Formen und Farben. Man unter: 
ſcheidet Finder, die volllommen 
wildrein fein müſſen, mit hervor: 
ragender Naſe, auf deren Geläute 
die Starken Packrüden, die hinter 
den Reitern hertraben, mit grimmer 
Wut einſtimmen, um die Hate auf: 
zunehmen. 


3. v. Sicharf. 


Mit diefen Hunden wird aud 
der Kuguar gejagt und der Grisly. 
Die Hunde beten da3 Wild zu 
Stande bezw. bringen ed zum 
Aufbäumen. Die Yäger, die auf 
flüdtigem Jagdroß der Hape fol- 
gen, Springen ab und erlegen das 
Tier mit dem Sagdfarabiner. 

511. Zur Hate auf Wölfe ver- 
wendet man Windhunde und rauh⸗ 
haarige Hirkhhunde.. Bon den 
Wölfen unterfcheitet man die 
Waldwölfe, mächtige. Gefellen, die 
aber nur felten auftreten und große 
Wanderer Kind, fie haben fi mit 
den Büffeln verzogen, und die 
Coyoten, die Heinen Präriewölfe, 
mit einem Durchſchnittsgewicht von 
30 Pfd. Diefe kommen überall 
im Weſten in dünnbefiedelten Ge: 
genden mehr oder weniger zahlreich 
vor, verurfahen großen Echaden 
unter den Viehherden. 

512. Wildgeflügel. Ein echt 
indianifcher Vogel ift der milde 
Truthbahn,der Turfey. Seine 
Jagd ift nicht fo einfach, ald man 
ſich vorftellen follte, wenn man den 
großen Vogel nur als Hofhuhn, 
mit dem er abjolute Aehnlichkeit 
hat, kennt. Der Turkey ift jehr 
jheu und heimlich, Tann nur mit 
dem Hund gejagt werden, läuft 
vor diefem aber ungemein ſchnell 
durch die dickſten Sträuder, um 
dann plößlich, weit vor dem Yäger, 
aufzuftehen. Shn an feinen Schlaf- 
bäumen anzupirfhen, wäre wohl 
das einfachſte, wenn in den Ber- 
einigten Staaten N.⸗A. die Jagd 
von Sonnenunter» bi8 Sonnenauf= 
gang nicht gejeglich verboten wäre. 

Der Turkey ftreiht am Morgen 
von feinen Schlafplägen zur Aeſung 
in die beerenreihen Hänge oder 
Täler herab, die der Jäger genau 
fennen muß. Man ſucht fie nun 
mit einem Teil der Säger in diefen 
Hängen mit Hilfe des Spaniels 
oder eines Borftehhundes auf. Die 


VI. 2. In fremden Jagdgebirken. 


Kette hat die Gewohnheit, fh fo: | gattung nit zum Verkauf, aud 


fort Beim Niederlaſſen meit zu 
verteilen, und fo dauert die Jagd 
ziemlih lange. Der andere Teil 
begibt fih in die Nähe der Schlaf- 
bäume und ftellt ſich dort gededt 
auf. Sie ftreihen dann, wenn jie 
aufgegangen werden, meijt wieder 
zurüd und werden dann mit der 
fleinfalibrigen Büchſe vom Baume 
geſchoſſen. Das Wildbret ift delikat. 

An weiterem Wildgeflügel ſind 
noch die Grouſe und die Prairie⸗ 
hühner bemerkenswert. Die Wald⸗ 
hühner in den Rocky Mountains 
ſcheuen den Jäger abſolut nicht 
und werden, wenn man dur 
Schießen das Revier nicht beun- 
ruhigen will, mit Steinmurf ers 
beutet ev. mit dem Flobert. 

Die fultivierten Gelände des 
Nordweitend meifen eine Menge 
Seen, Flüfje und Mariche auf, die 
einem zahlreihen Waſſerwilde als 
Brutftätte und Aufenthalt dienen 
und zur Sagdzeit ein Heer von 
Sägern an ihre Geftade ziehen. 
Der Jagdſchein (1 Dollar) geftattet 
jedem zu jagen, wenn die Schußzeit 
beginnt. 

Es gibt eine Menge Enten, 
Rallen,Strandläufer, Wafjerhühner, 
in den Wiefengründen Belaffinen. 
Wer einen guten Hund fein eigen 
nennt, Tann gute Jagd machen. 
Auch die Waldfchnepfe „Woodcoof“ 
fommt gelegentlih in den Bor: 
hölzern zur Strede. 

513. Jagdverhältniſſe. Die 
Sagdverhältniffe der Vereinigten 
Staaten Nord:Amerifad® können 
durchaus geregelt genannt werden 
dan? den unermüdliden Beſtre⸗ 
bungen Roofevelt3. Die Strafen 
gegen die Berfehlungen find enorm 
hoch und äußerjt empfindlich. 

Iſt das Wild in einer Gegend 
ſtark dezimiert, wird fofort eine 
Schonzeit auf fünf Jahre angeſetzt, 
während welcher Zeit diefe Wild 


nit von auswärts, ausgeboten 
werben darf bei hohen Gelpftrafen. 
Die Schonzeiten ftimmen in den 
einzelnen Staaten ziemlich überein. 
Sn jedem Staat hat der betreffende 
Bürger gegen ein mäßiges Entgelt 
dag gejegliche Recht eine bejtimmte 
Anzahl einer Wildgattung zu er: 
legen und zwar nur von Sonnen: 
aufgang bis Niedergang. 

Die Gebühr in einem anderen 
Staate zu jagen beträgt dagegen 
10 Dollar (40 Mark). Ein Unter: 
ſchied zwifchen Bürgern oder Frem⸗ 
den wird hiebei nicht gemacht. 

Zum Schluß möchte ich noch die 
Beitrebungen der „American Bifon 
Society” erwähnen, die vor drei 
Sahren fich Tonftituierte, eine Ver⸗ 
einigung, deren Ziel die dauernde 
Erhaltung und Bermehrung des 
Biſons ift. Sie erftredt fich nicht 
nur auf dieBereinigten Staaten, ſon⸗ 
dern auch auf Kanada, welches die 
einzige wirklich wildeBifonherde von 
einiger Bedeutung noch befitt. Als 
alleinige Mittel wurde die Bil- 
dung von Bifonherden in räumlich 
möglichft weit voneinander entfern⸗ 
ten Gegenden fejtgeftelt. Zunächft 
wurde ein großes Terrain in der 
Rejervation der Flathead Indianer 
in Ausficht genommen, welches ein- 
gefriedigt werden fol. Außer einer 
Anzahl von Biſons follen aud) 
Wapitis, Langohrhirihde, Weiß: 
ſchwanzhirſche, Gabelantilopen, Dick⸗ 
hornſchafe, Schneeziegen, Wald⸗ 
hühner zc. in dieſem Park Unter: 
kunft finden. 

Vor ſieben Jahren hat man bereits 
in Oklahoma in den Wichitabergen 
aus einem Gebiet von 60 800 Acres 
eine Wildrefervation gebildet, die 
ſich ſehr günftig geftaltete. Dort 
wurde im Borjahre eine Bifonherde 
von 15 Stüd eingefegt. Dian hofft 
in Sägerfreifen, daß auch der Kon- 
greß der Vereinigten Stuaten auf 


Ne. 513. 


gegebene Anregung hin noch wei- 
tere Nationalbijonherden einrichten 
Sn den amerikaniſchen 


werde. 
Parks befinden fich zurzeit 1116 
Bilons, in Kanada 476, die in 








3. v. Sichart. 


Freiheit lebenden Biſons beziffern 
ſich ungefähr auf 25 in den Ber: 
einigten Staaten, auf 300 in Ka⸗ 
nada, jo daß ca. 2000 reinblütige 
Biſons zurzeit noch beftehen. 


Weidmannsfprache. 


Abäfen — wenn Wild Grad abbeißt. 

Abfangen — ein angefchoflenes Wild 
mit dem Jagdmeſſer totftechen. 

Abfedern — einen angeſchoſſenen Vogel 
mit einer Feder am Hinterkopf töten. 

Abniden — Haarwild durd einen Stich 
mit dem Jagdmeſſer ins Genid töten, 
Haſe wird mit der flachen Hand durch 
einen Schlag hinter die Löffel getötet. 

Abkommen — gut oder ſchlecht, ift der 
Moment beim Syuß, wenn Pifter und 
Wild ſich gut oder fchlecht beden. 

Abnorm — von der gewöhnliden Form 
abweichend. 

Abreiten — vom Auerhahn, wenn er 
wegfliegt. 

Abftreifen — Raubtier und Hafen den 
Balg abziehen. 

Abmwerfen — Gemweih verlieren. 

Alttier-- weibl. Tier vom Edels, Dam⸗, 
Elenhirih, das ſchon Kälber gebradt 
hat 


Anbrüdig — Wilbbret, das anfängt, 
in Fäulnis überzugebhen. 

Ankirren — Wild burd Futter an einen 
beftimmten Pla gewöhnen. 

Anlaufen — das Wild läuft dem Schügen 
bei Treibjagd an. 

Anludern — Füchſe durd Luder (faules 
Fleifch) anloden. 

Anſchuß — fomohl Ort, wo ber Schuß 
auf das Wild gefallen ift, wie Die Stelle, 
wo dasſelbe getroffen wurde. 

Anftand — der Pla oder Stand, mo 
der Jäger das Wild ermartet. 

Aufbreden — dem Großmild die Därme 
(Geſcheide) und die edlen Eingeweide 
(Gerräufch) nehmen. 

Aufbrud — da3 audgenommene Ges 
fheide und Gerräufch. ; 

Aufhütte — Krähen-, Aufs, Uhuhütte. 

Aufſchärfen — Haut mit dem Meffer 
durchſchneiden. 

Ausriß — Eingriff mit den Schalen, 
wenn Hirſch oder Steh nach dem Schuß 
flüchtig geworden ift. 

Ausſchuß — Einſchuß — Stelle im 
Wildkörper, wo Geſchoß ein- oder aus⸗ 
gedrungen iſt. 

Ausweiden — dem Haarwild das Ein- 
geweide nehmen. 

Ausmwirten — Rotwild, Reh, Sauen die 
Haut abziehen. ’ i 


Bahe — weiblies Wildſchwein. 

Balz — Begattungdzeit und -art bes 
Auers, Birk-⸗, Hafelmildes, Fafanen, 
Trappen, Schnepfen. 

Baft — ber baarige Hautüberzug der neu 
aufgejegten Geweihe und Gehörne. 

Behang — Uhren des Jagdhundes. 

Beſchlag — Begattungdart beim Not-, 
Rehwild. 

Beſtätigen — ben Ort feſtſtellen, in dem 
Wild ftedt. 

Bett — Platz, wo Hirſch, Reh geruht hat. 

Blatt — Suulterblatt. 

Blatten — mit Baumblatt oder Inſtru⸗ 
ment Lokton ded Reh's nachahmen. 

Blattſchuß — Schuß auf oder hinter das 
Schulterblatt. 

Blendling — Baſtard zwiſchen Hund und 

s. 


Wolf oder Fuch 

Blume — Schmänzlein des Hafen. 

Branten — Fliße de Raubbäarwildes. 

Brechen — Wühlen des Wildſchweins. 

Bruch — ein Aeſtchen zur Bezeichnung des 
Anſchuſſes in den Voden geſieckt, auch 
Ehrenſchmuck für den Hut nad Eriegung 
eines größeren Wildes. 

Brunft — Begattungseit und -art des 
Edel, Dam⸗, Gems⸗, Rehwildes. 

Büchſenlicht — die Dämmerung, bie 

noch das Schtefen geftattet. 

Bufdieren — Gebüſche mit dem Hund 
abjuchen. 

Dede — Haut bes Not:, Reh⸗, Gems- 

ildes 


w 

Dohnenſtieg — Stelle zum Fangen von 
Vögeln mit Echlingen. 

Dreiläufer — junge Hafen von 3 Mos 
naten. 

Einkreiſen — bei Neuſchnee Wild aus⸗ 
machen, wo es ſteht. 

Enden — Zacken am Geweih oder Gehörn. 

Eisſproſſe-Augſproſſe — zweiter 
bezw. unterſter Zacken am Geweih. 

Fäh — weiblicher Fuchs. 
ährte — Abdruck bezw. Spur des Wildes. 
men — an Krankheit eingegangenes 

Fegen — wenn der Hirſch ober Rehbock 
ben Baſt vom neuen Gehörn abſcheuert. 

Feiſt — Fett. 

Feiſtzeit — Zeit bes beften Körper: 
zuſtandes des Wildes. 

Fiepen — feiner Brunftton des Rehs. 


— — — — 


= — ... 0 
— — — — — — — 


VI. 2. In fremden Jagdgebiefen. 


Friſchen — wenn das Wildſchwein Junge 
befommt. 

Friſchlinge — die jungen Wildfchweine 
im eriten Jahr. 

Gebräche — der Rüffel des Wildſchweins. 

Belt — Unfrudtbarteit bes weiblichen 
Wildes. 

Gewölle — ver Auswurf an Federn und 
Haaren, den bie Raubvögel ausipeien. 
® rind — der Kopf von Hirfh und Reh. 
Jagdfolge — das Recht, ein angeſchoſſenes 
Wild über die Jagdgrenze verfolgen. 
Kahlwild — weibliches Edelwild und 

Kälder. 

Kanzel — ein künſtlicher Sitz auf einem 
Baum. 

Keſſel — das vertiefte Lager des Wild⸗ 
ſchweins. — Der Wind keſſelt, wenn er 
bald von da, bald von dort kommt. 

Kette — ein Flug zuſammengehörender 
Hühnervögel. 

Klagen — das ängſtliche Schreien des 
Wildes. 

Kopftier oder Leittier — das Alttier, 
das an der Spitze des Rudels zieht und 
die Führung übernommen hat. 

Korallen — Stachelhalsband des Hundes. 

Krellen — Streiffchuß am Dornfortſatz 
der Hals- und Rückenwirbel. 

Kümmerer — Wild, das infolge von 
Schußverletzung oder aAranthei kränkelt. 

KQurzwildbret — Hoden. 

Zauf — Beine des Wildes. 

Lauſcher — Uhren des Haarraubzeug3. 

Lecker — Zunge von Hirſch und Reh, Sams. 

Lichter, Seher — Aupen. 

zZöffel — Uhren der Hafen. 

z2ofung — Exkremente des Hundes und 
alled Haarwildes, Federwilds: — fi 
löfen — Zeitwort hiervon. 

Zunte — Schwanz bes Yuchfes. 

Zufjen — borden. 

Zufer — zum des Rots, Dam⸗, Gems⸗, 
Rehwild 

Manlbaum — Bäume, an benen Hirſch 
und Sau nad der Suhle fidy reibt. 

Maufjer — Wildenten 5. 3. des Yeber- 

— 
elden — Brunftruf von Hirſch, Balz⸗ 
laut des Auerhahns. f — 

Näſſen — Urin laffen. 

Neue — frifder Schnee. 

Drgeln — Schreien des Hirſches in der 
Brunftzeit. 


Nro. 513. 


Panfen — Wagen bed wieberfäuenden 
Haarwildes. 

Pinfel — Haarbüfchel am UNE 
Dan von Hirſch, Sams, Re 

Plägen — Laub und Mood mit den 
Läufen wegiharren (Rots, Rehwild). 

Saffe — Lager bed Hajen. 

Sat — die Jungen der Hafen. 

Schalen — Klauen bed Rot- 2c. Rehwilds. 

Schar, auh Schere und Sichel genannt 
— Trumme Feder des Birkhahns. 

Schloß — Bedentnodenhöhlung, durd die 
der Maftdarm gebt. 

Schmälen — Angftruf und Schredruf be3 
Rot, Rehwilds. 

Schnüren — Füährten des Raubzeugs, die 
in Xinie laufen (Fuchs). 

Shöpfen — Trinten. 

Schweiß — Blut des Wildes. 

Standarte — Fuchsſchwanz. 

Ständer — die Füße Des Federwildes. 

Stich — die Vertiefung auf der Bruſt des 
Laufwildes, Schuß auf den Stich. 

Streifen dem Haarwild der Niederjagd, 
dem Raubzeug den Balg abziehen. 

as — ſchlammige Pfüte, fi darin 


uhlen 

Saljlede, Sulze — Mifhung von Salz 
und Lehm, aud Ant3, als Lede für Rot⸗ 
und Rehwild, Tauben. 

Tot verbellen — das verenbete Wild 
verbellen. 

Treten — das Begatten bes Federwildes. 

Verbrechen — den Anſchuß, Schweiß, 
Fährte mit Aeftchen befteden. 

Verenden, eingeben — fterben. 

Vergrämen — ſcheu maden. 

Verhoffen — plötzlich ftillftehen u. ſichern. 

Verklüften — Dachs und Fuchs im Bau 
vergraben. 

Verlappen — einen Beſtand mit Tuch 
oder Federlappen umſtellen. 

Weidloch — After des Wildes. 

Weidwund — Schuß durch den Panſen 
oder das Geſcheide. 

Weiß — Fett. 

Werfen oder wölfen — wenn die Hündin 
gebärt. 

Windfang — Naſe des Rot: 2c. Rehwilds. 

W a. m nn Suden nad Würmer, 

Beinen — Belondere Zeichen des Wildes 
nad dem Schuß. 

Zerwirten — Wild in feine Teile zerlegen. 


SEELE ES 


VI Der Angelſport.') 
Von | 
Dr. Karl Deintz, München. 


514. Die Entwidlung des 
Angelſports. Fifcherei und Jagd 
find als die älteften Betätigungen 
des Sported zu betradhten. Das 
engliide Wort „Sport“ wurde ur⸗ 
jprüngli nur gebraudt, um mit 
einem Sammelbegriff das zu be⸗ 
zeichnen, was unſere Altvordern 
Weidwerk und Wafjerweid zunennen 
pflegten. Erſt im vorigen Jahr⸗ 
hundert begann man in England 
auch die übrigen Vergnügungen, 
welche den Zweck hatten, den Körper 
zu jtählen und der Verweichlichung 
entgegenzuarbeiten „Sport“ zu 
nennen. 

Dem mahren Sportdmann im 
urſprünglich englifchen Sinne ftedt 
noch ein Erbteil feiner Ahnen im 
Blute, die mit Pfeil und Bogen, 
Speer und Angelhafen ausgerüftet, 
genötigt waren, fi unter Entbeh- 
rungen, Widrigfeiten und Gefahren 
ihren Lebensunterhalt in Gejtalt 
von Tieren der Wildnis anzueignen. 
Se mutiger, geſchickter und ge:- 
wandter der einzelne war, dejto 
höher ftand er in der Achtung 
feiner Sippe und je mehr fich diefe 
Eigenfchaften auf den ganzen Volks⸗ 
ſtamm erftredten, deſto mehr trugen 
fie zur Entmwidlung der Kultur bei. 

Aus alter Weberlieferung ift da= 
her der Fiſcher und der Jäger in 
erjter Linie berufen, dieſe Tugen- 
den weiter auszubilden, indem er, 


ftatt nach angeftrengter Geiftes- 


arbeit fih auf die faule Haut zu 
legen und jedes Tüftchen zu meiden, 
feine Körperfraft, dabei aber auch 
feine Geiftesgegenwart, Schlagfer- 
tigfeit und individuelle Selbftändig- 
feit jtählt und erhöht und Feine 
Witterung ſcheut, um fih in der 
freien Natur zu erholen, dankbar 
für die Beute, ob groß ob Klein, 
die ihm nebenbei noch zufällt und 
die er befriedigt abends mit nad 
Haufe bringt. 

Der wahre Sportömann, ſpeziell 
auch der Fiſcher, muß verjtehen 
Maß zu halten. Er darf nicht 
jeden Fiſch töten, der ihm an feine 
Angel beißt, fondern er muß hegen 
und jchonen, fein Ehrgeiz darf ich 
nur darauf erjtreden, feine Geſchick⸗ 
lichkeit zu betätigen. Nur dann tft 
bei ihm das ethiſche Moment, die 
Weiterentwicklung einer gefunden 
Mannhaftigfeit gegeben. 

Während ſich die Sagdpflege bei 
ung in wahrem, weidmännifchen 
Geifte ftet3 weiter entwidelt Hat, 
war das leider bei der Filcherei 
lange nit in gleihdem Maße der 
Fall; fie wurde faft ausſchließlich 
ein Monopol des Berufsfilchers 
und indem fie von diejem aus: 
ſchließlich als Erwerbsquelle ange- 
ſehen wurde, mußte fie den ſport⸗ 
lichen Geiſt verlieren. 

Ganz anders in England, wo ſie 


*) Mit 6 Tafeln am Schluß dieſes Kapitels, 


VII. Angelflporf. 


an Wertſchätzung nie hinter der 
Jagd zurüdblieb. Davon gibt Zeug- 
nis ein vortrefflich gejchriebenes 
und Sportlich ſchon auf großer Höhe 
ſtehendes Buch über die Angelkunft, 
deſſen Verfaſſer, IJaak Walton, 
geb. 1593, von den Sportanglern 
heute noch als ihr Apoftel hoch 
verehrt wird. Seitdem find in 
England eine Unmenge vorzüglicher 
Bücher über diefen, man kann wohl 
jagen „Lieblingsjport” der Eng: 
länder gejchrieben worden und ent⸗ 
fpredend groß ift die Zahl von 
Waltons Züngern. 

Aber auch wer in England nicht 
ſpeziell Fiſcher ift, zeigt doch Inter⸗ 
eſſe und mehr oder minder Ver⸗ 
ſtändnis für die Fiſcherei und die 
Fiſche ſelbſt. 

Erſt ſeit verhältnismäßig kurzer 
Zeit hat ſich auf dem Kontinent 
das Verſtändnis für den Angel- 
fport herausgebildet und haben 
auch erfreulicherweife die Regie- 
rungen der einzelnen Staaten, be= 
fonders im Süden Deutfchlandg, den 
hoben Wert der Filcherei in offenen 
Gewäſſern erfannt und durch ver- 
nünftige Fijchereigefege zu ſchützen 
geſucht. Leider herrſcht dagegen 
in einigen Regierungsbezirten Nord- 
deutfchlands, 3. B. in Pommern, 
noch eine unbegreifliche Rüdftändig- 
feit. Dan follte e8 nicht für mög⸗ 
lich halten, daß dort die humane 
Spinnangelei mit totem Köder bei 
Strafe verboten, die Stopfelfifcherei 
mit lebendem Köder aber erlaubt ift. 

Ebenfo unglaublid ijt das noch 
in vielen Bezirken troß aller Pro⸗ 
tefte aufrecht erhaltene Verbot der 
Sonntagsangelei. Wie fann man 
den Taufenden von leidenfchaftlichen 
Fiſchern, welche den einzigen zur 
Erholung freien Tag für ihre Ge: 
fundheit am Fiſchwaſſer ausnützen 
mödten, jede Freude verderben ! 

Nun, das wird ja alles beſſer 
werden. Der Norden kann doch 


Nro. 514. 


nit Hinter dem Süden zurüds 
bleiben. Sa es ift alle Ausficht 
vorhanden, daß der Nimbus, der 
nod die Jagd umgibt, immer mehr 
und mehr der Sportangelei wird 
weichen müflen. 

Es ift außer allem Zweifel, daß 
der Säger von heutzutage durch die 
von Jahr zu Yahr zunehmende 
Präzifion der Gewehre, Gefchofle 
und Bielfernrohre einen großen 
Teil der Eigenfchaften gar nicht 
mebr zu erwerben braucht, die noch 
für feinen Großvater unumgänglich 
notwendig waren, jo vor allem dag 
forrefte Anpirfchen an dag Wild 
bi8 auf Schußnähe und die mweid- 
gerechte Nachſuche. Er ift heute in 
der Regel ſeines Schuſſes ſchon 
aus einer Entfernung ſicher, in der 
das Wild noch ahnungslos äſt; die 
Geſchoſſe ſelbſt ſind aber meiſt von 
einer ſo abſolut tödlichen Wirkung, 
daß eine Nachſuche verhältnismäßig 
ſelten erforderlich iſt. Durch die 
modernen Repetiergewehre und Ex⸗ 
panſionsgeſchoſſe haben ſelbſt die 
großen Raubtiere der Tropen den 
größten Teil ihres Schreckens ver⸗ 
loren. 

Bei der Sportfifcherei ift es aber 
gerade umgekehrt. Es ift hundert⸗ 
fältig erwieſen, daß die Fiſche 
immer ſcheuer und vorſichtiger wer⸗ 
den. Mit der gleichen Sicherheit 
läßt ſich feſtſtellen, daß man je 
feinerer Angelgeräte man ſich be— 
dient, defto eher einen großen und 
ſchlauen Fiſch zu überliften vermag. 
Sn gleidem Maße muß fih dann 
auch der Kampf mit dem geangelten 
Fiſch länger und aufregender ge: 
ftalten. Die Palme wird daher 
nur jenem Sportfilher gebifren, 
der am meijten Geiftesgegenmwart, 
Ruhe und Falte Blut bewahrt und 
genau abzumägen veriteht, wann 
ein großer Fiſch mit Gewalt und 
wann mit Nachgiebigkeit behandelt 


| werden muß. 


32 


Nro. 515517. Dr. R. 

515. Die Augelmethoden unter- 
ſcheidet man in folche, die von der 
Zurichtung des Angelgeräte? am 
Waſſer angefangen bi8 zum Yang 
und der glüdlichen Landung des 
Files vom Angler in Perſon aus⸗ 
geübt werden und in folde, bei 
welchen der Fifcher feine Angeln 
zwar ſelbſt zurichtet und auslegt, 
aber dann, gewöhnlich über Nacht, 
ihrem Schidjale überläßt. Die 
für erftere gebräudlidden Geräte 
nennt man Handangeln im 
Gegenfag zu den Legangeln, 
an welchen die Fiſche nach längerem 
oder kürzerem Auglegen mühelos 
gelandet werden. 

Fiihgereht ift die Legangel 
nur dann, wenn der Sportfifcher 
mit ihr den Zweck verfolgt, Raub- 
fifhe, wie Hechte, Dudppen (Aal: 
rutten) ıc. in einem Salmoniden- 
mafler auszurotten. Es gehört 
weniger Gefhid dazu, wie zum 
Erlegen von Raubwild mit Yallen 
und ſteht die Legangel ungefähr 
auf dem Niveau des Giftbrodens 
mit dem der Jäger feine Füchſe 
vergiftet. Sie ift daher fo wenig 
jport3mäßig, daß ihrer in einer 
Abhandlung über Sportfifcherei 
am beiten gar feine Erwähnung 
gejchieht. 

516. Die Handangelei wird in 
den meiften Fällen mittels einer 
Angelrute, oder noch fürzer gejagt: 
einer Gerte, an der die Schnur 
nit angefnüpft, fondern unter 
Zuhilfenahme einer Rolle beweglich 
befejtigt ift, ausgeübt. Nur bei 
zwei Methoden, der fogenannten 
Scleppanaelei oder Darrfifcherei 
und dem Heben und Senken ift fie 
eine Handangelei in engerem Sinne, 
weil die Schnur ohne Vermittlung 
einer Gerte auch unmittelbar von 
der Hand abgelafien werden Tann. 
Ein „Muß“ ift jedoch nur bei der 
Scäleppfiicherei in großen Tiefen 
vorhanden, bei allen anderen Me: 


Reinh. 


thoden ift der Sport feiner, wenn 
von der Gerte geangelt wird. 

Die mittel einer Gerte ge 
übten Methoden zerfallen nun wie⸗ 
der in folde, die mit fo leichtem 
und feinem Angelzeug ausgeübt 
werden, daß die Gerte beim Wurf 
nur mit einer Hand dirigiert zu 
werden braucht und in ſolche, bei 
denen zwei Hände zum Halten er- 
forderlih find. Man unterfcheidet 
daher nach dem Bau auch ein⸗ und 
zweihändige Gerten. 

Zum Angeln mittel® Gerte be- 
nötigt man, wenn man von den 
primitivften Methoden abfteht, einer 
Rolle mit einer entiprechend 
langen und ftarfen Shnur, die 
3. 3. für den Fang von Lachfen 
120—160 m lang fein muß, ferner 
einesZwiſchenſtückes zwiſchen Schnur 
und Angel, eines ſogenannten Vor⸗ 
faches oder Zuges, welches 
möglichſt unſichtbar ſein muß und 
ſchließlich der Angel ſelbſt. Die 
Angel beſteht entweder aus einem 
einfachen Angelhaken oder aus einem 
ganzen Syſtem von Angeln, die an 
einem mit einer Schlinge verſehenen 
Vorſchlag oder Angelvor- 
fach befejtigt find. 

517. Die Gerte. Das Material, 
aus dem die Gerten aufgebaut wer: 
den, ift unendlich verfchieden, Die 
fertigen, in den Handel gebrachten, 
von einer jo unglaubliden Biel- 
feitigfeit, daß e3 dem Anfänger 
ohne fachverftändigen Rat Ichlechter- 
dings unmöglich ift, eine richtige 
Auswahl zu treffen. Nun kommt 
dazu, daß die meiften Gerten im 
großen fabrifmäßig, und zwar haupts 
fähli in Amerika hergeitellt wer: 
den und daß man einer foldhen 
Fabrikware unter dem dien Lad: 
überzug nicht anjehen kann, ob das 
in Verwendung gekommene Holz 
richtig gelagert, ajtfrei und in der 
dernatürlicden Faſerung entſprechen⸗ 
den Richtung geſpalten war. 


VII. Angelfporf. 


Man wird daher immer gut tun, 
fih jeine Gerten bei einem Geräte- 
- händler zu faufen, der jie jelbit 
fabriziert und dafür garantiert, daß 
fie feinen Fehler haben. 

Die Gerte muß für den Zwed, 
dem ſie dienen ſoll, möglichit leicht 
fein, fie muß aber den nötigen 
Grad von Dauerhaftigfeit, Zähig- 
feit und Widerftandstraft — was 
der Engländer „backbone“ (Rück— 
grat) nennt, befien, um den Fiſch 
richtig anzuhafen, von Verſtrickungen 
abzuhalten und ficher dem Landungs⸗ 
plag zuzuführen. 

Eine gut gebaute Gerte muß den 
Schwerpunkt möglichjt weit unten 
am Griff haben, fie muß gleich: 
mäßig elaftiich jchwingen und ſich 
in einer ebenjo gleichmäßig elafti- 
jhen Kurve nad unten abbiegen, 
wenn man an der Spibe einen Zug 
anbringt, aber auch fofort wieder 
ganz gerade jtrecfen, wenn man das 
Gewicht ausfchaltet. Am gebräuch— 
lichiten find die dreiteiligen Gerten, 
bei denen man Handteil, Mittel: 
ftüd und Spite unterfcheidet. 

Die Verbindung der Teile gejchieht 
durch Hülfen und Zapfen, die mög- 
lichjt genau gearbeitet fein müjjen. 

Die Ringe, durd 

welhe die Schnur ge- 
führt wird, ſollen feit- 
ftehend jein und haben 
am beiten eine gejchlän- 
gelte Form. Dieſe og. 
Shlangenringe 
find, damit fie fich nicht 
verbiegen, aus hartem 
Stahl gefertigt (Fig. 
228). 


Der Kopfring an 
der Spite ift dagegen rund und 
befteht bei den feineren und koſt— 
jpieligeren Gerten aus einem Stahl: 
ring, in welden ein zweiter Ring 
aus Achat oder Porzellan oder auch 
wieder aus Stahl N gefaßt 


ist (Fig. 229). 


228. 
Schlangen: 
ring. 


Niro. 517, 


An den befjeren Spinngerten 
wird als einziger Ring am Hand— 
teil zunächſt der Hülfe ein —— 
nannter Schutzring (ſ. Taf. I 
d und d‘) angebracht, der den 
Zweck hat, den Winkel, in welchem 
die Schnur von der Rolle zu den 
Ringen läuft, mög⸗ 
lichſt Stumpf zu 
maden, jomit die 
Reibung und Ab— 
nutzung der Schnur 
einzufchränten, das 
Ablaufen der Rolle 
und den mühelofen, 
weiten Wurf zu 
erleichtern und zu 
verhüten, daß ſich 
die Schnur, mag 
jonft jehr leicht 
pajftert, um den 
eriten Ring beim 
Werfen vermidelt. 

AmHandteil find 
Schließlich noch zwei 
Ringe angebracht, 
von denen der eine beweglich, der 
andere fejt ift, jie dienen zur Be- 
fejtigung der Rolle. 

An den mit einer Hand zu füh: 
renden, leichten Fluggerten wird 
die Rolle zu unterjt, hinter dem 
Handgriff, an den übrigen Gerten 
zweckmäßiger oberhalb desſelben, 
alſo über der Hand angebracht. 
Beim Wurf von der Rolle iſt dies 
ſogar unerläßlich. 

Während am Griff der einhän— 
digen Fluggerten zur Bequemlich— 
keit ein lanzenförmiger Spieß (Taf. 
J, b) eingeſchraubt wird, welcher 
den Zweck hat, die Gerte beim 
Nichtgebraud aufrecht in die Erde 
zu fteden, jollen alle Gerten, die 
in die Seite geftemmt werden, mit 
einem Holz- oder befjer noch mit 
einem Gummilnopfe (Taf. I bei B 
und C) verjehen fein. 

Zur Fabrifation der Gerten 
dienen jpeziell folgende Holzarten; 





229. Kopfring. 


Neo. 518. Dr. R. Beinf. 


Greenheart, Hickory, möglich, die Schnur nad) Bedürfnis 
Eihenholz zu Handteilen, die |zu verlängern und zu verfürzen, 


beiden eriten, bejonders aber Green: 
heart auch zu ganzen Gerten, am 
häufigiten aber der ojtindijche 
Bambus und das Tonkfinrohr, 
während andere Holzarten, wie das 
Lancewood, das Eijenholz u. a. 
ziemlich aus der Mode gefommen 
find. 

Aus Bambus und Tonkin— 
rohr werden die einfachiten und 
billigiten, dabei leichten und halt— 
baren Gerten aus einem Gtüd 
bergejtellt, auch werden leichte und 
recht brauchbare dreiteilige Spinn= 
gerten daraus gefertigt, oft findet 
das Nohr auch als Handteil allein 
Verwendung. Ganz befonders aber 
dient Bambus und Tonfinrohr zur 
Fabrikation der jett jo weitver— 
breiteten und beliebten gejpliß- 
ten Gerten. Ihre Stärfe be: 
ruht auf der fiejelharten, zähen 
und dennoch elaſtiſchen Ninde, 
welche fajt allein hiezu verwendet 
wird. Mit eigens zu diefem Zweck 
fonjtruierten Majchinen werden ſechs 
Spliken in dreiediger Form her: 
ausgejchnitten und an den Schnitt- 
flähen zujammengeleimt, jo daß 
die einzelnen Gertenbejtandteile 
jehsfantig werden. 

Für den Anfänger direkt zu 
mwiderraten find die jogenannten 
Univerfalgerten, die allen möglichen 
Sweden dienen follen. 

Die Stahlgerten, welde in 
Amerika viel im Gebrauch jind, 
pajjen nicht für unſere Berhältniffe. 
Sie haben alle einen großen Fehler: 
den der übergroßen Glaftizität. 

Das forgfältige Trodnen 
der Gerten nach dem Gebraud, 
unter Serausnahme des Schuß: 
zapfens, darf nie verfäumt werden. 

518. Die Rolle ift außer Gerte 
und Schnur in der Ausrüftung 
des Sportfilchers der wichtigste Be- 
ftandteil. Nur duch fie ift es 


weite Würfe zu machen und den 
gehakten Fiſch zu drillen. 

Es gibt für unjere Verhältniſſe 
nur zwei Syſteme, die Beachtung 
verdienen: DieeinfaheChef: 
rolle mit Trieb ander Platte 
(Fig. 230) aus Meffing oder Bronze 





230. Einfache Chef: 2351. Rolle im fog. 
rolle, Nottinghamitil. 


für die Flugangel, und die Rolle 
im fog. Nottinghamftil (Fig. 
231) in billiger Qualität aus Holz, 
in feinerer Ausführung aus Ebonit 
oder Phosphorbronze, für Die 
Spinn- oder Grundangel. 

Ale Multiplifatorrollen, welche 
ein rafcheres Aufwinden der Schnur 
ermöglichen, find außer für Die 
Angelei auf große Meerfiiche,, wie 
fie an den amerifanifhen Küften 
getrieben wird, überflüjlig, ja ge: 
radezu nachteilig, ebenjo alle die 
Rollen im amerikanischen Stil, die 
fih audh in England nit haben 
einbürgern können, mit einer Kur: 
bel und Gegengewicht, weil fi 
die Schnüre um dieje verjchlingen. 

Alle anderen Syiteme, die auf 
anderen Brinzipien aufgebaut find, 
wie die oft angepriejene Mallochs 
MWenderolle 2c. halten feinen Ber: 
gleich aus mit dem Nottingham: 
ſyſtem. 

Nie laſſe man ſich ferner be— 
ſchwatzen, eine zu kleine Rolle oder 
eine teure Aluminium= oder fog. 
Coxonrolle zu Faufen, weil fie 


un ME z 24. 


wre 


VII. Angelfport. 


leichter feien wie die anderen. Ab- 
gejehen davon, daß fie viel zer: 
brechlicher und diffiziler find, haben 
die allzu leichten Rollen zwei große 
Nachteile, und zwar den, daß man 
nicht fchnell genug aufmwinden Tann, 
und den meiteren, daß fie nicht 
dazu beitragen, dad Schwergewicht 
an der Gerte hinter die Hand zu 
verlegen. Se meiter unten der 
Schmerpunft liegt, deſto leichter 
gelingt der Wurf, deſto geringer 
die Ermüdung, folglich fördert eine 
zu leichte Rolle eher dieje lettere, 
ftatt fie zu verhüten. 

Man benüte daher für die Flug— 
angel nie Rollen unter 6 cm, am 
beiten aber mit 7—8 cm Durchmeſſer 
und zwar mit Chef, d. h. einer 
gewöhnlich durch eine Feder und 
Zahnrad bewirkte Hemmoorrich— 
tung. Die Feder muß gerade fo 
ftarf fein, daß man einen Fild 
durch einen Rud, ohne die Schnur 
zu halten und ohne die liege ab: 
zufchnellen, anbauen kann. Am 
beiten find die Rollen mit ftillem 
oder lautlofem Chef, bejonders die 
von Slater in Newark (England). 

Für die übrigen Angelmethoden 
eignen fih die Nottinghamrollen 
zweifello8 am beften. Für die 
GSrundfifcherei, wie für die leichte 
Spinngerte wähle man Rollen mit 
8 cm, für die ſchwere folche von 
10 cm Burdmejfer. 

Sede Spinnrolle muß eine Chef- 
vorrichtung haben, die fich durch 
Fingerdrud raſch ein- und aus: 
Schalten läßt, alle übrigen Zutaten 
find überflüjfig. 

Da eine Rolle, je voller fie ift, 
deſto fchneller aufgewunden werden 
fann, ift es wichtig, jo viel Re- 
jervejchnur unter die Gebrauchs⸗ 
fhnur zu nehmen, als nötig ift, 
um die Rolle faſt vollftändig zu 
füllen. Die Reſerveſchnur fann 
älter und von geringerer Qualität 
fein, al8 die Gebrauchsſchnur. 


Niro. 51 9. 


Für die Flugangel genügen 20 m, 
für die leichte Spinnangel 30 m; 
für die Huchenangel 40 m und für 
die Lachsgerte 60 m Gebraud3- 
ſchnur. 

519. Die Angelſchnur ſoll mög⸗ 
lichſte Haltbarkeit mit möglichſter 
Feinheit verbinden und zwar im 
richtigen Verhältnis zur Gerte und 
—* Angelmethode, zu der ſie dienen 
oll. 

Das Material, welches die meiſten 
Vorzüge bat, iſt unbeſtritten die 
Seide. Hanfſchnüre find nur an— 
gezeigt für die gemöhnliche Grund- 
und Scleppangel. 

Die Schnüre müſſen immer ge— 
flochten fein, da gedrehte Schnüre 
fich ſtets zu verwideln pflegen. 

Bon der allergrößten Wichtig: 
feit, aber doch leider viel zu wenig 
beachtet, ift folgende Lehre: 

Für ale Angelmethoden, bei 
denen die Schnur mit der Hand 
von der Rolle gezogen wird, alfo 
bauptjächlich bei der Flugfiſcherei 
und auch bei der Grund: und 
Spinnfiiherei nad altem, befier 
gejagt: veraltetem Stil, müflen 
die Schnüre präpariert und fteif 
jein, während fie bei allen Metho- 
den, bei denen die Schnur un: 
mittelbar von der Rolle geworfen 
wird, aus reiner, weicher, unprä— 
parierter, möglichjt dünner Seide 
beftehen müjjen. 

Fig. 232 ftellt unftreitig die befte 
präparierte Schnur amerifanifchen 
Ursprung? dar, welche ſich bejon= 
der für die "Flugangel hundert: 
fältig bewährt hat. 

Was die Schnüre an den Spinn- 
gerten am meiften erhält, das ift 
die richtige Beichaffenheit der Ringe 
an den Gerten, der bewegliche Leit: 
und Kopfring aus hartem Mate: 
rial und das Werfen, Einziehen 
der Schnur und Drillen des Fi— 
ſches mil der nach oben geſtell— 
ten Role. Auch die Flugſchnüre 


Neo, 520. Dr. R. Beinf. 
umdrehen und gewinnt auf dieſe 
Weiſe gleichjam eine neue, faft noch 
intafte Angelleine. Borzügliche 
Seidenjchnüre zum Wurf von Der 
Rolle find die von Wieland in- 
Münden und von Gamage in 
London in den Handel gebrachten. 
Eine der größten Unterlaffungs- 
jünden für den Sportfifcher ift das 


werden mehr gejchont, wenn man 
nur den Wurf mit der abmärts 
gefehrten Rolle macht, zum Auf: 
rollen aber jtet3 die Gerte um- 
dreht. 

Die fteifen Schnüre für die Flug: 
filherei find ohne Ausnahme ge- 


u nn 


er u — — 


an rn ua - 





252. Slugangeljchnur. 


färbt, die weichen Schnüre für die 
Spinnangel fommen meift in weißer 
Farbe in den Handel. Es hat 
Teinen Vorteil, te der ganzen Länge 
nach zu färben, höchitens die un- 
teriten 4—5 m. Man legt fie zu 
diejem Zweck entweder einige Stun- 
den in einen leichten Teeabſud, 
wenn man in bräunlichen Moor: 
gewäflern zu angeln vor hat, oder 
in ftarf verdünnte Tinte, wenn man 
ihnen eine grünliche oder bläuliche 
Farbe geben will. 

Nie joll man zu angeln beginnen, 
ehe man ſich von der Haltbarkeit 
der Schnur durch ſtarkes Ziehen 
überzeugt hat. Man geize, wenn 
die Schnur einmal länger im Ge— 
brauh war, nicht mit ein paar 
Metern, die man dann fo ziem= 
lich jedesmal abreißen muß und 
Ihaffe fich, dies vorausfehend, nur 
Schnüre von einer folchen Länge an, 
daß jie eine jpätere Kürzung gut 


Verſäumnis, unmittelbar nad) jedem 
Gebrauh die Angeljchnüre zum 
Trodnen auszubreiten. Wer dag 
nur einmal vergißt, wird es bitter 
zu bereuen haben. 

520. Der Angelhafen jol weder 
jpröde noch weich jein. Man prüft 
ihn am bejten, ehe man ihn in Ge— 
brauch nimmt, indem man die Spiße 

in einen Korf ſteckt 

d und am Scentel 
einen entjprechend 
ftarfen Zug aus— 
übt. Er darf dann 
weder brechen noch 
ſich abbiegen, jon= 
dern muß federn. 

Man nennt bei 
dem Angelhafen 
(Fig. 233) ab die 
e Spite, be den Bo— 

b  gen,cd ven Schen- 
fel, d den Kopf, 
e den Widerhafen. 

Der Hafen wäre 
in bezug auf Fän— 
gigfeit ideal, wenn die Linie ab 
in ihrer Fortfegung die Linie cd 
in d jchneiden würde, denn dann 
würde beim Anhieb die Spige voll- 
fommen jenfrecht in das Fiſchmaul 
eindringen. 

Ein Hafen von folder Konftruf- 
tion wäre aber aus verjchiedenen 
Gründen nicht zu gebrauchen; man 
muß ſich aber gegenwärtig halten, 
daß je mehr dieje beiden Linien 
den Parallelen fih nähern oder 
gar divergieren, die Spitze deſto 


233. Angel: 
hafen. 


vertragen können. Auch kann man | jchwieriger eindringt. - 


nad) längerer Benügung die Schnur | 


Man wählt daher, wenn man mit 


VII. RAngelfporf. 


einzelnen Hafen fiſcht, von den zahl- 
reihen im Handel vorkommenden 
Hafenformen am 
beiten folche, bei 
denen der ſchäd⸗ 
lihe Winkel mög- 
lichſt Hein ift. Fig. 
234 jtellt einen 
Angelbafen mit 
mittelgroßem ſchäd⸗ 
lichem Winkel dar. 
Bei Drillingen 
kommt es viel we⸗ 
niger auf den ſchäd⸗ 
lichen Winkel an, 
weil ein Haken 
den anderen ſtützt, 
wenn der Drilling 
am Köder fo an- 
liegt, daß er nicht 
ausweichen Tann. 
Die befanntejten 
und am meijten ge- 
braudten Haken⸗ 
fyfteme find aus Tafel II zu er- 
fehen: Sig. 1 ftellt ven Limerickhaken, 
Fig. 2 den Roundbend-, Fig. 3 den 
Bennell: mit Ring, Fig. 4 den Sned- 
bend⸗, Fig. 5 den Lipp- und Fig. 6 
den Perfelthafen dar. 
Zeider find nicht alle Hafen nad) 
der gleihen Skala numeriert, die 
gebräuchlichſte Skala ift die in 


== — oa, 1. 2 oo. — ——— man 





234. Schädlicher 
intel. 


Nro. 521. 


nützt zur SHerftellung fünftlicher 
Fliegen (Taf. VI, Fig. 11 u. 12) 
und für die Schlud- und Froſch⸗ 
angel (Taf. IV, Sig. 21 u. 25). 
Bon Drillingen find die ge- 
bräuchlichſten Muſter auf Tafel II 
zur Anfchauung gebradt, und zwar 
Fig. 7 mit Limerid-, Fig. 8 mit 
Snedbenphalen, Fig. 9 mit dem 
leicht nach auswärts gebogenen, 
extra ftarten Haken für große Raub- 
fiſche. Fig. 10 ſtellt einen Drilling 
dar, deſſen eine Spite pfeilfürmig 
abgebogen ift und dazu dient, feit- 
lich im Köder verſenkt zu werben. 
Um den Halten den Metallglanz 
zu nehmen und fie gleichzeitig vor 
Rost zu ſchützen, werden fie häufig ge= 
ſchwärzt oder bronziert. Geſchwärzt 
werden fie meiſt für die Grund: 
fifcherei und für fünftliche Fliegen, 
während die bronzierten am häufig- 
ften bei den verſchiedenen Spinn⸗ 
Iyftemen in Verwendung kommen. 
521. Zug und Borfad) ftellen 
die Verbindung zwiſchen Schnur 
und Angel her. Dieſes Zwiſchen⸗ 
ſtück heißt bei der Flugfiſcherei 
Zug oder Poilzug, da es ſtets 
aus einer Anzahl von aneinander- 
gefnüpften Poils oder Gutfäden 
befteht, an welches die fünftlichen 
Fliegen angefchlungen werden, und 


IAKINKANNES 


235. Skala der Pennellhafen. 


Fig. 235 wiedergegebene mit den 
für die Herftelung von Ringfliegen 
beliebten Pennellangeln. 
Doppelangeln find im ganzen 
weniger in Gebraud) wie Drillinge, 
am meiften werden fie noch be⸗ 


bei den übrigen Angelmethoden 
Vorfach, zu welhem außer Poil 
auch andere Materialien, wie Gimp⸗ 
Meifing und Stahldraht und in 
der neueſten Zeit auch das Silkcaft, 


Gut, Verwendung finden. 


L« Dr. R. Beinf. 


Poil, der Gutfaden, | mit eigens Eonftruierten Maſchinen 
‚ut, Crin de Florence | hergeftelt und finden ihre Verwen⸗ 
18 der Subitanz gemonnen, | dung teils zu ftarfen Lachszügen, 
elher Die Seidenraupe ihre | teil$ zu Vorfächern fir Die Spinn- 
‚ fpinnt. Kein Stoff ver= | fifcherei. 

in foldem Grade Feinheit,] Das Poil läßt fi wie die 
rkeit, Unfichtlichleit und | Seidenfchnüre gut färben durch 
tät wie das Poil. Se länger, | Einlegen in ſtark verbünnte Tinte 
weicher, Duchfichtiger und | oder Teeabſud. 

mäßiger abgerundet -e3 iſt, Zur Herftellung von Bor 
mehr erhöht fi fein Wert. fächern wurde in früheren Zeiten 
den Lachſsfang muß ed mög: | am häufigſten Gimp (Kern von 
ftart, für den Fang der 0: | Seide mit Metallpraht überjponnen) 
und Aeſche in Maren Ges | verwendet. Jetzt kommt es nur 
sen möglichft fein fein. Das | noch mit Vorteil für gewifje Hecht: 
lich fein gemadte „Aressed | angeln im Gebraud. 

iſt nicht fo koftipielig wie ein) Nicht minder bat fi der Gal- 
lich feines Poil, aber auch vanodraht (gevrehter feiner 
iger dauerhaft. Meifingdraht), obwohl er viele 









)a8 Poil läßt fh, wenn man | Borzüge vor dem Gimp aufmeilt, } ı,, nl 


vorher längere Zeit angefeuchtet | ala Material für Vorfächer über | 
‚ gut zufammendrehen und | lebt, nur zur Herftellung der Tief 
pfen. In trockenem Zuſtande | fee-Schleppangeln ift er bis jeht 
es Dagegen ſehr brüchig. noch unübertroffen. 
Die Verbindung mehrerer Poils! Dagegen hat ſich der Stahldraht, 
hieht mittels des einfachen | meldher vor einigen Sahren zuerit 
er des noch haltbareren, ver⸗ von Hardy Broth8, drei bis 
irkten Fiſcherknotens (Fig. zwölffach zuſammengedreht, unter 
6u.237). Man legt beide Poils dem Namen „Punjabdraht“ einge: 
| führt wurde, raſch eingebürgert 
und die alten Vorfächer verdrängt. 
Seitdem wurde auch noch der ein- 
fache Stahloraht vielfah in An⸗ 
wendung gebradt. 
Der Punjabdraht kommt meift 
zu fertigen Vorfächern verarbeitet 
und mit Wirbeln verjehen in den 
neinanvder, bindet mit jedem einen | Handel, und zwar in Stärken von 
infahen Knoten um das andere | 0,4—0,8 mm, entjprechend ben 
Zoil, zieht die Schlinge feft zu verſchiedenen Fiſchgattungen, für 
ind schneidet die vorftehenden | deren Yang er beftimmt ift (Taf. V, 
Enden ab. Beim verftärkten Knoten | Fig. 5). So außerorventlich ftart 
nat man mit den PBoilenden noch | und dauerhaft er ift, folange er 
je einen einfachen Knopf, ehe man | nicht gefnict wird, fo haben dod 
ſie abfehneidet, Man reiht jo Voil | die Borfäher eine gemilje Nei- 
an Poil bis zur Länge von 1'/, | gung, durch den Gebrauch wellig 
big 2'/, m, knüpft Die beiden zu werden und ihre ſchöne gerade 
Enden zu je einer Schlinge und hat | Streckung einzubüßen. Obwohl der 
jo den fertigen Poilzug. | Bunjabdraht weniger empfindlid 
Gedrehte Poilzüge werben | ift wie der einfache Stahlbraht, fo 









236 u. 237. Fiſcherknoten. 








VII. Angellporf. 


ziehe ih doch den lekteren aus 
verfchiedenen Gründen vor: Die 
Punjabvorfäher find verhältnis: 
mäßig foftfpielig, mährend ver 
Stahldraht fo viel wie nichts koſtet 
und fich die Vorfächer jpielend zu 
Haufe und felbft noh am Wafler 
anfertigen laffen. Hat ein ſolches 
Vorfach den geringften Defelt, jo 
wirft man es einfach weg und holt 
ein anderes hervor. 

Ach benütze für die Spinnfifcherei 
auf Forellen einen verzinkten 
Stahldrahft aus der Yabrif von 
Selten u. Guillaume in Mühlheim 
a. Rh. von 0,3 mm Stärke (Taf. V, 
Fig. 6), für die Hecht: und 
Huchenangelei einen grau orxydier⸗ 
ten gemwöhnliden Stahldraht von 
0,4 mm Querſchnitt (Taf. V, 
Fig. 7). Die Drähte fchneide ich 
in je 1m lange Stüde und drehe 
das obere und untere Ende zu 
einer einen Schlinge zufammen. 
Meine Vorfächer find alfo weder 
mit Wirbel noch mit Blei ausge⸗ 
ftattet, fondern nur ein wertloſes 
Stück Draht, Senker und Wirbel 
werden erft beim Gebrauch einge: 
Tchlungen. 

Ein foldes Stahldrahtvorfach 
ift im Waſſer ganz unfichtbar, und 
was es aushält, grenzt an Fabel⸗ 
bafte. In Norwegen mußte ich da- 
mit im Suli 1906 einem 29pfün- 
digen Lachs 2 km weit über eine 
Anzahl Stromichnellen jtromab- 
wärts folgen, der mich einen Kampf 
von 40 Minuten koſtete. Der Fiſch 
hatte jih von außen gefangen, das 
Borfach erichnappt und eg während 
der ganzen Zeit quer im Rachen 
gefaßt. Es gelang ihm aber nicht, 
es durchzuſcheuern oder abzudrehen, 
vielmehr trug er tiefe Einjchnitte 
an der Zungenbaft3 und an beiden 
Mundwinkeln davon. 


Niro. 522. 


welchem das Angelſyſtem feſt ver- 
bunden war, ein leicht abnehmbares 
und raſch wieder zu erſetzendes, 
25—50 cm langes Zwiſchenſtück, 
welches ich Zwiſchenfach nennen 
will, ein, das aus feinem Punjab⸗ 
oder oxyd. Stahldraht gefertigt und 
an dem einen Ende mit einer 
Schleife, am andern mit einem 
Einhänger (Taf. II, Fig. 19) ver- 
ſehen ift (Taf. V, Fig. 8). Meine 
Spyiteme inkl. künſtliche Spinnköder 
endigen am Kopfteil mit einem 
Wirbel und find fo kräftig wie 
möglich gearbeitet, die Verbindung 
mit der Schnur, Zwifchenfad und 
Borfach find dagegen jett fo fein 
und unfichtlih, daß die Raubfifche 
dadurch gar nicht mehr abgefchrect 
werden können, wie das früher jo 
oft der Fall war. 

522. Die Wirbel oder Umläufe 
haben den Zwed, dag Spinnen 
der Köder zu ermöglichen, ohne 
daß die Schnur fi gleichzeitig 
verdreht. | 

Man unterfcheidet gefchlofjene 
und Einhängmirbel, die entweder 
aus Stabl oder aus Meifing her⸗ 
geftellt find. Letteres hat den Bor: 
teil, nicht zu roften, Stahl verbiegt 
fih nicht fo leicht. Deswegen eignet 
fih Meffing mehr für gefchloffene 
Wirbel, Stahl mehr zum Einhängen 
der Angel. 

Taf. II Fig. 11 zeigt den ge— 
bräuchlichſten geſchloſſenen Meffing- 
wirbel, Fig. 12 den geſchloſſenen 
Stahlwirbel, Fig. 13, 14 u. 15 den 
Schlangen-, Karabiner- und Buckel⸗ 
wirbel. Der Buckelwirbel eignet 
ſich nur für Schleifen, die ſich ab— 
biegen laſſen, alfo nicht für ftarren 
Draht, der Karabinerwinkel ſchließt 
nicht immer bermetifch, jo daß feine 
Drabtichleifen herausrutichen kön— 
nen, der Schlangenmwirbel dagegen 


Zwiſchen Blei und Angelflucht | hat nicht nur den Vorteil, für alfe 
fchalte ich ftatt des in der bisherigen | Schleifen zu pafjen, fondern aud) 
Praxis üblichen Angelvorfaches, mit | den, daß er der gebrungenjte und 


Nro. 523. 


am wenigften auffallende ift, fo 
daß ihm, meiner Erfahrung nad, 
die Balme gebührt. 

Nicht unerwähnt darf der Nadel: 
wirbel (Fig. 16) bleiben, der fi) 
weitaus am beiten eignet zur An: 
bringung an den verjchiedenen 
Spinnſyſtemen und Tünftlichen 
Köderfifchen. 

Fig. 17 ftellt den Doppelfeder- 
wirbel, Fig. 18 einen doppelten 
Karabinerwirbel, wie er bei ber 
Tieffeeangel zur Verwendung 
kommt, um dide Drahtſchnüre mit- 
einander zu verbinden, ig. 19 
ſchließlich einen einfachen Einhänger 
d 


ar. 

Meſſingwirbel werden rationeller⸗ 
weiſe mittels einer Metallbeize 
ihres Glanzes beraubt. Ratſam iſt 
es, ſämtliche Wirbel von Zeit zu 
Zeit zu ölen. 

523. Als Senker dienen je nach 
den Angelmethoden Gewichte aus 
Blei von dem einfachſten Schrot 
bis zu 1 Kilo ſchweren Senkbirnen. 

Für die Grundangel ſind 
außer durchlöcherten und bis zur 
Mitte geſpaltenen Schrotkörnern 
Bleifolien, beſonders aber Blei- 
draht, im Gebrauch, den man in 


beliebiger Länge, je nach Bedarf, | F 


um daß Vorfach windet. 

Für die Spinnangel benügt 
man am beiten erzentrijche Bleie, 
welde das Berdrehen der Schnüre 
verhindern. 

Unübertroffen find die Farlow⸗ 
ſchen Bleie mit zwei Schlangen 
wirbeln (Taf. II, Fig. 20 u. 21), 
welche zwifchen Borfach und Angel- 
fyftem eingefchaltet werden, wenn 
das Vorfach nicht ſchon mit einem 
Wirbel verſehen iſt. 

Die Archer⸗ Jardineſchen Einhäng⸗ 
bleie (Fig. 22 u. 23) dienen dazu, 
an bereits mit Wirbeln montierte 
Borfächer angefchlungen zu werben. 
Sie laſſen fih leicht halbmond⸗ 
förmig ausbiegen, wodurch - auch 


Dr. R. 


Keinh. 


da8 Berdrehen der Schnur um: 
gangen wird, 

Daß Kopf: oder Kappen: 
blei (Fig. 24) findet feine Ver: 
wendung hauptſächlich bei der 
Forellenfiſcherei mit Müblkoppen. 
Zmweddienlich ift es auch bei meinem 
Köhrchenipinner, wenn man den 
Köder tief ſenken will. 

Das Dee- oder Zapfen: 
blei (Fig. 25) dient dazu, das 
Gewicht in den Köderfiſch zu ver: 
legen, ſpeziell zu dem Zweck klei⸗ 
neren Ködern mehr Eigengewicht 
zu geben und dadurch den Wurf 
zu erleichtern. Auf Taf. IV, Fig.7 
und 8 iſt es im Syſtem zur An⸗ 
ſchauung gebracht. 

Das Bodenblei (Fig. 26) 
findet dann Verwendung, wenn es 
ſich darum handelt, den Köder auf 
dem Grund des Fiſchwaſſers liegend 
zu erhalten. 

Das birnförmige Blei 
(Fig. 27) hat den Zweck, bei der 
ſogen. Paternoſterfiſcherei Fühlung 
mit dem Grund zu behalten. 

Das Tiefſeeblei dient zur 
Befiſchung großer Tiefen mit der 
Schleppangel. Man benützt dazu 
— birnförmige Bleie, wie in 
ig. 27. 

Das Lotblei (Fig. 28) dient 
zur Ermittlung der Tiefe, in die man 
die Örundangel zu verjenten hat. 

Das Gleitblei (Fig. 29) tut 
vorzügliche Dienfte bei der Schlepp- 
fiiherei von ber Gerte. Einer der 
drei Ringe ift doppelt, fo daß man 
die Schnur in beliebiger Entfer- 
nung vom Köder einklemmen kann. 
Beißt ein Fiſch, fo löſt ſich die 
Schnur durch den Ruck, das Blei 
gleitet bis hinab zum Vorfach und 
dem Aufhaſpeln der Schnur ſteht 
kein weiteres Hindernis entgegen. 

Fig. 30 ſtellt ſchließlich noch ein 
exzentriſches Blei mit zwei End⸗ 
ringen, nach Geen, dar, die in 
einer Meſſingleiſte beweglich rotie⸗ 


ren können. Die Ringe find mit 
den von mir viel gebrauditen Ein- 
hängern außgejtattet. 

524. Das Floß oder der 
Schwimmer hat den Zwed, den 
Köder in einer bejtimmten Tiefe 
fchwimmend zu erhalten und durd) 
feine Bewegung zu zeigen, wenn 
ein Fiſch gebiffen hat. Das Floß 
ift beſonders zwedmäßig, wo der 
Köder ganz nahe am Grunde über 
eine weite Strede fortihwimmen 
fol, oder da, wo der Grund mit 
Waſſerpflanzen bedeckt oder jchlam- 
mig ift, ferner, wo mit lebenden 
Ködern nah Raubfiſchen geangelt 
wird. 

Man wählt das Floß fo leicht 
als möglich, aber immer der Tiefe 
des Waflers, der Stärke der Strö- 
mung, der Schwere des Köders 
entjprechend. 

Die leichteften Flöße werden aus 
Gänfe- oder Schwanentielen (Taf. II 
Fig. 31), aus Stachelſchweinborſten 
(Fig. 32) oder aus Zelluloid her: 
geftellt. Dann kommen die Kork: 
flöße in allen Größen, je nad) Be- 


darf. | 

Beliebt find auch Flöße mit 
Hohlraum zur Aufnahme von 
Schrotkörnern oder mit Bleidraht- 
ummidelung, die fi genau jo 
regulieren lafjen, daß nur der 
Kopf eben fichtbar ift. 

Für die Shnappangel mit 
lebendem Köder dienen größere 
Flöße aus Kork, die ſich ſchnell in 
der gewünſchten Höhe einitellen 
lafjen (Fig. 33). 

Sehr zweckdienlich ift das fog. 
gleitende oder Nottingham— 
floß (Fig. 34), welches den Yang 
von Fiſchen auf weite Diltanz er- 
möglidt. 

525. Landungsgeräte. Kleinere 
Fiſche Tann man wohl, wenn das 
Angelzeug ſtark genug ift, ohne 
Zandungsgeräte direkt von der 
Gerte aus auf das Ufer heben, 


VII. Angellporf. 


Nro. 524—525. 


größere Fifhe auch auf eine flache 
Kiesbank herausscleifen. Nie jollte 
man aber, ohne die Schnur ver: 
fürzt zu haben, einen Fiſch aus 
dem Waſſer fchleudern, das ijt 
roh und ſportswidrig und überan- 
ftrengt nutzlos das Angelzeug, ins⸗ 
beſondere die Gerte. Gewandte 
Fiſcher verſtehen es oft mit Geſchick, 
auch ſchwere Fiſche durch einen 
ſicheren Griff in die Kiemen oder 
Augenhöhlen zu landen. Aber nicht 
immer iſt die Situation ſo günſtig, 
daß man ſo nahe herankommen kann. 
Es iſt daher ratſam, ſich ſtets mit den 
Landungsgeräten zu verſehen, die 
man im ſpeziellen Fall nötig haben 
könnte. 

Es gibt zweierlei Geräte, jedes 
in ſeiner Art unentbehrlich: das 
Landungsnetz (Kejcher) und 
denLandungshakenoder Gaff. 

Das Landungsnetz gehört 
zur Ausrüſtung des Flug-, Grund⸗ 
und Schleppangelfiſchers und kann 
manchmal auch bei der Spinn— 
fiſcherei dienlich ſein, obwohl hier 
der Gaff, beſonders wenn man es 
einmal mit Fiſchen über 4—6 Pfd. 
zu tun bat, vorzuziehen ift. 

Des bequemeren Tiransportes 
wegen ift ein Net zum Anjchrauben, 
eventuell auch zum Zuſammen⸗ 
Happen, angezeigt, auch der Gaff 
ift leichter unterzubringen, wenn 
er zum Schrauben gerichtet ift. 

Praktiſch ift eg, wenn beide im 
Gewinde an einen und denjelben 
Stod paffen uud dieſer fi) noch 
zufammenflappen und an den Rud: 
ja hängen läßt (Zaf. I, Fu. G). 
Das Landungsneß fei leicht, mo: 
möglich aus Seide, baufdig und 
imprägniert, fo daB es eine ge- 
wiffe Steifheit behält. Für Die 
Schleppfifherei haben Gaff und 
Netz am beiten einen furzen Stiel, 
während beim Spinnfiihen vom 
Kahne aus der Stiel bis zu 2m 
lang fein folte. Man kann ihn 


Niro. 526-527. 


bejjer dirigieren, wenn man das 
Ende unter der Achjel einftemmt. 

Angelt man auf große Raub- 
fiide an nicht zu hohem Ufer ent: 
lang, dann bewährt fich der fogen. 
Telesfopgaff (Zaf. I, H), ver 
fih im Moment des Bedarfes in 
drei Teile augeinanderziehen läßt. 

Dad Landungsneg wird unter 
den Fiſch gehalten und im richtigen 
Augenblick gehoben; den Gaff hält 
man quer über den Rüden, Spike 
nad unten, nimmt Fühlung, zielt 
gut und madht zum Anfchlag nur 
einen furzen Rud, dann hebt man 
den Fiſch vorſichtig und nicht mit 
Vebereilung heraus. Man merfe 
fi die vier Tempi; blinder Eifer 
fhadet nur. Hat man einen Ge- 
bilfen bei der Landung, dann läßt 
man ihn mit dem audgeftredten 
Gaff, Spige nad) oben, unbeweg⸗ 
ih an dem Flußrand niederfauern 
und zieht den Fiſch jo über dem 
Gaff heran, daß jener nur einen 
furzen Ruf zu maden braudt, um 
ihn dingfeft zu machen. 

526. Sonftige Gerätichaften. 
Bei der Auswahl und Anſchaffung 
der jonftigen, für die Sportangelei 
beftiimmten Gerätichaften muß der 
Neuling unterfcheiden lernen: 1.was 
er für die von ihm bezwedte Angel 
methode und das von ihm zu be= 
fiidende Waſſer notwendig 
braucht, und 2. dag, was zu einem 
gewiſſen Luxus und zur perjün- 
lichen Xiebhaberei dient. Der eine 
hat nur Sinn für das abjolut Un: 
entbehrlihe, der andere hat feine 
Freude an einer hübſchen Ausftat- 
tung und liebt es, einigermaßen 
Aufwand zu maden. 

Auf Tafel III find eine Menge 
mehr oder minder notwendiger 
Utenfilien zur Anſchauung gebradt, 
aber genau betrachtet, dient jeder 
Gegenftand einem fo prägnanten 
Zwecke, daß ein jogen. all-round 
Fiſcher, wie die Engländer jagen, 


Dr. R. Being. 


nad) und nach dazu fommt, fich jo 
ziemlich die ganze Lifte anzufchaffen. 

Fig. 1, 2 und 3 find die Löfe- 
inftrumente für hängengebliebene 
Angeln im Wafjer oder an Bäumen, 
Fig. 4 eine einfahe Hechtichere, 
um großen Raubfifchen beim Löfen 
der Angel das Maul aufzujperren. 
Fig. 5 und 6 find einfache Hafen= 
löſer. 

Fig. 7 ſtellt die Ködernadel, 
Fig. 8 die Fiſchwage, Fig. 9 und 
10 den Köderfiſchkeſſel mit Einſatz, 
Fig. 11 eine empfehlengwerte Köder- 
fiſchbüchſe, Fig. 12 den Fiſchkorb 
dar. Fig. 13 ift eine praftifch 
außgeftattete Brieftaſche für den 
Grundfifcher, Fig. 14, 15, 16 und 17 
zeigen das für die Ausrüftung des 
Flugfiſchers wichtige Fliegenbuch, 
die Büchſen zum Aufbewahren der 
Ringfliegen und zum Wäſſern der 
Züge. Die Büchſe, Fig. 18, dient 
zur Aufnahme des Spinnzeuges, 
Fig. 19, 20 und 21 zur Aufnahme 
von Würmern und Heuſchrecken, 
letztere iſt am Gurt zu tragen. Das 
Netzchen, Fig. 22, dient zum Fang 
von Pfrillen und ift gleichzeitig zum 
Fang von Krebjen zu gebrauchen. 
Fig. 23 ftellt einen fehr praftifchen 
Miniaturftahl für die Weftentafche, 
Fig. 24 den umentbehrliden Rud- 
jad dar. Fig. 25 und 26 endlid) 
find Transportgefäße für lebende 
Fiſche. Das legtere, nah Ehmant, 
läßt fich zufammengelegt bequem 
im NRudjad transportieren und 
bietet den großen Borteil, daß man 
das Waſſer auf die-einfachite Weiſe 
erneuern Tann. | 

527. Zur Heritellung, Erneue⸗ 
rung, Ronjervierung und Färbung 
von Angelzeug jollte jeder Sport: 
fiider eine Anzahl Geräte und 
Chemikalien vorrätig haben, um 
nicht gezwungen zu fein, wegen 
jeder Kleinigfeit oder unbedeutenden 
Reparatur zum Gerätehändler 
Ihiden zu müſſen. 


VII Angelfporf. 


So follten in feinem Anglerheim 
fehlen: die unentbehrlihen Flach⸗-, 
Rund» und Zwidzangen, ein 
Heiner Sandfhraubftod, rote 
und weiße Seide,Neufilbers, 
Stahl: und Kupferdraht in 
verfchiedenen Stärken und was jehr 
wichtig ift: ein Blechtöpfchen mit 
Tinol, der jett allgemein fäuflichen, 
flüfftgen Lötmaffe, durch die die 
ganze Brozedur des Lötens jo ein- 
fach geworden ift. 

Man ſteckt ein etwa 12 cm lan⸗ 
ges Stück Kupferdraht von zirka 
l mm Dide durch einen Medizin: 
flafchenforf der ganzen Länge nad) 
dur und biegt dann etwa 2 cm 
davon jo ftark zurüd, daß es mit 
dem Hauptodraht eine enggeichloffene 
Rinne bildet: In diefe Rinne bringt 
man eine Eleine Spur Lötbrei, er: 
bitt den Stab über einer Spiritus 
lampe, hält den zu lötenden Gegen= 
ftand dicht neben, aber nicht in 
die Flamme, und dann die Rinne 
mit der Lötmaſſe darüber, während 
man den Kupferdraht noch meiter 
erhitzt. Das nun überfließende 
Zinn wird in die zu lötende Stelle 
gleih mit der Kupferrinne einges 
rieben und verteilt. Mit Hilfe des 
Tinols Tann man fich feine Angel: 


baten felbjt an Draht löten, nach⸗ 


dem man fie vor: 
ber mit feinem 
Neufilberdraht an: 
gewunden hat. Zum 
Befeftigen der Ans 
geln an Gimp oder 
Poil dient ein ge- 
wichſter Seiden: 
faden und fonmt 
hiebei noch die alte 





borgenen Kno- 
ten, Fig. 238, zur 
Geltung. Die Bün: 
de werden mit 
weißer Schellacklöſung überpinfelt 
und je nachdem mit Aluminiums 


238. Derborgener 
Knoten. 


Technik vom ver: 


Nro. 528. 


bronze bejtridden, wenn der Hafen 
äußerlich an einem filberglänzenden 
Köder anliegen foll. 

Die Gerten müfjen öfter mit 
Marsöl abgerieben und die Hülfen 
gut eingefettet werden. Wenn die 
Angelſaiſon vorüber ift, follte man 
nicht verfäumen, jene mit Bernftein- 
lad, bei braunem Holz mit Spiritus: 
lad, zu behandeln und fie dann 
bängend, nicht in einer Ede ftehen, 
aufzubewahren. 

528. Natürliche Köder. Unter 
diejen jpielt, und zwar faft aus- 
Ihließlich zum Fang der Friedfifche 
und Barjhe, der Regenwurm 
die Hauptrolle. 

Man unterfheidet den Tau: 
murm, der fih hauptſächlich im 
arten und Feld vorfindet und mit 
Borliebe unter Brettern aufhält, 
den Rotwurm, der in Dünger: 
haufen lebt, und den Gold- 
ſchwanz, einen Kleinen, gelb und 
rot geftreiften Wurm, der auch mit 
Vorliebe in verrotteten Dünger: 
haufen vorkommt. 

Der Taumurm wird bauptfäd- 
lih im trüben Waffer, Herbſt und 
Winter, die beiden anderen bei 
hellem Waffer und im Sommer ala 
Köder benüst. 

Man reinigt die Würmer in 
feuchten Moos, entfernt die toten, 
füttert die lebenden mit etwas 
Mil und hebt fie an kühlem Orte 
auf | 


Sleifhmaden gewinnt man 
durch Einlegen von etwas Leber in 
einem Blechgefäß mit durchlöchertem 
Dedel und Boden, welches man auf 
einen Topf mit feuchten Sand ftellt, 
wohinein die Maden fallen und fid) 
reinigen. 

Mehlwürmer fauft man bei 
einem Mehl: oder Bogelhändler, 
fie haben den Vorzug, appetitlicher 
zu fein. 

Bon anderen Ködern find zu er: 
wähnen: Heufhreden, Mai: 


Niro. 529. 


und Bradfäfer, Fröſche, 
Garneelen, große Fliegen, 
bejonders die Mai- und Stein: 
fliege, Shmetterlinge, Flie- 
genlarven, Raupen. 

Hat man feine Inſekten und 
Würmer zur Hand, dann födert 
man mit Teigen aus Brot und 
Käſe, mit Honig, Waſſer und Mehl 
verrieben. 

Sehr gut find auch Halb gar 
gefohte Mafaroni, die man in 
2—3 cm langen Stüden über einen 
Heinen Drilling ftülpt, halb gar 
gefochte Erbjen oder nod) bequemer: 
große Büchfenerbjen, Kirchen, Talg- 
grieven 2c. 

Fiſche dienen zum Fang von 
Raubfiſchen, und zwar Pfrillen oder 
Elrigen, Grundeln und Mühlfoppen 
für Forellen und Barjche; Lauben, 
Hajel, Kleine Döbel, Kreßlinge und 
große Mühlfoppen für Hechte und 
Huden. Kleine Plötzen find zur 
Spinnfifherei weniger brauchbar 
wie zu den anderen Angelmethoden. 

Friſche Köderfiſche find beliebter, 
nüßen fich aber rafcher ab, wie in 
Formalinlöjfung aufbewahrte Köder. 
Wichtig ift es, immer durch einen 
Vorrat von legteren für alle Fälle 
verjorgt zu fein. 

Man legt eine Anzahl frischer 
Köder in ein Konjerveglas mit luft: 
dihtem Verſchluß und füllt es bis 
zum Rande mit einer 2proz. For: 
malinlöfung. Die Löjung muß, 
wenn ſie nad einiger Zeit trüb 
wird, erneuert werden. Wenn das 
Glas nicht zu dicht mit Ködern ge- 
füllt war, ift eine wiederholte Er— 
neuerung oft erft nah Wochen 
notwendig. Gut ift ein Zuſatz von 
Glyzerin, welches die Fifche ge— 
fchmeidiger erhält. 
> Lebende Köderfifche wer: 

den zum Fang von Hechten, Huchen 
und Barjchen verwendet, ein ge: 
rechter Sportfifcher jollte jedoch nur 
davon Gebraud ‚machen, wenn die 


Dr, R. Beink. 


Berhältniffe fo gelagert find, daß 
andere Methoden nicht zum Ziele 
führen. 

529. Künftlide Köder kommen 
in erjter Linie für die$lugangel 
in Betradt. Sie bieten die Hand 
für die reinlichite, appetitlichite und 
gleichzeitig kunſtvollſte Angels 
methode, die leider nur auf gemiffe 
Fiſcharten Verwendung finden fann. 

Man nennt die fünftliben Köder 
für die Flugangel kurzweg „Flie= 
gen“, obwohl nur ein Teil ſolchen 
nachgebilvdet ift. Viele find reine 
Phantafiegebilde, andere find Nach: 
bildungen von Raupen, Käfern, 
Spinnen, Ameifen. 

Man unterjcheidet demnach: 

1. Raupenfliegen (af. VI, 
Fig. 1) oder Palmer, ohne Flügel; 

2. Käfer (Fig. 2); 

3. geflügelte Fliegen (Fig. 3); 

4. jummende oder Hechelfliegen 
(Sig. 5); 

5. PVhantafiefliegen (Fig. 6), zu 
denen alle Lachs-, Meer- und See— 
forellenfliegen (Fig. 12 und 7), aber 
auch viele Aejchen- und Forellen- 
fliegen zu rechnen find. 

Die richtige Wahl einer Fliege 
ift eine große Kunft, die fih nicht 
jo leicht erlernen läßt, der An— 
fänger ſuche ſich daher einen er- 
fahrenen Lehrmeifter oder hole fich 
Rat in einem größeren Handbuch 

der Angelfiicherei. 








Die Ftünft 

3 lien Köder 
= fürdie®rundangel, 
= wie 3. B. die Nach: 
=r bildung von Wür— 


—9 


mern, haben alle 
keinen Wert, mit 





Ausnahme der 
Kohlraupe (Fig. 
239. Künſtliche 239), welche in Eng⸗ 


Kohlraupe. land viel zur Win— 


terfiſcherei auf Ae— 
ſchen verwendet wird. 
Dagegen ſpielen die künſtlichen 


— — — —, —— ——— — — rn rm 


VII. Angelſyort. 


Köder bei der Spinn= und bejon- 
ders bei der Schleppfifcherei eine 
große Rolle. 

Man muß unterjcheiden zwiſchen 
ſolchen, die nur entfernt durch ihr 
Sligern und Glänzen einen leben- 
den Fiſch vortäufchen und zwijchen 
jolhen, die auch in Form und Aus: 
jehen einem Filche ähneln. 

Zu den erjteren find zu rechnen: 


der Löffel (Fig. 240), der Otter 


(Fig. 241), der Sturm= und Heing- 
föder, von denen fich bejonders der 





l 242. 
Phantom 


240. Köffel. 241. Otter. Minnow. 


legtere auf große Hechte 2c. bewährt 
hat und der bei Wieland zu haben 
ift. Von den letteren erwähne ich 
in Kürze das Patent Phantom 
Minnow (Fig. 242), welches in allen 
Größen, vom Heinften Forellen bis 
zum größten Hechtföder in den 


Handel fommt. 


Zwiſchen beide Grundfyfteme find 
die jogen. Blinker einzureihen, 
welche zwar der Form, dem Umrif 
nad, bejonder8 wenn fie in Bes 
wegung find, einen Köderfifch vor— 
täufchen, aber nur aus einem Stüd 








Nee. 529, 


eine verfilberten Neufilberbleches 
hergeſtellt find. 

Da iſt nun zuerft der famofe 
Sardablinfer (Fig. 245) zu er- 
wähnen, der fi auf Saiblinge und 

Geeforellen 
vielfach be= 
währt hat. 

Ihm und dem 

ähnlichen Co- 
merjeeblinfer 
habe ich meinen 
von Wieland 
patentierten 
Silberblin 
fer nachgebil- 
det, von dejjen 
Bortrefflichkeit 
in allen Größen 
und für alle 
Raubfiſcharten 
ich mich viel— 
fältig überzeugt 
habe. 





243 u. 244. Silberblinker für Forellen 
und Hechte. 





Nro. 530. . Dr. R. Beinf, 


Fig. 243 ift für die Fluggerte be- 
ftimmt, eine Zwifchengröße für die 
Spinnangel auf Forellen. Fig. 244 
dient zum Fang von Hechten, Fig.246 





246. Silberblinfer für £achfe und Buchen. 


hat nur zu zahlreichen Lachjen 
und Huden, bis zu 30 Pfund 
Gewicht, verholfen. 


jpinner, einen beliebten Spinnföder 
für Forellen und Barfche, Fig. 248 
diefpinnende Alerandra aus Pfauen⸗ 
federn für die Flugangel dar. 






\ 
1 





242. Devonfpinner. 





248. Spinnende Alerandra. 


530. Die Grundfifdherei, Bon 
den Angelmethoden ift die 
befanntefte und verbreiteifte Me⸗ 
thode die Grundfifcherei. 

Leider wird die Grundfifcherei 
vielfach von Tagedieben mit dem 
gröbften Angelzeug auf eine nicht 
weniger als kunſtvolle Art betrieben, 
fo daß das große Publifum, welches 
von der eigentlichen Sportfifcherei 
feine Ahnung bat, die edle Kunft 
des Angeln? mit Beratung zu 
ftrafen pflegt. Sieht e8 ja für ge— 
wöhnlich nur Topffiicher, die ſtun⸗ 
denlang am felben led figen und 
nur hie und da ein elendes Schwänz- 
chen erbeuten, und hat felten oder 
nie Gelegenheit, einen richtigen 
Sportangler zu beobadten. 

Sobald fih die Grundfifcherei 
vom groben Material emanzipiert 
und fih auf die Erbeutung der 


Fiſche mit dem denkbar feinften 


Zeug, mit den, bejonderd von den 
Engländern in Schwung gebradten, 


| kunfivol ausgebildeten Fangweiſen 


befaßt, hat fie volles Recht, neben 
den fportlih am höchſten ſtehenden 
Methoden, der Flug: und Spinn- 
fifcherei, einen ehrenvollen Platz zu 
beanspruchen. 

Nicht alle Provinzen und Gaue 
eines Landes find gefegnet mit Ge- 


dig. 247 endlich ftellt den Devons- wäfjern, wo nur Salmoniden ge: 


9 
\ 


VII. Angel[port. 


deihen, fondern wo in den trägeren 
Flüffen und flahen Seen nur Ber- 
treter der Barfchfamilie und Cypri- 
niden, Verwandte des Karpfen, vor- 
fommen. Unter diejen gibt es aber 
gar mande Arten, von denen die 
größeren Eremplare nur mit der 
raffinierteften Vorſicht überliftet 
werden können. Darum ift es 
wichtig, fi nicht nur genau über 
die verfchiedenen Fangweiſen zu 
orientieren, ſondern auch dag feinfte 
und bejte Angelzeug zu befchaffen. 

Man unterfcheidet: 

a) Die Grundangel ohne Floß; 


b) „ r mit „ 
c) ” ” ” gleiten 
dem 


3ioß; — 
d) die Grundangel mit feſtliegen⸗ 
dem Floß; 

e) die Grundangel mit Bodenblei. 

f) Heben und Senken. 

a) Die Grundangel ohne 
Floß findet Verwendung in ſeich⸗ 
ten Bächen und Flüffen mit un- 
gleihem Grund, bei trübem Waſſer 
und bei ſtarkem Pflanzenwuchs mit 
wenig freien Stellen dazmijchen. 

Material: Leichte Grundgerte, 
3,20 m lang, 8 em Nottingham- 
oder einfade Chefrolle, feinite 
Seidenſchnur, .präpariert oder un: 
präpariert, kurzes Vorfach von ein- 
fachem Poil, etwa 80 cm lang, 
fein Senter, höchſtens 1—2 Schrot- 
förner. Köder: Wurm. Gignet fich 
für den Fang der meiften Fried- 
fiſche, beſonders aber aud für 
Forellen. Taf. IV, Fig. 1 zeigt 
die Anköderung auf die gewöhnliche 
Art, Fig. 2 und 3 dag Steward⸗ 
he Hakenſyſtem allein und be- 
füdert. Nah Fig. 4 oder 5 kö— 
dert man den Wurm, wenn er auf 
dem Boden aufliegen foll, nad 
Fig. 6 mit einem ganzen Büfchel 
auf große Filche. 

- Man balte ſich möglichſt vom 
Ufer entfernt, trete leife auf, lafje 
den Köder in alle Löcher fpielen. 


Nro. 530. 


Mit der linken Hand halte man 
etwas lodere Schnur, um, wenn 
der Fiſch beißt, gleich nachlaſſen zu 
fönnen, der Anhieb erfolgt nad) 
etwa 3 Sekunden, aber nur durch 
eine Drehung des Handgelenteg, 
nicht mit einem ftarfen Rud. Man 
gewöhne fih an, auf zwei Tempi 
zu adhten: Im erften wird nur an 
gehauen, vor dem zweiten hat man 
zu überlegen, ob der Fiſch, wenn 
er Klein iſt, herausgeſchleudert oder 
gehoben, oder wenn er größer ift, 
gejchleift oder gedrillt werden muß. 

b) Die Grundangel mit 
Floß wird hauptfählich in Flüffen 
und Seen der Barben= und Blei- 
region angewendet und beginnt nad) 
der Laichzeit im Juli, wird aber 
erft ſpäter einträgli. Sm Winter 
beißen nur noch Barſch, Döbel, 
Plötzen. 

Wichtig iſt das Anfüttern mit 
Grundködern (ſ. d.) an beſtimmten 
Plätzen, wenn man Erfolg haben 
will, auch iſt es ratſam, kleine 
Mengen des eben benützten Köders 
während des Angelns ins Waſſer 
zu werfen. 

Die Gerte muß an Stärke und 
Elaſtizität im Verhältnis zu den 
Fiſcharten ſtehen, auf die man 
angelt, und dementſprechend auch 
das übrige Angelzeug. So ver— 
wendet man auf Barſche, Lauben, 
Kreßlinge 2c. feinſtes Zeug, auf 
Karpfen, Barben, Bleie 2c. ſtärkere 
Sanggeräte. Wer auf beiderlei 
ausgeht, kann fich helfen, wenn er 
fih eine Gerte mit einer langen, 
feinen und einer furzen, ftarken 
Spike anſchafft. Lange Gerten 
haben den Borteil, daß man nicht 
jo nahe an die Fiſche heran kom— 
men muß und die Spite direkt 
über dag Floß Halten kann. Das 
übrige Angelzeug fei wie bei a), 
das Floß fei jo leicht wie möglich, 
man bringe ed fo an, daß der 
Köder eben den Sen 


Nro. 530. Dr. R. 
dabei ift darauf zu achten, daß das 
Floß zu etwa |, feiner Länge unter 
die Oberfläche finkt, was man durch 
die entiprehende Beſchwerung mit 
Bleifhrot oder Bleidraht erreicht. 

Wichtig ift e8, die Tiefe der 
Angelitelle auszumeſſen, zu welchem 
Zwecke man ſich eined Lotes 
(Taf. II, Fig. 28) bedient, in wel⸗ 
ches unten ein Stüd Kork einge: 
lafjen if. Man führt den Angel— 
hafen durch den Ring und befeitigt 
ihn in dem Korf. 

Sobald ein Fijch gebiſſen Bat, 
was fih durch Untergehen des 
Floßes bemerkbar madt, muß der 
Anhieb erfolgen, ob aber fofort oder 
nach einer kleinen Baufe, das hängt: 
von der Fiſchart ab, auf die man 
angelt. 

c) Die Grundangel mit 
gleitendem oder Notting- 
hHamfloß (Taf. IL, Fig. 34) 
findet Anwendung, wenn man in 
Tiefen fiſchen will, die größer find 
als die Länge der Gerte. Um zu 
verhüten, daß das Floß weiter 
als erwünfcht an der Schnur hin— 
aufrutſcht, ſchleift man in dieſe 
ein Stückchen Poil ein, das wohl 
durch die Gertenringe, aber nicht 
durch die engen Ringe am Floß 
gleiten kann. Die Methode ermög— 
licht einen weiten Wurf, da das 
Floß, beim Ausholen zu dieſem, 
bis an den Senker hinabrutſcht und 
den Schwung begünſtigt. Der Wurf 
von der Nottinghamrolle iſt bei der 
Spinnfiſcherei beſchrieben. 

d) Die Grundangel mit 
jeftliegendem Floß bewährt 
fich bei unebenem Boden und in 
ſchwachen Strömungen. Der 
Köder wird auf dem Boden durd) 
eine Bleifuael feitgehalten, die am 
Vorfach beweglich angebradt ift, 
ein kleines Bleifchrot am Ende 
des Vorfachs hat den Zweck, ein 
weiteres Hinabrutſchen zu verhüten. 
Das Floß muß flad) auf der Ober: 


= 





Beink. 


fläche ſchwimmen. Beißt ein Fiſch 
und geht mit dem Köder ab, dann 
zieht er das Vorfach durch die 
Kugel und dag Floß kommt in Be⸗ 
wegung. Angelzeug fonft wie 
bei a), Köder am beiten die ver: 
ſchiedenen Paſten. 

e) Die Grundangel mit 
Bodenblei (Taf. II, Fig. 26) hat 
den Zwed, den Köder in ſtarken 
Strömungen auf dem Boden zu er: 
halten. Auf eine Entfernung von 
30 cm unterhalb und oberhalb des 
durchlochten Bodenbleies ift je ein 
Bleifhrot angebradt, innerhalb 
diejer Hinderniffe ift die Schnur 
freibeweglich: Beißt ein Filh, dann 
baut er fich jelbft an. Die Gerte 
fei 3,50—4 m lang und fteif. 
Köder: Würmer, Käſe, Pajten. 

f) Das Heben und Senken 
in Flüſſen ift eigentlich nicht an- 
deres als eine Grundfifcherei ohne 
Floß, bei der der Angler ununter: 
brochen aktiv ift, indem er be: 
ftändig den Köder bi8 zum Grund 
fentt und zur halben Höhe hebt 
und dabei alle Löcher und Schlupf: 
winfel abſucht. Angelzeug wie 
bei a), Köder: außer Wurm meift 
Maden, Inſekten und Inſekten— 
larven. 

Das Heben und Senken wird in 
Seen mit dem Zudfifh befonders 
auf Barjche geübt, im Meere bildet 
es eine Hauptbeluftigung von Den 
Vergnügungsdampfern aus auf 
Dorſche und andere Meerfijche. 

Unter Grundköder verfteht 
man die Köder, melde nicht zum 
eigentliden Yang, fondern zum 
Heranfüttern der Angelfifhe, und 
zwar in erfter Linie der dem 
Karpfengefchlechte angehörigen Ar: 
ten, an bejtimmten Zutterpläßen 
dienen. 

Es liegt auf der Hand, daß wer 
es verjteht, aber auch die nötige 
Zeit und Gelegenheit bat, fich feine 
Fiſche womöglich in Scharen an 


VII. Angelſport. 


gewiſſen Stellen heranzulocken, viel 
mehr Ausſicht auf einen guten 
Fang haben wird, als derjenige, 
der an das Fiſchwaſſer kommt und 
gleich aufs Geradewohl zu angeln 
beginnt. Wer am Waſſer wohnt, 
bat natürlih den großen Borteil 
vor andern voraus, daß er bie 
Fiſche mit einer gemwiffen Regel: 
mäßigfeit anfüttern Tann. 

Man füttere nie zu viel und 
angle erſt 20—24 Stunden fpäter. 
Wichtig ift es, mehrere Futter: 
pläte gleichzeitig anzulegen, um 
Abwechslung in den Angelftellen 
zu haben. 

In Seen und ruhigen Tümpeln 
wird das Futter nur einfach ein- 
geworfen, mo es aber. fortge- 
ſchwemmt werden fann, formt man 
es in Klumpen oder verjentt es 
in durdlöcherten und bejchwerten 
Säden oder in feinmafdhigen 
Netzen. 

Am beſten haben ſich Tauwürmer, 
Käſe, Fleiſchabfälle, gekochte Kar- 
toffeln, bis zum Aufſpringen der 
Hülſen gekochte Weizenkörner, ein⸗ 
geweichtes, altbackenes Brot ꝛc. be⸗ 


währt. 

531. Die Spinnfiſcherei iſt die⸗ 
jenige Angelmethode, bei welcher 
ein toter oder künſtlicher Köderfiſch 
ausgeworfen und ſo durch das 
Waſſer gezogen wird, daß er eine 
Drehbewegung um feine Längs⸗ 
achſe macht, welche die Bezeichnung 
ae führt. 

Sie fteht, was Feinheit und 
Eleganz betrifft, der Flugfifcherei 
am nädjften und wird mit diefer 
in 
höchſten Sport gerechnet. 

Beide Methoden erfordern ein 
ſolches Maß von Gefchidlichkeit, 
daß Schon der Wurf allein, wenn 
er richtig ausgefallen ift, einen ge- 
wifjen Grad von Befriedigung ge⸗ 
währt, die natürlich noch bedeutend 
gefteigert wird, wenn es gelingt, 


ihrer Vervolflommnung zum. 


Nro. 531. 
einen ſich auf den Köder ftürzen- 
den Fiſch nad) allen Regeln der 
Kunft richtig anzuhauen und ſicher 
zu landen. 

Zur Spinnfifcherei bedarf man 
einer am beften 3,20 m fangen, 
dreiteiligen Gerte, und zwar ent: 
weder einer einfachen und billigen 
aus Bambus, oder wenn man fich 
etwas wirklich ſolides anfchaffen 
will, das allen Anforderungen ge— 
nügt, einer geſplißten aus Tonkin— 
rohr, Handteil Hifory. Die beften 
deutjchen Fabrikate ſtammen aus der 
Werkſtätte von Wieland in München. 
An den englijchen Gerten ift ge= 
wöhnlich aud das Handteil ge- 
jplißt und dadurch big zum Hand: 
griff dünner verlaufend, wodurch 
die Gerte im ganzen biegfamer und 
weicher wird, was wohl dem Wurf 
zuftatten fommt, aber für den An- 
hieb nicht fo vorteilhaft if. Auch 
befommen die englifhen Fabrifate 
dadurch leicht eine gemwille Vor— 
ſchwere, was den jo angenehmen 
und gar nicht anftvengenden Wurf 
mit einer Hand unmöglih mad. 
Sonft laſſen die englifchen Gerten, 
befonderg die von Hardy und Farlom 
gebauten, an Ausführung und 
Solidität nichts zu wünſchen übrig, 
als das, daß fie eben viel teurer 
find wie die deutjchen, ja meift 
da8 doppelte koſten. 

Wieland fertigt gefplißte Spinn: 
gerten in-3 Stärken, von denen 
die leichtefte fih für Forellen und 
jeldft noch für Hechte in träg flie- 
Benden, nicht zu breiten Flüſſen, 
vollfommen eignet (Taf. I,B). Die 
mittlere (Taf. I, C) dient für den 
Hecht-, Lachs- und Huchenfang und 
it wohl allen Anforderungen ge— 
wachſen, nachdem ich wiederholt 
ſchon Huden von 34 Pfd. glatt 
damit gelandet habe. Die ftärkite 
Sorte jcheint mir demnad, menig- 
ftens für Geübte, entbehrlich. 

Als Role wählt man für Die 


ro. 531. 


leichte Gerte eine 8 cm, für die 
beiden anderen eine 10 cm Holz: 
oder Ebonitrolle nach dem Notting- 
hanfyftem mit Hemmfeder, am 
beften aber eine ſog. Marſton— 
Croßlé-Rolle, welde durch ihre 
finnreihe Konftruftion den Wurf 
mit leihtem Blei auferordentlich 
erleichtert, dazu eine 50—100 m 
lange, feine Seidenfchnur ohne alle 
Imprägnierung, entweder eine ge: 
flotene von Wieland, Nr. 2 
oder 3, oder eine plaited silk line 
von Gamaae in London, die verhält: 
nigmäßig billig und dauerhaft ift. 

Vorfächer von Stahl: oder Pun⸗ 
jabdraht, erzentrifche Bleie, je nach 
Tiefe und Strömung. 

Die bemwäbhrteften An: 
köderungsſyſteme find: 

A. Ohne Turbine Das 
Spinnen wird durch die Krümmung 
des Köderfiſches bewirkt. 

1. Das Deefyftem (Taf. IV 
Fig. 7 u. 8). 

Es eianet fih nur für Feine und 
ſchmale Köpderfifhe, hauptſächlich 
Pfrillen. Man bedient ſich zur 
Einführung der Angel einer Köder: 
nadel und ftülpt den Bleizapfen 
über. 

2. DagPBennell-Bromley- 
Syſtem (Taf. V, Fig. )). 

Man fticht den Stachel a an der 
Seite des Köders unmittelbar hinter 
dem Kiemendedel ein und krümmt 
den Köder durch Einhafen des ein- 
zelnen Hakens b auf der entgegen 
gejegten Seite über den Rüden 
hinweg. Mit dem beweglichen Lipp- 
hafen c wird das Maul gejchlofjen 
und das Angelvorfach aejpannt, fo 
daß der Köder ein fihelförmiges 
Ausjehen befonunt. Die Drillinge 
bleiben fliegend, d. h. freihängend. 
Man fängt damit Hauptjächlic) 
große Forellen, Hechte und Hucen. 

B. Mit Turbine. Die Tur: 
binen haben den Vorzug, daß die 


Dr. R. Beinp. 


und zwar um ihre Längsachſe, 
fpinnen, es wird aber vielfach be— 
bauptet, daß nicht hungrige Raub— 
filhe lieber auf Köder gehen, die 
mehr fchwanfende Bewegungen 
machen. Für den Anfänger emp: 
fiehlt es fich jedenfall3 mehr, Sy: 
fteme mit Turbinen, und zwar am 
beiten mit den unfichtbaren aus 
Zelluloid, zu befödern, außer zum 
Fang von Forellen mit Kleinften 
Köderfifchen. 

1. Der Chapmanjpinner 
(Taf. V, Fig. 2). 

Der Stadel wird einfadh beim 
Maule des Köderd eingeführt und 
genau in der Mitte gegen die 
Schweifwurzel vorgeftoßen. Es ift 
ratfam, die Angeln an mehreren 
Stellen anzubinden. Zum Binden 
rejp. Nähen benüte ich in der jüng: 
ften Zeit ausſchließlich feinen, 
weichen Kupferdraht. Das Syftem 
eignet fih bauptfählid für den 
Fang von Hechten, nicht aber für 
Huchen. 

2. Der Perfektſpinner 
nad Pennell (Taf. IV, Fig. 9 
u. 10) und 

3. der Krofodilfpinner 
von Hardy (Taf. IV, Fig. 11), 
find, bejonders in England, viel- 
gebrauchte Syfteme im Chapman— 
typus. 

4. Der Röhrchenſpinner 
(Taf V, Fig. 8) iſt außerordent⸗ 
lich fängig und geeignet für den 
Fang von Hechten, Huchen, Forellen, 
Seeforellen und Saiblingen. Wiſe⸗ 
land hat ihn genau nach meiner 
Angabe patentiert, in allen Größen 
auf Lager und verkauft ihn in 
Hunderten von Exemplaren, was 
für ſeine vielſeitige Brauchbarkeit 
das beſte Zeugnis ablegt. Eine 
genaue Beſchreibung findet ſich in 
meinem ausführlicheren Werke: 
„Der Angelſport im Süßwaſſer.“ 

Der Wurf des Köders ge— 


Köder ſicherer und gleichmäßiger, ſchieht weitaus am beſten von der 


VII. Angelfport. 


Role, Wer heutzutage nod) lernen 
wollte, nad) der alten Methode in 
Schlingen zu werfen, wäre ent 
fchieden als rüdftändig zu betradj- 
ten, während die alten Pralftifer, 
die da8 Werfen von der Hand 
volfommen beherrſchen und Neue: 
rungen abhold find, wohl zeitlebens 
dabei bleiben werden. 

Die Tehnit des Werfen? 
von der Rolle Man rollt fo 
weit auf, daß der Köder noch etwa 
1'/2 Meter von der Gertenjpige 
berabhängt, dann ergreift man mit 
der rechten Hand das Handteil und 
legt den Daumen auf den Rand 
der nad oben gerichteten und 
nicht gejperrten Role. Während 
num die linte Hand die Gerte ober: 
bald der Rolle faffend unterftükt, 
ſchwingt man den Köder ganz lang: 
fam wie einen Pendel nah rüd- 
wärt3 und macht im Momente des 
größten Pendelausſchlags einen 
Schwung nad vorn, aber ja nicht 
mit ſcharfem Ruck, fondern an- 
fchwellend wie bei einem Stein: 
wurf. Gleichzeitig lodert man den 
Daumen ein wenig und ftredt die 
Gerte wie einen Wegmweifer genau 
nad) der Stelle, mo der Köder ein: 
fallen fol. Iſt er noch einige 
Meter vom Biel entfernt, dann 
hebt man die Gerte ein wenig und 
näbert den Daumen dem Rollen 
rand, um ihn beim Einfallen des 
Köderd feſt aufzubrüden. “Der 
MWurf wird eleganter, der Köder 
fällt leichter ein und die Ermüdung 
ift geringer, wenn man die linke 
Hand noch während des Schmunges 
entfernt. 

Man kann dad natürlich nur bei 
leichten und nicht fopfichmeren Ger: 
ten durchführen. 

Sobald der Köder eingefallen ift, 
ftemmt man die Gerte in die Hüfte 
und rollt auf. Wer lieber mit der 
rechten Hand aufrollt, hält die Gerte 


Niro. 531. 


und umgefehrt. Wer links rollt, 
hat vorher raſch einen Griffwechſel 
zu madhen. Auf alle Fälle muß 
die Schnur oben von der Rolle 
weg zu den Ringen laufen. Sch 
bin genötigt, dies, obgleich es Jid) 
eigentlich von felbjt verjteht, noch 
jpeziell zu betonen, da es Abhand: 
lungen von Dilettanten über Spinn- 
fiſcherei mit Abbildungen gibt, die 
den Anfänger vollftändig irre führen 
und ihm daher direkt jchaden müſſen. 

Man wirft am beiten ſchräg nad) 
abwärts über den Fluß, oder läßt 
den Köder in ſtarken Strömungen 
ftromabwärt3 rinnen. Das Auf: 
rollen gejchieht fo langjam wie 
möglid und nit gleichmäßig. 
Durch gleichzeitig ausgeführte pen— 
deinde Bewegungen mit der Gerte 
gibt man dem Köder Leben, indem 
man ihn bald rafcher vorjchießen, 
bald wieder, wie ermattet, zurüd- 
finten läßt. 

Beißt ein Fiſch, jo Haut man, 
ſobald man ihn fpürt, fofort durch 
einen kurzen, aber energifchen Rud 
an und fchiebt gleich die Hemm— 
feder vor. Neagiert der Fiſch nicht 
durch ruckweiſe Befreiungsverfuche, 
dann wiederholt man den Anhieb. 

Beim Einziehen der Schnur ſo— 
wohl, wie nach dem Anbiß, muß 
die Gerte immer einen nahezu 
rechten Winkel mit der Schnur 
bilden. Iſt der Winkel zu ſpitz, 
dann kann die ſtärkſte Gerte brechen. 

Man forciere einen Fiſch nur aus: 
nahmsweiſe, entweder wenn er jehr 
Hein ift, oder wenn gefährliche 
Hinderniffe im Weg ftehen, oder 
wenn man ihn in Anbetracht eines 
günftigen Landungsplages ſofort 
heraugjchleifen Tann. Sonft ift es 
beffer, ven Fiſch zuerft zu ermüden 
und ihm ruhig Schnur zu geben, 
wenn er Fluchten madt. 

Zeigt er dann Ermüdung und 
läßt fich geduldig führen, dann zieht 


oberhalb der Rolle mit der linken | man ihn auf eine Kiesbanf, falls 


Niro. 532. 


eine folde in der Nähe ift, oder 
ſucht ihn fonftwo zu ftranden. Da 
ein gejtrandeter Fiſch hilflos ift, 
wenn er den Kopf nicht drehen 
fann, ergreift man die Schnur und 
hantelt ſich an der ftraffgefpannten 
big zum Fiſch, dann erft faßt man 
das Landungsnetz oder den Gaff 
und madt ihn ohne Ueberhaſtung, 
fiher zielend, dingfeft. Im tiefen 
Waffer, vom hohen Ufer oder vom 
Kahne aus einen Fiſch zu landen, 
ift ungleich fchwieriger und erfor- 
dert mehr Ruhe und Kaltblütigfeit. 

532. Die Schnapp- und Pater: 
nofterangel mit lebendem Köder- 
fiſch fommen fportmäßig erjt dann 
und an folden Stellen in Gebraud, 
wo die auf höherem Niveau ftehende 
Spinnangel nicht angebradt er: 
Scheint, alfo an Stellen, die ent- 
weder zu tief oder im Raume zu 
befhräntt find, um erfolgreich 
fpinnen zu können. Am beiten 
bewähren fi} die beiden Methoden 
im Spätherbft und Winter, wenn 
die Fiſche, insbeſondere die Hechte, 
durch das kalte Waſſer träger ge— 
worden, nicht mehr ſo raſch von 
Entſchluß find, um einem Spinn- 
füder zu folgen. 

Man braucht fich für die Schnapp- 
und Baternofterangelei feine be- 
jondere Gerte anzufchaffen, außer 


Dr. ®. Beink. | 


Archer:Jardine Blei ald Senter, 
welches in ein meterlanges Stahl: 
drahtvorfach eingefchlungen wird. 

Das beite Angelſyſtem ift das 
von Jardine eingeführte (Taf. IV, 
Fig. 12), welches jo wie aus Fig. 
13 erfichtlid angelödert wird. Der 
Hafen b ift beweglich, fo daB man 
das Syftem jedem Köder der Größe 
nah anpaflen kann. Der Hafen a 
wird im Kiemendedel, der Hafen b 
dicht unter der Rückenfloſſe mög- 
lichſt ſchmerzlos angebracht. Ein- 
facher, aber weniger fängig iſt das 
Syſtem Fig. 14. 

Als Köder eignen ſich größere 
Haſel, Rotaugen, Kreßlinge ꝛc. von 
12—20 cm Länge. 

Man verfentt den Köder auf 
mehr ald die halbe Tiefe des 
Waſſers. Sobald ein Fiſch beißt, 
ordnet man fchnell die Schnur 
dur Hochheben der Gerte und 
haut fofort, oder befier nod, nach 
einigen Sekunden, an. Ein An: 
bieb bei nicht ftramm gefpannter 
Schnur ift immer von Webel. 

Fig. 15 und Fig. 16 ftellt die 
Schnappangel fowie die Art der 
Anköderung nah Biderdyfe dar; 
auch fte hat große Borzüge, nur wird 
der Köder mehr verlegt. 

Bei der Schnappfijcherei ſchwimmt 
der Köder frei herum, ſoweit er 


man hat Gelegenheit, fie oft und! Spielraum hat, beim Paternofter: 


erfolgreich anzumenden. 
übergehende Benügung eignet ſich 
eine gewöhnliche Spinngerte. Wer 
ji) aber fpeziell damit befaflen 
will, wählt beſſer eine längere von 
4 m und darüber, da eine Grmüs 
dung durch das viel feltenere 
Werfen nicht zu befürchten ift. 

Schnur und Rolle find die glei- 
chen wie bei der Gpinnfiicheret, 
das übrige Material ift jedoch für 
beide Methoden verfchieden. 

Für die Shnappangel braudt 
man ein großes Floß (Taf. II, 
Fig. 33), ein entſprechend großes 


Für vor= | angeln muß er dem auf ihn aus- 


geübten Zuge.folgen. 

Mit der Baternofterangel 
fängt man die auch an tieferen 
Stellen mehr am Grund ftehenden 
Fiſche. Zuunterft ift eine Bleibirne 
angebracht, in einiger Entfernung 
darüber ift die Angel oder, wie 
es zum. Fang der Barjche gebräuch- 
lih ift, mehrere Angelhaken ange- 
bradt. Wie das gefchieht, geht 
für Hechte aus Taf. IV, Fig. 17, 
für Barfhe aus Fig. 18 und 19 
hervor. 

Das PVerbindungsftüd zwiſchen 


i | VI. Angelſpork. 


Senkbirne und der unteren Angel, 
welches nur das Bleigewicht zu 
tragen bat, ift am beiten nur aus 
ſchwachem Material, was den Bor: 
teil bat, daß man bei einer Ber: 
ſtrickung in der Tiefe nur das Blei 
verliert. Der einfade, an Gimp 
oder Drahtſchnur gemundene Angel: 
baten (Taf. IV, Fig. 20 in halber 
Größe) wird dem Köderfifh durch 
beide Lippen gezogen. Beim Angeln 
auf Barſche befödert man den un- 
teren Hafen mit einem Wurm. 
Nah dem Wurfe zieht man den 
Köder ganz langjam, die Schnur 
aufrollend, heran. Sobald ein Fiſch 
gebiffen bat, läßt man ihn loder 
abziehen, bis er ftehen bleibt. Dann 
wartet man noch einige Sekunden 
und baut bei gejpannter Schnur nur 
mit einem kurzen Rud an. Der 
Halen figt meiſtens im Mundwinkel. 

533. Die Schiudangel ift nur 
ſportsmäßig in ſtark verfrauteten 
Waſſern mit menig Lüden. Die 
Angel (Taf. IV, Fig. 21) wird 
mittels Ködernadel dem toten Köder 
vom Maule aus big mitten durch 
die Schweifflofje geführt. Gerte ꝛc. 
wie bei der Spinnangel, Vorfach 
ohne Blei. Geangelt wird durch 
Heben und Senfen. Nach dem An: 
biß läßt man den Hecht — um den 
es fich meiſtens handelt — abziehen 
und zwar bei volllommen lockerer 
Schnur. Erſt wenn er nad) länge 
rem Stehenbleiben neuerdings 
weiter zieht, fol man anbauen. 
Da er feinen Fraß meiftend ge: 
fchludt hat, ift die Landung fehr 
einfad. Ein großer Nachteil ift, 
daß man viel Eleine Exemplare ver- 
angelt. Taf. IV, Fig. 22 ſtellt die 
Schludangel zur Anköderung toter 
Pfrillen dar. Fig. 23 und Fig. 
24 ift die Shnappangel mit 
totem Köder. Der Bleizapfen 
wird beim Maule des Köders ein- 
geführt, der Lipphafen an der 


ro. 533-534. 


da der Anhieb gleih nah dem 
Biß erfolgt, humaner wie die 
Schludangel, eignet fih aber nur 
an nicht zu ſtark verfrauteten 
Stellen. 

Die Shludangel mit le— 

bendem Köderfijch (Fig. 249) 
findet ſportge⸗ 
mäße Anwen⸗ 
dung nur in 
großen, flachen 
Seen oder Alt⸗ 
wafjern auf Hech⸗ 
te und Welſe. 
Man benügt ein 
Flop und haut 
nach) etwa 5 Min. 
an. Sie ift die 
tunftlojefte aller 
Angelmethoden 
und wird auf 
Salmoniden nur 
von Fiſchdieben 
ausgeübt. 

534 Die 
Scleppangel ijt 
faft ausschließlich RE u 
in Seen gebräuch- 5 
ih und zwar 249. Schludanagel 
zum Fang von mit lebendem 
Hechten, Ban: Köderfifch. 
dern, Seeforellen 
und Saiblingen. Auch Sciede 
(Rapfen), Waller (Welfe) und große 
Barfche werden damit gefangen. 

Man unterfcheidet eine Schlepp: 
angelei an der Oberfläche mit wenig 
oder gar Feiner Bleibejchwerung 
und eine Tiefjeejchleppfifcherei in 
Tiefen bis zu 50 Meter, letztere 
nur auf Saiblinge und Seeforellen, 
wenn fie tief jtehen. 

Man fiicht mit der Schleppangel 
vom geruderten Boote aus; angelt 
man an der Oberfläche, dann be— 
nügt man am beften eine nicht zu 
weiche Spinngerte; überhaupt den 
ganzen bei der Spinnfijcherei be- 
Tchriebenen Apparat, man fann aber 





Schweifwurzel. Die Methode ift, auch die Schnur ohne Gerte und 


Neo. 535. Dr. R. 
Role von einem beliebigen Hafpel 
ablaffen und mit der Hand führen. 
Den meiften Erfolg bat man in 
der Nähe des Ufers, an Waſſer⸗ 
pflanzen entlang, an der jogen. 
Schar, wo das Ufer rafch abfällt, 
in Tiefen von 3 big höchſtens 10 m. 

Das Vorfach fei aus einfachem 
Stahl- oder Bunjabdraht und 1'/, 
bis 2 m lang, das Blei, von dem 
man verjchiedene Größen vorrätig 
haben foll, wird am zmedmäßigiten 
zwiſchen Schnur und Vorfach ein⸗ 
gehängt. Man kann aber bei der 
Handſchleppangel noch weitere Ar— 
cher-Jardine Bleie in einiger Ent- 
fernung an der Schnur anſchlingen. 
Wil man von der Gerte aus den 
Köder tiefer führen, dann benüßt 
man die ſog. Gleitbleie von Hardy 
(Taf. II. Fig. 29). 

Hat ein größerer Fiſch gebiffen, 
jo hüte man fi, ihn an das Boot 
heranzuziehen, ehe er ermüdet ift, 
bezw. ehe man ihn müde ge— 
rudert bat. Dan reguliere das 
Einziehen je nah dem Widerftand 
des Fiſches und gebe ihm Schnur, 
wenn er Fluchten macht, ziehe da= 
gegen raſch ein und lafje raſch ru= 
dern, wenn er vorwärts fchießt. 
Um das Landungsgeräte geſchickt 
anzubringen, hole man ihn an 
der Handangel dicht heran und be- 
nüße furzftielige Unterfangnete oder 
Gaffs, führt man ihn aber an der 
Gerte, dann foll der Stiel für beide 
1'’r—2 m lang fein, um unter die 
Achſel geſtemmt werden zu Tönnen. 

Als Köder bewähren fi die 
natürlichen wie die fünftlichen ziem= 
lich aleih aut. 

Der Fang mit der von mir fon 
Itruierten Tieflee-Schleppangel ift 
eine Epezialität für fih und kann 
bei der Knappheit des Raumes hier 
nicht zur Darftellung kommen. 

535. Die Flugangel. Es gibt | 
feinen eleganteren und kurzwei—- 
ligeren Sport, wie den mit der. 


Beink. 


Slugangel. Er wird mit den feinften 
Apparaten betrieben, ein gutes 
Auge, ein ficherer Blick, kaltes 
Blut, bligartige Entſchloſſenheit 
find die nötigen VBorbedingungen. 
Die Fifhe werden kaum verletzt, 
die Verwundung verurjadt feine 
Schmerzen und gibt dem Fiſcher 
die Möglichkeit, die Heinen Exem— 
plare zu fchonen und dem Waller 
zu erhalten. 

Da8 Angelgeräte befteht 
aus einer einfachen oder geiplißten 
Sluggerte, einer Rolle mit Schnur, 
einem Poilzug und einem Vorrat 
an künſtlichen Fliegen. 

Dem Anfänger kann man nur 
den Rat geben, fich zur Erlernung 
der nicht gerade leichten Kunft des 
Werfen? eine billige Gerte aus 
Greenheart oder Lanzenholz anzu= 
Ihaffen und erjt, wenn er fi) ge— 
nügend Uebung verſchafft Hat, eine 
geſplißte Bambusgerte zu erjtehen. 
Die Hauptfache bleibt aber immer, 
und beſonders für den Anfänger, 
der richtige Bau der Gerte. Mit 
einer jchlechten und zu fteifen ver- 
dirbt er fich feinen Stil im Werfen 
fo, daß er ed nie mehr richtig erlernt. 

Ungemein viel fommt aud) auf 
die Beichaffenheit der Role und 
Schnur an, wie fon oben be= 
ſprochen wurde. 

Der Poilzug fol durchſchnittlich 
eine Zänge von 1 m 50 cm haben 
und nad unten dünner verlaufen. 
An den beiden Enden find Scleifen 
angebracht, die obere wird, wie aus 
Fig. 250 oder 251 erfihtlih, mit 








\ 


VII. Angellport. 


der Schnur verknüpft, 
in die untere wird die 
Endfliege eingefcleift 
(Fig. 259). 

Meiſtens angelt man 
mit 2—3 Fliegen, mehr 
find nicht ratfam. Die 
Endfliege nennt man 
„Streder”, die Seiten- 
fliegen „Springer“. 












Das Boil, an dem 
der Springer befeftigt 
ift, ſoll 7—10 cm lang 
fein. Bon den vielen 
Methoden, den Sprin- 

ger am Zuge zu be- 

253. Springer. feftigen, ziehe ich aus 

mehrfahen Gründen 

die in Fig. 253 wiedergegebene 
allen anderen vor. 

Man verfertigt die künſtlichen 
liegen ohne oder mit Poil, mit 
einfahen oder mit Doppelhaten. 
Die ohne Poil gebundenen nennt 
man Ringfliegen, da fie mit einem 
Auge verjehen find, um das Poil 
erſt im Bedarfäfalle anzufnüpfen. 

Da die Ringfliegen viele Vor- 
teile, vor allem den der größeren 
Haltbarkeit (dur die Möglichkeit 
ein ſchadhaftes Poil auswechſeln 
zu können) bieten, haben ſie in 
England die am Boil gebundenen 
ſchon größtenteild verdrängt. 

Man befeftigt das Gut an den 
Ringfliegen am ficherften durch den 
108. „TZurlefnoten” (Fig. 254, 
255, 256), defien Schürzung aus 
den drei Stadien erfihtlid ift. 
Der Jamknoten iſt noch ein- 
facher, er eignet ſich aber nur bei 
Fliegen mit ein⸗ und abwärts abge⸗ 


bogenen engen Ringen (Fig. 257 oder | 






Nro. 535. 


X 


254—256. Turleknoten. 


258). Knüpft man ihn nach 
Fig. 258, dann muß die 
Schlinge über den Ring 
gezogen und das Poil nicht 
zu kurz abgeſchnitten werden. 
Fig. 259 und 260 ſtellen 
| den ſehr brauchbaren, ein- 

faden und doppelten Schleifen- 
Inoten dar, mittels deſſen größere 


257 u. 258. Jamknoten. 


Ningfliegen mit weitem Ringe ein- 
geichleift werden. 

Man unterfcheidet zwei Methoden 
der Flugfiſcherei, die mit der „trode- 


u 


259 u. 2060. Schleifenfnoten. 


Nro. 535. 


nen“ und die mit der „naflen” 
Fliege. (Dry: und Wet⸗Fly der Eng- 
länder). In den ruhigen und klaren 
Flüffen Englands wird faft nur 
mit der trodenen, in den Gebirgs⸗ 
flüffen Schottland mit der naſſen 
Fliege geangelt. In Deutfchland, 
befonderd im Süden, wo die Ge: 
wäffer ein ſtärkeres Gefäll haben, 
ift nur die letztere angezeigt. 

Der Unterfchied beiteht haupt- 
jählih darin, dag man mit der 
trodenen Fliege, und zwar nur 
mit einer, nur ftromauf fiſcht und 
fie, damit fie ſtets an ber Ober: 
flähe Bleibt, mit Baraffin tränft, 
und vor allem darin, daß man fie 
nur über einen Fiſch zu werfen 
jucht, den man auf ein natürliches 
Infekt fteigend beobachtet hat. Mit 
der naſſen liege angelt man vor⸗ 
wiegend ftromab und benütt deren 
2—3 gleichzeitig, der Streder darf 
untergehen, die Springer follen 
‚möglichft an der Oberfläche bleiben, 
und was der Hauptunterjchied ift: 
man wirft, auch wenn man feinen 
Fiſch fteigen fieht, Man muß daher 
jede Sekunde auf der Hut fein, 
damit man einen bligfchnell ſtei⸗ 
genden Fiſch nicht überjieht. 

Eine der größten Schwierigfeiten 
für den Anfänger befteht in ber 
Auswahl der richtigen Fliegen, je 
nach Jahres⸗ und Tageszeit, Fiſch⸗ 
waſſer, Wafferftand, Wind, Wetter 
und Beleuchtung, 

Bon den Hunderten von liegen, 
die es in allen Sarbennuancen und 
Schattierungen gibt und die alle 
Spezielle Namen und Nummern in 
den Preisverzeichniffen der Geräte- 
händler führen, wähle fi der An: 
fänger für die erfte Zeit nur etwa 
ein Dugend der gangbarften und be- 
mwährteften Sorten, und zwar haupt⸗ 
ſächlich gewiſſer Univerfalfliegen, 
die ſo ziemlich überall und für das 


Dr. R. Beinſi. 


Kulminationspunkt bei der Fliegen⸗ 
angelei, da man mit ihr die größten 
Forellen und Aeſchen zum Steigen 
bringt, die ſonſt das ganze Jahr 
ſich ſcheu und mißtrauiſch von an⸗ 
deren Ködern, mögen ſie noch ſo 
verlockend erſcheinen, abwenden. 
Man verſäume nie die Fliegen, 
die gerade ſchwärmen, anzuſehen 
und womöglich einzufangen, event. 
Sträucher und Ufergräſer darnach 


abzuſuchen und wähle dann ud „u 
feinem Fliegenbuch daB ähnlicfte 7 \r 
Exemplar. Re 
Das erfte, was der Anfänger .; "tk 
lernen muß, ift der richtige Wurf, "dr 
Dabei ift folgendes zu beobadten: ten 
1. daß der Dberarm unbeweglid "ii 
am Körper herabhängt und nur ie 
der Borberarm, beſonders aber dad Cr 
Handgelent, tätig ift; — 
2. daß ſich Die Schnur bei jedem „th 
neuen Ausfall vollfommen nad "Ya, 
hinten ſtreckt, was nur möglid iſt, vw iv 
wenn man zwijchen Rüde und :' ir 
Vorſchwung eine Pauſe macht; , "ft 
8. daß die Fliege nur mie eine „le, 
Schneeflode auffallen darf, dab ," m 
man bahber nicht auf die Oberflädhe — hi 
des Waſſers, ſondern eima 1 m * h 
darüber zielen muß; * I 
4. daß die Schnur beim Schwung ||, leith 
nach rückwärts, ſowohl von rechts | A 
nach links wie umgekehrt, hinter " ig 
dem Kopf des Angler eine Ellipfe you 
beſchreibe; N 
5. daß fich die ganze Bewegung 9— 
der Gerte beim Wurf nur in einem Nil, 
Winkel von 45° nad vorn und le 
ebenfo viel nach rückwärts abjpiele; N 
6. daB man zum Zweck, weitere - F 
Würfe zu machen, nur Schnur von „Mi 
der Rolle abziehen kann während N h 
die Gerte im Schwung ift, weil | 
man fonft immer hängen bleibt. Mi 
Beim Wurf wird die Fluggerte | Ri 
fo gehalten, daß die Rolle nad) Ri 
unten gerichtet ift und die Schnur h 
dı 


ganze Angeljahr zu brauchen find. | frei über refp. außerhalb der hal- 


Die Maifliege bildet geradezu den | tenden Hand zu den Ringen läuft. 


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Die Cherdrollen haben den emi— 
nenten Vorteil, daß man die Schnur 
nicht zu faflen braucht und den 
Fiſch frei von der Rolle anhauen 
fann, ohne Gefahr durch zu große 
Wucht eine Fliege oder den Zug 
abzujprengen. Der Anhieb joll 
nur durch eine Drehung des Hand: 
gelenfes nad innen bemerfitelligt 
werden, jo zwar, dab die Rolle 
nah oben fommt, in mwelder 
Stellung fie auch beim Aufrollen 
der Schnur zu bleiben hat. Wer 
lieber mit der rechten Hand aufrollt, 
muß die Gerte vorher in die linfe 
Hand nehmen. 


Der Anhieb Hat in dem Mo- | 


mente zu erfolgen, wo man den 
Fiſch noch in der Tiefe bliten jieht, 
nicht erjt, wenn er mit einem lauten 
Schlag die Fliege erfaßt hat, ſonſt 
fommt man, wenigſtens bei Sal: 
moniden, fajt regelmäßig zu jpät. 

Man Hüte fih dann, den Fiſch 
zu forcieren und ihn rajch landen 
zu wollen, fondern ermüde ihn, 
indem man zwar die Gerte jtramm 
geſpannt hält, ihn jedoch bei jeder 
erneuten Flucht jo viel Schnur ab- 
ziehen läßt, daß die Spannung 
eine gleichmäßige bleibt. Zeigt er 
fih ermattet, jo führe man ihn 
mwomöglih einem günjtigen Lan— 
dungsplage und, wenn man die 
Mahl hat, ftromabmwärts zu. Kann 
man ihn auf flachem Ufer heraus 
jchleifen, dann ijt die Landung ge— 
mwöhnlich leicht, bei hohem Ufer 
jude man ihn womöglich zu ſtran— 
den und hebe ihn dann mit dem 
Unterfangneg heraus, indem man 
mit der freien Hand die Schnur 
ftramm geipannt hält. Zerren an 
derjelben ift gewöhnlich von Nachteil. 

Die Hedhtfliege oder der 
fünftlidhe Eisvogel (Fig. 261) 
wird von der Spinngerte geworfen. 

536. Die Tippfifcherei oder 
Bufchangelei kann mit jeder leichten 
Grund-, Spinne oder Fluggerte 


—— a Kin BT we mn Ar 0 Zu A ae ze 
1 4 — 7 2* = r _ s. — 


VII. Angelſport. 





Nro. 536-537. 


ausgeübt werden, nur muß das 
Vorfach kürzer und die Schnur ganz 
kurz ſein. 

Man fiſcht, indem man ſich vor— 
ſichtig, event. nur kriechend, dem 


Ufer nähert und den nicht be— 


ſchwerten Köder nur auf der Ober: 
fläche, je nach feiner Beschaffenheit 
Ihwimmend, oder auf dem Waffer 


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261. Hechtfliege oder der künſtliche 
Eisvogel. 


hüpfend, den Filchen anbietet. Man 
benützt meift natürliche Inſekten, 
wie Heufchreden, Käfer 2c., aber 
auch Kunftprodufte werden viel ge= 
braudt. 

Angezeigt it die Methode im 
engen Raume, wo man zu feinem 
Wurfe ausholen fann, unter Bäu— 
men, Büſchen, über hohes Schilf 
oder bei kleinen Lücken zwiſchen 
Waſſerpflanzen. 

537. Fangarten der verſchie— 
denen Fiſche. Bei den enggeſetzten 
Grenzen dieſes Abſchnittes iſt es 





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Nro. 538-540. 


unmöglid ins Spezielle zu gehen 
und den Fang jedes einzelnen beim 
Angeljport in Betracht fommenden 
Fiſches zu befchreiben. Für den 
Anfänger mag ed, nachdem er fid 
mit den SFangmethoden veitraut 
gemadt, genügen, zu willen, daß 
man die Friedfiſche, die zumeift in 
das Karpfengefchlecht gehören, die 
Zyprinier, als da find: der Karpfen, 


Dr. R. Bein. 


ftarfe Gewitter, raſcher Umſchwung 
von gutem zu ſchlechtem Wetter 
mit ſtark falendem Barometer. 
Die Jahres: und Tage 
zeit fpielt ebenfall® eine große 
Role. Während in der Falten 
Sahreszeit oft nur die Mittags: 
ftunden günftig find, bringt in der 
beißen gerade der frühe Morgen 
und fpäte Abend am meiften Er: 


die Schleie, den Dübel oder daß | folg 


Aitel, die Barbe, die Plötze, den 
Blei ꝛc. alle fo ziemlich mit den 
gleiden Ködern mit der Grund- 
angel fängt. 

Hechte und Barſche, zu 
welch letteren auch der Zander 
oder Schill gehört, werden als 
Raubfiſche mit der Spinn- und 
Paternojterangel und den mit diefer 
verwandten Angelmethoden er- 
beutet, der Barſch aud noch mit 
Wurm und anderen Grundfödern. 

Zum Fang der Salmoniden, 
lahSartigen oder Edel- 
fiſche, die alle an der Fett- oder 
Edelfloſſe kenntlich find, aljo’ der 
Lachſe, Forellen, Huchen, Aeſchen ꝛc., 
wird hauptſächlich die Spinn- und 
Flugangel benützt. Man fängt 
zwar auch Forellen und Aeſchen 
mit dem Wurm, doch wer wahren 
Sport zu pflegen willens ift, wird 
fit) außer bei trübem Wafjer bald 
ganz von der Wurmfifcherei entan- 
sipieren und dieſen für jo vornehme 
Stiche viel zu gemeinen Köder den 
Stimpern und Topffifhern über: 
laſſen. 

538. Wind und Wetter ſind 
für den Sportfiſcher von großem 
Einfluß auf das Fangreſultat. 

Günſtigſind: Trübes Wetter, 
milde Temperatur, Weſt- und Süd: 
wind, Regen, ein überftandenes 
Gemitter. 

Ungünftig ift: Große SHite 
und große Kälte, mwolfenlojer Him— 
mel, falter und rauher Wind, be- 
jonderd von Dften oder Norden, 





olg. 

539. Der Stand der einzelnen 
Fiſcharten ift ehr verſchieden, Der 
erfahrene Sportfifcher weiß aber 
mit ziemlicher Sicherheit ihn un— 
gefähr zu beftimmen. Mande Arten 
leben mit Borliebe in der Strömung, 
andere am Grund in tiefen Tüm⸗ 
peln, wieder andere unter den aus⸗ 
gejpülten Ufern, oder fie wechjeln 
ihren Stand je nad) der Höhe des 
Waſſers, jo ſuchen fie bei Hoch: 
waſſer den Schuß des Uferd auf, 
während ſie bei Niederwafler in 
der Mitte des Fluſſes zu finden 
find. Wer fich eingehender mit 
dem Studium des Standortes der 
Fiſche befafien will, wird gut tun, 
ein ausführlihere® Wert über 
Sportfifcherei nachzulejen. 

540. Wie foll man fh am 
Fiſchwaſſer verhalten? Die erfte 
Hegel für den Sportfildder iſt: 
Ruhe behalten und kaltes Blut. 
Das ift nun leichter geraten wie 
getan. Es wird wenig Anfänger, 
ja ſelbſt ziemlich geübte Fifcher 
geben, die nicht manchmal den Kopf 
verlieren. Wer aber genau weiß, 
was er im Einzelfalle zu tun und 
zu lafien bat, und raſch gefaßt, 
ohne langes Zögern, zum Entſchluß 
fommt, dem Tann es an der Meifter- 
Schaft nit mehr lange fehlen. 

Das erfte, was ein Anfänger 
natürlih lernen muß, ift die kor⸗ 
refte Behandlung der Angelgeräte, 
der richtige Wurf, das richtige 
Führen des Köders, fei e8 Wurm, 
Spinnfifch oder liege. 


wo Ein —— — — — Se 


VII. Angelſpurt. 


Man bleibe möglichſt weit weg 
vom Ufer, trete leiſe auf und werfe 
den Köder ſo leiſe wie möglich ein. 
Der Anhieb ſei kurz, nie reiße 
man den Fiſch heraus, denke immer 
vor dem Landen an das Verkürzen 
der Schnur, behandle einen großen 
Fiſch vorſichtig, ermüde ihn zuerſt 
nach allen Regeln der Kunſt, for: 
ciere nur in Notfällen, ergreife das 
Zandungsgerät erjt imlegten Augen⸗ 
blid, ohne den Fifch damit ſcheu zu 
maden, und ziele gut, damit die 
Zandung prompt gelingt. 

541. Hegen und Sconen ift 
eine der wichtigften Regeln für den 
wahren Sportfiſcher. Wer nur an 
den Magen und an ein Föftliches 
Fiichgeriht denkt, oder gar an 
einen Hingenden Erlös aus feiner 
Beute, ift ein Topfjäger, aber Fein 
fifchgerechter Sportangler. 

Nie fol man einen Fiſch fangen, 
der nicht Schon einmal gelaicht, aljo 
für die Fortpflanzung feiner Art 
mindeftend einmal gejorgt bat. 
Die von den meiften Staaten feit: 
gefegten Minimalmaße find leider 
in der Mehrzahl zu niedrig ge- 
griffen. Ein Fiſch, der noch Fein 
entjprechendeg Maß bat, follte, 
‚außer wenn er tödlich verlegt ift, 
unbedingt wieder lebend in fein 
Stammmajfer zurüdverjegt werden. 
Der Genuß des Fanges, wenn man 
bei einen fo kleinen Cremplar 
überhaupt davon reden fann, bleibt 
ja für den Sportfifcher der gleiche, 
ob er ihn zurüdverjegt oder nicht, 
es fol ihm aber nicht ſowohl auf 
die Zahl, wie auf das Durchſchnitts⸗ 
gewicht feines Fanges ankommen. 
Mer in feinen Gejamtrefultaten 
das größte Durchſchnittsgewicht er⸗ 
reicht hat, das iſt der wahre Re— 
kordmacher, nicht der, der die meiſten 
Stücke erbeutet hat. 

Wer auf dieſe Weiſe ſchont und 


fleißig Brut oder noch beſſer Jähr⸗ 
| ftiefel bis zu den Hüften find für 


linge nachſetzt, wird ftet3 ein gut 


Nero. 541-543. 


beſetztes Fiſchwaſſer haben, ſich und 
anderen zur Freude und Genug- 
tuung. 

542. Bei der VBchandlung der 
gefangenen Fiſche wird viel ge= 
fündigt. Fiſche lebend nach Haufe 
zu bringen ift eigentlidh eine Duä- 
lerei für Menfch und Tier. Der 
Fiſch ift am ſchmackhafteſten, wenn 
er im vollen Saft feiner natürlichen 
Nahrung getötet und nicht erft 
ftunden- und tagelang, den Er- 
ftiden nahe, zur Hungerkur ver: 
dammt wird. Wer nicht zwingende 
Gründe hat, wie die Verpflichtung 
zur lebenden Ablieferung, töte feine 
Fiſche gleich, weide fie forgfältig 
aus, reinige fie mit Grad und 
widle fie ohne fie zu waſchen 
in ein trodenes Tuch oder beſſer 
in reines Berbandgaze. Gewaſchen 
ſollen fie erjt vor der Zubereitung 
werden. 

Hat man nicht weit nach Haufe, 
dann ift bei kühlem Wetter das 
Aufbrehen der gefangenen Fiſche 
nicht zwingender Natur, zumal wenn 
man jie in einem Fifchlorbe unter- 
bringen kann. 

543. Die Kleidung und Aus 
rüftung muß vor allem Schuß gegen 
Näfle von oben und Näffe von 
unten bieten. In zweiter Linie 
muß fie bequem und wie bei der 
Jagd von unauffälliger Farbe fein. 

Am beften find die leichten, im 
Winter ſchweren, waſſerundurch⸗ 
läſſigen Khakiſtoffe, geradezu ideal 
die Gabardineſtoffe von Bur— 
berry in London, der ziemlich 
hohe Preis wird durch die Unver⸗ 
wüſtlichkeit und das Ueberflüſſig⸗ 
werden eines Wettermantels wieder 
ausgeglichen. Wer nicht ſo viel 
ausgeben will, kleide ſich in Loden, 
der ſich aber leider, wenn er naß 
wird, vollſaugt und ſchwer wieder 
trocknet. 

Hohe, abfolut waſſerdichte Fiſcher⸗ 


Nero. 543. 


Dr. R. 


Bein. 


den Watfiſcher unentbehrlih. Wan| macht“. Die rohe Gewalt, welche aud 


hilft fich gegen Kälte mit warmer 
Untertleidung, Leder: oder geſtrickter 
Aermelweſte. “Die beften Fiſcher⸗ 
ftiefel, feien e8 nun Schnür=, Knie⸗ 
oder Hüftenftiefel, find unftreitig 
die von Cording u. Co. in 
London. Ich habe mich darüber 
in „Angelfport im Süßwaſſer“ ein- 
gehend geäußert. 

Wettermäntel von Loden find 
beim Angelfiihen ein unbequemer 
Ballaft, beſonders wenn fie naß 
geworden find. Entſchieden emp= 
fehlenswerter ift ein leichter 
Gummimantel. 1 

Zur Ausrüftung gehört außer 
dem unentbehrliden Ruckſack und 
Fiſchkorb noch ein gutes Meſſer, 
womöglich mit Säge, Schere und 
Korkzieher, eine Feile, ein Biſtouri, 
um im Noifall einen in die Hand 
eingedrungenen Angelhafen heraus: 
chneiden zu können, etwas Ber: 
bandzeug, Heftpflafter, und im 
Sommer ein Salmiakfläſchchen für 
Müdenftiche. 


Kiſcherſprache. 


Anhauen, Anhieb, dem if durch einen 
kurzen Ruck an der Angel den Angelhaken 
ſo in die Weichteile des Maules treiben, 
daß auch der Widerhaken eindringt und 
das Entkommen verhindert. Man fpricht 
daher auch von einem zu ſchwachen oder 
zu ftarfen Anhieb, wenn enimeder der 
Widerhaken nicht eingedrungen tft, ober 
durch zu gewaltfamen Ruck Angel, Gerte 
oder Schnur abgeiprengt wurde. Der 
regelredte Anhieb tft von ganz ver- 
ſchiedener Stärfe, je nad ber Methode, 
die man gerade ausübt und je nad ber 
Epannung, in der fi gerabe die Schnur 
befindet. 

Braudbar ift nur ein Fiſch, ber das 
nefeglide Brittelmaß, oder das in dem 
betr. Wafjer vereinbarte, aufweiſt. 

Brittelmaß iſt das ftaatlich feſtgeſetzte 
Minimallängenmaß, unter dem die ge— 
fangenen Fiſche wieder in das Stamm⸗ 
waſſer zurückverſetzt werden ſollen. 

Driklen, Gegenfag von Forcieren. Der 
fiſchgerechte Sportangler drillt jeine Fiſche 
an der Angel, d. h. er ermüdet ſie durch 
Nachlaſſen ber Schnur, oder Schnurgeben, 
wenn ber Fiſch zu fliehen fucht, oder, 
wie man gu fagen pflegt: „Fluchten 


ſchwereres, unfportsmäßiges Angelzeug 
bedingen wiürbe, tft dem wahren Eport: 
fiiher verbaßt. " 

Fahne, Rilckeenfloſſe, beſonders bei ber 
Aeſche gebräuchlich. 

Fiſchdiebe, Raubfifcher, 
oder freveln. 

(Die) Fiſche find „gut“, „ſtark“, „Schwer 
oder „Fapital“, auch Prachtexemplare. 
Man ſpricht audı von „Fetzen“, „Mordd: 
Rieſen“, Hechten oder Huden ꝛc., nid! 
aber von „großen“, „Ichönen“ ober 
„langen“ Beuteftüden. 

Der Fiſchbeſtand iſt „gut“, wenn ein 
Fiſchwaſſer gut befegt iſt. Der Beltand 
ift „gemifcht”, wenn mehrere Fiſch⸗ 
arten vorlommen, „rein“, wenn bad 
— —* nur eine Art hervorbringt. 

öderfiſche, wie Pfrillen, Koppen 1. 
kommen dabei nicht in Betracht. 

Fiſchgerecht — weidgerecht iſt ein Sport⸗ 
fiſcher nur dann, wenn er ſein Fiſch⸗ 
wafſſer, wie ber Säger ſein Wild, hegt 
und pflegt, d. h. fi zum minbejten ftreng 
an die Schonvorjihriften hält, den Raub⸗ 
fiſchen zu Leibe geht und wenn es nottut, 
fleißig Jungbrut, oder noch beſſer, Jühr⸗ 
linge audfest. 

Gaff, Saffen, der Landungshaken und 
bie Zunftgerechte Anwendung besfelben. 
Griff zeigen, die Gerte im legten Ent: 
ſcheidungskampf mit dem Fiſche jo zurück⸗ 
biegen, daß der Handgriff die Richtung 

gegen den Fiſch einnimmt. 

Mucken, das Steigen des Fiſches nach auf 
— Waſſerſpiegel einherireibenden In⸗ 
ekten 


„Petri Heil“ oder „Gut Waſſer weid“ 
milnfchen ſich bie Fiſcher gegenfeitig. Ver⸗ 
pönt find Zuruſe wie: „Biel Glüd“, 
„Viel Vergnügen“ oder gar: „Machen 
Ste gute Geſchäfte“. Die Engländer 
‘rufen fih in finniger Weiſe: „Tight 
Lines“, „ftramm geſpannte Schnur zu, 
was infofern wohl einen Doppelfinn hat, 
weil „to be on the tight rope“ (Seil 
tänzerfeil) bedeutet: aufgeräumt und ganz 
bei einer Sade zu fein. 

Negionen ber Fiſche. Dan unter 
fheidet bei größeren Flußläufen ver: 
ſchiedene, immer nur für gemwiffe Fiſch⸗ 
nattungen und arten geeignete FJluß⸗ 
ftreden, wobei hauptſächlich die Tempe: 
ratur des Waſſers und das Gefäll map: 
gebend find. 

Schar, plöglidier Abfall des ſeichten Ufer: 
randes in Eeen nach ber Tiefe. 

Schneider heißen die Fifche, welde has 
geieglihe Minimalmaf noch nicht erreicht 
haben. Bei Arten, die überhaupt keiner 
ftaatlid) vorgeichriebenen Schonung unter: 
liegen: alle jene Exemplare, bie ge: 
ſchlechtlich noch unentwidelt find. Die 
Sähußlaube (Alburnus bipunctatus) heißt 
auch „Schneider“ im engeren Sinne, wohl 
weil fie ein fo unanjehnliches Fiſchchen iſt. 


mildern 


fr 


VII. Angelf[port. 


Schneider ift man, folange man die 
„Schneiderei nicht gerettet“,d. 5. 
folange man nod keinen „brauchbaren“ 
Fiſch gefangen Hat. 

Stand,Standort, ber Lieblingdaufent- 
balt der einzelnen Arten, 3. 3. in ber 
Strömung, in der Tiefe, am Ufer ꝛc. 
Sm fpeziellen Fall: das Jagdrevier eines 
größeren Raubfifche3. 

Steigen. Während „Muden” nur das 
Aufgehen der Fiſche nad Inſekten auf 
dem Waſſerſpiegel bedeutet, bezeichnet 
man mit „fteigen” allgemeiner das Auf- 
fteigen der Fiſche aus der Tiefe auf Köder: 
fifhe, die über ihnen hergezogen werden, 
fowie auf Fliegen, die auch unter Waſſer 
einhertreiben. 

Strede bedeutet, wie in der Weidmanns⸗ 
fprade wörtlich genommen, dad Auslegen 
der Beute nach beendigtem Tagmwert in 


Nro. 543. 


Reihen georbnet. Das Wort wird jeboch 
von Fildern viel häufiger bildlich ge— 
braudt, weil e3 nicht immer angeht, die 
ſorgſam verpadten Fiſche im Revier 
wieder auszupaden. 

Umfteben, nur gebräudli für lebend 
transportierte Fifche, wenn fie ſich matt 
auf die Eeite legen und zu verenden 
drohen. 

Unterſtand, das Verfted des Fiſches. 

Vergrämt iſt ein Fiſch, der entweder 
ſchon Bekanntſchaft mit einer Angel ge— 
macht hat, oder durch irgend ein Bor- 
kommnis, wie Bewegung am Ufer, Bligen 
der Gerte, Einfallen eines Schattens ıc. 
vorfidtig geworden iſt. 

Weidloch = After. 

Wildwaſſer, Fluß oder Bach mit freiem 
Zauf im Gegeniag zu Teich oder Aufzuchts⸗ 
graben, Kanal ıc. 


Erklärung zu den nachftebenden Tafeln. 


Zu Tafel I. 


A. Dreiteilige, feinfte $luggerte mit Referveipige aus gefplißtem Bam— 
bu3, 3 m lang. a Negftod, gleichzeitig zur Aufnahme der beiden Spigen, b lanzen: 
förmiger Spieß, e c! Zapfen zum Schuf der Hülfen. Gewidt: 180 g. 


B. Dreiteiltige $orellenfpinngerte (aud) leichte Hechtgerte) au3 geiplißtem 
Tontinrohr, Handteil Hidory, mit Ebonit-Nottinghamrolle (zum recht3 aufrollen 
geftellt), Schugring (d), Porzellan-Endring (f) und Gummiring (e), welder die 


Hand vor dem an der Gerte berabrinnenden Waſſer ſchützt. 


Gewidt: 550 g. 


C. Dreitetilige, ſchwere Hecht- und leichte Hudengerte, aus dem 
gleihen Material mit Holz.Nottinghamrolle (zum links aufwinden geftellt) und 


Achatendring (fl). Gewicht: 650 g. 


D. Dretteilige Spazterftodgerte mit abmehmbarem Leberring (1) zur Bes 
feftigung ber Rolle (leichte Grund- und Spinngerte). 


F. Landungs neztz in feinfter Ausführung von Farlow. 
bei k mit Stahlfeder zum Anhängen verſehen. 


Bierteilige Grundgerte aus Hidory. — Sämtliche Gerten aus der Wert: 
ftätte von Hildebrand Wieland. 


Bel i zum Umklappen, 
(In ber Stahlfever hängt ein 


Springring mit Klemmlarabiner, welder auch die Befeltigung am Rodtragen ꝛc. 


ermöglicht.) Bei h ift dad Neg abfchraubbar. 


ftattete Gaff: 
G. paßt in das Gewinde bei h. 


Der mit Schutzhülſe g ausge: 


H Teleflopgaff, vierlantig, von Farlow, wird am bequemften in bem bei K 


abnehmbaren Springring getragen. 


Niro. 543. 


a 


.. oo. 08 0 


— 


10.3 


Dr. R. Beink. 
Zu Tafel Il. 


Limerick⸗Haken. 
Round-bend-Haken. 
Pennell⸗ (mit Ring) Haken. 
Sneck-bend-Haken. 
Lipphaken. 

Perfekthaken. 


Limerick⸗Drilling. 
Sneck-bend-Drilling. 
Auswärtsgebogener Drilling. 
Drilling mit Pfetlfpige. 
Geſchloſſener Meſſingwirbel. 
Geſchloſſener Stahlwirbel. 
Schlangenwirbel. 
Karabinerwirbel. 
Buckelwirbel. 

Nadelwirbel. 
Doppelfederwirbel. 
Doppelter Karabinerwirbel. 
Einhänger. 


Farlowſche exzentriſche Bleie mit 2 Schlangenwirbeln. 


Archer-Jardineſche Einhängbleie. 


Kopf⸗ oder Kappenblei. 
Dee: ober Sapfenblet. 
Bodenblei. 
Birnförmiges Blei. 
Lotblei. 
Gleitblei. 
Bootförmiges Blei, nach Geen, mit Einhängern. 
Floß aus Gänſekiel. 
Floß aus Stachelſchweinborſte. 
loß für die Schnappangel. 
loß für die Nottinghamfiſcherei. 


Zu Tafel III. 


Löſering, beſonders für die Schleppangel geeignet. 
Löſeinſtrument zum Schneiden und Stoßen. 
Löſemeſſer. 

echtſchere. 
Fr zum Umklappen für Ylugfifcher. 
Hakenlöſer, einfad. 
Ködernapel, 
Fiſchwage. 
Köderfiſchleſſel mit ſiebförmigem Einſatz. 


Köderfiſchbüchſe von Wieland. 

Fiſchkorb. 

Ütenſilientaſche für Grundfiſcher. 

Fliegenbuch. 

Etui für Trockenfliegen. 

ditto. 

Poil-Wäſſerbüchſe von Farlow. 

Büchſe für Spinnzeug. 

Wurmbüchſe. 

Heuſchreckenbüchſe. 

Köderbüchſe zum Anhängen. 

Pfrillen- und Krebsnetzchen. 

Miniaturftahl. 

Ruckſack. 

Transportgeſchirr für lebende Fiſche Giſchlageh. 
ditto, zum Zuſammenklappen (nad Ehmant). 


N 


VII. Angelfporf. Nro. 543. 


Zu Tafel IV. 


Gemwöhnlier Wurmköder. 
Steward ſches Hakenſyſtem. 
Dasſelbe, beködert. 


Anköderungsmethoden bei auf dem Grunde aufliegendem Wurme. 


Anköderung in Büſchelform auf größere Fiſche. 
Dee⸗Syftem. 
Dasſelbe beködert. 
Perfektſpinner nach Pennell. 
10. Derſelbe, beködert. 
11. Krokodilſpinner nach Hardy. 
13. Schnappangel nah Jardine. 
18. Dieſelbe, beködert. (Man achte auf den Tiefſtand des Kopfes.) 
14. Schnappangel nach Pennell. 
15. Schnappangel nad Bickerdyke. 
16. Dieſelbe, beködert. 
17. Paternoſterangel nach Jardine für Hechte. 
18. Paternoſterangel für Barſche. 
19. Unteres Ende vergrößert. 
20. a dazu in !je natürl,. Größe. 
chluckangel mit 1 m langem Gimp und ausmechfelbarer Angel. 
22. Schludangel für Forellen und Barfche. 
28. Schnappangel für toten Köder. 
24. Diejelbe, beködert. 
25. Schnappangel für toten Froſch zum Hedhtfang. 
26. Diefelbe, beködert. 


waren enı 
® Die 3 


Zu Tafel V. 


Pennell-Bromley- Flucht (Faclow). 

Ehapmanfpinner mobdernifiert, mit Zelluloidſchaufel und 3 Nadelmwirbeln 
ausgeftattet (Wieland). 

Röhrchenſpinner in verbefjerter Ausführung, an Formalinfifh geföbert. 
a Röhrchen; bb Führungsſtab; c Zentraljtab aus Neufilberbraht mit ans 
geldötetem Schweifdrilling; d einfacher Kopfdrilling (fliegend), an Nabel- 
wirbel und Ring; e doppelter Kopfdrilling (fliegend), an Doppelgalgen 
mit Nabelwirbeln (Wieland). 

Farlomblei im richtigen Größenverhältniß zu den 83 abgebildeten Angel 
fluchten, 15 g ſchwer. 

Punjabdrahtvorfach mit Wirbeln und Einhänger. 

Verzinktes Stahldvrahtvorfah, 0,3 mm ſtark, für Yorellenfpinnangel mit 
Farlowblei (abnehmbar). 

Stahldrahtvorfah nah Geen, 0,4 mm ftark, für Hechte, Lachſe und Huchen. 

Zwiſchenfach von feinem Punjabdraht mit Einhänger nach Heing (Wieland). 


Zu Tafel VI.*) 


Fig. 1. Naupenfliege (Palmer). 
7 2. Käfer, ſummend dargeſtellt. 
„3. Geflügelte Fliege (kleine Ephemara). 
„4. Engliſche Trockenfliege. 
„ 5. Spinnenartige Fliege (Hechelfliege). 
„ 6. Schottiſche Phantafiefliege. 
„ 7. Sees und Meerforellenfliege. 
„ 8 Maifliege. 
„ 9% Summende Waifliege. 
„ 10. Heuſchrecke. 
„ 11. Mitelfliege, zweihakig, nad Schneider. 
„ 12. Lachsfliege. 


+), Die auf biefer Tafel zur Anſchauung gebrachten, typiſchen Mufter Fünftlicher 
5 können und ſollen nur den Wert haben, im allgemeinen zu zeigen, in welcher 
eiſe die verſchiedenen Formen von Inſekten und Phantaſiegebilden zur Darſtellung 
gebracht werden. Die Abbildungen nur der gangbarften Fliegen mit dem dazu not⸗ 
mwenbigen, erklärenden Text würben ben dem Angelfport gewidmeten Raum des Goldenen 
Buches weit überfhreiten und muß Daher auf ausführliche Spezialmerte nn werben. 


A 





L 
B. 





9 
— 


262, Tafel I zu Angelſport. 











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263. Tafel IE zu Angelfport. 





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265. Tafe 





266. Tafel V zu Angelfport. 


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267. Tafel VI zu Angelfport. 


TCIETTEITETEITET TEILTE TEE TEE TEE TE DE TTEIE 


VI. Automobil: und Motorradfport. 


Von 
Max R. Zechlin, Charlottenburg. 


1. Das Hutomobil. 


544. Zur Entwidlung. Auto- 
mobil- und Motorradfport entjpringt 
dem bis zur Leidenschaft anwach⸗ 
fenden natürlihen Bedürfnis des 
Menſchen zur fchnellen Fortbewe⸗ 
gung, dem Drange, ed dem Fiſche im 
Waſſer gleich zu tun, dem Vogel in 
der Luft, dem Hirſch auf der Heide. 
Doc feine eng umgrenzten phyfie 
ihen Kräfte und Fähigkeiten feiner 
Gliedmaßen verfagen ihm diejen 
Wettbewerb. Sein dem Tiere über- 
legener Berjtand erfinnt den Motor, 
und damit wird die erjte Möglich- 
feit für die Entjtehung des Fort- 
bewegungswerkzeuges gejchaffen. 
Mährend die „Mafchine” groß und 
wuchtig, ſchwer und maſſig ihre 
Arbeit verrichtet, konzentriert der 
„Motor“ ſeine Kraft auf den klein⸗ 
ſten Raum, mit geringſtem Gewicht, 
in einfachſter Ausführung. 

Schon Heron von Alexandrien 
machte 120 Jahre v. Chr. Vor— 
ſchläge zur maſchinellen Fortbewe— 
gung von Fahrzeugen. Die Idee 
lebte weiter. Sie wurde im Mittel: 
alter wieder aufgenommen, wenn 
auch erfolglos, und fand in der 
Neuzeit erjt ihre praftifche Ver— 
wirklichung. 1680 führte Siaac 
Nemton die alte Idee aus, einen 
Wagen mittelft nad hinten aus: 


ftrömenden Dampfes vorwärts zu 
treiben. James Watt baute 1781 
zufammen mit William Murdod 
ein Dampfdreirad, Cugnot 1765 
einen wirklich laufenden Dampf: 
wagen. Es folgten dann eine Reihe 
mehr oder weniger geglüdter Ber: 
ſuche ſeitens franzöfticher und Haupt: 
fählih engliſcher Techniker, big 
Walter Hancock 1833 mit neun 
Dampfomnibuffen einen regelmäßi- 
gen Betrieb zwischen London und 
Paddington eröffnete. 

Er fuhr felbft mit jeinem Dampf: 
phaethon, welches auf eine Geſchwin⸗ 
digfeit von 20 englifhen Meilen 
die Stunde gefommen fein foll, in 
den Straßen Londond umher. Dann 
begann in England der Wettfampf 
mit dem in Entftehung begriffenen 
Eifenbabnbetriede. Man hielt in 
unbeſchreiblicher Kurzjichtigfeit eine 
Entwidlung beider Verkehrsarten 
nebeneinander für unmöglid. Die 
„Schienenmänner“ hatten die Ueber⸗ 
madt und töteten die junge Auto⸗ 
mobilinduftrie durch eine Parla⸗ 
mentsbill, wonach 100 m vor jedem 
nicht auf Schienen fahrenden Dampf: 
wagen ein Mann mit einer roten 
Fahne hergeben und das Publikum 
warnen mußte, und die Fahr: 
gejchwindigfeit auf 4 km begrenzt 


VII. Aufomobil- und Motprradſport. 


wurde. Dieje Bill wurde erft 1896 
wieder aufgehoben. In Frankreich 
und Deutichland verhinderten poli⸗ 
tifde Unruhen die Weiterentwid- 
lung dieſes Fahrzeugs. Nach 1871 
nahmen fich jedoch die Franzofen 
derjelben mit großem Eifer wieder 
an. Amédée-Bolls, Graf de 
Dion, Ingenieur Bouton, Ser- 
pollet und andere waren die 
erſten erfolgreiden Vorkämpfer, 
denen ſich in Deutſchland Gottlieb 
Daimler, Marcus Siegfried 
und Benz anſchloſſen. Daimler 
in Cannſtatt baute 1885 nach vielen 
Verſuchen das erite Motorfahrzeug 
in Form eines Niederraded und 
1886 den erften vierrädrigen Motor 
wagen. Gleichzeitig baute Benz 
in Mannheim fein erſtes Motor: 
Dreirad. Aus ihnen entwickelten 
fih in ungeahnter Schnelligkeit die 
heutigen Fahrzeuge, bei welchen man 
das Gemwollte erreiht hat: Die 
fouveräneBeherrfhungeine 3 
Werkzeugs zur beliebigen 
ſchnellen Fortbewegung auf 
dem Erdboden. 

545. Daten über Wettfahrten 
als Schnelligkeitsprüfungen und 
Zuverläffigkeitsfahrten 2c. und die 
erreichten Gejchwindigkeiten. Der 
täglide Gebrauchswagen für den 
Verfonen- und Laftentransport im 
ftädtifchen oder Nachbarortsverkehr 
fann oder darf nur mit 15—20 km 
per Stunde fahren, der Automobil- 
reifende oder Wanderfahrer begnügt 
fih mit einer Durchſchnittsgeſchwin⸗ 
digkeit von 25—30 und mit einem 
gelegentliden Höchſttempo von 45 
bi3 60 km per Stunde. Zu mel- 
hem Zwecke werden dann Rennen 
mit Durchſchnittsgeſchwindigkeiten 
von 70—100 und Hödjitleiftungen 
von 120—150 km per Stunde ver- 
anftaltet? Wozu werden Menjchen- 
leben in Gefahr gebracht und enorme 
Koften aufgemendet, um dieje Zei: 
ten zu erreichen ? 


Niro. 545. 


Antwort: Zur Züchtung einer 
gebrauchsfähigen Motorwagenraffe, 
gleichwie die Pferderennen das beite 
Mittel find zur verbreitenden Ver⸗ 
breitung eines weitgehenden In⸗ 
tereffes für gute Pferdeleiftungen 
und zur Züchtung eine braud)- 
baren Pferdematerials. 

Reinigend und Härend wirken 
bier die Rennen und Dauerfahrten. 
Sie ermöglichen Vergleiche zwiſchen 
den verfchiedenen Erzeugnifjen. Sie 
ſchalten das unſchöne, unbrauchbare, 
nicht bewährte Fahrzeug ſchnell 
und ſicher aus. Der verbleibende 
Reſt ſind wenige, den beſonderen 
Zwecken entſprechende einheitliche 
Bauarten, ſogen. Normaltypen. Sie 
wecken das Intereſſe und erzwingen 
die Beteiligung der Sport- und 
Geldleute aller Geſellſchaftsklaſſen, 
der hohen und höchſten Herrſchaften, 
ſowie der regierenden Fürſtlichkeiten, 
welches fördernd und befruchtend 
einwirkt auf die Heranbildung einer 
großen leiſtungsfähigen Induſtrie 
zum Nutzen des einzelnen Bürgers 
und der Geſamtheit, durch Ver—⸗ 
beſſerung der Verkehrsverhältniſſe 
und durch Wehrhaftmachung der 
Nation. 

Es iſt erſtaunlich, in welcher 
ſchnellen Weiſe die Geſchwindig⸗ 
keiten der Motorwagen ſeit den 
erſten Wettfahrten gewachſen ſind. 
Nachſtehend ſind die Rekordſtrecken 
bezw. Rekordzeiten ſeit dem Jahre 
1894 angegeben, in welchem die 
erſte nennenswerte Automobilmett- 
fahrt von Paris nach Rouen ſtatt⸗ 
fand. 

1894: Die Strecke Paris-Rouen 
war 133 km lang und wurde die 
Wettfahrt von einem Dampfmotor- 
wagen de Dion=-Bouton ge 
monnen, er braudte 5 Stunden 
40 Minuten, was eine Durchfchnitt3= 
geihmwindigfeit von 29 km in der 
Stunde gibt. 

1895: 25km. Emile Zevaffor 


Nero. 545. 


durdlief auf einem Panhard-Tevaj- 
ſor-Wagen mit VBollgummibereifung 
eine Strede von 1200 km, ohne 
einen Augenblid anzuhalten, er 
blied genau 48 Stunden 17 Mi— 
nuten an der Lenkitange ; daß jegige 
Steuerrad kannte man damals noch 
wenig. 

1896: 25,2 km und 45 km. 
Wiederum mar es ein Panhard- 
Levafjor, Spferdig mit Vollgummi⸗ 
reifen, der erfte vierzylindrige 
Panhardwagen, 1200—1300 kg 
ſchwer, der die Strede Paris-Mar⸗ 
jeile und zurüd, 1707 km in 67 
Stunden 42 Minuten 58 Seflunden 
zurüdlegte, das find 25,2 km 
Durchſchnittsgeſchwindigkeit. In 
demſelben Jahre legte aber ein 
Bollé⸗⸗Fahrzeug mit Jamin am 
Steuer zwiſchen der kürzeren Ent⸗ 
fernung Paris und Trouville173 km 
in 3 Stunden 5l Minuten zurüd, 
entfprehend 45 km Stundenge⸗ 
ſchwindigkeit. 

1897: Auf 38 km per Stunde 
brachte e8 in diefem Jahre Rene 
de Knyff zwiſchen Paris und 
Bordeaux, er fuhr die Strecke von 
573 km in 15 Stunden. 

1898: 40 km in der Stunde 
und 100 km in 118 Minuten. 
Charron auf Panhard durdhfuhr 
die GStrede von 1443 km zwi: 
ihen Paris und Amfterdam in 
35 Stunden 47 Minuten. 55 km 
per Stunde durchfuhr derſelbe 
Fahrer 1899 auf der Strecke Paris⸗ 
Bordeaux. 

In dieſem Jahre fand das erſte 
Kriterium der Motorräder ſtatt, bei 
dem Leon Bollée den Weltrekord 
aufftellte, er durchfuhr 100 km in 
118 Minuten oder 1 Stunde 58 
Minuten, alfo mittlere Geichwin- 
digkeit rund 50 km in der Stunde. 

1899: 50 km im Mittel und 
den Kilometer in 34 Sekunden. 
Im Laufe von drei Monaten ftei: 
gern Jenatzy und Seantaud 


M. R. Zechlin. 


auf der Bahn von Achères mit 
ihren eleftrifhen Ungeheuern den 
Rekord auf 70 und 80 Kilometer, 
ſchließlich durchfährt Jenatzy mit 
fliegendem Start einen Kilometer in 
34 Sekunden, das gibt eine Stunden⸗ 
geſchwindigkeit von 105,4 km. 

Bei der Fahrt für Automobile 
durch Frankreich (Tour de France) 
leiſtete der Siege Rene de 
Knyff auf Panhard 50 km im 
Durdfänitt in der Stunde (2217 
km in 44 Stunden 45 Minuten). 

1900: 61,817 km, 70 km und 
92 km. Dies Jahr bradte das 
erite Gordon-Bennett-Rennen, für 
weldes bis 1906 jedes Sahr in 
dem Lande ausgefahren wurde, 
dejlen Fahrer im Vorjahre Sieger 
wurde. Durchdiefe Gorpon-Bennett: 
Rennen ift das große Publikum 
zuerft für die Automobilrennen in- 
terejfiert worden und in Automobil: 
fportfreifen herrſchte für dieſelben 
fpäter größte Begeijterung. Des: 
halb verlohnt es fich wohl, näheres 
über die Entjtehung und den weis 
teren Berlauf dieſes bahnbredhen- 
den Rennens mitzuteilen. Auf dem 
erjten diefer Rennen fiegte Char- 
ron auf Panhard über eine Strecke 
von 556 km Barig-Lyon mit 61,8 
km mittlerer Geſchwindigkeit. 

Mr.GordonsBennett,Eigen: 
tümer des „New Dort Herald“, 
großer Sport3männ und Mitglied 
des Automobilliub de France, 
madte 1899 diefem 10000 Frs. 
zum Gefchenf, mit der Beftimmung, 
daß der Klub für diefe Summe 
einen Kunftgegenitand als Wander: 
preis ftifte. Diejer Preis fol aU- 
jährlich in einem Rennen verteidigt 
werden, defjen Bedingungen von 
dem A.C.F, feitzufegen find. Die 
Herausforderung hat von einem 
fremden Automobilflub zu geſchehen. 
ALS Bewerber gelten nicht die um 
den Preis fämpfenden Konkurren⸗ 
ten, jondern die Klubs, welde, 


VIII. Aufomobil- und Mokorradſporkt. 


wenn fie fiegen, nicht Eigentümer, 
jondern Bemwahrer des Preijed wer: 
den. Das Rennen fol jedes- 
mal in dem Lande abgehalten wer: 
den, welches den Preis hält, und 
die ftartenden Fahrzeuge jollen voll: 
ftändig in dem Lande hergejtellt 
fein, für deffen Klub fie laufen. 
Sie follen von einem Mitgliede 
diefe8 Klubs. perfönlih geführt 
werden, dem mindejtend noch ein 
Begleiter hinzuzugejellen ift. Die 
Länge der Strede joll 550 — 650 km 
betragen. Die Fahrt fol zwiſchen 
dem 15. Mai und 15. Auguft ftatt- 
finden. 

Das vorerwähnte erfte Gordon⸗ 
Bennett:Rennen im Juni 1900 
war von bejonderem Intereſſe jo- 
mohl wegen der jtarfen internatio: 
nalen Konkurrenz al® auch wegen 
der vielen Unfälle. Nur einer von 
den fünf Gegnern ging über das 
Zielband. Der fchlechte Zuftand 
der Straßen und der vollitändige 
Mangel einer Organifation waren 
die hauptſächlichſten Umftände, die 
den Konkurrenten die Fahrt er- 
ſchwerten, wozu noch maſchinelle 
Widermwärtigfeiten famen. Das 
Durchſchnittstempo des Siegers 
Charron betrug trotz einiger Un⸗ 
fälle immer noch 61 km. Im 
zweiten Gordon = Bennett » Rennen 
(1901) gelangte ein einziger von 
vier Startenden and Ende. Gi: 
rardot (mit 59 km per Stunde 
Durchſchnittsgeſchwindigkeit), und 
im dritten Rennen (1902) war 
Mr. Edge der einzige von den 
fünf Startenden, der da8 Ziel er- 
reichte.” 

In demjelben Jahr 1900 brachte 
Rene de Knyff auf Panhard in 
der Rundfahrt von Südweſt in 
5 Stunden die mittlere Gejchwin- 
digkeit von 70 km ein, den Schnellig- 
feitöreford des Jahres lieferte aber 
Senaty auf Bolide im Kriterium 


Nro. 545. 


37 km in 24 Minuten 45 Gef. 
durdfuhr, was 92 km pro Stunde 
bedeutet. 

1901: 101 km im Mittel, das 
Kilometer in 35,8 Sek. Gleich zu 
Anfang des Jahres ftellte Ser: 
pollet den Rekord auf, er durch⸗ 
fährt mit fliegendem Start den 
Kilometer in 35,8 Sek,, was einer 
Stundengefchmwindigfeit von 101 km 
gleihfommt, und gewinnt damit 
den erſten Rothſchildpreis. 

Etwas ſpäter wird die Fahrt 
Paris⸗Bordeaux organiſiert und 
zugleich das zweite Gordon⸗Bennett⸗ 
Nennen. Letzteres gewinnt Gir- 
ardot mit einer mittleren Ge— 
Ihmwindigfeit von 59 km; bei 
erjterer ift Henry Fournier 
Sieger, der die 555 km lange 
Strede mit einer mittleren Ge— 
Ihwindigfeit von 85 km zurüd- 
legt. 

Sn demfelben Jahre fand auch 
die damals bejonders in Deutlich: 
land viel Aufjehen erregende Fahrt 
vom 27.—29, Suni Paris-Berlin 
ftatt. Es wurden 74,37 km per 
Stunde auf der langen Strede von 
1196,03 km erreicht. Letztere wurde 
in drei Stappen zu je einem Tage 
gefahren: Paris-Aachen, Aachen: 
Hannover, Hannover:Berlin. Alle 
nennenswerten durchfahrenen Ort» 
ſchaften wurden „neutralifiert“, d.h. 
die Rennwagen wurden in lang: 
jamerem Tempo von Radfahrern 
durchgeführt und mußten vor dem 
Verlaſſen des Ortes die vorher be- 
rechnete Bajfierzeit für den Ort 
abwarten. 

Es ergab fih die Durchſchnitts⸗ 
geſchwindigkeit, unter Abrechnung 
der 8 Stunden neutralen Zeit, 
von 74,37 km für Fournier. 
Seine größte Schnelligkeit ftiea 
zeitweife auf 110—120 km per 
Stunde. 

Fournier fuhr einen 7Opfer- 


der Provence, indem er die lebten | digen Morswagen von 1450 kg 


Niro. 545, 


Gewicht und erlitt unterwegs elf 
Pneumatikexploſionen. Girardot 
al8 zweiter und Rene de Anyff 
als dritter hatten PBanbard-, Bra⸗ 
fier als vierter gleichfalls einen 
Morswagen, von etwa gleicher 
Stärke. Es kam hier alfo der perfön- 
liche Faltor: die Neberlegenheit des 
Fahrer neben den Glückszufällen 
zur Oeltung. Neben den Syſtemen 
fümpften die Berjonen der Fahrer 
miteinander. Hierdurch) wurde der 
Iportlide Charakter des Rennens 
gewahrt. 

1902: 136,50 km und 90 km 
im Mittel. Es fanden verfhiedene 
Konkurrenzen über den Kilometer 
mit fliegendem Start ftatt, die 
folgende Refultate ergaben: 

km pro Std. 


120,420 
122,477 
132,000 


Leon Serpolletmit 
Deuf de Päques . 
Vanderbiltauf Mors 
in Ali. x... 
Le Blon auf Serpollet 
in Deauville . . 

Chaudard auf Pan: 
d 135,338 


ar 
Gabriel auf Mors. 136,350 

Sn der Dauerfahrt Paris: Wien 
erzielte Rens de Knyff 90 km 
Durdhichnittsgefchwindigfeit. 

1903: Den Kilometer in 26,4 Sef. 
— 136,363 km pro Stunde. Dar: 
racg nahm in Dourdan auf Go: 
bron Brilie mit fliegendem Start 
den Kilometer ın 26,4 Sef, und 
ftellte den Weltreford auf. 

Serpollet gewann in Nizza 
abermals den Rothſchildpreis mit 
123 kn in der Stunde. 

Jenatzy, der Sieger des Gordon: 
Benneit in Irland, legt auf Mercedes 
9OkminderStunde zurüd, und Mors 
auf der erjten Etappe Paris-Bor⸗ 
deaur des Rennens Paris-Madrid, 
das infolge von Unglüdsfälen abs 
gebroden wurde, 105 km in ber 
Stunde. 

1904: Den Kilometer in 21,6 


4 


7T· 11 


M. R. ZSechlin. 


Sek. = 166,66 km in der Stunde. 
In Arras erreicht Gabriel über 
eine Strede von 5 km 120 km 
in der Stunde, hervorragender ift 
Rigoly auf dem fehr günftigen 
Strande von Dftende, er nimmt 
bei fliegendem Start den Kilo: 
meter in 21,6 Set, = 166,66 km 
Stundengefchwindigteit. 

Thery gewinnt auf Brafier dad 
Gordon:Bennett im Taunus über 
564 km, er braucht 5 Std. 50 Win. 
8 Sef., was einer Stundengeſchwin⸗ 
digkeit von 96 km entfpridt. 

1905 : 174,758 km in der Stunde 
oder 1 km in 20,6 Self. Thery 
gewann das eigentliche Gordon⸗ 
Bennett in Frankreich mit 78,428km 
in der Stunde. Dann leifteten 

km in der Std. 


Hemery in den Ar⸗ 

dennen . . 100,450 
Raggio in Breäcia . 105,300 . 
Ssletiher . . . „ 123,600 
Hémerp in Salon . 174,758 

Diefet lebte Kilometerreford bei 
fliegendem Start bedeutet rund 
50 m in der Sefunde, das ift die 
Geſchwindigkeit eines Sturmed. 
1906: 205 km in der Stunde. 
In den Ardennen bedeckte der Steger 
Duret 105 km im Durchſchnitt 
in der Stunde, Gabriel, der als 
Dre einfam, immer noch 102,22 


Szisz gemann ben Grand Prix, 
Länge der Strede 1238 km mit 
einer Stundengejchwinbigfeit von 
101,300 km. 

Lee Guineß flug in Dourdan 
den im vorigen Jahre von Hoͤmery 
aufgeftellten Rekord, er braudte 
fliegend für den Kilometer nur 
20 ©ef. = 180 km in ber Stunde. 

Mariott überwindet in Florida 
auf einem Serpollet:Dampfwagen 
die Meile (1,6 km) in 28,2 Sek. 
und das bedeutet eine Stunden: 


en feit von 205 km. 
1907: 113,600 km. Das Jahr 


J 
9 
ws 
— 


wen 


* 
ve 


VII, Rufomobil- und Molorradfporf. 


verläuft bezüglich des Wachstums 
ber Geſchwindigkeiten ziemlich ruhig. 
Sn den Ardennen und in Brescia 
erreichen die Sieger aber Doch noch 


mebr al3 100 km in der Stunde, und |‘ 


Nazzaro gewinnt den Grand Prix 
(770 km) mit 113,600 km Durd): 
ſchnittsgeſchwindigkeit in der Stunde. 
1908: Ein Erfolg, wie ihn die 
deutſche Autoinduftrie und feine 
andere bisher erzielt hat, wie ein 
folder überhaupt wohl niemals auch 
auf anderem Sportgebiet in einem 
internationalen Wettbewerb erreicht 
wurde, haben die deutichen Fahrer 
am 7. Juli d. $. gehabt. Das 
größte automobilfportliche Ereignis 
der Welt, der „Große Preis“, 
welder bei Dieppe in Frankreich 
ausgefahren wurde und deſſen Ge- 
winner als Weltmeijter angefehen 
werden muß, bat mit einem über: 
mwältigenden Siege der deutſchen 
Fahrer und Wagen geendet. Die 
Geſamtſtrecke, welche in 10 Runden 
von je 77 km auägefahren wurde, 
betrug 770 km. Der erfte Plaß 
wurde von Lautenfhlager auf 
einem Mercedeswagen belegt in 
einer Zeit von 6 Stv. 55 Min. 
43 Sef. entſprechend einer Stunden- 
geſchwindigkeit von 112 km. Die 
erften 7 Fahrer von 22 Angekom⸗ 
menen haben 100 km Durchſchnitts⸗ 
geſchwindigkeit trotz ſehr Tchlechter 
Straßenbeſchaffenheit erreicht, und 
damit ſind die Leiſtungen der 
früheren Rennen über ſo lange 
Strecken weit übertroffen worden. 
Unter den 7 erſten Fahrzeugen — 
zwifhen dem 7. und 8. und den 
folgenden ift eine fo große Zeit- 
differenz, daß die erften 7 Fahr⸗ 
zeuge allein betrachtet werden können 
— befanden fih 6 deutſche und 
zwar der erjte, zweite, dritte, fünfte, 
ſechſte und ſiebente. Das End- 
ergebnis war wie folgt: 
1. Lautenſchlager 
- (Mercedeg) . 


Nro. 546. 


2. Hemery (Benz) 7: 4:24 
3. Hanriot (Ben) . 7: 5:13 
4. Rigal(Bayard Cle- 

ment) . . 7:30:36 
5. Willy Poege 

(Mercedes) 7:31:32 
6. Jörns (Opel). 7:39:40 
7. Erle (Benz) 7:43:21 


Der Erfolg erfcheint noch befon- 
ders groß dadurch, daß nur neun 
deutfhe Wagen gegen 24 franzö: 
fiihe zu kämpfen hatten, und daß 
von diefen 9 Wagen 6 die erften 
Pläge erreichten. Nur ein franzö- 
ſiſcher Wagen beiten Yabrifats hat 
fih zwiſchen die deutſche Phalanx 
ſchieben können. Die ſchnellſte Runde 
bei dieſem Rennen wurde dazu mit 
einem der nicht plazierten deutſchen 
Mercedeswagen durch den Fahrer 
O. Salzer mit einer Durchſchnitts— 
geſchwindigkeit von 126,5 km ge: 
fahren. 

Den Stundenreford für Auto- 
mobile auf der Rennbahn erzielte 
der italienische Rennfahrer Naz— 
zaro auf der englifhen Broofland- 
bahn im Mai 1908 mit 180 km 
pro Std. Eine Runde legte er mit 
einer Gejchmwindigfeit von 193 km 
per Std. zurüd. Diefe Gefchwin- 
digfeit dürfte mit der bisherigen 
Gummibereifung nicht mehr mejent- 
lich überjchritten werden können, 
denn die Radumfangsgefchmindig: 
feit beträgt bierbei jchon über 50 m 
per Sef. und ift damit an einem 
äußerft Fritifchen, fehr leicht Gefahr 
bringenden Punkte angelangt. 

Den Rekord der Motorräder auf 
der Landftraße verteidigt zurzeit 
Bucgquet, Frankreich, mit 90 km 
pro Std. 

546. Das Automobil mit Er- 
plofionsmotor (franz. voitüre-ä- 
petrole, engl. petroleum motor- 
car), häufig auch Benzin- Automobil 
genannt, erhält feinen Antrieb durch 
einen Erplofionsmotor, in welchen 


6:55:43 | Benzin-, Petroleum⸗ oder Spiritus- 


Niro. 546. 


dämpfe entzündet und zur Exrplo- 
ftion gebradht werden, mobei dieſe 
treibend auf den Zylinderfolben 
einwirken. Da dieſe Antriebsart 
die weitaus verbreitetite ift, jo foll 
diefelbe nachſtehend etwas eingehen= 
der behandelt werden als die übri- 
gen, ſoweit die an diefer Stelle 
möglich ift. 

Borne, vor dem Führerſitz, liegt 
unter der DBlechhaube der 1 bis 
6 zylindrige Motor. Bei. größe: 
rem Kraftbevarf wählt man einen 
zwei⸗ oder einen vierzylindrigen, 
ausnahmsweife auch ſechszylind⸗ 
rigen Motor; letzteren befonderg 
dann, wenn man Wert auf einen 
außerordentlich ruhigen, faft ge= 
räufchlofen Gang legt. Denn bei 
vier Zylindern gleichen fich die 
durch die Erplofionen und Kolben- 
ftöße bervorgerufenen Erfichütte- 
rungen fajt vollftändig aus. Ein 
Bierzylindermotor mit Induktor⸗ 
(Batterien:) Zündung läuft auch von 
jelber an wie eine Dampfmafchine, 
während man die anderen Motoren 
nad jedem Stillitande anfurbeln 
muß. Dreizylindermotoren werden 
auch gebaut, find aber jeltener. 

Beim Mehrzylindermotor find 
die Zylinder derart untereinander 
verbunden, daß die Kolbenſtangen 
jämtlider Zylinder an einer ge= 
meinfamen Kurbelwelle angreifen. 
Die Kurbeln find dann um einen 
MWinfel von 180° gegeneinander 
verjegt. Diefe Anordnung gibt den 
bejten Ausgleich der Hin und her 
Ihmwingenden Maffen des Kolbens, 
der Kolbenftange und der Kurbel 
und infolgedeffen den rubigften 
Gang. 

Der Motor ift meift ftehend ein- 
gebaut, alſo mit auf und nieder 
gehendem Kolben, eine Anordnung, 
von der heute nur felten abgemwichen 
wird, während man früher mehr 
liegende Motoren mit horizontaler 
Kolbenbewegung bevorzugte. 


mM. R. Zcıhlin. 


über der Vorderachſe ftehende Mo- 
tor ift äußerft leicht zugänglich, fo 
daß feine Bentile und Zündung 
bequem nachgejehen werden können, 
und gejtattet den direften Angriff 
an der in der Längsachſe des Fahr: 
zeuges liegenden Hauptmelle. 

Die Arbeitäweife des Motors ift 
eine jehr einfache und ähnlich der⸗ 
jenigen der Dampfmafdine. Was 
aber der doppeltwirfende, beider- 
feitig gefchloffene Dampfzylinder 
mit einer halben Kurbelumdrehung, 
aljo mit einem einzigen Hube be- 
forgt, dazu braucht der Grploftons- 
motor zweivollefurbelumdrebungen, 
alfo vier Hübe. Diefe umfafjen 
eine „Arbeitsperiode”. Man jagt 
— der Motor arbeitet im „Vier⸗ 
takt“. 

Das Verſtändnis dieſer Arbeits⸗ 
weiſe erleichtert uns die ſchema⸗ 
tiſche Abb. 268. Bon I bi IV 
ftellen die vier Hubperioden während 
einer Arbeit3periode, aljo während 
eines Viertaftes dar. Im Zylinderl 
geht der Kolben 2 auf und nieder 
und überträgt feine auf und nieder 
fhwingende Bewegung mittels Kol- 
benftange 3 und der Kurbel 4 in 
eine rotierende oder Drehbewegung. 
Ein auf der Kurbelwelle ſitzendes 
Schmwungrad 5 ſorgt für die Stetig- 
feit und Gleichmäßigfeit des Kurbel: 
umlaufes. 

Das zur Explofion nötige Gas⸗ 
gemifch gelangt durch Ventil 6 in 
den Zylinder und wird durch eine 
Zündferge 7 bei jedem vierten 
Hube zur Entzündung und Explo- 
fion gebracht. Das verpuffte Gas 
wird dann durch PBentil 8 aus 
dem Zylinder entfernt (außge- 
ftoßen). Diejed Auspuffventil wird 
durh ein Steuerungsgeftänge bei 
jedem vierten Hub geöffnet, wäh⸗ 
rend ſich das Einlaßventil 6 felbft- 
tätig öffnet infolge des beim Saug- 
bube im Zylinder entjtehenden Va⸗ 


Der | fuums. Bei neueren Motoren wird 


„--a BE meer . 


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268. Arbeitsweife des Motors. 


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Niro. 546. 


auch das Saugventil zwangläufig 
durch die Steuerung betätigt. Das 
Schließen beider DBentile beforgt 
meiftens eine Yeder (9 und 10). 
Ein auf der Kurbelwelle aufgefeilter 
Zahntrieb 11 fteht im Eingriff mit 
einem doppelt jo großen Zahnrad 
12, welches eine Kurvenjcheibe 13 
betätigt, diefe hebt bei jedem Aus- 
puffhub (IV) die Ventilftange 14 
und öffnet jomit dad Auspuffven- 
til 8. 

Bon der Kurbelwelle wird ferner 
die oSzillierende oder rotierende 
Bewegung für den Induktions- oder 
magneteleftrifhen Z—ͤndungsmecha⸗ 
nismus 15 abgeleitet, welcher den 
eleftrifhen Strom für die Zünd- 
ferze 7 liefert. 

Der Zylinderlörper ift doppel- 
mwandig hergestellt bezw. mit einem 
Waffermantel 16 zur Aufnahme 
des Kühlmafjer, zur Abkühlung 
des durch die Erplofionen erhitten 
Zylinders verfehen. 

Die Motorarbeit beginntmit: 
l. dem Saughube. Der am 
oberen BZylinderende befindliche 
Kolben wird durch das in jchneller 
Umdrehung befindlihe Schwungrad 
nad unten gezogen. Es entjteht 
ein Bafuum im Zylinder, wodurch 
dag Einlaßventil 6 geöffnet und 
das Gasgemifh, beitehend aus 
Benzine bezw. Petroleum: oder 
Spiritusdpämpfen und Luft, ein 
gejaugt wird. Am Ende des Hubes 
ift der Kolben unten angelangt und 
der Zylinder ift mit dem Gas: 
gemiſch angefüllt. 

Woltte man das letztere nun 
entzünden, jo würde e8 wohl bren— 
nen, aber nur mit jehr ſchwachem 
Drude erplodieren. Schießpulver, 
auf den Zieh gejtreut und ange— 
zündet, verpufft ohne weitere Wir- 
fung. Dagegen in einer Patrone 
zujammengepreßt und feft in den 


M. R. Zechlin. 


Kraft hinaus. Das gleiche gilt von 
dem erplofiblen Gas. Wil man 
feine treibende Kraft voll aus: 
nugen, jo muß man es erft zu- 
fammenprefjen. Alfo: 

2. der Kompreffiong- oder 
Verdichtungshub. Der Kolben 
fhiebt von unten nad oben das 
Gasgemiſch zufammen und preßt 
ed zujfammen. Einlaß⸗ und Aus- 
puffventil find gefchlofien. Auch 
bei diefem Hube wird der Kolben 
von dem umlaufenden Schwung: 
trade getrieben. Oben angelangt, 
ift der Kolben nunmehr bereit, 
feinerfeit3 die Arbeit zu leiften 
und dad Schwungrad anzutreiben. 
Dies gejchieht im 

3. Erplofiong- oder Ar 
beitöhbub, indem in demfelben 
Augenblid, wo der Kolben feine 
höchſte Stellung erreiht Hat, der 
elektriſche Funke von dem Mecha⸗ 
nismus 15 des Motors ausgelöſt 
wird und an der in das Innere 
des Zylinders hineinragenden Zünd⸗ 
kerze 7 überſpringt. Dadurch wird 
das zuſammengepreßte Gasgemiſch 
wirkungsvoll entzündet, dehnt ſich 
mit kräftigem Stoße aus und treibt 
den Kolben bis an das untere 
Zylinderende. Hierdurch erhält das 
Schwungrad eine derartige Be- 
ſchleunigung, daß es infolge feines 
Beharrungdvermögeng den Kolben 
während der übrigen drei Hübe 
allein auf und nieder bemegt. 

Während dieſes Erplofionghubes 
dehnt fih dag verbrannte und im 
Augenblid der Zündung auf etwa 
15 bi! 20 Atm. gefpannte Gas in 
dem fich mit dem Kolbenniedergang 
vergrößerten Zylinderraum aus. 
Man jagt, „es expandiert”, und 
nennt daher diefen Hub auch den 
Erpanfionshub. 

4. Der Auspuffhub. Bei 
dem nun folgenden Aufgang des 


Lauf eines Gewehres eingefchlofien, | Rolbeng öffnet die Kurvenſcheibe 13 
treibt es die Kugel mit gewaltiger | durch Anftoßen ber Kolbenftange 14 


VIII. Aulomobil- und Mopiorrad[pori. 


das Auspuffventil, und die ver: 
brannten Gaſe werden aus dem 
Zylinder audgeftoßen. 

Die hier gejchilderten Vorgänge 
jpielen fih nun in außerordentlich 
furzer Zeit ab, ein Hub folgt dem 
andern in dem Bruchteil einer Se: 
funde. Diefe Motoren machen in 
der Minute 800— 1200 Umpdrehun- 
gen oder 1600 bis 2400 Hübe oder 
400-600 Viertaktperioden. Die 
Hubdauer für einen Hub beträgt 
aljo "no Bi = "0 bis 


ee große Geſchwindigkeit er: 
möglicht die Verwendung verhält: 
nismäßig Kleiner Motoren und 
Schwungräder von Fleinem Durch⸗ 
meffer für große Leiftungen. Sie 


feßt aber andererfeit3 eine äußerjt 


genaue forgfältige Ausführung und 
fehlerfreie8 Material bei den ein- 
zelnen Teilen des Motors voraus, 
fofern häufige Störungen und koſt⸗ 
jpielige Reparaturen vermieden 
werden follen. Dies ift wiederum 
eine Mahnung, nur beftausgeführte 
Motoren erſtklaſſiger Firmen, welche 
ihre Brauchbarfeit durch lang= 
jährigen Betrieb erwieſen haben, 
zu faufen, nicht billige Marktware, 
welche mit viel Rellamegejchrei in 
die Welt gejegt wird. 

Auch erjieht man hieraus, daß 
das FZunktionieren des Motord von 
der eraften Arbeit der elektriſchen 
Zündung abhängig iſt. 

Die Zündung gejchieht heute in 
etwa 40 Fällen von 100 durd 
Batterie: oder Induktionszündung, 
in 60 Fällen durch magnet:eleftri- 
ide Zündung. Bei erjterer wird 
der eleftriihde Strom durch eine 
Heine Batterie, beftehend aus 
einigen Elementen, geliefert, bei 
legterer durch einen Eleltromagnet. 

Um fh nun von den übrigen 
Organen des Wagen? und von der 


Nro. 546. 


heben wir nah Löſung einiger 
Schrauben den Wagenkaften vont 
Untergeftell ab und haben nun das 
lestere und die Geſamtanordnung 
der Majchinerie vor ung (Abb. 269). 
Wir fehen hier den zweizylindrigen 
Motor A mit dem Schwungrad F,' 
in Verbindung mit erjterem die 
übereinander liegenden Ein- und 
Auslaßventile auf der linken Seite, 
den Bergafer V, die Andrehkurbel D, 
die im Schwungrad fitende Rei: 
bungsfupplung F, das Wedel: 
getriebe G für die verjchiedenen 
Geſchwindigkeiten, dad Univerjal- 
gelent H, die Gelentwelle J, en: 
dend in einem zweiten Univerfal- 


gelenk (Kardan), die koniſche Räder- 


— — — — — — — — —— —— — — — — — — 


überſetzung und das Differential⸗ 
getriebe L. Ganz vorn am Wagen 
liegt der Zuftfühlapparat R für das 
Kühlwaſſer des Motors, rechts 
neben dem Lenfrad der Handhebel 1 
zur Bremje, auf der linken Seite 
der zylinderförmige Auspufftopf und 
die beiden Bergftügen TT. 

Der Motor A überträgt alfo 
nah Einrüden ver Reibungskupp⸗ 
lung F feine Umdrehungen auf das 
Geſchwindigkeitsgetriebe G, be—⸗ 
ſtehend aus mehreren Zahnräder⸗ 
paaren zur Verminderung und Ab⸗ 
ftufung der hohen Umlaufzahl des 
Motor. Bon hier aus wird die 
gelenfige Welle J, dag koniſche 
Räderpaar und das Differential⸗ 
getriebe L in Bewegung geſetzt und 
durch letzteres die Hinterradachſe 
mit den Ddaraufgeleilten Rädern 
angetrieben. 

Sehen wir und die einzelnen 
Teile des Getriebed näher an. Da 
ift zunädft die an der Motormwelle 
befeftigte ausrückbare Kupplung (F). 
Diejelbe hat die Aufgabe, die Dreh: 
bewegung der Motormwelle auf das 
Getriebe zu übertragen. Eine ftarre 
Verbindung zwiihen Motor und 


Uebertragung der Motorfraft auf | Getriebe ift deswegen nicht an- 
die Wagenräder zu unterrichten, | gängig, weil erſtens der az nur 
5 


Te een ee rn 


Nro. 547. M. R. Zechlin. 


269. Geſamtanordnung der Mafchinerie. 





beim plögliden Ans 
halten des Wagens 
der Motor, wenn los— 
gefuppelt, ruhig weiter 
laufen und zum Weiter: 
fahren jofort wieder 
eingerüct werden kann, 
und weil e3 drittens 
häufig erforderlich ift 
(3.8. beim Schleudern 


und teilmeife auch beim 


Bergabfahren), den 
Motor auszurüden und 
den Wagen ohne moto« 
riſche Antriebsfraft 
laufen zu lafjen. 

Bor dem Führer ift 
am Boden ein Fuß: 
hebel angebracht, mit 
welchem durch eine 
leichte Fußbewegung 
die Kupplung ausge— 
rückt, alſo die Verbin— 





dung zwiſchen Motor 


und Getriebe unter 
broden werden kann. 
Das Einrüden ge: 
ſchieht jelbfttätig durch 
eine ſtarke, an der 
Kupplungswelle ange— 
brachte Feder. 

547. Das Dampf— 
automobil (franzöſ. 
voiture-ä-vapeur,eng: 
liih steam - carriage) 
befigt einen Röhren: 
dampffefjel, welcher 
mit Petroleum (ſelte— 
ner Spiritus) geheizt 
wird, und eine ge: 
wöhnliche, zweizylin- 
drige Schiebers oder 
Bentildampfmafchine 
mit Kuliſſenſteuerung, 
wie bei den Lokomo— 


tiven. 


Der Kefjel ift ein 


im Leerlauf, d.h. im unbelafteten, | Labyrinth von Flußeifenröhren oder 
nicht mit dem Wagen gefuppelten | ein Bündelvon Kupferröhren, welche 
Buftande anläuft, weil zweitens | aufjehr hohen Drud (bis ca.50 Atm.) 


VII. Auiomobil- und Motorradſport. 


geprüft find und auch im rotglühen- 
den Zuftande noch den Betriebs: 
drud aushalten. In diefen Kefjel 
wird mittel® einer von der Ma— 
ſchine angetriebenen Kleinen Pumpe 
während des Ganges der Maſchine 
fortwährend Wafler, welches durch 
den Auspuffdampfvorgewärmtwird, 
in Heinen Mengen hineingeſpritzt. 
Die Menge dieſes Speijewafjers 
läßt ſich fo regulieren, daß fie ge- 
nau der verbraudten Dampfmenge 
entipricht. Sobald dag Speifewafjer 
die heißen Rohrwände berührt, ver: 
wandelt es ſich fofort in Dampf. 

Diefe Zwergdampfteflel, welche 
etwa die Größe eines Stalleimers 
haben, erfordern je nach ihrer Be- 
triebsdauer und der Bejchaffenbeit 
des Keſſelſpeiſewaſſers eine mehr⸗ 
malige Reinigung im Jahre, welche 
man entweder von dem Lieferanten 
nach Auswechſelung gegen einen 
Erſatzkeſſel oder aber auch von 
irgend einem intelligenten Schloſſer 
vornehmen läßt. 

Unter dem Keſſel liegt der aus 
dem Betroleumbehälter mittels einer 
Heinen von der Maſchine ange- 
triebenen Pumpe gefpeifte Brenner. 
Sn ihm wird das zugeführte Pe⸗ 
troleum erhigt und verdampft, die 
Vetroleumdämpfe miſchen ſich mit 
der atmosphärischen Luft und geben 
jo ein brennbares Heizgas, welches 
die Kefjelröhren umfpült. Das für 
den Brenner beftimmte Petroleum 
befindet fich in einem luftdicht ab- 
geſchloſſenen Behälter, welder 
mittel3 einer kleinen Handpumpe 
unter einen geringen Quftdrud ge- 
fegt wird. Diefer bezwedt ein 
leichte Weberftrömen des Petro— 
leums in den Brenner und eine 
befjere Bergafung desfelben. 

548. Das Eleftromobil (franz. 
voiture electrique, engl. electric 
car) bat als Kraftquelle den jogen. 
Akkumulator. Derjelde beiteht aus 
siner Anzahl (ca. 40) vierediger 


Niro. 548, 


Käften aus Glas oder Hartgummi, 
Zellen genannt, in melden zwei 
präparierte Bleiplatten einander 
gegenüber in verdünnter Schwefel: 
fäure ifoliert aufgehängt find. Die 
pofitiven und negativen Bleiplatten 
find durch Kupferdrähte unter- 
einander verbunden. Schaltet man 
nun eine jolde Akkumulatoren: 
batterie mittels zweier Kupferdrähte 
oder Kabel in den Stromkreis 
einer Gleichſtromdynamomaſchine 
(mit Wechſelſtrom kann man nicht 
laden), fo wird in den einzelnen 
Zellen infolge eines eleftrolytifchen 
Borganges eine eleftrifhe Energie: 
menge erzeugt, welche ji an den 
Oberfläden der Bleiplatten fammelt 
und von diejen jo lange feitgehalten 
wird, bis durch geeignete Verbin 
dung der Bleiplatten untereinander 
und mit einem Gleftromotor 
(„Schaltung“) der elektriiche Strom 
rückwärts wieder ausgelöft und zur 
Wirkung gebradt wird. 

Das „Laden“, d. 5. das Auf: 
jpeihern der. eleftriijhen Energie 
in der Batterie mittel einer Dy— 
namomafchine dauert etwa 2—10 
Stunden. Die im Akkumulator 
aufgefpeicherte : Elektrizitätämenge 
hält für eine Wagenfahrt von 80 
bi8 120 km vor, je nad ver 
Schwere des Wagens und nad) der 
Größe der zu überwindenden Stei- 
gungen. Dann muß von neuem 
eine Ladung der Batterie oder ein 
Auswechſeln derjelben gegen eine 
bereit geladene ftattfinden. 

Letterer Umſtand befchränft die 
Verwendung eleftriiher Fahrzeuge 
auf einen verhältnismäßig Kleinen 
Wirkungskreis. Ein elektriſcher 
Wagen darf im günftigften Falle 
fih höchſtens 40 km von jeiner 
Ladeitation entfernen, wenn er 
unterweg3 feine Ladegelegenheit 
bat, um fiher wieder an jeinen 
Ausgangeort zurüdzufommen. 

Der im Akkumulator aufgejpei: 


“ro. 549. 


cherte elettriide Strom wird zu- 
nädft in einen am Führerſitz an⸗ 
gebraten Kontroller oder Fahr⸗ 


fchalter geleitet, welcher e8 dem Füh- | 


rer ermöglicht, durch Einftellen der 
Scaltkurbel den Wagen nach Wunſch 
mit verſchiedenen Geſchwindigkeiten 
fahren, ihn anhalten oder rückwärts 
fahren zu laſſen ſowie ihn durch 
Umſchaltung zu bremſen. 

Aus dem Kontroller geht der 
elektriſche Strom in den Elektro⸗ 
motor, mwelder unten am Wagen 
aufgehängt, feine Rotation mit 
Hilfe eines Zahnradvorgeleges auf 
die Antriebadhfe überträgt. Dan 
hat Eleftromobile mit Antrieb der 
Hinterachſe und auch ſolche mit 
Antrieb der Vorderachſe. Bei letz⸗ 
teren find die Vorderräder, welche 
gleichzeitig al8 Lenkräder dienen, 
jedes mit einem befonderen Elektro⸗ 
motor ausgerüftet. Auch beim 
Hinterradantrieb verwendet man 
entweder einen einzigen die Hinter: 
radachſe unter Vermittlung eines 
fogen. Differentialgetriebes in Um: 
drehbung ſetzenden Elektromotor, 
oder aber je einen für jedes Hinter⸗ 
rad, wobei dann das Differential⸗ 
getriebe überflüſſig wird, welches 
ſonſt den Zweck hat, den Hinter⸗ 
rädern verſchiedene Umdrehungs⸗ 
geſchwindigkeiten zu geſtatten. 

Der Elektromotor, welcher nur 
rotierende, nicht aber wie der Ex⸗ 
ploſions- und der Dampfmotor hin 
und her gehende Maſchinenteile hat, 
zeichnet ſich durch feinen völlig ſtoß— 
freien und geräuſchloſen Gang aus. 
Auch geſtattet er eine weitgehende 
Regulierung und Ueberlaſtung, 
d. h. er läuft gleich vorteilhaft bei 
kleiner wie bei großer Umdrehungs⸗ 
zahl, bei geringer wie bei ſtarker 
Kraftbeanſpruchung, ohne daß man 
befürchten muß, daß er plötzlich 
ſtehen bleibt oder unverhältnis— 
mäßig viel elektriſche Energie ver— 
braucht (unwirtſchaftlich arbeitet). 


M. R. Zechlin. 


Infolgedeſſen bedarf es beim 
Elektromobil, ebenſowenig wie beim 
Dampfautomobil, eines beſonderen 
Zahnradgetriebes zur Veränderung 
der verſchiedenen Fahrgeſchwindig⸗ 
keiten und zur Einſtellung auf Vor⸗ 
und Rückwärtsgang, des ſogen. 
„Geſchwindigkeitswechſels“ der Ex⸗ 
ploſionsmotorwagen. 

Dieſen ganz bedeutenden Vor⸗ 
teilen des Elektromobils ſteht außer 
dem vorerwähnten eng begrenzten 
Wirkungskreis auch das hohe Ge— 
wicht der Akkumulatorenbatterien 
gegenüber, welches für die gewöhn⸗ 
lihen Berjonenfahrzeuge 300 bis 
500 kg beträgt, eine tote Laſt, 
welche ftet3 mitzufchleppen it. 

Die Betriebskoften des Eleftro- 
mobil® richten fih nad der Höhe 
der Stromerzeugungstoften. Wäh⸗ 
rend öffentliche Elektrizitätswerke 
für die Kilowattſtunde für Kraft⸗ 
zwecke etwa 16 Pfg. berechnen, 
kann derjenige, welcher eine eigene 
Elektrizitätsanlage zu Beleuchtungs⸗ 
oder Kraftzwecken beſitzt, ſich die 
Ladung der Akkumulatoren unter 
Umſtänden viel billiger beſorgen. 
Am Vergleich zu dem Erplofiong- 
motormwagen jtellen ſich die Betriebs⸗ 
fojten des Elektromobils etwa gleich 
hoch, wenn man einen vorteilhaften 
Vertrag mit dem Lieferanten ber 
Akkumulatorenbatterie gemadht Hat, 
da die Lebensdauer der letteren 
nur eine mäßige und der Erfat 
ziemlich koſtſpielig ift. | 

Dem Fahrer des Eleltromobils 
liegt außer der Bedienung des bei 
allen Automobiljyjtemen gleicharti- 
gen Lentrades und des Brems⸗ 
hebel8, fowie des Fahrſchalters auch 
noch die Beobadtung des Strom: 
verbrauchmefjerd (Ampereftunden: 
zähler) und des elektriſchen Span- 
nungsmeſſers (Voltmeter) ob. 

549. Karofien- und Wagen: 
bezeichnungen. Die Wagenforn 
der Automobile lehnt fih an die 


| 








. Nro. 549. m. R. 
der gewöhnlichen Berfonenwagen 
an. Wenn auc in den einzelnen 
Teilen der Motorwagen-Karofjerie 
den Bejonderheiten des automobilen 
Betriebes Rechnung getragen worden 
iſt, indem diejelben vor allem kräf— 
tiger und jomit ſchwerer gehalten 
jind, jo iſt Doch die Einteilung der 
Sitgelegenheiten und die daraus 
entjpringende Fahrzeugbenennung 
dem Wagenbau entnommen. Be: 
jondere Erwähnung verdient die 
Tatfache, daß das ſog. Tonneau, 
die bis zum Jahre 1905 beliebtefte, 
heute allerding® auch im Auto— 
mobilbau nur noch wenig gebräuch— 
lihe Form des Automobils, im 
gewöhnlichen Wagenbau fo gut wie 
gar nicht vorfommt. Seine Baus 
art, welche den im hinteren Abteil 
ſitzenden Perſonen ſowohl den Aus— 
blick nach vorn als auch nach der 
Seite geſtattet, hat nur dann volle 
Berechtigung, wenn der Vorderſitz 
in gleicher Höhe wie die hinteren 
Site liegt, wie dies im Automobil— 
bau üblih ift, nicht aber dann, 
wenn der Vorderſitz, wie beim ge- 
wöhnlichen Kutichwagen, höher als 
die hinteren Site angeordnet ift, 
wobei durch den Kutſcher und Die 


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Rücklehne des Kutſcherſitzes den 
Fahrgäſten die Ausſicht nach vorn 
abgeſchnitten wird. Dem Tonneau 
wird daher bei Pferdebeſpannung 
das Break vorgezogen, welches bei 
gleicher Länge mehr Raum für 
Sitzplätze bietet und einen vollen 
ſeitlichen Ausblick gewährt. 

Die im Automobilſport bis etwa 
1905 am meiſten beliebte Wagen— 
form war, wie ſchon geſagt, das 
Tonneau. Auf Abb. 270 iſt in 
Nr. 4 ein vierſitziges und in Nr. 7 
ein ſechsſitziges Tonneau dargejtellt. 

Man hat die Tonneauform jeit 
1906 wegen des unbequemen Ein- 
jtiegö von hinten faft gänzlich auf: 
gegeben, nahdem man gelernt hat, 
|die Wagenuntergeftele (Chafjis) 
jo zu bauen, daß der jeitliche Ein- 
jtieg fi ohne fonftige Nachteile 
bequem anbringen läßt, was früher 
noch nicht gelingen wollte, 

Abb. Nr. 1 ftelt ein Break für 
6—8 Perſonen einjchließlich Des 
vorn recht? am Steuerrad fißenden 
Führers dar. Daneben Nr. 2 eine 
Boiturette mit Borderfig für zwei 
Perſonen, einjchließlich Führer und 
einem Notrüdji für eine weitere 
Perſon oder zwei Kinder. Dieje 


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I. Spider-Doiturettesform. 


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[27 


VIII, Automobil- und Motorradfporf. 


jehr verbreitete Wagenform hat den 
Nachteil, daß der Führer nicht freie 
Ausfiht über die Fahrſtraße hat, 
fobald der Rüdfit bejegt ijt, und 
daß die auf legterem figenden Fahr: 
gäfte meift ein Gefühl der Aengſt— 
Jichfeit oder der Beflemmung haben 
werden, da fich alle Yahrvorgänge 
unmittelbar binter ihrem Rüden 
abjpielen. Ein Genuß ift es ficher: 





2722. „Wartburg”:Wagen. 


lich nit, auf ſolchem Rüdfis zu 
boden. Denn auch von einem be- 
quemen Sitzen fann bei der niede- 
rigen Sighöhe und dem bejchränften 
Raum für die Beine nicht die Rede 


— 





Nro. 549. 


ſein. Die aus dem Jahre 1903 
ſtammende Spider-Voiturette-Form 
iſt in Abb. 271 dargeſtellt. Der 
Motor liegt vorn unter der „Haube“, 
der Notſitz iſt fortgelaſſen und auf 
Verlangen wird ein einklappbarer 
Dienerſitz hinten angebracht. 

Eine ſehr verbreitete Form iſt 
die Viktoria (Nr.3, Abb. 270), bei 
welcher der vordere Sit ſchmaler als 
der hintere ilt. Sind beide Site 
einander gleich, jo erhalten wir die 
Form der vierfigigen Phaethon, 
Nr. 10 Abb. 270 und Abb. 272, 
welche jich heute der größten Be— 
liebtheit inn Automobilfport erfreut. 
Die Abb. 272 zeigt im bejonderen 
den früher fehr beliebten „Wart- 
burgmwagen”, der in der Auto: 
mobilfabrifation befannten Fahr— 
zeugfabrit Eiſenach. Erhält das 
Vhaethon für fein hinteres Abteil 
ein allfeitig geſchloſſenes DVerded 
und ein über den Vorderjit hin— 
überragende® Dad) mit vorderer 
Abihlußicheibe, jo nennt man es 
Brufh-Diligence,Abb.273. Die 
Nr. 11, Abb. 270 ftellt die für große 


273. Brufh=Diligence. 









| Original Daimler = ne & F N * n et F 


274. Doppel-Phaethon. 









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Nro. 549. 





— — — — 


phaethon. 


Die mittleren Sitze ſind dabei meiſt 
drehbar oder verſchiebbar angeord— 
net, auch können die Sitzlehnen um— 
gelegt und der ganze Sitz ſeitlich 
hochgeklappt werden. 

Bei den größten Doppelphaethon— 
wagen ſind dann außerdem noch 
zwei Rückſitze vorhanden (Nr. 12, 
Abb. 270) und man nennt dieſelbe 
auch Triplphaethon. Abb. 274 
zeigt die Seitenanſicht eines Doppel⸗ 
Aus der Viktoria wird 





275. Mylord. 


der Mylord, wenn der hintere Ab- 
teil nicht mehr die jchlanfe Form, 
wie 3. B. auf Abb. 275, fondern 
mehr eine gedrungene fürzere Form 
aufmweiit. 

Die Viktoria kann in ihrem hin- 
teren Abteil noch einen Rückſitz 
haben. Iſt derjelbe nur ein Kleiner 





276. Diktoria mit Rüdfit. 


jogenannter Notfit, wie auf Abb. 276, 
dann ſpricht man von einer Bil: 
toria mit Rückſitz. Aus diefer ent- 
wickelt fi der Landauer (Nr. 5, 


7 
ut de 
. 4 
— — a 
un ae — 





Abb. 270), wenn der Rückſitz ebenſo 
breit und bequem wie der Vorder— 
jig gebaut ift, bei gleichzeitig ver- 
ſchließbaren Geitenteilen, derart, 
daß die Oberfante der Seitentüren 
in gleicher Höhe und gerader Linie 
liegt wie die Geitenlehnen der 
Site. Iſt diefe Tür niedriger, oder 
fällt fie ganz fort, jo würde aus 
dem Landauer die Halbkaleſche 
entjtehen. Statt der Bezeichnung 
Halbfalefche wendet man im Motor- 
wagenbau häufiger den Namen vis- 
a-visan. Ein Landaulet ift eine 
Viktoria bezw. ein Mylord mit voll- 
jtändig verjchließbaren Seitentüren, 
deren Oberfante wie beim Landauer 
in gleicher Linie wie die Seiten: 


lehnen des Vorderfites liegt, das 


Zandaulet unterjcheidet fi) vom 
Zandauer daher nur durch den Forte 
fall des Rückſitzes. Die Erhöhung 
der Türen beim Landauer und Lan 
daulet bis zur Höhe der Seiten 
lehnen des Vorder- und Rückſitzes 
bezwedt da3 leichtere Aufbringen 
eines alljeitig gejchlofjenen Ber: 





272. Coupe. 


dedes, jo daß Feine Deffnungen 
oberhalb der Tiiren entjtehen. Das 


— vollſtändig gejchlofjene Landaulet 


mit fejtem, nicht abnehmbaren Ver: 
det und eventuell einem Front— 
fenjter heißt Coupe, vgl. Abb. 277. 
Eine in derjelben Art dauernd voll: 


jtändig gejchlofjene Viktoria mit 


Notjig und Frontfenfter nennt fi 


Glarence (Abb. 278), ein desgleichen 


wur 


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Nro. 549. mM. R. Zechlin. 


Landauer, aber meiſt ohne Front- nung, welche wegen des Zuges 


fenſter, iſt eine Berline, vulgär | oder Staubes lieber rückwärts 
„Zukutſche“. Ein Landaulet- fahren wollen. Die Tonneaus wur— 
Brougham iſt ein Landaulet mit | den häufig noch mit kleinen Not— 
feftem, ringsum gefchlofjenem Ber= | Flappfiten an der hinteren Tür 
def, auch für den Führerſitz, bei | oder an der Rückwand des vorderen 
Sites verjehen. Abb. 280 zeigt 
ein ſiebenſitziges Phaethon-Ton= 
neau im Bejite des Königs von 
England. 

Die für die Tonneaus und 
Vhaethonwagen üblichen abnehm- 
baren Berdede bejtehen entweder 
nur in einem auf umflappbaren 
Stahlröhren oder Holzitangen 
montierten Sonnen: und Regen 
‘ dad für den Sommer oder aber 

in einem volljtändig abgejchlofje- 

278. Charence. nen, aufjegbaren Verdeck, wel— 

ches das hintere Abteil durch 

weldhem nur das Verdeck des Hin: | eine Glaswand von dem vorderen 
teren Sitzes zurüdflappbar ift. | Abteil trennt. Letzteres enthält 
Abb. 279. entweder nur eine vordere Glas: 

Eine für militärijche Zmede, aber | wand, welche bis zum durchgehen: 
auch zu Gejellihaftsfahrten jehr | den Dach reicht, während die Seiten: 
geeignete Form ift das Break: | teile offen bleiben, oder aber aud) 
noch einen ſeit— 
lichen Abſchluß 
durch Türen und 
Fenſter. Das vier⸗ 
bis ſechs ſitzige Phae⸗ 
thon oder Tonneau 
mit feſtem Verdeck 
und geſchloſſenen 
Seiten mit Glas— 
fenſtern heißt Li— 
mouſine, vergleiche 
Abb. 281. Hier 
ſind die vorderen 
Sitze im Inneren 
meiſt drehbar oder 
aufklappbar, oder 
verſchiebbar einge— 
richtet. 

Tonneau, Nr. 9 auf Abb. 270, Die im Wagenbau übliche Be— 
Man kann in der Mitte des hin | zeichnung Dogcart, welches ſowohl 
teren Abteild leicht einen kleinen für zwei, als aud) für vierrädrige 








279. Landaulet:Brougham. 


Tiſch für Landkarten oder andere | Fahrzeuge gilt, wird bei Motor: 


Dinge aufftellen. Auch trägt dieſe wagen in dos-A-dos umgeändert, 
Form denjenigen Perjonen Rech- | da beide Sie mit Rücklehnen an- 


verjehen. 


San, Aufomobil- und Mopforradfporf. Nro. 550. 


he ftoßen. Bol. Nr. 6, Abb. 550. Sport-Ausrüftung und :Be- 
270 und Abb. 282. Heidung. Gejchloffene Automobil: 

ALS zweifigiger Motorwagen hat | fahrzeuge rechnen im allgemeinen 
fih neben der Boiturette der | nur zu den Berfehrämitteln, nicht 
Duc (Nr. 8, Abb. 270 u. Abb. 283) | aber zu fportlichen Werkzeugen. Bei 
gut eingeführt. Derfelbe wird faft | ihrer Benußung find bejondere Bor: 
immer mit Halbver- 
ded und häufig mit 
einem binter dem 
Hauptfit befindlichen 
erhöhten Dienerfib, 
ähnlich wie bei den 
Zondoner Hanjoms, 






VHE = 


— — — 






Bisweilen findet 
man noch die Be— 
zeichnung Ameri- 
cain, worunter ein 
nah dem Borbild 
der amerikaniſchen 
Zandwagen gebauter 
leichter Zwei: oder 
Vierſitzer mit nicht 
vertieftem in ge—⸗ 
rader Xinie durch⸗ 280. Phaethon-Tonnean. 
gehenden Wagen: 
faften und aufgebauten Siten nad) | fchriften in der Belleidung und 
Art der Abb. 284 verftanden wird. | Ausrüftung nicht erforderlich. Ganz 








281. £imuufine, 


Nro. 550. mM. R. Berlin. 


anders dagegen verhält es fich bei | welche fich über den Naden bis in 
offenen Fahrzeugen. Man muß bier | den Hals hinein ziehen läßt, und 
jtet3, auch an heißen Sommertagen, | welde im Sommer aus leichtem 
mit einem frischen Luftzug rechnen, | Yeinen, Rohſeide oder Baummoll- 
ftoff und im Winter 
aus fejteren Geweben 
getragen wird. 
Damen tragen ent: 
weder nur große 
Kopftücher über dem 
Haar, welche bis in 
den Naden hinab— 
reihen und vorn am 
Halfe zugebunden, 
bezw. zugejtecft wer⸗ 
282. Dogcatt. den, oder fie haben 








der ſowohl von vorn fommt, als 
auch vorzugsweiſe den Naden trifft. 
Lebteres infolge von Wirbeljtrö: 
mungen und Saugmwinden, die ſich 
hinter dem Wagen und am Klapp: 
verdef bilden. Dftmal3 wiegen 
diefe Nadenwinde in dem Maße 
vor, daß die jämtlihen Inſaſſen 
nad) jtundenlangem Fahren auf 
bejtaubter Landjtraße eine jtarfe 
Staubjhicht auf Kragen und Schul: 
tern haben, dagegen an der Vorder: 
jeite der Bekleidung fauber bleiben. 

Als Kopfihuß dient daher vor= 
zugsweiſe die engliihe Sportmügße, 





283. Duc. 


Hüte, an melden 
derartige Kopftücher 
bereits befeftigt find. 
Bismweilen werden 
die Kopftüder auch 
über die Hüte ge— 
bunden, wenn dieſe 
nit zu groß find. 
Andere Damen da- 
gegen ziehen die für 
Herren gebräuchliche 
englijhe Sportmüte 
vor. 


ein leichter Staub: 
mantel mit hoch— 
Inöpfbarem Kragen 
284. Waverby:Eleftromobil. aus Leinen-, Baum- 








Im Sommer ift 


— 


— 


ER 
Me: 4 


VII. ARutomobil- und Motorxradſport. 


woll- oder Rohfeideftoff ein unent: 
bebrlicher Bekleidungsgegenftand, fo: 
wohl für Herren, wie für Damen. 
Derſelbe hält auch leichtere Regen: 
fälle ab, jchütt dagegen nicht gegen 
Kälte und Wind. Unternimmt man 
daher Sommerreifen in Zonen mit 
wechſelnder Temperatur, wozu aud) 
Deutſchland zu rechnen ift, jo ift 
ed durchaus nötig, fih noch mit 
einem wärmes und windſchützenden 
Kleidungsgegenftand zu verfehen. 

Bei Benutzung der gewöhnlichen 
Reifekleidung find in ſolchen Fällen 
ſowohl für Herren, als für Damen 
Mäntel aus gejchmeidigem Leber 
mit leichter Yütterung zu empfehlen, 
da diefe nicht winddurdläffig find 
und Regen qut abhalten. Bei dem 
Schnitte diefer Mäntel ift jedoch 
ganz befonder8 auf den Umijtand 
zu adten, daß beim Automobil: 
fahren der Regen nicht von oben, 
fondern horizontal von vorn fommt 
und fi in den Seiten: und Rüden: 
lehnen der Sie niederſchlägt und 
in den Sitzkiſſen fammelt. Es ift 
daber eine alltägliche Ericheinung, 
daß die mit foldhen Regenmänteln 
verfehenen Inſaſſen anjcheinend 
troden aus dem Wagen fteigen, 
jedoh in einer Pfütze gefeflen 
haben, und daß durch den Bin- 
teren Schlit des Mantelö das 
Waſſer durch die Kleidung einge: 
drungen if. Es find daher alle 
diefe Mäntel entweder am beiten 
ohne hinteren Schlig auszuführen 
und unten fo weit und fo lang zu 
madıen, daß fie beim Siten ſowohl 
bis auf die Stiefel reihen, als 
auch doppelt übereinander geſchlagen 
und zugefnöpft werden fünnen, um 
die Füße und Kniee vollitändig zu 
ſchützen. Auch im oberen Teile 
find dieſe Mäntel doppelreihig zum 


ſtens in den Nähten. 


Nro. 550. 


nur bis über das Kinn hochklapp— 
bar anzuordnen, fondern aud mit 
einer, oder befjer zwei richtig ab= 
gepaßten Batten zum Ueberfnöpfen 
zu verjehen. Ebenfo find die Deff: 
nungen der Nermel gegen Ein: 
dringen von Wind und Feuchtigkeit 
zu ſchützen, und zwar entweder durch 
Schließen des Aermels mittel3 einer 
übergefnöpften Batte oder durch ein- 
genähte Windftulpen von (Sämifdj-) 
Leder mit fejt anliegendem Gummi: 
zug um das Handaelenf. Diefe 
Kleidung wird vervollftändigt durd) 
Lederhandſchuhe mit Stulpen, bie 
über den Aermel reichen. 
Gummilleider find nur in Form 
jogen. „Parapluies de Chauffeur“ 
entweder am Rüden zufnöpfbar, 
oder aber mit Dicht anfchmiegendem 
Gummilragen am Hals ohne wei: 
tere Deffnung verwendbar. Sie 
bieten Herren und Damen einen 
guten Schu gegen Wind und 
Feuchtigkeit, find aber von geringer 
Lebensdauer und unbequem beim 
An: und Ausziehen, inäbejondere 
für Damen. Im übrigen find 
Gummimäntel für ftarfen Regen 
nit verwendbar, da fe Jchließlich 
infolge des Drudes, mit welchem 
der Regen von vorn gegen den 
Stoff ſchlägt, durchlaſſen, wenig: 
Sportleute, 
welche auch bei ftarfem Land» und 
Gewitterregen zu fahren genötigt 
find, bedienen fi am beiten eines 
Deltodes, jowie eines aus Deltud) 
bergeftellten Südmefter8 mit Hals: 
und Nackenſchutz, ähnlich wie folche 
auf See Verwendnng finden. Neuer: 
dings werden fehr leichte und ele- 
gantedelbefleidungsgegenftände aus 
geölter Rohfeide von der Pinne— 
berger Delzeugs und Gummimwaren- 
fabrit 9. Wille in Pinneberg bei 


Ueberknöpfen zu geftalten, weil jie Hamburg in den Handel gebracht. 


nur in dieſer Form Schuß gegen | 


Als Unterfleiver empfehlen ſich 


da3 Eindringen von Wind und auch im Sommer Lederjaden und 
Regen bieten. Der Kragen ift nicht | Tedermeiten, ſowohl für Herren, wie 


ro. 550. 


für Damen. Sie follen jedoch mög: 
lift leiht und gefchmeidig fein 
und ebenfo wie die Mäntel am 
Hals und an den Vermeln durch 
Patten feft verfchließbar fein. Bil- 
liger, als dieſe und faft ebenſo zwed- 
entiprechend find die von Hochtou⸗ 
riſten und Schneefchuhläufern be: 
nutzten fogen. Windjaden aus jagd- 
grünem imprägnierten Segelleinen, 
melde in verfchiedener Stärfe erhält: 
lih find. Lederbeinkleider emp: 
fehlen fich für Herren weniger, da 
fie bald unanfehnlidh und brüdig 
werden. Statt deſſen find Knie: 
bofen aus anderen Stoffen vorzu: 
ziehen und dazu Stoff: oder Leder: 
gamaſchen. 

Für den Winter ſind Pelze das 
beſte Bekleidungsmittel. Auch bei 
ihnen iſt auf genügenden Verſchluß 
der Hals- und Aermelöffnungen, 
ſowie auf richtige Länge und Weite 
des unteren Teiles zu achten. Die 
Erfahrung hat gelehrt, daß die 
Pelze mit der Fellſeite nach außen 
einen noch beſſeren Schutz bieten, 
als Pelze, bei denen die Fellſeite 
nach innen gekehrt iſt. Sie ſind 
auch weniger durchläſſig bei Schnee⸗ 
geſtöber. Nur wenn ſtatt deſſen 
weicher Schnee oder Regen fällt, 
nehmen ſie leichter Feuchtigkeit an, 
es ſei denn, daß das Fell noch ge= 
nügend Fettgehalt hat. Auch die 
Tiere, welche dieſe Pelze hergeben, 
tragen bekanntlich die Fellſeite nach 
außen. Wäre der Schutz umgekehrt 
ein beſſerer, ſo würde ſicherlich die 
Natur ihn ſo geſtaltet haben. Ganz 
beſonders iſt im Winter auf warmes 
Schuhwerk zu achten. Bei längeren 
Fahrten ſind daher für Leute mit 
empfindlichen Füßen neben gefüt: 
terten Stiefeln nod) befonders Belzs 
ftiefel zum Ueberziehen von Wert. 
Die Inſaſſen des Wagens können ftatt 
deſſen Fußfäde und Deden benugen, 
während der Fahrer ftatt Belzitiefel 


m. R. Bechlin. 


fanntlid) einen guten Wärmeſchutz 
bieten, anziehen fann. Für Die 
Hände find im Winter. ftarfe Pelz: 
handſchuhe mit Stulpen, unter wel- 
che noch wollene Handichuhe gezogen 
werden können, empfehlenswert. 

Für den Gefihtsfhug dienen 
Brillen, am beften jolche mit einer 
bi3 an die Nafenfpite reichenden 
Klappe, da grade die Nafe dem 
Zuftzug am meiften ausgeſetzt ift. 
Die Ohren ſchützt man entweder 
durch Die beruntergeflappte Müte, 
durh ein Kopftuh oder durch be= 
jondere Ohrwärmer. Bei jtarfenı 
Froft find Die aus Kamelhaar oder 
ähnlichen leichten Stoffen angefer- 
tigten leichten Schneehauben, wie 
fie von Winterfportleuten getragen 
werden, einer Gejihtsmasfe vorzu⸗ 
ziehen. Letztere aus Zelluloid, oft 
auh in Berbindung mit Seiden- 
ftoff oder Leder bergeftellt, ift un- 
bequem und behindert die Atmung. 
Herren, welche Augengläjer tragen, 
brauden ſolche nicht zu wechſeln 
bei Benußung der Sportbrille, fon: 
bern die leßtere in den Augenein: 
fafjungen nur genügend groß zu 
wählen, um fie über dem Augen: 
alas befeftigen zu können. Brillen 
jollte man in jedem Falle doppelt 
mit fi führen, da fie leicht Be: 
[hädigungen ausgeſetzt find. 

Werden Tourenfahrer mit leichter 
Sportaugrüftung durch kalte Witte: 
rung überraſcht, fo belfen fie ſich 
am beten dadurch, daß fie Zeitungs⸗ 
papier in mehreren Lagen unter 
die Oberkleidung fnöpfen und Die 
empfindlichſten Stellen ihres Kör- 
per3 mit diefem befanntlih aus⸗ 
gezeichneten Wärmefhug Decken. 
Ebenſo find die Papierjohlen zur 
Not im Winter ein gutes Wärme: 
ſchutzmittel. 

Für Motorradfahrer gilt die vor: 
jtehende Bekleidungsvorſchrift mit 
der Abänderung, daß lange Mäntel 


zur Not aud Gummiſchuhe, die be: | beim Aufs und Abfteigen binderlich 


VIII. Rutomobil- und Motorradſport. 


find. Der Motorradfahrer bedient 
fih daher am beiten im Sommer 
eines Anzuges aus ftarfem Loden 
(Mandefterloden) und an Fälteren 
Tagen eined ſolchen aus Leder, 
wenn er nicht ſchon im Sommer 
- auf größeren Reifen einen gegen 
Regen und Wind fchügenden Leder: 
anzug vorziehen follte: Auf jeden 


Nro. 551—552. 


Fall muß der Motorradfahrer Knie: 
hofen mit Gamafden tragen, um 
an den Beinen und Füßen nicht 
durch berumfliegende Kleider be— 
hindert zu fein. 

Motorradfahrende Damen müſſen, 
wenn fie nicht Beinkfleider anziehen, 
auf jeden Fall einen fußfreien Rod 
tragen. 


2. Das Motorrad. 


551. Zur Entwidlung. Zugleich 
mit den Motorwagen mit Erplo- 
fiondmotor find auch die Motor: 
räder entjtanden. Die erften Motor: 
räder waren Motordreiräder. Erft 
fpäter, nachdem man die niedrigen 
zweirädrigen Fahrräder bauen und 
ficher fahren gelernt hatte, baute 
man aud in diefe den inzwijchen 
immer leichter und zuverläffiger 
gewordenen Benzinmotor ein, wo⸗ 
durh die eriten Motorzweiräder 
entjtanden. Im Jahre 1885 baute 
Daimler dad erite Motorrapd, 
welches mit den heutigen Fabrikaten 
allerdings kaum noch Aehnlichkeit 
bat. Dad Motorrad hat bis zu 
feiner heutigen großen Vollkommen⸗ 
heit viele Wandlungen durchge 
madt. Bejonderd in Deutjchland 
bat dasſelbe jehr große Verbreitung 
gefunden, ſowohl als reines Sport: 
objett, wie ſportliches Vergnü- 
gungsfahrzeug, aber auch als vor: 
teilhaftes Beförderungsmittel von 
Sivilperfonen in ihrem Beruf und 
Militärordonnanzen, ſowie für die 
verſchiedenſten Warenbeförderungen 
ala Geſchäftsmotorrad. E83 befikt 
die mejentlichften Borteile eines 
Motorwagens bei etwa dem zehnten 
Teil der Anihaffungs- und Be: 
triebSfoften und die Vorteile eines 
gewöhnliden Fahrrades hinfichtlich 
bequemer Unterbringung und Be: 
weglichteit, ſowie leichten Fort—⸗ 


fhaffung bei etwaigen Betriebs- 

ftörungen. 

Diefe preiswerten und handlichen 
Fahrzeuge ermöglichen den Auto- 
mobilfport aud) denjenigen, welche 
niht in der Lage find, einen 
größeren Wagen anzuſchaffen und 
in der Nähe der Wohnung unter: 
zuftellen. 

552. Berwendbarfeit der Mo— 
torräder. Cine eingehende Be: 
handlung des Motorzmei: und 
-Dreirades würde über den Rahmen 
diejed Werkchens hinausgehen. Die 
techniſchen Einzelheiten find für 
diefe Fahrzeuge im Grunde die— 
felben wie für die Motorwagen. 
Sie haben, mit geringen Unter: 
fchieden, denjelben Motor, Vergaſer, 
diefelbe Zündung. Das Gefchwin- 
digfeitSgetriebe dagegen ift bei 
ihnen ſehr viel einfader. 

Ein anſchauliches Bild über das 
Motorzweirad gibt Abb. 285 mit der 
nachſtehenden Tabelle. 

Die wichtigſten Zubehörteile des 
Motors: - 

Nr. 1. Handgriff zum Kompreffionäventil. 
„ 2. Handgriff zum Unterbreder (Bor: 

und Nadzündung). 

.Automatiſcher Bergafer. 

. Benzinröhrden mit Hahn. 

. % —— zum Gasdroſſelhahn. 

asdroſſelhahn. 

.Loch mit Verſchluß zur Petroleum: 
einjprigung und zum Nachſehen 
des Cinlaßventils. 

Gehäufe für Kontaftftiit (Sicher: 
heitsunterbrecher). 


< gu. a » F — 


Nro. 552. m. x. Ich. V— 





































Nr. 6. ET. I dem man zwischen den beiden neben= 
. Kontaltgriff. : : 
” 7a. Regter Lenkftangengriff. einanderliegenden Rädern, weld 
„ 8. Reſervoir. vorn oder ‚hinten liegen, eine 
" Ex ——— Kaſten für die zu befördernde War 
| ee einbaut. Die Urfahen, weshal 
ES — das Motordreirad ſich für ande 
8d. Oeleinlaßſchraube. 
| ” . d 
| „ Be. Elemente. Zwede, 3. B. als Neijefahrzeu 
| en ——— nicht eingeführt hat, ſind folgende 
„11. AÄuspuffrohr. 1. Ein großer Fehler des Moto 
| „12. Auspufftopf. dreirades war jein hoher Preis. 
| RB RUE PE: 2. Da die Räder des Motordreid 
„14. Rohrleitung bazu. . i j . 
„15. Benzineinlaßjchraube, darauf vades in drei verjchiedenen Spure 
Mi — Fe ya laufen, fommt das Fahrzeug a 
„16. Benzina raube. 2 E * 
„17. Schraube mit Gegenkompreſſions— ſchlechter Straße, b. B. einem van 
ventil. digen Wege, ſchwer von der Stelle} 
„18. ——— ei weil die drei Räder drei Spure 
— An in den Weg ſchneiden müffen, wo 
„21. NRiemenichnurfceibe. gegen beim Zweirade das Hintere 
" 32 N EN, in der Spur des vorderen Rades 
„ 23. Auspufjventi . M : 
Au „24. Noden im Unterbreder. läuft und bie Straße ſchon g 
14 n 25. Kontattfeder. wifjermaßen gewalzt vorfindet. 
| „26. Verſtellbare Platinſchräubchen. 3. Ein dritter Fehler des Motor 


| Motordreiräder verwendet man | dreirades ijt der, daß der Auto 

| | heute faft nur no für Gejchäfts- | mobilift beim Fahren auf jchlechter 
| zwecke innerhalb der Städte, ins | Straße ftark unter dem unruhigen 
| 





285. Die wichtigjten Zubehörteile des Motors. 


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VIII. Aufomobil- und Mopforradfpori. 


Gange des Fahrzeuges zu leiden 
bat. Er erhält nämlid Stöße von 
zwei Richtungen, mogegen für die 
Zmweiradfahrer die jeitlihen Stöße 
fortfallen. 
4. Kann das Motorzweirad in- 
folge feiner Einfpurigfeit auf Fuß: 

pfaden und überhaupt auf Wegen 
fahren, mo mit dem Dreirade durch⸗ 
zukommen fchwer möglich ift. 

5. Stellt das Zweirad feine be= 
fonderen Anforderungen an feinen 
Aufbewahrungsort, mogegen da3 
Motordreirad 3. B. eine gemilje 
Breite der Einfahrt verlangt. 

Bei diejen vielen Borzügen ſteht 
das Motorzweirad dem Motordrei- 
rade aber infofern nad, als der 
Dreiradfahrer nicht jo ängitlich auf 
den Weg zu achten braudt. Auch 
ift der Zmweiradfahrer, wenn er bei 
lebhaften Verkehr in größeren 
Städten für furze Zeit halten muß 
(weil 3.8. ein Fuhrwerk ihm den 
Weg verfperrt), zum Abfteigen ge- 
zungen, der Fahrer eines Dreis 
rades braucht dagegen den Sattel 
nicht zu verlafien. Das Dreirad 
geitattet außerdem die Unterbrin- 
gung von einigem Gepäd zwijchen 
den Hinter» bezw. Vorderrädern. 

553. Einteilung und Charafte- 
riftit der Motorzweiräder. Man 
unterjcheidet heute hauptſächlich zwei 
Gruppen Motorräder, nämlich 
jhwere mit Motorftärfen über 
2 PS. und einem Eigengewicht über 
50 kg und leichte mit Motorftärken 
unter 2 PS. und Eigengewicdhten 
von höchſtens 50 kg. Bei der erſten 
Gruppe der ſchweren Räder ge= 


ſchieht der Antrieb faft ausſchließ⸗ 


lich vermittels Riemen oder Kette 
vom Motor aus auf das Hinter- 
rad, nur felten findet man den An⸗ 
trieb durch Zahnräder. Diefe Rä- 
der haben auch häufig ein Kleines 
Getriebe mit zwei Ueberſetzungen 
für verſchiedene Geſchwindigkeiten. 
Man baut dieſelben auch mit zwei 


Nro. 553. 


oder auch vier Motoren von 2 big 
6 PS. Eine befondere Art bilden 
ſchließlich noch die Fräftigften und 
Ichnelliten derjelben, die fogen. 
Schrittmachermaſchinen, deren Sit 
jo weit wie mögli nad hinten 
gelegt ift, damit der dahinter fah- 
rende Radrennfahrer dur den 
Motorſchrittmacher möglichſt gün= 
ſtigen Windſchutz erhält. Die Lenf- 
ftange diefer Räder hat daher auch 
eine auffallend große Länge. 

Bei den leichteften Motorrädern 
findet man auch noch vereinzelt den 
Borderradantrieb. Meift gejchieht 
diejer dann aber nicht dur) Rie— 
menübertragung, fondern durch 
fogen. Pneumatikantrieb, welcher 
darin beſteht, daß auf der Motor: 
welle des kleinen Motors ein Reib- 
rad (Friktionsrad) angebradit ift, 
welches fih gegen den Pneumatik 
des Vorderrades preßt und diejes 
antreibt. Es laſſen ſich durch dieje 
Bauart auch gewöhnliche Fahrräder 
leiht in Motorräder ummandeln. 

Der Motor bedeutet die Seele 
des Motorrades und ift ein Kunft- 
wert ſowohl in feiner Arbeitsweiſe, 
wie in der Herftelung. “Derfelbe 
ift faft genau jo gebaut wie die 
Automobilviertaftmotoren, nur alles 
in geringjten Abmefjungen; er bat 
dabei auch wenigſtens eine doppelt 
fo hohe Umdrehungszahl wie diefer, 
nämlich 2000 bis 3000 pro Minute. 
Da die Wandſtärke diefer kleinſten 
Motore jehr dünn ift, jo haben die= 
jelben faft ausschließlich nur Luft- 
fühlung. Neuerdings hat man auch 
brauchbare Zweitaktmotoren für 
leichte Räder verwendet. Sollten 
dieſelben ſich weiter bewähren bezw. 
noch vervollkommnen, ſo wäre das 
ein bedeutender Gewinn für den 
Motorradſport, weil dieſe Motoren 
ſich außerordentlich einfach herſtellen 
laſſen und nur etwa ?/, fo viel 
wiegen wie ein Viertaftmotor. Man 
verjucht jchon jehr lange, Sl Mo- 


Nro. 554. 


toren zu verwenden, jedoch liefen 
fih die bisherigen Konitruftionen 
immer zu jchnell heiß, die Zylinder- 
Ihmierung verurſachte Schwierig- 
feiten, und man fonnte den Kom: 
prejfionsraum, mwelder durch das 
Kurbelgehäuje gebildet wird, nicht 
genügend dicht halten ıc. 

Die Marimalgeihwindigfeit der 
normalen Motorräder iſt 40 bis 
70 km per Stunde. Mit Renn- 
rüdern erreichte man vereinzelt Ge— 





mM. R. Zechlin: VIII, Aukomobil- und Moforradfporf. 


554. Die Cyklonette. Als eine 
bejfondere Art von Automobilfahr: 
zeugen, welche zwijchen ven Motor: 
wagen und Motorfahrrädern fteht 
und gemijjermaßen in bejierer 
Form an Stelle des fajt ver: 
Ihmwundenen gemwöhnliden Motor: 
dreirades getreten ift, muß hier nod) 
der in Abb. 286 dargejtellte kleine 
dreirädrige, zweiligige Wagen er: 
mwähnt werden. Dieferr Wagen, 
welcher meift unter dem Namen 


—* 8*c ah ie. 
E Wie 


N — 


286. Cyklonette. 


ſchwindigkeiten von über 100 km 
per Stunde. 

Der Benzinverbrauch eines Mo— 
torrades von 2 big 2!|, PS. Motor 
it 3 bis 3°), Ziter für 100 km. 
Rechnet man 30 Pig. für 1 Liter 
Benzin, jo foftet demnach der Kilo- 
meter ca. 1 Pfg. Der Delver: 
brauch koſtet hierbei ca. 0,1 big 
0,15 Pfg. pro Kilometer. 

Der EinfaufspreiS der leichten 
Motorräder ſchwankt in Deutſch— 
land zwijchen 300 und 600 Mk., 
derjenige der jchweren Räder zwi— 
jhen 400 und 800 ME. 





ı Eyflonette befannt iſt, weil er zu— 
'erit und hauptfählid von ver 


Cyklonmaſchinenfabrik Berlin ge— 


baut und ſo benannt wurde, hat 


ſehr große Verbreitung gefunden. 
Wer die Anſchaffungs- und Be— 
triebskoſten eines größeren vier— 
räderigen Automobils ſcheut und 
dem das Motorrad nicht bequem 
genug iſt, der findet häufig in der 
Cyklonette das gewünſchte. Auch 
für den Warentransport bis etwa 


4 Btr. Nublaft eradte ih die 
Cyklonette für eind der allerbeft 


geeignetjten Motorfahrzeuge. 


v 


EUER ULBILLALLIL BÄLLE REEL AL RL RED ALU RL LU HALLE L RER E 


Radfahriport. 


IX 


Von 


Breslau. 


’ 


ich 


555. Geſchichte des Fahrrades. | jehen. 
Als Vater der Radelei wird der noch die 


Koehl 


R. 


reis, nicht Dräs, ge— 
baute 1817 das erſte 


Drais (an deſſen Name 
„Draiſine“ erinnert, und 


ſprochen wird), 


badiſche Oberforſtmeiſter Carl Frhr. der übrigens D 


D rais von Sauerbronn ange— 


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287. Drais’ Kaufrad. 





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— — ra Yan mn 


Laufrad, das aus zwei durch ein 
Gejtell verbundenen SHolzrädern 
beitand; erjt jpäter fügte er nod) 
einen Sattel hinzu. Ueber diejes 
Vehikel jtellte ſich der Fahrer ritt- 
ling, nahm die Lenkſtange in die 
Hand und machte Laufichritte, hin 
und wieder den Schwung oder ein 
leichtes Gefälle benütend, um flüch— 
tig im Sattel auszuruhen. Das 
Germaniſche Mufeum zu Nürnberg 
enthält zwar LYaufrädermodelle, die 
etwa hundert Jahre vor Drais 
gebaut jein mögen; Draiß hat je- 
doch die Ausführung leichter und 
eleganter gemacht; und die Ge- 


Ihichte des Fahrrades hat in ihm 


einen bejtimmten Namen jtatt der 
unbefannten Erbauer der Nürn— 
berger Modelle vor fih. Seine 
Erfindung bezw. Nacherfindung ge- 
riet jedoch bald, wie er ſelbſt, in 
Bergefienheit, 


ur , re, F — Ar Ber ww. er 
ok audi ie nd in 2: 


No, 555. 


bi8 1859 in die 


— — * 
a —— — 
— — 


en a 


Mihaur’ Sohn auf die Idee des 
Vedalantriebes, und einige derart 
umgebaute, erhöhte und mit Pe— 
dalen verjehene Zwei- und Dreis 
räder wurden von diefem Mihaur 
1867 auf der Pariſer Weltausitel- 
lung gezeigt, wo aud Napoleon 
eines für jeinen Lulu faufte. In 
Frankreich wiein Deutfchland famen 
die konſtruktiven Verſuche jedoch 
bald zum Stillftand durch den Krieg 
von 1870/71; und England be— 
mächtigte fich der Sade und erfand 
alle diejenigen Verbefjerungen, Die 
aus dem Mihaurfhen „Knochen 
ſchüttler“ (boneshaker) das Hochrad 
und daneben das Dreirad machten. 
Die große Sturzgefahr des Hoch— 


rades mit feinem 50—60 Zoll — 


1'/,—1'/, Meter hohen Vorderrade 
regte zur Konftruftion von Sicher— 
heitsrädern an, die aber ihren 
Zweck fo lange nicht erfüllten, als 


Werkftätte von Mihaur in Paris | man die Grundlinien des Hochrad— 
ein Laufrad zur Reparatur gebracht typs, fei es auch unter deſſen Ver— 
wurde. Bei deſſen Anblid fam kleinerung oder unter Verlegung 





4% 
u 1 — — —— — —— 





IX. Rabdfahrfporf. 


des Schwerpunkte weiter nad 
hinten, nit aufgab. So ver: 
ſchwanden die Ronftruftionen des 
„Sangaroo=”, des, Extraordinary⸗“, 
des „Facile⸗-“ und des „Star”- 
Bicycle bald nad ihrer Einführung 
wieder, bi 1884 Starley in 
Coventry im weſentlichen den Typ 
des heutigen Niederrades erfand. 

Aber die allgemeine Einführung 
des Radfahrens wäre trogdem wohl 
nie erfolgt, wenn nicht der ſchottiſche 
Tierarzt Dunlop 1885 den Luft: 
reifen erfunden hätte, der jedes nicht 
ganz abnorme Hindernis durch feine 
Nachgiebigkeit ſozuſagen verſchluckte. 
Große Dauerfahrten, in Deutſchland 
und Oeſterreich namentlich die Fahrt 
Wien-Berlin 1893, erwieſen auch 
für das große Publikum wie für 
das Militär ꝛc. die Brauchbarkeit 
dieſer Bereifung, deren Montier⸗ 
und Reparierbarkeit immer vollen⸗ 
deter geſtaltet wurde, in eben dem 
Maße, wie der anfangs ſehr hohe 
Preis ſank. In die Zeit von 
1893—95 etwa fällt denn auch der 
große Auffhwung des Radfahreng, 
zugleich auch der Niedergang des 
Hochrades und des Dreirades. 


Erfteres ift ſeitdem ald Touren: | 


maſchine völlig verſchwunden, und 
das Dreirad erfüllt feine Haupt- 
beitimmung als Transportvehikel 
in den Straßen der Großſtädte. 
556. Das moderne Niederrad. 
Des Engländers Starley in 
Coventry 1884 konſtruiertes Sicher⸗ 
heitsrad, der Rover, das in Deutſch⸗ 
land erſt um 1890 hier und da 
Fuß faßte, bedeutete den Abſchluß 
des Taſtens und Suchens nach der 
Grundform des Fahrrades. Einzel- 
beiten find fonftruftiv und materiell 
in diejem PBierteljahrhundert ver: 
befjert worden, aber die ausſchlag⸗ 
gebende Grundform ift nicht nur 
bis jest unberührt geblieben, ſon— 
dern man kann ruhig fagen: fie 
wird es in alle Ewigkeit bleiben, 


Niro. 556. 


folange e8 Menjchen und Straßen 
geben wird. 

Das Charalteriftiiche des wahr: 
haft Genialen — in der Kunft wie 
in der Technik 2c. — größte Wir- 
tungen mit einfaditen Mitteln zu 
erzielen, kommt felten fo padend 
zur Erfcheinung wie in der Form 
und Funktion des Fahrrades, das 
zu den größten Leiſtungen des 
Menjchengeiftes zählt. Man braucht 
es fih nur einmal aus unjerem 
ganzen jetigen Verkehrsleben weg⸗ 
zudenken, um feinen Wert und feine 
Unentbehrlichfeit zu erkennen. 

Aeußerſte Material: und Raum- 
dfonomie bei großer Dauerhaftig- 
feit, Leiltungsfähigfeit und Billig- 
feit charalterifieren das heutige 
Normalrad, an dem es nicht? Leber 
flüffiges gibt. 

Zwei jfpielend leicht rollende 
Räder, ein Antriebgmehanigmug 
und ein Geftel zur Berbindung 
der Räder und zur Aufnahme des 
Fahrers und eine Vorrichtung zum 
Lenten, — das iſt dad Fahrrad 
in feinen jedermann befannten 
Grundzügen. 

In dem durd) die beiden Ketten⸗ 
räder nebft Kette dargeftellten Ge— 
triebe, der Ueberſetzung, beruht die 
Meberlegenheit des Niederrades 
über das Hochrad, nit nur durd) 
die dadurch erzielte ungleich größere 
Gefahrlofigkeit und Bequemlichkeit 
der ganzen Majchinenform, jondern 
auch durch die direkte größere Lei- 
ftungsfähigfeit. Denn während die 
von der Beinlänge des Yahrers 
ftreng abhängige Höhe des Hoch— 
rade8® nur 4—4!/), m pro Um—⸗ 
drehung zu machen erlaubte, ift die 
Ueberfegung des Niederradg un: 
abhängig von der Beinlänge und 
geftattet eine noch viel größere Ent: 
faltung als die in der Negel,ans 
gewandte von ca. 6 m. 

Um die Ueberfegung zu berech— 
nen, wenn man fie nicht ſchon 








26 v.06 
68:08 





28 


IX. Radfahrſport. Nerv. 556. 
Teile des zerlegten Coronarades. 
1. Unterrohr. 51. Bremshebelfcharnierfchraube. 
2. Steuerrohr. 52. Bremshebeliharniermutter, untere. 
3. Oberrohr. 58. Bremshebelſcharnierſchraube, obere. 
4. Sattelrobr. , 54. Bremswinkelſtück. 
5. Steuerverbindung, untere. 55. Bremäzugftange. 
6. Steuerverbindung, obere. 56. Bremsſchuh mit Rohr. 
7. Hinterftreben. 57. Bremswinkelmutter. 
8. Hinterrobre. 58. Bremsfeder. 
9. Endſtücke. 59. Bremsgummi,— 
10. Ketienipanner. 60. Fahrrangriff. 
11. Kettenſpannermutter. 61. Scheibe für Lenkſtangenſchaft. 


. Kettenfpannerfappe. 

« Auftritt. 

. Sattelmuffe. 

. Sattelftüge. 

. Sattelftügtlemmbolzen. 

. Sattelftügtlemmbolzenmutter 
. Tretlagergehäufe. 

. Tretlagerflemmbolzen. 


Tretlagertlemmbolzenmutter. 
Kapjel, rechte. 


. Rapfel, linte. 


Kapſelſchale. 
Kugelhalterring. 


.Kurbelachſe. 
.Kurbelbefeſtigungsſchraube. 
. Kurbel, linke. 

. Kurbel, rechte. 


Kettenrad. 
Zahnkreuz. 


. Konterring zum Zahnkranz. 


Kette. 


. Gabelrohr. 

. Gabelkopf. 

. Gabelſchale. 

. Stenerjchale, untere. 
. Steuerjchale, obere. 
. Kugelfopfichale. 

. Zaternenbhalter. 

. Gabelzierdedmutter. 
e — 


eſtſtellergewindeſtück. 


. Feftiteller-Reguliermutter. 


Sicherheitsſchräubchen zum Feſtſtellen. 
Lenkſtange. 


.Lenkſtangenbefeſtigungsſchraube. 
.Lenkſtangen⸗Keilſtück. 


Unterlagsſchraube. 


.Bremshebel. 
. Bremshebelſcharnier. 


97. 
98. 


| 99, 


. Scheibe, untere für Anzugrohr. 
. Mutter für Anzugrobr. 


Gabel ſcheiden. 


. Borderradnaben. 

. Vorderradachſe. 

. Borderradnabenadje. 
. Konterring. 

. Vorderradkonus. 

. Vorderradbuchſe. 

. Vorderradmutter. 

. Vorderradoͤler. 

. Hinterradadjfe. 

. Hinterrabnabe. 

. Hinterradnabenfcdhale. 
. Hinterradfonterring. 


HinterrabfonuS. 


. Hinterrabbudjle. 
. Hinterrabmutter. 


Pedal. 


.Pedalaußenblech. 

. Pedalkappe. 

.Pedalkonus. 

.Pedalachſe. 

.Pedalſteg, oberer. 
.Pedalſteg, unterer. 
.Pedalinnenblech. 
.Pedalkonusmutter. 
.Pedalgummiſchraube. 
.Pedalgummiſchraubenmutter. 
. Unterlegſcheibe. 
.Pedalölfeder. 

. Pedalgummi. 

.Pedalrohr. 

.Speiche mit Nippel. 

. Unterlagplätihen zum Nippel. 


Felgen. 
Kettenrabfchraube. 
Kettenradfchraubenmutter. 


Nro. 557. 


fennt, multipliziert man einfach den 
Raddurchmeſſer mit der größeren 
Zähnezahl und Dividiert durch die 
tleinere, 3. B. 28 Z0l X 22:8 
— 77 Zoll oder 195 cm. Diefe 
Zahl multipliziert mit der Ludolf- 
‚Shen Zahl m (rund ??|,) ergibt den 
Weg bei einer Pedalumdrehung, 
bier 3. B. 6,13 Meter. 


R. Roehlich. 


jeder Pedaldrehung in Zentimetern 


an. 

557. Der Freilauf. Der aus 
England jtammende Freilauf. ge- 
ftattet, die Pedale, und dadurch 
auch die Beine, in jedem Fahrtempo 
in Rubeftellung zu halten — jei es 
3. B. für die ganze Dauer Feiner 
Talfahrt, fei es für Sekunden, z. B. 





290, Herrenrad der Toronasfahrradwerke, Brandenburg a. 5. 


Aus der Zeit der englifchen Vor— 
herrſchaft in der Radfabrifation, 
die bis gegen 1890 dauerte, hat 
ſich die Bezeichnung des Raddurch— 
meſſers — und dadurch auch der 
Ueberſetzung — in Zoll erhalten. 
Ein Zoll ift ungefähr gleich 2'/, cm. 
In Frankreich herrfcht die ver: 
nünftigere Angabe der „Entfal- 
tung“, d. h. des bei einer Pedal: 
umdrehung zurücgelegten Weges, 
in den Katalogen vor. Man kann 
dieje Entfaltung nun am einfachſten 
finden, wenn man die in deutſchen 
Katalogen meift enthaltene „Ueber: 


jegung in Zoll“ mit 8 multipli- | ohne deren Antrieb, 
siert; daS Nejultat gibt den Effekt | ihrer 


bei Durchquerung einer ſchlüpfrigen 
Pflafterftelle. Er beruht darauf, daß 
das Kleine Kettenrad nit auf der 
Hinterradnabe ſelbſt befejtigt ift, 
jondern auf einem um die Achje 
rotierenden Gemwindefopf, der ſelbſt 
erſt durch einen bHineingefräften 
„Mitnehmer“ den entgegengefegt 
gefräften Mitnehmer der Naben: 
hülfe, und dadurch das Hinterrad, 
nad) vorn bewegt. Dieje Mitnehmer 
treten außer Funktion, jobald die 
Pedale, und dadurch die beiden 
Kettenräder, angehalten werden, 
und die Majchine folgt, nunmehr 
nur nod 
eigenen Schwung: bezw. 





IX, Radfahrfport. Nro. 558. 


Schwerkraft. Bei dieſer einfachften | der gewöhnlichen nur wenig ſchwerer 
Form des Freilaufes wäre ein und größer, auch das Plus an 
wirffames Gegentreten unmöglich; | Reibung kommt praktiſch nicht in 
allgemein ift deshalb innerhalb | Betraht, und der Mehrkojten- 
preiß von etwa 15 Mt. jpielt 
ebenfall3 feine Rolle gegenüber 
der wejentlih höheren Bequem- 
lichkeit des Fahrens mit Frei- 
lauf. In England ſind ſchon 
ſeit Jahren Räder mit feſter 
Nabe nur vereinzelt im Ge— 
brauch. Unſere Abbildung 291 
gibt einen Schnitt der „Torpedo“ - 
Nabe von Fihtel u. Sachs 
in Schweinfurt, eine der größten 








fie iſt das verbreitetite derartige 
Syſtem in Deutfchland und Eon: 
jtruftiv wie materiell von größter 
Vollendung. 

der Freilaufnabe jeldft ein Brems: | 558. Die Doppelüberſetzung. 
mechanismus angeordnet, der ſchon Die Mehrzahl der Fahrräder ift 
bei leichtem Gegentreten in der | mit einer Meberfegung von 70—80 
Weife wirkt, daß durch eine fonifche | Zoll (Damenräder 65—70) aus- 
Kuppelung ein gejchlitter hohler | gerüftet, wa8 einem Wege von 
Netallzylinder auseinander getrie: | ca. 5—65 Meter bei einer Pedal: 
ben und gegen die Innenfläche der umdrehung entſpricht. Die oben 
Nabenhülfe gepreßt wird. Diefe | angegebenen Zahlen genügen für 
Bremſung ift abjolut fiher und | allenicht rennſportlichen Zwecke, find 
im Notfalle äußerst energifch. Die | dagegen bei bergigem Terrain oder 
ganze Freilaufnabe ift gegenüber | Gegenwind jchon etwas zu reichlich. 


294. Sreilaufnabe. 





292. Doppelüberfegungsnabe. 


Nabenipezialfabrifen der Welt; 





Nro. 559. 

Um nun je nad) Gunjt oder 
Ungunft der Verhältnijje mit mög— 
lichſter Kräftefhonung und Ber 
quemlichkeit fahren zu können, dient 
die während des Fahrens umjcalt- 
bare Doppelüberjegung, die in der 
Nabe des Hinterrades eingebaut ift. 
Durch fie kann die reguläre Hinter: 
raddrehung willfürlihd um 25 bis 
30°%/, reduziert, alfo Kraft auf 
Koften des Weges erjpart werden. 

Die Doppelüberfegungsnabe, die 
feineswegs plump ausjieht und 
nur etwa 1 Kilo mehr wiegt al 
eine gewöhnliche, ift auch ftet3 mit 
Freilauf und Nabeninnen- oder 
anderweitiger Rücktrittbremſe ver: 
jehen und wird auch bei Kettenlojen 
angemwendet, jo namentlich ſeitens 
der „Wanderer“ Werfe. 

Es gibt jogar Naben mit drei 
während der Fahrt ausmwechjelbaren 
Ueberjegungen und Freilauf (jedoch 
ohne Nücdktrittinnenbremje), bei 


denen die mittlere Weberjeßung, 
als die normale, im direkten Ein- 
griff fteht, während die kleine den 
Lauf um ca. 25°/, verlangjamt, 
die große ihn dagegen um ca. 30°), 
E83 find demnach 


bejchleunigt. 


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. E * A * = . 1 
— ee TEN 
R. Roehlich. ? — 














— Ir. 
z. B. die Ueberſetzungen von 57, 
76 und 100 Zoll in einer einzigen 
Maſchine vereinigt. 

Die doppelte Ueberſetzung koſtet 
etwa 40 Mk., die dreifache etwa 
70 Mk. mehr als die normale Aus— 
führung. 

Räder mit drei Ueberſetzungen 
ſind nur ganz vereinzelt, ſolche mit 
zwei häufiger, aber immer noch als 
Ausnahme, im Gebrauch. 

559. Die kettenloſen Fahr— 
räder. Anftatt durch die Kette, 
wurde zu Ende der 1890er Sahre 
im Auslande, namentlih in Amerika, 
Franfreih und Belgien, von meh— 
reren Fabrifen die Kraftübertra> 
gung durch eine Welle mit kegel— 
fürmigen Zahnrädern bevorzugt. 
Der Hauptvorteil dieſes Syſtems 
war und ift die abjolut ſchmutz— 
und ftaubfichere Verkleidung Des 
ganzen Getriebes, die aber durch 
einen guten Blech- (nicht Zelluloid⸗) 
Kettenkaften bei jeder Kettenma= 
ſchine ebenfo gut erzielt werden fann. 

Als Gebrauchs- wie als Sport3= 
majchine fpielt die Kettenloje nur 
eine ganz bejcheidene Role und 
geht immer mehr zurüd; aus man: 


4 a 





295. Kettenlofes” Sahrrad der Wanderers$ahrradwerfe, Chemnit. 








| * 1X. Radſahrſport. Nro. 560. 


* 
arg 


hen Fabrikfatalogen ift fie jhon| Die Kettenlofen können ebenfalls 
ganz verſchwunden. Ihre geringe | mit Freilauf und Rüdtrittbremfe 
Verbreitung beruht weniger auf | auögerüftet werden; und die Wan- 





294. Getriebe eines fettenlofen Fahrrades. 


bejonderen Borzügen des Syftems, | dererwerfe, die dieſem Typ be- 
als auf ihrem aparten Ausfehen ſondere Aufmerkſamkeit zugemwendet 
und Höheren Preife, wodurch fie | haben, montieren fogar auf Wunſch 
manchen ſozuſagen vornehmer als | eine Doppelüberfegungsnabe hinein. 
das Normalrad erfcheint. Die Kettenloſe mit Freilauf und 
Die Figuren zeigen eine kom- Doppelüberſetzung ſtellt das Teuerſte 
plette Kettenlofe und ein Getriebe |dar, was es in motorloſen ein— 
ohne Verfchalung, die Funktion | figigen Zmeirädern gibt. 
desſelben ift ohne Erklärung leicht | 560. Das Damenrad gleicht dem 
erfichtlich. Herrenrade in allen wejentlichen 





295. Damenrad der Coronaszahrradwerke, Brandenburg a. 5. 





mn 


— u 
fi 


Nro. 561—562. 


Zeilen, bi8 auf den abweichenden 
Rahmenbau, bei dem, mit Rücjicht 
auf die auch im Sport vorherrichende 
weibliche Bekleidung, das obere 
horizontale Rohr wegfällt. Das 
untere Rohr wird dafür, um die 
Feftigfeit des Gejtelld nicht in 
Frage zu ftellen, verdoppelt. Selten 
verlaufen dieje beiden Rohre grade, 
meift ift entweder das untere grade 
und das obere gejchweift oder es 
find beide gejchweift. Die Iegtere 
Form, wohl die häufigite, ift in der 
Linienführung die jhönfte und auch 
infofern die praftifchite, als fie beim 
Aufiteigen den meiften Spielraum 
gewährt. Da der Rod leicht 
ins Hinterrad oder in die Kette 
geraten könnte, jo jind diefe Teile 
mit Schugverfleidungen verfehen. 
961. Der Zweiliser, der analog 
der Benennung zweier hinterein: 
ander gejpannter Pferde meijt 
„zandem“ genannt wird, gleicht 
völlig dem Einfiger; nur ift der 
Rahmen verlängert und es kommt 
ein zweiter Gattel, eine zweite 
Lenkſtange und Kette und ein 
zweites Pedalepaar mit Trittlager 
hinzu. Die ganze Ausführung ift 
auch, für das doppelte Gewicht, 
entjprechend verſtärkt. Wenn die 
Maſchine für einen Herrn und eine 
Dame dienen joll, jo ijt entweder der 
vordere oder der hintere Rahmen 
often, wie beim Damenrade. Die 
Tandems ftehen übrigens ſchon feit 
Jahren auf dem Ausfterbeetat. 
Die Drei-, Vier-, Fünf» und 





296. Felgenteil mit Pneumatiffchnitt. 


R. Roehlich. 


Sechsſitzer Hatten nur fportliche 
Bedeutung als Schrittmacher— 
maſchinen auf der Straße und 
Rennbahn, ſie ſind aber durch die 
Motorräder völlig verdrängt. 

562. Die wichtigſten Zubehör— 
teile. Unter dieſen nimmt die 
Bereifung die erſte Stelle ein. 
Ale Anjtrengungen von Erfindern, 
den leicht verleglihen Quftreifen 
durh eine andere Konjtruftion zu 
erfegen, haben bisher nur ganz 
befchränften Erfolg gehabt; und es 
fommt praftiih nur der Pneu— 
matif al3 Bereifung in Frage, 
und zwar das ſog. Zmweifammer- 
iyftem, bejtehend aus einem end= 
Iofen Schlaude und einem Schuß: 
mantel. Die Innenluft des Gummi- 
ſchlauches tritt mit der Außenluft 
in willfürlide Verbindung nur 
mitteld eines Ventile. Die den 
Schlauch beim Fahren umgebende 
Schuthülle, der Mantel oder die 
Laufdede, ijt ein endlojer Streifen, 
deſſen Innenſchicht aus unnach— 
giebigem Gewebe, die Außenſchicht 
aus vulfanifiertem Gummi be— 
ſteht. Längs dieſes Laufmantels 
ſind auf beiden Seiten entweder 
Drahteinlagen oder (vorwiegend) 
Wülfte aus dem gleiden Stoffe 
angebracht, die rings herum unter 
die VBorjprünge der Radfelge ein- 
greifen und jih um fo feiter an 
diefe prefjen, je mehr der Reifen 
vermittelft der Zuftpumpe auf- 
geblafen wird. Unter den Bentilen 
ift das verbreitetjte und einfachfte 
dad Dunlopventil; 
fomplizierter im Bau, 
aber viel müheloſer zu 
bedienen find die ſog. 
Rückſchlagventile, 
von denen in Deutſchland 
das bekannteſte das 
Gloriaventil der 
Hann. Gummikammkom—⸗ 
pagnie iſt. 

Bremſe. Die älteſte 









m 
Bi RD, 


und heute noch allgemein übliche 
Form iſt die auf das Vorderrad 
wirkende Hebelbremje an der Lent- 
ftange, die jedoch für fehr fteile 
Gefälle nicht ausreicht und über- 
dies bei langdauernder Anwendung 


| IX, Radfahrfport, 


Niro, 562. 





bei der in genialer Weiſe überdies 


das Hebelgeftänge durch einen ein: h⸗ 


fahen Drahtjeilzug innerhalb einer 
Ihlauchartigen Drahtſpirale erjegt 
ift. Die vordere Gummibremje 
fällt dann natürlich weg. 





297. Dentile. 


die Hand aufs äußerſte ermüdet. 
Die genialjte Löſung der wichtigen 
Bremsfrage ijt der Freilauf mit 
Nabeninnenbremſe (j. ro. 557), bei 
der die Kraft der Beine und event. 
dag ganze Körpergewicht die Bremie 
bedient. Selbjt auf fteiljten Gefällen, 
die überhaupt für Fahrverfehr in 
Betracht kommen, ift diefe Bremſe 
abjolut verläßlid. Man hält die 
Pedale in horizontaler Lage und 
von Zeit zu Zeit genügt ein mehr 
oder minder leichter Rücktritt, bei 
jehr jteilen Gefällen ein nachhal— 
tige3, aber völlig mühelofes Nieder- 
drüden des hinteren Pedals. 
Will man ganz fiher gehen, jo 
verwendet man neben diejer Innen: 
bremje noch eine auf die Hinterrad- 
felge wirkende Handbremje in Huf: 


Laterne Für den Stadt— 
verkehr ift dieDel-, Betroleums 
oder eventuell Kerzen-Zaterne am 
beiten, für die Touren auf der 
Landftraße, im finftern Walde ꝛc. 
dagegen die Azetylenlaterne, 

Sonjtige Ausftattung, 
Wenn man nit rennſportliche 
Zwede verfolgt, wird man ſich 
wohl meift für ein jog. „Touren: 
rad“ entjchließen, d. h. eine nicht 
zu leichte Mafchine von 14—15 Kilo, 
mit Kotjhügern, nad) oben ges 
bogener Lenkſtange, fräftigen Gum— 
mis und durchſchnittlich 70—80*er 
Ueberjegung, aljo 5—6 Meter Ent- 
faltung, in ftarf bergigen Gegenden 
vielleicht nur 60”, dann aber auch 
mit Freilauf und Nabeninnenbrenie, 


der jich übrigens ganz allgemein 7 
eijenform: die Bompdenbremfe, | einführen wird, wie e8 in England ‘ 


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Niro. 563—564. 


längft der Fall ift. Man hält fi 
beften an die normale Aus⸗ 
führung der gangbarften Modelle 
in den Katalogen erfter Fabriken 
und vermeidet 3. 3. auffällige 
Ladierung, die teurer und viel 
weniger haltbar ift als die ſchwarze 
(und an den Felgen allenfalls elfen⸗ 
beinfarbige); hölzerne Yelgen, die 
zwar leichter find als jtählerne, 
aber auch leichter brechen; leichte 
Nennreifen, die ſchwer oder gar 
nicht reparierbar find u. a. m. 

Bon den „Tourenrädern” unter: 
jheiden fi die „Straßenrenner” 
durch leichtered Gewicht, Wegfall 
der Kotſchützer, größere Weber: 
fegung, tiefgebogene Lenkſtange 
und leichtere Gummis, aljo dur 
ziemlid) geringfügige Aeußerlich- 
feiten, außerdem noch durch etwas 
höheren Preis. Sie bilden den 
Uebergang zu den „Bahnrennern” 
mit fehr hohen (big 150“er!) 
Ueberfegungen und von noch ges 
tingerem Gewicht. 

563. Die univerjelle Verwen⸗ 
dung des Yahrrades. Die Be- 
deutung des Fahrrades ald reines 
Berfehrsmittel, im Dienfte des 


einzelnen wie zahlreicher Behörden, | bezw. 50—300 km), 


der Feuerwehr, der Poft, des 
Heeres 2c., feine Bedeutung für die 
ſoziale Hygiene der Arbeiter zc., 
nit nur durch den unmittelbaren 
Sebraud, ſondern auch dadurch, 
daß ſein Beſitzer entfernte Arbeits⸗ 
gelegenheiten wahrnehmen und des⸗ 
halb geſünder und billiger in den 
Vororten der Großſtädte 2c. wohnen 
kann, — alles das, was es zu 
einem kulturgeſchichtlichen Faktor 
von eminenter Bedeutung macht, 
kann in einer Abhandlung über 
den „Radfahrſport“ nur ans 
gedeutet, nicht erſchöpfend dargeftellt 
werden. In unfer Gebiet fällt hier 
nur die tourenmäßige Benukung 
des Rades und feine gymnaftifche 
bezw. athletiihe Verwendung, mit 


R. Roehlich. 


Ausfchluß des profeffionelen Renn- 
ort3. 


564. Das Fahrrad im Dienfte 
des Sportsmannes. Die Anfänge 
des Radfahren? hängen eng zu= 
fammen — entſprechend der Ge— 
fährlichfeit des Hochrades, das nur 
mutige, fräftige und geſchickte junge 
Leute fuhren — mit dem Wett: 
fahren, das anfangs ziemlich reiner 
Herrenfport war. Im Laufe der 
Sahre, als namentlich die Schauluft 
der Menge den Rennbahnbefigern 
hohe Einnahmen bradte und als 
dadurch die Siegespreiſe immer 
höher und nicht bloß als Ehren⸗, 
jondern auch als Geldpreife ge⸗ 
geben wurden, bildete jih ein 
Stand der berufgmäßigen Renn⸗ 
fahrer heraus, die überdies noch 
im Dienfte von Fahrrad» und 
Gummifabriten ftanden und deren 
erfolgreichite in der Blütezeit nicht 
viel weniger verdienten, als ein 
Sodey erjten Ranges. Diefe Renn- 
artiften oder vielmehr ihre Brot- 
geber Hatten zum Teil ungeheure 
Spejen, jomeitjenenämlidh „Steher“ 
waren, d. 5. Fahrer über lange 
Streden (3. B. 1—6 Stunden 
mweil die 
„Führung“, die heute von Fahrern 
auf Motorniederrad beforgt wird, 
damals Mannichaften von Mehr: 
(meift Fünf-) Sigern oblag. Der 
Holländer Sordang Hatte z. 3. 
5 Fünffiter, d. h. 25—30 Leute 
zu feiner Führung jeitend ver 
Dunlop-Brreumatilfabrif zur Ver⸗ 
fügung, die ihn zu allen großen 
Dauerrennen, an denen er teilnahm, 
begleiteten. Die Bejoldung und 
die Reiſeſpeſen verjchlangen jähr- 
ih ein großed Bermögen. Aud) 
die Organifation des Schrittmacher- 
dienftes auf einer einzigen großen 
Straßenfernfahrt, z. B. der all- 
jährliden „klaſſiſchen“ Bordeaur- 
Paris, Toftete zu Ende der 1890er 
Sahre jedesmal viele Taujende für 


IX. Radfahrfport. Nro. 565. 


eine Fabrik. Herrenfahrer Eonnten | (der Sieger Fiſcher braudte 31 
da natürlih nit mittun; fie | Stunden gegen 71'/, Stunden des 
fonnten es nicht, einmal als | Siegers Graf Starhemberg im 
„Flieger“, d. h. als Fahrer über | vorangegangenen Diftanzritt) als 
furze Streden von 1000-3000 m | aud) die Lebensfähigkeit des Pneu— 
ohne Schrittmacher, weil die Pro- matiks erwied. Der damalige 
fejjional8® feinen andern bürger: | agitatoriihe Zweck und Crfolg 
lichen Beruf Hatten und jomit dem | diefer großen Leiſtungen jcheidet 
Training, der Berbeflerung ihrer | heute aus, wo jedermann die 
Form, der jportgerecdhten Lebens: Sache natürlich findet, jie haben 
weiſe unter Leitung eigener Trainer, | nur noch interne Bedeutung für 
augjchließlich obliegen fonnten, und den Verband und die Teilnehmer. 
weil fie bei der Teilnahme an allen | Dasjelbe ift wejentlich der Fall bei 
internationalen KRonkurrenzen weder den großen Sportfeften, die mit 
nach Zeit noch nad) Geld zu fragen den Generalverfjammlungen der 
braudten. Die beiten SHerren- Verbände im Sommer verbunden 
fahrer, 3. B. ein Auguft Lehr, find und die dem Publiftum das 
wurden denn auch — Berufsfahrer, | prächtige Bild eine impofanten 
die andern zogen jich zurüd oder | Korjos zu bieten pflegen und im 
fuhren nad) den reinen Herren= | gejchlojjenen Saale außerdem den 
fahrerbeftimmungen des Deutjchen | Anblid von Kunft- und Reigen— 
Radfahrerbundes, der größten und | fahren. Das Saalfahren ijt es 
älteften (gegründet 1884) deutjchen auch namentlich, das den Sports— 
NRadfahrervereinigung. Heutigen- mann im Winter entjchädigt, jo- 
tages jteht jo ziemlich der ganze wohl im Reigenfahren als im Rad— 
Radſport im eigentlihden Sinne |polo und ähnlichen Spielen. 

dDireft oder indirelt unter der 565. Das Fahrrad im Dienfte 
AHegide diefesBerbandes,desD.R.B. der Tonriftif. Die Ausübung des 
und allenfall3 noch (jedod) mit Aus- Radſports im engern Sinne ftüßt 
Schluß allen Rennmwefens) der All: | jih auf die großen Verbände und 
gemeinen NRadfahrerunion, der | deren Unterorganifationen, die 
ARU. Der vom D.R.B. gepflegte | Gaue und Bezirke, und auf die 
Rennſport tritt felten auf den | größeren Vereine, im ganzen Reiche 
Rennbahnen zutage, weil dieje letz- alſo auf vielleiht 100000 Radler. 
teren, die rein gefchäftliche Unter- | Und von diefen ift e8 wieder nur 
nehmungen find, nur durch „At- | ein fehr Kleiner Prozentſatz, der 
traftionen” großen Stils ein großes | jelber das Radfahren jportmäßig 
zahlendes Bublifum anloden können, | ausübt. Den forporierten Sport- 
— öfter in großen Straßenfern- | radlern aber ftehen in Deutjchland 
fahrten des Hauptverbandes jelbjt | vieleicht 3 Millionen Radler und 
oder in fleineren Straßenrennen | Radlerinnen gegenüber, die mit 
feiner Unterverbände (Gaue) inner: dem „Schnelligfeitsfport” nichts zu 
halb von deren geographifchen oder | jchaffen haben. Das Gros davon be: 
adminiftrativen Grenzen. Die erite | nüttja das Fahrrad vorwiegend oder 
Straßenfernfahrt größten Stil3 in | doch teilweije zu Berufszweden ; aber 
Deutjchlattd war 1893 Wien-Berlin, | daneben fteht noch die große Schar 
die damals zuerjt das Fahrrad in derjenigen, die ed verwenden, um 
Mitteleuropa populär machte, und | fih in Kontakt mit der Natur zu 
die jowohl die enorme Ueberlegen- bringen und zu erhalten: die Rad» 
heit des Radler über das Pferd | touriften. Das Tourenfahren im 














Nro. 565. 


großen Stile hat fih nicht ein- 
bürgern bezw. behaupten können; 
für diefe Zwede ift dad Automobil 
und das fchnelle und billige Motor- 
rad an Stelle ded Fahrrades ge- 
treten, aber die Kilometerzahl ift 
ja nicht der Gradmefjer für die 
innere Kultur fozufagen, die der 
Menſch einem Sport und einem 
Sportgerät verdanken Tann, fo 
wenig, wie der Bobsleigh über der 
Rodel oder dem Sci fteht, weil 
er ſchneller ift. Jedenfalls ift der 
Tourismus die edelſte Blüte des 
Radfahrend, daS zeigt fih aud 
äußerlich 3. B. in den Bejtrebungen 
des Münchener Touringflub und 
feiner Elitefhar von Mitgliedern, 
die unter Fernhaltung alles Sports⸗ 
athletiiden nur dem Tourenſport 
dienen. 

Wann das Radfahren nad den 
individuellen körperlichen Voraus⸗ 
ſetzungen zu erlauben oder zu 
widerraten iſt, darüber entſcheidet 
am beſten ein ſelbſt radfahrender 
Arzt, — falls der Kandidat Zweifel 
in ſeine eigene Qualifikation ſetzt. 
Das Für und Wider tft überſicht⸗ 
lich zuſammengefaßt in Prof. Dr. 
Schiefferdeckers, Indikationen 
und Kontraindikationen des Rad⸗ 
fahrens“ (Leipzig). 

Die größte Gefahr, die der Rad⸗ 
ſport felber birgt, ift die Entfteh- 
ung von Herzerweiterungen, durch 
häufig wiederholte großeAnftrengun= 
gen, namentlich beim Bergfahren ; 
bei Lieberanftrengung oder bei vor- 
handener Gefäßverfalfung, alfo be- 
jonders bei älteren Berfonen, kann 
dann auch leicht der Tod durch Herz- 
zerreißung oder Schlagaderbrud ein 
treten. Und dieſe Gefahr ift umfo 
ernfter, weil der Syahrer die Ueberan— 
ftrengung der innern Organe in fol: 
hen Fällen erft an deren Erfchöp- 
fung wahrnimmt, an völliger Atem- 
not, an riefiger 


R. Roehlich. 


nornialen 70!), während die Bein- 
muskeln noch nicht die mindefte 
Ermüdung zeigen. 

Weber die Diät iſt nicht viel zu 
fagen. Man kann auf der Tour 
genau fo leben, wie man e3 ge- 
mwöhnt ift und wie man ed in den 
oft befcheidenen ländlichen Gajt- 
häuſern bekommen kann. Alkoholiſche 
Getränke läßt man bei Tage am 
beften ganz fort; auch die Abend⸗ 
mahlzeit jollte die reichlichfte Des 
Tages fein; am Tage felbit ikt 
man häufig, aber nie zu viel, wenn 
man flott weiterfommen will. 

Berge, die einem fauer werben, 
erflimmt man lieber gehend, der 
geringe Zeitverluft ift jedenfalls 
dem möglichen Berlufte an Gefund- 
heit vorzuziehen, und das Auge 
wird im Gebirge no durd Die 
Ausſicht reichlich entjchädigt. 

Auh für die Belleivung find 
feine befonderen Rüdfichten nötig, 
die durch das Radfahren oder Durch 
den Bau des Rades jelbjt geboten 
wären. Damen werden ohnehin 
nicht mit Schleppen und radgroßen 
Hüten zu Rade jteigen; und Die 
ganze jportlihe Richtung unjerer 
Beit, die Aera der Körperkultur, 
der Nadtkultur ꝛc. ift eine beſſere 
Bürgihaft für vernunftgemäße Be- 
Heidung auch beim Radeln, al? es 
papierne Borfchriften wären. 

Se nad) der Dauer der Tour 
wird man etwas Gepäd mitnehmen, 
— aber niemals viel! Es genügt 
Leibwäſche für ein paar Tage, 
Strümpfe und Taſchentücher und 
eine Reſervehoſe einzupaden; das 
alle8 jamt den Karten, die man 
nicht am betreffenden Tage braudt, 
rollt man in ein Stüd Wachstuch, 
legt die Gummipellerine darauf, 
die man für plößlich einjegenden 
Regen mitnimmt, und jchnallt das 
Ganze auf die Lenkſtange. Bor: 


Pulsfrequenz (bis | fichtigerweife wird man noch einen 


250 Schläge pro Minute ftatt der | Rejervejchlaud vorher hineinpacken, 


— Fa m er 


IX, Radfahrfport. 


umnichtbeieinem ſchweren Schlaud;- 
defeft die Tour unterbrechen zu 
müflen, fall3 fein Händler in der 
Nähe ift. 

Viele Referveteile braudt der 
Befiger eined guten Rades nicht 
mitzunehmen. Zunädft muß die 
Satteltafche ihren gefamten Inhalt 
an Werkzeug haben, den die Fabrik 
beigegeben bat. Dann iſt es 
äußerft ratfam, ein paar Ketten- 
glieder und eine Kettenſchraube mit 
Mutter mitzunehmen, ebenfo aud) 
ein Referveventil, bezw. diejenigen 
Teile eines ſolchen, die in Berluft 
geraten oder undicht werden fünnen. 
Für längere Touren in wenig kul⸗ 
tivierten Gegenden oder im Aus⸗ 
lande, wo die Fahrradmarke, die 
man fährt, nicht vertreten ift, emp⸗ 
fiehlt fi) au die Mitnahme der 
wichtigſten Achfen, Konen und Mut- 
tern. Der Freilauf ift öfters, d. 5. 
alle paar Tage, mit Benzin ober 
Petroleum ausdzufprigen und dann 
nachzuölen. 

Faft alle Reparaturen an einem 
guten Rade beſchränken ſich auf 


Nro. 565. 


das Flicken eines Schlauches, das 
Nachſtellen der Kettenſpannung oder 
irgend eines Lagers und ſind leicht 
und ſchnell von jedem Fahrer an 
Ort und Stelle oder im nächſten 
Gaſthauſe vorzunehmen, ſobald er 
nur ein bißchen Anſtelligkeit und 
guten Willen beſitzt. Für ſchwie⸗ 
rigere Reparaturen, die nicht jeder- 
manns Sade find, enthält das 
Büchlein „Die Behandlung des 
Fahrrades“ vom öfterr. Haupt: 
mann Smutny (Graz) viele nütz⸗ 
lihe Fingerzeige. 

Für die Tagesleiftung eines Rad- 
touriften bilden Alter, Gefchlecht, 
individuelle Konftitution, Wind und 
Wetter, Terrain, Straßenoberfläche, 
die benützte Weberfegung 2c. zu⸗ 
fammengenoinmen den WMaßitab, 
fo daß fih hierüber weder Vor⸗ 
ſchriften noch Angaben machen 
lafien. Man Tann aber 80 bis 
100 km pro Tag, auch für mehrere 
Tage hintereinander, unter günfti- 
gen Verhältniffen als gut erreich- 
bar, auch in Damengeſellſchaft, an⸗ 
nehmen. 


(Techniſche Ausdrüde fiehe Nro. 556.) 


37 


RKKKKKLKKKKKKKKFKRKKKKKFKRKFRRKKAKKKKKK RK NRL 


X. Symnaftifche Sporte. 


1 Der Turnfport. 
Von 
Dr. Max Hbles, München. 


566. Geſchichtliches. Bon einem 
Turnſport im Sinne unferer geit 
weiß uns die Geſchichte nichts zu 
berichten. 

Eine mehr oder minder fyftema- 
tifhe Pflege von Leibesübungen 
finden wir zwar bei allen Völkern 
und zu allen Zeiten vor, doch haben 
diefe Mebungen nad) ihrer Art und 
meift au nach ihrem Zweck regel- 
mäßig nicht mehr als eine nur zu⸗ 
‚ fällige Aehnlichkeit mit dem, was wir 
unter „Turnen“ verjtehen. 

Die Erklärung für diefe Erjchei: 
nung liegt nahe: Mebrgeftaltig ift 
das treibende Clement, welches 
unfere Turnhallen und Spielpläße 
bevölkert; bei dem einen überwiegt 
die Freude am Sport, beim andern 
der Chrgeiz nah Beftleiftungen, 
ein dritter wird durch feinen Hang 
zur Gejelligfeit dem QTurnvereine 
zugeführt. Weit mehr aber al3 
dieſe Neigungen wirbt für Die 
Turnſache die Erfenntnis, daß die 
moderne Kultur ein ſchlimmes Miß— 
verhältnis geſchaffen hat zwiſchen 
Ausbildung des Körpers und ſolcher 
des Geiſtes, und daß dieſes Miß— 
verhältnis eines Ausgleiches be— 
dürfe. 

Ein derartiger Anfporn zu för: 
perlicher Betätigung hatte vordem 


nicht, oder doch nicht wie Heute, 
für die Allgemeinheit beftanden. 

Was ung die Geſchichte von 
fyftematifchen Leibesübungen übers 
liefert hat, ift denn auch anders 
geartet ald das, was wir unter 
dem Sammelbegriff „Zurnen” zu: 
fammenfafjen. 


Auch der Zwed folcher Uebungen 


war ein anderer: Meiſt waren es 
Uebungen, melde, ausgeſprochen 
militärischen Charakters, die Krieg3- 
tüdtigfeit des Volkes zu heben bes 
ftimmt waren, daneben aber treffen 
wir die Untermweifung in körper⸗ 
liher Gemwandtheit auch als einen 
Unterrichtszweig der Schulen an. 

567. Perſien. Von den Berfern 
berichtet und Herodot, fie hätten 
ihre Kinder vom 5. bis zum 20. 
Lebensjahr nichts weiter gelehrt, 
als Reiten, Bogenſchießen und Die 
Wahrheit Iprechen. 

Ganz wörtlich ift ja diefer Be⸗ 
richt wohl nicht aufzufaflen, we⸗ 
nigftens wollen wir zu Ehren der 
alten Berjer nit annehmen, ihre 
Kinder hätten fol großen Hang 
zur Unwahrheit gezeigt, daB es 
eines befonderen Unterricht3 in Der 
Kunft des Nichtlügens bedurft Hätte, 
foviel aber darf aus jener Auf: 
zeichnung doch als richtig entnommen 


X, 1. Der Qurnfport. 


werden, daß die Erziehung der 
Söhne vornehmerer Eltern eine im 
wefentlichen Triegerifche war. 

Das Tann aud nicht wunder: 
nehmen: Waren doch zu der Zeit, 
als Herodot feine Gefchichte ſchrieb, 
die Berfer ein hervorragend krie⸗ 
geriſches Volk, welches erſt kürzlich 
Aegypten, Thrakien und Makedonien 
unterworfen hatte, und mit dem 
eben damals Griechenland um ſeine 
wirtſchaftliche und politiſche Exiſtenz 
kämpfte. 

Daß aber zu kriegeriſchen Zeiten 
Kampf, Spiel und ritterliche Leibes⸗ 
übung bei der Jugend eines Volkes 
eine hervorragende Rolle ſpielen 
müſſen, liegt auf der Hand. 
568. Griechenland. Anders in 
Griechenland. Zwar haben auch 
dort die uns von der Geſchichte 
überlieferten, ſportähnlichen Ber: 
anftaltungen ihren Ausgang von 
dem Bejtreben genommen, dem 
Zande wehrhafte, kriegstüchtige 
Männer heranzuziehen, allein ihre 
Entwicklung verlieh ihnen eine wei⸗ 
tergehende Bedeutung: Spiele und 
friedliche Wettkämpfe waren im 
klaſſiſchen Hellas Gemeingut der 
Nation. Kein Feſt, mochte es reli- 
giöſer oder profaner Natur ſein, 
war ohne ſie denkbar. 

Dieſe öffentlichen Wettkämpfe 
hielten nicht nur im Volke den ge- 
funden Sinn für edle Törperliche 
Vervollkommnung wach, fie gaben 
auch dem Ehrgeiz der Jugend reiche 
Nahrung und fpornten fie ftet3 auf3 
neue zu veger Arbeit auf den 
Uebungspläten an. 

Den Gipfelpuntt des allgemeinen 
Intereſſes aber bildeten die alle 
4 Sabre wiederkehrenden Wettjpiele 
in Olympia, und wer dort einen 
Zorbeerzweig oder einen Sieger: 
franz errungen hatte, defjen Name 
wurde in ganz Griechenland ge: 


ehrt. 
So wurde dort die Pflege körper: 


Niro. 568. 


licher Uebungen zu einem nationalen 
Erziehungsmittel, wie wir ein ähn⸗ 
liche bei feinem anderen Volke 
wieder antreffen. 

Die Borrichtungen, welche zu den 
Uebungen benügt wurden, waren 
einfach, von eigentlichen „Geräten“ 
kann faum gefprocdhen werden. 

Als Uebungsraum genügte dank 
dem warmen, an Niederichlägen 
armen Klima ein großer, freier 
Platz; diefem fchloffen ſich erſt in 
fpäterer Zeit Bauten an, welche 
dann allerdingg mandmal aud 
Hallen für bejondere Webungen, 
auch Anfleive- und Baderäume er⸗ 
hielten. 

Die Uebungen waren hauptſäch⸗ 
lich: Wettlauf, Hoch⸗ und Weit: 
fprung, Speerwerfen, Diskuswerfen 
und Ringen, aljo das etwa, was 
man heute mit dem Sammelbegriff 
„Leichtathletik“ bezeichnet. 

Diefe Törperlichen Uebungen füll: 
ten einen großen Teil des Er—⸗ 
ziehungsprogramms für die Jugend 
aus, ohne daß aber dabei die geiftige 
Ausbildung vernadhläffigt worden 
wäre. Auch diefe letztere wurde im 
„Symnafion“ („Anjtalt für Nadt- 
übungen”; die Vebungen wurden 
mit entblößtem Körper ausgeführt) 
betätigt, und im Gymnaſion vers: 
brachte auf folde Weiſe der junge 
Grieche einen erheblichen Teil des 
Tages und damit feiner Erziehungs: 
jahre. 

Sn Sparta, das ebenfall der 
körperlichen Ausbildung der Jugend 
die höchſte Sorgfalt zugemwendet 
hatte, trug die Organijation und 
die Art der körperlichen Uebungen 
einen mehr militärifchen Charafter, 
mie ja bier überhaupt als oberfter 
Staatsgrundſatz die Erſtrebung 
höchſter Kriegstüchtigkeit galt. 

In Sparta war es auch, wo 
man, anſcheinend zum erſten Male 
unter den damaligen Kulturvölfern, 
das weibliche Geſchlecht ebenfalls 


Nro. 569-571. Dr. M. 
zu den körperlichen Mebungen heran 
309. Die Uebungen waren im all- 
gemeinen die gleichen wie die von 
der männlichen Jugend gepflogenen. 

Ausgeſprochener Zweck dabei war, 
dem Staate tüdhtige und gefunde 
Frauen und Mütter zu geben. 

Die Spartaner follen denn auch 
die ſchönſten Frauen in ganz Grie⸗ 
henland beſeſſen haben (jiehe Dr. 
Rühl, Entwicklungsgeſchichte des 
Turnens). 

Mit der Unterwerfung Griechen⸗ 
lands durch die Römer (im 2. Jahrh. 
vor Chriſti Geb.), ſcheinen dieſe 
Uebungen, welche ſo ſehr in das 
öffentliche Leben eingegriffen hatten, 
ihr Ende gefunden zu haben. 

569. Das römiſche Reich. Den 
römiſchen Eroberern fehlte offenbar 
der Sinn für eine freie, ſportliche 
Betätigung körperlicher Geſchicklich⸗ 
keit und Kraft. Sie beſchränkten 
ſich darauf, im Zirkus ſich von 
bezahlten oder auch gezwungenen 
(Sklaven) Kräften körperliche Ue⸗ 
bungen als Schauſpiel vorführen 
zu laſſen, wobei in ſpäterer Zeit 
ſich der Geſchmack des Publikums 
zu einer oft geradezu infernaliſchen 
Grauſamkeit entwickelte. 

570. Germanien. Von den 
alten Germanen, unſeren Stamm⸗ 
vätern, wird berichtet, daß ſie, ab⸗ 
geſehen von Reiten und kriegeriſchen 
Spielen, gewiſſe körperlichelebungen 
mit Vorliebe pflegten. Es waren 
dies: Springen, Wettlaufen, Stein⸗ 
ſtoßen und Speerwerfen. 

Mit der Einführung des Chriſten⸗ 
tums in Deutſchland wurde das 
Intereſſe für körperliche Uebungen 
mehr und mehr zurückgedrängt. 
Die Pflege des Geiſtes und zwar 
vor allem die religiöſe Ausbildung 
galt nunmehr als die vorwiegendſte 
Aufgabe des Menſchen, und es war 
nur konſequent, wenn man in kör⸗ 
perlichen Uebungen eine Ablenkung 
von dieſem Zweck, eine Gefährdung 


Ahles. 


des Seelenheils erblickte, und ſie 
deshalb verwarf. 

So blieb nur dem Stande der 
Ritter die regelmäßige Pflege kör⸗ 
perlicher Fertigkeiten vorbehalten, 
wobei hier naturgemäß leitender 
Geſichtspunkt die Erziehung zu 
kriegeriſcher Tüchtigkeit war. Die 
Uebungen beſtanden in Reiten, 
Bogenſchießen, Fechten, Werfen mit 
Stein und Speer, Springen. 

571. Entwicklung des Turn: 
fportes8 in Deutſchland. Einen 
Turnfport im heutigen Sinn bat 
ed ſonach in der älteren Gefchichte 
nicht gegeben.: 

Mas wir heute unter „Turnen“ 
verftehen, reicht in feinen nachweis⸗ 
baren Uranfängen in dag Ende des 
18 Jahrh. zurüd. 

Unter der Leitung Johann Bern: 
hard Baſedows (geb. 11. Sept. 
1723 zu Hamburg) wurde im Sabre 
1774 zu Defjau eine „Muſter⸗ 
fehule”, das „Philanthropinum“, 
eröffnet, in welchem befonderes Ge: 
wicht auf die körperliche Ausbildung 
der Zöglinge durch die offizielle 
Einführung gymnaftifcher Uebungen 
gelegt wurde. 

Selbjt Lehrer an einer nad) 
Baſedowſchem WMufter errichteten 
Anftalt (in Schnepfenthal) gab im 
Sabre 1793 Johann Chriftoph 
Friedrih Guts-Muths dag erſte 
deutfche Turnunterrihtäbuch „Gym: 
naftit für die Jugend“ heraus. 
Diefer Beröffentlihbung folgten im 
Sabre 1796 ein „Spielbuch“, und 
1817 ein „Turnbuch“ des gleichen 
Berfaflers. 

Sm Sahre 1794 erihien von 
Gerd. Ulrich Anton Vieth eine 
„Encyelopädie der Leibesübungen”. 

Hatten Baſedow, Guts⸗Muths 
und Vieth von rein pädagogiſchen 
Geſichtspunkten aus für das Turnen 
gewirkt, jo wurde mit dem Auf- 
treten Friedrich Ludwig Jahn 


(geb. 11. Auguft 1778 zu Lanz bei 


X. 1. Der Turnfporf. 


Lenzen), den wir mit Recht als den 
Begründer des heutigen deutjchen 
Zurniport3 bezeichnen, dad Turnen 
auf das Innigſte mit der Politik 
verquicdt und hierdurch wohl erit 
zu eigentliher Lebensfähigkeit — 
damals wenigftens empor: 
gehoben. 

Freilih war damit gleichzeitig 
auch ſchon ein ernfte3 Hindernis 
gefchaffen, mit welchem die Turn 
ſache dann fo lange zu kämpfen 
Haben jollte. 

Am Sabre 1811 eröffnete Jahn 
auf der Hafenbeide bei Berlin einen 
Zurnplag und begann dort ein 
regelmäßiges Yugendturnen einzus 
richten. Sein Beitreben war von 
der ausgeſprochenen Abficht geleitet, 
eine neue Generation voll Kraft 
und Mut heranzuziehen, melde 
feinen, des glühenden BPatrioten, 
ſehnlichſten Wunſch, ein freies, eint- 
ges Deutſchland zu ſchaffen, erfüllen 
ſollte. 

Dieſe, von ſeinen Anhängern mit 
Begeiſterung angenommene, poli⸗ 
tiſche Tendenz veranlaßte ſchon bald 
die preußiſche Regierung zur Stel⸗ 
lungnahme gegen das Turnweſen. 
Dur einen königlichen Erlaß vom 
2. Januar 1820 wurde das Turnen 
vollftändig und ohne jede Ein: 
ſchränkung unterfagt. Erjt im Sabre 
1842 wurde durch eine abermalige, 
allerhöchſte Kabinettsordre das Tur⸗ 
nen wieder zugelaffen und nunmehr 
fogar in den öffentlichen Lehran: 
ftalten als Unterrichtäzweig allge: 
mein eingeführt. 

Seitdem hat das deutiche Turnen 
von Jahr zu Jahr mehr Anhänger 
gewonnen und heute haben wir in 
Deutihland ein Heer von über 
900 000 ovrganifierten Turnern, 
deren Tätigkeit einen ganz außer: 
ordentlich wertvollen Einſchlag von 
Kraft und Gefundheit in dem Ge- 
bilde unferes Volkskörpers dar: 
ftellt. 


Niro. 1572- 573. 


572. Zweck des Turnens. Nach 
dem Geiſte ſeiner Begründer und 
nach der ſatzungsgemäß ausgeſpro⸗ 
chenen Abſicht der „Deutſchen 
Turnerſchaft“, welche mit ihren 
mehr als 800000 Mitgliedern die 
weitaus meiften deutjchen Turner 
in fich jich vereinigt, bezwect das 
deutjche Turnen die förperliche und 
fittliche Kräftigung, ſowie die Pflege . 
deutfchen Volksbewußtſeins - und 
vaterländifcher Gefinnung. 

Dabei erjcheint es gleichzeitig als 
ein vorzügliches Erziehungsmittel, 
geeignet zur Förderung des Gemein: 
finnes, des Sinned für Disziplin 
und für Unterordnung des Einzelnen 
unter ein größeres Ganzes. 

Hiedurch dient es ſchließlich auch 
in hervorragender Weiſe der Hebung 
der Volkswehrkraft. 

Dieſe Ziele und Folgeerſchei— 
nungen des Turnbetriebes werden 
in ihrem vollen Umfang erreicht 
durch das Turnen in unſeren Turn⸗ 
vereinen (Volksſsturnen), während 
bei dem Turnen in unjeren Er: 
ziehungsanftalten (Schulturnen) das 
erzieheriſche Moment in den Border: 
grund gerüdt ift. 

573. Das Schhulturnen. Wenn 
beim deutſchen Schulturnen die 
Eigenfchaft des Turnens als eines 
Sports zurüdtritt, jo liegt das zum 
Teil in der Natur der Sade: Dem 
Lehrer, welcher die Aufgabe bat, 
eine größere Anzahl von Schülern 
mit oft ſehr verjchiedener körper⸗ 
licher Beranlagung im Turnen zu 
unterweifen, ift von vornherein 
eine Grenze dadurch gezogen, daß 
er die gemeinjanen Uebungen regel: 
mäßig nicht über da8 Map deſſen 
fteigern darf, was die ſchwächſten 
feiner Zöglinge zu leiften vermögen, 
da ja andernfall® dieſe meniger 
Leiftungsfähigen von den Uebungen 
ausgeſchloſſen, oder aber zu Ueberan⸗ 
ftrengung von möglicherweiſe ſchäd⸗ 
liher Wirkung angetrieben würden. 


Nro. 573. ‚Dr. M. 

Aus diefem Grunde hat auch die 
Pflege des turnerifchen Wettbewerbs 
in dem Turnprogramm unferer 
Säulen bisher feine Aufnahme ge: 
funden. : 

Die Uebungen, welde in den 
Zurnftunden unferer Schulen vors 
genommen werden, find nad) der 
Reihenfolge der Klafjen und damit 
nad dem Alter der Schüler abge- 
ftuft. 

In den unterjten Klaffen bilden 
Drdnungsübungen (Reigen) und 
Spiele einen erheblichen Beſtand 
im QTurnprogramm, Freiübungen 
werden in ausgedehntem Maße, oft 
verbunden mit Ordnungsübungen, 
betrieben, während an den Geräten 
nur die einfachjten Uebungen vor: 
genommen werden. 

In den höheren Klafjen fommen 
die Ordnungsübungen in Wegfall, 
in den fonjtigen Uebungen bringt 
jedes folgende Schuljahr den Schü⸗ 
lern einen Uebergang von Leichterem 
zu Schwererem. 

Schon oft ift der Wunſch laut 
geworden, es möge unjerem Schul: 
turnen eine größere Beachtung und 
vor allem auch mehr Raum als 
bisher im Lehrplan zugewandt 
werden. 

Der ſchöne Sat „mens sana in 
corpore sano* ift ja freilich fajt 
an jeder unſerer Mittelfhul-Turn: 
ballen irgendwo, außen oder innen, 
deforativ verwendet, aber die Art, 
wie er in die Praris umgejeßt 
wird, ift denn Doc recht unzu⸗ 
reichend. 

Durchſchnittlich zweimal in der 
Woche je 1 Stunde lang dürfen 
die Schüler „turnen“. Ja, wenn 
es nur für jeden 1 Stunde lang 
wäre. Aber da iſt eine Klaſſe von 
40, 50, 60 Jungen, denen die 
Turnſtunde vielleicht das Liebſte, 
wir wollen gar nicht ſagen, das 
einzige nicht Unſympathiſche vom 
ganzen großen Lehrplan ihrer An⸗ 


Ahles. 


ſtalt, jedenfalls aber viel, viel lieber 
iſt, als der ganze Horaz mit ſeinen 
Höflingsverſen, als der unſterbliche 
Homer, deſſen Schönheiten der 
Dozent wohl mit Begeiſterung zu 
genießen vermag, der aber die Schü⸗ 
ler regelmäßig ſehr kalt läßt; und 
dieſe 40 und mehr jungen, lebens⸗ 
friſchen Burſchen, die jede Woche 
beiläufig 30 lange Stunden hin⸗ 
durch die Schulbank drücken, die 
außerdem noch zu Hauſe ſich auf die 
Schulſtunden vorzubereiten haben, 
werden nur zwei kärgliche Stunden 
in der Woche zu körperlichen 
Uebungen angehalten. Dabei ift, 
abgefehen von den Ordnungs- und 
Fretübungen, von denen die erfteren 
gar feinen, die leßteren feinen er- 
heblichen Wert für die Kräftigung 
des Körpers haben, die Zeitfpanne, 
welche dem Einzelnen zum Turnen 
gewährt werden fann, jtet3 natur- 
gemäß nur ein geringer Bruchteil 
der Stunde, wenige Minuten bloß 
da ja bei den Uebungen an den 
Geräten regelmäßig nur jeweils 
ein einzelner Schüler turnen fann, 
während die anderen indefjen zur 
Untätigfeit verdammt find. 

Sit eine ſolche Schulturnftunde 
zu Ende, und ruft die Glode des 
Pedells die Jungen wieder auf die 
Schulbank zurüd, fo iſt faum einer 
unter ihnen, dem es feine Muskeln 
in wobltätiger Ermüdung fagen, 
daß er foeben „geturnt“ babe. 

Der gewiß jehr wünſchenswerte 
Wandel zum Befferen ließe ſich 
unſchwierig fchaffen: Bor allem 
wären die offiziellen Turnſtunden 
ganz bedeutend, mindeſtens auf das 
Doppelte zu vermehren. Sodann 
müßte die Tätigkeit in diefen Stun: 
den eine weit intenjivere fein, als 
fie e8 bei der bisherigen Methode 
jein fann, bei welder der Turn: 
lehrer allein die Leitung der Ue⸗ 
bungen zu verſehen bat, jo daß 
bei den Geräteübungen infolge Beits 





gen, übertragen Tann. 
Weiſe würde ed ermöglicht, die in 


x. 1. Der Aurnfporf. 


mangels der Einzelne immer zu 
furz fommen muß. Hier Tönnten 
‚unfere Schulen jehr wohl dem 
Beifpiel der Turnvereine folgen: 
Der Zurnlehrer wird fchon nad) 
furzer Zeit unter: jeinen “Pfleg: 
Lingen eine Elitemannfchaft heraus 
gefunden haben, die er nun zu 
Vorturnern ernennt, und denen er 
jeweil3 die Beauflichtigung und 
Zeitung eines Teiles der turnenden 
Klaffe, zumal bei einfacheren Uebun—⸗ 


der gleiden Turnſtunde verfammel- 
ten Schüler in vier und mehr 
Gruppen zu teilen, welche zu gleicher 
Zeit unter verjchiedenen Borturnern 
beichäftigt find, und melde nad 
Erledigung der einen Hebungsart 
den Vorturner und damit die Uebung 
wechſeln. 

Endlich könnte noch die übliche 
Jahresſchlußfeier als Programm⸗ 


nummer eine Vorführung der tur⸗ 


neriſchen Höchſtleiſtungen der Schü⸗ 
ler erhalten, womit dann den 


Schülern während des Jahres noch 


ein bejonderer Anſporn zu eifriger, 
turnerifcher Tätigkeit gegeben wäre. 

Strenge zu verpönen wäre Dabei 
die bisher leider nicht felten zu be⸗ 
obachtende Gepflogenbeit, daß man 
ſchwächliche oder weichliche Schüler 
vom Turnen teilweife oder gar 
gänzlich Dispenjtert; vielmehr müßte 
gerade dieſen Schülern der Lehrer 
feine bejondere Sorgfalt zuwenden 
und fie durch anfangs leichte, dann 
in ſyſtematiſcher Steigerung ans 


ftrengendere Uebungen auf den 


Grad der ihrem Alter entſprechen⸗ 
den Leiſtungsfähigkeit zu bringen 


uchen 
a Würde auf ſolche Weiſe bei den 
Schülern das Intereſſe und Die 
Freude am Turnen gemwedt und 
großgezogen, fo wäre das für ihre 
fpäteren Jahre, insbeſondere auch 
für die Wehrpflicht, von gar nicht 


Auf dieſe 


Nro. 57%. 


hoch genug zu Den nenne Bedeus 
tung (val. Kap. 

574. Dans Beifeturnen. Mag 
als Endziel ded Turnens die Er⸗ 
böbung der Volkswehrkraft betrachtet 
oder mag das Hauptgewicht auf 
den erzieheriihen Faktor gelegt 
werden, der nächſte Zweck des 
Turnens und auch feine unmittel- 
barfte Wirkung ift, wie ſchon oben 
bemerkt, Törperlihe und fittliche 
Kräftigung. 

Der Erfüllung Ddiefer Aufgabe 
widmen fich die Turnvereine. 

Aus den befcheivenen Verhält- 
nifjen des Jahnſchen Turnplages 
auf der Haſenheide Hat ſich ein 
mächtiger Organismus entwidelt. 
Die „Deutihe Turnerfchaft“, die 
größte turnerifche Bereinigung der 
Melt, umfaßt 7787 Vereine mit 
808 525 Mitgliedern. Nimmt man 
dazu noch die übrigen Vereine, 
welche ſich der Deutichen Turner: 
ſchaft nicht angeſchloſſen Haben, fo 
ergibt ſich für Deutfchland ein Be- 
ftand von etwa 900000 organifier- 
ten Zurnern. 

Die Bereine gruppieren ihre 
Mitglieder je nach körperlicher Ver⸗ 
anlagung und rien in 
„Riegen“. Hierdurch wird — im 
Gegenſatz zum Schulturnen — eine 
gleichmäßige,turnerifche Inanſpruch⸗ 
nahme der gemeinfam turnenden 
Berfonen ermöglicht, wobei gleich- 
zeitig durch Bildung dieſer „Staaten 
im Staate” eine engere Fühlung 
unter den Angehörigen des Ver⸗ 
bandes erzielt und auf jolde Weife 
der Korpsgeift gehoben wird. . 

Die Leitung und Beauffihtigung 
der gemeinjchaftlichen a 
innerhalb der Riegen obliegt den 
„Borturnern”, melde jelbft aus der 
Reihe der Vereinsmitglieder gewählt 
werden. 

Daneben gibt das „Kürturnen“, 
d. i. das Turnen der Einzelnen 
außerhalb der gemeinſamen Turn⸗ 


Nro. 974. 


ftunde, an felbjtgemähltem Gerät 
und in beliebigen Uebungen, reiche 
Gelegenheit zu individueller Aus: 
bildung und zum Wettbewerbe um 
Beftleiftungen. 

Die zur deutſchen Turnerfchaft 
gehörigen Vereine find in 18 „Zurn- 
freife“ eingeteilt. Den Kreifen ift 
durch die Satung das Recht ein- 
geräumt, die „Gaupflicht“ einzu⸗ 
führen, d. 5. ihre Vereine wiederum 
in Gaue einzuteilen. Bon dieſem 
Recht Haben ſämtliche Kreife Ge⸗ 
brauch gemacht, und es ergibt ſich 
fomit in auffteigender Richtung die 
Gliederung: Verein, Turngau, 
Turnkreis, Deutſche Turnerſchaft. 

Alle 4 Jahre treten der Ausſchuß 
der deutſchen Turnerſchaft, die 
Kreisturnwarte oder deren Stell⸗ 
vertreter und die Abgeordneten 
der deutſchen Turnerſchaft zum 
„Turntage“ zuſammen, deſſen 
Hauptaufgabe in der Beratung und 
Beſchlußfaſſung über ſämtliche tur⸗ 
neriſche Angelegenheiten beſteht. 

Ebenfalls in 4jährigen Zwiſchen⸗ 
räumen werden Turnfeſte in der 
Dauer von je 3—4 Tagen veran⸗ 
ftaltet. Ihre turnerifchen Uebungen 
umfaffen im mefentliden: allge- 
meine Uebungen (Freiübungen), 
Vorführungen der Kreife und Saue 
und das Wetturnen. 

Es war ein fehr glüdlicher Ge: 
danfe, der in die Vorfchriften über 
die Wertung der Vebungen des 
Wettlampfes die Beſtimmung auf: 
nehmen ließ, daß nicht nur die 
mufterhafte Durchführung, fondern 
auch die gemandte und ſchöne Aus- 
führung und Haltung zu werten 
jeien. 

Damit ift von unferen Turn 
plägen nachdrücklich ausgeſchloſſen 
die Rekordmacherei, wie wir ſie bei 
ſonſtigen Sporten nur zu häufig 
antreffen, die Art des Wettfampfes, 
die nur ein Ziel kennt, die Höchſt— 
leiftung, die aber nad) dem „Wie“ 


Dr. mM. 


Ahlen. 


bei Erreihung dieſes Zieles nicht 
fragt. Mit diejer Beftimmung bat 
die Turnfeftorbnung etwas von dem 
Geifte der Wettlämpfe in Diympia 
berübergenommen in die moderne 
Zeit, und wer auf unjeren Turn: 
pläten zu Haufe ift, und aus eigener 
Anfhauung die Leiftungen kennt, 
die dort im Kürturnen und bei den 
Vorübungen für die Turnfefte er- 
reicht werden, der wird mit Recht 
das deutfche Turnen als eine Pflege: 
ftätte nicht nur der Kraft und des 
Gemeinfinnes, fondern auch der 
Körperfchönheit hochſchätzen. 

Aber nicht nur körperlicher Art 
ift der Gewinn, den dad Turnen 
dem Einzelnen bietet, die ftändige 
Schulung ded Körpers bringt aud) 
eine ſolche des Geiſtes mit fidh, 
der es lernt, in moblberechnetem 
Abmaße den Körper zu beberrichen, 
feine verfchiedenen Fähigkeiten nad 
ihrer momentanen Verwendbarkeit 
in Tätigfeit treten zu laſſen und 
fie wieder rechtzeitig auszufchalten. 
Und zahlreih find die Gelegen: 
beiten, welche da3 Turnen feinem 
Sünger bietet zur Entwicklung 
äußerfter Energie. „So feitigt es 
den Charakter und fördert alle jene 
Tugenden, die der Menſch im all 
täglichen Leben, im Ringen um bie 
Eriftenz und in Not und Gefahren, 
in den Kämpfen für die böchften 
Güter der Menfchbeit, für Freiheit, 
Ehre und Vaterland bedarf: Tapfer: 
feit und Entichloffenheit, Ausdauer 
und Standhaftigkeit.” (Rühl, Ent: 
wicklungsgeſchichte des Turnens.) 

Damit gewährt das Turnen 
gleichzeitig auch die weſentlichſten 
Grundlagen für die Ausübung einer 
jeglichen andern Sportart, und man 
fann wohl fagen, daß ein gute⸗ 
Zurner für jeden anderen Spott, 
der körperliche Tüchtigfeit, gepaart 
mit Mut und NRafchheit des Ent: 
ſchluſſes verlangt, vorzügliche Bor: 
bedingungen hat. Eine Beftätigung 


- ⏑ | — — — _ 


— — — run 


x. 1. Der Tuxnſport. 


Biefür fehen mir in der Tatjache, 
daß die extreme Hochtouriftil, der 
‘alpine Kletterfport, der eine Summe 
von Ausdauer, Mut und Kraft er- 
fordert wie nicht leicht ein anderer 
Sport in gleihem Maße, feine 
beſten Vertreter aus Turnerfreijen 
refrutiert, ja daß eine Anzahl von 
QTurnvereinen befondere „Berg: 
fteigerriegen“ gebildet haben, deren 
Zeiltungen zu den beiten auf hoch⸗ 
touriftiihem Gebiete zählen. 

Die in Deutſchland gebräud- 
lien Arten von turnerifchen Uebun⸗ 
gen lafjen fi in vier verfchiedene 
Gruppen teilen. 

575. Orbnungsübungen. Diele 
beftehben in der Vornahme gleichs 
mäßiger Aufftellungs» und Bewe⸗ 
gungsformen einer größeren Anzahl 
von Perfonen. Hiezu gehört vor 
allem da8 Aufftellen in verichiede- 
nen Formationen, dann dad Mar: 
ſchieren, das Uebergehen von einer 
Formation in die andere in der 
Aufftelung und im Marfche, end⸗ 
lich die fogenannten „Reigen“, da3 
find Zufammenftellungen von künſt⸗ 


lihen Formen der Aufitellung und. 


der Bewegung. 

Vom Gefichtspunfte des ſport⸗ 
lichen Turnens kann diejen Uebun⸗ 
gen eine Bedeutung nicht beigemefjen 
werden; in beſchränktem Maße find 
fie für die Zmede des Schulturneng 
verwendbar, injoferne, al3 fie den 
Sinn für foftematifche Unterord⸗ 
nung des Einzelnen unter eine 
größere Gejamtheit, das Verſtänd⸗ 
nis für Disziplin und Ordnung 
zu weden und auszubilden geeignet 


find. 

Freilich laffen ſich dieſe Ziele 
aud) auf anderen Wegen erreichen 
und wir könnten die Drbnungs: 
übungen ohne Schaden aus unferen 
Schulen verbannen. Biel zu fehr 
werden jie insbeſondere beim Mäd- 
chenturnen gepflegt, und es gebt 
faum fehl, wenn man annimmt, 


Nro. 575-576. 


daß fie dort als echte und rechte 
Lückenbüßer dienen: In altherge- 
brachter, aber ganz falfcher Aengſt⸗ 
lichkeit geht man bier nur ſchwer 
an Uebungen heran, welche größere 
Anforderungen an Kraft, Gewandt⸗ 
beit und ſchließlich auch an dem 
perſönlichen Mut jtellen; das zur 
Verfügung ftehbende Programm ift 
infolgedejjen nicht fehr groß und 
da bilden außer den Freiübungen 
aud die jo beliebten Ordnungs⸗ 
übungen ein recht angenehmes Hilfs⸗ 
mittel zur Ausfüllung ber Turn⸗ 
ſtunde. 

Naht dann das Jahresſchlußfeſt 
oder ſonſt eine hiezu geeignet er⸗ 
ſcheinende Feſtlichkeit, dann wird in 
der Mädchenturnſtunde eifrig an 
einem oder mehreren Reigen geübt, 
mit denen die Schule am feſtlichen 
Tage paradieren ſoll. 

Regelmäßig iſt von ſolchen Vor⸗ 
führungen ſowohl Lehrerſchaft als 
das geladene Publikum entzückt. Un⸗ 
beſtreitbar können auch derartige 
Uebungen, wenn ſie gut angeordnet 
und flott durchgeführt ſind, einen 
allerliebſten Anblick bieten, aus dem 
Turnprogramm aber mögen 
dieſe dekorativen Spaziergäege je 
eher deſto beſſer verſchwinden. 

576. Freiübungen. Eine weſent⸗ 
liche Rolle auf ſportlichem Gebiet 
kommt auch den Freiübungen nicht 
zu. Dagegen ſind ſie unentbehrlich 
als Grundlage für jeden Turn 
unterridht, indem fie durch eine 
gleihmäßige, ſyſtematiſche Ausbil: 
dung der Bewegungsfähigfeit aller 
Glieder des menschlichen Körpers 
ihn für die übrigen Arten von 
Turnübungen vorbereiten. Auch 
find fie durch die Gemeinſchaftlich⸗ 
feit ihrer Ausführung von erziehe- 
rifhem Wert. 

Dabei haben die Freiübungen 
den Borzug, daß zu ihrer Aus- 
führung feinerlei Geräte erforder: 
lih find, fowie ferner, daß Das 


Niro. 576. 5 


Fehlen jeglider Gefahr und die 
verhältnismäßig leichte Ausführbar- 
feit fie als vorzüglich geeignet für 
den körperlich noch Ungewandten 
erſcheinen laſſen. 

Die Freiübungen werden daher 
auch in unſerem Heer mit den jähr⸗ 
lich neu eintretenden jungen Mann⸗ 
ſchaften fleißig betrieben und ſie 
bewähren ſich vorzüglich als Mittel, 
den ungelenken Körpern die nötige 
Vollkommenheit in der Beherrſchung 
der einzelnen Glieder, die für alle 
militäriſchen Leiſtungen unerläßliche 
Strammheit, Energie und Ausdauer 
zu verleihen. 

Grundbedingung iſt hierbei ſtets 
eine peinlich korrekte Ausführung, 
denn nur bei ſolcher kommt der Wert 
dieſer Uebungen voll zur Geltung. 

In Verbindung mit Handgeräte⸗ 
insbefondere mit SHantelübungen 
find die Freiübungen auch vorzüg- 
lid für die Hausgymnaſtik 
geeignet. 

Es ift eine fehr bedauernswerte 
Tatſache, daß die Hausgymnaftif 
jo außerordentlich wenig gewürdigt 
wird, und es ift die um fo aufs 
fallender, als unfer Buchhandel 
eine reichlihe Menge von Werten 
über Hausgymnaſtik nah allen 
möglihen „Syſtemen“ auf den 
Markt bringt, modurd das Bubli- 
fum, wenn aud nur von den 
Scaufenftern der Bücherläden aus, 
immer wieder auf diefes wichtige 
Thema bingewiefen wird. Die 
Urſache diefer Vernachläſſigung des 
Bimmerturnens liegt darin, daß 
bier, im Gegenfag zum Turmen in 
Schulen oder Dereinen, jegliche 
äußere Anregung fehlt und Die 
Erledigung des vorgenommenen 
Penfums zu einer rein mechanifchen 
Tätigfeit herahſinkt. Das follte 
aber von einer, wenn auch nur 
mäßigen Vornahme täglicher Zim: 
merübungen nicht abſchrecken; es 
bedarf ja biezu nur eines ganz 


‚Dr. M. 


Ahlee. 


beſcheidenen tägliden Zeitaufwan: 
des, und die geringe Unbequemlich⸗ 
feit folcher furzer, wenn auch mono 
toner Uebungen wird reichlich aus: 
geglihen durch die Wohltat, welche 
dem Körper hiedurch erwiefen wird. 
Weſentlich ift hierbei aber vor 
allem, daß täglich geturnt wird 
und ‚wäre e3 auch nur wenig. Wer 
fih aber beifpielämweife die Mühe 
nimmt, jeden Morgen unmittelbar 
nad) dem Aufftehen nur 30—-50 
tiefe Kniebeugen mit gleichzeitigem 
Armftreden aufwärts, vormärts 
oder ſeitwärts, eventuell mit Han- 
teln, auszuführen, anfchließend etwa 
ein Dutend tiefe Rumpfbeugen 
vorwärts, und dann nod im Laufe 
des Tages gelegentlich einmal ein 
paar folde Uebungen vornimmt, 
wird ſchon nad) fürzefter Zeit be- 
merfen können, wie feine Muskeln 
dankbar fi zu ſpannen beginnen 
und die lange vermißte frühere 
Elaftizität feines Körpers ſich all- 
mählich wieder einftellt. 

Die gemeinſchaftliche Aus- 
führung der Freiübungen vollzieht 
ſich folgendermaßen: Die Turner 
treten in geordneter Formation an, 
welche vom Lehrer je nach der Art 
der beabſichtigten Uebung verſchieden 
gewählt ſein kann, regelmäßig aber 
die geöffnete Aufſtellung in meh⸗ 
teren Sliedern fein wird. 

Der einzelne nimmt bierbet 
„Srundftellung” ein, d. 5. er ftellt 
ſich mit gefchloffenen Füßen und 
gleichzeitig nad) auswärts gedrehten, 
zueinander einen Winfel von etwa 
90 Grad bildenden Fußfpiten in 
gerader Haltung auf, das Gewicht 
des Körpers durch leichtes Vor⸗ 
neigen etwas nach vorne verlegend, 
den Oberkörper aus den Hüften 
heraushebend; die Arme hängen in 
ungezwungener Haltung längs Des 
Leibes berab. 

Bon diefer Stellung aus werden 
die meiften Uebungen gemadit. 


+$ 


2 ai > 2 pm - nnd = 2 > Te 


— 
em. 


He 


zen 


5 1 





X. 1: Der Qurnfporf. 


Niro. 576. 


Daneben find noch möglich die Beine werden aus der Grund» 


Spreizitellung, bei welcher die beiden | jtellung vorgenommen ; 


Füße nach den beiden Seiten aus: 
einandergeftellt find, ſowie die 
Schrittſtellung, welche dur Bor: 
bezw. Zurüditellen eines Fußes 
eingenommen wird. 

Die Uebungen felbjt find jolche 
der Arme, der Beine, der Füße 
und des Rumpfes. 

Die Freiübungen der 
Arme beftehen in Streden der 
Arme nah aufwärts, abwärts, 
vorwärts, rückwärts und ſeitwärts, 


um dem 
Körper einen befjeren Halt zu 
geben, jtüßt man die beiden Hände 
in die Hüften (auf das Kommando 
„Hüften — — feſt!“. Die Uebungen 
find: Kniebeugen und :ftreden, wo— 
bei die Kniee gebeugt werden, jo 
dat der in feiner fenfredten Hal: 
tung bleibende Oberförper ſich nach 
abwärts jenft und die Ferſen fich 
vom Boden heben; das Streden, 
der zweite Teil dieſer Uebung, 
vollzieht ji) in der umgekehrten 





298. $reiübungen. 


Bewegungen, welche in furzen, 
energiijhen GStößen nad) ange: 
gebenem Tempo ausgeführt werden; 
ferner : feitliches Heben und Senken 
der Arme, ebenfall3 nach Zeiten, 
und endlich das Armrollen, wobei 
die geftredten Arme aus der Seit— 
bebhalte heraus kreiſende Beweg— 
ungen nad) vorwärts oder rückwärts 
beichreiben. Diejes Armrollen wird 
bejonders auf unjeren Kajernhöfen 
viel geübt, da es vorzüglich ge— 
eignet ijt, die Haltung des Rumpfes 
zu verbefjern, die Bruft zu mweiten 
und die Muskulatur der Schultern 


zu fräftigen. 


Die Freiübungen der 





MWeife. Ferner: dag Beinheben 
und -ſenken nad) vormwärts, jeit: 
wärt3 und rüdmwärts; das Bein- 
fpreizen, bejtehend in der gleichen 
Bewegung wie das Beinheben, je= 
doh in fchnellerer Ausführung 
und unter fofortigem Zurüdgehen 
in die Grundftellung; das Knie: 
heben aufwärts und das Bein 
ftreden nad) vorwärts oder rüd- 
wärts als Ergänzung zu dieſer 


Uebung. 
Die Freiübungen der 
Füße: Fußrollen, eine kreis— 


fürmige Bewegung der Fußipigen 
nad) rechts oder links bei aufwärts 
gehobenem Knie und mwagredtem 


‚Neo. 577—578. 


——— das Ferſenheben und 
⸗ſenken 

Die Sreiübungen des 
Rumpfes: Beugen des Rumpfes 
nad) vorwärts, ſeitwärts und rück⸗ 
wärts und das Rumpfdrehen nad) 
rechts und links ſeitwärts. 

577. Handgeräteübungen. Die 
bei ung gebräudlichiten Handgeräte, 
auch bewegliche Geräte genannt, 
find: Hanteln, Stäbe und Keulen. 

Die Hantel, aus Eijen ber: 
geftellt, befteht aus zwei Kugeln, 
welde durch ein zylindriſches, 
mandmal etwas gebogenes Eifen: 
ſtück feſt miteinander verbunden 
find. Ihr Gewicht ift verſchieden, 
je nachdem ihre Handhabung mehr 
oder weniger Muskelanſtrengung 
erfordern ſoll, doch ſoll das Gewicht 
der einzelnen Hantel 2—2"/, kg 
nicht überfchreiten. 

Die Mebungen mit SHanteln 
fünnen ald Ergänzung zu den reis 
übungen der Arme bezeichnet wer: 
den, injoferne nämlich, als fich alle 
Uebungen der Arme auch unter 
Hinzunahme der Hanteln ausführen 
lafien, wobei jedoch dieſe letztere 
Uebungsart den Vorzug einer er: 
böhten Anregung der Musfeltätig- 
keit beſitzt. 

Der Stab, ebenfalls aus Eiſen 
(Holzftäbe werden faſt nur in 
Schulen verwendet), ift 1 m lang 
und etwa 1'/, cm did. 

Die weſentlichen Uebungen find: 
Stabftreden, -beben und :jchwingen 
nad) vorwärts, aufwärts und feit- 
wärts, Ausfall nad) vorwärts und 
ſeitwärts mit Borftreden des Stabes. 
Die Möglichkeit, ftet3 neue Uebungs⸗ 
formen zu finden, insbejondere 
dur Kombination mit Freiübungen, 
it bier faft unbegrenjt. 

Die Keule ift ein aus Holz 
bergeftelltes, etwa 60 cm langes 
und 1'/,—2 kg ſchweres Gerät in 
der Form einer langgeſtreckten 


Flaſche. 


Dr. M. 


hles. 


Die Uebungen beſtehen darin, 
daß eine oder gleichzeitig zwei 
Keulen an dem dünnen Ende ge- 
faßt und entweder aus dem Hand⸗ 
gelen? oder mit dem. die Bewegung 
mitmachenden geftredten Arm in 
freifende Bewegung gefett werden. 
(Handkreifen, Armkreiſen) Durd 
die gleichzeitige Ausführung ver: 
fhiedenartiger Bewegungen mit der 
rechten und der linten Keule ent: 
jteben die „Wechſelſchwünge“, welche 
eine große Mannigfaltigkeit von 
Kombinationen gejtatten. 

578. Uebungen am feiten Ge- 
rät. Das Red. Das Ned ift 
eine Stange aus Holz oder Eifen, 
welche zwifchen zwei Säulen oder 
fonftigen Auflagevorrihtungen wag⸗ 
recht befeftigt ift. 

Die vom Turnausfhuß der deut⸗ 
[hen Turnerſchaft erlaffenen Be⸗ 
ftimmungen über die Richtmaße 
für die MWetturngeräte bei den 
deutfchen Turnfeften treffen für die 
Beichaffenheit dieſes Gerätes im 
Einzelnen folgende Anordnungen: 

Es follen nur Stahlftangen oder 
Holzftangen mit Stahllern zur Ber: 
wendung fommen. “Die jtählerne 
Stange fol im Lichten 220— 230 cm, 
die Holzftange mit Stahlfern 200 
bis 220 cm lang fein. Die Dide 
fol bei Stahljtangen 30—382 mm, 
bei Holzſtangen mit Stahllern 32 
bi3 33 mm betragen. Die Reck⸗ 
ftange muß in ihren Trägern ver: 
ftelbar fein, und zwar foll die 
größte Höhe 250 cm, die niedrigfte 
80 cm betragen. Der Abjtand 
zweier aufeinanderfolgender Ned: 
jtangenhöhen ſoll höchſtens 10 cm 
betragen. 

Am niedrigen Reck werden 
Uebungen aus dem Stand und aus 
dem Stüß vorgenommen. 

Aus dem Stand erfolgen die 
verfchiedenen Sprünge in den Stütz 
und in den Sig auf der Stange; 
ferner die Sprünge über die 


| 


1 


X. 1, Der Aurnfport. 


Stange (aud) mit Anlauf): Flanke, 
Mende, Kebre. 

Den Ausgang für die Hebungen 
am hohen Red bildet der Hang. 
Man nimmt ihn entweder mit Auf- 
griff (Riftgriff), wenn beide Hände 
auf der Stange liegen, jo daß bie 
beiden Handrüden dem Geficht des 
Turnenden zugefehrt find, oder mit 
Untergriff (Kammgriff), wobei die 
Stange von unten gefaßt wird, dem 
Geficht des Turners alfo die Innen« 
feiten der Hände zugemwendet find, 
oder endlih auch mit Zwiegriff, 
bei weldem die eine Hand Auf:, 
die andere Untergriff hat. 

Am Stredhang werden verjdie- 
dene einfachere Uebungen vorge- 
nommen, welde jedoch der jelb- 
ftändigen Bedeutung mehr ober 
minder entbehren und vielmehr ala 
Vorftufen für andere fchmerere 
Uebungen in Betradht fommen, fo 
das Schwingen, Hangeln nach rechts 
und linfs, Beinheben und -fpreizen, 
Klimmziehen, Anziehen der Beine 
an die Stange zum „Sturzhang“, 
Ueberheben eines Beines über die 
Stange zum „Seitliegehang” und 
zum „Kniehang”. 


Hieran jchließen ſich die verfchie- 


denen Arten des Uebergangs vom | fi 


Hang zum Stüß: 

Der Felgaufſchwung wird 
aus dem Stand unter dem reid)- 
hoben oder aus dem Hang am 
boben Red ausgeführt, indem unter 
Anbeben des Körpers an die Stange 
dur Beugen der Arme die Beine 
in rafhem Schwunge nad) vorne 
und aufwärt® an die Stange ge: 
bradt und fodann über diefelbe ge: 
ſchoben werden, bis fich der gleich» 
zeitig um feine Querachſe gedrehte 
Körper an diejer in Streckſtütz be- 
findet. 

Beim Felgaufzug vollieht 
fih der Ueberaang in den Stüß 
auf die gleiche Weife, nur mit dem 


Neo. 578, 


langfam dur „Anriften“ an die 
Stange gehoben werden. 

Beim Knieaufſchwung wird 
aus dem Kniehang an einem Knie 
nach mehrmaligem Anſchwingen das 
berabhängende geftredte Bein kräf⸗ 
tig nad) unten und rückwärts ge= 
ſchwungen und duch den hiedurch 
erzielten Schwung der Körper in 
den Stüß emporgehboben. 

Der Felgaufzug rüdlings 
vollzieht fih in der Weiſe, daß 
zunädft die Füße durch Anriften 
an die Stange gebradt, dann 
zwiihen den Armen unter ber 
Stange durchgeſchoben und Bierauf 
die Beine nad) oben geſtreckt werden. 
Nun wird der Körper durch Beugen 
der Arne emporgezogen, dabei das 
Kreuz ſtark durchgedrüdt, bis Durch 
Verlegung des Schwerpunftes nad) 
oben und vorne der Überförper 
emporgehoben wird, jo daß er ſich 
im Stütz rüdling3 befindet. 

DieKippe. Nach mehrmaligem, 
fräftigem Schwunge mit möglichſt 
geſtrecktem Körper werden am Ende 
des legten Vorſchwunges die Füße 
raſch angeriftet, worauf im folgenden 
Rückſchwung die Füße ji von der 
Stange abjtoßen und der Körper 
id nah rückwärts zum Stütz 


emporjchwingt. 
Aus dem Stüt werden verſchie⸗ 
dene Umſchwünge oder Wellen 


ausgeführt: Der Felgumſchwung 
rückwärts erfolgt, indem man im 
Stüt mehrere Male mit den Beinen 
vor⸗ und rückwärts ſchwingt und 
ſodann unter leichtem Abheben des 
Körpers von der Stange ſich nach 
rückwärts um dieſelbe herum wieder 
zum Stütz zurück ſchwingt. 

In entſprechender Weiſe vollzieht 
ſich die Kniewelle rückwärts 
aus dem Seitſitz (Stütz mit einem 
Knie über der Stange zwiſchen den 
beiden Händen), ſowie die Sitz⸗ 
welle rüdwärts aus dem Sitz 


Unterfhied, daß Hier die Beine |auf der Stange. 


Nro. 578. 


Weitere Wellen find : Die Arm: 
welle oder Speiche, bei welcher 
der Körper in den nad) rückwärts 
gebeugten Ellbogengelenfen vorlings 
an der Stange hängt, die Kreuz: 
welle, bei welcher bei ebenfalls 


Dr. M. Ahles. 


auf ſchwere und fchwerfte Uebungen, 
muß den Spezialwerfen überlafjen 
bleiben, von denen ich bejonders 
auf Karl Müller, „Der Bors 
turner“, verweilen möchte. 


Der Barren: Der Barren be: 





299. Die Waage am Red, 


vorlingd hängendem Körper die ſteht aus zwei auf Ständern mwag- 


Stange im Kreuz des Turnenden 
liegen muß, und der Riejen- 


ſchwung oder die Weber: 
ſchlagswelle, welde darin be- 
fteht, daß der mit gejtredten 


Armen an der Stange geitrect 
hängende Körper fich nach vorwärts 
oder rüdmwärts um die Stange 
ſchwingt. 

Dies die hauptſächlichſten Ueb— 
ungen am Reck. Ein genaueres 
Eingehen auf Details, insbeſondere 


recht in gleicher Höhe und parallel 
zueinander ruhenden Stangen 
(Holmen) aus Holz oder Eiſen von 
ovalem oder kreisrundem Quer— 
ſchnitt. 

Für die Wetturnen der deutſchen 
Turnerſchaft ſind eiſerne Barren 
vorgeſchrieben. Die Barrenholme 
ſollen 280—300 cm lang, die 
„Meberjtände”, das jind die über 
die Träger hinausragenden Teile der 
Stange, nicht über 40 cm lang fein, 


X, 1. Der Qurnfport. 


Die Stärke der ovalen Holme 
fol lotrecht 52—55 mm, wagrecht 
43—46 mm beitragen; die kreis⸗ 
runden Holme follen eine Dide 
von 45—48 mm baben. 

Die Weite des Barrens, d. i. die 
Entfernung der Holme voneinander, 
beträgt 42—48 cm. Die Höhe ift 
je nach Art der beabfichtigten Hebung 
verihieden zu nehmen. Zum Wett- 
turnen werden deshalb verjtellbare 
Barren mit einem Spielraum von 
120—170 cm Höhe verwendet. 

Die weitaus meiſten Uebungen 
am Barren beginnen mit dem Stütz 
in ſeinen verſchiedenen Arten: 
Streckſtütz — der Körper befindet 
ſich zwiſchen den beiden Holmen, 
getragen von den Armen, welche 
ſich ſenkrecht auf die Holme ſtützen, 
der Kopf iſt frei aus den Schultern 
herausgehoben, das Kreuz hohl, 
die Beine geſtreckt und geſchloſſen 
mit abwärts gedrückten Fußſpitzen 
nach rückwärts gerichtet. Außen⸗ 
feitftüg — der Körper iſt außer: 
Bulb des Barrens gegen diefen zu: 
gewendet in Stütz an dem einen 
Holm, an welchem die Oberfchentel 
anliegen. Liegeftüg — aus dem 
Streditüg gemonnen durch Zurüd: 
fhwingen der Beine und Auflegen 
auf die beiden Holme. Knickſtütz 
— Stellung wie beim Stredftüß, 
jedoh die Arme feitlih und rüds 
wärts gebeugt. Unterarmſtütz — 
die Arme find im rechten Wintel 
gebeugt, die Unterarme ruhen auf 
den beiden Holmen. 

Aus dem Streditüg kann durch 
Bor: oder Rüdichwingen und Ueber⸗ 
fpreizen eines Beine3 über einen 
Holm Keitfig vor oder Hinter der 
Hand, durh Grätſchen der Beine 
über die beiden Holme der Grätſch⸗ 
fig eingenommen werden. 

Aus den verfchiedenen Sikarten, 
verbunden mit Schwingen im Streck⸗ 
ftüg, fowie mit verſchiedenen Ab⸗ 
fprüngen laſſen ſich eine große 


Nro. 578. 


Anzahl von Mebungen Tombinies 
ren. | 

Ein Gegenftüd zum Klimmzug 
am Ned bildet Bier der Mebergang 
von Kniditüg zum Stredftüß und 
zurüd. Diefes Stützwechſeln kann 
auh mit Schwingen verbunden 
werden. 

Bon fchwereren Uebungen find 
hervorzuheben: Die Zugftemme aus 
dem Duerhang am Barrenende zum 
Streditüs, Handftand (ebenfalls auf 
beiden Holmen ausgeführt), Die 
Kippe, bei mwelder der Körper an 
den leicht gefrümmt auf die Holme 
aufgelegten Armen bängend durch 
Schwingen der Beine nach vorne 
und oben und fodann Fräftiges 
Borfchlagen derſelben in.den Stred: 
ftüß gebracht wird, die Rolle vor- 
wärts oder rüdmwärts, wobei der 
Körper aus den Oberarmhang durd) 
Ueberfchlagen nad) vorwärts bezw. 
rückwärts fih um feine Querachſe 
dreht. 

Das Pferd: Ein auf vier ſtark 
feitwärt3 und auswärts gefpreizten 
(durh Ausziehvorrichtung verftell- 
baren) Ständern wagrecht ruhender 
länglicher Holztern, oben und an 
den Seiten von feiter Polfterung 
umgeben. und mit ftarfem Leder 
überzug verfehen, der vorne über 
die Ständer vorftehende Teil (Hals) 
etwas fchmäler auslaufend als der 
rüdwärtige Teil (Kreuz, Kruppe); 
auf dem Rüden laſſen fich, quer 
zur Längsachſe, zwei mit Xeber 
überzogene Bügel (Paufchen) an: 
bringen. 

Die Borfchriften der deutjchen 
Turnerſchaft ftellen folgende Normen 
auf: Die geeignetfte Länge des 
Pferdes ift eine folhe von 190 cm. 
Der Rumpf fol 40 cm did und 
ebenfo breit fein, die Höhe des 
Pferderüdens über dem Boden foll 
mindeftend 110 cm und hödjtens 
170 cm betragen, die Entfernung 
der Baufchen voneinander fol 44 


Neo. 578. 


gleich hoch fein. 


Das Pferd wird ſowohl in der 
Längs- als auch in der Breitjtellung 


Dr. M. Ahle. 


bi3 45 cm fein. Die Pauſchen 
find 11—12 cm body, 31— 33 mm 
die; Hals, Sattel und Kreuz jollen 


‚Schraube ausgeführt, indem unter 
gleichzeitigem Loslaſſen der einen 
Hand der Körper ſich auf der an: 
deren ein halbes Mal (zum Seitfit) 
oder dreiviertel Mal (zum Reitſitz) 
um feine Längsachſe dreht. 





300. Uebungen am Pferd, 


verwendet. Am langgeitellten Pferd 
werden durch Auffpringen von rüd- 
wärt3 die verjchiedenen Sitze ge: 
monnen: Reitjig im Sattel, auf 
dem Kreuz oder auf dem Hals, 
Querſitz auf einer der beiden Seiten. 
Aus dem Reitjit erfolgt die Schere, 
indem man den vorne auf die 
Arme geftügten Körper rüdmwärts 
herausfchwingt, die Beine fodann 
in der Luft Freuzt, jo daß man mit 
einer halben Drehung um die Längs— 
achſe wieder in den Sig kommt. 
Ebenfall3 aus dem Reitſitz erfolgt 
die Kehre, welche darin befteht, daß 
der mittels der Arme auf die vordere 
Pauſche geftüste Körper wie bei der 
Schere nad) rückwärts emporgehoben 
wird, worauf er durch einen Kehr: 
ſchwung in der Luft zum Sig un: 
mittelbar vor der erjten Sißitelle 
und zwar mit entgegengefeßter Front 
gelangt. 


Mit feitlich nefteltem Sprung- 
brett wird die Kehre, Flanfe und 
Wende über das Pferd ausgeführt, 
eventuell mit furzem Anlauf. 

Mittels Fräftigen Anlaufs erfolgt 
der Längsſprung (die Längsgrätiche) 
über das Pferd, indem aus dem 
Abſprung der Körper möglichſt wag⸗ 
recht mit geſtreckten und geſchloſſenen 
Füßen über das Pferd geworfen 
wird, wobei die Arme weit vorn, 
auf dem Hals, Stütz nehmen; im 
gleichen Moment werden die Beine 
in der Luft gegrätſcht und es er- 
folgt der Abfprung nad) vorne. 

Am breitgeftellten Pferd wird 
eine Anzahl von Sprüngen über 
dasjelbe geübt: Die Hode, indem 
die beiden Baufchen gefaßt und ſo⸗ 
dann die Beine durch Anreißen 
gegen die Brujt zwifhen den 
Vauſchen durch auf die andere 
Seite des Pferdes zum Stütz rüd: 


Aus dem Geitftüg wird Die | lings oder zum Stand gefhwungen 


ae 


ss SE x: 


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X, 1. Der Turnſyvrk. 


werden, die Grätjche, bei welcher 
ich die weit gefpreizten Beine rechts 
und links der im Moment des 
Weberfprunges loslaſſenden Hände 


über das Pferd jchwingen, der 


Wolfiprung, bei welchem ein Bein 
durchhockt, das andere fpreizt, end⸗ 
lich der Freifprung über das Pferd. 
Der Bod, ähnlich dem Pferd, 
jedoch bedeutend kürzer und ohne 
Meberftände ſowie Pauſchen, findet 
Berwendung zu den gleichen Nebun- 
gen wie das Pferd, ſoweit ſie nicht 
durch die fürzere Geftalt des Ge—⸗ 
rätes von ſelbſt ausgeſchloſſen find. 
Skhaufelringe und Trapez, 
eriteres zwei mit Leder überzogene 
Eijenringe, letzteres eine Art ver: 
fürzter Redftange, beide an zwei 
bängenden Seilen befeftigt, dienen 
zu Schwung⸗, Schaufel- und Stüt- 
übungen, das Trapez außerdem zu 
einer Reihe von Hebungen, wie fie 
am Red ausgeführt werden. 
Kletterftangen und Kletter- 
tau. Das Stangenflettern erfolgt 
entweder an einer oder an zwei 
Stangen: erfterenfall3 nimmt man 
an der mit beiden Händen hoch—⸗ 
gefaßten Stange Langhang, legt 
einen Unterjchenfel von vorne, den 
anderen von rüdmwärts an Die 
Stange an und zieht mittels 
Klimmzuges den Körper nad) oben; 
dann prefjen ſich die beiden Unter; 
ſchenkel fejt gegen die Stange, jo 
daß fie dem Körper hinreichenden 
Halt gewähren, bis die Hände raſch 
übereinander, nad aufwärts grei⸗ 
fend, die Stange weiter oben ge- 
faßt haben, worauf abermals Klimm⸗ 
zug erfolgt und der gleiche Vorgang 
fortgejegt wird, bi3 die Stange er: 
flettert ift. Beim Klettern an zwei 
nabe nebeneinander ftehenden Stan- 
gen faßt jede Hand eine Stange, 
die beiden Unterſchenkel drüden ich 
von innen an je eine Stange an 
und nun erfolgt das Klettern in 
gleicher Weije wie eben bejchrieben. 


Nro. 578. 


Das Klettern am Tau (Dide 
3,5 cm) fann in gleicher Weife 
und mit gleidem Kletterſchluß er» 
folgen wie an der einfachen Stange; 
man kann aber aud), ftatt die Arme 
zum Klimmzug zu beugen, die Beine 
zu bodender Stellung nad) oben 
ziehen und aus dem jodann feſtge⸗ 
faßten Kletterfhluß unter Empor- 
greifen der Hände den Körper in 
die Höhe fchieben. Statt des ge- 
mwöhnlichen Kletterjäälufjes kann auch 
der fogen. „Matrojenihluß” ge 
nommen werden, bei welchem ji) 
die Füße nicht voreinander, fondern 
nebeneinander befinden und das 
Tau von ihnen in der Weife ge: 
faßt wird, daß es ftatt zwiſchen den 
Unterſchenkeln zu laufen, von außen 
unter der Sohle des einen Fußes 
durch und über den Rift des andern 
Fußes binmweggeführt wird, fo daß 
alfo der auf das Tau tretende Fuß 
in demfelben wie in einer halben 
Schlinge fteht. 

Zu den Wetturnübungen gehört 
das Schnellhangeln an einem 9 m 
langen Tau. Dieſes Hangeln be: 
fteht darin, daß der ohne Kletters 
ſchluß gejtredt am Tau hängende 
Körper durch fortgefegtes Webers 
einandergreifen der Hände und An- 
ziehen der Arme nad) oben gezogen 
wird. 

Die Leiter unterfcheidet fich 
von dem bekannten, gleichnamigen 
Gebrauchsgegenſtand nur dadurch, 
daß der Querſchnitt der Holme 
nicht rund iſt, ſondern die Form 
eines an den beiden Schmalſeiten 
abgerundeten langen und ſchmalen 
Rechteckes hat; die Holme laufen 
parallel zueinander. Die Leiter 
wird unter geeigneter Befeſtigung 
an der Wand der Turnhalle oder 
an einem Gerüſt ſenkrecht oder 
ſchräg, durch Auflegen der beiden 
Enden auf entſprechende Träger 
auch wagrecht verwendet. 

An der ſenkrechten an 


wer A 9 a Ei 
en, 








Nro. 579, 


Leiter erfolgt das Hinauf- und 
Hinabfteigen, das Hangeln an 
Sprofjen oder Holmen, an der wag— 
rechten Leiter übt man die verjchie- 
denen Arten des Hangelnd (vor: 
wärt3, feitwärts, an Sproffen und 
Holmen :c.), ferner einzelne Uebun— 
gen, wie jie auch am Red ausge— 
führt werden. 

Der Schwebebaum, ein 7 
bi3 8 m langer, 15—20 cm jtarfer 
Balken, welcher wagrecht auf zwei 
Auflagevorrichtungen etwa '/, m 
über dem Boden ruht, dient zu 
Gleihgewichtsübungen, indem man 
fih auf ihm in Schritt, Laufſchritt, 
oder auch in Sprungfchritt bewegt, 
Wendungen, Fußjpreizen und 
⸗chwingen und eine Reihe anderer 
Freiübungen vornimmt. 

Weitere Gruppen von Uebun— 
gen des deutjchen Turnens ſind: 

Springen (Hoch- und Weitjprung, 
Stabjprung, Dreifprung), Werfen 
(Stein: und Gewichtſtoßen, Kugel: 
ftoßen, Kugelſchocken, Schleuderball, 
fleiner Ball, Ger: und Speermwer: 
fen), Stemmen und Heben, Ringen, 
Fechten, 

Dieje Zweige de Turnjportes 
erfahren jedoch in folgenden Ab: 
Ihnitten eine gejonderte Behand: 
lung, fo daß an diefer Stelle 
ihre Beſprechung unter: 
bleiben kann. 

579. Schwedifhe Gym⸗ 
naftil. Dem vorjtehend ge: 








— ⸗— — 


301. Uebung am Ribbſtol. Aus 
Törngren, Lehrbuch d. ſchwed. Gymnaſtik. 


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Dr. M. Ahles. — on 


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ſchilderten deutſchen Turnen wird 
Häufig die fog. „Ihmebiige Gym 
naſtik“ vergleihend gegenüberge- 
ftellt, und es fehlt nit an Stim- 
men, welche diefer legteren Turnart 
glauben den Borzug geben zu müſſen. 

Das Turnfyftem der ſchwediſchen 
Gymnaftif wurde zu Anfang Des 
19. Jahrh. von Per Hendrif Ling 
fonftruiert. Es geht von rein wifjen- 
ihaftlihden Prinzipien aus, 
wird bei Anordnung feiner Nebungs⸗ 
gruppen ausjchließlich von Erwägun: 
gen des Anatomen. geleitet. 


—2 
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302. Hebung an der £eiter, 
Törngren, Lehrbuch d. ſchwed. Symnaftil. 


Aus 


Hierin liegt, was den Turnbetrieb 
als ſolchen anlangt, der weſent— 
lichſte Unterſchied zwiſchen dem 
deutſchen und dem ſchwediſchen 
Turnen. Während die Ziele des 
deutſchen Turnens nicht nur die 
körperliche, ſondern auch die ſitt— 
liche Kräftigung des Einzelnen, 
gleichzeitig auch die Pflege vater- 
ländifcher Gefinnung find, richtet 
das ſchwediſche Syſtem fein ee 


merf nur auf die körperliche 

gung. 4 
Nun ift dies ja allerdings der 

wichtigfte Zweck einer jeden turne⸗ 


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X. 1. Der Curnſpork. 


riſchen Beftrebung, allein es ift 
doch fehr fraglich, ob nicht die eben 
erwähnten meiteren Ziele unjere3 
Turnens jo erjtrebenämert find, 
daß man fie nicht ohne Not aus 
dem Programm des Turnſportes 
ausfchließen fol, und weiter noch, 
ob nicht gerade durch die Aus 
ſchließung jener Momente gleich⸗ 
zeitig auch das belebende Element 
der Turnfreudigfeit gar ſehr beein» 
trächtigt wird, welches als werben: 
der Ds für die Turnſache von 
gewiß nicht geringer Bedeutung ift. 
Die Uebungen jelbft find eben- 
falls von den unferigen jehr ver: 
ſchieden. Weniger tritt Diefer Unter- 
ſchied vielleiht hervor bei den 
Marſch⸗, reis und Laufübungen, 
weldhe mit unferen Freiübungen 
viel gemein haben, dagegen find 
die zur Verwendung gelangenden 
Geräte und auch die Art ihrer Be: 
nüßung etwas für uns volljtändig 
Fremdartiges. 
.. Red, Barren, Pferd, Schaufel» 
ringe, Trapez, Hantel, Eifenftäbe, 
Keulen fcheiden vollftändig aus. 
Gemeinſchaftlich ift den beiden Sy⸗ 
ftemen nur der Duerbaum. Da⸗ 





303. Die £angbanf. Aus Törngren, 
zehrbuch d. fchwed. Gymnaſtit. 


neben werden bei dem fchwedifchen 
Syftem noch verwendet: Latten- 
wand („Ribbftol”), Gitterleiter und 
Langbank (für Hang, Spann= und 
Beugeübungen), Leiter und das 
bängende Geil. (für Hang- und 
Kletterübungen.. | 


Nro. 580. 


Ein jportliches Turnen, d.h. ein 
Turnen unter Anjtrebung von Beit- 
leiftungen unter Einfegung von 
perjönlidem Mut und mit dem 
Anſporn des Ehrgeizes ſchließt Diefes 
Syſtem von ſelbſt aus. 

580. Frauenturnen. Die Zu⸗ 
laſſung der Frauen zu unſeren 
Turnanftalten datiert erft aus jünge- 
rer Beit. 

Seit Mitte der 90er Jahre des 
vorigen Jahrhunderts aber hat das 
Srauenturnen einen bedeutenden 
Aufſchwung genommen, und allent- 
halben haben fich Frauenabteilungen 
im Anjchluß an die beftehenden Turn: 
vereine, daneben auch felbjtändige 
Frauen⸗Turnvereine gebildet. 

Diefe Bewegung ift freudigft zu 
begrüßen. 

Iſt doch leider nur zuviel wahr 
daran, wenn Baul Shulte-Naum- 
burg in jeiner Schrift „Die Kultur 
des Frauenkörpers ald Grundlage 
der Frauenkleidung“ jagt: 

„Iſt e8 nicht ein befchämender 
Zuftand, daß unfere Frauen in den 
beiten Sahren ſchon jo bemegung3- 
los, jo hilflos geworden find, daß 
ihnen jede gejchmeidige und fraft- 
volle Beherrihung ihres Körpers 
verloren gegangen ift, daß Damen 
von 40 oder 50 Jahren wie Fracht⸗ 
folti in die Straßenbahn verladen 
werden, und ſich in jeder Lage, 


|die die Verwendung der Glieder 


zu ihrem Zwecke erfordert, nicht 
zu raten wiſſen?“ . 

Freilich find wir noch weit, fehr 
weit von dem idealen Ziel entfernt, 
daß die Frauen ſich in gleichem 
Maße wie die Männer turnerifc) 
betätigen möchten, aber es find doch 
wenigjteng die Grundlagen für eine 
jolde Beteiligung gefchaffen, und 
die ftete Zunahme unferer Frauen: 
turnabteilungen zeigt, wie unjere 
Frauen mehr und mehr einjehen, 
daß e8 ihr eigenftes Intereſſe ihnen 


gebietet, ſich durch körperliche Ueb⸗ 


Nro. 581. 


u.igen diejenige Kraft und Wider: 
jtandsfähigfeit zu verfchaffen, die 
nit nur den beften Schuß gegen 
Erkrankungen und gegen die Be: 
fhwerden eines zu frühen Alters 





nehmften Berufe befähigt, 
nämlih, Mütter eines Fraftvollen, 





3.1. Achrveker. 


darftellt, ſondern die fie vor allem 


auch ganz bejonders zu ihrem vor- 
dazu 


gefunden Volkes zu werden. 


2. Atbletik. 
Von 


f. W. Schroeter, München. 


581. Gefchichtliches. Mit dem 
Worte Athletit (vom griechiſchen 
«@3Aos, d. i. Wettlampf) bezeichnet 
man eine Reihe fehr vieljeitiger 
und zu einem Syitem vereinigter 
Uebungen, die fich in ihren Grund⸗ 
zügen auf die primitivften Kampfes- 
und körperlichen Arbeit3methoden 
des Urmenfchen zurüdführen laſſen, 
in ihrer heutigen fportSmäßigen 
Ausbildung aber durchweg das Ziel 
verfolgen, dem menſchlichen Körper 
ohne fomplizierte mechaniſche Hilfs⸗ 
mittel, Geräte ꝛc., allein durch beharr- 
liches und konſequentes Training 
die höchſten phyſiſchen Leiftungen 
abzugewinnen, deren er fähig ift. 
Die dabei zu erftrebende Durch— 
bildung des Körpers fol nad) jeder 
Richtung harmonifch erfolgen; fie 
darf fein Organ bevorzugen oder 
vernachläſſigen auf Koften oder zu- 
gunſten eine andern. Alfo nicht 
ein einfeitiges Abrichten zu einer 
beſtimmten Yeiltung, fondern eine 
allgemeine Veredelung des gefamten 
Organismus fol tet? das Ziel 
fein. Bom Standpunkte der Ent: 
mwidlungsgejchihte muß man die 
athletiichen Uebungen für die natür⸗ 
lichſte, unverfälſchteſte fportliche 
Betätigung des Menſchen anſehen, 
denn ſie haben ſich Zug um Zug 


4 


aus den Bewegungen herausgebildet, 
die die älteften Generationen des 
Menſchengeſchlechts im fchmweren 
Kampfe ums Dafein tagtäglich 
verrichteten. Ger, Schleuder, Keule, 
Hammer und andere Geräte des 
modernen Athleten waren einft 
Waffen, geführt gegen wehrhafte 
Feinde und die Tiere des Waldes. 
Hatten fie verfagt, jo begann der 
natürlich” wilde und regelloje Ring- 
und Fauftlanıpf, oder Flut und 
Verfolgung ftelten die böchften 
Anforderungen an die Muskulatur 
der unteren Gliedmaßen. 

Mit den Fortjchritten der Technif 
nahm das Beitreben der Menſchen 
zu, durch die Vervolllommnung der 
mechaniſchen Hilfsmittel die an Den 
Körper zu ftelenden Anforderungen 
herabzufegen und fo, zunächſt uns 
bewußt, naturmwidrig zu beeinfluffen. 
Wirffame Waffen und andere, 
ſchneller zum ernften Ziele führende 
Kampfesweijen wurden erdacht, und 
was man einft zur Erhaltung von 
Leib und Leben übte, erhielt Selbft- 
zwed, wurde zum friedlichen, ritters 
lichen Regeln unterworfenen Wetts 
fampfjpiel um den Delzweig. 

In einem Syitem von bewunde⸗ 
rungswürdiger Logik und unge- 
fünjtelter Einfachheit umfaßte das 


X. 2. Athlekik. 


/ 
griechiſche Pentathlon, der klaſſiſche 
Fünfkampf, alle die Uebungen, 
denen die Helden von Olympia, 
der Sfthmifchen, Pythiſchen, Ne⸗ 
meifhen Spiele und der Pana- 
thenäen den Formenadel verdanlten, 
der fie für ewige Zeiten zu Ideal⸗ 
bildern des Menſchengeſchlechts er⸗ 
bob. Lauf und Sprung al? die 
natürlichiten Betätigungen der un— 
teren Körperhälfte ohne Vernach— 
läffigung der oberen, Speer- und 
Diskoswurf gemiffermaßen als die 
Sprungübungen für den Oberkörper 
ohne Vernachläſſigung der unteren 
Hälfte, der Ringkampf endlich, 
Bruft an Bruft mit dem Gegner, 
al3 die Krone des Ganzen — ein 
prachtvolles Spiel des gefamten 
Hebel- und Mustelapparates des 
menſchlichen Körpers. Bemerkens⸗ 
wert iſt, daß ſchon die Alten die 
kurzen, ſchnellenden Bewegungen 
des Sprunges und des Wurfes, 
verbunden mit einer äußerſten 
geiſtigen Konzentration auf ein 
ganz beſtimmtes Ziel, als die er- 
zieheriſch wertvollſten erkannt hatten, 
nicht etwa das Bewältigen beſon⸗ 
ders großer Gewichte oder eine 
ſtumpfſinnige Rekordhetze. Schon 
das kennzeichnet die vorwiegend 
äſthetiſche Tendenz ihrer Gym: 
naſtik, die nicht rieſenhafte, ſondern 
ſchöne, d. h. harmoniſch ausge⸗ 
glichene Körper heranziehen wollte. 

Der berühmte Ringkampf zwiſchen 
Ajax und Odyſſeus im 23. Geſange 
der Ilias mag für moderne Be— 
griffe wenig fommentmäßig ver⸗ 
laufen fein, jeine Schilderung be⸗ 
weift, daß zu Homer Zeit der 
Ringlampf als fportlide Uebung 
befannt war, und es ift ficher, daß 
auh die andern Webungen des 
Pentathlons gleichzeitig ſchon im 
Wettſpiel betrieben wurden. Achill 
veranstaltete regelrechte Kampfſpiele 
zu Ehren des toten Patroflod. Die 


Heldenfagen der Griechen’ find voll 


Nro. 581. 


von begeifterten Berichten, die von 
gewaltigen athletifhen Leiftungen 
der befungenen Heroen, Götter und 
Halbgötter erzählen. Und mag aud) 
mander diejer alten „Rekorde“ 
wenig glaubhaft erfcheinen, mir 
dürfen fie nicht beurteilen nad 
der phyſiſchen Leiftungsfähigkeit 
oder =unfähigfeit ded modernen 
Kulturmenſchen. Es ift nur natür⸗ 
lich, daß jene frühen Generationen, 
von Geburt an anders veranlagt als 
die heutigen und ftändig trainiert, 
Leiftungen vollbringen konnten, die 
unferm Geſchlechte märchenhaft er: 
feinen müfjen. Dann ift die für 
und in ihrer ganzen tiefgehenden 
und umfafjenden Bedeutung kaum 
noch verftändlihe Rolle, die die 
Gymnaftit im Kulturleben des 
hellenifchen Volkes fpielte, nicht zu 
vergeflen. Die ſchon erwähnten 
nationalen Agonen (Wettlampf- 
jpiele) haben in der Geſchichte der 
Menfchheit nicht ihresgleihen. Es 
waren Danffefte zu Chren der 
Götter; Götterbilder ftanden auf 
allen Stadien und Spielpläßen, 
und im Tempel des Zeus, zu den 
Füßen ſeines mädjtigen Bildes, 
reichte man dem Sieger von Olympia 
den Kranz vom Delbaum. Ein 
geheiligter Kultus alfo war den 
Hellenen das Kampfjpiel („Schöne 
Spiele jollen ftet3 mit den Opfern 
veranftaltet werden.“ Plato, de 
legibus.), und der aus der Schlacht 
fiegreih heimkehrende Feldherr 
konnte nicht ehrender empfangen 
werden als der Sieger des Pent- 
athlond. Ihm jauchzte das Volk 
zu, man verlieh ihm dag Bürger: 
reht, und Bilpfäulen kündeten 
feinen Ruhm durch Sahrhunderte. 
Ein fo angefeuerter Ehrgeiz mußte 
große Taten zeugen. 

Zum berrlichften Augdrud kam 
diefe Wertfhägung der Gymnaltif 
in der griechiſchen Plaftif. Was 
die nationgle Kunſt der Hellencn 


= 





Nro. 581. 


für die Kultur der Menfchheit be- 
deutet, weiß jeder Gebildete; dieje 
Kunft wäre undenkbar ohne die 
griechiſche Gymnaſtik. Auf dem 
gymnaſtiſchen Ideal des männlichen 
Körpers baute die antike Plaſtik 
ihren Wunderbau auf; und als die 
alten Künftler endlich die indivis 
duelle Schönheit der weiblichen 
Formen erkannten, hatten fie Mühe, 
ſich von den männlichen frei zu 
machen. Es ift beſonders bemerfens- 
wert, daß die bildenden Künitler 
jener Zeit ſich nie verleiten ließen, 
Athleten durch einfeitige Muskel— 
anhäufungen oder abnorm ent: 
widelte Glieder zu charakterifieren. 
Da ift kein fnollig herausfpringender 
Biceps, fein mußfelgepanzerier, 
unproportionierter Thorax — der 


3. W. Schrveter. 


künſtleriſchen Darftellung würdig 
erfheint nur ber in allen Teilen 
harmonisch entwirfelte Körper, wie 
ihn die geregelt betriebene Gym⸗ 
naftit heranzog. Die ganze ältere 
griechifhe Kultur fteht unter dem 
Beihen dieſes männlichen Ideals. 
A höchſtes Ziel gilt durchaus die 
Ausbildung männlicher Energie und 
Kraft. Aber auch die Fähigkeit zu 
genießen wendet fi nad dieſer 
Richtung; das erreichte Ziel, det 
gymnaſtiſch ausgebildete Körper 
wird bewundert und genofjen von 
fühlenden Augen... .. So hören 
wir aus diefer Zeit von der hohen 
Bewunderung, die man nicht nur 
der in den Wettkämpfen entfalteten 
Energie, fondern aud der Schon 
heit des Mannes zollte, Herodot 





304, Antife Ringergruppe. 


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X, 2. Mihlelik. 


berichtet "von einem gewiſſen Phi⸗ 
lippo8 aus Kroton, der in Olympia 
gefiegt hatte und als der „Schönfte 
der Hellenen“ zu feiner Zeit galt. 
Die Leute von Egeſta errichteten 
ihm nach feinem Tode „wegen feiner 
Schönheit“ ein Hervenheiligtum auf 
feinem Grabe und brachten ihm Opfer 
dar, während fie jonft die Toten 
nicht jo ehrten. Auch von einem 
Kallitrates, der an der Schlacht von 
Platää teilnahm, erzählt Herodot, 
daß er der „Schönfte” nicht nur 
feiner Landsleute, jondern aller 
Hellenen gemwejen ſei. Erſt fpäter 
— die Epoche des Peloponneſiſchen 
Krieges iſt bier wie jonjt ein 
Mendepuntt — begegnen wir der 
Bewunderung für eine Laig und 
eine Phryne. (Adolf Furt 
mwängler.) 

Der herrlihe Apoxyomenos des 
großen korinthiſchen Bildhauerg 
Lyſippos, der berühmte Diskos⸗ 
werfer des Myron, der Diadu⸗ 
menos des Polyklet gehören zu den 
reinſten Blüten der klaſſiſchen Kunſt, 
und dieſe Edelwerke, nicht eitle 
Rekordliſten und widerliche Photo⸗ 
graphien herzfetter Bierathleten 
ſollten unſern Jungmannſchaften 
vor Augen ſtehn, wenn ſie zum 
fröhlichen Kampfe ſchreiten. Viel⸗ 
leicht würde dann manches beſſer, 
wenn wir auch nicht hoffen dürfen, 
in unſern Zeiten je Verhältniſſe 
rekonſtruieren zu können, wie ſie 
im alten Hellas beſtanden. Dazu 
fehlen nicht nur die ſozialen Vor⸗ 
ausſetzungen, ſondern auch gewiſſe 
geiſtige Eigenſchaften und Fähig⸗ 
keiten, die nach dem griechiſchen 
kein Volk in gleichem Maße wieder 
beſeſſen hat und beſitzen konnte, 
vor allem das lebendige, in der 
Kunſt ſich produktiv auslebende 
Gefühl für geſunde Schönheit, das 
in der Rafjenpfychologie der Grie- 
chen eine jo bedeutende Rolle fpielte. 
„Wie bedürfen für jeden der körper: 


Niro. 581 


lihen und geiftigen Heranbildung, 
damit das von der Natur ſchon 
glücklich Gefchaffene noch viel befler, 
die fchlehten Anlagen aber ver- 
edelt werden,” jagt Zucian. Bei 
allen Philoſophen jener Zeit die 
jelbe Erkenntnis der Wichtigkeit 
einer gleichwertigen Betätigung des 
Körper und des Geifted. „Bei 
allem, was die Menjchen wahr 
nehmen, leijtet der Körper feine 
Dienfte, und fol er fie gehörig 
leiften, muß er tüchtig geübt fein; 
jelbft da, wo du feiner am wenigſten 
zu bedürfen glaubjt: beim Denken. 
Sit es denn nicht befannt genug, 
daß auch dabei viele wegen übler 
Beichaffenheit des Körpers ſtrau⸗ 
cheln? Gedächtnisſchwäche, Mut: 
loſigkeit, üble Laune, Schwermut 
bis zum völligen Irrwahn bemäch⸗ 
tigen ſich ihrer, und all ihr Wiſſen 
hilft ihnen nichts!“ Dieſe Worte 
berichtet Zenophon von Sokrates, 
der als Lehrer mit Vorliebe die 
Webungspläße der Knaben und 
Zünglinge befuchte, wenn ſie fich 
vom MWettfampf erholten. Und 
mwohlbegründet war endlih des 
Perikles ftolze8 Wort: „Wir find 
Freunde des Schönen, ohne im 
Aufwande das Map zu überfchreiten, 
und pflegen der Wiſſenſchaft, ohne 
und verweichlihen zu lafjen; mit 
einem Wort: ich behaupte, daß 
unfere Stadt (Athen) die Bildung- 
ſchule für ganz Griechenland ift.“ 

Wie immer im Leben, jo folgte 
auch in Griechenland auf die Blüte 
der Verfal. Schon im 5. Jahr⸗ 
hundert v. Chr. traten Berufs 
athleten auf, die nach beftimmten 
Regeln, unter Beobadtung einer 
vorgefchriebenen Lebendweife aus— 
gebildet waren. Bollendg zum 
Handwerk und Erwerbszweig wurde 
die Athletik, ala die römifche Kultur 
ſich der griedifchen paarte. Plato 
Schon erzählt, daß die Preisgekrönten 
Lohn einfammelten, daß die Athener 


Nro. 581. 3. W. Sichroefer. 


dem Dlympiafieger 500 Dramen 
und lebenslänglihe Speilung auf 
Staatskoſten gewährten. Alfo eine 
materielle Belohnung. 200 Sahre 
v. Chr. traten in Rom gedungene 
griehifhe Athleten auf, und zur 
Kaiferzeit gab es Athletengenofien- 
fchaften, die als Zünfte organiftert 
waren. Es half nichts mehr, daß 
erleuchtete Geifter, Dichter und 
Philoſophen, die Entartung zeitig 
erfannten und Dagegen eiferten. 
Die Zeiten und die jo ganz ver- 
änderten jozialen und politischen 
Berhältniffe waren mächtiger als 
ihre Beredfamteit. 

An der Erziehung des jungen 
Römers verlor die Gymnaftik ihren 
Selbſtzweck, fie wurde ein Mittel 
Soldaten heranzubilden, das Bolt 
der Aderbauer wehrhaft zu machen 
und zu erhalten. Alle Leibes- 
übung war Vorſchule zum Hand- 
wert des Kriegerd. Das Indivi⸗ 
duelle, Perſönliche der griechifchen 
Gymnaſtik verfhwand ganz, al? 
Soldat war der einzelne eine 
Nummer im Heere, und das Heer 
war ein Mittel zur Macht, nicht 
nur zur Verteidigung des Landes, 
jondern zur Eroberung der Welt 
organifiert.. An die Stelle des 
helleniſchen Idealismus mar der 
brutale Realismus des römijchen 
Eroberungjtaates getreten, der auf 
da8 freie Spiel der griechijchen 
Gymnafien mit einer gewifjen Ver: 
achtung herabblidte und die ſpie⸗ 
lerifhen Leibesübungen im Zus 
ftande der Nadtheit ſchließlich als 
unanftändig empfand, den Beſuch 
der Uebungsplätze als „otium Grae- 
cum“ bezeichnete. (9. Wicken⸗ 
hagen.) Der kraſſe Unterfchied 
in den Auffafjungen der beiden 
Völker tritt am deutlichften hervor 
bei einem Vergleich der griechifchen 
Agonen mit den Kämpfen gebun: 
gener Gladiatoren in Rom. Bon 


diefen jagt Cicero: „Nichts madt 


den Menſchen ftärker gegen Schmerz 
und Tod; beim Anblid der Kämpfe 
muß der Menſch ſich zu männlicher 
Kraft erhoben fühlen.” Das ift 
Rom, fo erzog man Cäſars Ko: 
horten. 

Springen und Laufen waren die 
wichtigsten Uebungen der römischen 
Refruten, dazu famen Fechtübungen, 
die mit geflochtenen Schilden und 
hölzernen Stöden an Pfählen vor- 
genommen wurden. Auf die Marfch- 
fähigfeit wurde der größte Wert 
gelegt, venn „die Schlachten wurden 
mit den Beinen gewonnen”; und 
fo finden wir in der römischen 
Kriegsgeſchichte die ſtärkſten Hifto- 
riihen Marfchleiftungen. In zwölf 
Tagen 90 Meilen, das find täglich 
75 Meilen — 55,5 km, wurden 
unter dem Konjul Claudius Nero 
von 6000 Mann Fußvolk und 1000 
Pferden zurüdgelegt. Auch dad 
Schwimmen pflegte man aus nahe⸗ 
liegenden Gründen; die alte klaſſi⸗ 
Ihe Tradition aber verfiel immer 
mehr, und kurz vor der Teilung 
des Römerreiched wurde der Feſt⸗ 
plag von Olympia geſchloſſen, und 
des Phidias gewaltiger Zeugs, unter 
deffen hoheitvollen Augen ſoviele 
herrliche Generationen um den Oel⸗ 
zweig gerungen, wanderte zu den 
Barbaren nad) Ronftantinopel. Das 
war das Ende der griechischen 
Gymnaſtik. Denn alled, was man 
in den nun folgenden Sahrhunderten 
an Leibesübungen bei den Kultur- 
völfern findet, verdient diejen 
Namen nit mehr. Dem nadten 
Schönheitsideal madte das fiegreich 
vordringende Chriftentum mit feiner 
asfetifchen Lehre von der Ver⸗ 
achtung und Abtötung des Fleifches 
ein Ende. Was dem am höchſten 
entwidelten Volke des Altertums 
al3 das Reinfte und Heiligfte ge⸗ 
golten, wurde für fündhaft erklärt 
und ing Leben der Menfchbeit jener 
Gegenfag geworfen zwiſchen Natur 





X. 2, Athletik. 


und gejunder Vernunft einerfeits, 
einer lebenverneinenden Kajtraten- 
moral andrerjeit3. Und an diejen 
Gegenjäten kranken wir noch heute. 
Auch bei den alten Germanen 
waren alle körperlichen Uebungen 
Borfhule zum ernften Kampfe. 
Unſere Vorfahren übten für den 
Krieg, und ihre wenigen Kampf: 
jpiele wurden ſyſtemlos und ohne 
bewußte äfthetijche Tendenz betrie- 
ben. Die alten deutſchen Helden- 
lieder, deren Geſchehniſſe wir in die 
Sahrhunderte der VBölferwanderung 
legen müſſen, berichten von einer 
Vebung, die man bei feinem an- 
dern Stamme wieder antrifft: 
einer Verbindung des Steinftoßens 
mit einem Sprung, durch den der 
Stein wieder erreicht werden mußte. 
Eine Leiftung, die jedenfalld viel 
Mebung und Gemandtheit voraus: 
fegte und gewifjermaßen ein Ana: 
logon bildete zu der mehr methodi- 
fhen Kombination von Sprung und 
Wurf im Pentathlon. Im ganzen 
Mittelalter Tonnten Gymnaftit und 
Athletik ich einen äfthetifch-ethifchen 
Selbſtzweck nicht wieder erringen. 
In den Zeiten des Rittertums 
blieben die Leibesübungen auf den 
Adel, die Ritterſchaft beſchränkt, 
ohne jelbftändige Bedeutung er- 
langen zu können. Man lernte das 
Maffenhandwert und mas dazu 
nötig war; der Landsknecht mar 
nicht3 weniger als ein Fünfkämpfer. 
Die Kampfipiele diefer N 
Turniere, waren vom Pentathlon 
ungefähr fo weit entfernt wie die 
Gladiatorenfämpfe, wenn fie diefe 
an biutrünftiger Roheit auch nicht 
erreichten. Nur der Ringkampf 
zeigte jchon zu Dürer Zeit einen 
unverfennbar ſportlichen Einjchlag, 
und es ift bezeichnend, dab der 
größte bildende Künftler des deut- 
[chen Mittelalter eins der erften 
und wohl da3 bedeutendite ältere 
Lehrbuch über den Ringkampf ſchuf. 


Niro. 581. 


Sm Sabre 1512 erſchien die be- 
rühmte Fechthandſchrift Albrecht 
Dürers, mit 119 aquarellierten 
Federzeichnungen geſchmückt, die 
beweiſen, daß damals der deut⸗ 
ſche Ringkampf auf einer verhält- 
nismäßig hoben Entwicklungſtufe 
ftand. Seine Regeln waren nicht 
jo ftreng wie die jegt gültigen, 
und es gab manden Griff, der 
heute verpönt ift. Immerhin unter: 
ſchied man zwifchen erlaubten und 
unerlaubten oder nur für den 
Ernftfall beftimmten Griffen und 
unterwarf die Kämpfer einer ge= 
nauen Kontrolle. Der Einfluß des 
Mönchtums und der Klofterjchulen 
verhinderte eine freie Entfaltung 
zur fportlichen Höhe. Der Dreißig⸗ 
jährige Krieg machte dieſen ſchwachen 
Anfäben den Garaus, und jahr: 
hundertelang, bis zum Ende des 
18. Sahrhundert® waren die Be- 
griffe Gymnaſtik und Athletit aus 
der deutihen Sprade fo gut wie 
gefhwunden. J. J. Rouffeau 
wies zuerft wieder ernfthaft auf 
die Bedeutung einer gleichmäßigen 
Erziehung des Körperd® und des 
Geiftes hin, und die große Revo- 
lution brach auch diefer Erfenntnig 
die Bahn. Guts-Muths war der 
erfte deutſche Pädagoge, der ſich 
von der bis dahin beliebten, rein 
platonifchen Verehrung des helleni- 
ſchen Erziehungsideals freimachte 
und in Anlehnung an die Lehren 
der Alten zielbewußt zu Taten 
ſchritt, indem er in ſeiner Anſtalt, 
dem altberühmten Schnepfenthal, 
ſeinen Schülern reiche Gelegenheit 
zu gymnaſtiſchen Spielen bot und 
zahlreiche theoretiſche Werke über 
Gymnaſtik veröffentlichte, darunter 
die „Gymnaſtik für die deutſche 
Jugend“. Es iſt erſtaunlich, mit 
welcher Konſequenz und mit welchem 
Erfolge er ſeine Theorien in die 
Praxis umſetzte, und man kann nur 
mit Bedauern ſehn, wie wenig 


Niro. 582. 


Nuten unfere Schulen aus dieſen 
prädtigen Anfängen zu ziehen 
mußten. 

Biel mächtiger als der befcheiden 
zurücdhaltende Gut3-Muth3 mußte 
Sriedrih Ludwig Jahn, der 
„Zuenvater”, auf feine Zeit und 
auf die Nachwelt zu wirken. Mitten 
in die nationalen Stürme der Frei⸗ 
heitäfriege fchleuderte er mit ge⸗ 
waltiger Beredſamkeit feine Ge⸗ 
danfen. Der Zeitgeift fam ihm, 
er dem Zeitgeift zu Hilfe, und 
fchnel gelang es ihm, die ganze 
deutfche Jugend auf feine Seite zu 
ziehen. Die fpätere Verfolgung 
durch die Regierung trug ihm die 
Märtyrerfrone ein, die den Sieges⸗ 
lauf jeiner Ideen nur noch fördern 
fonnte. | 

Bon England und Amerifa, den 
Haffifchen Ländern des Sports, kam 
uns das, was wir heute unter dem 
Namen Athletit zufammenfaffen. In 
England mar der Sport von jeber 
zu Haufe. Schon in den älteften 
Chronifen des Inſelreiches finden 
wir Berichte über Wettfampfipiele. 
Der Hof, die Ritterſchaft und die 
Bürger, fie alle beteiliaten ſich mit 
der der angeljächfifchen Raffe eigenen 
Zähigkeit an diefenKämpfen, die um 
ihrer ſelbſt willen und bemußt zu 
raſſehygieniſchen Zwecken betrieben 
wurden. Bei Shakeſpeare finden 
ſich zahlreiche Andeutungen, die auf 
eine genaue Kenntnis des Sports 
und ſeiner Regeln ſchließen laſſen. 
Aus allen Jahrhunderten der eng: 
iifchen Gejhichte werden imponie: 
rende Höchjftleiftungen berichtet, und 
auch der gewaltige Vorſprung, den 
die enaliihen und amerikaniſchen 
Athleten heute noch vor unfern 
deutſchen haben, Tennzeichnet fie ala 
Angehörige einer Raſſe, die den 
Sport durch viele Generationen zur 
nationalen Erziehung geübt hat. 

Auch in Deutfhland beginnt es 
endlih zu tagen, In mehreren 


J. W. Sıchroefer. 


deutſchen Großſtädten ift der Bau 
großer Stadien beabfichtigt, nach 
dem Mufter der griedhifchen aus- 
geftattet mit allem, was zur ratio- 
nellen Körper: und Schönheitspflege 
im Sinne der Alten notwendig it. 
Man plant eine Wiederermedung 
der olympiiden Spiele in diefen 
Stadien, die Taufende von Zus 
Ihauern aufnehmen follen. Mag 
der Gedanke in Ddiefer — nicht 
ganz in unſere Zeit paflen, ſchon 
wegen der grundverfchiedenen ſozia⸗ 
len Berbältniffe, im Prinzip muß 
er freudig begrüßt werden als Die 
Emanation eines mädtigen Be⸗ 
dürfniſſes nach förperlider Betäti⸗ 
gung, das in unjerem Volke jtedt. 
Darum verdient er jede Förderung. 

582. Allgemeined. Wie ſchon 
gejagt, Tennzeichnet fich Die moderne 
Athletit in Deutſchland als ein 
fremdes Reis, gepfropft auf den 
alten Stamm des Turnend. Wie 
alle8, was neu ift, jo zeigt auch 
bei ung der Betrieb der Athletit 
beute fhon große Uebertreibungen 
und Auswüchſe, die nicht zu ver: 
teidigen find. . Zu verwerfen ift 
vor allem die Einfeitigfeit und das 
Spezialiftentum, dem jo mandıer 
junge Athlet lediglich aus Eitelkeit 
verfällt. Schuld daran ift in erfter 
Linie die unfinnige Rekordhetze, die 
ihr einziges Ziel im Uebertrumpfen 
irgend einer andern Leiftung fiebt, 
ganz im Gegenfah zum griechifchen 
Fünffämpfer, der durch Bieljeitig- 
feit zur böchiten Vollendung und 
Schönheit gelangte. So muß vor 
allem die Forderung aufgeftellt wer: 
den, daß eine richtig betriebene 
Athletit wie der alte Fünfkampf 
dem ganzen Körper zugute fommen 
muß; daß nit der ein Held ift, 
der beim Wettgehen den legten Re: 
ford um eine zebntel Sekunde 
fhlägt und ſich dabei einen Herz- 
fehler holt, fondern daß der Schönfte 
der Sieger ift, deſſen Leiftungen 


X. 2. Athletik. 


im beften Verhältnis zu feinen 
förperliden Anlagen ftehn. Es ift 
ein klägliches Scaufpiel, bei ath: 
letiihen Wettlämpfen die Bewerber 
am Biel in einem Zuftande zu 
fehn, der aller Menfchenmürde 
Hohn fpriht und Fein anderes 
Gefühl mehr ala Mitleid und etwa 
noch Aerger über menſchliche Tor: 
heit auffommen läßt. Gewiß muß 
beim fportlihen Wettfampf das 
Aeußerſte eingefegt werden. Gerade 
im Aufbieten der legten Willens⸗ 
fraft und Energie liegt das wert: 
vollſte fittliche Moment des Sports. 
Dabei darf aber nicht verfannt wer: 
den, daß nicht jedes Biel für jeden 
gefchaffen ift. Der eine kann fich 
ruhig an Dinge wagen, die dem 
anderen durch feine ganzen phyſi⸗ 
Shen Anlagen von vornherein ver: 
fagt find. Eine gemwifje Einficht 
für das, was er körperlich leiften 
fann, ift jedem Menfchen angeboren, 
und die Pflege dieſes Gefühls ge- 
hört zu den wictigften Aufgaben 
der atbletiihen Erziehung. Der 
Baghafte, Willensſchwache wird es 
nie zum Höchſten bringen, wer 
ſich zuviel zumutet, fann ſich durch u 
eine einzige Weberanftrengung für 
immer ruinieren. Hier liegt einer 
der Gründe dafür, daß man auf 
unfern Turn: und Spielplägen fo 
wenig wirklich gut durchgebildete Ge: 
ftalten ſieht. 

Zur Pflege der Athletit haben 
fih ſchon feit Jahrzehnten in allen 
arößeren deutfhen Städten Vereine 
gebildet, die alle athletifhen Uebun⸗ 
gen oder aud nur einzelne, den 
Ringlampf, das Stemmen, Gehen 
u.a., fyftematifch betreiben. Berlin, 
München , Hamburg, Mannbeim, 
Frankfurt, Hannover, Leipzig u.a.m. 
haben eine ganze Reihe jolcher Ber: 
eine, mehr als notwendig und 
wünſchenswert find. Die Vereine 
der einzelnen geographifchen Be— 
zirte haben fic wiederum zu Ber: 


Nro. 582. 


bänden zufammengefchloffen, und 
diefe Verbände haben als oberfte 
Inſtanz für alle die deutſche Ath⸗ 
letit betreffenden Angelegenheiten 
die „Deutihe Sport-Behörde für 
Athletik“ (D. S. B. f. A.) in Berlin 
fonftituiert, Die die Intereſſen der 
deutſchen Athletik im internationalen 
Verkehr, den Behörden und dem 
„Deutichen Reihsausfchuß für Olym⸗ 
piſche Spiele” gegenüber vertritt. 
Die Sportbehörde umfaßt alle in 
Deutſchland anſäſſigen Verbände der 
Athletit treibenden Vereine und 
wird geleitet durch einen Borftand, 
einen Ausfhuß und die Wahlver: 
fammlung. Der Vorſtand bejteht 
aus einem Borfitenden, 3 ftellver- 
tretenden Vorfigenden, dem Schrifts 
führer, dem Sportwart und dem 
Kaffierer. Der Borftand ift bei 
Abgabe von 4 Stimmen beſchluß⸗ 
fähig. Der aus 12 Berfonen be- 
ftehende Ausſchuß erledigt alle Ver: 
waltungs- und ſportlichen Fragen, 
für die der Vorſtand allein nicht 
zuftändig ift, ferner die internatio: 
nalen Ablommen, Entjeheidungen in 
Diequalififationg + Angelegenheiten 

.ſ. w. Die Verbände überwachen 
Der Betrieb der Athletif innerhalb 
ihres Gebietes, forgen für die Be: 
achtung der Wettlampfbeitimmungen 
und der andern von der D. S. B. 
f. A. erlaffenen Anordnungen. Die 
Verbände genehmigen die Termine 
Iofaler und interner Wettfämpfe, 
beftellen die Renngerichte und offi- 
zielen Vertreter, beauffichtigen Re⸗ 
fordverfuche und erftatten monatlich 
an die D. S. B. f. A. Bericht über 
die in ihrem Gebiet ftattgehabten 
Beranftaltungen. Aljährlich findet 
eine Wahlverfammlung ftatt. Die 
wichtigite Aufgabe der Behörde it 
jedenfalls die Beauffichtigung der 
Wettjpiele, die Beurteilung der er- 
zielten Rekorde und die firenge 
Scheidung der Amateıre von den 
Berufsathleten. Die Teilnahme an 


Niro. 583. 


den von ihr genehmigten Wett- 
fümpfen ift nur Amateuren ges 
ftattet. Als Amateur gilt, wer 
noch nie um einen Geldpreis oder 
zum Zweck des Lebensunterhalt 
athletifchen Mebungen obgelegen und 
noch nie mit einem Berufsathleten 
um einen Preis konkurriert bat. 
Man unterfcheivet interne Wett: 
fämpfe für die Mitglieder eines 
Vereins, lofale Wettlämpfe für die 
Mitglieder von fümtlichen Vereinen 
eine3 Verbandes oder einer Stadt, 
nationale Wettlämpfe für Reichs- 
angehörige und internationale Wetts 
fämpfe, an denen ausländijche Ama: 
teure teilnehmen fünnen. Alle Wett: 
kämpfe werden eingeteilt in Schüler-, 
Sunioren- und Seniorenkonkurren⸗ 
zen. Die Juniorenſchaft endigt 
innerhalb eines Jahres, wenn der 
Betreffende 3 erfte Breife gewonnen 
bat, oder mit Ablauf des Jahres, 
in dem der Betreffende einen erften 
oder 2 zweite Preiſe in einer nicht 
internen Konkurrenz erworben bat. 
Jede Ausfchreibung von Wett: 
fümpfen iſt mindeften? 4 Wochen 
vor Nennungichluß den zuftändigen 
Verbänden in zweifacher Ausferti: 
gung zur Genehmigung vorzulegen. 
Nationale und internationale Wett: 
kämpfe find den zuftändigen Ber: 
bänden bi8 zum 30. April anzu= 
melden und müfjen von der D. ©. 
B. f. A. genehmigt werden. Nen⸗ 
nungſchluß für alle Konkurrenzen iſt 
ſpäteſtens am 7. Tage vor Beginn, 
nachts 12 Uhr. Die Ausſchreibung 
für jedes lokale und interne Mee— 
ting muß einen Mehrkampf ent- 
halten, der mindeitend aus einem 
Dreifampf mit einer Wurf:, Sprung: 
und Zaufübung bis 1500 m befteht. 
Die Preife jollen in Medaillen, 
Chrenpreiien oder Diplomen be: 
ftehen und mit einer Widmung 
verjehen jein, aus der Tag und Ort 
der Konkurrenz und ihr Play zu 
erjehn find. Für athletiſche Wett⸗ 


J. W. Schroxter. 


kämpfe iſt vom Veranſtalter mit 
Genehmigung des Verbandes ein 
Renngericht aufzuſtellen, das in je⸗ 
dem Fall mindeſtens aus folgenden 
Faktoren ſich zuſammenſetzen muß: 
einem Schiedsgericht aus 3 Rich⸗ 
tern, einem Starter, 2 Startord⸗ 
nern, 3 Bielrichtern, 2 Zeitnehmern, 
2 Bahnrichtern und, bei Vorgabe: 
fonfurrenzen, einem QVorgeber. Die 
Ausſprüche des Schiedsgerichts find 
unanfehtbar. Nachdem der Starter 
die Startenden gefragt: „Meine 
Herren, find Sie fertig?" gibt er 
das Startzeihen durch einen Schuß. 
Zwiſchen Frage und Schuß muß 
eine merkbare Paufe liegen. Nie: 
mand darf vor dem Schuß die Start: 
linie überfchreiten. Die Schieds— 
richter find befugt, Konkurrenten 
megen verjchuldeter Behinderung 
eines Bewerber? von der Preis⸗ 
bewerbung auszuſchließen. Jede 
Konkurrenz, bei der nicht mindeſtens 
2 Bewerber am Start erſcheinen, 
fällt aus. Von dieſer Beſtimmung 
werden Meiſterfchaftskonkurrenzen 
und die um Wander⸗ und Heraus⸗ 
forderungspreiſe nicht betroffen. 
Jeder Bewerber muß vollſtändige 
Kleidung mindeſtens von den Schul⸗ 
tern bis zu den Knieen tragen, die 
Startnummer auf Bruſt und Rücken. 

583. Die Ausübung und Hy— 
giene des athletifchen Sports ift 
von gewiſſen Dingen abhängig, Die 
ſich nad) der Konititution und Der 
Leiftungsfähigfeit des Sporttreis 
benden beftimmen, und forgfältig 
zu berüdfichtigen find. Bor allem 
muß jeder angehende Athlet darauf 
bedacht fein, daß feine Organe, na= 
mentlich Herz und Lungen, durchs 
aus gefund find. An das Herz 
werden außerordentlihe Anforde: 
rungen geftellt; es ift daher fehr 
wichtig, ſich über die Leiftungs- 
fähigkeit dieſes Organs zeitig volle 
Gewißheit zu verſchaffen. Man 
beginne jedes Training mit Kleinen 


x. 2. Athlekik. 


Zeiftungen, die allmählich) und ohne 
jede Haft gefteigert werden. Man 
made häufige Paufen und fteigere 
Die einzelnen Uebungen niemals bis 
zur Erjchöpfung oder auch nur bis 
zu einer übermäßigen Ermübung. 
Man efje niemals unmittelbar vor 
oder nach dem Ueben, meide alle 
ſcharf gewürzten Speifen, vor allem 
den Alkohol, und beichränfe über: 
haupt die Flüſſigkeitszufuhr nad 
Möglichkeit. Sehr vorteilhaft ift 
ed, menn man in der Nähe des 
Spielplake8 oder des Mebung- 
faales einen geſchloſſenen Raum 
zum Baden, Maſſieren, Duſchen 
und Ruben bat. Zumal das Maf- 
fieren wird nad dem Ueben ſehr 
wohltuend empfunden. 

Dem Anfänger iſt anzuraten, ſich 
beim Training kundigen Sports⸗ 
genoffen anzuschließen und fich deren 
Erfahrung zunute zu maden. Sie 
werden ihn auch am beften vor den 
Erxzefien bewahren, die bei Anfän- 
gern leicht Enttäufhungen und Miß⸗ 
erfolge beraufbejchwören. Bei ge- 
meinjamer Arbeit ift auch die Aus⸗ 
dauer erheblich größer, da der Ehr⸗ 
geiz immer von neuem angefpornt 
wird. Andrerjeit3 hüte man fi 
davor, es befjer Beranlagten oder 
weit vorgejchrittenen Kameraden 
gleichtun zu wollen und fi dabei 
mehr zuzumuten, als man im An- 
fang leiften kann. Niemals foll 
man an einem Wettlampfe teil- 
nehmen, ohne vorher gründlich und 
regelrecht trainiert zu haben. Eben⸗ 
fo wichtig aber ift es, fofort allen 
Ehrgeiz zu unterdrüden, wenn ſich 
während des Wettlampfes irgend 
ein förperliches Unbehagen einftellt. 
Der meift eintretenden ftarfen 
Tranjpiration wegen jorge man für 
Tücher und Deden, in die man 
den Körper nad getaner Arbeit 
einhüllen Tann. Sehr falte Ge- 
tränfe meide man in diefem Zu: 
ftande ganz; meijt genügt e8, den 


Niro. 583. 
Mund mit kühlem Waſſer auszu: 


ſpülen. 


Der Zweck des Trainings iſt bei 
allen Sportsgattungen der ſelbe und 
im Grunde ſehr einfach. Der ganze 
Körper ſoll von überflüſſigem Bal⸗ 
laſt, Fett und Flüſſigkeit befreit, 
die Muskeln und Sehnen dagegen 
ſollen zur höchſten Leiſtungsfähigkeit 
und zwar qualitativ, nicht quanti⸗ 
tativ, ausgebildet werden. Wer im 
Anfang fett oder infolge von körper⸗ 
lich trägem oder zu üppigem Leben 
ſchlaff iſt, fange mit einigen Dampf: 
bädern und ſtrammen Spazier⸗ 
gängen an, unter Beſchränkung auf 
eine konzentrierte, aber nicht üppige 
Koſt. Es iſt nicht angebracht, allzu 
ſtrenge und engherzige Vorſchriften 
aufzuſtellen, da ſich auch hier eines 
nicht für alle ſchickt und die Speiſen 
bei den verſchiedenen Konſtitutionen 
ſehr verſchiedene Wirkungen üben. 
Jedenfalls iſt es vom Uebel, in der 
Koſt von der gewohnten zu ſehr 
abzuweichen. Man modifiziere ſie 
alſo nur nach den oben aufgeſtellten 
Grundſätzen und ſei vor allem 
mäßig. 

Nicht unintereſſant iſt der Kampf 
zwiſchen den Anhängern der ge⸗ 
miſchten und der vegetariſchen Koſt. 
Die überlegenen Siege ſo vieler 
Vegetarier bei den Konkurrenzen 
im Laufen und Gehen ſind nicht 
wegzudiſputieren. Dagegen ſind alle 
bekannt gewordenen Allround⸗Ath⸗ 
leten Anhänger der gemiſchten Koſt 
und zum Teil nicht einmal ſtrenge 
Abſtinenzler. Die Gründe für die 
unbeſtreitbare Ueberlegenheit der 
Vegetarier im Gehen ſind bisher 
nicht aufgeklärt; meiſt ſchreibt man 
ſie dem Umſtand zu, daß der 
Vegetarier auch ganz Abſtinent 
iſt. Das dürfte aber nicht aus: 
fchlaggebend fein. Im allgemeinen 
wird man die gemifchte Kojt emp- 
fehlen dürfen, doc mit mäßigen 
Fleifchgenuß und wenig Kartoffel, 


ro. 584-585. 


Hülfenfrühten und Mehlipeifen. 
Auch auf Suppen follte man wäh: 
rend des Trainings verzichten. Hat 
man fich einmal überanftrengt, ſo⸗ 
daß ſchmerzhafte Störungen in den 
Gelenfen oder einzelnen Mußfel- 
gruppen auftreten, jo gibt es nur 
ein gutes Mittel: Ruhe und Scho- 
nung der betroffenen Teile. Man 
fange nur langfam und fehr vor: 
fihtig an, fie wieder zu betätigen, 


Geben, Laufen 


584. Allgemeines. Der Lauf 
ift fportmäßig ſchon von den alten 
Griechen betrieben worden. Sie 
hatten verfchiedene Arten des Wett: 
lauf8 und bezeichneten ihn gewöhn⸗ 
lich nad der Länge der Streden, 
die durdlaufen werden mußten. 
Dienormalen Streden hatten 200m, 
400 m und 4500 m Länge, und 
‚wenn die Anforderungen beſonders 
hoch geftellt wurden, jo trugen die 
Läufer die volle Bewaffnung des 
Hopliten. Auch die Germanen 
jolen im Laufen Tüchtiges geleiftet 
haben; als Sport wird e8 aber im 
ganzen Mittelalter nicht erwähnt. 
Erft unter Guts-Muths und 
Jahn tauchte ed neben den Turn- 
übungen auf, bi3 von England der 
eigentlide Lauf: und Gehſport im: 
portiert wurde. Die D.S.B. f. 
bat auch für den Laufſport feite 
Kegeln aufgeitellt, und ſeitdem be: 
gegnen wir ihm bei allen gymna= 
ftiihen Spielen, und auch die Be- 
börden, namentlid die Militär- 
behörden, Bringen ihm mit Recht 
großes Intereſſe entgegen. 

Die Ausrüftung des Läufers ift 
naturgemäß ſehr einfah. Einige 
Paare guter Laufſchuhe, eine kurze 
und leichte Hofe aus Leinen, ein 
Sweaterund einpaar luftdurchläffige 
Trifothemden, das ift alles. Die 


J. @. Sıhroefer. 


fonft wird man nur zu leicht Rüd- 
fälle erleben. 

Für die Einteilung der athleti- 
fhen Uebungen ift auch Beute noch 
das griechiſche Pentathlon vorbild- 
ih. Demnach unterjheiden wir 
folgende Gruppen: I. Das Geben, 
Laufen, Springen I. Die 
Stof-, Wurf: und Schleu— 
derübungen. III Der Ring 
tampf und feine Abarten. 


und Springen. 


paffen und fich mit den Furzen Soden 
loſe, doch fiher um den Fuß ſchmie⸗ 
gen. In die Hände nehmen Die 
meiften Läufer und Geher die og. 
Gehhölzer, die fie mit den Fingern 
feft umfchließen. Zum Trainieren 
wählt man einen freien Plat, der 
mit Rafen, Kohlenajche oder einem - 
andern Material gleihmäßig eben 
bededt ift. Harte, glatte Zement» 
oder Aſphaltbahnen, wie fie 3. B. 
für Radrennen benugt werden, find 
nicht zu empfehlen. 

Das Laufen und Gehen wird 
nad) den Satungen der. D. S. 3. 
f. A. nur über folgende Streden 
geübt: 50, 100, 150, 200, 300, 
400, 500, 800. 1000, 1500, 2000, 
3000 m und fo fort in Abftänden 
von 1000 m; außerdem noch über 


U. | 7500 m und dur 1 und 2 Stun: 


den. Wettgehen(Märfche) u.Streden- 
läufe dürfen nicht über 100 km 
ausgedehnt werden. Auf der Bahn 
wird links herum gelaufen, bezw. 
gegangen. Bei Läufen auf gerader 
Strede muß jeder Läufer für fich 
eine mindefteng 1,20 m breite, ab: 
geftedte Laufbahn Haben, die er 
nicht wechſeln darf. Sieger: ift, 
wer zuerft mit der Bruft das Biel: 
band berührt. 

585. Das Gehen. Das Sports 
mäßige Geben wird furz und eins 


Schuhe müfjen natürlich tadellos | fach harakterifiert durch den 8 43 


x. 2. Mihlelik. 


der MWettfampfbeitimmungen der 
D. S. B. f. A.:! „Beim Wettgehen 
muß immrr der Hacken des einen 
Fußes den Boden berühren, ſolange 
noch die Spitze des rückwärtigen 
Fußes auf demſelben ruht. Beide 
Beine müſſen im Knie geſtreckt 
ſein.“ Der nächſte Paragraph 
lautet: „Verſtöße gegen regelrechtes 





305. Geher. 


Gehen werden mit Ausſchluß von 
der Preisbewerbung beſtraft; dem 
Ausſchluß kann eine einmalige Ver⸗ 
warnung vorhergehn.“ Das klingt 
ſehr einfach. Wer aber einmal 
verſucht, in der geſchilderten Weiſe 
ſtilgerecht auch nur 100 m zu gehen, 
wird bald verftehn, warum der be- 
fannte Sportſchriftſteller Viktor 
Silberer „das Gehen, im eng—⸗ 
liſchen Stil als Sport betrieben“, 
den „ſchwierigſten Zweig der ganzen 
Athletik“ nennt, da „nichts an— 
ſtrengender ſei, und nichts eine 
ſorgfältigere Vorbereitung und ein 
ſtrengeres Training erheiſche, als 
das Gehen“. Im Gegenſatz zum 
Laufen iſt das ſtilgerechte Gehen 
eine Folge von Schritten. Dieſe 


Nro. 585. 


Schritte dürfen lang oder kurz ſein, 
fie dürfen ſchnell oder langſam auf: 
einander folgen, wenn ſie nur 
Schritte bleiben. Jeder Sprung, 
jedes Verlaſſen des Erdbodens mit 
beiden Füßen gleichzeitig iſt aus— 
geſchloſſen. Der Rumpf ſteht auf- 
recht, der Kopf hoch und die Bruft 
heraus, während die Arne in ge: 
trade jo lebhafter 
Aktion mie Die 
Beine eine Art 
Flügelbewegung 
machen, durch deren 
Schwung die Bor: 
wärtsbewegung des 
Körpers unterſtützt 
wird. Eins der 
größten Geheim— 
niſſe des Gehens 
beſteht darin, die 
Arm⸗ und Bein— 
bewegungen jo ge⸗ 
geneinander auszu⸗ 
gleichen, daß der 
Gang dadurch aufs 
äußerſte gefördert 
wird. Bei echten 
Gehern beobachtet 
man auch, daß mit 
dem Schwingen der 
Arme die Schultern ruckweiſe geho— 
ben werden; damit iſt ein Lüften 
des Körpergewichts vom Boden ver⸗ 
bunden, wodurch das Ausſchreiten 
weſentlich erleichtet wird. Ein 
Geher mag aber noch ſo ſchnell in 
Bewegung ſein, er muß immer die 
charakteriſtiſchen Merkmale des ruhig 
ſchreitenden Menſchen, nur ſport—⸗ 
mäßig modifiziert, zeigen. Am 
leichteſten iſt der ungeſchulte Geher 
der Verſuchung ausgeſetzt, aus dem 
Geh: in den Laufſchritt zu verfallen, 
womit er fich jofort disqualifizieren 
würde. Der Anfänger tut alſo aut, 
zunächſt von allen Schnelligfeits- 
und Dauerverfuchen abzujehn und 
nur darauf aus zu fein, fich einen 
tadellofen,. aud in der Erregung 


Neo. 586. 


des Weitkampfes ficheren Stil an: 
zueignen. Beberricht er die Technik, 
fo Tann er langfam an die Steige: 
rung des Tempos gehen und dann 
fih an Kraftleiftungen verſuchen. 
Man glaube nur nit, daß die 
Beine allein den Geber leiftungs- 
fühig maden. Es gibt faum eine 
Musfelgruppe, faum ein Organ des 
Körpers, das beim Gehen nicht in 
erhöhte Aktion tritt. An Herz und 
Lungen werden enorme Anforde- 
rungen geftellt, und die ſchwingen⸗ 
den Bewegungen der Arme ftellen 
außerordentliche Anſprüche an die 
gejamte Bruft: und Rüdenmustus 
latur. Ueber den gegenwärtigen 
Stand der Hödjitleiftungen geben 
die am Ende dieſes Kapitels ſtehen⸗ 
den Rekordliſten Auskunft. 

586. Das Laufen ſetzt ſich im 
Gegenſatz zum Gehen aus lauter 
einzelnen Sprüngen zuſammen, d. h. 
der ſportgerechte Läufer ſpringt 
von einem Fuß auf den andern, 
wobei der Boden nur mit dem 
Borderteil des Fußes, mit Zehen 
und Ballen, berührt wird. “Die 
Ferſe kommt alſo überhaupt nicht 
auf den Boden. Der Oberkörper 
wird weit vorgebeugt, während der 
Kopf aufrecht gehalten, oft ſogar 
zurückgeworfen wird. Die Haltung 
des Körpers darf niemals die At⸗ 
mung beeinträchtigen, die Bruſt 
muß ſich alſo vol ausdehnen kön⸗ 
nen. Wie beim Gehen, ſo unter⸗ 
ſtützen auch beim Laufen die Arme 
die Aktion der Beine durch Schwin⸗ 
gungen, die allerdings nicht die ſelbe 
Regelmäßigkeit zeigen. 

Außerordentlich wichtig für den 
Schnelläufer iſt ein guter Start. 
Erfahrene Sportsleute haben ſich 
darin ganz eigenartige Methoden 
ausgebildet, und es iſt nicht un- 
interefjant, zu beobachten, wie bei 
einem großen „Feld“ die einzelnen 
Teilnehmer ſchon im Ablauf einen 
Vorfprung zu gewinnen ſuchen. 


J. W. Schrveter. | 
Sehr beliebt ift der fogenannte 


amerifanifde Start. Der Läufer 
ſteht mit dem linken Fuß einige 
Bentimenter hinter der Startlinie, 


mit dem rechten etwas weiter zus 


rüd, und beugt den Oberkörper fo 
weit nach vorn, daß er fih mit 
den gefpreizten Fingerjpigen auf 


die Startlinie ftügen Tann. Falt 


der Schuß, fo fchnellt der ganze 
Körper mit äußeriter Gewalt vor: 
wärts, ſodaß glei) mit dem erften 
Sat an 2 m zurüdgelegt werden. 


Dieje Methode will natürlich gründe 


lich geübt fein, und fie hat auch nur 


bedingten Wert, jpeziel für kurze 


Entfernungen, denn je größer die 
Entfernung, defto geringere Bedeu⸗ 
tung fommt dem Ablauf zu. 

Aus phyſiſchen Gründen muß 
man den Lauf über furze, mittlere 
und lange Streden ſcharf vonein- 


ander trennen. Das geht jhon | 


daraus hervor, daß beim Schnell- 
lauf über furze Diftanzen die Haupt- 
anforderungen an ganz andere Mus⸗ 
feln und Organe geftellt werden 
wie beim Dauerlauf. Beim furzen, 
ſchnellen Lauf fällt nah Silberer 
die Hauptaufgabe den auf der 
Borderfeite der Oberſchenkel lie: 
genden Muskeln zu, die die Beine 
bei jedem Sprung möglichft weit 
nah vorn zu fchleudern Haben. 
Bei diefem „Sprinting“ gilt es, 
mit jedem Schritt das Aeußerſte zu 
letiten, deſſen der Körper fähig ift. 
Beim Laufen über größere Diſtan⸗ 
zen heißt es hauszuhalten mit der 
Kraft und eine beitimmte Taktik 
zu verfolgen, die nur durch Er⸗ 
fabrung erworben werden Tann. 
Ye größer die Strede, deito mehr 
fol man zurüdhalten, um am Ende, 
beim „Spurt”, noch einen möglichit 
großen Kraftaufwand einjeßen zu 
fönnen. 

Beim Rennen über kurze Diftan- 
zen kann daher von einer berech- 
nenden und bemußten Taktik kaum 


nn 


nr 





Aporyomenos nach £yfippos. 


X. 2. Aihlefik. 


die Rede fein. Man tut eben alles, 
um der Erfte zu werden, nach dem 
Wie fragt man nidt. Sehr ſchwie— 
rige, wenn nicht die ſchwierigſten 
Aufgaben ftelen die mittleren Di- 
ftanzen. Eine GStrede von etwa 
400 m erfordert zufammen mit der 
größten Schnelligkeit eine Aus— 
dauer, die nur durch ein jehr jorg- 
fältige8 Training zu erzielen ift. 
Während dieſes Trainings muß 
man außerordentlich vorfichtig vor= 


Nro. 587. 


berüdjichtigt, und ehe man’3 ge— 
dacht, macht ein organischer Fehler 
allem Sport ein Ende. Man laſſe 
das Tempo zunächſt unbeacdhtet und 
laufe beim Ueben immer einige 
100 m über daß Ziel, da3 man 
fich gejtedt Hat. Im übrigen ver- 
lafje man ſich auf daS eigene Ge: 
fühl, jofern es gefund ift, und gebe 
eher ein ausfichtlofeg Nennen auf, 
als daß man ſich von falſchem Ehr- 
geiz verleiten läßt, die Strede zu‘ 





306. Wettlauf. 


gehn, um fich vor Weberanftrengungen 
zu hüten. Die ganze Strede mit 
voller Schnelligkeit zu deden, fol 
man erit gegen Ende probemeife 
verfuden, wenn Herz.und Lungen 
fih den hohen Anforderungen tadel- 
los angepaßt Haben. Die Regel 
muß alſo immer fein, im Training 
für längere Diftanzen in mäßigem 
Tempo anzufangen und es nicht 
eher zu bejchleunigen, als die ge- 
famte Konftitution es geftattet. 
An die großen Diftanzen, 1500 m 
und Darüber, wage man. fich nur, 
wenn man in langem Training den 
Beweis erhalten hat, daß man zum 
Dauerläufer prädeftiniert ift. Da 
die Symptome der Meberanitrengung 
beim Dauerläufer naturgemäß all: 
mäbhlich eintreten, überjieht man jie 
leicht ; fie werden infolgedefjen nicht 


Ende zu laufen. Jedenfalls fei 
man bejtrebt, bei allen Rennen über | 
größere Streden ein Reſiduum an, 
Kraft für den Schluß aufzufparen. ' 
Man lafje während des Rennens 
die Gegner nie aus dem Auge und 
trachte nicht fo jehr danach, von 
vornherein einen großen Vorfprung 
zu gewinnen, als ihnen die Ge: 
mwinnung eines Vorſprungs unmög: 
lich zu maden und fie im Schluß: 
fampf ficher Hinter fich zu laſſen. 

Die D. S. B. f. X. hat neben den 
reinen Rennen noch einige Arten 
von Wettläufen vorgefehen, die teils 
auf militärifhe Bebürfnifje, teils 
auf die Vorbilder des Pferdefports 
zurüdzuführen find. 

587. Beim Stafetten- oder 
Mannjchaftslauf wird eine An: 
zahl von Läufern in SIE RABIgEN 


Bu SEEN 


—— 
J 


Nro, 588-590. 


Zwifchenräumen über eine große 
Strede verteilt. Der Erjte in der 
Kette empfängt eine Fahne, ein 
Tucd oder dergleichen und muß es 
mit größtmöglicher Schnelligkeit 
dem Zweiten überbringen, der e$ 
dem Dritten zuträgt, und jo fort, 
bis die ganze Kette durchlaufen ift. 
Die zu einem Klub, einer Stadt 
oder einem Verband gehörigen 
Bewerber follen dur Kleidung 
oder Abzeichen als zufammengehörig 
fenntlih fein, und jeder Läufer 
darf ji erit dann in Bewegung 
jeßen, wenn er aus der Hand jeines 
VBormannes das zu überbringende 
Zeichen empfangen bat. Das Prin— 
zip ift natürlich dem alten mili— 
täriſchen Nachrichtenwejen entnom= 
men. 

988. Das Geländelaufen(Fuchs— 
jagd) führt über freies Gelände mit 
natürlichen Hinderniffen. Es iſt 
jelbftverftändlich, daß derartige Ren: 
nen, namentlid wenn fte über 


3. W. Schroeker. 





ordentlihe Anforderungen an die 
Teilnehmer ſtellen und in ſchwieri— 
gem Gelände unter Umſtänden auch 
Gefahren mit ſich bringen. 

589. Hindernisrennen führen 
über Rennbahnen mit Fünftlichen 
Gräben, Zäunen, Mauern, doch 
auch das Sad: und Fablaufen ge— 
hört hierher, wenn es auch nicht 
als jportlihe Uebung im ftrengen 
Sinne betrachtet werden kann. 

590. Hürdenrennen werden auf 
vorbereiteter Bahn veranftaltet. Die 
10 Hürden follen 1m hoch und 
9 m von einander entfernt fein, die 
Bahn muß aljo eine Länge von 
110—120 m haben. Im erjteren 
Falle joll der Anlauf 15, der Aus: 
lauf 14, im leßteren der Anlauf 20, 
der Auslauf 19 m betragen. Die 
Hürden dürfen nicht feſt jtehen. 
Das Ummerfen einer oder mehrerer 
Hürden fommt für das Ergebnis 
des Rennens nicht in Betracht. Für 
die Wertung eines Laufe als Re— 


größere Streden führen, außer: | ford iſt jedoch Bedingung, daß 





307. Hürdenlauf. 


— — 8 


m me FA mi 8 


x. 2, Athletik. 


Nro. 591. 


feine Hürde umgemworfen murde. | verführen daher leicht zur Nach: 


Die ganze Strede legen die eng- 
liihen Athleten in 18, ja 17 Se: 
funden zurüd (Silberer). Dazu 
benußen ſie eine befondere Me: 
ihode, den Dreifchritt, mit dem 
fie die Hürden „nicht eigentlich 
überfpringen, jondern im Lauf 
überfchreiten , 
aenau einteilend, ſodaß Hinter 
jeder Hürde, außer dem Auffprung, 


nur drei Schritte bis zur nächſten 
Hürde gemacht werden”. Es fommt 


alfo alles darauf an, daß man das 
Ueberjegen der einzelnen Hürden 
nicht als einen Sprung mit An: 


lauf betrachtet, das Ganze nicht als 


eine Kette von Sprüngen, fondern 
daß man die ganze Gtrede in 
Sprungſchritten zurüdlegt, die ſich 
als Weitjprünge, unterbrochen von 10 
Hochweitſprüngen, charakterifieren. 


dabei die Schritte, 





Bejonders ift darauf zu achten, daß 


beim Auffprung hinter der Hürde 


feine Zeit verloren geht, jondern 


daß der auffpringende Fuß die 


nötige Glaftizität befist, fofort einen 
neuen ausgiebigen Schritt herzu— 
geben. 
diefer außerordentlih jchmwierigen 
Uebung beide Beine und Füße jehr 
gleichmäßig zu hoher Leiftungsfähig- 
feit ausgebildet werden. Eins der 
größten Geheimniffe des Hürden 


laufs ift die Vermeidung von Kraft: 


vergeudung, die leiht Dadurch ver: 
urfacht wird, daß man den Sprung 
höher nimmt, als nötig ijt. ALS 


Hürden benuft man leichte Latten= | 


gejtelle, die beim Anſtoß umfallen, 
oder auch Latten mit aufrecht jtehen- 
den Neiligbündeln, wie man fie 
bei Pferderennen fieht. An den 
Lattengeftellen holt man fich zwar 
leichter blaue Fleden am Knie und 
Schienbein, dafür geben fie ein 
aetreuere8 Bild der im erniten 
Kampffpiel benugten Hinderniſſe. 
Die Hürden aus Keifig kann man 


Es leuchtet ein, daß bei 





macht. 





läſſigkeit und zur „Mogelei“, die 
den Läufer hindern, ſein Beſtes 
einzuſetzen. 

591. Das Springen. Der Sprung 
iſt wie der Wurf eine Uebung, bei 
der die ganze zu entfaltende Ar— 
beitsleiſtung in einen minimalen 
Zeitraum zuſammengedrängt wird. 
Er verlegt in den Bruchteil einer 
Selunde alles, was die in Betracht 
kommenden Muskelgruppen über— 
haupt zu leiſten vermögen. Der 
Abſprung erfolgt ſtets aus der Knie— 
beuge durch eine äußerſt ſchnelle 
Kontraktion der Strecker des Ober: 
ſchenkels, die entſprechend ſtark und 
elaſtiſch ſein müſſen. Die körper— 
liche Dispoſition ſpielt beimSpringen 
eine beſonders große Rolle. Die 
Länge der Knochen, die Anſatzſtellen 
der Muskeln, die durch beide Fak— 
toren gegebenen Hebelverhältniſſe 
ſind von größter Bedeutung, und 
es iſt nicht zu verwundern, daß 
ſich unter den berühmten Sprin- 
gern und Refordinhabern verhält: 
nismäßig viele abnorme Geitalten 
befinden. Der Kundige wird auch 
begreifen, daß bei diefem Sport, 
bei dem die ganze phyfifche Leiftung 
auf einen einzigen Fleinen Moment 
ih zufammendrängt, eine gewiſſe 
Nervofität häufig beobachtet wird, 
die die bei manchen Springern zu 


 bemerfende Unregelmäßigfeit der 


Zeiftungen erflärlid madt. Man 
wird beim Ueben ſehr bald jelbit 
fühlen, wie abhängig man von 


‚jeder momentanen Dispofition ift. 


Ein Sprung, den man heute pie: 
lend vollbringt, ift morgen einfach) 
nicht herauszubolen. CS Hat aud) 
gar feinen Zwed, dat man fi in 
jolden Fällen quält oder Gedanken 
Man verfude es am näch— 
iten Tage von neuen, und man 


kann erleben, daß man mittlerweile 


an Leiftungsfähigfeit zugenommen 


mit dem Fuß durchſtreichen, fie | hat. 


Nro. 592. 


592. Der Weitfprung. Bei allen 
Arten ded Springen? wird nad) 
den Satungen der D. S. B. f. A. 
von ebener Erde vder von einem 
in die Erde eingelafjenen, an feiner 
Stelle über den Erdboden hervor: 
ragenden, nicht federnden Sprung: 
brett abgeiprungen. Vorgeſchrieben 
ift ein mindeftend 10 cm breiter, 
deutlich fichtbarer Balken, von deſſen 
vorderer Grenze aus in fenkrechter 
Richtung bis zum hinteren Abdrud 
des aufipringenden Fußes gemejjen 
wird. Fällt der Springer rüd: 
wärts oder tritt er nad) erfolgtem 
Sprung zurüd, fo zählt der Sprung 
zwar, er wird aber nicht gemeffen. 
Die zmwifhen dem abfpringenden 
und dem aufipringenden Fuß lie: 
gende Strede muß alfo tatſächlich 
bewältigt fein, und da der port: 
lihe Sprung aus dem Gebraudh3: 
fprung (Ueberſetzen von Gräben 2c.) 
hervorgegangen ift, fo ift diefe For: 
derung nicht mehr als billig. Es 
fommt alfo alles darauf an, daß 
der richtige Abſprung getroffen wird 
und daß der Springer an der 
Stelle, wo er auffpringt, fofort 
wieder ficher fteht. Befonders un⸗ 
vorteilhaft für ihn ift es natürlich, 
wenn der Abfprung zu kurz, alio 
vor dem Balfen genommen murde. 
Die Differenz muß natürlich bei 
der Wertung des Sprunges ab: 
gerechnet werden. Merkwürdiger: 
weife ift man erjt in den leßten 
Jahrzehnten zu der Erkenntnis ge- 
kommen, daß der Anlauf, und zwar 
ein fchneller Anlauf, die wichtigſte 
Borbedingung für einen guten Weit- 
jprung if. Man rechnet auf den 
Anlauf heute 35—40 m, die mit 
etwa 20 Schritten in fchnellftem 
Tempo zurüdzulegen find. Der 
Abjprung leidet jtetS, wenn ber 
Springer im legten Augenblid noch 
unfider ift, ob er mit dem ab» 
fpringenden Fuß den Balken aud) 
trifft. Im Ernftfalle tut man alfo 


3%. Schrozter. 


gut, die Entfernung zeitig mit Den 
Augen, eventuell auch mit Schritten 
abzufhäten und fih jo vor einem 
verfehlten Abfprung zu ſchützen, 
denn auf den Anlauf und nament- 
lich deſſen lette Schritte jind alle 
phyfifchen und geiftigen Kräfte zu 
fonzentrieren. Den Sprung jelbft 
ihildert O. Karges mie folgt: 
„Nach dem Abftoß vom Balten fol 
der Körper in zufammengedrücter 
Haltung, Kopf voran, mit angezoge- 
nen Knien fliegen und in dieſer Zage 
beharren, folange der Schwung 
reiht. Im letten Moment wird 
durch eigenen Körperihmwung, d. 1. 
ein kurzes, energifche® Nach: und 
Aufziehen des Unterförpers mit 
gleichzeitigem Hochſchnellen derArme, 
der Abſtoßſchwung gewiſſermaßen 
erneuert. Dieſe Bewegung, das 
„Schneppern“, kann ſogar im 
ſelben Sprung wiederholt werden. 
Wer ſie gut beherrſcht, kann ihr 
eine Vergrößerung der Sprung: 
weite um 50 cm und mehr ver: 
danken.” Natürlid werden aud 
beim Sprung die Beine durch ent: 
fpredende Armbewegungen unter: 
jtügt. Ein guter Weitfpringer nimmt 
in der Luft eine Stellung an, bie 
den Zuftwiderftand auf Das geringfte 
Maß befchräntt, er zieht die Knie 
hoch an die Bruft herauf, der Ober⸗ 
förper geht, den Kopf voran, faft 
wagrecht durch die Luft, die Arme 
werden mit energifhem Schwung 
nad Hinten geworfen. Der ge- 
nannte Turnlehrer ftellt Die gewiß 
berechtigte Forderung auf, daß etwa 
vorhandene natürliche Anlagen durd) 
fein umſtändliches Lehrverfahren 
verdorben werden dürfen. Zu den 
pädagogiſchen Berirrungen rechnet 
er jede künſtliche Beeinfluffung des 
Anlauf, wie den Abfprung mit 
vorher beitimmtem Bein und den 
Lauf mit beftimnter Schrittzahl. 
Nahezu jeder Menich hat ein Sprung: 
bein, d. 5. der eine Fuß eignet fich 


nn — — — — — — 


— 


natürlich weſentlich einfacher. 


x. 2. Nihletik. 


befjer zum Abſprung als der an⸗ 
dere; meift ift e8 der linfe. Die 
Gründe dafür find noch nicht klar⸗ 
gelegt. Es fcheint aber feftzujtehen, 
daß fi das Sprungbein erjt etwa 
vom 11. Jahre an ausbildet. Ob 
man gut daran tut, dieſe einfeitige 
Ausbildung al3 natürlich Hinzu: 
nehmen und zu fürdern, oder ob 
e3 beſſer ift, durch eine entipre: 
chende Erziehung das Gleichgewicht 
der Körperhälften wieder herzu- 
ftelen, die Frage ſcheint leicht zu 
entjcheiden. deal wäre jedenfalls 
die Symmetrie. Sie ift aber, wie 
alle Ideale, nicht zu erreichen. 

Die Mebungsmethode braucht faum 
erflärt zu werden. Ueben muß 
man vor allem die Kunft, „in 
volliter Schnelligkeit vom richtigen 
Pla aus einen guten Abjprung zu 
bewerfitelligen”. Das läßt ſich nur 
durch fleißiges Probieren und Stu- 
dieren erlernen, und nur wer fi 
darin genügend gefördert hat, wird 
jene Ruhe und Sicherheit erwerben, 
die bei Wettfämpfen gerade für 
den Springer unbedingt nötig ift. 

Der Weitiprung ohne Anlauf ı 

83 
fommt dabei alles auf einen ficheren 
und fraftvollen Abſprung mit bei- 
den Füßen und auf ein energijches 
Vorwerfen der Beine nad) vorn 
während des Sprunges an. Auf 
die Technik näher einzugehen hat 
feinen Zweck, da fi aus wenigen 
Verſuchen die zu beobachtenden Re- 
geln von felbft ergeben. 

593. Der Hochſprung Hat für 
die Praxis geringere Bedeutung 
al3 der Weitiprung, da man mohl 
nur felten genötigt ift, einen freien 
Sprung über ein hohes Hindernis 
auszuführen. Man wird meift zu 
dem weniger eleganten Klettern 


oder Doch zu einem Stüßiprung | 


feine Zuflucht nehmen, da der Frei: 


ſprung über harte und Fantige 


Gegenftände nicht ganz ohne Ge: 


Nro. 593. 


fahr für die Knochen und andere 
empfindlide Körperteile iſt. Der 
Anlauf, der beim Weitfprung eine 
jo eminente Bedeutung hat, ift für 
den Hochſpringer weit weniger wid): 
tig. Daraus erflärt es fih, daß 
man beim Wettfampf oft die beften 
Hochſpringer mit ein paar ruhigen, 
entichiedenen Echritten zum Ab: 
fprung fajt gehen fieht, von dem 
fie fih mit einem eleganten Sat 
über die Latte jchwingen. Es 
Iprechen bier beſonders die natür- 
lien Anlagen mit, und wer fie 
nicht beſitzt, wird feine urfprüng- 
lichen Xeiftungen nur um wenige 
Grade fteigern können, während 
ein Weitipringer fich durch richtiges 
Ueben oft außerordentlich fördern 
fann. Bei präbdeftinierten Hoch— 
fpringern findet man häufig be- 
fonder8 lange Beine-und einen 
furzen, leichten Oberförper. Die 
Hauptſache ift immer eine feite und 
fchnellfräftige, aber nicht voluminöfe 
Beinmusfulatur, 

Sehr einfach ift der Hochſprung 
ohne Anlauf. Man fpringt mit 
gefchlofjenen Füßen gleichzeitig ab, 
und e3 gilt vor allem, im Sprung 
Knie und Füße mit energifthen: 
Ruck möglichft Hoch an den Körper 
zu ziehen. Der Abfprung muß 
natürlid mit den Zehen und mit 
äußerjter Kraft und Entfchiedenheit 
geihehen und wird meiſt unter: 
ftüßt durch ein fräftiges, paralleles 
Schwingen beider Arme, deſſen Be- 
deutung ſich ſchon aus der Tatſache 
erklärt, daß Berufipringer, wie man 
fie im Variete Häufig fieht, bei 
folden Sprüngen leichte Hanteln 
in die Hände nehmen, die fie im 
Moment des Abjprunges mit der 
Schwingung von fih fchleudern, 
um die eigene Schnellfraft zu er- 
öhen. 

Für den Hochſprung mit Anlauf 
gibt es zwei Methoden. Bei der 
deutjchen läuft der Springer ſenk⸗ 


Nro. 593. 


J. W. Schroeler. 


recht von vorn auf die Latte oder das körper zu ihnen im ſpitzen Winkel 


Sprungſeil zu, bei der engliſch-ſchot⸗ 
tiſchen in ſchräger Richtung. Lei⸗ 
ſtungsfähiger iſt jedenfalls der rein 
empiriſch gewordene engliſche Hoc 
ſprung, und wenn man behauptet, 
er ſei nicht jo ſchön wie der kor⸗ 
rekte deutſche, ſo dürfte ſich ein 
Grund für dieſen äſthetiſchen Ein— 
wand ſchwer finden laſſen. Die 
Hauptſache iſt, daß der Springer 
ſicher über die Latte kommt, und 
die Aeſthetik wird ſich wohl auch 
hier mit ihrem Urteil nach dem 
Zweckmäßigen richten müſſen. Der 
Anlauf hat nur die Bedeutung einer 
phyſiſchen Vorbereitung und ſollte 
nicht über 10—12 m ausgedehnt 
werden. Mit dem lebten Schritt 
muß der abjpringende Fuß genau 
die Kante des Sprungbalfens 
treffen, deren Entfernung vom Lot 
der Latte etwa ?/, der Latten⸗, bezw. 
Schnurhöhe betragen fol. Man 
unterjcheidet nach der im Sprung ein- 
genommenen Stellung den Spreiz: 
und den Hodjprung. Beim a 
werden die gejtredten Beine ge— 
wilfermaßen über die Latte ge⸗ 
ſchwungen; beim leßteren werden 
die Knie nad) dem Abfprung ſchnell 
bis zur Bruft emporgeriffen, wor: 
auf, nachdem die Füße die Latte 
pafliert haben, die Beine energiſch 
Ihräg nach unten geftredt werden. 
Es ift befonders darauf zu achten, 
daß beim Niederfprung durch eine 
Ichnellende Bewegung im Kreuz dag 
Geſäß glatt über die Latte gebracht 
wird, Dabei Hüte man fich jedoch, 
auf den Nüden zu fallen. Das 
Mitſchwingen der Arme ergibt fi 
aus der Praris von felbjt. Der 
englifhe Spreizfpringer zeigt in der 
Luft ein ganz anderes Bild. Am 
höchſten Moment des Sprunges 
nimmt er über der Latte eine faft 
fißende Stellung an, in der die 
geſtreckten Beine parallel der Latte, 
aljo wagerecht Tiegen, der Uber: 





fteht, während die Arme weit aus; 
gebreitet ſchwingen. Im Nieder: 
fprung ftredt fi der Körper, jo: 
bald das Gefäß die Latte pafftert 
bat. Unter allen Umftänden zu 
vermwerfen ijt ed, wenn der Springer 
in gehodter Stellung wie ein Knäuel 
auf den Boden fommt. Der Nieder: 
fprung fol in geftredter Haltung 
und elaftifch erfolgen. Analyfiert 
man die Bewegung des englifchen 
Schrägiprunges, jo wird man fin: 
den, daß der Körper während Des 
Sprunges ähnliche Lagen einnimmt, 
als wenn er in fißender Stellung, 
3. B. über ein „Pferd“ (Sprung: 
gerät), eine fogenannte Kehre machte. 

Beilpiel: Der Springer a nimmt 


oO. 


den Anlauf b zum Abſprung c. - 


d 





Er fpringt ab mit dem linfen Fuße 
und wirft zunädft das rechte Bein 
über die Latte d; holt in fitender 
Stellung über der Latte das linke 
Bein nad und ſchwingt mit einer 
Kehre des ganzen Oberkörpers nad 
rechts beide Beine über die Latte. 
Diefe Kehre findet man bei ein- 
zelnen befonders fähigen Springern 


.- 


fo modifiziert, daß der Körper über 


der. Latte faft gerade und wage— 
recht ausgeſtreckt erjcheint, ein tech- 
nifches Mittel, das nicht aanz leicht 
zu erlernen ift und bei Anfängern 
oft Stürze zur Folge bat. Bon 
den MWettlampfbeitimmungen Der 


D. S. B. f. A. beftimmt 8 49 über | 


den Hochſprung mit Anlauf: „Der 
Sprung gefchieht über eine auf 
Borfprüngen der Sprungpfoften 
liegende Latte. Gemefjen wird 


. 


X. 2. Mihlefik. 


von der Mitte der Latte in ſenk—⸗ 
rechter Richtung bis zum Erd: 
boden. Abwerfen der Latte oder 
ein unausgeführter Sprung, bei 
dem der Springer den Boden jen- 
ſeits des Sprunggeftell3 berührt, 
bewirkt, daß der Berfuch zwar ge⸗ 
zählt, aber nicht gemefjen wird. 
Bei gleiher Sprunghöhe gilt der 
Sprung als der befjere, bei dem 
die Latte nicht berührt wird. Wird 
die Hödhftleiftung von mehreren Teil: 
nehmern glatt überfprungen, fo er: 
folgt ein Stechen durd) drei Sprünge 


in der vorhergehenden Höhe. Führt 


dieſes Stehen zu feinem Ergebnig, 
fo werden die zur Verfügung ftehen- 
den Preife unter den Betreffenden 
außgeloft.” 

594. Der Weithochſprung wird 
nad) den felben Regeln ausgeführt 
und beurteilt wie der Hochſprung. 
Die Weite und Höhe des Sprunges 
müſſen fich wie 2:1 verhalten, jo: 
Daß die Weite jtet3 um 10, die 
Höhe um 5 cm wächſt. Es han⸗ 
delt fih Hier alfo um eine einfache 
Kombination der beiden oben ge: 
ſchilderten Sprungarten, auf die 
deren Gejete ohne weitered über: 
tragen werden können. 

595. Der Dreifprung ift eine 
Tchwierige Kombination dreier 
Sprünge, die für die Praris ge- 
ringe Bedeutung hat, als fportliche 
Uebung aber wegen der hohen An- 
forderungen, die fie an den Aus: 
führenden ftelt, erwähnt werden 
muß. Man unterfcheidet nach Dr. 
MWeinftein drei Stilarten, die 
deutfche, englifhe und irifche, die 
ſehr verſchieden voneinander find. 
Der deutfhe Dreifprung ijt ein 
verhältnismäßig einfacher Schritt- 
fprung, links⸗rechts-links oder rechts⸗ 
links⸗rechts, wobei der Schlußiprung 
immer mit beiden Füßen auszu= 
führen ift. Ein guter Weitfpringer 
Ieiftet nach diejer Methode 12 big 
13 m. Seder Springer wird es fo 


— — —— —ñ —ñ —ñ— — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — —— — — 


Nro. 594-596. 


einzurichten fuchen, daß er zweimal 
dag Sprungbein und einmal dag 
andere zum Aufſprung benutzen 
fann. Der engliihe Dreifprung 
nah dem Stil der olyınpilchen 
Meiſterſchaft ift bedeutend ſchwie— 
tiger. „Der erfte Teil des Sprun= 
ges ift ein ‚hop‘, d. h. ein Sprung 
auf dem felben Zuß, mit dem man 
abiprang; er muß möglichſt ein 
Weitfprung fein. Dann erfolgt 
mit dem ‚jtop‘ der Uebergang auf 
den andern Fuß zum ‚Sump‘, der 
ein richtiger Weitfprung wird. Der 
Vorteil und zugleih die Haupt: 
ſchwierigkeit des engliſchen Sprun= 
ges liegt im mittleren ‚Stop‘. Der 
zweimalige Abiprung des jelben 
Beines bedeutet feine geringe An: 
ftrengung für das Sprungbein, das 
fih unter der Wucht des erjten 
Niederfprunges jofort wieder ela= 
ftifch zu neuem Satz ftreden ſoll.“ 
Faft unnatürlich erfcheint der irische 
Dreifprung, der ganz auf einem 
Bein ausgeführt wird. Er befteht 
aljo aus „hop, hop und jump“, 
und es leuchtet ein, daß eine folche 
Anftrengung für die in Betradt 
fommenden Gelenfe, namentlich) 
das Knie: und Knöchelgelenk, nicht 
ganz unbedenklich if. Auf hartem 
Boden follte man den Dreifprung 
nie ausführen. Raſen ift am bejten 
geeignet, aber auch da noch beob- 
achte man äußerfte VBorfiht, um 
Sehnenzerrungen, Berftauhungen 
und Brüche der Knöchel zu ver: 
hüten. Gemeſſen wird der Drei— 
iprung wie der Meitfprung. Rüd- 
wärtsfallen und NRüdmwärtstreten 
haben die jelben Folgen wie bei 
diefent. 

596. Der Stabfprung bat eine 
ebenfo hohe praftifche wie ſport— 
lihe Bedeutung. Beim Nehmen 
von Hinderniffen, Gräben, Zäunen 
u. |. mw. leiftet eine genügend lange 
Stange, im Gebirge der Bergſtock, 
oft die fchägenswerteften Dienite, 


Nro. 596. 


F. W. Schroefer. 


und wie viel eine ſolche Stüße | fprung mit ihrer Hilfe ein gutes 


vermag, iſt aus den Zahlen der 


Rekordliſte leicht zu erjehen, wo⸗ 


nah Stabjprünge nahezu die dop— 
pelte Höhe der Freijprünge er- 
reihen. Die Urſache dafür liegt 
in der Mitwirkfung der Arme, die 


der ganzen Uebung einen bejonderen 


jportlihen Wert verleiht, meil ſie 





308. Stabhochfprung. 


den ganzen Körper energifh in 
Anſpruch nimmt. Naturgemäß 
fommt für die Leiftungsfähigfeit 
des Stabjpringer8 auch die Arm: 
und Bruftmusfulatur mwejentlich in 
Betracht, da er ſich nad 








muß. 





dem Ab: | 


Stüf über die Entfernung oder 
die Höhe hinauswerfen kann, Die 
die Schnellfraft der Beine allein 
ihn erreichen lafjen würde. Man 
ergreift den Stab mit beiden Hän= . 
den am oberen Ende, ſodaß das 
lange Spitenende nad links vorn 
und ein wenig aufwärts gerichtet 
ift. Die meilten Springer greifen 
links mit Obergriff, recht3 mit 
Untergriff. Der Anlauf geht in 
jenfrechter Richtung auf die Latte 
zu. Er foll jchnel und entſchieden 


‚erfolgen und etwa 30 m lang fein. 


Der Abjprung erfolgt mit dem 
linfen Fuße. Anlauf und Sprung 


ſollen ſich möglichft in einer geraden 


Linie vollziehen. Höhe und Weite 


des Sprunges jind abhängig von 


der benugten Stablänge und der 
Entfernung des Einſatzpunktes vom 
Abjprung. Wie man den Stab am 
beiten faßt und wie man einjeßt, 
läßt ſich kaum befchreiben. Hier ift 
das Brobieren der bejte Tehrmeifter. 
Man vermeide e8 aber, den Stab 
zu lang zu fajjen, da fonft uns 
mittelbar nad) dem Abjprung der 
ganze durch den Anlauf gewonnene 


Schwung vernichtet wird, weil der 


Körper zu fteil aufwärts fteigen 
Karges analyjiert den 
Stabjprung folgendermaßen: „Nach 
dem Abjprung links jpreizt zunächjt 


‚das rechte Bein fräftig vor, ihm 


ſchließt ſich das Sprungbein un- 
mittelbar an; gleichzeitig zieht der 
rechte gebeugte Arm den Körper 
hoch und mit der Bruſt dicht an 
den Stab heran, ſodaß der Sprin— 
ger alſo im Aufſprung eine Viertel— 
drehung (rechte Flanke nach oben) 
macht; der untere linke Arm übt 
dabei eine ſtützende Tätigkeit und 
beteiligt ſich ſchließlich durch 
Strecken an dem Vorwerfen des 


Körpers vor dem Niederſprung, 


wobei indes der obere (rechte) Arm 
gleichfalls den Löwenanteil über- 


a2 sea EZ FE EEE ©" 





Disfoswerfer nach Myron. 


x. 2. Aihlefik. Niro, 597—598. 


nimmt. Beide Arme bleiben am! Mefjung und Wertung gefchieht wie 
: Stab und hüten jo den Springer, | beim Weitfprung bezw. Hochſprung. 
der eine Art Fahne ausgeführt hat | Die Stange fol fi beim Sprunge 
und in möglichſt jpigem Winkel | nicht biegen.” 
zum Boden, die linfe Flanke ihm | Bis vor kurzem murde ſportlich 
zugekehrt, verharrt, vor dem fonjt | eigentlich nur der Stabhochfprung 
unvermeidliden Zurüdfallen. betrieben, und darin weift die Re 
Die Beftimmung des Stabes als | fordlifte ſehr beachtenswerte Zahlen 
belfenden Sprunggerätes verlangt | auf, mährend der Stabweitiprung 
es, daß fich der Springer während | ganz vernadhläffigt wurde. Es wäre 
des Freifliegens wirklih auf ihn entſchieden zu wünſchen, daß aud 
ftüßt, daß er gemwiflermaßen auf | diefe Hebung nachdrücklicher gepflegt 
ihm balanciert, d.h. fich mit feinem | würde, denn fie ift e8 wert, und 
Schwerpunft über der Einfasftelle | duch ihre praftifche Anwendbarkeit 
oder dem Stabende befindet, nicht | empfiehlt fie entfchieden noch mehr 
daneben. Dazu ift es begreiflicher- | ald den Stabhochſprung. 
weije erforderlih, daß der Stab | 597. Die Sprunggeräte. Die für 
nach dem Einfag und Abfprung | alle Sprungübungen nötigen Ge: 
nicht gerade nad) vorn hochgeht, | räte find fehr einfach. Als Sprung: 
fondern etwas nad) links abweicht | jtänder benugt man zwei genau 
und fo gemiflermaßen die Hälfte | eingeteilte Holzfäulen mit verftell- 
eines Kegelmantel3, defien Spite | baren Vorfprüngen, auf die man 
im Einfat liegt, beſchreibt.“ die Sprunglatte legen fann. Die 
Es hat fih gerade beim Stab: | Höhe der Sprungftänder muß 
fpringen eine ganze Anzahl von |natürlih beim Stabfpringen be— 
Methoden Herausgebildet, auf die ſonders groß fein (3,50 big 4m), 
einzugehen bier zu weit führen | die Stäbe werden aus aftfreiem 
würde, da faſt jeder Springer feinen | Kiefern= oder Eſchenholz gefchnitten, 
eigenen „Trick“ hat. Wichtig find | find 2,5 bis 4,5 m lang und 4 bis 
Dagegen die Beitimmungen der | 5 cm did. An der Spige jollten 
. ©. f. 4: „Der Sprung fie eine Scheibe haben, die das 
muß in der Richtung der Anlauf: | Einfinten in den Boden verhindert. 
linie erfolgen. Seitlich abweichende Man benutzt auch Bambusftäbe 
Sprünge find nicht zu werten. Die | oder Stahlftäbe aus Mannesmann- 
Länge der Stange ift nicht vorge= | rohr. Die Sprunglatte darf fich, 
fchrieben. Das Zurüdwerfen der | wenn fie das Maß exakt bezeichnen 
Stange ijt nicht geftattet. Die! fol, nicht zu fehr durchbiegen. 


Il. Die Stols-, Wurf- und Schleuderübungen. 


598.. Das Stoßen und Werfen. | fehr wichtig, ſodaß er den andern 
Beide Uebungen gehören zu den | durhaus nicht nadjfteht. Er follte 
athletifjhen Bewegungen, bei denen | bei ung in Deutfchland noch viel 
die oberen Extremitäten die Haupt- | intenfiver gepflegt werden, als es 
rolle jpielen, während der Rumpf, | bis jegt gefchah. Für die Erhöhung 
die Beine und Füße eine felundäre, | der GElaftizität des Körpers und 
mehr unterftügende Tätigkeit aus= | des gefchmeidigen Zufammenarbei- 
üben. Sportlid ift diejer Zweig | tens feiner jämtliden Muskel— 
der modernen Athletit jedenfalls | gruppen gibt es kaum eine bejjere 


Niro. 599 — 601. 


und univerjellere Uebung. Wir 
unterfheiden das Stoßen, Werfen 
und Schleudern. 

599. Das Stoßen charakterifiert 
ſich dadurh, daß das mit einer 
Hand gefakte Geſchoß beim Aus- 
holen nicht weiter als bis zur 
Schulter zurüdgeführt werden darf. 
Ausgeführt wird das Stoßen mit 
dem Stein oder mit der Kugel. 
Der Stein fol '/, oder '/, Zentner 
wiegen, die Kugel muß 7", oder 
12'/, kg jchwer fein. Man jtößt 
und wirft aus dem Stande oder 
mit Anlauf. Beim Stoß mit der 
rechten Hand aus dem Stand ftellt 
man fi, den linken Fuß vorn, in 
weite Auslage, dabei wird Die 
rechte Schulter ganz zurüdgedreht, 
das rechte Knie gebeugt. Die ganze 
Stellung bezwedt, Raum für ein 
möglichjt ausgiebiged® Ausholen zu 
ſchaffen. Der Ellbogen bildet dicht 
am Körper einen nad) oben offenen 
jpiten Winkel, ſodaß der Unter: 
arm nahezu ſenkrecht fteht, während 
auf der Hand der Stein oder die 
Kugel ruht. Beim Stoß ftredt ſich 
mit einer fprungartigen Bewegung 
das rechte Bein, die ganze rechte 
Körperfeite wirft fih nah links 
herum, und der gebeugte Arm 
ſtreckt ſich mit äußerfter Energie fo 
weit wie möglich nad ‚vorn dem 
Ziele zu, worauf das Geſchoß die 
Hand verläßt. Die Grenzlinie, auf 
der der linfe Fuß fteht, darf beim 
Vorwerfen des Körpers nicht über: 
Schritten werden. Beim Stoß mit 
Anlauf „gilt e8 als Hauptaufgabe, 
die Kugel oder den Stein aus dem 
lebendigen Schwung des Anlaufg 
heraus zu werfen, ohne vor dem Ab- 
wurf auch nur einen Augenblid zu 
ftoden”. Die größte Schwierigfeit 
beiteht darin, daß auch bei diefer 
Uebung die Mallinie natürlich nicht 
überjchritten werden darf. Da die 
Länge des Wurfes von der Mal: 
finie bis zum binteren Ende des 


F. W. Schrueler. 


Eindrucks gemeſſen wird, den das 
Geſchoß beim erſten Niederfallen 
hinterließ, ſo muß man ſich ſehr 
hüten, zu werfen, bevor die Mal— 
linie erreicht iſt, denn um das nicht 
zum Anlauf benutzte Stück wird 
der Wurf zu kurz gemeſſen. 

600. Das Werfen ſtellt bedeu⸗ 
tend höhere Anforderungen an Die 
Muskulatur und ift daher mehr 
Kraftübung als das Stoßen. Das 
Gewicht der zu benutenden eifernen 
Kugel ſoll 5 kg betragen. Für das 
Gewichtwerfen fannı jedes beliebige 
Material im Gewicht von '/, bis 
/, Zentner benugt werden, doch 
jo die gefamte Länge des Ge- 
ſchoſſes 45 cm nidt überfteigen. 
Die Kugel oder das Gewicht liegt 
auf der aufwärts gekehrten Hand: 
fläche des herabpendelnden Armes 
und wird nad einigen Schwingun: 
gen (Kegelfugel) von unten herauf 
nad vorn gejchleudert. 

601. Das Ger: und Speer: 
werfen ift entjchieden die fchönfte 
Wurfübung. Die beiden Waffen 
haben ihren urfprünglichen Charal: 
ter natürlih eingebüßt und die 
Uebung ihre praftifde Bedeutung. 
Das ift fehr zu bedauern, denn 
dem Aeſthetiker bietet fie geradezu 
Haffifhe Bilder. Man benupt ent: 
weder den deutſchen Ger mit 
ſchwerer vierfantiger Spite und 
nach hinten verjüngtem Schaft oder 
den ftumpfen, zylinderfürmigen Ger 
mit je einem CEijenring an den 
beiden Enden. Sehr beliebt ift feit 
einigen Jahren der leichte, elegante 
Ihmwedifche Speer von etwa 2'/, m 
Länge, mit 40 cm langer, runder 
Eiſenſpitze und °/, kg Gemidt. 
Diefes Geſchoß ift ganz für den 
Meitwurf Eonftruiert, und die Re—⸗ 
fordlijten zeigen, welche gewaltigen 
Entfernungen mit den Snftrument 
gededt werden. Der Germurf 
fombiniert gemijjermaßen die phyfio- 
logifhen Funktionen des Wurfes 


X, 2, Akhlekik. 
| des Anlaufes ohne Stockung für 


und des Stoßes. Die Auslage 
zeigt die Körperjtellung des Kugel- 
ſtoßens, doch mit weit nad) hinten 
ausholendem Speerarm. Die Spibe 
des Speeres weiſt nahezu parallel 
dem Wurfarm nach vorn und jchräg 
oben. Ye länger der Speer, deſto 
fiherer und gerader die Flugbahn. 
Man unterfheidet den Ziel- vom 


beachte die Mallinie! 


Niro. 601. 


‚den Wurf ſelbſt auszunugen. Man 
Die Flug: 
bahn des Zielwurfes ijt natürlich 
rajanter, geſtreckter als beim Fern: 
wurf, der am meitejten ausfallen 
wird, je näher der Winfel, in dem 
der Speer abfliegt, an 45 Grad zur 





Horizontale des Bodens Fommt. 





309. Gerwurf. 


Fernwurf. Während beim erfteren 


ein nicht allzu fern gelegenes Ziel 


mit der Speerjpige getroffen wer: 
den muß, gilt es bei legterem nur 
eine möglichſt große Strede zu 
überwerfen. Der Zielmurf wird 
nur aus dem Stande geübt. Der 
Fernwurf wird vorteilhaft durch 
einen Anlauf vorbereitet, und es 
gilt auch hier, den ganzen Schwung 


Im allgemeinen ift e8 Regel, den 
Speer in der Mitte zu fafjen. Viele 
Sport3leute ftellen jedoch das hin— 
tere Ende des Geräte auf das 
Mittelglied des rechten Ziegefingers, 
ftügen es in faft jenfrechter Stel: 
lung mit der linfen Hand, bis am 
Ende des Anlauf der Wurf mit 
einer Bewegung des rechten Armes 
nach hinten und oben, wie bei der 





Nro. 602. 3. W. Sıhroefer. 


normalen Wurfbewegung, unter |foll 2 kg betragen. Der Speer, 
energijcher Drehung des Rumpfes | ebenfald aus Holz, wiegt 800 g 
nach links erfolgt. Als Ziel be= | bei einer Länge von 2,60 m. Er 
nut man einen fogen. Gerkopf | hat eine fcharfe, eiferne Spige und 
oder eine Holztafel mit Ringjcheiben. | am Schwerpunft eine ſichere Griff- 
Nur für den leichten ſchwediſchen | ftelle, ummidelt mit einer fnoten= 





310. Disfoswerfer. 


Speer brauht man eine Stroh: |Iofen Schnur. Wenn der Wurf 
ſcheibe. gültig ſein ſoll, ſo muß das Gerät 

Die Satzungen der D. ©. B. mit der eiſenbeſchlagenen Spitze 
f. A. beſtimmen: „Der zur Ver: zuerſt den Boden bezw. das Ziel 
wendung fommende Ger muß aus | berühren. Beim „freien Stil“ kann 
Holz und am vorderen Ende mit | der Speer beliebig gehalten werben.“ 
Eijen beſchlagen fein; fein Gewicht 602. Der Schleuderwurf ift von 


X. 3. Athletik. 


Niro. 603. 


allen Wurfübungen phyfiologifch | möglid nad) hinten, wobei die 


wohl die ausgiebigfte und ener: 
giſchſte, da er wie feine andere 
den ganzen Körper in Anſpruch 
nimmt. Die Rumpf: und Bein: 
mudfulatur bat bier ausichlag- 
gebende Bedeutung, da fie eine fait 
größere Arbeit verrichtet al3 Die 
der Arme. Die großen, flachen 
Musteln der Bruft und des Rückens 
leiften die wichtigſten Funktionen, 
während die Arme eine mehr 
fetundäre Tätigkeit augüben. „Bei 
allen Schleuderübungen kommt e3 
darauf an, durch zweckmäßige Koor⸗ 
dination und ausgiebige Tätigkeit 
der Lenden⸗ und Rumpfmuskulatur 
dem belaſteten Arm einen mächtigen 
Schleuderſchwung zu erteilen und 
das Gerät dann im rechten Augen— 
blick fliegen zu laſſen.“ Die Be- 
mwegungen eines forreften, ſport⸗ 
mäßigen Schleudermurfes find in 
ihrer Gejamtheit jo fompliziert, daß 
für eine ausführlide Befchreibung 
bier der Platz fehlt. 

603. Den Diskoswurf befchreibt 
der deutſche Meifterwerfer Welz 
in „Körper und Geift“ folgender: 
maßen: „Man legt den Diskos fo 
auf die flache Hand, daß die End- 
glieder der vier gefpreizten Finger 
fih ein wenig um den Rand legen, 
während der Daumen dur Sprei⸗ 
zung die SHandflähe vergrößert. 
Der Wurf beginnt mit einem jent- 
rechten Hochſchwung des den Dis- 
kos tragenden rechten Armes, mwo- 
bei die Linke die Scheibe in ihrer 
Zage hält. Es folgen etwa zwei 
horizontale, langjame Pendel: 
ſchwunge von rechts nad links, 
mit geringer Kniebeugung, wobei 
das rechte Bein 50 cm vor dem 
linken fteht. Nun erft beginnt das 
eigentliche Ausholen mit fchnellen, 
ruckhaften Schwüngen. Zuerſt nod) 
ein horizontaler Schwung des ges 
ftredten Wurfarme® am linken 
Oberſchenkel vorbei jo meit als 


| rechte Hand unter der Scheibe, bie 


linfe Hand, noch ftügend, auf ihr 
ruht; zugleih ein ziemlich ftarfes 
In⸗die⸗Knie⸗Gehen. Hieran ſchließt 
ſich unmittelbar der Rückſchwung 
des Armed, verbunden mit kraft⸗ 
vollem Aufrichten (Aufjchnellen) 
des Körpers, gleichzeitigem Tritt: 
wechſel durch Sprung (rechtes Bein 
nach hinten) und weiterer balber 
Drehung auf den Fußſpitzen, ſo⸗ 
daß der Körper von der Wurfridh- 
tung abgekehrt ift, während der 
Arm, nunmehr mit nad) unten ge: 
fehrter Scheibe, weit nach hinten 





J — ar F 
ak 


311. Jm Distoswurf. 


Ihmwingt. Er hat dann von links 
aus mehr als einen ganzen Kreis 
bejchrieben. Das rechte Knie ift 
ziemlich ftarf gebeugt. Aus Ddiefer 
Stellung wird dann der Körper 
mit zwei raſchen Sprungfdritten 
in einer möglichjt ſchnellen Drehung 
herumgemirbelt, während der Arın 
natürlich völlig geſtreckt bleibt, und 
e3 erfolgt endlih mit dem Auf: 
jegen des linfen Beine8 und Bor: 
werfen der rechten Schulter der fo 
funftvoll vorbereitete Abmwurf. Se 
tiefer man ohne Berluft an Schnel: 
ligfeit au8 den Knien arbeiten kann, 
um fo größere Wurfweiten vermag 
man zu erzielen.” 


Yiro. 604-606. 


3. W. Schroeter. 


Doch es hat wenig Zweck, nad) | Anlauf und geſtrecktem Arm ge— 
folden Theorien um die Erlernung |; worfen. Die Hauptkunſt befteht 


des Diskoswurfes fich zu bemühen. 
Hier kann nur das lebendige Bei— 
ipiel fördern. Man ſehe ſich aljo 
gute Werfer an und verjude e3 
ihnen gleih zu tun. Wer den 
tanzartigen Wirbel eined geübten 
Athleten im Diskoswurf einmal 
gejehen hat, wird zugeben, daß es 
fi) hier bei aller Einfachheit des 
Gerätes um eine Univerjalübung 
handelt, die, geradezu raffiniert 
ausgedacht, jeden Muskel des Kör- 
vers zur höchſten Schnellfraft er: 
ziehen, die Anjammlung Inolliger 
Muskel: oder Fettmaffen aber un⸗ 
bedingt perhindern muß. Kein 
Wunder, daß man gerade unter 
den Diskoswerfern die vollendetften 
Athletengeftalten findet. Für den 
Diskos Schreibt die D. S. B. f. A. 
2 kg Gewicht und einen Durch— 
mefjer von 22 cm vor. Er fol 
aus Holz mit glattem Eijenrande 
beftehen und an beiden Seiten mit 
glatten Metallplatten bejchlagen 
fein. Er wird aus einem Kreije 
von 2,50 m Durchmefjer geworfen. 
Bom Mittelpuntte aus wird eine 
gerade Linie in der Richtung ges 
zogen, in der geworfen werden joll, 
Sm Winkel von 45 Grad nad 
beiden Geiten der eriten Linie 
werden zwei weitere gezogen, und 
nur wenn der Diskos zwiſchen 
dieſen beiden Seitenlinien nieder 
fallt, gilt der Wurf. Der Wer: 
fende muß ganz innerhalb des 
Kreiſes bleiben, bis der Disfos 
aufgefchlagen ift. Die Weite des 
Wurfes wird vom erſten Aufichlage 
des Tisfos big zur Peripherie des 
Kreiſes auf einer Linie gemefjen, 
die den Auffallort mit dem Mittel: 
punft des Kreijes verbindet. 

604. Der Schlenderball ift ein 
2 kg ſchwerer Lederball mit einer 
höchſtens 33 cm langen Leder: 
ſchlaufe. Er wird mit beliebigem 


alfo darin, daß die bei dem kreis— 
förmigen Herummirbeln des Balles 
entftehende Zentrifugaltraft im 
rechten Moment ausgelöft und ver- 
wertet wird. 

605. Der Hammer bejteht aus 
einem fchweren Kopf und einem 
Stiel. Das ganze Gerät Ddaıf 
1,25 m lang jein und aus beliebi- 
gem Material beftehen. Das Gc- 
wicht joll 5 bis 7,25 kg betragen. 
Geworfen wird aus einem Kreije 
von 3m Turchmefjer, mit Bemwe- 
gungen, die denen des Diskos— 
mwurfes im Prinzip jehr ähnlich find. 
Auch bei diefem Gerät handelt es 
fih um eine gefhidte Ausnugung 
der Zentrifugaltraft, doch werden 
zur Handhabung de8 Hammers 
beide Arme benugt. Daraus gebt 
hervor, daß der Hammermwurf eine 
der ſchwerſten und eingreifendften 
athletifchen Uebungen ift. Er wird 
mit bejonderer Vorliebe in England 
betrieben, und dort hat man ftau- 
nengwerte Rekorde erzielt. Es muß 
aber erwähnt werden, daß nament- 
lich leicht gebaute Athleten ſich 
dieſem Sportzweige nur mit äußer- 
fter Borfiht widmen follten, wenn 
fie vor Schaden bewahrt bleiben 
wollen. Vorſicht ift auch der Zu: 
Ichauer wegen geboten, denn dem 
10= bis 14-pfündigen Geſchoß wider: 
ftebt fein menſchlicher Schädel. 

606. Das SchwergewichtSheben 
oder Stemmen, wie es in Deutſch⸗ 
land meift genannt wird, nimmt 
in der Athletit eine befondere 
Stellung ein. Während in den 
Heimatländern des Sports, in 
England und Amerifa, der Be: 
wegungfport, die Leichtathletik, 
von jeher entjchieden die Oberhand 
hatte, wenn nicht allein herrſchte, 
war in Deutſchland der „Kraft: 
port“ fchon lange beliebt, wenn 
er auch nicht eigentlich ſportgerecht 


— — — — — — 


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X, 2. Athlelik. Nro. 606. 


betrieben wurde. Die rohe Kraft | vielen Orten recht ſchlecht darum. 
hat bei ung, wie Karges richtig | Der deutjche Arbeiter und Gewerbe— 
begründet, immer zahlreihe Be— | treibende wird nach [ehr ausgiebiger 
wunderer gehabt, und gemwifje | Arbeitszeit abends gegen 7 Uhr 
Sportfreife, denen Zeit und Mittel oder noch jpäter frei, die Freiluft- 
fehlten, fich den fpielerifchen Körper: | jportpläge können ihm daher nur 
übungen zu widmen, haben in der | in wenigen Wochen des Jahres 
Schwergewichtsathletik einen Erja | zugute kommen, Während des 
gefunden, der, bevor er in die rich- | ganzen Winters ilt er als Mitglied 
tigen Bahnen gelenkt wurde, ficher | feines Klubs auf das Klublofal an= 
manchen Schaden geitiftet hat. Die | gewiejen, und da es den Bedürf- 








312. Schleuderball. 


befjer fituierten Gefellichaftöfreife | niffen der Athleten einigermaßen 
haben fich mit der Schwergemwicht3= | angepaßt werden muß, die Miete 
athletif Faum abgegeben. Die deut- | aber nicht hoch fein darf, jo müffen 
ſchen Athletikklubs refrutierten fich | die Vereine in der Negel das Wohl: 
faſt ausfchließlich au dem Arbeiter: | wollen irgend eines Biermwirtes 
und Handwerkerſtand, und da feine | (Athletenvater) in Anfpruch neh: 
Anhänger jelten Opfer für jportlich | men, der als Gegenleiftung den 
forrefte Hilfdmittel und Einrichtuns | Konfum von möglichft viel Bier 
gen bringen fonnten, lag der Be- und Speifen verlangt. In diejen 
trieb dieſer Klubs lange Jahre jehr | Lokalen wird denn auch während 
im Argen. Noch heute jteht es an | der meijt zweimal wöchentlich jtatt- 














— 


natürlich auch, und daher kann von 


Nro. 606. J. W. Schrveter. 
findenden Uebungen eine ziemliche falſch, ſie als minderwertig anzu— 
Menge Bier vertilgt, geraucht wird ſehen. Richtig betrieben, iſt der 
Kraftſport der phyſiologiſch ein— 
greifendfte und wirkſamſte von 
allen, nur muß man ihn mit Ber: 
ftand und Borficht pflegen. 
Beſuchen wir einen Stemm- und 


einem ernjthaften ſportlichen Trai— 
ning faum die Rede jein. So 
findet man denn aud in den Athletif- 
Hub8 ſelten ausgeſprochen jchöne 
Geftalten, deſto häufiger find die Ringklub in jeinem Uebungslokal. 
Kraftmeier mit enormen Muskel- Um 8'/, oder 9 Uhr betreten wir 
panzern, die leider meift unhar- eine Kleine, dunjtige Vorftadtfneipe 
moniſch über den Körper verteilt | und fommen durch das Gaftzimmer 
find. Es fol nidt verfannt | in den meijt nach hinten gelegenen 
werden, daß in den legten Jahren | jchlecht gelüfteten „Saal“, der den 





313. Typifches Bild aus einem Ring und Stemmflub. Hebungen mit der 
Scheibenftange. 


manches beijer geworden ift. Der | Bedürfnifjen der Athleten adaptiert 


Deutijche Athletenverband und die 
rührige Slluftrierte Sportzeitung 
(Verleger und Redakteur A. Stolz, 
Berlin) Haben ſich um die gute 
Sahe große Verdienſte erworben, 
indem jie namentlich das ethijche 
und das hygienische Moment des 
Sport3 in den Vordergrund rückten. 
Zu wünſchen bliebe, daß auch die 
andern Sportfreife der Schwer: 
gewichtSathletit mehr Intereſſe zu: 
wendeten, denn es wäre grund- 


ift. An den Wänden große, eiferne 
Geſtelle mit NRiefenhanteln und 
Sceibenftangen (eiferne Stangen, 
deren Gewichte man durch aufge: 
ſteckte eiſerne Scheiben verändern 
fann), darüber zahllofe Photo- 
graphien und Gruppenbilder von 
„arten Männern“, die fich meift 
Ehrenmitglieder unſeres Klubs 
nennen dürfen. Man ift in voller 
Tätigkeit. Die älteren Herren 
figen an den Tiſchen und befprechen 


X. 2. Akthletik. 


beim Bier VBereindangelegenbeiten. 


Die jüngeren Mitglieder, bis zur | H 


Hüfte entlleidet, ftehen oder ſitzen 
um eine mädtige Sceibenftange, 
an der einer nad dem anderen 
feine Kraft verſucht. Hat die ganze 
Runde dag Gewicht abfolviert, jo 
ftedt der Zeugwart eine neue 
Scheibe auf, und das Spiel be- 
ginnt von neuem. immer 5 bis 
10 Pfund mehr, bi auch der letzte, 
der Herkules des Vereins, verjagt. 
Zwiſchendurch wird geraucht, ge= 
trunfen und gegefjen nad) Belieben, 
und meift findet ſich ein Vereins⸗ 
komiker, der am Klavier das neuefte 
Gouplet zum beiten gibt. So geht 
es Abend für Abend, bier und da 
unterbriht einmal ein Ringkampf 
oder eine kleine Borerei das Pro- 
gramm, oder Bereinsfeftlichkeiten 
bieten Gelegenheit zu Bariete- 
vorjtellungen mit erhöhtem Bier: 
konſum. Es iſt ein nicht gerade 
erfreulicher Anblid, bei jolden Ge⸗ 
legenheiten tüchtige Sport3leute vor 
einer klatſchenden Menge in diem 
Bier- und Tabaksdunft wie Zirkus: 
fünftler fich präfentieren zu fehen. 

Es fol bier ausdrücklich betont 
werden, daß man in den Klubs 
felbjt hier und da Stimmen bört, 
die ſich entichieden für eine durch— 
greifende Reform ausſprechen. Ob 
fie fommen wird und fommen Tann, 
erſcheint immerhin noch zweifelhaft, 
die fozialen Verhältniſſe fprechen 
bier ein gemichtiges Wort mit. 
Solange die Schwergewicht3-Athle- 
tif der Sport der Minderbemittel⸗ 
ten bleibt, darf man auf eine gründ- 
liche Aenderung nicht hoffen. Der 
Handwerker, der den Hammer bei- 
feite gelegt bat, der Arbeiter, der 
maſchinenmäßig fein Penfum ber: 
untergearbeitet bat, ſucht oft me: 
niger den Sport ala die Gefellfchaft, 
die Unterhaltung, und die liebe 
deutiche Bereinsmeierei fpielt auch 
bier ihre Rolle. 


Neo. 607. 


Einer Reform wird ala größtes 
inderniß immer die Tatjache ent- 
gegenftehen, daß, wie ſchon ange: 
deutet, zu oft der Sport nur den 
Dedmantel für gefellige Zuſam— 
menfünfte abgeben muß. So lange 
der Ernft und der fportlihe Wille 
fehlen, ift wenig zu erhoffen. Da⸗ 
gegen follte die Schwergewicht: 
Athletit von den Anhängern der 
andern Sportsarten etwas weniger 
über die Achfel angefehen werben. 
Sie ift keineswegs ein einjeitiges 
Mittel, um Kraftprogen beranzu= 
ziehen. Man muß nur einmal 
einen nadten Athleten gejehen haben, 
wie er feine 21,—3 Zentner vom 
Boden zur Hochſtrecke bringt, dort 
firiert und ſie wieder ſinken läßt. 
Man kann fi) kaum etwas Inſtruk⸗ 
tivere denfen. Wie fih an der 
gewaltigen Arbeit, ftet3 nach der 
Stellung de3 Körpers, eine Muskel⸗ 
gruppe nach der andern beteiligt, 
wie die einzelnen Stränge de3 mo: 
toriſchen Syſtems auf3 Aeußerjte 
differenziert, einer nad) dem an: 
dern nad) der Belaftung beraus= 
fpringen aus ihrer Umgebung, 
um nad) getaner Arbeit fich wieder 
zu beruhigen, das Bild bemeift, 
daß dieſer fcheinbar jo ruhige und 
bedachtſame Sport auch nicht ein 
Fäſerchen am ganzen Körper un: 
berücfichtigt läßt. Er arbeitet alles 
durch bis zur Grenze der Leiſtungs⸗ 
fähigkeit, und wenn man von ein: 
mwandfreien Erfolgen fo wenig ſieht, 
jo liegt da8 an der oben gejchilder: 
ten Syſtemloſigkeit des Betriebes; 
und darum wäre zu wünfchen, daß 
Kundige ſich gerade dieſes Sports: 
zweiges mehr annehmen möchten, 
um ihn auszugeftalten, wie er es 
verdient. An guten Früchten wird 
es dann ficher nicht fehlen. 

607. Hygieniſches. Da nahezu 
bei jeder Schwergewichts-Uebung 
ber ganze Körper bis an die Örenze 
feiner Kraft in Anſpruch a 


ro. 607. 3. W. Schrveker. * 


wird, ſo verſteht es ſich von ſelbſt, 


die Beſchaffenheit des Herzens iſt 
das größte Gewicht zu legen, und 
krankhafte Anlagen, wie z. B. Nei— 


gung zum Bruch, können bei athles 
tifhen Ueberanftrengungen ganz 


unabjehbare Folgen haben. Man 








'alfo am bejten. Unbedingt jollte 
daß alle Organe in tadellofem Zu: 
ftande fein müſſen; namentlich auf 


man beim Weben auf reine Luft 
jehen und ganz ausjegen, wenn dag 
Herz irgendwelche Anomalien, wie 
fie Alkohol, Nikotin und geſchlecht— 
lihe Ausfchweifungen verurfachen, 
zeigt. Daß der Plattfuß durch 
die enorme Belaftung beim Stem- 
men nicht günftig beeinflußt wird, 





314. M. S., 


vergemwiffere ſich alfo zeitig und 
höre unbedingt auf, wenn man be: 
denflihe Symptome verjpürt. Als 
Diät empfehlen die meiften Sad): 
verjtändigen eine fleifchhaltige, alfo 
eiweißreiche Koft, die die Muskel: 
bildung begünftigt. Bor Weber: 
treibungen ift aber zu warnen. 
Eine gemijchte Koft mit magerem 
Fleiſch in mäßiger Duantität ift 


München. 


verjteht fih von ſelbſt. Das vor— 
nehmfte Gejeg für den Anfänger 
beißt: Langſam vorgehen! Wer fi 
gleih im Anfang Leiftungen zu— 
mutet, denen der Körper nicht ge- 
wachſen ijt, wird es niemals zu 
etwas bringen. Deshalb fange man 
nie mit ausgefprochenen Schwer: 
gewichts⸗-⸗ Uebungen an, fondern mit 
Gewichten, die man leicht bemwälti: 


x. 2. Mfhlefik. Nro. 607. 


gen fann. Auch nad IDauerleis | diefes Geſetz wird immer wieder 
ftungen fol man nicht ftreben, fich | gefehlt, wenn fein ftrenger Trainer 
vielmehr nad jeder Anftrengung | die Junioren beauffichtigt. 

jo weit erholen, daß Herz und) Das Streben nach Hödjitleiftungen 
Zungen wieder ruhig gehen. Es kann gerade dem Athleten mit 
ift ein geradezu verberblicher Irr- Durchfchnittsanlage nur Schaden 





— — 


315. M. S., München. 


tum, zu glauben, daß man ſchnellere bringen. Die beſtehenden Rekorde 
Fortſchritte mache, wenn man ſchnel- find von beſonders robuſt veran- 
ler zu höheren Gewichten übergeht. | lagten Ausnahmenaturen geleijtet 
Das Gegenteil ift richtig. Lieber | worden, die als Vorbilder durchaus 
länger mit leicht bemwältigten Ge- nicht jedem zu empfehlen find. 
wichten arbeiten, al3 ſich mit zu | Jedenfalls gibt die Tatſache, daß 
ſchweren Laſten quälen. Gegen |viele der befannteften Schwer: 





Neo. 607. F.%. Scheer. 


gewichts- Athleten verhältnismäßig 
früh geftorben find, zu denken. 

Es find in den lekten Jahren 
eine ganze Reihe von Büchern und 
Broſchüren veröffentlicht worden, 
die für beſtimmte Syſteme im Inter— 





316. U, S,, München. 


— ⸗ 


eſſe ihrer Erfinder Propaganda 


machen. 


Die Schriften von Mül— 


ler und Sandow find in Hundert: 


tauſenden 


von Exemplaren über die 


ganze Kulturwelt verbreitet worden. 


Durch ſie 


iſt noch niemand zum 
Athleten geworden. Man 
glaube nur nicht, ſolche 
Vorſchriften verallge— 
meinern zu können, ſo 
daß ſie für jedermann 
paſſen. Speziell das 
Training mit Schwer— 
gewichten will durchaus 
individuell betrieben wer⸗ 
den, da alle die Ver— 
ſchiedenheiten in der An= 
lage der einzelnen Or— 
gane berücfichtigt wer— 
den müffen. Man halte 
fih alfo nie an irgend 
ein marftjchreierijch, em= 
pfohlenes Syſtem, ſon— 
dern beobachte ſich mit 
der größten Sorgfalt 
felbft und ſuche Den 
richtigen Weg durch lo— 
giſches Denken und 
Schließen. Wenn hier 
im folgenden die ein— 
zelnen Schwergewichts⸗ 
übungen kurz ſtizziert 
werden, ſo iſt daraus 
nicht zu folgern, daß 
jedem Anfänger damit 
die ſofortige Ausfüh— 
rung aller dieſer Uebun— 
gen empfohlen werden 
ſoll. Wer nicht ein regel- 
rechte8® Training mit 
mittleren Gewichten ab- 
folviert hat, greife nie- 
mals zur Scheibenftange, 
er könnte es ſchwer be— 
reuen. 

Im Gegenſatz zur 
Leichtathletik, die 


vor allem die Elaſtizität 


und Differenzierung der 
einzelnen Muskelgruppen 





X. 2. Athletik. 


fördert, wirftdie Schwer gewichts⸗ 
Athletil auf dag Didenmwahstum 
der Muskulatur. Charakteriftiich das 
für find die nebenftehenden Bilder 
zweier Münchener Athleten. Das 
- Bruft: und Rüdenbild des Modell: 
athleten M. S. zeigt eine aufs äußer⸗ 
fte differenzierte und entwidelte 
Thoraxmuskulatur, faft ohne %ett- 
fchicht, während das Bild des Mün- 
chener „Meiſterſtemmers“ A. S. den 
harafteriftifhenHabitus des Schwer⸗ 
gewichts⸗Athleten bietet, deſſen 
koloſſale Muskulatur unter einer 
ſchon überſtarken Fettſchicht ver⸗ 
borgen iſt. Der erſtere bringt mit 
beiden Armen eine Scheibenſtange 
von über 280 Pfund zur Hochſtrecke, 
während der letztere ein Gewicht 
von über 330 Pfund bewältigt. 
Dabei ift zu bemerken, daß die 
Körpergewichte ungefähr im felben 
Verhältnis zueinander ftehen. Es 
verfteht fih von ſelbſt, daß das 
SKnochengerüft des Körpers der 
Muskulatur entſprechen muß. Wenn 
man bedenkt, welche gewaltige Laft 
die Wirbelfäule bein Hochitreden 
von nahezu 3'|, Zentnern zu tragen 
bat, fo fann man leicht fchließen, 
welche Feſtigkeit das Knochengewebe 
eines Athleten vom Schlage des 
oben vorgeſtellten Meiſterſtemmers 
haben muß. 

608. Das Reißen bringt eine 
Kugel: oder Scheibenſtange in einem 
Zuge möglichjt fchnel vom Boden 
zur Hochſtrecke. E3 wird einarmig 
und zweiarmig ausgeführt. Beim 
einarmigen Reifen ftelt man ſich 
dicht Hinter die Stange, faßt fie 
mit der Hand im Schwerpuntt, 
ftügt die andere Hand aufs Knie 
und reißt mit energifhem Rud das 
Gewicht empor, fo daß es im erften 
Schwung bis faft zur Kopfhöhe 
fteigt, in diefem Moment fchlüpft 
man mit leihtem Kniewippen ſchnell 
unter die Stange, um dem Arm 
den Webergang in die Hochſtrecke 


Niro. 608-610. 


zu erleihtern. Wichtig ift es, Die 
Stange dicht am Körper herauf: 
zuführen und das Umſetzen, den 
Uebergang aus der hängenden Hal: 
tung der Stange in die ftübende, 
fiher auszuführen. In der Hoc: 
ftrede muß das Gewicht ſekunden⸗ 
lang ſicher fixiert werden, wenn die 
Uebung gültig ſein ſoll. Verboten 
iſt es, mit beiden Füßen den Stand 
zu verlaſſen. Das zweiarmige 
Reißen geht nach ganz den ſelben 
Geſetzen vor ſich, unterſcheidet ſich 
alſo nicht weſentlich von der geſchil⸗ 
derten Uebung. Es iſt ſtaunens⸗ 
wert, was manche Athleten auf 
dieſe Weiſe bewältigen. Der Welt⸗ 
rekord im einarmigen Reißen ſteht 
augenblicklich auf 185 Pfund, wäh: 
rend mit beiden Armen 232 Pfund 
geleiftet wurden. 

609. Das Drüden oder Stem: 
men unterjcheidet fih vom Reißen 
dadurch, daß Rumpf und Beine die 
Uebung nicht unterftüßen. Es 
treten alfo in erfter Linie die Arme 
in Tätigleit, während der übrige 
Körper fih auf unmillfürliche Be: 
mwegungen bejhränft. Der Athlet 
fteht in Grundftellung und muß 
während der Uebung diefe Stellung 
ftreng beibebalten.. Ohne Neigung, 
Biegung oder Wendung des Körpers 
ift das Gewicht von Schulterhöbe 
in die Hochftrede zu bringen. Beim 
Drüden mit beiden Armen ift nad) 
Siebert („Der Kraitiport“) eine 
geringe Neigung des Körpers nad) 
binten gejtattet. Man bringt das 
Gewicht wie beim Reißen vom Boden 
in Schulterhöhe, wobei es erlaubt 
ift, in Bauchhöhe Halt zu machen, 
um dann erjt umzuſetzen (ſ. oben). 
Häufig wird freie8 Umfegen zur 
Bedingung gemadt. Der Rekord 
im einarmigen Drüden ſteht auf 
200 Pfund, im Drüden mit beiden 
Armen auf 299 Pfund, 

610. Das Stoßen ift die lei: 
ftungsfähigfte der jchwerathletifchen 


Neo. 611. 


Uebungen und auch wohl die wert: 
vollite. Sie feht die gefamte Mus: 
fulatur des Körperd in Tätigkeit 
und vereinigt in fich ale Funktionen 
die die Entwidlung der höchſten 
phyſiſchen Kraft begünftigen. Die 
Stange wird in einem oder zwei 
Tempi zur Bruft: oder Schulter: 
höhe und von dort durch einen 
fräftigen Stoß, wobei dem Körper 
jede unterftügende Bewegung ge⸗ 
ftattet ift, zur Hochftrede gebradt. 


III. Der Ringkampf 


611. Geſchichtliches. Wie wir 
in der Einleitung bereit3 gejehen 
haben, ift der Ringfampf die nas 
türlichſte Kampfesweife de Men: 
[hen ohne Schuß: und Trutzwaffen. 
Es gibt wohl fein Bolf in der Ge⸗ 
ſchichte der Menſchheit, das den 
Ringkampf, ſei es im Ernſt mit 
Schlagen und Würgen, ſei es im 
Wettſpiel, nicht gepflegt hätte, wenn 
wir es auch nicht mehr für alle 
nachweiſen können. Im Pentathlon 
der Griechen erſcheint der Ring: 
fampf ſchon ganz fportlich ausge: 
bildet, wenn auch nicht frei von 
Griffen, die heute nicht mehr als 
erlaubt gelten, und zwar war der 
Ringkampf als daS edelfte aller 
Kampfjpiele gefhägt. Während bei 
den Wettjpielen zum Weitfpringen 
alle Bewerber zugelafien wurden, 
famen zum Speermwurf nur die, die 
im Springen nicht hinter der Norm 
zurücdgeblieben maren, den Wett: 
lauf machten nur noch die vier 
beiten Speermwerfer mit, deren Zahl 
dur) den Disfoswurf weiter ver: 
ringert wurde, fo daß nur noch die 
legten zwei fih im Ringkampfe 
mefjen durften. E3 leuchtet ein, 
daß aus diefer Auslefe nur die 
hervorragendften Kämpfer fiegreich 
hervorgehen Fonnten, die den Ueber: 
Ihmwang, mit dem fie gefeiert wur: 


3. W. Sıchroerfer. 


Es ift erlaubt, die Stange auf dem 
Bauh wie auf der Bruft leicht 
aufzulegen und den Stoß nach oben 
durch Kniewippen zu unterfjtüßen. 
Es liegt in der Natur der Mebung, 
daß fiefajt nur mitbeiden Armen aus- 
geführt wird, und da fie alles heraus⸗ 
holt, wa3 der Körper zu leiften im⸗ 
Stande ift, fo find die Höchiftleiftungen 
geradezu ftaunenswert. Der Welt: 
rekord im Stoßen mit beiden Armen 
fteht gegenwärtig auf 350,4 Pfund. 


und feine Abarten. 


den, wohl rechtfertigen. Der grie- 
chiſche Ringkampf wurde von den 
Römern und Etrusfern übernom- 
men, degenerierte aber bei ihnen 
bald zu einem rohen „Berufs: 
Ringertum“, das faft ausschließlich 
von Sklaven und Freigelaffenen 
geübt wurde. Die lebten Nach⸗ 
rihten vom griechiſch⸗römiſchen 
Ringkampf verlieren fih im Duntfel 
der Bölferwanderung. Der deutfche 
Ringkampf ift jedenfalls jelbjtändig, 
ohne Anlehnung an das griechifch- 
römiſche Borbild entitanden, und 
in den alten deutfchen Heldenliedern 
fieht man häufig die Reden zum 
Ringkampf fchreiten, wenn ihre un: 
vollfommenen Waffen verjagt hatten. 
Als bekannteſtes Beijpiel ſei das 
Ringen zwiſchen Dietrich von Bern 
und Hagen im Nibelungenliede an: 
geführt. Schon im 14. Jahrh. 
finden wir Lehrbücher der Ring: 
funft, und berichtet wurde ſchon, 
daß fogar Albredt Dürer diefem 
edlen Sport feine Kräfte gewidmet 
bat. „Zweifellos wurde der Rings 
fampf im fpäten Mittelalter und 
zur Neformationdzeit von allen 
wehrhaften Ständen geübt. Sa, es 
hatte fich jchon eine Unterjheidung 
zwifchen den auch bei rein ſport— 
licher Uebung anzuwendenden 
Griffen und den allein für den 


RB te.R u 


- m — — u ——— e.a.u. um. mir vo 


X. 2. Akhlekik. 


Ernſtfall bejtimmten herausgebildet. 
Fabian v. Auerswald nennt in 
feiner ‚Ringerfunft‘ die erjtere Ka: 
tegorie ‚gefelliglich‘ oder gar ‚fein: 
gejelliglich‘, die letztere ſolche für 
‚grobe Leut‘.“ (Zadig.) 

Erft Zahn hat den im Dreißig— 
jährigen Kriege vergeffenen Ring: 
Iampf wieder eingeführt, indem er 
für die Ddeutfhen Turner einen 
Komment für das Ringen aufitellte. 
Leider ohne nennenswerte Erfolge, 
denn die Turner haben die Ring: 
kunſt trogdem ganz vernachläſſigt, 
und erft in neuefter Zeit mußten 
uns aus Frankreich die Anregungen 
fommen, die und jeit faum zwei 
Jahrzehnten jo weit gefördert haben, 
daß wir heute wieder von einer 
deutſchen Ringkampfkunſt fprechen 
können. Es iſt nun wieder be—⸗ 
zeichnend, daß bei uns eben jene 


Athletenvereine ſich des Ringens 


annahmen, die als ihre eigentliche 
Disziplin das Schwergewichtsheben 
pflegen. Aus den Athletenklubs 


find die bejten deutfchen Ringer 


hervorgegangen, während aud von 
diefem Sport die bejjer fituierten 
Kreife ſich faſt ganz ferngehalten 
haben. Er gilt mit Unredt viel- 


fach als roh und brutal, man hält 





Nro. 611. 


ihn auch für gefährlich, während er 
in Wahrheit wie feine anderellebung 
Körper und Geift aufs höchſte in 
Anfpruh nimmt und namentlich an 
die Geiftesgegenwart und jchnelle 
Entihlußfähigfeit ganz bedeutende 
Anforderungen jtellt. 

Den Franzofen fällt alfo das 
unbeftrittene Verdienſt zu, den 
Ringkampf zu einer wirklichen Kunſt 
entwidelt und zu Anfehen gebracht 
zu haben. Namentlih in Süd— 
frankreich, in Bordeaur und Mar: 
feille, wurde und wird er bejonders 
gepflegt, und dort gibt es ganze 
Ringerfamilien, in denen ſich diefe 
Kunft und natürlih auch die für- 
perliche Anlage zu ihr von Gene: 
ration zu Generation vererbt. 
Franzöfifhe Ringer ließen fich dann 
in allen Kulturländern ſehen, big 
al3 eriter deutfcher Meijter Karl 
Abs bewies, daß auch die Deut: 
jhen in diefem Sport Gutes zu 
leiften vermögen. Heute jtreitet 
ihnen das niemand mehr ab, und 
die Namen der deutſchen Meijter 
wie Eberle, Hitler, Pohl, 
Koch, Strenge u. a. gehören in 
die Geſchichte der Ringkunft. 

Im übrigen haben faft alle Völker 
ihren eigenen Ringkampf. Die 





317. Schweizerifches Schwingen. 


Nro. 612. 


3. W. Schroefer. 


Mittel find überall die felben, und | feinem Gegner abhängig. Paraden 
die Unterſchiede beftehen in ge: | und Griffe müffen einander fo 


willen Kampfesregeln oder in den 
mehr oder weniger großen rei- 
heiten, die bei der Wahl der Griffe 
geftattet find. Im englifch-ameri- 
fanifhen Ringkampf herrſcht im 
allgemeinen ſehr große Freiheit, er 
artet im catch-as-catch-can-Stil 
nur zu leicht aus und wird zu wenig 
als Kunſt gepflegt, weil ihm das 
Boren und das Fußballipiel eine 
unbefiegbare Konkurrenz maden. 

Intereſſant ift das überaus volks⸗ 
tümliche ſchweizeriſche Schwingen, 
das auf fogen. Schwingfeften im 
ganzen Gebiet der Eidgenofjen- 
ſchaft eifrig gepflegt wird, aber 
primitiver geblieben iſt als der 
deutjhe Ringkampf und aud an 
Bielfeitigleit Hinter ihm wefentlich 
zurückſteht. Ueber ihre gewöhnlichen 
Beinkleider ziehen die Schwinger 
eine Art von Badehofe aus ſtarkem 
Segeltuh mit ledernen Riemen; 
an diefen paden fi die Gegner 
und ſchwingen fih herum. Dem 
Schwingen verwandt iſt das Rangeln 
der Tiroler. 

Außerordentlich beliebt ift der 
Ninglampf in der Türfei. Man 
ringt dort nadt, nur bekleidet mit 
einer ftarfen Lederhoſe, und ölt den 
Dberförper gründlid ein. Alle 
Griffe find erlaubt. Es wird wenig 
kunſtvoll gefämpft, dafür aber mit 
einem gewaltigen SKraftaufmand. 
Zu erwähnen tft noch die uralte 
Ringkunſt der Perfer. 

612. Allgemeined. Das wid: 
tigſte phyfiologishe Moment beim 
Ringen ift die Unberecdhenbarkeit, 
die Unwillkürlichkeit, mit der die 
einzelnen Musfelbewegungen auf: 
einander folgen. Während der 
Springer, der Werfer im allgemei— 
nen immer diejelbe Uebung, wenn 
auch mit modifizierenden Nuancen 
wiederholt, ift der Ringer in der 
Wahl feiner Bewegungen ganz von 


Schnell folgen, daß fie oft zu reinen 
Reflerbemegungen werden. Dazu 
ift mit der körperlichen Tätigfeit 
die geijtige ftändig jo eng verbuns 
den, wie bei faum einer andern 
Sportsart. Mit den Augen und 
mit dem Gefühl wird der Gegner 
in jeder Phaſe, jeder Sekunde des 
Kampfes aufs jchärfite beobachtet. 
Aus feinen Bewegungen find bliß: 
ſchnell Schlüffe auf feine Abfichten 
zu ziehen, Paraden auf feine Griffe 
zu folgern; feine Schwächen find 
auszufpähen, Pläne für Angriffe 
find in kurzen Augenbliden zu ent: 
werfen, fo daß es während des 
ganzen Kampfes auch nicht einen 
Moment gibt, mo Körper und Geift 
fi verlieren dürfen. Gerade darin 
befteht der eminente Wert des 
Ringkampfes, der feine Einjeitigfeit 
fennt; denn aud die Ausbildung 
der Muskulatur erfolgt beim Ringen 
in jo umfaflender Weife und fo 
harmoniſch, wie fie bei einzelnen 
Uebungen nie erreicht werden Tann. 
Es gibt beim Ringer nicht eine 
einzige Mußfelgruppe, die während 
des Kampfes nicht jeden Augenblid 
in Anfprud genommen werden 
fönnte, und bei den überaus kom⸗ 
plizierten Bewegungen tritt tatſäch⸗ 
lich auch beim Fürzeften Match jedes 
Glied, jede Muskelgruppe in Altion. 
Sn der Bielfeitigleit und in der 
innigen Verfchmelzung mit der gei- 
ftigen Tätigfeit liegen die hohen 
portliden und ethiſchen Werte des 
Ringlampfes. 
Da der Ringer am wenigſten in 
der Lage ift, die Anftrengungen, 
die er fich zumuten muß, vor dem 
Kampfe zu beurteilen und zu do⸗ 
fieren, Tann man jedem, der ſich 
diefem Sport widmen will, nur 
raten, fi vorher auf3 genauefte 
von feinem Gefundheitszuftand und 
jeinen körperlichen Anlagen zu übers 


X. 2. Aihlefik. 


zeugen, dafür gelten die jelben Re: 
geln, die im Kapitel vom Schwer: 
gewichtheben — wurden. 

Die D. S. B. f. A. hat für den 
Ringtampf folgende Sabungen vor⸗ 
geſchrieben: 

Die Klaſſeneinteilung der Ringer 
geſchieht nach dem Körpergewicht, 
und zwar zählen alle Ringer, welche 
im Sportanzug unter 140 Pfund 
wiegen, zum Leichtgewicht, von 140 
bis 160 Pfund zum Mittelgewicht und 
über 160 Pfund zum Schwergewicht. 

Die Paarbildung gejchieht durch 
das Los. 

Jedes Ringerpaar hat ſich vor 
Beginn des Kampfes zum Zeichen 
rein ſportlicher Gefinnung die Hand 
zu reihen; der Kampf beginnt ſo⸗ 
dann auf das vom beitimmten 
Kampfridter gegebene Zeichen 
„203! und endet auf dag gleich: 
fal8 vom Kampfrichter gegebene 
Zeichen „Halt!“ 

Gegenitand des Angriffs find 
nur die Arme, der Rumpf und der 
Kopf, d.h. von der Hüfte big zum 
Scheitel. 

Der Kampf wird bis zur Ent» 
ſcheidung auch auf dem Boden 
weitergeführt; doc) hat das Kampf: 
gericht das Recht, bei langer, nutz⸗ 
lofer Dauer des Bodenfampfes die 
Ringer mährend der Normalzeit 
aufftehen und im Stande weiter: 
ringen zu laflen. 

Verboten ift da3 Beinftellen, An- 
faſſen der Kleider, alle ſchmerzhaften 
Griffe, insbefondere Armausdrehen, 
Stoßen, Kragen ꝛc., Anfaffen ein: 
zelner Finger oder der Haare, jo: 
wie die gefährlichen Griffe, die das 
Atmen verhindern: Ausheben im 
Stande, Kramwatten:, Strangulier: 
griffe, Bauchſchraube ꝛc. 

Die Kleidung der Ringer darf fei- 
ne vorstehenden Metallgegenftände, 
Schnallen, Gürtelfchließen 2c. ent: 
halten; verboten ift da3 Tragen 
ſchwerer Schuhe mit Hohen Abfäten. 


Nro. 612. 


Um Verlegungen zu vermeiden, 
darf ein Wettkampf im Ringen nie- 
mals auf blanfem Boden ausge: 
tragen werden. Deshalb haben die 
Beranftalter eines Wettftreites ftet3 
für das Vorhandenfein einer guten 
Ringmatte Sorge zu tragen. 

Befiegt ift, wer mit beiden Schul- 
tern zugleich den Boden berührt 
oder den Kampf aufgibt. Cntfteht 
unverfehuldet eine ſchwere Ber: 
legung, fo daß ein Ringer genötigt 
ift, den Kampf aufzugeben, jo ift 
der unverlegte Gegner Sieger. Iſt 
die Verlegung jedoh durch vor: 
ſchriftswidriges Vorgehen des Geg⸗ 
ners entftanden, jo ift der Schuldige 
zu Ddisqualifizieren und dem Ber: 
legten der Sieg zuzuſprechen. 

Die normale Kampfesdauer ijt 
10 Minuten. Kann ein Kampf in 
diefer Zeit nicht entſchieden werden, 
fo tritt folgende Notbehelf3-Regel 
in 3 Gängen von je einer Minute 
Höchſtdauer in Kraft. Die Ringer 
baben fich mit gefchlofjenen Beinen 
Bruft an Bruft zu ftellen und auf 
ein Zeichen des Kampfrichters Zwie⸗ 
griff zu faflen. Beſiegt ift fodann, 
wer im erften Gang mit beiden 
Schultern, im zweiten Gang wie 
vordem oder mit einer Schulter, 
im dritten Gang wie vorher, oder 
mit irgend einem Körperteil außer 
den Fußfohlen zuerft den Boden 
berührt. 

Sn ihrem trefflihen Büchlein 
„Die moderne Ringkampf-Kunſt“ 
geben A. Stolz; und C. 9. En: 
dres fehr nützliche Verhaltungs— 
maßregeln: Während des Ringens 
atme man ſtets durch die Naſe, 
damit kein Staub in Hals und 
Lunge dringen kann. Zur Aus— 
nutzung der Griffe benutze man das 
eigene Körpergewicht ſo vorteilhaft 
wie möglich und vergeude nicht un— 
nütz Kraft; beſonders ſchöone man 
bis zur Ausführung eines Griffes 
die Handfraft, vermeide Daher plan: 


Nro. 613. 


loſes Drüden. Man laffe den 
Gegner nicht merfen, mit welchem 
Griff man einfegen will, ſetze viel- 
mehr Beinftelung und Griff ftet3 
in einem Tempo und mit ganzer 
Kraft ein. Wird man auf den 
Boden gebracht, jo erhebe man fi 
bei der erften Gelegenheit und vers 
jude den Gegner nah unten zu 
bringen, da die obere Lage faft 
immer die vorteilhafteite ift. Die 
Kleidung des Amateurringers fol 
aus gut ſitzenden Kniehoſen beftehen 
und einem Obertrifot mit ziemlich 
weit ausgefchnittenen Armlöchern, 
deren Ränder in den Achfelhöhlen 
nicht reiben, dazu weiche Strümpfe 
und Schuhe aus feitem aber Teich: 
tem Leder, mit fteifen Kappen und 
dünnen Sohlen. Um die Hüften 
trage man einen breiten, gut fißen- 
den Gummigürtel, Die Genitalien, 
befonder3 die Hoden, fol man beim 
Ringkampf dur ein Sufpenforium 
ſchützen, ſodaß fie feſt am Unter: 
leib anliegen und nicht verletzt wer⸗ 
den können. 

Für die Lebensweiſe und das 
Training des Ringers gelten im 
allgemeinen die Regeln, die oben 
ſchon mehrfach aufgeſtellt wurden. 
Auf keinen Fall richte man ſich 
nach Berufsringern, die meiſt über 
ganz abnorme körperliche Anlagen 
verfügen und ſich daher Dinge ge⸗ 
ſtatten können, die anderen ſchlecht 
bekommen würden. Alkohol iſt na: 
türlich ſtreng zu meiden, ebenſo der 
Tabak. Die größten Ringer der 
Gegenwart: Cyganiewicz, 
Hackenſchmidt, Lurich, Aberg 
ſind ſtrenge Abſtinenzler und ver— 
ſchmähen alle Gewürze. Ein regel⸗ 
mäßiges Training iſt natürlich nicht 
zu entbehren, wenn man Wett⸗ 
kämpfe mitmachen will. Viele 
Ringer betreiben mit Vorliebe und 
Vorteil nebenbei den Laufſport, um 
ſich leichter in Form zu halten. 

Man unterjheidet den Stand: 


3%. Schrogfer. 


fampf und den Bodenfampf, und 
beide Arten wird man bei jedem 
Ringkampf beobadten, wenn nicht 
einer der beiden Kämpfer gleich im 
eriten Schwung mit beiden Schul: 
tern den Boden berührt, womit 
der Kampf zu feinen Ungunften 
entſchieden ift. 

613. Der Standfampf. Jeder 
Kampf wird eingeleitet durch den 
fogen. Salut, der darin beſteht, 
daß die beiden Gegner, über die 
Matte fchreitend, ſich die Hand 
reihen und fih einander gegenüber 
aufftellen. Die erfte Stellung iſt 
faft immer die felbe. Der ganze 
Körper ift leicht nach vorn geneigt, 
fo daß das eine vordere Bein leicht 
gebeugt, das hintere geftredt ift; 
auf dem vorderen liegt der Schwer: 
puntt. Arme und Hände werden 
bereit zum Griff und zur Abwehr 
vorgehalten und folgen in der Regel 
den Bewegungen des Gegners, um 
fofort eine geeignete Parade aus: 
führen zu können, wenn es nötig 
werben follte. Zum Angriff greift 
jede Hand immer nach der gleich- 
namigen des Gegners. Wollte man 
mit der rechten Hand die linfe des 
Gegners faffen, fo hätte diefer Die 
rechte frei für einen wirffamen Griff, 
denn von nun an beiteht der ganze 
Kampf in Angriffen und Paraden. 
Da der Gegner erft befiegt werden 
fann, wenn er am Boden liegt, 
muß er geworfen werden. Dazu 
dienen die jogen. „Schwünge”, die 
wiederum erſt ausgeführt werden 
fönnen, wenn ein „Griff“ gelungen 
ift. Es ift das Verdienſt der bei- 
den oben genannten Verfaffer der 
„Modernen Ringlampf:Kunft”, für 
alle Einzelheiten des Ringkampfes 
gute deutſche Bezeichnungen feſtge⸗ 
legt, das ganze vielgeftaltige Bild 
des Ringfampfes endgültig definiert 
und Tlargelegt zu haben. Da das 
Bud für den deutfhen Sportsmann 
von grundlegender Bedeutung ift 


X. 2. Athletik. 


und wohl aud) bleiben wird, fei es 
den bier folgenden Ausführungen 
untergelegt. Wer praftifch ſich mit 
dem Ringen befchäftigen will, Tann 
feinen befjeren Ratgeber wählen. 
Hier fünnen natürlich nur die aller: 
widtigften Regeln, Griffe und 
Schwünge wiedergegeben werden, 
man molle alſo das Folgende nicht 
als einen Lehrgang, fondern nur 
als eine Inappe Drientierung auf: 
faffen. Lehren kann die Ringkunſt 
überhaupt nur die Praxis. 

Der Meg zur Beftegung des 
Gegners ift ftet3 der folgende: Man 
ſucht einen guten Griff zu fafjen, 
der einen Schwung ermöglicht, der 
den Gegner zu Boden bringt, wo: 
möglich fofort auf die Schulter. 
Da dies in den meiften Yällen 
nit gelingen wird, folgt der Bo: 
denkampf, bis einer der Gegner 
für befiegt erklärt wird. Stolz 
fennt 4 Schwünge: 1. den rei: 
fchwung, bei dem der Gegner direlt 
vom Stand aus niedergeworfen 
wird, 2. den Hebeichwung, wobei 
Der Körper des Gegners aufgehoben, 
in der Luft gedreht und dann nies 
dergeworfen wird, 3.denFallichwung, 
bei dem das eigene Gewicht den 
Dicht herangezogenen Gegner nieder⸗ 
zieht, der im allen nad unten 
gedreht wird, 4. den Stübfchmung, 
wobei der Körper des Gegners über 
eine Stüße, die der eigene Körper 
zu bilden hat, jo gezogen wird, daß 
er fi überfchlagen muß. Gegen: 
griff und Gegenſchwung bilden die 
- Verteidigung. Jeder Griff Tann 
durch einen andern wirkungslos ge: 
macht werden, ebenfo jeder Schwung 
Durch einen Gegenfchwung oder eine 
geeignete Beinftellung. Daraus geht 
hervor, daß die Beine beim Ning:- 
kampf eine ebenjo wichtige Rolle 
fpielen wie die Arme und darum 
genau beobachtet werden müffen. 
Beim erften Angriff unterfcheidet 
man nad der Stellung, die der 


Neo. 613. 


Oberförper einnimmt, die hohe und 
die tiefe Garde. Die tiefe Garde 
bietet weniger Angriffspunfte als 
die hohe. Die erften Griffe geben 
gewöhnlich nad) dem Handgelenf 
oder — günftiger — nad) dem 
Genid. Dur Finten (Scheingriffe) 
fann man den Gegner ermüden 
oder feine Aufmerkſamkeit ablenten, 
big fich Gelegenheit bietet, ihn ficher 
zu fafjen. Der naturgemäßefte Griff, 
den inftinftiv jeder Laie, jeder Bube 
auf der Straße fofort anzuwenden 
fuhen wird, ift der Untergriff. 
Man greift mit beiden Armen zwi⸗ 
fhen dem Rumpf und den Armen 
des Gegners. durch, big man auf 
deſſen Rüden die Umſchlingung 
fchließen fann, indem man mit der. 
einen Hand das Handgelen? der 
anderen faßt oder die gefrümmten 
Finger ineinander hakt. Die Pa: 
rade eines Untergriffes, dem man 
dur ſchnelles Zurückgehen nicht 
mehr ausweichen Tann, befteht darin, 
daß man jelbft zwifchen den Armen 
des Gegners ſchnell untergreift oder 
feine Oberarme umſchließt und zu: 
fammenpreßt, wodurd) er nahezu 
wehrlos gemadt wird, unter Um: 
ftänden auch mit einem geeigneten 
Schwung geworfen werden kann. 
Dann fann man den Ellbogen und 
den Unterarm auf die Bruft des 
Gegners feten und ihn zurüd: 
drüden bis er den Untergriff löfen 
muß. Auch mit einem geeigneten 
Schwung Tann man den Gegner 
werfen oder zur Löſung des Unter: 
griffes zwingen. 

Sit der Untergriff gelungen, ohne 
daß eine Parade Erfolg gehabt 
hätte, fo wirft man den Gegner, 
nachdem man fich felbit möglichft 
fiheren Stand verjchafft, nad) der 
Seite, jo daß er womöglich auf die 
Schultern fält, Freiſchwung. 
Oder man hebt den Gegner, bis er 
frei in der Luft ſchwebt, ſchwingt 
feine Füße möglichft Hoch nad) der 


Nro. 613. 


3. Schroefer. 


einen Seite, gleichzeitig den Körper | wobei die Hebelkraft befjer ausge: 


nad) der anderen Seite und nad) 
unten, bis der felbe Erfolg erzielt 
ift, HSebefhmwung. Zum Fall: 
ſchwung läßt man fid) ins Knie 
nieder, zieht den Gegner nad) und 
dreht ihn im Fallen unter fid. 
Beim Zwiegriff wird der eine 
Arm ftatt unter die Achfel über die 
Schulter des Gegners gelegt, dieſer 
fann alfo den felben Griff anwenden, 
und die Partner ftehen fich in den 
Chancen gleih. Die beliebteſte 
Parade ift der Verſuch, ftatt des 
Zwiegriffd einen Untergriff zu ge⸗ 
winnen. St der Zwiegriff gelungen, 
jo fann ein Frei=, Hebe: oder Fall: 
ſchwung wie beim Untergriff folgen. 
Im Zwiegriff läßt fi leicht ein 
Kniefallfhmwunganmenden, in- 
dem man auf der Seite des unters 
greifenden Armes fi auf ein Knie 
niederläßt und den Gegner zum 
Schmunge zu drehen fudt. Er ver: 
teidigt Jih am beiten, indem er den 
Inieenden Angreifer nad Hinten 
niederdrüdt, wobei er durch deſſen 
unfihern Stand meift noch unter: 
ftügt wird. Sehr wichtig iſt der 
Schulter:Hebefhmwung. Der 
linfe Arm fährt unter der rechten 
Achſel des Gegners dur, bis die 
Schulter die Achſel ganz in die 
Höhe drüden fann ; gleichzeitig jucht 
man Kopf und Naden des Gegners 
unter den rechten Arm zu bringen. 
Berbindet man nun die Hände, fo 
fann man durch einen ftarlen Drud 
und Schwung nad) rechts den Geg- 
ner werfen. Bei einiger Gemanbt: 
beit Tann man ſich auch vorfichtig 
nad) Hinten fallen lafjen, den Gegner 
nachziehen und im Fallen auf den 
Rüden drehen. Zur Verteidigung 
gegen den Schulterhebefchmung kann 
man einen tiefen Kreuzgriff benutzen, 
mit den: man den Angreifer heben 
und werfen fann. Der Rüden: 
hebel greift etwas ficherer unter 
des Gegners linker Achfel durch, 


nutzt werden Tann. Der Rüden: 
griffſchwung ſetzt äbnlih an. 
Man faßt den ſtark nach vorn herab: 
gezogenen Gegner von oben, bis man 
mit dem rechten Arm hinterm Kopf 
und unter der Achfel nach feiner 
Bruft langen Tann. Hier vereinigt 
man beide Hände und fucht den 
Gegner nad rechts niederzudrüden. 
ALS Parade wird er Untergriff zu er: 
langen und mit SHebefhwung zu 
werfen ſuchen. Die Bauchſtütze 
wird ausgeführt, indem man den 
Gegner nit dem rechten Arm um 
die Hüfte faßt, während die Linke 
fih fejt an feinen Bauch legt und 
der Ellbogen ſich auf die Hüfte 
ftügt. Der Gegner liegt jo, wenn 
man ihn hebt, mit feinem ganzen 
Gewicht auf der linfen Hand und 
muß nun zum Schwunge gedreht 
werden. Die Parade kann nur 
darin beftehen, daß man den Ans 
greifer durch einen fihern und feften 
Griff zum Mitfallen bringt, natür- 
lich möglichſt fo, daß er in die uns 
günftigere Lage fommt. 

Der oben befchriebene Untergriff 
läßt ſich natürlid nit nur von 
vorn, fondern auch von der Seite 
und von Binten ausführen. Gegen 
den Seitensüntergriff ver 
teidigt man ſich am beften wie beim 
Untergriff von vorn durch Aufs 
ftemmen des Ellbogen? auf die 
Bruft des Angreifer. Iſt der 
Untergriff von binten gelun: 
gen, jo gilt es, nachdem man den 
Gegner aufgehoben hat, ihn nad 
hinten zur Erde zu bringen, wobei 
man nur verhindern muß, daß er 
fih im Fallen dreht oder daß man 
felbft unter ihm auf den Rüden 
fallt. Sicherer zum Ziel führt der 
Nadenhebel oder Nelſon, bei dent 
man die von binten unter des 
Gegners Achſel durchgeführte rechte 
Hand nad) oben Hinter feinen Naden 
bringt, während die Linfe feine 


| 


| 


X. 2. Akhlekik. 


Linke feſſelt. 


Nro. 614. 


Um den Gegner zu |und hebt ihn aus dem Stand. 


Boden zu bringen, läßt man fih Der Schwung ergibt fih nun von 


felbft nach der linfen Seite fallen, 
wobei man es jenem unmöglid) 
machen muß, fih zu drehen. Zur 
Verteidigung gegen den Nelſon fann 
man nurdie Armefo [hließen, daß fie 
des Angreiferd Arme fefleln. Se 
lockerer dieje Umfchlingung ift, defto 
leichter wird ihm die den Ausſchlag 
gebende Drehung am Boden. Gegen 
den tiefen Untergriff von Hinten 
ftüßt man beide Hände auf die Arme 
des Gegner? unterhalb des Ell⸗ 
bogeng, fo daß der Oberkörper nad) 
vorn herunterhängt. Zum Hüft- 
ſchwung legt man den Arm um 
das Genid des Gegners und dreht 
fih fo an ihn heran, daß man ihm 
Die eigene Hüfte unter den Bauch 
fchiebt; neigt man ſich nun nad 
vorn, jo verliert er die Stüße am 
Boden, und nun laſſe man fidh 
fallen, ohne das Genick des Gegners 
loszulaſſen. Es gelingt verhältnis: 
mäßig leicht, fih im Fall auf den 
Gegner zu werfen und ihn auf die 
Schultern zu drüden. Die Barade 
befteht am beften in einem Unter: 
griff von Hinten und einem Hebe- 
fhwung nah der Seite. Beim 
Armgriff legt man fi einen 
Arm des Gegnerd hebelartig um 
die Schulter, worauf man durd 
eine Neigung nad vorn, wie beim 
Hüftſchwung, ihm den Stand neh- 
men kann. Läßt man fih nun 
fallen, fo muß er mit. Zur Ber: 
teidigung kann man, wenn es nicht 
gelingt, den zuerit gefaßten Arm 
loSzureißen, den Angreifer mit der 
freien Hand von fih mwegdrüden, 
Damit die Wirkung des Hebel ab- 


geſchwächt wird. Sehr wichtig iſt 


der Genidhebel. Man erfaßt 
dag eine Handgelen? des Gegners 
und fchiebt fchnell den Kopf unter 
der Achfel des zugehörigen Armes 
durch. Gleichzeitig legt man ihm 
den anderen Arm um die Hüfte 


jelbft. Zur Verteidigung lafje man 
fih jchnell ind Knie nieder, um 
den Angreifer niederzudrüden und 
mit Schulterhebel zu werfen. Der 
Kopfgriff muß fehr fchnell aus⸗ 
geführt werden, wenn man nicht 
zuviel dabei riskieren will. Man 
ſteht mit dem Rüden- an der Bruft 
de3 Gegner? und greift ſchnell nad) 
hinten, bis man die Hände in fei- 
nem Naden fließen fann. Iſt der 
Griff gelungen, jo wirft man den 
Oberförper energiid nah vorn, 
worauf die Hebelmwirkung einfekt. 
Beim Schwung gilt e3, die Drehung 
des Gegners zu verhindern. Als 
Verteidigung gegen den Kopfgriff 
fommt ein Untergriff von hinten 
in Frage oder ein feſtes Weg- 
ftemmen des Angreifer in der 
Hüfte. Sehr häufig angewendet 
wird die mit einem Fallſchwung 
verbundene Armftüße, wobei 
der Arm des Gegners mit beiden 
Händen gefaßt und dicht heran⸗ 
gezogen wird. Den Ellbogen bringt 
man fchnell unter den ergriffenen 
Arm, worauf man den eigenen 
Arm leicht als Hebel benuten fann. 
Sobald man den Gegner aus dem 
Stand gehoben, fann man ihn nad) 
der Seite werfen, und zwar direkt 
auf den Rüden, damit man ſich 
Schnell auf ihn mwälzen fann. Eine 
fihere Parade gibt es faum, doch 
fann man dur ein geſchicktes Auf- 
ftügen des rechten Beines verhin⸗ 
dern, daß man auf den Rüden 
fällt. 

614. Der Bodenkampf. Im 
Bodenkampf hat der ftehende Ringer 
ſtets den Vorteil auf feiner Seite, 
fein Hauptaugenmerf muß aljo 
darauf gerichtet fein, ſich diejen 
Vorteil zu wahren und den Gegner 
nicht wieder aufftehen zu laſſen, 
fondern ihn vorferiftsmäßig auf 
beide Schultern zu bringen. Bevor 


Nro. 614. 


die dazu dienenden Griffe behandelt 
werden, ijt ed nötig, die wichtigften 
Stellungen zu ffiszieren, die der 
Ringer am Boden einzunehmen 
pflegt. Bei der Hode legt man 
die Unterſchenkel mit der Border» 
feite bei gejpreizten Knien auf den 
Boden und ftüßt beide Hände nad) 
vorn breit auf. Dabei foll das 
Gefäß auf den Ferjen ruhen. 
Ebenſo widtig ift die Brüde. 
Der ganze Körper ruht mit dem 
Rüden abwärts auf dem Scheitel 
und den beiden Füßen, die in 
ziemlich gejpreizter Stellung auf- 
geftelt find. Rumpf und Ober⸗ 
ſchenkel bilden alſo die Brüde. 
Diefe Stellung muß jeder Anfänger 
gründlich üben, da te faft in jedem 
Ringkampf vorfommt und oft allein 
vor einer Niederlage ſchützen Tann. 
Es leuchtet ein, daß das Ueben der 
Brüde die Nadenmusfulatur außer- 
ordentlich ftärkt, und von welcher 
Wichtigkeit gerade fie für den Aus⸗ 
gang des Kampfes ift, ergibt ſich 
Ihon aus der Aehnlichfeit der 
Brüdenftelung mit der des Be- 
fiegten. Bei ungenügender Naden- 
muskulatur ift es leicht, die Brüde 
zu brechen, indem man fi) auf den 
Gegner wirft und dabei das eigene 
Körpergewicht ausnugt. Der in 
der Brüde Liegende ſtemmt zur 
Verteidigung die eine Hand gegen 
dag Kinn des Angreiferd, um ihn 
von fih fernzuhalten. Dann hat 
er das Hauptaugenmer? darauf zu 
richten, daß ſtets eine jeiner Schul- 
tern vom Boden fernbleibt. Am 
gefährlichiten ift immer der Mo- 
ment, in dem er fih von einer 
Schulter auf die andere wendet. 
Weiß der Angreifer in diefem Mo: 
ment jein Körpergewicht richtig zu 
benußen, fo iſt der andere fofort 
verloren. Man ſuche daher beim 
Angriff den Gegner durch den 
dauernden Drud des Körpergewichts 
zu ermüden, bis man in einer 


J. W. Schroeder. 


günſtigen Bewegung ſeine Schul⸗ 
tern zu Boden bringt. 

Die Griffe zum Wenden und 
Werfen des in der Hocke Liegenden 
ſind außerordentlich zahlreich und 
vielgeſtaltig, ſo daß hier nur die wich⸗ 
tigſten angegeben werden können. 
Gegen die Hocke wird vor allem 
der Nackenhebel Melſon) ver: 
ſucht. Man beuge ſich breitbeinig 
mit dem Oberkörper über den 
Gegner, lege ihm den einen Unter: 
arm ind Genid, ziehe den andern 
Unterarm ibm unter der Achjel 
durch, bi8 man die Hände ver: 
einigen Tann. Die zum Werfen 
nötige Hebeltätigfeit ergibt fich nun 
von ſelbſt. Zur Berteidigung 
ftemme man an der Geite, nad) 
der man geworfen werden fol, das 
Bein auf, wenn e3 nicht gelingt, 
den Arm des Angreifer zu löfen. 
Der Rückenhebel wird vorteil- 
haft mit einem Ueberftürggriff 
verbunden. Die eine Hand des 
Angreiferd greift unter der Achjel 
durch Hinter das Genid des in der 
Hode Liegenden, während der an- 
dere Arm unter deſſen Bauch jo: 
weit mie möglich vorgreift und 
feinen Körper auf den Rüden zu 
mwälzen ſucht. Das verhindert der 
Angegriffene, indem er das Bein 
der Angriffsfeite nad) Hinten dem 
Drud entgegenftemmt. Beim do p- 
pelten Nadenhebel greifen 
beide Hände unter den Achjeln des 
Hodenden durch und vereinigen ſich 
in feinem Naden. Man dreht nun 
entweder den Gegner auf den 
Rüden oder überftürzt ihn durch 
Einziehen feines Kopfes nad) vorn. 
Zur Verteidigung kann man ver: 
ſuchen, die Hände des Angreifers 
zu löfen, indem man mit den Ober- 
armen feine Unterarme feft an den 
Körper zu drüden und den Kopf 
zu heben ſucht. Auf dieſe Weife 
laßt fi eine Hebellraft ausüben, 
die den Angreifer oft zum Löſen 


IL Lu — 


X. 2. Aihletik. 


der Hände veranlafjen wird. Ge: 
Yingt ihm die Drehung, jo ſuche 
man fih auf ihn zu mwälzen und 
fo ihn zu werfen. Dabei leijtet 


die jpäter zu bejchreibende Pi- | Geite, 


rouette eventuell gute Dienite. 
Aehnlich ift der Genidfang- 
bebel. 
Angreifers legt fich über den Rüden 
des Hodenden, während der andere 
Arm unter feiner Bruft durchgreift, 
bis Die Hände ſich vereinigen 
fönnen. Zur Verteidigung ſucht 
man vor diefer Vereinigung die 
Hände des Angreifer® aus dem 
Genid zu entfernen; jet er dennoch 
zur Drehung an, jo kann nur nod) 
ein kräftiges Aufftügen des der 
Drehung entgegenmwirkenden Beines 
nügen. Der Kopfdurdzug und 
der Armzug ſetzen ähnlich an und 
mwirfen ähnlid. Eines der beiten 
Rettungsmittel gegen dieje Griffe 
ift der Armfallſchwung am Boden. 
Greift der, Angreifer mit jeinem 
Arm überdie Schulter des Hockenden, 
fo kann diefer den Arm fallen und 
den Angreifer wie beim Armariff- 
ſchulterſchwung nad der Seite und 
fih auf ihn werfen. Man jhüst 
fih gegen dieſe Hebelmirfung ent- 
weder mit dem freien Arm oder 
indem man ſelbſt jchnell auf die 
Seite jpringt, nad) der man ge= 
zogen werden jol. Beim Arme 
durchzug fniet man an der einen 
Seite des Hodenden und faht unter 
deſſen Bruft dur den Arm der 
andern Seite. Indem man diejen 
an ſich zieht, fucht man den Körper 
nah vorn zu wälzen. Bor dieſem 
Griff rettet man fi am einfadhften, 
wenn e3 gelingt, den Oberkörper 
aufzuridhten. Gelingt das nicht, jo 
Jude man aus der Hode möglichft 
fchnel eine Brüde zu machen. 
Aehnlih dem Armfalihwung wirkt 
der Schulterſchwung mit 
Kopfgriff, wobei der obere 
Ringer wie beim Kopfgrifffall- 





Der äußere Arm des H 





Niro. 614. 


ſchwung im Naden gefaßt und nad 
vorn gedreht wird. Zur BVerteidi- 
gung dienen ein Untergriff und das 
Aufftemmen des Beines an der 
nad der die Drehung 
verfudt wird. Beim ſeitlichen 
Kopfgriff leat fih der Arm des 
ofenden um Naden und Hals 
des Angreifers, und mährend der 
Arm nah unten zieht, drängt der 
Körper nad) der Geite, big die 
Drehung auf den Rüden erfolgt. 
Man kann dieſen jeitlihen Kopf: 
griff löjen oder unwirkſam maden 
dadurh, daß man fi jelbit in 
feinem Sinne auf die Seite wirft 
und das obere Bein gegen die 
völlige Drehung ftemmt. Sehr 
wichtig ift der Schulterdreh: 
griff. Der Angreifer niet jeit- 
wärts vom Kopf des Hodenden, 
legt die eine Hand unter defjen 
Arm und Achjel durch auf feinen 
Rüden, wo er die andere Hand, 
deren Unterarm im Naden des 
Angegriffenen liegt, mit der erjteren 
vereinigt. Durch die Hebelmwirfung 
wird der Hodende auf die Seite 
gewälzt. Zur Verteidigung gelingt 
oft ein Armfalihwung ; wenn nicht, 
jo muß man die Niederlage durch 
geſchicktes Entſchlüpfen während der 
Drehung abwenden. Beim Arm- 
ſchlüſſel kniet der Angreifer zur 
Seite des Hodenden, jucht feinen 
Arm unter defjen Arm zu bringen, 
bis der Unterarm etwa auf dem 
Nüdgrat liegt. Die freie Hand 
legt‘ er auf den Oberarm des 
Gegners, der nun dur Drud und 
Hebelmirfung zum Wälzen gebracht 
wird. Gelingt der doppelte Nacken— 
hebel nit, jo Tann man unter 
Umftänden einen Nadengriff mit 
Scdulterhebel anjegen, indem man 
die eine Hand wie zum Nadenhebel 
greifen läßt, während der andere 
Arm fih mit Drud auf Schulter 
und Naden des Hodenden legt. 
Die Hebelmwirfung entfteht durch 


Niro. 615. 


forrefpondierenden Drud und Zug 
der beiden Arme. Zur Berteidi- 
gung dient der Armzug. Das 
Veberftürzen nad vorn ift ein 
fehr beliebter Griff, mobei die eine 
Hand den Kopf ded Hodenden im 
Genid nad) unten drüdt, während 
der andere Unterarm ſich unter den 
Bau legt. Indem beide Arme 
entgegengejegt wirken, wird ver 
Erfaßte nach vorn übergeftürzt. Zur 
Verteidigung ſtreckt man den Körper, 
bis die vorderen Schenfelflächen 
und der Unterleib flah auf dem 
Boden liegen, während der Ober- 
förper, gejtüßl auf die Arme, auf: 
wärts ſteht. Vorteilhafter ift es, 
wenn man den am Bauch liegenden 
Unterarm des Angreifers mit dem 
gleichnamigen eigenen Arm feſſeln, 
den andern Arm aber um den 
Oberkörper des Gegners legen kann. 
Kommt man ſo in kniende Stellung, 
ſo iſt der Angreifer oft leicht zu 
werfen. Beim Aufreißen legt 
man den einen Arm um den Leib 
des Hockenden, bis man deſſen 
Handgelenk an der Seite, wo man 
kniet, greifen kann. Mit einem 
plötzlichen Ruck kann man ſo den 
Körper in ſchneller Drehung herum⸗ 
reißen. Die Brücke iſt die beſte 
Rettung, wenn es nicht gelingt, die 
Hand rechtzeitig freizumachen oder 
die Drehung rechtzeitig zu verhin- 
dern. Beim Aufreißen mit 
Untergriff wirft man fich ſelbſt auf 
die Seite und zieht den Gegner 
nad. Zur Verteidigung fucht diefer 
mit Borteil dur eine Pirouette 
fih auf und über den Angreifer 
zu werfen, der dabei leicht mit den 
Schultern zu Boden gebracht werden 
fann. Die Pirouette ift alfo 
eine Wendung des ganzen Körpers 
mit dem Rüden abwärts über den 
am Boden liegenden Gegner. Sie 
verdient bejondere Beachtung ala 
legte DVerteidigung, die auch in 
mißlicher Lage noch zu einem Siege 


3. W. Schxveler. 


führen kann. Der Untergriff 
von der Seite wird mit Vor⸗ 
liebe angewendet gegen ſitzende 
Gegner. Man verteidigt ſich durch 
ein Niederdrücken des Angreifers 
mit dem Arm der Seite, von der 
der Angriff erfolgt. Beim Kippen 
faßt der Angreifer den Hockenden 
von hinten zwiſchen den Beinen 
durch, gleichzeitig mit der anderen 
Hand den ſtützenden Arm weg- 
zjiehend. Gelingt das Ueberftürzen, 
fo ift die Brüde die beite Rettung. 
Beim Audheben faßt man den 
Hockenden mit beiden Armen um 
den Leib und hebt ihn, bi! man 
ein Knie unterjtellen fann. Durch 
Drehen oder Weberwerfen ift er 
auf die Schultern zu bringen. 
Schnelled Aufipringen oder Löfen 
des Griffes ift die beite Verteidi- 
gung. Wird man überftürzt, jo 
falle man in die Brüde. Die un- 
erlaubten Griffe können bier über- 
gangen werden. 

615. Dſchiu⸗Dſchitſu ift ein 
Wort, dad man in Europa eigent: 
lich erit feit den Tagen des ruſſiſch⸗ 
japanifchen Krieges allgemein fennt. 
Als man ſich damals für die Lebens⸗ 
gemohnheiten des merkwürdigen 
oſtaſiatiſchen Inſelvolkes mehr zu 
intereffieren anfing, hörte man von 
jener fonderbaren Kampfesweife, 
die in der japanifchen Kriegerfajte 
der Samurai ſeit Sahrhunderten 
befannt war, aber forgfältig geheim 
gehalten wurde, bis fte fportliche 
Ausgeftaltung erfuhr. Heute ift 
das Digiu-Dihitfu in Sapan eine 
Art Nationaliport, der jehr beliebt 
ift und viel geübt wird, und Eu- 
ropa hat ihn aufgegriffen. In 
vielen größeren Städten unjeres 
Kontinent? gibt es heute ſchon 
Dſchiu-Dſchitſu-Schulen, mo Polis 
ziften, Sportsfreunde, Raufbolde 
und Damen in der Kunft der jas 
panifchen Selbftverteidigung unter- 
ritet werden. Man kann diefer 


4 


X. 2. Mihlelik. 


Begeifterung nicht jo ohne weiteres 
zuftimmen. Vorausſichtlich wird 
fie ebenfo plößlich wieder ſchwinden, 
wie fie gefommen iſt. Und man 
braucht das kaum zu bedauern, 
denn troß allen gegenteiligen An⸗ 
fihten: Dſchiu-Dſchitſu ift fein 
Sport, fondern eine Selbjtverteidi- 
gungs- und Kampfesmethode, die 


fo ganz aus dem Charalter des | 


japanijchen Volkes geboren erjcheint, 
daß fie ſchon darum bei andern 
Rafſen niemald heimiſch werden 
fann. Wenn man unter Sport 
eine ſpieleriſche Betätigung zur 
Ausbildung und Beredelung des 
Körperd ohne Nebenabfichten vers 


fteht, jo läßt ſich ſchon in dieſer 
Definition das Dſchiu⸗-Dſchitſu nicht 


unterbringen. Mit dem gymnaſti⸗ 
ſchen Prinzip der Griechen hat die 
heimtückiſche Raufmethode gar nichts 
zu tun, ſie widerſpricht ihm direkt. 
Denn worin beſteht dieſe japaniſche 
Kunſt? Ihr Zweck iſt immer und 
überall, den Gegner möglichſt ſchnell 
und ohne Gefahr wehrlos zu machen. 
Das geſchieht durch eine Reihe 
raffiniert ausgedachter und auf 
Grund genauer anatomiſcher Stu⸗ 
dien zuſammengeſtellter Griffe, die 
meiſt ohne oder mit ganz geringem 
Kraftaufwand auszuführen ſind. 
Daher kann ein im Dſchiu⸗Dſchitſu ei⸗ 
nigermaßen ausgebildeter Schwäch⸗ 
ling mit Leichtigkeit den ſtärkſten 
Athleten beſiegen, was auch der 
Name dieſer ſonderbaren Kunſt be⸗ 
ſagen will (Sieg des Schwachen 
über den Starken). Es kommt 
alſo alles darauf an, den Gegner 
möglichſt ſchnell an irgend einer 
Achillesferſe des Körpers ſo gründ⸗ 
lich zu treffen, daß er des Schmerzes 
oder einer oft recht ſchweren Ver⸗ 
letzung wegen von jeder weiteren 
Gegenwehr ablaſſen muß, wenn er 
nicht tödlich getroffen wurde. Das 
Training zum Dſchiu⸗Dſchitſu be⸗ 
ſteht in einer aufs höchſte ausge— 


Nro. 615. 


bildeten Gebrauchsfähigkeit derHand, 
die durch andauernde Arbeit ſo ge⸗ 
ſtählt wird, daß fie z. B., ohne zur 
Yauft geballt zu fein, ſtarke Knochen 
durchſchlagen, einen Menſchen dur 
einen einfachen Hieb an den Hals 
töten kann. Dann lernt der Schüler 
jeden Punkt des menſchlichen Körs 
pers Tennen, wo wichtige Gefäße, 
Nerven, Musteln oder Sehnen fo 
ungefhütt liegen, daß ein Drud, 
ein Schlag auf fie das zugehörige 
Glied bligartig lähmt und unbrauch⸗ 
bar macht. Endlich werden die mit 
den Knochen und Gelenfen zu er- 
zielenden Hebelwirkungen ftubdiert, 
fomweit fie dur einen Griff mit 
einer oder beiden Händen zu einer 
Luxation, Torfion oder einem 
Knochenbruch benugt werden können. 
Ein Stoß mit dem Beige: und 
Mittelfinger in die beiden Augen 
des Gegners ift ein nad) japanifchen 
Begriffen normale Kampfmittel, 
diejer liebenswürdigen Kampfweife. 
Solder Griffe und Kniffe gibt es 
Hunderte, und es ift ganz zwecklos, 
mehr davon bier aufzuzählen. Wer 
fi dafür intereffiert, wie man ohne 
Waffe verhindert, daß einem ein 
Rowdy ein Mefjer in den Bauch 
rennt, der kaufe ſich ein? der vielen 
Lehrbücher, die in den legten Jahren 
über diejen Gegenftand verbreitet 
worden find. Er wirb dort wahr: 
fheinlih aud finden, wie Damen 
die freundliden Annäherungdver- 
ſuche eines allzu temperamentvollen 
Herrn abmwehren fünnen, indem fie 
dem unglüdlihen Verehrer im 
rehten Moment auf die Füße 
treten, und dergleichen weife Lebens⸗ 
regeln mehr. Wichtig fann das 
Dſchiu-Dſchitſu für die Polizei 
werben, denn mer die japaniſche 
Kunft wirklich verfteht, braucht im 
Nahkampf faum noch zum Revolver 
oder Seitengewehr zu greifen. 
Man hat denn auch mit der Aus- 
bildung der Schußleute 2 vielen 


— — 
— — 


Nro. 616. 


Orten bereits begonnen. Bei der 
Art ſolcher Uebungen kann es nicht 
wundernehmen, daß ſchon beim 
erſten Training, wenigſtens in 
Japan, oft Verletzungen vorkommen, 
da die Grenzen, bis zu denen man 
bei den Griffen gehen darf, ſehr 
ſchwer einzuhalten ſind. Man hat 
daher in Japan mit verblüffender 
Logik zum Dſchiu⸗Dſchitſu gleich 
eine beſondere Methode der Wund- 
behandlung und Wiederbelebung 
erfunden, die fpeziell bei ven Wett⸗ 
fämpfen viel benugt und Kuatfu 
genannt wird. Wir wollen froh 
fein, wenn unfere eingeführten 
Sport3arten die Aerzte und ihre 
Eingriffe fo überflüffig wie nur 
möglich maden, und da der Sport 
nit dazu da ift, feinen Süngern 
die Mittel zu zeigen, wie fie ihre 
Mitmenfhen auf die rationellite 
Weiſe zu Krüppeln fchlagen fünnen, 
dürfen wir in einem deutſchen 
Sportsbuche wohl von weiteren 
Einzelheiten abſehen. Nitterlich 
muß der jportlide Wettkampf 
bleiben, und es gibt faum etwas, 
was unritterlider wäre als nad 
feinem ganzen Charalter das Dſchiu⸗ 
Dſchitſu. 

616. Der Fauſtkampf, heute 
mit dem Worte Boxen bezeichnet, 
ist in Deutfchland al8 Sport nur 
wenig befannt, während die angel- 
ſächſiſche Rafjeihnzu ihrem National 
jport gemadt bat. In England 
und namentlich in Amerika gibt e3 
faum ein SKampffpiel, dag mit 
gleicher Leidenjhaft geübt wird, 
während man es in den Übrigen 
Kulturländern als Sport faum an- 
erfennt und nur mit Vorbehalt 
Thägt. Bei ung in Deutfchland 
betreibt man das Boren nebenbei 
in einigen Athletenvereinen, die 
befier fituierten Geſellſchaftskreiſe 
kennen es faum. Iſt das zu be- 
dauern? Wenn man auch zugeben 
muß, daß die Engländer und 


J. W. Schroeter. 


Amerikaner ein gut Teil ihrer 
körperlichen Kraft und Elaſtizität 
dem Fauſtkampf verdanken, ſo iſt 
doch gar nicht zu bezweifeln, daß 
die andern Zweige der Athletik 
mit Leichtigkeit genau dieſelben 
Erfolge zeitigen können, ohne das 
zu zeigen, wa wir am Boren als 
Nachteile, als roh und brutal 
empfinden. Es iſt doc ſchließlich 
nicht nötig, daß man ſich im fried⸗ 
lichen Wettkampf Naſenbein und 
Zähne einſchlagen läßt, daß man 
ohne Not ſchwere innere Verletzungen 
riskiert und zum Ende den Reſt 
ſeines Lebens mit verſchandelten 
Gliedern herumläuft. Wir können 
neidlos unſern Vettern jenſeits des 
Kanals und des Ozeans ihre ge⸗ 
liebte Kunſt laſſen und ſollten dafür 
deſto mehr beſtrebt ſein, es ihnen 
z. B. im Laufen und Springen 
gleichzutun, worin ſie immer noch 
ganz bedeutende Vorſprünge vor 
unſeren beſten Athleten haben. 
Und wenn man entgegnet, man 
brauche trotz Polizei und Richtern 
eine zum Selbſtſchutz geeignete 
Kampfesmethode, jo ift auch dieſes 
Argument redt wenig durch⸗ 
jchlagend, denn wie viele Menſchen 
fommen einmal dazu, fich ernithaft 
ihrer Haut wehren zu müfjlen ? 
Wer das befürdtet, dem ift es 
ſchließlich unbenommen, durch flei- 
ßiges Trainieren im Boxen vorzu⸗ 
beugen. Nicht beſtritten ſoll werden, 
daß ein guter Borer eine gewiſſe 
förperlihe Ueberlegenheit befitt 
über Gegner, die bedeutend größere 
Körperfräfte haben ald er. Wer 
diejes Bewußtſein jo ſehr ſchätzt, 
mag durch das Studium des 
Boxens wieder gut machen, was 
die Natur verſäumte, als ſie den 
Menſchen bei der Verteilung der 
natürlichen Waffen im Gegenſatz 
zu manchem Tier ſo ſtiefmütterlich 
behandelte. 

Die Vorübungen des Boxers 


X. 2. Aihlefik. 


beftehen in Keulen- und SHantel- 
übungen, fowie im Sadfchlagen. 
. Man benukt fünfpfündige Keulen, 
mit denen man nidt allzu an 
ftrengende Evolutionen nad einem 
beftimmten, individuell zugefchnitte- 
nen Mebungsplan ausführt. Dabei 
fol, wie bei allen athletijchen 
Trainings, niemald Ermüdung ein- 
treten. Das Keulenſchwingen dient 
vor allem zur Feitigung des Hand- 
gelenf3 und der Muskulatur des 
Schultergürtels. Die Hanteln follen 
leichter fein als die Keulen und 
nicht in heftigen, ruckweiſen Stößen, 
fondern mit mäßiger Schnelligkeit 
bewegt werden. Der beim Boren 
zu benugende Sad ift mit etwa 
15 Pfund Sand gefüllt und hängt 
von der Dede herab, die lederne 
Außenhaut ift gepolitert. An dieſem 
Sad übt man die erjten Borer- 
ftöße, hüte ſich aber zu ftoßen, be- 
vor der Sad rückwärts fchwingt. 
Nachdem der Anfänger fidh jo die 
erſte Technik im Stoß erworben 
bat, Tann er ſich an den Iuft- 
gefüllten Gummifad machen, der 
jo leicht ift, daß er mit einem Stoß 
gegen die Zimmerdede oder eine 
Wand getrieben werden Tann. Es 
fommt darauf an, diefen Sad oft 
und Träftig zu treffen, ohne daß er 
beim Zurüdprallen Geſicht oder 
Bruft ſeines lebenden Gegners be- 
rühren kann. Bei diefen Uebungen 
treten auch die Beine ſchon recht 
energifch in Aktion, und die Elafti- 
zität des ganzen Körpers nimmt zu. 
Noch ſchwieriger ift der dritte Sad zu 
behandeln, der mit elaftiihen Bän- 
dern an der Dede und am Fuße 
boden befejtigt ift und daher noch 
fchneller zum Ort des letzten Stoßes 
zurückkehrt als die vorher befchrie= 
benen. Regel ift, mit der linken 
Hand zu ftoßen, mit der rechten zu 
parieren. Gilt es beſonders ftarf 
zu ftoßen oder mehrere Stöße un- 
mittelbar aufeinander folgen zu 


Niro. 616. 


lafien, jo darf natürlich auch die 
rechte Hand benutt werden. In 
der Grundftellung liegt der rechte 
Borderarın mit der Fauft quer vor 
der Bruft, während die linfe Hand 
mit mäßig gebogenem Arm unge- 
zwungen vorgejftrecdt ift. Nach alter 
Sitte reiht man dem Gegner die 
Hand, fchreitet dann zurüf und 
ftelt fih in Bofitur. Sn der 
rechten Auslage jtellt man. den 
linfen Zuß vor, und bei dieſer 
Stellung jollen die beiden linken 
Fußfpiten der Gegner etwa !/» m 
voneinander entfernt fein. Ge— 
ftattet find alle Stöße nad dem 
Kopf und dem Rumpf des Gegners, 
verboten ift dagegen dag Oeffnen 
der Hand und jedes Greifen, 
Ziehen 2c. Alſo nur der Stoß ift 
erlaubtes Kampfmittel. Es kommt 
alles darauf an, den Gegner aufs 
Ihärffte zu beobachten und au? 
feinen Bewegungen, namentlich 
aber aus feinem Geficht jtändig 
zu leſen, was er beabjichtigt und 
wo er fih etma Blößen geben 
fönnte. Aber auch dabei ift Bor- 
fit geboten, denn ein richtiger 
Borer weiß Finten gejhidt anzu= 
bringen und den Gegner zu täu- 
fhen, damit er unnüß Kraft 
vergeudet und Gelegenheit zu An⸗ 
griffen bietet. Die zahlloſen ein- 
zelnen Stöße und Paraden zu 
fhildern Bat Hier feinen Zweck, 
dagegen dürfte eg angebradt jein, 
einen furzen Auszug aus den in 
England anerkannten gejeglichen 
Beitimmungen zu geben, die als 
„Marquis of Queensberry-Rules“ 
(nah Silberer, Handbuch des 
Athletikſports) befannt find. 


1. Jeder Kampf fol in einem quadrati- 
fhen Raum (Ring) von 6,7 m Länge und 
Breite abgehalten werden. Genau in der 
Mitte dieſes Raumes wird ein Kreis von 
8 Fuß Durchmeſſer eingezeichnet, in dem 
jeder Fauſtkampf zu nn bat. 

3. Jeder der beiden Kämpfer darf einen 
Selundanten mit in den Ring bringen. 
Die Selundanten miüffen während des 


Nro. 617. 


Kampfes in den diagonal liegenden Eden 
bleiben und dürfen feine Ratſchläge er⸗ 
teilen noch die Kämpfer anfpreden. 
Während der Paufen darf jeder Kämpfer 
einen leichten Seffel benugen. 

3. Alles Ringen, Umfaflen, Anſichdrücken, 
Stofen und der Gebraud der Jnnenjeite 
der Hand ift außgefhloffen. Ber Gegner 
darf nur dur offenes und mannhaftes 
Boren verlegt werden. Kein Kämpfer barf 
zur Raft oder um Stößen auszumeichen ſich 
auf ven Boben legen. Liegt er ſchon bort 
ober auch nur auf einem ober beiden Knien, 
fo darf er nicht berührt werden. Nein 
Stoß darf unter ben Gürtel, den jeder 
Kämpfer um die Taille trägt, treffen. 

4. Die Faufthbandfhuhe dürfen nicht 
weniger al3 5 Ungen wiegen und müſſen 
aus leichtem, binnem Handſchuhleder her⸗ 


geftellt und fo mit Roßhaar gefüttert fein, J 


daß die ſtärkſte Lage über den Knöcheln 
liegt. An den Füßen ſind nur ganz leichte 
Schuhe erlaubt. 

5. Die einzelnen Runden ſollen je 3 Mi⸗ 
nuten dauern, ihre Zahl wirb verabrebet, 
fol aber 8 nicht überfchreiten. Nach jeder 
Runde ift 1 Minute Paufe. 

7. Wird ein Kämpfer niedergeftoßen ober 
fäut er, fo bat er in 12 Sekunden fid 
wieder zu erheben, event. mit Unterftügung 
feines Sefundanten. Wenn er innerhalb 
diefer Zeit nicht in der Mitte des Ringes 
wieder erfcheint, fo ift dem Gegner ber 
Sieg zuzuerfennen. 

8. Wenn ein Kämpfer gegen die den 
Ring abſchließenden Stride gedrängt wird, 
wo er fi nicht mehr verteidigen Tann, jo 
fol der Unparteiifhe beibe Kämpfer in bie 
Mitte beorbern. 

Die Kleidung des Boxers befteht 
am beten in einem anliegenden 
Tritot ohne Aermel, jo daß die 
Schultern frei find. SHofenträger 
follte man nie tragen, vor allem 
nicht, wenn fie Metallteile haben. 

617. Ausblid. In der deutjchen 
Athletik beobachtet man gegenwärtig 
fo viel erfreuliches Streben, fo viel 
guten Willen, unterjtügt von einem 
vollen Verftändnig für die Bedeu- 
tung und Wichtigkeit der guten 
Sade. Mögen fi au bier und 
da Mängel zeigen, mag aud die 


3. W. Sıhroefer. 


unvermeidlide deutſche Bereins- 
meierei mandem Pflänzchen den 
frifeden, fröhlichen Drang zum Licht 
verleiden, im ganzen kann man 
fagen, daß heute das deutſche Volk 
im Sport eines ber wertvolliten 
Mittel zur Regeneration von fo 
manden ſchlimmen Erjheinungen 
fieht, die man am Volkskörper be⸗ 
obadten konnte und Tann. Will 
man der guten Sache fchnell zum 
Siege verhelfen, jo gilt es vor 
allem, die Jugend zu gewinnen, fo 
lange fie begeifterungsfähig iſt. 
br wird man dann ruhig Die 
Zukunft überlaflen können. Glüd- 
licherweife haben auch die Regie- 
rungen und die gejehgebenden 
Körperſchaften die Wichtigkeit der 
Sade erkannt, jo daß bei ihnen 
die Athleten von Jahr zu Jahr 
mehr Entgegenkommen finden. 
Seien wir nicht unbejdeiden und 
verlangen wir nicht zu viel auf 
einmal. Es ift in unferm Er: 
ziehungsweſen jo unendlich vieles 
reformbedürftig, daß man ohne 
durchgreifende Mafregeln kaum 
noch befiern Tann. Turner und 
Athleten müffen alles daran jeßen, 
auf dem Plage zu fein, wenn ihre 
Zeit gefommen. Sie muß fommen, 
wenn wir nicht am deutſchen Volks⸗ 
förper dieſelben Erfahrungenmadjen 
wollen, wie fie 3. 3. unjern weft: 
lihen Nachbarn fo viel zu ſchaffen 
madhen. Der Sa „Mens sana 
in corpore sano!“ gilt nicht nur 
für das Individuum, er bat die- 
felbe Bedeutung für Völker und 
Staaten, und fein Geld ift beſſer 
angelegt, als da3 für die Volks⸗ 
gefundheit ausgegebene. 


7 


x. 2. Athletik. Nro. 617. 


IV. Rekordlifte der deutfchen Sportbebörde für 
Atbletik im Jahre 1908. 














l. Laufen. 
Ereigni3 | Leiſtung | Rekordinhaber 
50 m 5315 Sek. | X. Doerry, Berlin 
100 „ Bingen; Dunder, Mittweida 
200 „ M. Wartenberg, Berlin 
800 „ J. Ped, Hannover 
400 „ %. Runge, Braunfchweig 
500 „ K. Doerry, Berlin 
800 „ | 3. Runge, Braunfchweig 
1000 „ €. Uebel, Berlin 
1500 „ G. Zimmer, Hamburg 
3000 „ 
5000 „ Herm. Milller, Berlin 
7600 „ ‘ob. Böge, Berlin 
10000 „ Herm. Müller, Berlin 
15000 " ” " ” 
25000 „ n n „ 
40000 Joh. Böge, Berlin 
1 Stunde Herm. Müller, Berlin 
100 m Dreibeinlauf 125 Set. | E. Schulze⸗E. Wernide, Berlin 
400 „ Staf.sLaufen 46°; „ | Sportflub von 1895/96, Berlin (Rohlmey, 
Eide, Wagener, Axel) 
500 „ Fer 69%5 „ | Sportilub v.1895/96, Berlin (Axel, Weit- 
ling, Nowack, Wagener, Kohlmey) 
600 „ „ım.ı11!ls „ | Sportilub von 1895/96, Berlin (Weitling, 
Axel, Wagener) 
1000 „ „ln 5915 „ | Sportllub von 1895/96, Berlin (Wagener 
Axel, E. Laux, Eide, Berner, Nowad, 
Jopp, — Mallwitz, Kohlmey) 
8000 „ „8 „ 30816 Duisburger %. C. Preußen (Gebr. Lrie⸗ 
loff, Breynd) 
110 „ Hürdenlauf 16 „ | Julius Keyl, Münden 
Il. Seben. 
Ereignis | Zeiftung | Rekordinhaber 
500 m 1Min.45 Sek. | Job. Böge, Berlin (Weltrekord) 
1000 „ . Schumann, Berlin 
1500 „ R. Wilhelm, Berlin 
2000 „ NR. Schumann, Berlin 
3000 „ P. Sunta, Berlin 
4000 „ Herm. Müller, Berlin 
5000 „ R. Wilhelm, Berlin 
6000 „ Herm. Müller, Berlin 
7000 Lid ” ” ” 
7500 4 ” ” [2 
10 km P. Gunia, Berlin 
15 „ „ " 
20 „ Fritz Preiß, Frankfurt a. M. 
25 „ R. Wilhelm, Berlin 
50 „ ” i 
75 ” ” “u 
100 
1 Stunde 13 km 168 m P. Guuia, Berlin 


3090 m Staf.-Geh. 13 Min. 1725 Sek. | S.C.Hanfa, Berlin (Bunia,Bary, Schlegel) 


Nro. 617. 


#. W. Schrveter: X. 2. Athletik. 


II. Springen. 





Ereigni3 


Weitjprung 
Hochſprung 
Dreiſprung 
Weitſpr. ohne Anlauf 
Hochſpr. ohne Anlauf 
Dreiſpr. ohne Anlauf 
Weithochſprung hoch 


Leiſtung 





Rekordinhaber 


H. v. Bönnighauſen, Duisburg 
Paul Weinſtein, Halle 

Alb. Weinſtein, Halle 

Eduard Gmeiner, Fürth 

A. Hyman, Berlin 

G. A. Lutz, F. C. Mühlhauſen 93 


Weinſtein, Halle 


P. 
F Runge, Braunſchweig 


.Hallup, Berlin 


IV. Wurf- und Stoſsübungen. 








Rekordinhaber 





weit 
Stabhochſprung 
Ereignis | Zeiftung 
ne. 99,638 m 
Steinftoßen RL r. 9,20 „ 
Mg * 8,25 „ 
Kugelftogen 71, kg 12,68 „ 
5 1213 kg 8,389 „ 
Kugelwerfen 5 kg 19,20 „ 
Gewichtwerf. !s Ztr. 16,50 „ 
Speerwerfen 560,19 „ 
Diskuswerfen 41,62 „ 
Schleuderballwerfen 54,02 „ 
Hammermwerfen 5 kg "88,45 „ 
7i,kg 26,42 „ 
Fußball a) Blatftoß 60,00 „ 
Pr b) Fallſtoß 55,00 „ 


M. Schöps, Halle 

Karl Kaltenbach, München 

M. Lichtenberger, Pforzheim 

J. Otto, Darmſtadt 

Karl Kaltenbach, München 
ranz Baumeiſter, Nürnberg 

. Dörr, Frankfurt 

ul. Wagner, Reutlingen 

€. Welz, Berlin 

Dußmann, Münden (Weltrelorb) 

W. Dörr, Frankfurt 


” n 
Gg. Demmler, Berlin 


| E. Ludwig, Frankfurt 


folgende Eeiltungen wurden von Ausländern auf 
deutfchen Bahnen überboten. 





Ereignis | Zeiftung | Relordinhaber 





8000 m Laufen 


500 „  „ 16 „ 20 
2500 „ u 16.32 „ 40%: „ 
Weitfprung 6,82 m 
Hochſprung 1,876 u 
Stabhochſprung 3,40 5 
Kugelſtoßen 12) 68 „ 
Hammerwerfen 5 kg 36.90 A 

@ 71, kg 30,465 „ 


9Min. 14 Set. 


x. Bettersfon, Norblöpping 
J. Smith, Mandefter 
Gafton Ragueneau, Paris 
J. Somody, Kolozfvary 

. Maly, Prag 

. Söbderftröm, Stodholm 
David Mihaly, Budapeſt 
M. P. Radojlovitſch, Frankfurt 


” n ” 


6. Bergfell: X. 3. Pas Fehlen. 


Nero. 618-620. 


3. Das fechten. 
| Von 


Guſtav Derglell, 
k. k. Major und Direktor der Kol. Landesfechtihule in Prag. 


618. Allgemeines. Im allge: 
meinen wird die durch Hebung ers 


fein, da fi ſelbe geſchichtlich auf 
die römifche Fechtkunſt zurückführen 


reichte Fähigkeit, Hiebs und Sto$- | läßt 


waffen im Kampfe gegen einen 
oder mehrere Gegner zu führen, 
Fechtkunſt genannt; im bejonderen 
verjteht man darunter die in ein 
Syftem gebrachte Lehre der kunſt⸗ 
mäßigen Führung der Stoß- und 
Hiebwaffen im ehrlihden Kampfe, 
Mann gegen Mann. Die Fedt- 
kunſt kann ſich daher nicht mit allen 
erdentlihen Waffen befajjen, viel- 
mehr nur mit der Führung der 
zeit- und landesüblichen. 

619. Urfprung der Fechtkunft. 
Der Kampf mit Handwaffen ift jo 
alt, wie der Kampf felbit, und 
findet fi bei den roheiten Völkern 
vor ; als eine befondere Kunfttätig- 
feit tritt fie erit da hervor, wo 
überhaupt Kunft und Kultur Ein- 
gang gefunden haben. Die erften 
Anfänge eine kunſtmäßig ausge 
übten Waffenkampfes laſſen fich bei 
den alten Xegyptern und Xethio- 
pern nachmweifen. Bon den übrigen 
geſchichtlichen Völkern Drients läßt 
fih nur joviel jagen, daß die Aſ—⸗ 
ſyrier und namentlih die Perfer 
unter Cyrus als ein muffengeübtes 
Bolt auftraten. Bei den alten 
Griechen ſtand die „H oplomachie“ 
oder die Uebungen im Waffen: 
fampfe in feinem befonderen An- 
fehen. Bei den Römern, welde 
ſchon frübzeitig an den blutigen 
Gladiatorenfämpfen ihre Augen 
weideten, dürfte auch in der Tat 
der gefhichtlihde Anfang einer 
eigentlihen Fechtkunſt anzunehmen 


620. Warum lernen wir 
Fechten? Die Mittel zur Selbit- 
erhaltung im ehrlichen und offenen 
Kampfe bietet die Fechtkunft. Die 
Pflicht der Selbiterhaltung, Die 
mitunter an uns berantretende 
Notwendigkeit, unfere moraliſche 
oder phyſiſche Eriftenz mit Waffen 
zu beſchützen, haben die Fechtlunft 
ins Leben gerufen. Aber abgefehen 
von diefem erniten Zwecke wird die 
Fechtkunſt, ſobald Geiſt und In—⸗ 
telligenz hiebei zur Geltung kom⸗ 
men, ein wahres Bildungsmittel. 
Einſichtsvolle Pädagogen haben 
gymnaſtiſche Uebungen von jeher 
zu den weſentlichſten Beſtandteilen 
des Unterrichts gerechnet; die Fecht— 
funft wird fih daher ſchon durch 
den Einfluß, den fie auf die Kräf— 
tigung des Menfchen nimmt, der 
Aufmerkſamkeit eine3 jeden einzel: 
nen empfehlen. Haltung und Ge: 
bärde veredelnd, ale Muskeln ſtär⸗ 
fend, verleiht fie dem Blick Schärfe 
und SFeinheit, dem ganzen Wefen 
des Mannes aber jenen entjchlofje- 
nen Anftand, der ald der Ausdrud 
vernunftgemäßenBemußtfeing feiner 
jelbft, feine ſchönſte Zierde ift. 
Echter männlider Mut Hat fi 
feines Vorteile über einen Schmwa: 
hen nie bedient; durch die Fecht— 
funft wird erfahrungsgemäß Das 
Duell Hintangehalten. Diefe Gründe 
waren wohl maßgebend, daß Die 
Fechtkunſt nicht nur in den Militär: 
und adeligen Bildungsinftituten ge⸗ 


Niro. 621-622. 


lehrt wird, fondern fie auch in den 
weiteſten Kreifen eingedrungen ift. 
Sie alle.üben die edle und ritter: 
liche Kunft eingedent des fehr zu 
beherzigenden Spruches: „Mens 
sana, in corpore sano.“ 

621. Die Fechtlunft vom Aus⸗ 
gange des Mittelalter8 und zu 
Beginn der neueren Zeit. Nach 
allen hiſtoriſchen Schilderungen, 
wie nad) den Bilderwerfen und 
Handigriften des XIV. und XV. 
Sabrhunderts läßt fih nur das 
Eine jagen, daß die in Deutjchland 
berrichende Fechtlunft in einem 
ſchwerfälligen Gebrauche der man- 
nigfaltigften Waffen beftand. Im 
Mittelalter läßt fich erjt mit Beginn 
der Turniere 936, ſowie zur Beit 
der Einführung der Snftitution der 
gerichtliden Zweikämpfe die Füh- 
rung der Waffen mit einer gewiſſen 
Beftimmtbeit verfolgen. Die wert⸗ 
vollen Manuffripte des XIV. und 
und XV. Sahrhunderts3 (Lich t e n⸗ 
auers Fechtbuch 1348); Germa⸗ 
niſches Muſeum zu Nürnberg; 
Tallhoffers Fechtbücher 1442, 
59 u, 65) herausg. v. ©. Sergfell, 
geben ung hierüber Aufſchluß. In 
jener Epoche erfolgte die Abwehr 
nicht durch die Trutzwaffen, fondern 
durch die Schutzwaffen, Schild, 
Helm und Harniſch. 

Erſt nachdem die Wertſchätzung 
der Kraft gegen die höfiſchen Sitten 
zurücktrat, erhielt auch die unge⸗ 
regelte Kraftäußerung den Charakter 
einer höfiſchen Form. 

Daß die Deutſchen in Führung 
des Schwertes und des Duſaks 
eine Berühmtheit erlangten, iſt eine 
nicht zu beſtreitende Tatſache; aber 
das Fechten mit dieſen Waffen be⸗ 
ſtand noch immer in einem primi⸗ 
tiven Gebrauche dieſer Waffen, und 
endete meiſt mit einem Ringkampf. 

Abgeſehen von den verſchiedenſten 
Schutzwaffen, ſehen wir bei der 
Führung des Schwertes noch an⸗ 


G. Bergſell. 


dere Angriffswaffen gleichzeitig in 
Verwendung, die dann mit der 
linken Hand geführt wurden; über- 
dies bedienten ſich beide Gegner 
nicht jelten verfchiedener Angriffs 
ald Berteidigungswaffen. Solange 
man der Meinung huldigte, daß 
das Parieren ohne zur felben Zeit 
anzugreifen, etwas Verächtliches fei, 
wurde das Hauptaugenmert nur 
auf den Angriff gelentt. Die Ber- 
teidigung wurde demnad) ftet3 der 
Angriffstheorie untergeordnet. Das 
charakteriſtiſche Merkmal des Unter- 
richtes damaliger Zeit lag darin, 
die Lektionen mit viel Geheimnig- 
tuerei zu umgeben, überhaupt ihre 
Kunft durch philoſophiſche Ten⸗ 
denzen ſowie mathematiſche Abhand⸗ 
lungen zu einer geheimnisvollen 
Wiſſenſchaft zu erheben. Tall⸗ 
hoffer übermittelt uns in ſeiner 
Handſchrift fünf Tafeln, nad wel- 
hen man feiner Anſicht nad leicht 
berechnen fonnte, welden Tag und 
Stunde man für den bevorftehen- 
den Kampf wählen folle, um als 
Sieger hervorzugehen. 

622. Die Fechtkunſt der bürger- 
lichen Fechtergeſellſchaften. Mit 
Umgeftaltung des Kriegsweſens 
durch Einführung des Feuergeweh⸗ 
res übergingen die Fechtſchulen von 
der Ritterſchaft an die Bürgerlichen. 
In dieſen Schulen erhielten ſich 
die bisherigen Traditionen während 
des XVI. Jahrhunderts Bis zu 
Anfang des XVII. Jahrhunderts. 
Das Fechten wurde bald eine be- 
liebte Unterhaltung der Fünfte. 
Die ältefte derjelben war die von 
Stt. Markus von Löwen— 
berg in Frankfurt a. M., auch 
furz „Marfusbrüder” genannt. 
Später bildete fich jeneder „D eder- 
fechter“, auch „Stt. Beitg- 
oder Viterfechter“ genannt, die 
ihren Sig in Prag batte; beide 
wahrten ftreng ihre Fechtergeheim⸗ 
niffe, die fie „Privilegien“ nann⸗ 


— — 


x, 3, Das Jechten. 


ten. Eine dritte Fechtergejellichaft, 
die jogen. „Lurbrüder”, auch 
Klopffechter genannt, erfreuten fich 
feiner folden Berühmtbeit; zu 
Gent, bildete ſich unter dem 
Schutze Skt. Michael bereit! 
1042 eine Fechtgenoſſenſchaft, die 
fog. „Mihaelsbrüder”. 

623. Trennung des Stoßes 
vom Hieb. Eine große Berände- 
rung hat mit Ende des XVI. Jahr⸗ 
hunderts das bisherige Syſtem erlit- 
ten. Leichte Waffen wurden einge- 
führt, und gleichzeitig die Grundzüge 
einer fyitematifhen Führung be⸗ 
ftimmt. Somohl der Angriff mit der 
Spitze der Klinge, fowie jener mit der 
Schneide wurden einer gründlichen 
Reform unterzogen, und für die 
Verteidigung neue Normen in Form 
von „feiten Praden“ aufgeitellt. 
Die Hiebe wurden auf ein Mini: 
mum bejchränft, die Stöße nad) 
dem ganzen Körper gerichtet. Wir 
fehen in ftrenger Scheivung zwei 
Fechtarten nebeneinander beftehen, 
die „alte deutjche”, die „mittel- 
alterlihde Schule”, ſowie die „ita= 
lieniſche Stoßfechtkunſt“ in Deutſch⸗ 


Sand durch Salvatore Fabris 


eingeführt. 

624. Trennung des bisherigen 
Syſtems in zwei ſelbſtändige 
Fechtarten. Durch die Trennung 
des bisherigen Syſtems erſehen wir 
eine ſelbſtändige Stoßwaffe, den 
Degen, und eine neue Hiebwaffe 
entſtehen, wodurch die bisher übliche 
Waffenführung ſich in zwei ſelbſt⸗ 
ſtändige Kampfarten, das „Stoß-“ 
und das „Hiebfechten“ trennte. 

625. Italieniſche Fechtkunſt. 
Die größte Anzahl der Fechtbücher 
des XVI. Jahrhunderts hat Italien 
aufzuweiſen; daraus läßt ſich mit 
großer Sicherheit fchließen, daß die 
Fehtlunft in Stalien in hohem 
Anjeben ftehen mußte, und bie 
Quellen der modernen Fechtkunft 
in Italien zu ſuchen wären. 


Nro. 623— 626° 


Der Einfluß der italienifchen 
Schule madte fih im Laufe des 
XVI. Jahrhunderts überall geltend 
und bildete auch die Grundlage 
oder doch den Ausgangspunkt der 
Fechtlunft der neueren Zeit. Sie 
madte in Europa bei allen Fech⸗ 
tern Schule. 

Pietro Moncio 1509 war 
der erſte italienifhe Meifter, der 
über die Fechtkunſt jchrieb, ihm 
folgten Antonio Manciolino 
1531, Adillo Marozzo 1536, 
Camillo Agrippa 1553, Inge⸗ 
nieur und Baumeifter von Beruf; 
weiter Graſſi 1577, derzum erften 
Male von einer Dffenfive und 
Defenfive ſpricht. An erfter Stelle 
der berühmten italienifchen Meifter 
muß Angelo Biggiani 1575 
genannt werden. Seinen Nach⸗ 
folgern Nicoletto Giganti 1575, 
Satoatore Fabris 1606 und 
AdolfoCapo Ferrodikaglia 
1610 blieb e8 aber vorbehalten, 
die italieniſche Schule in Deutfch- 
land eingeführt zu haben. 

626. Die Fechtkunſt in Frank⸗ 
reich im XVI. u. XVII. Jahrh. 
Abgeſehen von der Heinen Schrift: 
„La noble science de joueurs 
d’espee“, die in franzöfifcher 
Sprade zu Antwerpen 1538 er- 
ſchien und die alte deutfche Schwert- 
Fechtkunſt zur Darftelung gebradit 
bat, erfhien das erfte Buch über 
die Fechtlunft in Frankreich von 
dem provenzaliihen Edelmann 
Henry de Sct. Didier, 1573 
zu Paris, allerdings ein epochales 
Werk. Erft 55 Jahre jpäter, 1628, 
erihien dag Wert von Girard 
Thibauld, der als Begründer 
der franzöſiſchen Schule anzufehen 
ift. Unter Charles Besnard 
1656, Philippert de Ia 
Touche 1670, und Liancourt 
1686, der bereit3 Die KRontreparaden 
lehrte, machte die Fechtkunſt die 
fühlbarften Fortſchritte. Ä 


627. Die ae in Deutſch⸗ 
land im XVII. Jahrhundert. 
Nah dem Verfall der Fechtergeſell⸗ 
[haften und der Einführung der 


— 


318. Primlage nach deutſcher Schule. 


italieniſchen Schule hat die alte 
deutſche Fechtkunſt ihr Ende er⸗ 
reicht. — Die Deutſchen hatten 
ſich aber der Stoßfechtkunſt in 





319. Sekundlage nach deutſcher Schule. 


einer Weiſe bemächtigt, daß ſie bald 
eine führende Stellung einnahmen. 
Die hervorragendſten Träger der 
an den Univerſitäten gepflegten 


—— 


320. Terzlage nach deutſcher Schule. 


Stoßfechtkunſt waren Sand Wulf 
von Mulsheim in Straßburg 
und Wilhelm Kreußler in 
Jena, geb. 1592, der als Begrün— 


zu: 


521. Quartlage nach deutfcher Schule. 


der der deutſchen Stoßfechtfunft ge- 
nannt zu werden verdient. 

Unter den Schülern der Kreuß— 
lerſchen Familie nimmt A. F. Kahn 


G. Berglell. 


die erſte Stelle ein, der die Kreuß⸗ 
lerſche Schule an der Univerfität 
zu Göttingen einführte.e Was ung 
Kahn in feinem Werte 1739 und 
nah ihm Eijelen und Rour in 
ihren Werten darbieten, ift bereits 
die weitere Ausgeftaltung der 
Kreußlerfchen Methode. 

628. Univerfitätsfechtfchufen. 
Eine bejondere Pflege erhielt Die 
Fechtkunft im Laufe de8 XVII. 
Sahrhunderts auf den Univerfitätz- 
fechtſchulen. 

Nach Aufhebung des Stoßfechtens 
auf den deutſchen Univerſitäten 
hat die Stoßfechtkunſt eine Ab⸗ 
nahme gefunden. Die jetzt all⸗ 
gemein auf deutſchen Univerfitäten 
übliche Fechtart ift das Hiebfehten 
mit dem Korb⸗“ und „Sloden= 
ſchläger“, dad von dem Göttinger 
Sechtmeifter Gattorp 1820 zur 
Verhütung der vielen Unglüdsfälle 
anftatt des Stoßfehtend empfohlen 
wurde. Weiter finden wir den 
fog. „Rorbjäbel”, au „Krumme 
fäbel" in Verwendung. An den 
öfterr.zung. Univerfitäten hat neben 
demSclägerfehten das Säbelfechten 
eine große Verbreitung gefunden. 

629. Die Fechtkunſt in Frank⸗ 
reih im XVII. und XIX. Jahr- 
hundert. Mit dem Ausfterben der 
Kreußlerſchen Fechterfamilie über- 
geht der Ruhm der Deutſchen auf 
die Franzofen. Bon der Zeit Lud⸗ 
wig XVI. bis zur Napoleonifchen 
Zeit waren die Franzojen die Allein 
berrfcher in ver Stoßfechtlunft. Der 
Degen nahm eine zierlihe Form 
an, das leichte Fleuret wird als 
Uebungswaffe eingeführt. 

Die Stöße nehmen die Namen 
der Paraden an. La Boejfiere 
brachte 1818 die Anzahl der Pa⸗ 
raden auf at und gab denjelben 
die ihnen bis jett zufommenden 
Namen. Das Werk von Chevalier 
Chatelain 1817 führt Stöße 
an, die noch heute geübt werden. 


X. 3, Das Jechten. 


ALS Begründer der fogen. Pariſer 
Schule, die noch heute in voller 
Geltung fteht, wo die franzöfifche 
Schule Eingang gefunden hat, ift 
A. Grifier anzufehen, deſſen 
Epoche machendes Wert 1847 in 
Paris erſchien. 

630. Die Fechtkunſt in Deutich- 
Sand und Dejterreich-Ingarn im 
XIX. Fahrhundert. Während den 
Napoleonifchen Feldzügen lag die 
Fechtkunſt in Deutfchland und 
Defterreih-Ingarn ftarf darnieder, 
obgleich ed an guten Meiftern nicht 
fehlte. — Erſt mit Beginn des 









IN 

NEIN 
EIER 

FI * ⸗ 2 In 


322. Prime. 


XIX. Sahrhundert? nahm das 
Säbelfehten einen mächtigen Auf- 
ſchwung, wobei das Stoßfechten 
auf das eifrigjte gepflegt wurde. 
Das Verdienft, das Säbelfechten in 
Defterreih in ein Syſtem gebracht 
zu haben, gebührt den beiden öjter- 
reichifhen Offizieren Talhoffer 
und $8nardi, die in ihrem 
Mert 1838 Wien den Hieb mit 
. dem Stoß zu vereinigen tradten. 
Die Werte der echterfamilie 
Rour 1786 bi 1809 geben ung 
ein treue® Bild der in Deutjch- 
land herrſchenden Fechtmethode. 


In Oeſterreich-Ungarn hat ſich die 


Nro. 630-632. 


Chriſtmannſche Schule bis in die 
70er Jahre des vorigen Jahrhun— 
derts gehalten; es iſt diefe die 
jogen. „alte Hiebfechtichule”, von 
der noch heute gejproden wird. 
Die Waffe war infolge der breiten 
Klinge ziemlich ſchwer. Die Krüm— 
mung der Klinge war eine bedeu— 
tende; die Waffe mußte mittels 
des Armes unterftügt werden, mas 
nur durch ein Hochhalten des Armes 
ermögliht wurde. Es entftanden 


hierdurch die fogen. „verhängten“ 
Garden oder, Stellungen. 
631. 


Die Stopfechtlunft in 





M 





(Nah Griſier.) 


Oeſterreich-⸗Ungarn. In Oeſterreich⸗ 
Ungarn hat nach der italieniſchen 
Schule die franzöſiſche Schule Ein— 
gang gefunden. Mailand, Peſt, 
Prag und Wien galten im XIX. 
Sahrhundert als bejondere Pflege: 
ftätten dieſer Kunft, die von ein- 
heimiſchen, franzöſiſchen, ſowie 
von italieniſchen Meiſtern gelehrt 
wurde. 

632. Leichte Hiebwaffen. Dem 
Grundſatze huldigend: „Der Mann 
ſoll die Waffe regieren, und nicht 
die Waffe den Mann“ haben ein— 
ſichtsvolle Meiſter in den 70er 


Jahren des vorhergehenden Jahr⸗ 


| 


| 
| 


Nro. 633. 


hunderts eine leichtere Säbelklinge 
mit ſchwächerer Krümmung einge- 
führt, und hiermit mit dem alten 
Syftem vollkommen gebrochen. Das 
Spiel gewann an Leichtigkeit, und 
wir ſehen bei Führung der Hieb- 
waffe diejelbe Eleganz, wie fie bei 
der Stoßwaffe jo vorteilhaft zutage 
tritt. | 





323. Benennungen der Biebe nach 
deutfcher Schule. 
a b Kopf» oder Primhieb, b a Sekund- 
hieb, e f Gefichtsterz, f e Gefichtsquart, 
c d Mittelterz, d c Bruftquart, g hfteile 
Terz, hg Tief: oder Bauchquart, i k 
Scdhulterquart, k i Tiefterz. 


633. Die Fechtkunſt der Neu- 
zeit. Hiebfehten. Bei dem 
Umftande, daß e3 in Defterreid- 
Ungarn an jüngeren Meiftern fehlte, 
in Deutjchland an den Univerfitäten 
meiſt nur das Schlägerfechten geübt 
wurde, blieb es den italienifchen 
Meiftern vorbehalten, durch ihre 
Schule dem leichteren Säbel eine 
allgemeine Verbreitung zu verfchaf- 
jen. Um den Etoß mit der Hieb- 
waffe, der nad den Grundfägen 
ber italieniſchen Schule zuläffig ift, 
wirkſam ausführen zu Fönnen, ka— 


G. Bergfel. 


men anfänglich gerade Klingen in 
Verwendung; gegenwärtig ift eine 
minimale Krümmung bemerkbar. 
Neben diefem leichten italienifchen 
Säbel finden wir auch den etwas 
ſchwereren öfterreichifchen, fälſchlich 
„franzöſiſchen“ Säbel genannt, 
namentlich in ſtudentiſchen Kreiſen 
eingeführt. 
Stoßfechten. Während in 
Frankreich, ſowie bei den Anhängern 
der franzöſiſchen Schule das leichte 
Florett als Schulwaffe gilt, findet 
in der italieniſchen Schule die 
„Spada“ ihre Verwendung, deren 
Klinge ſchwerer und länger als 
jene des Floretts iſt. — Das 


Spiel der Italiener ift infolge 


der vehementeren Beinbewegungen 
ein viel lebhaftere®, als jenes 
der deutihden Schule, da in 
Deutſchland vor Einführung der 
italienifhen Stoßfechtlunft , lange 
Zeit Hindurd die „fire” Menfur 
gebräuchlich war. — Auch die Fran⸗ 
zojen haben fi) der verlängerten 
Plande der Italiener gefügt, ihre 
Bor: und Rückwärtsbewegungen 
find lebhafter geworden. In neuefter 
Zeit hat auch das bisher ftarf ver⸗ 
nachläſſigte Degenfechten Eingang 
gefunden. In Oeſterreich⸗Ungarn 
finden wir bei dem GStoßfechten 
die franzöftihe und die italienische 
Schule geübt. 

„zandesüblide Waffen“. 
Zu den landesüblichen Stoßwaffen 
gehört das franzöfifche „Fleuret“, 
in Deutfhland „Florett“, in 
Defterreih-Ungarn auch wohl „Ra: 
pier” genannt, bie italienifche 
„Spada“ jowie der „Degen“, der 
in den romanifchen Ländern als 
Duellwaffe feine Verwendung fin⸗ 
dei. Zu den Hiebmaffen gehören 
der „Säbel“ mit gerader oder 
leiht gefrümmter Klinge. NIS. 
Uebungswaffe werben meift Säbel 
mit leichten, ſchmalen Klingen ver⸗ 
wendet. Der die Hand deckende 


X. 3. Pas Fechten. 


Korb ift mäßig breit. Zu den 
Hiebwaffen gehören noch der 
„Korb-“ und „Glockenſchlä— 
ger“ ſowie der „Krummſäbel“, 
die in Studentenkreiſen als Kom— 
mentwaffen üblich find. Man unter: 
jheidet demnad ein „Stoßfech— 
ten“ (Fleuret und Spada) und 
ein „Hiebfehten“ (Säbel, Korb- 
und Glockenſchläger, Krummſäbel). 

634. Syſtem der Fechtkunſt. 
Die Fechtkunſt als Syſtem unter⸗ 





Nro. 634—635. 


Verteidigung. Die Abwehr 
oder Verteidigung des feindlichen 
Angriffes erfolgt entweder mittels 
der Klinge (feſte Parade) oder durch 
eine Gegenaktion (Arroͤtſtoß, Bor: 
und Tempohiebe) oder auch durch 
Entziehen der Klinge (Kavation), 
oder durch einen Sprung nad) rüd- 
wärts (bredden der Menfur). 

635. Theorie der Fechtkunft. 
Die Fechtkunft lehrt die Stellungen 
der bewaffneten Hand für Angriff 








Qvartsehnirt mach 
vorausgegangener Tieiyuartparade 





324. Deutfches Säbelfechten nach Schule Rour. 
Aus BP. Rour, das Säbelfehten, Verlag H. Pohle, Jena. 


fheidet zwei Hauptformen: den |und Verteidigung (Auslage oder 


Angriff (Stoß und Hieb) und 
die Verteidigung oder Ab- 
wehr (Barade). 

Angriff. Der durch Scein- 
angriffe (Klingenfpiel) eingeleitete 
Angriff endigt mit einem auf das 
Treffen berechneten Stoß oder Hieb. 
Der Angriff kann entweder direkt 
gegen den Körper des Gegners, 
oder als Scheinangriff gegen den 
Körper oder gegen die feindliche 
Klinge erfolgen. 


Garde), weiter die für die Abwehr 
de3 Angriffes zu nehmenden Stel: 
lungen der Klinge und der Hand 
(Bofitionen), ferner die zur erfolg- 
reihen Ausführung der Abwehr 
fowie de3 Angriffe® notwendigen 
Bewegungen der bewaffneten Hand 
(Motionen), jowie die vom Gegner 
mit der Klinge nit gededten 
Körperteile (Blößen) für den eige- 
nen Angriff zu benüßen, oder durch 
Scheinbewegungen (Finten) fi 





Neo. 636. 


neue Blößen zu verjchaffen; fich 
jelbft aber gegen den feindlichen 
Angriff zu decken (Paraden). Weiter 
lehrt uns die Fechtfunft die mit 
den Klingenbewegungen in Berbin- 
dung zu bringenden Körperbeme: 
gungen, die entweder eine Aende— 
rung des Abjtandes (Menjur) be- 
zweden oder mit welchem gleich: 
zeitig ein Angriff verbunden wird 
(Bormwärtstreten — Uvancieren, 
Rückwärtsbewegungen — Retirie— 


Schl Winkelterz konträfempo 





felben, wobei der Daumen auf der 
oberen Flaͤche des Griffes liegt, 
er darf jedoch nit am Stichplatte 
aufliegen. 

Bei normaler Länge des Griffes 
wird der Knopf desfelben außer: 
halb der Fauft zu liegen fommen. 
Mährend des Stoßes dürfen die 
Finger nicht gelodert werden; Die 
Manier, den Zeigefinger auf den 
Rand des Stichplattes zu legen, 
ift entjchieden zu verwerfen. Das 


— —— — Zn 


325. Deutſches Säbelfechten nach Schule Roux. 
Aus P. Roux, das Säbelfechten, Verlag H. Pohle, Jena. 


ren — Seitwärtsbewegungen — 
Volten — ſowie dem Ausfall). 
636. Stoßfechten. Haltung des 
Fleurets: Sobald man die Waffe 
ergreift, muß man derſelben Herr 
ſein; eine geſchickte und ſichere 
Haltung iſt ein allgemeines Er— 
fordernis. Um vorteilhaft das 
Fleuret zu halten, legt man den 
Griff derart in die rechte Hand, 
daß derſelbe längs des Ballens zu 


Fleuret ſoll nicht kräftig feſt, ſon— 
dern ſicher gehalten werden. Man 
muß das Gefühl der ſicheren Hal— 
tung der Klinge beſitzen. Die Füh— 
rung der Klinge erfolgt durch Dau— 
men und Zeigefinger. Die Waffe 
ſoll nicht krampfhaft feſt, ſondern 
ſicher gehalten werden. Das feſtere 
Faſſen der Waffe, ſei es bei der 
Parade oder bei Aktionen gegen 
die feindliche Klinge, wird ſich von 


liegen kommt, die aneinander ge= ſelbſt ergeben. 


jhlofjenen Finger umfafjen den: 


Die Stellung — Garde, 


— EZ Aue} 
rn a ⸗ 


G. Bergſell. F 


X. 3. Das Jechken. 


Unter Garde verjteht man jene 
Stellung de3 Körperd und der 
bewaffneten Hand, aus der jomohl 
der Angriff als auch die Verteidi- 
gung am vorteilhafteften ausgeführt 
werden kann. Durch eine gute 
Garde muß man auf jener Seite 
wohl gededt fein, in der man ſich 
„engagiert“ oder die Klingen „ges 
bunden“ hat, oder jene Linie gut 
gedeckt haben, die vom Gegner ein 
genommen wurde. Daraus geht 









Auslage und Bindan der Kli ingen 
rechts gen rechts". 


Nro. 636. 


Knie jenfrecht auf die linfe Fußſpitze 
zu ftehen kommt; die Stellung wird 
mit einem furzen Schlag des rechten 
Fußes „Appell“ eingenommen. Die 
Füße ftehen feit am Boden, die 
Abſätze, vom Gegner aus gejehen, 
müfjen jich deden. Der rechte be— 
waffnete Arm iſt mäßig gebogen, 
der Ellenbogen nad innen einge- 
zogen, die Spite der Klinge in 
der Richtung des rechten Auges 
des Gegnerd. Der linfe Arm, 


326. Deutfches Säbelfechten nach Schule Ron. 
Aus P. Rour, das Säbelfehten, Verlag H. Pohle, Jena. 


hervor, daß man nur eine Seite 
deden kann. Die Garde ift von 
größter Wichtigkeit, fie iſt Die 
Grundlage des praftiihen Fech— 
ten3. 

Dem Gegner zeigt man das 
ftrengjte Profil, die Schultern zu= 
rüdgezogen, der Blid nad dem 
Gefichte des Gegners gerichtet. In 
der Garde find beide Knie derart 
gebogen, daß das rechte Knie jenf- 
recht auf den rechten Abſatz, das linke 


ovalfürmig gebogen, die linke Hand, 
deren Finger mujchelfürmig ge= 
Ihlofjen find, über dem Kopfe ge= 
halten, jo daß nur die Hälfte der 
Handfläche zu jehen iſt. Es ijt dies 
die jogen. „Elaffifche” Haltung. Die 
bewaffnete Hand wird in der mitt- 
leren Bruſthöhe gehalten und der: 
art gedreht, daß der Daumen etwas 
nach rechts zu ftehen fommt. Es 
ift dies die Garde der „Quarte“; 
fie dedt die innere linfe Geite. 


Niro. 636. 


Es gibt jo viele Garden als es 
Pofitionen gibt. 

Haltung der Spada. Die 
Waffe wird mit der rechten Hand 
derart erfaßt, daß der Griff in der 
Handflähe, der Anja (ricasso) 
zwijchen Daumen und Zeigefinger 
zu liegen fommt. Der Zeigefinger 
ift rund abgebogen und liegt mit 
feiner Oberfeite leicht an den Kiffen 
an. Der Daumen liegt mit feiner 
Snnenjeite an der oberen Fläche 


: Schl. Tiefquart 





G. Bergfell. 


Waffe feft und wird hierin durch 
den vierten und den Fleinen Finger 
unterftüßt. Groſch „Das Stoß: 
fechten italieniſcher Schule” Wien 
Seidl.) 

Körperbewegungen. Es gibt 
Fußbewegungen und Bewegungen 
des Armes bezw. der bewaffneten 
Hand. Die Bewegungen der be= 
waffneten Hand werden häufig mit 
ven Fußbewegungen gleichzeitig 
ausgeführt. 


Sch. Hochquart kontralempo | 


327. Deutfches Säbelfechten nach Schule Roux. 
Aus P. Roux, das Säbelfechten, Verlag H. Pohle, Jena. 


des Anſatzes an und fteht ungefähr 
/,;—1 cm vom Kiffen ab. Der 
Mittelfinger iſt feitlid um die 
Stange gekrümmt, jo daß diejelbe 
an der Grenze des erjten und zwei: 
ten Singergliedes zu liegen fommt. 
Der vierte Finger umfaßt den 
Griff faft ganz, während der Kleine 
Finger an denjelben angelegt ift. 
Die eigentlihe Spigenführung wird 





| 


Appell. Ein „einfacher“ oder 
„doppelter“ Schlag mit dem rechten 
Fuß heißt „Appell“. Er wird bei 
Nehmen der Garde ausgeführt, um 
fih zu verfihern, daß die ſchul—⸗ 
gerechte Stellung mit dem Körper 
eingenommen wurde. Während des 
Ausfalles und bei Vorwärtstreten 
findet er feine Anwendung. Auch 
zum Nachdrucke der Finten, nament- 


duch Daumen und Zeigefinger | lich bei Bewegungen gegen die feind> 
bejorgt, der Mittelfinger hält die | lie Klinge, erfolgt derjelbe. 


— — — — — 


„Marchez!“ 


X, 3. Pas Fechken. 


Entfernung der beiden 
Gegner — „Menſur“. Die 
Entfernung der in der Garde be— 
findlichen Gegner wird „Menſur“ 
genannt. Man unterſcheidet eine 
weite, mittlere und enge Menſur. 
In der weiten oder außerhalb der 
Menſur kreuzen ſich die Klingen 
an der Schwäche, nahe der Spitze; 
vor Beginn des Kampfes joll dieje 
jtet3 eingenommen werden; in der 
mittleren Menjur freuzen fich die 








Sch! Hochters 








a 


Nro. 636. 


Gegner um eine Fußlänge vor- 
gejegt, während der linke Fuß 
‚um biejelbe Diftanz folgt. Die 
ı Bewegung wird ausgeführt, um die 
Menjur zu „gewinnen“. Doc kann 
auch der linke Fuß vor den rechten 
gejegt werden, worauf der rechte 
Fuß nad vorwärts in der Rich— 
tung des Gegners gejtellt wird 
(mit Volte vorwärts treten). 
Rückwärtsbewegung. 
„Brechen der Menſur“. „Rom- 








Parieri 


328. Deutfches Säbelfechten nach Schule Rour. 
Aus P. Roux, das Säbelfehten, Verlag H. Pohle, Jena, 


Klingen in der Mitte, und benötigt 
des Ausfalles, um den Gegner er: 
reichen zu fünnen. In der engen 
Menfur, oder der nahen, freuzen 
fih die Klingen an der Stärke, 
nahe dem Griffe; dieſe ſoll ver- 
mieden werden. 
Bormwärtibewegung. 
„Passo avanti“, 
„Avancieren“. Schritt vor: 
wärts. Der rechte Fuß wird aus 
der Garde in der Richtung zum 


pez!“ „Passo inditro“. — Schritt 
rüdmärts. Iſt man genötigt, die 
Menjur zu „brechen“, dann tritt 
man entweder mit dem linfen Fuß 
zuerft zurüd, worauf der rechte 
folgt, oder man tritt zuerft mit 
dem rechten Fuß hinter den linfen 
(Bolte), worauf diejer die Stellung 
nad rückwärts einnimmt. Die 
Bewegungen follen ruhig erfolgen, 
doch werden fie vielfach auch ſprung⸗ 
artig ausgeführt. — Die * rechts 


Niro. 636. 


erfolgenden Seitenbewequngen mer: 
den gleichfalls Bolten genannt. 
Ausfall. Development, fen- 
dez-vous! 63 ijt dies die wid: 
-tigfte Fußbewegung und hat den 
med, fich feinem Gegner in Treff= 
entfernung zu nähern, d. h. den 
Gegner aus der mittleren Menfur 
treffen zu können, ohne in die 
enge Menjur treten zu müfjen. 
Mit dem rechten Fuße wird in ge— 
rader Linie — der Gefechtslinie 














Auslage und Binden der Klingen 
‚/inks gegen rechis“ 


G. Bergfell. 


wird, der getroffen werden foll. 
Gleichzeitig ſenkt fich der linfe Arm. 
Zum NRüdtritt in die Garde wird 
vorerjt daS linfe Bein gebogen, 
der rechte Fuß nimmt die frühere 
Stellung mit einem Appell ein, 
desgleichen der rechte und der linfe 
Arm. 

Bindung der Klingen. 
Engagement. Bor dem Gefechte 
müfjen fih die Klingen binden, 
das heißt kreuzen. — Das erjte 





329. Deutfches Säbelfechten nach Schule Rour. 
Aus PB. Rour, das Säbelfehten, Verlag H. Pohle, Jena, 


gegen den Gegner vorgetreten 
(ruhig ohne Appell) — jo daß das 
rechte Knie ſenkrecht auf den rechten 
Abſatz zu ſtehen fommt. Der rechte 
Fuß darf nicht ſtark gehoben wer: 
den. Das linfe Bein wird voll- 
fommen gejtredt, da® Knie ange: 
jogen; der Fuß bleibt mit feiner gan 
zen Sohle fejt am Boden. Der rechte 
bewaffnete Arm wird vollkommen 
geftredt, wobei die Spitze der 
Klinge nach jenem Punkte gerichtet 


oder unmittelbare Engagement er— 
folgt an der inneren Seite in der 
Pofition der Duarte. Die Klingen 
freuzen jih an ihren Schwächen, 
in der weiten Menjur. Das Wech— 
jeln des Engagements von der 
inneren in die äußere Seite nennt 
man Changement. 

Angriff. Die Angriffsbemwe- 
gungen mit der Waffe können in 
zwei Gruppen eingeteilt werden, 
in jene, durch die der Gegner di: 


— ae, 33 F 


X. 3. Das Hcıhten. 


rekt, und in foldhe, dur) die nur 
die feindlihe Waffe angegriffen 
wird. Die erfteren werden Stöße 
genannt, zu den lekteren gehören 
Battements, Froiſés, Flankonaden, 
Croiſès und die Entwaffnung. Dieſe 
letzteren ſind vorbereitende Bewe⸗ 
gungen für den eigentlichen Kampf 
und haben den Zweck, die feind⸗ 
liche Klinge aus ihrer Lage zu 
bringen. Sämtliche Stöße können 
an der inneren und äußeren Seite, 
in den hohen und tiefen Lagen 
erfolgen. 

Stöße. Jeder Stoß, den man 
dem Gegner an der Seite des 
Engagements längs ſeiner Klinge 
beibringt, wird gerader Stoß genannt 
(coup droit, „botta dritta“). Bor 
Ausführung des geraden Stoßes 
hat die Spige der Klinge, die tiefer 
ald das Handgelen? zu halten ift, 
die Linie einzunehmen, die direkt 
gegen jenen Teil des Körper vom 
Gegner führt, der getroffen werden 
fol. Nachdem die gerade Linie 
der kürzeſte Weg von einem Punkte 
zum anderen ift, gelangt man in 
der Fechtkunſt dahin, den Lehrſatz 
aufzuftellen, daß der gerade Stoß 
der beſte Angriff if. Er läßt fi 
am fchnellften ausführen, und fol 
demzufolge am meiften zur Aus: 
führung gelangen. Im richtigen 
Moment den geraden Stoß — coup 
droit — auszuführen, indem man 
mit der Stärfe feiner Klinge Die 
Schmäde der feindlichen Klinge be- 
zwingt, ift ftet3 ein ausgezeichnetes 
Verfahren. 

Sinten. Die einfache, durch 
einen geraden Stoß zu erfolgende 
Angriffsbewegung reicht zur Durch⸗ 
führung eines Gefechtes nicht aus, 
namentlid wenn der Gegner ſich 
durch feine eingenommene Stellung 
vollfommen gededt Hat. Zu Be: 
ginn des Gefechte den feſten An: 
griff vermeidend, wird der ge: 
wandte Fechter durch Scheinangriffe, 


Niro. 636. 


Finten, fi Dem Gegner zu nähern 
traten. Die Finten fünnen ein- 
fache oder zujammengejegte fein, 
und Sowohl in „offenfiver“ als 
„defenſiver“ Abficht erfolgen. In 
offenfiver Abſicht Haben fie den 
Zwed, die Klinge des Gegners in 
eine andere Lage zu bringen, in 
defenfiver Abficht, den Gegner zu 
einem Angriff zu verleiten. Die 
Finten erfolgen auch in der Abſicht, 
fih größere oder neue Blößen zu 
verjhaffen, oder den Gegner über 
die in Anwendung zu bringenden 
Angriffe im Unklaren zu laffen. 
Sie müjjen demnah jo täufchend 
zur Ausführung gelangen, daß es 
dem Gegner ſchwer wird, die Ab- 
ficht zu erfennen, und der Gegner 
zu einer Gegenaktion gezwungen 
wird. 

Degagement, Savazione, 
Wechſelſtoß. Jener Stoß, den man 
aus dem inneren oder dem äußeren 
Engagement in die entgegenge:- 
fette Seite führt, heißt Degage- 
ment. Es ift der Grundftoß ſämt⸗ 
licher fombinierten Stöße, und kann 
aus allen Lagen oder Garden ge: 
führt werden. Der Stoß fol mit 
der größtmöglichiten Schnelligkeit 
ausgeführt werden, da er ſtets in 
eine nicht gededte Linie geführt 
wird. Stöße, die über die feind- 
liche Klingenfpige in die entgegen: 
gefeßte Zage geführt werden, führen 
den Namen „Coupé“. 

Einfache und zufammen- 
gefegte Zinten. Die Klugheit 
erfordert es oft, nicht in jene Linie 
zu ftoßen, in der man die Blöße 
fiebt; um das geftellte Ziel er: 
reihen zu fünnen, wird man daher 
genötigt fein, ji) andere Blößen 
zu verihaffen. In diefem Falle 
zwingt man den Gegner, durch 
einen präzis ausgeführten Schein: 
ſtoß — Finte — auch durd) einen 
geraden Stoß an der Klinge 
„Soule”, „Filo“ — die offene Linie 


Niro. 636. 


zu Schließen, um im Momente der 
von ihm genommenen Oppofitions- 
parade den Stoß entweder in die 
vom Gegner verlaffene, demnach 
jegt nicht gededte Linie oder übers 
haupt in irgend eine andere ftch 
ergebende Blöße zu führen, da, 
wenn fi) der Gegner noch fo gut 
deckt, fich jtetS mehrere Linien dem 
Angriff darbieten. Diefe Handlung 
der eigenen Klinge wird „Umgehung 
der Klinge” oder „Tromper l'épée“, 
Cavazione, genannt. Die Um⸗ 
gehungen der Klinge erfolgen durch 
Degagements; durch diefelben er: 
folgen die fombinierten Stöße. Zu 
diefen werden gerechnet das: 

Une-deux, finta cavazione, 
zwei Degagements in entgegen: 
geſetzte Lagen. | 

Une-deux-trois, 
drei Degagement3ö in entgegen 
geſetzte Lagen. 

Doubl&ments, contro cava- 
zione, zwei Dögagement3 in ein und 
diejelbe Lage — wenn der Gegner 
dem erjten Degagement mit einer 
Kontreparade oponiert. Das Dou: 
blement Tann mit dem Degagement 
in Verbindung gebracht werden als: 
Degagez-Doublement oder Dou- 
hlement-Degagez. — Weiter fann 
das Degagement mit der Sefonde:- 
firte, al3 „feinte de seconde*“, 
verbunden werden. Sollen mehr 
alö zwei Finten angewendet wer- 
den, jo müffen diefelben getrennt 
werden, jo daß die erjten zwei in 
Form einer 

Scheinattafe, Sceinan: 
griff, erfolgen. Die Scheinattade 
ift die ergiebigite Duelle der Fechts 
funft, um die Fechtweife des Geg— 
ners fennen zu lernen. Gegen 
einen echter, deſſen Fechtweiſe 
man nicht Tennt, joll man nie mit 
einem auf das Treffen berechneten 
Angriff angeben. Die Schein: 
attade läßt alle Kombinationen zu, 
und nötigt demgemäß den Gegner 


6. Bergfell. 


zu allen PBaraden. Hat man es 
mit einem Gegner zu tun, der auf 
ale Attaden gleichzeitig mitftoßt, 
fo ift dies das einzige Mittel, um 
den gleichzeitig geführten Stoß 
parieren zu fönnen. Zu dieſen 
Scheinangriffen gehören auch die 

Falſche-oder Sheintempos3. 
Es find dies Finten, welche ange: 
wendet werden, um den Gegner zu 
Vorſtößen zu verleiten, oder ihn zu 
unregelmäßigen, für ihn gefährliche 
Bewegungen zu veranlaffen. 

Bor= oder Arröt: und Tempo- 
ftöße. Man verfteht im allgemeinen 
darunter jene Stöße, Die dem Gegner 
während feines Angriffes beigebracht 
werden. Sie können entweder 
während des feindlichen Angriffeg, 
oder im Momente des feindlichen 
Stoßes felbft erfolgen. Sie hindern 
den Gegner in Ausführung feines 
Angriffes, namentlid dann, wenn 
er einen langen fombinierten An: 
griff durchzuführen beabfichtigt. Die 
Anwendung der Tentpoftöße als 
Bedrohung, um den Gegner in 
der Durchführung feiner Attacke 
aufzuhalten, ohne ihn treffen zu 
wollen, iſt ftet3 vorzuziehen. 

Parade, Sene Bewegung der 
Klinge, die den feindlichen Angriff 
ablenft, beißt Parade. Diefe Aktion 
erfordert Sicherheit, Genauigkeit 
und Selbftvertrauen; man muß 
genau wiſſen, wo fi die Hand, 
bie Stärfe und Schwäche der Klinge 
befinden ſoll, um die feindliche Klinge 
aus ihrer Angriffsrihtung bringen 
zu können. Die Parade, die man 
gegen die Finten des Gegners - 
nimmt, nennt man Oppoſitions⸗ 
paraden; fie verfolgen nur den 
Zweck, die bedrohte Linie zu ſperren. 

Die Abwehr des feindlichen An: 
griffes Tann entweder durch eine 
einfache oder durch eine Kontre⸗ 
parade erfolgen. Die einfache 
Parade ift wohl die einfachfte. Die 
Zahl derjelben ift act, obwohl 


X. 8. Das Fechten. 


nicht alle in Anwendung kommen. 
Es find dies die 
Prime, gegen obere innere 
Stöße, findet felten Anwendung, 
Setonde, gegen äußere untere 
Stöße, 
Tierce, Terz, gegen äußere 
obere Stöße, 
Duarte, gegen innere Stöße, 
Quartesurlesarmes, aud 
Cinquie&me, gegen äußere obere 
Stöße, die Hand in der Garde der 
Duarte, anftatt der Tierce Parade, 
Quarte croisee, Sixieme, 
gegen innere tiefe, nicht regelrecht 
geführte Stöße, 
Demi-Cercle, Septi&me, 
gegen innere tiefe Stöße und 
Octave oder Huitieme, ge- 
gen äußere untere Stöße, anjtatt 
der Seconde Parade. 
Kontre-Kontra-Paraden. 
Jede mit gleichzeitiger Umgehung 
der feindlichen Klinge ausgeführte 
Parade iſt eine Kontre: Parade. — 
Dieſelben können gegen einen ein⸗ 
fachen geraden Stoß oder gegen 
Finten und gegen jeden Endſtoß 
in Anwendung kommen. Die Um: 
gehung der feindlichen Klinge er- 
folgt bei den oberen Stößen unter: 
halb, bei den unteren Stößen ober: 
halb der Klinge durch eine Inappe, 
freisförmige Bewegung und bringen 
die feindlihe Klinge in jene Lage 
zurüd, aus welcher der Stoß oder 
die Finte des Gegners erfolgte. 
Ripoſte, Nachſtoß. Jener Stoß, 
der unmittelbar einer vollbrachten 
Parade nachfolgt, heißt Ripoſte, es 
iſt der ſchnellſte Uebergang von der 
Defenſive zur Offenſive. Viele 
Fechter, die den Vorteil einer gut 
ausgeführten Ripoſte zu würdigen 
wiſſen, führen nur Scheinattacken 
aus, um ihre volle Kraft in die 
Ripoſte zu legen. Die einfache, 
ohne Zeitverluſt ausgeführte Ripoſte, 
die des geraden Stoßes, iſt der 
zuſammengeſetzten vorzuziehen. 


Nro. 637. 


Repriſe, „Rimeffa“, iſt ein 
wiederholter Stoß, der entweder in 
dieſelbe oder in die entgegengeſetzte 
Lage geführt wird; dieſer Angriff 
eignet ſich nur dann, wenn der 
Gegner entweder gar nicht, oder 
mit großem Zeitverluſte ripoſtiert. 

637. Hiebfechten. Die beim 
Stoßfechten gegebenen theoretiſchen 
Erläuterungen, betreffend der Kör⸗ 
perbewegungen und Stellung — 
Garde — der Menſur, der Finten, 
der Scheinattacken, der falſchen oder 
Scheintempos, der Paraden, der 
Ripoſten und Repriſen haben auch 
n Hiebfechten ihre volle Gültig- 
eit. 

Haltung tes Säbels. Die 
Waffe wird derart gehalten, daß 
die ungezwungen aneinander ges 
ſchloſſenen Finger den Griff gänz— 
lich umfaflen, und der Daumen am 
Rüden des Griffes zu liegen fommt. 
— Bei den öfterreichifchen, fälſchlich 
franzöſiſchen Säbel genannt, liegt 
infolge des fürzeren Griffes der 
Grifffnopf am Ballen, bei den mit 
längerem Griffholz verfehenen itas 
lienifhen Säbel befindet ſich der 
Griffinopf außerhalb der Fauft. 

Stellung — Garde. Die 
Gardeſtellung ift beim Säbelfechten 
rüdfihtlid der Füße und des 
Oberkörpers genau Ddiejelbe wie 
beim Stoßfechten,; die linfe Hand 
liegt in der Höhlung des Kreuzes. 
Der bewaffnete Arm mäßig gebo: 
gen, die Hand meilt in der Garde 
der hoch Tierce, in mwelder Lage 
fih die Klingen der beiden Gegner 
freuzen; doch kann die Stellung 
auch in der Garde der tief Tierce 
und Seconde genommen werden. 

Binden der Klingen — 
Engagement. Das Binden der 
Klingen erfolgt an der Schneide mit 
ganz leichter Fühlung in der weiten 
Menfur; die beiden Klingen berüh— 
ren ſich daher an ihrer Schwäde. 

Paraden. Nachdem die Klinge 


Nro. 638. 


bei dem Hiebe nicht wie beim Stoße 
in der Richtung ihrer Länge, fon: 
dern in ihrer Breite auf den Gegner 
eindringt, fo genügt ein bloßes 
Ablenken der feindlidhen Klinge, 
wie e3 beim Stoßfechten der Yal 
it, nit, um einen Hieb abzu- 
wehren, muß der feindlichen Klinge 
ein direkter Widerftand entgegen: 
gefeßt werden. Damit die Parade 
wirkſam ſei, muß dem feindlichen 
Hiebe ftet3 die Stärfe der Klinge und 
die Schneide entgegengejeßt werden. 
Die Widerjtandsfähigfeit nimmt 
ab, je weiter nach vorn, der Schwäche 
zu, der feindliche Hieb fällt. Die 
Paraden können erfolgen: dur 
DOppofition, gegen Finten, durch 
fefte PBaraden, gegen Hiebe 
und Stöße, duch Zedierung, 
Nachgeben und Drehung der Hand 
in die betreffende Poſition, und 
ſchließlich durch Kavation, Aus: 
weichen oder Zurüdziehen des 
Armes, jo daß fi der Gegner 
„verhaut”. Dieſe Art ver Parade 
wird auch als negative Parade 
bezeichnet. 

Feſte Paraden. Die Prime 
dient zur Dedung der oberen und 
inneren Hiebe, namentlich des Kopf: 
hiebes. 

Die Sekonde dient zur Deckung 
der unteren äußeren, nach der Hand 
oder dem Körper geführten Hieb. 

Die Tierce, Terz, dient zur 
Dedung der äußeren oberen Hiebe. 

Die QDuarte dient zur Deckung 
der inneren Siebe. 

Nah der italienifden Schule 
kommt noch die 

Parade der Quint, Duinta, 
hinzu, zur Deckung der oberen 
Hiebe. 

Hiebe und Stöße. Die 
Hiebe werden ſowohl nach der Hand 
als auch nach dem Körper geführt, 
die Stöße als Finten oder ausge— 
führt direkt gegen den Körper. Bei 
Ausführung eines Hiebes kann man 


G. Bergſell. 


zwei Tempos beobachten und zwar 
das Anziehen der Klinge zum Hieb, 
und dann den eigentlichen Hieb 
nach dem Körper oder der Hand 
des Gegners. Es gibt innere und 
äußere Hiebe, obere und untere. — 
Die Führung der Hiebe ſollen mit 
möglichſt feſten Handgelenke mit 
Hilfe des Ellbogengelenkes geführt 
werden, doch wird man bei Bor- 
bieben der Hilfe des Handgelenkes 
nicht enibehren können. 

Nah dem Körper werben der 
Kopfbieb, der Geſichtshieb 
nad der rechten und linken Seite, 
der Bruſthieb und der $lanfen- 
hieb, äußerer Körperhieb, nad 
der Hand und dem Arm Der 
Quartebieb, der innere Handhieb, 
der Tiercebieb, der äußere obere, 
und der Sefondehieb, der äußere 
untere Hieb, geführt. — Nach der 
öfterreichifchen Säbelſchule finden 
die Stöße nur ala Finten Anwen: 
dung, während nad) der italienifchen 
Säule die Stöße direkt gegen den 
Körper ausgeführt werden. Als 
Trefffläche gilt der Kopf, die Arme, 
und der Oberkörper bis zur Hüfte. 

638. Aſſaut. Die Enpftufe der 
ſchulgerechten Ausbildung ift das 
„Aſſaut“, au „Rontrafedten“ 
genannt. Es ift die bebingung3- 
weije freiefte Anmwendung des in 
der Schule Gelernten und fol ung 
jtet3 ein Bild des ernften Kampfes 
geben. Die Bedingung, an der fich 
die freie Anwendung fnüpft, ift eine 
zweifache. Erſtens hängt die Pa- 
rade ftet3 von den Angriffen des 
Gegners ab, und zweitens ift trotz⸗ 
dem der Angriff von dem Verhalten 
des Gegnerd abhängig. Daraus 
ergibt ſich, daß das Affaut fi) nicht 
nad einem bejtimmten Plane aus: 
führen läßt, fondern ſich erft wäh⸗ 
rend feines Berlaufes ſelbſt ent- 
widelt.e — Das Affaut kann mit 
einer zweifachen Tendenz gefocdhten 
werden; entweder befteht diefe darin 


X. 3, Das Jechten. 


zu lernen, und bat den Zwed, als 
lehrreihe Uebung betrachtet zu 
werden, oder es ift das des Ehr⸗ 
geize8 und Hat den Zwed, den 
Gegner zu übermältigen. Geht 
man biebei foweit, daß man be- 
dingungslos den Gegner zu treffen 
ſucht, jo iſt eine ſolche Uebung 
entſchieden zu verwerfen. 

639. Die Fechtkunſt als Sport. 
In letzterer Zeit iſt jene Pflege 
der Fechtkunſt, welche die Vorbe— 
reitung zum ernſten Kampfe als 
Endzweck hatte, mehr oder weniger 
in den Hintergrund getreten; dies 
jelbe wird gegenwärtig als Spiel 
im eigentliden Sinne des Wortes 
betrieben. Auf dieſer Grundlage 
werden aud die bei Fechtturnieren 
üblichen Fechtregeln aufgebaut. Nach 
diefen entjcheidet unter möglichfter 
Beibehaltung des logischen Stand- 
punktes nit das Treffen allein, 
fondern auch die forrefte Durd- 
führung der fechterifchen Aktion. 

640. Schugvorrichtungen. Um 
Verlegungen beim Scyulfechten und 
den Uebungen zu vermeiden, dienen 
Geſichts- oder Fechtmasfen, echt: 
handſchuhe, Meifelihug, ſowie 
Fechtröcke, die für die Fechtübungen 
mit dem Säbel, namentlich mit 
dem Schläger, ſtark wattiert ſind. 
Die Klingen ſind ſtumpf und jene 
der Stoßwaffen an der Spitze mit 
einem Metallknopfe verſehen. 

641. Erteilung des Fecht⸗ 
unterrichtes. Die Fechtkunſt be⸗ 
ginnt mit dem Unterricht des ein- 
zelnen ohne Gegner. Bor allem 
werden die Körperbewegungen, ſo⸗ 
mie die Haltung und Führung der 
Waffen für Angriff und Verteibi- 
gung gelehrt, ſowie das Verhalten 
gegenüber den verſchiedenartigſten 
Angriff: und Verteidigungsformen. 
Erſt fpäter folgen Uebungen mit 
einem Gegner, wobei Art und 
Reihenfolge der anzumendenden 
Angriffs: und Verteidigungsbewe⸗ 


Nro. 639-642. 


gungen (angefagte Stöße und Hiebe 
und Paraden) zunächſt vom Lehrer, 
fpäter auch von dem Gegner felbft 
angegeben werden. Im Stoßfechten 
wird zu diefen Hebungen das fog. 
„Au mur“ gezählt. Mehrere auf- 
einanderfolgende mwechjelfeitige An- 
griffe und Paraden nennt man einen 
Gang. 

642. Damenfehten. Daß fich 
bei den Damen der vornehmen 
Welt in der neueften Zeit eine 
Modeneigung für körperliche Mebun: 
gen entwidelt hat, kann nicht ge⸗ 
leugnet werden ; fie huldigen gegen: 
märtig allen Zmeigen körperlicher 
Spiele und Sporte mit großer 
Vorliebe. Dieſe auffallende plötz⸗ 
lihe Neigung der neueren und 
neueften Zeit dürfte ihren Grund 
darin haben, daß die vorwiegend 
geiftige Zeitrichtung des 18. Jahrh. 
und der eriten Hälfte des 19. Jahrh. 
jede Art körperlicher Uebung jo 
beftig zurüddrängte. Das Damen: 
fechten ift aber durdaus feine Er⸗ 
rungenfchaft der Neuzeit. Ohne 
bis in die älteften Zeiten zurüd: 
greifen zu müfjen, finden wir, daß 
Brantöme in der zweiten Hälfte 
des 16. Jahrh. über die Sitten 
der damaligen Modedamen unter 
anderem folgende Mitteilung madt: 
„Diele Damen buldigen dem Waffen: 
fpiele; die deutſchen Damen 
balten unter ſich Turniere mit et: 
was zierlihen Lanzen ab, und die 
Damen in Bologna fehten ganz 
ernithaft untereinander. Die Edel⸗ 
leute find von der Fechtkunſt der 
Damen ganz entzüdt.” — Aud 
Cervantes erwähnt der Yedht- 
funft der Damen, und Lejage 
Ipricht von einer Dame, die Yecht: 
unterricht den jungen Damen er- 
teilt. 2a Colombiere erzählt, 
daß es Damen gibt, die den Degen 
an der Seite tragen, und gegebenen 
falls denſelben auch im Ernitfalle 
gut zu führen verftehen. Mit dem 





Nro. 642. 


18. Jahrh. trat die Ausübung der 
Fechtlunft bei den Damen voll: 
jtändig zurüd. Der Geift ber 
Wateauſchen Schäferbilder be⸗ 
herrſchte die Mode. Ein erfreu⸗ 
licher Umſchwung zeigte ſich in den 
letzten Jahrzehnten. Die Damen 
begannen zuerſt vereinzelnd Fecht⸗ 
unterricht zu nehmen, welchem Bei⸗ 
fpiele in richtiger Beurteilung bes 
Hygieniihen Standpunftes fich in 
neuefter Zeit in allen größeren 
Städten Damenfedtabteilungen bil: 
beten, bie dem Florettfechten hul⸗ 
digen. Bei regelrechter Handhabung 
diefer zierliden Waffe wird die 
allfeitige Entwidlung der körper⸗ 
lichen Kraft und Geſchicklichkeit 
hervorgerufen und gefördert; der 
ganze Körper erhält durch die ein: 


®. Bergfell: X. 


8. Pas Fechten. 


beit und Zierlichteit der Bewegungen 
jene Gefchmeibigfeit, Die ber Körper: 
baltung weibliche Anmut verleiht. 
Der Einwand, daß bei der Fecht⸗ 
funft eine Körperfeite auf Koften 
der anderen ſich entwidele, ift beim 
Florettfechten durchaus nicht ſtich⸗ 
baltig, denn diefe Uebungen laſſen 
volle Freiheit der Bewegungen zu, 
bier werden alle Musteln gleid: 
mäßig in Tätigkeit gefegt. Neben 
dem Wert des Ferhtend vom by: 
gienifchen Standpunkt bemerkt Dr. 
Karl Holftein, daß biefe Be 
wegungsart die vollfommenfte ift, 
der man ſich Hingeben Tann, und 
insbeſondere die Damen, die fid 
im Stadium der Entrwidlung be 
finden, veranlaffen fol, diefer edlen 
Kunft fleißig zu obliegen. 





* 
J 


—— — 





FEN un zaods sux) "aıyavdyp210j$ aouio 199 sqnjaoduaj aauaica saq au 








ru Wann men FE, 


XI. Sport und Rafenfpiele. 
Von 
Eva Gräfin von Baudillin. 


(Zum Teil unter Mitarbeit von Alfred Steinitzer.) 





1. Polo. 


Reiterpolo. | 


643. Einleitung. Eines der 
ältejten Spiele, von dem wir fchrift- 
liche Kunde haben, ift das Polo; 
Thon vor 2000 Jahren wurde es, 
wie Firduſi Schreibt, von Perjern 
und Medern unter dem Namen 
„Chaugan“ gefpielt. Selbſtver⸗ 
ſtändlich handelte es ſich nur um 
das Reiterpolo, zu dem in Aſien 
ein gutes Ponymaterial vorhanden 
war. Rad⸗ und Waſſerpolo ind 
Variationen unferer Zeit. Die 
Inder akzeptierten das Poloſpiel 
ebenfall3 mit Leidenſchaft, ja, fogar 
nah SKonftantinopel gelangte es, 
nad) den Berichten des Geſchichts⸗ 
ſchreibers Kimano. Dann jedod 
wurde e3 in vielen Ländern wieder 
volftändig vergeffen. In Border: 
indien 3. B. fanden Engländer bei 
der Okkupation der Halbinfel feine 
Spur des Spiele3 mehr vor, wäh: 
rend es von den Eingeborenen 
Hinterindieng noch eifrigft gepflegt 
wurde; fie benutten als Spiel: 
fameraden die fchnellen Birmaſchen 
Ponys. Mit Enthufiasmus nahmen 


‚die Engländer das Spiel auf, er- 


jegten die einheimifhen aber bald 
durch die noch leichtfüßigeren, ara- 


bifhen Pferde. Im Jahre 1859 
wurde der erfte Poloflub in der 
anglo:indifhen Armee gegründet; 
1869 wurde das Spiel zum erjten- 
mal in England unter dem Namen 
„Hodey zu Pferde” von zwei Offi⸗ 
zieren vorgeführt, 1871 fand im 
Lager von Alderſhott das erſte 
öffentliche Preiswettſpiel ſtatt, dem 
1872 die Gründung des erſten Po⸗ 
loklubs in Europa, des „Mon⸗ 
mouthſhire-Polo⸗Club“ folgte, jetzt 
beſtehen in England einige ſiebzig 
Poloklubs. In Deutſchland bür⸗ 
gerte fi das Spiel erſt allmäh: 
lih und fpät ein — von einer all: 
gemeinen PVerbreitung darf man 
auch jest faum reden — doch haben 
fih nad dem Beifpiel der Ham: 
burger, die 1898 den „Hamburger 
Poloflub” begründeten, auch in 
Frankfurt, Hannover, Berlin und 
fürzlih in Münden Klubs eröffnet. 

Die übrigen Länder Europas 
find Deutfchland zuvorgefommen: 
und zwar war Frankreich das erfte 
Land, das mit Eifer das fchöne 
und vornehme Spiel bei jich ein- 
führte, Rußland und Ungarn, letz— 
teres ja präbdeftiniert durch feine 
vorzüglichen Reiter, Huldigen dem 
Polo ebenfallg ſchon feit ven neun: 


Nro. 643. . €. Gräfin Baudilfin. 

ziger Jahren des letzten Jahrhun- großer, ftarker Spieler immer ‚im 
derts. Die Borbedingung zum Spiel | Vorteil gegen den fleineren, leich- 
ift allerdings die, daß man ein tüch- | teren fei und von diefem gefürchtet 
tiger, gewandter Reiter jein muß und gemieden würde. 
und ein geeignetes, gut eingeübtee Dem Spiel mit jeiner reichen 
Pferd bejigt. Dem fehönen Sport | Abwechfelung und den Eigenſchaften, 
jteht bei ung ein wenig feine Koft- | die es erzieft — denn Energie, 
jpieligfeit entgegen; dur Einfüh- Mut und fehnelle Geiftesgegenwart 
rung argentinifher Ponys aber, | jind feine Grundlagen — fann nur 





330. Polofpieler 5. Haßberg jun. 


die jih noch nebenher als Wagen- 
pferde benüten laſſen, wird dies 
Bedenken behoben; vielleicht gefhähe 
das noch mehr, wenn man fi 
auch, wie in England, entichlöfie, 
Gjel zum Polo einzuführen, deren 
Sntelligenz der des Bolopony3 kaum 
nachſtehen jol; mas ihnen an 
Schnelligkeit fehlt, erſetzen ſie Durch 
Ausdauer. Daß fih große und 
ſchwere Gejtalten für das Poloſpiel 
nicht eigneten, bejtreitet 3. B. der 
Hamburger Haßberg jun., der 
fih am meiften um die Einführung 
des Poloſpiels in Deutſchland ver- 


die alergrößte Ver⸗ 
breitung inDeutjch- 
land gewünſcht wer- 
den; auch den Reiz, 
der jeden echten 
» Sport eigen fein 
joll: den einer Ge- 
fahr, befitt eg, und 
das lebhafte, ſchöne 
Bild der mett- 
fämpfendenSpieler 
und mit fabel- 
baftem Berjtändnig 
auf alle Inten— 
tionen der Reiter 
eingehenden Pferde 
löſt aud im Zus 
ſchauer hellſte Be— 
geiſterung aus. 
Vielleicht darf das 
Polo, weil es eben 
an Menſch und Tier 
und ihre Gewandt—⸗ 
heit gleih Hohe 
Anforderungen ftellt, das königlichſte 
aller Raſenſpiele genannt werden. 
Bon bejonderem Wert ift das 


ch Bolojpiel in den Kolonien; dort 


führten die Engländer es ja auch 
zuerjt zur Zerftreuung ein. Auf 
manden Stationen bildet es die ein- 
zige Unterhaltung und Abmwechfelung 
für die Offiziere, und es ift anzu: 
nehmen und zu hoffen, daß es fich 
allmählich auch in den deutfchen Ko— 
lonien einbürgern wird. Da Pferd 
und Reiter jtetS in „guter Form“ 
jein müſſen, zwingt es die Spieler 
zum regelmäßigen Trainieren und 


dient gemacht Hat, aufs entfchie: | verhindert fie zu gleicher Zeit, zu 
denfte, er behauptet jogar, daß ein | trinfen oder ausfchweifend zu leben 


XI. 1. 


— die beiden Hauptgefahren für 
die in öden Gegenden Stationierten 
ſind damit beſeitigt! Ueberall hat 
es ſich gezeigt, daß die beſten eng⸗ 
liſchen Poloſpieler zugleich die beſten 
und tüchtigſten Offiziere geweſen 
find; deshalb wird bei der eng- 
liihen Kavallerie das Polo dienſt⸗ 
lich betrieben. Hinter diejen mili- 
täriſchen Nuten des Spiels iſt man 
bei ung noch nicht gefommen — 
gut Ding will gut Weil haben — 
in Deutichland! 

644. Das Bolo:-Pony. Da fi 
in Deutſchland bisher wenig ge- 
eignetes Pferdematerial zur Ber- 
wendung beim Bolofpiel findet, ift 
man bauptfädlih auf ausländifche 
Pferde angemwiejen. Man darf wohl 
hoffen, daß ſich mit der beginnen: 
den Beliebtheit des Sports aud) 
die Einficht entwidelt, bei ung im 
Zande mehr Polo-Ponyg zu züchten, 
wie Dies bereit3 in England ge= 
ſchieht. Dort fuht man die Bor: 
züge des fogen. „engliſchen“ Ponys, 
das meiftend aus Wales kommt, 
durch befondere Zucht noch meiter 
auszubilden. Trogdem ift heutzutage 
Thon das enalifche Bony durchaus 
das brauchbarſte, beliebtefte und — 
teuerfte und wird wegen feiner 
Ausdauer dem arabifchen Pferd, 
das in Indien als beites gilt, vor- 
gezogen. Die nordamerifanifchen 
Polo⸗Ponys find gleichfalls gut und 
foftfpielig; während der Preis für 
die argentinischen, wie ſchon gejagt 
wurde, bedeutend geringer ift. Der 
Hamburger Poloklub unterftügt die 
Einfuhr diefer Pferderaffe, die fich 
auch befonder3 gut zum Springen 
eignet, aufs lebhaftefte. 

Das Polo-Pony ift fein „Ichönes“ 
Pferd; dem Beſchauer fällt fofort 
der etwas zu jchwere Kopf auf. 
Die Schönheiten des Polo:Ponys 
follen auch mehr „innerlih” fein 
— mehr noch ald von einem an: 
dern Pferd wird größte Vollkommen⸗ 


Polo. Nro. 644-645. 
beit verlangt: es muß ftarf und 
ausdauernd, weichmäulig und ge- 
borfam fein, tadellos funktionierende _ 
Lungen, viel Temperament und 
dennody feinerlei Untugenden be= 
fiten; die Beine müffen „normal 
geftellt” fein, um feine Verlekung 
bei plöglichen Wendungen berbei- 
zuführen — furzum, das Bolo-Pony 
muß fi in feiner Art als ein 
Ausbund hippiſcher Tugenden re⸗ 
präfentieren. Seine Höhe ift bei 
uns auf 147 cm feftgeftellt, dem 
das vorgefchriebene englifhe Maß 
von 14 hands 2 inches genau ent: 
fpridt. Amerifa fordert 14 hands 
1 inch, Xegypten 14 hands !/, 
inch — Indien dagegen bleibt bei 
den Fleinften Pferden von 13 hands 
3 inches. 

645. Trainieren des Ponys. 
In England gibt es verjchiedene 
Lehranftalten für Polo-Bonys. Die 
berühmtefte ift das Traininginftitut 
der beiden Brüder Miller in 
Springhall. Die Ausbildung des 
Pferdes nimmt mehrere Monate in 
Anfprud. In Springhal werden 
„rohe“ Pferde, die Privatperjonen 
gehören, drefiiert; doch find dort 
auch ausgebildete zu Faufen, die ca. 
ſechs Sahre. lang trainiert werden. 
Natürlich wird für ſolche Ponys 
ein hoher Preis gefordert (bi zu 
5000 Mark). Jeder Spieler hat 
mindeſtens zwei Bony3 nötig, mit 
denen während des einftündigen 
Spieles alle zehn Minuten gewech⸗ 
jelt wird. Dadurch ift es möglich, 
in einer Woche mit beiden Tieren 
zweimal an einem Spiel teilzu- 
nehmen, ohne fie zu überanftrengen. 
Die übrige Zeit wird zum Trai- 
nieren benüßt, defjen Hauptaufgabe 
das zum „Oaloppanipringen“ von 
der Stelle ſowie die Erreichung 
größter Schnelligkeit für kurze Ent: 
fernungen ift. Bei dieſen beiden 
Erfordernifjen, ebenfo beim geſchick⸗ 
ten Wenden, der nächſten Aufgabe, 


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Nro. 646. 


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muß das Pony möglichſt unab— 
hängig vom Zügel gemacht werden; 
denn die Hilfe des Reiters wird 
meiſtens nur in der Gewichtsver— 
teilung liegen können. Um das 
Pferd an den Ball zu gewöhnen, 
legt man ihm anfangs eine mit 
Zucker beſtrichene Kugel in die 
Krippe und zieht dieſe ſpäter als 
Köder auf dem Spielfeld vor ihm 
her. Der Poloſtock darf niemals 
zur Züchtigung benutzt werden, da— 





331. Abdrängen des Gegners vom Ball. 


mit das Pony ihn nicht fürchtet; 
bei langjamen Gangarten wird das 
Tier an das MVorbeiführen des 
Stores an jeinem Kopfe gewöhnt, 
bis es ihn genau kennt und nicht 
mehr jcheut. Das „Drängen“ lernt 
eö neben einem trainierten Pferde, 
das zuerjt nur dicht neben dem an: 
zulernenden hergaloppiert und es 
Ichließlich zum Kampf herausfordert. 


Nicht jedes Pony eignet ſich zum 


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E. Gräfin Baud 


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iſſin. 


Polo. Mit Tieren, die beim Trai- 


ning als temperamentlos, biſſig 
oder ftörrijch erfannt werden, lohnt 
es nicht, fich aufzuhalten. Beim 
Trainieren wie beim Spiel werden 
dem Pony zum Schuß Streichfappen 
und Galoppiergamafchen angelegt. 

646. Trainieren des Spielers. 
Der Spieler muß diefelben Künfte 
beherrfchen wie jein Pferd, nämlich 
gute, jharfe Wendungen, jchnelles 
Angaloppieren, und ebenjoldhes 
Durchparieren. Das für den An- 
fänger am ſchwerſten zu Erlernende 
befteht jedoch in der Fähigkeit, die 
linfe Hand abjolut ftil zu Halten, 
während die rechte operiert. Die 
fertigen Spieler lafjen die Zügel 
oft ganz fallen, jteuern dad Pferd 
alfo nur dur) Gemwichtäverteilung, 
wie jchon oben bemerft murde. 
Zum Erlernen tft das Weben bei 
einem Brofejjional, der den Ans 
fänger über die richtige Führung 
des Stodes, Haltung des Armes ıc. 
jomwie über die Hauptichläge unter- 
richten wird, faft unerläßlich. Später 
bildet fich bei jedem befjeren Spieler 
eine eigene „zorm” aus, zufammen= 
gejett aus den Tricks, die er andern 
abgegudt oder die er fich jelbft 
durch Hebung und Erfahrung er— 
funden hat. In den Klubs ftehen 
für die Anfänger hölzerne Pferde 
zum Lernen bereit, da es unmög— 
lich jein würde, vom lebenden Tier 
aus gleich nach dem Balle zu ſchla— 
gen; vor allem, weil fich das Pferd 
die Ungejchiclichfeit des Lernenden 
in den erjten Stadien faum gefallen 
läßt. Vom Holzpferd aus wird 
zuerſt das Treffen ruhig liegender 
Bälle und ihr Treiben in eine be— 
ftimmte Richtung geübt; dann erft 
lernt man da3 Treffen der rollenden 
Bälle. Beim Schlagen muß der 
Ball feft ins Auge gefaßt werden, 
der Blif darf alfo nicht, wie es 
unmwillfürlich gejchieht, dem aus— 


‚bolenden Arm folgen, Das Schla- | 


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—. Am u mi u 





XI. 1. Polo. Nro. 647-649. 
beren Methode, zahlreichere Teil: 
nehmer zuzulaflen. In die Mitte 
der großen Raſenfläche, die das 
Spielfeld bildet, wirft der Un: 
parteiifche den Ball, der von den 
Parteien in das feindliche Tor ge: 
trieben werden fol; diefes liegt an 
der Grenze des Spielfeldes. Ges 
fiegt bat diejenige Partei, die ſich 
innerhalb der beftimmten Zeit die 


gen des Balles vom Bolo-Pony 
aus wird nacheinander im Schritt, 
im Trab und im Galopp geübt; 
immer muß der Reiter beftrebt fein, | 
linf3 und zwar in einer Entfernung 
von höchſtens einem Meter am Ball 
vorbeizufommen. Im Augenblid 
des Schlagen? muß das Pony bes 
reit3 die Richtung, in der nun der 
Ball fliegen fol, eingenonmen ha- 
ben, denn aus einer Wendung | meiften Tore erobert hat. Durch 
heraus den Ball gut und fiher zu| Sohn Watfon, auf deflen Zu: 
treffen, ift ein großes Kunftftüc, | tun der Hurlingham-Klub das Spiel 
Die Handhabung des Schlägers fo: | afzeptierte, hat es feine Phyfiogno: 
wie das Abdrängen des feindlichen | mie dahin geändert, daß es nicht 
Pferdes verlangt große Vorſicht; mehr auf die hervorragenden Lei⸗ 
niemals darf das Spiel ausarten, | ftungen des Ginzelnen ankommt, 
troß aller Begeifterung ; wenn auch | fondern auf die gemeinfame Durch⸗ 
alle Vorteile wahrgenommen wer: | führung des Spieles von der ganzen 
den, muß es „fair“ bleiben. Zum Partei. Dadurch ift das Polo mie 


Abdrängen des Gegners dürfen 
nur die Schulter und der feit an 
den Körper gedrüdte Oberarm ver- 
wendet werben. 

647. Kleidung des Spielers. 
Der Kopf, als der am meiften ge⸗ 
fährdete Teil, da ihn doch ein un- 
vorfichtiger Hieb treffen kann, wird 
beim Polo mit einer feften Kappe 
gejchügt, die in England fogar eine 
Korfeinlage befommen hat. Die 
Klubfarben zeigen fich an der ärmel« 
Iofen Weite, die über einem feide- 
nen oder flanelle: 
nen Hemd getragen 
wird. — An die 
(kurze, 
weite Reitbeinflei- 
der) von weißer 

rbe fließen ſich 

ohe, braune Leder⸗ 
tiefel. 

648. Erklärung 
des Spieles. Zum 
Spiel ſind jetzt in 
allen Klubs und 
Wettſpielen zwei 
Parteien zu je vier 
Spielern nötig, 
entgegen der frü⸗ 


9 - 194 
MWTINHTSE 


an 


— —— — — — — — — — 





kein anderer Sport dazu geeignet, 
Disziplin und Kameradſchaftlichkeit 
zu fördern und den, der ſein beſtes 
Können einſetzt, dennoch beſcheiden 
in der Allgemeinheit untertauchen 
zu laſſen. 

649. Der Spielplatz. Den vor⸗ 
geſchriebenen Umfang von 240 m 
Länge und 160 m Breite wird der 
Spielplat nur felten beiten; auch 
der urſprünglichen Form des Recht: 
ecks werden in England zum Bor: 
teil des Spiels jetzt häufig abge: 


— —— —— — — — — — u — — — — — — — — — — 


160 m. 


Mittet- OPunke 
$ Mrter: Linie 
— — — — — — — — — — — — — — — ÿ0 


— — — — — 


Seiten - Linie 


332. Spielfeld und Aufitellung der Spieler im Neiter-Polo. 


Nro. 650-651. 


rundete Eden gegeben.: Aber die 
Hauptbedingung: ein möglichſt 
ebene3 Terrain, das ſich höchitens 
vom Mittelpuntt aus ein menig zu 
den Breitfeiten, nie zu den Längs- 
jeiten hin neigen darf, muß vor: 
handen jein. In England, dem 
Zande des fchönen, kurzen Rafens, 


E. Gräfin Baubiffin. 


entjtehen. Auch das Sprengen in 
trodenen Monaten ift mühſam und 
geſchieht meiſtens durch Handſpreng⸗ 
wagen mit breiten Rädern. Falls 
man keine feſte Einfriedigung um 
den Platz ziehen kann, werden die 
Grenzen mit Kreideſtrichen mar⸗ 
kiert; ebenſo werden in 25 m Ab⸗ 


wie ihn auch das Tennis verlangt, ſtand von jeder Breitſeite die „Mal⸗ 


ift das ein Leichtes, ihn auch über 
die Größe des Bolofeldes in guter 
Kondition zu halten; bei uns be— 
darf das vieler Koften und Mühen. 
Ehe darum der Spielgrund berge- 
richtet wird, muß der Boden dar- 
aufhin unterjucht und event. foviel 
abgegraben und neu aufgejchüttet 
werden, daß man auf guten Gras: 
wuchs rechnen darf. Das Gras 
wird ganz furz und dicht gehalten 
und nad) jedem Spiel muß durd) 
Walzen 2c. jede Spur der Huftritte 
verwiſcht werden, worauf felbitver: 
ſtändlich darauf acht zu geben ift, 
daß nicht neue Furchen oder Löcher 





. Polojehläger. Aus Nordbanfen, Sport und Körperpflege. 


Iinien“ bezeichnet und der Mittel- 
punkt des Plate. Die Tore be: 
finden fi in der Mitte der Breit- 
jeiten und beftehen aus zwei ftarfen, 
zehn Fuß hoben Pfählen, den Goal: 
pfoſten, zwiſchen denen ein Zwiſchen⸗ 
raum von gut 6 Metern liegt. Um 
ſie von weitem deutlich erkenntlich 
zu machen, werden ſie von kleinen 
Fähnchen gekrönt. Gewöhnlich um⸗ 
kleidet man fie mit einer Polſter— 
ſchicht, um beim Andrängen Pferd 
und Reiter feiner Verlegung aus: 
zufeßen. 

650. Der Ball. Die Hurling- 
bam Rules, die auch in Deutjchland 
befolgt werden, for⸗ 
dern einen Bau 
von 8 cm Durch⸗ 
mefjer. SHergeitellt 
wird er jegt mei- 
ftend aus Holz 
(Weide oder Erle), 
während er früher 
aus Korf oder leder 
beitand. Seine Far⸗ 
be iſt weiß. 

651. Der Polo⸗ 
ſchläger. Der Polo⸗ 
ſtock richtet ſich in 
Größe und Gewicht 
wie in der Form, 

nach der Körper⸗ 
beſchaffenheit und 
den Eigenſchaften 
des Spielers; auch 
die Höhe des Ponys 
iſt für die Länge 
des Stockes maß⸗ 
gebend. Im all- 
gemeinen iſt der 


XI. 1. 


Stiel 1,30 bis 1,50 m und der 
Kopf 20 cm lang. Die Form des 
Kopfes ift ein wenig Modeſache. 
Da der Stiel biegfam fein muß, 
wird er aus Bambus, der Kopf 
aus bartem Holz (Buchsbaum⸗ oder 
Syfomore) hergeſtellt. Das Ende 
des Stiele8 wird mit Leder be= 
flochten, um ihn feiter halten zu 
fönnen; aud trägt er eine Schlinge 
für das Handgelent. 

652. Schlagen des Balles. Die 
Heiden Hauptfchläge, die der Spieler 
zu erlernen hat, find der Vorwärts⸗ 
und der Rückwärtsſchlag. Beim 
Borwärtsfhlag muß der Ellbogen 
fteif gehalten werden. Cingeteilt 
werden diefe beiden Hauptichläge 
wieder in den geraden Vorwärts- 
fhlag rechts, geraden Rüdmärts: 
ſchlag rechts, Vorwärtsſchlag links, 
Rückwärtsſchlag links. Dazu kom⸗ 
men vier weitere Schläge: von 
rechts nach links unterm Ponyhals, 
von links nad) rechts unterm Pony: 
hals, von rechts nad) links unterm 
Ponyſchweif und von links nad 
rehts unterm Ponyſchweif. Die 
Chläge an der linfen Seite find 
die fehwierigften. Aus der Be: 
zeichnung der Schläge erfieht man, 
wie beweglich der Reiter im Sattel 
fein muß. Troßdem darf er nie 
das Gleichgewicht verlieren noch 
das Pferd durch unruhige Zügel: 
haltung verwirren. Auch hat der 
Anfänger beſonders darauf zu ad): 
ten, daß ſich ihm der Stod nicht 
beim haftigen Wenden ꝛc. in der 
Hand verdreht. Als Strafe für 
einen verkehrten Schlag befommt 
der Gegner meiftend einen Frei- 


ſchlag. 
653. Die Spieler. Den vier 
Spielern jeder Partei, die durch 
Nummern erkenntlich find, fallen 
verſchiedene Aufgaben zu. Aus 
dem beigefügten Plan des Spiel: 
felde3 (Bild 332) erjieht man, daß 
die erjlen drei Spieler big zur Mitte 


Polo. Neo. 652—653. 
vorrüden, während der vierte zu⸗ 
rüdbleibt, er bildet die größte Ge: 
fahr für die feindliche Bartei, da 
er am leichteften den Bal in eine 
andere, unerwartete Richtung treiben 
fann. 

Spieler Nr. 1 wird felten gleich 
zum Schlagen des Balles Tommen, 
da diefer, in die Mitte geworfen, 
zu weit fort von ihm liegt. Seine 
Taktik fol deshalb darin beftehen, 
feinen Partnern zum längeren Be 
fit des Balles zu verhelfen; des— 
halb ließ man in England eine 
Zeitlang den erjten Spieler über- 
haupt ohne Stod fpielen. Doch ift 
man von diejer Theorie wieder zu: 
rüdgefommen. Der erjte Spieler 
ſoll fernerhin, falls der Ball im 
Beſitz der feindlichen Bartei ift, 
die Gegner vom Ball abdrängen 
oder den Schlußfpieler (Nr. 4) feiner 
Partei unterftüßen. Will er der 
Gegenpartei den Ball abjagen, fo 
darf er fi), da der Weg des den 
Ball befigenden Reiters nie gekreuzt 
werden darf, nur von feitwärts 
und rüdmärt3 an ihn Drängen. 
Seine Kunft fol in der Hauptſache 
in gewandtem Reiten beftehen; ge= 
wöhnlich wird deshalb auch der beite 
Reiter der Bartei Nr. 1. 

Der Vorzug des zweiten Spielers 
fol das Schlagen fein; denn ihm 
fällt die Aufgabe zu, von dem Ball, 
ſobald er in die Mitte geworfen ift, 
Beſitz zu ergreifen. Dies gejchieht 
am bejten, indem er ihn nicht direkt 
in3 feindliche Lager, ſondern rüd: 
wärts oder jeitwärt3 ing Freie 
Ihlägt. Nr. 2 muß ruhig und 
ftart fchlagen und den Ball an 
einer Seitenlinie entlang treiben, 
um nur den Angriff auf einer Seite 
abmwehren zu müflfen. Seine Auf: 
merkſamkeit bleibt immer auf den 
Bal gerichtet, auch wenn diejer in 
feindliche Hände geraten ift; feine 
Partner haben mit den Gegnern 
jeldjt zu kämpfen und ihm Den 


ee nn T 


ro. 654. 


Weg frei zu halten, jo daß es ihm 
möglich wird, fih immer von neuem 
des Balles zu bemäcdhtigen. 

Nr. 3 dient eigentlih nur zur 
Verſtärkung von Nr. 2. Er bleibt 
immer dicht neben ihm, um die 
Gegner nicht herankommen zu laſſen 
und forgt ebenfo für den Ball, 
falls der zweite Spieler abgedrängt 
worden ift oder fehlgefchlagen hat. 
Auch die Pflihten des Schluß: 
fpielers Hat er zu übernehmen, 
wenn diefer feinen Pla verlajjen 
mußte. So ift Nr. 3 eine Art 
Ergänzungsipieler und für fein Amt 
wird darum auch der ſchwächſte 
Spieler oder ein Anfänger genom- 
men. 

Vom vierten Spieler, dem Schluß: 
fpieler, au) Spielwart oder captain 
genannt, wird das befte Rückwärts⸗ 
ſchlagen erwartet, da ihm die Auf: 
gabe obliegt, ven Ball vom Goal 
und der Mallinie zurüdzutreiben. 
Auch muß er den Ball in einer 
Richtung fchlagen, in der fich jeine 
Partei befindet, ſodaß 
womöglich gleich vom zweiten Spie- 


€. Gräfin Baudiffin. 


faum möglich fein, zu erfennen, 


| 


| 


wo der Ball liegt oder welche Bartei ” 


im Porteil if. Denn das Bild 
verjchiebt fi von Minute zu Mi: 
nute. Aber das Hins und Her: 
galoppieren der Pferde, gefchictes, 
baaricharfes Wenden, mohlgezielte, 
überrafhende Schläge, da3 Zu: 
fammendrängen der NReiter auf 
einen Punkt und wieder das Aus: 
einanderziehen der Linie, wenn der 
Bal in einer entfernten Ede auf: 


taucht, ſchließlich das heiße Ringen 


um das Tor, nehmen die Aufmerf: 


ſamkeit fo in Anſpruch, daß die zehn 


Minuten, die der Kampf dauern 
fol, im Nu verftrichen find. Dann er⸗ 








tönt die Glode — nur ein „Mal“ 
fonnte während der kurzen Spanne 


Zeit erobert werden, doch Sieger 
wie Beftegte find von gleicher Be: 


geifterung durchglüht — und nicht . 


minder das Publitum! Jetzt wer: 
den die Ponys gegen frifche einge- 


tauſcht — von einer „Tierquälerei” 
fann bei dem Galopp von zehn. 


der Ball | Minuten, der dazu noch oft unters 


brochen wird, feine Rede fein! — 


ler wieder aufgenommen werden | und die Barteien wechjeln die Pläße. 


fann. Der Schlußjpieler verläßt 
nur in äußerjten Notfällen fein 
Spielfeld; denn er foll das ganze 
Spiel überjehen und feiner Partei 
befehlen können. Er ift alſo die 
Hauptperjon und man wählt zu 
feinem Amt deswegen aus der 
Mannſchaft den beiten Schläger und 
zugleich denjenigen, der am meijten 
Uebung hat und das Spiel mit all 
feinen wechjelvollen Zufällen am 
genaueften beurteilen Tann. 

654. Gang des Spieles. Das 
Spiel wird durch ein Glodenzeichen 
eröffnet, nachdem die Spieler ihre 
Plätze rechts und linf3 vom Mittel: 
punkt eingenommen haben; gleich: 
zeitig mit dem Signal fliegt der 
Bal zwiſchen die Parteien. Das 
Spiel entmwidelt fih ſehr fchnell 
und. den Zujchauern wird es oft 


Nach: kurzer Pauſe wird von neuem 
begonnen. Wird ein Fehler ge: 
macht, jo unterbricht ein Pfiff den 
Gang des Spieles; jtößt einem 


Spieler ein Unglüd zu, zerbricht 


jein Stod, fällt er au8 dem Sattel 
oder dergl., jo muß er fich fo ſchnell 
wie möglich wieder [pielfähig machen. 
liegt der Ball über eine Seitens 


linie fort, fo muß der Schiedsrichter, 


dem auch die Beurteilung der Fehler 
und ihre Beitrafung zufteht, ihn 
wieder ind Spielfeld zurüdwerfen. 
Natürlich ift dann diejenige Bartei 
im Borteil, von der die meiften 
Partner zur Stelle find. Bon der 
Mallinie zurüd darf den Bal nur 
ein Spieler der Partei jchlagen, 
deren Linie er überfchritten bat, 


der Gegner muß dagegen Binter 
der 25 m⸗Linie bleiben; ift aber 


| 
| 


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4 
4 
Mi 








(Aus Sport im Bild.) 


Moment aus dem erjten Beiter:Polofpiel in Berlin. 


— — 





— — — — — 


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Ban 





— ee — oT ur a ER ae 










XI. 1. Polo. 


der Ball von der Partei felbft über 
die eigene Mallinie getrieben, fo 
darf der Gegner ſich ihm bis auf 
fünf Schritte nähern. Wer inner: 
halb einer Stunde die meiften 
„Male, Tore oder Goals des 
Gegners erobert bat, ift Sieger. 
655. Die Spielregeln. Die 
Regeln des engliihen Hurlingham 
Klubs bat der Hamburger Poloklub 
von 1898 übernommen, mit un: 
wefentlichen, Fleinen Veränderungen. 
Auch den neueren deutſchen Klubs 
in anderen Städten dienen bdiefel: 


ben Gejete zur Grundlage. 

1. „Die Goals milffen mindeftend 250 
Yards voneinander entfernt und jeber 
Goal muß 8 Yarb3 weit fein. Die Normale 
größe eines Poloplages beträgt 300 Yards 
Länge bei 160 Yarb3 Breite, wenn Holz: 
borten vorhanden find. 

2. Der Durchmeſſer der Bälle fol 8 cm 
betragen. 

3. Jede Partei fol einen Unparteiiſchen 
ernennen, außer wenn beide Parteien ſich 
dahin einigen, mit einem, ftatt mit zweien 
su fpielen. Seine oder ihre Enticheidungen 
follen endgültig fein. In wichtigen Matches 
fann außer ben Unparteiifchen noch ein Ob⸗ 
mann ernannt werben, deſſen Entfcheidung 
endgültig ift. 

4. In wichtigen Matches um Pokale ober 
Preife ift die Zahl der Spieler auf vier 
auf jeder Seite beſchränkt. 

5. Das Spiel beginnt, indem beide Bars 
teien ihre Stellungen in ber Mitte bed 
Feldes einnehmen und ber Unparteiifche 
den Ball in bie Mitte des Yeldes wirft. 

6. Die Dauer eined Spieles in einem 
Match fol eine Stunde fein, eingeteilt in 
6 Abſchnitte von 10 Minuten, mit 5 Mi: 
nuten Paufe nad bem 2. und 4. Abichnitt 
und je 2 Minuten Paufe nad dem 1., 3. 
und 5. Abſchnitt. 

Die erften 5 Abfchnitte bed Spieles follen 
endigen, fobald ber Ball nad Ablauf der 
vorgejäriebenen Zeit aus dem Spiel geht; 
jede Zeitüberfchreitung in einem biefer Abs 
ſchnitte, wenn fie dadurch veranlaft wird, 
daß der Bau im Spiel bleibt, fol von dem 
nädftfolgenden Abjchnitt abgezogen werden. 
Der legte Abſchnitt fol fofort mit Ablauf 
der Spielftunde endigen, aud wenn der 
Ball noch im Spiel ift. 

Am Fall eined „tie“, d. 5. wenn beide 
Seiten entweder feine oder die gleihe An⸗ 
zahl Goals haben, foll der letzte Abfchnitt 
verlängert werben, bi3 ber Ball aus dem 
Spiel geht und im Fall e3 dann noch immer 
ein „tie“ ift, fol der Bal nad einer 
Pauſe von 5 Minuten von bort abgefptelt 
werben, wo er aus dem Spiel ging, und 


Nro. 655- 


ba3 Spiel folange in 10-Minutenabfchnitten 
fortgejegt werden, bis eine Seite ein Goal 
madt, welches den Match entſcheidet. 

7. Sobald der Ball nah Ablauf der 
erjten 10 Minuten jedes Spielabfchnitt3 im 
Spiel gebt, fol das Spiel für genügend 
lange, aber nicht über 2 Minuten unter- 
broden werden, um e8 ben Spielern zu er⸗ 
mögliden, die Bonys zu wechſeln. Mit 
diefer Ausnahme foll das Spiel kontinuier⸗ 
lich, aud ſoll es Pflicht des Unpartetifhen 
fein, den Ban pünktlich bineinzumerfen, 
und im Fall unnötiger Verzögerung beim 
Abſpielen des Balles, die Seite, die ſich 
der Verzögerung ſchuldig macht, aufzu—⸗ 
fordern, fofort zu beginnen. Das Wechjeln 
von Ponys außerhalb der vorerwähnten 
Zeiten geſchieht auf die Gefahr des 
Spielers hin. 

8. Um den Ablauf der erften 10 Minuten 
zu bezeichnen, joll eine Glode geläutet 
werden. Die Glode ſoll von neuem ge— 
läutet werden, wenn der Ball nach diefer 
Zeit aus dem Spiel geht, für den Pony: 
wechſel. 

9. In allen wichtigen Matches iſt ein 
offizieller Zeitmefler zu verwenden. 

10. Ein Goal tft gemacht, wenn ein Ball 
zwiſchen ven Goalpfoften bindurchgetrieben 
wird, fei ed durch die Spieler oder durch 
ihre Ponys, und zwar fo, daß er die Goal: 
linte nicht mehr berührt. 

11. Wenn ein Ball über die Spigen ber 
Goalpfoften fliegt, aber nach Anficht des 
Unparteiifchen zwiſchen ihnen hindurch, fo 
fol es ald Goal gelten. 

12. Die Seite, die am meiften Goal3 
madt, gewinnt das Spiel. 

13. ®enn ein Ball durch einen Spieler 
der feindblihen Seite hinter die Rücklinie 
geihlagen wird, jo fol er ohne Verzöge— 
rung durch einen Spieler von der Ceite, 
deren Linie es ift, von möglichit derjelben 
Stelle, wo er die Rüdlinie pafjierte, wieder 
abgeipielt werden. Die gegneriſche Seite 
muß aber genügend Zeit haben, hinter die 
30 Yarb3linie zu fommen. Niemand von 
ben Angreifern darf fich, bis der Ball ab« 
geipielt ift, näher ald 80 Yards von der 
Rüdlinie befinden. Wenn aber der Ball 
von einem der Spieler hinter beren eigne 
Rüdlinie geſchlagen wird, fo follen die An: 
greifer einen freien Schlag haben von einer 
Stelle gegenüber derjenigen, wo ber Ball 
über die Linie ging und 60 Yards entfernt 
von der geichaffenen Goallinie, während 
bie Gegner ſich nicht näher ald 20 Yards 
vom Ball wieder aufftellen dürfen. Die 
Strafe findet feine Anwendung, wenn ber 
Bau durch Abprall an einem Pony oder 
einem Spieler ‚out‘! geht. 

14. Wenn der Ball Über die Grenzen bed 
Feldes hinausgetrieben wird, muß er von 
dem Unparteiiſchen genau von der Etelle, 
wo er hinausging, wieder hineingeworfen 
werben, und zwar in einer den beiden 
Goallinien parallelen Richtung und zwiſchen 

43 


Niro. 655. €. Gräfin 


die in zwei Reihen aufgeftelten Spieler. 
Eine Verzögerung oder Rüdfichtnahme auf 
abmwefende Spieler darf nicht eintreten. 


15. Ein Spieler darf einen Gegner aus: 
reiten (ride out) ober feinen Pony vor den 
des Gegners ftellen, um ihn zu verhindern, 
an ben Ball zu gelangen, aber er darf 
feinen andern Spieler, der im Beſitz des 
Balles ift, kreuzen, ausgenommen auf eine 
fo große Entfernung, daß ber betreffende 
Spieler feinen Pony nit zu parieren 
braudt, um eine Kollifion zu vermeiden. 

Wenn zwei Spieler von verjchiedenen 
Richtungen auf den Ball zureiten und eine 
Rolifion wahrfcheinlih ift, jo muß dem 
Spieler, der im Befig des Balles ift, Plag 
gemadht werben (d. h. demjenigen, ber zu⸗ 
legt ven Ball gefchlagen hat, oder falls feiner 
ihn geſchlagen hat, demjenigen Spieler, ber 
aus der Richtung fommt, von ber der Ball 
zulegt geſchlagen wurde). 


I. Sedem Spieler, der dem Laufe bed 
Balles aus der Richtung, von wo er zuletzt 
geſchlagen wurde, genau folgend geritten 
ift, iſt der Beſitz des Balles eher zuzu⸗ 
fpreden, al3 einem Spieler, der aus einer 
anderen Richtung fommt. 

Wer zulegt geichlagen hat, gilt ald im 
Befis des Balles, vorausgefegt, daß fein 
anderer Spieler auf die Balllinie vor ihm 
gelangen kann, ohne den Schlagenden zum 
PVarieren des Ponys zu zwingen, damit 
eine Kollifion vermieden werbe. 

Kein Spieler fol als im Befig des Balled 
gelten, weil er ihn geichlagen hat, wenn er 
nit auch dem Laufe ded Balles genau 
folgend geritten ift. 

II. Seder Spieler, mwelder dem Laufe 
des Balled genau entgegen reitet, bat das 
Anrecht auf den Befig des Balled vor einem 
ſolchen, der aus irgend einer Richtung im 
Winkel auf den Ball zugeritten fommt. 

III. Seber Spieler, der aus der Richtung 
fommt, aus der der Ball zulegt gefchlagen 
wurde, aber im Winfel zu feinem Lauf, 
ſoll als im Befig des Balled gelten gegens 
über einem Spieler, der aus der entgegen- 
gefegten Richtung im Winkel auf ben Ball 
angeritten fommıt, ausgenommen, wenn der 
betreffende Spieler reitet wie unter Nr. 1. 

Iv. Wenn zwei Spieler aus der gleichen 
Richtung geritten kommen, fo ift derjenige 
Spieler im Befit des Valle, deſſen Reit: 
um ben fpiteften Winkel zur Balllinie 
bildet. 

NB. Die Balllinie ift- die Linie, in der 
der Ball läuft oder fliegt, ober die er in 
dem Augenblid bejchreibt, wenn eine Streit- 
frage entfteht. 

16. Kein Epieler darf feine® Gegners 
Stod ablenten, außer wenn er auf ber> 
felben Seite des gegnerifhen Ponys Äft 
wie der Ball oder in einer direkten Linie 
dahinter und fein Stod ſich weder über 
noch unter des Gegner3 Pony befindet. 
Der Stod darf nicht abgelenkt werben, wenn 


Baubdilfin. 


nicht ber Gegner im Begriffe ift, nach dem 
Bau zu Schlagen. 

17. Kein Spieler, welder „off side‘* ift, 
darf den Ball fchlagen oder in irgend einer 
Weife Die gegnerifhe Seite verhindern, an 
ben Ball zu gelangen oder ihn zu jhlagen. 

Ein Spieler ift „off side“, wenn in 
dem NAugenblid, wo der Ball geſchlagen 
worden ift, er niemand von der gegnerijchen 
Seite zwifchen fi und der Goallinie des 
Gegners oder der gedachten Fortfegung 
biefer Linie oder hinter dieſer Xinte hatte 
und meder felbft im Beſitze des Balles ift, 
noch binter einem von feiner eigenen Seite, 
welcher im Befit des Balles ift. Die Goal⸗ 
linie bedeutet die Linie von 8 Yards 
zwiſchen ven Goalpfoften. — Ein Epieler, 
welcher ‚off side“ ift, bleibt „off side‘, 
bi3 der Bal wieder geichlagen oder bis 
wieder nach ihm gefchlagen ift. 

18. Kein Spieler darf weder mit Der 
Hand faſſen, nod mit Kopf, Hand oder EU: 
bogen ſchlagen ober ftoßen; bagegen darf 
ein Spieler mit dem Arm oberhalb bed 
Ellbogens ftoßen , falls dieſer dicht am 
Körper gehalten wird. 

19. Ein Spieler darf den Ball nicht 
tragen. Falls der Ball auf einem Spieler 
oder Pony liegen bleibt, muß der Spieler 
oder Reiter des Ponys ihn ſofort zu Boden 
fallen laſſen. 

20. Kein Spieler darf abſichtlich = 
Pony mit bem Kopf feines Poloftods ſchlagen. 

21. Sede Verlegung der Negeln ftellt 
einen „foul‘‘ (Berftoß) dar. m Falle 
einer Verlegung ber Regeln 15, 16, 18, 
19 und 20 fol der Unparteiifche das Spiel 
unterbreden. Im Fall einer Verlegung 
der Regel 17 foll das Spiel auf Auffordes 
rung eine Spieler8 berjenigen Seite, 
gegen bie der ‚‚foul‘‘ begangen wurde, 
unterbroden werden. Wenn das Spiel 
obigem entjpredhend unterbroden worden 
ift, fo wird bei Verlegung ber Regel 15 
oder anderem gefährlihen Epiel die fols 
gende Strafe verhängt: 

Ein freier Schlag von einer Stelle 50 Yards 
entfernt von ver Ritdlinie der Partei, welche 
ben ‚‚foul‘‘ beging, gegenüber der Goal⸗ 
mitte, oder auf Wunfh von ber Stelle, 
wo der ‚„foul‘‘ begangen wurde. Die 
ganze Partei, bei der der „‚foul‘! begangen 
wurde, bleibt hinter ihrer Rüdlinie, bis 
der Ball wieder geichlagen oder nad) ihm 
geihlagen worden ift, jedoch nicht zwischen 
den Goalpfoften. Auch darf niemand diefer 
Partei, wenn der Ball wieder ind Spiel 
gebracht ift, von innerhalb der Goalpfoften 
abreiten. Niemand von ber anderen Partei 
darf im Augenblid, wenn der Ball oder 
nah dem Ball gefhlagen wird, ſich näher 
der Rüdlinie befinden, ald der Ball. 

Bei Verlegung der Regeln 16, 17, 18, 
19 und 20 kann bie Eeite, gegen Die Der 
„foul!‘ begangen wurde, eine von ben 
folgenden Strafen forbern: 

a) Einen freien Schlag von dort, mo 


XI. 1. Polo. 


der Ball war, al3 ber ‚‚foul‘‘ ftattfand; 
feiner der Gegner barf fi innerhalb 
20 Yards vom Bal befinden. Der Ball 
muß getroffen werben, um einen freien 
Schlag zu bedeuten. 

b) Daß diejenige Partei, melde den 
„foul‘‘ beging, den Bal zurüdnimmt und 
ihn von hinter ihrer eigenen Goallinie 
zwifchen ben Goalpfoften abfpielt. Keiner 
der Angreifer darf fich näher als 25 Yards 
von der Mitte des Goals befinden. 

22. Falls ein Spieler durch einen „‚foul‘‘ 
fampfunfähig gemacht wird, ſoll die Seite, 
gegen melde ber ‚‚foul!‘ begangen wurde, 
da3 Recht haben, einen von der andern 
Seite zu beftimmen, ver fi ebenfalls 
zurüchziehen muß. Das Spiel fol dann 
mit 3 Epielern auf jeder Seite fortgejegt 
werden und wenn die Eeite, welde den 
„foul!‘ beging, fich weigert, dieſes zu tun, 
ſoll fie bierdurh den Match verlieren. 
Diefe Strafe foll zu der durch Regel 21 
vorgejehenen binzutreten. 

23. Nah jedem Goal fol die Spiel- 
richtung gewechfelt werden, und wenn fein 
Goal gemadt ift, nad jeden 10 Minuten. 

24. Der Bau muß über die Linie gehen 
und barf fie nicht mehr berühren, um aus 


dem Spiel, „out“, zu fein. 


25. Wird der Ball befchädigt, fo muß 


"der Unparteiifhe das Spiel fofort unter 


brechen und einen neuen Ball an bie Stelle, 
wo ber alte zerbrach, binwerfen, und zwar 
nad) ber Mitte des Feldes zu, in einer den 
beiden Goallinien parallelen Richtung und 
zwifchen die fich gegenüberftehenden Spiel- 
reiben. 

NB. Es tft wünfdenswert, daß das 
Spiel unterbroden und ein neuer Ball 
genommen werde, wenn die Lage ded Balled 
derartig ift, daß keine Seite dadurch be= 
günftigt wird. 

26. Falls der Stod eines Spielers zer- 
bricht, fo muß er nad dem Plage reiten, 
wo die Stöde aufbewahrt werden, und fi) 
einen neuen nehmen. Unter Beinen Um: 
ftänden darf ihm ein Stod gebradt wers 
den. 

27. Läßt der Spieler feinen Etod fallen, 
fo muß er ibn felbft aufheben. Ein 
Epieler, welder abgejefjen ift, darf den 
Val nicht ſchlagen. 

28. Der Aufenthalt innerhalb der Arena 
ift niemanden außer den Spielern und 
den Unparteiifchen geitattet. 

298. Wenn ein Epieler oder Pony fällt 
oder verlegt wird, muß der Unparteiifche 
das Spiel umterbredden und für den Erfag 
des verlegten Spielerd oder Ponys Zeit: 
erlaubnid gewähren. 

29b. Falls ein Spieler oder ein Pony 
durd) die eigene Schuld ftürzt, fo darf ber 
Unparteiiſche das Spiel nicht unterbrechen, 
vorausgeſetzt, daß fich feiner verlegt hat. 

80. Bei Wiederaufnahme des Spiels foll 
der Ball ba wieder hineingeworfen werten, 
wo er fih befand, als das Epiel unters 


Niro. 656. 


broden murde und gemäß ben Beftim- 
mungen der Regel 25. 

31. Wenn 2 Epieler aus entgegengefegter 
Richtung geritten fommen, um den Ball zu 
ſchlagen, und einer davon fpielt, fo bat der 
Andre auszuweichen. 

32. jede willtürlide Mißachtung der Be- 
ftimmungen des Uinpartetifchen fol die Dis- 
qualifizierung des ſchuldigen Teams nad 
ſich zieben. 

33, Im Falle irgend eines Vorkomm⸗ 
nified, 3. B. de3 wieberholten, gefährlichen 
Gebrauchs des Stod3, oder einer Frage, 
die durch diefe Regeln nicht entichieden 
En enffcheidet der Unparteiiſche ben 

al. 
84. Scheuflappen und Sporen mit Rä— 
bern! find nicht erlaubt. Ponys, die auf 
einem Auge blind find, dürfen nicht ge- 
ritten werden. 

85. Der Schiedärichter foll eine Pfeile 
führen und fie nah Bedarf anwenden. 
Beim Pfiff des Schiedsrichters darf nicht 
mehr nah dem Ball geihlagen werden. 
Im Falle einer Meinungsverfchiedenheit 
mit dem gndern Schiedsrichter foll ein Ob⸗ 
mann herangezogen werden, der nad) Rilds 
fpradje mit beiden Schiedsrichtern und Auf: 
nahme de3 genauen Tatbeftandes zu ent- 
ſcheiden bat, was gejchehen fol. 

36. Wenn am Ende eines Math ein 
„‚foul‘‘ begangen wird, fol, falls die nötige 
get zum Vollzug der Strafe, bid bie 
Sclußglode ertönt, nicht mehr vorhanden 
ift, eine Minute extra gewährt werben, ge: 
rechnet von ber Zeit, wann ber Ball ever 
nad dem Ball bei Austragung ber Strafe 
geihlagen wird.” 

Ferner hat der Borftand ein Buch zu führen, 
in welded alle Ponys mit genügenden 
Merkzeichen zum Zwede der Spentifizierung 
eingetragen werden müfjen. An den Spiel: 
tagen ijt die Benügung bes Platzes zwifchen 
12 und 4 Uhr unterfagt. Auch fonjt hat 
der Vorſtand dad Recht, die Benugung dis 
Plages wegen Befchaffenheit des Terrains 
oder aus anderen Gründen zeitweilig zu 
unterfagen. 


656. Regeln für das Meſſen 
der Ponys. | 

1. Das Meſſen der Ronys fol durd einen 
offiziellen Meſſer unter Aufficht des Polo: 
vorjtandes gefchehen. Erfterer joll ein quali: 
fizierter Tierarzt jein. 

2. Für das Meffen und die Eintragung 
jedes Ponys find an den Eelretär des Klubs 
Mt. 5.— zu entrichten. 

3. 6 Jahre alte Bonys und darüber fönnen 
für ihre Lebenszeit gemefjen und eingetragen 
werden, Ponys unter 5 Jahren nur fiir Die 
laufende Saiſon. Der offizielle Diefjer be— 
ftimmt das Alter des Ponys. 

4. Wenn ed den Anschein bat, daß ein 
Pony in ungeeigneter Weile behandelt wor: 
den ift, um ihn kleiner erjiheinen zu lajjen, 
fo fol er nicht gemeffen werden und barf erit 


3. 657. 


yer nächften Saifon wieder zur Mefjung 

ellt werben. 

». Das Mefjen fol mit einem von dem 

ib gebilligten Mapftab auf vollftänbig 
en und hartem Boden vorgenommen 

rden. " 

6. Weber ver Befiter bed Ponys noch ein 
dienfteter desſelben barf bei der Meffung 
gegen fein, außer wenn ber offizielle Meſſer 
vbeſonders geftattet; dagegen Mitglieder 
5 Polovorſtandes, außer bei ihren eignen 
onys. 

7. Der Pony ſoll ohne Decken auf ebenem 
zoden ſtehen und das Maß am höchſten 
zunkt des Widerriſtes genommen werden. 

8. Der Pony foll durch eine von dem offi⸗ 
iellen Mefjer zu beftimmende Perjon ge⸗ 
yatten werden. 

9. Der Kopf fol jo gehalten werben, daß 
sine von dem Hinterkopf nah dem Wibders 
rift gezogene Linie bem Boden parallel jein 
würde. 

10. Der Pony muß möglihft gerade auf 
feinen vier Beinen ftehen. 

11. Der Widerrift darf Zurz gefchoren jein, 
aber die Mähne darf weder heruntergezogen, 
och das Fell des Nackens oder Widerriftes 
in irgend einer anderen Weiſe berührt 
werden. 

12. Ponys dürfen mit oder ohne Eifen ge⸗ 
meffen werden, doch wird für legtere fein 
Abzug gemacht. 

13. Wer mit dem Nefultat der Mefjung 
unzufrieden ift, kann fich innerhalb 7 Tagen 
Ichriftlih an den Vorftand wenden und um 
eine Nachmeſſung bitten. Dieſe hat dann ſo⸗ 
bald als möglich in Gegenwart von 2 Mit- 
gliedern des Vorſtandes ftatizufinden und 
ihre Entſcheidung tft endgültig. 


657. Gymkhanaſpiele. Die 
Gymkhana find indifche Reiterfpiele, 
die von den Poloklubs veranitaltet 
werden und an denen aud) Damen 
teilnehmen können, während das 
Polo felbft vorläufig nod Den 
Männern allein referviert bleibt. 
Die Eymkhana befchränfen Ti 
nit nur auf gute Reitfünfte, jon- 
dern fordern auch fonft noch allerlei 
törperlihe Gefchidlichkeiten, und 
eine große Schlagferiigfeit, eine 
presence d’esprit, 3. B. bei ben 
Rechenſpielen. Der Reiz Diefer 
Spiele liegt in ihrer Abwechſelung, 
fowie in ihrer ſchnellen Erledigung; 

"Bedingung ift, daß Feines länger als 
eine Dauer von 5 Minuten bean= 
fprucht. Die Teilnahme der Damen 
ift entweder aftin — beim Schlangen: 


E. Brafin Baudiffin. 


rennen und Ningelftechen 5.8. — 
oder den Damen werden Aufgaben 
der verſchiedenſten Art geftellt, die 
fie fo ſchnell als möglich erledigen 
müffen, damit der als ihr Kavalier 
ertorene Reiter als erfter an Das 
Ziel gelangt. Beim arithmeti— 
Shen Rennen haben die Damen 
Rechenaufgaben zu Iöfen, die ihnen 
non den Herren nad; einem Furzen 
Wettrennen in gefchloffenen Kuverts 
überreicht werden; auf dem Rückweg 
haben die Herren mit der mehr oder 
minder gluͤcklich gelöften Aufgabe 
in Händen noch ein oder zwei 
Hürden zu nehmen. Die Reiter 
fünfte der Herren müfjen alfo von 
der Geiftesgegenmart der Damen 
unterftügt werben. Andere Auf 
aaben beftehen im geſchwinden 
Nadeleinfäbeln, Zigarettenanzünden, 
Knopfannähen, Kravattenbinden, 
Hutgarnituren ober dergl., lauter 
Dinge, die ſehr harmlos klingen und 
bei denen fich die vor Aufregung un 
ruhigen Hände oft als vet unge: 
ſchickt erweifen. Denn natürlic) gibt 
es Preiſe; und meiſtens ſehr ſchöne, 
wertvolie. Der Sieger holt ihn 
für feine Dame. Das Schlangen 
rennen wird von Herren allein, 
aber auch von Herren und Damen 
paarmeije geritten. Die Stangen 
zu biefem Spiel ftehen dicht neben: 
einander und müſſen in Schlangen: 
linien umritten werden. Beim ge: 
meinfamen Schlangenrennen er⸗ 
faffen Herr und Dame die Eden 
eine® Tafchentuches; außer dem 
Reiten um ſechs durch je ſechs 
Schritte voneinander getrennten 
Stangen muß noch eine Hürde ge 
nommen werden. Beim Ringel: 


ftecden haben die Damen im On: 


lopp Ringe mit Lanzen von auf 
geftellten Ständern zu holen. Das 
Pyjama⸗Rennen ftellt den 
Herren Die Aufgabe, an einem etwa 
150 m vom Start liegenden Pla 


‚abzufigen, die Nachtanzüge über: 


—— nn. 


leben und nn 
an» Belei 
IM ein Gindeny 


w 


15 Müafich mi 
. er & Wieder 
dung loyd-r 
gehören 
haft, 
de 


erh 
er Nann 
öl nüſſen 





ar De — — — — 


XI. 1. 


zuziehen und nun ohne oder mit 
Sattel, vielleicht auch noch über 
irgend ein Hindernis fort, jo fchnell 
al3 möglich wieder ang Ziel zurüd- 
zukehren. | 

Zum Lloyd=-Lindjay:-Wett: 
bemwerb gehören vier Herren zu 
einer Mannſchaft, wie zum Polo. 
Sie müflen den bezeichneten Weg 
in gefchloffenem Feld zurüdlegen, 
gemeinfam die Hürde überfpringen 
und & tempo vor der Tribüne 
halten. Während einer die Ponys 
beauffichtigt, Haben nun drei abzu⸗ 
fpringen, und mit Bolobällen drei 
Kegel umzuwerfen und dann wieder 
gemeinfam heimzureiten. Die Mann⸗ 
Ichaft, die alle dieſe Bedingungen 
am korrekteſten und fchnelliten aus: 
führt, ift Siegerin. 

Auch Voloballrennen auf Ponys 
wie auf Ejeln, Herausforderung?: 
rennen auf 290 m, jogen. „scurry“, 
Batrouillenritte, leichte Spring: 
fonfurrenzen, Sagdpferde = Dualis 
tätsprüfung, ſchwere Springfon: 
furrenz und last not least Kon: 
furrenzen für Wagen in berrichaft: 
lihem Beſitz und folde für Auto: 
mobile fchreiben die Poloklubs jet 
aus. Für die von auswärts zu den 
Meetingd kommenden Poloponys 
wird meiftens bis zu drei Ponys 
pro Spieler oder 14 Ponys pro 
Team eine tägliche Entfchädigung 
von den zur Teilnahme auffordern: 
den Klub3 gezahlt. 

658. Programm eines Polo: 
Tournament und Gymkhana der 
Saiſon 1908: 

1. Amerikaniſches Polo-Handikap. 

2. Springkonkurrenz (Hürde, drei⸗ 
fache Hürde, Tor, Balken, Koppel: 
ride, offener Graben, Barrieren 
verſchiedener Breite, Bretterwand, 
englijcher Sprung). 

3. Gymkhanas: Boloballrennen. 
Puſhballkonkurrenz. Konkurrenz für 
Magen in herriaftlidem Beſitz, 
eins, zwei⸗ oder vierfpännig, von 


Polo. Nro. 658-659. 
Damen oder Herren zu fahren. 
Automobilgymfhana. Glaswaſſer⸗ 
rennen. 

Ale Hindernifjfe find in fliegen: 
dem Galopp zu nehmen. 

Bei den Springfonfurrenzen wird 
das Abftreifen der Stangen oder 
Berühren des Hinderniffes mit den 
Borderbeinen mit drei Fehlern, mit 
den Hinterbeinen mit zwei Fehlern 
berechnet; das einmalige Refüſieren 
des Hinderniſſes mit zwei, und das 
Ummerfen des Hindernifjes eben: 
fal3 mit zwei Fehlern. Bon der 
Konkurrenz fchließt aus: zweimali⸗ 
ges Refüſieren vor demfelben Hin: 
dernis, Nichteinhalten der vorge: 
ſchriebenen Reihenfolge der Sprünge 
und Fallen von Reiter oder Pferd. 


Radfahrpole. 


659. Einleitung Da das 
Reiterpolo fich Doch immer nur auf 
Kreife befchränfen kann, die zum 
mindeften zu den wohlhabenderen 
gehören, wenn fich die Volofpieler, 
wie wir jahen, auch durchaus nicht 
nur aus den oberften Zehntaujend 
zu refrutieren brauchen, fo ijt ein 
human empfindender Mann, der 
Stländer Mc Ready, Heraus: 
geber des Sportblatteg „The Irish 
Cyclist“, auf den guten Gedanfen 
gekommen, da3 meitverbreitete und 
leicht zu bejchaffende Rad nit nur 
als Fortbewegungsmittelzubenüßen, 
fondern e8 aud für den Sport 
auszubeuten. Was auf dem Pferd 
möglih war, mußte doch aud) vom 
Rad aus zu machen fein; jo legte 
er die Regeln des Reiterpolos mit 
wenig Veränderungen feiner neuen 
Idee zugrunde — und beging da: 
mit einen großen Yehler, der lange 
der Verbreitung des Radfahrpolos 
gefhadet hat. Dennoch darf nu: 
türlihd Mr. Mc Readys Verdienſt 
um die Erfindung des amüjanten 
Spieles zu Rad nicht gejchmälert 
werden; gründete fich doch bereits 


Nro. 660-662. 


unter ihm im Sabre 1897 der erfte 
Radfahrpolo: Klub unter dem Namen 
„The Irish Bicycle Polo Associe- 
tion“. England nahm das neue 
Spiel wie jeden Sport mit vollem 
Enthufiagmus auf — von dort 
brachte die erften Nachrichten und 
Berichte über das neue Spiel Herr 
Oskar Kilian im Jahre 1899 
nah Deutſchland. Man verfudhte 
ed einzuführen, ſah aud) ein, was 
ihm entgegenjtand, nämlich feine 
zu engberzige Anlehnung an das 
Reiterpolo; da man ſich aber bar: 
auf bejchränfte, die Regeln nur 
zu mildern, nicht durchgreifend zu 
ändern, Tonnte der Sport, troß 
aller Bemühungen, nicht rechten 
Boden faſſen, obgleich es Herrn Udo 
Steinberg, der fich des doch 
Vielen zugänglichen Spiels energiſch 
und liebevoll annahm, gelang, einen 
„Deutſchen Radfahrpolo:Berband“ 
in Berlin zu begründen. Aber erjt 
feit im Sommer 1905 die Turnier: 
vorjchriften dur den Sportsaus⸗ 
ſchuß der Berliner Bunbesvereine 
gänzlich abgeändert und bedeutend 


6. Gräfin Baubiffin. 


ſetzung fol höchſtens 48 inches bes 
tragen. Man braudt ein gutes, 
ſtarkes Rad, das einen Stoß ver- 
tragen fann und dem alle hervor: 
ragenden Teile wie Laternenhalter, 
Fußraften, Schutzbleche, Aufſtiege zc. 
fehlen, die für den Spieler unnötig 
find und für ihn wie für die Parts 


ner nur von Gefahr fein können. 


Am beiten ift es, fich eine der fog. 
„Saalmaſchinen“ anzufhaffen, die 
mit großer Widerftandsfähigfeit 
einfachſten Bau verbinden; fonft 
verwende man ein älteres Rad; 
um ein leichtes, elegantes, das 
binnen furzem ruiniert fein würde, 
ift es fchade. 

661. Der Spieler. NRadpolo 
fann nur ein ganz geübter Rad: 
fahrer fpielen, und auch dieſem 
werden noch manche Ueberraſchungen 
über die eigene Unficherheit und 
Ungewandtheit auf dem Spielfeld 
zu teil werden. Daber it das Rap: 
polo zugleich eine vorzügliche Uebung 
für Radeln. Denn ehe nicht jede 
Wendung inftinktiv, faft willenlos 
ausgeführt wird, der Spieler alfo 


vereinfacht wurden, befteht begrün: |faum mehr an das Rad zu denken 


dete Ausficht und Hoffnung, das 
Radpolo auch in Deutichland wirklich 
beliebt zu machen. Es iſt unmög- 
lich, aufdem Rad diejelben fchnellen 
und gewandten Bewegungen au®: 
zuführen, wie auf den Pferd, das 
fozujagen ſelbſt mitfpielt, genau 
weiß, um mas es fih handelt und 
fajt ohne Hilfe dem Ball nadjagt, 
dem Reiter Zeit günnend, feine 
ganze Aufmerkſamkeit ausschließlich 
dent Stand des Spieles und dem 
Val zu widmen; daher find die 
heute gültigen Vorſchriften von 
allen befreit, was noch an die Ge: 
jege für das Reiten und das Pony 
erinnern fonnte. 

660. Das Rad. Wie das Polo: 
Pony wird aud) die zum Nadpolo 
beftimmte Maſchine nad) engliichen: 
Zoll (inch) bemefjen; ihre Ueber: 


‘ 


— 


braucht, kann er nicht darauf hoffen, 
ein nützliches Mitglied für ſeine 
Partei zu ſein — eher ein Hinder⸗ 
nis. 

662. Erklärung des Spieles. 
Gleich dem Reiterpolo gehören zwei 
Mannſchaften zu je vier Spielern 
zum Spiel, die, von einem Obmann 
geleitet, als Torwächter, Stürmer 
und Verbindungsmann dienen. Wie 
beim Reiterpolo iſt es auch hier 
die Aufgabe des Torwächters, den 
Ball, der vom Feind durch das 
von ihm bewachte Tor getrieben 
werden ſoll, zurückzuſchlagen. Kom⸗ 
plizierter ſetzt ſich das Schieds⸗ 
gericht zuſammen; es genügen nicht 
ein oder zwei Unparteiifche, das 
Radpolo verlangt zwei Grenzrichter, 
zwei Torrichter und einen Schieds⸗ 
richter; ihre Aufgaben werden durch 


XI. 1. 


ihre Namen erklärt. Das Zeichen 
zum Spielbeginn gibt der Schied3: 
richter mit der Signalpfeife, ebenfo 
zeigt er durch Doppelpfiff an, ob 
ein Tor durh einen Schlag ge: 
nommen wurde. Geht der Ball 
ohne Schlag durchs Tor, jo wird 
das Spiel durch Doppelpfiff unter: 
brodhen und der Ball von neuem 
in das Spielfeld geworfen; über 
alle Fortſchritte und Ereignifje des 
Spiel3 wird der Schiedärichter von 
den Tor- und Grenzrichtern dur 
Flaggenſchwenken benachrichtigt. Das 
Amt der Spieler wird durch ver— 
ſchiedenfarbige Kleidung bezeichnet. 
Da das Spiel darin gipfelt, den Ball 
dem feindlichen Tor zuzutreiben, ſo 
gilt jeder Schlag, ſolange das Rad 
„ſpielgerecht“ ſteht; d. h. es muß 
ſich, vom eigenen Tor aus gerechnet, 
ſtets links zu einer Linie befinden, 
die man ſich den Längsſeiten des 
Spielfeldes parallel durch den Ball 
gezogen denkt, die folglich den Platz 
ſtändig in zwei, wenn auch ungleiche 
Hälften zerlegt. Deshalb darf zur 
Verteidigung ebenſowohl vorwärts, 


Polo. Nrv. 662. 
dem eigenen Tor zu, und beim 
Angriff rückwärts gefchlagen werden, 
fall3 das Rad linf3 von der Ball: 
linie ift. „Außer Spiel“ iſt der 
Fahrer, fobald er fi) rechts vom 
Ball befindet, ven Boden mit dem 
Fuß berührt („tippt”) oder falls 
er hinjtürzt. 

Dadurd, daß die Bedingung, 
fich immer linf3 vom Ball zu halten, 
jtrift befolgt werden muß, tft faft 
jede Gefahr eines Zufammenpral: 
lens bejeitigt. 

Die Strafe für die Verlegung 
der Spielregeln, Behindern des 
Gegner oder Hinausfchlagen des 
Balles über die Grenzen befteht im 
„Sreifchlag”, der dem Gegner ge— 
währt wird. 

Eine bejondere Kunft ijt das 
„Dribbeln”; der Ball wird dabei 
mit dem Schläger hart rechts am 
Vorderrad entlang gejchoben oder 
auch im ganz Furzen Zidzad vorm 
Rad hergetrieben, jo daß der Gegner, 
wenn er ebenſo geſchickt ijt, ihn 
immer noch abfangen könnte. 

Ein „Tor“ iſt erobert, wenn der 





334. Moment aus einem Radpolo:-Tournier. 


(Aus Sport im Bild.) 


Nro. 663-665. 


E. Bräfn Baudiffin. 


Ball es rollend oder durch die Luft | durch Fähnchen an niedrigen Stangen 
fliegend paffiert; das Spiel wird | von höchſtens 20 cm markiert. Die 


durch einen Pfiff als beendet er: 
klärt und das neue nah 15 Min. 
unterbroden, um die Pläße zu 
wechſeln. Die Dauer eines Match 
beträgt 4 X 15 Minuten. Sieger 
ift diejenige Partei, die die meiften 
Tore erobert bat. 

663. Der Spielplat. Große 
Aufmerkſamkeit ijt der Anlage des 
Spielplates zuzuwenden und weil 
man in Deutjchland leider, wie 
Thon beim Reiterpolo ermähnt wur: 
de, nicht die herrlichen Graspläße 
Englands zur Verfügung hat, liegt 
in der Schwierigfeit, geeignetes 
Terrain zu finden, zum Teil die 
Schuld an der befchränften Ber: 
breitung des Spieß. Da das 
Spielfeld abjolut eben fein muß, 
wird in den meijten Fällen daher ein 
Abgraben und wieder Aufjchütten 
des Bodens nötig fein. Wie beim 
Herrichten eines Tennisplates wird 
man ferner darauf bedacht fein 
müſſen, eine möglichſt elaftifche 
Oberfläche auf durchläſſiger Unter: 
lage zu gewinnen. Als unterfte 
Shit nimmt man Bauſchutt, der 
- mit Sand und Kies aufgefüllt wird. 
Hierüber fommt entweder als Ober: 
Ihicht ganz feiner Kies oder Fluß: 
fand, beſſer noch Chaufjeefchlid, 
der fejt niedergewalzt wird. Be: 
dingung ift eine ganz harte Ober; 
Ihicht, in der die Räder und der 
Ball Teine Spuren binterlaffen. 
Die Größe und Anlage des Spiel: 
feldes iſt aus dem beigegebenen 
Plan erſichtlich; doch iſt es vor: 
teilhaft, rund um ihn her noch 
einen Auslauf von 5 m Breite 
um die Längäfeiten und von ca. 
10 m an den Breitfeiten berzu- 
ftelen und ihn, um ihn vor Be- 
Thädigungen zu Shüten, mit einem 
Zaun oder dergl. zu ungeben. Die 
Breite der Tore muß mindeſtens 
2 m betragen; die Tore werden 


Linien werden am beften in einer 
Breite von ca. 4 cm mit flüffiger 
Kreide gezogen; auf jehr eleganten 
Plätzen wird der Boden ausgehoben 
und die Grenzen mit farbigem Gips 


Thor 
Traor.E W Line. 










Seiten- Linie 


NOT WiKl SA -UNy 





Thor PR 
TRor- gi som Lirie 


335. Spielfeld zum Radfahr⸗Polo. 


ausgegofien, ein teures, aber halt- 
bares Verfahren, während von ein: 
gelafjenen Holzleiften abzuraten ift. 
664. Der Ball. Der Ball wird 
aus hartem Holz, meiſtens Erle, 
in einem Durchmeſſer von 9 cm 
bergejtellt, mweißgeftrihen und bat 
ein Gewicht von ca. 150 gr. .: 
. Der Schläger. Der 
Schläger hat eine Länge von 1m 
und ein Gewicht von 450 gr. Sein 
Kopf ift hammerähnlich, länglich 
(20 cm 2änge zu 4 cm #Breite), 
leiht nad) außen gebogen und figt 
etwas jchräge am Stiel, zu dent 
ein etwas biegfames, am Handgriff 


XI. 1. Polo. 


mit Leber ummideltes Rohr ge: 
nommen wird. 

666. Die Spielregeln. Die 
nachftehenden Regeln find im Aus: 
zug den „Regeln für Radpolo“, 
(angenommen vom Ausfhuß des 
„DeutſchenRadfahrpolo⸗Verbandes“ 
herausgegeben von Udo Stein: 


berg) entnommen. 

„Ein Schiedsrichter, zwei Torrichter und 
zwei Lintenrichter, von benen feiner im Falle 
eines Wettjpiele3 einem der beiden fpielenden 
Klubs angehören darf, jollen die Leitung 
übernehmen, 

Der Schiedsrichter hat die Befolgung aller 
Regeln zu Überwachen. Jm Falle einer lieber: 
tretung derfelben fann er durch ein Pfeifen 
ftgnal das Spiel unterbrechen. 

Seine Entſcheidung darf weder gefordert 
noch angezweifelt werden, felbft wenn fie 
eine den Regeln zuwiderlaufenpe ift. 

Eine zufällige Behinderung dur ben 
Schiedsrichter ſoll feine Beachtung finden. 

Die Torrichter follen enticheiden, wann ber 
Ball das ihnen zugeteilte Tor paffiert hat. 

Ein „Tor“ ift gemadt, wenn der Ball auf 
der Erde laufend oder durch bie Luft fliegend 
die Torlinie zwiſchen ben beiden Torfähndhen 
ganz vaſſiert hat.” 

„Die Fahrer ftelen fi links von ihrem 
eigenen Tor hinter ber Torlinie neben ihren 
Rädern ftehend auf. Erft auf das Pfeifen- 
fignal des Schiedärichters dürfen die Spieler 
aufipringen und auf den Bal zufahren. 

Auf dieſelbe Weife ift der Bau nach jeder 
Baufe wieder anzujpielen. 

Sft ein „Tor” gegeben, jo müffen alle 
Spieler hinter ihre eigenen Torlinien zurück⸗ 
fahren, ohne jedoch abfteigen zu müffen. Der 
Ball wird auf die 10 m:Marfe ber Partei, 
welche joeben das „Tor“ verloren hatte, ges 
legt.” Erfi nad dem Pfeifenfignal des 
Schiebsrichters dürfen die Spieler ihre Tor- 
linten überfchreiten. Tut bies einer der 
Epieler früher, fo fann der Schiedsrichter 
das Spiel dur ein zweites Signal unters 
bredden und beide Parteien fich wieder hinter 
ifre Xorlinien zurüdziehen laffen. Die 
Partei, auf deren Seite fi der fehuldige 
Spieler befand, muß dann abfteigen, während 
die andere Partei im Sattel bleiben darf. 
Der Ball wird wieder auf die 10 m-Marke 
gelegt, und auf einen neuen Pfiff des Schied3= 
richters kann erſt da3 Spiel wieder aufges 
nommen werben. 

ft der Ball über eine Torlinie gelaufen, 
ohne daß ein „Tor“ gegeben wurde, fo fol 
fi) die angreifende Partei hinter bie Mittel- 
Iinie und bie verteidigende Partei hinter ihre 
Torlinie zurüdziehen. Der Ball wirb vom 
Torridter an der Stelle, wo er die Torlinie 
gefreust hat, 5 m weit in den Plag gelegt. 
Auf ein —— — des Schiedsrichters 
konnen beide Parteien auf den Ball zufahren, 


Nro. 666. 


um das Spiel fortzufegen. Auch hierbei 
kann ber Schiedärichter eine Partei, von ber 
ein Epieler die betr. Linte vor dem Signal 
kreuzt, zum Abftelgen nötigen und das Spiel 
abermals eröffnen lafjen.” 

„Jeder Spieler muß zur Zeit, wenn er den 
Bau Schlägt, mit feinem Rade in: bem Teile 
de3 E pielfelde3 fein, der feiner Partei gehört. 

Diefe Teile jind beim Beginn des Spieles 
die beiden Rechtecke, welche durch das Zeichnen 
der Halbierungslinie entjtanden find und 
zwar gehört jeder Partei das Rechted, wel: 
ches fich beim Beginn des Spieles zur linten 
Seite der Halbierungslinie, vom „Tore“ der 
Partei aus gefehen, befindet. 

Sit der Bad im Spiele, fo dente man fi 
die Halbterungslinie ftet3 mit dem Bau 
parallel zu fich felbft verjchoben. Die beiden 
Teile ändern ſich alfo, während der Ball hin 
und ber fliegt, beftändig, und jeder Partei 
fteht zum Spiel bald ein ſchmales, bald ein 
breite3 NRechted zur Verfügung, je nach der 
augenblidlichen Lage des Balles. 

Sm Augenblid des Schlages muß ſich das 
Rad des Epielerd in dem feiner Partei ge- 
hörigen Teile des Spielfelves befinden, ob er 
nun aufs feindliche oder eigene Tor zu ober 
quer über den Play fährt. Der Schieds richter 
kann bei Berftößen gegen biefe Regel der 
geihädigten Partei einen „Freiſchlag“ ges 
währen. 

„Führt“ ein Spieler den Ball längere Beit, 
fo ſoll ihm geftattet fein, auch quer über ben 
Plag zu fahren, doch fol in dieſem Falle ein 
Kreuzen vor feiner Maſchine nicht mit einem 
„Freiſchlage“ beftraft werden. 

Beſindet fi) daS Rad eines Spieler in 
bem jeiner Partei augenblidlich gehörenden 
Teile des Spielfeldes, jo kann er den Ball 
durch irgend einen möglichen Schlag mit bem 
Schläger oder dem Rade nad) irgend einer 
Richtung hin Schlagen. (Er kann alfo den 
Schläger in der rechten oder linfen Hand 
halten, ven Bau einfach feitlich des Rades, 
quer über die Lenkftange oder quer hinter 
dem Rüden, vor-, rüdmärt3 oder quer über 
den Plag fchlagen und auch mit dem Rade 
den Ball aufhalten oder fhlagen, nur muß 
das Rad im Momente bed Schlages 
ftet3 im zugehörigen Teile des 
Spielfeldesfein.)” 

„Iſt ein Spieler fo weit gefahren, daß er 
zwiſchen fih und dem feindlichen Tore feinen 
Gegner mehr hat, fo darf er einen Ball, der 
ihm von einem binter ihm befindlichen 
Spieler feiner eigenen Partei zugefpielt wird, 
nicht fchlagen, bevor ein Gegner den Ball zu 
ſchlagen verfucht hat, ober der Spieler, ber 
den Bal zulegt geichlagen hatte, den zuerit 
vor ihm befindlichen Spieler feiner Partei in 
der Richtung des feindlihen Tores paj- 
ftert hat.“ 

„Wird der Ball von einem Angreifer in 
das feindlide „Ed geichlagen, jo daß er 
darin liegen bleibt, fo darf die angreifende 
Partei den Ball nicht eher ſchlagen, ala bis 
bie verteidigende Partei den Ball aus dem 


Nro. 667—668. 


„Ed“ herausgeſpielt hat, andernfalls legterer 
ein „Freiſchlag“ zuerfannt werben fol. 


Wird der Ball von einem Verteidiger in 
fein eigenes „Ed“ geichlagen, jo daß er darin 
liegen bleibt, jo foll die andere Partei von 
der Edmarle aus einen „Freifhlag” aus 
führen.” 


„Bon einem „Freifhlag” aus Tann aud) 
direkt ein „Tor“ erzielt werden. 


Gibt der Schiedsrichter einen „Freifchlag* 
an einer Stelle, die nicht weiter ald 10 m 
von dem „Tor“ der fchuldigen Partei ent- 
fernt ift, fo fol ber „Freiſchlag“ von der 
10 m-Marke aus getan werden. Dabei darf 
nur ein Spieler auf dem Rabe ſitzend das 
„Tor“ verteibigen, während bie übrigen 
Spieler der ſchuldigen Partei fi) minde⸗ 
ſtens 5 m binter ihre Torlinie zurüdziehen 
müſſen. 

Glaubt der Schiedsrichter, daß durch ein 
unerlaubtes Spiel, in einer Entfernung von 
10 m vor dem „Tor“ der ſchuldigen Partei, 
ein ſonſt ſicheres „Tor“ vereitelt wurde, ſo 
kann er ſofort ein „Tor“ geben.” 


„Bei Wettſpielen muß jede Mannſchaft 
durchaus gleichmäßig koſtümiert ſein. 
Aehneln ſich die Koſtüme beider Mann⸗ 
ſchaften ſehr, ſo ſoll ſich die Mannſchaft, auf 
deren Platz das Wettſpiel ſtattfindet, durch 
eine auffällige farbige Schärpe beſonders 
kenntlich machen. Als beſte Polokofſtüme 
eignen ſich die von der Firma N. Steibdel, 
Berlin C. 22, hergeſtellten Bluſenhemden, 
melde in allen nur erdenklichen Muftern ans 
gefertigt werden können. 

Bei Wettfpielen dürfen an ben Rädern 
feine bervorfpringenben oder fantigen Teile, 
an denen ein Anhafen fremder Räder oder 
ein Verlegen ber eigenen PBerfon möglich tft, 
angebradt fein. Hierzu gehören: Aufftiege, 
Fußraften, Laternenhalter, Handbremſen, 
Klingeln, Peitſchenhalter ıc. Die Lenkſtange 
ſoll möglichſt klein, jedenfalls nicht breiter 
als 50 cm fein. Auf Verlangen irgend eines 
am Spiel Beteiligten, müffen ſolche Teile ſo⸗ 
fort entfernt werden, andernfalld derSchieds⸗ 
richter die Benugung des betr. Rades unters 
jagen kann.” 


667. Radpolo ohne Schläger. 
Eine Abart des Radpolo mit dem 
Schläger, das jedoch feltener ge: 
fpielt wird, it das Radpolo ohne 
Schläger; der Ball wird bei diefem 
Spiel allein durd) das Borderrad, 
du8 man mit furzem Ruck vom 
Boden hebt, gefhlagen. Selbft: 
verjtändlich verlangt dieſe Art des 
Polos noch größere FYahrkünfte. 
Die Regeln find dieſelben wie die 
oben angegebenen fürs Radpolo. 


E. Bräfin Baudiſſin. 


Wafferpolo. 


668. Einleitung. Das „deutfche 
Waſſerballſpiel“ ift beim Schwimm⸗ 
port beſprochen worden; aber das 
eigentliche Charafteriftiftum jedes 
Polofpiels, nämlich das Zuſammen⸗ 
arbeiten der Mannichaften, fehlt 
ihm. Die von Herrn U. Baer für 
Deutfchland bearbeiteten Regeln des 
Waſſerpolos find von Herrn Fritz 
Droemer wieder und wieder revi- 
diert, allerdingS ift die von U. Baer 
geftellte Bedingung: das Tauchen des 
Gegners zu verbieten, ebenfalls auf: 
recht erhalten mworden; entgegen 
den engliihen Beftimmungen iſt 
ein Schwimmen mit dem Ball in 
erhobener Hand verpönt — der 
Ball fol fofort weiter geworfen 
werden. Xeider ift in Deutjchland 
aber noch feine Einigung in Den 
verfchiedenen Klubs über die Spiel- 
regeln erzielt worden; einige fpielen 
genau nad engliichen Muſter, ans 
dere nad) Droemers, noch andere 
nah Baers Beltimmungen; viele 
Ihaffen fi ihre Geſetze felbit. 
Diefe Zwietracht ijt der Verbreitung 
des Spiels fehr hinderlich; denn da 
das Wafferpolo jett eine Hauptrolle 
bei allen Schwimmfeften fpielt, ſchon 
der größeren Abmechjelung wegen 
in den jonft eintönigen Programm, 


hält es ſchwer, mehrere deutfche 


Mannihaften zufammenzuladen, Die 
nad) denfelben Prinzipien arbeiten. 
Sm Sabre 1906 jind deshalb Die 
Regeln einer lebten, gründlichen 
Revifion unterzogen worden, um 


alle Klubs endlich unter einen Hut 


zu bringen; da fich aber immer 
noch verfchiedene Vereine fträuben, 
die Erlaubnis, den Gegner tauchen 
zu dürfen, aufzugeben, jo fann von 
einer Beendigung des Kampfes, zu 
dem ed wegen der Meinungdvers 
ichiedenheiten oft buchſtäblich im 
Waſſer gelommen ift! leider noch 
nicht die Rede fein. Diesmal ijt 


XI. 1, 


jedoch Deutſchland nicht das einzige 
Zand, in den fih eine Neueruug 
erſt nach unfäglich viel Hader durch⸗ 
zufegen hätte, zwar wäre es hübſch 
gewefen, wenn Deutjchland 'mal 
ohne der Parteien Haß mit gutem 
Beifpiel vorangegangen wäre; To 
weit reicht es aber bei uns nicht! 
Wir konſtatieren höchſtens mit Bes 
friedigung, daß wir einmal nicht 
allein die Karnicdel waren! Kaum 
je hat in dem fportöfreudigen Eng- 
land, jeder Körpererziehung fonft fo 
wohlwollend gegenüberftehend, eine 
Neuerung fo viel Widerſpruch ber: 
ausgeforbert, wie das „Waterpolo”. 
Man fand es nutzlos und unſchön 
und durchaus nicht geeignet, Die 
Fähigkeiten der Schwimmer aus⸗ 
zubilden und zu fürdern — alles 
Anfichten, die fih allmählich ins 
Gegenteil verkehrt haben. Jetzt 
findet man es in England durch— 
wegs nüglih, ſchön, amüſant — 
ja, es gibt kein Schwimmſchaufeſt 
mehr ohne Polo — denn dieſes 
bildet den Gipfel aller Darſtellungen. 
In England iſt auch die Streitart, 
die zwiſchen Klubs und zwiſchen 
Einzelindividuen mit gleicher Hef— 
tigkeit geſchwungen wurde, längſt 
begraben. Freilich hat es eine ge— 
raume Zeit gedauert, bis ſich das 
Spiel allgemein durchſetzen konnte. 
Den erſten Nachrichten aus dem 
Jahre 1870, die ſich in einem Be: 
richt der London Swimming Affo- 
ciation finden, folgten lange feine 
weiteren; bis im Sabre 1874 und 
1876 die erſten Waflerballfämpfe 
im Criſtal Palace zu London und 
in Bornemouth ftattfanden. Bon 
diefer Zeit an hob ſich das Intereſſe 
am Spiel, fo daß 1876 von William 
Wiljon in Gladgom feite Regeln 
aufgeftelt wurden. Allmählich ge: 
ftalteten fi) die „Tore“, die bis— 
ber nur von Fleinen Flaggen mar: 
tiert waren, zu feften „Goals“ un, 
die fich über der Waſſerfläche er: 


Polo. Nro. 669. 
hoben. 1879 wurde zum erftenmal 
öffentlich mit Goal3 von den Klubs 
in Henley und Dudley gefpielt. 
1885 wurden für ganz England 
gültige Regeln ausgearbeitet, die 
1890 die „Waterpolo:Affociation“, 
ein Klub, der ſich innerhalb des 
großen, englifchen Schwinmverban: 
de3 gegründet hatte, noch einmal 
gründlichit veränderte. Für England 
find dieje letzten Regeln aber heute 
allgemein gültig. 

In Deutſchland wurde das Spiel 
überhaupt erſt 1894 von Herrn Fri 
Knieſe in Berlin eingeführt; 
noch dazu mit wenig Erfolg! Jetzt 
gibt es allerdings in größeren 
Städten einige Klub3 — von der 
großen Beliebtheit bei Sportsleuten 
wie beim Bublifum, die es in 
England und Amerika genießt, ijt 


‚aber nicht annähernd die Rede. 


Daß es fih dennoch allgemein, wo 
gute Schwimmer find, verbreiten 
wird, ift fiher; denn ein Spiel, 
dad fo viel Abwechjelung bringt 
und zugleich ein ſolch vorzügliches 
Mittel zum Trainieren bietet, wird 
ſich ſchließlich doch auch bei uns, 
allen Keinen Nörgeleien zum Trotz, 
Bahn breden! Wie ftets, wenn 
man ſich amüfiert, werden die An- 
ftrengungen beim Wafjerpolo ver: 
gefjen und allmählich, fajt ohne es 
zu merfen, bildet ſich der Spieler 
zu einem vorzüglihen Dauer: 
ſchwimmer au2. 

669. Das Spielfeld. Das eng- 
liſche Wafferpolo wird faft immer 
in einem Baſſin gefpielt; auf alle 
Fälle ift ein Spielfeld von ca. 30 m 
Länge zu 15 m Breite abzugrenzen, 
Als Grenzlinien werden meiftens 
Leinen, die mit kleinen Fahnen be: 
jest find, genommen. Die Goals 
(Tore), durch die der Ball zu trei: 
ben iſt, befinden ſich innerhalb der 
Breitfeiten des Spirlfeldes, haben 
einen Raum von mindejtend 2 m 
zwijchen ſich und ragen bei tiefem 


Nro. 670-672. 


Waſſer 1 m, bei fladhem 2'/, m 
über der Oberfläche empor; das 
bellgejtrichene Holz der Tore iſt 
oben durch eine Duerftange ver: 
bunden. 

Die „Mallinie” wird 3 m vor 
jeder „Torlinie“ gezogen, ebenfalls 
durch eine Leine, die „Mittellinie” 
quer von einer Längsfeite zur an: 


Linie 


“ Mittel - 


ws 
4“ >22 222. = — „2.2. >. =. 2 - = — > 
& 
— 


18 





E. Gräfin Baubdiffin. 
befisen. Er hat 20-23 cm Durd;- 


mejjer, ift au8 Gummi mit einem 
Segelleinwandbezug hergeftellt und 
muß ſtark aufgeblafen fein, um kei— 
nem Handdrud nachzugeben. 

672. Erklärung des Spielß. 
Da das engliihe Wafjerpolo durch 
Zahl und Aufftellung der Spieler 
wie durch den Berlauf des Spieles 
dem Fußballipiel 
jehr ähnelt, wird 
es 3.8. in Schott: 
land einfach „aqua- 
tic football“ ge: 
nannt. Ganz deckt 
fich der Name aller: 
dings nicht mit dem 
Weſen des Spiels; 
denn der Ball darf 
nie mit dem Fuß, 
jondern immer nur 
mit einer Hand be— 
rührt werden. Dies 
zu lernen, ijt die 


336. Das Spielfeld und die Aufitellung der Spieler 


zum Waſſerpolo. 


J—3. Stürmer. 4. Derbindungsmann. 5—6. Mal: 


männer. 7. Torwächter. O Schiedsrichter. € Vorrichter. 


erite, zugleih auch 
die jchwerjte Be: 
dDingung für Den 


dern in der Mitte des Spielfeldes, 
ihr Mittelpunkt wieder wird von 
einer Flagge bezeichnet. Alle drei 
Grenzlinien müſſen höher jein als 
die Duerjtangen der Tore, um hohe 
Würfe nicht zu behindern. Die 
Tiefe des Waſſers joll für alle 
Spieler zum Schwimmen genügen. 

670. Die Kleidung. Der üb: 
liche Anzug zum Waſſerpolo iſt ein 
Trikot, deſſen Farben vom Klub 
beitimmt werden. Beim Spiel 
müſſen fih die Parteien deutlich 
durch) die Farben unterfcheiden. Bei 
MWettjpielen wird außerdem eine 
Kappe getragen. VBerliert ein Spieler 
dieje, jo darf er nicht fpielen, bis 
er jie wiedererlangt hat. 

671. Der Ball. Der Ball 
ähnelt dem zum Fußball gebräuch: 
ligen; doch darf er feinerlei Griffe 





Anfänger. 

Der befte Griff, 
um den Ball zu halten, ift, ihn zwi: 
ihen Hand und Handgelenf einzu 
flemmen. Man darf den Ball nie be- 
halten, er muß jofort weitergeworfen 
oder »gejtoßen werden; ihn unters 
Waſſer zu tauchen, ift ebenjo verboten, 
wie in erhobener Hand mit ihm zu 
ſchwimmen. Beteiligen am Spiel 
darf fih nur,mit Ausnahme des Tor: 
wächters, wer ſchwimmt; wer jteht, 
fih fefthält oder ſich abjtößt, ift 
außer Spiel. Im übrigen wird 
beim Wafjerpolo genau dasſelbe 
„faire“ Verhalten der Mannjchaften 
untereinander verlangt, wie beim 
Reiter- und Radpolo: Niemand 
darf einen Gegner abſichtlich be— 
hindern, tauchen oder ſonſt jtören 
— nur die größere Geſchicklichkeit 
und das flotte, aufmerfjame Zu: 
jammenarbeiten der Mannſchaft ſoll 


XI. ı. Polo. 


Nro. 673-674. 


den Sieg verihaffen. Sieger ift | den Mittelpunft des Spielfeldes. 
die Partei, die am meiften „Male“ | Sobald ein Mal gewonnen ift, 


gewonnen hat. 

673. Die Spieler. Die Mann: 
Ihaften ſetzen fih aus je fieben 
Spielern zufammen: nämlich dem 
Torwächter, den drei Stürmern, 
den zwei Malmännern und dem 
Berbindungdgmann. 

Der Torwächter ift der einzige, 
der ſich beim Spiel, beider Hände 
bedienen darf, da er den Ball ab- 
zuwehren bat. Dagegen ift es ihm 
verboten, das Spielfeld feiner Partei 
zu verlaflen, oder den Ball über 
die Mittellinie zu werfen. 

Den drei Stürmern (linfer und 
rechter Seitenftürmer und Mittel: 
ftürmer) liegt die Aufgabe ob, den 
Bal für ihre Partei zu erobern 
und ihn durch das feindliche Tor 
zu werfen. Bei Beginn des Spiels, 
da3 der Schiedsrichter durch einen 
Pfiff eröffnet, fol der Mittelftürmer 
al3 der beſte Schwimmer verjucdhen, 
den Ball zu erreichen und ihn dem 
Berbindungsmann zuzumerfen; Ddie- 
fer wirft ihn einem der Stürmer 
zu, deren Vorzug ein weites und 
ſicheres Werfen des Balles jein foll. 

Die Malmänner find zur Unter: 
flügung des Tormädterd da und 
baben ſich möglichft in der Nähe 
des Maled aufzuhalten und von 
bier aus den Ball den Stürmern 
wieder zuzumerfen. 

Der Berbindungsmann hat fi 
überall und nirgends zu befinden; 
er muß allen Mitgliedern feiner 
Partei Hilfe bringen und ftet3 genau 
über den Stand des Spieles orien: 
tiert fein; daher muß er bejonders 
ſchnell ſchwimmen fünnen. 

674. Gang des Spieles. Zum 
Spielbeginn ſtehen die Spieler an 
der Dreimeterlinie. Der Schieds— 
richter gibt durch einen Pfiff das 
Zeichen zum Anfangen und wirft 
den Ball dabei unter die Flagge 
der Mittellinie, alſo möglichſt in 


wird das Spiel durch einen Pfiff 
beendet. Das Mal kann aber nicht 
durch einen Wurf genommen, 
ſondern der Ball muß ſtets von 
einem zweiten Spieler berührt wer⸗ 
den. Die Mannſchaften kehren an 
ihren Stand zurück und der Ball 
wird neu ausgeworfen. Niemand 
als der Torwächter darf ſich hinter 
den Mallinien aufhalten, ſolange 
der Ball dort nicht iſt; der Raum 
zwijhen Tor: und Mallinien muß 
frei bleiben, bis der Ball dorthin 
geworfen wird. Die Strafe gegen 
Berftöße befteht in einem Freiwurf 
für Die feindlide Partei. Ein 
Ausschluß des Spieler3 bis zur 
nädjften Pauſe erfolgt nach wieder: 
bolter Warnung, ein vollitändiger 
Ausfhluß vom Spiel, wenn ein 
Spieler ohne Erlaubnis das Spiel: 
feld verlaffen hat. Fliegt der Ball 
über die eigene Torlinie fort, fo 
erhält der Gegner einen fogenannten 
„Eckball“, d. 5. der Ball wird in 
die Ede geworfen, in der Seiten: 
und Torlinie zufammenftoßen, ihın 
alfo möglichermeife ein leichter Sieg 
gewährt. Fliegt der Ball über die 
feindliche Torlinie hinaus, fo erhält 
der Gegner nur einen Freiwurf; 
ebenſo wenn der Ball über eine 
Seitenlinie hinaus geworfen wird. 

Jedes Spiel zerfällt in zwei Ab: 
fchnitte und Hat eine Dauer von 
2 X 7 Minuten mit 3 Minuten 
Paufe dazwiſchen. Nach jeder Baufe 
werden die Plätze gemechlelt. 

Neben dem Schiedgrichter befindet 
fih an Land noch ein Zeitnehmer, 
ſowie ein Torrichter; erjterem wird 
die pünktliche Innehaltung der Zeit 
zur Pfliht gemacht, letzterem ſteht 
das Urteil zu, ob ein Tor richtig 
genommen iſt oder nicht und wo 
event. der Ball wieder einzuwerfen 
iſt, wenn er über die Seitenlinie 
geworfen wurde. 


N ze 


Nro. 675-676. E. Gräfin 

In England wird diefes Richter: 
follegium noch erweitert. Dort gibt 
es neben dem Schiedsrichter 3 Kampf⸗ 


richter, 4 Zielrihter und 2 Zeit- 


nehmer. 

675. Beſondere Kunftfertig- 
feiten. Wie beim Radpolo ift aud) 
beim Wafferpolo das „Dribbeln”, 
das Vorſichherwerfen des Balles in 
ganz furzen Stößen, ein beliebtes 
Manöver; auch das Rückwärtswerfen 
des Balles, um den Gegner zu über: 
rajchen, verlangt viel Mebung. Zu: 
dem gibt e3 mancherlei Tricks, die 
aus den Wechfelfällen des Iuftigen, 
anregenden Spiels entftanden und 
erlaubt find. 


676. Die Spielregeln. 


1. Beginn. Der Beginn des Epieles 
wird vom Schiedsrichter durd) einen kurzen 
Pfiff oder dad Kommento „Los“ arigezeigt. 
Gleichzeitig ift der Ball möglichft genau in 
in die Mitte des Spielfeldes zu bringen. 
Borber dürfen die Spieler ihre Torlinie nicht 
verlafien. 

2. Ball über Seitengrenze ober 
Torlinie. Meberfchreitet der Ball bie 
Seitenlinie, fo erhält die Partei, die den 
Bal nicht zulegt berührt hat, einen Frei⸗ 
mwurf; überfjchreitet der Bau die Torlinie, 
ohne durch das Tor zu gehen, fo wird der 
Bad vom Torwächter eingeworfen; über: 
fhreitet der Ball die eigene Torlinie, fo ers 
hält die Gegenpartei einen Edball, 

3. Fehler. Kein Spieler, mit Auss 
nabme des Torwächters, darf eine Stellung 
einnehmen hinter den Mallinien, wenn nicht 
ber Ball ſich dort befindet. 

Weiter ift es verboten: 

a) den Ball mit beiden Händen gleichzeitig 

zu faſſen, 

b) den Ball unter Waffer zu nehmen, 

c) fi abzuftoßen, 

d) den Ball zu berühren, ben Gegner zu 
hindern oder überhaupt am Spiel ſich 
su beteiligen, wenn man auf dem 
Grunde des Waſſers fteht oder fich 
irgendwie fefthält, 

e) den Gegner in irgend einer Weile zu 
behindern oder zu beläjtigen, wenn er 
den Ball nicht in der Hand Hält 


(worunter ein Vorfichhertreiben ober |’ 


Weiterihlagen des Balles nicht zu ver⸗ 
ſtehen ift), 

f) den Gegner mit Abficht zu treten, feſt⸗ 
zuhalten oder zu ftoßen, 

g) laut zu ſprechen, 

b) bei einem Freiwurf den Bau bem 
eigenen Torwächter zuzuwerfen. 

Bei a) und d) ift ber Torwächter ausge- 


Baudiffin. 


nommen, doch darf er den Ball nicht Über die 
Mittellinie des Spielfeldes werfen; anbern= 
fal3 fommt der Gegenmannidhaft von dort 
ein Freiwurf zu. 

4. Freiwurf. Die Strafe für einen 
Fehler ift ein freier Wurf für bie Gegen- 
mannſchaft von der Stelle aus, wo ber Fehler 
geſchah. Der Schiedsrichter beftimmt zur 
Ausführung bes Freimurfs jenen Spieler der 
Gegenmannſchaft, ber fi der Stelle, an 
welder ber Fehler begangen wurde, am 
nächſten befindet. Iſt nicht zu unterfcheiden, 
von welder Partei der fehler gemacht wor⸗ 
ben ift, fo wirft ver Schtedärichter den Bau 
in das Spielielb. 

5. Unterbredhung. Bei vorlommenden 
Fehlern oder wenn der Ball über bie®renzen 
der Spielfläcdde gelangt, ift dag Spiel durch 
einen Pfiff zum Stehen zu bringen. Alddann 
bat jeder Teilnehmer an feinem Plate zu 
verharren, bis der Schiedsrichter dad Zeichen 
zur Fortjegung gibt. 

6. Verlaſſen des Waſſers. Ein 
Spieler, welcher das Waſſer verläßt oder ſich 
durch abſichtliches Fefthalten an irgend einem 
Gegenftand ausruht, wird erft beim Tor- 
wechjel, oder nachdem ein Tor gewonnen ift, 
wieder zugelaffen. 

7. Torgemwinn. Ein Tor iſt gewonnen, 





337. Aufftelung zum amerifanifchen 
Waflerpolo. 
I—I1 = Goal (Ziel). B= Ball. a—b = 
Goalkeeper (Zielhalter). c = Centre Ruſh 
(Mittelftürmer). d = Halfsbad:man (hal: 
ber BHintermann). e-f= rufh (Stürmer). 
g—h = judge (Richter. i = referce 
(Schiedsrichter). 


XI. 2. 


wenn der Ball von vorn her durch das Tor 
hinter die Torlinie gebracht wird, voraud⸗ 
geſetzt, daß dies nicht durch eine regelwidrige 
Handlung der Angreifer erreicht wurde. 

Durch den Anwurf oder einen Freiwurf 
kann das Tor nicht gewonnen werden, ſon⸗ 
dern der Ball muß vorher noch von einem 
zweiten Spieler berührt worden ſein. 

Es zählt nicht als Treffer, wenn der Tor⸗ 
wächter beim Ausholen zum Wurfe den Ball 
hinter die Torlinie bringt, ſolange er ihn in 
der Hand hält. 

Der Schiedsrichter gibt die Erzielung eines 
Treffers durch zwei Pfiffe bekannt. 

Anmerkung. In den Ausſchreibungen 
iſt die Größe des Spielfeldes und die Zaͤhl 
der Spieler anzugeben. 


677. Das amerikaniſche Waſſer⸗ 
polo. In Amerika hat ſich das 
Polo ſeit 1890 eingebürgert, aber 
unter anderen Regeln. Jede Partei 
beſteht dort nur aus ſechs Mann; 
und zwar dem centre rush (Mittel: 


Golf. Nro. 677-678. 
ftürmer), 2 rush (rechten und linken 
Stürmer), 2 half-back (halber 
Hintermann) und 2 goal-keeper 
(Torwädter). 

Die Aufftellung weicht daher aud), 
wie aus dem Plan erjihtlidh, von 
der des englifchen Polos ab. Außer: 
dem unterjcheidet dag amerifanifche 
Spiel fih no dadurd, daß der 
Ball auch geworfen werben darf, 
während er beim englifhen nur 
geftoßen wird. Zudem ift es in 
Amerika geftattet, unterzutauchen, 
zwiſchen Mal⸗ und Torlinien zu 
ſchwimmen, den Ball unter Waſſer 
zu verſtecken 2c. Dagegen gilt das 
Goal nur dann als gewonnen, 
wenn es von einen Schwimmer 
mit dem Ball pafjicrt wird. 


2. Golf. 


678. Einleitung. Golf (auszus 
Ipreden: goff) ift feit Jahrhunder⸗ 
ten dag Nationaljpiel Schottlands. 
Sein Urfprung ift nicht genau nad): 
zuweijen; ohne rechten Grund ver: 
ſucht man es von den Ballipielen 
der Römer, der nur dem Namen 
nach befannten „PBaganica” , oder 
den Spielen mit dem „Follis“ oder 
der „Pila“ herzuleiten. Die Spiele 
der Griechen, die Aporrharis wie 
das Uraniaſpiel, könnten dann mit 
demſelben Recht als Vorläufer ge⸗ 
nannt werden, da zu ihnen auch 
ein Ball nötig war. Auf den Na⸗ 
men „Kolf“ ſtößt man im Mittel⸗ 
alter zuerft in Holland, wo ein 
mehr dem Krocket ähnliches Spiel 
mit Keulen, die mit Bronzeköpfen 
verſehen waren, in einem geſchloſ⸗ 
fenen Raum gefpielt wurde. Dar—⸗ 
ftelungen dieſes Vergnügens, das 
auch auf dem Eife betrieben wurde, 
finden fi ſchon auf alten Kacheln 





und Kupferftihen. Berwandt war 
dies Spiel, das „Kolf“, dem ſchon 
im 14. Jahrh. in Franfreich be= 
liebten „Chole“, bei dem ein Ball 
mit dem Fuß, mit der Keule oder 
jogar wie beim Polo vom Pferd 
aus mit dem Stod getrieben wurde. 
Später folgte dem Chole oder Chol- 
lagefpiel das „Palle-Maille”, dag 
fogar das Seu de Paume, das 
Spiel im Ballhaus, faft entthronte, 
und fih auch in Deutjchland ſtark 
einbürgerte. Auf alten Gütern 
heißen die fchnurgeraden Alleen, 
die auf dag Herrenhaus zuführen, 
noch beute oft „Mail“, obgleid) 
faum jemand den Urfjprung dieler 
Benennung angeben könnte. In 
manden Städten, wie 3. B. in 
Altona, bat fi die Bezeichnung 
der breiten, öffentlichen Bromenade 
als „Palle-Maille“ erhalten. 
Ueber die Regeln des „Jeu de 
Mail“ veröffentlichte ein Franzoſe 


Nro. 678. 


€. Gräfin Baudilfin. 


Zauthier im Jahre 1717 ein| Tann aber erft feit den legten 15 


Bud, nah dem man vier Arten 
des Mail unterjchied, nämlid au 
rouet, en partie, aux grands 
coups und & la chicane. Gefpielt 
wurde es mit einem Hammer (mail) 
und einer Kugel. Später gab es 
noch eine Abart, zu der außer dem 
Zapfen, den die Kugel berühren 
mußte, ein zu paffierender Bogen 
nötig war. Somit vollzog ſich die 
Trennung zwiſchen Golf und Krodet. 
Sm Laufe des 15. Jahr). nahm 
die Vorliebe für Golf in Schottland 
dermaßen überhand, daß das jchots 
tiſche Parlament Verbote gegen dad 
Spiel erließ, hauptfächlich weil man 
der Anficht war, die Jugend würde 
das wichtige Bogenfchießen über 
dem Sport verfüumen. Da dieſe 
Erlafie gegen da8 ‚Royal and 
ancient game‘ aber wenig oder 
gar nichts nügten, mußten fie am 
Ende desjelben Säkulums wieder⸗ 
holt werden. Dann gab man den 
fruchtlofen Kampf gegen das feſt 
eingebürgerte Spiel auf, bis gegen 
Ende des 16. Sahrh. wieder ein 
Geſetz erlaflen wurde, dad wenig⸗ 
fteng am Sonntag dag Golfipiel 
unterjagte und Webertretungen mit 
Strafen bedrohte. 1603, als Ja⸗ 
fob VI von Schottland einem feiner 
Untertanen das alleinige Recht zur 
Herftellung von Golfbällen verlieh, 
um dem Import der holländischen 
Bälle entgegenzumirfen, wurden 
ſchon öffentlide Wettfpiele in St. 
Andrews veranftaltet. Jakob II, 
jpäter auf dem englifhen Thron 
als Safob I, führte das Spiel in 
London ein und gründete den be= 
rühmten, noch jett bejtehenden 
Bladheath Club unter dem Namen 
Knudle Club, der bis 1864 der 
einzige englilche blieb, während in 
Schottland fich die Anzahl der Ver: 
eine bis dahin auf ungefähr 10 
erhöht hatte. Bon einer allgemeinen 
Verbreitung des Spiels in England 


Jahren die Rede fein; allerdings 
bat fie jo zugenommen, daß all- 
jährlih über 200 neue Klubs er⸗ 
öffnet werden. Set beträgt ihre 
Zahl im großbritannifchen König- 
reich gegen 2000, wie das „Golfing 
Annual“ anführt. Ueberall, wo 
die Engländer Kolonien befigen 
oder ſich angefiedelt haben, find 
auch „Golf-Links“ entitanden ; alfo 
fann man behaupten, daß es fich 
über die ganze Erde verbreitet hat. 
Sn den Kapländern, in Aegypten, 
Indien, in Auftralien, in Nord⸗ 
und Südamerika, in Oftafien wird 
ed mit gleicher Leidenfchaftlichfeit 
gefpielt, denn dadurd, daß Leute 
jeglichen Alters, Herren wie Damen, 
an ihm teilnehmen können und es 
fih zu jedem Klima eignet, ja fich 
jedem Terrain anpaſſen läßt, hat 
es kaum unter allen Sportsſpielen 
einen konkurrenzfähigen Rivalen. 
— Frankreich beſitzt ſchon ſeit den 
fünfziger Jahren des letzten Jahr⸗ 
hunderts berühmte Golfplätze in 
Bau und Biarritz, in Deutſchland 
wurde das Spiel zuerft in Berlin 
eingeführt und beſonders durch Sir 
Frank Lascelles, den englifhen 
Botichafter am preußiſchen Hofe 
jehr unterftüßt. Andere Städte, in 
denen e3 Golfklubs gibt, find Wies⸗ 
baden, Dresden, Bremen, Homburg, 
auch Kiel bat feit einigen Sahren 
hart an der Föhrde in Heyfendorf 
ſchön gelegene Golf⸗Links, die Prinz 
Heinrih, der Bruder des Kaiſers, 
regelmäßig und eifrig aufſucht. 
In Schottland ift der angejehenfte 
Klub der Royal and ancient Golf- 
Club of St. Andrews geblieben. 
Mit großen Feierlichkeiten wird die 
Saijon dort jährlih dur den 
Captain eröffnet und dann der 
Titel „Captain of the Golf“ neu 
ausgejpielt. Der Gewinner erhält 
für ein Jahr eine filberne Keule, 
die bereit? im Sahre 1744 von 


XI. 2. 


der Stadt Edinburg ald Ehrenpreis 
geftiftet worden ift. Die Regeln 
des St. Andrews Club find in der 
ganzen Welt nıaßgebend. Dennod 
befteht eine Union aller Golfklubs 
bisher nur in Nordamerika. 

679. Der Spielplag. Für das 
Golf ift fein künſtlich geebneter 
oder geordneter Spielplag nötig; 
im Gegenteil, man bevorzugt vor 
ebenem Terrain, wie er ſich auf 
Heiden oder am Strand darbietet, 
Länderſtrecken, die durch Bujchwerf, 
Bäche, Heine Hügel u. dergl. das 
Spiel abmechdlungsreicher gejtalten. 
Hat man ein langmeiliged, ödes 
Land zur Verfügung, fo hilft man 
durch die Anlage fünftlicher Hinder- 
niffe nad. In größeren Städten, 
in denen freie Pläge nur jelten zu 
beihaffen find — höchſtens weit 
draußen vor den Toren — nimmt 
man mit dem Gelände noch unbe: 
‚ bauter Straßenzüge vorlieb. Der 
richtige Golfplag fol aber natürlich 
eigentlich ein „green“, d. h. in der 
Hauptſache mit kurzem, dichten 
Raſen beftanden fein, auf dem der 
Bal gut rollt. Der Umfang der 
Links fol mindeſtens 1—2 km be- 
tragen, aber nicht über 4 km groß 
fein; jedenfall® eine Ausdehnung, 
die ſchon eine tüchtige Bewegung 
erfordert. Als Male oder holes 
(Löcher) werden 18 Löcher von 
ca. 15 cm Tiefe und 10 cm Durch⸗ 
mefjer in gleihmäßigen Abftänden 
verteilt und zwar jo, daß 9 „out“ 
zur Grenze des Platzes, und 9 „in“, 
an den Ausgangspunft zurücd- 
führen. Ausgehoben werden dieje 
Löcher mit dem „cutter* (Loch⸗ 
bohrer), und um fie vorm Berfanden 
zu fhüßen, werden fie mit einer 
niedrigen Eijenröhre verjehen, deren 
Rand aber unterhalb der Erdober- 
fläye liegen muß. Die Flähe um 
diefe Löcher herum muß ſehr eben 
und gepflegt und auf alle Fälle 


Golf. Nro. 679. 
den „putting greens“, wie dieſe 
Schlagflähen genannt werden, fin- 
det das wichtigſte Spiel: das Put: 
ten oder Einfchlagen der Bälle ftatt. 
Das erſte Mal wird je nad der 
Größe des gejfamten Spielfeldes 
2—400 m vom Audgangspunft 
angelegt; das ebene Land des 
„putting green“ foll ca. 20 m 
im Durchmefjer betragen. Die 
Spielflähe von einem Mal zum 
andern heißt course oder green 
und je ebener das putting green 
ift, umſo abwechslungsreicher durch 
Erdfentungen und =hebungen joll 
das green fein. Auch wenn Stra- 
Ben oder Gifenbahndämme das 
green freuzen, oder Hecken und 
Zäune Hinderniffe bilden, fo fügt 
dies dem Spielpla nur mehr Reize 
hinzu. Genügt der Raum nidt 
zur Anlage von 18 Malen, fo be: 
ſcheidet man fi mit 9 Löchern, 
die in einem Kreis oder einer El: 
lipfe angelegt werden, damit gleich- 
zeitig mehrere Partien, ohne ſich 
zu ftören, fpielen können. Ver⸗ 
deden höhere „bunkers“ (Hinder: 
niffe) ein Mal — was mit Por: 
liebe geſchieht — jo müſſen jedoch 
Richtſtangen die Annehaltung der 
Linie ermögliden; dicht neben den 
Schlagplätzen wird der Abjchlag- 
plag, der teeing-ground, ange: 
legt. DBezeichnet wird er durch 
2 Marten, gewöhnlich” Uleine, mit 
Sand gefüllte Büchfen oder Käften, 


Teeing Ground 


Marke [] D Marke 


; l Richtung nach dem nächsten Loche 





338. Ceeing-Ground, Abfchlagplat. 


zwijchen denen eine Linie gezogen 
wird und die in ca. 2 m Weite 
auseinanderjtehen. Der Ball darf 
zum Abſchlag oder tee shot auf 


mit Raſen belegt fein; denn auf | eine Kleine Erhöhung gejtellt wer- 
; 44 





ro. 680—681. 
den, aufden tee, den man aus etwas | Verbindung durch dicken, fadierten 
Sand formt, die gebräuchlichere | Bindfaden. Für Holzkeulen wird 
Weife, für den es aber auch künſt- Hickory- oder LZanzenholz genommen, 
lihe Unterlagen aus Hartgummi | zum Schaft der Eifenkeulen Hickory— 
oder Holz gibt. oder Drangenholz. Zum Kopf der 

Bei Beginn des Spieled werden | Holzfeulen wird ganz trodenes 
die Male, der befjern Ueberficht- | Buchenholz bevorzugt. Der Kupfer- 
lichfeit wegen, mit Flaggen bezeich= | bejchlag auf der Sohle der Holz— 
net. Entweder markiert man da3 | Feulen heißt brassy; der Wintel, 


genommene Mal mit einer weißen, 
das nächfte mit einer roten Flagge 
oder man ſteckt in alle Male „out“ 
eine weiße, in die Male „in“ eine 
rote Flagge. Falld mehrere Par: 
tien jpielen, ift eg Sitte, dag Mal, 
wenn es verlajjen wird, mit der 
für die Nächſten gültigen Flagge zu 
verjehen. 

680. Die Spielfenlen. Mit der 
Zeit ijt für die verjchiedenen Arten 
der Schläge ein ganzes Arjenal 
von Keulen notwendig geworden ; 
man rechnet ihre verjchiedenen 
Variationen auf ungefähr 30! 
Welcher Sorten man für ein Spiel 


bedarf, hängt vom Terrain des 


a 


Spielplates ab; 4—6 verjchiedene 
werden es immer jein müſſen. 
Bon den urjprünglichen ſchweren 
und ungefügen Keulen, von denen 
der St. Andrews Club noch eine 
Auswahl ald Sehenswürdigkeit be- 
wahrt, ift man zu immer eleganteren 
gefommen. Sie werden aus Holz 
(wooden clubs) und aus Eifen 
(iron clubs) hergeſtellt; die erjteren 
find zerbrechlicher und koſtſpieliger 


den die Schlagflädhe mit der Sohle 
bildet, der slop. 

681. Die Holzfeulen. Diefe 
erhalten am vorderen Ende der 
Sohle einen Schusjtreifen aus 
Horn oder Bein; unterjchieden 
werden fie ald Treiber (drivers), 
Löffler (spoons), Lochkeulen 
' (niblicks) und Einſchlagkeulen 
(putters). 

Die Treiber, die noch wieder 
in ordinary-drivers, gewöhnliche 
Treiber, und bulger-spoons, Bor- 
wärtstreiber, eingeteilt werden, be= 
nügt man zum Vorwärtsſchlagen 
über weite Entfernungen, voraus= 
gejeßt, daß der Ball frei daliegt, 
fih in „good lie“ befindet. Der 
Schaft der drivers ijt der längite, 
107 cm, aller Keulen. Der ordi- 
nary-driver führt den Abjchlag 
aus, der Borwärtstreiber hat eine 
noch größere Schlagfraft und kann 





daher nur guten Spielern empfohlen 

werden. Durch feine fonvere Schlag: 

flähe erhält der Ball eine Drehung 
(slice). 


Die Löffler unterjcheiden ſich 


und ſchon aus diefem Grunde ziehen | unter einander durch die Form 
die meiften Golffpieler die eifernen | ihrer Schlagfläde und die verſchie— 
vor. Der Griff „grip“ aller Keulen dene Stärfe und Länge ihres 
hat eine Länge von 30—40 cm | Schaftes. Darnad) nennt man fie: 
und ift am unteren Ende mit Leder | Langlöffler (long spoon); wird 
umfleidet; am Kopf unterfcheidet | zum Heraustreiben des Balles aus 
man die Schlagflähe (face), die | hohem Gras oder einer kleinen 
Naje (nose), die Sohle (sole), die | Mulde benügt; Mittellöffler 
untere Biegung (Ferfe) und den (middle spoon); dient demjelben 
Hals, der die direkte Fortfegung Zweck wie der vorige, ift nur ſtärker 
des Schaftes (hose) bildet und an | und ſchwerer; Kurzlöffler (short 
diejen angeleimt oder mit Draht spoon), ift der kleinſte der Löffler 
befeftigt wird; verjtärft wird die | und führt daher nur kurze Schläge. 






XI. 2. Golf. 











Treiber für £infshandfpieler, 






— — 


mens aD) 


Nro. 681. 







zu, N ET 


Dorwärts:Treiber. 














ni tr a | 


Kupferlöffler mit langer Schlagfläche. 


Kupferlochfeule. 








Binderniseifenfeule. 





Treibereifenfeule, 











Kurze Spielfeule. 


Sandeifenfeule. 





Eine typifche Holzkeule. 


339. Spielfeulen zum Golfjpiel. 


—— 


Nro. 682. 


aus; der baffing spoon iſt faſt 
ganz durch den lofting iron, zum 
Hochſchlagen des Balles, verdrängt, 
während der brassy spoon, der 
Kupferlöffler, jeit einigen 
Sahren ſtark in Aufnahme gekom⸗ 
men ift, um den Ball aus Vertie⸗ 
fungen herauszuſchlagen. Seinen 
Namen bat er nad) dem Kupfer- 
oder Meffingbeichlag jeiner Sohle. 
Auch die drivers erhalten jegt häufig 
diefelbe Vorſichtsmaßregel und 
heißen dann brassy-drivers, 

Bei den Lochkeulen unter: 
ſcheidet man den brassy niblick 
und bulger niblick. Da Beide die 
Aufgabe haben, den Ball aus den 
Löchern herauszufchlagen, jo ift ihr 
Kopf ſehr ſchwer, kurz und ſtark 
abgeſchrägt. Der bulger niblick 
hat überdies wie der bulger spoon 
eine fonvere Schlagfläche. 

Die Einfhlagfeulen werben 
meiſtens auf dem Schlagplag he⸗ 
nüßt. Ihr Kopf fteht faſt ſenk⸗ 
recht zum Schaft, der beim ordi- 
nary putter höchſtens 90 cm lang 
und jehr ftark ift, damit ohne viel 
Kraftanwendung doc der Ball weit 
getrieben werden fann. Der dri- 
ving putter ift faft aus der 
Mode gefommen, da fajt alle feine 
Funktionen — gegen den Wind zu 
fpielen oder den Ball aus hohem Gras 
herauszujagen 2c. — auch von andern 
Keulen ausgeführt werden können. 

682. Die Eifentenlen oder 
iron-clubs. Diefe Keulen er- 
jegen die hölzernen, wie ſchon ge⸗ 
jagt, mehr und mehr; urjprünglid) 
allerdings dienten fie zu Schlägen, 
die für wooden-clubs zu gefährlich 
gemweien wären. Shre Schäfte find 
jtärfer und fürzer als die der Holz- 
feulen, um Schläge auf hartem 
Boden auszuhalten. Ihre 3 Haupt- 
arten find die Spielfeulen 
(cleeks), die irons und die 
Locheiſenkeulen (iron nib- 
licks). 


&. Gräfin Baudiſſin. 


Die cleeks haben nur die Ar: 
beit der drivers übernommen, denn 
fie find erft in Gebrauch, ſeitdem 
die Golfbälle aus Guttapercha her⸗ 
geſtellt werden; deshalb wird ihr 
Kopf, da wo der Ball auf die 
Schlagfläche trifft, beſonders ver⸗ 
ſtärkt. Von ihnen dient wieder der 
ordinary cleek dazu, den Ball 
aus Vertiefungen herauszufchlagen, 
und ihn gleichzeitig weit zu treiben. 
Sein Schaft ift deshalb furz und 
unbiegfam, während der des dri- 
ving cleek elaftijder und länger 
if. Der putting cleek wird, 
wie fein Name verrät, auf dem 
Schlagplatz benutzt, deshalb befitt 
er eine faſt ſenkrechte Schlagflädhe. 
Zwei Schlagflächen diefer Art 
zeigen fi am iron putter, 
eine hintere und eine vordere, da 
er auh mit der linken Hand ge- 
führt wird, Iſt fein Kopf aus 
Meifing, jo heißt er brassy putter. 
Die Köpfe der irons find breiter 
al® die der cleeks und ihre Schlag- 
fläche ift fchräger geftellt. Der 
gebräfihlichfle der irons ift der 
sand iron mit ſehr kräftigen 
Schaft, ſchwerem Kopf und ftarf 
nah rückwärts gerichteter Schlag- 
fläche. 

Die Treibereifenteule, 
driving iron, bei halben und Drei- 
viertelfchlägen gebräuchlich, ift leich- 
ter als die sand iron und Die 
Schlagfläche weniger fchräg. 

Da der lofting iron, die 
Hinderniseijenfeule, in der Haupt= 
fahe zu Dreiviertelfhlägen und 
„stymies“ benugt wird, d. 5. dazu 
um den Ball dit am Mal über 
den des Gegners hinwegzufchlagen, 
fo ift er am leichteſten von allen 
Eifenkeufen, durch fein Gewicht und 
die Stellung des Kopfes aber in 
der Hand guter Spieler zu faft 
allen Schlägen verwendbar. Daher 
wird er auch meiſtens kurzweg 
„iron“ genannt. Die niblicks, 


XI. 2, 


Lochkeulen, werben bei denſelben 
Schlägen wie die SHolzlochleulen 
verwendet. Der eigentlihe iron 
niblick hat einen winzig Heinen, 
fajt runden Kopf, da er den Ball 
aus ſchmalen Vertiefungen, Wagen- 
geleifen uſw. herausſchlagen foll, 
daher ift auch die Schlagfläcdhe leicht 
fonver. Der Ball fliegt vom Schlag 
de8 iron niblick ziemlich Hoch, 
bleibt dann aber auf der Stelle, 
auf die er herunterfällt, ftill Liegen. 
Der Schaft diefer Keule muß daher 
fehr ſtark fein. 

Beim mashy tritt noch zu den 
eben genannten Eigenſchaften die 
hinzu, den aus einer Vertiefung 
gebolten Ball gleichzeitig noch weiter 
Ihlagen zu fünnen; deshalb wird 
fein Kopf breiter, länger und 
noch etwas jchwerer gehalten. Um 
dem Schlag no mehr Schwung: 
fraft zu verleihen, hat man feit 
einigen Jahren den driver 
mashy eingeführt, deffen Schaft 
elaſtiſch iſt. Weitere Variationen 
find der mashy cleek, der 
heavy mashy und der ap- 
proach mashy. 

683. Univerfalfenten. Die In⸗ 
duſtrie verſucht wieder und wieder, 
Keulen herzuſtellen, die allen Be⸗ 
dingungen einer brauchbaren Golf⸗ 
keule entſprechen und durch Aus: 
wechſeln des Kopfes zu allen Arten 
von Schlägen genügen. Meiſtens 
wird dies Kunſtſtück mit einer 
Schraubenvorrichtung verſucht. Auch 
gibt es leichtere Keulen für Damen 
und Knaben, folche mit Köpfen aus 
Zelluloid oder Aluminium, mit 
Kork⸗ oder Ledergriffen — alljährlich 
fommt eine Unzahl von Neuerjchei- 
nungen auf den Markt, ein Be: 
weis, welch eine Wichtigfeit dem 
Spiel in England beigelegt wird 
und zugleich, wie ungeheuer es ver- 
breitet ift. 

684. Keulen für den Anfänger. 
Der Anfänger ſoll mit wenigen, 


Golf. Niro. 683-687. 
höchſtens mit 3 Heulen zu lernen 
beginnen. Zu empfehlen find ihm 
ein brassy spoon, ein cleek und 
ein putter. Erft allmählih, wenn 
er in die Feinheiten des Spiels 
eindringt, wird er fi nah mehr 
Geräten umfehen, 6—7 dürften 
aber auch dem beiten Spieler ge- 
nügen. Shre Arten richten ſich 
nach den Terrainzufammenjegungen 
des GSpielplaged. 

685. Köcher und Köcherträger 
(caddie). Es iſt gebräuchlich, die 
Keulen in einem Köcher auf den 
Spielplatz zu bringen und dieſen 
von einem Köcherträger („caddie“) 
hinter ſich hertragen zu lafſen. Der 
„caddie“ bekommt eine Mütze in 
den Klubfarben und. lernt ſchnell, 
welche Keule zu jedem Schlag nötig 
ift. Sn England ift der Stand der 
caddies ein ſehr beliebter bei Leu: 
ten, die nicht gern arbeiten und 
doch viel verdienen mögen. 

686. Der green-keeper. "Jeder 
Golfttub muß einen green-keeper 
anjtellen, der den Plat in Ordnung 
hält und zugleih „professional“, 
Berufsfpieler, if. Denn er muß 
auch die Anfänger anlernen. Die 
meiften diefer „professionals“ ſtel⸗ 
len fi ihre Spielkeulen felbjt her 
und verachten die Fabrikware. Bei 
größeren Klub8 haben fie eine ganze 
Heerfhar von Angeftellten, aud) 
von „caddies“ unter fid. Deffent- 
lih dürfen natürlich Amateure und 
Profeſſionals nie zufammenfpielen; 
doch gefchieht dies bei internen 
Mettlämpfen des Klubs. Zumeilen 
werden auch quafi als Belohnung 
Wettkämpfe der- Profeſſionals ver⸗ 
ſchiedener Klubs untereinander ver⸗ 
anſtaltet. 

687. Der Ball. Der urſprüng— 
liche Golfball war aus Leder her- 
geftelt und mit Federn möglichii 
feſt ausgeftopft; der Stand, Der 
diefe „featheries“ herftellte, war 
ein ſehr angejehener und wohl: 


| 








Nrv. 688. 


habender. Um ihn nicht zu ſchä— 
digen, erließ Safob II von 
Schottland, mie in der Einlei- 
tung erwähnt wurde, das Verbot, 
holländische Bälle zu importieren. 
Der Ball ift dem Spieler etwas 
jo wichtiges, daß er nur mit einem 
tadellojen jpielen, dagegen bei 


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340. Golfball. 


größeren Wettfämpfen gewiß feinen 
neuen, jondern einen ganz erprobten 
nehmen wird, ja, je länger ein 
Ball in Gebraud ift, deſto wert 
voller wird er dem Beliter, vor: 
ausgejegt, dab jeine Form ganz 
intaft bleibt. Seit 1848 fam der 
Guttaperhaball in den Handel und 
hat den ledernen vollfommen ver— 
drängt. Um ihn eher und befjer 
gebrauchsfähig zu machen, wird der 
neue Ball, der dann noch „die“ 
heist, von Maſchinen bearbeitet und 
jeit ca. 30 Jahren erhält er außer: 


dem über die ganze Oberfläche hin 


fich freuzende Nillen, wie aus der 
Abbildung erfichtlich ift. 
Der Umfang des Balles beträgt 


G 2: „Hl N l 
212) 4AUR, 
— a 


7 
— 2 


— 


E. Gräfin Baudiſſin. 














ſtörbar und dennoch verleiht ihm 
ſeine Leichtigkeit die Fähigkeit, weit 
durch die Luft fliegen zu können. 
Die beliebteſten Bälle im Handel 
ſind die „Silvertown“, von denen 
eine Sorte ſchwimmfähig, die an— 
dere beſonders hart iſt. Ange— 
ſtrichen werden die Bälle meiſtens 

in leuchtendem Weiß oder Rot, 

um weithin ſichtbar zu ſein. 

Der gewöhnliche Preis des 

Balles iſt in England 1 sh, 

doch gibt es natürlich auch teue— 

rere Bälle. Zum Erlernen dient 
der „captive ball“, um das 

Wiedereinholen des Balles über- 

flüſſig zu maden. 

688. Aufbewahren der Keu— 
len und des Balles. Die Keu— 
len werden nad) jedem Gebrauch 
troden und jauber abgerieben ; 
man trodne fie aber nie am 
Dfen, damit das Holz ſich nicht 
frumm zieht. Um den hölzer- 
nen Keulenfopf waſſerdicht zu 
machen, wird er mit einer Lö— 
jung von Guttapercha und Aether 
beitrihen, während man den 
Schaft und den Kopf der iron- 

clubs mit Del einreibt, um das 
Austrodnen und Roſten zu ver= 
hindern; hat ſich dennoch Roſt ge— 
bildet, ſo muß er ſorgfältig mit 
Oel und Schmirgelpapier entfernt 
werden. 

An alte Schäfte laſſen ſich, wenn 
der Spieler an ſie gewöhnt iſt 
und ſie nicht gern hergeben möchte, 
neue Köpfe ſetzen. Wenn der Ball 
Feuchtigkeit aufgeſogen hat und 
dadurch ſchwerer geworden iſt, er— 
ſetzt man ihn durch einen trockenen; 
ſchmutzige Bälle werden vom Caddie 
abgewaſchen. Der Anſtrich der Bälle 
muß von Zeit zu Zeit erneuert 
werden, wozu es jetzt beſondere 
Vorrichtungen gibt. Deformierte 


 4'/;—5 em, ſein Gewicht darf ihn | Bälle werden in einer Preſſe neu 


nicht am Schwimmen verhindern ; 


geformt, doch werden alte Bälle 


dur jeine Härte ift er faft unzer: | mit Vorliebe von den Fabriken 





XT. 2. 


zum Einſchmelzen zurüdgelauft. 
Gute Spieler halten fi immer 
1/, oder ein ganzes Dubend neuer 
Bälle vorrätig, um fie gut „ab: 
lagern” zu lafien, da man fie 
nit gern benützt, ehe fie nicht 
mindeftend ſechs Monate alt find. 
689. Das Spiel. Der Zweck 
ded Spieles ift, den Ball vom 
erften Abfchlagsplag, dem tee, 
in das erfte Loch Hineinzufchlagen 
und zwar mit möglidhft menig 
Schlägen. Sieger ded Wales 
wird, wer es mit den menigiten 
Schlägen nimmt, Sieger des Spie- 
led, wer die meiften Löcher ge⸗ 
mwonnen hat. Haben beide Parteien 
diejelbe Anzahl von Schlägen zu 
einem Loch gebraudt, jo wird ed 
für beide gerechnet; haben beide 
Parteien gleih viele Löcher ge⸗ 
monnen, fo iſt die Partie unent- 
ſchieden (alleven). Hat eine Partei 
bereit3 10 Löcher genommen, fo 
daß für die andere doch nur acht 
bleiben mürden, fogen. „byen“, 
fo wird die Partie aufgegeben. 
Ein Spiel umfaßt 1 oder 2 Run: 
den, d.h. es geht ein= oder zweimal 
vom „tee out“ und wieder „in“. 
Das Spiel ift „dormi“, wenn eine 
Partei der andern genau ſchon um 
fo viel Löcher voraus ift, ald noch 
zu nehmen find; es bleibt dann 
unentihieden. Denn menn die 
erſte Partei am 13. Loche ift, die 
zweite am achten, jo kann fie durch 
die übrigbleibenden fünf höchſtens 
dem Gegner noch gleich werden. 
Das einfache Spiel (single oder 
twosome) verlangt nur eine Per- 
fon auf jeder Partei; dag treesome 
befteht aus zwei Berfonen auf einer, 
und einer Perfon auf der andern 
Partei. Foursome oder double 
bat zwei Parteien a zwei Spieler. 
So viel Teilnehmer aber auch vor- 
handen fein mögen: jede Partei 
bat immer nur einen Ball. Spiele 
mit mehr als zwei Parteien heißen: 


Niro. 689-690. 


three or more ball matches. Die 
Reihenfolge der Spieler wird zu 
Beginn eined Wettlampfes feitge- 
fegt, der erſte Abfchlag jedoch, der 
honour, wird aus Höflichfeit dem 
beften und älteften Golfjpieler über- 
lafien. 

Beim Wettfpiel oder match- 
play muß jede Partei verfuchen, 
mit ihrem Bal. möglichſt viele 
Löcher zu erobern, mit wie viel 
Schlägen dies gejchieht, ift einerlei; 
das Mal mit einem Schlag weniger 
genommen zu haben als der Gegner, 
gibt jchon den Sieg. Bei Brei: 
mwettfpielen follen mit möglichft 
wenig Schlägen die Löcher der 
ganzen Bahn genommen merden. 
Bei letteren erhält der Gewinner 
in England eine Medaille, weshalb 
die Spiele au einfach „medal 
plays“ heißen. Der Klubvorjtand 
fügt ungefähr gleichwertige Spieler 
als Gegner zufammen. Das Spiel 
geht rund um den Play von einem 
Mal zum andern; ift von einem 
Spieler ein Mal genommen, jo 
muß er warten, bis aud fein 
Partner jo weit ift. 

Spielen mehrere voneinander 
unabhängige Parteien gleichzeitig, 
jo läßt man die guten Spieler be> 
ginnen, um fie nit durch die 
ſchlechten aufzuhalten. Das Mal, 
nad) den man fpielen will, muß 
frei fein, ebenfo die big zu ihm 
reichende Spielfläche, alfo ift immer 
erft abzumwarten, bis die vorher- 
Bude Partei das Mal verlafjen 


hat. 

Jeder Spieler hat vorm Ab— 
ſchlagen des Balles durch einen 
Ruf: Achtung! (kore!) zu warnen. 
Die Reihenfolge der Parteien bleibt 
ſo lange dieſelbe, bis eine Partei 
ein Loch gewonnen bat, dann be— 
ſitzt ſie den Vorzug „honour“ und 
„führt“ zum nädjten Mal. 

690. Der Abſchlag. Zum Ab: 
ſchlag wird der Ball, wie bereits 


GnIf. 


Niro. 690. E. Gräfin Baubdilfin. 


gejagt wurde, auf eine Heine Er: |die dem Schlag Ridtung und 
höhung innerhalb der durch Marken | Schwung gibt, über die linke, deren 


beitimmten Grenzen zurecht gelegt; 
am Platz ſelbſt darf nichts geändert 
werden. Es bat fi beim Golf: 
jpiel ein eigner Stil herausgebildet, 
der ftrift innegehalten werden muß 
und vor allem jedem Spieler ge: 
naue Befolgung der Regeln, Höf: 
lichkeit und Rüdfiht auf den oder 
die Bartner zur Pflicht macht. Eine 
diefer HöflichfeitSpflichten iſt es 
auh, dem beiten Spieler den 
„Honour”, den Borzug des eriten 
Schlages, zu überlajjien. Eröffnet 
wird das Spiel, da es darauf an- 
fommt, den Bal möglichſt dem 
erften Loch zu nähern, mit einem 
Treibfehlag oder full drive, zu dem 
der driver genommen wird. Un⸗ 
geſchicktere Spieler ſollten fich nicht 
ſcheuen, wie es meiſtens gefchieht, 
den erſten Abſchlag zu machen, da 
grade ſie geneigt ſein würden, den 
Stil des Gegners nachzuahmen — 
meiftend zu ihrem Nachteil! Hat 
ein bejjerer Spieler aber: den Vor⸗ 
rang, jo fol der Anfänger diefem 
Abfchlag lieber nicht zufchauen, als 
verwirrt zu werden und nun dem 
eigenen Können, durch den Erfolg 
des andern beängftigt, zu miß- 
trauen. Während des Spieles ſoll 
man nicht lernen wollen, jondern 
dies Gelegenheiten überlafjen, wo 
man nur Zufchauer ift und neben 
guten Spielern hergeht. Auf für: 
zeren Spielpläßen (short- golf) 
wird zum Abſchlagen Statt des 
drivers eine weniger weittragende 
Gijenfeufe, der driver mashy oder 
einer der cleeks genommen. 
Der Spieler ftellt ſich beim Ab- 
ichlag parallel zur Richtungslinie, 
mit faft durhgedrüdten Knieen und 
leicht gejpreizten Beinen, unmeit 
des linken Fußes liegt der Ball. 
Die Sohle der Keule muß feft am 
Boden ruhen. Beide Hände halten 
den Griff und zwar faßt die rechte, 


Aufgabe es nur ift, die Keule zu 
führen. Biele Spieler, bejonders 
Anfänger, tragen zum Golfjpielen 
hergeftellte Handſchuhe, die vor 
Blafen ſchützen. Beide Hände liegen 
möglichſt dicht nebeneinander, das 
Ende des Schaftes fteht etwas über 
die linfe Hand vor. Sind diefe 
Vorbereitungen (addressing the 
ball) beendet, fo bat der Spieler 
fih genau die Richtung anzufehen, 
in die der Bal fliegen joll und 
„fore !“ zu rufen. Gutes Schlagen 
erreiht man nit durch Veraus⸗ 
gabung höchſter Kraft, jondern Durch 
fräftigen Schwung und genaues 
Treffen des Balles. 





341. Der Waggle. 


Der „waggle* ijt eine Spe- 
zialität mander Spieler, die vorm 
Schlag die Keule Hin- und her- 
jhmwingen, um mehr Schwung zu 
erzielen. Der waggle fol aber nur 
aus den Handgelenfen, nit mit 
den Armen ausgeführt werden. 


XI. 2. 


Zum Abſchlag wird die Keule 
über den Kopf geſchwungen, von 
vecht3 nach links, wobei der Blick 
niemal® den Ball verlaffen darf; 
ungefähr 20 cm vom Ball muß 
die FKreislinie parallel vom Boden 
fein, mit neuem Schwung wird der 
Ball getroffen, wonach die Keule 
in derfelben Richtung, die der Ball 
genommen hat, nad) vorn und dann 
aufwärts bis ungefähr in Schulter: 
höhe fchwingt. Dieſes Führen der 
Keule wie dag dadurch beziveckte 


Bormärtstreiben des Balled, das | Das playing through the 





342. Ausfchwung, falfche Ausführung. 


weniger einem rechten Schlag gleicht 
als einem Fortfegen, ift die Grund- 
bedingung des Golfipield. Alle 
Arten der Schläge werden mit den 
verfchiedenften Keulen in derjelben 
Weiſe ausgeführt; jeder Fehler 
entjpringt der Nichtbeachtung diefer 
Regel, der ſchlechten Haltung, ver: 
fehrter Hand» oder Beinitellung, 
falfhem Schwung, kurzum, einer 
Bernadhläffigung der oben ange: 


Nro. 691. 


gebenen Punkte. Der richtige 
Schlag muß alfo den Ball im 
Augenblick treffen, wo die Keule 
wieder aufwärts jchwingt und ihn 
daher hoch durch die Luft. treibt. 
— Es wird behauptet, daß beim 
Driveſchlag 15 verjchiedene Punkte 
zu beachten wären; dieje kann der 
Anfänger natürlich nit aus der 
Theorie, jondern einzeln und allein 
durch die Prarig erlernen. 

691. Das Spielen über da3 
Feld (playing through the green). 
green 
beginnt, ſobald der Ball 
durch den erften Schlag den 
Abſchlagplatz verlafien hat; 
die nächſten bezweden, ihn in 
das Mal oder menigjtend 
demfelben möglichft nahe zu 
bringen. Zuerſt wird feft- 
gejtellt, weſſen Ball noch am 
entfernteften vom Loch liegt 
— dieſe Partei und zwar 
der zweite Partner muß dann 
den nächſten Schlag tun. 
Aft es ihm nit geglüdt, 
die erfte Partei einzuholen, 
fo fommt wieder fein Part- 
ner an die Reihe; fie wech- 
feln fo lange ab, bis fie mit 
der erften Partei gleich jtehen 
oder fie überholt haben. 
Die Schläge übers Feld 
werden wohl felten mit dem 
driver ausgeführt, da der 
Ball, falls er nicht bereits 
nahe am Mal liegt, in ein? 
der fünftlichen oder natür: 
lichen SHinderniffe geraten jein 
wird. Je nach feiner Lage, ob im 
Sand, auf fteinigem Boden, auf 
abfteigendem oder auffteigendem 
Terrain 2c., wird die Eiſenkeule 
gewählt, die fich zu dem bejondern 
Fall, wie bei den Keulen bejchrie: 
ben worden ift, eignet. Sit der 
Ball in ein dichtes Gebüfch gerollt, 
oder liegt er fo unglüdlih, daß 
mehrere Schläge nötig jein mür: 


Grlf. 


Rro, 692-696. 


E. Gräfin Baubiffin. 


den, um ihn zu befreien, jo ift es Hat der Ball noch 60—80 m zurüd- 
vorteilhafter, ihn aus dem Hinder- | zulegen, jo verwendet man den. 


nis berauszunehmen und ihn dicht 
hinter diefe8 zu legen, was nur 
den Verluſt eines Schlages Toftet, 
als längere Mühe an ihn zu ver- 
ſchwenden. Liegt der Bal in einer 
Bertiefung, aus der er nicht mit 
einem einfachen Schlag herauszu⸗ 
nehmen ijt, jo wird der Jerf- 
oder Rückſchlag, fälſchlich auch 
„Gelenkſchlag“ genannt, angewen⸗ 
det; denn grade die Arme, nicht nur 
die Handgelenke, führen ihn aus. Er 
ähnelt dem drive, nur daß die 
Keule nach beendetem Schwung 
nicht wieder aufwärts ſchwingt, 
ſondern in den Boden gleitet; zur 
Ausführung dieſes Schlages dient 
gewöhnlich der ordinary cleek oder 
der „iron“. Wird beim Nerkflot, 
wie es öfters vorkommt, ein Stüd 
Rafen mit herausgefchlagen, jo ift 
ed Spielgebot, es fofort zurückzu⸗ 
legen und fejt in die Lüde einzu— 
treten. 

692. Die Annäherungsichläge. 
Sind die Bälle in abwechſelnder 
Reihenfolge dem putting green 


genähert worden, jo beginnt das 


feine und ſchwierige Spiel, das 
feine vollen Schläge mehr verlangt, 
jondern „approach shots“, An: 
näherungsſchläge, die in verfchiedene 
Nuancen eingeteilt werden. Man 
unterfcheidet Dreiviertel-, Halb: 
und Gelent- oder Piertelichläge, 
deren Stärfe und Grenze von jedem 
Spieler nah jeinem „Stil”" und 
jeiner Kraft bejtimmt werden. — 
Als allgemeine Regel für vie 
approach shots gilt es, nicht mit 
dem Überförper, jondern nur mit 
dem Arme zu ſchwingen, den rechten 
Fuß vor und zwar dicht neben den 
Ball zu Stellen, die Kiniee zu beugen 
und dicht vorm Treffen des Balles 
dem Schlag noch einen Schwung 
aus dem Handgelenf zu geben. 
693. Der Dreiviertelfchlag. 


Dreiviertelfhlag; je kürzer der 
Meg, je gebüdter ift die Haltung 
und deſto mehr ift der rechte Fuß 
vorgeitellt. Die Vorderarme wer: 
den ziemlich dicht am Körper ges 
halten, deſſen Gewicht hauptfächlich 
auf dem rechten Bein ruht; nur 
die Arme führen den Schlag aus, 
die Schultern bleiben ruhig. 

694. Der halbe Schlag (half 
shot). Die beim half shot ein⸗ 
zunehmende Stellung, nämlich Ein= 
wärtsdrehen des rechten Fußes, 


B 





v7 r% 


343. Stellung beim half shot. 


Auswärtsdrehen des linken, dichtes 
Anlegen des rechten Oberarmes, 
erfiegt man aus der beigegebenen 
Zeichnung; der Schlag wird alfo 
nur vom rechten Vorderarm aus⸗ 
geführt, und fchwingt nur fo weit 
aus, als es Vorderarm und Hand⸗ 
gelenfe vermögen. 

695. Der Biertel- oder Hand⸗ 
gelenkſchlag (wrist shot), Wie 
der Name bejagt, wird diefer 
Schlag nur mit Hilfe der Hand⸗ 
gelenfe ausgeführt, die Arme blei- 
ben vollitändig ruhig, der Ball 
liegt dicht vorm rechten Fuß. 

696. Schueiden des Balls. Wie 
beim Tennis, Kridet und andern 


XI. 2. Golf. 


Nro. 697—701. 


Spielen, fol aud der Golfipieler | plat getrieben werden, jo wird Die 


die Fähigkeit befiten, den Ball zu 
jchneiden (to cut oder to slice the 
ball); d. 5. dem Ball fol beim 
Fliegen eine Drehung gegeben wer- 
den, die feine Flugkraft um ein 
Bedeutendes erhöht. Dies gejchieht, 
indem die Keule im Moment, wo 
fie den Bal trifft, ſeitwärts-rück⸗ 
wärts gezogen wird. Angewandt 
wird dieſes Schneiden zum Nehmen 
der Hinderniffe befonderd dann, 
wenn der Ball nicht weit, fondern 
nur hoch fliegen fol; durch die 
Drehung wird das MWeiterrollen 
nad dem Auftreffen auf dem Bo- 
den verhindert, der Ball ift aljo 
„dead“ (tot), er bleibt auf dem 
Platz liegen. 

697. Der high-lofting stroke. 
Faft immer verbunden mit dem 
Schneiden des Balles ift der high- 
lofting stroke. Er dient zum 
Nehmen eine? „hazard“, Hinder⸗ 
niſſes, das dit vorm putting 
green auftaucht und daß er bejie- 
gen fol, ohne den Ball unnötig 
vom Mal zu entfernen. Der Spieler 
fteht wie beim halben Schlag, mit 
dem Unterſchied, daß die redte 
Hand den Griff der Keule nur lofe 
hält und der Schwung vom linten 
Arm und Handgelenk ausgeführt 
wird. Der rechte Ellbogen wird 
zurüdgezogen, damit der Schwung 
recht fteil von oben fommt. Ber: 
mwandt werden zu diefem Schlag 
Eijenfeulen mit ſtark zurüdgelegten 
Schlagflächen (lofting iron) oder 
der high-lofting stroke wird, da 
diefe Keulen manchem Spieler nicht 
angenehm find, durch ftarfe Drehung 
und einen yerk stroke erreicht. 
Sol der Bal nad erfolgter Dre⸗ 
bung rechts oder links abfpringen, 
fo ſchwingt die Keule nicht in der 
Shlagridtung aus, ſondern quer 
zu ihr. 

698. Running-up the ball. 
Soll der Ball aufwärts zum Schlag- 


Stellung wie beim halben Schlag 
eingenommen und nad ſtarkem 
Schwungholen, an dem fich der 
ganze Körper beteiligt, der Ball 
dit über dem Boden aufwärts 
gerollt. Das Körpergewicht ruht 
beim Schlag zuerft auf dem rechten 
Bein — Knie gebeugt! — und 
geht, während die Keule jo weit 
al8 möglich die Richtung des Balles 
verfolgt, vollitändig auf das linke 
Bein über. Diefer Schlag heißt 
der Knieſchlag. 

699. Schlag: vom linken Fuß 
au& Beim approach shot of 
the left leg liegt der Ball dicht 
am. linten Fuß. Der nicht Häufig 
angemwendete Schlag wird mit dem 
mashy ausgeführt und zwar nur 
mit der linten Sand. Das linte 
Bein trägt dag Körpergewicht, die 
Kniee find gebeugt, das linfe mehr 
als das rechte. Die rechte Hand 
mit lofem Handgelenk führt Die 
Keule. 

700. Ball im bunker. Liegt 
der Ball am Fuß oder Abhang 
eine® Sandmwalle® (bunker), jo 
muß er zur Befreiung hoch in die 
Luft gefchlagen werden; Died ge— 
ſchieht am bejten mit einem der 
Löffler. Der Schwung muß fi 
fo geftalten, daß die Keule ſchon 
ein Endchen vorm Bal dem Boden 
parallel fährt, den Ball alfo er: 
greift, wenn fie bereit3 wieder nad) 
oben fchwingt. Liegt der Bal in 
tiefem Sand, fo trifft die Keule 
nicht ihn, fondern in den Sand und 
diefer treibt den Ball vormärt?. 
Einer der niblicks tut bier den 
Dienft. 

701. Hodjliegender Ball. Wenn 
der Ball auf einer Kleinen Anhöhe 
liegt — auf einem bunker oder 
einer der Grenzmarfierungen des 
Platzes —, jo muß er mit einem 
ftarfen Treiberfchlag aus feiner 
Zage befreit und ihm zugleich eine 


Nro. 702-107. 


E. Gräfin Baudiffin. 


neue Richtung gegeben werden. | dem Hals getroffen wird oder der: 


Dieſer Schlag wird mit der Spite 
der Keule ausgeführt. Der „hooked 
ball“ fliegt dann zuerft gradeaus 
und darauf links. Sol er nad) 
rechts fliegen, muß 
Drehung aegeben werden. 

02. Tiefliegender Ball. Iſt 
der Ball in eine Bahn geraten, die 
tiefer liegt al3 die Linie zum Mal, 
fo wird er erft in eine Richtung 
geihlagen, die querab von der 
eigentlichen Zielrichtung ift, fie aljo 
ſchneidet. Ein leichter Schlag mit 
einer nah auswärts gedrebten 
Schlaaflähe genügt hierzu. 

703. Ball im Unkraut. Liegt 
der Ball im Unkraut oder langem 
Gras, jo faßt man mit der Keule 
unter ihn und treibt ihn mit recht 
fiherem langjamen Schlag heraus, 
Hindernifje, die im Wege liegen, 
wie Zweige oder Steine, darf man 
nicht forträumen; eventuell ift es 
auch bier angebradt, einen Schlag 
zu verlieren und den Ball aufzu- 
nehmen, als mehrere fruchtloje 
Schläge zu wagen. 

704. Topping the ball. Dieſer 
Fehler wird befonder® von An- 
fängern oft begangen: ftatt den 
Bal in der Mitte oder an feiner 


unteren Hälfte zu treffen, fchlagen | f 


fie von oben auf ihn, drüden ihn 
alfo in den Boden — oder it 
diefer zu hart, ruinieren ſie die 
Oberfläche des Balles. 
705. Keulenbrechen. Das top- 
ping the ball ift fehr oft eine 
Folge der Angſt um die Keule: 
man will vorſichtig ſchlagen, um 
die Keule nicht zu zerbrechen. Mit 
geeigneter Keule ift ſelbſt dag Auf: 
ſtoßen auf hartem Boden nicht ge= 
fährlid — viele Schläge bedingen 
ja jogar das Aufichlagen oder ſo— 
gar Eindringen in die Erde; es 
handelt fich eben nur darum, die 
Keule richtig zu handhaben, damit 
fie fi nicht verdreht, der Ball mit 


ihm eine | # 
weiteſten entfernte Ball zuerft ge⸗ 


gleichen. 

706. Das Einfchlagen des 
Balles (putting the ball). Durd) 
das ganze Spiel hindurch wird 
tmmer der vom Mal noch am 


ſchlagen, bis fchließlich beide Par: 
teien den putting green erreidjt 
haben und nur noch weniger Schläge 
bedürfen, um den Bal in? Lod) 
einzujchlagen (holing out). Liegt 
nun der Ball des Gegners zwiſchen 
dem eigenen und dem Lo, fo 
darf er, liegen die beiden Bälle 
nur 15 cm oder weniger von: 
einander, aufgenommen, der eigene 
Ball gejpielt und der gegnerijche 
auf denjelben Punkt zurüdgelegt 
werden. Sit jedoh der Raum 
zwifchen den beiden Bällen größer 
als 15 cm (stymie), jo muß der 
feindliche liegen bleiben; man fann 
dann nur verjuchen, den eignen hoch 
und über den anderen hinwegzufchla: 
gen. Lettere Methode verſucht man, 
wenn des Gegners Bal „tot“, 
dead, it, d. h. dem Loche jo nahe 
liegt, daß er mit einem Schlag 
hineingefhlagen wird. Sit dies 
nicht der Fall, hat aud) der Gegner 
mindeſtens noch zwei Schläge nötig, 
o macht man den eigenen Bau 
fiherbeit3halber auch erjt „dead“, 
bringt ihn möglichft nahe and Loch 
und jchlägt ihn mit dem zweiten 
Schlage hinein. Sih einen Weg 
zum Loch zu bahnen, eine Linie zu 
ziehen oder vergl. ift verboten; 
doch darf der Caddie hinter dem 
Mal einen Keulen: oder Flaggen- 
ftod als deutlicheres Ziel halten. 

707. Die Zählmethode. Das 
Spielen bei den erjten neun Löchern 
beißt „to play out“ (binaugjpielen), 
bei den nädften neun, die wieder 
zurüdführen „to play in“ (zurüd: 
jpielen). Ein von beiden Parteien 
gewonnenes Mal ift „halved“, Halb 
gewonnen; haben beide die gleiche 


XI. 2. Golf. 


Anzahl von Löchern gewonnen, jo 
ftehen fie „all even“ — beide 
gleid. Hat eine Partei über die 
Hälfte der Löcher (10) gewonnen, 
fo bat fie gefiegt; ob das Spiel 
fortgejfegt werden joll, hängt von 
den Parteien ab. Dormi ift eine 
Partei, wenn fie der anderen um 
jo viel Löcher voraus ift, als über- 
baupt noch zu fpielen find. Haben 
beide WBarteien beim Wettfpiel 
(match-play), bei dem nur die 
Löcher gezählt werden, gleich viele 
Schläge gemadt, fo heißt das: 
like-as-we-lie. Hat eine Partei 
einen Schlag mehr gebraudt als 
die andere, jo hat fie einen „odd“ 
aemadt. Hatte fie jedoch einen 
Schlag als Vorgabe, als odd, und 
bat ihn gebraudt, fo ift er „ver: 
ſpielt“. Diefe Partei fteht dann 
„one more“ eins mehr; bat fie 
zwei Schläge mehr getan, auf „two 
more“ ; alſo wird nicht der einzelne 
Schlag, ſondern die Differenz 
zwifhen den Parteien gezählt. 
„Ihree more“ heißt der pritte 
Schlag, den die Partei machen 
muß, menn fie mit „two more“ 
die andere noch nicht erreicht bat. 
Kommt nun diefe an die Reihe, fo 
beißt ihr Schlag „one of three“ 
und bringt die Gegner damit auf 
„two more“, eventuell auf nur 
„one more“ zurüd, fall® der one- 
of-three- Schlag fehlging. Die 
Schläge und Fehler werden aljo 
quafider Gegenpartei gutgefchrieben. 
Beim medal-play werden alle 
Schläge vom Ausgangspunkt big 
zum Endloch gezählt. 

708. Vorgaben (to give odds). 
Um gute Spieler mit mittelmäßigen, 
T&hlechten oder Anfängern („young- 
sters“) zufammenfpielen zu laffen, 
‚werden den letteren Borgaben ge- 
geben. Dadurch werden die Sieges- 
augfichten der ſchwächeren Spieler 
gegen die Normalipieler erhöht, und 
fie Haben nicht von vornherein 


Nro. 708. 


unter dem Gedanken einer Nieder- 
lage zu leiden. %ür beide Teile 
fann daher dad Spiel mit odds 
nur an Intereſſe gewinnen. Die 
youngsters läßt man allerdings 
gewöhnlich untereinander oder 
unter der Leitung eines professio- 
nal jpielen, bis fie eine gemifje 
„Form“ erreicht haben; d. 5. big 
in der Anzahl ihrer Schläge, die 
fie rund um den Pla brauden, 
eine bejtimmte Regelmäßigfeit ein- 
tritt. 

Die „einfache“ Borgabe bejteht 
für dag Wettfpiel, das match-play, 
in der Vorgabe von Schlägen, und 
zwar fann für jedes Loch ein Extra⸗ 
ihlag gegeben werden (one stroke 
a hole); da® find 18 Schläge 
— 18 Löchern für die ganze Runde; 
oder nur für jedes gerade oder 
jedes ungerade Loch ein Schlag 
(a half); dag find 9 Schläge = 
9 Löchern; ferner nur für jedes 
dritte Loch (a third); alfo 
6 Schläge 6 Löchern. Eine 
vierte Variation dieſer odds ift es, 
bei jedem erften und zweiten Loch 
eine Borgabe zu gewähren und fie 
beim dritten ausfallen zu lafien; 
oder bei einigen Löchern Die 
Schläge zufammenzuftelen, daß 
3.2. 2! oder 12, herauskommen. 
Ale Schläge der einfahen Bor- 
gabe Inüpfen fich aljo an bejtimmte 
Löcher, die vor Beginn des Spieles 
bezeichnet werden, während e8 beim 
„bisque* dem Spieler überlafjen 
wird, fi zu wählen, wann er die 
Vorgaben ausnugen will, für den 
Gegner natürlich eine weit pein- 
lihere Beitimmung. — Bei Preis- 
wettfpielen, den medal plays, mo 
nicht nach den gewonnenen Löchern, 
fondern nah der Anzahl der 
Schläge gerechnet wird,, beftehen 
die odds in Abzügen, die von der 
Gejamtjumme der Schläge gemadt 
werden. Die Borgaben werden 
alfo nicht wie beim Wettjpiel tat- 


Niro. 709-710. 


fählih ausgeführt, jondern nur 
theoretifch mitgezählt. — Um eine 
Norm zu haben, wie viel Vorgaben 
man dem ſchwächeren Spieler gegen 
den „scratch player“, den Normal: 
golfer gewähren joll, rechnet man 
eben, wie viel Schläge der lebtere 
für eine ganze Runde gebrauchen 
würde und gibt dem jchmwächeren 
eine gewiffe Anzahl vor, die dem 
befieren am Schluß abgezogen mer: 
den. Das ſchwierige Geſchäft, die 





Summe vom 1. bis 9. Loche . . 


Totalsumme 





344. Zählfarte. 


Leiftungsfähigfeit der Spieler ge- 
nau und gerecht gegeneinander ab⸗ 
zumägen, bejorgt der handicapper 
jedes Klub. Die Spiele? haben 
fih feinen Beitimmungen zu fügen 
und fie nicht überflüjfig zu bean- 
ftanden. Golf erzieht überhaupt zu 
großer Höflichkeit und Rückſicht! 
Da nun außer den Fertigkeiten des 
Spieler® auch feiner Unkenntnis 
eines fremden Platzes 2c. bei Preis⸗ 
wettſpielen Rechnung getragen wer: 


E. Gräfin Baudilfin. 


legten Wochen vor einem medal 
play, zu dem er ſich gemeldet hat, 
verpflichtet, die Reſultate feiner 
Spiele aufzufchreiben und Ddiefe 
Zählkarten rechtzeitig dem handi- 
capper einzureichen. 

Bei der Borgabe nah Löchern 
rechnet man gewöhnlich '|, mehr 
a8 man ihm beim Wettfpiel 
Schläge zu den Löchern geben 
würde. 

709.,C. B.“ Unter diefen beiden 
geheimnisvollen Buchftaben, die von 
den englifhen Golfipielern fo oft 
erwähnt werden, verfteht man die 
Normalberehnung des Colonel 
Bogey. Diefer rechnete aus, wie 
viel Schläge ein Normalfpieler ohne 
jeden Fehler bis zu jedem Loche 
gebrauchen würde und ließ Die 
Tabellen darüber in den Klub: 
bäufern aufhängen. Jeder Spieler 
bat nun Gelegenbeit, jeine Faͤhig⸗ 
feit mit der des Colonel zu ver: 
gleichen, von ihm befiegt zu fein, 
ihm gleichzuftehen oder ſogar über 
ihn zu triumphieren. Die Ergeb- 
nifje der Vergleihung mit „C. B.“ 
werden ebenfal8 auf den Zähl- 
farten vermerkt; und zwar wird, 
da es ſich beim Refultat um ge- 
wonnene oder verlorene‘ Löcher 
handelt, das match-play auf diefe 
einfade Weife zum medal play. 
Anbei eine Tabelle de Great- 
Yarmouth Club, die anzeigt, wie 
viel Schläge bei den verſchiedenen 
Löchern im Spiel gegen Colonel 
Bogey zu maden find. 

Wie beim Tennidfpiel zählt der 
befiere Spieler von O an. Das 
Auffchreiben wird bei größeren 
Mettlämpfen von einem befonderen 
Anſchreiber bejorgt, und ein scoring 
telegraf zeigt nad jedem Schlag 
auf einer Tafel mit Ziffern den 
Stand des Spieles an. 

710. Das Damengolf. Daß nicht 
allein in England, fondern auch in 


den muß, jo ift der Spieler in den | Deutfchland die Frauen beginnen, 


XI. 2. 


eifrige Spielerinnen zu werden, | 
beweift das Bild des neuen Golf: 
Hubhaufes in Hamburg. Sa, bei 
ung iſt man fogar höflicher als in 
England, wo die Herren felten mit 
den Damen zufammenjfpielen wollen 
und dieje daher genötigt find, fich 
ſelbſt Links anzulegen. Da das 
Spiel eine gleichmäßige Bewegung 
in friiher Luft erfordert und jede 
Meberanftrengung ausſchließt, ift 
es gerade Fe die fich bei ung 





Golf. Nro. 711. 


Par welche ihren Bal mit den wenigften 

Schlägen in dasſelbe treibt, gewonnen, aus⸗ 
genommen, wenn in den Regeln anders vor: 
gejehen. Wenn zwei Parteien das Loch mit 
der gleihen Anzahl von Schlägen erreichen, 
fo wird das Loch halbiert. 

3. Da3 „Teeing Ground“ (Abſchlagplatz) 
wird durch zwei Zeichen, welche in einer zum 
Felde rechtwinklig ftehenden Linie ftehen, be: 
zeichnet, und der Spieler joll weber vor, 
noch auf einer Seite von diefen Zeichen abs 
ſchlagen, noch mehr als zwei Schlägerlängen 
hinter ihnen. Ein Ball, der von außerhalb 
der Grenze des Abjchlagvlages, wie oben an= 
gegeben, gejpielt wird, fann von der gegne= 
riſchen Seite jurüdgerufen werben. a3 





345. Klubhaus des Hamburger Golfflubs. 


in der Fälteren Sahreszeit mit 
wenig Ausnahmen noch viel zu jehr 
von der Natur abjchließen, bejon: 
der3 zu empfehlen. 

711. Die Spielregeln. Die fol- 
genden Regeln find vom „Royal 
and Ancient Golf Club of St. 
Andrews“ am 29. September 1891 
angenommen und am 1. Mai 1895 
verbejiert. 

1. Das Golfipiel wirb von zwei oder mehr 
Parteien gejpielt, von. welden jede mit 
ihrem eigenen Ball ſpielt. Eine Partei darf. 
aus einer oder mehreren Perſonen beftehen. 

2. Das Spiel befteht darin, daß jede 
—— einen Ball von einem „Tee“ in ein 


Loch durch mehrere aufeinanderfolgende 
Schläge ſpielt, und das Loch wird von der 


Bild.) 


(Aus Sport im 


Loch foll 4! Zoll = 11!|, em Durchmeffer 
haben und muß wenigftens 4 Zoll = 10 cm 


'tief fein. 


4. Man muß den Ball fchlagen, er barf 
gegen Berluft des Loches nicht geichoben, 
noch „gelöffelt” werden ; jede Bewegung des 
Sclägers, weldhe zum Schlagen beftimmt ift, 
gilt als ein Schlag. 

5. Das Spiel beginnt, indem jede Seite 
einen Ball von dem eriten Teeing Ground: 
abipielt. In einem Spiel mit zwei oder mehr 
in jeder Partei follen die Partner abwech—⸗ 


| felnd von ben Tee abſchlagen, und follen 


während des Spielens um die Gewinnung 
des Loches abwechfelnd ſchlagen. Die Spieler, 
welche gegeneinander jchlagen jollen, müſſen 
gleich beim Anfang genannt werden, und 
follen in derfelben Reihenfolge während des 
Matches weiterfpielen. 

Der Spieler, der zuerjt für jebe Partei 
—— ſoll, muß von ſeiner Partei genannt 
werben. Falls man ſich nicht einigen kann, 


yiro. 711. 


fol e3 durch Lofen beftimmt werben, welche 
Bartei die Wahl der Führung haben fol. 

6. Falls ein Spieler fpielt, wenn es jein 
Partner hätte tun follen, fol feine Partei 
da8 Loch verlieren, ausgenommen im Falle 
des Teeichlaged, wenn der Schlag auf Ver⸗ 
langen der Gegner widerrufen werben fann. 

7. Die Seite, die ein Loch gewinnt, fol 
beim Starten für dad nächfte Lody führen 
und darf, falld der Gegner außer ber Reihe 
fpielt, ven Schlag widerrufen. Dieſes Vor⸗ 
recht wird „Ehre” genannt. Beim Starten 
eines neuen Matches ift ver Sieger ded Long 
Matches in der vorhergehenden Runde zur 
„Ehre“ berechtigt. Sollte das erfte Match 
halbiert worden fein, fo ift der Sieger des 
legten Loches zur „Ehre“ berechtigt. 

8. Eine Runde bes Feldes — gewöhnlich 
18 Löcher — ift ein Math, ausgenommen, 
wenn ander3 beftimmt worden if. Das 
Match wird von der Partei gewonnen, welche 
mehr Löcher voraus ift, ald noch zu fpielen 
übrig bleiben, oder von ber Partei, welche 
das lette Loch gewinnt, wenn dad Match 
beim zweitlegten Loche gleihftand. Wenn 
beide Parteien diefelbegahl gewonnen haben, 
fo ift es ein Halbierted Match. 

9. Nachdem die Bällevom Tee abgefchlagen 
worden, fol der Ball, welcher von bem Loche, 
nah dem gefpielt wird, am entfernteften 
liegt, zuerft gefptelt werden, außer, wenn in 
den Regeln anders vorgeſchrieben tft. Sollte 
die falfhe Partei zuerft fpielen, darf der 
Gegner den Schlag widerrufen, bevor feine 
Partei gefpielt hat. ‚” 

10. Ein vom Tee gefchlagener Ball darf 
außer mit Genehmigung de3 Gegners, nicht 
gewechſelt, berührt, noch fortbewegt werben, 
bevor das Loch ausgeſpielt worden iſt, gegen 
eine Strafe von einem Schlage, außer wenn 
in den Regeln anders vorgeſehen iſt. 

11. Beim Spielen über das Feld können 
alle loſen Hinderniſſe, innerhalb einer 
Keulenlänge von einem Balle, welcher nicht 
in einem Hindernis liegt, oder dasſelbe be—⸗ 
rührt, fortgeräumt werden, aber loſe Hinder⸗ 
nijje, welche mehr als eine Keulenlänge vom 
Balle liegen, follen gegen Berluft eines 
Schlages nicht fortgerdäumt werden. 

12. Bevor er den Ball fchlägt, darf der 
Spieler nicht3 Befeftigted oder Wachſendes 
in der Nähe besfelben fortrüden, biegen ober 
breden, außer beim Stellungnehmen zum 
Zwede den Ball zu richten, und felne Keule 
hierzu zu „Sohlen“, gegen Berluft des Loches, 
außer wie in Regel 18 vorgefehen. 

18. Ein Bau, welcher in nafjer Erbe oder 
lofem Sande feftiigt, darf hberaudgenommen 
und leiht in das Loch, welches er gemadt 
bat, zurücdgelegt werden. 

14. Wenn ein Ball in einem Hindernis 
liegt oder ein foldyeS berührt, ſoll die Keule 
die Erde nit berithren, noch fol gegen Ver— 
luft des Loches etiwas berührt oder fort- 
gerüdt werden, bevor der Spieler nad dem 
Balle ſchlägt, außer daß der Spieler feine 
Füße feit auf den Boden ftellen darf, um den 


€. Bräfin Baudilfin. 


Ball gu richten. Aber wenn im Ridwärtds 
fhwung, oder im Schwung nad) unten Gras, 
Sträuder, Ginfter oder irgend ein anderer 
wachſender Gegenftand, ober die Seite eines 
Sandhaufend, einer Mauer oder Umzäunung, 
oder eines fonftigen unbeweglichen Gegen⸗ 
ftande8 berührt wird, fo entiteht keine 
Strafe. 

15. Ein Hindernis befteht aus Waſſer, 
Sand, loſer Erbe, Maulwurfshügeln, 
Wegen, Chauffeen oder Eifenbahnidhienen, 
Gräfern,Gebüfhen, Schilf, Kanindenlödhern, 
Umzäunungen, Gräben u. ſ. w., außer Sand, 
mwelder von dem Winde auf dad Gras ge⸗ 
webt worden ift, hingeſtreutem Graſe zur 
Erhaltung der Links, Schnee oder Eis, oder 
unbewadjfene Stellen auf dem Epielplage. 

16. Ein Spieler oder deſſen Keulenträger 
fol gegen Berluft eines Loches weder irgend⸗ 
welche Unebenheiten ver Erdoberfläche in der 
Nähe des Balles niederbrüden oder hinweg⸗ 
— ausgenommen auf dem Abſchlags⸗ 
platze. 

17. Wenn ein Gefäß, Schubkarren, Werk⸗ 
zeug, Raſenwalze, Mähmaſchine, Kiſte oder 
irgend ein anderes ähnliches Hindernis ſich 
auf dem Spielfelde befindet, fo darf ein 
foldes Hindernis fortgeräumt werden. Ein 
Ball, welcher auf einem foldhen Hindernis 
liegt oder ein ſolches berührt, oder auf 
Kleidungsftüde, Nege, auf Boden, welder 
repariert wird, refp. proviforifch überdeckt 
oder geöffnet ift, liegt, darf aufgehoben und 
auf der nädften Stelle bed Spielplages 
wieder fallen gelafjen werben ; aber ein Ball, 
ber in einem Hindernis aufgehoben worden 
tft, fol im Hindernis wieder fallen gelafien 
werden. Ein Ball, ver in einem Golflod 
ober Fahnenloch liegt, darf aufgehoben wer⸗ 
den und nicht mehr als eine Schlägerlänge 
hinter einem ſolchen Loche wieder fallen ges 
laffen werden. 

18. Wenn ein Ball dur Moos, Ginfter, 
Neſſeln u. ſ. w. gänzlich verdedt ift, fol nur 
foviel zur Seite geräumt werben, als nötig 
ift, um dem Spieler den Anblid feines Balles, 
bevor er jpielt, zu gewähren, ob in einer 
Linie mit dem Loche oder nicht. 

19. Wenn ein Bal fallen gelafien werben 
muß, fol ihn der Spieler fallen laffen. Der 
Spieler ſoll mit dem Geſichte dem Loche zu⸗ 

ewandt, aufrecht hinter dem Hindernis 
tehen, fo daß der Punkt, an welchem ber 
Ball aufgehoben wurde (oder falld bet 
fliegendem Waffer, ber Punkt, wo er das⸗ 
felbe berihrte), in einer geraden Linie 
zwiſchen fih und dem Male liegt, und fol 
den Bau rüdwärtd von feinem Kopfe ab 
falten laffen; er darf fomett hinter dem 
Hindernis ftehen, wie er beliebt. 

20. Wenn die Bälle im Spiele innerhalb 
6 Zoll = 15 cm voneinander liegen (von 
den einander am nädjften liegenden zwei 
Punkten gemeffen), fol der Ball, welder 
näher zum Loche liegt, aufgehoben werben, 
bis der andere gefpielt worben ft, und ſoll 
dann fo genau wie möglich in feine ur. 


XT, 2, 


fprünglide Stellung zurüdgelegt werben. 
Wird der vom Loche am entfernteften lie- 
gende Ball hierdurch unmillfürlich gerücdt, 
fo muß er wieder zurüdgetan werden. Sollte 
die Lage des aufgehobenen Balles vom Gegner 
beim Spielen geändert werden, jo darf er 
fo genau wie möglich in feine urfpriüngliche 
Zage wieder gebradht werden. 

231. Sollte der Ball im Waffer liegen oder 
verloren gegangen fein, jo darf der Spieler 
gegen Berluft eine Schlages einen Ball 
fallen lafjen. 

22. Alles was zufällig einem fi in Be⸗ 
wegung befindenden Balle auftößt, wie 3.28. 
daß er abgelenttoder aufgehalten wird durch 
irgendwelde Umftände außerhalb des Rah: 
mens des Wettſpieles oder durch den Keulen= 
träger, ſo iſt es ein Feldhindernis, und der 
Ball muß von dem Plage, wo er liegt, ge- 
fpielt werden. Sollte ein Ball in etwas ſich 
Bewegendes hineingeraten, fo muß er, oder 
falls er nicht mwiebererlangt werben kann, 
ein anderer Ball fo nahe wie möglich an der 
Stelle fallen gelafjen werden, mo der Gegen= 
ftand war, ald der Ba fich darin niederlief. 
Aber jollte ein ruhender Ball durch irgend= 
welche Wirkung außerhalb des Wettfpieles 
gerüdt werden, fol der Spieler ihn oder 
einen anderen Ball jo nahe ıwie möglich an 
der Stelle, wo er lag, fallen laſſen. Auf 
dem Putting Green (Einfchlagplag) darf der 
Bau mit der Hand niedergelegt werben. 

23. Falls der Ball des Spielers ben 
Gegner trifft oder von einem Gegner oder 
einem SKeulenträger oder Schläger des Geg⸗ 
nerd unmillfürlich geridt wird, fo verliert 
ber Gegner das Mal. 

24. Falls der Ball des Spielers ihn felbft 
ober feinen Partner trifft oder von irgend 


einem ihrer Keulenträger und Schläger, oder | 


von ihnen felbft aufgehalten wird, oder wenn 
in dem Augenblide des Spieleng der Epieler 
den Ball zweimal fchlägt, jo verliert feine 
Partei das Loch. 

25. Falls, außer bei dem Tee, der Spieler, 
während er feinen Schlag macht, oder fein 
Partner oder ihre Keulenträger den Bau 
ihrer Partei fo berühren, daß er fich bewegt, 
oder ihn durch die Berührung irgend eines 
Gegenftandes zur Bewegung bringen, ver: 
liert die berührende Partei einen Schlag. 

26. Ein Ball wird als bewegt angejehen, 


wenn er feine urjprünglide Stellung auch 
nur im geringften verläßt und in einer | 


anderen bleibt ; aber wenn ein Spieler jeinen 
Ball berührt und denfelben dadurd zum 


Schmoanten bringt, ohne daß die urjprüngs | 
lide Stellung verlaffen wird, fo ift er im: 


Sinne ber Regel 25 nicht gerüdt worden. 


237. Die Partei des Spielers verliert einen | 
Schlag, wenn er den Ball des Gegners fpielt, 
wenn nit a) der Gegner dann den Ball deö 
Spielers fpielt, wodurch die Strafe anulliert 


wird; das Loch muß dann mit den ausges 
tauſchten Bällen gefpielt werden, oder wenn 
b) ver Fehler durch falfhe Angaben jeitens 
bes Gegners verurſacht worden iſt, in wel- 


Golf. Nro. 711. 


| dem alle der Fehler, wenn er entdedt wird, 
bevor der Gegner zu jpielen beginnt, dadurd 
reftifiziert werden muß, daß ein Ball ſo 
genau wie möglih an die Stelle, wo des 
Gegners Bau lag, bingelegt wird. Wenn 
es entdecdt wird, bevor irgend eine Partei 
vom Tee gefchlagen hat, daß eine Partei das 
vorhergehende Loch mit dem Balle einer nicht 
am Match beteiligten Perſon ausgefpielt hat, 
fo verliert jene Partei das Loch. 

28. Wenn ein Val verloren gebt, fo ver= 
liert die Partei des Spielerd das Loch. Ein 
Ball wird als verloren betradhtet, falls er 
nicht fünf Minuten nad) Beginn des Suchens 
gefunden worden ift. 

29. Ein Ball muß gefpielt werben, wo er 
liegt, oder da3 “och aufgegeben, außer, wenn 
anders in den Regeln vorgefeben. 

30. Der Ausdruck „Putting Green” (Ein- 
fhlagplag) bedeutet das Feld innerbalb 
zwanzig Yards, 18!|e m vom Lode, ausge 
nommen den Hinderniffen. 

31. Alle lofe Hindernifje dürfen vom But: 
ting Öreen entfernt werden, außer dem Balle 
des Gegners, wenn weiter al$ 6Zoll (15 cın) 
| von dem des Spielers entfernt. 

32. In einem Math von drei oder mehr 
Parteien muß ein Bau, welder in irgend 
einer Entfernung zwiihen dem Epieler und 
dem Loche liegt, aufgehoben, oder wenn auf 
dem Putting Green, ausgelocht werden. 

33. Wenn der Ball auf dem Putting Green 
ift, fou fein Zeichen angebracht, noch Linie 
gezogen werden, welche zur Führung dienen 
fönnte. Die Linie zu dem Loche darf gezeigt 
werden, aber die betreffende Perjon darf die 
Erde dabei nicht mit der Hand oder der 
Keule berühren. Der Spieler darf feinen 
eigenen oder den Keulenträger des Gegners 
am Loche jtehen haben, aber weder Spieler 
noch Keulenträger dürfen fich fo ftellen, daß 
fie ven Ball vom Winde fchiigen, oder den— 
felben dem Winde preisgeben. Die Strafe 
für Uebertretung dieſer Regel ift der Verluſt 
des Loches. 

34. Der Spieler und fein Keulentrüger 
bürfen forträumen, aber nicht niederprilden 
Sand, Erde oder Schnee, welde jidy um das 
Loch oder auf der Xinie befinden. Dies joll 
‚ durch Streichen mit der Hand quer iiber die 
| Richtung des Schlages und nicht entlang 
derſelben ausgeführt werden. Dünger darf 
| man mit einer eifernen Keule zur Ceite 
ſchaffen, aber die Keule darf nicht mit mehr 
ala ihrem cigenen Gewicht auf die Erde 
niedergefegt werden. Die Buttinglinie (Ein= 
Ihlagslinie) darf nit mit dem Schläger, 
der Hand oder dem Fuße, außer wie oben 
angegeben, oder dicht vor dem Balle in der 
Minute des Richtens gegen Berluft des 
Loches berührt werden. 

35. Jede Partei ift berechtigt, den Fahnen- 
ftod beim Nähern des Loches fortnehmen zu 
lafien. Wenn der Ball gegen den Fahnen— 
ftod, während legterer im Yoche ift, rubt, iſt 
der Spieler beredtigt, den Stock fortzu— 
nehmen und, falls ber ns 

5 








Niro. 712. G. Gräfin 


fo ift er al3 mit dem vorhergehenden Schlag 
eingeichlagen zu betrachten. 

36. Ein Spieler darf nicht |pielen, gegen 
Strafe eines Schlaged, big der Ball des 
Gegners aufgehört hat zu rollen. Sollte der 
Ball des Spielerd den feined Gegners ein- 
fihlagen, fo fol der legtere ald mit dem vor: 
hergehenden Schlag eingefchlagen betrachtet 
werden. Wenn beim Spielen der Ball des 
Spielerd denjenigen des Gegners fortrüdt, 
hat der Gegner das Recht, feinen Ball wieder 
jurüdzulegen. F 

37. Ein Spieler fol nicht um Rat fragen, 
noch mifjentlihd durch Blide, Worte oder 
Zeiden Nat über bad Spiel von irgend 
jemandem, außer jeinem eigenen Keulen—⸗ 
träger, feinem Partner und feines Partners 
Keulenträger, annehmen. Als Strafe ift 
für die Umgehung dieſer Regel der Berluft 
des Loches angefegt. 

38. Wenn ein Ball in einzelne Tetle zer⸗ 
ipringt, fo kann ein anderer Ball nieder⸗ 


Baubdilfin. 


gelegt werben, wo der größere Teil liegt, 
oder wenn zwei Teile anfcheinend von ber- 
felben Größe find, darf der andere Ball nad) 
Belieben des Spielers dort niedergelegt wer: 
den, wo eins ber Teile liegt. Falls ein Ball 
Riſſe befommt oder unfpielbar wird, jo darf 
der Spieler ihn wechſeln, nachdem er diefe 
Abficht feinem Gegner mitgeteilt hat. 

39. Ein Straficdhlag foll nicht als ein Schlag 
im Epiele angerechnet werben und fol die 
Reihenfolge des Spieles nicht unterbrechen. 

40. Sollte über irgend einen Punkt eine 
Meinungsverſchiedenheit entftehen, haben 
die Spieler dad Recht, die Perfon oder Per⸗ 
fonen, welche über diefe Streitigleit urteilen 
follen, zu beftimmen. Sollten fie fih nicht 
einigen, fo fann es jede Partei dem Komitee 
bes Platzes, wo der Zwiſt entftand, übers 
weifen, defjen Entſcheidung endgültig ift. 
Sollte der Zwift nicht durch bie Öolfregeln 
gededt jein, fo müffen ihn die Richter nad) 
beftem Können entfcheiden. 


3 Fußball. 


712. Einleitung. Zu den ſchön— 
ſten aller Rafenjpiele gehört un— 
ftreitig das Fußballipiel. Wie 
jehr es geeignet ift, männliche Tu: 
genden: Mut, Entjchlofienheit, 
Geijtesgegenwart und Kamerad- 
Ichaftlicyfeit zu entmwideln, ja, wie 
es gerade Durch diefe Eigenschaften, 
die es fordert, dem innerften, deut: 
ſchen Wefen entſpricht — troß allem 
was man gegen dag Spiel ins Feld 
geführt hat und nod) fagt! — das 
beweift die enorme Verbreitung, die 
das Spiel in ganz Deutjchland an- 
nimmt, vunterftüßt von allen Päda— 
gogen, Merzten und Gelehrten, 
denen die Sorge für die Jugend 
am Herzen liegt und die zugleich 
wifien, melden Sauptfehler die 
deutjche Erziehung bisher begangen 
hat und in welcher Hinficht dieſer 
Mangel zum Ausdrud fommt. Die 
förperlihe Ausbildung hielt abſo— 
ut nit Schritt mit der geiftigen 
und die ungejunden Xebensverhält: 
niffe in den größeren Städten tra- 
ten hinzu, um eine eingreifende 


Reaktion gegen die die Zukunft des 
Volkes gefährdenden Schäden nötig 
zu madhen. Gewiß war das Turnen 
von hervorragenden Nußen, behielt 
aber do, da es unter Aufficht des 
Lehrer ausgeführt wurde, etwas 
jtreng Pädagogifches, Doktrinäreg ; 
und Kinder müſſen zu ihrer wirk⸗ 
lihen Erholung jpielen fönnen und 
fich jelbjt überlafjen bleiben. Da: 
ber wurde die Gründung der erſten 
Fußball:Berbände in Deutichland, 
die bis zum Anfang der neunziger 
Jahre des letzten Sahrhunderts 
zurüddatieren, von allen einfichtigen 
Männern mit Freuden begrüßt. 
Denn das Fußballipiel verhilft der 
Sugend wieder zu ihrem Recht, e3 
geftattet ein Austoben und Aus- 
jagen, bringt immer wieder neue 
Abmechfelungen, über denen die 
Müdigkeit vergefjen wird und ftählt 
dag Gefühl der Berantwortlichkeit 
und Gemeinfamleit ; jeder Spieler 
jet feine bejte Kraft ein, um feiner 
Partei zum Siege zu verhelfen und 
weiß, daß die doch nur mit Hilfe 


XT. 3. Fußball. 


aller geſchehen kann — Fußballſpiel 
iſt eben ein Mannſchaftsſpiel par 
excellence! Daß es „roh“ ſei, weil 
gelegentlich, aber ſehr ſelten ein 
Knöchel- oder Armbruch vorkommt, 
iſt eine Behauptung, die nur von 
Laien und ganz Unkundigen erhoben 
werden kann. Wie in der Einleitung 
dieſes Buches feſtgeſtellt worden iſt, 
ſoll eben jedem echten Sport das 
Momentder Gefahr nicht ganzfehlen; 
wollte man alſo ſeinen geliebten 
Körper feiner noch fo Heinen Fähr⸗ 
lichkeit ausfegen, fo müßte man 
feinerlei Sport treiben, fondern hin: 
term Ofen fiten bleiben; obgleich ja 
auch Unfälle genug innerhalb der vier 
Wände vorfommen! Da das Gute 
Nügliche ih, wie die Weltgefchichte 
lehrt, immer durchjest, jo fann man 
auch die Kleinen Kämpfe gegen das 
Fußballſpiel, die fich auf Unwiſſen— 
heit, Eigenfinn oder die beliebte 
deutſche Streitfucht gründen, getroft 
ſich feldft überlaffen — entwurzeln 
werden fie die Vorliebe für das 
Spiel doch nicht mehr können, höch⸗ 
ſtens es in feinem Siegeszuge et- 
was hemmen. Was fich fchließlich 
aber in Deutjchland einmal ein- 
niftet, fit um fo feiter — das muß 
der Troft fein! 

Welche Bedeutung aud) von mili- 
tärifcher Seite diefem Sport bei- 
gelegt wird, bemeift ein „Heer und 
Sport” benännter Artikel des Haupt: 
mann? und Kompagniedhef3 WM. 
Scheibert, in dem bie Frage 
aufgejtellt wird: „Was foll die 
Snfanterie für Sport treiben ?“ 
Hauptmann Scheibert fordert 
als beſte jeelifche Eigenschaften des 
modernen Soldaten „einen zähen 
Charalter, ein heißes Herz, einen 
zu raſchem Entfchluß fähigen, auf: 
gewedten Kopf“ und er fommt zu 
dem Schluß, daß ein Sport, der 
diefe Forderungen erfüllen hilft, 
billig und interefjant fein follte, 
feine übergroßen Borlenntnifje ver: 


Nro. 712. 


langen und die gleichzeitige Teil- 
nahme einer größeren Menge ge- 
ftatten müßte. „Da gibt ed nur 
einen paflenden Eport,“ fährt er 
fort, „dag Fußballſpiel.“ Hoffent- 
ih nußt dies Eintreten von fo be- 
rufener Eeite; dag Wefen des Fuß: 
ballſpiels gründet fich. ja auf Dis— 
ziplin und Unterordnung, ift alfo 
quafi nur eine Fortjegung der 
militärifchen Erziehung, und ebenfo 
wie der Soldat im Hinblid auf 
den endlichen Sieg die eigene Per— 
ſönlichkeit rückſichtslos einfegen fol, 
verlangt auch dag Spiel ein Auf- 
gehen im Streben der Partei. Sm 
Fußballſpiel finden fid) folglich alle 
Momente, die im Kriege den mo: 
raliihen Wert de8 Mannes aus: 
maden. — 

Als ältefter Hiftorifcher Vorläufer 
des Fußballſpiels ift das Harpaftunı 
der Römer (bei den Griechen unter 
dem Namen Episfyros) zu betrad)- 
ten, dag wahrfcheinlich durch Cäſars 
Legionen nad) England verpflanzt 
wurde. Die Wettfpiele zu Derby 
follen fogar ihren Urfprung in einem 
Siege über die Römer gehabt haben 
und zur Erinnerung an diejeWaffen- 
tat jährlich wiederholt worden fein. 
Jedenfalls nahm auch die Verbrei— 
tung des Fußballſpieles auf den 
britiſchen Inſeln bald in einer 
Neife überhand, daß die Regierung 
ebenjo wie durch das Golfſpiel eine 
Bernadläffigung desBogenjchießeng 
befürchtete und aud) dag Fußball: 
jpiel durch allerlei Edikte und Stra— 
fen zu unterdrüden ſuchte. Doch 
war der Kampf ebenfo frudtlos 
wie der gegen das Golf; das Spiel 
blieb befonders in den mittleren 
und unteren Volksſchichten fehr be- 
liebt, verdiente damals allerdings 
etwas den Vorwurf der Noheit, der 
ihm heute ungeredhterweije nod) 
gemacht wird. Denn da e3 darauf 
anfam, den Ball, eine in Leder ge= 
nähte Tierblaje, in das Nachbar- 


Nro. 712. 


dorf zu bringen und ihn dort an 
einem beftimmten Mal niederzu- 
legen, außerdem der Kampf mit 
Armen, Händen und Beinen ge— 
ftattet war, artete die Begegnung 
der feindlichen Parteien unterwegs 
gewöhnlich in blutigen Kampf aus. 
Das war au der Grund, weshalb 
fih der Adel und die gebildeten 
Leute von dieſen meiſtens zur Falt- 
nachtszeit ausgetragenen Wettjpielen 
fernhielten und fie veradhteten. Zu 
Zeiten Eliſabeths unterjchied man 
bereit3 zwei Arten des Spieles: 
da® hurling over country, das 
eben das Befördern des Fußballes 
von einem Dorf ind andere war, 
und das hurling to goal, bei dem 
der Ball durh ein aus Büſchen 
markiertes Tor getrieben wurde. 
Sn Frankreich fannte man um die— 
jelbe Periode dag Chollage: oder 
Choulagefpiel, das darin beitand, 
einen Ball durch einen mit Seiden- 


papier bejpannten Tonnenreifen zu | h 


treiben, der als goal diente. Bon 
einem italienischen Fußballipiel er- 
zählt der Schriftfteller Scanio im 
16. Jahrh. Der Ball durfte bier 
jedoch nicht vorwärts geworfen, jon- 
dern mußte getragen und nur mit 
tem Fuße „gebribbelt”, getrieben 
werden. 

Durch den Einfluß der Buritaner 
wurde das Fußballipiel in England 
verpönt und geriet vollftändig in 
Bergefienheit, bis die berühmte 
Schule von Rugby feinen erziehe- 
rischen Wert erfannte und eg neu 
einführte. Es wurde dort in der 
alten Weife gefpielt, nämlich mit 
der Erlaubnis, den Gegner feſtzu— 
halten und den Ball mit den Hän- 
den fortzutragen. Andere Schulen 
dagegen, bei denen nicht auf Raſen— 
plägen, jondern auf hartem Boden 
gejpielt wurde, verboten, um Ber: 
legungen vorzubeugen, den Ball 
mit den Händen zu berühren und 
den Gegner ander ald nur mit 


E. Gräfin Baudilfin. 


berabhängenden Armen fortzus 
drängen. Diefe große Trennung 
zwiſchen den beiden Spielarten be⸗ 
ſteht troß aller Berjuche, die ver: 
fhiedenen Anfichten zu überbrüden, 
noch bis auf den heutigen Tag; 
nad . wie vor unterjcheidet man 
zwiſchen „Rugby“ und „Aſſoziation“, 
wie das Spiel, dad dad Tragen 
des Balles verbot, genannt wurde. 

1863 wurde in London die Foot⸗ 
bal-Affoziation gegründet, die in 
ihren erjten Regeln das Fangen 
des Balle8 aus der Luft, nach Dem 
erften Aufiprung ujm. geftattete. 
Da gber der Sambridge Club feinen 
Beitritt von der Erklärung ab: 
bängig madte, jeded Spielen mit 
den Händen zu verbieten, wurden 
die Regeln dahin abgeändert. Aller: 
dings vollzog ſich dadurch die ab- 
fulute Trennung zwiſchen Rugby- 
und Afioziationfpielern ; die letzteren 
find aber bedeutend in der Mehr: 
eit. 

Faft nationale Feſte find jährlich 
in London bie Wettkämpfe zwiſchen 
den Mannfchaften der vier König- 
reihe England, Schottland, Wales 
und Irland, die bis 1893 auf dem 
Kenfington Dval und jet auf dent 
Criſtal Balace Ground abgehalten 
werden und die ſich um die Erobe⸗ 
rung des im Sahre 1871 geftifteten 
Chrenpreifes, des „Challeuge cup“ 
drehen; unzählige „bets“, Wetten, 
in denen der Engländer ja ohnehin 
groß ift, werden auf die mutmaßlich 
fiegende Partei abgefchlofien. | 
Die fabelhafte Vorliebe fürs Fuß- 
ballipiel bat aber auch in England 
den umfangreiden Stand der Be- 
rufsjpieler gezüchtet; daß fie dem 
Sport ſchaden, ift fiher,denn Sport 
joU nicht mit dem Begriff des Er- 
werb8 verbunden werden — er foll 
nur eine ideale Konkurrenz dulden 
und feinen anderen Zwed als den 
förperlicher Stärkung und Erholung, 
wie der Ausbildung männlicher 


XI. 8, Xußbal. Nro. 713714. 


Zugenden haben. — Da bei ung | aber das erjte Spiel ift, das fefte 
in Deutjhland der Sport kaum | Regeln bejaß, fol es zuerft be- 


jemal3 eine ähnliche Bedeutung, | fprochen werden. 


eine Art von Selbſtzweck, anneh- 
men wird, wie in England, braucht 
man auch nicht Webertreibungen 
und Ausfchweifungen zu fürdten. 
Die Beruföfpieler werden bei ung 
immer nur nötig fein, um die 
Laien in die Anfangsgründe eines 
Eport3 einzuführen. 

Der Fußballiport ift, da er alle 
Musteln des Körpers in Anſpruch 
nimmt und gleichmäßig alle Glied- 


Zu jedem Spiel 
gehören zwei Parteien zu je 11 
Spielern, von denen jede bemüht 
iſt, den Ball durch das feindliche 
Tor zu treiben. Außer dem Tor⸗ 
wächter darf niemand die Hände 
benützen, um den Ball aufzuhalten 
oder vorwärts zu bringen, er ſoll 
nur mit den Füßen geſtoßen wer— 
den. Dies iſt die einfache Erklä— 
rung des Spiels. Daß aber ſeine 
Ausübung durchaus nicht ſo ſimpel 


maßen in Bewegung ſetzt, eines der iſt, wie es nach der kurzen Erläu— 


vorteilhafteſten Spiele. 


Freilich, terung ſcheinen mag, geht daraus 


daß ſich Frauen an ihm beteiligen, hervor, daß ein ungeheures Training 


iſt ausgeſchloſſen. Die Anſtrengung 
für ſie iſt viel zu groß und die 
Bewegungen wirken, durch Frauen 
ausgeführt, direkt unäſthetiſch. Ich 
habe einmal vor vielen Jahren 
einem öffentlichen Fußballmatch von 
Frauen in London beigewohnt. 
Das ſonſt bei Sportäleiftungen 
leicht enthufiagmierte Londoner Pub⸗ 
litum blieb den gar nicht Tchlechten 
Leiſtungen gegenüber eiskalt, ſprach 
von Provinzmädchen, die um jeden 
Preis auffallen möchten, und ſich 
deshalb „indecent“, unanftändig, 
betrugen — kurzum, ich glaube 
faum, daß der Verſuch wiederholt 
worden iſt. Wird durch eine Frau 
der Schönheitsfinn beleidigt, fo 
verliert ihr höchſter ſportlicher Er- 
folg feinen Wert. 

In Deutichland, bejonder im 
Norden, wird meiltend nad Afjo- 
ziationsregeln gefpielt ; die befann- 
teften Klubs find die Berliner, 
Tresdener und Hamburger. 

In Amerifa und in Auftralien 
haben fich zwei befondere Arten des 
Fußballſpiels entmwidelt, die fich 
weit von dem englijchen entfernen. 


Hlffoziation. 


713. Allgemeined. Da das 
Affoziationjpiel nicht das ältere, 


nötig ift, um einer Mannjchaft auch 
nur einen beachteten Namen zu ver: 
Schaffen. Nur durd langes Ueben 
kann es erlernt werden, die Ab: 
fihten des Gegners zu durchſchauen 
oder zu ahnen und das eigene Spiel 
darnad) zu richten. Da alles auf 
gemeinfames Arbeiten ankommt, jo 
muß ſich zur gegenjeitigen Ergän: 
zung in jeder Mannfchaft einer auf 
den andern „einarbeiten” — nur 
dann erjt kann von einem richtigen 
„Spiel” die Rede fein. 

714. Das Spielfeld. Das Spiel- 
feld foll eine Länge von 110 m zu 
75 m Breite haben, der Boden muß 
gut geebnet und von allen großen 
und Heinen SHinderniffen befreit 
fein. Das befte ift auch hier ein 
Raſen, ſonſt eine feftgejtampfte 
Fläche. 

Die Marken rings um den Plat 
werden mit Kalfmilch gezogen; an 
den Längsſeiten werden fie Seiten- 
oder Marklinien (touch-lines) ge— 
nannt, an den Breitfeiten Mal: 
oder Torlinien (goal-lines). In 
11 m Entfernung von den beiden 
Torlinien werden parallel zu ihnen 
die Elfmeter: oder Straflinien (pe- 
nalty-lines) abgegrenzt; ebenſo 
geht genau dur den Mittelpunkt 
des GSpielfelde8 eine Linie von 


Niro. 715. E. Gräfin Baudiſſin. 


Längsſeite zu Längsſeite. Wieder wird. Das Gewicht des Balles ſoll 
um dieſen Mittelpunkt wird ein 400—450 g betragen, fein Umfang 
Kreis von 9 m Radius gezogen. 65—70 cm. Wird er nidt ge: 
Die Tore, „goals“, jtehen jich | braucht, fol die Luft herausgelafjen 
genau auf den beiden Breitjeiten ' 
gegenüber; ihre beiden Pfojten 
haben einen: Raum von 7,35 m 


Thorlinıe 75m 










347. Aſſoziation-Fußball. 


Serten-Linie od. Mark 


und das Leder zur Konfervierung 
häufiger mit Fett eingerieben wer— 
‚den. Zum Aufblafen dienen Luft: 
pumpen. 

Die Torpfoften werden in 
einer Höhe von 2,5 m durch Quer— 
ftangen oder Bänder mit einander 
verbunden; noch rationeller, um 

546. Grundriß des Spielfeldes. das Paſſieren des Balles durch das 
Goal abſolut ſicher zu beurteilen, 
zwiſchen ſich. Um jeden Torpfoſten iſt, das zwiſchen den Pfoſten be: 
wird mit Kreide ein Halbkreis von feſtigte Tornetz, das goal-net, das 
5,5 m, um jede, die Ecken des Spiel: | 
feldes markfierende Flagge ein 
ViertelfreiS von 1 m Radius ge= 
zogen. Die Punkte, in denen fich 
die Mittel: und die Elfmeter:Linie 
mit den Breitjeiten berühren, wer— 
ven gleichfalls durch Flaggen be= 


& Mark oder Sei-_Sten-Linre 110m 


Thor 
OThorpfosten O-Mitelpunkt des Spielfeldes 



















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zeichnet. —— 
715. Die Spielgeräte. Der Te 


Ball zum Affoziationfpiel ift von, — 

kugelrunder Geſtalt und zum Auf: ——— 
blaſen eingerichtet; feine äußere 

Hülle befteht in ftarfem, aber nicht | den Ball auffängt. In England 
zu fteifem Leder, das, nachdem der iſt feine Anwendung bei allen wich- 
Ball gänzlich voll Luft gepumpt ift, | tigeren Wettipielen Vorſchrift. Die 
durch einen Lederriemen vermittelt Höhe der Torpfoften beträgt 7,5 m, 
einer Ahle feit zufammengejchnürt | die ver Eckpfoſten ungefähr 3m; 


XL. 3. Iußball. 


auch die Flaggenſtangen follen 
wenigfteng mannshoch fein, um je- 
dem Unglüd vorzubeugen ; aus dem= 
jeilben Grunde wird ihrem Ende 
ein runder Knopf aufgefegt. 

716. Der Gang des Spieles. 
Die beiden, zum Fußballfpiel nö— 
tigen Parteien haben je 11 Spieler, 
die in angreifende und verteidigende 
geteilt werden und von deren Zus 
jammenarbeiten allein, wie jchon 
betont wurde, der Erfolg abhängig 
ift, nit von den Leiftungen des 
einzelnen. 

Bon den angreifenden Spielern 
heißend die Stürmer (forwards) 
und 3 die Martmänner oder 
Halbfpieler (halfbacks); 2 Mal: 
oder Hintermänner (backs) 
bilden mit dem Torwächter 
(captain) die Verteidigung. 

Eröffnet wird dag Spiel durd 
das Lofen der beiden Torwächter 
um den Abjtoß oder um die Wahl 
der Spielfeite. Dem Sieger fteht 
es frei, welchen von diejen Borzügen 
er ausnützen will — oft wird ihn 
zur Wahl der Spielfeite die Wind- 
richtung veranlaflen. Der beige- 
fügte Plan ergibt die Aufjtellung 
der Parteien zum Spiel; die be- 
ginnende Partei darf bis zur Mittel- 
linie herantreten, die feindliche muß 
außerhalb des den Mittelpunft um⸗ 
gebenden 18 m Kreiſes bleiben. 
Mit einer Signalpfeife gibt der 


Schiedsrichter das Zeichen zum 


Beginn — der Ball, der vor dem 
mittelften Stürmer liegt, wird von 
diefem im felben Moment abge 
ftoßen, dem feindlichen Goal zu. 
Iſt dieſes paffiert, fo ift ein Goal 
(Mal) gewonnen; wer in einer fejt- 
gejegten Zeit die meilten Male ge— 
winnt, ift Sieger; haben beide Bar: 
teien dieſelbe Anzahl von Malen, 
fo ift das Spiel unentichieden. 
Der Ball wird mährend des 
Spieled nur mit den Füßen und 
dem Körper, ohne jede Benutzung 


ro. 716. 


der Hände und Arme getrieben, 
fliegt oft hoch durch die Luft, rollt 
flah über den Boden oder wird 
„gedribbelt” — aus dem Spiel 
it er, wenn er auf der Erde oder 
in der Luft über die Seiten- oder 
die Torlinien gerät. Der Spiel- 
wart gibt feiner Partei die Befehle, 
denen widerſtandslos gefolgt mer: 
den muß; dem Tormächter liegt das 


Port L 


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Morneti 
Pertel IL 


349. Plan des Spielfeldes „Affoziution”. 
) die Torwüchter. 2 linfer, 3 rechter Maul: 
mann. 4 linker, 5 Sentrums, © rechter 
Markmann. 7 Liner äußerer Flügel-, 
8 linker innerer Flügel-, 9 Mittels, 10 rechter 
innerer Flügel-, 11 rechter äußerer Flügel— 
ſtürmer. 
B Ball. Meſchiedsrichter. O Einienrichter- 


Schwere Amt ob, das Goal zu ver: 
teidigen; er darf hierzu die Arme 
und Hände benutzen und fchleudert 
den Ball der eigenen Partei wieder 
zu. Die Dauer des Spieled wird 
gewöhnlih auf 2mal 45 Minuten 
feftgejfegt, mit einer Pauſe von 
5-10 Minuten dazwischen. Ber: 
pönt ift es, den Gegner zu jtoßen, 
über den Haufen zu rennen, von 






“. 


Nr. 717. 





E. Gräfe Bud 00 
hat, ſtarkes Armſchwenken, das iin 
am Vorwärtslaufen verhindert, 
Stoßen mit dem Ellbogen ufm. — 
alle8 „Tricks“, deren fich eben nur 
> unlautere Naturen und — ſchlechte 
Spieler bedienen, denn ein guter 
Spieler bedarf ihrer nicht — find 







hinten anzurennen oder gegen die 
Schienbeine zu treten; der Feind 
darf nur mit den Schultern und 





350. Knöchelfchüter. 
Aus Nordhaufen, Sport und Körperpflege. 


den herabhängenden Armen beifeite 
gedrängt, niemals abjichtlich gepufft 
oder mit heftigem Ruck fortgeftoßen 





352, Schienbeinfchüßer. 
Aus Nordhaufen, Sport und Körperpflege. 


jtreng verpönt und haben bei Wieder⸗ 
holung die Verweiſung vom Spiel- 
feld zur Folge. Leichtere Verſtöße 
gegen die Regeln oder den Anftand 
all dem Gegner einen Frei- 
toß. 

Das Amt des Schiedsrichters iſt 
durchaus kein leichtes, denn es läßt 
ſich ſchwer unterſcheiden, ob eine 
Schuld oder nur ein böſer Zufall 








351. Fußgelenkhalter. 
Aus Nordhauſen, Sport und Körperpflege. 


werden. Die Nägel an den Stiefeln 
oder Schienbeinſchützern, falls ſie 
überhaupt verwendet werden, müſſen 
von Leder bedeckt ſein, auch dürfen 
ſich an den Sohlen, Abſätzen und 
Schienbeinſchützern weder Gutta— 
perchaſtücke noch Metallplatten be— 
finden. 
Jedes Ueberſchreiten dieſer Ver— 
dote, wie überhaupt jedes „unfaire“ 
= Spiel wie „LVeinftellen”, das ein 
Stürzen des Gegners zur Folge 


..F 


vorlag; fein Urteil, oft unterftügt 
von dem der Linienrichter, ift maß- 
gebend. Das Spiel muß auf den 
Pfiff der Signalpfeife Hin ſofort 
unterbrochen werden, zum Rekla— 
mieren muß der Spieler beide Arme 
in die Höhe heben. Während der 
Pauſe werden die Seiten gewechjelt. 

717. Die Spieler. Den Stür- 
mern (forwards) fällt die Auf: 
gabe zu, das feindliche Tor zu neh- 
men. Im Laufe der Zeit dat jich, 
von Schottland ausgehend, die 
Pflicht jedes Spieler in ftrenge 
Grenzen gejondert, während ur— 


<a 





XI. 3. Außball. 


prüngli jeder Spieler für fich 
allein fpielte, ohne auf den nächſten 
Nücficht zu nehmen. Durch dieſe 
Arbeitseinteilung hat fich dag Spiel 
natürlich fehr verfeinert ; die Pflich- 
ten des einzelnen haben fih ein 
paarmal verfchoben, bis der heutige 
Standpunkt erreicht worden ift, der 
die Stürmer in den Zentrums: 
ftürmer, den widtigften der Partei 





D nn 


353. Der Abftoß. 


und in die inneren und äußeren Flü- 
gelleute einteilt. Da der Zentrums⸗ 
ftürmer den Abſtoß auszuführen 
Hat, ſucht er dem Ball eine Ric: 
tung zu geben, in der ihm eine 
Schwäche des Gegners, eine Un- 
aufmerkſamkeit oder dergl. auffällt. 
Der Stürmer neben ihm nimmt 
das Spiel weiter auf; das beite 
ift es, den Bal zu „pribbeln“, 
d. b. ihn in kurzen Stößen vor ſich 
berzutreiben (diefe Kunſt ift die 
höchſte des Fußballſpielers) und 
ihn, da es jehr unwahrſcheinlich ift, 
die ganze Reihe der feindlichen 
Stürmer zu paffieren, nad einem 
Flügel bin zu richten. Die Flügel— 
leute deden den Spielenden, indem 
fie neben ihm berlaufen; Tann der 
Ball nicht mehr geſchützt merden, 
fo wird er einem anderen Stürmer, 
eventuell aud einem Markmann 
weitergegeben. 

Der Zentrumsftürmer muß, um 


Niro. 717. 


je nachdem den Ball nad rechts 
oder links zu fpielen, beide Füße 
gleich gewandt benuten können; da 
er als Hauptperjon viel „angerem= 
pelt“ wird, aud den Ball auf 
große Entfernungen ficher ftoßen 
fol, muß er ſtark und groß fein 
und zudem genauefte Kenntnis der 
Spielregeln befiten. Auch die 
übrigen Stürmer jollen gute Spie- 
ler fein; die fchnelliten Läufer 
ftehen am äußerften Flügel. 
Wenn der Angriff einer Partei 
abgeſchlagen worden ift, zieht fie 
ſich in ähnlicher Aufftelung wie 
zum Beginn des Spieles zur Tor: 
linie zurüd, da der Kampf von 
diejer Stellung aus ftet3 am vor⸗ 
teilhafteften ift. — Die Stürmer 
tun am beiten, ihren Play während 
der ganzen Saiſon innezuhalten, da 
fie id dann gründlid in ihre 
Pflidten einarbeiten fünnen. 
Die Martmänner (half- 
backs) find aud) in ihrer Zahl er: 
höht worden, feitbem zwei Stürmer 
gewöhnlich miteinander fpielen und 
den Ball „paſſen“, d. 5. ihn ſich 
zujpielen. Der Pla der Mark: 
männer ift zwifchen den Stürmern 
und den Malmännern und gibt 
ihnen Gelegenheit, dag ganze Spiel 
zu beobadten. Daher ift der 
mitteljte Markmann auch meijtens 
zugleich der Spielwart. Ihm wie 
feinen beiden Trabanten liegt die 
Pflicht ob, immer ihre gerade an 
gegriffenen oder ſchwächeren Bart: 
ner zu ftüßen, aljo bald den Stür— 
mern, bald den Malmännern bei: 
zuftehen. Deshalb müfjen fich in 
ihnen alle Tugenden des guten 
Fußballſpielers vereint finden: fie 
müſſen jomohl vorzüglihe Läufer 
wie fichere kräftige Spieler fein. 
Zum Beginn des Epieled halten 
fi) die halfbacks dicht hinter den 
Stürmern, um im Notfall, wenn 
der Gegner den Ball durch Die 
Stürmerreihe treibt, den Val jo- 


ro. 717. 


fort aufzunehmen und ihn wieder 
— mit furzem Stoß — einem vor= 
teilhaft jtehenden Spieler zuzutrei- 
ben. Cine befondere Spezialität 
"der halfbacks ift dag Spielen oder 
Varieren mit dem Kopfe, wodurd) 
der durch die Luft herabjaujende 
Ball weit zurücgefchleudert wird 
und zwar, nach einiger Hebung, in 
der gewünfchten Richtung. Ferner 
wird gewöhnlich ein Markmann 
dazu auserjehen, den aus dem 
Spiel geflogenen Ball wieder ins 
Spielfeld Hineinzumwerfen; ſeine 
Kunft muß es ermöglichen, daß der 
Ball jofort von einem Spieler 
feiner Partei aufgefangen wird. 





354. Anrempeln eines Gegners. 


Die Berteidigung liegt in den 
Händen der Malmänner (backs 
oder auch fullbacks genannt). Sie 
entfernen jicy nie weit von ihrem 
Tor und müfjen aus jeder Stel— 
lung den Ball aufnehmen und 
ftoßen fünnen. Zum Dribbeln des 
Balle8 jollen die fullbacks nur 
dann greifen, wenn fie feinen 
Gegner, fondern freies Feld vor 
fih haben; dagegen müfjen fie im 


jtande jein, den Ball eventuell mit 








G. Gräfin Baupilfin. 


den Füßen fo lange anzuhalten, 
bis fie ihn einem Freund zutreiben 
fönnen, oder ihn durch gejchicte 
Wendungen, Sprünge und dergl. 
von der Bruft oder den Beinen 
abprallen zu lafjen. Ein fullback 
bat feine Aufmerfjamfeit mehr auf 
die Spieler, bejonder® auf Die 
feindlihen Stürmer, zu richten, als 
auf den Ball felbjt; dieſen hat er 
befjer dem Torwächter zur Abwehr 
zu überlajien. Das raffinierte Zu= 
jammenfpiel zwifchen half- und 
fullbacks, das abjolut zur richtigen 
Verteidigung nötig ift, datiert erft 
aus der Neuzeit und iſt englijchen 
Urſprungs. Das „Antempeln“, um 
einen Gegner vom Ball fort 
zudrängen, iſt eine andere 
Aufgabe der backs; es darf 
nicht von Hinten gejchehen, 
fondern joll von der Geite 
erfolgen und zwar im Mo— 
ment, wenn der Gegner ge= 
trade zum GStoße mit dem 
Bein gegen den Ball ausholt. 

Die umgekehrte Regel für 
den Afjoziationfußballipieler, 
nie mit den Händen, nur mit 
den Füßen zu jpielen, gilt 
für ven Tormädter, den 
goal-keeper: er joll nur im 
äußerjten Notfall von den 
Füßen, fonft nur von den 
Händen Gebrauh maden. 
Seine Kraft und Kunft gilt 
der Verteidigung des Males. 
Da ſich der Gang des Spieles 
oft in wenig Minuten, ja fait in 
Sekunden ändert und der Ball, 
der fih eben noch jenjeit$ Der 
Mittellinie befand, plöglih vorm 
eigenen Tor auftaudhen kann, jo 
darf fich der goal-keeper nie in 
Sicherheit wiegen, jondern muß 
immer angejtrengt den Yauf des 
Spieled verfolgen und bejonderg 
den Ball jelbjt im Auge behalten; 
geifhüst vorm Anrempeln ijt er, 
wenn er gerade den Ball aufnimmt 


x1. 3. Zufball. 


oder weitergibt, durd die Spiel: 
regeln, und zu feiner Verteidigung 
follen fih die fullbacks um ihn 
Iharen. Der Tormädter ſoll den 
Ball mit den Händen auffangen 
— ihn nit mit der Fauft oder 
dem Kopf parieren — und ihn jeit- 
wärts weiterwerfen, da er von 
dort aus fchwerer and Mal zurüd- 
getrieben wird. Vom Tor darf ſich 
der goal-keeper nur dann entfer- 
nen, wenn er nicht ohne Berteidi- 
gung zurüdbleibt. Die Force dieſes 
legten wichtigen Berteidigerd des 
Males liegt ferner im ſcharfen Be— 
obachten des gegen das Tor ge: 
führten Stoßes, um genau zu 
wiſſen, in welcher Richtung der Ball 
eintreffen wird. Deshalb fol dem 
Torwächter ftet3 genügend Bemwe- 
gungdfreiheit gelafjen werden. Zum 
bejjeren Auffangen des Balles trägt 
ver Torwächter wollene oder lederne, 
mit Gummieinlage verjehene Hand- 
ſchuhe oder reibt fih die Hand- 
flächen mit Kolophoniun ein. 
Der Spielmart (captain) ift, 
wie bereit3 erwähnt murde, ge= 
wöhnlih der mitteljte Markmann. 
Er muß feine Mannſchaft wie ihre 
Vorzüge und Schwächen fo genau 
fennen, daß er von vornherein 
jedem Spieler den Plab anmeiit, 
der feinen Leiftungen am beiten 
entjpridt. Sein Hauptaugenmerf 
fol auf tadellofe8 Zufammen- 
arbeiten gerichtet fein und auf 
ſtrammſte Disziplin. Während des 
Spieles bejchränft fich feine Tätig- 
teit auf kurze Befehle und Zurufe, 
um die Mannfchaft nicht zu ver: 
wirren; vor und nad) dem Spiel 
hat er fie zu belehren und auf 
etwaige Fehler hinzumeifen. Ferner 
ift er verantwortlih für die vor- 
ſchriftsmäßige Kleidung, den Fame: 
radfchaftliden Ton, für Art und 
Stil feiner Mannſchaft; er hat jede 
„Roheit“ aufs jchärffte zu ahnden, 
und [chließlich ift er es, der gegen 


Niro. 717. 


die Fehler des Gegnerd Proteft 
beim Schiedsrichter einlegt. 

Der Schiedsrichter hat ftet3 
dem Gang ded Spieles, aljo dem 
Ball, zu folgen. Daraus ergibt 
ih, daß er unabläffig hin- und her: 
laufen muß, denn ihm darf fein 
Stoß, feine Bewegung der Parteien 
entgehen. Sein Amt iſt daher ein 
jehr bejchwerliche8 und nicht immer 
angenehme3, denn das Kampf: 
gedränge macht ihm oft ein ganz 
objeftiveg Urteil nicht leicht. Ob 
der Spielplaß in Ordnung und alle 
Marken richtig gezogen find, ferner 
0b.da8 Schabgeug der Spieler vor- 
ſchriftsmäßig ift, der Ball beim 
Abftoß mindeftend um 70 cm vor: 
wärts fliegt — das alle® hat er 
zu beobadten. Seine wichtigſte 
Aufgabe ift natürlich die am Tor; 
jobald der Ball in die Nähe eines 
Males fommt, muß der Schied8- 
richter auch dort fein, um zu beur= 
teilen, ob der Ball wirklich mit 
feinem ganzen Umfange die Linie 
palftert hat, ehe der Torwächter ihn 
auffängt; denn nur dann gilt das 
Mal ald gewonnen. Fliegt der 
Ball aus dem Spiel und muß neu 
hereingebracht werden, jo bat die 
Stelle, wo died zu gefchehen it, 
der Linienrichter zu bezeichnen; der 
Schiedsrichter dagegen hat darauf 
zu achten, daß der Spieler, der den 
Ball werfen fol, genau auf der 
bezeichneten Stelle jteht und zwar 
mit beiden Füßen auf der Grenz: 
linie, und daß er den Ball mit 
beiden Händen über den Kopf fort 
ing Spielfeld hHineinwirft. Beim 
Spiel des Torwächters muß der 
Schiedsrichter darauf acht geben, 
daß Ddiefer nit mehr als zwei 
Schritte mit dem Ball in den Hän— 
den läuft und daß er außerhalb der 
Hälfte ſeines Spielfelde8 nicht 
mehr mit den Händen, jondern mit 
den Füßen fpielt. Beobachtet der 
Schiedsrichter einen Fehler, eine 


Nro. 718. 


Roheit oder dergl., jo unterbricht 
- er dad Spiel mit einem Signal- 
pfiff; ebenfo gibt er das Zeichen 
zum Beginn und Schluß des Spieles 
und hat die Zeitdauer auf die Se: 
funde abzumejjen. Er verleiht auch 
aus Strafe für die [huldige Partei 
dem Gegner den „Freiftoß” — 
wird nun dieſer wieder faljch aus— 
geführt, jo erhält wiederum Die 
andere Partei einen Freiftoß. Wird 
das Spiel aus irgend einem anderen 
Grunde unterbroden, d. 5. ohne 
daß ein Freiftoß gewährt wird, jo 
muß der Schiedsrichter den Ball 
zu neuem Spielbeginn ſenkrecht in 
die Höhe werfen, von der Stelle 
aus, wo der Ball zulegt gelegen 
hat; der Ball darf erft wieder be—⸗ 
rührt werden, wenn er den Boden 
erreiht hat. Der Schiedsrichter 
braucht Reklamationen nit Folge 
zu geben, noch hat er zu erklären, 
weshalb er fie nicht anerkennt; 
fein Urteil auf dem Spielfeld ift 
uneingefchräntt und maßgebend. 
Bei wichtigeren Spielen ermählt 
man deshalb gern, um eine abjolute 
Objektivität zu erleichtern, den 
Schiedsrichter eines dritten, nicht- 
jpielenden Verbandes. 

Die Linienridter, zwei an 
der Zahl, betreten das Spielfeld 
nicht, fondern bewachen feine Gren- 
. zen von außen. Sobald der Ball 
eine Orenzlinie überfliegt, geben 
fie dem Schiedsrichter durch das 
Schwenken einer Flagge ein Zeichen 
und haben ſich genau die Stelle zu 
merken, an der der Ball aus dem 
Spiele flog, da er vom jelben 
laß aus zurüdgeworfen werden 
muß. Schre Anficht ift jedoch auch 
der des Schiedsrichterg unterworfen. 

718. Einige bejondere Stöße. 
Der moderne Stil des Aljoziation- 
fußballſpiels verlangt flache Stöße; 
hohe Stöße — richtige „Blender“ 
für das große Publikum — werden 
leicht vom Feind pariert und ſollten 


E. Gräfin Baudiſſin. 


nur dann angewendet werden, wenn 
es gilt, den Ball über entgegen= 
ftürmende Gegner fortzumwerfen. 
Da8 Dribbeln fol nie mit der 
El fondern mit der Innen⸗ 

ihe der Füße ausgeführt werden. 
Der Bau wird dabei dicht unter- 
halb feines Mittelpunktes getroffen, 
damit er ftetd noch über der Erde 
bleibt. 

Das Paffen (Zufpielen des 
Balle8 von einem Spieler zum 
andern) geſchieht ebenfall8 nur mit 
der Innen- oder Außenjeite des 
Fußes, nie mit den Fußfpigen. 

Sn den Stößen auf dag 
Tor find die englifhen Mann⸗ 
Ihaften den deutfchen noch über: 
legen, da fie mit Erfolg lange 
Stöße von ca. 25m direft aufs 
Zor zu wagen, während die deut- 
Ihen den Ball dicht und ficher ang 
Mal heranbringen wollen. 

Der Edball (cornerkick) wird 
gewährt, wenn der Ball über die 
Zorlinie geht und einen Spieler 
der Partei berührt hat, um deren 
Mal es fi handelt. Der Bau 
wird innerhalb des Meterkreifes 
der nächſten Edftange niedergelegt 
und gewöhnlid von einem Marf- 






77ER GREEN 977777 


355. Ein Edball. 


mann, den der Spielmart beitimmt 
bat, dur einen Platzſtoß (place- 
kick) wieder ind Spiel gebradt. 
Der Gegner muß 5,5 m vom Ball 
entfernt bleiben ; die halfbacks und 


XT. 3. ZufbaD, 


backs verteidigen ihn, die fremden 
Stürmer greifen ihn an. Der Platz⸗ 
ftoß ift meifteng ein hoher Stoß, da- 
mit der Ball wieder direkt vorm Tor, 
über die Spieler fort niederfällt. 
Der Abſtoß vom Tor fteht 
der Partei zu, über deren Torlinie 
der Ball geftoßen ift, ohne daß das 
goal gewonnen wurde. Der Ball 
wird innerhalb des 5,5-Meterhalb- 
freije8 niedergelegt und möglichit 
jo abgeftoßen, daß die Partner ihn 
glei aufnehmen fünnen, wodurch 
er oft überrafchend ſchnell ins feind- 
liche Lager gelangt. Deshalb müſſen 
fih beim Abftoß vom Tor genug 
Spieler zur Verteidigung de? gegen- 
überliegenden Males zurüdziehen. 
Der Elfmeterftoß (penalty- 
kick) wird verliehen, wenn ein 
Spieler innerhalb der Elfmeter: 
linie vor dem eigenen Tor ab- 
fihtlih den Gegner anrennt, ihm 
ein Bein ftellt, ihn ftößt oder den 
Ball mit den Händen berührt. Der 
Ball wird auf einen beliebigen 
Bunft der Elfmeterlinie nieder: 
gelegt und alle Spieler, mit Aus⸗ 


EW - Meter - —2 
den 


8 


7777 





356. Ein Elfmeteritoß. 


nahme des Tormäcdhterd und des 
für den Elfmeterftoß erjehenen 


Spielers, müſſen ſich hinter die, 
Elfmeterlinie und 5,5 m hinter den pafſiert haben. Der Torwächter kann hinter 


Ball zurüdziehen. Die Aufitellung | in 


t 


der Spieler ift aus dem Plan er- 
ſichtlich. 





Nro. 719-720. 


719. Die Abſeitsregel. Die Ab- 
feitöregel, die einen Spieler „off 
side“, abſeits, aus dem Spiele 
madt, ift von allen Spielregeln 
am ſchwerſten zu begreifen und 
innezubalten. Ein Spieler ift off- 
side, fobald er dem feindlichen Tore 
näher fteht als der gerade jpielende 
Partner feiner Partei und nicht 
minbefteng drei Gegner fich zwischen 
ihm und der Torlinie befinden. 
Ein Spieler off-side ift erft dann 
wieder aktionsfähig, wenn der 
Gegner den Bau berührt hat, er 
fann ſich alſo nicht felbft wieder 
ind Spiel bringen; natürlich kann 
die Unvorfichtigfeit eines Spielers, 
der im widtigften Moment ofl- 
side wird, für die Niederlage feiner 
Partei entjcheidend fein, Daher 
muß dem Anfänger vor allem dieje 
Regel eingeprägt werden. 

720. Die Spielregeln. Der 
Auszug der folgenden Regeln ift 
den „Fußballregeln des Deutfchen 
Fußball-Bundes“ von 1908/09 ent: 
nommen. 


„Ein Mal (Tor) ift germonnen, wenn der 
Ball die Torlinie zwiſchen den Torpfoften 
unter der QDuerflange in der Luft oder am 
Boden ganz überfchritten bat, ohne von 
einem Spieler der angreifenden Partei mit 
der Hand geworfen, getragen oder geichlagen 
worden zu fein und foweit in diejen Regeln 
feine anderweitigenBeftimmungen bejtehen.” 

„Der Schiedsrichter tft ausprüdlich berech- 
tigt, jede mutwillige Zeitvergeudung zu ver⸗ 
hindern. Er ſoll alles aufbieten, die Pauſe 
bis Halbzeit auf 10 Minuten zu befchränten 
und joll keinesfalls zulaffen, daß jeine Ein- 
willigung auf Veränderung derjelben als 
felbftverftändlich Hingeftellt wird. 

Das Wort „geworfen“ bezieht fich auch 
3.8. auf einen Einwurf von der Seitenlinie. 
Wenn alio ein Spieler den Ball beim Eins 
wurf direft Durch Das gegnerifche Tor werfen 
würde, fo könnte dieſes nicht ald ein Tor 
zählen, es ift vielmehr ein Nbftoß vom Tor 
der verteidigenden Bartei auszuführen. 

Der Bau kann die ganze Torlinie entlang 
tollen und zum größten Teil über die Linie 
hinweg fein, trogdem aber das Tor nicht 


Torlinie ftehen und dennod ein Tor ver= 
dern.” 

„Der Schiedärichter darf unter keinen Um— 
ftänden ein Tor erklären, wenn er nicht voll: 


Niro. 720. 


fommen davon überzeugt ift, daß es wirtlich | 


ein Tor war.” 

„Beim Fangen und beim Fortjchlagen des 
Balles laſſen mande Torwächter den Ball 
mandmat in halber. Höhe bie Torlinie er- 
teihen, und fteht es dem Schiebärichter frei, 
anzunehmen, daß ber Ball die Torlinie Über: 
fohritten hat. Iſt diefe der Fall und fteht 
er an einem Plag, von dem er aud gut ur: 
teilen kann, jo muß ein Tor gegeben werden. 

Es ift ſchwer, diefed zu beurteilen, wenn 
man nicht in der Nähe iſt; es ift daher not- 
wendig, daß der Echiedärichter immer mög- 
Lichft in der Nähe des Balles bleibt. Kerner 
ift es fehr zu empfehlen, eine Seitenftellung 
einzunehmen, wenn ein Schuß zu erwarten 
ift, und wenn ein Gedränge vor dem Tore 
entſteht.“ 


„War ein Teil des Tores aus irgend einem 


Grunde zerſtört, ſo muß der Schiedsrichter 
ein Mal geben, wenn nach ſeiner Meinung 
der Ball die vorgeſchriebenen Begrenzungen 
des Tores durchgeflogen hatte.“ 

„Prallt der Vall an den Torpfoſten, an 
der Querſtange oder an anderen zur Be: 
grenzung des Spielfelbes dienenden Stangen 
ab, ohne das Spielfeld zu verlafjen, fo bleibt 
er weiter im Spiel, ebenio wenn er den 
Schiedsrichter oder einen Linienrichter inner: 
bald des Spielfeldes berührt. Weberfchreitet 
der Ball, jei e3 in der Luft oder am Boben, 
ganz die Eeitenlinte oder die Torlinie, fo 
ift er aus dem Spiele.” 

„Wenn ber Bal den Schiedsrichter ober 
einen Zinienrichter innerhalb des Spielfelde3 
berührt, bleibt derjelbe im Spiel, felbft 
wenn ber Ball fonft über die Seitenlinie 
oder die Torlinie gegangen wäre. 

Linienrichter follen nahe an den Eeiten« 
linien das Spiel verfolgen und fomeit irgend 
möglich, außerhalb des Spielfeldes bleiben.” 

„Der Bal ift aus dem Spiel, wenn er bie 
Grenzlinien in der Luft überjchreitet, felbft 
wenn er innerhalb des Spielfelded wieder 
zur Erde fällt.” 

„Der Bau kann auf der Seiten= oder Tor: 
linie entlang rollen und dennoch im Spiele 
bleiben. Er ift erſt aus dem Spiel, wenn 
er die Linien ganz überſchritten hat.” 

„Wenn der Ball die Seitenlänge ganz 
überfchritten hat, fo muß ihn ein Spieler 
derjenigen Bartei, welche den Ball innerhalb 


des Spielfeldes nicht zulegt berührt hatte, | 


E. Bräfin Bandiffin. 


feiner Partei, ver im Augenblid des Epielend 
oder Einwurfs der feindlichen Torlinie näher 
fteht, abſeits und darf weder den Ball felbft 
ſpielen, nod in irgend einer Wetie einen 
Gegner oder das Spiel Überhaupt hindern, 
bis der Ball wieder geipielt ift, es jei denn, 
daß mindeſtens drei Spieler der gegnerischen 
Partei zu diefer Zeit ihrer Torlinie näher 
ftehen. Ein Epieler ift indeffen nicht abfeits, 
wenn der Ball zulegt von einem Gegner ge: 
fpielt worden ift. 

Beim Edftoß und Abftoß vom Tor be; 
findet fi) fein Spieler abſeits.“ 

„Sit der Ball von einem Spieler über die 
gegnerifhe Torlinie geftoßen worden, fo 
wird er von irgend einem Punkt innerhalb 
derjenigen Hälfte des Torraumes aus durch 
einen Plagftoß ind Spiel zurüdgeftoßen die 
der Etelle am nädjften liegt, an welcher ber 
Ball das Spielfeld verließ, und zwar von 
einem Spieler der Partei, melde das Tor 
zeitweilig verteidigt.” 

„Hat der Ball, bevor er die Torlinie einer 
Partei überfchreitet, einen Spieler biefer 
Partei zulegt berührt, fo hat diefe einen Eck⸗ 
ball verwirtt. Der Ball wird bierauf 1 m 
von der nächſten Edftange vom Gegner durd) 
einen Plagftoß ins Epiel getreten. 

Sn beiden Fällen müfjen fi die Gegner 
bis nad erfolgtem Abftoß 5,50 m vom Balle 
entfernt halten.” 

„Der Torwächter darf innerhalb feiner 
Hälfte des Spielfeldes den Ball mit der Hand 
oder dem Arm berühren, fchlagen, ftoßen 
ober werfen. Er darf aber mit dem Bau 
nit mehr ald 2 Schritte gehen oder laufen.” 

„Ter Torwächter barfnur angerannt wer⸗ 
den, während er den Ball berührt oder wenn 
er einen Gegner abſichtlich hindert, oder 
wenn er fi außerhalb des Torraumes bes 
findet.“ 

„Alles Beinftellen, abfichtlide8 Treten oder 
Anfpringen eines Spielers ift verboten.” 

„Kein Spieler, abgefehen vom Torwächter, 
darf ven Ball abfihtlich mit der Hand oder 
dem Arm berühren.” 

„Kein Spieler dorf feine Hand benugen, 
um einen Gegner zu balten ober fortzu= 
drängen.” 

„Das Anrennen eine Gegners ift geftattet ; 
jedoch darf es nicht heftig oder gar gefähr- 
lich fein.“ 

„Ein Spieler darf nit von hinten anges 


an der Stelle wieder einmwerien, wo er | rannt werben, es fei denn, daß er einen 
das Zpielfeld verlied. Der Einmwerfende | Gegner abfidhtlih hindert.” 
muß die Seitenlinie mit beiden Füßen (bezw. „Wenn ein Freiftoß gewährt ift, darf kein 
Zeilen derfelben) beriihren und das Geficht | Gegner der den Freiftoß ausführenden 
dem Spielfelde zuwenden. Der Bal muß | Partei näher ald 5,60 m an den Bau heran 
mit beiden Händen über den Stopf geworfen j treten, e3 jei denn, daß er auf der eigenen 
werden, und zwar in beliebiger Richtung. | Torlinie fteht. Der Ball muß erjt eine Im- 
Der Einmerfende darf den Ball erft wieder | drehung um fich felbft gemadt oder eine 
berühren, wenn diefer einen anderen Spieler | feinem Umfange gleiche Etrede zurüdgelegt 
berührt hat. Der Ball ijt im Spiel, fobald | haben, bevor er als geipielt zu betrachten ift. 
berjelbe eingeworfen ift. Ein Tor fann von | Der den reiftoß ausführende Spieler darf 
einem Einwurf nicht gewonnen werben.” den Ball erft wieder berühren, wenn dieſer 
„Wenn ein Spieler den Ball fpielt oder | von einem anderen Spieler gefpielt worden 
von ber Seitenlinie einwirft, ift jeder Spieler | ift. ALS Freiftöße im Sinne biefer Regel 








XI. 3. Fußball. Nro. 720. 


gelten auch der Anftoß (außer wie in Regel 2 | wenn bad Epiel zeitweilig unterbroden oder 
vorgefehen), der Eckſtoß und der Abftoß vom | wenn ber Ball aud dem Spiele ift.“ 
Tor.” „Es werden 2 Linienrichter aufgeitellt, 
„Durd einen Freiftoß, ber wegen Ueber: weiche (obgleich fie von bem Schiedsrichter 
tretung der Regel „alles Beinftellen, abfichts ; Überftimmt werben tönnen) darüber zu ent- 
lies Treten oder Anjpringen eines Spielers ſcheiden haben, ob der Ball aus dem Spiele 
ift verboten”, gegeben wurde, kann unmittels | gegangen und welche Partei zu einem Edball, 
bar ein Tor geftoßen werden, bei allen | Abftoß ‚vom Tor oder Einwurf von der 
andern Freiftößen jedoch unmittelbar nicht.” | Seitenlinie beredtigt ift. Die Lintenricter 
„Kein Spieler darf an den Stiefeln ober | haben den Schiedsrichter auch in der rich⸗ 
Beinſchützern Nägel tragen, jofern diefe nicht | tigen Ausführung des Epield zu unter- 
vollftändig ind Leder verfentt find, noch ſtützen. 
dürfen an ben Stiefeln oder Beinfdiigern Bei Überflüffigen Unterbrehungen und 
Metaliplatten oder fonftige bervortretende | Störungen und unangebradtem Betragen 
Metaliftiide oder Guttaperchaftüde befeftigt | ſeilens eines Linienrichters hat der Schieb3- 
fein. Lederleiften oder runde Klöte auf den | richter die Macht, denjelben vom Felde zu 
Sohlen oder Abfägen der Stiefel dürfen weiſen und einen Stellvertreter zu ernennen ; 
nicht mehr ald 12 mm bhervorftehen und bie | er muß aber ven Vorfall dem betreffenden 
Befeftigungen müffen vollftändig ind Leder | Verband anzeigen, welcher ſich dann weiter 
verjentt fein. Die Leiften gehen quer ganz | mit der Sade zu befajfen hat.” 
über die Eohlen und Abfäge, find flach und „Im Falle einer vermuteten Uebertretung 
haben eine Breite von mindeftend 12 mm. | ber Regel bleibt der Bau im Spiel, bid eine 
Die runden Klöge bürfen im Durchmeſſer | Entiheidbung durch den Schiedsrichter ges 
nit kleiner als 12 mm und unter feinen | geben fit.” 
Umftänden von koniſcher oder ſpitzer Form „ft das Spiel aus irgend einem Grunde 
fein. Auf Verlangen hat der Schieddridhter | zeitweilig unterbrochen worben, ohne daß 
vor Beginn des Spieles die Stiefel der | der Ball über die Tor» und Eeitenlinie ge= 
Spieler nachzuſehen. Ein Verftoß gegen | gangen tft, jo wird e8 dadurch wieder fort- 
diefe Regel zieht Ausfchluß für das ganze | gelegt, daß der Schiedsrichter den Ball an 
Epiel nad fi.” dem Drt niederwirft, an welchem da3 Spiel 
„Für jedes Spiel ift ein Schied8richter zu | unterbroden wurde. Der Ball ift im Spiel, 
ernennen, deſſen Pflicht es ift, die Inne: | jobald er den Boden berührt hat. Geht der 
haltung der Spielregeln zu überwachen und | Batl über die Seiten» oder Torlinie, che er 
alle Streitfragen zu entfdeiden. Seine Ent: | von einem Spieler gejpielt ift, fo wirft ihn 
fheidungen über mit dem Epiel verknüpfte | der Echiedsrihter nochmals nieder. Die 
Tatſachen find endgültig. Er muß fich ferner | Spieler beider Parteien dürfen den Ball nicht 
Bermerte ehr eo Spiel machen und gleich= | eher |pielen, bis er ven Boden berührt hat.“ 
eitig Zeitnehmer jein. : 
: Ber ananfänbizem Betragen hat er den Ueber den Strafjtoß von der 
bezw. die Schuldigen zu warnen und im „Strafmarfe” aus: 
Wiederholungsfalle, bei rohem Spiel jedoch 
fofort, ohne vorherige Verwarnung vom „Ale Spieler mit Ausnahme desjenigen, 
Spiele auszuſchließen. Die Namen der be: | der den Strafftoß ausführt und des vers 
treffenden Spieler find bem zuftändigen Ber: | teidigenden Torwächters müſſen außerhalb 
band anzuzeigen, welder fih mit dem be= | des Strafraumes ftehen. Der verteidigende 
treffenden Fall weiter zu befchäftigen hat. Torwächter darf nur auf oder hinter feiner 
Der Sciedärichter hat bad Recht, ver: | Torlinie ftehen. Der Bau muß vorwärts 
lorene Zeit nachſpielen oder das Spiel nicht | geftoßen werden und ift fofort im Spiel, jo= 
ftattfinden zu lafjen, wenn e3 die Umftände | bald er geftoßen ift und fann ein Tor er— 
nicht erlauben ; auch fann er das Spielunter: | zielen, wenn er bierbei durchs Tor gebt. 
brechen ober abbrechen, fei ed wegen Duntels | Der ftoßende Spieler darf den Ball nicht 
heit, Eindringen von Zuſchauern in das | eher wieber fpielen, bi3 ihn ein anderer 
Spielfeld, wegen ſchlechten Wetters ober | Epieler berührt hat. Fall3 notwendig, ift 
wegen anderer Gründe, bie ihm ftichhaltig | Die Spielzeit fo auszudehnen, daß ein Straf: 
erſcheinen. Bei jedem Spiel, das auf diefe | ftoß ausgeführt werden fann. Der ver: 
Weiſe beendet wird, hat er dem Verband, in | teidigenden Partei ift ein Freiſtoß zu ges 
defien Bereih das Spiel ftattfand, Mittei: | währen, wenn der Ball nicht nach vorwärts 
lung zu maden und muß biejer fi mit der | geftoßen oder von dem ftoßenden Epieler 
Angelegenheit meiter befaffen. zweimal hintereinander berührt wurde, ehe 
Der Schiedsrichter darf einen Fretftoß in | ihn ein anderer Epieler berührte. Der 
allen ſolchen Fällen geben, bei welhen ipm Schiedsrichter kann in Fällen, bei 
das Betragen eines Spieler3 gefährlih zu | welden er überzeugt tft, daß die 
werden erjcheint, doch nicht in dem Grade, | Anerfennung eines Etrafftofes 
um ſchärfer ihm zu Gebote ftehende Maß: | zum PBorteil der übertretenden 
regeln zu ergreifen. PBarteigefhehenmwürde, davon ab- 
Die Macht des Schiedsrichters erftredt fi | ſehen, Die Regel in Kraft treten zu 
auch auf Verftöße, welche begangen werben, | laffen. 





Nro. 721. 


Wenn der Ball bei einem Strafftoß zwiſchen 
die Torpfoften unter der Querftange hin⸗ 
durchgeht, fol das erzielte Tor nicht wegen 
irgend eines Verſtoßes ber verteidigenden 
Bartet für ungültig ertlärt werden.” 


Rugby. 


721. Einleitung. Das Rugby, 
zum Unterſchied des „dribbling 
game (Affoziation) aud) „running 
game“ genannt, ift, wie in der 
Einleitung zum Fußballſpiel dar: 
gelegt wurde, dag urfprüngliche, viele 
Sahrhunderte alte Fußballipiel, 
während das Afloziation erjt aus 
der Mitte des vorigen Jahrhunderts 
ftammt. Seine Ertrabezeichnung 
Rugby hat ed von der berühmten 
engliiden Schule gleichen Namens 
erhalten, die fich zuerſt des geſun⸗ 
den alten foot-ball-Spield er- 
innerte. Der erfte Rugbyklub Eng- 
land war der 1859 gegründete 
„Old Blackheath Football-Club“, 
der noch heute feinen Namen (ohne 
das old) und die Tradition, der 
vornehmfte und maßgebenpdfte Fuß⸗ 
ballklub Englands zu fein, beibe- 
halten bat. Der Richmond-Club, 
die Harlequind und Civil Service 
waren die Anfang der fechziger 
Jahre folgenden Klub, denen ſich 
bald eine große Anzahl anderer 
anſchloſſen. Doc jpielten alle 
Klub8 nach eigenen Regeln und 
ließen manderlei Robeiten, wie 
Treten gegen die Schienbeine, 
Stoßen und Abſchütteln des Gegners 
zu. Deshalb taten ſich der Blad- 
heath und Richmond⸗Club im Jahre 
1871 in London zujammen und 
gründeten die „Rugby Yootball 
Union”, der fi) zwanzig weitere 
Vereine anjchlofjen unter der Ber: 
pflitung, nach denfelben von der 
Union feitgejegten Regeln zu fpie- 
len. Diefe Regeln bilden auch 
heute noch den Grundftod aller 
Fußballgejege, verändern fich aber 
noch oft, da das Rugby durchaus 


6. Gräfin Baudilfin. 


nicht wie das Afloziation bereits 
eine fefte Form angenommen hat. 

1871 fand bereit8 das erfte 
internationale Wettfpiel zwiſchen 
England und Schottland Statt, dem 
fich |päter die regelmäßigen matches 
Nordenglandg gegen den Süden, 
fowie zwifchen England und Irland 
anichloffen. Um den oft fehr hef- 
tigen Streitigfeiten bei dieſen 
Wettkämpfen, die einmal fogar zu 
einem dreijährigen Ausſchluß Eng⸗ 
lands von den Spielen der übrigen 
drei Königreihe führten, endgültig 
ein Ende zu bereiten, wurde dag 
„International Board“, das inter- 
nationale Schiedsgericht, mit viel 
Erfolg eingeſetzt. 

Bemerkenswert aus der Geſchichte 
de8 Rugby find ferner in den 
achtziger Sahren die Kämpfe der 
„Maoris“, der Neufeeländer Mann⸗ 
ſchaften in England, die, um die 
Koften ihrer Reife zu deden, in 
25 Wochen 74 Wettjpiele auszu⸗ 
fehten hatten! Dafür unternahmen 
die Engländer im Jahre 1890 einen 
Ausflug and Kap und kamen mit 
einem Reingeminn von 3000 £ = 
60000 ME. heim! 

Das heutige „PBierdreiviertel- 
jpiel”, das als Normalfpiel in der 
ganzen Welt gilt, hat fi übrigens 
etwas abfeit3 vom Wege, nämlich 
in Wales, ausgebildet, wo das 
Rugby faft am eifrigften gepflegt 
mwird. Seit der Einführung der 
Leaguefpiele hat fich leider das 
Berufsjpielertum mehr und mehr 


mn. 


entwidelt ; die zu den Wettfämpfen | 
beftimmtenMannfchaften haben feine : 
Zeit mehr zu einem „Nebenberuf” _ 


— ihr ganzes Leben ift der Aus—⸗ 
bildung zum Sport gewidmet und 
die natürlihe Folge ift, daß fie 
dafür von ihren Klubs entjchädigt 
werden müflen; zu wirklichen 
Sport3leuten find diefe „Profeſſio⸗ 
nals“ aber nicht zu rechnen. Die 
Union befämpfte diefe Auswüchſe 


ee — — — — 





Sußball-:Spiel: Angriff auf das Tor. (Aus Sport im Bild.) 


XI. 3. Fußball. Niro. 722—723. 


des Sports von Anfang an heftig; 
und fo kam es dazu, daß 1895 
faft alle Klub? Nordenglandg aus 
der Union austraten nnd die 
„Northern Rugby Union” grün: 
deten. Der Süden dagegen läßt das 
Spielen gegen Profejfionald nicht 
zu; Doch Ffämpfen alljährlich die 
beiten Mannſchaften der vier König: 
reiche gegeneinander. 


7 gchiederichter 





357. Schematifche Aufitellung der Spieler 
bei einem Gedränge. 
I Schlußfpieler, 2—5 Dreiviertel, 6—7 Halb— 
ſpieler, RO Halbfpieler, im Begriff, den 
Ball in das Bedränge zu bringen. 


Sn Deutfchland ſpielte der Nor: 
den, die Klubs von Bremen, Han 
nover, ferner Göttingen, Sena ꝛc. 
Gannftatt (das den erften Rugbyklub 


Touch oder Mark 


T-mod-Pod PRFOPELTEr I | + 


Yenyape pre, 


358. Rugby: Sußball:Spielfeld. 








bejaß), in der Hauptfadhe anfangs 
nah Rugbyregeln; der Süden 
Deutſchlands nur nach diefen. 1888 
wandte fich Berlin, das feit drei 
Jahren das Rugby eingeführt hatte, 
dem Affoziation zu und eine von 
Berlin ausgehende Bewegung, die 
ihren Ausdrud in dem „Deutichen 
Fußball- und Kridetbund” fand, 
hat das Rugby in Deutfchland faft 
voljtändig zugunften des Affozia= 
tion verdrängt; ebenſo hat Aflozia: 
tion in Defterreich-Ungarn, in der 
Schweiz, in Holland und Belgien 
die Oberhand gemonnen, während 
in Frankreich allgemein das Rugby 
eingeführt war und die Klubs dort 
erſt in letzter Zeit auch Affoziation 
tultivieren. 

722. Hanptunterfchiede zwiſchen 
Rugby und Affoziation. - Neben 
dem mwichtigften Unterfchied, daß 
im Rugby der Ball mit Fuß und 
Hand, im Affoziation der Ball nur 
mit den Füßen, gefpielt werden 
darf, find ferner als bejondere 
Merkmale des Rugby zu nennen: 
daß der Gegner mit Armen und 
Händen feitgehalten und behindert 
werden darf; daß die Anzahl der 
Spieler jeder Partei fünfzehn ftatt 
elf beträgt; daß der Spielplatz 
wejentliche Veränderungen aufweift 
(andere Grenzen, Malfelder ꝛc.); 
daß der nicht runde, fondern eiför- 
mige Ball zur Eroberung des Mals 
über die Duerftange des 
Tore3 gebradht werden 
muß; daß zum Gang des 
Spieles noch Formen 
wie: „Gedränge“,„Kehrt“, 
Verſuch aufs Mal” ac. 
hinzukommen und ſchließ— 
lich, daß ein Wettſpiel 
nicht durch ſoundſo viel 
„Male“, ſondern durch 
„Punkte“ gewonnen wird. 

723. Der Spielplatz. 
Zum Spielfeld dient eine 


C bedeutet den Mittelpunkt des Spielplaßes. ebene, mit n Raſen 


—— —* 


Nro. 724-725. | 
beftandene Fläche von 100 m Länge 
zu 68 m Breite. Die beiven Male 


befinden ſich auf den Breitjeiten, den 


Mallinien; die Höhe ihrer Stangen 
beträgt 3,5 m, der Raum zwiſchen 


ihnen 5,6 m. Die die Maljtangen 


verbindende Duerjtange befindet jich 


in einer Höhe von 3 m übern 
Boden. Die Eden des Epielfeldes 


werden durch 1,5 m hohe Flaggen 


markiert, die fich auf den Yängs- 


jeiten, den Marflinien, in einer 
Entfernung von je 23 m wieder: 
holen, jo daß auch die Mitte der 
Marklinien durch eine Flagge be: 
zeichnet it. Bon Flagge zu 
Flagge werden quer über den Plat 
Linien, die Lagergrenzen, gezogen, 
die das Spielfeld in vier gleiche 
Felder teilen. Der Mittelpunkt 


der „Mittellinie wird ebenfalld 


bezeichnet. Hinter den Mallinien, 
durch Verlängerung der Marflinien 


gewonnen, liegt das „Malfeld“, in 


goal, von 23 m Breite; die Grenz: 
linien, dead-ball-lines, ſchließen es. 
Die „Malmarf”, touch in goal, 
wird an den vier Eden aus den 


25 + 
ne 3, 


€. Gräfin Baudi 










Bone, Ir 





66 cm, einen Umfang in der Länge 
von 75,5—79 cm; und ein Gewicht. 
von 370—400 gr. a 
725. Zweck und Art des 

Spieles. Die Parteien müfjen ihr 
eigenes Tor ftet3 im Rüden Haben 
und verfuden, den dur Abſtoß— 
hochgetretenen und dadurch img 
Spiel gebradten Ball mit den. 
Händen oder Füßen der feindlichen 
Mallinie zuzuipielen; wird er ge: 
tragen, jo muß mit ihm die Mal— 
linie überfchritten und der Ball 
im Mal niedergelegt werden; wird. 
er mit den Füßen gejtoßen, jo 
ı muß er mit einem Stoß aus dem 
Spielfeld über die Querftange des 
Goals getreten werden. Die beiden 
 Spielwarte (captains) lojen um 
den Antritt oder die Wahl des 
Males; beim Antritt müfjen fich 
alle Bartner der beginnenden Partei 
hinter dem Ball befinden. Die 
Spielzeit beträgt 2mal 35 Minuten 

zwiihen denen eine Bauje von 10 
Minuten liegt. Berechnet wird das 
Spiel nad) Punkten; und zwar zählt 
ein „Verſuch“ drei Punkte; ein 








Verlängerungen der Mark: und | Mal durch einen Freiftoß ebenfalls 
Mallinien gebildet, die „Mark“, | drei Punkte; ein Mal von einem 
touch, durch die Verlängerungen | Verſuch (bei dem legterer nicht ges 








der Mallinien. 
724. Der Ball. Der Rugbyball 
it von ovaler Form, Hat eine 





359. Rug by-Fußball. 


Länge von 27,5—28,5 cm, einen ihre Beobachtungen durch Flaggen: 
Umfang in der Breite von 64 bis | fchwenfen fund; jeder von ihne 


‚zählt wird) fünf, jedes andere Ma 
vier Punkte. Ein Wettjpiel wird 
durch die größere Anzahl von 
Punkten gewonnen; ſtehen beide 
Parteien gleich, jo ift dag Spiel 
unentſchieden. Ein Schiedsrichter, 
‚referee, und zwei Linienrichter, 
haben über das Spiel, feinen Gang, 
jeine lUnterbredung, über eine 
„Freifang“, eine Strafe und dergl. 
zu entjcheiden. Das Eignal (per 
Pfeife) zum „Wechjel” oder „Schluß 
joll erjt gegeben werden, wenn der 
Ball gehalten oder aus dem Spiele 
ift ; deshalb kann der Schiedsrichter 
ı Verlängerungen des Spiels 
ordnen. Die Linienrichter gebeı 
















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XI, 3. Fußball. 


bat eine „Mark“ unter fih. Sie 
bezeichnen die Stelle, auf welcher 
der Ball die Marklinie überfchritt 
und müflen jorgen, daß er wieder 
auf demfelben Punkt niedergelegt 
wird. 

726. Erklärung einiger Aus: 
drüde. EinSprungtritt(drop- 
kick) heißt der Tritt, den man 
dem aus den Händen fallenden 
Ball in dem Moment gibt, wo er 
wieder vom Boden abjpringt. 

Ein Falltritt, punt, wird 
der Stoß genannt, den der aus 
den Händen fallende Bal erhält, 
ehe er den Boden berührt. 

Der Platztritt, place-kick, 
wird auf den auf den Boden lie- 
genden Ball ausgeführt. 

Halten, tackle, nennt man, 
wenn der Träger des Balled von 

. der Gegenpartei feitgehalten wird. 
B Ein Gedränge, scrummage, 
A kann nur im Spielfeld felbft aus- 
j geführt werden. Der Ball liegt 
xt dabei in der Mitte beider eng an: 
:& einander gejchloffenen Parteien; 
: die Spieler müfjen beide Füße am 
zu Boden haben und verfuchen, fich 
un gegenjeitig vom Ball abzudrängen. 
ie Ein Verſuch, try, heißt das 
ts Handauflegen eines Spielerd auf 
den im feindlichen Malfeld liegen: 
den Ball, | 

„Kehrt”" „Handdrauf” oder 
touch-down, iſt ein „Verſuch“ im 
vi eignen Malfeld und zählt nicht. 
Be Das „Vorwärtsſchlagen“, 
u „Bormwerfen“, knocking-on oder 
„tt  throwing forward, ift das Schla- 
gen de3 Balle8 mit Hand oder 
Arm dem feindliden Male zu. 
Das Hereinwerfen von der Mark 
wird nicht als Vorwärtswerfen be: 
"zeichnet. 

„greifang“, fair-catch, nennt 
;5 man dad Fangen des Balled nad) 
x dem erjten von Gegner ausge: | 
führten Wurf, Stoß oder Schlag. 





E Der Fänger macht fofort an der 


Nro. 726-727. 


Stelle, wo er fteht, mit dem Ab— 
fa eine Kterbe in den Boden und 
beanjprudt damit einen „Srei- 
ſtoß“. 

Unter einem Antritt, Ab— 
ftoß oder kick-off verfteht man 
den Plattritt von der Mitte des 
Spielfelde8 aus. Die Gegenpartei 
muß in einer Entfernung von 9 m 
von Ball zurücdbleiben und darf 
nicht vorftürzen, bis der Ball ge- 
treten iſt; fonft wird ein zweiter 
Abftoß erlaubt. Wird der Ball 
weniger als 9 m getreten oder 
fällt er in der Mark auf, fo kann 
die Gegenpartei einen neuen Antritt 
verlangen. 

Der Lagertritt, Abftoß 
vom Male, drop-out, ift ein 
Sprungtritt, der vom Spieler in 
einer Entfernung von 23 m von 
feinem Mal aus getreten mird, 
alfo noch innerhald der Lagergrenze; 
bis zu Ddiefer darf fih der Gegner 
bei Strafe eines abermaligen Lager: 
trittes nicht nahen. Alle Partner 
de3 Spieler® müſſen ſich hinter 
dem Ball befinden; ift dies nicht 
der Fall, fo ordnet der Schieds- 
richter ein Gedränge auf der Lager: 
grenze an. Fällt der Ball in der 
Mark auf, oder hat er nicht die 
Lagergrenze erreicht, fo kann die 
Gegenpartei einen neuen Lagertritt 
oder ein Gedränge in der Mitte 
der Lagergrenze verlangen. 

727. Die Spieler. Weber die 
Aufftellung der Spieler zum Beginn 
des Spiele gibt der beigefügte 
Plan Aufihluß. Die fünfzehn 
Spieler in der Partei, bei dent 
heute allgemein gebräuclichen 
„Dreiviertelfpiel”, find eingeteilt 
in adt Stürmer, forwards, 
zweit Halbfpieler, half-backs, 
vier Dreivierteljpieler, 
three-quarter-backs, und einen 
Schlußfpieler, full-back. 

Die beginnende Partei fteht an 
der Mittellinie, die feindliche muk 


Niro. 727. 


in einer Entfernung von 9 m von 
ihr bleiben; der Ball liegt genau 
im Mittelpunkt der Mittellinie und 
wird von einem der beiden mitt- 


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Shi 8 6 6 
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360. Aufſtellung der beiden Mannſchaften 

beim Antritt. I. Schlußſpieler, 2—5. Drei⸗ 

viertelfpieler, 6—7. Balbfpieler, 8—15. 
Stürmer. 


feren Stürmer abgetreten. Die 
Stürmer find immer die An- 
greifer. Der Ball wird meifteng 
nit beim Antritt gradeaug ge= 
ftoßen, um ihn nicht gleich dem 
Gegner zu überliefern, fondern er 
wird ſeitwärts-vorwärts, aber nicht 
wie beim Afjoziation flach, fondern 
hoch getreten. Deshalb haben die 
Stürmer fofort ihre Aktion zu be: 
ginnen und vorwärtd zu laufen, 
um den Bal in ihrem Befig zu 
behalten. Im weiteren Verlauf 
des Spieles muß fi die Kunft 
der Stürmer im „Gedränge”, 
wie in Bafjen, Dribbeln, 
Falfen und Halten des Geg— 
ners beweijen. 

Für das „Gedränge”, scrum- 
mage, gilt als SHauptregel, daß 
der Ball nicht mit den Händen 
berührt werden darf, folange er 
noch im „Gedränge“ liegt; ferner 
darf man fih nit auf den Ball 
werfen, noch in dag Gedränge, das 
Gefiht dem eignen Mal zugemen: 


G. Gräfin Baubdiffin. 


det, treten. Gewöhnlich ftellt fi 
jede Partei in drei Gliedern hinter: 
einander auf, fo daß die entjtehen- 
den Lücken wieder von den Hintern 
Spielern gededt werden. Ein 
Haupttrid beim Gedränge iſt 
dad „Schrauben“ oder „Drehen“, 
screwing oder wheeling. Der Ball 
wird dur Filhen mit den Füßen 
in die zweite Reihe gebracht, wäh- 
rend die vorderfte fih auf den 
ſchwächſten feindlichen Flügel kon⸗ 
zentriert, um den Halbſpielern in- 
zwifchen Gelegenheit zu geben, den 
Ball aufzunehmen. Man ſtellt 
darum die jtärfiten Spieler ins 
erste Glied und die fchnelliten 
Läufer ing dritte. Sit der Bau 
glücklich aus dem Gedränge heraus, 
jo muß fi dieſes auf ein Signal 
bin fo ſchnell wie möglich Löfen, 
um den Kampf um den Ball wieder 
aufzunehmen. 

Das Paſſen, das Weitergeben 
des Balles mit der Hand, gefchieht 
bauptfächlich bei gutem, trodenen: 
Wetter und Boden, hat aber jett 
da8 Ballen mit den Füßen, Das 
bei nafjem, fchlüpfrigem Boden 
zwedmäßiger ift, ſtark verdrängt. 
Richtiges Paſſen verlangt große 
Kunftfertigfeit und Gewandtheit; 
deshalb joll der den Ball haltende 
Spieler nie allein laufen, fondern 
feine Partner müſſen fi ihm dicht 
anfchließen, um im Moment Der 
Gefahr gleich den Ball in Empfang 
zu nehmen. | 

Wird der Bal in den Händen 
des Gegners fo feit umklammert, 
daß diejer ihn nicht mehr „paſſen“ 
fann, jo muß der Ball fofort auf 
den Boden gelegt werden. Bei - 
diefem Faſſen, Halten oder 
tackling dränge man ven Gegner 
jtet3 der Mitte des Geldes, nie Der 
Marklinie, zu, um der eignen 
Partei Gelegenheit zur Hilfe zu 
geben. 

Hat der Ball die Marklinie über- 





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ſchritten, ſo wird er vom Gegner 


genau an derſelben Stelle wieder 
ins Spiel gebracht; dann iſt es 
Sache der Stürmer, dieſer Stelle 
gegenüber jchnell eine Art Gaſſe 
zu formen, um den Ball gleich 


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X1. 8. Fußball. 


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Niro. 727. 


gibt das Zeichen zum Auflöjfen des 
Gedränges und verjucht den Ball 
aufzunehmen, d. h. erjt, wenn diefer 
die neutrale Linie, die man ſich 
beim Gedränge durch die Mitte des 
Balles parallel zu den Mallinien 


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3561. Ein normales Gedränge. 


wieder aufzufangen. Auch der 
Gegner wird dies verjuhen — 
der Schnellite ijt hierbei der Erfolg- 


reichite! 


Die Halbfipieler bilden wie 


die Markmänner des Affoziationg- 


jpiel8 die Verbindung zwiſchen 
Etürmern und Dreivierteljpielern 
und haben beide zu unterftüßen. 
Shre Hauptaufgabe liegt darin, den 
Ball gut zu pafjen; da in dieſer 
Kunft das heutige Rugby gipfelt, 
jo fann man behaupten, daß die 


Halbſpieler für Sieg oder Nieder: 
lage ihrer Bartei ausfchlaggebend 
find. 
ne etwas abſeits, um zu 
beobachten, wohin der Ball fommt 


Beim Gedränge ſteht ein 





gedacht denft und an der fich die 


Stürmer beider Barteien aufgejtellt 
haben, verlafjen hat. Iſt es dem 
eriten Halbipieler geglückt, fich des 
Balles zu bemächtigen, jo muß ſich 
der zweite jo aufgejtellt haben, daß 
er ihn vom erjten in Empfang 
nehmen fann. Er verjudt nun 
jelbft, fich dem feindlichen Tor mit 
dem Ball zu nahen, oder er wirft 
ihn einem Dreivierteljpieler zur. 
Darauf ſchützen die Halbjpieler den 
Ballträger, indem fie die feind= 
lihen Dreivierteljpieler abmwehren 
und fich einander den Ball zupafien, 


Da das Bafjen nad) vorwärts vers 


boten ift, muß jeder Spieler, wenn 


er den Ball nad) rückwärts gepaßt 








nd in weſſen Gewalt er ijt; er hat, jih dem Ballträger wieder = 
e ‚rraftfe 
er⸗ =7IWMer 





Niro. 727. 


auffchließen. Hat ein feindlicher 
Halbipieler den Ball erobert, als 
diefer das Gedränge verließ, fo 
muß fich der Halbipieler gleich an 
ihn heranmachen, um ihn zu halten 
und am Paſſen zu hindern. Beim 
Abſtoßen (Antritt) von der Mitte, 
wie beim Lagertritt, ftellen fich die 
Halbfpieler dicht an der Marflinie, 
nahe bei den “Dreiviertelfpielern 
auf, um, wenn es irgend möglich 
ift, einen „Freifang” zu maden. 
Shr Amt ift ed ferner, den vom 
Gegner in die Mark geworfenen 
Ball wieder an die vom Xinien- 
richter bezeichnete Stelle zurückzu⸗ 
bringen und den Ball nun ent: 
weder fiher einem Partner zuzu= 
werfen, oder ihn ind Spielfeld 
fallen zu laſſen, ihn wieder aufzu= 
fangen, mit ihm weiterzulaufen 
oder ihn einem Partner zurückzu— 
pafjen. Der Halbfpieler muß fo 
Ichnell fein, daß der Gegner nicht 
erft dazu fommt, eine Gafje zu 
formen und jo gefchidt, daß er die 
Art feines Weiterjpieleng nicht er- 
raten läßt. 

Die Dreiviertelfjpieler, 
three-quarter-backs, dienen ſowohl 
zur Verteidigung wie zum Angriff. 
Shnen wird von den Halbipielern 
der aus dem Gedränge gewonnene 
Ball zugepaßt und gemeinfam mit 
ihnen dringen fie zum feindlichen 
Goal vor, durch ſchnelles Pafjen 
des Balled den feindliden Drei- 
vierteljpielern entgehend. In man: 
hen Klubs Englands, bejonderg in 
Wales, werden die Dreiviertel:- 
jpieler auf das Borlaufen parallel 
der Marklinien bejchräntt; auf alle 
Fälle ſollen fie nie ihr Spielfeld 
ohne Verteidigung zurüdlaffen. 
Der großartige „Welsh style“, 
der faft unübertroffen in feinem 
Bufammenjpiel ift, gründet fich auf 
jtrengite Durchführung diefer Regel. 
— Außer auf das Fangen müffen 
die Dreiviertelfpieler fi auf hohe 


€. Gräfin Baudiffin. 


und weite Sprung: und Falltritte 
verjtehen. Schon deshalb verteilt 
man fie am beiten fejt auf den 
rechten und linfen Flügel Des 
Spielfeldes, da einer beſſer mit 
dem rechten, der andere ficherer 
mit dem linfen Fuß ftoßen wird. 
Die Stöße follen den Ball in der 
Mark landen; ift dies nicht gelun- 
gen, fo muß der Spieler vorlaufen 
(to follow up), um fi) des Balles 
wieder zu bemädtigen; erit dann . 
find feine Partner wieder pielbe- 
rechtigt. Kann er den Ball jedoch 
nicht mehr vorm Gegner erreichen, 
jo foll er fchleunigft auf feinen 
Poſten zurüdfehren, um den vom 
Gegner eventuell über feinen Kopf 
fortgeworfenen Ball wieder aufzu= 
fangen. 

Der Schlußfpieler (full- 
back). Die Tätigleit des Schluß: 
ſpielers ift feit der Feitfegung der 
Nugbyregeln dur die Union nie- 
mals verändert worden; nach wie 
vor liegt ed ihm ob, nicht allein 
das Mal, jondern die ganze Mal: 
linie zu verteidigen. Natürlich be- 
darf er dazu der Hilfe feiner Part⸗ 
ner. Seine Stellung muß fo dicht 
neben dem Mal fein, daß er jeden 
auf die Mallinie zugeftoßenen Bau 
auffangen Tann; ferner muß er 
ihn mit beiden Füßen glei gut 
wieder abftoßen können, um ihn 
fofort wieder ing Spiel zu bringen. 
Gefchieht dies durch einen Plagtritt, 
jo fol der Ball hoch und weit ge— 
treten werden, damit er in der 
Mark landet. Rolt der Ball je: 
doh über die Mallinie, fo muß 
der Schlußfpieler ſchnell touch 
down maden, damit der Gegner 
zu feinem Verſuch gelangt. Eine 
weitere Kunſt des Schlußipielers 
und zwar feine höchſte, befteht im 
guten Anhalten und Fallen des 
Gegnerd. Er läuft ihm mit weit 
ausgebreiteten Armen, ihn nicht 
einen Moment aus den Augen 


L 2 


XI. 3. Fußball. 


laffend, entgegen, faßt ihn um die 
Hüfte oder überd Knie und wird 
fih meiftend? mit ihm zu Boden 
werfen, um zu verhindern, daß der 
Bal weitergegeben wird. Muß 
der Schlußfipieler das Mal ver: 
laſſen, 3. B. um feine Partei wieder 
jpielberedtigt zu machen, fo bat 
einer der Dreivierteljpieler jo lange 
feinen Boften zu übernehmen. 
728. Einige befondere Regeln. 
Bon befonderer Wichtigkeit ift die 
Abſeitsregel. Jeder Spieler 
wird ſofort „abſeits“, offside, der 
von der Seite des Gegners in ein 
Gedränge geht und der ſich vor 
dem grade Spielenden ſeiner Partei, 
in der Richtung auf das feindliche 
Mat zu, befindet. Im eignen Im— 
Mal (Malfeld) Tann ein Spieler 
nicht abſeits werden, nur im feind- 
lihen; jedoch müſſen fich bei einem 
Sreitritt im Malfeld alle Partner 
hinter dem Spielenden befinden. 
Sit ein Spieler abjeitd, fo darf er 
niht den Ball berühren, nod 
laufen, einen Gegner feithalten, 
fih ihm in den Weg ftellen oder 
fih ihm auf mehr ald 9 m nähern. 
Bricht der Spieler dieſe Regel, fo 
fteht der Gegenpartei die Wahl 
zwifchen einem Sreitritt oder einem 
Gedränge zu. Spielberedtigt 
wird ein Spieler wieder, nachdem 
der Gegner mit dem Ball 5 m 
gelaufen ift, oder wenn der Ball 
durch einen Gegner geftoßen wurde, 
einen Gegner oder defjen Kleidung 
berührte, ein Spieler der eignen 


Partei mit dem Bal in den Hänz= | 
den oder der Spieler, der den Ball | 


binter ihm geftoßen bat, vor ihn 
gelaufen ilt. 

Ein Freitritt wird als Be- 
lohnung für einen „Sreifang“ ge: 
währt; kann aber auch der Gegen- 
partei zugeſprochen werden, falls 
ein Spieler in einem Gebränge 
abfichtlich Hinfält, den Ball, ven 
er trägt, nicht jofort niederlegt, 


Nro. 728. 


wenn er feltgehalten wird, oder 
wenn er einen Fehler gegen die 
Abfeitsregel begeht uw. Der 
Freitritt wird dann alfo zur Strafe 
für die Mannfdhaft, deren Spieler 
gegen die Spielregeln verftoßen 
hat. In diefem Fall kann er von 
jedem Spieler der Gegenpartei 
ausgeführt werden, während als 
Belohnung für den Freifang der 
Fänger jelbft ihn übernehmen muß, 
oder, falls es fih um einen Plat- 
ftoß handelt, er den Ball wenig— 
ſtens aufzufegen hat. Die Stelle, 
an der ein Zreifang oder ein Fehler 
ftattfand, wird durch eine Kerbe 
bezeichnet, dur die man fich pa— 
rallel zu den Mallinien eine Linie 
gezogen denkt; von einem beliebi- 
gen Punkt diejer Linie, die von 
feiner Partei überjchritten werden 
darf, wird der Freitritt ausge: 
führt. 

Der Berfuh aufs Mal wird 
einer Partei bewilligt, die einen 
„Berfuh” gewonnen bat. Der 
Ballträger jegt dazu den Ball auf 
einer Stelle im Spielfeld auf, die 
der Tretende bezeichnet; ſeine 
Partner Stehen hinter ihm, die 
Gegenpartei auf der Mallinie. 
Sobald der Ball beim Auffegen 
den Boden berührt, darf die Gegen 
partei vorlaufen. Der „Verſuch 
auf? Mal” ift ein Platztritt, durd) 
den verfudt wird, den Ball über 
die Querſtange des feindlichen 
Tored zu ftoßen. Gelingt dies 
nit — prallt er an der Stange 
ab oder geht er nur über einen 
Torpfoften hinüber — fo wird er 
als Berfuh gerechnet. Da ein 
gelungener „Verſuch auf? Mal” 
mit fünf Punkten berechnet wird, 
fo werden für diefen Tritt bei jeder 
Partei einige Spieler befonders 
ausgebildet, die den Stoß bei 
Wettfämpfen auszuführen haben. 
Da der Gegner, wie gejagt wurde, 
fofort vorlaufen darf, legt ſich der 


Niro. 729. 


Spieler meiltend, um über den 
Moment des Auffegens zu täufchen, 
flah auf den Boden, hält feine 
Heinen Finger ſchützend zwiſchen 
Ball und Erde und zieht fie erjt 
beim Stoß des Partners fort. Soll 
allerdings der „Verſuch aufs Mal” 
Geltung behalten, fo darf er den 
Ball im Augenblid des Tretens 
nicht mehr berühren. 

729. Die Spielregeln. Die 
folgenden Regeln für dies überaus 
jhwierige Sportipiel, das ohne 
einen Berufsjpieler niemald von 
einem Klub gelernt werden jollte, 
wurden im Auftrag des 5. deut: 
fchen Rugbytages im Jahre 1906 
von Prof. Edw. Ullrich aus dem 
Engliſchen überſetzt. Die aner: 
fannten Auslegungen der Rugby- 
Union find in fleinerem Drud ein 
gefaltet Wir führen nur die— 
jenigen Regeln an, die nicht ſchon 
im vorjtehenden Artikel erwähnt 
worden find. Menderungen und 
Zufäte feit 1906 find mit * be- 
zeichnet. 

„Bei allen Wettjpielen müfjen 
zwei Seitenrichter und ein von bei- 
den Parteien vereinbarter Schieds⸗ 
richter aufgeftellt werden. 

Der Schiedsrichter muß eine 
Pfeife haben, deren Pfiff das Spiel 
unterbricht, und bei folgenden An= 
läſſen pfeifen: 

a) Wenn ein Spieler einen rei- 
fang gewinnt und beanfprudt. 

b) Wenn er rohes oder unehr- 
liches Spiel oder ungebührliches 
Benehmen bemerkt. Er fann dabei 
beim erjtenmal den Spieler ent- 
weder warnen oder ihn vom Spiels 
felde wegweiſen; im Wiederholungs- 
falle muß er ihn wegweiſen. 

zer Schiedsrichter foll hier mit Strenge 
vorgehen. 

Hat der Schiedsrichter einen Epieler vom 


Feld weggewieſen, fo darf er ihn unter 
feinen Umständen wieder mitfpielen laffen. 


c) Wenn er die Fortfegung des 


Spieles für gefährlich anfteht. 





E. Gräfin Baudiffin. 


Sit ein Spieler verlegt, jo fol der Schieds⸗ 
richter nicht eher pfeifen, big der Ball tot, 
d. 5. aus dem Spiele ift, wenn nicht burdy 
die Fortfegung des Spieled dem verlegten 
Spieler weitere Gefahr droht. Eine foldye 
Unterbredung de3 Spieled fol nit mehr 
als 3 Minuten dauern. 

*) Fiir unerhebliche Verlegungen fol das 
Spiel nicht unterbroden werben. 

Wenn fih ein verlegter Spieler vom 
Spielfeld zurüdzieht, fo kann er jederzeit 
wieder am Spiel teilnehmen. 

d) Wenn er aus irgend einem 


Grunde das Spiel unterbreden will. 

Beiſpielsweiſe un: die Enticheidung eines 
Seitenrichters aufrecdtzuerhalten, welcher 
fortfährt, ſeine Flagge zu erheben, nachdem 
der Ball ins Spiel gebracht iſt, weil dieſer 
entweder an unrichtiger Stelle oder durch 
die falſche Partei hereingebracht wurde, 
oder wenn er den Ball als in ver Mark bes 
findlih erklären will, trogbem der Seiten: 
richter feine Flagge nicht erhebt. 

Auch wenn der Schiedsrichter unabficht- 
lic pfeift, wird das Spiel unterbroden. 

e) Wenn der Bau oder ein 
Spieler, der mit dem Balle läuft, 
ihn berührt; in dieſem Falle ift 
ein Gedränge an der betreffenden 
Stelle zu bilden. 

f) Bei Halbzeit und Schluß. 

Dabei ift der Schiedsrichter der 
einzige Zeitnehmer; er allein bat 
das Recht, die durch Störungen 
verlorene Zeit auszugleichen. Er 
darf aber das Spiel nur ſchließen, 
wenn der Ball feſtgehalten wurde 
oder aus dem Spiel iſt. 

Seine Entſcheidung über die Zeit hat auch 
dann Geltung, wenn fie unrichtig ift. 

eg) Wenn er einen GSpielfehler 
bemerkt, wodurch die fich verfehlende 
Bartei einen Vorteil erhält. 

*) Diefe wichtige Regel jollte von den 
Schiedsrichtern viel mehr beadtet werben 
ald bisher. Leider find die Schiedsrichter 
geneigt, fofort zu pfeifen, wenn eine Spiel- 
regel übertreten wurde, ftatt abzuwarten 
und nachzuſehen, welde Partei aus bem 
Fehler Vorteil 308. En . 

h) Wenn er bei einem Antritt 
oder Lagertritt bemerkt, daß ein 
Spieler der Partei de Tretenden 
nicht hinter dem Ball ift. 

i) Wenn er eine Strafe ver- 
hängen will. 

*) k) Wenn ein Treffer getreten 


| wurde. 


\ 


XI. 3. 


*) ]) Wenn der Bal in Mal: 
Markt fommt. 


Fußball. Nro. 729. 


Die Kapitäne der beiden Parteien 
jollen Iofen; der Gemwinner hat ent- 


Berührt ber Ball, während er getragen | weder die Auswahl des Malfeldes 


wird, oder deſſen Träger den Schiedsrichter 
im Malfeld der Gegner, jo wird ein Verſuch 
zugeiprocen ; geſchieht Died beim Heraus: 


laufen aus dem eigenen Malfeld, fo wird | jedem Malfelde aus fpielen. 


ein Handauf zugeſprochen. 
Berührt der Ball, wenn er nicht von 
einem Spieler getragen wird, im Malfeld 


den Schiedsrichter oder einen Seitenrichter, gleicher Zahl 


der im Malfeld ſteht, um den Schiedsrichter 


bei einem Tritt aufs Mal zu unterſtützen, ſo 


ſoll den Angreifern ein Verſuch zugeſprochen 


oder den Antritt zu beanſpruchen. 
Jede Partei muß gleiche Zeit von 
Ein 
Wettſpiel wird durch eine Mehr— 
heit von Punkten entſchieden, bei 


bleibt es unent— 
ſchieden. 


*) Bei der Berechnung des 


werden, wenn der Schiedsrichter überzeugt Spieles zählt: 


tft, daß ein ſolcher nur durch jene Berührung 
verhindert wurde; andernfalls ift ein Lager: 
tritt zuzuſprechen. 


Ein Berfuh . . 3 Bunte. 


Berübrt der Ball im Malfeldb einen Zus 
ſchauer, fo fol dies unberüdfichtigt bleiben, 


wenn die Kapitäne barüber feine be 
Vereinbarung getroffen haben. 

Der Schiedsrichter entfcheidet 
endgültig über alle Tatbeftände. 
Glaubt aber eine Partei, daß feine 
Entjcheidung gegen die Spielregeln 
verstößt, jo fann fie an das vom 
Deutihen ARugbyverbande aufge= 
ftellte Schiedsgericht Berufung ein- 
legen. 

Der Schiedsrichter kann eine gegebene 
Entſcheidung nicht mehr umftoßen. 

Der Schiedsrichter barf in bezug auf 
Mark und GSpielgrenze bie Seitenrichter 
fragen. Einen Nichtſpieler darf er nur zu 
Rate ziehen, wenn feine Uhr ftehen bleibt, 
und dann muß er in erfter Linie die Seiten- 
richter fragen. 

*) Die Seitenrichter follen Flag: 
gen haben, und jeder joll eine Mark 
außerhalb des Spielfeldes über: 
nehmen. Sie haben ihre Flagge 
jofort an derjenigen Stelle, an 
welder der Ball über die Marf: 
linie ging, fowie aud, wenn der 
Ball in die Malmark ging, zu er: 
heben. Sie follen aud) den Schieds— 
richter bei Tritten nad) dem Mal, 
bei einem Verſuch, Freifang oder 
greitritt unterftügen; dabei fteht 
jever an einer Malftange. 


Der Schiedsrichter fann die Entſcheidung 
eines Seitenrichters umftoßen. 

Wenn der Ball in die Marf ging und 
richtig bereingemorfen wird, obmohl der 
Seitenrichter die Flagge nicht erhob, fo foll 
pr Schiedsrichter das Spiel weiter gehen 
laſſen. 


ſondere Ei 


Ein Treffer von einem 
Verſuch (dabei zählt 
der Verſuch nidt) . 5 
n Sprungtreffer (außer 
von einem Freifang 
oder Straftritt) .. 4 

in Treffer von einem 

Freifang od. Straftritt 3 „ 

eim Antritt müfjen alle 

Spieler der Partei des Tretenden 
hinter dem Ball fein, ſonſt muß 
der Schiedsrichter pfeifen und ein 
Gedränge an der Stelle des Ans 
tritts bilden lafjen. 

Das Spiel wird mittels eines 
Antritt3 meiter geführt: 

a) Nach einem Treffer durch die 
Partei, die denjelben verlor. 

b) Nach Halbzeit durch die Partei, 
die den Antritt am Spielanfange 
nicht hatte. 


Spielmeije. 

Hat das Spiel begonnen, fo darf 
jeder [pielberedhtigte(onside) 
Spieler den Ball jederzeit treten 
oder ihn aufnehmen und damit 
laufen. Der Ball darf jedoch nicht 
aufgenommen werden: 

a) In einem Gedränge. 

b) Wenn er niedergelegt wurde, 
nachdem er feitgehalten war. 

c) Wenn er auf dem Boden it, 
nachdem ein Spieler gefaßt wurde. 

Der Ball darf von einem Spieler 
einem andern zugejpielt oder zu— 
geſchlagen werden, wenn er dabet 


” 


” 


ro. 729. E. Gräfin 


nicht vorgegeben, vorgefchlagen oder 
vorgeworfen wird. 


*) Ein Spieler, welder zu Boden ge⸗ 
worfen mwurbe, darf den Ball weitergeben, 
wenn diefer nit auf dem Boden iſt. Da⸗ 
gegen gilt ein Spieler als gefaßt, wenn er 
von einem Gegner gepadt wird, babei fällt, 
und der Ball, ben er trägt, ben Boden 
berührt. 

Ein fpielberehtigter Spieler darf in jeder 
Lage jpielen, wenn er feinen Gegnern nicht 
im Wege fteht; er darf an ein Gebränge 
heranfonımen und verſuchen, den Ball mit 
einem Fuße herauszuhakeln, wenn fein 
anderer Fuß binter dem Ball ift. 

Wird der Ball zurüdgemorfen und nad 
dem Auffallen vom Winde vorgeblafen, jo 
nilt dies nicht al8 vorgeworfen, wenn der 
Bau nit vor dem Zufpieler auffiel. Ale 
Epieler bleiben jpielberechtigt, die e3 beim 
Auffallen des Balled waren. 


*) Wenn ein Spieler, der den 
Ball hält oder damit läuft, ge- 
halten wird, jo muß er ihn fofort 
zwijchen fich und der Mallinie der 
Gegner richtig niederlegen. 


Ein Spieler kann nicht beanſpruchen, daß 
der Ball gehalten war, wenn er feinen Griff 
entrifjfen wurde. 

Der Schiedsrichter darf unbedingt nicht 
pfeifen, um anzuzeigen, daß ber Träger bes 
Balles gehalten ift. ‚Dies ift befonders zu 
betonen, weil die Gewohnheit zu pfeifen, 
fobald ein Spieler gehalten wird, dad Spiel 
geradezu verdirbt, indem e3 langfamer wird 
und bie flinter jpielende Partei um den ver- 
dienten Borteil gebracht wird. Wird ber 
Träger des Balles gehalten, fo darf der 
en nur aus folgenden Gründen 
pfeifen: 


1. Wenn genannter Spieler den Ball nicht 
fo fort nieberlegt. 

. 2. Wenn genannter Spieler auf dem Boden 
liegt und fi nit fofort richtig vom Ball 
trennt und entweder auffteht oder vom Ball 
wegrolt. 

3. Wenn genannter Spieler von einem 
Gegner entweder am Aufftehen oder am 
Niederlegen ded Bald verhindert wird. 

4. Wenn der Schtedärichter die Forts 
fegung des Spieles für gefährlich anfieht. 
Darüber zu enticheiden, ift ziwar allein Sache 
des Schiedärichters, doch fol darauf Hinge: 
wiejen werden, daß nur wenige gefährliche 
Fälle eintreten fönnen, wenn der gehaltene 
Cpieler im Geifte der Spielregeln fpielt und 
fih fofort vom Ball trennt. Durd ein, 
wenn auch noch fo furzes Fefthalten des 
Baus kann Gefahr entjtehen, und dann 
follte der Schiedsrichter pfeifen und einen 
Straftritt verhängen, ftatt wegen der Ge- 
fährlichteit ein Gedränge anzuorpnen. Denn 
dadurch bringt er eine Partei um einen vers 


Baudilfin. 


dienten Borteil und erläßt der andern eine 
wohlverdiente Strafe. , 
abjeit3 


Ein Spieler mird 
(fpielfremd), wenn er von der Seite 
feiner Gegner an ein Gedränge 
herantritt, oder wenn ein Spieler 
feiner eigenen Partei hinter ihm 
den Ball getreten oder berührt hat 
oder mit demjelben läuft. 

Ein Spieler Tann im Malfeld 
der Gegner abjeits fein, aber nicht 
in feinem eigenen, außer wenn ein 
Spieler feiner eigenen Bartei hinter 
feiner Mallinie einen Freitritt aus— 
führt, denn in diefem Falle müfjen 
alle Spieler feiner Partei hinter 
dem Ball fein. 

Ein Abjeit3- (fpielfremder) Spie— 
ler wird wieder fpielberechtigt:: 

a) Wenn ein Gegner mit dem. 
Ball 5 Schritt gelaufen ift. 

b) Wenn der Ball einen Gegner 
berührt oder von einem ſolchen ge= 
treten wurde. 

c) Wenn ein Spieler feiner Bartei 
mit dem Ball vor ihn gelaufen ift. 

d) Wennein Spieler feiner Bartei, 
naddem er den Ball Hinter ihm 
getreten hatte, vor ihn gelaufen iſt. 


Der Spieler wird aber nicht fpielberedh: 
tigt, wenn er hinter den andern zurüdgebt. 

Ein Spieler, welder den Ball getreten 
bat, muß im Spielfeld oder im Malfeld der 
Gegner fein, wenn er bie Spieler, die vor 
ihm waren, fpielberedtigt madt. Er darf 
zwar in ber Mark anfangen zu laufen, muß 
aber baldmöglichſt in das Spielfeld zu kom⸗ 
men ſuchen. 

*) Nur der Tretende Tann fpielfremde 
Spieler ſpielberechtigt machen. 

Ein fpielfremder Spieler (welcher 
abſeits ift) darf den Bal nicht 
fpielen, er darf, wenn ein Gegner 
den Ball bat, weder laufen noch 
fallen, noch ftören, nod im Wege 
ftehen, endlih darf er an feinen 
Spieler, der auf den Ball wartet, 
auf 10 Schritt heranfommen, noch 
abfichtlih innerhalb dieſer Ent: 
fernung bleiben. Wird gegen dieſe 
Regel verjtoßen, jo wird der Gegen— 


ee zur Auswahl zugefproden: 


e) Ein Freitritt, wobei die Stelle, 


iv 


XI 3. Jußball. 
wo ver Berftoß ftattfand, ala Kerbe 


angenommen wird. 
f) Ein Gedränge an der Stelle, 


* 


ner! 


ee EEE 


23 
* 


die den Fehler machte. 


wo der Ball vor dem Verſtoß zu: 
legt von der Partei gejpielt wurde, 


Geſchah aber der Berftoß unab- 
fichtlih, To fol ein Gedränge an 
der Stelle des Verſtoßes gebildet 


werden. 


Die Strafen für Abfeitsfpiel follten viel 
ftrenger al3 bisher verhängt werden. Auch 
folte ein Fehltritt zugejproden werden, 
wenn der Schiedsrichter glaubt, daß ein 
Freifang gemadt worden wäre, wenn ihn 
nicht die Nähe eines jpielfreimden Spielers, 
der nicht auf 10 Schritt zurüdging, erfchwert 
bätte. Auch fcheint es, als ob die Schieds— 
richter zu oft unabſichtliches Abſeits an- 
nehmen, ftatt einen Straftritt zu verhängen. 

*) Wenn ein Spieler, welder auf den 
Ball wartet, ihn nicht richtig auffängt, fon« 

dern aud den Händen auf den Boden fallen 
läßt, und ein fpielfremder Gegner, der in 
feiner Nähe fteht oder fi ihm auf weniger 
als 10 Schritt genähert Hat, fih auf ihn 
ftürzt und am Weiterfpielen des Balls ver: 
hindert, fo fol ein Freitritt zugeſprochen 
werden, weil der jpielfremde Spieler fich 
nit hinter die 10⸗Schrittgrenze zurückzog. 

*, Ein fpielfremder Epieler darf einen 

Zumwurf der Gegner abfangen; einen rei» 
fang darf er nur dann beanfpruden, wenn 
der Zuwurf nad) vorn geſchah. 


*) Macht ein Spieler einen Frei: 
fang, fo wird ein Freitritt zuge⸗ 
ſprochen (au dann, wenn Der 
Schiedsrichter wegen Vorwerfens 
oder Vorſchlagens gepfiffen bat); 
dabei darf jeder Spieler jeiner 
Bartei den Ball treten, oder zum 


Treten aufjegen. 


Ein erlaubter Freifang muß ausgeführt 
werben. 


*) Jeder Freitritt darf ein 
Platztritt oder Sprungtritt oder ein 
Falltritt ſein: er muß aber nad 
dem Malfeld der Gegner gerichtet 
ſein und muß die eigene Mallinie 
kreuzen, wenn er hinter ihr ge— 
treten wurde. Er darf hinter der 
Kerbe an jeder Stelle einer Paral- 
lelen zur Marklinie getreten werden. 
Die Bartei des Tretenden muß 
dinter dem Ball fein, wenn er ge: 





treten wird, mit Ausnahme des 


Niro. 729. 


Aufſetzers bei einem Platztritt, und 

der Schiedsrichter bat darauf zu 
achten, daß der Ball auf der Paral: 
lelen getreten wird. Wird gegen 
dieje Regel verjtoßen, fo muß der 
Schiedsrichter ein Gedränge an der 
Kerbe anordnen. Die Gegenpartei 
darf big an eine durch die Kerbe 
zur Mallinie gezogene Parallele 
herankommen und von diejer Linie 
aus oder von weiter hinten vor- 
laufen, fobald der Tretende zu 
laufen beginnt oder ſich anfchidt 
zu treten oder der Ball für einen 

lagtritt auf den Boden aufgejest 
it. Bei einem Sprungtritt oder 
einem Falltritt darf der Tretende 
immer wieder zurüdgehen und die 
Gegenpartei muß, wenn er den 
Ball noch nicht fallen ließ, an die 
Kerbenparallele zurüdgehen. Läuft 
aber ein Spieler der Gegenpartei 
vor, ehe der Spieler, der den Ball 
hat, zu laufen anfängt oder ſich 
anſchickt zu treten, oder ehe der 
Bal beim Legen für einen Plab- 
tritt (auh für einen folchen bei 
einem Berjuch) den Boden berührt, 
jo darf das Borlaufen verboten 
werden, wenn der Tretende noch 
Richt getreten hat. 

Kreuzt bei einem Yreitritt der Ball bie 
eigene Mallinie nicht, fo können die Gegner 
doch feinen Verſuch gewinnen, fondern der 
Tritt muß wiederholt werben. 

Der Tretende und der Auffeger müſſen 
getrennte Perſonen fein; Dagegen darf jeder 
beliebige Spieler vor dem Aufjegen des Balls 
dieſen berühren oder ihn einrichten. Der 
Auffeger darf den Ball vor dem Tritt aud) 
dann noch nad) Belieben einrichten, wenn 
er auf den Boden aufgefegt ift. Dagegen 
darf er bei dem Tritt jeine Hand nicht am 
Ball haben; der etwaige Treffer wäre ſonſt 
ungültig. Laßt er den Ball auf den Boden 
fallen, bevor er zum Aufſetzen bereit war, ſo 
darf er ihn nochmals aufſetzen. 

Wenn der Ball auf dem Boden liegt, 
darf der Tretende ihn unter keinen Um— 
ſtänden berühren, auch wenn das Vorlaufen 
verboten iſt. Tut er dies, ſo muß der 
Schiedsrichter bei einem Freitritt ein Ge— 
dränge an ber Stelle bilden laſſen, wo der 
Verſtoß vorkam, bei einem Verſuch der 


Gegenpartei einen Lagertritt zuſprechen; 
dieſes fehlerhafte Berühren des Balls ſeitens 


Niro. 729. 


des Tretenden macht ben Berfuch zu Linem. 


erfolglofen. Wenn das Vorlaufen verboten 
ift, darf jeder Spieler außer dem Tretenden 
den Ball wieder aufjegen. Auch darf bie 
Etelle für den Plagtritt geändert werben. 

Wenn ein Spieler den Ball auffest, fo 
fol er dabei nicht abſichtlich fo bantieren, 
daß er bei feinen Gegnern den Glauben er- 
wedt, er habe ven Ball niedergelegt, obgleich 
er dies nicht tat; in dieſem Falle fol das 
Borlaufen nicht verboten werden. 

Spieler, welche bei einem Verſuch, Frei⸗ 
fang oder Straftritt fih anſchicken vorzu⸗ 
laufen, müſſen mit beiden Fitßen hinter der 
Mallinie oder der Kerbe bleiben. Wenn nur 
ein Spieler mit einem Fuß vor der Mallinie 
oder der Kerbe jteht, jo fol ber Schieds⸗ 
rihter annehmen, er jei vorgelaufen, daher 
pfeifen und das PBorlaufen verbieten. 
Dies fol er au) tun, wenn die Partei all- 
mäbhlich über die Kerbe vorſchleicht. 

Spieler, denen dad Borlaufen verboten 
ift, bürfen trogbem hinter ber Kerbe in die 
Höhe Springen und verfuchen, den Ball anzu» 
halten oder zu berühren. Gelingt ihnen 
dies, fo fann fein Treffer gewonnen werden. 

Pfeift der Schiedsrichter, um das Vor: 
laufen zu verbieten, gerade in dem Augens 
blicke, wo ber Tretende feinen Tritt audge- 
führt bat, fo fann der Tretende, wenn er 
einen Treffer machte, ihn gelten laſſen, wenn 
nit, fo darf er oder ein anderer feiner 
Bartei nochmals treten. 

Der Gegenpartei muß genügend Zeit ge⸗ 
lafjen werden, um in Stellung zu fommen. 


Straftritte. 
Als Strafe fol der Gegenpartei 
ein Freitritt zugeſprochen werden, 
wenn ein Spieler 


a) abjichtli in einem Gedränge. 


den Bal mit der Hand berührt, 
hinfällt oder den Ball heraus: 
nimmt. 

Das Aufnehmen bed Baus mit ben Füßen 
ift im Gedränge erlaubt. 

Wenn die Ungreifer den Ball im Ges 
dränge Hinter der erften ober zweiten 
Ctürmerreihe mitnehmen unb ihre Gegner 
über die Mallinie zurüddrängen, jo fann 
jeder Epieler durd ein Handauf einen Ver- 
fud, jeder Verteidiger einen LZagertritt ge- 
winnen. 

b) den Ball, den er trägt, nicht 
jofort vor fich niederlegt, wenn er 
gehalten wird, | 

c) nicht jofort auffteht, wenn er 
bingefallen ift, 

*) Diefe Etrafe muß verhängt werben, 
wenn ein Spieler fih irgendwie mit dem 
Ball zu ſchaffen macht, während er jelbft auf 
dem Boden liegt. 


E. Gräfin Baudilfin. 


d) einen Gegner am Aufftehen 
oder Niederlegen des Balls ver- 
hindert, | 

e) hält, anrennt oder ftört, mwäh- 
rend er abjeits ift, 

f) abfihtlih einen Gegner hält, 
der den Ball nicht hat, 

Ein Spieler darf einen Gegner, der mit 
ihm auf den Ball zuläuft, anrennen, doc 
darf dies nur Schulter gegen Schulter ge= 
ſchehen. 

g) abſichtlich nach dem Körper 
eines Gegners tritt, ihn umtritt 
oder ihm Bein ſtellt. 

Wenn der Schiedsrichter dieſes Spielen 
für roh hält, fo kann er außerdem den 
Spieler verwarnen oder vom Spielfelde 
wegweiſen. 

*) h) abſichtlich den Ball un⸗ 
richtig in ein Gedränge legt oder, 
wenn der Ball herauskommt, ihn 
abſichtlich mit den Händen oder 
Füßen wieder ins Gedränge ſchafft, 

i) während er ſelbſt nicht nach 
dem Ball zuläuft, einen Gegner, 
der den Ball nicht trägt, anrennt 
oder ihm im Wege ſteht, 

Dasſelbe gilt, wenn der Spieler einen 
Gegner, der mit ihm nach dem Ball läuft, 
unrichtig anrennt. 

*) k) „Niemand abſeits“ oder 
gleichbedeutende Worte ruft, wäh- 
rend die Spieler feiner Partei nicht 
alle fpielberechtigt find, 

*) h während der Ball im Ge- 
dränge ift, außerhalb des Gedränges 
abſichtlhich die Hinterleute der 
Gegner dadurch ftört, daß er auf 
der gegneriihen Seite des Balls 
bleibt, 

Diefer Freitritt fol ftrengftens verhängt 
werden, bamit die Halb- und Dreiviertel: 
fpieler verhindert werben, vor dem Bau zu 
ftehen, um die Hinterleute der Gegner zu be⸗ 
wachen. Dabei ift aber nicht beabfichtigt, 
einen Halbipieler zu ftrafen, ‚welcher !bei 
einem Gebränge den Ball unabſichtlich 
überläuft. 

m) abſichtlich hindert, daß der 
Ball richtig ind Gedränge gelegt 
wird, 

*) n) wenn ein Spieler oder 
eine Mannihaft abſichtlich und 
planmäßig einen Fehler gegen die 


XI. 3. Zußball. 


Spielregeln macht, wofür die Strafe 
nur ein Gedränge ift, oder ohne 
genügenden Grund Zeitverluft ver: 
urſacht, 

o) in einem Gedränge einen Fuß 
vom Boden erhebt, ehe der Ball 
ins Gedränge gelegt iſt. 

Der Ball iſt ins Gedränge gelegt, ſobald 
er den Boden berührt bat. 


Die Stelle, an welcher der Ber- 
ftoß ftattgefunden, ſoll al3 Die 
Kerbe angejehen werden, und ein 
beliebiger Spieler der Partei, wel: 
cher der Freitritt zugefprochen wurde, 
darf den Ball niederlegen oder ihn 
‚treten. | 

*) Bei einem Berftoß gegen k) 
fol der Gegenpartei zur Auswahl 
zugeſprochen werden: 

1. Ein Gedränge an der Stelle, 
wo der Bal zulegt gejpielt wurde. 

2. Ein Freitritt an der Stelle, 


wo der Verſtoß ftattfand. 

Wenn ber Rufende hinter dem Tretenden 
ſteht, fo ift ein Freitritt an der Stelle anzu: 
ordnen, wo der Ruf andgeftoßen wurde. 


Allgemeine?. 


*) Der Ball iftin der Mark, 
wenn er oder der Spieler, welcher 
ihn trägt, die Marklinie berührt 
oder kreuzt und gehört dann, außer 
wenn er hineingetragen wurde, der 
Gegenpartei des Spielers, welcher 
ihn zulegt im Spielfeld berührte. 
Ein Spieler der Partei, welcher 
der Ball gehört, muß ihn dann an 
der Stelle, wo er in die Marf 


ging, auf eine der folgenden Weifen 


wieder in dad Spiel bringen: 

a) Den Ball fo hereinwerfen, 
daß er rechtwinklig zur Marflinie 
landet. 

b) Ein Gedränge bifden laflen 
an einer Stelle, die auf einer durch 
den Punkt, wo der Ball in die 
Mark ging, zur Mallinie gezogenen 
Parallelen liegt und die 10 Schritt 
von der Marklinie entfernt ift. 

Pfeift der Schiedsrichter, meil 
der Ball jo hereingemorfen wurde, 


Niro. 729. 


daß er nicht rechtwinklig zur Mark: 
linie fliegt, fo hat die Gegenpartei 
ihn gemäß b) ſelbſt hereinzubringen. 

Wenn der Bal nit an der richtigen 
Stelle hereingeworfen wird, fo foll ver 
Schiedsrichter anordnen, daß diejelbe Partei 
an der richtigen Stelle hereinwirft. 

Ein Spieler fann in der Mark fein und 
doch den Ball fpielen, wenn dieſer nicht in 
ber Dart ift. 

Wird ein Ball in die Mark getreten, aber 
vom Winde zurüdgeblafen, fo fol er doch 
al3 in der Mark befindlich angefehen werben. 

Wenn eine Partei einen Ber: 
ſuch gewonnen bat, jo muß der 
Ball von der Stelle, wo der Ber: 
fuh gewonnen wurde, auf einer 
Parallelen zur Marklinie in dag 
Spielfeld ſoweit getragen werden, 
als e8 dem Aufjeger gefällt, und 
dort fol diefer den Ball auflegen, 
damit ein Spieler feiner Partei 
verfucdhe, einen Treffer zu treten; 
diefer Plagtritt unterfteht bezüglich 
des Borlaufeng u. f. m. der Regel LO, 
mwobei die Kerbe als auf der Mal: 
linie befindlich angenommen wird. 
Der Schiedsrichter hat dafür zu 
jorgen, daß der Ball auf einer 
Parallelen zur Marklinie herein: 
getragen wird. 

Der Schiedsrichter [ol einen Ver: 
ſuch bewilligen, wenn er überzeugt 
ift, daß ein folder nur durch un: 
richtiges Spiel oder Störung ſeitens 
der Verteidiger verhindert wurde. 
Er Tann aud einen Verſuch ab: 
ſprechen und ein Handauf bewilligen, 
wenn er glaubt, daß der Berjud) 
nur dur unrichtige® Epiel oder 
Störung der Angreifer gewonnen 
wurde. 

Bei einem folhen Berfuche fol 
der Tritt nad) dem Male irgendivo 
auf einer Parallelen zu den Mart: 
linien durch die Stelle, an welcher 
der Ball beim Berftoß fich befand, 


getreten werden. 

Iſt ein Streit wegen eines Verſuchs der- 
artig, daß eine Berufung an das Schieds— 
gericht zuläffig ift, jo ift es zu empreblen, 
daß der Schiedsrichter den Verſuch treten 
läßt, Damit der etiwaige Treffer gezählt wer— 
den kann, fall3 der Verſuch bewilligt wird. 


Nro. 730. 


Wenn der Ball im Malfelde| 
in den Händen eines Spielers iſt 


und, bevor er auf den Boden 
niedergelegt werden Tann, von 
einem Spieler der Gegenpartei fe ft: 
gehalten wird, jo muß gegen: 
über der Stelle, wo der Ball feft- 
gehalten wurde, 5 Schritt von der 
Mallinie entfernt ein Gedränge ge: 
bildet werden. 

Nah einem erfolglojen Verſuch 
oder nad einem Handauf, oder 
wenn der Ball in die Malmarf 
fommt oder die Spielgrenzen be— 
rührt oder Treuzt, muß der Ball 
mittelft eines Lagertritteg ing 
Spiel gebracht werden. Alle Spieler 
der Bartei des Tretenden müfjen 
beim Tritt hinter dem Ball fein, 
fonft muß der Schiedsrichter ein 
Gedränge in der Mitte der Lager- 
grenze anordnen. 

Berührt ber Ball oder ber Träger bes 
Balls eine Edflagge, fo iſt der Ball tot. 

Bei einem Bormwerfen oder 
Borfhlagen muß der Ball an 
die Stelle, mo der Verſtoß vorfiel, 
zurücdgebradyt und dort ein Ge— 
dränge gebildet werden, falls nicht 
ein Freifang gemonnen wurde, 
oder die Gegenpartei einen Bor 
teil davon hatte. 

Wenn ein Spieler vorfählid 
den Ballinfein eigene8 Mal: 
feld tritt, gibt, fchlägt oder trägt, 
und der Ball hierauf tot oder ein 
Handauf gemacht wird, fo darf die 
Gegenpartei verlangen, daß der 
Ball zurüdgebradt und ein Ge— 
dränge an der Stelle gebildet 
werde, von welder aus der Ball 
rückwärts getreten, gegeben, ge: 
Ihlagen oder getragen wurde. 
Diefen Fall ausgenommen, darf 
ein Spieler in feinem eigenen Mal: 
felde jederzeit ein Handauf maden. 

Wenn der Ball zurüdgegeben wird, aker 
der Epieler, der ihn fangen will, ihn fo 
mangelbajt jpielt, daß er über die eigene 
Mallinie zurückgeht, fo foll der Schiedsrichter 
bei feiner Entſcheidung ſich danach richten, 


E. Gräfin Baudiffin. 


ob diefed mangelhafte Spielen abſichtlich 
oder unabfihtlich war. ö 

Aud das Herauswerfen aus einem Ge: 
bränge hinter die eigene Mallinie ift un: 
ftattbaft. 

*) Wird der Bal Über die eigene Mal: 
linie zurüdgetreten oder zugefpielt, ſo fann 
ein Gegner durd einen Handauf einen Berfud) 
gewinnen. 

Treten nad den Körper, 
Umtreten und Beinftellen ift 
verboten. Der Schiedsrichter ift 
berechtigt, zu entjcheiden, was an 
dem Anzuge eined Spieler, ein— 
Ihließlih der Schuhe und deren 
Vorſprünge, Schnallen, Ringe u. dal. 
gefährlich iſt. Hat er entjchieden, 
daß irgend etwas gefährlich ift, fo 
muß er anordnen, daß der Spieler 
dies entfernt und ihm nicht ge— 
ftatten, weiter mitzufpielen, bis ab- 
geholfen ift. 

Wird im Malfelde von den 
Angreifern gegen irgend eine Regel 
verftoßen, jo muß ein Sandauf 
zuerfannt werden. Tun dies aber 
die Verteidiger, jo muß ein Ge— 
dränge angeordnet werden gegen- 
über der Stelle, wo der Verſtoß 
vorfam, und 5 Schritt von der 
Mallinie entfernt. 

Wird aber gegen irgend eine 
Regel verjtoßen, oder kommt 
eine Unregelmäßigfeit vor, wofür 
in diefen Regeln nichts vorgejehen 
iſt, jo muß der Ball an die Stelle 
des Verſtoßes zurüdgebradjt und“ 
dort ein Gedränge gebildet werden. 


Amerikanifdber fufsball. 


730. Einleitung. Die Ameri- 
faner übernahmen das Fußballſpiel 
von England und fpielten anfangs 
allgemein nach Rugbyregeln. Wie 
im Mutterlande erfuhr dag Spiel 
aber au in Amerika viele Wand- 
lungen, außerdem wurden mandje 
der urfprünglichen Regeln mißver- 
jtanden und heutzutage unterfcheidet 
fih dag amerifanifche Spiel in faft 
allen Hauptpunkten vom englifchen. 


XI. 3. Fußball. Nro. 731-732. 


731. Art des Spiels. Der 
Spielplaß befist gewöhnlid eine 
Zänge von 100 m zu 50 m Breite, 
bat auf den Breitjeiten Goals und 
außerdem parallel zu den Mal: 
Linien von 4,5 m zu 4,5 m Linien 
quer über den ganzen Plag, die 
ihm ven Namen grill-iron, Brat- 
roft, gegeben haben. Jede Partei 
befteht aus elf Spielern: 7 for- 
wards, rushers oder Stürmern, 






© RE: 


nn DM BEST... 


— L......... Qutens Ba... 


EIITEIEITIEEN 


BEER 77. URRRRNEAE 


TE EN EN NEE FE WR; 


Gos/ 


362. Aufitellung zum Abjtoß beim 
amerifanifchen Sußballipiel. 


einen quarter-back, 2 half-backs 
und einem full-back. Die Auf: 
ftellung ergibt fich aus dem bei: 
gefügten Plan. Der Ball ijt ei— 
und, der Abſtoß muß ihn 
mindeftend 10 Yards weit tragen 
und darf ihn nicht in der Mark 
landen laffen. Gejpielt wird der 
Ball wie beim Rugby mit Händen 
und Füßen, ebenjo darf der den 
Ball Tragende feitgehalten werden. 
Doch wird hierfür wie ald Strafe 
gegen Epielvegeln ein„scrummage“ 
Gedränge, angeordnet; entgegen 








nicht die Stürmer zum Gedränge 
zujammen, jondern ein Spieler der 
Partei, die den Ball zuletzt bejaß, 
wirft ihn einem quarter-back zu 
(snapping-back), der ihn meiter- 
gibt oder jelbjt mit ihm vorläuft; 
jeine vor ihm jtehenden Partner 


find dann off-side und dürfen ſich 


am Spiel nur mit dem Körper be- 
teiligen, ohne aber Hände oder 
Füße zu benügen. Der mit dem 
Ball Laufende wird rings von den 
off-side-Spielern gededt und ver: 
jucht einen Angriff aufs Mal, die 
feindliche Partei dagegen darf mit 
Händen und Armen den Anjturm 
abmwehren. Hauptjächliches Gewicht 
wird auf den gemonnenen und 
wieder verlorenen Weg gelegt, der 
durch die zahlreichen Linien mar: 
fiert ift; der Ball muß nach drei 
downs mindejtend 5 Yards gegen 
das feindliche Tor vorwärts, oder 
20 Yards gegen dag eigne zurück— 
gegangen jein. Sind dieje Di— 
ftanzen nicht innegehalten, jo bes 
fommt die Gegenpartei den Ball. 
Der Freifang, Verſuch aufs Mal 
und Hereinbringen des Balled von 
der Mark gleichen in der Haupt 
ſache dem englijchen Spiel; Fehler 
und Verſtöße jedoch werden durch 
„Diftanzitrafen” geahndet, d.h. die 
zu ftrafende Partei muß eine be= 
ftimmte Anzahl von Yards zurüd- 
gehen. 

Die Spielregeln werden von 
einem Komitee des University 
Athletic Club aufgeftellt und 
revidiert; der wichtigſte Tag für 
das Wettjpiel zwijchen den hervor: 
ragendften teams ift der Thanks- 
giving-day, der Erntedanftag. 


Auftralifcber fussball. 


732. Einleitung. Während fich 
im Norden Auftralien das Rugby 
eingebürgert hat, ift im Süden ein 


dem engliihen Rugby treten aber | Spiel entjtanden, das jich noch be— 


ro. 733. 


deutend ftärfer al3 das amerifa- 
niſche vom engliſchen Fußballipiel 
unterjcheidet; denn es gejtattet 
zwar das Laufen mit dem Ball, 
fordert aber vom Spieler, ihn bei 
jedem ftebenten Schritte auf die 
Erde fallen zu lafien, ehe er weiter: 
jpielen darf. Ferner müffen, mie 
die Senior-Association beftimmt 
bat, die Wettfämpfe von beglaubig- 


ten Schiedsrichtern entjchieven wer: | 


den, denen fogar ein bejtimmteg 
Honorar pro Spiel entrichtet wird 
und die dadurd zu Berufgipielern 
rechnen. Das auftralifhe Fußball: 
jpiel räumt aber dem Schiedgrichter 
höchfte Machtbefugnis ein; er allein 
entfcheivet, unterbricht, ftraft nnd 
ift zudem augfchließlicher Leiter des 
Spield. Auch die beiden, ebenfalld 
beglaubigten Goalſchiedsrichter er⸗ 
halten ein Honorar, obgleich ihre 
Aufgabe nur darin beſteht, beim 
Paſſieren des Balles durch das 
Tor ein Flaggenſignal zu geben. 
733. Art des Spieles. Die 
Spielerzahl beträgt auf jeder Seite 
15 bis 20 Mann, die aber nicht, 
wie ſonſt üblich, ein Parteifeld 
innehaben, ſondern über den gan: 
zen Platz verteilt werden, in der 
Art, daß fich ſtets zwei Gegner 
gegenüberjtehen (ſiehe Abb.). Mark: 
linien gibt es nicht; die Torpfoften 
ftehen 6,5 m auseinander und find 
6 Fuß hoch, rechts und links, eben: 
falls in einer Entfernung von 6,m, 
befinden ſich die beiden Abſtoß- oder 
„Behind“ pfoften. Die Spielzeit 


€. Gräfin Baubdiffin. 


in der Halbzeit. Bor jedem Mat 
fteht der centre-forward der einen 
Partei und der centre-back der 
andern. Zum Spielanfang wirft 
der Schiedsrichter den Ball ſenk⸗ 
recht in die Luft, 
followers wie die Zentrumjpieler 
zu bemächtigen fuchen. Das Weiter: 











Centre-Ferrward® OCentre-Bark 
©L.W.Foerward &KXFırward® 
LW Back 
SEMIER OCentreNaif- Formen 
OCentre-Naif- Bach 








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Centre Centre 





90000 
Followers 


0 
L. Yelf-Forward 
OCAMCC Halt-Bach 
— 


LW.Ferward OÖ 
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Goal -Posts 







©. W Back 
OR! ——— 






363. Aufſtellung der Spieler beim 
auſtraliſchen ua vor dem Abſtoße. 


geben mit der Hand ift nidt er- 
laubt, dagegen jedoch Freifang und 
Freitritt. 
dem Ball, der vom centre-forward 
und centre-back gefpielt wird, die 
„rover* dienen ihnen zur Dedung. 
Ein Spieler, der grade in die Höhe 


dauert 100 Minuten, gewöhnlich | fpringt, um den Ball zu fangen, 


mit einer Pauſe von 10 Minuten 


‚darf nicht feftgehalten werden. 


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Die followers folgen 


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XI, 4 . Lamn-Tennts . 


Nro. 734. 


4. Lawn-Tennis. 


734. Einleitung. Die Gefchichte 
des Lawn⸗Tennis (ded Ballfpieles), 
ift jehr alt, fie reicht wohl bis zur 
Kindheit der Menſchengeſchichte zu= 
rüd. Das harmlofe Spiel, mit 
einer Frucht, mit einem Stein, dann 
mit einer Kugel mag früh durch 
allerlei Bedingungen: nad einem 
Ziel zu werfen, den Ball über Hin- 
derniſſe hHinmwegfliegen zu laſſen, 
anregender geftaltet worden jein. 
Die Römer Tannten das Follisſpiel 
wie dag Trigon, die beide in ihren 
Grundzügen dem Paume und der 
Sphäromadia, Spielen, die über 
ganz Europa verbreitet waren und 
aus denen fich wiederum das heu- 
tige Tennis entwidelte, jehr ähnelten. 
Die Spanier fanden bei der Er- 
oberung Mexikos richtige Ballhäufer 
vor, in denen man dem „Tlachtli“ 
oblag, einem Spiel, das der Sage 
nach bereit3 von den Urbewohnern 
des Landes, den Tolfeten, ab— 
ftammte und von ihren Nacdhfolgern, 
den Azteken, nur übernommen wor: 
den war. Das „Tlachtli" wurde 
in eigen zu dieſem Zwecke errich- 
teten und arditeftonifch reich ge- 
ſchmückten, ca. 30 m langen Ge- 
bäuden geſpielt. Der Ball, aus 
Kautſchuk hergeſtellt, wurde dur 
einen fteinernen Ring geworfen, 
der in der Mitte des Raumes in 
8 m Höhe aufgeftellt und einer 
befonderen Gottheit geweiht war. 
Feierliche religiöfe Zeremonien ver: 
banden fi mit der Einweihung 
neuer Balldäufer und oft jegten die 
Könige Land und Leben ald Sieges- 
preis ein. Bei gewöhnlichen Wett- 
fämpfen durfte jih der glüdlichite 
Spieler, deſſen Ball durch den 
fteinernen Ring des Gegners flog, 
der Oberfleider aller Zufchauer be— 
mächtigen, mußte dafür aber dem 
Gott des Ballipiel3 ein Opfer dar- 


bringen. Die Spieler trugen nichts 
als ein hinten mit Leder bejettes 
Beinkleid, das „Martli”, da fie den 
Bal nit mit den Händen und 
Armen, ſondern nur mit den Schul: 
tern, den Ellbogen, Knieen und dem 
eben durchs Leder gejchüßten Körper: 
teil berühren durften. 

In Stalien bildeten fich zwei Arten 
des Follisſpieles aus: dag giuco di 
pallone, deſſen Goethe in feinen 
Briefen mit Enthufiasmug erwähnt, 
und das giuco della corda, das mit 
der bloßen Hand, ohne den fonft 
den Unterarm ſchützenden „brac- 
ciale“ gejpielt und bei dem zmwi- 
ſchen den Parteien ein Strid ge— 
jpannt wurde. Frankreichs Könige 
mußten ein Verbot nad) dem an: 
dern ergehen lafjen, um der Be— 
liebtheit des „longue paume“ und 
des „courte paume*, erftere3 im 
Freien, lebteres in den dazu er— 
richteten Gebäuden, dem tripot, 
gejpielt, beim Bolfe Einhalt zu tun. 
Sich jelbjt erbauten fie jedoch zahl- 
reiche tripots, und da es ihnen 
auch nicht gelang, die Leidenjchaft 
des Volkes für das Spiel zu däm— 
pfen, fo fonnte Lippomano, der 
venetianijhe Gefandte, in der 
Mitte des 16. Jahrhunderts be= 
richten, daß in Paris 1800 Ball: 
häufer eriftierten und täglich un: 
gefähr 1000 Kronen für Rackets 
ausgegeben würden! Der erfte 
Tennihof mit einem „dedans“, 
verfhhiedenen hazards und dem 
„tambour“ ift der von Franz I 
erbaute im Louvre. Bald unter: 
\hied man dem Bau nad zwei 
Arten von Ballhäufern, dag jeu de 
quarre (jpäter carre) und dag jeu 
de dedans, wie die Gebäude felbft 
einfach genannt wurden ; in Deutfch- 
land bürgerte fich faft ausſchließlich 
das erftere ein — das a ſelbſt 

7 


Niro. 734. 


hieß bier Ballon= oder Katenjpiel 
—, während nad den Prinzipien 
des letzteren noch heute in England 
und Frankreich gebaut wird. Beim 
jeu de quarre reichten nur die 
Giebelmauern bis zum Dad, die 
Längsmauern trugen SHolzpfeiler, 
auf denen das Dad) ruhte und 
zwilchen denen die Luken mit Tü: 
ern oder Neben verhängt wurden. 
Am Innern des Raumes Tiefen in 
5 Fuß Entfernung von einer Längs⸗ 
und einer Breitfeite Barallelmauern 
entlang, die in einem hölzernen 
Dad) nah oben abſchloſſen und 
zwei Öalerien bildeten; die kleinere 
hatte, vom Net aus betrachtet, in 
ihrer rechten Ecke eine große Deff- 
nung, la grille, urfprünglid) dem 
Namen nad) wohl ein vergittertes 
Fenſter; in der linfen Ede befand 
fi) dag trou de service. Sn der 
Giebelmauer vis a vis war links 
da8 petit trou angebradt und 
rechts lais, ein Hohes, aufrecht 
jtehendes Brett, hinter dem die 
Wand ausgehöhlt war, ſodaß 
man am Klang erfennen konnte, 
ob der Ball aufgejchlagen war 
oder nicht. 

In fpätern Zeiten wurde die 
größere Galerie von Neben ver: 
hängt, um die Zufchauer vor den 
Bällen zu ſchützen; die verjchiedenen 
Deffnungen diefer Galerie hatten 
bejondere Namen, die zur Bezeich- 
nung der das Spielfeld einteilenden 
Linien, den „Scaffelinien”, dien: 
ten. Die Hazardlöder la grille, 
la lune 20. wurden mit ind Spiel 
gezogen. Das berühmtefte deutjche 
Ballhaus, das Tübinger, war eben- 
fall8 nad) dem Duarreiyftem erbaut; 
zur ferneren körperlichen Ausbil: 
dung der Studenten, die fich zum 
größten Teil allerdings aus Prinzen 
und Adligen refrutierten, war es 
noch mit einer Rennbahn, einer 
Bolzenschießbahn und einem Arm: 
bruſthaus verbunden; auch zwei 


E. Gräfin Baudiffin. 


Säulen mit weibliden Figuren 
zum Ringeljtechen gab es in feinem 
Bereich. 

Das jeu de dedans beſaß noch 
eine dritte Galerie an der unteren 
Giebelmauer und eine große Deff- 
nung in der gegenüberliegenden 
Galerie, durch die ein Fleineres und 
größeres„dedans“ gejchaffen wurde; 
dagegen fielen la lune, le petit 
trou und l’ais fort. Ein Mauer: 
vorfprung, le tambour, diente, wie 
nod) einige befonderd harte Qua— 
dern in der Längdwand zum Ab- 
prallen des Balled. Der italienifche 
Scriftfteller Raino, der Deutjche 
Fiſchart, Florini in einem 
technifhen Werke, das 1719 zu 
Nürnberg herausgegeben wurde und 
Comeniug im „Orbissensualium 
Pictus* 1707 in Nürnberg erjdie- 
nen, widmen dem Ballipiel im 
„Ballenhaufe” wie dem Ballonfpiel 
unter freiem Himmel längere und 
fürzere Berichte. 

Im Spielgang und der Zähl: 
weiſe unterfchied fi) dag paume, 
troß des Einbeziehend der Hazards 
in das Spiel, nicht jonderli vom 
heutigen Tennid. Man fpielte in 
zwei Parteien zu vier Spielern oder 
auch zu zweien gegen einen, la 
chouette und lojte dur Drehen 
der Rackets (rauh oder glatt) Die 
Spieler au. Der Berlierende 
wurde zum Einfchenfer und hatte 
ven Bal derart auf das Galerie— 
dab der feindliden Seite zu 
ſchlagen, daß er beim Herabrollen 
in da8 Feld zwifchen Pafje- und 
Einfchenklinie fiel. Gelang ihm 
dag nit oder beging er einen 
andern Fehler, jo wurde dies dent 
Gegner mit 15 Punkten Plus. be: 
rechnet; aljo genau fo, wie man 
heute zählt. Hatten beide Parteien 
3 X 15 Bunte oder 45, fo ftand 
die Bartie: & deux, woraus das 
heutige Wort deuce entſtanden ift; 
gewonnen ward da8 Spiel mit 6, 


XI. 4 Jawn-Cennis. 


zuweilen auh 8 Partien. Auch 
Vorgaben, die den ſchwächeren 
Spieler dem befferen gleich ftellen 
follten, gab es ſchon; man gewährte 
einen Freiſchlag (bis-que), einen 
bis-con, der die chasse aufhob oder 
au ein oder zwei Freilchläge in 
jeder zweiten Partie. Außerdem 
erſchwerte man zuguniten des 
Schwächeren oft dag Spiel des 
Borgebenden durch allerlei Kleine 
Hinderniffe oder bejondere Bedin- 
gungen. „Schafjen” wurde das zwei⸗ 
malige Aufipringen de Balles 
genannt und die Stelle des zweiten 
Aufiprunge® vom Markör mit 
einem kleinen Geſtell marliert. 
Bon den mit Zahlen bezeichneten 
Scafjelinien aus wurden die Ent- 
fernungen, in denen der Ball auf: 
getroffen war, bemefjen. Der Ball 
war eben nicht wie heute dem Epie: 
ler durch das Schaffen verloren, 
fondern fonnte durch das „Ziehen 
der Schafje” wiedergewonnen wer⸗ 
den. Dazu mußten die Spieler 
die Seiten wechjeln und der Ball 
neu eingefchentt werden. Gelang 
es nun dem Biehenden (dem, der 
die Schaffe gemadjt hatte), ven Ball 
zwifchen der bezeichneten „Schaſſe“ 
und der Mauer aufipringen oder 
in eins der Hazards fallen zu lafjen, 
fo gewann er 15 Punkte; fiel der 
Ball dagegen wieder auf der Schalle 
nieder oder konnte der Verteidiger 
ihn zurüdichlagen, fo erhielt diefer 
die 15 Bunfte. Die Eroberung 
eines gegneriſchen Hazards rechnete 
ebenfall3 mit 15 Buntten. — Ge: 
wöhnlich wurden die Ballhäufer an 
die Ballmeifter oder Markörs ver- 
pachtet und die Spieler, meiſtens 
die Befiegten, hatten für Benugung 
des Hofes, der Spielgeräte 2c. zu 
zahlen. In Nebenräumen wurde 
zum Spielbeginn eine leichte Klei- 
dung (Hofe, Hemd und Schuhe 
ohne Abſätze) angelegt, während 
fih die Galerien mit ſchau⸗ und 


Nerv. 734. 


wettluftigem Publikum füllten. We: 
gen der hohen Wetten wurden die 
Ballhäuſer häufig gefchloffen, ebenfo 
oft wegen der zahlreichen Streitig- 
feiten, den Diebftählen und der 
Ihlechtgefüllten Bälle, den esteufs, 
zu deren Schug Ludwig XI bereits 
1480 ein ſcharfes Gebot an die 
Paume-Raquetierd erlafjen mußte, 
da diefe ftatt der Wolle und des 
Leders allerlei Abfälle zur Ser: 
ftelung benugten. Die Rackets 
entwidelten ſich allmählich, nach— 





dem die bracciale gegen die immer 
härter werdenden Bälle nicht genug 
ſchützten, aus einfachen Holzſchlä— 
geln, deren Mitte man ſpäter durch 
Pergament erſetzt hatte, zu immer 
leichteren und handlicheren Geräten. 
Statt des Netzes trennte man anfangs 
die Parteien nur durch einen Strick, 
an den man bunte Tuchlappen zur 
deutlicheren Markierung befeſtigte. 
Die Ballmeiſter, die gewöhnlich 
noch die Erlaubnis zum Weinaus— 
ſchank erhielten, gerieten bald in 
der ganzen Welt in wenig guten 
Ruf; auch die hohen Einſätze, die 
von richtigen „Buchmachern“ ge— 
bucht wurden, ſchadeten dem An— 
ſehen der Ballhäuſer ſo ſtark, daß 
in Frankreich im Jahre 1750 den 
Soldaten jedes Betreten der tri— 
pots ſtreng verboten wurde. Das 
unmoraliſche Treiben ijt jedenfalls 
mit eine Beranlafiung, daß das 
jJeu de paume immer mehr unter- 
drüdt wurde und fchließlich faft in 
Bergefienheit geriet. — Daß mit 
dem Schwur im Ballhaus zu Ber: 
ſailles, wohin ſich Bailly mit den 
Abgeordneten zurüdzog, ald man ihm 
den Eintritt in den Verſammlungs— 
ſaal desSchloſſes verwehrte, die fran— 
zöſiſcheKevolution eröffnet wurde, iſt 
bekannt; unter den „sermont du jen 
de paume“ verjteht man den Eid der 
Nationalverfammlung, ſich nicht zu 
trennen, bis Frankreich nicht eine 
neue Verfaſſung gegeben jet. 








Nro. 735. 


Die erften Paume-Regeln erſchie⸗ 
nen im Sahre 1599 von Forbet 
in Bari unter dem Titel: Ordon- 
nance de Paume; Hulpeau ver- 
zierte fie 1632 mit Kupferftichen 
und nannte fie: „Le Jev royal de 
la Paolme“. Das befte und aus: 
führlichfte Werk ift jedoch das von 
Garfault aus dem Jahre 1767: 
„lart du Paumier-Raquettier“, 
das genauen Aufihluß über das 
Epiel, die Geräte und die Höfe 
gibt. In Frankreich eriftieren gegen: 
wärtig noch acht Ballhäufer. 

An England Tannte man von 
jeher nur Dedanshäujer; wie be— 
liebt das Spiel unter den verſchie— 
denften Namen wie Tenes, Tennice, 
Tynes 2c. war, bemweifen Gedichte 
nnd Romane aus dem 13. und 
14. Sahrhundert, in denen es ver- 
herrlicht wird, ferner viele Anfpie- 
lungen inden Shakeſpear eſchen 
Dramen, die eine allgemeine Kennt: 
nis des Spieled und feiner Regeln 
voraugjegen. Aber auch in Eng: 
land geriet das Spiel faſt in Ver: 
gejjenheit, bi8 im Jahre 1802 ein 
internationale® Math in London 
zwifhen dem franzöfifhen Ball: 
meifter Barre und dem Engländer 
& or eine neue Aera heraufbejchwor. 

Der berühmte Marylebone Club 
ließ 1838 einen neuen Court in 
Lords bauen, dem bald andere in 
allen Teilen Englands folgten, fo 
daß man jeßt dort gegen 40 zählt. 
Die Spielmweife entfpricht im ganzen 
der des Baume; aud die Einteilung 
des GSpielfeldes in Einſchenkſeite 
(beim Dedans) und Hazardfeite ift 
beibehalten worden. Wie beim 
alten Baume bringt die Eroberung 
eined gegnerischen Hazards einen 
Freiſchlag. Außer dem QTambour 
zum Abprallen des Balles Fennt 
der englifche Tenniscourt noch die 
Spiellinie, die auf den Längs: 
mauern in einer Höhe von 18 Fuß, 
auf den Giebelmauern von 23 Fuß 


E. Gräfin Baudilfin. 


dur ein 20 cm breites Brett aus 
hartem Holz marliert wird. Die 
Scaffelinien werden auf dem brau⸗ 
nen Flur durch gelbe Streifen in 
1 und |, Yard Abftand bezeichnet. 

735. Das moderne Lawn:Ten: 
nid. Wie man in Frankreich unter 
longue paume da? Spiel im Freien 
verftand und ed neben dem courte 
paumc pflegte, fo begann man auch 
in England bereit3 unter der Re- 
gierungszeit Elifabetb8 das 
Spiel in der guten Jahreszeit nach 
draußen auf den Rafen zu verlegen 
und es dann Long- oder Field- 
(Feld)Tennis zu nennen. Die Ge- 
burtsjtunde des Lawn-Tennis von 
heute mit den genauen Beitimmun- 
gen über den court, den Spielgang, 
dag Zählen u. f. w. ſchlug aber erft, 
al8 Major Wingfield im Sabre 
1874 die Regeln über dag von ihm 
„Sphaeriftife” genannte Spiel, für 
dag er ein Feld in Sanduhrform 
forderte, veröffentlichte. Allerdings 
ftimmte man feinen Gejegen nicht 
unbedingt zu; der Marylebone Club 
veröffentlichte ſchon im nächſten 
Sahr neue Regeln — aber Major 
Wingfields Berdienft ift es 
eben, daB dem Spiel neues In—⸗— 
tereffe gewidmet wurde und ſich 
nah und nad die heute gültigen 
Regeln triftallifierten und einbür- 
gerten. Ungeahnt ſchnell wurden 
die ohnehin faft verlafjenen Krocket⸗ 
pläße in Tennidcourt® umgeman: 
delt, 1877 änderte bereitS der be= 
rühmte AU England Croquet Club 
feinen Namen in AN England 
Lawn-Tennis Club um und fchrieb 
das erſte Tournier in Wimbledon 
aus. 1878 einten fi dieſer und 
der Maryledbone Club auf eine 
gleihe Zählweife. Dad Net Hatte 
aber noch einige Sahre lang eine 
Höhe von 3%/, Fuß, die Einſchenk⸗ 
linie blieb weit von ihm ab und 
dad Volleyſpiel, der Flugſchlag, in 
dem [päter eine Zeitlang die höchſte 


XI. 4 Iamn-Gennis. 


Kunft des Tennigfpieler8 gejehen 
wurde, war faſt unbefannt, big 
im Sabre 1881 die Zmillingsbrüder 
Renſhaw begannen, jo viel Bälle 
als möglich vorm erſten Aufjprung 
aufzufangen und infolgedejien ihre 
Stellung nahe am Net einzuneh- 
men. Auch diejer „Stil“ wurde 
durch das Erniedern des Netzes an 
den Seiten 2c. bald wieder ent- 
thront. Das Tennis von heute ift 
eine Berfchmelzung des Volley- und 
Backſpieles (Spiel aus dem hinteren 
Felde, nahe der Grundlinie). Die 
große Lawn⸗Tennis-Aſſoziation, der 
alle engliſchen Klubs beitraten, da= 
tiert au dem Sahre 1888. Ihre 
Regeln find allgemein gültig und 
in Deutfchland ebenſo eingeführt 
wie in Amerifa. Lamn-Tennis ift 
alfo der einzige Sport, der auf der 
ganzen Welt nach denjelben Regeln 
betrieben wird; abgefehen von fei- 
nen übrigen, für den Körper außer- 
ordentlich großen Vorzügen, Tann 
es wegen dieſer einheitlihen Ans 
erfennung als Welt⸗Sportſpiel 
betrachtet werden. 

736. Lawn-Tennis in Deutſch⸗ 
land. Der erſte deutſche Klub 
wurde von einem Engländer, Mr. 
Trelawney, im Jahre 1877 in Ham⸗ 
burg gegründet; doch verbreitete 
ſich der Sport nur ſehr langſam in 
unſerem Vaterland, trotzdem bereits 
im Anfang der achtziger Jahre die 
erſten Turniere in Baden-Baden 
ſtattfanden. Erſt als ſich die Ham⸗ 
burger Eisbahnvereine des Sports 
annahmen und nach kleineren in⸗ 
ternen Turnieren größere für ganz 
Deutſchland ausſchrieben, gewann 
das Spiel immer mehr an Boden 
und Intereſſe. Ein für feine Ent: 
wicklung in Deutſchland wichtiger 
Yaltor war, daß die Teilnahme für 
den Radfahrſport, der nur furze 
Jahre in Blüte ftand, ftarf abnahm, 
befonders bei den deutfchen Frauen, 
daß das Tennis alfo gleichjam die 


Nro. 736—737. 


Lüde des unmodern gewordenen 
Sports ausfüllte. Zahlreiche Rad: 
fahrvereine wandelten ſich geſchwind 
in Tennis-Klubs um. Wie in der 
Einleitung unter „Mode und Sport” 
erwähnt wurde, iſt das Tennizpiel 
in England jchon bereit3 wieder 
dur Golf, Fußball und Polo aus 
feiner hervorragenden Stellung ver- 
drängt, wie dad Fernbleiben der 
beiten engliſchen Spieler von den 
legten Homburger Zurnieren be: 
wieſen bat; aber in Deutjchland 
find die Bedingungen für dieſe 
Sportsarten nicht jo günftig, vor 
allem werden die Frauen ja höchſtens 
in beſchränktem Maße am Golf oder 
Hodey teilnehmen können und de3- 
bald wird das Tennis mohl noch 
lange „das“ Spiel bei ung bleiben. 
Auch durch die Proteltion des 
Kaiſers, der 1895 den Kaiferpofal 
für da8 I. Armee: und Marine: 
L.⸗T.⸗Turnier in Homburg ftiftete 
und ſelbſt ein eifriger Spieler tft, 
wie er 3. B. alljährlid während 
der Kieler Woche, die ihrem Pro⸗ 
gramm ebenfall3 einige Turniere 
hinzugefügt bat, beweift, hat fich 
das Tennigfpiel in allen Kreijen 
Deutſchlands eingebürgert. ALS 
Hauptplag für internationale Zur: 
niere bewahrt Homburg feine Stel- 
lung, während die Zentren für den | 
Norden Berlin und Hamburg find. 
1902 wurde in Berlin der deutjche 
Lawn-Tennis-Bund gegründet; 
dur ihn find die für allgemeine 
Turniere geltenden Spiel- und Tur⸗ 
nierregeln ſyſtematiſch bearbeitet 
und feftgefegt, ferner eine praf- 
tiſche Uebertragung der englifchen 
Ausdrüde und Redewendungen ins 
Deutfche vorgenommen und zweifel- 
bafte oder ftreitige Auslegungs— 
fragen entjchieden worden. 

737. Das Spielfeld. Der ideale 
Spielplag bleibt natürlich der mit 
furzem, dichtem und weichem Rafen, 
wie die englifchen Courts ihn durch⸗ 


Niro. 737. 


gehends aufmeifen, und der ficdher- 
lich in feiner Elaftizität für den Fuß 
des Spielers wie für den Ball das 
Borteilhaftefte und Angenehmite ift. 
Ein folder „ground“ ift aber in 
Deutſchland kaum zu erreichen und 
es bleibt daher nur übrig, den beiten 
Erſatz für den Grasplag zu betrad): 
ten. Das ift auf alle Fälle der 
Hartplaß,den man durd tüchtige 
Unterſchichten von Baufchutt und 
obere Lagen kleinerer Steine, über 
die dann ſchließlich Chauffeefchlamm 
oder Lehm gemalzt wird, vorbes 
reitet. Die erjte Bedingung des 
Platzes ift, daß er volllommen eben 
fein und mit der Niveaumage aus: 
gerichtet werden muß; die zweite, 
daß feine Längsachſe von Nord 
nah Süd liegt, damit die Sonne 
ihn möglichft lange quer befcheint. 
Harte Höfe aus Asphalt, Zement, 
Majolita 2c. müſſen im Winter 
vorm Froft gefhütt werden; ein 
anderer Nachteil ift die raſche Er: 
müdung der Spieler auf ihnen. 
Ein Spielplag im Walde, rundum 
von gleichmäßig fchattenden Bäumen 
umftanden, ift natürlih ſchön und 
angenehm ; würden jedod) nurBäume 
an einer Seite des Lawn ftehen, 
jo follte man den Platz lieber ganz 
ind Freie verlegen, um dem täu— 
jhenden Schatten zu entgehen. 
Außer den eigentlihen Maßen für 
das Einzel: und Doppelipiel — 
der Pla wird bei und gewöhnlich 
zu beiden Möglichkeiten hergerichtet 
— fol jedes Spielfeld einen Seiten: 
auslauf von mindeftend 4—5 m 
und einen Rückauslauf von min: 
dejtend 7 m haben. Stoßen dieje 
Ausläufe mit denen anderer Spiel: 
felder zufammen, jo werden zwifchen 
ihnen zur Vermeidung von Kon: 
fufionen Sperr- oder Stoppneße 
von dunkler Farbe und mindeftens 
2,5 m Höhe angebradt. Die Maße 
des Spielfeldes für das Einzel: 
ſpiel (Spiel zu zweien) betragen 


E. Gräfin Baudilfin. 


8,23 m Breite und 23,77 m Länge. 
Das Net teilt das Feld in zwei 
gleiche Hälften, doch ftehen die Netz⸗ 
pfoften 0,91m jenjeit3 der Seiten: 
linien. Die Grundlinien an jeden: 
Ende des Spielfeldes find 11,885 m 


Rück-Auslauf. 


— 

= 
(42) S 
£ E 
= 

- 
> © 
2 VI 
= 
5 197) 
* 


Rück-Auslauf. 
364. Plan des Einzelfpielfeldes. 


vom Net, parallel zu dieſem, ge- 
zogen und werden durch die Seiten- 
linien verbunden. Die Mittellinie 
geht parallel zu den Seitenlinien 
mitten durchs Net, teilt alfo das 
Spielfeld zu beiden Seiten bes 
Netzes in zwei Hälften; fie trifft 
auf die Auffchlags oder Einſchenk⸗ 
linien, die 6,4 m rechts und links 
vom Net gezogen find. Die Mittel: 


XI. 4. Tamwmn-GTenniz. 


linie wird jelten bi8 au den Grund: 
linien fortgeführt. Die vier am 
Netz liegenden Felder heiten Ein: 
ſchenk- oder Aufjchlagfelder. 

Für da8 Doppeljpiel (Spiel 
zu dreien und vieren) müjjen die 


Rück-Auslauf. 


-U3NIS 


jnejsny 





Rück-Auslauf. 


365. Plan des Doppelfpielfeldes. 


Make des Einzelfpielfeldeg um 
1,57 m in der Breite gewinnen. 
Die Grundlinien werden alfo ein- 
fach auf beiden Seiten um 1,37 m 
verlängert und durch neue Seiten 
linien verbunden. Gewöhnlich wer- 
den die inneren Seitenlinien des 
Doppelipielfeldes bis zu den Grunds 
linien durchgezogen, ſodaß der Platz 
zu beiden Spielarten benutzt wer— 
den kann. 

Die Spiellinien werden 
meiſtens mit Kalkmilch gezogen; auf 


guten Plätzen ſtellt man ſie auch 











Nro. 738. 


durch ſchmale Holzleiſten her, doch 
bedingt dies eine tadelloſe Inſtand— 
haltung des Platzes, damit nach 


Regenwetter ꝛc. das Holz nicht überm 


Boden herausſteht. Die Breite der 
Linien ſoll höchſtens 4 cm betragen; 
eine der gebräuchlichſten englijchen 
Maſchinen zum gleihmäßigen Ziehen 


'ift der „courtmarker“. Zum Mar: 


fieren der Eden, beſonders in feuch- 
tem Klima, dienen Blechmwinfel. 
738. Die Spielgeräte. Das 
Netz joll in der Mitte eine Höhe 
von 0,91 m, an den Pfoften von 
1,07 m haben. Zur Regulierung 
dieſer Make 
benugt man 
og. Netzhalter. 
Wird das Netz 
de8 Doppel- 
jpielfeldes auch 
fürs Einzelfpiel 
verwendet, jo 
wird ed an den 
innerenSeiten= 
linien von Stü- 
ben gehoben, 
die ebenfalls 
0,91 m außer: 
halb jtehen 
müffen. ALS 
Netzpfoſten be: 
nust man jegt 
ausſchließlich 
mit kleinen 
Windwerken 
verſehene Pfo— 
ſten, z. B. die 










—A———— 
—MMXVVV 
> () RE, ne 





„Ronplus= 
— ultra“, durch 
Tennis⸗ die das Netzſeil, 
Pfoſten. das an der 


Oberkante des 
Netzes entlang 
läuft, nach Be— 
lieben angezogen werden kann. Die 
Länge des Netzes beträgt 9,56 reſp. 
12,8 m, die Breite 1,05 m. Die aus 
geteertem Tau hergeitellten Maſchen 
jollen feine Bälle durchlaſſen. 
























Da — 
* 


Neo. 738. €. Gräfin Bandiffn EEE 


ö Zur den Lamwn-Tennis: ſchroben wird, mit Fett oder Del 
Schläger, das Nadet, ift das  beftrichen werden; vorfichtige Spie- 

Minimalgewicht 12, das Marimal: | ler. befördern außerdem den Schlä- 
gewicht 16 engliihe Unzen; die 
Nummern fteigen um je !|, Unze. | 












567. Modernes Tennis= oder Paume: 
Radet. 





Man gebraucht jett allgemein das 
ſymmetriſche Radet, im Gegenſatz 570. Radet:Preffe. 
zu dem urjprünglichen unſymmetri— | 
ihen Real-Tennis-racket. Unfere ger vom und zum Spielplag in 
Bilder zeigen ein gutes deutjches, einer Taſche; auf feuchten Plätzen 
und bei naſſem Wetter follte man 
' zur Schonung des Rackets lieber 
nicht jpielen. | 
Größe und Gewicht des Tennis- 
balle3 find in den Regeln genau 
N: — beſtimmt; erſtere muß zwiſchen 
4 ‚6,85 cm bis 6,51 cm liegen, letz⸗ 


568. Radet „Ledietsa“ von A. Steidel, 


Berlin. teres nur zwifchen 53,15 und 56,7 o 





wie ein befanntes englifches Radet. 
Die Formen des Kopfes wie die 
des Griffes find ein wenig Geſchmack— 
und Modeſache. Doch jollte die 
Länge des Rackets nie mehr als 








569. Radet „The Doherty“ von Slazenger 
u. Sons in Kondon. 





= 715 cm betragen. Ueber den glatten 
F oder gerieften Griff wird oft eine 371. Lawn:Tennis:Ball, 

I Gummihülfe zum befjeren Halten | 
geogen. Notwendig zur Konfer= ſchwanken; jedenfalls ift es gut, 
merung des Schlägers ift eine | Bälle, die diefen Bedingungen ent- 
IE Brefje; hat man in der Sonne ge: | fprechen, zu gebrauchen, um bei even- | 
ſpielt, jo müfjen die Darmfaiten, | tuellen Turnieren an fie gewöhnt |; 
ehe das Nadet in die Prefje ge |zu fein. Die beiten Bälle find die , 


* 





XI. 4. Lawn-Gennis. 


mit Molton bezogenen; für Zement: 
felder wählt man fie in roter, fonft 
jtet3 in weißer Farbe. Tennisbälle 
werden nicht allein durch den Ge: 
brauh, jondern auch durch das 
Lagern untauglid; man foll den 
Borrat deshalb häufig erneuern. 
Bei Wettfpielen werden prinzipiell 
nur ganz neue Bälle benützt. Da 
fih im Laufe einer Saifon ohnehin 
viele Bälle „verlieren“, jo ſammelt 
man zum Schluß des Spieles alle 
Bälle ein, oder madt die „Ball: 
jungen“, die zum Auffammeln und 
Hin= und Hertragen engagiert find, 
für die richtige Zahl verantwortlich; 
in einen: Korb oder Net, jedenfalls 


an einem fühlen, trodenen Ort wer: | folden von 


Neo. 739-740. 


Füßen. Ebenſo energifch, leider 
ohne fpezialifierte Berechnung! greift 
Mr. Baile das lange Beinkleid der 
Herren beim Tennid an; er ver- 
gleiht es mit zwei Iuftgefüllten 
Süden, die drei Stunden lang durd) 
die Luft bewegt werden müſſen und 
behauptet, daß bei der Kleiderfrage 
die Wirfung des Luftwiderftandes, 
die jeder Arbeiter bei der Anzahl 
der Darmfaiten im Racket überlegt, 
ignoriert wird. Das kurze Bein- 
Heid, an deſſen Anblid man durch 
die Radfahrer, Bergfteiger ꝛc. voll- 
ftändig gewöhnt ift, follte alſo auch 
zum Tennisfpiel eingeführt werden. 
Herren in Weiten — no dazu in 
leiht verbraudten 


den fie aufbewahrt. Während des | Sommeranzügen — auf dem Spiel- 


Spieles bleiben die Bälle ebenfalls | 
noch ein äſthetiſcher Anblick. Ein 


nicht am Boden liegen, ſondern 
werden, auch der Bequemlichkeit 
wegen, in Ständer gelegt. 

739. Die Kleidung beim Tennis: 
fpiel. Für Damen ift ein Turzer, 
nicht zu enger Rod, der das Laufen 


nicht behindert, wie eine leichte | 





platz zu fehen, iſt weder ein ſchöner 


buntes Hemd mit weichem Kragen, 
und Aermeln, die fi bequem 
binaufitreifen lafien, ift doch dag 
Einfachſte und fiher Teine zu üp- 
pige Forderung an Eleganz. 

740. Die Spieltaftif. Der heu- 


Blufe, ein Hut ohne Aufpuß, der ; tige „Stil“ des Tennisſpiels läßt 


feft auf dem’ Kopfe fit und Schuhe 
oder Stiefel aus leichtem Leder oder 
Segelleinen mit Gummiſohlen 
„usance*. Mr. Baile weiſt in 
jeinem vorzüglichen, auch Anfängern 
zu empfehlenden Bud „Tennis von 
heute” darauf hin, daß die Schuhe 
gar nicht dünn und leicht genug fein 


fi ald Kombinationgftil bezeichnen; 
er ift au dem Grundlinien (back- 
court)= und dem Bolleyfpiel ent- 
ftanden, eine Zwiſchenſtufe bildete 
eine Zeitlang der „paddle style“, 
der den Ball möglichſt oft übers 





Net hin- und bertrieb, während ſich 
jett das Beftreben des Spielers 


können — ein Umftand, der oft nur darauf richtet, den Gegner ans 
überjehen wird; er rechnet nad, | Ende feines Yeldes zu drängen und 
daß der englifche Spieler 12 Unzen | felbft den Pla am Neb zu behaup: 
zuviel mitjchleppt, da feine Stiefeln , ten. Die Verteidigung des Gegners 


ftatt 6 Unzen 18 Unzen wiegen; 
daß er aljo, 5 Schritte per Sekunde 
angenommen, 60 Unzen, in der Mi- 
nute 8600 Unzen — 228 Pfund — 
bei einem Wettjpiel von 3 Stunden 
40500 Pfund mehr trägt, ald Mr. 
Vaile! Bei diefer Zahl muß es 
Einem allerdings vorkommen, alı- 
hätte man das fo oft angeführte, 
aber nie fejtzuftellende Blei an den 


liegt bierbei im backplay. Die 
Stellung am Net fordert jelbit- 
verftändlich ein gutes Flug(volley)⸗ 
jpiel, da wenig Raum zu verteidigen 
ift. Der Badijpieler muß dann ver: 
juden, den Bal fo zu plazieren, 
daß er den Gegner aus feiner guten 


Poſition herauslockt oder ihn fogar 





paffiert, d. h. über ihn fort im Hof 
auffällt. 


Niro. 741-742. 


741. Der Spielgang. Der Ein: 
fchenter, jett Auffchläger genannt, 
muß beim Aufihlag mit beiden 
Fügen hinter der Grundlinie und 
innerhalb der als verlängert ge= 
dachten Mittel: und Geitenlinie 
ftehen; und zwar im rechten Feld 
feiner Spieljeite. Sein Ball muß 
innerhalb des fehräg gegenüber: 
liegenden, dem Ne zunädjt befind- 
lihen Felded oder auf eine der 
dasſelbe umgrenzenden Linien auf: 

treffen; dieſer Aufichlagball darf 
nicht im Fluge, d. h. ehe er den 
Boden berührt hat, genommen mer: 
den. Kann der Gegner (Rüdjchläger) 
ven Ball nicht zurüdichlagen, To 
rechnet er für den Einſchenker und 
zwar mit 15. Hat jedoch der Rüd- 
jhläger ihn richtig auf die andere 
Geite zurücgegeben, jo bat er die 
15 gewonnen. Der zweite Schlag 
‚zählt 30, der dritte 40. Geminnt 
ein Spieler hintereinander vier 
Schläge, fo iſt das Spiel fein und 
beendet. Stehen jedoch beide Par- 
teien auf 40, fo find fie gleich (deuce 
oder Einjtand). Der nächſte Schlag 
gilt dann für den Sieger als Bor: 
teil (advantage) ; der folgende führt, 
falls vom felben Spieler gewonnen, 
zum Ende des Spield, oder, fall? 
er verloren wird, wieder zum Ein- 
ftand zurüd. Vom Einftand aus 
gerechnet muß alſo eine Partei zwei 
Schläge gewinnen, um zu fiegen. 
Der Spieler, der zuerſt ſechs Spiele 
gewinnt, gewinnt den Sat (set). 
Stehen beide Barteien auf fünf 
Spielen, jo heißt e8 auch hier Ein— 
ftand; das nächſte Spiel gilt dann 
als Spiel — vor, das folgende 
führt zum Sieg oder zum Spiel: 
Einjtand zurück. Auch bier ift ent- 
jcheidend, daß vom Spiel:-Einftand 
aus zwei Spiele hintereinander vom 
felben Spieler gewonnen merden, 
Allerdings können Spieler überein: 
fommen, um einen Sat zu beenden, 
daß ſchon das nädfte Spiel nad) 


€. Gräfin Baudilfin. 


dem Spiel - Einftand entſcheiden 
fol. 

Werden mehrere Säbe gejpielt, 
fo wird der Spieler, der im legten 
Spiel des einen Sates Aufjchläger 
war, im erften Spiel des nächſten 
Satzes Rückſchläger. Außerdem 
wechſeln nach jedem erſten, dritten 
und jedem folgenden ungeraden 
Spiel die Spieler die Seiten. Die 
Parteien löſen ſich im Aufſchlagen 
ab. Da der Aufſchläger ſtets rechts 
ſtehen muß, wechſeln auch die Spieler 
nach jedem Spiel die Plätze. Ueber 
das Recht, für das erſte Spiel die 
Seite oder den Aufſchlag oder den 
Rückſchlag zu wählen, entſcheidet das 
Los; und zwar verwendet man dazu 
den Schläger, indem man nach Lage 
der Darmſaiten auf „rauh“ oder 
„glatt“ wettet. Wählt der Gewin— 
ner Aufſchlag oder Rückſchlag, ſo 
hat die andere Partei die Wahl der 
Seite und umgekehrt; jedoch kann 
erſterer auch verlangen, daß der 
Gegner die Wahl trifft. 

742. Ueber die Haltung des 
Schlägers. Viele Spieler vertreten 
eine Univerſal-Handhaltung für alle 
Schläge. Doch ift dieſe Haltung 
3. B. bei Rüdhandjchlägen, durchaus 
unnatürli. Der Arm big zum Ell- 
bogen und der Griff des Schlägerd 
jolen nicht als „aus einem Stüd” 
betrachtet werden; madt man 3.8. 
den Flugſchlag „aus dem Hand: 
gelenk“, jo entwidelt fih eine ganz 
andere Kraft, ald wenn man den 
fteifen Arm bis zum Ellbogen dazu 
benüßt. Der Spieler, der ven 
Griff nicht wechjelt, umſchließt den 
Schlägerjtiel mit dem Daumen; 
zieht man es jedoch vor, bei Rüd- 
bandhaltung den Griff zu ändern, 
fo wird der Daumen flach auf die 
Rüdfeite des Schlägerg gelegt. Mr. 
Baile befürwortet diefe Handhaltung, 
wendet fie auch bei niedrigen Rück— 
handflugfchlägen wie für den um— 
gefehrten Aufichlag über dem Kopf 


XI. 4. Lamwmn-Tennis. 


an. Der Schläger fol ftet3 am 
Ende des Griffes gehalten werden, 
ſo daß der Fleine Finger am Leder: 
rand liegt. 

Den Ball treffe man nicht mit 
einer Kante, dem Griff 2c., fondern 
mit der Mitte des Flechtwerks. 
Zum richtigen Erlernen des Tennis, 
bejonders nachdem man die An- 
fangsgründe: Beherrichung des 
Schlägers und gutes Einſchenken 
überwunden hat, ift es vorteilhaft, 


häufig gegen fremde und bejonders 


befiere Gegner zu fpielen. 


743. Berfchiedene Schläge. Man 


teilt die Schläge nad) der Hand: 
haltung in Borhand- und Rück— 
bandjchläge (fore hand and back- 
hand) und nach der Art, ob der 
Bal im Fluge getroffen oder erft 
nah einmaligem Aufjpringen ge= 
nommen mird, in Grund: 
Slug(volley)ihläge ein. Ferner 
unterjcheidet man nad) der, Höhe, 
in der der Ball getroffen wird, 
Dberhand- und Unterhandichläge. 

Das Einſchenken, Auf 


chlagen oder service wird 


heute fast ausschließlich durch ſtarkes 
Oberhandeinſchenken (over- 
head -service) ausgeführt. Das 
Körpergewicht wird auf den rechten 
Fuß verlegt, der Bau mit der linken 
Hand nad vorn in der Richtung des 
rechten Ohres in die Höhe geworfen, 
und zwar jo hoch, wie er mit dem 
Schläger noch zu erreichen ift, und 
im Moment jeines Stillftandes mit 


der Mitte des Schlägers, d. h. des 


Flechtwerks, getroffen. Dabei muß 
der Schläger möglichjt weit hinter 


den Kopf gejhwungen, der Arın 
beim Treffen faft gejtrecdt werden 
und vor allem das Körpergewicht 
während der Ausführung der Bes 
wegungen vom rechten auf den 


Iinfen Fuß verlegt werden. Nur 
dann ift ein fcharfes Aufichlagen 
über dag Net zu erreichen. Der 


Schläger jol nad volljührtem 





oder 





ro. 743. 


Schlag feinen Halbfreis weiter be- 
fchreiben, bis nahe zum linken 
Knie. Der Schlag foll alfo „durch— 
gezogen“ werden. 





372. Beginn des Oberhandeinſchenkers. 


Das Unterhandeinſchenken 
(under-hand-service) iſt die bei 
Damen beliebteſte Form. Der 
Ball wird nach links vorgeworfen 
und vom rechten Hof aus als 


Rückhandſchlag, vom linken als 
Vorhandſchlag ausgeführt, und 


zwar ziemlich tief, höchſtens 3 cm 
vom Boden ab. Der Schläger 
wird jo geſchwungen, daß er den 
Bal an jeiner linken Seite trifft, 
wodurch er eine Drehung erhält. 

Auch das Horizontalein- 
ſchenken wird faſt nur von 
Damen ausgeführt. Der Schwung 
des Rackets geht nur bis zur 
Schulterhöhe, der Ball wird rechts 





Nro. 743. 


unten mit einer Drehung geichlagen, 
wobei der Schläger horizontal zum 
Boden ſteht. So ſcharfe Bälle 
wie beim Oberhandjervice find bei 
der legteren Weife nie zu erreichen; 
deshalb follten ale Damen, be- 
ſonders jolde, die gegen Herren 
jpielen, fi bemühen, das Herren- 
fervice (plainfaced overhead ser- 
vice) zu lernen, da fte fonft von 
vornherein im Nachteil fein werben. 
Eine Hauptregel beim Einjchenfen 
ift: nie den Ball aus den Augen 
zu verlieren, aljo nicht dorthin zu 
bliden, wohin man ihn zielt — 
auf welche Weiſe man fich übrigens 
auch dem Gegner verrät; außerdem 
iſt es nur dann möglich, ihn, ab: 
gefehen von gefjchnittenen Bällen, 
genau mit der Mitte des Rackets 
zu treffen. Die zweite Regel, na 
mentlich für den Anfänger, iſt die: 
den zweiten Ball, falls der erite 
auf oder ind Neb gegangen ift, 
nun nicht fanft und mit aller Vor⸗ 
fiht plazieren zu wollen, fondern 
auch bier einen ftarfen Schlag, mit 
Beachtung aller Borjchriften, zu 
wagen; die theoretiihen Lehren 
müſſen durh Uebung in Fleifch 
und Blut übergeben, bis fie jchließ- 
lich inftinttiv befolgt werben. 
Gutes und richtiges Einjchenten ift 
die Grundbedingung fürd Tennis- 
jpielen. Uebrigens fann das Ober: 
bandeinjchenfen auch als Rüdhand 
ausgeführt werden, wobei dann der 
Ball mehr nad links und höher 
als bei Vorhand geworfen wird — 
ein nicht leicht zu erlernendes 
Verfahren, das faſt ausschließlich 
von Herren befolgt wird. 

Nah der Art und Stärke des 
Einſchenkens wird fih das Zurüd- 
lagen richten. Der Ehrgeiz, den 
Ball, wie früher beim „paddle 
style“ fo oft wie mögli übers 
Netz Hin und her zu jagen, iſt 
gänzlich unmodern geworden; wie 
in allem, liebt unſere Zeit auch 


E Gräfin Baudiſſin. 


beim Tennis abgekürztes Verfahren 
und läßt die Grazie des Spiels 
hinter dem Egoismus zurückſtehen. 
Wer den Ball einſchenkt, will ihn 
ſo ſcharf plazieren, daß der Gegner 
ihn nicht nehmen kann; wer ihn 
zurückgibt, will ihn, unbekümmert 
um den Beifall des Publikums, 
womöglich „töten“, d. h. ihn ſo 
ſchlagen, daß er innerhalb des jen- 
feitigen courts auftrifft und nicht 
mehr vom Gegner genommen werden 
fann. Anfänger follten wie den 
erften Ball, der ja einmal auf: 
fpringen muß, ehe er genommen 
werden darf, aud alle folgenden 
erft nehmen, wenn fie aufgefprungen 
find. Der größte Fehler aller An: 
fänger, fi vorwärts auf den Ball 
zu ftürzen und ihn womöglid mit 
der Naſe aufzufangen, jedenfalls 
ihm viel zu nahe zu fein, um ihn 
überhaupt noch zu jchlagen, würde 
dadurd vermieden; auch dag Augen⸗ 
maß fchärft fih dDurd) genaues und 
ruhiges Beobachten der Richtung, 
die der Ball nimmt, und dag 
ängftlide Gemüt, das voller Ver- 
zweiflung ten leuchtenden, Heinen 
Punkt wieder zurüdfehren fieht, 
den es ſchon für erlojchen hielt, 

bat Zeit, fi zu überlegen, wie 
ed ihn empfangen und auf welche 
Weiſe es ihn zurüdbefördern will. 
Bor allem fol ſich der Anfänger 
daran gewöhnen, den Bal nicht 
von vorn mit ausgebreiteten Armen 
quafi zu bewillkommnen; fondern 
wie er ſcharfen Blickes die Flug: 
bahn verfolgt, fol fih langfam 
fein Körper ihr zudrehen, fo daß 
er im Moment der Begegnung 
immer jeitwärt® zum Ball fteht. 

Die erjte Antwort auf das Ein- 
ſchenken ift meiften?, beſonders bei 
Anfängern, ein Vorhandſchlag, und 
jwar einer der drives, die ja, 
nach ihrer Höhe, Unterhands oder 
Oberhand:drives find. Beilegterem, 
dem gebräuchlicheren, fteht der linke 


u 


XI. 4. Namwn-Tennis. 


dub vor und der Körper etwas 


' jeitwärts; das Nadet wird von 


hinten ſeitwärts vorgefhmungen, 


das Körpergewicht nad) vorwärts 


auf die Fußſpitzen verleat. 


' Unterhandedrive nimmt man den 


F EN X I“ 





TERN 


523. Drive mit Herausziehben des Balles. 


Ball etwas vor dem rechten Fuß, 
führt das Racket unter ven Ball 
und zieht es dann herauf, mo: 
durch der Ball eine Drehung er— 
hält. Alle drives — auch der Rüd- 
band = drive find, mie ihr 
Name jagt, „getriebene”, flache 
und lange Schläge, zu denen das 
Racket vertifal gehalten wird. Die 
Abbildung des Rückhand-drives 
zeigt, daß der Ellbogen in die 
Richtung des nahenden Balles ge— 
dreht, das Racket — ſeine rauhe 
Seite trifft den Ball — hinter die 
Schulter geſchwungen wird und 
der Körper ſich beim Schlagen tief 
beugt. Die drives ſollen den Ball 
flach übers Netz bringen; durch den 
beſondern Schwung, den ſie er— 
teilen, ſchadet es meiſtens nichts, 
wenn der Ball die Oberkante 


— 


Beim | 





Nro. 744 —746. 


berührt — fie tragen, richtig aus: 
geführt, ihn dennoch big zur feind- 
lihen Grundlinie und der Gegner 
wird jtatt in angreifende, in ver: 
teidigende Lage verjegt. 

744. Gejchnittene Bälle. Will 
man den Ball, jtatt um feine Hori- 
zontale Achſe ihn um feine verti- 
fale drehen (to cut-fchneiden, da- 
her „gefchnittene” Bälle), fo muß 
das ſenkrecht geftellte Radet etwas 
Ihräg gehalten werden. Der „ge: 
Ichnittene“ Ball wird, je nachdem 
die Drehung zum Spieler oder von 
ihm weg iſt, kürzer oder weiter 
nad dem erjten Auffallen fpringen; 
das „twisten“, Drehen des Balles 
um feine Vertikalachſe hat nach der 
Haltung des Schläger, nad) dem 


 Auffallen des Balles fein Aus: 


drehen nach recht3 oder links zur 
Folge. 

745. Der Hochball (lob). Der 
Hochball hat ſich zugleich mit dem 
Volleyſpiel entwidelt, ift alſo wie 
diefe8 neueren Datums; er dient 
zum Abwehren des Flugichlages 
und lockt den Gegner aus feiner 
Stellung heraus, einerlei ob er 
dicht über feinen Kopf fort ang 
äußerſte Ende des Hofes fällt oder 
ob er fteil aus der Höhe herab an 
der Grundlinie niederjauft. Jeden 
fal8 gewinnt man immer durch 
ihn die Zeit, and Net zurüdzu- 
fommen. Zum Zurüdjchlagen des 
Hochballs hält man das NRadet am 
beiten horizontal und läßt den Ball 
einfach abfpringen. Will man einen 
Hochflugſchlag machen (lob 
volley), ſo muß der Schläger den 
Ball von unten treffen, damit er 
ſicher hoch genug geht, um den 
Kopf des Gegners zu paſſieren. 

746. Der Sprungſchlag (half 
volley). Der Sprungfchlag wurde 
früher nur zur Verteidigung benußt, 
follte aber ebenjo gut zum Angriff 
dienen. Mit ihm mird der Ball 
jofort nach dem Aufiprung, wenn 


=, oc€<„ÄÖs![/[cgygvvecererylillccycccsosg 


u * —— ne “ “ * 
E. Gräfin Baudiſſin. EEE 





Neo. 747. u 
e - 
r fi eben vom Boden hebt, mit | beugen und das Radet fajt hori- 
der vollen Schlägerflädhe getroffen. | zontal halten. 

Das Nadet darf aber nicht, wie, 747. Der Ylugidlag (volley). 
dies öfters gejchieht, zu jehr nach | Die Zahl der volley-Varianten ift 
rückwärts, vom Net fort, gehalten | groß; fie werden nad) dem Ober: 
werden, da mit dem half volley | und Unterhandjdlag, nad Bor: 
und Rüdhand, ſo— 
wie nach ihrer 
Höhe eingeteilt und 
benannt. Man fteht 
zum Flugſchlag, 
welder Art er aud) 
jein mag, fejt auf 
beiden Füßen, die 
ca. 50 cm von 
einander entfernt 
find, hält die Knie 
leicht gebogen und 
verlegt das Körper: 
gewicht nad) vorn. 
Flugſchlag und Ein⸗ 
ſchenken ſind alſo 
Schläge gleicher 
Art und der Spie- | 
ler, der jih ein 

Iharfe8® Service 
angewöhnt Hat, 
braucht nurllebung 
und Nut, um auch 
gute Flugſchläge 
zu lernen. Der 
größte Fehler, der 
anfangs bei vol- 
leys gemacht wird: 
die Bälle ind Net 
zu jchlagen, hängt 
mit Zaghaftigkeit 
und jchlechter Be— 


— — — — — — 





rechnung zuſam— 

men. Es genügt 
374. Rüdbandflugball. (Aus Sport im Bild.) für Flugichläge | 

eben nicht, ven Bal 





ja grade der Neigung des Balles 


zum Aufjteigen entgegengemirft 
werden ſoll. Während bei dem 
Sprungjhlag mit Vorhand der 


linfe Fuß vorgejegt wird, tritt 
beim NRüdhand-half volley ver 
—Frehte Fuß ſeitwärts über den 
Hinten, der Spieler ſoll ſich tief 





vom Radet abjpringen zu lafjen; ſon⸗ 
dern der Schläger muß feit in der 
Hand gehalten und der Ball richtig 
geihlagen werden; ausgenommen 
der Fall, man jtände jo dit am 
Netz, daß es genügt, den Ball ab: 
prallen zu laſſen, um ihn zu 
„töten“. Eine Abart des Ober: 


. - 
.. * 
— — 


Fr 


: XI, 4. Ramn-CTennis. 


hand:volleys ift der smash, ber 
Hieb- oder Schmetterball, der auch 
mit Rückhand ausgeführt werden 
kann. Wie die Bezeichnung jagt, 
it e8 ein mit aller Kraft geſchla— 


Nro. 748. 


jenfiver Art. Beimdrop-volley 
Ihlägt der Ball gegen das lofe ge: 
haltene Radet, wodurd er langjam 
übers Ne zurüdfällt, während der 
lob-volley dazu dient, über den 


Kopf des Gegners fortzufpielen. 
Unter chop, 
Abwärtsichnitt, 

verfteht man den 

Schlag, der dem 

Ball eine horizon: 

tale Drehung nad) 

rückwärts gibt. 

Dies geſchieht durch 

faſt ſenkrechte Hal— 

tung des Schlä— 
gers, der beim 

Treffen des Balles 

nach vorn und 

unten gezogen wird 
und durch dieſe 

„bürſtende“ Be— 

wegung dem Ball 

eine Drehung nad) 
aufwärts-⸗rück⸗ 
wärts gibt. Dieſe 

Bälle ſind ſchwer 

zu nehmen und 

noch ſchwerer gut 

zurückzugeben. 
Die cross- 1 

court-volleys j 


- gener Ball, der über den Gegner 


— .> Ar 6. 
rn. u — 





r 375. Sprungfchlag. (Aus Sport im Bild.) s 
nA und cross-dri- 


fortgeht und im Hof fo nieverfält, 
daß er ihn nicht mehr erreicht. 
Um die Stärfe des smash zu er: 
höhen, wird das Körpergewicht mit 
einem Schwung von rückwärts nad) 
vorwärts verlegt. Die bejte Rich— 
tung für den smash ift die quer 
über den Hof. Unter Unterhand: 
Ihlägen verfteht man Bälle, die 
zwiſchen Schulter und Boden ge— 
nommen werden; in allgemeinen 
iſt es vorteilhafter, fie mit Rück— 
Hand auszuführen. Der drive- 
volley wird angewendet, um 
einen niedrig und langſam kom— 
menden Ball zurüdzutreiben und 
Beit zu gewinnen; er ijt alfo de— 


ves find SKreuzfchläge, die nicht 
parallel zur Längsachſe, fondern 
parallel zur Diagonale über das 
Spielfeld gehen; fie dienen zur 
Ueberrafchung des Gegner. 

748. Neber Wettjpiele. Alle 
großen und berühmten Tennisfpieler 
raten, pro Tag nicht mehr als drei 
sets und zwar nur drei= biß viermal 
die Woche zu jpielen; denn nichts 
ift nad) ihrer Meinung gefährlicher, 
al3 fi) zu übertrainieren. Don 
großem Vorteil ift es, den Stil 
des Gegners zu fennen und darnach 
fein Programm zufammenzufesen. 
Egoiſtiſch wie der Sport in gemijjer 
Hinfiht macht — denn er will zum 


x 


7 m 





Niro. 749—750. 


Sieg führen — baut man fein Ver⸗ 
halten auf den Schwächen des 
Gegner? auf, jpielt ihm aljo Bälle 
zu, die ihm unbequem find. Nichts 
ift infolgedefien beſſer — um auf 
die eigenen Fehler aufmerkſam ge: 
macht zu werden, denn der Gegner 
wird nach denfelben Prinzipien han: 
dein! darüber darf man beruhigt 
fein — als ein Turnier, eine ehr- 
lihe Konkurrenz. Die Spiele wer: 
den in Einzelfpiele für Herren, 
Einzelfpiele für Damen; Doppel: 
jpiele für Herren, Doppelipiele für 
Damen und in “Doppeljpiele für 
Damen und Herren eingeteilt und 
fönnen mit oder ohne Borgaben 
verbunden fein. Bei den Spielen 
ohne Borgaben handelt e3 ſich oft 
un: Preis- oder Meifterjchaftsjpiele, 
deren Breife erjt, nachdem fie mehr- 
mals verteidigt wurden, d. h. nad 
einer beftimmten Anzahl von Siegen, 
endgültig von einem Spieler erobert 
worden find. 

749. Das Einzelipiel (single 
game). Mit Einzelfpiel bezeichnet 
man dag Spiel von zwei Spielern 
gegeneinander auf dem im Anfang 
diefeg Artikels befchriebenen Kleinen 
Hof. Die Erfahrung bat gelehrt, 
daß, je näher der Spieler dem 
Netze fteht, er defto weniger Raum 
zu verteidigen hat; mährend der 
Gegner ſich früher Hinter der Ein- 
ſchenklinie aufitellte, plaziert er fich 
jest jo bald als möglich dicht am 
Net. Das zwingt ihn aber, da? 
volley ebenfo gut zu beherrjchen 
wie das Grundlinienfpiel. Der 
Einfchenfer jteht aus Ddemfelben 
Srunde, um nicht fein ganzes Feld 
unverteidigt zu lafjen, nicht an den 
Eden, jondern mehr in der Mitte 
feiner Grundlinie und eilt, fobald 
der Ball richtig plaziert ift, eben: 
falls zum Ne vor, um den erften 
Rückſchlag, der ja nie ein volley, 
fondern nur ein drive oder ein lob 
fein wird, in Empfang zu nehmen. 


Ed 


E. Gräfin Baudiſſin. 


Der am Netz Stehende iſt immer im 
Vorteil gegen den hinten Stehenden, 
alſo iſt der Einſchenker, der ſofort 
vorwärts laufen kann, gegen den 
Empfänger bevorzugt, und dieſer 
hat doppelt aufmerkſam zu ſein und 
herauszufinden, von welchem Platz 
aus der Einſchenker am liebſten 
ſpielt und welche Schläge — viel- 
leicht Rüdhand — ihm am unan- 
genehmften find. Ein Tennisspieler 
befommt erft dann Recht auf diefen 
Namen, wenn er nit blindlings 
in den Tag hineinſchlägt, in der 
einzigen Sorge, den Bal zurüd- 
zugeben, fondern erft, wenn er 
jeden Schlag überlegt und alle 
Fähigleiten de3 Gegners heraus- 
fordert. Daß trogdem das Spiel 
„fair“ fein fol, vor allem jeder 
fih dem Urteil des umpire (Ridh- 
ter) bei Wettjpielen oder dem einer 
bei gewöhnlichen matches (Spielen) 
beſtellten Vertrauensperſon bebin- 
gungslos unterwerfen ſoll, iſt faſt 
zu ſelbſtverſtändlich, um es zu er— 
wähnen. Andere, als dazu auf: 
geforderte Zufchauer, werden da= 
gegen gebeten, fih der Zurufe, 
lauten Mitzählend und aller Ein= 
mifhungen zu enthalten, da die 
Spieler nur verwirrt und nervös 
gemacht werden. — Damen, die 
gegen Herren fpielen wollen, müſſen 
hauptſächlich den Flugichlag aus: 
führen lernen — nur wenige Da— 
men beherrſchen ihn Heutzutage, 
daher ift das Dameneinzelfpiel mei- 
ſtens ein Badjpiel. Eine Regel 
für jeden Spieler heißt: jeden Ball, 
auch den unmwahrfjcheinlichiten, noch 
zu nehmen. 

750. Das Doppelfpiel (double 
game). Beim Doppelfpiel ver- 
jtärkt jih dag Uebergewicht des 
Einſchenkers noch um die Hilfe 
jeines dicht vor der Einjchenklinie 
jtehenden Bartnerd. Deshalb müffen 
die Empfänger erft recht verjuchen, 
auch nach vorn zu fommen, um aus 


— 


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8 -, a * 
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W. 
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der bloßen Verteidigung heraus in 
die Offenfive zu gelangen. Der 
Aufichläger fteht nit auf der 
Nitte der Grundlinie, fondern 
rüdt mehr in die Ede, um nicht 
duch den eignen Partner gehindert 
zu werden und den Ball außerdem 
in die Hintere Ede des Aufſchlag— 
feldes, möglichft in die Rückhandecke, 


XI. 4. Tawn-Cennis. 


Nro. 750. 


pelipiel zu überraſchen, ift, den 
Ball plötzlich, nachdem man längere 
Zeit denjelben Spieler umſpielte, 
dem Partner zuzutreiben, ftatt des 
erwarteten drive einen Hochſchlag 
zu maden, furzum, irgend etwas 
ganz Unermwartete3 zu tun; auch 
den Ball mitten zwijchen die 
Spieler zu werfen, jo daß beide 





376. Moment aus einem Doppelfpiel. 


zu plazieren. Dem Partner Des 
Empfängers wird im allgemeinen 
geraten, jih im hintern Teil des 
Hofes zur Deckung aufzuhalten, aber 
beftändig „right“ zu fein, um 
eventuell auch vorzulaufen. Der 
erſte Rückſchlag des Empfängers 
wird ein drive an der Seiten- 
oder Mittellinie hinunter, ein lob 
oder ein cross-stroke jein. 


— — — — | > 


(Aus Sport im Bild.) 


Ein 
Mittel, um den Gegner beim Dop- | und der Fähigkeit des a 


auf ihn zulaufen oder ſich einer 
auf den andern verläßt, ift nicht 
grade liebenswürdig, aber oft jehr 
vorteilhaft. Zu bevenfen. ift daher, 
daß ſtets beide Seiten des Hofes 
durch die Spieler gededt jeien; 
weicher von den beiden Parteien 


einen Bal zur nehmen hat, iſt nicht 5 
theoretijch feitzujegen — es muß 
von der Schnelligkeit im Laufen 


[7 





= 


4 
— 





ro. 751. 


gute Rückhandbälle, oder befjere 
volleys oder vergl. zu geben, ab— 
hängig gemacht werden. Sind beide 
ungefähr gleich, jo wechjeln fie im 
Ballnehmen ab. Die Hauptjadhe 
ift, daß fie fi abfolut im Spiel 
ergänzen, genau aufeinander achten 
und inftinftiv ahnen, was der an- 
dere für einen Schlag ausführen 
wird, um dann gemeinjam vorzu= 
laufen ac. 

Beim Damen: und Herrendoppel- 
jpiel (mixed doubles) wird die 
Dame, falls fie nicht faft „männ- 
lich“ ſpielt, d. 5. fih auf ſcharfes 
overhead- service, Rückhandbälle 
und volleys verjteht, von ihrem 
Partner immer etwas geſchützt wer- 
den müfjen. Bon vornherein wird 
deshalb ihr Pla mehr nach hinten, 
neben der Grundlinie fein, um dem 
Herrn mehr Bemwegungsfreiheit zu 
gönnen, ſodaß ihm der Angriff, 
ihr mehr die Verteidigung über- 
laſſen bleibt. Bejonders bei wich⸗ 
tigen Wettlämpfen, wo die ohne= 
hin beim Sport arg bejchräntten 
Kavalierspflichten ganz aufhören, 
darf der Herr, der mit und gegen 
eine Dame jpielt, ſkrupellos jeden 
Bal nehmen und ihn dem männ- 
lihen Partner zujpielen oder ihn 
angeficht3 der Dame „töten”. Eine 
ehrgeizige Spielerin wird dieſe 
ſcheinbare Rückſichtsloſigkeit, die ſich 
durch den Spieleifer entſchuldigen 
läßt! zu kühnen Taten und Her- 
ausgehen über die eigenen Kräfte 
reizen — denn Selbitvertrauen 
macht das lette Viertel der Tennis- 
fünfte aus — und die Erfolge der 
Damen in neuefter Seit haben be: 
wiejen, daß fie bei genügender 
Uebung imftande find, zu eben- 
bürtigen Rivalen der Münner heran 
zuwadjen. 

751. Die Spielregeln. Der 
Auszug der nachfolgenden Regeln 
ift mit Erlaubnis den Spielregeln 
des deutſchen Lawn⸗Tennis⸗-Bundes, 


E. Gräfin Baudiſſin. 


E. V., entnommen, die abſolut mit 
den engliſchen übereinſtimmen und 
in ganz Deutſchland ausſchließlich 
gültig ſind. 

„Sind Schiedsrichter ernannt, ſo iſt deren 
Entſcheidung endgültig; iſt zugleich ein 
Oberſchiedsrichter ernannt, fo kann gegen 
die Entſcheidung des Schiedsrichters Be— 
rufung an ihn erfolgen, ſoweit es ſich um 
eine Geſetzesfrage handelt. 

Der Oberſchiedsrichter entſcheidet jede 
Geſetzesfrage, die ein Schiedsrichter nicht 
entſcheiden zu können erklärt, oder die ihm 
in Berufung gegen die Entſcheidung eines 
Schiedsrichters vorgelegt wird.“ 

„Spielt der Oberſchiedsrichter in einem 
Turnier mit, fo fol ein Stellvertreter er- 
nannt werben, der ihn folange vertritt als 
er fpielt.” 

„Falls ein Schiedsrichter irrtümlich 
‚sehler!‘ und fih fofort verbeflernd 
‚Weiter!‘ ruft, fo darf der Ball nochmal 
gefpielt werden, falls ihn ber Rüdichläger 
verfehlt.” 

„Wenn eine Partie (match) wegen Regens 
oder einbredhender Duntelheit oder aus 
ähnliden Gründen abgebroden und am 
folgenden Tage fortgejegt wird, fo muß 
die Partie fo wieder aufgenommen werben, 
wie fie Tags zuvor ftand; nur mit Zus 
ftimmung des Oberſchiedsrichters darf von 
neuem begonnen werben.” 

„Wenn in einem Vorgabenſpiel zwei 
Spieler mit der unrichtigen Borgabe ge— 
fpielt Haben, fo ift bie Bartie gültig. Nur 
wenn die Spieler von bem Oberſchiedsrichter 
oder einer von biefem beauftragten Perſon 
falfh berichtet wurden, kann der Berlie- 
rende verlangen, daß die Partie nochmal 
geipielt wird, fofern nit das Verſehen 
bei der Vorgabe zu feinen Gunjten war; 
bag Verlangen nad Wiederholung der PBar= 
tie muß binnen angemeflener Frift geftellt 
werben.” 

„Sm Doppelfpiel muß bie zu An= 
fang bes erften Spieled erfolgte Bertei- 
Iung ber beiden Rückſchläger auf die bei- 
ben Flanken der einen Seite bis zum Ende 
ber Partie beibehalten werden. 

TDesgleihen bie zu Anfang bes zweiten 
Spieles erfolgte Verteilung des erften Auf- 
fhlägerd und feines Mitfpielerd auf die 
beiden Flanten der anderen Seite.“ 

„Der Auffhläger muß beim Aufſchlag 
mit beiden Füßen bBinter der Grundlinie 
(d. 5. weiter ab vom Neg als diefe) und 
innerhalb der als verlängert gebadten 
Mittel: und Seitenlinie fi befinden. Es 
gilt nicht als Syehler, wenn er beim Auf— 
fhlag nur mit einem Fuße den Boden be— 
rührt. Unmittelbar vor dem Aufihlag 
muß er mit beiden Füßen auf dem Boden 
ftehen und barf weder im Laufen no im 
Gehen auffhlagen. Er muß abmwedfelnd 
vom rechten und linken Feld aus aufſchlagen, 
und in jedem Spiel, in weldem er aufju- 


XI. 4. Tamn-Tennis. 


ſchlagen bat, — auch wenn Borgaben ges 
geben oder gejhuldet werden — rechts be— 
ginnen.” 

„Der Auffhlagball muß das durch Auf: 
ſchlaglinie, Mittellinie und innere Seiten= 
linie abgegrenzte, bem Felde, von dem aus 
der Aufſchlag erfolgt, ſchräg gegenüber- 
liegende Feld (Aufſchlagfeld) oder eine der 
genannten Linien treffen.” 

„Es gilt als Fehler, wenn der Aufichlag 
vom unridtigen Feld aus erfolgt, oder 
wenn die Stellung des Aufſchlägers nicht 
der Regel über feine Stellung beim Auf- 
Schlag entfpricht, oder wenn der Auffchlag- 
ball in bag Ne 
Aufichlaglinie oder außerhalb des Spiel⸗ 
felds oder in dem unrichtigen Auffchlag= 
feld den Boden trifft. Es gilt nicht als 
Fehler, wenn der Auffchläger beim Auf: 
ſchlag den Ball überhaupt nicht trifft; wird 
aber der Ball, wenn aud noch fo ſchwach, 
mit dem Schläger berührt, fo ift damit ein 

Aufſchlag erfolgt und die Anwendung der 
Regeln über den Aufſchlag gegeben.“ 

„Nach einem Fehler muß der Auffchläger 
nochmals von bemfelben Feld aus auf- 
ſchlagen, vom anderen elde aber nur 
dann, wenn er vom unridhtigen Feld aus 

. aufgefhlagen Hatte.” 

„Ein Fehler kann nicht mehr gerügt wer- 
den, wenn ſchon der nädfte Auffchlag 
erfolgt ift.* 

„zer Auſſchlagball darf nicht im Fluge, 
d. h. bevor er den Boden getroffen hat, 
genommen werben, felbft wenn er fich offen 
ar außerhalb des Auffchlagfeldes be- 

nDdet.“ 
„Der Auffchläger darf nicht eher auf: 
fchlagen, als bis der Rückſchläger fertig ift. 
u legterer den Rückſchlag, ohne daß 
er ihm gelingt, fo verliert er den Schlag. 
Wenn jedoh der Rückſchläger — nachdem 
der Auffchlag erfolgt ift, aber bevor der 
Ball den Boden getroffen bat — kundgibt, 
daß er noch nicht fertig fei, fo darf er 
nicht verlangen, daß ein Fehler gerechnet 
wird, fall3 der Bau ſchließlich außerhalb 
bed Aufihlagfeldes zu Fall fommt.“ 

„Ungiültig (let) ift ein Auffchlagball, 
ber im übrigen rihtig war, wenn er dad 
Netz berührt hat, fowie jeder Aufſchlagball 
— mag er richtig oder fehlerhaft geweſen 
fein — wenn ber Rückſchläger nicht fertig 
war. j 

In allen Fällen, in denen ein Ball un= 
gültig ift, wird der Aufſchlag oder Schlag 
nicht gerehnet,; der Auffchläger muß noch 
einmal aufſchlagen. 

Ein ungültiger Ball (let) madt einen 
vorhergegangenen Fehler nicht rüdgängig.” 

„sm Spiele zu dreien bat ber 


tz fällt, ober jenfeit3 ber | 


Nro. 751. 


rifde Paar bat die entfprechende Beſtim⸗ 
mung für das zweite Spiel zu treffen. 
Der Mitfpieler besjenigen, ber im erften 

Spiele auffhlug, muß im dritten Spiele, 

und der Mitipieler des Epielers, der im 

zweiten Spiel aufjhlug, muß im vierten 

Spiele aufſchlagen, und fo weiter in der— 

felben Reihenfolge in allen folgenden 

Spielen eines Satzes.“ 

„Sofern fein Fehler vorliegt, ift ein Ball 

von dem Augenblid des Aufihlags an im 

Spiele, bi er entweder von dem Rück— 

fhläger bei bejjen erjten Schlage im Fluge 

ı genommen worden, oder in das Net ge- 
fallen ift, oder außerhalb des Spielfelds 
| den Boden getroffen oder einen Spieler 
ober etwas berührt hat, das diejer anhat 
oder trägt u. zw. einfchließlih feines 
Schlägers, fofern die Berührung nicht in 
Ausführung eines Schlages gejdieht — ; 
| oder wenn von einem Spieler mit bem 
| Schläger mehr als «inmal hintereinander 
| geihlagen oder ım Flug genommen wor— 
ben ift, benor er das Net überflogen hat, 
oder den Boden auf einer Seite des Netzes 
| zweimal hintereinander getroffen bat, mag 
‚ dies au das zweite Mal außerhalb des 
Spielfeldes gefchehen fein.“ 
„Der Rückſchlag gilt, 

a) ıvenn ber Ball das Ne oder die 
Pfoften berührt, fofern er nur hin— 
über geht und in das Spielfeld hin- 
ein fällt; 

b) wenn der Auffchlagball oder der Ball 
im Spiele in das richtige Feld gelangt 
und infolge feiner Drehung oder durch 
den Wind getrieben über bag Vet 
zurück fliegt und der zum Schlagen 
berechtigte Spieler über das Net 
binüberreiht und den Ball madt, 
ohne daß er felbit oder feine Kleider 
oder fein Schläger das Net berühren, 
vorausgeſetzt, daß der Schlag im üb— 
rigen gut iſt; 

e) wenn ein Ball — ſei es über oder 
unter Netzhöhe — außerhalb eines 
Pfoſtens zurüdgefchlagen wird, felbit 
wenn er den Pfoften berührt, voraus: 
gejegt, daß er in das richtige Feld 
hineinfällt; 

d) wenn ein Spieler mit ſeinem Schläger 
über das Netz hinüber reicht, nachdem 
er den Ball zurückgeſchlagen hat, vor- 
ausgeſetzt, daß der Ball das Net über: 
flogen hatte, ehe er regelrecht zurüd- 
geichlagen wurde; 

e) wenn es einem Spieler gelingt, einen 
Aufihlagbal oder einen Ball im Spiel 
zurüdzufchlagen, der einen in Dem 
Spielfeld liegenden Ball getroffen hat.“ 

„Der Auffchläger gewinnt den Schlag, 








Einzelfpieler in jedem zweiten Spiel den | wenn der Rückſchläger den Aufihlagball in 


Aufſchlag.“ 

„Im Spiele zu vieren darf das 
Paar, welches im erſten Spiele den Auf— 
ſchlag hat, entſcheiden, welder von beiden | 
Spielern zuerft auffchlagen fol ; das gegne: ' 


Fluge nimmt, oder einen gültigen Ball im 
Spiele verfehlt oder ihn fo zuriidichlägt, 
daß er außerhalb der Grenzlinien des geg— 
nerifhen Feldes den Boden trifft; oder 
wenn ber Nüdfchläger auf andere Weile 


E. Gräfin Baupiffin. 


Nro. 751, 























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Nro. 751. 


XI. 4. Xamn-Tennis. 





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* ——— 


Nro. 751. 


nach Maßgabe der Regel 34 den Schlag 
verliert.“ 

„Der Rückſchläger gewinnt den Schlag, 
wenn der Aufſchläger beim Aufſchlag zwei 
Fehler hintereinander macht oder einen 
gültigen Ball im Spiele verfehlt oder ſo 
zurüdichlägt, daß er außerhalb der Grenz- 
linien des gegnerifchen Feldes den Boden 
trifft; oder wenn der Aufſchläger nad 
Maßgabe der Regel 34 den Schlag verliert.” 

„Ein Spieler verliert ben Schlag, 
wenn ber Bal im Spiele ihn ober etwas 
berührt, das er anhat ober trägt — und 
zw. einfchließlich feines Schlägerg, fofern 
die Berührung nit in Ausführung eines 
Schlages geſchieht —; oder wenn er ben 
Ball im Fluge nimmt, ohne ihn richtig 
zurückzuſchlagen, gleigültig ob er dabei 
innerhalb oder außerhalb ber Grenzen des 
Spielfeldes ftand; oder wenn er den Ball 
im Spiele mehr als einmal hintereinan⸗ 
der mit dem Schläger berührt (fchlägt) ; 
oder wenn er oder fein Schläger (gleich= 
gültig ob er ihn in der Hand hatte ober 
nicht) dag Ne oder deſſen Stügen berührt, 
folange der Ball im Epiele ift ; ober wenn 
er den Ball im Yluge nimmt, bevor diefer 
dag Neg überflogen bat.” 

„Wenn ein Spieler den Ball derart in 
dag richtige Feld zurüdichlägt, daß er mit 
dem Schläger nad bemjelben wirft, jo 
verliert er den Schlag.” 

„Wenn ein Spieler den Ball auf feinem 
Schläger auffängt, mit ihm and Net geht 
und über dieſes hinüberreichend ben Ball 
ing Spielfeld fallen läßt, fo verliert 
er den Schlag.” 

„Wenn ein Spieler, während der Ball 
im Epiele ijt, über das Net fpringt, um 
bie Berührung zu vermeiden, fo ver: 
liert er den Schlag.“ 


Um Spieler verfchiedener Yäbig- 
feiten mit Ausfiht auf Erfolg 
gegeneinander jpielen laſſen zu 
fönnen, bat man die Einrichtung 
der Vorgaben (odds) getroffen. 
37 Klafjen, die fich auf fogenannte 
18 Plus- und 18 Minusklaſſen fo- 
wie eine Normalflafie ohne Vor: 
gaben verteilen, fußen auf dem 
Syſtem. Die fchlechteren Spieler 
fommen in die Klaffe unter O, die 
Normalklaffe, und erhalten Pius: 
vorgaben; die befjeren Spieler kom⸗ 
men in die Klaffe über O und er: 
halten Minusvorgaben, d. 5. fie 
ſchulden Vorgaben. Spieler mit 
denfelben Vorgaben beginnen bei 
Null. 


E. Gräfin Baudilffin. 


„Plus: Borgaben: 


a) Ein ſechſtel fünfzehn ift ein 
Schlag, der innerhalb von je ſechs 
Spielen eines Satzes an ber durch bie 
beigefilagte Tafel bezeichneten Stelle 
vorgegeben wird. j 

b) Ebenfo find zwei ſechſtel⸗, brei- 
a vierfegftelu. fünf- 
[es el fünfzehn, zwei bezw. 

rei, vier und jünf Schläge, Die 
innerhalb von je fech8 Spielen eines 
Sate3 an den burd bie Tafel be— 
zeichneten Stellen vorgegeben werben. 

















Beifpiel: Ein Spieler, der vier 
fechftel fünfzehn erhält, befommt im dritten 
und fünften Spiele nichts, dagegen im 
eriten, zweiten, vierten und ſechſten Spiele 
eines Sages fünfzehn vor. 

Bemertung: Die Tafel ift nicht iiber 
das ſechſte Spiel binausgeführt, da in den 
nädften und jeden folgenden ſechs Spielen 
Pi Vorgaben an benfelben Stellen wieder- 
ehren. 


ec) Die genannten Borgaben Tönnen zur 
Erhöhung ber unter d bis f genannten 
PlussBorgaben gegeben werben. 

d) Fünfzehn ift Vorgabe eines Schla- 
ges zu Beninn eine jeden Spieles 
in einem Satz. 

e) Dreißig ift Vorgabe von zwei 
Schlägen zu Beginn eine® jeben 
Spieles in einem Sag. 

f) Bierzig tft Vorgabe von brei 
Schlägen zu Beginn eines jeden Spieles 
in einem Satz. 


Bemerkung. Hiernad ergibt fich bie 
Stala ver Plusvorgaben, von der 
niederſten mit !je angefangen bis zur höch⸗ 
ſten mit 40, wie auf der angefügten Vor⸗ 
gaben-Tafel Nr. I unter den Klajfens 
zahlen 1ı—18 zu erfehen. Dabei be 
deutet 3. 8. 

15.1 und !je 15” , 

15.2 „fünfzehn und ®le 15“ 

30.8 —8 und 3le 15* 
80.65 „breißig unb 5le 16” ufw. 

Die Spieler, melde Plusvorgaben er: 
halten, gehören den Unternormalklaffen an. 


XI, 5. 


Die Normal:Klaffe (0, serarch) er⸗ 
hält Leinerlei Vorgaben.“ 
„Minug-VBorgaben (Schuld): 


a) Minus ein fehftel fünfzehn ift 
ein Schlag, der innerhalb von je 
ſechs Spielen eines Sages an ber durch 
die beigefügte Tafel bezeichneten Stelle 
geſchuldet wird. 


Ebenfo find Ninuszweifedftel-, 
prei fedhftel-, vier ſechſtel und 
fünffedftel- fünfzehn zwei 
bezw. drei, vier und fünf Schläge, 
die innerhalb von je ſechs Spielen 
eines Satzes an ben burd folgende 
Tafel bezeichneten Stellen geſchuldet 


b) 

















werden. 
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— %/6 16 — 0 — 0 —16 —-16 
— 516 |—ı6| 0 —16 —16 —-16 —15 





Rricket. Nro. 752. 


Beiſpiel. Ein Spieler, der zwei 
ſechſtel fünfzehn ſchuldet, würde im dritten 
und fünften Spiele fünfzehn, dagegen im 
erſten, zweiten, vierten und ſechſten Spiele 
nichts ſchulden. 

Bemerkung. Die Tafel iſt nicht über 
das ſechſte Spiel hinausgeführt, da in den 
nächſten und jeden folgenden ſechs Spielen 
die Vorgaben an denſelben Stellen wieder⸗ 
kehren. 

c) Die genannten Vorgaben können zur 
Erhöhung der unter d big f genannten 
Minus-Vorgaben dienen. 

d) Minus fünfzehn ift ein Schlag, 
gefhuldet zu Beginn eines jeden 
Spieles in einem Sat. 

e) Minus dreißig find zwei Schläge, 
gefhuldet zu Beginn eined jeden 
Spieles in einem Sag. 

f) Minus vierzig find drei Schläge, 

‚ gefhuldet zu Beginn eined jeden 

Spieles in einem Sat. 

Bemerkung: Hiernad ergibt fi die 
Stala der Miuusvorgaben mit der gering: 
ften von — Us angefangen bis zur ſchwer— 
ften von — 40, wie auf ber beigefügten 
Vorgaben: Tafel Nr. Ilunterden Klaffen- 
zahlen 1-18 zu erjeben ift. Die den 
Zahlen —15, —30 und —40 angefügten, 
durch einen Punkt getrennten Ziffern 1, 
2, 3, 4 und 5 bedeuten die entfprechenden 
Sechſtel von fünfzehn. 

| Die Spieler, welde Ninusvorgaben 
fhulden, gehören den NUebernormal: 
klaſſen an.“ 


‚5 Kricket. 


752. Einleitung. Seit vielen 
Sahrhunderten ift der beliebtejte 
Sommerjport der Engländer das 
Kridetipiel. Aller Wahrjcheinlichkeit 
nah iſt es dus Club-ball-Spiel 
(Keulenballſpiel), von dem ſchon aus 
dem 13. Jahrhundert Berichte vor⸗ 
liegen. Der Marylebone Cricket 
Club in London alzeptierte gegen 
Ende des 18. Sahrhundert3 die da⸗ 
mal? ſchon gültigen Regeln und ift 
feit jener Zeit in allen Fragen über 
das Spiel für die ganze Welt maß: 
gebend geblieben. Die beiten Kricket⸗ 
mannidaften in England find die 
der großen Univerfitäten von Orford 
und Cambridge, ſowie der Schulen 


von Eton und Harrow. Die Kridet- 
Wettſpiele find in England ebenjo 
beliebt wie die Polo- und Fußballs 
fämpfe; viele Taufende fommen aus 
allen Teilen des Snjelreiches wie 
der engliſchen Kolonien herbei, um 
dem Schaufpiel auf dem „Lord’s 
Cricket Ground” im Nordmweften 
Londons beizumohnen. Dieſer Platz 
gehört dem Marylebone Cridet Club; 
die Öffentlichen Spiele dauern drei 
Tage, genügen aber durchaus nicht 
immer, um eine Entjcheidung zwi= 
jhen den Mannſchaften herbeizu— 
führen. Das Refultat lautet dann: 
unentſchieden! Webrigeng fommen 
auch aus den englijchen Kolonien, 





Nro. 752. 


3. 3. aus Auftralien ganze Kridet- 
mannſchaften nad London, ebenfo 
ftatten englifche Spieler zu dieſen 
„Teſt⸗Matches“ genannten Wett: 
fümpfen ihnen Gegenbefuche ab, 
woraus man am beiten fieht, welche 
Wichtigkeit auch dieſem Sport in 
England beigemefien und welche 
Role ihm im Volksleben als hygie⸗ 
nifher Faktor eingeräumt wird. 
Außerhalb Englands hat fi das 
Kridet in Europa nur in wenigen 
Ländern eingebürgert ; und gemefjen 
an der engliiden Popularität — 
London befist allein gegen 8000 
Grounds — fällt der Vergleich für 
diefe Klubs recht Häglih aus. Es 
fcheint aber, daß zwei Gründe fi 
der Verbreitung diefes ſchönen wie 
gefunden Sports entgegenitellen ; 
dag iſt einerfeit3 die große Mebung, 
die er von feinen Anhängern for: 
dert und andrerſeits — eine na: 
türliche Folge der erjten Bedingung, 
da man fagt, ein Kridetjpieler müfje 
fein ganzes Leben zu feiner Aug: 
bildung einjegen — die Ueberhand— 
nahme des Berufgfpielertumg beim 
Kridet. Das geht fo weit, daß in 
dem fonft fo ftrengen England die 
alte Regel: Amateure und Bro: 
fejfionals dürfen nie nebeneinander 
auf dem Felde ftehen! für Kridet 
faſt aufgehoben ift und beideSpieler- 
arten fich nebeneinander betätigen. 

Für Deutichland ift nun diefer 
Auswuchs, der den Sport in jei- 
nem Wejen beeinträcdtigt, faum zu 
fürdten; vorläufig wird der Sport 
bei und nur als Reaktion gegen 
die von der fortjchreitenden Zivili- 
jation zu unferem Nachteil verän- 
derte Lebensweiſe betrachtet und 
nimmt als joldhe leider nod) immer 
einen zu Kleinen Raum im Leben 
des Einzelnen wie im öffentlichen 
Anterefje ein. Die geringe Bopus 
larität, die gerade diefen Sport feit 
Jahren bei ung faſt ftagnieren läßt, 
liegt daher eher an der Forde— 


E. Gräfin Baudilfin. 


rung unaufhörlider Hebung. Nur 
die Fußballklubs haben das Kridet 
aufgenommen und widmen ihm 
furze Sommermonate, ſodaß die 
Mannſchaften es doch nit wagen 
können, gegen ausländiſche, beſon⸗ 
ders engliſche, zu konkurrieren. — 
Der Hauptplatz für Kricket in 
Deutfchland ift Berlin, wo der erfte 
Klub (Berliner Kridetffub) im Sahre 
1883 von Engländern gegründet 
wurde, die das Spiel dorthin ver: 
pflanzt hatten. Andere Städte: 
Hamburg, rn Cannſtatt, Frank⸗ 
furt aM. u. . find allmählich 
dem guten Seifbiet Berlins gefolgt; 
aber von einer allgemeinen Ein- 
führung in Deutſchland fann noch 
garnicht die. Rede fein. Der 1893 


| gegründete „Deutſche Fußball- und 


Kricket-Bund“ veranftaltete Meifter- 
ſchaftsſpiele; feit 1897 ift jedoch 
der Berband deutſcher Ballipiel- 
vereine an feine Stelle getreten, 
deflen Kridet-Regeln, den englifchen 
ziemlich angepaßt und für Deutfch- 
land anerkannt, im wejentlichen 
fpäter angegeben werden follen. Es 
wäre dringend zu wünfdhen, daß 
der „König der Ballſpiele“ mehr 
Freunde in Deutjchland fände; 
leider muß aber fonftatiert werben, 
daß das Intereſſe fogar abnimmt. 
Aus den fünf größten Klubs in 
Berlin (Britannia, Germania, Preu⸗ 
Ben, Union und PBiltoria) erreichten 
in den vorlegten Sahren nur fünf 
Schläger einen Durdfchnitt von 
10—20 Läufen ; die übrigen blieben 
alle unter 10, während in England 
die geringfte Durchſchnittszahl 25, 
die höchſte (allerdingd von Be: 
rufsfpielern erreichte), zwiſchen 40 
und 5l lag. Einen nod fchärferen 
Unterſchied weifen die Beſuchs— 
ziffern der Wettſpiele auf; in 
Deutfhland Tamen einmal ala 
höchſtes 300 Zufchauer zufammen 
— in England find 10000 — Seit 
legtem Jahr fogar 12000 die 


XI, 5. Rricket. 


Norm! — Vielleicht gelingt eg, 
allmählich durch fonjequente Pro- 
paganda das größere Bublifum für 
das Spiel zu interefjieren, wodurch 
ſich aud) der Eifer der Mannjchaften, 
ihre Stärfe und damit ihre Lei— 
ftungen wohl wieder bejjern würden. 

Uebrigens hat man in England 


begonnen, um das Trainieren nicht 


Niro. 753. 


beträgt. Die Tore (wickets) ftehen 
jih genau gegenüber; parallel zu 
ihnen werden in einer Entfernung 
von 1,20 m Kerbſtriche (pop- 
ping creases) marfiert, in beliebi= 
ger Länge. Die Torftride 
(bowling creases) bilden gleichjam 
die Verbreiterung der Tore und 
gehen recht3 und links je lm über 





372. Ballen_und Selden. 


unterbrechen zu müfjen, das Spiel 
für den Winter in gededte Hallen 
zu verlegen. Somit hat man dem 
Nachteil, über Winter „außer Form“ 
zu fommen, vorgebeugt. Aller: 
dings müfjen fich die Bedingungen 
ein wenig ändern; der Ball mird 
durch einen leichten Hohlball, der 
ihmwere Schläger, dem Ball ent: 
ſprechend, durh einen Tennis 
ihläger erjegt. Wenndieje lebungen 
auch nicht ganz dem Spiel im Freien 
entfprechen, jo wird 3. B. doch dem 
„Ballmann“ Gelegenheit zu vor— 
trefflihem Training gegeben. 
753. Der Spielplat. Als Spiel- 
feld dient ein ebener, fchöner, kurz— 
gehaltener Raſenplatz, deſſen Länge 
von Tor zu Tor 20m —= 25 Yards | 





(Aus Sport im Bild.) 


fie hinaus; ihre Gejamtlänge joll 
2,02 m =6 Fuß 8 Zoll betragen; 
an den Enden werden fte durch 


Spielfeld. 


Met. 2,02 


Pitch 
1290 03: 


= 
= 
“ 
e-] 
2 
- 
3 
2 


eopaux 2 


Aa und B — Thore oder Wickets. 
C und D — Thorstriche oder Bowling creases. 
E und F — Kerbstriche oder Popping creases. 


378, Spielfeld zu Kridet, 


Nro. 754. €. Gräfin Baubilfin. 


Querſtriche abgeſchloſſen, wodurch Dad Schlagholz oder die 
der Platz zum „Ballen“ entjteht. Der | Keule darf nicht länger als 96 cm 
Raum zwiſchen den Toren ift die und an der breiteften Stelle höch— 
Spielbahn oder pitch. Die das ſtens 10'/, cm breit 
eigentlihe Spielfeld umgebende fein; zu jedem Spiel 
Fläche ift unbegrenzt; je größer find zwei Keulen 
deſto bejier, da einzelne Spieler e3 nötig, die aus Wei- 
vermögen, den Ball über 100 m Ä 
und noch weiter zu jchlagen. 

754. Die Spielgeräte. Jedes 
Tor muß eine Breite von 20 em 
und eine Höhe von 66—68 cm 
haben; die drei Stäbe, aus denen 
e3 ſich zufammenjeßt, find 2 cm 
dick und oben durch Querhölzer von 
10 cm Länge verbunden, die höd)- 
ſtens 1 cm an jeder Seite über das 
Tor hinausgehen dürfen. Der 
Zwiſchenraum zwiſchen den Stäben 
muß fo bemejjen jein, daß der Ball 
nicht zwifchen ihnen hindurch kann; 
trifft der Ball das Tor, jo müfjen 
die Querhölzer herabfallen oder die 
Stäbe umjtürzen. 

Der Ball darf nicht mehr als 

. 163 g und nicht weniger ala 155 & 
wiegen; jein Umfang joll zwifchen 
23—23', cm betragen. Sein 
innerjter Kern bejteht aus Korf, 





alla] N 


fi 44 PTAETLTZITED | UL) Sn ij ch I} 
—6 —V FEB ITNFNINSE TON, 








380. Die „Prefi: 381. 
dent“=Kridet- Schienbeinfchüger. 
Keule. 


denholz hergeftellt werden und deren 
Griff feft mit Schnur ummidelt wird. 











N 2 re, N 3 
VRLE —— mr, 
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PCM —* 







Mini 





Hu — 


EN 


379. Kridetball. 


UNEOEUTRSNND 


& 





* 


den eine Wergumhüllung und dieſe 
wieder eine feſte Lederfchicht um= 
gibt. Diefe Art Bälle find Bor- 
ſchrift für alle Wettſpiele; ſog. 
„Maſſebälle“ (aus Gummi od.deral.) — * 
dürfen dann nicht benützt werden. 382. Krickethandſchuhe. 











x1. 5. Rricket. 


Handſchuhe ud Scdien- 
beinihüsger find im allgemeinen 
nur für die Torwädter (cricket- 
keeper), die Ballmänner und die 
Schläger (batsmen) gebräuchlich. 

755. Der Spielgang. Zwei Bar: 
teien zu 11 Mann bilden die Spiel: 
mannfchaft; auf feiner Seite dürfen 
mehr al3 3 Mann fehlen; abwech⸗ 
felnd bat jede Partei 2 Berteidi- 
gungen, falls nicht diejenige, welche 
die zweite Verteidigung hatte, 50 

oder über 50 Läufe weniger al? 
die Gegenpartei erzielte; in diejem 
Fall fol fie fofort noch einmal 
Ichlagen. Die Barteien Iojen bei 

Beginn des Spiel! um die Reihen 

folge der Berteidigungen; die ge⸗ 

winnende Partei fann fih für 

Schlagen oder Felden entjcheiden. 

Zwei Richter (umpires), ſowie 2 An⸗ 

fchreiber gehören zum Wettſpiel, 

das ſich aus 2 Berteidigungen jeder 

Bartei zuſammenſetzt und nad 

„Läufen” berechnet wird. Diefe 

werden entweder dem Schläger gut⸗ 

gejchrieben oder als Beiläufer, 

Prallbeien, Fehl- oder No-Bälle 

oder als Weitbäle notiert. Zwei 

Spieler werden vom Verteidiger 

an die Tore gefandt und haben mit 

den Keulen ihr Ummerfen zu ver- 
hindern und den Ball fo weit als 
möglich zurüczufchlagen. Die üb- 
rigen 9 Spieler verhalten fich paj- 
fio, bis ein Schläger „aus“ ift und 
on abgelöft wird. Bei der angreifen: 
n, ven Partei dagegen nehmen von 
“vornherein alle Spieler am Spiel 
teil; der „Ballmann” muß den Ball 
werfen oder einjchenten, „ballen”, 
E wie es technifch heißt, eine Bewe⸗ 
2 gung, die mit dem ganzen Arm 
5 ausgeführt wird, faſt einen Kreis 
2 befchreibt und den Ball mit großer 
Vehemenz nach) vorn fchleudert gegen 
das feindlihe Tor. Der „Tor— 
waͤchter“ hat ihn zu empfangen und 
- aufzuhalten, falls der „Schläger” 
ihn nicht auffangen und mit ſtarkem 


— 


RT 


Ferien "SE 


Neo. 755. 


Schlag jeiner Keule über die Köpfe 
der Angreifer fort zurüdichlagen 
fonnte. Die angreifende Partei 
nimmt die Verfolgung des Balles 
auf, und diefen Zeitraum müſſen 
die Schläger benügen, um jchnell 
ihre Plätze zu wechjeln; diefer Aus: 
taufch ift ein „Lauf“ und je weiter 
fort der Ball geichlagen wurde, um: 
fomehr „Läufe“ Hin und her können 
bis zu feinem Einfangen gemacht 
werden; fie gelten aljo zuguniten 
des Berteidigers. Spielregelift, daß 
fünfmal hintereinander vom felben 
Ter geballt wird; ift der Ball dann 
ans dem Spiele, fo jagt der Richter 
einen „Wechfel” an und die nächſte 
Partei fommt fünfmal an die Reihe. 
Ein Wettjpiel befteht aljo aus zwei: 
mal 2 —= 4 TVerteidigungen oder 
„Sängen“ (innings).. Iſt ein 
Schläger „aus“ und wird abgelöft, 
fo tritt eine Baufe von ca. 2 Minuten 
ein, in welder Zeit der Erſatzmann 
fih am Tor aufftellen muß. Die 
Dauer des ganzen Spiels ift un: 
beitimmbar, da fte von den Fähig- 





383. Aufftellung der Spieler zum, Kridet. 
1. Ballmann, 2. Torwächter, 3. Hinter— 
mann, 4 Eckmann, 5. Zweiter Eckmann. 
6. Stand, 7. Deditand, 8. Rechts ub, 
9. Kints ab, 19. Poiten, U. Dedpoiten, 
SS die beiden Schlager, RR die beiden 


Richter, AA die beiden Anjchreiber. 


— 


Nro. 756- 757. 


keiten der Parteien abhängt; denn 
ein Gang iſt erſt beendet, wenn 
alle 11 Spieler der verteidigenden 
Partei am Schlag geweſen ſind. 
Die Aufſtellung der Spieler er- 
gibt fich aus dem beigefügten Plan. 
756. Wertung des Spiels. 
Die Anfchreiber benutzen vorge: 
drudte Schemas, jog. „Score- 
Bücher” zum Aufnotieren der ein: 


zelnen Läufe, der Fehler jowie der | 


Gründe, weshalb die Schläger 
„aus“ wurden. Die Laufzahlen 
beider Gänge werden fummiert, 
Sieger ift die Bartei, die am meiften 
Läufe gemacht hat. Bei gleicher 
Zahl bleibt dag Spiel unentfchieden. 


757. Spielregeln. Der Aus: 
zug der folgenden Regeln ift den 
„Kridet:Regeln”, vom Verbande 
deutjcher Ballfpielvereine angenom: 
men und autorifiert, entnommen, 
auf die wir im übrigen zur nähe: 
ren Kenntnisnahme de Spieles 
binweifen. 


„Dem Schläger ift ein Laufgutzufchreiben : 
jedesmal, wenn er mit dem Schläger am 
anderen Tor nad einem Schlage den Platz 
gewechjelt hat. 

Diefe Beltimmung findet auch auf ge— 
ſchlagene Fehlbälle Anwendung,” 

„Laufen die Schläger, ohne daß der Ball 
den Schläger an dem Tore, auf welches 
geballt wurde, oder deſſen Schlagholz be- 
rübrt, fo find diefe Läufe als Beiläufe 
zu notieren,” 

„Berührt der Ball den Schläger (außer 
deſſen Schlagholz oder Hand) und eg ent- 
ftehen Läufe, jo find dieſe alg Brall- 
Beien zu notieren.” 

„Für einen Fehl: (Mo= oder Kein) Ball, 
der vom Richter zu melden ift, ift unter 
alten Umftänden ein Lauf ald Fehlball zu 
notieren, aud wenn außerdem noch Läufe 
entjtehen. Wird ein Fehlball geſchlagen, 
fo find die gejchlagenen Läufe dem Score 
bes Schlägers gutzubringen. Beiläufe 
werben als Beiläufe gerechnet.” 

„Für einen Weitball, der vom Richter 
zu melden ift, ift ein Lauf zu notieren: 
entftehen durch einen Weitball Läufe, fo 
ift nur die Zahl diefer Läufe als Weit— 
bälle zu notieren.” 

„Läufe dürfen nur entftehen, folange der 
Ball im Spiel iſt. Ter Bau ift nicht im 
Epiel: 1. wenn er fich feft in ben Händen 
bes Ballmannd oder Torwächters befindet ; 


@. Gräfin Baudilfin. 


2. wenn ber Richter „Wechjel“ verkündet 
bat ;3. wenn ein Schläger aus ift; 4. wenn 
‚Ball verloren‘ gemeldet ift; 5. wenn ber 
Ball ‚tot‘ iſt.“ 

„Der Richter am Tor bed Ballmanns 
foU ‚Fehlball’ (No= oder Kein-BaU) melden, 
wenn . 


-1. ber Ball nit geballt, fonbern ge: 
worfen ober rudmweife gefchleubert 
wurbe, 

2, ber Ballmann beim Ballen nicht einen 
Fuß hinter dem Torftridy und zwifchen 
beiden Querſtrichen hatte, 

3. der Ballmann in demſelben Wechfel 
die Art des Ballend (Dberarm oder 
Unterarm) ändert.” 


„Der Richter am Tor des Ballmannz 
fol ‚Weitball’ melden, wenn nad feiner 
Meinung der Schläger den Bau nicht hätte 
fhlagen können, weil berjelbe zu weit am 
Tor vorbei oder zu hoch darüber hinweg 
ging. 

„Ter Richter am Tore bed Ballmanns 
fol ‚Fehlball’ melden, fofort nachdem ber 
Ball die Hand des Ballmanna verlafjen 
bat, er ſoll ‚Weitball’ melden, fofort nad): 
dem der Bau den Schläger paſſiert hat.“ 

„Hält ein Angreifer den Ball auf andere 
Weiſe, ala mit einem Teile feines Körpers 
auf, fo ift ver Ball ‚tot. Hierfür find 
fünf Läufe zu rechnen, oder wenn ſchon 
mehr Läufe entitanden waren, bie Zahl 
der legteren.“ 


„ver Schläger ift aus: 
1. ‚Seballt.‘ 


Wenn fein Tor dur ben Bal ge: 
troffen wird, auch wenn der Bal zu— 
erſt das Schlagholz berührt Hat. 


2. ‚Sefangen.’ 


Wenn der Ball nad) einem Schlage mit 
dem Schlagholz oder mit der Band 
(niht Handgelend durd einen 
Angreifer gefangen wird, ohne bie Erbe 
berührt zu haben. 

Wenn der Schkiger ausgefangen 
wird, fo lönnen feine Läufe entftehen. 
3. ‚Ausgeftoßen.’ 

Wenn der Edjläger bei oder nadh 
einem au nit auf feinem Plage 
ift und fein Tor durd einen der An= 
greifer zerſtört wirb. 
Der unvollendete Lauf zählt in 
biefem Falle nicht. 
4. ‚Borgeftanden.‘ 


Denn der Schläger mit einem Tore 
feines Körpers den geballten Ball, ber 
nad Meinung des Richters das Tor 
hätte treffen müſſen, aufhält. 
5. ‚Selbdft aus.‘ 

Wenn ber Schläger beim Schlagen 
ober Laufen das Tor mit feinem Schlag 
holz, feinem Körper oder feiner Klei⸗ 
dung zerftört, 


XI. 6. Bockey. 


6. ‚Feldhinbernis.’ 


Wenn ber Schläger unter dem Bor- Ä 
wanbe des Laufens oder fonftwie mit ! 
Au bficht einem Angreifer beim Fangen 


des Baus hinderlich ift. 


7. ‚Doppelt geſchlagen.“ 
Menn der Schläger, nachdem er den 
Bau geſchlagen oder mit feinem Körper 
aufgehalten, zum zweiten Male fchlägt, 
um dadurch Läufe zu erzielen, es ſei 
denn, er tut dies um fein Tor zu 
retien, in weldem Falle ev außer dein 








Nro. 758. 


Schlagholz auch jeden Teil feines 
Körpers benugen darf. 


8. ‚Außsgelaufen.’ 


| Wern der Schläger beim Laufen nicht 
| auf jeinem Plage ift und fein Tor zer⸗ 
| ftört wird, 


9. ‚Ballanfafien.’ 
Wenn der Echläger den Ball, während 
diefer im Epiele ift, obne Erlaubnis 


eines Spieler der Gegenpartei auf: 
nimmt.” 


6. Dockey. 


Landhocdkey. 


758. Einleitung. Hockey hat 
ie die Übrigen Ballipiele Polo, 
zolf 2c. eine lange Beraangenheit; 
in Urſprung ift bei den alten 
legyptern, den Römern, im Mittel: 
ter bei den Perfern und By: 
antinern nachzumeifen. Der jebige, 
Ugemein benügte Name jtammt 
on dem franzöfifhen „hocquet“, 
em Scäferjtod, der in Frankreich, 
benfalls im Mittelalter, zum Ball 
piel gebräuchlich war; allerdings 
yatte der Ball damals noch die 
Bröße und Schwere des Fußballes, 
während er jet dem Kridetball 
gleicht. In England fpielte man 
Hodey unter dem Namen Hurley 
oder Shinty, big der Wimbledon: 
Klub im Jahre 1883 neue Regeln 
aufftelte und das Spiel unter 
verändertem Namen gleichjam neu 
erihuf. Denn auch den Spiel: 
charakter gejtaltete er gänzlich um. 
Heutzutage ift es ein regelrechtes 
Mannſchaftsſpiel gemorden und 
findet jhon deshalb immer mehr 
Anklang —, früher bildete der „An— 
griff“, der von acht Stürmern aus⸗ 
geführt wurde, die Hauptjache, die 
Verteidigung ruhte auf zwei Halb— 
ipielern und einem Torwächter. Der 





Wimbledon:Klub teilte die Mann: 
Ihaft in vier Glieder ein, die ſich 
gegenfeitig ergänzen und von deren 
Zufammenjpiel, nicht von den her- 
vorragenden Zeiftungen des Ein- 
zelnen, der Erfolg abhängt. Die 
im Jahre 1886 gegründete Hockey— 
Aſſoziation ift für alle das Spiel 
betreffenden Fragen maßgebend ; fie 
bat ganz England in „Dijtrikte” 
eingeteilt und veranftaltet in dieſen 
interne Wettkämpfe, bei denen die 
Mannihaften zum Ausfechten der 
internationalen Wettjpiele ausge 
fondert werden. Bon England aus 
bat fih das Spiel über Auftralien, 
Amerifa hier bejonderd in 
Kanada — und über den euro- 
päiſchen Kontinent verbreitet; in 
Deutfchland ift es ein® der be— 
fanntejten Raſenſpiele gemorden. 
Bon allen Städten jteht Berlin 
mit verjchiedenen Klub und vor: 
züglichen Mannſchaften obenan; 
ſeit 1899 finden dort regelmäßig 
Wettſpiele ſtatt. Auh Damen: 
Hodey-Klub8 gibt e8 in Berlin, und 
da fih der Sport vortrefflich für 
Frauen eignet, ift zu hoffen, daß 
auch in anderen deutjchen Städten, 
in denen ſich dag Hoden einge- 
bürgert hat, das gute Beiſpiel der 
Hauptitadt Nahahmung finden wird. 


Neo. 759-760. 


Jedenfalls verdient dad anregende 
und gejunde Spiel eine weite 
Berbreitung. 

759. Der Spielplag. Die Regeln 
der englifhen Hockey-Aſſoziation, 
die von den deutjchen Klubs über- 
nommen worden find, bejtimmen 
ald Länge des Spielplages 90 m 


R 
IN 
D 
8 
5 
N 
N 
d 
8 
% 
7 





Goal -Linie 4555 m 
384. Plan des Spielplates zu Hodey. 


zu einer Breite von 45—55 m. 
Die Abgrenzung gejchieht durch 
weiße Linien und an den Ecken 
aufgeftelte Fahnen. Der Plaß 
muß durchaus eben fein, da bei 
hügeligem Gelände ſtets eine Partie 
im Vor: oder Nachteil gegen die 
andere fein wird. Den anges 
nehmjten Boden bietet ein furz ge: 
baltener Rajen. Die Linien werden 
Geitenlinien und Tor- oder Goal: 
linien benannt; in der Mitte der 
legteren befinden fich die Tore, goals, 
die aus je zwei aufrechten, 3,6 m 
voneinander entfernten Pfoften und 
einer in einer Höhe von 2,1 m 
angebrachten Querſtange beftehen. 


€. Gräfin Baudiſſtn. 


Zwiſchen diefem Holzwerf, das weiß 
angeftrihen wird, befeſtigt man ein 
Neg, in dem der Bal fich fängt, 
wenn er dad Tor paffiert. Bor 
jedem Goal wird in einer Ent: 
fernung von 13,65 m und parallel 
zur Goallinie eine 3,6 m lange 
Linie gezogen, von deren Enden 
Biertelfreife zur Goallinie geben, 
fodaß die Torpfoften die Mittels 


punkte dieſes „Schußkreiſes“ bilden. 


Die Seitenlinien ſind durch die 
„Mittellinie“ zu verbinden, deren 
Mittelpunkt ebenfalls bezeichnet 
wird; die ſogenannten „221, m 
Linien“ laufen parallel zur Torlinie 
über den Platz. 

760. Die Spielgeräte. Die 
Hodeyftöde haben heutzutage 
gegen früher ein leichtered Gewicht; 
es ſoll nie mehr ald 28 englifche 
Unzen = 907 g betragen. Genau 
zu bejtimmen ift es nicht, es gibt 
feinen „Einheitsftod”, da jeder 
Spieler fi Gewicht wie Form des 


Eur) ) 


385. Hockeyſtock und Ball. 


Griffes felbft mwählt. 


und leichtere, die Verteidiger län: 
gere und fchwerere Stöde benüßen. 
Die Vorſchriften verlangen außer: 
dem, daß die Stöde ohne jeden 
Metalbeihlag find, noch ſcharfe 
Kanten haben, und daß fie fich 
durd) einen Ring von 5 cm Durch⸗ 
meſſer hindurchziehen lafjen. 

Der Ball ſoll ein gewöhnlicher, 
mit weißer Farbe geſtrichener 
Kricketball ſein, alſo ein Gewicht 
von 150—160 g beſitzen. 

Metallbeſchlag oder hervorſtehende 
Nägel am Schuhwerk der Spieler 
ſind verboten. 


Im allge⸗ 
meinen werden die Stürmer kürzere 


XI, 6. Borken. 


761. Der Gang des Spieles. 
Eine Hodeymannjhaft bejteht aus 
je elf Mitgliedern, die, nachdem 
ver Ball „abgeihhlagen” worden 
ift, verjuchen, ihn mit ihren Stöden 
durch daS feindliche Tor zu treiben. 
Gewonnen hat diejenige Partei, 
die innerhalb der fejtgefegten Zeit 
— gemwöhnlihd 1 Stunde 10 Mi: 
rıuten, mit einer Pauje nad) 35 
Minuten — die meilten Tore er: 
zielt hat. Die fünf Stürmer jeder 
Mannschaft jtehen fich beim Beginn 
des Spieles an der Mittellinie 
gegenüber; 5—10 m Hinter ihnen 
die drei Marfmänner, dann folgen 

die beiden Malmänner und zur 
Berteidigung der Tore die Tor— 
wäcdhter. Um das Recht der Goal- 
wahl wird vor Beginn des Spiels 
geloft, nad) der erſten Spielhälfte 
werden die Seiten gewechſelt. Das 
Charakteriftiide am Hodey ift das 
„bully“, mit dem das Spiel be: 





386. Der Abjchlag (bully). 


ie  gonnen und das nach jedem goal, 
Me fowie nad der Pauſe wiederholt 
| wird. Zu feiner Ausführung ſtehen 
fih die zwei Mittelftürmer dicht 
IR gegenüber und fjchlagen mit dem 
Stod dreimal abwechjelnd auf den 
„sh Boden neben den Ball und auf 
* den Stock des Gegners über dem 
"Ball — dann erſt darf der Ball 

getroffen werden. Die Gefichter 
der beiden Spieler müſſen hierbei 
den Seitenlinien zugemwendet jein. 
Die Kunft beim Abjchlagen des 


- 
» 


Niro. 761—762. 


Balles liegt nicht darin, ihn meit 
zu treiben, jondern ihn ficher der 
eignen Partei zuzufchlagen. Wie 
bei allen dem Affoziation ähnlichen 
Spielen geht das Bejtreben jtet3 
dahin, den Ball aus dem Gedränge 
heraus ing offene Feld zu bringen, 
und jo flient er andauernd von 
einem Flügel zum andern, bis er 
in die Nähe eines feindlihen Tores 
gelangt ift ; dann wird erindie Mitte 
„gepaßt“, um von hier aus durch 
den Mitteljtürmer durchs Goal ge= 
Ihlagen zu werden, ein Angriff, 
dem natürlid vom Torwächter wie 
von den Malmännern begegnet wird. 
Erzielt wird ein Goal, wenn der 
Ball die Linie zwiſchen den Goal- 
pfojten fliegend oder rollend unter: 
halb der Querſtange pajjiert, 
doch nur, wenn er innerhalb des 
Schußkreiſes von einem der An- 
greifenden Durchgejchlagen wird oder 
von deſſen Stock abprallt. 

Der erzieherifche Wert des Hockeys 
liegt in der ftrengen Disziplin, die 
es von allen Mitjpielern fordert; 
nur wenn den Beitimmungen des 
Spielwarts unbedingt gehorcht wird 
und zwiſchen „Angriff“ und „Ver: 
teidigung“ vollſtes Einverftändnis 
herrſcht, kann auf Erfolg gehofft 
werden. Bor Ajioziation hat das 
Hockey voraus, daß der ganze 
Körper, nicht nur die Beinmuskeln, 
ausgebildet werden. 

Die Entjheidung über das Spiel, 
ein „goal“, ein „bully“ oder ein 
„Strafbuly“, haben Die beiden 
Richter zu fällen, von denen jeder 
eine Hälfte des Spielfeldes be- 
berrjcht und eine ganze Seitenlinie 
fontrolliert. Der Schiedsrichter 
gibt den letten Ausjchlag über 
alle8 und fungiert zugleih als 
Beitnehmer. 

762. Die Spieler. Wünjcht ein 
Spieler auf den Fehler eines 
Feindes aufmerkſam zu machen, 
jo hebt er den Arm hoch — jedes 


Niro. 762. 


Burufen oder perfönlihe Gezänk 
ift verpönt, der Spielmart fol 
allein der Sprecher für jeine Mann: 
Ihaft fein. Die engliide Bor: 
fohrift, den Ball nur von rechts 
. nah links zu Schlagen — eine 
Ausnahme ift nur „Linfshändern” 
geftattet, die eigens hergeftellter 
Stöde bedürfen, um ihrer Eigen- 
tümlichfeit Rechnung zu tragen — 
findet auch in Deutfchland jetzt 
mehr und mehr Anklang; fie be: 
dingt, daß die rechte Hand den 
Griff des Stodes unterhalb der 
“ Tinten faßt. Das Spielen wird 
durch diefe Regel für den linfen 
— allerdings erſchwert; der 
Ball muß hier entweder „ange⸗ 
halten“ werden, wozu auch die 
rechte Seite des Schlagendes be= 
nutzt werden darf, oder der Spieler 
muß verfuden, fi fo dem Ball 
zu nähern, daß beim Schlagen 
feine linfe Schulter der Richtung 
zugewandt ift, die der Ball neb- 
men foll. 

Eine zweite Beftimmung über 
das Schlagen lautet dahin, daß 
der Stod niemald über Schulter- 
höhe gehalten werden darf, und 
ferner, daß fein Spieler in das 
Spiel eingreifen darf, der den 
Stod nit in der Hand hat. 
Berftöße gegen dieje Regel heißen 
„Stöde”. Der Bal wird beim 
Schlagen weder abſichtlich gehoben 
noch „gejchnitten“, feine Bewegung 
joll mehr durch ein Fortfegen als 
ein ruckweiſes Schlagen gejchehen. 
Es iſt geftattet, den Bal mit der 
rechten oder linten Hand aufzu— 
fangen, vorausgefegt, daß man 
auch den Stod hält, doch muß der 
Ball dann fofort fenfrecht auf die 
Erde geworfen werden, darf alfo 
weder in die Höhe geworfen, noch 
auf der andern Seite des Körpers 
fallen gelajjen werden. 

Bon den Stürmern fällt dem 
Mitteljtürmer die wichtigſte Rolle 


E. Gräfin Baudiſſin. 


zu, er ſoll ſeinen Platz in der 
Mitte der Stürmerreihe nur in 
Notfällen verlaſſen. Da er die 
beiden angreifenden Flügel quaſi 
durch ſeine Perſon verbindet, ſo 
muß er imſtande ſein, den Ball 
gleich ſicher nach beiden Seiten 
ſchlagen zu können. Steht das 
eigene Tor in Gefahr, jo muß er 
den Ball wieder den Seiten zu— 
ipielen, während der Angriff aufs 
feindliche Goal, wie ſchon bemerft 
wurde, ſtets von der Mitte aus zu 
gefchehen bat. Die Aufgabe der 
inneren Flügelftürmer be- 
fteht im ftreng fombinierten Spiel; 
fie haben einander ſtets zu decken, 
in der Art, daß wenn einer von 
ihnen den Ball jpielt, der andere 


| 


ihn gegen feindliche Angriffe zu 


hüten ſucht. 

Bon den äußeren Flügel: 
ftürmern bat der linfe ein 
ſchwierigeres Amt als der rechte, 
da er den ihm zurollenden Ball 
erſt anbalten muß, ehe er ihn 
Thlagen Tann; bat der Ball die 


Seitenlinie pafjtert, jo müffen die 


äußeren Flügelftürmer ihn „ein 
rollen“, worüber die Regel jagt: 

. er fol am Boden entlang 
eingerollt werden, und zwar dort, 
wo er die Linie paffiert hat, und 
von einem Spieler derjenigen 
Partei, welche den Bal nicht zu= 
legt berührt hat. Der Bal darf 
in jeder Richtung außer nad) vorn 
eingerolt werden. Kein anderer 
Spieler darf innerhalb 4!/, m von 
der Geitenlinie ftehen. Der Ball 
darf jofort eingerollt werden, aber 
wenn der Schiedsrichter Der 
Anfiht ift, daß ein Spieler der 
Gegenpartei in der Abficht, Zeit 
zu gewinnen, innerhalb der 4'/, 
Meterlinie jteht, foll er den Ball 
nicht zurüdrufen. Der Spieler, 
welder den Bal einrollt, muß mit 
beiden Füßen Hinter der Seiten: 


‚linie ftehen und darf den Bau nicht 


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XI. 6. Borkey. 


eher berühren, als bis er von einem 
andern Spieler berührt oder ge: 
ſchlagen worden ift.“ 

Auch das „Dribbeln“ des Balleg, 
da8 Bormärtstreiben mit kurzen 
Schlägen, liegt den Stürmern ob, 
weshalb fie die fchnelliten und 
beiten Läufer der Mannfchaft fein 
müfjen. 

Die Marktmänner bilden die 
Berbindung zwifchen Angriff (Stür: 
mern) und Verteidigung (Mal- 
männern).. Demnach haben fie 
überall und nirgends zu fein und 
eigentlich alle Pflichten der übrigen 
Mitglieder ihrer Partei zu erfüllen. 
Man ftellt deshalb befonders zum 
mitteljten Markmann, der gewöhn⸗ 
lich auch zugleich der Spielwart 
ift, die beften Spieler auf dieſe 
verantwortlichen Poſten. Da fie 
dem Angriff wehren, der den Flügel 
der Stürmer umgeht, jo fommen 
fie faum je in die Lage, den Ball 
zu „dribbeln“, fondern müſſen ihn 
- mit Träftigen, ftarten Stößen wie- 
der nach vorn treiben können oder 
. ihn nad rüdmwärts, den Malmän- 
nern zu „paflen“. Bei der Der: 
teidigung des eignen Tores unter- 
ftügen die Markmänner den Tor: 
wächter und dürfen hierbei auch 
in den Stod des Gegners mit dem 
eignen einbafen, jedoch nie jeinen 
Körper feithalten, wie die Regel 
über diefe Art des Spielend be: 
‚Sagt. — Die Malmänner haben 
ihre Stellung Binter den Mark—⸗ 
männern, müſſen dieſe ergänzen, 
aber in einer Weife, daß fie nie- 
mals im Wege find noch die hintere 
Hälfte des Spielfeldes unbeauffich- 
tigt laſſen; ebenjo haben fie dem 
Torwächter bei der Verteidigung des 
Goals beizuftehen, ihm aber aud 
genug Ellbogenfreiheit zu laflen. 
Häufiger als die andern Spieler 
werden die Malmänner dazu kom⸗ 
men, den fih dem Schußkreis 
nähernden Ball aufzuhalten — ſei 


ı Händen halten, 


ed mit dem Stod oder dem Fuß — 
und ihn, dann erſt wieder fortzu- 
ſchlagen. 

Die Rolle des Torwächters 
iſt wichtiger als gerade intereſſant; 
denn ſie beginnt ja erſt im letzten 
Viertel des Spiels. Verſteht er 
ſich aber auf ſein Amt, weiß alſo 
ſeine Partei, daß ſie ſich feſt auf 
ihn verlaſſen kann, ſo wird ihr 
Spiel um ſo freier ſein. Den 
nahenden Ball darf der Torwächter 
mit dem ganzen Körper, mit Hän- 
den, Füßen oder dem Stock auf: 
halten, aber auch für ihn gilt die 
Regel, daß er niemals ohne Stod 
jpielen darf; um den berbeifliegen- 
den Bal je nad feiner Richtung 
mit der rechten oder linken Hand 
auffangen zu können, fol der Tor: 
wächter den Stod immer in beiden 
um durch das 
Wechſeln keine Zeit zu verlieren. 
Rollt der Ball heran, jo wird der 
Torwächter ihn meiſtens mit dem 
Fuß feithalten und ihn dann mit 
dem Stod, oder ilt hierzu feine 
Zeit, durd) einen Tritt feiner Partei 
wieder zujenden. Aus dem Schuß- 
freiß heraus darf der Tormächter 
nur in Äußerften Notfällen laufen; 
dagegen wird er den Ball ſchon an 


der Grenze des Schußfreifeg em: _ 


pfangen, beſonders wenn die Mal: 
männer nicht zur Hand find. — 
Für den Torwädter find Scien- 
beinfhüger allgemein üblih, auch 
wenn diefes Amt von Damen aus: 
gefüllt wird; die übrigen Spieler 
benügen fie jelten, da fie die Be— 
mwegungsfreiheit hindern, dagegen 
werden vielfah Handjchuhe zum 
Schuß der Hände getragen. 

763. Die Spielregeln. Bon 
den Spielregeln, die mit den Regeln 
der englifhen Hockey-Aſſoziation 
übereinjtimmen, werden im folgen: 
den noch diejenigen angeführt, die 
nicht Schon bei der Erläuterung des 
Spield gegeben worden a 

9 


Niro. 763. 


" 


—— —— 


Nro. 764. E. Brafın 


„Abfeits. Jeder Spieler ift abfeits, 
weldher im Moment, in welchem einer feiner 
Partei den Bal trifit, der Goallinie der 
Gegenpartei näher fteht, ald der den Ball | 
fhlagende Spieler, jolange nicht wenigfteng 
brei Spieler der Gegenpartei ihrer eigenen 
Goallinie näherftehen. Er barf dann ben 
Bau nicht berühren, oder ſich demſelben 
nähern, oder ſich innerhalb 4! m von 
bemjelben aufhalten, oder irgendwie einen 
der übrigen Spieler behindern, bis der Ball 
von einem Spieler der Gegenpartei berührt 
oder gefchlagen worden ift.“ 

„Freiſchlag. Während eines Yrei- 
ſchlags darf fein Spieler, außer bemjenigen, 
ber jchlägt, innerhalb 4'/s m von der 
Stelle ftehen, wo ein folder Schlag ge: 
macht wird, auch barf der den Schlag 
Ausführende den Ball nicht wiederberühren, 
bis legterer einen anderen Spieler be— 
rührt bat oder von ihm gefchlagen worden 
ift. Wenn ber den Schlag Ausführende 
nad dem Ball ſchlägt, ohne ihn zu treffen, 
fol der Schlag wiederholt werden.” 

„Strafſchläge. Für einen außerhalb 
des Schußfreifes begangenen Berftoß, er: 
hält der Gegner einen Freiſchlag an ber 
Stelle, wo der Berftoß begangen wurde; 
begeht die angreifende Partei innerhalb 
des Schußfreifes einen Berftoß, fo kann 
die verteidigende Partei einen Freifchlag 
rellamieren; begeht aber die verteidigende 
Partei innerhalb des Schußfreifes einen 
Verftoß, fo kann die angreifende Partei 
nur ein Bully reflamieren.” 

„Strafbully. Ein Strafbuly wird 
verhängt, wenn die verteidigende Partei 
innerhalb des Schußkreiſes „ipielwidrig“ 
(Rreuzen des Gegners von links, Behinde- 


rung des Gegnerg 2c.) oder gegen bie Negel : 


„Stöde” verfuhr ; das Strafbully wird an 


der Stelle, wo der Verftoß begangen wurde, 


ausgetragen. Angreifer und erteidiger 
müſſen während des Strafbullyg außerhalb 
des Schußkreiſes ftehen, und ber Ball iſt 
für feine Partei eher im Spiel, als bis 
er aus dem Schußkreis herausgebradt 
worden 1jt.” 

„Eckball. Wenn der Ball von ber an- 
greifenden Partei hinter die Goallinie ge— 
fhlagen wird, wird er 22! m weit hin- 
ausgebracht und dort dur ein Bully ab: 
neihlagen und zwar genau gegenüber der 
Stelle, wo er die Goallinie paſſiert hat. 
Wenn aber der Ball von einen: hinter ber 
2212 Meter-Linie ftehenden Spieler der 
verteidigenden Partei abprallt, oder nad) 
Anficht des Schiedsrichters unabfichtlich ge— 
fhlagen wird und dabei über die Goal: 
linie geht, erhält ein Spieler der angrei: 
fenden Partei an einem Punkt auf ter 
Seiten- oder Goullinie innerhalb 2° m 
von der nächſten Edfahne einen Freifchlag, 
und ed müffen babei die Verteidiger alle 
hinter ihrer Goallinie, bie Angreifenden 
außerhalb des Kreiſes fein, big der Ball 
abgefhlagen mworben iſt. Wenn aber nad) | 





Baudiffin. 


Anfiht des Schiedsrichters ber Ball mit 
Abſicht feitens eines der Verteidiger hinter 
die Goallinie geſchlagen wird, fol die an— 
greifende Partei an dem Punkte auf ber 
Goallinie einen Freiihlag erhalten, an 
weldem ber Ball die Linie paffiert, und 
alle Spieler müffen hinter der Goallinie 
reſp. hinter der Schußtreislinie ftehen, 
während fein Spieler innerhalb 4'j2 m 
von dem den Schlag Ausführenden ftehen 
darf, wenn ein folder Freiſchlag gemadht 
wird. Kein Freifchlag darf näher als 4’. 
m vom Goal zur Ausführung gelangen, 
noch fann ein Goal von der angreifenden 
Partei bei einem folhen Freiſchlag erzielt 
werben, bi3 der Ball von einem Spieler 
ber angreifenden Partei auf der Erde völlig 
angehalten worden ift oder die Perfon ober 
ben Stod eines Spielerd der verteidigen: 
den Partei berührt hat.” 


Eishockey. 


764. Einleitung. Auch das Eis- 
bodey ift von altersher befannt; 
auf holländiſchen Kadjeln aus dem 
Mittelalter und alten Kupferſtichen 
find Schlittſchuhläufer dargeftellt, 
die mit einem am Ende gelrümm:- 
ten Stod einen Ball vor ſich her— 
treiben; ein Gobelin im Befite des 
Könige von Württemberg veran- 
ſchaulicht ebenfalls ſolch ein Spiel, 
das dem heutigen Eishodey fehr 
ähnlich war. Seine ftrengen Regeln 
allerdings find noch jüngeren Da- 
tums als die des Landhodeys und 
entftammen dem Baterlande des 
Sports, old England. 

Am verbreitetiten ift dag Spiel 
in Kanada, wo es jedoch mit weit 
längeren, unten Elingenförmig aus- 
laufenden Stöden, außerdem ftatt 
des Balles mit einer Scheibe aus 
Gummi und in gededten Kunfteis- 
bahnen gejpielt wird. Die englifhen 
Regeln, von der „Bandy-Afjozia= 
tion“ verfaßt — in England heißt 
das Spiel „bandy“ — find überall 
in der Welt gültig und aud) vom 
„Berliner Eißhodey:Verband“ über: 
nommen. In Deutſchland ift Berlin 
der Hauptfit des Sporteg, und die 
vorzüglihen Mannichaften des „Aka⸗ 
demifhen Sport:Klub8” wie des 


Ray 
X r Tu 


XI. 6. Borken. ‚ro. 765. 


„Anglo-American-Club“ gehen all- 
jährlih nad) Davos und St. Morit 
zu den dort jtattfindenden inter— 
nationalen Wettfämpfen. Derfchöne, 
neue „Eispalaſt“ in Berlin bietet 
jegt oft den Rahmen für das an: 
regende Spiel, das jogar das 
deutfhe Publifum, dem die Frem— 
den jonjt eine ziemliche Gleichgül: 
tigkeit gegen fportlihe Veranſtal— 
tungen nachſagen, zu lautem En— 
thuſiasmus hinreißt; denn natürlich 


geftellte Fahnen bezeichnet. Der 
Eishodeyitod,der „bandy“, ſoll von 
Holz, ohne Metallbeichläge und nur 
5 cm did jein; er ift weniger jtarf 


am Ende gebogen als der Stod 
des Landhockeys und auf beiden 
Seiten zum Schlagen eingerichtet. 
Der Ball, im Durchmefjer 6 bis 
7 em, befteht aus mafjivem Gummi. 
Gleich dem Landhodey fol der Stod 
immer mit beiden Händen gefaßt 
und nie über Schulterhöhe erhoben 





3587. Damenhodey in der Schweiz. (Aus Sport im Bild.) 


fönnen nur fehr gewandte Schlitt- | werden; auch das Vorwärtsfegen 


ſchuhläufer ſich am Spiel beteiligen. 
Eishodey wird in der Schweiz auch 
viel von Damen gejpielt. 

765. Der Spielgang. Die Auf: 
ftellung der Spieler, elf auf jeder 


Seite, ift diefelbe wie beim Lande 


hodey und ändert jich auch nicht in 


der Tiefengliederung, falls bei einen 
kleineren Plage — die Bandyregeln 
verlangen 100 m Yänge zu 50 'm 


Breite — weniger Spieler teil: 
nehmen. 


Die das Spielfeld umgrenzenden 


Linien heißen Seiten: und Goal: 


linien, die Mittellinie wird meistens , 
durh an den Geitenlinien auf: 


des Balles, jtatt des ruckweiſen 
Schlagens, iſt beim Eishockey Be— 


dingung. Die Taktik des Spieles, 


das Paſſen, Dribbeln ꝛc., iſt dies 


ſelbe wie beim Landhockey; die 
Exaktheit der Ausführungen aber 
natürlich durch die glatte Fläche 
erijchwert. Als Schlittichuh werden 
niedrige bevorzugt, die plößliches 
Anhalten und feſtes Stehen ermög— 
lichen. 

Einige „Bandy:Regeln“. 

„Die Goals befinden fih in der Mitte 
jeder GoallinieYund bejtehen aus je zwei 
aufredhten 3,25 m von einander entfernten 
Pfoften und einer in einer Höhe von 2,10 
‚m angebradten Querjtange.“ 





BEN I 


Nro. 765. E. Gräfin 


„Es wird zweimal 40’Minuten gefpielt.“ 
„Am Anfang des Spield, und nachdem 
ein Goal gemadt worden ift, wirb folgen= 
dermaßen aufs neue begonnen. Der Ball 
wird in ber Mitte des Plages hingelegt. 
Kein Spieler darf näher ala 4 m vom Ball 
jtehen, bis der Schiebsrichter ein Zeichen 
gibt, worauf der Ball im Spiel ift.“ 
„Ein Goal ift erzielt, wenn der Ball die 
Goalpfoften unterhalb der Stange paſſiert.“ 
„Wenn ein Spieler den Ball berührt, 
ift jeder Spieler, der in bemfelben Augen 
blid der gegnerifchen Goallinie näher ift, 
abjeits, faus nicht wenigſtens zwei gegne= 
rifhe Spieler ihrer eigenen Goallinie näher 
find. In dieſem Falle darf er den Ball 


Baudilfin. 


werden. Das Anrempeln, Treten, Feit- 
halten, Beinftellen, Werfen des Stod3 und 
robe3 Spiel ſollen nicht geftattet werben. 
Das Einhalen der Stöde ift auch nicht zu= 
Läffig.“ 

„Wenn ein Ball die Seitenlinie paffiert 
bat, wird er ſogleich dort, wo er bie Linie 
paffiert hat, ins Spielfeld gefhlagen, und 
zwar in irgend einer Richtung außer vor— 
wärt3, und von einem Spieler derjenigen 
Partei, die ihn nicht zulegt berührt hat. 
Die übrigen Spieler müfjen mindeftens 
4 m von der Seitenlinie entfernt ſtehen.“ 

„Wenn der Ball von ber angreifenden 
Partei Hinter die Goallinie der vertei- 
digenden Partei, aber nicht burch das Goal 





388. Im Kampf um den Ball. (Aus Sport im Bild.) 


nicht "berühren, nod in irgend welder 
Meife einen andern” Spieler behindern, 
ehe der Ball von einem Spieler ber Gegen— 
partei berührt worden ift. Nein Spieler 
fann auf feiner eigenen Hälfte des Spiel- 
felds abſeits fein.“ 

„Der Ball darf mit jedem Körperteil 
und mit bem Etod, doch, wenn er auf dem 
Eije liegt oder rollt, nit mitäder Hand 
angehalten werden. Auch darf ’er nicht 
aufgehoben, getragen, getreten, geworfen 
oder neichlagen werden (es fei denn mit 
dem Stod). Der Goalwächter bildet inſo— 
fern eine Ausnahme, als er den Ball treten 
darf. Der Ball darf gefangen, {muß jedoch 
fofort auf derſelben Stelle fallen gelafjen 


gejhlagen wird, fol er von einem ber 
Verteidiger wieder in bes Spielfeld ge- 
fhlagen werden, und zwar von irgend 
einem Punkte auf der Goallinie innerhalb 
10 m ‚von bem nädjften Goalpfoften und 
auf ber Seite, an welcher der Ball bie 
Linie paffiert hat; bie angreifende Partei 
muß wenigften® 20 m von ber betreffen- 
den Goallinie entfernt fein. Wenn aber 
der Ball zulegt von einem Spieler der 
verteidigenden Partei berührt wird, ebe 
er die Goallinie paffiert, jo fol ein Spieler 
ber angreifenden Partei von irgend einem 
Punkte auf der Seitenlinie innerhalb 2'je 
m von ber nädjften Ede einen Freifchlag 
maden. Im Augenblid eines folden Frei= 


XI. 6. Borken. Nro. 766. 


= 
| 


Ihlages müffen alle Verteidiger hinter ihrer gern gejpielt wird, ift das Curling. 


N * 
eigenen Gonilinte fehen.“ ‚Seine Heimat ift Schottland 

„Die Strafe für irgend eine Verlegung | J : , : f 
der Regeln fol in einem Freifhlag für | eine Abart von ihm das auf Schiffen 94 
die — Mannſchaft —5 und | jo beliebte „shuffle“, bei dem an Hi 
zwar an ber Stelle, wo der Berjtoß gegen : : | 
bie Kegel ftattfand“ Deck Ringe nah einem Bilod | 
„Das Spiel wird von einem Sciebs: 
richter geleitet, deſſen Pflicht hauptſächlich 
darin beſteht, alle ſtreitigen Punkte (auch 
ohne Reklamation) zu entfcheiden, ſich ben 
Stand des Spiels zu merken und als Zeit— | 


geworfen werden. Das Curling: 
ſpiel gipfelt darin, die Curling 
fteine, flahe, granitne Steine mit 
einem Handgriff und einem Gewicht 





PH WR 
5 "Pi 





39. Ein vorfchriftsmäßiges Tor für das Spiel mit dem Ball. 
(Aus Sport im Bild.) EM 4 


F nehmer zu fungieren. Seine Entſcheidung yon ca. 30 Pfund möglichit nahe ih, * 


„, — wird von derjenigen ans Ziel zu werfen und zwar ſo, 
Mannfchaft gewonnen, melde die meiſten daß fie über das Eis rutſchen. Der 
2 Goals erzielt.“ Ä zum Spielen nötige Pla muß eine 
eh Länge von 40 m haben und an 
I Das Curlinglfpiel, jeinen Grenzen je einen Holzpflod, 
# die „Zaube”, um den ‚Kreife ver: 


jr 766. Eisfchießen. Ein Eisfpiel, | fchiedener Größe — der größte von 
das weniger anſpruchsvoll als Eis- 2 m — gezogen werden. Aehnlich 
hockey iſt, da es weit geringeren Platz wie beim Boccia verſucht nun jede 
beansprucht und nicht von Schlitt- | Bartei, ihre Steine dem Biele jo nah 
ſchuhlaufern, fondern von Fußgän- | wie möglich zu bringen, reſp. bie 





Nro. 767. 


Segenpartei fortzufchieben und ſich 
an ihre Stelle zu legen. Der An- 
führer gibt vom Ziel aus an, 
wie zu werfen ift, um einen gut— 





390. Ein Eurlingjtein. 


liegenden Stein 3. B. einzufreifen | 
und gegen den Feind zu jchügen. 
Solde dedenden Steine heißen 
„Hüter“. Diejenige Partei gewinnt | 
und erhält einen Point, die mit, 


E. Hräfin Baudilfin. 


einem Stein dem Ziel am nächſten 
gefommen ift; 21 Points madhen 
ein Spiel aus. Sm allgemeinen 
wird mit vier Spielern auf jeder 
Seite gejpielt, von denen jeder 
zwei Steine hat. Die Regeln der 
ſchottiſchen Klubs find überall für 
das Curlingfpiel gültig; jie beftim= 
men, „daß jeder Spieler einen 
Bejen haben joll“ ; die Partei des 
Spieler8 darf fegen, wenn der 
Stein die mittlere Duerlinie über- 
ichritten hat, die gegneriihe Par: 
tei, wenn der Stein dag Ziel 
erreicht hat. Das Fegen darf den 
Gang des Steine nicht behindern. 
Das Curlingſpiel, in Norddeutjch- 
land leider faſt ganz unbefannt, 
wird in Süpdeutjchland, bejonders 
in Bayern, eifrigjt unter dem Na— 
men „Eisjchießen“ gepflegt. 


7. Krocket. 


767. Einleitung. Das Krocet 
joll jhon von den alten Kelten 
in ähnlicher Form wie heute mit 
Hammern, Kugeln und Toren ge- 
jpielt worden jein; als fein direkter | 
Vorläufer ift jedoh das jeu de 
mail zu betrachten, da® wieder aus | 
dem „chole“ entjtanden ift. Aus: 
führlider wurde über den Zuſam— 
menbang diejer Spiele in der Ein: 
leitung zum Golfſpiel gejprocden, 
da beide Spiele, Krodet wie Golf, 
gemeinjamen Urjprungs, ja eigent- 
lic) zuerſt identisch find — denn | 
das jeu de mail à la chicane 
beftand 3. B. darin, ein Ziel, von 
einem bejtimmten Punkt aus be: 
ginnend, in möglichit wenig Schlä- 
gen mit der vom Hammer getrie= | 
benen Kugel zu erreihen. Die 
Trennung zwijhen Golf und dem 
jeu de mail begann, als ein Zapfen | 


in die Mitte des Spielplages ge- 


stellt wurde, gegen den der Ball 


geichlagen werden mußte und außer: 
dem an beiden Enden der Bahn 
Torbogen zum Paſſieren aufgejtellt 
wurden. Aus diefem primitiven 
Anfang bat fi das Krodetipiel 
mit jeinen zahlreichen Bogen, Chi— 
canen und Anläffen zu Kleinen und 
größeren Reibereien, Prügeleien 
zwiihen Kindern und Todfeind— 
Ihaften zwiſchen Erwachſenen, we— 


nigſtens für den Spieltag oder bis 


zur Beendigung der Partie, ent— 
wickelt. „Krocket verdirbt den Cha— 
rakter,“ hört man immer noch, wo 
es geſpielt wird. Allerdings hat 
ſeine Verbreitung und Beliebtheit 
in den letzten Jahren bedeutend 
abgenommen; ſeine Anhänger und 
Anhängerinnen rekrutieren ſich faſt 
nur noch aus den Bewohnern kleiner 


XI. 7. Rrockef. 


Provinzſtädte und des Landes, die 
von den großen Wellen des Tennis, 
Golf oder Fußball noch nicht ers 
reicht worden find. Krodet ift alfo 
„unmodern“ geworden (jiehe Mode 
und Sport) und fo undankbar find 
wir Menſchen, daß mir da Ver⸗ 
ſchwinden des einjt jo beliebten 
länglichen SKrodetfaftend, der die 
Spielgeräte birgt, nicht einmal be- 
dauern, obgleih fi in ihm fo 
ziemlich dag einzige Bergnügungs: 
mittel befand, das in langen Jahr: 
zehnten — außer dem noch harm= 
Ioferen Reifenfpiel! — für die Unter⸗ 
haltung im Freien forgte. Frei- 
ih, ald Erprobung des Charakters 
war Krodet fehr wertgeſchätzt; denn 
wer bei diefem Spiel troß der 
Heimtüden und Rückſichtsloſigkeiten 
des Gegners, der wieder und immer 
wieder die Kugel aus ihrer endlich 
erreichten Lage vor einem Tor fort- 
fhlägt, oder ſogar bei den ge- 
legentlichen Unzuverläffigfeiten der 
eigenen Partei liebensmwürdig, hei- 
ter und geduldig bleibt, ift wirk⸗ 
lich ein an Selbjtbeherrfchung und 
Güte reiher Menfh; und wer 
beim Krodet nicht „mogelt” — es 
auch nicht einmal verſucht, könnte 
die alte, brave, deutſche Brobe auf 
Wahrhaftigkeit: mit unverjehrten 
Fingern ein glühendes Eifen aus 
dem Waſſer zu holen, bejtehen! 
Woran es liegt, daß gerade Krodet 
zu kleiner Unehrlichleit, Neid auf 
den Sieger und boshafter Schaden- 
freude über den Berjagten heraus- 
fordert, ift nicht fo ſchwer zu kon⸗ 
ftatieren. Die Gelegenheiten, fich 
einen Vorteil zu verfchaffen — und 
fei es auch nur der, die Kugel auf 
Haaresbreite mit der Fußſpitze vor- 
oder rückwärts zu jchieben, find zu 
günftig; es fcheint aljo, als wären 
wir nod immer allzumal Menjchen 
und mangelten durchaus jedes 
Ruhms. Aus beiden Gründen — 
der Duelle des Zankes mie der 











Niro. 768. 


traurigen Erfenntnig unferes Nädh- 
ften, die e8 bietet — braudt nıan 
dem Krodet feine Träne nachzu= 
meinen. Auch die Anforderungen, 
die ed an Geſchicklichkeit und Ueber— 
legung ſtellt, find nicht jehr bedeu— 
tend; und nur, weil ihm das Ver—⸗ 
dienst gebührt, einft wenigfteng auf 
Stunden die Leute aus den dumpfen 
Stuben, von der Kaffeetafje mie 
vom Bier fortgelodt zu haben, Toll 
es zwiſchen den Sportöfpielen er- 
wähnt werden. Aber es ift nur 
Raum für einen bejcheidenen Ge— 
denkſtein vorhanden. 

768. Der Spielplag, Da aud 
da8 Krocket von England zu ung 
herübergeflommen iſt, legte man 
anfangs, ald ed en vogue und in 
den beiten Kreijen beliebt war, 
nad) Art der englifchen Plätze gute 
Rajenflähen für das Spiel an. 
Wie ſchon öfters betont, ift es in 
unferem Klima jchwierig und koſt—⸗ 
jpielig, dichten, Furzen Raſen, der 
mehr einem Moo&boden gleicht, zu 
halten. Daher begnügte man fich 
jpäter mit gut geglättetem, ebenem 
Boden, der durch Walzen in Ord- 
nung gehalten wurde. Denn jede 
Wellung des Terrain bringt Zu: 
fälle, die ein gute8 Spiel unmög⸗ 
lih machen und außerdem die Aus—⸗ 
einanderjegungen vermehren. Soll 
alfo überhaupt noch Krodet gejpielt 
werden, fo ift wenigjtens eine glatte 
Fläche Bedingung. Die alten, einft 
für das jeu de mail angelegten 
Alleen eignen fich immer noch vor= 
züglih dazu; denn der früher fürg 
Krodet "beftimmte Raum in Groß: 
ftädten, in Gutsgärten u. dgl. wird 
jegt vom Tennis 2c. offupiert. 

Zum Spieler braudt man einen 
Pla von 40 m Länge und ca. 
30 m Breite; ſehr nötig ift eg, 
feine Grenzen zu markieren, um 
alle Streitigfeiten darüber, warn 
der Ball aus dem Spielfeld heraus 
ift, zu unterdrüden. Iſt der Platz 


Nro. 769, €. Gräfin Baudiffin. 
nicht eingezäunt, jo zieht man wie | boden ab ca. 30 cm beitragen, 

beim Tennis Linien mit Kaltmild | Form oben nit rund, wie man 

oder man furdht rundherum mit | e8 meijtens fieht, jondern des Teich: 

einem Stod eine deutlihde Mar- | teren Einjtedend wegen horizontal 

fierung in den Boden; aud das | fein. 

Umfpannen mit Schnüren ijt ein | Am Ausgangspunft de3 Spiel- 

fach und praftifh. Ohne Markie- | feldes und ihm gerade gegenüber 

rung find Streit und Lärm im | am anderen Ende, alſo in der Mitte 

wörtlichſten Sinne alle Tore ge- | des Spielganges, jtehen 2 jtarfe 

öffnet; vor allem werden die Spiel= | Holzpflöde, die mit dem unteren 
regeln dann ftetS willfürlich gehande | zugejpisten Ende feit in den Boden 

habt und das Spiel ſinkt ganz zu | gejchlagen werden; Spike wie Kopf 

einem törichten Zeitvertreib herab. | find häufig von Eiſenblech geſchützt. 

769. Die Spielgeräte. Der Die Farben der Kugeln: blau, 
vorhin erwähnte, beliebte, meijt | rofa, jchwarz, gelb, braun, orange, 
*— grün, rot, wieder⸗ 
holen fi in breiten 
deutlihen Ringen an 
den beiden Pflöcken. 
Die Reihenfolge der 
Spieler iſt durch 
dieſe Farben gegeben 
und wird ſtreng inne⸗ 
gehalten. 

An Kugeln braucht 
man 8; das iſt zu— 
gleich die höchſte 
Zahl der Spieler, 
die an einer Partie 
teilnehmen kann. Als 
Holz wird zu den 
Kugeln das harte 
Buchsbaumholz ge— 
nommen; auch muſ⸗ 
ſen alle von einer 

U Größe (ca. von 9cm 
391. Spielgeräte zu Krodet. Durchmeffer) und 
e von ſelbem Gewicht 
gelbladierte Holzkaften enthält die | (ca. 400 g) jein. Der Farbitreifen 
Geräte und eine Anweiſung, die | umgibt die Mitte der Kugel wie ein 
jelten oder nie befolgt wird: „wir | Band, die obere und untere Hälfte 
jpielen e8 eben anders!" Schon iſt gewöhnlich farblo8 und nur 
die Aufitellung wird überall vari= | ladiert. 
tert. Ueber die Zahl von 10 Toren | Die Hammer entipreden in An- 
— Anfänger benugen gewöhnlich 6 | zahl und Farbe den Kugeln. Um 
— ijt man fich allerdings meiftens | Irrtümern vorzubeugen, joll jeder 
einig.  Hergejtellt jind die Tore | mit dem Hammer fpielen, der zu : 
aus ftarfem, mit weißer Delfarbe | feiner Kugel gehört. Freund und 
- bejtrichenem Eijendraht ; ihre Weite | Feind find dadurch leichter aus: 









ſoll 15 cm, die Höhe, vom Erd- | einanderzuhalten. Webrigens jolte 










— — 


XI. 7. Rroskef. 


der Anjtrich bei beiden Spielgeräten 
— Hammern wie Kugeln — häufig 
erneuert werden. Gewöhnlich wartet 
man, bi8 feine Farbenſpur mehr 
jihtbar und die verwaſchenen Ge— 
bilde ſchwer von einander zu unter 
jheiden find. Der Hammerftiel ift 
von 1 m Länge, der gleichmäßig 
zylindrifch geformte Kopf ebenfalls 
aus Buchsbaum angefertigt. Da 
jehr leicht beim eifrigen Spiel ein 
Hammerftiel zerbrochen wird, jollten 





392. Plan mit 6 Toren. 


immer einige Sammer „in store“ 
(in Rejerve — einen kurzen, deut- 
hen Ausdrud ſcheint es für fo 
etwas Praktiſches nicht zu geben) 
vorhanden jein. — Die Anwendung 
von Blechmarken in der Farbe der 
Kugeln oder auch mit Nummern, 
die an das Tor gehängt werden, 
das der Spieler paffieren foll, wird 
mit gemijchten Gefühlen betrachtet. 
Denn mande Spieler behaupten, 
daß ein Hauptreiz des Krocket— 
ſpielens im „Aufpafjen” Tiegi; daß 








Nro. 769. 


jeder genau wiſſen joll, wie Gegner 
und Freund ftehen und daß Nie- 
mand zu verraten braudt, welchen 
Weg er einzufchlagen hat. Dieſes 
jtreng behütete Geheimnis zerftören 
die Blechmarfen; allerdings auch 
die langen Diskuffionen darüber, 
ob Rot wirklich ſchon ein Tor ge: 
nommen bat, wie fer behauptet 
wird — oder ob es fih „täufcht“. 
Ich wäre für Blechmarken! 

Ueber die Herrichtung des Spiel- 


393. Plan mit 7 Toren. 


feldes mit 6, 7, 8, 9 oder 10 Toren 
geben die beigefügten Pläne Auf: 
ſchluß. Ueber den Plan mit 10 To— 
ren (396) ift jedoch zu jagen, daß 
man ſich bei ung nicht das Doppel= 
tor in der Mitte, zu dem zwei Bogen 
freuzmweis übereinander geſteckt wer- 
den, entgehen läßt; man würde die 
fi gegenüberjtehenden Nr. 4 und 
Nr. 11 dazu nehmen. Darüber, 
von welcher Seite dieſer Mittel- 
bogen auf dem Hin- und Rückwege 
zu pajjieren ift, ebenſo, ob es ge— 





Nro. 770. E. Bräafın 
nügt, ihn Halb zu durchqueren ꝛc., 
muß ſich vorher geeinigt werden; 
denn im gegebenen Moment erit 
ift e8 bedeutend zu jpät! 

770. Der Gang des Spieles. 
Das amüfantefte Spiel ift das zu 
2 Parteien & 2, 3 oder 4 Spielern. 
Drei Parteien zu bilden oder jeden 
ſich jelbft zu überlafjen, beeinträd- 
tigt das Weſen des Spieles, das 
darin bejteht, nicht allein für die 
eigene Kugel, ſondern ebenjo für 





39%. Plan mit 8 Toren. 


dag Intereſſe feiner Partner zu 
forgen. Sind auf einer Seite mwe- 
niger Teilnehmer als auf der an- 
deren, jo muß ein Spieler, gemöhn- 
lich der beite, mit 2 Kugeln fpielen. 
Man loft gewöhnlich zuerft „um 
ganz gerecht zu fein”, die Kugeln 
aus, wonach fich die Parteien von 
jelbjt bilden. Sportsmäßiger ift 
e3 aber durchaus, gute und fchledhte 
Spieler gleichmäßig auf beide Seiten 
zu verteilen, dann um die Par: 
teien zu lojen, indem man blau, 








Baupdilfin. 


ſchwarz, braun und grün (aljo die 
Farben des Pflocks abmechjelnd) 
für eine, die übrigen Farben des 
Pflod3 für die zweite Partei be- 
ftimmt und zum Schluß die Kugeln 
für den Spieler jeder Partei aus: 
zulojen. Denn ein Spiel gewinnt 
bedeutend an Intereſſe, wenn ji 
die Spieler in ihren Xeiftungen 
ungefähr gleich ftehen. 

„Blau“ Hat zu beginnen und 
wird je nach der vorher getroffenen 





395. Plan mit 9 Toren. 


Vereinbarung dicht vor das erfte 
Tor oder in einem Abftand von 
ca. ®, m von demfelben nieder⸗ 
gelegt. Dft wird aud) dem erften 
Spieler, der feine andere Kugel 
zu treffen bat, gejtattet, ein- oder 
zweimal zu beginnen, bis er vor: 
teilhaft durch dag erjte Tor gegangen 
ift. Das Paffieren eined Tores 


bringt einen, da8 von zweien zwei ' 


Sreifhläge. Hat der Spieler die 


zwei Schläge vertan, ohne ein neues : 


Zor zu gewinnen, jo kommt ver 





zu. zL Ss s zu 05 


XI. 


nächſte, alfo der erfte der Gegen— 
partei an die Reihe. Diefer Spieler 


ift Schon gegen den erjten bedeutend 


im Vorteil, da er fih an deſſen 
Kugel zwei neue Schläge holen 
fann. Meiſtens wird ausbedungen, 


daß fih eine Kugel leife bewegt, 
wenn jie als getroffen gelten joll; 
ebenjo jollte fie, auch ohne daß fie 


„trodettiert“ wird, etwas von der 
Stelle rollen, wenn man fie ver— 
läßt. Doc herrihen gerade über 


Standpflock 





396. Plan mit 10 Toren. 


diefen Punkt große Meinungs: 
verjchiedenheiten: viele Spieler be- 


haupten, man jei „ab“, d. h. vom 
Schlag, wenn ſich die feindliche 
Kugel rührt, ohne frodettiert zu fein. 


Auch über das Krocdettieren jelbit 


variieren die Anfichten, das rich-⸗ 


tige „Krockettieren“ beſteht nicht da— 


rin, daß man feinen linken Fuß auf 


die eigne Kugel jegt und durch einen 


7. Rrocket. 


Nro. 770. 


Möglichkeiten endet, fondern man 
ſoll fo „Erodettieren“, daß, während 
die eigene Kugel eine neue, vorteil: 
hafte Stellung annimmt, die feind- 
lihe mit demjelben Schlag (ohne 
aufgejegten Fuß) in eine andere, 
ihr unbequeme Richtung rollt. Ob 
man eine Kugel der eigenen Partei 
überhaupt „Erodettieren” darf oder 
nicht, d. h. mit aufgejegtem Fuß, ift 
gleihfall® ein Streitpunft. „Mit: 
nehmen“, wie das eigentliche Krof- 
fettieren fälfchlich genannt wird, darf 
man fie überallfin. Denn die 
Hauptſache bleibt, die ſchwächeren 
Mitglieder der eigenen Partei zu 
unterſtützen, jo daß alle Kugeln 
möglichſt in geſchloſſener Phalanı 
‚vorrüden. Am Wendepunkt ift der 
zweite Pflod zu berühren, dann 
mit einem Freifchlag der Rückweg 
anzutreten; nach Treffen des Stabes 
‚die Kugel aufzuheben und direkt vor 
das Tor zu legen, ift nicht gejtattet. 
‚ Die Erlaubnis von Kugel zu Kugel 
‚zu gehen, ohne einen Schlag da= 
zwiſchen zu tun, muß beim Beginn 
des Spieles ebenſo gegeben wer— 
den, wie die andere: ob der Räuber 
getroffen werden darf; wenn ja, 
fragt es ſich ferner, ob man ſich 
‚an ihm einen oder zwei Schläge 
holt. Schließlich ift noch die Frage, 
ob der Hammer mit beiden Händen 
gefaßt werden darf. In England 
iſt dies Sitte — in Deutjchland 
jheitert e8 an der Behauptung, 
dat dann nur „geſchoben“ anjtatt 
gefchlagen würde. 

Borm Schlagen unterrichtet man 
fi genau über die Richtung wie 
über die Entfernung des Zieles; 
iſt e8 nah, jo kann es gleichzeitig 
mit der Kugel ins Auge gefaßt 
werden — bei größeren Entfer: 
nungen madt man ji auf der 
Linie eine Art Heiner Zwiſchen— 
ftation dur) irgend ein Merkmal, 











ftarfen Hammerſchlag gegen jie die ; auf das man den Ball zuhält. 


feindlihe an die Grenzen aller 


ud. 


„Räuber“ wird diejenige Kugel, 


Niro. 771. E. Bräfın 


die ale Tore auf dem Hin- und 
Rückwege paffiert hat, aber nicht 
an den Ausgangspflod fchlägt, um 
nun den übrigen Kugeln der Partei 
zu nüßen, den feindlichen zu ſchaden. 
Der „Räuber“ kann willtürlich über 
das Spielfeld gehen, darf die Tore 
von jeder Seite pafjieren und feind- 
liche wie eigene Kugeln Erodettieren. 
Da meiſtens der bejte Spieler dies 
Biel zuerjt erreicht, wird er ein ge- 
fürdteter Feind fein. Ihm liegt 
eö ob, den Gang feiner Partei zu 
befchleunigen, er hat auch das Nedht, 
Kugeln feiner Bartei, wenn fie das 
legte Tor pafjiert haben, „tot“ zu 
machen, indem er fie an den Pflock 
frodettiert. 

Die Partei, deren fämtliche Ku- 
geln zuerjt „tot“ find, Hat gewonnen. 

771. Die Spielregeln. Der 
Auszug der folgenden Regeln ift 
den „Krodetregeln”, autorifierte 
Ueberjegung der engliſchen Aſſo⸗ 
ziation-Regeln, Verlag A. Steidel, 
Berlin, entnommen. 


„Ein Schlag wird als ftattgefunvden ans 
genommen, wenn bie Kugel in irgend einer 
Weife mit dem Schlaghammer bewegt 
worden ift oder mwenn der Spieler die 
Kugel mit ber Abfiht ſchlägt, fie fortzus 
bewegen. Der Schlagbammer darf nur 
mitteld Drud am Griffe angetrieben 
werden und das Endftüd darf nicht mit 
der Hand geſchlagen oder mit dem Fuße 
geitoßen werden. Die Kugel darf nur von 
dem Ende des Schlaghammer-Kopfftücdes 
getroffen werden.” 

„Eine Kugel hat ihren Bogen paffiert, 
wenn fie von der Seite des Spielers den⸗ 
telben durdlaufen hat und, zum Stillftand 
gelangt, nicht von der geraden Kante eines 
Gegenitandes, die von der Geite des 
Cpielers gegen den Bogen gehalten wird, 
berührt werden fann.” 

„Eine Kugel, die von der dem Spieler 
entgegengeiegten Seite zum Teil durch ihren 
Bogen getrieben ift, darf denfelben beim 
nächſten Schlage nicht paffieren, wenn fie 
von der geraden Kante eines Gegenftandes, 
die von der dem Epieler entgegengefegten 
Seite gegen den Bogen gehalten wird, be= 
rührt werden kann.“ 

„Eine Kugel, die durch irgend einen 
Schlag (jofern er nicht falfch ift) ihren 
Bogen durchlaufen bat oder gegen ven 
Wendepflock getrieben ift, fei es von ber 
eignen oder ber gegnerifhen Seite, zählt 


Baudiffin. 


ben Punlt, ber in7 dieſer Weife gemacht 
ift. Sollte jeboh der Schlag von der 
gegnerifhen Partei ein falfcher fein, fo hat 
ber Eigentümer ber Kugel die Wahl, ben 
Punkt anzurechnen oder nit. Diefe Ent- 
fheidung muß jedoch erklärt fein, bevor 
der nächſte Schlag ftattgefunden hat.” 

„Wenn ein Punkt für die Kugel eines 
Gegners gemadt ift, jo muß der Spielenbe 
feinen Gegner hiervon unterridten. Falls 
ber Gpielende dies unterläßt, und ber 
Gegner macht benfelben Punkt noch ein- 
mal, fo kann er fein Spiel fortfegen, ala 
or er für den richtigen Punkt gefpielt 

tte. 

„Ein Räuber kann durch den Schlag eines 
beliebigen andern Räubers ausgefpielt 
werben, jofern ber Schlag nicht falſch ift, 
einerlei, ob derſelbe von feiner eigenen 
oder von gegneriiher Seite getan ift. 
Solte der vom Gegner gemadte Schlag 
ein faljyer fein, fo fol der Eigentümer ber 
Kugel die Wahl haben, den Punkt anzu= 
rechnen oder nicht.” 

„Ein Spieler darf, wenn die Reihenfolge 
an ihn fommt, jeden Bal einmal treffe, 
bevor er einen Punkt madt, und es ift 
ihm erlaubt, dies zu wiederholen nach jedem 
Puntte, den er gemadt bat, Der Spieler 


ı barf fein Spiel fortfegen, folange er einen 


Punkt macht, trifft ober Krodet rimmt.“ 

„Ein Spieler, ber eine andere Kugel ge= 
troffen hat, ift gezwungen, fie zu-’Trodet«- 
tieren, und muß bei biefer Prozedur beibe 
Kugeln merklich und fihtbar bewegen. 
Denn ſich die beiden Kugeln vor und wäh 
rend dem Akte des Krodettierens nicht 
berühren, fann der Gegner beanfpruden, 
baß der Schlag noch einmal ftattfinde. 
Während das Krodettieren ftattfindet, iſt 
bem Spielenden nicht geftattet, den Fuß 
auf die Kugel au fegen.”“ 

„Wenn ein Spieler zwei ober mehrere 
Kugeln zu gleiher Zeit trifft, jo kann er 
eine berjelben zum Krodettieren auswählen. 
Ein weiterer Treffer ift notwenbig, ehe er 


irgend eine andere Kugel frodettieren 


kann.“ 

„Wenn eine Kugel einen Bogen paſſiert 
und eine jenſeits des Reifens liegende 
Kugel trifft, ſo zählen ſowohl der Bogen 
wie auch der Treffer. Man betrachtet eine 
Kugel jenſeits des Bogens, wenn fie fo 
liegt, daß fie von einer geraden Kante 
eines Gegenftanbes, die man von ber Seite 
bes Spielers gegen den Bogen hält, nit 
berührt wird. Sollte irgend ein Teil ber 
Kugel, die getroffen worden ift, auf ber 
Spielerfeite ded Bogens liegen, fo zählt 
der Treffer, nicht aber ber Bogen.“ 

„Eine Kugel, die vom Spielgrund ges 
trieben ift, muß fofort 91 cm innerhalb 
ber Grenze wieder aufgefegt werben, und 
zwar rechtwinklig von bem Punkte ber 
Grenzlinie, wo fie ben Spielgrund verließ. 
Wenn biefer Punkt bereit3 befegt ift, fo 
ift die zulegt Hinausgetriebene Kugel in 


— — — — 


XI, 7. KRrocket. 


der Weife aufzuftellen, daß fie bie erfte 
berührt, aber keine berjelben muß weiter 
oder näher ald 91 cm von der Grenzlinie 
su liegen fommen, und der Spieler bat in 
foldem Falle nur die Wahl, die zulegt 
weggetriebene Kugel entweder auf bie 
rechte oder linte Seite ber erfteren zu plas 
jieren. Sollte e3 vorlommen, daß eine 
dritte Kugel auf derfelben Stelle hinaus 
gebt, fo muß fie fo gelegt werben, daß fie 
bie erjte berührt. Wenn ber Spieler trifft 
oder feine Kugel in Berührung mit eine 
ber andern foeben erwähnten findet, To 
ist er beredtigt, die Kugeln in beliebiger 
Drbnung zu plazieren, unter ber Bedin⸗ 
gung, daß eine von ihnen 91 cm von ber 
Grenzlinie verbleibt und die andern oder 
eine der andern fie berührt. Zum Krofs 
fettieren muß er jedoch die Kugel benugen, 
bie er getroffen bat.” 


„als die Grenze auf dem Raſen durch 

Linien marliert tft, fo betradhtet man eine 
Kugel als vom Spielplage hinweggelaufen 
fofern fie von einer geraden Schneide, bie 
auf die innere Kante der Grenzlinie ge: 
halten wird, berührt werben kann. Falls 
fi) die Grenze über die Spielflähe ers 
hebt, fo ift die Kugel ebenfalls ald vom 
Spielplat entfernt anzufehen, wenn fie bie 
Grenzlinie berührt.” 
. „®enn eine Kugel vom Spielplage ges 
trieben tft und fehrt zurüd, fo muß bie= 
felbe wieder 91 cm von dem Punlte ent- 
fernt aufgelegt werben, wo fie die Grenze 
zuerſt berührte.“ 


„Wenn der Spielende beim Krockettieren 
ſeine eigene oder die krockettierte Kugel 
vom Spielplatz hinwegtreibt, ſo verliert er 
den Reſt ſeiner Reihenfolge, es ſei denn, 
daß er mit der Kugel, die er ſpielt, einen 
Treffer macht und die krockettierte Kugel 
den Spielgrund nicht verläßt.“ 

„Wenn eine in Ruhe liegende Kugel 
verſehentlich von einem Spieler bewegt 
wird, ſo ſoll dieſelbe, ohne daß dies eine 
Strafe im Gefolge hat, wieder richtig auf⸗ 
gelegt werden; ausgenommen, wenn der 
Spieler im Schlagen oder Zielen be— 
griffen iſt.“ 

„Wenn ein Spieler einen falſchen Schlag 
macht, ſo verliert er den Reſt ſeiner Reihen⸗ 
folge, und irgend ein Punkt oder Treffer, 
der mit einem ſolchen Schlage erlangt ift, 
Ar nit. Kugeln, die mitteld eines 
alſchen Schlages fortbewegt werben, müffen 
ba liegen bleiben, wo fie zum Stillftand 
gelangen, ober können in ihre urjprüng: 
lide Lage zurüdgebradht werben, mwenn 
der Gegner dies vorzieht. Wenn mährend 
des Krockettierens ein falfcher Schlag ge: 
macht ift undzder Gegner wünſcht, daß die 
Kugeln zurüdzulegen find, fo müſſen ſich 
beide Kugeln berühren und fie müjjen die— 
felbe Stellung innehaben, wie während 
dem Alte des Krodettierengd.” 


Folgende Schläge find falſche: 


Nro. 771. 


a) Wenn der Spielende während bes 
Schlagen? oder Zielens an Stelle 
feiner eigenen Spieltugel oder neben 
derfelben noch eine zweite Kugel trifft. 

b) Eine Kugel ftoßen oder fchieben, ohne 
baß der Schall des Schlages deutlich 
börbar iſt. 

c) Eine Kugel zweimal beutlih in dem⸗ 
felben Schlage treffen. 

d) Eine Kugel berühren, von ihrem Laufe 
ablenken oder anhalten, nachdem fie 
ausgeipielt und im Rollen begriffen 
ift, einerlei, ob died vom Spielenden 
oder deſſen Parteigänger gejchieht. 

e) Wenn eine Kugel, beim Zurüdprallen 
von einem Pflod, Bogen oder einer 
andern Kugel, ven Echlaghammer oder 


einen andern beliebigen Teil des Spie- 


lenden oder ſeines Parteigenofjen be⸗ 
rührt, ausgenommen, bie Kugel be3 
Spielenden befindet fih in Hand. 

f) Eine Kugel, die unmittelbar neben 
‘einem Karbenpflod oder Bogen liegt, 
dburh Schlagen an den Pflod ober 
Bogen zum Fortbewegen veranlafien, 
ohne die Kugel felbft zu fchlagen. 

g) Eine Kugel um einen Pflod oder 
Bogen berumbrüden. 

h) Wenn nad einem Treffer ein Schlag 
gefpielt wird, ohne daß vorher Krodet 
genommen ift. 

i) Wenn e3 dem Spieler beim Krodets 
tieren nicht gelingt, beide Kugeln merk⸗ 
lich zu ſchütteln und zu bemegen. 

k) Wenn ber Spielende eıne Kugel krok⸗ 
tettiert, ohne fie vorher getroffen zu 
haben. 

1) Wenn ber Spieler beim Schlagen, ober 
während er mit dem Schlaghammer 
verjudt, einen Schlag zu tun, den 
Teil eines Bogen? aus dem Grunde 
ſchlägt. 

m) Wenn der Spieler die Kugel mit irgend 
einem anderen Teil des Schlaghammers 
al3 den Enden des Kopfftüdes trifft, 
fowie das Stoßen des Schlagham⸗ 
mers mit dem Fuße oder der Hand. 

n) Die ungehörige und unrichtige Bes 
banblungsmweife der Kugeln mit bem 
Fuße oder dem Schlaghammer.” 

„Es ift nicht geftattet, Zeichen zu machen 
ober Gegenstände auf den Boden zu legen, 
um die Stelle zu bezeichnen, nad) welder 
der Spieler die Kugel zu dirigieren wünscht.” 

„Wenn ſich die Kugel des Spielenden in 
einem Loche oder auf ſchlechtem Boden 
befindet, fo darf diefelbe mit der Beftäti- 
gung des Sciebärichterd oder ber Ein: 
willigung des Gegners davon entfernt wer⸗ 
ben. Die Kugel muß jedoch zurüdgefegt 
werben, d. 5. weiter hinweg von dem 
Gegenftand, nad) dem gerielt wird, fo daß 
fi) die Richtung des Zieles nicht ändert.” 

Ein Schiedsrichter ſoll nicht auf Fehler 
aufmertfam madhen oder feine Meinung 
bezüglich derfelben äußern, wenn nicht aus— 


Neo, 772-773. 


drüdlid darum erſucht. Die Entſcheidung 
eines Schiedsridhters bezüglich einer Frage 
über ftattgefundene Tatſachen ift endgültig, 
um jedoch eine Regulationsfrage richtig 
zu ftellen, ift er verbunden, einen bejon- 


€. Gräfin Baudilfin. 


Benn ein Schiedsrichter nicht anmwefend 
ift, fo muß die Erlaubnis eine Kugel zu 
bewegen, einen Bogen ober Yarbenpflod 
aufzuftellen oder eine ähnliche Gunſt, um 
bie der Schiedärichter erfucht worden wäre, 


deren Epielrat anzurufen, fall® einer ber 


von ber Seite bed Gegners erlangt wers 
Spieler ihn darum erjudt. 


ben. 


8. Verfchiedene Ballfpiele. 


772. Einleitung. Im Nach⸗ | Steinmauer umbegten Plag, auf 
jtehenden führen wir der Boll» dem fich abends alte und junge Män- 
ftändigfeit halber eine Auswahl | ner zu leidenfchaftlihdem Spiel zu= 
von Balle und Kugeljpielen an, | fammenfinden. In größeren Städ⸗ 
die zum Teil in Deutjchland leider | ten, wie Genua, Neapel zc., wird 





erjt nur dem Nanten nach befannt 
find und die wegen Raummangels 
nicht eingehender beiprochen werden 
fünnen. Doc ift eine Verbreitung 
der anregenden Spiele, die dem 
Aufenthalt im Freien neue Reize 
hinzufügen und ihn deshalb ver: 


jeder freie Winkel zu einer Partie 
benutt und Leute, die Muße zum 
Spielen haben, gibt es vom Morgen 
bis zum Abend genug. — Die eng- 
lichen Regeln meiden ein wenig 
von den italieniichen ab, find aber 
in Franfreih, Amerika, im allge 


lodender maden, außerdem eine | meinen aud in Deutjchland ge= 


barmlofe Annäherung beider Ge- 
ſchlechter unterftügen, jehr zu 
empfehlen; je nach dem zur Ber: 
fügung ftehenden Terrain, den 
Mitteln wie den Neigungen der 
verjchiedenen fozialen Klafjen ließe 
fi) jedenfall etwas mehr Aus— 
wahl in die Spiele im Freien 
bringen, als es bisher in Deutfch- 
land geſchieht. 

773. Boccia (Bowle). Wir 
beginnen mit dem in Deutfchland 
vielleiht no am befannteiten. 
alten, italienifhen Kugelfpiel, dem 
Boccia; der englifche Name, Bowls, 
ift bei ung wenig gebräuglid, das 
Spiel, befonder® in der Provinz 
und kleineren Städten recht beliebt, 
während es in Stalien das National: 
jpiel, befonder8 dag der unteren 
Volksſchichten, bildet. Jedes kleine 
Dorfwirtshaus dort hat vor feiner 
Tür einen feftgeftampften, von 
niedrigem KLattenzaun oder einer 


bräuchlich. 

Die Kugeln, von denen bei meh— 
reren Spielern jeder mindefteng 
zwei befiten muß, bei nur zwei 
Spielern jeder drei oder vier, 
werden aus hartem Holz; ber- 
geftelt; je fchwerer fie find, defto 
beijer, um ein genaues Zielen zu 
ermögliden. Um die Kleine Mal- 
fugel von weißer Farbe, englifch 
Jack, italieniid lecco genannt, 
wird geloft; ihr Auswerfen, Mar: 
fieren, geſchieht vom „Standmal” 
aus, einer im Sand bezeichneten 
Stelle. Der Zwei des Spieles 
ift, daß jede Partei fi bemüht, 
ihre Kugeln der Maltugel möglichft 
nahe zu bringen,. wobei es erlaubt 
ift, über die feindliden Kugeln 
hinüberzumerfen, die der eigenen 
Partei vorwärtszuftoßen, die Mal: 
fugel aus ihrer Lage zu vertreiben ꝛc. 
Sind alle Kugeln geipielt, ift alfo 
eine „Runde“ beendet, fo wird ge— 


— — — — 


XI. 8. Ballfpiele. 


zählt und gemefjen, weſſen Kugeln 
und wieviel von ihnen dem Mal 


am nächſten liegen, wer aljo die | 


Runde gewonnen hat. Gewöhnlich 
beftimmt man, daß fo und fo viel 
gewonnene Runden den endlichen 
Sieg ausmaden follen. Verſtößt 
ein Spieler gegen die Regeln, fo 
wird feine Kugel für „tot“ erklärt, 
aus dem Spiele entfernt und die 
dur fie bewegten Kugeln oder 
die Malfugel wieder an den alten 
Platz zurüdgelegt. 

774. Hurling (Schlagball). 
Hurling wird von den Irländern 
als ihr Nationalfpiel betrachtet und 
ift jedenfald dort Schon von den 
uralten Skoten gejpielt worden, 
die es mit nah Schottland hin- 





397. Burlinafpieler. 


übernahmen. Es iſt weniger ein 
Zufammenfpiel, wie 3. B. Golf 
oder Hodey, jondern hängt mehr 
von den Leiftungen des Einzelnen 
ab. Gefpielt wird es auf einem 
guten Rajenplaß, defjen volle Breite 
(ca. 75 m) nidt fo notwendig ift 
wie die Länge: 120 m; denn das 
Spiel gipfell in möglichſt langen 
Schlägen, die den Ball durch das 
feindlide Tor, meiſt über vie 





Neo. 774-775. 


jollen. Der Hurlingftod, hurley, 
bat ein flaches, ein wenig umge 
bogene® Schlagende; der Ball, 
slitter, iſt ſehr elaftiih, bat die 
Größe eine? guten Apfels und 
wird aus Leder, mit Einlagen von 
Wolle und Kork, hergeftellt. Die 
Spieler, 14—17 auf jeder Seite, 
ftehen zum Beginn des Spieles 
an der Mittellinie und drehen dem 
eigenen Tor den Rüden zu. Der 
Schiedsrichter wirft den Bal in 
den Mittelpunkt, die nächſten Spieler 
verfuchen feiner habhaft zu werden, 
die andern eilen auf ihre bejtimmten 
Plätze, die der Spielmart ihnen an- 
weiſt. Für da8 Benehmen der 
Spieler untereinander find die 
diedbezüglichen Zußballregeln maß: 
gebend, für das „Abjeit3” die Ab: 
jeitSregel: „Jeder Spieler ift ab: 
feit8, der fih zwifhen dem von 
einem Gegner gejchlagenen Ball 
und dem feindlihden Tor befindet, 
nachdem der Ball aufgehalten wurde 
oder auf dem Boden liegen ge= 
blieben iſt. Abjeitsfpieler müſſen 
hinter den Ball zurüdlaufen, wo⸗ 
mit ihre volle Spielberedhtigung 
wieder eintritt.” — Iſt das Tor 
funftgerecht gewonnen, jo zählt es 
fünf „Punkte“. Nach jedem Spiel 
wechſeln die Parteien die Seiten. 
Sieger ift, wer in der Zeit von 
2 x 35 Minuten mit 10 Minuten 
Paufe die meiften Punkte ge: 
mwonnen hat. 

775. Schleuderball. Dem Hur: 
ling ähnlich ift das Schleuderball- 
jpiel, defjen Regeln 1896 in Mün— 
hen vom techniſchen Ausschuß im 
Auftrage des Zentralausfchuffes 
zur Förderung der Volks- und 
Jugendſpiele in Deutichland feſt— 
gejegt wurden. Das Spiel gipfelt 
in der Aufgabe, den Ball, der ein 
Gewicht von ca. 2 kg hat und mit 
einem Henkel oder einer feiten 


ı Schlaufe verjehen ijt, in beliebiger 
Köpfe der Gegner hinmegtreiben | 


Höhe durch das feindlihe Tor 


Neo. 776-777. 


E. Gräfin Baudilfin. 


oder, wenn ohne Tor gefpielt wird, | Mittellinie und parallel zu ihr ge= 
hinter die feindlide Grenzlinie zu | zogen werden, bezeichnet man mit 


fchleudern und das eigene Mal 
gegen die Würfe der Gegner zu 
fhügen. Die Größe des Spiel: 
felde8 beträgt 150 m Länge zu 
830 m Breite, die Eden, die Ab- 
wurflinien wie die Tore werden 
durch Fahnen markiert. Die An 
zahl der Spieler beträgt 4—8 auf 
jever Seite. Wird der Ball auf- 
gefangen, bevor er den Boden 
berührte, fo hat der Yänger das 
Recht, von der Stelle aus, wo er 
den Ball auffing, mit dem Ball in 
der Hand zwei Sprungjdritte mit 
anfchließendem Spreizfprung vor⸗ 
wärts auszuführen. 
Die Stelle, mwelde 
er mit dieſem Sprun= 
ge, dem jogenannten 
deutfchen Dreifprung 
erreicht, ift die Ab⸗ 
wurfitelle. Sonft 


von der Stelle zu⸗ 
rüdgefchleudert, wo 
er zur Rube Fam, 
nit, wo er zuerft 
den Boden berührte. 

776. . Raffball. 
Ein ſpezifiſch deut- 
ſches, in England 
gar nicht befanntes 
Spiel ift das Raff⸗ 
ballipiel, das auf 
einem ebenen Platz 
von 200 m Länge 
und 20 m Breite 
mit einem runden 
Leder⸗ oder Filzball 
von 10 cm Durch⸗ 
meſſer betrieben 
wird. Jede Partie 
hat am beſten ſieben 
Spieler; die Ecken 
des Spielfeldes, die 
en fowie die 
eiden Abwurflinien, 
die 10 m von der 





398. Auf: 
ftellung der 
Spieler zum 

Raffballipiel. 


wird der Ball ſtets 


| gleiche Hälften. 


Fahnen. Die Spieler werden ein= 
geteilt in Angreifer, Mitteljpieler, 
Berteidiger und Torwart; Der 
Spielfaifer adtet darauf, daß 
jeder Spieler feinen Platz innehält. 

Sede Partei bat die Aufgabe, 
den Bal binter die feindliche 
Grenze zu jhaffen und das eigene 
Mal gegen die Angriffe der Gegen= 
partei zu ſchützen. Sie gewinnt 
einen „Gang“, wenn es ihr gelingt, 
den Bal über die feindliche Grenz- 
linie zu werfen, fodaß er im 


$eindliden Mal den Boden berührt, 


mag er die Grenze in der Luft 
oder auf dem Boden überſchreiten. 
Die Hauptregel ded Spiels 
lautet: Wer den Bal faßt, muß 
ihn fofort weiterjenden; ferner: 
Die Gegner dürfen den Ballträger 
nur dadurhd am Werfen hindern, 
daß fie ihn von Hinten um den 
Rumpf faflen. Der Sieg in einem 
Spiele gehört derjenigen Partei, 
die zuerft drei Gänge geminnt. 
777. Fauftball. Das Fauftball- 
fpiel, ebenfalls fpezififh deutſch, 
wurde von ©. 9. Weber in 
Münden erfunden und feine Re— 
geln 1902 in Köln feitgejegt. Es 
verlangt einen fehr ebenen Spiel: 
plat, von Kied oder feinem Rafen 
bevedt, da bei unebenem Boden 
der Winkel, unter welchem der 
Bal aufjpringt, nicht berechnet 
werden Tann. Die Länge des 
Plates fol 40 m, die Breite 20 m 
betragen. Dur eine 2 m hoch 
über dem Boden gejpannte hell- 
farbige Leine, die von zwei Pfählen 
gehalten wird, wie auch durch die 
am Boden bezeichnete Mittellinie, 
teilt fih das Spielfeld in zwei 
Die Auffitellung 
der Spieler iſt verſchieden; die 
Abb. (Bild 399) geben davon zwei 
Beiſpiele. Der Fauftball ift ein 
großer Hohlball von 20—23 cm. 


— — — — — — — — — — 


} 


XI. 8. Ballfpiele. 


durchmeſſer, den fi die Parteien 
iber die Leine fortzufchlagen, um 
hn im gegnerifhen Mal landen zu 
aſſen. Man ſchlägt aber nicht mit 


yer Fauſt, fondern mit dem Unter⸗ 
arm. Die Zahl der Spieler auf 
jeder Seite fol nicht über fünf 





und nicht unter vier betragen. 
Der Ball ift „tot“, wenn er 3.8. 
im ganzen mehr al3 dreimal auf 
einer Seite des Spielfeldes den 
Boden berührt; wenn er zmei- 
mal vom felben Spieler berührt 
wird; wenn er mit der Fauſt ge- 
ftoßen, ftatt gefihlagen wird; wenn 
ee von obenher gefchlagen wird; 
wenn der Spieler beim Schlagen 
die Fauft öffnet oder den Daumen 
ſpreizt ꝛc. Ein Wettfpiel dauert 
2 x 15 Minuten; in der Pauſe 
wechjeln die Parteien die Plätze. 
Jeder vorſchriftsmäßig gejchlagene 
Ball zählt einen Punkt; Fehler 
einer Partei werden der andern 
gutgeihrieben. Die meiften Buntte 
in der vorgefchriebenen Zeit er- 
geben den Sieg. 

778. Kaiſerball. Ein allgemein 
befanntes deutſches Spiel — eins 


Nro. 778. 


der wenigen, das troß feiner Aehns 
lihfeit mit englifhen Spielen 
deutſchen Urfprungs fein dürfte — 
ift der Kaiferbal. Zu ihm find 
zwei Parteien zu je neun Spielern 
nötig, von denen die eine die Ver⸗ 
teidigung, die andere den Angriff 
übernimmt; zwei Verteidigungen 
jeder Partei machen ein Wettfpiel 
aus. Gefpielt wird mit einem 
mit Werg gefüllten Lederball von 
ca. 23 cm Umfang und ca. 120 g 
Gewicht und einer Keule von 75 cm 
Zänge, die mit einem von Leber 
ummundenen Handgriff verjehen ift. 
Mit diefer Keule verſucht der im 
„Schlagfeld“ ftehende Schläger den 
vom „Werfer“ eingefchentten Ball 
möglichft weit zurüdzufchlagen, da- 
mit er Zeit gewinnt, zum erften, 
vieleiht auch noch zum zweiten 


o 
Mıttet Feldmann 


0 
Linker Fridmann Rechter Feldinann 





400. Aufſtellung der Spieler zu Kaiferball. 
A Schlagmal, S Schläger, Schlügerfeld, 
F Sanger, W Werfer, Wurfmal. 


oder dritten Mal oder fogar zum 
Ausgangspunkt zurüdzulaufen, ehe 
der Gegner fi des Balles be— 
mädtigen fann; er darf dann den 
Ball noch einmal zurüdichlagen und 
jede8 von ihm eroberte Mal gilt 
als ein „Punkt“. an der 


Nro. 779-781. 


Schläger glücklich zum Schlagfeld 
zurüd, fo hat er einen „Lauf“ ges 
monnen, der beim endlichen Zus 
fammenzählen mit ſechs „Punkten“ 
berechnet wird. In diefen „Läufen“ 
von Mal zu Mal liegt die innere 
Verwandtſchaft des Kaiferballd mit 
Bajeball und Rounderd. Die Auf: 
ftelung der Spieler zeigt der Plan; 
das Duadrat wird auf einem Spiel- 
play von 120 zu 80 m Größe mit 
Kreide aufgezeichnet, auch die vier 
Eden quadratiſch abgeteilt und 
neben den beiden „Schlägerfeldern“ 
noch ein Dreieck für den Fänger 
angelegt, der den Ball mit den 
Händen auffangen darf. Fehler 
werdender Gegenpartei als, Punkte“ 
gutgefchrieben. 

779. Dentfhball. Sehr ver: 
breitet in ganz Deutjchland, be⸗ 
fonders im Süden, ift diejes ein- 
fahe Spiel. Es bedingt feine be— 
ftimmte Fläche — jeder freie Platz 
genügt — noch eine bejchränfte 
Spielerzahl. Nur müfjen auf bei- 


den Seiten gleich viele Teilnehmer | ®egenpartei an die Reihe. 


fein. Der ziemlich harte Lederball 
wird mit hölzerner Keule in die 
Luft gefchlagen, möglichjt hoch und 
weit fort, damit ed dem Schläger, 
ehe der Feind den Ball auffängt, 
gelingt, das Mal zu erreichen; 
wird der Ball jedody vorher auf: 
gefangen, oder der Laufende von 
ihm getroffen, fo bat die feindliche 
PBartei einen „Punkt“ gewonnen. 
Sechs Punkte gewähren den Sieg. 

780. Puſhball (Schiebeball). 
Das Pufhballfpiel ift eine ameri- 
fanifche Erfindung, wird jet auch 
in England, im übrigen Europa 
aber noch wenig gejpielt. Die un: 
geheuren Dimenjionen des Balles 
— er wiegt 50 engliſche Pfund, 
hat eine Höhe von 1,80 m und 
foftet 450—500 Mark — Stempeln 
ihn in jeder Hinficht recht zu einem 
Vergnügen für dad Land der un 
begrenzten Möglichkeiten, in dem 


| 


| 





| 
| 








E. Graͤfin Baudilfin. 


man das Groteske liebt. Neben 
dem Rieſenball, der nur von drei 
Mann gehoben werden kann, ſehen 
die Spieler, die ihn mit den 
Schultern oder mit dem Rüden auf: 
fangen und weitergeben, nämlich 
lächerlich Hein aus. Als Spielfeld 
dient der Fußballplatz, acht Mann 
Ipielen auf jeder Seite. Die Beit- 
dauer jedes MWettjpield beträgt 
4 X 10 Minuten, mit einer Baufe 
von drei Minuten zwiſchen jedem 
Abſchnitt. Gezählt wird nach zwei 
Methoden: entweder den Ball über 
die goal-line bringen = 2 Punkten, 
oder ihn über die goal-line und 
zwifchen die Torpfoften bringen — 
3 Punkten. Der Ball ift „im 
Spiel”, wenn beide Parteien ihn 
berühren. Hat die den Abftof 
ausführende Partei (team in pos- 
session) den Bal zehn Yards oder 
mehr in drei „pushes“ vorwärts 
gebracht, jo darf fie weitere drei 
„pushes* maden; ift ihr dies je- 
doch nicht gelungen, jo fommt die 
Der 
Abſtoß kann auf dreierlei Art er- 
folgen: dur) ein Gedränge (scrim- 
mage), dur das Hochwerfen des 
Balles oder dur „flying forma- 


— 


tion“, d. h. durch das Anrennen 


des liegenden Balles aus einer 
Entfernung von 15 Yards. Die 
legtere Weiſe ift bei drei aufein- 
anderfolgenden pushes jedoch nur 
einmal geftattet. „Fouls“ werben 
für unnötige Roheit berechnet und 
haben den Verluft von 10 Yards 
zur Folge. 

781. Bafeball (Malbal). Auch 
diejes Spiel ift amerifanifchen Ur: 
jprung® und erfreut fi drüben, 
beſonders in den Vereinigten Staa⸗ 
ten, einer jo allgemeinen Beliebt- 
heit und Teilnahme, mie jonft nur 
noch das Rugby. Daher Hat es 
leider auch, wie in England einige 
Sports, unzählige Berufsfpieler ges 
zeitigt. Das Spielfeld, am liebiten 


} 


| 


XI. 8. Balllpiele. 


ein NRafenplag, muß ca. 150 qm 
groß fein und in feiner Mitte ein 
mit Kreideftrihen gezogenes Biered 
aufmweifen, defjen Eden marliert 
find und „base“ oder Standmal 
heißen. Die beiden Parteien (teams) 
beftehen aus je neun Mann. Der 


Wirel Fridmann 
® 


Linker Fridmanı — Fridmann 
® 


Maibspieler 
® 





401. Aufitellung der Spieler zu Bafeball. 


Hergang des Spieles ift ziemlich 
tompliziert; der Werfer, pitcher, 
fhleudert den Ball aus der Mitte 
des Vierecks über den Schläger, 
batter, der feindlichen Partei fort, 
dem eignen Sänger, catcher, zu, 
der den Bau ſchleunigſt dem erjten 
Malman (first baseman) zumerfen 
muß, ehe es dem Schläger gelingt, 
bis zur erſten base zu laufen. Hat 
der Schläger jedoch den Ball zurüd- 
ihlagen können, nimmt er alſo an, 
e3 dauere eine Weile, ehe die Geg— 
ner fih des Balles bemädhtigen 
werden, jo verjucht er, auch base 
2 und 3, oder fogar die „home 
base“ wieder zu erreichen, wodurch 
er einen „run“ gemadt hat, der 
feiner Mannſchaft mit einen Punkt 
angerechnet wird. Wird er aber 
während des Laufe? von einem 
Gegner, der den Ball hält, mit 








Nro. 782. 


diefem berührt, oder fängt der 
Bajeman den Ball auf, ehe er die 
base erreicht bat, fo ift er „out“ 
und ein anderer Schläger tritt an 
feine Stelle. Sind drei Schläger 
„aus“, jo wechſeln die Parteien. 
Gefiegt hat, wer bei neun Wechjeln 
(innings) die meiften Läufe „runs“ 
erzielte; neun Wechjel machen ein 
„game“ aus. — Die Bajeballfeule 





402. Bafeball:Keule. 


befteht aus elaftifchem Holz, ift rund 
und 1,10 m lang; der Ball, defjen 
Umfang 23 cm beträgt, ift aus 
Leder, mit Werg und Kork gefüllt. 
Der Fänger muß das Gefiht mit 
einer Maske, die Hände mit Hand: 
ſchuhen ſchützen. Den Ball richtig 
zu werfen, ift eine große Kunit; 
denn er muß die base, die nur 
30 cm mißt, freuzen und zwar in 
einer bejtimmten Höhe — zwiſchen 
Schulter und Knie des Bafeman; 
ferner muß der Schläger über die 
Art, wie der Ball geworfen wird, 
im Zweifel fein und von ihm über: 
rajcht werden, während wiederum 
der Fänger genau wiſſen foll, wie 
und wo der Ball eintrifft. Cha: 
rafteriftifih für das Bafeballipiel 
find aud die drei Feldmänner, 
out-fielders, deren Aufgabe es ijt, 
den Ball wieder ins Ziel zurüd- 
zufchleudern und ihn ebenſo ficher 
aus weiter Entfernung fangen zu 
fönnen. 

782. Damen: Bafeball, (Damen- 
Malball.) Das Spiel ift im Prinzip 
den echten Bafebal jehr ähnlich, 
nur find die Bedingungen etwas 
erleichtert worden ; ftatt der vier 
Ziele gibt ed nur drei, die durch 
Pflöcke, die einen mit Netzwerk 
verjehenen Rahmen tragen, markiert 
werden. Auch die Keule weiſt eine 


Niro. 783. 


veränderte Form auf, fie gleicht 
‚mehr einem hölzernen Tennisfchlä- 
ger; als Ball wird auch meiſtens 
ein Tennisball benugt. Die an 
drei Standmalen (bases) aufgejtells 
ten Schlägerinnen werden mit Keu- 
len ausgerüftet, ihr Ziel ift es 
ebenfalls, möglihft viel Läufe 





403. Keule für Damen-Baſeball. 


„runs“ zu machen. Die Anzahl 
der Spieler ift beliebig; drei auf 
jeder Seite ift allerdings das min- 
deite. Die Netzſcheibe an den Malen 
dient dazu, den Ball „aus“ zu 
machen, die Aufgabe des oder der 
Fängerin. Der Wechſel der Par: 
teien tritt ein, wenn die Hälfte 
der Spieler der verteidigenden Seite 
„aus“ iſt; zwei X zwei Berteidi- 
gungen (innings) ergeben ein Wett- 
jpiel (game). Bon den Stand- 
malen wird gewöhnlich eins als 
„Wurfmal“ bezeichnet und von die- 
ſem aus geworfen; ift dies nicht 
ausgemadt, jo Tann der Werfer 
den Ball Hindirigieren, wohin er 
will. Gemwonnen bat diejenige 
Partei, die im ganzen am meiften 
Läufe erzielte. — Das Spiel, in 
den achtziger Jahren von einem 
Pr. Hill in England erfunden, 
ift allgemein an den englifchen 
Mädchenſchulen eingeführt und gibt 
vorzüglihe Gelegenheit zur Ent 
widlung körperlicher Gewandtheit 
und Geiſtesgegenwart, erfordert 
nebenbei auch keine geringe Ge— 
ſchicklichkeit. Es wäre außerordent- 
lich wünſchenswert, wenn auch 
deutſche Pädagogen die Vorzüge 
des Spieles anerkennen und für 
feine Verbreitung an Schulen und 
Zehranftalten forgen würden. 


€. Gräfin Baudilfin. 


783. Bounders. (Rundball.) 
Man könnte Rounders, ein alt- 
engliihes Spiel, das vereinfachte 
Bajeball nennen, für das le&tere, 
fomplizierte Spiel ift es darum 
eine gute Vorübung. Statt des 
Viered3 legt man auf dem Rafen= 
plag ein FZünfed an, dag „Wurf⸗ 
mal” in der Mitte, dad „Schlag- 
mal“ ihm gegenüber, dievier Stand: 





404. Spielfeld und Aufitellung der Spieler 
bei Rounders. 
I = Schlagmal. II—V = Standmale. 
W = Werfer. I—9 = Angreifer. 


male (bases) an den übrigen Eden. 
Wie beim Bafeball werden die 
bases dur weiße Platten, Kleine 
Matten oder vdergleihen genau 
markiert. Die Entfernung von einem 
Mal zum andern beträgt ca. 20 m. 
Die Barteien (teams) beftehen aus 
je 5—15 Spielern; dur) das Los 
wird bejtimmt, welche Partei zuerft 
dag „Schlagmal” bejegen darf. Es 
ift nur eine Keule, gewöhnlich ein 
Kridetichläger, nötig, die immer 
am Schlagmal vom nächſten Schlä- 
ger übernommen wird; als Ball 
dient gleihfald ein Kridetball. 
Nachdem der Schläger den Ball 


XI. 8. Ballfpiele. 


möglicäft weit zurüdgefchlagen hat, 
verjudht er, das nächſte Standmal 
oder noch meitere zu erreichen; 
unterwegs Tann er „aus“ gemacht 
werden durch den Gegner, der den 
Bal hält — ebenjo ift er „aus“, 
wenn er dreimal den eingejchenften 
Ball verfehlt, oder erft an die base 
gelangt, wenn der Ball ſchon ein- 
gefangen wurde. Hat der Schläger 
das Schlagmal verlafjen, jo rüdt 
der nädfte an feine Stelle; - der 
legte kann bei Erreichung eines 
Standmalg, „drei Schläge für einen 
Aundlauf”, three hits for a roun- 
der, verlangen; er muß es dann 
ermöglichen, während ded Zurüd- 
ſchlagens eines der drei eingejchent- 
ten Bälle, glüdlih rundherum an 
ale Standmale zu laufen; im Falle 
ihm dies gelingt, darf feine Partei 
auch beim nächften Spiel das Schlag: 
mal zuerit beſetzen. Gezählt wird 
— wie bei Baſeball nach „Läu⸗ 
fen“. 
784. La Crosse. La Crosse 
ift das Nationalfpiel der fanadifchen 
Indianer,deren verjchiedeneStämme 
noch heutzutage die Meifterfchaft 
gegeneinander ausfpielen. Belannt 
wurde dad Spiel in Europa durch 
die Beichreibung franzöſiſcher Mif- 
fionare, während allerdings erft 
wieder die Engländer die erften 
waren — und es heutzutage auch 
leider immer noch find — die das 


Niro. 784. 


als feindliches vis & vis ihn abfangen 
öchte 


3 
©: 


Die Tore, durch die der Ball ge- 
trieben werden foll, befinden ſich 
auf den beiden Schmalfeiten des 
Spielplates, deſſen Raum 100 bis 
150 m beträgt und deſſen vier 
Eden durd Fahnen bezeichnet wer: 
den. Zum Auffangen des Balles 
wird zwifhen den Torpfojten ein 
Netz aufgehängt. Die Anzahl der 


O6 
©, 


405. Aufitellung der Spieler zu La Crosse. 
1. Torwächter, 2. Poſten, 3. Dedpojten, 


Spiel in ihrem Lande einführten. | 4. Mittelfpieler, 5. Tinker Verteidiger, 6. 


1875 fanden die erften Wettlämpfe 
zwifchen England und Schottland 
ftatt, denen almähli die Grün: 
dung verſchiedener La Orosse-Klubs 


Rechter Derteidiger, 7. Sentrumsjpieler, 

8. Rechter Feldmann, 9. Linker Seldnann, 

10. Dritter Ungreifer, IA. Zweiter Angreifer, 
12. Erſter Angreifer. 


in Irland und England folgten. | Spieler beträgt zwölf auf jeder 
La Orosse ift fein Mannfchaftsjpiel | Seite; ihre Aufftellung ift auß dent 
wie 3. B. Hodey oder Fußball; es | beigefügten Plan erfihtlih. Das 
beanſprucht allerdings gleichfall® | Verdienft, die LaCrosse-Keule tadel= 


zwei Barteien, von diejen fpielen 
zurzeit aber immer nur zwei Spieler 
gegeneinander: Einer, der den Ball 
mit einer Wurfleule einem Partner 
zuzumwerfen jucht, ein Zweiter, der 


(08 herſtellen zu können, beanfpru= 
chen auch heutzutage noch die In— 
dianer — das Geheimnis ihrer 
Zufammenjegung wird von jedem 
Stamme ängſtlich behütet. Die 


Nro. 785. 


E. Gräfin Baupdiflin. 


Länge der Keule richtet fich nach macht, vollzogen wird (durch kurzen 
der Größe des Spielers, die Wurf: | Drud mit flach gehaltener Keule) 


fläche darf nicht breiter als 30 cm 
fein; dag Net ift jo eng, daß der 
Ball, der ca. 20 cm Umfang beſitzt, 
nicht dur) die Mafchen geht. Zu 





406. Wurffeule zu La Crosse 


jowie das Aufnehmen de3 Balles 
im Lauf, wozu man mit beiden 
Händen gleich geſchickt fein jo. 
Bein Werfen unterfcheidet man, je 
nad) der Haltung der Keule, den 
Wurf unterm und den Wurf überm 
Gürtel. Als Hauptkunft des ganzen 
Spieles gilt aber das Fangen des 
Balled; denn der Ball muß immer 


‚auf die breitejte Stelle des Netz— 


jedem Spiel find zwei Richter nötig, 
die mit den Spielmarten verhan— 
deln. Der Tormädter darf den 
Ball nicht mit der Hand werfen, 
muß ſtets die Keule halten, kann 
dagegen den Ball jonjt auf jede 
Weiſe, durch Treten, Stoßen ıc. 
zurückſchlagen. Von den übrigen | 
Spielern darf der Ball weder mit 
Fuß oder Bein noch mit der Hand 











407. Das Fiehen. 


berührt oder gefchlagen werden; 


ebenjo ftreng find die Regeln über |f 


das Feithalten der Keule eines 
Gegners. Beim angeordneten Ge- 
dränge, scrimmage, wendet jeder 
Spieler die rechte Schulter dem 
feindlichen Tor zu, legt den Rüden 
feiner Keule feſt gegen den Ball, 
übt, jobald der Pfiff zum Be: 
ainn gegeben wird, einen Furzen 
Drud auf den Ball aus, und zieht 
die Keule ſchnell zurüf, um den 
Bal dabei auf das Net heraufzus | 
bringen. Ebenſo viel Hebung ver- 
langt das Aufnehmen des am Boden | 
liegenden Balles, das auf ähnliche 
Meife, wie man es beim Tennis | 








werks treffen und vom Fänger jo 
dirigiert werden, daß er auf dem 
Ne entlang läuft und fih im 
Dreieck, zwifchen Hals und Griff, 
fejtflemmt. Auch das Halten des 
Balles auf der Keule während des 
Laufens ift Schwierig und wird nur 
durch andauerndes Trainieren ge= 
lernt ; der Ball muß eventuell dabei 
„gepaßt“ oder „gebribbelt” werden. 
Das Ziel, den Ball bei allen Käm— 
pfen möglichjt dem Tor zu nähern, 
darf man nie aus dem Auge ver- 
lieren; die Feinheit des La Crosse 
liegt darin, daß trogdem die Spieler 
immer wieder ihre zu Beginn des 
Spieles bejtimmten Plätze einneh= 
men. Bor den Fußballipielen hat 
La Crosse außerdem voraus, daß 
es auch die Armmuskeln gut aus: 
bildet, jedenfall® gehört es zu den 
Ihönften und gejündeften Rajen= 
pielen. 

785. Ball-Goal, Ein in Deutſch⸗ 
land ebenfalls noch faſt unbekanntes 
Rafenjpiel ift Ball-Goal, ein eng— 
liſches Wurfballipiel, deſſen Ten- 
denz ebenfall$ darin liegt, den Ball 
ins feindlihe Tor zu treiben; und 


‚zwar gefchieht die mit einer eigen= 


artigen, mit einer Deje verjehenen 


Keule, die ven Ball nicht durchlaſſen 
darf; als Ball wird ein Afjoziation- 


— — 


408. Wurfkeule zu Ball-Goal. 


( 
Hoa. 


XI, 9. Laufſpvprt. Nro. 786. 


Fußball benugt. Die Einteilung | mit dem Ball darf nur mit der 
des Spielfeldes, dejjen Länge ca. | Keule gejchehen, jedes jonftige Be— 
110 m zu ca. 75 m Breite betragen rühren iſt ver— 
boten. Die Spiel- 
dauer beträgt 
2x 35 Minuten 
mit einer Pauſe 
von 10 Minuten 
dazmwilchen; wer 
den Ball in diejer 
Zeit am häufig: 
ften durch das 
feindlide Tor 
Ichlägt, iftSieger. 
Wie bein Hodey 
wird von der 
Mitte nad) einem 


410. Der Wurf des Flügel gejpielt, 


Thorlinie 75m 





— 
8 
I 


Balles über den bis der Ball dicht 
Kopf. ang feindliche Tor 
gelangt iſt; der 
letzte Angriff wird dann wieder von 
der Mitte aus unternommen. Zum 
guten Spielen iſt es nötig, die 
Wurfkeule mit beiden Händen zu 
gebrauchen, auch das Werfen des 
ſoll, iſt aus dem beigefügten Plan Balles, das Schwierigſte beim Ball— 
erkenntlich. Die beiden Parteien | Goal, wird mit beiden Händen aus— 
beftehen aus je Stürmern, 3 Mark: | geführt. Ein befonderer Tri ift 
männern, 2 Malmännern, 1 Tor: | das Werfen des Balles über ven 
wächter und einem aus den Spielern | Kopf, um den Gegner zu „bluf- 
erwählten Spielmwart. Das Spielen | fen“. 





409. Grundriß des Spielfeldes. 


9. Lauffport. 


786. Den Engländern ift e8 vor= | zum jportSmäßigen, mit Wettkäm— 
behalten gewejen, dag Laufen und pfen zum verbundenen Gehen wie 
Gehen, die natürlichen Bewegungen | Laufen — eines tüchtigen Trai: 
des Menjhen, mit denen höchſtens nings, das in größeren Städten 
Kinder einfache Spiele verbanden, | Deutjchlands, bejonders in Berlin, 
zu ernithaftem Sport auszubilden; | durch regelvechte Vereine unterftüßt 
jevenfall3 ein gejunder und billiger | und gepflegt wird. Das jogenannte 
Sport, den jedermann, der über Croß-Country-Laufen (für 
ein gutes Herz und kräftige Lungen | das ſich doch wohl ein deutſches 
verfügt, auszuüben imftande ift. Wort: Querfeldein-Laufen finden 
Natürlich bedarf e3 zu beidem — | ließe) bildet 3. B. in jedem- Früh: 











Nro. 786. 


jahr die erfte Veranftaltung des 
Verbandes Berliner Athletik⸗Ver⸗ 
eine. Dies Duerfeldein-Taufen be- 
greift, wie der Name jagt, das 
Laufen über freied Gelände mit 
möglihft natürlichen Hinderniffen. 
Am Frühlingslaufen 1909 beteilig- 
ten fih 74 Mannſchaften mit 600 
Läufern — wahrlich ein erfreuliches 
Zeichen, welchen Anklang diefer ge⸗ 
junde Sport gefunden hat! — Die 
Kleidung fei möglichft einfah und 
bequem, Bedingung ift, daß den 
Läufern Gelegenheit geboten wird, 
ſich jofort nach beendetem Wettlauf, 
in geſchützten Räumen auszuruben, 
waſchen oder baden und umlleis 
den zu können. Al Sieg gilt, 
wenn eine Mannſchaft geichlojjen 
oder in beftimmter Anzahl das Ziel 
paſſiert. (S. Bild 411.) 

Weitere fompliziertere Variatio- 
nen des Laufen? find dag Hür- 
dvenlaufen, das auf künſtlichen 
Bahnen von ca. 120 m Länge 
ftattfindet; das Stafetten- 
laufen, das den Ablauf der 
Mannſchaft in verfchiedenen Abtei- 
lungen (Stafetten) bedingt und bei 
dem eine Stafette erft jtarten darf, 
wenn fie eine Fahne oder dergl. 
übernommen hat, die fie am näd): 
ften Ziel weitergeben muß; ferner 
das Laufen über furzge Streden 
(100—200 m), über mittlere 
Stredfen (500-1500 m) und 
das über lange, d. h. über mehr 
a3 1500 m:Streden. Die 
Hauptfunft des Stredenlaufen? be: 
jteht darin, richtig mit feinen Kräf— 
ten hauszuhalten, aljo je nach der 
Länge des zurüdzulegenden Weges 
und den eigenen Fähigkeiten — 
Schnelligkeit oder Ausdauer — 
da8 Tempo einzurichten. 

ALS Diftanzen des Mettlaufeng 
haben die Wettlampfbeitimmungen 
der deutjchen Sportbehörde für 
Athletit angegeben: 

„Weber andere ala nachfolgende 


€. Gräfin Baubiffin. 


Streden und Zeitabſchnitte darf 
nicht gelaufen werben: 50, 100, 
150, 200, 800, 400, 500, 800, 
1000, 1500, 2000, 3000 m u. |. f. 
in Abftänden von 1000 m, außer- 
dem noch über 7500 m und über 
eine und zwei Stunden.” 

„Für Stafettenlaufen: 400 m 
(4 Mann), 500 m (5 Mann) 600 m 
(3 Mann), 1000 m (10 Dann), 
3000 m (3 Mann).” 

Beim Gehſport lauten die 
Hauptparagraphen derjelben Sports 
behörde: 

„Beim Wettgehen muß immer 
der Hacken des einen Fußes den 
Boden berühren, ſo lange noch die 
Spitze des rückwärtigen Fußes 
darauf ruht. Beide Beine müſſen 
im Knie geftredt jein;“ und: „Ber- 
jtöße gegen regelrechtes Gehen wer= 
den mit Ausfchluß von der Preis- 
bewerbung beitraft ; dem Ausſchlufſe 
A einmalige Verwarnung voran= 
eben.” 

Die Weltrelords im Gehen haben 
bisher Engländer und Amerilaner 
erreicht, und es ift leider vorläufig 
nicht anzunehmen, daß, troß tüch- 
tiger Leiftungen in der letzten Beit, 
die Deutichen die Ausländer über- 
flügeln werden. 

Ein echtes deutſches Lauffpiel 
ift ver Barlauf, deflen Urfprung 
von Gelehrten allerdings auf die 
franzöfifhen Spiele „aux barres“ 
zurüdgeführtt wird. Doch nahm 
Jahn es bereits in feiner „Deut- 
ſchen Turnkunſt“ (1816) auf und 
legte ihm ſieben Regeln zugrunde. 
Als Wettlampf wird Barlauf vor- 
läufig nur in Berlin und feinen 
Bororten gefpiet — im übrigen 
Deutſchland gilt es noch als ein- 
faches Unterhaltungsfpiel. | 

Die Regeln find vom techniſchen 
Ausschuß im Auftrage des Zentral: 
ausfchufle® zur Förderung der 
Volks⸗ und Zugendipiele in Deutfch- 
land herausgegeben worden. Sie 


XI. 9. Tauffporf. Nro. 786. 


beftimmen eine Spielerzahl von | Wird ein zweiter Gefangener der- 
12—15 bei jeder Partei; gewonnen ſelben Partei gemacht, jo darf der 
Hat die Partei, die 3 Gefangene erjte zu jeinen Freunden zurück— 
gemadt bat, die nicht wieder be- kehren; wird der dritte gejchlagen, 
freit worden find. Der Spielpla ohne daß auch der zweite erlöft 
wird durch in den Sand gezogene worden wäre, jo iſt das Spiel ent- 
Marken in „Mal-“ und „Spielfeld“ schieden. Der Schlag zum Ge: 
eingeteilt; von jeder Vartei laufen | fangennehmen oder Erlöfen ift nur 
Spieler aus, verfuchen einen Part- mit dem Ruf „Halt“ oder „Erlöft“ 
ner der Gegenpartei, der früher | gültig. 

als fie das „Mal“ verlaflen hat, Für Wettipiele find alle Dieje 
durch einen Schlag zum Gefangenen Regeln jelbftverjtändlich bedeutend 
zu maden; fi) dagegen in acht verſchärft. Es wird dann nad 
zu nehmen, nicht jelbjt gefangen zu | „Punkten“ gezählt und als jolche 
werden. Der Gefangene wird am gelten: Gefangennahme, Befreiung 
Mal der feindlihen Partei an | und Spiel. Den Ausſchlag gibt 
einem bejtimmten Punkt aufgeftelt aber nicht die Zahl der Punkte, 
und muß durch die Berührung  fondern die Differenz zwiſchen den 
eines Bartners, ehe diejer jelbft eigenen und den Punkten des 
gefhlagen wird, erlöjt werden. | Gegners. 





411. Croß-Country-Saufen im Grunewald (Uus „Die Woche”). 


Nro. 786. 


&. Gräfin Baudiffin. 


Verzeichnis der englifchen und deutfchen Husdrücke 
| zu den $port- und Ralenfpielen. 


Zu ı. Polo. 


Centre-rush — Mittelftiirmer. 
to drive — bribbeln, treiben. 
goal — Tor. 

goal-keeper — Torwädhter. 
goal-post — Torpfoften. 
gymkhana — indiſche Reiterfpiele. 
band — engl. Maß. 

inch — Zoll. 

match — Spiel. 

referee — Schiedsrichter. 
rush — Stürmer. 

team — Partei, Mannicaft. 


Zu 2. Gelf. 
adressing the ball — Richten bed Balls 
zum Abſchlag. 


mr — Kupferbeſchlag, auch Keule mit 
eſchlag 
bulger — Holzkeule mit konvexer Schlag⸗ 


fläche. 

bunker — Hindernis, Sandwall. 

bye — Male, die nad Ende bed Matches 
übrig geblieben find. 

caddie — Köcherträger. 

captain — Erfter des Golffpiel3. 

carry — Weg, den der Ball zurüdlegt. 
(long-carry — short-carry). 


„C. B.“ = Colonel Bogey, nad deſſen 


Tabellen man rechnet. 

cleeks — Spielfeule. 

elub — Keule. 

course — Spielfeld zwiſchen den putting 

greens. 

eutter — Lochbohrer. 

dead — tot, den Ball dem Loch auf einen 
Schlag nahe bringen. 

divot — herausgeſchlagenes Stück Raſen. 

dormi — bezeichnet, wenn eine Partei der 
andern um ebenſoviel Löcher voraus iſt, 
als noch zu ſpielen ſind. 

to draw, to hook, to screw — fehlge⸗ 
fhlagen nad) Lints, 

driver — Treiberteule. 

driving-iron — Treibereifenfeule. 

face — Schlagfläche, Geficht. 

fore! — Achtung! 

foursome — ettjpiel mit zwei Epielern 
in jeder Partei. 

full drive — Treibichlag. 

to give odds — Vorgaben geben. 

glove — Handſchuh. 

golf-link — Golfplaß. 

green — Raſenplatz. 

green, f. course. 

green-keeper — Gärtner für den Spielplag. 

grip — Griff. 

gutty — Quttaperdaball. 

half-one — Vorgabe eines Schlages bei 
jedem zweiten Loch. 


half-shot — Halbſchlag 

wrist-shot — —B* oder Gelenkſchlag. 

hazard — Hindernis! 

high-loftingstroke — Schlag in die Luft. 

yerk-stroke — re 

holes — Male, 

holing out — Einfolagen ind Loch. 

bonoar — —— erfter Abſchlag. 

hose — Schaft, Stiel. 

out — von den Malen zur Spielplatzgrenze 
führend. 

in — von ben Malen zum Ausgangspunkt 
führend. 

in good lie — in guter Lage, frei. 

iron-clubs — Eifenfeulen. 

iron niblicks — Locheiſenkeulen. 

to lift (loft)a ball — einen Ball über 
ein Hindernis fortichlagen. 

like-as-we-lie — Gleichfein beider Parteien 
in der Anzahl von Schlägen. 

links — ber ganze Goliplag. 

loft — Hochſchlagen bes Balles. 

mail — Hammer. j 

lofting-iron — Hinderniseiſenkeule. 

mashy — Niblickkeule, Hinderniskeule. 

match — Spiel. 

match-play — Bettfpiel mit Zählen ber 

. öcdher. 

medal-play — Preid:Wettjpiel mit Zählen 
der Schläge rund um die Bahn. 

to miss. the globe — ben Ball verfehlen. 

niblicks — Lochkeulen. 

nose — Nafe. 

odd — Borgabe. 

one off two, off three — Differenzidhlag, 
ber ben Vorteil des Gegners verringert. 

to play the odd — einen Schlag mehr 
haben al3 der Gegner. 

to press — mit Gewalt fpielen. 

professional — Berufßfpieler. 

toput — einfchlagen der Bälle in bie Male. 

putters — Schlagkeulen. 

putting-greens — Schlagfläde um die Male 
berum. 

risk — gemwagter Schlag. 

rub on the green — Schlag auf den Boden. 

sand-iron — — — 

score — Zählung. 

scratch player — Spieler ohne Borgaben. 

set — Sat der notwendigeu Keulen. 

to slice — den Ball breben. 

slop — intel on ber Keule. 

spoons — Löffler. 

sole — Sohle. 

square — Gleichſtehen der Partie. 

sty mies — Schläge über Hinberniffe hinweg. 

swing — Schwung ber Keule. 

tee — das Häufchen, auf das ber Ball 
z. Abfchlag gelegt wird. 

teeing-ground — Abſchlagplatz zum Mal. 

teeing-mould — Erhöhung für den Bau 
zum Abſchlag. 


XI. 9. Rautfporf. Nro. 786. 


third — Vorgabe eines Schlage3 bei jedem | touch-in-goal — Malmarf. 
dritten Loch. [Hälfte treffen. | touch-line — Mallinie. 
to top the ball — den Ball auf der oberen | try — Verſuch. 
two more, three more — zwei ober brei | try at goal — Verſuch aufs Mal. 
Schläge mehr ald der Gegner haben. umpire — Ridter. 
waggle — Probefhwung vorm Abſchlag. | unfair — unrichtig, gegen die Regeln oder 
wooden-clubs — Holzteulen. ben Anſtand. 


yard — Schritt = 91,4 cm. 
Zu 3. fussball. 


Zu 4. Temnis. 
back — SHintermann, Malmann. < 


captain — Spielwart. [tragen. | advantage — Borteil, nädfter Schlag 
to carıy — ben Ball mit den Händen nad dem Einftand (deuce). 
centre — Mittelpunkt. advantage-game — Borteilpartie, nächite 
to centre, the ball — ben Ball zum Mittel: Partie nad dem Spiel-Einjtaud. 

punkt fpielen. advantage in, out — Vorteil für die ein 
corner-kick — Edftoß. [linie). fhentende, Vorteil für die empfangende 
dead-ball-line — TotesBall-Linie (Grenz⸗ Bartei nach dem Einftand. 
down! — nieber. advantage set — Vorteilsſatz. 
drop-kick — Sprungtritt. backcourt-play — Grunblinienfpiel. 
drop-out — Lagertritt. backhand — Ridhanpichlag. 


fairly held — feſtgehalten. 


fair-catch — Sreifang. ae ee 


„, five sets 


Sieg beiden Tournieren 
durch die abfolute Mehr⸗ 


forwards — Stürmer. 2” heit von 3 oder 5 Süßen. 
foul — falſch. break — Ausbruch des Balled nad rechts 
free-kick — Freitritt. [fpieler. oder lint3 nad dem Aufſprung. 
fullback — Hintermann, reſp. Schlußs | court — Spielhof. 
goal — Mal. to cut — jchneiden, breben (einen Ball). 
goal-line — Mallinie. cross-drive oder -stroke — Schlag quer 
goal-keeper — Thormwädter. über das Spielfeld. 
goal-kick — Abftoß, rejp. Tritt auf Mal. | deuce — Einjtand (bei 40). 
goal-post — Torftangen, Malpfoften. | dence-game — Partei gleidd (games-all). 
half-back — Halbipieler, sing. double — Doppelfpiel. 
halves — „  pleur. double faults — zweimaliger Yehler beim 
half-time — Halbzeit, El. Pauſe. Einſchenken; gilt — 16. 
to heel — Ball mit dem Haden aus dem | drive stroke — Schlagen des Balles nad) 
Gedränge ftoßen. erftem Aufſchwung mit vertifalgehaltenent 
in-goal — Im Mal, Malfeld. Radet. 
to kick — treten, floßen. drive volley — Flugfchlag nad drive Art. 
kick-off — Abſtoß reip. Antritt. drop-stroke — dicht am Ne getöteter Ball. 
to knock-on — vorfchlagen. event — Konkurrenz; einzelne Abteilungen 
man-down! — ein Mann liegt. bei einem XTournier. [Sätzen. 
mark — Marke, Kerbe. five all — beide Parteien gleich auf 5 
match — ettipiel. fault — Fehler = — 18. 


off- side — abjeits. forty — 40, 3 Schläge, deuce. 
on side — fpielberedtigt, im Spiel. forehand — Vorhand. 
out — aus, Ball aus dem Spiel. four games-all — beide Parteien gleich 


pass, to — mit dem Fuße den Ball einem auf 4 Partien. 


Partner zuftoßen. fourhanded game — Doppelfpiel. 
passee — Spieler, ber einen gepaßten | game — Partie = 60. 

Bal empfängt. games-all — Partien gleich. 
penalty-goal — Strafmal. ground — Spielplag. 
penalty-kick — Strafftoß. half court-line — Mittellinie. 
place-kick — Plagtritt. ' half-volley — Sprungicdlag. 
punt — Yalltritt. ; handicapper — der die Vorgaben Bes 
referee — Schiedsrichter. ſtimmende. 


rush — gemeinſamer Vorſtoß ber Stürmer. | handicaps — Vorgaben. 
scrummage od. scrimmage — Gedränge. | in play — im Epiel. 





score — Spielrefultat. let — erfter, mißglüdter Verfuhßball. 
screw, to — dreben, fhrauben des Balles. line umpire — Linienridter. 

shot — ſcharfer Stoß in3 Mal lob — Hochball. 

to tacke — fefthalten oder faffen des lob volley — Hochflugſchlag. 

team — Mannſchaft. [Spielerd. love — nichts auf der einen, im Gegen: 
three-quarter-back — Dreipierteljpieler. fag zur andern ‘Partei, 3. B. love-tirty: 
to throw in, out — berein= reſp. heraus 0= 30. 


werfen be3 Balle3. love set — vollftändiger Gewinn eines 
touch — Mark. | Cates zu 0 des Gegners. 


Nro. 786. 


match — Rettipiel. 

mixed doubles — Herren» und Damen: 
boppelipiel. 

net play — Spiel am Ne. 

not ready! — nicht bereit! 

play! — Ich beginne! 

out Ball im Neb oder aus dem 

out sidet Spielfeld. 

overhand-service — Dberhand einfchenken. 

odds — Vorgaben. 

racket — Schläger. 

ready? — Bereit? 

received odds — empfangene Vorgaben. 

referee — Schiedsrichter. 

return — erſtes Burüdichlagen nad dem 
Einfchenten. 

round — Runde. 

score — Stand des Spieles. 

scratch — Normalfpieler (Klaſſe 0). 

scratched — freiwillige Zurüdziehen des 
Spielerd bei Tournieren, bebeutet Sieg 
des Gegners. 

second-bounce — zweiter Auffprung. 

service — Einfchenten, Auffchlagen. 

server — Einſchenker, Auffchläger. 

set — Satz. 

singles — Einzelfpiel, ein Spieler auf 
jeder Seite. 

side-line — Geitenlinie. 

smash — Schmetterball, ftarfer Flugſchlag. 

stricker-out Empfänger de3 einge- 
fhentten Balles. 

stroke — Schlag. [& 15. 

thirıy — dreißig = 2 gewonnenen Schlägen 

three handed-game — Spiel zu dreien. 

touched! — berührt! 

tournament — Tournier. 

twist — Drehung des Balles um feine ver- 
tikale Achfe. 

umpire — Richter. 

underhand stroke — Unterhandfchlag. 


— service — Unterhandſchlag 
einſchenken. 
underhand volley — Unterhandſchlag, 
Flugſchlag. 


volley — Flugſchlag. 


Zu 5. Kricket. 


bail — Querbolz. 

batsman — Schläger. 

bat — Seule. 

tobowl — ballen. 

bowler — Ballmann. 

bye-run — Beilauf. 

captain — Spielwart. 

caught — gefangen. 

cricket — Torball. 

dead — tot, aus dem Spiel. 

down — erobert (da3 Tor). 

fieldsman — Angreifer. 

ground — Spielplag. 

to handle the ball — den Ball anfaffen. 

to hit the ball twice — den Ball jwei- 
mal fchlagen- 

inning — Verteidigung. 

to jerk — ben Ball fchleudern. 


E. Gräfin Baudiffin: XI. 9. Xaufſport. 


leg-bye — Prallbei. 

leg to before wicket — vorftehen. 
lost ball — verloxener Ball. 

no ball — Fehlball, Kein⸗Ball. 

no hit — Fehlſchlag. 

out of the place — 
over — Wedel. 
Popping-cresse — Kerbſtrich. 
run — Lauf. — 

run out — abgelaufen. 

scorer — Anſchreiber. 
short-run — Snapplauf. 
striker — Schläger. 

stump — Stab. 

stumped — auögeftaften. 
substitude — Stellvertreter. 
to throw — werfen. 

umpire — Richter. 
wicket-keeper — Torwächter. 
wide-ball — Weitball. 


Zu 6. Dockey. 


bandy — Eidhodepftod, Name bes Eis- 
bodey in England. 

bully — Abſchlag. 

corner kick — Edfioß. 

cross-bar — Duerftange bes Tores. 

goal — Tor. 

goal-line — Torlinie. 

half-time — Halbzeit, Wechfel. 

topass, the ball — den Ball paffen. 

rush — Angriff. 

striking-circie — Schußkreis. 

team — Mannſchaft. 


Zu 7. Kröcket. 
break — ein ober mehrere Punkte desſ. 
Spielers hintereinander. 
bisque — Extra⸗Runde. 
croquettieren — eine Kugel fo auflegen. 
daß fie die getroffene berührt und fie 
felbft vom Hammer gefchlagen wird. 


Zu 8. Ballfpiele. 


Seo ecia. Yack 1 enar, = Maltugel. 


Hurling. hurley — Qurlingftod. 
slitter — Hurlingball. 

Puihball. Aying tormation — Anrennen 
de3 Balled ; foul — Fehler; push — Bor: 
ftoß ; team in possession — Partei, der 
der nächſte Stoß zufteht. 

Leafeball. base — Mal; batter — Schlä⸗ 
ger; catcher — Yänger; home base — 
Außgangdmal; inning — Wechſel; out 
fielder — Feldmann; pitcher — Werfer; 
run — Lauf von Mal zu Mal. 

Rounder3. rounders — Runbball : team 
— Bartei; three hits a rounder — 3 
Schläge für einen Ball, 

La Croffe. scrimmage — Gebränge: 


Zu 9. Lauffport. 
Cross country — Querfeldein. 


vom Plag. 


— — — —— 


DER TTS 


XI. Suftiport. 


Von 
Dermann W. L. Moedebeck, Oberftlt. 3. D., Berlin. 





Was gehört zum Luftfport? 


787. Allgemeines. Den Luft: 
port kann man mit fehr verfdie- 
denen Fahrzeugen und Apparaten 
betreiben. 

In erfter Linie ift es natürlich 
der Luftballon, welcher alle eigen 
artigen Reize des Luftſports in 
einer gefälligen romantischen Weiſe 
genießen läßt und fi) daher heute 
des größten Beifalld allerſeits mit 
Recht erfreut. 

Aber wir können beim Luftballon, 
der wie ein Floß im Strome, 
mwillenlo8 im ALuftftrome treibt, 
nicht verharren. Der Menſch ver: 
langt fein Ziel und will au mit 
feinen Fahrzeugen zu einem be- 
ftimmten Ziel gelangen. Der Luft- 
ballon madt ihn aber abhängig 
von der Wetterlage. Die Frage- 
ſtellung beißt: „Erlauben mir heute 
Mind undWetter dorthin zu fahren?“ 
Wenn wir 3. B. nah Djten von 
Berlin nad Frankfurt a. D. fahren 
wollen, müßten wir den Weftwind 
abwarten, der genau über Frank⸗ 
furt a. O. weht und dürften erft 
dann die Ballonfahrt unternehmen. 
Der Ballonführer Tann feinen 
Willen nur darin zum Ausdrud 
bringen, daß er auf diefer vom 
Winde ihm vorgezeichneten Strede 
an jedem beliebigen Punkte landen 
fann; in vorliegendem Beijpiel 


wird er alfo in Frankfurt a. O. 
niedergehen. 

Dieje Art des Fahrens erfordert 
Abwarten und verlangt meteoro- 
Iogifhe Studien und kann für den 
Sport recht gut verwendet werden. 
Aber fie Hat dem menschlichen 
Forichungstriebe nicht genügt. Man 
bat daher eine weitere Kategorie 
von Luftfahrzeugen gefchaffen, die 
infolge zweckmäßiger die Luft leicht 
durchfchneidender Bauform und in⸗ 
folge ihrer Ausjtattung mit Mo: 
toren und Treibfchrauben eine be- 
ftimmte Eigengejchwindigfeit be—⸗ 
fiten. Man bezeichnet fie allge: 
mein mit dem Namen „Luft: 
ſchiffe“. Der Sport, welder 
beim gewöhnlichen „Quftballon” 
mehr auf einer rein wiſſenſchaft⸗ 
lihen Grundlage berubte, greift 
mit den Luftſchiffen fofort über in 
das technifche Gebiet. 

Beim Sport mit Luftfchiffen 
handelt es fi immer um deren 
Leiſtungsfähigkeit, die von vielen 
einzelnen Faktoren abhängig ift. 
Das Luftfahren kann ohne Rüd- 
fiht auf Wind und Wetter auf 
einen bejtimmten Sielpunft ange- 
jest werden. Das Wetter kann dabei 
je nachdem helfen oder ftören. Die 
Wartezeit ift eine bejchränftere ge= 
worden, weil fie lediglich von ber 
Frage abhängt: „Kann mein Luft: 
Schiff unter heutigen Wetterverhält- 


Niro. 788-789. 


niſſen das vorgeftedte Ziel bei 
feiner mir befannten Leiſtungs⸗ 
fähigfeit erreichen oder nicht ?“ 

Die weitere techniſche Entiwide: 
lung wird dahin führen, Daß bei 
ver Beantwortung mit „ja“ oder 
„mein jchließlich erſteres fo be= 
deutend überwiegen wird, daß man 
ſchließlich an die Einführung der 
„Luftſchiffahrt“ als neues 
Verkehrsweſen denken kann. 

Wenn wir nun aber heute von 
„Luftſchiffen“ ſprechen, ſtellen 
wir ung gewöhnlich große zigarren= 
förmige ‚Gasbehälter mit daran 
angebradten Gondeln vor. Es 
gibt noch eine andere technifche 
Richtung für den Bau von Luft: 
fhiffen, melde von der Verwen⸗ 
dung des fogenannten zigarren: 
fürmigen Ballons gänzlich abjehen 
und die Konftruftion dem Vorbilde 
des Vogel? (avis) gemäß vollenden 
wil. Man bezeichnet dieſe Tech⸗ 
nifer daher als „Aviatiker“ 
und während man die mit Gas 
gehobenen Luftihiffe „aeroſta⸗ 
tifche” nennt, heißen jene dyna⸗ 
mifch gehobenen Luftſchiffe „aer o- 
dynamische”. 

788. Aeroſtatiſche Luftfchiffe 
bejigen wir bereits in mannigfachen 
Ausführungen und das Luftichiff 
des Grafen v. Zeppelin kann 
beiſpielsweiſe ſchon 20 Perſonen 
tragen. Aerodynamiſche 
Luftſchiffe aber gibt es gegen— 
wärtig noch nicht, ſie ſollen und 
werden ſich erſt aus den „Flug⸗ 
maſchinen“ entwickeln, letztere 
find Flugfahrzeuge, welche mit ledig⸗ 
lich dynamischen Mitteln ein bis 
zwei Menfchen durch die Luft tragen 
fünnen. 

Der „Flugfport“, wie man 
diefen bejonderen Teil des Luft: 
ſports bezeichnet, welcher fich aus⸗ 
Ihließlih mit dem dynantifchen 
Fliegen befaßt, ift bier berufen, 


Bermann W. T. Moedeberk. 


lich die allmähliche Berbeflerung 
der Leiftungsfähigfeit der Flug⸗ 
motore, um auf leßteren die Kon⸗ 
ftruftion großer aerodynamijcher 
Luftſchiffe aufbauen zu können. 

Wenn man für das aeroftatifche 
Luftſchiff den gemöhnliden Kugel: 
ballon mit Recht als wichtige Vor⸗ 
fhule für defjen Ausbildung und 
Entwidelung und für dag Luft 
fahren überhaupt anfieht, fo hat 
man im „Drahenfport” ein 
gleiches für den Flugfport und für 
die Entwidlung der Flugmafdine. 
Es ift nicht leicht, tragfähige ftabile 
Draden zu bauen, es ift noch 
fchwerer, fte bis in eine Höhe von 
6000 Meter hinauf zu treiben in 
den lichten Aether. Die beiten 
Dradenbauten haben den Tedhni- 
fern als Vorbilder für. unfere heu= 
tigen Flugmaſchinen gedient. 

Der Drachenſport ift der mwohl- 
feilfte Luftſport, feine Bielfeitigfeit 
verbürgt ihm überdies ein dauern- 
des Intereſſe; er ift flugtechniſch, 
wiflenfchaftlic und militärifh er- 
folgreich ausgebeutet worden. 

Der Luftfport läßt ſich nun 
außerdem in mannigfader Weife 
mit einigen anderen Sport3 ver- 
binden und zwar mit dem Radfahr⸗, 
dem Automobils und dem Renn- 
jadtjport. 

789. Der Luftballon. Ein 
Luftballon bejteht aus der meift 
tugelföürmigen Ballonhülle, 
dem Net, dem Ring, dem Korb 
und der Ausrüftung. 

Die Hülle aus Baummolle, Seide 
oder Golpfchlägerhaut gefertigt, 
dient zur Aufnahme des Gaſes und 
ihr Stoff muß demnach gasdicht 
fein. Um fie entleeren zu können, 
ift fie am oberen Pol mit einem 
genügend großen Ventil verfehen, 
defjen Leine durch den Ballon hin- 
durchgeführt wird bis nad dem 
Ballontorb. Außerdem wird fie 


eine Kulturaufgabe zu löfen, näms zwecks ſchneller, augenblidlicher 


XII. Ruftfporf. 


Entleerung mit einer Vorrichtung 
‚zum Aufreißen verjehen, der 
„Reißvorridtung” Die Be— 
dienung der letteren gejchieht gleich: 
fal8 vom Korbe aus. Sie dar 
natürlich niemals oben in der Luft 
‚gerifjen werden, fondern erjt, wenn 
der Ballon fih auf dem Erdboden 
befindet. 

Megen der großen Gefahr, die 
fih aus der Verwechſelung der 
Bentilleine und der Reißleine er- 
geben könnte, muß die Reißleine 
nad internationalen Abmadhungen 
immer aus einem roten, 23mm 
breitem Öurtbande bejtehen. 

Bei deutjchen Ballong wird die 
Reißleine noch dadurch bejonders 
gefichert, daß man fte mit einem 
an ihr befeitigten Metallring in 
eine am. VBentilfranz befejtigte 
Klinke einhängt, aus deflen fevern- 
ven Schenfeln ſie erjt bei einem 
Zug von 75 kg herauszuziehen ift. 
Ferner wird dad Ende der Reiß— 
leine über den Köpfen der Ballon- 
fahrer in einem an der Tafelage 
befeftigten Sad hineingeſteckt, da: 





Neo. 789, 


mit nicht verfehentlich ein Mit: 
fahrender an derſelben anfafjen 
und ziehen Fünnte. 

Am unteren Bol der Ballonhülle 


f | befindet fich ein zylindrifcher Schlau) 


der zum Füllen der Hülle dient 
und deshalb „Füllanſatz“ be— 
nannt wird. Der Füllanjat bleibt 
beim Ballonfahren entweder geöff- 
net, oder man jpannt ihn mit einer 
federnden Schere oder endlich man 
verfieht ihn mit einem fich leicht 
automatijch öffnenden Ventil. 

Das Gas im Ballon ift nämlich 
beim Fahren einer fortgejeßten Ber: 
änderung ſeines Volumens ausge— 
jeßt, deren Urfachen in dem teten 
Wechſel von Luftdrud und Wärme 
zu fuchen find. Für beide Ein- 
wirfungen ift der Ballon ein jehr 
empfindliche8 Inftrument und der- 
jenige, welcher den Ehrgeiz bejikt, 
Ballonführer werden zu wollen, 
muß fich zunächft über diefe grund— 
legenden phyſikaliſchen Kenntnifje 
eingehendjt unterrichten. 

Um die angehängte Laſt gleich- 
mäßig auf den Ballon zu verteilen 


412. Ballonfüllung. 





Nro. 789. 


und zugleich dabei feinen Formen 
änderungen, wie fie der Wechjel 
ſeines Gasvolumens bedingt, ſich 
anzuſchmiegen, wird die Hülle mit 
einem rhombiſchen Maſchennetze 
überzogen, daß fie ?/, bis ?/, ein- 
Ichließt. 

Das Maſchennetz ift oben mit 
jeinem Taukranz am Pentilfranz 
angejchnallt. Unten gehen die rauten— 





— 


Moedebeck phot. 


— — 


415. Beendete Füllung im Winter. 


förmigen Maſchen in mehrere Reihen 
von „Gänſefüßen“ über — ge— 
wöhnlich drei Reihen kleine, mitt— 
lere und große Gänſefüße — die 
dann ſchließlich in einzelne „Au s— 
laufleinen“ auslaufen, welche 
am „Ringe“ angeknebelt werden. 
Der „Ring“, aus Holzfurnier 
oder Metallrohr gefertigt, ſchließt 
das Netz unten ab und dient zur 


Bermann W. X. Mardeberk. 








— ET IE Pr 
REEL TEE 





Befeftigung der 


„Süllanjat- 
leine*unddes „Schlepptaus“, 
Außerdem werden aud häufig In— 


ſtrumente an ihm befeſtigt. Am 
Ring nah unten hin wird mit 
feinen „Korbitriden“ ver 
„Korb“ angefnebelt, welcher zur 
Aufnahmedes Ballonführers und der 
Mitfahrenden ſowie des Ballajtes 
dient. An „Ballaft“ wird durch— 
jtebter feiner Sand 
in „Ballaftfät- 
fen“ mitgeführt. 

Der Korb kann 
natürlid mit man: 
cherlei Bequemlich- 
feiten je nad) Ge— 
Ihmad ausgeftattet 
jein. Für den 
rihtigen Ballon 
jport ift eineSchlaf: 
vorrihtung unbe— 
dingt nötig. An 
Snijtrumenten iſt 
das wichtigſte ein 

Barometer, 
ein Barograph, 
erwünſcht iſt auch 
ein Aßmann— 
ſcher Pſychro— 
meter und unbe— 
dingt nötig eine 
richtig gehende Uhr. 

Weiterhin braucht 
man die nötigen 
aeronautifchen 
Zandfarten, am 
beiten im Maßſtabe 
1:200000, im Rot: 
fale 1:500000, 
ein Eifenbahnfursbud und 
ein gutes Mefjer, Speifen, Getränke 

und viel Geld. 

Der Ballonführer muß mit einem 
Ausmweije verjehen fein zur Legiti⸗ 
mation und zur unbeanſtandeten 
billigen Rückverfrachtung des ent— 
leerten und ſehr ſorgfältig im Ballon- 
korbe verpackten Ballongutes. Sehr 
praktiſch iſt die v. Tſchudiſche 





J 
| 
.ä 








Hoc in den Lüften. (Aus Sport im Bild.) 


XH. Tufffporf. 


„Anftruftion für den Bal- 
lonführer“, welche gegenwärtig 
vom deutſchen Luftjchifferverbande 
neu bearbeitet worden ilt. 

790. Das Luftſchiff. Für den 
Sport fann man natürlich nur ein 
Kleines Luftjchiff gebrauchen und 
man wird am beften dabei fahren, 
wenn man das Syftem v. Barjeval 
wählt, welches in jeiner Hand— 
hbabung am menigjten vom ge— 
mwöhnlihen LZuftballon abweicht, in- 
fofern als man mit ihm unter Um— 
ftänden landen kann ohne vieler 
Leute zum Abfangen zu bedürfen. 
Das Luftſchiff hat Zigarrenform, 
die bei den neueſten Konjtruftionen 
vorn ftumpf, Hinten jpig ift. 


a g nz nn 0 
——— N 
& Ka sah 





Moedebed phot. 


414. Abfahrt eines gut abgewogenen Ballons. 





Nero. 790-791. 


Hinten ift auf jeder Seite je eine 
horizontale ftarre Schwanzfläche an- 
gebracht, unten befindet ſich das 
vertifale Steuer für feitliche Be: 
megungen. 

In der Mitte unter dem Gas: 
förper befindet fi an Kabeln hän- 


ı gend und über Rollen auf denjelben 


gleitbar befeftigt die Gondel mit . 
Motor und Treibjchraube. 

Für die Beteiligung am inter- 
nationalen Wettfliegen find auch 
Luftſchiffe bis zu 2250 cbm Größe 
zuläſſig. Diejelben werden hierbei 
im Gegenjat zu den anderen Luft- 
ballong mit Wafjerftoff gefüllt. 

791. Die Flugmaſchine. Die 
Flugmaſchinen beftehen aus großen 
Slugflähen, die je 
nachdem kaſtenförmig 
zu mehreren über: 
einander oder wie 
bei Flugtieren ein 
flähig angeordnet 
find. Diejelben find 
jowohl hinten wie 
vorn mit einem Sy- 
ſtem fejter und be: 
weglider Bertifal- 
und Horizontalfteuer 
verjehen. 

In ihrer Mitte be— 
findet fih der Sitz 
für den Führer und 
der Motor mit den 
Hebeln und Steuer: 
rädern. Eine oder 
zwei Treibjchrauben 
find gewöhnlich Hinter 
dem Flieger ange: 
bradt, der im all: 
gemeinen auf einem 
Geſtell mit fleinen 
Rädern oder Sclit- 
tenkufen montiert ift. 

AS harakterifti- 
Ihe Typen jeien an 
|. geführt die Flug- 

maſchine der Wright 
Brother8 aus Day- 
51 


Nra. 792—793. 


ton Ohio U.S. A., die von Boifin 
erbaute Farmanflugmajcdhine und 
diejenige von R. Esnault Belterie. 

792. Die Drachen. Hinfichtlich 
der Drachen find zwei Formen zu 
unterjcheiden, welche für die zahl- 
reihen Varianten die Grundform 
gegeben haben, nämlich die malayi- 
ſchen Draden, die einflächig aber feil- 
förmig gefaltet find, und die Flächen: 
draden, die einflächig oder kaſten⸗ 
förmig mit zwei bis zu unendlich 
zahlreihen Flächen „Zellen 
drachen“ fi entmwidelt haben. 
Selbitredend kommen auch Konſtruk⸗ 
tionen vor, in denen beide Grund- 
formen zufammengeftellt find; wie 
denn überhaupt im PDradenbau 
eine Mannigfaltigfeit der Formen 
herricht die beinah unentwirrbar zu 
fein fcheint. 

Der Zügel des Drachen wird 
durch Einſatz eines Gummiftüdes 
‚gewöhnlich elaftifch gemadt. Zum 
Auflaffen nimmt man beiten Kla⸗ 
vierfaitendraht. Man hüte fich vor 
eleftrifchen Entladungen. Um große 
Höhen zu erreihen, braucht man 
ſehr tragfähige Draden. Da die 
Tragfähigkeit nad Abwickeln eines 
gewiffen Gewichtes des Klavier- 
faitendrahtes erjchöpft ift, muß 
man in richtiger Entfernung immer 
wieder neue Tragedradden einfeten 
(„Drahentandem”), um große 
Höhen erreichen zu können. 


Die Ausübung des Luft- 
fports. 


793. Allgemeined. Der Luft: 
jport ift der edelfte und vornehmite 
Sport, der eriftiert. Er ift der 
Sport der gebildeten Leute; er 
verlangt nicht allein förperliche Ge- 
wandtheit und manuelle Gefchid- 
lichfeit, er verlangt vor allem einen 
geftählten, zähen Charakter, gedie— 
genes Willen und Hohe Intelligenz. 

Der Luftfport nimmt hervor: 
ragenden Anteil an der Förderung 


Bermann ®. I. Moedeberk. 


eines in die gegenwärtigen ſozialen 
MWeltverhältnifie tief eingreifenden 
neuen Kulturfaltor, nämlich die 
Luftihiffahrt ; einJahrtauſende alter 
Traum des Menſchen ſcheint ſich 
vor unſeren Augen zu verwirk—⸗ 
liden. Ein Sport, der berufen 
ift, ein ſolch ideales jahrtaufende 
alte Berlangen zu fördern, muß 
der edelite fein, den es gibt. 

Er bat feine Aufregungen und 
Gefahren, er hat außer den Siegenim 
Sport feine hervorragenden Genüffe. 

Der Luftiport ift ein Weltfport. 
Er verbindet tief im Kontinente 
abgefchlofjene Ortjchaften mit einem 
Male auf dem fürzeften Wege — 
Luftlinie — mit der geſamten Welt. 
Die Grenzen des Baterlandes wer- 
den zu enge, vielleicht kommt noch 
einmal die Zeit, wo das alte 
Europa zu Hein wird für die Ent- 
widelung unſeres Luftſports, wo 
wir den Blid weit hinein nad) 
Aſien oder nah Afrifa richten 
müſſen, um dort unfer Ziel zu 
juchen und zu finden. 

Kein Sport fommt an kosmo— 
politifcher Großartigfeit dem Luft⸗ 
port gleich, feiner verlangt wie er 
in jeder Beziehung wie man fagt 
„ganze Kerls“. 

Dabei läßt er auch unferen lieben 
Frauen Raum, ſich jportli zu be= 
tätigen, weil nicht alle Ausfüh- 
rungsarten unſeres Sport8 Körper- 
und Nerventräfte big aufs äußerfte 
anipannen. 

Sm bejonderen ift der Luftjport 
durch den im Sahre 1905 am 
14. Oktober in Paris begründeten 
Snternationalen Luftſchif— 
ferverband (Federation 
A&ronautiquelnternatio- 
nale) genau durch Satungen und 
Reglements feitgelegt*). Die Ein: 


*) Erbältlih in deutſcher Heberfegung 
von Leutnant E. v. Selaſinsky und Dr. 
Fr bei 8. 3. Trübner, Straßburg und 

erlin, 





XII, Kuflfport. 


führung diefes Neglements hat die 
zweck- und ziellofen Biedermeier: 
fahrten im Luftballon, die in Deutich- 
land bis dato als eigentlidher Luft: 
port angefehen wurden, auf das 


Nro. 794. 


ein Vorſtand, der feinen Sit im- 
‚mer da bat, wo der Schriftführer 
ſich befindet und das ift gegenmwär- 
‚tig Paris, 

Er ſetzt fi zufammen aus einem 


ihnen zufommende Maß eines ge= | Ehrenpräfidenten, der franzöfifche 





415. Gefährliche Landung in Telegraphendrähten. 


nußlichen Luftbummels beſchränkt 
und den Sinn für den wirklichen 
weitſchauenden und dem Vater— 
lande nützlichen Luftſport erſt ge— 
wertet. 

794. Organiſation des Inter⸗ 
nationalen Luftſchifferverbandes. 
An der Spitze des Internationalen 
Luftſchifferverbandes befindet ſich 


Phyſiker L. Caille— 
tet, Mitglied des 
Inſtituts, einem Prä⸗ 
ſidenten, Prinz Ro— 
land Bonaparte, 
fünf Vizepräſidenten 
aus den Ländern 
Deutſchland: Geh. 
Reg.-Rat Busley, 
Frankreich: Comtede 
la Vaulx, Eng: 
land: R. W. Wal- 
lace, Italien: Brinz 
Borghefe um 
Belgien: M. Ja: 
cob3,einemSchrift- 
führer, M. ©. Be- 
Jancon, einen Be: 
richterftatter, M, €. 
Surcouf, und ei- 
nem Schaßmeifter. 
M. P. Tifjan- 
dier. 

Für diefen Bor- 
ftand bilden die ver- 
einigten Luftſchiffer— 
vereine, Die in 
Deutſchland den Na- 
men „Deutſcher 
Zuftidifferver- 
band“ angenommen 
haben, nur eine eit- 
zige Sportmadt. 

Alljährlich findet 
eine internationale 
Konferenz in Verbindung mit ei- 
nem großen internationalen Wett- 
fliegen jtatt. Außerdem Hat die 
Fed6ration A&ronautique Inter- 
nationale (F. A. I.) alljährlich das 
Gordon = Bennett = Wettfliegen in 
demjenigen Lande zu organifteren, 
von welchem diejer Preis gemonnen 
wurde, 


— — 


Nro. 794. 


Diefer Preis wurde 1907 beim 
Gordon = Bennett = Wettfliegen in 
St. Louis von dem deutichen Führer 
Oskar Erbslöh aus Elberfeld 
gewonnen und befindet fich daher 
jet im Beſitz des deutſchen Luft: 
fchifferverbandeg, der ihn 1908 in 
Berlin zu verteidigen hatte und 
an den Schweizer Oberſt Schaed 
verlor, welcher in 71 Stunden von 
Berlin bi8 Bergjet in Norwegen 
fuhr. 

Ale Flüge müffen genau nad 
dem Reglement der F.A.I. ein- 
gerichtet werden. Sonderbeſtim⸗ 
mungen find nur zuläffig, inſoweit 
fie nicht mit den Vorſchriften des 
Reglements im Widerſpruch ftehen, 
jondern vielmehr dagjelbe in Ein- 
zelfällen ergänzen. Das Reglement 
des Gordon-Bennett-Preifes ift eine 
jolde Ergänzung. 

ALS Ueberwahungsbehörde für 
die richtige Handhabung und Bes 
achtung ded Reglement hat jede 
Sportmadt eine Sportfom- 
miſſion, welche mit Strafgewalt 
verjehen ift und in ihrem Lande 
die oberfte Instanz in aeronautifchen 
Streitſachen ift und nur allein die 
Strafe einer Disqualiftfation aus 
ijprehen Tann. Gegen ihre Ent- 
\heidung fann nur die Sinternatio- 
nale Zuftfchifferfonferenz angerufen 
werden. 

Die Sportfommiffion des deut- 
ſchen Luftſchifferverbandes bejtand 
1908 aus den Herren Hauptmann v. 
Abercron, Geh. Reg.-Rat Bus⸗ 
ley, der zugleich Vorſitzender des 
deutſchen Luftſchifferverbandes iſt, 
Hauptmann Hildebrandt, 
Oberftleutnant Moedebed und 
Direltor X. Niedinger. 

Wenn nun die einzelnen Vereine 
Deutſchlands ein Wettfliegen oder 
einen Rekord in ſich oder unter fich 
veranftalten wollen, fo bilden fie 
hierzu aus ihren Mitgliedern einen 
„Organifationgausfhuß“. 


Bermann W. I. Moedebeck. 


Lebterer hat den Wettbewerb oder 
Rekordverſuch vorzubereiten und 
abzuhalten. i 

ALS Ausführunggorgane, melde 
vorher der Betätigung bezw. der 
Prüfung von feiten der Sport: 
kommiſſion des deutſchen Luft- 
johifferverbandes bedürfen, braudt 
man dazu mindefteng einen fachtech⸗ 
niſch gut gebildeten und im Sport 
erfahrenen Sportfommiffar, 
einen Starter und je nad der 
Art des MWettfliegend unter Um: 
ftänden nod einen oder mehrere 
Bertrauengmänner (Dele- 
gierte). 

Der Drganifationgausfhuß ar- 
beitet jodann das Programm und 
wenn nötig, feine Sonderbeftim- 
mungen aus und legt fie ebenfalls 
zur Genehmigung der Sportlom- 
miffion vor. 

Mit Zuftimmung der Sportkom⸗ 
mijfion kann der Organiſationsaus⸗ 
ſchuß auch einbejonderesPreisgericht 
bilden. In dieſem muß ſich aber 
wenigſtens ein Sportkommiſſar des 
Ausſchuſſes befinden, der als aero- 
nautiſcher Fachmann zugleich die 
Intereſſen des Wettbewerbes ver- 
treten muß und an deſſen Perfon 
daher Berufungen gegen ein Jury⸗ 
Urteil zu richten find zur weiteren 
Vermittlung an die Sportkom⸗ 
milfton. 

Der Sportlommifjar iſt alfo 
gleichzeitig ein ausführendes Or⸗ 
gan des Organiſationsausſchufſes 
und ein Kontrollorgan für die Sport⸗ 
kommiſſion. Er beſitzt in beſchränk⸗ 
tem Maße eigene Strafgewalt. 

Die Sportkommiſſion, deren 
Mitglieder, um einer Verwechſelung 
mit den „Sportkommiſſaren“ 
vorzubeugen, „Mitglieder der 
Sporttommifsfion“ benannt 
werden, hat dann fernerhin die 
„Sachverſtändigen“ zu ernennen 
und über ſie Liſte zu führen. Man 
verſteht darunter nicht ſportlich, 


= 71 « 


XII. Nuftfport. 


Niro. 795. 


jondern rein techniſche Sachver: |ter Drt fein darf oder in Nähe 


ftändige, die die Güte und Brauch— 
barkeit de3 aeronautischen Materials 
zu prüfen verjtehen. Sie führt 
weiterhin die Lifte über Rekorde, 
die jie zu prüfen und dem Bor- 
ftande des F. A.I. alljährlich mit- 
zuteilen hat. 


795. Der Ballonfport. Es han- 
delt fich hierbei um den Sport mit 
Luftfahrzeugen, die dur) Gas, das 
ift aeroftatifch gehoben werden und 
feine Eigenbewegung bejigen. Wir 
nennen fie „Freiballons“ oder 
furz „Ballons“. 

Man unterjcheivet fünf Arten 
von Wettfahrten mit Ballons, näm- 
li: 

1. Weitfahrten mit und ohne 
Zwiſchenlandungen. 

2.Dauerfahrten mit und ohne 
SZmwijchenlandungen. 

3. Zielfahrten mit Landung 
in Nähe eines vorher feitgejegten 
Punttes, der aber fein ausgedehn: 


einer vorher feſtgeſetzten geraden 
oder gefrümmten Linie oder inner: 
halb eine beftimmt umgrenzten 
Raumes mit frei zu mwählendem 
Startort. 

4. Etappenfahrten mit Nach— 
füllung bei den Zwiſchenlandun— 
gen. 

5. Stabilitätsfahrten nad) 
Regelmäßigfeit der Fahrt nad) ihrer 
Horizontalität oder umgekehrt nach 
ihrem häufigen großen Höhen 
wechſel. 

Dieſe To verjchiedentlichen Wett: _ 
bewerbe erfordern natürlich eine 
gewiſſe Gleichartigkeit des Mate: 
rials, wenn ſie einen gerechten 
Maßſtab für die Leiſtungsfähigkeit 
des Piloten bilden ſollen, auf die 
es hauptſächlich ankommt. Dem— 
gemäß tritt auch beim Ballonſport 
das Handikap ein. 

Zunächſt hat man hierfür fol— 
gende Klaſſeneinteilung für Ballons 
angenommen: 





416. Das Gordon-Bennett-Wettfliegen in Berlin im Jahre 1908. 


— — —— — 


— —— 


Nro. 795. 


Luftfahrzeuge von 
.Kl. 600 cbm Anhalt u. darunter | Umrechnung nad) den verjchiedenen 


1 

2., 

8. „ 01 „ 1200 
4, „ 41201 „. 1600 
5. „ 1601 „ 2200 
6. „ 2201 „ 3000 
7. „ 3001 „ 4000 
8. „ 4001 ccb 


„ 
m und darüber. 


”„ 


Bermann W. I. Moedebeck. 
| Gasfülung. Andernfal3 muß eine 


601 bis 900 cbm Sinhalt | Auftriebsverhältniffen der Gaſe ein- 


treten. 

Ein Handilap kann ferner durch 
BZugeben von plombiertem Ballajt 
für größere Ballons eintreten, und 
ſchließlich durch relative Ergebnifje 
d. h. man ftellt vor der Wettfahrt 





417. Farman beim Flug in einer Slugmafchine von Doifin, 


Ein Spielraum von 5°/, ift an 


den Grenzen gejtattet. 


Die Be: 


werber fünnen in diejem Falle ent- 


denjenigen Bewerbern, die befjeres 
Material befigen, höhere Anforde- 
rungen. . Ä 





ſcheiden, zu welcher Klaſſe jte ge: 
rechnet werden wollen. 
Borausjegung für obige Eintei- 


418. Esnault Pelterie's Eindeder:Slugzeug. 


/ 


Bei allen diefen Fahrten find 
die Ballonführer verpflichtet, das 
von der F. A. IL, vorgejchriebene 


lung ift natürlich eine gleidartige Bordbuch gewifjenhaft zu führen 


— — nn — — m 


XII. LXuftſport. 


und alle für den Wettbewerb in 
Betracht kommenden Ergebniſſe, 
durch Behörden und einwandfreie 
Zeugen dokumentieren zu laſſen. 
Trotzdem beruht aber in manchen 
Fällen der Ballonſport auf der un⸗ 
bedingten Ehrlichkeit des Ballon⸗ 
führers. Er muß daher in Zweifels- 
fällen unter Umjtänden vor einer 
Kommiffion an Eides ftatt feine 
Erflärung abgeben. Jede erwiejene 
Unlauterfeit, bezw. der Verjuch da- 
zu, wird von feiten der Sport- 
fommiffion mit dauernder Dis⸗ 
qualififation beftraft. Diefe Strafe 
hat alfo für den Luftjport etwas 
Entehrendeg, denn fie verbietet dem 
Betroffenen. für immer, an den 
Wettflügen teilnehmen zu dürfen, 
wo es auch fei. Sein Name wird 
in die fchmarze Lifte des Inter⸗ 
nationalen Vorſtandes eingetragen. 

796. Der Luftichiffiport. 
Wettbewerbe von Luftichiffen be- 
ftehen in drei Arten, nämlich im 
Bergleih ihrer Eigengeſchwindig⸗ 
feit, ihres Leiſtungswertes und 
ihrer Lenkbarkeit. 

Die Eigengeſchwindigkeit ift die- 
jenige Geihwindigfeit, die in Meter 
per Sefunde oder Kilometer per 
Stunde bei völliger Windftille mit 
dem Luftſchiff erreicht wird. Da 
in Wirklichfeit die völlige Wind: 
ftile beinahe niemals vorkommt, 
muß man zur Ermittelung der rich⸗ 
tigen Eigengefchwindigfeit Methoden 
anwenden, welche die Windgejchmwin- 
digkeit auszuschalten erlauben. 

Es geſchieht dies durch Abtreiben- 
lafſen des Luftſchiffes vom Start 
und NRüdfehr desjelben nad) be- 
ftimmter Zeitbegrenzung des Ab- 
trieb8, durch Hin- und Rüdfahrt 
im Windftric, oder Schließlich durch 
Umfahren einer feftgelegten Strede 
in Duadratform oder Bolygonform. 
: Sn bezug auf die Leiſtungs— 
fähigfeit handelt es fich bei den 
Wettbewerben um die regelmäßige 


Die | Eeit. 


Niro. 796. 


ruhige Fahrt und die ununter: 
brochene Arbeit3leiftung feftzuftellen. 
Mettbewerbe diefer Art eritreden 
fih daher auf eine viel längere 
Fahrtdauer als fie zur Feſtſtellung 
der Cigengejhwindigfeit erforber- 
lih ift; wenigftens zwei Stunden 
Fahrivauer werden beanfpruct. 

ALS Gegenftand des Wettbewerbs 
kann dabei folgendes dienen: 

1. Größte Fahrtdauer bei Inne—⸗ 
halten einer vorgefchriebenen ge— 
ringften Eigengejchwindigfeit. 

2, Größte mittlere Eigengeſchwin⸗ 
digfeit während einer vorgefchrie= 
benen Zeit. 

3. Zurüdlegung der größten 
Fahritrede gegenüber der als un— 
bewegt betrachteten umgebenden2uft, 
mit oder ohne Verbindung mit 
Dauerfahrt oder einer vorgefchrie- 
benen geringiten Eigengefchwindig- 

ei 

4. Betriebsmaterialverbrauch pro 
Pferdeftunde gegenüber der als un- 
bewegt betrachteten Luft mit vor: 
gejchriebener geringiter Cigenge: 
ſchwindigkeit. 

5. Dauerfahrt in Befolgung einer 
vorgeſchriebenen Fahrſtrecke. 

6. Geſchwindigkeits-Wettbewerb 
am Erdboden gemeſſen auf einer 
vorgeſchriebenen Fahrſtrecke. 

7. Wettbewerb hinſichtlich der 
zurückgelegten Fahrſtrecke auf einer 
vorgeſchriebenen Flugſtrecke am Erd⸗ 
boden gemeſſen. 

8. Betriebs materialverbrauch pro 
Pferdeſtunde gemeſſen auf einer 
vorgeſchriebenen Fahrſtrecke. 

Bei dieſen Wettbewerben iſt es 
dann fernerhin den Organiſations⸗ 
ausſchüſſen erlaubt, noch folgendes 
zu verlangen: 

a) Ein Stoppen der Motore, 
Zwiſchenlandungen und Betrieba- 
materialergänzungen find unterjagt. 

b) Stoppen der Motore find er- 
laubt, Zwifchenlandungen und Be: 
triebsmaterialerſatz ift unterjagt. 


Rro. 797. 


c) Stoppen der Motore und 
Zwifchenlandungen find erlaubt, 
Betriebsmaterialerfag ift unterfagt. 

d) Stoppen der Motore, Zwi⸗ 
Ihenlandungen und Betriebsmate: 
rialerjag find geftattet. 

Hinfihtlih einer Prüfung auf 
die Lenkbarkeit können endlich Auf- 
gaben geftellt werden, wie das Be⸗ 
fahren einer beftimmten, mit vielen 
Biegungen und Bolten vorgejchrie= 
benen LZuftjtrede in einer oder meh⸗ 
reren Höhen, die längere oder 
fürzere Fahrt innerhalb bejtimmter 
Höhengrenzen, Umfahren fefter oder 
bemeglider Beobachtungspunkte 
u. ſ. w 


Man wird ſich hiernach einen 
Begriff davon machen können, wie 
ungeheuer vielſeitig auch der Luft⸗ 
ſchiffſport werden kann. 

Der Luftſchiffſport iſt mit Aus⸗ 
nahme von einen Wettfliegen in 
St. Louis im Jahre 1907 bisher 
no nicht zum Austrag gefommen, 
weil die Entwidlung von Sport- 
luftſchiffen noch nicht auf der Höhe 
der Zeit ftand. Wahrjcheinlich wird 
er jich aber angeregt dur) den im 
Sanuar 1909 in London beftimmten 
Preis des F. A. I. von 620000 
518. und auf Grund des Regle- 
ments des aeronautifchen Gordon⸗ 
Bennett-Preife8 in den nächſten 
Sahren einbürgern, das, wie oben 
bereit3 erwähnt, als Fahrzeuge aud) 
mit Wafjerftoff gefüllte Luftichiffe 
von in maximo 2250 cbm zu 
läßt. 

797. Der Flugſport. Der Flug: 
jvort, von Dtto Lilienthal ing Da— 
jein gerufen, hat in den letzten 
Sahren außerordentliche Fortfchritte 
gemadt. Den Gebrüdern Orville 
u. Wilbur Wright ift egim Jahre 
1905 tatſächlich gelungen mit einer 
Motorflugmaſchine einen Rundflug 
von 36,5 km auszuführen. Geit- 
dem iſt e8 auch verfchiedenen an— 
deren gelungen in Europa Flüge 


Bermann W. I. Moedeberk. 


von verſchiedentlicher Länge und 
Höhe zu zeigen, jedoch erft feit 
dem Sahre 1906, in welchem zu= 
erit der Däne Ellebammer, dann 
Santo? Dumont kurze Streden 
flogen, bi8 endlich Farman Anfang 
1908 mit feinem wohlgelungenen 
Rundflug von 2900 m am 14. Ja⸗ 
nuar den großen Flugprei von 
Archdeacon Deutſch de la Meurthe 
in Paris gewann. Seit jener Zeit 
bat Farman bereit3 feinen eigenen 
Rekord mehrfah geichlagen und 
Roger Sommer bat jogar am 
7. Aug. 1909 im $arman- Flugzeug 
eine Flugleiftung von 2 Stunden 
27 Minuten 15 Sek. aufzumweifen, 
während Wilbur Wright am 
3l. Dez. 1908 den offiziellen Re- 
ford von 2 Stunden 20 Min. 44 Se. 
errang. 

Der Flugſport beſchränkt fich 
heute noch darauf, immer befjere 
Flugrekorde zu fchaffen und immer 
mehr Anhänger für feine praftifche 
Ausübung zu fuhen. Die erſten 
Berjuche hierin, die Farman durd 
feinen Flug von Chalond® nad 
Reims und zurüd, Bleriot durch 
eine ähnliche 28 km lange Hin— 
und Herfahrt von Towy nad) Arte- 
nay am 31. Okt. 1908 unternom= 
men hatten, waren die erften jchüch- 
ternen Taten. Durch Bleriots 
legte ruhmreiche Ueberfliegung des 
Kanal® in 31 Minuten zwiſchen 
Led Barraques und Norfoll am 
25. Suli 1909 jcheint aber das 
Signal zu weiterer praktiſcher Ent⸗ 
widlung des Flugjport® gegeben 
zu fein. Auch die erite Gordon⸗ 
Bennettflugwode zu Reims vom 
22.—29. Sept. 1909 hat einen 
mädtigen Anftoß hierzu gegeben. 
Man arbeitet ferner darauf hin, 
Apparate zu fhaffen, in denen 
zwei Menſchen zufammen fahren 
fünnen. 

Die Ausübung des Flugſports 
ijt nicht fo leicht und jo einfach, 


agp$ aanoa uı Yılplıjnz sunoddoꝰ 





XI, Kufffport, 


wie fie erfcheint. 


fein, 





419. Santos Dumonts Sportluftjchiff. 


gleichsfliegen nicht mehr von Mo- 
dellen, jondern nur von richtigen 
bemannten Flugapparaten jtattfin- 


'den werden. 


Für diefe Wettbewerbe kann man 


nachfolgende Bedingungen ſtellen: 


1. Wettbewerb hinſichtlich der 


. Eigengefchwindigteit. 


| 
i 


7 
u 
x ne, Air a du 
4 — . 
a 


Wettbewerb Hinfichtlih des 
Leiftungsmwertes, — 


— — Kar 
nr AUT FFTE T 
———— dr 





Es will gelernt 
das Gleichgewicht nad vorn, 
nad hinten und nad) beiden Seiten 
zu halten und bei Wendungen und 
Windſtößen dieSteuer richtig zu regu: 
lieren. Der Sport ift dabei immerhin 
noch mit Lebensgefahr verbunden. 

Es ift Har, daß in Zukunft Ver- 


‚teilt: 


N x a 72 ” * vet —3 
— u Tier, J lt N x 0 
R ee Ka ‚ N der 178 7 
Ver, a ara N et * A = Bone J 5 * — 
* J + ' n 









Nro. 797, 


Der Leiftungswert beftimmt ſich 
aus dem Neigungswintel der Flug⸗ 
flachen und aus der ſpezifiſchen 
Leichtigkeit des Apparates, 

Die ſpezifiſche Leichtigkeit (I) er- 
gibt ſich aus der Nuplaft (P’) divi- 


diert durch das Geſamtgewicht deg 
Flugapparates: 


— E 


— 
— 


‚PR vd J 
3. Wettbewerb hinſichtlich der 
Lenkbarkeit. Be 
‚4. Wettbewerb Hinfichtlih der 
Höhe. | Be. 
‚Die fonfurrierenden Appar 
werden in drei Klafjen ei 


m FH 
. * 9— 


— —5—— 


Nro. 798-799. 


Klaffe I Geſamtgewicht mit einer 
Perſon unter 300 kg. 

Klaſſe II Gef — mit zwei 
Perſonen 300—600 k 

Rlaffe III Gefamtgewichtmitmehr 
als zwei Perjonen über 600 kg. 

Ale dieſe Beitimmungen find 
bisher noch nicht zu praftiicher 
Durdführung gelangt und werden 
aber jett erprobt, nachdem eine 
große Anzahl von Preiſen für den 
Stugfport er worden ift. 

F. A. I bat Gordon: 
ae vom Jahr 1900 ab au 
einen befonderen Wanderprei3 von 
72500 Frs. Wert nebſt einem gleich⸗ 
wertigen Geldpreis zur Verfügung 
geftellt, der alljährlich in Frankreich 
oder in Amerifaerfämpft werdenjoll. 

Sn Deutſchland hat Herr Dr. Karl 
Lanz einen Preis von 50000 Mark 
für die erfte deutſche Flugmaſchine 
geftiftet, welche 2'/, Kilometer im 
Fluge in Form einer 8 zurüdlegen 
fann. 

Wilbur Wright, der amerifani- 
Ihe Flugmafchinenfonftrufteur, ge⸗ 
wann am 31. Dezember 1908 den 
Michelin-Preis von 20000 Frs. 
duch einen Flug von 123,2 km, 
eine Entfernung, die er in 2 Stun: 
den 20 Min. 44 Sek. durch Rund: 
flüge zurüdlegte. Sollte fich da fein 
deutjher Zlugjportler finden, um 
den in feinen Anforderungen fo 
furchtbar bejheidenen in feiner Be- 
lohnung jo großartigen Lanz: Preis 
zu gewinnen ? 

798. Der Dradenfport. Er 
bejteht lediglich darin, den Leiftungs- 
wert der Konftruftion feitzuftellen, 
bei welchem außer der ſpezifiſchen 
Leichtigkeit Die Höhe und die Sta: 
bilität in Betracht gezogen werden. 
Der Dracdenfport gehört zu den 
billigften Luftiportvergnügungen 
und er ift überdies außerordentlich 
vielfeitig. 

Er läßt ſich auch verwerten, und 


Bermann W. 1. Moedeberk. 


beftrebt bleibt, auf größte Höhen 
regiftrierende Snitrumente hinauf: 
zufchaffen, oder photographifch, in- 
dem man an dem Draden eine 
Kamera befeftigt und von oben 
Aufnahmen madt, oder militärisch, 
indem man Menſchen zum Erkunden 
Ka Draden in die Höhe nehmen 
läßt. 


Die Entwicklung des Euft- 
fports. 


799. Der Schwerpunkt der Ent: 
widlung des Luftjport3 Liegt heute 
no im Luftballonfahren. Man be- 
gnügte fich früher mit den gemöhn- 
lichen Biedermeierfahrten, beidenen 
das Genießen der ſchönen Ausficht 
vom Ballon aus und das Bemwun- 
dern der verſchiedenſten Himmels⸗ 
phänomene. den alleinigen feichten 
Inhalt ded Sport? ausmachte. 

Bei uns in Deutfchland mwährte 
dieje etwas rüdjtändige Luftjport- 
auffafjung allgemein bis zum erften 
Gordon=Bennett-Wettbewerb in Pa⸗ 
ri8 im Sahre 1906 

Xeronautifhe Leiftungen ver: 
langten zuerit die Franzofen um 
das Jahr 1887 durch Organifation 
von Zielfahrten zwijchen mehreren 
Ballon? und durch Ballonver- 
folgungen dur Radfahrer. Beide 
Arten hatten einen militärijchen 
Hintergrund, der fich leicht auß den 
bei der Belagerung von Paris 
1870/71 gemadien böjen Erfah: 
rungen ableiten läßt. 

Im Jahre 1891 gab dann der 
Hauptmann Moedebed in jei- 
ner Arbeit „Gedanfen über den 
Luftſchifferdienſt“, die im Archiv für 
Artilleriee und Ingenieuroffiziere 
veröffentlicht wurde, die erfte Anz 
regung zur Charafterifierung ver 
Ichiedener Arten von Ballonfahrten 
für Die Ausbildung von Luftſchiffern. 
Er unterfhied damald: Dauer- 


zwar wiljenjhaftlih, indem man | fahrten, Weitfahrten, Zielfahrten, 


XII. Xuftfport. 


Hochfahrten und angewandte mili- 
täriſch⸗taktiſche Fahrten. 

Derjelbe nahm eine noch etwas 
erweiterte Einteilung dann in jei- 
nem 1895 erjdhienenen „Taſchen⸗ 
buch für Flugtechnifer und Luft⸗ 
ſchiffer“ auf und fuchte weiter in 
den von ihm gegründeten illuftrier- 
ten „Aeronautiſchen Mitteilungen” 
im Sahre 1898 dur den Aufſatz 
„der Sport in der Luftichiffahrt“ 
den deutſchen Luftſchiffervereinen 
die Ausübung eines friſchen Luft— 
fport3 mundgeredht zu maden. 

Inzwiſchen war der franzöſiſche 
Neroflub im Jahre 1890 in Paris 
durch Präfektorial-Erlaß geneh- 
migt worden. Angeregt durch das 
ruſſiſch-franzöſiſche Bündnis ſuchte 
derſelbe ſofort die von der neu⸗ 
begründeten franzöſiſchen aero⸗ 
nautiſchen Zeitſchrift „L'Asrophile“ 
aufgeworfene Frage, ob man nicht 
Deutſchland im Ballon nad) Ruß⸗ 
land hin überfliegen könnte, in die 
Tat umjufegen. Kühne Sports⸗ 
leute, wie Comte de la Baulk, 
Comte Caſtillon de St. Victor und 
andere fetten fich fofort diefe Auf: 
gabe und begannen damit den 
Sport der Weitfahrten. Eine erfte 
praftifche Organifation erlangte jo- 
dann der Ballonjport während der 
MWeltausftellung in Paris im Jahre 
1900, an welchem fihd damals 
deutſche Ballons nicht beteiligten. 

Gelegentlih der Konferenz für 
wiflenfhaftlide Luftſchiffahrt im 
Sahre 1904 zu St. Petersburg 
äußerte fodann Comte de La 
Vaulx gegenüber Herrn Dr. Bam- 
ler, dem damaligen Vorſitzenden 
des Niederrheinifchen Vereins für 
Zuftichiffahrt, und gegenüber Herrn 
Major Moedebed, der damals 
Vorſitzender des Oſtdeutſchen Ver: 
eins für Luftihiffahrt war, den 
Gedanten einer internationalen 
Bereinigung fämtlicher Quftjchiffer- 
vereine der Welt. Herr Dr. Bam— 


Nro. 799. 


ler bradte den Gedanken im 
Herbſt 1904 beim Deutjchen Luft: 
Ihiffertage in Leipzig befürmortend 
zur Sprade, der Vorſtand des 
Deutfen Luftſchifferverbandes 
nahm den Vorſchlag ſolcher Eini⸗ 
gung ſympathiſch auf und entſandte, 
nachdem in Uebereinſtimmung mit 
der Anſicht des Vereins im Jahre 
1905 beſtimmte Grundlagen feſt⸗ 
geſetzt waren, Herrn Major Moe: 
debeck nad Brüſſel, um daſelbſt 
über die Begründung eines inter⸗ 
nationalen Verbandes mit dem 
Somte de La Baulr aus Paris 
und dem EoMte D’Dultremont 
aus Brüffel in Porberatung zu 
treten. Das Reſultat diejer Be 
ratung, in der man ſich über die 

auptgrundfäße einigte, war die 

inberufung einer internationalen 
Konferenz am 12. Dftober 1905 in 
Paris. 

Auf dieſer Konferenz waren 
Deutfchland, Frankreich, Belgien, 
Italien, Spanien, England, Schweiz 
und Amerika vertreten. Sie führte 
am 14. Dftober zur Annahme von 
gemeinfamen Sabungen und Regle- 
ment3 und damit zur Begründung 
des „Snternationalen Luft 
ſchifferverbandes“, der „Fe- 
d&öration A6öronautigue 
Internationale“ (F. A. I), 
dejien Ehrenpräfident Profeſſor 
Sailletet und deſſen Borfiten- 
der Prinz Roland Bonaparte, 
wurde. 

Diefe „F. A. 1.” veranitaltet 
jeitvem alljährlich eine internatio-. 
nale Konferenz, die mit einem 
internationalen Wettfliegen ver- 
bunden wird. 

Der Amerifaner Gordon Ben- 
nett ftiftete bald darauf für die 
„F. A. 1.” einen Wanderpreis in 
Höhe von 25000 Fr., mit der Be⸗ 
jtimmung, daß derfelbe zum erjten 
Male im Jahre 1906 in Paris 
ausgefochten werden ſolle. Hier: 





Nro. 799. 
hin entjandte auch zum erjtenmal 
der Deutſche Luftichifferverband 
drei Ballons, um fich an der Weit- 
fahrt um den Gordon = Bennett: 
Preis zu beteiligen. Es zeigte fich 
leider, daß unfere in Biedermeier: 
fahrten groß gewordenen Ballon 
führer damals den internationalen 
Anforderungen nicht gemachjen 
waren. Der Preid wurde von dem 


Bermann W. T. Moedebeck. 


Te Er 
0 « 


fliegen zur Durdhführung kam, das 


mit dem Siege von Dr. Brödel- 
mann vom Berliner Berein für 
Luftihiffahrt endete. Leider hatten 
fih an diefem Wettbewerb an Aus- 
ländern nur die Belgier, Defter- 
veiher und Schweizer beteiligt, 
was bei linbefangenen mit den 
mindermwertigen Leiſtungen ver 
deutſchen Piloten beim nicht lange 





"420. Zeppelins £uftfchiff auf dem Bodenfee, 


amerifanifchen’Reiteroffizier Frank 
Lahm gewonnen und nach Amerifa 
gebracht. 

Inzwiſchen wurde die zweite 
Konferenz der „F. A. I.“ im Ok 
tober 1906 in Berlin veranftaltet 
und hierbei ein internationales 
Wettfliegen vom Deutfchen Luft: 
Ihifferverband in Berlin organifiert, 


h dejjen Leitung Herr Geheimrat 


Busley und Herr Hauptmann 
Hildebrandt troß aller Schwie- 


xigkeiten in geſchickteſter Weiſe 


durchführten und bei welchem zum 


erſtenmal in Deutſchland ein Sport⸗ 


vorher ſtattgefundenen Gordon— 
Bennett-Wettbewerb in Zuſammen⸗ 
hang gebracht wurde. 

In den treibenden Kräften des 
deutſchen Luftſports hatte ſich da— 
nach der feſte Wille feſtgeſetzt, alles 
daran zu ſetzen, um beim Gordon— 
Bennett-Fliegen in St. Louis im 
Oktober 1907 das verlorene Preſtige 
wiederherzuſtellen. Drei Ballons 
dorthin hatte der D. 2:3. be— 
willigt. 

Major Moedebed hielt zu— 
nächſt im Januar in Berlin einen 
Vortrag im Berliner Verein für 








XI. Lufffporf. 


Luftihiffahrt über den „Ballon: 
jport und feine nationale Bedeu 
tung“, in welchem er die Bieder- 
meierfahrten heftig befämpfte und 
Vorſchläge machte, innerhalb der 
Vereine den richtigen Ballonjport 
zur Ausbildung tüchtiger Führer 
zu pflegen. Gbenderfelbe organic 
fierte jodann im Mai in Mann: 
beim ein Wettfliegen von Ballons 
des deutſchen Luftichifferverbandes 
und regte ein gleiched im Juni in 
Düfjeldorf an, deſſen Organijation 
Hauptmann v. Abercron durd: 
- führte. Der Luftiport gewann da= 
mit an Leben und allgemeinem 
Intereſſe in Deutſchland, und wir 
hatten bereitS beim Wettbewerb 
der F. A. J. in Brüfjel 1907 den 
Erfolg, Herrn Oskar Erbslöh 
den erjten Preis und Herrn Recht3- 
anwalt Niemeyer einen weiteren 
hohen Preis geminnen zu jehen. 
Das Gordon-Bennett-Fliegen ſelbſt 
aber am 19. Dftober in St. Louis 
ſetzte allen Mühen die Krone auf, 
indem es ung gelang, den Gordon 
Bennett-PBrei® dur den Sieg 
Oskar Erbslöhs in der Weit- 
fahrt nach Deutichland zu bringen. 
Unfere anderen Biloten, Hauptmann 
v. Abercron und Ingenieur 
Medel, gingen ald dritter bezw. 
fünfter aus dieſem Wettfampfe 
hervor. 

Dem Luftjport waren damit für 
Deutfchland Tür und Tor geöffnet. 
Hierdurd und auch unter der Mit- 
wirkung der Erfolge des Grafen 
Zeppelin und des Major von 
PBarfeval mit ihren Luftichiffen 
nahm die Entwidlung der Luft— 
jchiffervereine einen riejenhaften 
Aufihmwung. Bis zur Niederfchrift 





Nro. 799. 


diefer Zeilen haben fich bereits 
30 Bereine für Luftſchiffahrt mit 
insgefamt 9000 Mitgliedern im 
Deutſchen Luftjchifferverbande zu- 
fammengefunden und neuerdings 
haben diejelben auch in Deutjch- 
land fi des Luftſchiff- und des 
Flugſports angenommen. Zwar darf 
man nicht vergefien, daß mit der 
Mafje nichts gefchafft wird, jondern 
nur mit der Dualität. Bei den 
vortrefflichen Eigenſchaften unſerer 





421. Graf Zeppelin. 
(Phot. Brandſeph, Stuttgart.) 


Nation darf aber bei guter An— 
leitung erwartet werden, daß es 
auch an der weiteren Ausbildung 
energifcher, Eluger und tüchtiger 
Führer nicht ermangeln wird. Das 
erhoffen mir mit unjerem Luft: 
Ichiffergruß : 
„Glück ab!“ 


ee | 


XI. Sportphotographie. 
Von 
Dr. ©. Kubfabl, Dresden. 


800. Einleitung, Begriff, Zwed 


und Umfang der Sportphoto- 


graphie. Am engjten Zufammen- 
bange mit einer ganzen Reihe ver- 
Ihiedener Sportarten wird heute 
ziemlich regelmäßig auch die photo- 
graphiſche Tätigkeit gepflegt. Der 
leichte Handapparat begleitet und 
auf Reifen wie auf Spielpläße oder 
Uebungsftätten. Verſchiedentliche 
Speziallameras find fonjtruiert wor⸗ 
den, um den befonderen Anforde- 
rungen einiger Sportzweige völlig 
gerecht zu werden. 

Die Lichtbildfunft nimmt neben 
dem eigentlichen Sportbetriebe eine 
bald größere, bald geringere Selbit- 
ftändigfeit ein. Perſönliche Wünfche 
können dabei ebenfo maßgebend 
fein, wie ſachliche Notwendigkeit. 
Ihrem Endziele nach charakterifiert 
fich diefe Sportphotographie in allen 
ihren Zweigen mohl vorwiegend ala 
Liebhaberphotographie, wenngleich 
gerade hier auch fehr oft eine Vers 
wertung der Aufnahmen zu gewerb- 
lichen oder wiſſenſchaftlichen Zwecken 
nachfolgt. Der Begriff der Berufs: 
photographie, der ſich heute im 
landläufigen Sinne noch auf die 
Herftelung von Bildnifjen erftrect, 
dürfte deshalb mit der Zeit Durch 
folde Vorgänge eine Erweiterung 
erfahren. 

Der vorliegende Aufſatz fol fich 
in der Hauptſache mit den rein 


techn iſchen Anforderungen be- 
faflen, die ſich aus den befonderen 
Berhältnifien der einzelnen Sport- 
betriebe für die Herftellung photo- 
graphifher Aufnahmen ergeben. 
Die Unterfheidung zwiſchen Lieb- 
baberei und Beruf fpielt dabei alfo 
feine Rolle, ebenjo wenig kommt 
es darauf an, ob die Bilder zum 


Berlauf, zur Reproduktion oder für 


rein perjünlide Zwede aufgenonts 
men werden. 

Aus den einleitenden Worten 
und aus dem übrigen Inhalt diefes 
Buches gebt ferner bereit3 zur Ge- 
nüge hervor, daß der Augdrud 
Sport für die Photographie felbft 
höchſt unangebradht wäre. Gerade 
im Gegenjage zu allen Leibes— 
übungen und Bewegungdarten dient 
fie als rein technifcheg oder Fünft- 
leriſches Bejchäftigungsmittel in 
Verbindung mit einem wirklichen 
Sportzweig der doppelten Aufgabe, 
entweder dad Wejen diejed Sports 
im Bilde zu zeigen oder aber die 
Natur und die Landſchaft, die bei 
diefem Sportbetriebe berührt wird 
und gemwiflermaßen den großen 
Hintergrund dazu abgibt, durch cha⸗ 
rafteriftiihe Aufnahmen feſtzuhal⸗ 
ten. So wird 3. 3. der Ballon- 
photograph die ſportlichen Einrich⸗ 
tungen feines Fahrzeuges und deſſen 
Vorbereitungen zur Auffahrt zeigen, 
daneben aber in der Hauptſache 


XIII. Sportphoingraphte. 


fein Augenmerk auf die Landichaft 
oder Woltenbildung vom ſchweben⸗ 
den Ballon aus richten. Als Sport 
im eigentliden Sinne fünnte man 
unter allen Teilen der Photographie 
höchftend die Jagd mit der Kamera 
bezeichnen, die fi mit der Auf- 
nahme frei lebender Tiere befaßt. 
Hier gipfelt der gefamte Zeit: und 
Geldaufwand einjchließlich der kör⸗ 
perlihen Anftrengungen ausſchließ⸗ 
lich in dem einen Hauptzwede, in 
der Erlangung des Bildes; alles 
andere, das Wandern oder Fahren, 
das Auskundſchaften oder Heran- 
fchleichen, da8 Belauſchen und Aus- 
harren ift fchließlid — genau wie 
bei der Jagd mit der Schußmaffe 
— nur Mittel zum Zweck. Wie: 
wohl dieje Tierphotographie alfo 
ftreng genommen nicht unter den 
Begriff Sportphotographie fällt, 
fondern einen jelbjtändigen Sport- 
betrieb mit photographiichen Hilfg- 
mitteln darjtelt, jo mag fie im 
Hinblid auf die Gleichartigfeit der 
phototehnifden Aufgaben am 
Schluſſe diejes Auffates mit er- 
wähnt werden. 

Der verfügbare Raum reicht nun 
zwar nicht im entfernteften aus, 
um bier auf alle Einzelheiten der 
viel verzweigten photographifchen 
Sportdarftellung mit einiger Boll: 
jtändigfeit einzugehen, immerhin 
fol aber überall da, wo Lücken 
offen bleiben, die Möglichkeit für 
eine weitere Drientierung durch ge= 
eignete Literaturhinmweife gegeben 
werden. 

Die Sportphotographie ift, ebenfo 
wie der Ausdrud Sport felbft, ein 
Sammelbegriff für eine große Zahl 
verjhiedener und vielgeftaltiger 
Untergruppen. Da die photogra= 
phiſche Kamera heute beinahe zu 
jedem Sportbetriebe mitgeführt und 
in Bewegung gejegt wird, jo finden 
‘wir fie auf den eng begrenzten 
Spielpläßen bei Tennis und Golf, 


Nro. 800. 


Polo und Fußball genau fo, mie 
auf weiten Reifen und kurzen Aus- 
flügen, in der Satteltajche des 
Reiters, im Automobil, am Fahr⸗ 
rad oder im Rudjad. Es würde 
fih nun kaum verlohnen, für jede 
Sportart einen eigenen Abjchnitt 
vol photographiſcher Ratjchläge zu 
johreiben, denn damit müßte man 


‚unvermeidlich in dutendfache Wie- 


derholungen verfallen. Unter den 
verjchiedenen Sportarten lafjen ſich 
mit Leichtigkeit eine Reihe von 
Gruppen zufammenftellen, bei denen 
in photographifcher Hinficht zweifel- 
[08 ganz gleichartige Verhältniſſe, 
fei es nun für die Aufnahme aus 
dem Sportbetriebe ſelbſt, oder aber 
für Darftelung der befuchten Ge- 
genden herrſchen. So Tann man 
unbedenklicherweiſe ale TZurn- und 
Ballfpiele, die innerhalb eines be: 
jtimmten Raumes auf geglättetem 
Sandpla oder auf grünem Rafen 
abgehalten werden, ferner auch alle 
Wettrennen zu Fuß, zu Pferd, zu 
Rad oder Automobil, wenn fie auf 
gefchlofjenen Bahnringen ftattfinden, 
einfah zufammenfaflen. Drittens 
dürften alle Land» und Wafjerreijen, 
die einem auögefprochenen Bewe- 
gungsfport ihre Durhführung ver: 
danken, gemeinschaftlich zu betrachten 
fein, ſoweit dabei die Darftellung 
der gewöhnlichen Landſchaft in Frage 
fommt. Ausnahmen von alledem 
müffen jedod) gemacht werden, wenn 
etwa befondere Anforderungen an 
die photographiſche Arbeitsweiſe 
und Ausrüſtung zu ſtellen wären. 
So ergeben fih 3. B. für mwinter- 
lihe Ausflüge oder für den Beſuch 
hochgelegener vergletjcherter Ge: 
birgsgegenden erklärlicherweije ganz 
andere Vorſchriften, als im Tief⸗ 
lande oder auf einer Ozeanfahrt. 
Derartige Sondergebiete der Sport⸗ 
photographie mögen den drei grö- 
Beren Sammelgruppen in einem 
vierten Abfchnitte folgen, fo daß 


Niro. 801. 


die weiteren Ausführungen fi in 
folgender Weife gliedern lafjen: 


1. Photographie des Spielplages, 
2. e der Rennbahn, 
3. - der Reife, 

4. — vom Ballon aus, 
5. 7 im Hochgebirge, 
6. n beim Winterfport, 
7 freilebender Tiere. 


Zu allen 7 Abfchnitten ſollen 
praktiſche Ratſchläge für die Aus- 
übung der Schwarzweißphotographie 
unter kurzer Berührung äfthetifcher 
Fragen gegeben werden. Da das 
haralteriftifchite Merkmal des Spor⸗ 
te8 im allgemeinen die Bewegung 
ift und unfere heutigen Mittel für 
bunte Photographie jamt und fon: 
ders jih nur für Stativaufnahmen 
von feitem Standorte aus und für 
ruhende Gegenftände eignen, fo 
bleibt das Spezialgebiet der Sarben- 
photographie von der Beiprehung 
ausgeſchloſſen. Ebenfo gehören Auf: 
nahmen im bededten Raume und 
bei Kunftliht nicht zu dem mit 
Sonne und Luft eng verknüpften 
Sportbegriff. 

Für ale Aufnahmen bemegter 
Gegenstände empfiehlt ſich in erſter 
Linie die Bermendung höchſt emp⸗ 
findlicher Platten, denn Films 
weiſen meiſtenteils einen geringeren 
Empfindlichkeitsgrad auf. Um allen 
Anforderungen gegenüber gerüſtet 
zu ſein, wird man auch orthochro⸗ 
matiſche, lichthoffreie Schichten 
wählen. Bei richtiger Wiedergabe 
der Farbwerte wird dadurch jede 
Ueberſtrahlung vermieden, die ſich 
nicht nur an den Konturen des 
Himmels, ſondern auch z. B. neben 
grell beleuchteten weißen Sport⸗ 
kleidern einſtellen könnte. Für die 
Entwickelung der Platten und na⸗ 
mentlich für kurze Momentaufnah⸗ 
men gelten ſelbſtverſtändlich die 
üblichen Vorſchriften, die in jedem 
Lehrbuche der Photographie zu fin- 
den find. Die verfhiedenen Mög- 


Dr. G. Ruhfahl. 


lichkeiten des Poſitivverfahrens 
unterſcheiden ſich in der Sport⸗ 
photographie erſt recht nicht von 
dem ſonſtigen Arbeitsgange, wohl 
aber wird bei der nunmehr folgen⸗ 
den Betrachtung der Einzelgruppen 
jeweilig die geeignetſte Form der 
Kamera und anderer Gebrauchs- 
gegenjtände zu erwähnen fein. 
801. Photographie des Spiel- 
platzes. Auf den privaten und 
öffentliden Sportpläßen un 
jferer Städte oder Badeorte werden 
zumeift nad engliidem Borbilde 
alle möglichen Ballipiele wie Ten- 
nis, Golf, Fußball, auch Polo zu 
Pferde und ähnliches gepflegt, ferner 
Turnreigen mit Stab, Keule oder 
Hantel geübt, Bewegungsfpiele ge= 
jpielt und im Winter auf natür- 
lider oder künſtlicher Eisfläche der 
Schlittſchuhlauf betrieben. Bei allen 
diefen körperlichen Uebungen bietet 
fi. dem geſchickten Photographen 
zweifello8 eine reihe Fülle von 
Szenen, die nicht allein jportliches 
Intereſſe befigen, jondern auch rein 
bildmäßig betrachtet als Darftellun- 
gen der menſchlichen Figur Beach⸗ 
tung verdienen. Aber wie jelten 
ſieht man doc gerade aus diejer 
heiteren Lebensſphäre ein geſchmack⸗ 
volles ſachgemäßes Bild. Entweder 
der ganze Spielflub erjcheint nad 
alter Unfitte in langen Reiben, 
liegend, ſitzend und jtehend mie 
eine lebende Mauer in 3 Etagen 
aufgebaut oder e8 werden Szenen 
gejtelt, die humoriſtiſch wirken 
folen und doch über das Banale 
nicht hHinausfommen. Zu den leidt- 
bewegten freien Spielbetrieben paßt 
gerade ſolch gezwungene theatras 
liide Haltung am allermenigjiten. 
Zweifello8 zählt die Aufnahme 
flotter wahrheitsgetreuer Spiels 
ſzenen, bei denen die Gruppie 
der Perſonen zueinander, ihre Stel- 
lung vor dem Hintergrunde, die 
Richtung ihres Blickes und die Hals 


ww“. mM m MM .ı TI FA 


XIII. Sporiphofographie. 


Nro. 801. 


tung ihrer Glieder unausgefegt auf3 | Handapparaten fommt die Form 
raſcheſte wechjeln, zu den fchwierig- | der Spreizen-Klappfamera mit Rah: 


ften Aufnahmen der Photographie 
überhaupt. Ein ſicheres Auge und 
Schnelle Entichließung gehört dazu, 
um bier mit der Kamera Augen- 
blicke fejtzuhalten, die einen wahren 
Eindrud von der Art des Spiel- 
betrieb3 geben und dabei aud) den 
äfthetifchen Anforderungen an ein 
gutes Bild ſowie den tedhnifchen 
Bedingungen für eine gute Photo- 
graphie entſprechen. Zu den letz⸗ 
teren beiden würde es 3. B. faum 
ftimmen, wenn etwa eine Figur 
ganz in der Nähe des Appa- 
rated geftanden hätte und nur 
teilweife ſowie in verſchwommenen 
Umriſſen auf die Platte gekommen 
wäre. Hieraus ergibt ſich ohne 
weiteres, daß nicht jede beliebige 
Kamera den Anforderungen ſolcher 
Aufnahmen gerecht wird. Vor leb⸗ 
haft bewegten Objekten bietet nur 
die Spielreflexkamera eine gemifje 
Gewähr fürzielbemußtesforgfältiges 
Arbeiten. Sie geftattet dem Photo⸗ 
graphen zunächſt alle Borbereitun- 
gen, das Einfegen und Deffnen der 
Kaſſette, das Spannen des Ber- 
ſchluſſes und Einſtellen der ge⸗ 
wünſchten Blende in Ruhe vor 
Beginn der Aufnahmetätigkeit zu 
erledigen. Wenn er dann das 
Objektiv gegen die Spieler richtet 
und ſenkrecht in den Lichtſchacht 
hineinblickt, ſo erſcheint ihm der 
künftige Bildausſchnitt in ganzer 
Größe auf der Mattſcheibe; er ſieht 
die Perſonen hin- und hereilen, 
kann mit der einen Hand die Scharf⸗ 
einſtellung des Objektives unaus⸗ 
geſetzt regeln und ſchließlich durch 
kurzen Druck der anderen Hand 
den ſchnell vorüberrollenden Schlitz⸗ 
verſchluß auslöſen. Keine andere 
Kameraform vereinigt in ſich dieſe 
drei Vorzüge von gleichzeitiger Be⸗ 
obachtung, Einſtellung und Auf- 
nahmebereitſchaft. Von den übrigen 


menſucher den Anforderungen noch 
am nächſten. Auf die raſche Ber: 
änderung der Einjtellung und die 
Verfolgung des Objekts auf der 
Mattſcheibe muß man zwar hierbei 
verzichten, kann dafür aber durch 
den Drabtrahmen, der die Bild: 
größe andeutet, wenigſtens noch die 
Vorgänge in voller Deutlichkeit 
beobadten und den Schlitzverſchluß 
vor der Platte wie bei einem Ge- 
mehr augenblidlih durch leiſen 
Drud in Bewegung feten. Bei 
allen übrigen Kameratypen dürfte 
ein guter Erfolg jehr vom Zufall 
abhängen, denn durch die Heinen 
Auffichts= oder Durchblickſucher läßt 
fih fein Bild in genügender Ueber- 
fichtlichfeit gewinnen. Auch laufen 
die Metallzentralverfchlüffe am Ob⸗ 
jeftiv gewöhnlich nicht rajch genug, 
um ſchnelle Bewegungen des Kör- 
pers, fliegende Bälle, flatternde 
Kleider und ähnliches ohne ftörende 
Unſchärfe wiederzugeben. Zu ver: 
bannen braucht man diefe gemöhn- 
lichen Amateurapparate aber des⸗ 
halb noch nicht von den Spielpläßen, 
denn dort gibt es ja auch Gelegen- 
heit zu weniger bewegten Aufnab- 
men. Erjtlich laſſen fich bei genauer 
Kenntnig des Spielbetriebes und 
mit einigem Geſchick der Beteiligten 
Spielfzenen ſehr wohl in voller 
Naturtreue jtellen; ferner fann man, 
falls es nur auf Erlangung von 
Porträts anlommt, die plaudernden 
Zuſchauer, die Genofjen beim Kom⸗ 
men und Gehen oder vergl. auf- 
nehmen. Auch bei folden Bildern 
vermeide man ftrengftend den Ein- 
drud des Gefünftelten und made 
die Aufnahme mittelft großer Blende 
und rajchefter Verſchlußſpannung 
lieber ganz ohne Vorwiſſen der Be: 
teiligten, anjtatt daß alle Augen 
nah dem Apparate gerichtet wer⸗ 
den, 
52 


I 


Neo. 802. 
Recht ausführliche und praktifche 


Dr. &. Ruhfahl. 


Den Sportphotographen interej- 


Anleitungen in dieſer Richtung | fiert auf den Rennbahnen nicht nur 


findet man aus der Feder von 
Dr. E. Ir menbach-Prag in der 
Zeitjehrift „Der Sportphotograph” 
(Berlag von Paul Förfter:Bres- 
lau), Sabrgang 1908, Nr. 1—8. 
Mehr noch vermag der ftrebfame 
Lichtbildner jedoch aus mujtergül- 
tigen Borbildern und beſonders aus 
der Betrachtung guter Kunſtwerke 
Nuten zu ziehen; Malerei und 
graphiſche Künfte haben fich gerade 
in neuerer Zeit die Vorteile zunutze 
gemacht, die der Fleidfame Sport- 
anzug in Fünftleriicher Beziehung 
von unferer Alltagstracht voraus 
bat, und man findet auf Kunft- 
ausftellungen nit nur Bildniſſe 
in Sporttradt aller Art, fondern 
gelegentlih auch Gruppen beim 
Spiel oder fonjtiger jportlicher 
Tätigfeit. Eine weitere und dauernde 
Gelegenheit zu folden Studien 
bietet die große Zahl von illu- 
ftrierten Zeitjchriften, deren flüchtig 
aufgenommene? und noch flüchtiger 
gedrudtes Bildermaterial zwar nur 
höchſt ſelten ein nachahmenswertes 
Muſterbeiſpiel enthält, dafür aber 
ſich umſo mehr zu kritiſchen Be⸗ 
trachtungen und Erkennung der 
Fehlerquellen eignet. Als ſelbſt⸗ 
verſtändlich wird ſchließlich voraus⸗ 
geſetzt, daß der Photographierende 
wenigſtens eine flüchtige Kenntnis 
von den Regeln des jeweilig dar⸗ 
geſtellten Sports und Spieles be- 
fist und fomit nicht in Gefahr 
gerät, vielleicht eine gute Photo: 
graphie von einer unjachgemäßen 
oder unmöglichen Szene zu ma: 


en. 
802. Photographie der Nenn- 
bahn. Hier follen die verjchiedenen 
dazu gehörigen Sportzmeige wie 


Reiten, Radfahren u. |. m. nebenbei | f 


auch im einzelnen und ohne das 
Moment des Wettbewerbs betrachtet 
werden. 


der Start, der Wetilauf und defjen 
Teilnehmer, fondern oft in nod 
höherem Grade der Zufchauerfreis 
und defien Verkehr auf den Tri- 
bünen, auf dem Sattelplag, am 
Totaliſator u. f. m. 

Man kann zunächſt für alle die 
Aufnahmen, die dem vielköpfigen 
Gewoge des Publitums oder der 
bloßen perjönlichen Darftelung von 
Wettläufern, Neitern, Nad- oder 
Motorfahrern gelten follen, die glei: 
hen Hilfsmittel wie für die im 
erſten Abſchnitt behandelte Photo- 
graphie auf Spielpläßen empfehlen. 
Die gewöhnliche Kamera mit einem 
Zentralverſchluß, der fi etwa auf 
Yo Sekunde befchleunigen läßt, 
bleibt verwendbar, während die 
Spiegelreflerfamera natürlich auch 
bier zu fichereren und gefchmad- 
polleren Ergebnifjen führen wird. 
Sie bietet nicht nur die Möglich: 
feit, den aufzunehmenden Bildaus- 
ſchnitt big zum letzten Augenblid 
vor der Verſchlußauslöſung haar— 
ſcharf einzuftellen und nad allen 
Richtungen hin genau abzugrenzen, 
fondern befigt den weiteren Bor= 
teil, dur lange Brennmeiten des 
Objeltives naturwahrere Bilder zu 
liefern, al® die mehr oder weniger 
mweitwintliden Handapparate leich⸗ 
terer Konftruftion. Hierzu fei an 
die Reiterbiloniffe erinnert, bei 
denen ein riefenhafter Pferdekopf 
vor einem dachförmig ſich abjenten- 
den Tierförper fteht und die menſch⸗ 
lie Figur nad) beiden Richtungen 
bin nicht in die Größenmaße hinein- 
paßt. Aehnliches Tann man an 
Automobilbildern beobadten, wo 
der Kühler des ſchräg nad vorn 
gerichteten Fahrzeugs in balbver- 
chwommenen und verzerrten Um⸗ 
riffen oft den ganzen Vordergrund 
einnimmt. Bei einer längeren 
Brennweite von etwa 18—24 cm, 


XIII. Sportphofographie. 


Nro. 802. 


wie fie in den Spiegelreflerfameras | man für hochempfindliche Platten 


9x<12 eingefegt werden, nähert 
ſich der perſpektiviſche Eindruck dem⸗ 
jenigen unſeres Auges ganz be— 
deutend, denn durch den weiteren 
Abftand zwifhen Kamera und Ob: 
jeft werden auch die Größenverhält- 
nifje nach der Tiefe des Bildes hin 
geſchloſſener und einheitlicher. Zus 
dem ift auch hier die Spiegelrefler- 
famera jeder anderen Form erſtlich 
durch die ftete Beobachtung des 
Bildes, ſowie zweitens durch die 
Möglichkeit raſcheſter Aufnahmen 
überlegen. Man Tann ein jagendes 
Pferd oder einen Rennfahrer, der 
im fchärfften Tempo auf der Bahn 
liegt, jelbitverftändlid nur dann 
wirklich photographieren, wenn der 
kurze Lichteindrud des eng geftellten 
und ſcharf geipannten Sclikver- 
ſchluſſes durch ein Objektiv von 
möglichſt hoher Lichtftärfe geleitet 
wird. Und da bei jolden Objek⸗ 
tiven wiederum mit fteigender Licht- 
ftärte eine fchnell abnehmende Tie- 
fenfchärfe verknüpft ift, die ftet3 
eine genaue Einstellung auf der 
Mattjcheibe erfordert, fo laſſen fie 
fi) eben nur mittelft der Spiegel- 
reflerfamera in voller Weife aus- 
nüßen. 

Sm Sntereffe einer genügenden 
Durchzeichnung des Negative wird 
man bei allen Sportaufnahmen die 
Belihtungsdauer gerade nur jo 
ſchnell bemefjen, wie e3 die Ge- 


ſchwindigkeit des bewegten Gegen- 


ftandes erfordert, um Feine Un- 
ſchärfen zu erhalten. Den Spiel: 
raum, den die jeweilige Platten- 
empfindlichleit etwa dann für die 
Belichtung zuläßt, gleicht man durch 
Einſchaltung kleinerer oder größerer 
Blendenöffnungen aus; für Ver: 
ſchlußgeſchwindigkeiten, die über 
— 


jedoch ſelbſt bei Verwendung licht- kennen waren. 


die volle Oeffnung beſtehen läßt. 

Eine ausführliche und gemein— 
verſtändliche Anleitung zur Ermit⸗ 
telung der richtigen Belichtung iſt 
im Kompendium der Photographie 
von F. Schmidt, Verlag Otto 
Nemnich, Leipzig, 10. Aufl. S. 80 ff. 
gegeben. Die abgebrudten Ge: 
Ichwindigfeitätabellen zählen eine 
Menge bemwegter Gegenjtände auf 
und find nötigenfall® leicht durch 
eigene vergleichsweiſe Schätzung zu 
ergänzen. 

Neben diefer ziffernmäßigen Be- 
ftimmung von Bewegungsarten mag 
noch an die allgemeinen Grundſätze 
für die Beurteilung von Bewegungs⸗ 
eriheinungen erinnert fein. Der 
Geſchwindigkeitseindruck ift umfo 
größer, je dichter der Beſchauer ſich 
am bemegten Objekte befindet und 
je mehr fi die Richtung feiner 
Sehftrahlen einer rechtmwinkligen 
Schneidung mit der Bewegungs: 
richtung des Gegenftandes nähern. 
Wir ftehen 3. B. dicht an einer 
gradlinigen Bahnftrede und jehen 
einen Schnellzug herandampfen. So 
lange er fern ift und unfer Blid 
nahezu der Gleisrichtung parallel 
läuft, fann man jeine Bewegung?: 
fortfchritte höchitend aus der lang: 
jamen Bergrößerung der Lofomotive 
folgern. Erft wenn er näher liegt, 
bemerft man, wie nad) und nad) 
die eine Flanke erjcheint und ſich 
raſcher und raicher an den feiten 
Gegenftänden der Landfchaft vor- 
ſchiebt. Der Blid macht langſam 
eine Drehung und vermag ſchließ— 
ih im Augenblicke des Borüber: 
ſauſens nicht3 mehr von denjenigen 
Einzelheiten zu unterfcheiden, die 
ınod auf 100 ja bis auf 50 m Ent- 
| fernung, während einer ſcheinbar 





Sekunde hinausgehen, dürfte | langjameren Fortbewegung zu er= 


Für die Photo- 


ftärkfter Objektive feine ſchädliche graphie wird man daraus die Lehre 
Weberlichtung eintreten, auch wenn | ziehen Fünnen, daß man in ſolchen 


Nro. 802. 


Fällen, ebenfo wie auf Rennbahnen 
oder Straßenrennen die Aufnahmen 
möglichjt ſchräg von vorn oder von 
hinten madt. Kommt es dagegen 
auf die Darftellung der Breitjeite 
wirklich an, jo findet man eine ähn- 
ih abjhwähende Wirkung des 
Gejhmwindigfeitseindrudes in der 
Vergrößerung des Abſtandes. Da 
bei wacdhjender Entfernung die räum⸗ 
lihe Ausdehnung gemwiflermaßen 
zufammenjchrumpft, jo mindert ſich 
natürlich ſcheinbar aud die durch⸗ 
meſſene Strede. 

Die umgelehrte Beobadtung kann 
man maden, wenn man jelbft von 
irgend einem bewegten Gefährt aus 
Aufnahmen machen will. So tanzen 
3. B. neben dem fahrenden Bahn: 
zuge die Telegraphenftangen in 
raſchem Rud vorüber, während die 
Ferne nur langfam zu mandeln 
jcheint. Einwandfreie Bilder kann 
man alfo in joldem Falle nur dann 
erhoffen, wenn man für die Auf- 
nahme einen Moment erhafcht, wo 
der Vordergrund feine hochragen⸗ 
den Gegenftände aufweilt und wenn 
man die Verſchlußgeſchwindigkeit 
aud) hier mit dem Grade der Eigen 
bewegung in Einklang gebradt bat. 
Bei der Ballonphotographie wird 
auf diefen Punkt gleichfalls zurüd- 
zugreifen fein. 

Ob man die gewählte Platten 
famera mit Einzel-, Doppel» oder 
Wechſelkaſſetten ausftatten läßt, ift 
zumeift Frage der Bequemlichkeit 
oder des Geldbeuteld. Nur wenn 
eine fehr rajhe Folge von Auf- 
nahmen gemadt werden foll, fo 
empfiehlt fi unbedingt die Ans 
Ihaffung einer Wechfelkafjette. Die 
heutigen Modelle find zwar koſt—⸗ 
jpielig aber ziemlich zuverläffig und 
laffen durch ſchnelles Heraus⸗ und 
Hereinftoßen eines feften Rahmens 
das Wechſeln der 12—24 Platten 
ohne Veränderung oder Schliefung 
der Kamera zu. 


Dr. G. Ruhfahl. 


Bei den Rennfporten im einzelnen 
treten binfichtlih der technifchen 
Seite der Photographie faum ſonder⸗ 
liche Abweichungen zutage, Dagegen 
fönnen die Öelegenheiten zu Tünft- 
leriſcher Arbeit jehr verſchieden 
fein. Während fi) 3. B. von den 
gebauten Radrennbahnen mit ihren 
überhöhten Kurven und glatten 
Asphaltflächen höchſt felten ein wirk⸗ 
lich geſchmackvolles Bild holen laſſen 
dürfte und die abgehegten Menjchen: 
leiber von Wettläufern oder Rad⸗ 
rennfahrern alle andere als einen 
äfthetiichen Anblid bieten, fann das 
Pferderennen auf grünem Wiefen- 
plan oder beim eleganten Sprung 
über Hürden, Wälle und Waſſer⸗ 
gräben ſehr wohl auch den Künftler 
reizen. Noch ungebundener und 
wechſelvoller find die Sagdreiten 
im freien Gelände, wenn das bunte 
Feld von Damen und Herren, von 
roten Fracks und Uniformen, der 
Häffenden Meute in fharfem Tempo 
über alle Hindernifle folgt. Sole 
Szenen, die ja au) von den Ma: 
lern mit Vorliebe gepflegt werden, 
geben von allen Bewegungsfport- 
arten vielleicht die Eindrüde der 
Lebendigkeit und des Wetteifers 
am allerglaubhafteften und künſt⸗ 
lerifchiten wieder, denn das Vor⸗ 
mwärtädrängen der ganzen Sagd- 
gruppe iſt nicht nur aus äußerlichen 
Merkmalen, wie flatternden SKlei- 
dern und Schleiern zu folgern, fon- 
dern die Haltung von Menſch und 
Roß und Rüde bringt in hundert 
fader Beränderung an jedem ein- 
zelnen Stüde dag Streben nad 
dem Ziele zum Ausdrud. An 
feiner der vielen lebloſen Sport- 
maſchinen ändert fi) durch ihren 
Gang das Eonftruftive Bild fo we⸗ 
fentlid wie beim jtehenden und 
gallopierenden Doppelmefen des 
Reiters. Am Fahrrad und Auto- 
mobil Tann man höchſtens aus der 
quellenden Staubjäule unter den 


XIII. Sporiphofpgraphie. 


Niro. 803. 


Pneumatiks auf den Vorgang einer | ftellungen benugt wird, findet in 
Ichnellen Bewegung fchließen; ohne | dem Ernemann-Kino-Fabrifat der 


folde Nebenerjcheinungen dagegen 
jtehen die Fahrzeuge als totes Eiſen 
in der Landſchaft. Etwas ähnliches 
gilt übrigen? auch für andere 
Sportgeräte 3. 3. für Motorboote, 
Sportſchlitten oder Schneejchuhe in 
der gleitenden Abfahrt. Nur nad) 
dem wechſelvollen Muskel- und 
Gliederſpiele des belebten Menſchen⸗ 
oder Tierförper® wird man bei 
allen Sportbetrieben unmittelbar 
die wirkliche Bewegung bemefien 
fönnen. Man wird daraus gleich- 
zeitig eine Fülle fünftlerijcher Ver- 
Ichiedenheit entnehmen, während 
die Majchinen nicht nur einander, 
fondern fogar fi ſelbſt troß der 
Bewegung dauernd gleichbleiben. 

Yür die beiden bisher behandelten 
Hauptgruppen von Spiel und Wett: 
rennen fommt neben der Einzel- 
aufnahme vor allen Dingen noch 
das photographijche Reihenbild, d.h. 
die Kinematographie in Frage. Bei 
der heutigen Verbreitung des leben- 
den Bildes bedarf es zweifellos 
nur eines kurzen Hinweiſes auf die 
zahlreich vorhandenen Beifpiele aus 
der Sportwelt, um überzeugend 
darzutun, daß feine andere Art der 
Darftellung den frifchen lebendigen 
Eindrud folder Rajenballipiele, das 
Moment der Spannung bei Wett: 
fämpfen und die Gefährlichkeit 
mander fportliher Unternehmung 
fo padend und eindringlich vor 
Augen zu führen vermag, wie eine 
bewegte Bilderreihe am Projektions⸗ 
ſchirm. Dabei ijt die Beichaffung 
eine® kinematographiſchen Auf⸗ 
nahme⸗ und eines Wiedergabe⸗ 
Apparates ſowie ihre Benützung 
durch den Laien heute weder 
mit außergewöhnlichen techniſchen 
Schwierigkeiten noch finanziellen 
Opfern verknüpft. Wer die Aus- 
‚gaben für eine große Ausrüftung 
ſcheut, wie fie bei Öffentlichen Schau: 


Ernemann⸗A.⸗G. in Dresden, einen 
preiswerten handlichen Apparat, 
der für alle Zwede des Amateurs 
völlig augsreiht und mit feinen 
lebenswahren Bilden auch in Fa⸗ 
milie und Haus manch bleibende 
Erinnerung fejtzuhalten vermag. 
Der Anſchaffungspreis für die Feine 
Kamera und die zugehörige Pro: 
jeftiongeinrichtung tft durchaus nicht 
höher, als der einer guten Aus: 
rüftung für Einzelaufnahmen etwa 
im Formate 9 X 12 cm; nur die 
Ausgabe für die langen Filmftreifen 
und deren PBervielfältigung ftellt 
fi natürlich teurer, wie das ge: 
wöhnlihe Negativ: und Poſitiv⸗ 
material. 

803. Die Photographie auf der 
Reiſe dürfte wohl überall beinahe 
das gleiche Gepräge tragen, d. h. 
dem Hauptzwede unterzuordnen und 
deſſen Bejonderheiten anzupafjen 
fein. Der moderne Kulturmenſch 
reift abgejehen von gejchäftlichen 
Fahrten, vorwiegend zum Bergnü: 
gen und zur Erholung Er will 
fih in beiden Fällen nicht fonder- 
lich anftrengen. Nebenher geht die 
böchft geringe Zahl wiſſenſchaft—⸗ 
liher Linternehmungen , die fich 
allerdings im Rahmen furzer Aus: 
flüge bis zu großen jahrelangen 
Erpeditionen ausdehnen können. 

Bon einer allgemeinen Ausübung 
der Photographie auf der Reije 
fann man überhaupt erſt fprechen, 
jeitdem die phototechnifhen Hand⸗ 
griffe durch Einführung des Tages- 
lichtrollfiims auf das denkbar ge= 
ringfte und bequemfte Maß be- 
Ihräntt worden find. Deshalb 
fommt für gewöhnliche Reifen, 
mögen fie nun zu Fuß oder mit 
irgend einem Fortbewegungsmittel 
unternommen werden, als Form 
des Aufnahmeapparates wohl aus: 


ſchließlich die flache Rolfilmfamera 


sg 


iin — — — 


Niro. 803, 


in Frage. 


Dr. G. Ruhfahl. 
Ihre Verwendung als Umſchläge von Wachstuch, Verband: 


Handapparat erſtreckt ſich natürlich | ſtofſen ufw. einwickeln oder Beutel 


auf alle Vorgänge und alle Gegen⸗ 
ſtände, die auf der Reiſe begegnen, 
und für den Zweck beſcheidener Er- 
innerungsbildchen reicht ſowohl ihre 
techniſche Konſtruktion wie auch die 
photochemiſche Wirkungsfähigkeit 
des Rollfilmmateriald® völlig aus. 

Die Rolfilmfamera ift, wie man 
furz gefaßt jagen kann, das photo- 
graphifche Univerſalhandwerkszeug 
der breiten, täglich machlenden 
Menge von Liebhaberphotographen 
und als ſolches fehr oft der Aus: 
gangspunkt für ernitere künftlerifche 
oder fpeziellere wiſſenſchaftliche und 
techniſche Studien. Ueber ihre 
Handhabung läßt ſich deshalb nicht? 
anderes vorjchreiben, ald was in 
jedem photographifhen Lehrbuche 
über die Photographie im allge- 
meinen erwähnt ift. Se nach der 
Art des Sportes aber, bei dem fie 
aufgeführt wird, können einige Zwei- 
fel nebenfädhlider Art auftauchen. 

So find Schmuß und Staub ge- 
meinjchaftlihe Feinde der Photo— 
graphbie wie der Landſtraße. Auf 
dem Fahrrad ebenfo mie auf dem 
Automobil genügt der Schuß durch 
die übliche Leder: oder Segeltudh- 
tafhen durchaus nit, wenn man 
wirklich gute fledenfreie Negative 
erhalten will, denn der Staub 
dringt in alle Futterale, die nicht 
luftoicht fchließen, ſehr bald ein. 
Aus den Tajchen wandert er fodann 
in das offene Gehäufe der Kamera 


und durch Luftkanäle, Fugen und. 


Deffnungen aller Art fchließlich in 
das Innere des Zentralverjchluß- 
werfe® und des Balgend. Wer 
alfo Störungen oder zum mindeften 
Verzögerungen in der Geſchwindig— 
feit des Berfchluffes vermeiden und 
feine Negative nicht mit Fleden 


‚und Nadelftichen überfät haben will, 


wird Apparat und Zubehör am 
beften in waſſer- und Iuftdichte 


daraus herftellen lajjen. Ein be- 
quemes und feſtes Anfchließen folcher 
Packungen erzielt man am einfachſten 
mitteljt einiger freuz und quer ges 
legter Gummibänder. 

In ähnlicher Weile, wie vor dem 
Staub, muß man die photographiſche 
Ausrüftung natürlich vor Näffe und 
dauernder Feuchtigfeit hüten. Auch 
hierzu find die erwähnten Stoffe 


für gewöhnliche Verhältniffe aus: 


reihend. Wer häufig in die Lage 
fommt, die Kamera auf längere 
Bootfahrten oder auf See mitzu⸗ 
führen, wird gut daran tun, fi 
von Anfang an eine jog. Tropen: 
tonftruftion zu kaufen, denn es 
leuchtet ohne meitered ein, daß 
3. B. hölzerne Geräte oder Papier: 
padungen für Tageslihtwechjelung 
bei Nebelmwetter und Morgentau die 
Feuchtigkeit annehmen und in ihren 
gleitenden Teilen verjagen müfjen. 
Die Kamerafabrilen ‚bringen des: 
halb Apparate in den Handel, die 
bereits ihrem Material nad) befon= 
ders jorgfältig gegen Feuchtigkeits⸗ 
einflüfje gefhügt find, durchweg 
aud Metall oder imprägnierten 
Hölzern beftehen und keine roften- 
den Teile aufmeijen. 

Die dazu mitgenommenen Ne: 
gativvorräte find gleichfalls in 
waſſerdichten Packungen aufzube- 
wahren, denn ſowohl Platten wie 
Rollfilms leiden erklärlicherweiſe 
durch längeres Lagern in feuchten 
Hüllen. Von den Fabriken werden 
Blechkapſeln in paſſenden Größen 
auf Beſtellung mit geliefert; für 
wirkliche lange Seefahrten oder 
tropiſchen Aufenthalt läßt man fie 
verlöten, dagegen genügt es jonft 
bereit3 volllommen, wenn man die 
Fuge der Blechſchachteln mit ge⸗ 
wöhnlihem SHeftpflafter überflebt. 
Rollfilms werden auch durd ftram- 


mes Ummideln mit Staniol einiger: 


— — — — — — — — 


— — — — 


XII. Sporfiphofographie. 


maßen geihüst, während dünne 
Pergaminpapiere einer nachhaltigen 
Einwirkung feuchterLuft faum wider: 
ſtehen können. 

Eine weitere Sorge des Sports 
photographen gilt auf der Reiſe 
dem Plattenwechſel. Zwar wird 
heute weitaus die größte Mehrheit 
der Amateure die Tageslicht- 
padungen für Roll: oder Flachfilms 
vorziehen; fie bezahlen dafür zwar 
einen fehr hohen Preig, der mit 
dem Kaufswerte des leiſtungs⸗ 
fähigeren und zuverläſſigeren Plat⸗ 
tenmaterials in ſehr ſchlechtem Ver⸗ 
hältniſſe ſteht, aber die unverkenn⸗ 
bare Bequemlichkeit in der Hand⸗ 
habung iſt für viele Leute zunächſt 
eben ausſchlaggebender, wie die 
Ausſichten auf den Erfolg. Wer 
jedoch nicht bloß maſſenweiſe Ge— 
legenheitsknipſerei treiben will, 
fondern der ganzen Sade auch 
ernitere Arbeit midmet, dürfte 
fchließlich ftet3 auf die Benützung 
von Glasplatten zulommen und 
damit aud die Mühe des Wechſelns 
mit übernehmen. 

Wenn eine befondere Dunkel⸗ 
fammer im Hotel zur Verfügung 
fteht und die finftere Nachtzeit nicht 
abgemwartet werden Tann, jo emp- 
fiehlt fi die Mitnahme eines ein- 
faden Wechſelſackes. Das oft ge- 
rühmte Plattenwechſeln in Schrän= 
fen und Kaminen, unter Mäntel, 
Deden, Betten u. dgl. kann nur 


als äußerfter Notbebelf gelten, denn. 


neben zmeifelhafter Lichtficherheit 
wird damit ftet8 auch eine mehr 
oder weniger jtarfe Berjtäubung 
der Kaſſetten verknüpft fein. Man 
mag deshalb ſchließlich lieber ein- 
mal von einer neuen Aufnahme ab- 
ſehen, ald durch folk unfichere 
Arbeitsweiſe die früher belichteten 
Platten eine3 ungewiſſen Erfolges 
halber noch nadjträglich der Gefahr 
des Zerkratzens, Beſchmutzens oder 
Zerbrechens auszujegen. 


Niro. 804. 


Bei einiger Erfindungsgabe wird 
man aber jelten auf jenen unbe: 
quemen Ausweg zu verfallen brau= 
hen, denn gewöhnlich findet ſich 
das Dienftperfonal gegen ein Trint- 
geld gern zur Mithilfe bereit und 
zeigt im Keller oder auf dem Boden 
einen geeigneten Raum, deſſen 
feines Fenſter ſich unſchwer mit 
Decken oder Betten lichtſicher ver- 
hängen läßt. Dort arbeitet es ſich 
dann weit ſicherer und freier, als 
in irgendwelcher gezwungenen Stel⸗ 
lung. Dan kann eine etwa mit- 
geführte Dunkelfammerlaterne be: 
nuten oder auch dafür einen Not- 
behelf treffen. Wo eleftriiche Be- 
leuchtung vorhanden ift, wickelt man 
zur Beleuchtung 3. B. um die Glüh— 
lampe ein Stüd roten Sherryftoffes 
wie er zur Beipannung von Dunkel: 
fammerfenftern verfauft wird. 

Die Berpadung der Platten ge= 
ſchieht am beiten in denſelben Schach: 
teln und in gleicher Weije, wie man 
die neuen findet. Müſſen die be= 
lihteten Borräte der Poſt anver- 
traut werden und dabei eine zoll: 
amtlihe Behandlung durhmaden, 
fo bringe man nit nur auf der 
Begleitadreffe fondern auch im 
Innern des Pakets offenfichtlich den 
Hinweis an, daß die Eröffnung der 
Einzelſchachteln nur in einem Dunkel⸗ 
raume vorgenommen werden ſoll. 
Alle größeren Zollſtationen ſind 
dafür eingerichtet. 

Ueber andere Sonderanforde— 
rungen auf Reiſen ſowie über photo⸗ 
chemiſche Eigenheiten aus gewiſſen 
Gebieten oder Jahreszeiten wird 
weiter unten bei der Behandlung 
der Hochgebirgs- und Winterphoto- 
graphie noch zu ſprechen fein. 

804. Die Ballonphotographie 
ift unter den fportlichen Spezial: 
zweigen der allerjüngfte, wenngleich 
photographiihe Verſuche von den 
primitiven Ballons aus bereits um 
die Mitte des vorigen Jahrhunderts 


Nro. 804. 


gemacht worden find. 


Dr. G. Ruhfahl. 
Sie trat mit Vorkehrungen gegen Fehlreſultate 


Hilfe der modernen photographiſchen wegen dieſes als „Sandplage“ zu 


Hilfsmittel erſt in Erſcheinung, 
ſeitdem die Luftſchiffahrt in den 
Bereich der Liebhaberſporte und der 
— Den Forſchung gezogen 
wurde. In der Lenkbarkeit der 
Luftfahrzeuge liegt natürlich auch 
für die Photographie noch ein weites 
Arbeitsfeld offen, das ſich beſonders 
für meteorologiſche und kartogra⸗ 
phiſche Zwecke in ungeahnter Weiſe 
erweitern dürfte. Da zur Aus⸗ 
übung folder Aufgaben zum Teil 
ſchon Eojtjpielige, meterlange Appa: 
rate vorhanden find, die über das 
Liebhaberinterefje des Sportsmanng 
weit hinausgehen, jo fallen der- 
artige Arbeiten natürlich nicht in 
den Rahmen dieſes Buches. 

Beſprochen werden ſoll deshalb 
lediglich da8 Pbotographieren vom 
freifchwebenden Ballon aus, wie e3 
bei Luftfahrten zur Herftellung von 
Erinnerungsbildern heute in Deutſch⸗ 
land bei den privaten LZuftfchiffer: 
vereinen regelmäßig gepflegt wird. 

Aug den Eigentümlicheiten ber 
Luftihiffahrt ergeben fich eine Reihe 
von Anforderungen, denen fich die 
photographiſche Ausrüſtung und Ar⸗ 
beitsweiſe anpaſſen muß. 

Ueber die Geftaltung der Auf: 
nahmeapparate findet man in einer 
kleinen Brofhüre der Dresdener 
Kamerafabrif von Hüttig-Q.-©. u. a. 
folgendes gejagt: 

Die bei Flarer Luft außerordent- 
lid guten Lichtverhältniffe, die 
einerjeit3 der Aufnahme ſelbſt zu- 
gunjten der Abkürzung der Belich- 
tungsdauer zuftatten fommen, er- 
fordern andererfeit3 Die größte 
Lichtdichtigfeit aller zur Aufnahme 
dienenden Apparate, Kafletten und 
Padungen. Die oft andauernde 
Ballaftabgabe, die beſonders wäh: 
rend des Fallens des Ballons das 
Eintreten von Sand in den Korb 
zur Folge bat, 


madt befondere. 


bezeichnenden Faktors zur Rotwen: 
digkeit. Es ift ferner darauf Rüd- 
fiht zu nehmen, daß feinem Teil- 
nehmer einer Ballonfahrt die Er= 
fülung gewiſſer Pflichten bei der 
Ballonführung erjpart bleibt, fo daß 
alfo eine ausſchließliche Bedienung 
der Kamera faft feinem Ballon: 
fahrer vergönnt if. - 

Möglichſt ſchnelle Bereitjchaft, 
raſches Wechſeln des Negativmate⸗ 
rials und einfachſte Verſchlußbedie⸗ 
nung ſind die erſten Gebote für 
die Ballonkamera. Dennoch muß 
die Möglichkeit geboten ſein, wech⸗ 
jelnder Beleuchtung undGeſchwindig⸗ 
keit in wirkſamer Weiſe zu begeg⸗ 
nen. Es iſt ferner zu beachten, 
daß bei dem beſchränkten Raume 
im Korb der photographiſchen Aus⸗ 
rüftung nur ein Minimum an Platz 
eingeräumt werden kann, fchließlich 
darfihr Gewicht die Ballaftmitnahme 
nicht zuungunften der Fahrtdauer 
beeinfluffen. Jedes Gramm iſt 
dem Luftſchiffer von größtem Werte, 
denn was dem Motorluftfchiff die 
Kraft ift, das ift für den freilchwe- 
benden Ballon der Ballaft; je mehr 
er mitführt, je länger Tann er den 
Fall dämmen und fid in den Lüf- 
ten erhalten. Sparjamteit in Maß 
und Gewicht zwingt mithin Die 
Ballonfamera und ihr Zubehör in 
enge Grenzen. Bor der Landung 
fol die Kamera ſchnell vor Befchä- 
digungen bewahrt werden können, 
fie muß daher bejonders ftabil ge- 
baut fein.” 

Der Ballonphotograph muß Die 
Aufnahmen aus freier Hand mit 
ſchräg abwärts gerichteter Kamera 
vom bewegten Standpunkte aus 
machen. Dazu gehört alfo vor 
allen Dingen ein Hand apparat, 
ein Durchblickſucher und ein fchnell- 
laufender Schlitverfhluß. Unter 
den handelsüblichen Modellen find 


XII. Sporfphofiographie. 


Nro. 804. 


die Klappkameras dazu am geeig- | Gelbjdheiben in der Färbung der 
netften, nur wird man für die | Kompenjationsfilter find das ein- 


Größe I X 12 cm mit Rüdficht auf 
die größeren Durchſchnittsentfer⸗ 
nungen Objeltive von 16—18 cm 
Brennweite verwenden und ſolche 
Gläſer wählen, die bei voller Oeff⸗ 
nung f6 oder £f7 randſcharf aus- 
zeichnen. 

Zu diefen vorhandenen Kamera 
formen find vor 2 Jahren Spezial- 
apparate in feiter Trichtergeftalt 
mit Riefenfernobjektiven von Zeiß 
und von Görz eigen? für Ballon 
aufnahmen in der Größe 9 X 12 
gebaut worden. Der Amateur wird 
ihrer faum bedürfen, denn abge- 
ſehen davon, daß die beſte Gewichts⸗ 
und Bildausnugung hier eigentlich 
durch quadratifche Formate gegeben 
wäre, jind jene Brennmweiten von 
50—80 cm für gemöhnliche Zmede 
der Ballonphotographie zu lang. 
Mit Rüdfiht auf den Luftfchleier 
über der Erde wird man etwa bei 
3—400 m Höhe die bejte Gelegen- 
heit zum Photographieren haben. 

Für dieſe normalen Anforde- 
rungen finden wir neuerdings ver: 
jhiedene Modelle. E83 find feite 
Holzkäften mit allen möglichen Be⸗— 
quemlichkeiten für die Handhabung 
im Ballonkorb und mit Schugmitteln 
gegen Sand. Beſonders praftijch 
find ſchräge Lederſchlaufen an den 
Seiten der Kajtenfamera, in die man 
die Hände einjchieben kann und die 
ein äußerft fejtes ruhiges Halten des 
Apparates ermöglichen. 

Beigegeben werden je nad Wunsch 
Einzel oder Wechfelfafletten. Hierzu 
werden feite Segeltuchtafchen ge- 
liefert, die in länglicher Form wie 
ein Yeuereimer, die Kafjetten und 
die Kamera während der Yahrt 
aufnehmen, fi am Korbrande an= 
fchnallen und nad) der Landung auch 
bequem in der Hand tragen lafjen. 

An ſonſtigen Hilfdgeräten braucht 
der Ballonphotograph ſehr wenig. 


zige, daS gelegentlich nützlich fein 
fann. 

AlszuverläffigftesNegativmaterial 
haben fich auch hier nur Glasplatten 
mit orthochromatifcher hochempfind- 
licher Schiht bewährt. Um aber 
fein unnötige® Gewicht zu ver: 
ſchwenden, kauft man Emulfionen 
mit dem dünnen und leichten 
Salingla?. 

Die Belichtungsdauer muß ſich 
bei der Beweglichkeit des Ballon- 
forbes in erfter Linie nad dem 
Grade der horizontalen oder verti- 
falen Flugichnelligfeit und erft in 
zweiter Linie nach der herrſchenden 
Lihtmenge rihten. Bei langjamer 
Fahrt und bei weiter Entfernung 
von der Erde genügt die VBerjchluß- 
ftellung auf etwa '/,,“, um eine 
genügend fcharfe Zeichnung auch 
für ftarfe Vergrößerungen zu er- 
halten. Kommt man dagegen der 
Erde bi8 auf 100—200 m nahe, 
oder trägt ein ſtarker Luftſtrom 
den Ballon fehr Schnell dahin, dann 
verſchieben fih die Verhältniſſe 
nah ähnlichen Grundſätzen, wie’ fie 
bereit3 bei der Photographie be— 
wegter Gegenftände beſprochen 
worden find. 

Das Verhältnis von Blende und 
Berfchlußfpannung bleibt unter dem 
Wechſel des Lichtd in den ver: 
ſchiedenen Tages- und Jahreszeiten 
etwa fo, als ob man von der Erde 
aus dunkle, hohe Gegenftände aus 
filometermweiter Entfernung auf 
nimmt; nur muß man vom Ballon 
aus im allgemeinen eine Kleinig- 
feit fürzer belihten. Für Auf: 
nahmen gegen jeitlih ftehende 
Wolkenmaſſen oder auf die blen- 
denden Wolfenmeere herab, über 
die der Ballon hinſchwebt, gilt nur 
etwa die Hälfte der Belichtungs- 
dauer, die man fonft für Wolfen- 
bilder verwendet. Dichtere Gelb- 


Neo. 805. 


ſcheiben können hierbei gute Dienfte 
leijten. 

Bei der Aufnahme von Land: 
ſchaftsausſchnitten fommt es kaum 
darauf an, daß die Kamera eine 
beſtimmte Haltung hat; nur wenn 
die Horizontlinie in das Bild ein⸗ 
bezogen iſt, pflegt man ſie auch 
hier wie in der gewöhnlichen Land⸗ 
ſchaftsdarſtellung genau wagrecht 
zu legen. 

Die Entwicklung von Ballon⸗ 
aufnahmen wird ſo geleitet, daß 
alle Einzelheiten klar zum Vorſchein 
kommen und Härten möglichſt unter⸗ 
drückt werden. Wer dies durch die 
Einzelhervorrufung nicht kann, er⸗ 
zielt leichte und ausgezeichnete Er⸗ 
folge mittel3 der Fokoentwicklungs⸗ 
dofe von 2. Lang: Dresvden, die 
mit einem verdünnten PByrogallus- 
entwicler zu füllen ift und unter 
völligem Luft: und Lichtabſchluß in 
einer halben Stunde überrajchend 
durchgearbeitete Negative liefert. 

Das Kopieren auf Papier oder 
als Diapofitiv erfordert fodann 
feine weiteren Bejonderbeiten. 

805. Die Photographie im 
Hochgebirge unterfteht als ein 
Teil der Landichaftsphotographie 
zunächſt deren allgemeinen Bedin- 
gungen in phototechnijher wie 
fünftlerifher Hinſicht. 

Sie bezwedt die Darftellung der 
Alpenländer oberhalb der bewohn⸗ 
baren Zone, muß in photographijcher 
Hinfiht mit befonderen Lichtver- 
hältnifjen und in touriftiicher Be- 
ziehung zumeiſt auh mit den 
Schwierigkeiten de3 eigenen Fort- 
kommens, der Unterkunft, der Witte 


rung 2c. rechnen. Selbſt an ſolchen 


Punkten, wo mit Kunftftraßen, 
Bergbahnen, Höhengafthäufern ꝛc. 
ein Stüd Bivilifation in die 
Gletfherregion vorgefhoben worden 
ift, unterſteht die Photographie 
doch noch den photochemiſchen und 
klimatiſchen Sonderbedingungen. 


Dr. &. Ruhfahl. 


Für alle Gegenftände einer al 
pinen Amateurausrüftung find die 
Anforderungen größter Leichtigkeit 
und zuverläffiger Handhabung zu 
ſtellen. Bermwidelte Arbeitsvor⸗ 
ſchriften, komplizierte Mechanismen, 
zeitraubende Vorbereitungen tau— 
gen nicht für Bergfahrten, wo 
Körper und Geiſt ermüdet oder 
durch äußere Eindrücke abgelenkt 
ſind. Der Platz zum Auspacken 
iſt oft gering und die Zeit zu 
ſolchen Arbeiten faſt immer knapp 
bemeſſen. 

Da die Abſichten der Touriſten 
ſehr verſchiedene ſind, ſo kann man 
feine der üblichen Handkamera— 
formen ausſchließlich für die Zwecke 
der Hochgebirgsphotographie em⸗ 
pfehlen. Für den einen bildet die 
moderne flache Rollfilmkamera das 
Ideal, andere ziehen es vor, nur 
mit Platten oder abwechſelnd mit 
Platten und Flachfilms zu arbeiten, 
gelegentlich Stativaufnahmen, Fern⸗ 
aufnahmen, Wolken⸗ oder Pflanzen⸗ 
bilder zu machen, kurz die Zahl 
der beſonderen Wünfche iſt fo groß, 
dag nur eine jehr ausführliche 
Darjtellung, zu der Bier der Raum 
mangelt, genügende Auskunft geben 
dürfte. 

Die aktiniſche Helligkeit der 
Hochregionen bildet den zmeiten 
Unterfchied gegenüber den gemöhn- 
lihen Lichtverhältnifjen im Tief: 
lande. Ihre Eigenart iſt wifien- 
ſchaftlich noch zu wenig erforjcht, 
um bejtimmte Angaben über den 
Zuwachs geben zu fünnen. Nur aus 
vereinzelten Beobachtungen läßt ſich 
annehmen, daß die Lichtjteigerung 
ganz regelmäßig in den verſchie— 
denen Höhenlagen fi fortfegt und 
über 4000 m mehr als da3 zehn- 
fahe vom Tieflande beträgt. 

Neben diefem Anwadjen der 
aktiniſchen Lichtwirkung erſchweren 
große Gegenſätze von Hell und 
Dunkel, von Schnee und Waldes⸗ 


/ 
1 


XIII. Sporiphofographie. 


grün, 
Fernen die Beftimmung einer rich⸗ 
tigen mittleren Belichtungszeit. 
Der gewöhnliche Grundfag, auf die 
dunkelſten Bildteile zu erponieren, 
führt hier gewöhnlich zu hundert: 
facher Ueberlihtung der hellen 
Zeile. Dazu treten feitlihe Aus: 
ftrablungen und Lichthöfe, die nur 
mit: den beiten Spezialplatten 
völlig unterdrüdt werden Tünnen. 
Nah alledem wird man aljo in? 
Hochgebirge orthochromatijch-licht- 
boffireie Platten von geringer Em: 
pfindlichkeit mitnehmen und fie in 
der nachfolgenden chemiſchen Be- 
handlung jo weih und zart als 
möglih halten. Wenn dies bei 
der Hervorrufung ſelbſt noch nicht 
ganz gelingt, kann man die tiefen 
Schwärzen des Negativ mitteld 
eines Abſchwächers noch nachträg⸗ 
lich mildern. 

Die Belichtungsdauer beſtimmt 
ſich im Hochgebirge ſelbſt für Berg: 
fteiger mit langjähriger photo: 
graphiicher Erfahrung nur äußerſt 
Ichwierig. Wenn man die ficheren 
Werte aus der gewöhnlichen Land⸗ 
ſchaft unter 1000 m Seehöhe je 
nah Tagesftunden und Monaten 
zugrunde legt, fo vergrößert ſich 
die aktiniſch wirkſame Lichtfülle, 
die dem menſchlichen Auge nicht 
einmal ganz erkennbar ift, mit 
fteigender Höhe nad) und nad bis 
etwa zum zehnfadhen. Neben der 
direften Sonnenbeftrahlung wirkt 
dabei je nad) der Dertlichfeit auch 
die Reflexion der großen Firn 
flächen mit, die ja ihrerfeitö ge- 
mwöhnli nad der Höhe zu aus: 
gedehnter, geſchloſſener und jchnee- 
reicher werden. Sehr geringen 
Anhalt zur Beantwortung der Be: 
lihtungsfrage bieten im Gebirge 
die handelsüblihen Mekapparate; 
nur das Altino III von Heyde 
gibt einigermaßen zuverläjfige Aus— 
tunft, wenn man fi) durd eine 


Niro. 806. 


von Nähe und endlofen | Reihe von Vergleihdaufnahmen an 


feine Bedienung gewöhnt bat. 
Diefe Vorbereitungen braudt man 
übrigend nicht während der foft- 
baren Reiſezeit im Hochgebirge 
jelbft vorzunehmen, ſondern kann 
auch die heimifhe Landſchaft und 
deren weißbewölkten Himmel dafür 
verwenden. 

An meinem Buche über „Hoch⸗ 
gebirgs- und Winterphotographie” 
(erlag von W. Knapp) finden 
ſich weitere Natjchläge für die ge- 
jamte Ausrüftung und Arbeits: 
mweife im einzelnen. Für künſt⸗ 
lerifhde Fragen der Hochgebirgs— 
dbarftellung fann man das Buch 
Mazels (Verlag von Gujtav 
Schmidt) zu Rate ziehen. Eine 
Reihe von Heineren Aufjägen über 
verſchiedene einſchlägige Themen 
find u. a. auch im Jahrgang I—IV 
des deutjchen Kameraalmanachs zu 
finden. 

806. Die Photographie beim 
Winterfport unterfteht vielfach glei: 
hen Anforderungen und Schwierig: 
feiten wie die Hochgebirgsphoto: 
graphie. Wer mit Rodeljchlitten 
oder Schneeſchuhen ins Freie zieht, 
trägt jein Gepäd ſelbſt. Schnee 
und Kälte ftehen der photographi- 
ſchen Arbeit zunädjft feindlich gegen 
über. Sorgfam muß man den 
Ruckſack oder die Taſche der Kamera 
vor Schneeftaub ſchützen, den der 
Wind oder eine eigene unvorfichtige 
Hantierung auch bei freundlichem 
Sonnenfhein nur zu fchnell auf: 
wirbelt. 

Alle Teile, die durch fcharfen 
el unbrauchbar werden, wie 

ummiblajen, Waſſerwagen, Wachs⸗ 
tuchfutterale wird man durch geeig⸗ 
netere Stoffe erſetzen. 

Mehr noch als in der wärmeren 
Reiſezeit gilt für winterliche Unter⸗ 
nehmungen der Wunſch, eine zuver⸗ 
läſſige, ſchnell gebrauchsfertige Ka= 
mera zu beſitzen. Da ſie beim 


Nerv. 807. Dr. G. Ruhfahl. 


Winterſport durch Stürze ihres zwar natürlich hier jede Kamera 
Trägers auch oft in unvermeidliche | verwendet werden, wer jedoch den 


Gefahr gerät, jo bedarf fie einer 
größeren Feſtigkeit. Das etwas 
veraltete, plumpe Modell der 
Magazinkaftenfamera ift darum für 
den Schneejport neben Rollfilms, 
Flach- und Univerjallamerad mit 
in den Kreiß der Betradtung zu 
ziehen, foweit vorwiegend land- 
Ihaftlihe Studien bezwect werden. 
Für Sportaufnahmen, Skiſprünge, 
Scdlittenrennen dagegen empfiehlt 
jih entweder die Spiegelrefler- 
famera oder als leichtere und 
kleineres Ausrüftungsftüd Die 
Spreizenflappfamera mit Sclib- 
verfhluß. Da zu gewöhnlichen 
Flachkameras anſetzbare Schlitz⸗ 
verſchlüſſe beſonders geliefert wer⸗ 
den, ſo kann man zur Not auch 
damit ſein Glück verſuchen. 

Der Winterfroſt ſtört oft genug 
nicht nur die Arbeit im Freien, 
ſondern auch die photographiſche 
Tätigkeit des Amateurs in der 
Dunkelkammer, weil dieſe nur in 
ſeltenen Fällen eine ſachgemäße 
Heizung zu beſitzen pflegt. 

Nach der äſthetiſchen Seite hin 
ſei daran erinnert, daß die warm⸗ 
braunen Töne der gewöhnlichen 
Chlorſilberpapiere ſich für Schnee⸗ 
und Winterbilder nicht recht eignen. 
Die froſtige Stimmung kommt 
beſſer zum Ausdruck, wenn man 
reinweiße Unterlage mit kalter 
ſchwarzer Bildzeichnung wählt, wie 
ſie Gaslicht-, Platin⸗ oder Pigment⸗ 
papiere liefern. 

807. Die Photographie frei 
lebender Tiere iſt der letzte Sonder⸗ 
zweig der Photographie, der kürzlich 
mit Nachdruck ins Leben gerufen 
worden iſt, vielerlei Intereſſen be⸗ 
rührt, ja dem ganzen naturfreund⸗ 
lichen Denken und Fühlen unſerer 
Zeit ſich in beſonders enger Weiſe 
anſchließt. 

Für Gelegenheitsaufnahmen kann 


Zweig hauptſächlich pflegen will, 
wird zu Spezialapparaten greifen. 

Für alle ſolche Kameras kann 
man zunächſt die lichtſtärkſten Ob- 
jeftive (f/3, 5—5) empfehlen. Ihr 
Nuten ift bei jchnellbeweglichen 
oder ſchlechtbeleuchteten Gegen⸗ 
ſtänden ohne weiteres einleuchtend, 
denn bier wird unter Umſtänden 
eine durchgezeichnete Platte nur 
mit jo großen Definungsverhält- 
nifjen zu erlangen jein; aber auch 
bei ruhigen und qgutbeleuchteten 
Dingen follte man ſie ftets mit 
voller Deffnung benuten, weil fie 
dad Objekt jelbft mit größter 
Schärfe zeichnen, den Hinters und 
Vordergrund aber als nebenfächlich 
zurüdtreten lafjen. Gerade für die 
wifjenfchaftliche Photographie kann 
die geringe Tiefenſchärfe der licht⸗ 
ftarfen Syfteme ſehr nußgbringend 
ausgebeutet werden. Um die Tiere 
in möglichſter Größe auf die Platte 
zu befommen, jind nidt allein 
außergewöhnlich lange Brennweiten 
der Normalobjeftive, fondern eigens 
fonftruierte, ſehr lichtſtarke Fern⸗ 
konſtruktionen zum Einbau in der⸗ 
artige „Jagdkameras“ geeignet. 
Görz und Zeiß haben große, 
ſchwere Gläſer bis zu 80 cm Brenn⸗ 
weite mit hoher Lichtſtärke und für 
kurze Kameras geſchaffen. Auch die 
Ballonkameras, die oben ermähnt 
wurden, dürften fih für Tierauf⸗ 
nahmen ganz gut eignen. Wer 
ſich hierüber, fowie über Yern- 
auslöfung, Plattenwechſel, Nacht: 
blige uſw. näher unterrichten will, 
findet in den Preigliften und fo- 
dann in den befannten Büchern 
von Meerwarth, Schillings 
und Gebrüder Keartong reid- 
ich Auskunft. Auch bereits das 
bloße Betrachten guter Tierbilder, 
wie fie jegt bei Voigtländers 
Verlag⸗Leipzig, bei Baul Bareys 


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XIII, Sporiphotographie. 


Berlin SW ufw. erjcheinen, bietet 
eine Duelle für eigene Gedanken 
in Menge. Daneben haben die 
photographifchen Zeitjchriften, wie 
Rundſchau, Mitteilungen, Kunft, 
Apollo ufw. das Thema in ihren 
Arbeitäbereih einbezogen, und 
Schließlich findet man in populär: 
naturwiſſenſchaftlichen Werten, 3.8. 
in den Veröffentlichungen des Ver⸗ 
ein? Kosmos-Stuttgart noch mei- 
tere Anregungen. 

"Da fi jeder Liebhaber eines 
folhen photographiſchen Spezial- 
faches mit der reichhaltig vorhan⸗ 
denen Literatur wohl jelbft auf das 
eingehendfte bejchäftigen wird, fo 


Nro. 807. 


Skizze natürlich kaum noch irgend 
welchen Wert. Diefe Zeilen mögen 
daher nur den fernerftehenden 
Amateur auf einen der vielen 
Wege aufmerffam maden, die für 
denjenigen noch offen find, der 
bereit? an der gelegentlichen und 
ziellofen Ausübung der Photo- 
graphie feine Freude mehr findet 
und im Begriff jtebt, fich eine neue 
Unterhaltung zu juchen. 

Aber nicht allein diefe Ausfüh- 
rungen über Tierphotographie, ſon⸗ 
dern auch die gefamte Schilderung 
der Sportphotographie überhaupt 
möge dazu beitragen, der photogra= 
phiſchen Kunft ihre ernithafteren 


bat für ihn als Kenner eine folche | Sünger dauernd zu erhalten und 


im 


engften Rahmen gehaltene | neue Freunde dazu zu ermerben. 


UCIEDUCIE TEE UCIH CHEF TREE REDE DE EBENE 


XIV. Die Hygiene des Sports. 


Von 


Dr. Julian Mareule, Partenkirchen. 


Ber von feinem eigenen Körper, feinem 
Wefen, was dieſer erfordert, wohin er deutet, 
was überhaupt aus ihm werben kann, gar feinen 
Begriff hat, wer nie umſichtig und klar über ſich 
gedacht hat und denkt, bei dem kann von irgend 
einer Kunft der Lenkung, Sührung und ridtigen 
Förderung bes eigenen Lebens feine Rebe fein. 
Wie man dem Lolomotivführer nur bann bie 
Mafchine übergibt, und er nur dann etwas leiften 
fann, wenn er feine Maſchine kennt, fo kann 
au der Menſch feinen eigenen Körper nicht 
leiten und Ienfen, wenn er ihn nicht kennt. 


Dygiene der Arbeit (der Be- 
wegung). 


808. Wozu Muskeln? Leben 
ift Bewegung, alfo ift auch der 
Sport in rein medanifder Auf: 
faffung nur ein beftimmter Aus 
drud gewiſſer Bewegungsformen 
und Arten. Bewegung aber ift 
geknüpft an das Vorhandenſein 
gewiſſer Gewebe, die in ihrem Bau 
wie in ihrem Chemismus be— 
ftimmte Funktionen auslöfen, deren 
Zufammenmirfen wiederum eine 
typiſche Lebensäußerung gebiert. 
In die ſinnliche Erſcheinung tritt 
als Hauptrepräſentant jedweder 
Bewegung der Muskel, jenes 
eigenartige Gebilde, das Herr über 
unferen Körper zu fein fcheint, 
während es doch nur Diener ift, 
aber als dienendes Organ ein Feld 


fo weiter Tätigfeit befigt, wie faum | 


Carus. 


ein anderes im vielverzweigten 
Haushalt des Organismus! Dienend 
nannte ich ihn, weil keine noch ſo 
geringfügige Muskelbewegung von 
ſtatten gehen kann, ohne daß das 
Kommando hierzu vom Willens⸗ 
impuls erfhallt und mittels der 
Nervenbahnen dem jemeilig in 
Aktion tretenden Muskelkörper mit 
geteilt wird, umfaflend feinen 
Dienft, weil alle Aeußerungen 
unferes Lebens, fie mögen fcheinbar 
noch fo fehr feiner Wirkungsſphäre 
entzogen fein, dur Muskelarbeit 
erfolgen. Gehen und Stehen, 
Atmung und Kreidlauf, Ernährung 
und Verdauung, fie alle bedürfen 
zu ihrem Zuftandelommen des 
Werkzeuge „Muskel“, ja feldft 
unfere jo fein fonftruierten Sinne8- 
organe erhalten ihre Fähigkeit zur 
Auslöſung der entſprechenden Wahr⸗ 


nehmungen durch kleine Fleiſch⸗ 


we) — 


XIV, Die Bygiene des Sports. 


bündel, die nad) beitimmten phyfi- 
kaliſchen Geſetzen fi zufammen- 
ziehen und wieder ausdehnen: 
Muskeln bewegen beim Sehen die 
Augäpfel und bewirken die Drien- 
tierung im Raum, Muskeln er- 
zeugen die Schallmellen beim 
Spreden, Mustelnvermitteln unjere 
Taft: und Gefühlgempfindungen. 
Saft 50°), unferes Körpers befteht 
aus Mustelmafje, und nimmt man 
hierzu die 15°/,, die das knöcherne 
Skelett umfaßt, jo dienen nahezu 
65 °/, den Zweden der Bewegung! 
Ein Maffenaufgebot von Kräften, 
deren Zahl proportional zu den 
Aufgaben fteht, die fie im Organis- 
mus zu erfüllen haben. Denn wo 
nur immer die Flamme des Leben? 
auffladert, da ift Mugtelfraft 
oder mechaniſche Energie im 
Spiel, da wird neben den im 
großen einhergehenden und oben 
erwähnten Lebensprozeflen jene dem 
Auge entrüdte, nie raſtende Arbeit 
geleiftet, die in den Endorganen 
des Lebens, den Zellen, Einfuhr 
und Ausfuhr von organiſchem 
Material regelt. Da wird die ein- 
genommene Nahrung gejpalten und 
zerlegt, in Gewebe und Blut um: 
gefegt, da werden die im Dajein 
verbrauditen und abgenugten Stoff: 
teile fo lange verarbeitet, bis fie 
als Luftftrom, als Schweiß oder 
Harn den Körper verlafjen können. 
So tief und fo umfaflend erjtreden 
fih Aufgaben und Funktionen der 
Muskulatur. 

809. Willkürliche und unwill- 
kürliche Muskeln. Es hiek, daß 
die Muskelgruppen des Körpers in 
ihrer Geſamtmaſſe dem Willen 
unterſtänden, dies bedarf für einige 
wenige einer Einſchränkung: Herz 
und Verdauungsorgane (Magen 
und Darm) find unabhängig davon, 
fie laſſen ſich willfürlich nicht be— 
wegen, erhalten feinen Antrieb von 
der Willensſphäre, und doch haben 


Nro. 809-810. 


auch jie im großen Getriebe des 
Lebens ihren bewegenden Sporn. 
Aber auch ihre Bewegungen regelt 
der Mechanismus des Gehirns, nur 
daß hierbei mehr die Form ber 
„Selbftfteuerung” wie die der will: 
fürliden Bewegung zutage tritt. 
Aber willfürliche Muskelarbeit wirkt, 
wie wir jpäter noch eingehender 
jehen werden, unmittelbar auch auf 
den Kompler der unmillfürlichen 
Muskulatur, jede Bewegung des 
Körpers beeinflußt Blutkreislauf und 
Herztätigkeit, Berdauungsapparat 
und Stoffmechfel! 

810. Eigenart und Eigenfchaft 
der Musfelarbeit. Muskel und 
Muskelkraft ift gleich bedeutend mit 
Arbeitsinftrument und Arbeits: 
leiltung, denn jeder Mustelbewegung 
entfpridt der Aufwand einer be- 
ftimmten Gnergie zur Erfüllung 
einer Funktion, die ineinander: 
greifend in andere Funktionen das 
gewaltige Räderwerk des menſch— 
lichen Organismus in Zirkulation 
erhält. Wenn wir einem Muskel 
einen Reizimpuls vom Nervenſyſtem 
her zuſenden, ſo tritt eine Erregung 
ein, der Muskel zuckt, ſeine Faſern 
ziehen ſich zuſammen, er ver— 
kürzt ſich. Durch dieſe Ber: 
kürzung werden Teile des 
Körpers einander genähert, es ent⸗ 
ſtehen alſo Bewegungen, und es 
wird Arbeit geleiſtet. Aber es iſt 
ein weſentlicher Unterſchied zwiſchen 
der Arbeitsleiſtung eines lebenden 
Muskels und der einer Maſchine: 
hier handelt es ſich um Bewegung 
von toten Teilen (Metall oder 
Holz), dort werden Hebel bewegt, 
die aus Knochen beſtehen, einem 
Material, das infolge feiner Zu— 
ſammenſetzung aus organischer und 
anorganifcher Subftanz eine bedeu: 
tende Feſtigkeit und Tragfähigkeit 
mit relativer Leichtigkeit und einem 
nicht geringen Grade von Glaftizi: 
tät verbindet. Durch ihre Gelent: 


Nro. 811. 


verbindungen befiten die Knochen 
eine hochgradigeBeweglichkeit gegen: 
einander, jo daß die zierlichiten und 
minutiöfeften Bewegungen ausge: 
führt werden fünnen. Alle Arten 
von Gelenten jind vertreten, 
Scharniergelenfe, wie wir fie ähn⸗ 
ih an unferen Türangeln fehen, 
an Kopf, Ellenbogen, Knie, Fingern 
und Zehen. Ein Zapfengelent 
zwifchen erftem und zweiten Hals⸗ 
wirbel, Kugelgelenfe an Schultern 
und Hüften. Wie der Mechaniker 
die Gelente fleißig ölt, um Reibung 
und Abnützung möglichit zu ver- 
hindern, fo der Organismus: eine 
jelbjttätige Schmiervorrichtung er⸗ 
hält die knorpeligen ſpiegelglatten 
Gelenkenden dauernd ſchlüpfrig. 

Knochen, Gelenke und Muskeln 
zuſammen vermitteln unſere Be— 
wegungen, und zwar erfolgt die 
Arbeitsleiſtung unter Aufwendung 
der geringſten Materialmaſſe, das 
heißt, es iſt in Anlage und Aus— 
führung nur ſo viel Muskelfleiſch 
vorhanden, als eben dem zu er⸗ 
füllenden Zwed im Gejamthausbalt 
des Körpers entipricht. Da jelbit 
im Rubezuftande die Mustelfafern 
immer leicht geipannt find, eine 
Eigenfchaft, welhe man als Ela⸗ 
ftizität des Muskels bezeichnet, 
fo ift die Fähigfeit, die Befehle des 
Willens blitzſchnell auszuführen, 
eine leichte. 

811. Der Muskelſinn. Ein wenig 
gehörtes Wort, wenigſtens Laien 
wiſſen mit dieſem Begriff nicht viel 


anzufangen, es fehlt die Vorſtellung, 


und doch welch unüberſehbare Be— 
deutung liegt in dieſem unſchein⸗ 
baren Wörtlein! Werkzeuge zur 
Bewegung des Körpers und der 
Gliedmaßen hätten wir in Muskeln 
und Knochen, aber wie plump, wie 
hölzern wär all ihr Wirken und 
Können, fehlte der Willensimpuls 
und mit ihm das Orientierungs⸗ 
vermögen über Raum und Größe, 


Dr. Julian Marcufe. 


da8 was wir Mustelfinn nen: 
nen. 

Diefer Mustelfinn, d. h. alfo 
die Fähigkeit, die Gliedmaßen zweck⸗ 
dienlih und derart zu gebrauchen, 
daß fie in genau abgeftimmtem 
Einklang für jede gemollte Bes 
wegung zuſammenwirken, ift ein 
Produkt höherer, allmählider Ent: 
wicklung und fommt durch Uebung 
von Auge und Hand, von Auge 
und Zub zuftande. Hier ftoßen 
wir auf einen neuen Begriff, 
der uns bisher noch nit gegen- 
übergetreten ift, den der Hebung. 
Was bedeutet derſelbe? Wenn 
wir irgend eine neue ungewohnte 
Handleiſtung vollführen, oder wenn 
wir zum Beilpiel zum erjten Mal 
einen Berg emporklimmen, den 
Schlittſchuh an unferen Fuß Schnallen 
oder etwas ähnliches unternehmen 

ollen, jo gelingt e8 entweder über- 
oe nicht oder nur unter Schwierig= 
feiten und mit Berluft von Zeit 
und Kraft. Wir haben nämlich 
außer den für die entſprechende Be- 
wegung nötigen, auch noch eine ganze 
Reihe überflüffiger Muskeln in Ber 
wegung gejegt, damit unnötig viel 
Kraft angewandt, mit einem Worte 
unzwedmäßig gearbeitet. Treten 
wir nun wiederholt an diejelbe Auf- 
gabe heran, dann lernen wir, die 
für den jeweiligen Zweck erforder: 
lihe Musfelarbeit — und nicht mehr 
— aufzumenden, mit andern Wor⸗ 
ten: wir pafjen ung an Weſen und 
Art der Arbeitleiftung an und er⸗ 
werben die Fähigkeit genauer und 
abgejtufter Regulierung des jemweilig 
erforderten Kraftaufmanded. Das 
ift dag Geheimnis der Webung! 
Dadurh gewinnt die Arbeit an 
Kraft und Ausdauer, die Bewegung 
jelbft wird freier und leichter, fie 
geht, wie man zu jagen pflegt, ſpie⸗ 
lend vor fi und diebeteiligten Mus⸗ 
feln nehmen an leiftungsfähigem 
Gewebe zu.. So ftoßen wir auf ein 


? 
* 


XIV. Die Bygtene des Sports. 


biologiſches Lebensgeſetz, welches 
lautet: Jede Leiſtung unſeres Kör⸗ 
pers als eines Bewegungsapparates 
beruht weniger auf der Kraft der 
Zuſammenziehbarkeit der Muskeln 
als vielmehr auf ihrem richtigen 
Zuſammenwirken. Man kann 
ſich Menſchen denken mit Muskeln 
wie der farneſiſche Herkules und 
doch unfähig zu ſtehen und zu gehen, 
geſchweige denn kompliziertere Be⸗ 
wegungen auszuführen. 

812. Das Weſen der Uebung. 
Das alltägliche Leben zeigt uns 
auf Schritt und Tritt die Wahr⸗ 
heit obigen Sates, jeder Beruf, 
der mit beftimmten Musfelgruppen 
zu arbeiten gezwungen ift, weift 
eine Zunahme derfelben auf. Und 
umgekehrt, je weniger wir durch 
Uebung unjere Muskeln fchulen, 
deſto unfähiger und ſchwächer wer: 
den fie, deſto weniger gebrauchs— 
fähig find fie für dieſelben Lei- 
ftungen, die mir vielleicht ein 
halbes Jahr vorher mühelos be- 
wältigt haben. Der Turner, der 
Klavierfpieler, ver Hochtourift, kurz⸗ 
um alle Berufd- wie Sportarten 
erfahren die Beweiskraft dieſes 
Sated. Und je öfter wir eine 
Bewegung üben, defto mehr können 
wir die anfangs unbedingt erfor- 
derlide Aufmerkſamkeit und die 
ftete Ueberwachung ihrer Ausfüh- 
rung miſſen, ja zulegt gehen diefe 
„geübten” Bewegungen rein 
automatijfch vonitatten, das 
heißt, die Erregung, die von un- 
jerem Willen auf die Muskeln ge- 
leitet wird, und die von Anfang 
an bei der Ausführung der Beme- 
gung unficher vonftatten gegangen 
ift, erfolgt jett ohne Anſpruch auf 
unjere Aufmerfjamfeit von felbft 
und zwar in einer durchaus zweck—⸗ 
dienliden Art und Weiſe. Die 
Mebung gejtattet alfo big zu einem 
gewiſſen Grade Bewegungen ohne 
jevesmalige Einjegung gejpannter 


Nro. 812—813. 


Aufmerkſamkeit zu vollführen, fie 
part damit an Hirnenergie und 
träftigt anderfeit3 die Energie- 
jpannung des arbeitenden Muskels. 

So mird Mugfelgymnaftit 
zur Nervengymnafjftif, bat 
doch der eigentlihe Mechanismus 
der zufammengejeßten Bewegungen 
feinen Sit im Zentralnervenſyſtem, 
fo daß Mebung in ſolchen Bemwe- 
gungen im wejentlihen nicht3 an- 
deres ift als Hebung des BZentral- 
nervenſyſtems! Bon welcher enor- 
men Tragweite die Erkenntnis diefer 
Zufammenhänge gerade für den 
Sport und feine Ausbildung ift, 
werden wir noch jpäter Gelegen- 
heit finden, näher fennen zu lernen. 

So nimmt es und nicht wunder, 
daß jelbft reine Geiftesarbeiten durch 
Uebung zu faft automatijchen Hand⸗ 
lungen werden fünnen, man braucht 
nur an dag Briefjchreiben vieler 
geiftig angeftrengter Menſchen zu 
denfen, an das Auswendigſpielen 
des Pianiften und vor allem im 
Hinblick auf das vorliegende Thema 
an die faft automatische Drefiur 
in der Abſchätzung von Entfernungen 
beim Turnen, der Touriftif, in der 
Ueberwindung von SHindernifjen 
beim Reiten, beim Bergjport, in 
der Abmehrbewegung beim Fechten, 
Tennisſpiel und vielem anderen 
mehr. Dieje Automatie vermittelt 
blitzſchnelles Handeln und ift daher 
auch für den Ermerb der Geiſtes— 
gegenwart, für das Erfaflen der 
Situation von außerordentlicher 
Bedeutung. 

813. Die Muskelenergie. Was 
wir an Bewegungen des lebenden 
Organismus jehen, alles ijt mit- 
hin zurüdzuführen auf die Tätig- 
feit der Muskeln. Um die Voll: 
fraft feiner Arbeit aber in die 
Wagfchale zu werfen, bedarf der 
Muskel, wie jedes Drgan, einer 
beftimmten Nahrungszufuhr, eines 
Erfaßes der durch die re auf- 


Nro. 814. 


gebrauchten Stoffe, denn jede noch 
fo geringe Arbeitsleiftung, mag 
diefelbe geiftiger oder förperlicher 
Natur fein, ift unlögbar verbunden 
mit einem Zerfall chemifcher Be 
ftandteile der Gehirnzelle oder des 
Muskels, der in feinem urſächlichen 
Entſtehen zurüdzuführen ift auf 
eine wefentlich erhöhte Saueritoff- 
aufnahme. Das im Augenblid der 
geiftigen oder Förperlichen Arbeit 
ſtärker kreiſende Blut liefert eine 
größere Menge des lebenzjpenden- 
den Sauerftoff an die Gewebe, in 
diefem Falle an die Musfeljubftanz 
und fommt zu einer Verbindung von 
Sauerftoff mit Kohlenftoff und Stid- 
ftoff, damit zur Verbrennung be- 
ftimmter frei gemordener Subſtan⸗ 
zen und das Reſultat Hiervon ift die 
Auslöfung von Energie und 
Wärme Was wir mit jeder Mu$- 
kelzuſammenziehung leiften, ift nur 
möglich durch Energieaufmand, was 
wir am arbeitenden Muskel em⸗ 
pfinden, ift Wärmeentwidlung. In 
diefem fortwährenden Verbrauch 
von Kraftvorräten und der Ent: 


Dr. Iulian Marrufe. 


nad, dies wenigſtens Haben die 
ſehr fchwierigen Forfhungen auf 
diefem Gebiet ergeben, um zwei 
nebeneinander laufende Vorgänge, 
einmal um die Bildung von Gift: 
ftoffen innerhalb des Muskelgewebes, 
von Stoffwechſelſchlacken, die der 
frifde Muskel zu verarbeiten, der 
ermüdete jedoch nicht mehr heraus: 
zuſchaffen vermag und weiterhin 
um einen mehr und mehr eintreten= 
den Mangel an Sauerftoff. Da 
legterer aber da ftete Herdfeuer 
der Verbrennung und damit der 
Energiebildung darftellt, muß fein 
Manko zu einem Erlöſchen der 
Kraftquelle und damit zur Arbeit3- 
fähigkeit führen. Die der ge— 
wöhnlide Hergang! Nun können 
aber Willendanjpannungen und 
Gemütserregungen bis zu einem 
gewiſſen Grade Ermüdungsgefühle 
unterdrüden (wir wiſſen ja alle, 
daß bei großen Creignifien im 
Leben, aber auch bei alltäglidhen 
Dingen, auf deren Grledigung 
innerhalb einer gewiſſen Zeit wir 


Wert legen, unjere Kraftleiftungen 


fernung der bei ven Verbrennnngs- ind ungeheure wachſen können) und 
prozefjen entitandenen Stoffmechfel- | fann vor allem die rhythmifch ein- 
Ihladen fpielt fi phyſiologiſch gefhobene, wenn auch noch fo Heine 
Musfelarbeit ab. Allein ein Per: | Erholungspaufe des ſich zufammen- 


petuum mobile ift der menjchliche | ziehenden Muskels auf die Erhal- 


Muskel nicht, auch ihm fchlägt die | tung der Kraftvorräte und damit 
Stunde, wo er zu verjagen beginnt, | auf die Arbeitdauer und Arbeits- 
wo er ermüdet, und die Er: |leiftung von ausfchlaggebender Be 
müdung ift der gefährlichite Feind | deutung fein. Alle rhythmiſchen 
jeder Arbeit, fie ift zugleich der | Bewegungen, taktmäßig ausgeführt, 
Warnruf der Natur: Laß ab, fonft führen ungleich ſchwerer zur Er— 
fannft du nicht weiter: Wir alle | müdung: man denfe nur an das 
fennen ja diejes Ermüdungsgefühl, | Führen des Hammers dur den 
da8 den einen rafcher, den andern | Schmied, an das Einjeten des 
langjamer befällt, das immer aber | Ruders beim Wafferjport, an die 
gefennzeichnet ift durch ein Nach- Schwimmbewegungen und anderes 





lafjen der Arbeitsfähigfeit bis zu 
einem allmählich eintretenden völ— 
ligen Stillftand. 

814. Ermüdung und Erholung. 
Beim Zuftandefommen der Ermü- 
dung handelt es ſich allem Anſchein 


mehr! 

Allein ein wirklider Ausgleich 
der Ermüdung und Erſchöpfung 
kann doch nur ftatthaben durch 
Erholung und Ruhe, jene 
beiden die lähmende Wirkung des 


XIV. Die Bygiene des Sports. 


Sauerftoffmangel3 und der Depo- 
nierung von Ermüdunggftoffen auf- 
hebenden Zuftände.. Schon eine 
kurze Ruhe genügt unter Umftänden, 
um dieje Gifteinwirfungen wieder 
zu bejeitigen. Sie gewinnen nur 
größere Ausdehnung, wenn ange- 
ftrengte Tätigkeit jo beträchtliche 
Mengen von Zerfallitoffen erzeugt 
bat, daß fie nicht fchnell genug 
“vernichtet oder fortgefchafft werden 
fönnen. Es iſt leicht verftändlich, 
daß die Zerjtörung oder die Aus- 
waſchung giftiger Stoffe aus den 
Geweben im allgemeinen raſch be= 
wertjtelligt werden kann, ungleich 
langjamer dagegen vollzieht fich der 
Erfag der Kraftvorräte und die 
Aufnahme neuer Beitandteile in die 
Gewebe. Wir werden daher er: 
warten dürfen, daß ein Teil der 
Arbeitsihädigung ſich fofort aus⸗ 
gleicht, während ein anderer Teil 
jener Wirkungen nur ganz allmäh— 
fich, innerhalb längerer Zeiträume, 
wieder verjchwindet. Die Ermar- 
tung wird durd die Erfahrung be- 
ftätigt. Wir wiſſen, daß nad kür⸗ 
zerer Arbeit die Ermüdungderjchei- 
nungen ſehr bald nadlajjen, daß 
aber wiederholte, wenn aud) ‚kurze 
Arbeitäzeiten nad und nad eine 
fortjchreitende Ermüdung erzeugen, 
welche bisweilen am nächſten Tage 
oder ſelbſt fpäter noch nachweisbar 
ift. Ja wir können jagen, daß im 
Gehirne des Menſchen und der 
höheren Tiere der Verbrauch unter 
allen Umftänden während des 
Wachſens dauernd höher fein muß, 
al? der Erſatz, da auch bei völligem 
Nichtstun Thon am Ende jedes 
Tages ein Zuftand von Ermübung 
erreicht wird, der nicht mehr durch 
einfache8 Ausruhen, fondern nur 
noch durch den Schlaf befeitigt 
werden Tann. 
815. Das Zufammenfpiel der 
Organe. Aus diejen wenigen Dar: 
legungen ift der ungeheure Wert 


Niro. 815 


der Erholung für den arbeitenden 
Muskel bereits erfichtlih, ja fie 
wird zur Lebendnotmwendigfeit, foll 
nicht durch unnötigen Verbrauch 
der Kräfteſtrom, der durch unſere 
Muskeln im Augenblick ihrer An— 
ſpannung zieht, in kurzem verſiegen. 
Und dieſe Wertung von Ruhe— 
pauſen und Erholung, ſie wird 
noch höher, wenn man den Kau— 
ſalitätszuſammenhang zwiſchen Mus⸗ 
kelarbeit und innerem Organleben 
an ſich vorüberziehen läßt. Machen 
mir uns einmal Kar, was in dem 
Körper eines Menfchen bei wech— 
felndem Spiel der Körpermusfeln 
vor fih geht. Die arbeitenden 
Faſerzüge brauchen Blut, Nahrung 
und Sauerftoff. Das Herz muß 
fih fputen, daß es die Anſprüche 
der tätigen Muskeln befriedigt und 
fügt mit raſchen kräftigen Puljen 
denjelben ihre Nahrung zu. Platz 
für dag frifhe Blut! Das ver- 
brauchte, verdorbene, ſchlechte muß 
ſchleunigſt zurück in das Herz, in 
die Lungen. Die Muskeln prefien 
es aus, wenn fie fih zufammen- 
ziehen. Die Atmung wird bejchleu- 
nigt, und in tiefen, ſatten Zügen 
fhlürfen die Lungen die frifche, 
wohlige Luft des Feldes, hauchen 
fie die giftige Kohlenfäure au®. 
Friſch und rein, voll GSauerftoff 
quillt daS lebensſprühende, hell: 
rote Blut in die Adern. Und 
indem die Bruftmusfeln angeftrengt 
tätig find, um das erhöhte Be— 
dürfnis nad) Sauerftoff zu befrie- 
digen, immer neue Luft in die 
Zungen zu faugen, faugen fie gleich- 
zeitig da8 Blut nach dem Herzen 
zurüd, das ſchlackenreiche dunkle 
Benenblut aus den Musfeln, aus 
dem Gehirn, aus den Verdauungs⸗ 
organen. Beſonders die Leber, 
dieſes große Blutrefervoir, hält 
Ausfehr bei Diefer allgemeinen 
Beichleunigung und Anfrifchung 
des Blutfreislaufs. Die Musfel- 


Nro. 816. 


arbeit madt aber auch warm. Die 
Haut rötet ſich, aus den weit ge- 
öffneten Boren bricht der Schweiß, 
der einen großen Teil der Stoffe 
fortſchwemmt, die für den Körper 
Ballaft und Schladen find. Und 
an allem nimmt dag wichtigfte Or⸗ 
gan des Menfchen, dag Gehirn, 
tätigen Anteil, auch fein Gewebe 
wird von diefem Anprall des 
friſchen Bkutſtroms mit in den 
Kreis erhöhter Tätigkeit gezogen. 
Friſche im Denken, Regjamleit in 
der Bewegung und als Refulianten 
hiervon Entjchlofjenheit und bliß- 
Schnelles Erfaſſen der Situation 
find fein Gewinn! So Freift der 
Lebensftrom, der durch Bewegung 
und Musfelarbeit immer von neuem 
angefacht wird, durch den Körper 
und zieht in jeinen Bannfreis 
Organ um Organ, im wechfeljeitigen 
Zuſammenwirken die Geſetze or- 
ganifchen Lebens erfüllend! 

816. Das Brennmaterial ‚der 
Muskelarbeit. Wir ſprachen ein- 
gangs von Berbrennungsprozeffen, 
die im arbeitenden Muskel dur 
die Verbindung von Sauerftoff mit 
Kohlenstoff und Stidftoff in jedem 
Moment feiner Wirkſamkeit, ja fo: 
gar jelbft im Ruhezuftande vor jich 
gehen und dag ewige Herdfeuer 
des Lebens mwachhalten. Woher nun 
diefe Stoffe, woher die Flüfligfeit, 
chemiſche Energie, wie fie in ihnen 
aufgejpeichert ift, umzumandeln in 
mechanische Arbeit und Wärme, wie 
fie bei der Muskelzuſammenziehung 
und Musfelleiftung zutage tritt? 
Denn darin allein bewegt fich ja 
der gejamte Prozeß, daß auf 
hemifshem Wege Energie frei 
wird und bei ihrer Einfchmelzung 
eine Kraft gebiert, die der Aus: 
gangspunkt mechanifcher, fichtbarer 
Arbeitsleiftung wird. Das Ge: 
heimnis, das in diefem Vorgang 
vor der Ummandlung der Kräfte 
liegt, ift zwar noch nicht Big zur 


Dr. Yulian Marrufe. 


letzten Schlußfolgerung enthülft, aber 
doch jo weit geklärt, daß wir die 


Grundprinzipien diefes Fundamen⸗ 


talgejfeße8 zu erfennen vermögen, 


die da lauten: Chemifche Energie 
nehmen mir allein mit der Nahrung 
und mit der Atmung auf — let: 
tere gibt ung ja den Allbezwinger 
Sauerfioff — und von den drei 
großen Nahrungsmittelfategorien 
Eiweiß, Kohlenhydrate und Fette 
muß, wenn wir förperliche Arbeit 
leiften wollen, ein beftimmtes Duans 
tum und Verhältnis in den Körper 
eingeführt werden, denn die Nabs 
rung dient einmal zur Erzeugung 
von Kraft in dem eben gefchilderten 
Sinne der Ummandlung ihrer che- 
mijchen Energie in mechanische Ar- 
beit und Wärme und weiterhin 
zum Erſatz der verbraudten und 
verarbeiteten Gewebsteile, zur Eli- 
minierung giftiger Nebenprodulfte. 
Dieje zahlreichen Aufgaben, in die 
fi die Nahrung mit der Ruhe teilt, 
find nur lösbar durch eine richtige 
Auswahl der in den Körper einzu- 
führenden Stoffe, und daher der 
mübevolle Weg, den Forfhung und 
Praxis gegangen, um dad Problem 
der die größtmöglichite Leiftungs- 
fähigfeit gemährleiftenden Nah: 
rungsform zu löſen. ind der 
ſchwierigſten, das die Wifjenfchaft 
fennt, fein Wunder daber, daß die 
Anjhauung hierüber von Jahrzehnt 
zu Sahrzehnt, man kann fait ohne 
Uebertreibung diefe fnappen Friften 
nennen, wechjelt und noch immer 
in einem gewiſſen Fluß begriffen 
ift. Nur das eine ſcheint heute ala 
ficher feftzuftehen, daß die ſouveräue 
Stellung, die man einftens in der 
Wiſſenſchaft, heute no in den 
weiteſten Volkskreiſen dem Eiweiß 
als kraftſpendendem Stoff anwies 
und anweiſt, weſentlich erfchüttert 
iſt zugunſten der beiden anderen 
Kategorien Kohlenhydrate und Fette, 
und daß ſie es ſind, die das Brenn⸗ 


XIV. Die Bygiene des Sports. 


holz; für die Erzeugung der Kraft 
abgeben, während das Eiweiß fich 
mit der Rolle des Erhalterd und 
Ernährers der Muskelſubſtanz felbit 
beſcheiden muß. Dieje Erkenntnis 
der Neuzeit bedingt einen gemalti- 


gen Umſchwung aller unferer An: | vermag nicht 


Nro. 817—818. 


land, nie bisher erlebten Umfang 
angenommen hat, und er im beiten 
Sinn vollstümlih geworden ift, 
erlahmt noch bis zu einem gewiſſen 
Grade die wiffenihaftlihe Beob— 
achtung gegenüber der Empirie und 
das Tomplizierte 


ſchauungen, der auch volkswirt- | Wechjelfpiel von Urfahe und Wir: 


Tchaftlih von größter Bedeutung 
tft: beruht fie doch in praxi darauf, 
Daß ein Teil unferer bisherigen 
Fleiſchkoſt — denn um dieje als 
hauptſächlichſte Repräfentanten des 
Eiweißes handelt es fich ja im we: 
fentliden — eliminiert und an ihre 
Stelle eine mehr vegetabilifche und 
fettreiche gefegt wird. Wie ſich 
dies im einzelnen zu gejtalten hat, 
welde Momente für dieſe ge— 
mifchte Koft als zuträglichfte und 
die Leiftungsfähigfeit fürderndfte 
ſprechen, ſoll ausführlicher im Ka- 
pitel „Ernährung“ noch gefchildert 
werden. 

817. Was erreichen wir nun 
organisch durch den Sport? Haben 
wir bisher die allgemeinen Ein- 
wirktungen förperlihder Bewegung 
und Arbeitsleiftung an fich auf den 
menſchlichen Körper zu ftiszieren 
verjudt, jo jol nun im folgenden 
die Beeinflufjung der hauptjächlich 
in Frage kommenden Organe durd) 
den Sport, als diejenige Form 
förperlier Arbeit, die an vor: 
liegender Stelle Gegenjtand unjerer 
Unterfuhung ift, näher betrachtet 
werden. Als Sprößling der Neu: 
zeit ift der Sport aus den Kinder: 
ſchuhen feiner phyſiologiſchen Er- 
kenntnis faum herausgetreten, ſchallt 
auch von Dach und Giebel der Ruf 
von feiner kraftſtärkenden, geſund— 
heitsfördernden, blutbildenden Wir- 
fung, und wie die Ausdrüde alle 
heißen mögen, die die Gegenwart 
ihm beilegt. Während feine praf- 
tiſche Erfaflung und feine Ein: 


fung Har zu durchſchauen. So 
fonnte es fommen, daß die Schä— 
dDigungen, die durch den Sport 
gejegt werden fünnen, erft alınäh- 
lich in das Bewußtſein durchgeſickert 
find, und daß ihre Interpretation, 
wie wir fpäter in einem eigens 
diefen Fragen gemwidmeten Kapitel 
erjehen werden, noch den vielfach 
ften Auslegungen unterworfen ift. 
Mad wir vom Sport und jeinen 
Einwirkungen auf den menschlichen 
Organismus in toto wie auf defjen 
einzelne Organſyſteme wiſſen — 
und unter „Willen“ die ftreng 
methodische phyfiologische Forſchung 
verstanden —, das rührt einmal 
von führenden Geiftern im Gebiete 
der Nervenheilfunde, vor allem von 
Moſſo und Kräpelin her und 
weiterhin von den erft vor wenigen 
Sahren unternommenen geradezu 
klaſſiſchen Unterfuhungen einer 
Reihe von Forſchern (Zung, 
Löwy, Müller und Cafpari) 
über die Wirfungen des Höhen: 
flimas und der Bergmanderung auf 
den Menjchen. Ihnen — denn ihr 
Studiengebiet erftredte fih nicht 
bloß auf den Alpinismus und die 
Hochtouriſtik, fondern auch auf alle 
anderen fportlichen Betätigungen — 
müffen wir folgen, wollen wir auf 
der Grundlage gegenwärtiger Er: 
fenntniS ung ein Urteil über jene 
jo folgenfchweren und dod fo un: 
ergründlichen Einwirkungen bilden! 

818. Wirfung des Sports anf 
die Muskulatur des Menſchen. 
Eine uralte Erfahrung iſt die, daß 


reihung in die Lebensgemohnheiten | Musfelgruppen, die regelmäßig ge: 
einen, wenigſtens bei ung in Deutjch- | übt oder die bei beftinnmten Berufs: 


Niro. 819. Dr. Julian Marcufe. 

arten zur Leiftung der jeweiligen eine einfeitige Ausbildung bejchränf- 
Arbeit regelmäßig gebraucht werden, | ter Muskelgruppen bezwedt wird, 
an Umfang zunehmen, was gleich: | wie dad Hammeln und Stemmen 
zeitig mit einem Erftarfen der Kraft | ſchwerer Gegenftände,, zahlreiche 
einhergeht. Diefe Zunahme an | Mebungen unferes deutichen Gerät- 
Fleifchfaferbündel ift ein direkter turneng, der langjame Schritt beim 
Eimeißanfaß, der einzige übrigens, Drill der Rekruten und vieles an⸗ 
der im ausgebildeten Körper des | dere mehr. Cinjeitige Körper: 
Menfchen ftatthat, und er erfolgt | Übungen hätten nur dann Beredh- 
dodurh, daB dag mit der Nah: tigung, wenn eine individuelle 
rung aufgenommene Eiweiß wohl | Verteilung derjelben ſtatthaben kann, 


infolge erhöhter Verbrennungspro: | 


zeffe, bei denen die oben erwähnten 
anderen Nahrungsmittelfategorien 
in Arbeit umgewandelt werden, 
ſich eher und reichlicher anfegen kann. 
Umgelehrt führt ihr Nichtgebraud) 
zur direften Abmagerung und Ber: 
fümmerung. Glieder, die eine 
Zeit lang in Gips gelegen haben, 
ja das bloße Bettliegen an fich 
ohne jedwede Erfrantung madt die 
Muskelbündel jchlaff, leiftungsun- 
fähig und mager. Das oben be- 
reit8 erwähnte Erftarfungsgefüpl, 
dag ein durch Uebung fraftvoller 
Muskel empfinden läßt, ift aber 
nicht bloß auf den Eiweißanſatz als 


legten Ausdrud der Hebung zurück⸗ 


zuführen, jondern vielmehr wohl 
auf die erhöhte Sauerftoffaufnahme, 
die mit jeder Zufammenziehung 
verbunden ift. 

Des ferneren wirkt Mustelarbeit 
auf die Eliminierung der fih im 
Augenblid der Tätigkeit vermehrt 
bildenden Endprodufte chemiſchen 
Umſatzes, die Kohlenfäure und 
Fleifchmilchfäure und andere Stoff: 
wechjelprodufte werden, bevor fie 
ihre ermüdende Giftwirfung aus: 
üben fünnen, am Drt ihres Ent: 
jteheng vernichtet oder in Regionen 
aefchleppt, mo fie ungefährlich find, 
all die natürlich unter der Vor— 
ausfegung nicht übermäßiger und 
damit ind Gegenteil Ienfender An- 
jtrengung. 

Hygieniſch unzwedmäßig find alle 
ſportlichen Uebungen, bei denen 


das beißt, wenn bei jedem Indi—⸗ 
viduum diejenigen Musfelgruppen 
einer erhöhten Tätigkeit unterzogen 
würden, die im gewöhnlichen Xeben 
bei der betreffenden Perſon zu rela- 
tiver Untätigfeit verurteilt find. 
Das erfordert jedoch ein derartiges 
Individualifieren, daß es im all- 
gemeinen faum ausführbar ift. Zu 
einer gewiſſen Anleitung hierfür 


mag folgendes Schema dienen, dag 
die Sportarten nennt, die die Ent- 


widlung einzelner Muskelpartien 
befonder8 begünjtigen: 

An den Armen, Beinen, Bruft 
und Rüden: Rudern, Schwim- 
men, Bergjteigen, Skilaufen, 
Polo, Fußball. 

Des rechten Armes und der un 
teren Gliedmaßen: Fechten, 
Hockey, Tennis, Kridet, Wurf: 
jpiele, Ballipiele. 

Der unteren Gliedmaßen: Marſch⸗ 
übungen, Laufen, Springen, 
Radfahren, Reiten, Schlittſchuh⸗ 
laufen, Zacrofle. 

Der Arme und der Bruft: Turn- 
übungen am Red, Barren, Pferd, 
Trapez, Klettern an Eeilen und 
Reitern. 

819. Wirkung des Sports auf 
Herz und Blutumlauf. Das Herz 
ift, wie eingangs ſchon ausgeführt, 
aud ein Muskel, und zwar ein der 
willfürliden Bewegung entrüdter 
und deshalb vielleicht der beitgeübte 
im menſchlichen Organigmus. Raſt⸗ 
108 arbeitet er Tag und Nacht ohne 
Unterbredung während des ganzen 


XIV. Die Bygiene des Sports. 


Lebens. Aber er Tann auch wie 
jeder andere Muskel bei übermäßig 
großen Anftrengungen ermüden und 
feine Ermüdungszeichen find eine 
Unregelmäßigfeit von Herz: und 
Pulsſchlag, ein Erlahmen der Kraft, 
was ſich durch ſtarkes Herzklopfen 
im Beginn, ſpäter durch direkte 
Hemmungserſcheinungen bei der 
Ausführung irgend welcher körper⸗ 
licher Leiſtungen bemerkbar macht. 
Von Grund aus falſch aber wäre 
es, jede geſteigerte Herztätigkeit, 
wie fie ſich bei ſtärkeren Beme- 
gungen, fräftigerer Musteltätigfeit 
bemerkbar macht, nunmehr al3 Be 
ginn einer Herzſchwäche anjehen zu 
wollen, ift doch jede dieſer Ver— 
änderungen des Ruhezuſtandes un⸗ 
ausbleiblich von den eben genannten 
Folgen begleitet. Die Grenze, wo 
der krankhafte Zuftand einſetzt, 
liegt in folgendem: Das Herz zieht 
ih in einer Minute 72mal zu= 
jammen, dem entjpridt eine Ar⸗ 
beitZleiftung von 52'/, kg, beim 
ruhigen Gehen fteigt die Pulszahl 
auf etwa 80, die Arbeitäleijtung 
auf 58,3 kg, beim fchnellen Gehen 
ift die Pulszahl 100, die Arbeits- 
leiftung ca. 73 kg, bei größten 
Musfelanftrengungen fteigt die 
Bulszahl auf 200—240. Mit Auf: 
hören der Mußfeltätigfeit kehrt die 
Herztätigfeit noch nicht zur Norm 
zurüd, das Herz wird alfo länger 
angeftrengt, und dieſes Verhalten 
des Herzen? ift um jo ausge 
fprocddener, je länger die Musfel- 
tätigfeit dauert. Dabei bleibt bei 
einem gejunden Menjchen die Herz- 
arbeit eine regelmäßige, nur das 
franfe Herz erleidet in jeiner Tätig: 
feit Unterbredungen. Inwiefern 
wirfen nun Muskelübungen auf 
das Herz ein? Durd die Ent- 
fahung der im Muskel vor fi 
gehenden Verbrennungsprozeſſe 
braucht derſelbe mehr Heizmaterial 
wie im Ruhezuſtande, die zufüh— 


Nro. 819. 


renden Gefäße werden daher in 
ein beſchleunigtes Tempo verſetzt, 
raſcher und behender geht der Aus⸗ 
tauſch der Säfte vor ſich und die 
Venen, die den undankbaren Dienſt 
haben, das verbrauchte Blut wieder 
zum Herzen zurückzuführen und die 
in ihrem trägen Dahinfließen nur 
felten geftört werden, aud fie 
müffen bis zu einem gemifjen 
Grade den Wettlauf im Dienjte 
des raftlo8 arbeitenden Muskels 
mitmaden. Und aus alldem re= 
fultiert ein energiſcheres und 
fraftvollere® Zujammen: 
ziehen aud des Herzmuskels, 
der den anftürmenden Blutinafjen 
der Arterien und Venen jeine 
Pforten öffnen muß. SHerzarbeit 
ift alfo in bohem Maße von 
Musfeltätigfeit abhängig, und daß 
die lettere, wenn fie mehr und 
mehr Anforderungen an die finn- 
reiche Mafchinerie des Herzens ftellt, 
nit etwa eined® Tages dieſelbe 
zum Berſten bringen Tönnte, auch 
dafür Hat die Natur in ihrer in- 
geniöjen Art gejorgt. Hierfür be- 
figen wir nämlid Schußvorrid- 
tungen, die dem Herzen einen Teil 
feiner Arbeit abnehmen und damit 
den etwaigen Anprall anſpruchs⸗ 
voller Nahbarorgane abmwehren. 
E83 find die VBenenflappen, 
nad innen vorragende halbmonds 
fürmige Falten, melde den Rüd- 
fluß des Blutes hemmen und es 
zwingen, fih in der Richtung des 
Kreislaufs fortzubewmegen. Jede 
Kontraktion eines Muskels bewirkt 
einen Druf auf die Venen und 
entleert fie in der Richtung zum 
Herzen. Bei der nachfolgenden 
Erſchlaffung kann die Wieder: 
füllung der Venen nur aus dem 
fogenannten Kapillargebiet, das 
beißt aus den feiniten Endver⸗ 
zweigungen des Gefäßſyſtems er- 
folgen. Se umfangreichere Mugfel- 
gruppen nun bei der betreffenden 


EEE EEE 


Nro. 820. Dr. Jultan Marruſe. 


Leiftung in Altion treten und je 
mehr in diefen Muskeln der Zu: 
ftand der Zujfammenziehung und 
Erſchlaffung wechſelt, um fo größer 
wird die Unterftügung des Herzens 
und jomit die Verringerung der 
Gefahr für dieſes Organ bei mari- 
malen Anftrengungen fein. Alfo 
werden Sportarten wie Rudern, 
Schwimmen undBergfteigen 
in der Einwirkung auf das Herz be- 
— empfehlenswerte Uebungen 
ein. 

Das oben erwähnte zeitenweiſe 
energiſchere und kraftvollere Zu⸗ 
ſammenziehen wird allmählich den 
Herzmuskel zu Höchſtleiſtungen er⸗ 
ziehen, ſo daß er Arbeitspenſen, 
die nach und nach und ſyſtematiſch 
größer werden — und darin liegt 
die ganze Quinteſſenz der Herz⸗ 
übung — ohne Ermüdung leiſten 
kann. Auch hier alſo allmähliche 
Gewöhnung an erhöhte Arbeits⸗ 
leiſtung, keine forcierten, bis zur 
Atemloſigkeit und zur totalen Er- 
Thöpfung gehenden Anftrengungen, 
die vereinzelt wieder überwunden 
werden können, die dauernd -aber 
zu nicht mehr auszugleichenden 
Schädigungen des Herzmuskels 
führen müſſen. Dies gilt vor 
allem für fchwere Kraftübungen, 
wie fie in der Athletik betrieben 
werden, für profeffionele Wett- 
fahrer, Wettſchwimmer und andere 
mehr. Eine mäßige Herzvergröße- 
rung ift, folange fie der Gefamt: | 
musfulatur entipricht, kein krank—⸗ 
hafter Zuftand, Fein SHerzfehler, 
jondern eine auf dem Wege der 
Anpafiung an die erhöhte Anfor- 
derung zujtande gefommene phyfto= 
logifhe Veränderung. 

820. Wirkung des Sports anf 
die Atemorgane. Herz und Lunge 
find ein Diosfurenpaar, in einem 
fo engen Verhältnis ftehen fie zu⸗ 


Atmung wird dad Blut im den 
Bruftraum angejaugt, und zmat 
erfolgt dies in der Phaſe der Ein: 
atmung, damit gelangt ed zum 
Herzen, und zwar im einer um ſo 
größeren Quantität, je tiefer die 


Atmung if. Die Saugkaft der 


Zunge ift alfo gewiſſermaßen ein 


Regulierorgan der Herz: und Kr: 
lauftätigfeit, und fie wirkt beſtim⸗ 


mend auf die Füllung der Gefähe 
mit Blut. Was diefes aber zu be: 
deuten hat, Haben ja die biäherigen 
Darlegungen bereits gezeigt: eine 
beffere Verſorgung der Nusleln 
mit dem foftbarften Saft, den fie 
benötigen, damit eine erleihterte 
Zeiftungsfähigfeit durch Vernichtung 
der Zerfal- und Giftftoffe, die 
wiederum rückwirkend das Her 
und fein Blutverteilungägebiet be 
einflußt und andererfeitd durch die 
Befchleunigung des Pfortaderkreis⸗ 
laufs in der Leber die Organe der 
Verdauung und des Stoffwechſels 
mit in den Kreis erhöhter Tätig: 
feit hineinzieht. Zugleich wird aber 
auch der Zungentreislauf ſelbſt durch 
die vertiefte Atmung beſchleunigt 
und im Austauſch mit der um: 
gebenden Luft vermehrte Sauer: 
ftoffmengen ein=, vermehrte Kohlen: 
jänremengen ausgeführt. Dadurch 
wird während der Einatmung der 
linken Herzkammer mehr ſauerſtoff⸗ 
reiches Blut zugeführt, als bei der 
Exſpiration und der Herzmuskel 
ſelbſt beffer ernährt. Daß die 
Lungen und ihre Wände, der 
knöcherne Bruſtkorb, bei vertiefter 
Atmung nicht leer ausgehen und 
ihr Gewebe wie die Rippenringe 
eine Erhöhung der Elaftizität, eine 
Kräftigung ihres ganzen Aufbaues 
erfahren, dafür bietet ja jeder, der 
ſyſtematiſche, vernünftige Atem: 
gymnaſtik bezw. Leibeszucht treibt, 
eitt lebendes Beifpiel. Die Tief 


einander, und jo fehr ift eind auf | atmung und damit das Atmungs⸗ 
das andere angewiejen. Durch die | training tft weiterhin aud) ein vor: 


Wiced 
Neroen 





XIV. Die Bygiene des Sporis. 


züglihes Mittel zur Erziehung der 
Nerven, zur Dämmung der Affelte. 
Wer hätte es nicht im täglichen 
Leben am eigenen Körper gefpürt, 
wie in Zuftänden ſeeliſcher Er— 
regung, tiefiter Gemütsbewegung 
die vertiefte Atmung ein Erleichte- 
rungs⸗ und Löfungsmittel ſelbſt 
böchfter Spannungen darftellt, und 
wie unter ihrem Einfluffe das ge- 
ftörte Gleichgewicht langſam, aber 
ſtetig wieder bergeftellt wird? Was 
ift gefchehen? Durch die abnorme 
Erregung der Nerven ift die At- 
mung gejtört, damit wird aber 
gleichzeitig infolge de3 engen Ber: 
hältniſſes zmwifchen Herz und Lunge 
die Kreislauftätigfeit beunruhigt 
und abnorm, die Gefäße des Hirns 
füllen fi ſtrotzend an — der ſicht⸗ 
bare Ausdrud davon ift die Blut» 
überfüllung : des Kopfes, — ein 
Gefühl unfäglider Hite und Er: 
regung zieht durch den ganzen 
Körper. Nun jegt, wenn wir dieſe 
Art Selbjtzucht gelernt haben, die 
Ziefatmung ein, und wie von einem 
Alp befreit fängt der Körper wieder 
an zur urjprüngliden Norm zurüd- 
zufehren. Zwar zittert die Be- 
mwegung noch einige Zeit nach, aber 
mehr und mehr glätten fich die 
MWogen, die blutgefülten Gefäße 
des Kopfes entleeren ſich, Herz: 
und Pulsſchlag, der vorher ſtür⸗ 
miſch dahinjagte, wird ruhiger, der 
Saugapparat der Zunge hat jelbft 
die höchſten Affekte überwunden ! 
Aus alldem leuchtet hervor, mie 
ungeheuer wichtig die methodijche 
Tiefatmung ift und wie wir Nuten 
und Wert fportlicher Nebungen da: 
nach beurteilen fünnen, inmwiemeit 


ſie diefe beeinfluffen und auslöfen | 


tönnen. Zu den Uebungen, die 
eine möglichft weite, ungehinderte 
- Entfaltung des Bruſtkorbs ver— 
- bürgen, gehört in erjter Reihe das 
fportlide Rudern. Unzmwed- 
mäßig find hingegen alle die Be: 


Nro. 821. 


tätigungen, bei denen die An 
faugung des Venenblutes nad dem 
ı Bruftforb Hin behindert if. Zu 
dieſen gehört das Stemmen fchwerer 
Gewichte, längered Geftrecthalten 
der Arme bei Freiübungen, ver: 
Ihiedene Gerätübungen beim Tur- 
nen, wie der Knidjtüg am Barren 
und andere mehr. in gleicher 
Weife wirkt auch zu eng anliegende 
Kleidung und, was für Touriften 
und Alpiniften beſonders wichtig 
ift, unzwedmäßig angebrachte® Ge: 
päd am Rüden, ſowie an der Bruft 
beengende Umbängeriemen (ern: 
glas, Feldflaſche). 

Vebung der Atembewegungen 
wie Stärfung des Herzmuskels 
muß vor allem dem jugendlichen 
Organismus zum Segen gereichen, 
find ihm doch ein kräftig ent- 
widelte®, leiftungsfähiges Herz, 
ein breiter, elaſtiſcher Bruſtkorb 
die wertvollften Errungenfchaften 
für das fpätere Leben. Zu diejem 
Biel binführende körperliche Be— 
tätigungen find für die beran- 
wachſende Jugend in erfter Linie 
Laufen und Springen, Spiele 
im Freien. 

821. Wirkung des Sports auf 
Stoffwechſel u. Wärmeregulation. 
Körperliche Uebungen erhöhen den 
Appetitund die Berdauungstätigfeit, 
das ift eine ſeit uralten Zeiten be- 
fannte Erfahrungstatjache. Der 
arbeitende Muskel braudht mehr 
Nahrung wie der ruhende, die Ver: 
arbeitung der eingeführten Nah 
rungsftoffe erfolgt rajcher und leb- 
hafter, daher ift einmal ein öfterer 
Erja notwendig und weiterhin die 
Ausnußung der Speifen eine er: 
giebigere, ein Moment, dag zugleich 
eine leichtere Ausſcheidung ver- 
arbeiteter und für den Körper 
‚ wertlo8 gemordener Maſſen an 
bahnt. Der Stoffverbrauh des 
' arbeitenden Muskels betrifft, wie 
Ihon einmal erwähnt, in eriter 











“ 


Pro. 822. 


Stelle Kohlenhydrate und Fette, 
Wort, das ſinnfällig ſchon die Be— 


alſo iſt ihre Einführung vonnöten, 
während Eiweiß, das vor allem 
der Erhaltung der Kraft und der 
Wärmebildung zu dienen hat, dieſer 
beiden Funktionen wegen in einem 
gewiſſen Verhältnis bei einer ra— 
tionellen Ernährung nicht fehlen 
darf. Da es aber eine höhere 
Verdauungsarbeit beanſprucht als 
Kohlenhydrate und Fette, die ſtick⸗ 
ſtofffrei ſind, den arbeitenden Mus—⸗ 
keln alſo mehr Blut entzieht, da 
es ferner die durch die Leibes— 
übung an ſich geſteigerte Wärme⸗ 
bildung noch erhöht, ſo iſt es nicht 
ratſam, bei körperlicher und fport: 
liher Betätigung eine beſonders 
eimeißreihe Koft zu genießen. Wie 
fie im einzelnen bejchaffen jein 
muß, wird das Kapitel „Ernährung“ 
noch näher darlegen. 

Sportlihe Tätigkeit erhöht die 
Körpertemperatur, die Hautgefäße 
füllen fi mit Blut, es beginnt 
jener für all unfere Lebensprozeſſe 
jo außerordentlich wichtige Stoff: 
wechjel der Haut, der von einer 
erhöhten Zirkulation und Wärme: 
produftion allmählich in das Sta: 
dDium der Schweißbildung und da= 
mit der Ausfcheidung Tchädlicher, 
ja ſelbſt giftiger Subftanzen über- 
geht. In 


haben wir mithin eine der wid | 


tigiten NRegulationsvorrichtungen 
unjeres Organismus zu fehen und 
ihre prompte Reaktion ift eine 
Borbedingung förperliden Wohl- 
befindend. Der Schweiß jchleppt 
eine Unzahl von Ermüdungsftoffen 
mit aus dem Körper heraus, er 
dient alfo zur Entlaftung nicht 
bloß des Stoffumfates an fich, wie 


vielmehr des arbeitenden und in | 


jeiner Arbeitäleiftung durch Die 
Zerjegungen in ſich gehemmten 
Muskels. 








Dr. Julian Marcufe. 


ein viel befanntes, viel gebrauchtes 


deutung, die man dem Sport für 
das Nerveniyftem im Volksmunde 
beilegt, ausprüdt. Wahr im Kern 
der Sade, unmahr in der Aus: 
fohließlichfeit der Auffafſung, die 
nur günftige Wirfungen dem Sport 
zufchreibt. Warum dieje Einfchrän- 
fung Dringend notwendig, das 
werden wir im Kapitel „Schäden 
des Sports” noch ausführlicher zu 
betrachten haben. 

Der Stoffwechfel des Nerven ift 
bis zu einem gewiflen Grade dem 
des Muskel verwandt, auch bei 
ihm findet im arbeitenden Zuftande 
ein Verbrauch ftatt, auch er muß 
Erſatz ſchaffen für die verloren ge— 
gangenen Stoffe, muß die ent- 
ftandenen Ermüdungsprodufte eli- 
minieren oder wenigſtens unjchäd: 
lih maden. Hierbei jteht ihm wie 
dem Muskel der Blutitrom zur Seite, 
der in jeinem nie ermüdenden Lauf 
dur den gejamten Körper reift, 
bier zeritört, dort aufbaut, überall 
aber die Spuren des Lebens und 
Schaffend den Organen aufprägt. 
Körperlide und geiftige Arbeit 
ftehen alſo mehr oder minder unter 
denjelben Lebensbedingungen, aber 
gewaltig verſchieden find ihre Aeu- 


der Schmeißbildung | Berungen und damit auch die Bahn 


ihres Zuftandefommend und die fie 
beeinfluffenden Momente. Gebiert 
förperlide Arbeitsleiftung mecha: 
nifhe Energie, die wir wieder um: 
jegen in beftimmte Berrichtungen, 
Handleiftungen und dergl. mehr, 
jo ſchafft geiftige Arbeitsleiftung 
Borftelungen, Gedankenbildung, 
Gedächtnis und Bemußtfeinsvor: 
gänge, furzum Dinge, die wir nicht 
ſehen und nicht greifen fönnen und 
die fich daher in der gemeiniglichen 
Auffafjung fo ſchwer vorjtellen Lafjen. 
Und nun die Brüde zwiſchen Sport 


822. Sport uud Nervenfyitem. | und Nerven oder vielmehr zwifchen 
„Der Sport ftählt die Nerven“, Sport und geiftigen Fübiäteiten: 


XIV. Pie Bygiene des Sports, 


Der Sport ſchult die Sinne3- 
organe, die einmal Empfindun- 
gen und weiterhin Borftellungen 
entſtehen laffen, er beeinflußt aljo 


fowohl unfere Gefühle wie unſere 


Berftandesbahnen, Und wenn mir 
die Stufenleiter derſelben durch⸗ 
gehen, jo werden wir überall die 
Einwirkungen des Sports bald 
auf die eine, bald auf die andere 
Kategorie unſeres Seelenlebens 
finden. Zwei unſerer Sinnes— 
organe werden durch ihn beſonders 
geſchult: das Auge und der 
Muskelſinn. Unter den Sport— 
arten, welche dieſe beiden vorzüg⸗ 





lich jchärfen, find vier vor allem 


zu nennen: Fechten, Lawn⸗Tennis, 
Polo und Alpinifti. Ale diefe 
Mebungen haben ein gemeinfam 
in ihrer Wirkung auf Körper und 
Nervenſyſtem, das ift die Koor- 
dination der Bewegungen. 
Man verftehbt darunter dag Ber: 
mögen, alle zu dem Zuſtandekom⸗ 
men einer bejtimmten Bewegung 
nötigen Muskeln in der zmedmäßig- 
ſten Weife zufammenmirfen zu 
lafien. Keine Bewegung unjerer 


Muskulatur ift nämlich eine ein= 
fache. Bei jeder derfelben haben wir | und Ausbildung, und hier find eg 


e3 mit einem Sneinandergreifen 
verſchiedener Muskelgruppen zu tun, 
und diefer Mechanismus wird um 
fo ſchwieriger, je fomplizierter die 
Körperbewegung ift, die wir auszu⸗ 
führen haben. Unfer Nervenſyſtem 
funktioniert in der Art, dab jedess 


| 





Nro. 822. 


am Ende jede Geſchicklichkeit in 
der Ausführung einer körperlichen 
Uebung und derjenige ift der beite 
Sportsmann, der Muskeln und 
ihre Widerpariner am zwerfmäßig- 
jten neben- und miteinander arbei— 
ten läßt. Das Erringen dieſes 
Kraftgefühlgs ift Aufgabe und Weſen 
des Sport3 und aus ihm reful- 
tieren Geiftedgegenmwart, 
Schlagfertigteit. Leibes— 
übungen wie Fechten, Ringen, Berg- 
fteigen, Reiten, Jagen verleihen 
und dieje jo außerordentlich mwich- 
tigen Errungenfchaften, und fie find 
gegeben in dem Wejen diejer Leis 
ftungen, deren Charafteriftitum der 
Kampf mit einem Gegner, fei es 
ein Menſch, ein Tier oder die Na: 
tur jelbit, ift. Turnen dagegen und 
FSreiübungen, felbft das Rudern, 
gewähren dieſe Ausbildung nicht, 
während beim Segeln wiederum 
dieje Seite des fportlihen Trais 
ning® beſonders geſchult wird. 
Die höchſten Funktionen des 
Menſchen aber find die pſychiſchen: 
Mutund Tatkraft, Frohſinn 
und Luſt zählen wir zu ihnen. Sie 
alle finden im Sport ihre Anregung 


vor allem wieder zwei, die alle 
anderen Sportarten weit nach dieſer 
Richtung hin übertreffen, das iſt 
das Wandern und der Alpi— 
nismus. Der Anblick der Natur 
in all ihrer erhabenen Größe, die 
fortdauernd wechſelnden Eindrürfe 


mal, wenn zu einer beftimmten ; im Zufammenhang mit dem Gefühl 


Mustelgruppe der Befehl gebt „Ar- 
beit”, zugleih zu den Muskeln, 
welde den entgegengejetten Be: 
mwegungen dienen, den jogen. Anta= 
goniften, das Kommando erjchallt: 
Seid auf der Hut, damit ihr im 
rechten Moment die Bewegungen 
der arbeitenden Muskulatur hem—⸗ 
men und modifizieren fünnt. Auf 
diefem Zufammenarbeiten der Mus— 


der Leiſtungsfähigkeit und Leiſtungs— 
möglichkeit, der Uebermindung von 
Hindernifien, mobei die Empfin: 


dungen des Wetteifers und Ehrgeizes 








mit hineinfpielen, all das wirkt auf 
unferSeelenvermögenin harmonijch- 
fter Weife und beflügelt unfereförper- 
lichen und geiftigen Negungen. So 
bilden fich unter dem Einflufje des 
Sport3 und mit Zuhilfenahme der 


fein und ihrer Antagoniften beruht , Musfelarbeit direkte Bemuptjein?- 


Niro. 823. Dr. Julian Marrufe. 


vorgänge aus und nirgends ift der | Wortes verftanden, zujtande kom⸗ 
Vebergang körperlicher zu geiftiger ! men können. Alſo muß bis zu 
Tätigfeit und Leiftungsfähigkeit jo | einen gewiflen Grade dag Geheim- 
ausgeiprochen wie gerade auf die= | nis der Leiftungsfähigfeit auf fport- 
jem Gebiete. So jchleifen wir all- | lihem und allgemein gejundheit- 
mählich die Bahnen unjerer Gang= lichem Gebiete in der Uebung und 
lienzelen als der Zentren des ihrer ſyſtematiſchen Ausbildung, 
Geiftesleben? zu bemußtem Hans letzteres auh Training genannt, 
deln aus und mit ihnen verknüpfen | liegen. 
wir eine Uebung unferes gefamten | .Der geübte Muskel hat es ge— 
Körperjyfteng, die auf alle unfere | lernt, haushälteriſch mit feinen 
Organe ohne Ausnahme im Sinne | Kräften umzugehen, zu ſparen wo 
der Erhaltung und Kräftigung eins | zu fparen ift, die Arbeit einzu 
wirkt. teilen, mit anderen Morten, er 
Und faflen wir nunmehr nad | vermag e8, fih an die an ihn ber- 
abjchließender Betrachtung der Ein- | antretenden Forderungen anzu 
flüffe des Sport auf den menfdj= | pafjen, bier zuzugeben, dort einzu⸗ 
lihen Organismus unfere Schlüffe | Schränken, im vollen Sinne des 
zufammen, fo lauten bdiejelben: | Wortes hauszuhalten und je nad 
Durhb vernunftgemäße | Bedürfnis feinen Verbraud zu 
fportlide Tätigfeit erreis= | regeln. Unferem Denken unbemwußt, 
hen wir einAnwadhfen un: |alfo unwillkürlich, findet dieſer 
ferer Körpermusfulatur, | Taufhhantel ftatt und fein Ergeb- 
eine Stärfungdes Herzen nis ift das jedes richtig geführten 
und der Lunge, eine Hebung | Haushalts, ein Eriparnig an Gut 
des Nervenſyſtems und eine | und Blut, eine Häufung des Ver— 
Stähblung und Stärkung | mögend und zwar der immobilien, 
unferer pſychiſchen Funk- | im vorliegenden Fall der Muskel— 
tionen. ſubſtanz. So wird ein geübter 
823. Hebung und Training. | Muskel an einzelnen Bündeln und 
Was Uebung in fportlicher Bedeu: | Fafern reicher, voller und damit 
tung für ein Wertmaß bat, Haben | kräftiger, und da der kraftvolle 
wir bereit3 kurz in den einleitenden | Muskel Arbeitsleiftungen leichter 
Kapiteln kennen gelernt, ihr Wefen | und mühelojer zu vollbringen im- 
und ihre phyſiologiſchen Nußeffekte | ftande ift, wächſt das Vertrauen in 
follen der Gegenftand vorliegender | die zu erfüllenden Anforderungen, 
Betrachtungen fein. Wir haben ge: es fett ſich tatlählid Mustel- 
jehen, daß durch Uebung die ge: inNervengymnaftifum. Dazu 
übten Musfelgruppen an Umfang | Tommt noch eins, was als fchwer- 
und damit an Kraft zunehmen, daß | wiegended Moment bei dem Zus 
jelbft der Herzmußfel eine Veräns | ftandelommen diefer Prozeſſe nicht 
derung feines GStrufturbaues im | außer acht zu laffen ift. Sebe 
Sinne einer Vergrößerung anneh- | Arbeit, felbft die einfachſte und 
men Tann, daß unfer Nervenfyftem | gröbfte, die wir mit unferem Kör⸗ 
dieſen Einwirkungen fich ebenfalls | per auszuführen haben, bedarf einer 
nit entziehen fann und anders | Willensanregung wie einer Auf: 
reagiert, ja daß fogar die höchſten merkfamfeitsjpannung vom Hirn 
und fraftvollften Betätigungen des aus. Der Wille diktiert, er gibt den 
menſchlichen Geiſtes nur unter üben- | Befehl weiter an die Nervenbahnen 
ber Zuchtrute, im beiten Sinne des | und durd ihre Vermittlung hebt 





XIV. Pie Bygiene des Sporks. 


fich der Arm, um den Hammer oder 


den Spaten zu ergreifen, jest ſich 


das Bein in die Bewegung, um 
Rad oder Webftuhl in Aktion zu 
bringen. Diefer Willensimpuld gibt 
aber nicht bloß jeine Kommandos 
an die ihm unterjtellten Organe 
weiter, er fett fich zugleich mit 
feinen Partnern in Verbindung, 
den Sinnesorganen, und madt 
fie mobil. Bor allem ift es bier 
der Gefichtäfinn und fein Organ, 
das Auge, das in Funktion tritt, 
und dad nunmehr durch feine Mit- 
wirfung die der Arbeit zu mid- 
mende Aufmerfjamfeit ing Feld 
führt, ein unbedingtes Erfordernis 
jedweder zu löſenden Aufgabe, mag 
dieſelbe auch noch fo primitiv undrein 
förperlicher Natur fein. Allein diefe 
Aufmerkſamkeitsſpannung braudt 
ihrerfeit3 Zeit und einer gewiſſen 
Kraftentfaltung, in jedem Falle 
eines Berbrauhg und einer Um⸗ 
fegung der vorhandenen Vorräte, 
die, wie wir ja gejehen haben, die 
abjolute Borausfegung jeder förper- 
lichen wie geiftigen Arbeitsleiftung 
find. Alſo Stoffverlujt, der dem 
Körper ja wieder auf andere Weije 
zu gute kommt, jedoh im Momente 
ſeines Umſatzes eine tatjächliche 
Einbuße an lebendem Material dar: 
ftellt. 

Gelänge e3 nun, dieje Aufmerf- 
ſamkeitsſpannung bis zu einem ge- 
wiffen Grade zu eliminieren oder 
wenigſtens teilmeije auszujchalten, 
dann wäre damit ein gut Stüd 
der Arbeitsleiſtung eripart, der 
Aufwand an Energieneingeringerer, 
die Ausführung der Aufgabe leich- 
ter und mühelofer. Und tatjäch- 
(ich gelingt die auf dem Wege der 
Vebung! Wir wählen zum befje- 
ren Verftändnig ein einfaches Bei- 
jpiel: Einen Springer und als Re- 
quifiten für ihn ein Sprungbrett, 
zwei Träger und eine Schnur. Die 
Aufgabe ift ein Hochſprung, der 


Niro. 823. 


Springer bi8her ungeübt. Er mißt 
mit feinem Auge das Ziel, dabei 
gehen völlig dem Bemußtfein ent- 
rüdt eine ganze Reihe von inneren 
Prozefjen vor fih, und dieſe Auf- 
merkſamkeitsſpannung verläßt ihn 
auch feinen Augenblid, fo lange er 
die Aufgabe nicht gelöjt bat. Ya 
jogar im Anlauf wie im Sprung 
richtet er die Bewegung jeiner 
Gliedmaßen, die Zufammenziehung 
der hierbei erforderlichen Muskel—⸗ 
gruppen genau nad) dem Maß der 
auf Grund des Gefichtsfinnes ge- 
monnenen Grfenntni® von Höhe 
der Schnur und Weite der Ent- 
fernung ein, er ift förperlich wie 
geiftig, man kann faſt jagen, im 
Bann feiner Handlung. Was tut 
dem entgegen der Geübte: Auch er 
mißt mit bligartigem Schauen und 
Erfaffen die Situation, aber dann 
vollzieht fich nahezu automatiſch die 
gefamte Abmwidlung der einzelnen 
Etappen der Sprungleiftung bis 
zur vollbradter Tat, die Koordi⸗ 
nation der Bewegungen, der wohl 
wichtigſte Moment für jede ſport—⸗ 
liche Leiftung, geht ebenfo unbewußt 
wie zielftrebig vor ſich, es parieren 
die Muskeln jo präzis und fo glatt, 
als wäre es nie anders gemefen, 
mühelos und erfolgreich geht aud) 
bier der gefamte Hergang vor fidh. 
Aus diefem einfachen Beifpiel find 
fämtlide Momente der Krafterfpar- 
nis bei der Webung, der erleidh- 
terten und damit um fo zielbemuß- 
teren Auslöfung der einzelnen zum 
Zuftandefommen des Ganzen not- 
wendigen Leiftungen herauszulefen, 
es offenbart fih das Geheimnis 
des Uebergewichtes der Uebung 
über die Nichtübung! Das obige 
Beifpiel läßt ſich zwanglos auf alle 
Arten und Formen förperlicher und 
ſportlicher Betätigung übertragen, 
denfen wir nur an den Alpinigmus, 
den Reitſport, den Ski⸗ und Schlitt- 
Ihuhlauf, unfere gejamten gymna⸗ 


— . ⸗22 
un —— en io 


Nro. 824. 


ftiihden Bewegungen, das Ringen 
und Fechten, kurzum, wohin wir 
auch immer blicken mögen, die ein- 
fachſten wie die Tomplizierteften 
Mustelleiftungen, fie alle gewinnen 
durh die Uebung, fie alle leiden 
dur die Nihtübung! 

824. Uebung und Ermüdung. 
Es gelingt, wie wir gejehen, durd) 
dauernde Hebung ein und diejelbe 
förperlide Arbeit mit allmählich 
immer geringerem Kraftaufwand 
zu leiften, bis fchließlich eine Grenze 
erreicht ift, bei welcher feine weitere 
Herabjegung des Verbrauches mehr 
ftatthHaben fann: Dann ift der 
Menſch auf diefe Leiftung eingeübt, 
ift für diefelbe trainiert. Sn 
diefem Sinne allein findet in vor⸗ 
liegendem Abjchnitt das Training, 
dieſes fo oft und für jo mannig- 
fache Dinge gebrauchte Wort, Berück⸗ 
fihtigung und Erörterung. 

Mit dem Training aufs engite 
verbunden ift die Ermüdungsgrenze 
des tätigen Muskels, denn nicht? 
ift mehr imftande dag Ermüdungs⸗ 
gefühl herabzufegen, als die fort- 
gejegte jyftematifhe Hebung. In 
der Ermüdung und ihrer Zwillings⸗ 
ſchweſter, der Erſchöpfung, liegt der 
lud, liegt die Gefahr der Muskel⸗ 
und Nervenarbeit. Ermüdung und 
Erfhöpfung gehen immer untrenn: 
bar Hand in Hand. Aber während 
die Erſchöpfung im engeren Sinne 
unmittelbar auf einer Herabjetung 
ver Erregbarfeit durh Mangel an 
Sauerftoff, dem Lebensjtrom, be= 
ruht, ift die Ermüdung ein Läh- 
mungszuſtand, der fich bei Mangel 
an Sauerftoff durh Bildung und 
Anhäufung von lähmenden Stoff: 
wechjelproduften, den jogenannten 
Ermüdungsftoffen, entwidelt. Solche 
Erſchöpfungs- und Ermüdungsvor⸗ 
gänge können ſich in allen Teilen 
unſeres Muskel- wie Nervenſyſtems 
unter dem Einfluß ſtarker Bean⸗ 
ſpruchung unſerer Kräfte entwickeln. 


Dr. Jultan Marrcufe. 


Die Selbftfteuerung des Stoff: 
wechſels gleiht fie im gefunden 
Drganidmus nad) dem Aufhören 
der Reizimpulfe ftet3 wieder aus, 
und zwar find es Ruhe, Schlaf 
und Nahrung, die mit ihrer Ein: 
ſchränkung des Verbrauches, mit 
ihrer Bejeitignng der Zerfallſtoffe 
und ihrem Kräfteerfjag die Gift: 
wirfungen bejeitigen und dag Er: 
mübdungsgefühl aufheben. Dies im 
tägliden Ablauf der Gefchehnifle 
und als natürlide Gegengemidte 
gegen die Inanſpruchnahme der 
Arbeit. Der Einfluß, der aber in 
beſonders wirkſamer Weiſe jenen 
Schädigungen entgegenarbeitet — 
das iſt die Uebung. Lange Zeit 
hindurch kann der ſtetige Uebungs⸗ 
fortſchritt die allmählich anwachſende 
Ermüdung vollſtändig verdecken; 
bei ſehr langer Fortſetzung der 
Arbeit wird er allerdings ſchließlich 
immer von jener letzteren über: 
mwunden. Indeſſen, der Einfluß der 
Ermüdung ift ein vorübergehender, 
er kann durch die oben genannten 
Faltoren — Ruhe, Schlaf und 
Nahrung — verhältnismäßig rafch 
ſpurlos vermifht werden. Die 
Vebung dagegen erhält ſich längere 
Zeit, wenn auch ein Teil derjelben 
verloren gebt. So kommt es, daß 
die Wirkungen der Hebung ſich nach 
und nad fteigern können, wäh— 
rend diejenigen der Ermüdung zu=- 
meiſt den Tag nicht überdauern. 
Auf diefem Wege führt die Uebung 
zu greifbaren Ummandlungen im 
arbeitenden Gewebe, nicht mit Un= 
recht jprechen wir davon, daß eine 
häufig wiederholte Tätigkeit uns 
Schließlich in Fleifh und Blut über: 
gebt, die PVerridtung übt einen 
formenden Einfluß auf das Ge- 
mwebe. 

Sn der dauernden Beränderung 
der Leiftungsfähigleit haben wir 
den weitaus mächtigſten Bundes- 
genofjen im Kampf gegen die Er: 


XIV. Die Bygiene des Sports. 


Nro. 825. 


müdung vor und, da fie nichts | wiefen, daß jeder Sport big zu 


anderes bedeutet, als eine Herab: 
jegung der Ermüdbarteit. 
Se eingeübter ein Borgang  ift, 
defto leichter geht er von ftatten 
und deſto geringfügiger find die 
durch ihn hervorgerufenen Er: 
müdungserſcheinungen. Alle anderen 
Maßnahmen, wie Ruhe, Schlaf ıc., 
find geeignet, die einmal entjtan- 
dene Ermüdung jemweild in mög: 
lichſt volfommener Weiſe wieder 
unjhädlich zu mahen: Die Uebung 
Dagegen vermag zwar im Augen: 
blid die Wirkungen der Ermüdung 
nur zu verdeden, dafür aber be- 
Ihränft fie deren Entſtehungs— 
bedingungen. 

825. Wie fol man nun üben? 
Eine Frage, die, nachdem die 
Theorie des Sport® und feiner 
Einwirkung auf den menjdlichen 
Organismus des langen und breiten 
erörtert worden ift, fich unmillfür- 





lich erheben muß, jollen doch die 


praftiihden Nutanmwendungen aus 
der wiſſenſchaftlichen Erfenntnis 
gezogen werden. In dem Kapitel 
„Ruhe und Erholung“ wird Ge— 
fegenbeit fein, näher auf alle Einzel: 
beiten dieſer Materie einzugehen, 


bier nur die wichtigsten und allge= , 


meinften Grundprinzipien. Und da 
ist vor allem eins zu wiſſen wichtig, 
nämlih die nahen Beziehungen, 
welde zwiſchen förperlicher und 
geiftiger Ermüdung bejtehen, wie 
fie zuerft Moſſo nachgemiejen hat. 
Starte geiftige Anftrengung jest 
auch die Größe der Mustelleiftung 
herab, und umgekehrt läßt fich 
zeigen, daß längere 
Arbeit ein fehr deutliches Sinken 


der geiftigen Leiftungsfähigteit zur 


Folge bat. Die Erklärung diejer 
Tatjadhen liegt darin, daß auch die 
Mustelarbeit nur durch die Bes 
wegungsantriebe zujtande kommt, 
die vom Nervenſyſtem ausgehen. 


förperliche | 


einem gewiſſen Grade eine fürper: 
lihe Arbeit varjtellt, die mit der 
Ueberwindung von Schwierigfeiten 
und SHinderniffen verknüpft ift, 
nie aber als eine Spielerei, ein 
Tändeln oder dergleichen mehr an- 
gejehen werden darf. Und wenn 
man dies ſich vor Augen hält, 
dann ergibt fih von felbft die 
Schlußfolgerung, daß angeftrengte 
förperlihe oder geiftige Tages- 
arbeit feine Erholung im Sport 
findet, fondern im Gegenteil die 
zu bannenden Zuftände der Weber: 
müdung und Erjchöpfung höchiteng 
nad) fich zieht. Der Sport gehört 
in die arbeitsfreien Zeiten hinein, 
in die der Muße und Erholung 
gewidmeten Nadhmittage, in die 
Sonn: und Feiertage, die Ferien, 
furzum überall dort hin, wo er 
nicht verquict wird mit der Werf- 
tags- und Berufsarbeit. Diejer 
Grundjag gilt für alle Betäti- 
gungen, die ſportlichen Charalter 
tragen, mag dies nun Lawn-Tennis 
oder Fußball, Rudern oder Segeln, 
Sfilauf oder Rodeln fein. Er gilt 
nicht für Zimmergymnaftif, für den 
Reitſport, das Wandern, famt und 
ſonders förperlicde Uebungen, bei 
denen einmal die Triebfedern des 
Ehrgeizes und des Wetteiferd mehr 
oder minder fehlen und weiterhin 
auch die LWeberwinds__ der An: 
jtrengungen bis zu einem gemifjen 
Grade dofiert werden Tann. Nicht 
nur, daß man bei diejen Hebungen 
als alleiniger Partner nah Wollen 


und Können zu Werfe gehen, auf: 





Bon vornherein ijt damit er— 


hören und unterbrechen fann, wenn 
e3 einem beliebt, fehlt auch bei 
ihnen der ftarfe Kraftaufwand, den 
die meiften ſportlichen Betätigungen 
verlangen. Zu überwinden ift ja 
eigentlich nur dag eigene Trägheits- 
und Beharrungsvermögen. Und 
beim Wandern, teilweiſe auch beim 
Reiten treten dafür eine folde 


Neo. 825. 


Reihe von direktjeelifch beruhigeniden 
Ablenkungsmomenten ein, daß dieſe 
Empfindungen mehr erfrifchend mie 
ermüdend zu wirken geeignet find. 
Haben wir nunmehr die Zeit ſport⸗ 
licher Mebung auf beftimmte Be- 
rioden unſeres Lebens bejchräntt, 
jo erhebt ſich die weitere Frage, 
in welcher Art und Weiſe foll die 
ſportliche Leiftung eingeübt und 
durchgeführt werden. Hierbei jpielen 
natürlich Lebensalter, Konftitution, 
Klima und Jahreszeit eine wejent- 
lihe Rolle, jodaß auch bei dieſem 
Punkt, bei dem mehr wie bei jedem 
andern aufs. jtrengjte individuali- 
ftert, alfo Art und Durdführung 
ſportlicher Betätigung unter jtrenger 
Berüdfichtigung aller einfchlägigen 
Faktoren gewählt werden muß, wir 
und nur bejcheiden fünnen, die all- 
gemeinften Grundregeln hierfür 
aufzuftellen. 

Beginnen wir mit dem Alter. 


Für die Jahre vor dem Schul: 


beginn, wo es darauf ankommt, 
vor allem die Sinnesorgane zu 
ſchulen und zu ſchärfen, find Spiele 
im Freien, Wandern in der Natur, 
leichte Kletter-, Spring: und Gerät- 
übungen die dieſem Alter ent- 
Iprechendjte Betätigung. Die erjten 
Sculjahre, in die der Zahnwechſel 
und die Entwicdlung des Knochen: 
jtelett3 fällt, bedürfen zum Aus- 
gleich für die durch die Schule 
gejegten veränderten Lebensbedin⸗ 
gungen eine Reihe von Imponde⸗ 
rabilien; wir finden fte in reicher 
Bewegung im Freien, den Turn 
jpielen, im Schwimmen, im Schlitt⸗ 
Ihuhlauf. Bom neunten bis drei: 
zehnten Lebensjahr, eine Periode, 
die gekennzeichnet ift durch das 
Fortichreiten des Längenwachstums, 
die Entwidlung des Knochenſyſtems 
und der Muskulatur, treten zu den 
bisherigen Lebungen der Dauerlauf, 
der Hoch⸗, Weit: und Stabfprung, 
Freiübungen und Gerätübungen und 


2 
⸗ 


Dr. Julian Marcufe. 


ähnliches. Es folgt die Periode 
der gejchlechtlihen Reife und der 
Vollendung des Wachstums, alfo 
etwa vom dreizehnten bis zum 
zwanzigften Lebensjahr, wohl der 
bedeutſamſte Lebensabſchnitt mit 
ſeiner Reifung der Atmungs⸗ und 
Kreislaufsorgane. Um ihnen die 
nötige Anregung zur Entwicklung 
zu geben, bedarf der Körper ſtarker 
Bewegungsreize. Sie werden ihm 
gegeben in Gerätübungen aller Art, 
im Fechten, Rudern und MWett- 
Ihwimmen auf kurze Diftanzen, im 
Schilauf und Rodeln, im Ring: 
fampf, in den Sport⸗ und Rafen- 
jpielen, namentlich im Tennis und 


Fußball, und vor allem im Berg⸗ 


jport mit feiner geradezu uner- 
jhöpfliden Fülle von Nerven: 
impuljen. Bom zweiundzwanzigften 
bis dreißigſten Jahr vollzieht der 
Körper hauptſächlich fein Breiten- 
wahstum und feftigt fich innerlich. 
Dies ift die Zeit des Uebermutes 
und der Wagbhalfigfeit, zugleich aber 
auch die der Lebertreibung und der 
Ueberſchätzung der Körperfräfte. 
Kraftübungen aller Art follen hier 
mit Gewandtheitsübungen in ftetem 
Wechſel bleiben, der Schilauf und 
der Segeliport, Reiten, die kunſt⸗ 
gerechte Betreibung des Tennis- 
jpield und des Schilaufs find hier: 
für die richtigen Lehrmeifter. Sn 
der Vollkraft der Jahre, vom 
dreißigiten bis vierzigften Lebens⸗ 
jahr, muß man ſich die erworbenen 
Fertigkeiten zu erhalten und die 
höchſte Ausbildung an Kraft, Ge⸗ 
wandtheit und Ausdauer zu er: 
werben ſuchen. Graduelles Bors 
ſchreiten in allen bisher geübten 
Betätigungen iſt für dieſe Zeit am 
Platz. Nach dem vierzigften Lebens⸗ 
jahr wird es ſich darum handeln, 
ein guter Sachverwalter des ers 
rungenen Kapital3 an Muskelkraft 
und Nervenenergie zu fein; Wandern 
und Alpinismus, Zimmergymnaftil 


— — — — 


XIV. Die Bygiene des Sports. 


und Turnübungen verhelfen hierzu. 
Wer die Mittel und die Möglich- 
feit dazu bat, wird vor allem, fo 
lange wie möglih, dad NReiten 
fultivieren. Für jedes Lebensalter, 
jedwede ſportliche Uebung aber gilt 
die goldene Regelzuindividuali— 
ſieren! Was dem einen Manna, 
it dem andern Gift, was dieſer 
fpielend erreiht, muß jener mit 
Aufwendung aller Mittel mühlam 
erfämpfen. Daher fchonende, nie 
überhaftende, nie zur Erſchöpfung 
führende Uebungen! 

826. Zeit und Ortder lebungen. 
Wenn nur irgend möglich in frifcher 
Luft; alles was unter dem Einfluß 
der freien, ungehinderten Atmung 
in einem von der Atmojphäre durch⸗ 
ftrömten Milieu erfolgt, fteht in 
jeiner Wirkung unvergleichbar über 
den Uebungen in gefchlofjenen Räu⸗ 
men. Wo diefe nicht zu umgehen, 
jorge man für gut ventilierte, 
große, luftige und ftaubfreie Räume. 
Die Stunden für die Bornahme 
der Uebungen follen möglichit genau 
geregelt jein: im Sommer der frühe 
Morgen, im Winter der Nachmittag. 
Auch dies gilt natürlih nur für 
einzelne ſportliche Betätigungen, 
nie allgemein. Wer reitet, wird 
alfjo in den Sommermonaten die 
Morgenftunden wählen, wer den 
Eizjport pflegt, im Winter den 
Nachmittag; wer jahraus, jahrein 
Zimmergymnaſtik treibt, der bleibt 
ungeachtet der Sahreszeiten bei 
denfelben Stunden. Bor dem 
Frühſtück ift eine halbſtündige An— 
ſtrengung durchaus genügend. Nach 
reichlichen Mahlzeiten, beſonders 
des Mittags, ſollen körperliche 
Uebungen nicht vor Ablauf von 
mindeſtens zwei Stunden erfolgen. 

Der ſpäte Abend iſt zu ver— 
meiden, wirkt er doch bei einer 

roßen Reihe von Menſchen ſtatt 
ſchlaffördernd, ſchlafſchädigend durch 
zu ſtarke Erregungsimpulſe ein. 


Nro. 826—827. 


Das tägliche Penſum muß all 
mählich geſteigert werden. Dadurch 
erhalten die Blutgefäße genügend 
Zeit, ihre Wandungen der leb— 
hafteren Blutzirkulation anzupaſſen, 
und Herz und Lungen werden in 
den Stand geſetzt, ihre Tätigkeit 
entſprechend der vermehrten Muskel⸗ 
arbeit anders zu regeln. In dem 
Maße, wie die Anſtrengungen 
wachſen, müſſen auch Nahrung und 
Erholungspauſen ſich reicher und 
wechſelvoller geſtalten, doch darüber 
Ausführlicheres ſpäter! 


Hygiene der Hautpflege 
(Hbbärtung). 


827. Uebung der Haut und 
ihrer Funktionen. Man kann, wie 
wir gejehen, durch Uebung feiner 
Muskeln wie feiner Nerven Höchſt⸗ 
leiftungen förperlicher Tätigkeit und 
geiftiger Energie erreihen, Tann 
die Willenskraft, jene wohl hervor: 
tagendite Betätigung des menſch— 
lichen Intellekts, zu der herrſchen— 
den Eigenſchaft des Geſamtcharak⸗ 
ters heranbilden und man. kann 
endlich auch die Haut und ihre 
Funktionen ſo weit üben, daß man 
unempfindlich gegen Witterungs⸗ 
unbilden, unempfänglich für Krank⸗ 
heitsdispoſitionen und Infektionen 
aller Art wird. Nur ſind hierbei 
die Mittel, mit denen man dies 
erreicht, weniger Sport und Gym— 
naftil, wenngleich auch fie big zu 
einem gewijjen Orade hautfräftigend 
wirken, als vielmehr Luft und 
Waffer,unfere natürlichen Bundes: 
genofjen im Lebendfampfe, die un⸗ 
veräußerlichen SSmponderabilien des 
Dafeind an ſich. Mit ihrer rich- 
tigen Benußung gelingt es, die 
Haut in einen Zuftand von Trai: 
ning zu bringen, der fortdauernd 
zum wertvollften Begleiter des 
Lebensweges wird und als Schutz⸗ 
mittel gegen Ne als 

4 


Niro. 828. 


Palladium der Gefundheit von nicht3 
auf Erden übertroffen werden kann. 
Zur Erhärtung diefer weittragen- 
den Behauptung wollen wir die 
Wirkung beider Medien, des Waf: 
ſers wie der Luft, an und vorüber: 
ziehen lafien ! 

828. Das Waſſer als Abhär: 
tungsmitte. Die mejentlichite 
Funktion der Haut ift die der 
MWärmeregulierung, des Aus: 
gleichs zwiſchen Wärmeabgabe und 
MWärmeneubildung. Da die Luft 
der Außenmelt kälter ift als die 
Bluttemperatur, gibt der Körper 
unaufgörlih Wärme ab, und wenn, 
wie dag bei jehr hohen Tempera: 
turen im Sommer gejchehen Tann, 
die Wärmeabgabe auf ein Minimum 
reduziert wird, treten die Schweiß: 
drüfen in Aktion und laffen nun 
ihrerfeit3 in dem verdunftenden 
Waſſer Wärmeeinheiten frei wer: 
den. Dieſer Wärmeabgabe ent- 
fprit eine ftete Neubildung von 
Wärne, dag Brennnaterial biefür 
gebendie eingenommenenfahrungs=- 
ftoffe ber, insbejondere die “Fette 
und Kohlehydrate, den Berbren- 
nungsofen bilden die Gewebszellen 
im Berein mit dem Blute und dem 
eingeatmeten Sauerftoff. Deshalb 
unterfcheiden wir beiden Nahrungs: 
mitteln nicht bloß ihren Nährwert, 
ihren Gehalt an brauchbaren, vom 
Organismus aufzunehnendem Ma- 
terial, fondern aud ihre Wärme: 
fapazität, ihre Wärmeeinheiten, die 
fie bei der Verbrennung abgeben. 
Und dieſen Ausgleich zwiſchen 
Wärmeabgabe und Wärmebildung, 
die natürliche Fürſorge, daß ein 
richtiges Verhältnis zwiſchen beiden 
beſteht, den beſorgt die Haut mit 
ihren Nerven. Sinkt die Außen: 
temperatur jo, daß die Gefahr be- 
ftünde, e8 würde mehr Wärme ab- 
gegeben als zuträglich, dann fpringen 
die Nervenendorgane zum Schutze 
ein, der jie treffende Kältereiz der 


Dr. Julian Warrufe. 


Außenluft wird von ihnen weiter: 
gegeben, da8 Blut ftrömt in das 
innere, die Haut wird blutleer und 
gibt infolgedeflen weniger Wärme 
ab. Reizt umgelehrt die Außen: 
temperatur fo, daß eine Wärme⸗ 
ftauung im Innern zu befürdten 
ift, dann geben wiederum die Ner⸗ 
ven der Haut den Befehl „Das 
Ganze vor!”, die Haut wird vom 
Blutitrom überflutet, wird feuerrot 
und gleichzeitig erhalten die Schweiß⸗ 
drüfen die Ordre, die Front und 
die Flanken zu ſchützen, aus ihren 
Poren entleert fich eine heiße Flüf- 
figleit, der Körper iſt entlaftet. 
Diefe Verteidigungsmaßnahmen der 
Haut können aber natürlich nicht 
zu dauernden Zuftänden führen, 
fondern ftelen nur eine vorüber: 
gehende Anpafiung an die verän- 
derten äußeren Lebensbedingungen 
dar, die ebenfo rajh wieder mit 
dem Fortfal der fie bedingenden 
Faktoren verſchwinden muß, wie fie 
gefommen ift. Und dieſes letztere 
Beitreben des Organismus nennt 
man Reaktion, und auf ihr allein 
beruht der ungeftörte Ablauf diejer 
eben geſchilderten Prozeſſe. 
Abhärtung iſt aber nichts anderes 
als prompte Reaktion auf alle 
äußeren Reize und wir erzielen ſie 
bis zu einem gewiſſen Grade durch 
die Gewöhnung des Körpers an 
kaltes Waſſer, mit deſſen Einwir— 
kung auf die Haut wir nur den 
Weg nachahmen, den die Natur uns 
mit ihrem Spiel wechſelnder Luft⸗ 
temperaturen vorgezeichnet bat. 
Wenn wir nämlid Wafler von 


ı wejentlich Fälterer Temperatur auf 


die Haut bringen, jo erfolgt eine 
Bufammenziehung der Muskulatur 
der Hautgefäße, diefelben verengern 
fih, das Blut wird aus der Haut 
verdrängt, die Wärmeabgabe an 
die Außenluft ſinkt. Trogdem die 
Innentemperatur de3 Körpers in 


diefem eher gefteigert als gemindert 


—— — EA eo. > — 


XIV. Die Bygiene des Sports. 


ift, empfindet da8 Individuum ein 
der Abkühlung der Haut entfpre- 
chendes Kältegefühl. Mit einem 
Schlag aber ändert fi) das ganze 
Bild, wo dieſer Kältereiz des 
Waſſers überwunden, wo die auf 
ihn folgende Reaktion eintritt, d.h. 
die Gefäße ſich nicht nur zur Norm, 
fondern mwahrjdeinlih unter dem 
Einfluß einer Erregung der Hem⸗ 
mungsdnerven über diejelbe hinaus 
ſich mädtig erweitern. Jetzt tritt 
wohliges Wärmegefühl ein, dag 
Blut ftrömt im rafhen Tempo durch 
die mächtig erweiterten Hautgefäße, 
bier feine Wärme zum Teil an die 
fühle Außenluft abgebend und ab- 
gefühlt zu den inneren Organen 
zurüdfehrend. 

Diefe Reaktion ift ein rein 
phyfiologifher Vorgang, der beim 
Menden, deſſen Haut gut funftio- 
niert, deſſen Zirfulationgorgane und 
Nerven prompt arbeiten, glatt ein- 
tritt, der jedoch bei allen denen, 
die in irgend einem diejer Organe, 
ein wenn auch noch fo geringes 


‚Manko haben, verjagt und daher 


durd die Einwirkung von Kälte in 
Verbindung mit mechanischen Reizen 
neu erzeugt werden muß. Und da 
Kleidung und Kulturrichtung Die 
urjprünglid tadellofe Funktion 
unſerer Haut wejentlich herabgejegt 
hat, ift das Waſſer zur Domäne 
von Abhärtungsbeftrebungen ge⸗ 
worden. Aber nur dann berechtigt 
und die Erwartungen erfüllend, 
wenn es nicht Schablonenhaft und 
fritiflo8 angewandt wird, fondern 
wenn die Widerftandsfähigfeit und 
die Reaktion eines Menfchen als 
Maßſtab für die zu mwählenden 
Mapnahınen herangezogen und ihnen 
entſprechend eine Dofierung der 
Temperatur wie des mechanischen 
Reizes, der mit allen Wafleranmwen- 
dungen verbunden ift, vorgenom= 
men wird. 

829. Wie härtet man fi) durch 


Nro. 829. 


Wafler ab? Der Ausſchlag 
der Reaktion tft dad Kriterium 
für die Wahl der anzumendenden 
Abhärtunggmaßnahmen; wo fie 
ausbleibt, ift VBorficht geboten. Nie 
darf man eine niedrige Temperatur 
auf eine falte Haut zur Anwendung 
bringen, nie die Zeitdauer der 
Prozedur durch langfames Handeln 
hinausdehnen; in beiden Fällen 
würde Fröfteln entjtehen, ein ge: 
fährlider Hemmſchuh des zu er— 
ftrebenden Zweckes. 
Abhärtungsmaßnahmen beginne 
man möglichjt in wärmerer Sahres: 
zeit, um fie dann auch den Winter 
über fortzufegen; wer aber aus 
irgend einem Grunde gezwungen 
ift, fie bei fühleren Temperaturen 
heranzuziehen, der forge für eine 
temperierte Umgebung. Wo die 
Luft warm ift, darf das Waffer 
falt fein, denn wir wiſſen ja, daß 
bei derartigen Luftverhältnifjen die 
Haut blutgefült von ihrem natür- 
lien Banzer gefchügt ift. Mit dem 
Beginn der Abhärtung geht e wie 
mit dem Beginn der Erziehung des 
Menſchen, es gibt fein Alter, das 
früb genug wäre. Das frühelte 
Alter gibt feine Gegenanzeige gegen 
vernünftige, allmählih einjegende 
Abhärtungsverſuche, nur die Wahl 
der Form derjelben iſt von größten: 
Belang. Da des Erwachſenen Ab: 
härtungsmaßnahmen ſich denen der 
Jugend folgerecht anſchließen, müſſen 
wir auf letztere wenigſtens in groben 
Umriſſen etwas näher eingehen. Der 
Bäderperiode des Säuglingsalters 
folgen vom zweiten bis vierten 
Lebensjahr täglich am Morgen vor: 
zunehmende Wafchungen des ganzen 
Körpers mit 20° R beginnend und 
allmählich) bis auf 16° herunter: 
gehend. Im Sommer Jollen fie 
täglih vorgenommen werden, im 
Winter fann man fich darauf be: 
ſchränken, nur den Oberkörper den: 
jelben auszufegen. In jpäteren 


Niro. 830. 


Dr, Julian Marrufe. 


Jahren bis zur Pubertät ift auch für 


den Erwadfenen ift das 


nur die Konjequenz in der Durd: | Schwimmbad, im Sommer im freien 
führung der Abhärtungsmaßregeln Flußwaſſer oder im See, im Winter 


wichtiger als etwa eine Steigerung 
in der Intenſität derjelben. Wa: 
Ihungen (18—14°) bis zum fechften 
big fiebenten Jahr, dann Wafchungen 
und Tauchbäder (bei 18° 1 Minute) 
auch nur morgen? vorgenommen, 
find die entipredhenden Anwen: 
dungen. Vom ſechſten Lebensjahr 
ab beginnen mit Fluß- und Bajlin- 
bädern, ſelbſtverſtändlich in Ber- 
bindung mit Schwimmbädern, deren 
ungeheurer geſundheitlicher Wert 
ſchon früher geſchildert wurde. 
Minimaltemperatur im Anfang 
16° R, fpäter 12°. 

Mer alle diefe Maßnahmen fyite- 
matiſch in der Kindheit durdhgeführt 
bat, der verfügt über einen Fonds 
von Widerſtandsfähigkeit für das 
Jugend- und Mannesalter, den er 
nur in richtiger Weife zu verwalten 
braudt, um Zins und Zinſeszins 
davon zu ernten. Auch in dieſen 
. Ulter3perioden genügen in erfter 
Neihe tägliche Falte Waſchungen mit 
Waffer von Wafferleitungstempe- 
ratur, die man anfangs nur auf 
Geſicht, Bruft und Arme bejchräntt, 
um fie dann auf den gefamten 
Körper auszudehnen. Im Sommer 
an heißen Tagen können dann im 
Hausgebrauh Duſchen von 18 bis 
14° R in einer Dauer von 50 bis 
60 Sekunden hinzutreten, weniger 
als Abhärtungd- wie als Erfri- 
Ihungsmaßnahmen. Eine ſchon 
fräftigere und bei blutreihen, ro⸗ 
bufteren Individuen erlaubte Ab- 
bärtungsform ftellt das kalte Früh— 
bad vor, bei dem man direlt vom 
Bett aus in Waſſer von 20—16° 
fteigt und etwa 1—2 Minuten 
darin bleibt. Wer an Wafchungen 
von früh an gewöhnt ift, und dag 
Bedürfnid nah Fräftigeren Ma$- 
nahmen in fi fühlt, der Tann 
derartige Tauchbäder nehmen. Auch 


nen war. 


in dazu geeigneten Hallen das Non 
plus ultra der Abhärtung und An⸗ 
vegung aller Funktionen undLebens⸗ 
äußerungen. 

830. Die Luft als Abhärtungs⸗ 
mittel. Es ift noch gar nicht lange 
ber, da — denken wir nur einmal 
an die Aera Kneipp — gab es für 
alle Abhärtungsmaßnahmen bei 
groß und Klein, jung und alt, krank 
und geſund, nur eine Bafig, von 
ver aus alle Beitrebungen aus: 
gingen, das war das kalte Waſſer. 
Geprägt dur die Sahrhunderte, 
von Generation zu Generation 
übernommen, galt es als Univerjal- 
methode, eine fahgemäßeAbhärtung 
des menschlichen Körpers zu erzielen 
u. wurde dementjprechend gemertet. 
Der Waſſerfanatismus der achtziger 
Sabre aber ließ bald erfennen, daß 
dieſes univerfelle Rezept denn doch 
nicht fo bei jedermann wirfe, wie 
man ſich dies vorgeftellt, und daß 
vor allem fehr blutarme und fehr 
nervöſe Individuen gegen die Ein= 
wirfungen des falten Wafjers eine 
Reaktion zeigten, die nicht mehr zu 
der geſundheitsfördernden zu rech⸗ 
Und fo brad ſich die 
Erfenntnid® Bahn, daß eigentlich 
dad Medium, gegen dad man fich 
abhärten müſſe, nicht das Waſſer, 
jondern die Luft fei, in der wir 
uns unausgeſetzt bewegen, die unfere 
Atemſpeiſe, unſeren Lebensofen im 
Sinne der Verbrennungsvorgänge 
bildet, die vor allem uns unauf⸗ 
hörlich umſpült und bald Wohl: 
befinden bald Störung desjelben 
auszulödjen imſtande ift. 

Nicht nur für ihre Reinhaltung, 
fondern aud für ihre Funktiong- 
tüdhtigfeit bedarf die Haut eines 
mohlregulierten Abwaſchens durch 
die Darüber wegjtreichende Luft! 
Das ift das Grundprinzip jeder 


XIV. Die Bygiene des Sports. 


Abhärtung, denn erfolgt dies nicht, 
dann wird die in eine gewiſſe Treib- 
baustemperatur verjegte Haut für 
alle Einflüffe von außen im höchſten 
Grade empfänglid. Jeder Luft: 
hauch, jede Schwantung im Wetter 
erzeugt veränderte Zirkulationg- 
verhältnifje an der jchlecht reagie- 
renden SHautoberflähe, und die 
Folgen hiervon find Erkältungen, 
Katarrhe, kurzum das ganze Heer 
der kleinen und großen, Wohlbefin- 
den wie Berufsarbeit ftörenden 
Andispofitionen. Gegenmittel gegen 
diefe quälenden und ſchädigenden 
Tüden des Alltags find einmal eine 


logischen Funktionen der Haut ent- 


fpridt und damit mit denfelben | 
Wärmebildung 


regulatoriſch auf 
und Wärmeabgabe wirft — mir 
werden näher darauf no im Ka: 
pitel Kleidung zurüdfommen — und 
weiterhin das Luftbad, die ſou⸗ 
veränfte Handhabe zur Wiedergemöh- 
us des Körpers an die umgebende 


uft. 

831. Wefen und Wirkung des 
Luftbads. Unter Luftbädern ver- 
fteft man die Gemöhnung des 
nadten Körperd an die umgebende 





Nro. 831. 


einer Entlaftung im Inneren und 
dadurdh zur Befeitigung von Kon: 
gejtiongzuftänden, von Stauungen 
und ähnlichem mehr kommen. Auf 
da® Herz wirkt dag Luftbad im 
Sinne einer Steigerung der Herz: 
energie, auf die Atmung vertiefend 
und fräftigend, alles in allem Ein: 
flüffe, die anregend und zugleich 
übend die lebenswichtigſten Organe 
zu beeinflufjen imjtande find. Für 
die Haut aber, auf deren Wärme: 
regulation und Tätigfeit das Luft: 
bad in wohltätigſter Weife wirkt, 
ftelt e8 fih mithin alg eine Ab- 


härtungsmaßnahme wejent- 
rationelle Kleidung, die den phyfio: | 


lihiter Art dar, indem durch dag 
Wechſelſpiel der wärmeentziehenden 
Faktoren (Temperatur, Feuchtigkeits⸗ 
gehalt und ALuftbewegung) eine 
Uebung der Haut und des Nerven- 
ſyſtems eintritt, die diefelbe gegen 
jedwede Witterungseinflüfje wetter: 
fejt madt. Und dem Waſſer gegen 
über ift eine Luftabhärtung nad): 
haltiger und wirfjamer aus folgen: 
den Gründen: Unter der Einwirkung 
falten Waflers erfolgt die Wärme: 
entziehung raſch und ergiebig an 
der gefamten Hautoberflädhe ziemlich 


| gleihmäßig, unter der Einwirkung 


Atmosphäre und zwar in der Weife, | Talter Luft infolge des verjchiede- 


daß man Freiluftgymnaftif treibt, 
alſo unbelleidet gymnaſtiſche Uebun⸗ 
gen aller Art vornimmt. Dieſes 
Ausſetzen des Körpers der Luft 
gegenüber zeitigt eine Reihe von 
Erſcheinungen, deren Ablauf in fol⸗ 
gender Weiſe ſich äußert: Kühle, 
bezw. kalte Luft — und abgeſehen 
von ſehr heißen Hochſommertagen 
werden immer Temperaturdifferenzen 
zwiſchen dem bekleideten Körper 
und dem unbekleideten beſtehen — 
wirkt zuerſt verengernd auf die 
Hautgefäße, führt in zweiter Linie 
zu einer Gefäßerweiterung und übt 
dadurch einen erheblichen Einfluß 





nen Wärmeleitungsvermögens (Luft 
leitet die Wärme etwa 25 mal 
ſchlechter als Waſſer) weniger 
wärmeentziehend, nie gleichmäßig 
infolge der ſtetig wechſelnden Ein— 
flüſſe. Dieſe geringe Wärmeent: 
ziehung im Luftbade geſtattet einen 
kräftigen thermiſchen Reiz in Ans 
wendung zu bringen, d. h. weſentlich 
niedrigere Temperaturen als mit—⸗ 
telſt Waſſer oder den gleichen ther— 
miſchen Reiz längere Zeit hindurch 
anzuwenden. Mit einem Wort: 
Abhärtungs- und Kräftigungdmap- 
nahmen des menſchlichen Organis— 
mus laſſen ſich weſentlich methodi— 


auf die Zirkulation der inneren Or- ſcher und wirkſamer durch Luft als 
gane aus. Es kann demnach zu durch Waſſer erzielen. 


Niro. 832. : Dr. Julian MWarcufe. 


2 5 letzteren die Kraftitoffe, wobei noch 
Dygiene der Ernährung. | ,, erwähnen ift, daß das Fett in 
832, Ernährung und Muskel: | gleihem Gewicht 2, mal mehr 
arbeit. Kein Problem hat im let: | Energie liefert als die Kohle: 
ten Jahrzehnt eine folhellmmälzung | hydrate, ein Moment, dag für die 
erfahren, wie dad der Ernährung, praktiſche Geftaltung der Nahrungss 
feines unjere Anjchauungen derart | menge bei fportlider Betätigung 
von Grund aus beeinflußt und zwar | von wejentlicher Bedeutung ift. — 
im Sinne einer völligen Revifion Wenn man nun nad den Forſchungs⸗ 
aller bisher gebildeten, wie das | ergebnijjen der Neuzeit, die Die 
obige! Die Aufhelung der Er: Voit'ſchen Zahlen wefentli er— 
nährungsgejete des Menfchen, der | fchüttert haben, eine allgemeine 
Einblid in den Stoffwechſel, den | Regel über die rationellite Art der 
der Fortfchritt der Wifjenfchaft Ernährung aufftellen wollte, jo 
mehr und mehr vermittelt, und | würde dieſelbe ungefähr lauten: 
weiterhin die gewonnenen Erfah: Nah dem Stande unferer 
rungstatfahen, fie alle zufammen |wiffenfhaftliden Erfennt- 
haben diefen früheren Zeiten gegen: |ni® (sc. von heute) ift für die 
über eine veränderte Auffaffung ge Musgfelarbeit beim Sport 
zeitigt. als das befte der Ernäh- 

Zange vor jedweder wiflenfchaft: rungsart eine gemijdte 
lihen Erkenntnis hat der Inſtinkt Koft anzufehen, in der das 
den Menfhen zur Wahl feiner  Berhältnispderftidftoffhal- 
Nahrung geleitet und triebmäßig |tigen (Eiweiß) zu den ftid- 
bat ſich dag Bedürfnis auf die- |ftofffreien (Kohlehydrate und 
jenigen Stoffe erjtredi, die ent- | Fette) Nährftoffen fi wie 
weder zum Aufbau und zur Erhal: 1:6 verhalten Soll. | 
tung des Organismus dienten, oder 
die ihm das Heizunggmaterial für 
dag ewige Herdfeuer der Verbren- 
nungsprozeſſe lieferten. So baute 
fih dag Nahrungsbudget aus den 
drei großen Gruppen der Eiweiß— 
ftoffe, der Kohlehydrate 
und Fette auf und je nad wirt: 
Ichaftlicher Lage wurde die eine 
auf Koften der anderen bevorzugt, 
oder auch ganz ausgefcaltet. 

Die erfte Leitzahl über das phy— 
fiologifhe Minimum der Ernährung | 


Als wefentlichfte Energiefubftan- 
zen find alfo zu betraditen die 
Kohlehydrate und Fette und Die 
legteren find e8, die gerade für die 
Ernährung des intenfiver arbeiten: 
den Menjchen gegenüber den erfte- 
ren erheblide Borzüge befiten. 
Einen nannten wir bereits oben, 
nämlich das Fett, das in gleichem 
Gewicht 2, mal mehr Energie 
liefert al die Kohlenhydrate. Ein 
weiterer Vorteil ift da8 geringe von 
ihm geforderte Maß an Verdauungs⸗ 
ftelte Boit auf und fie lautete: | arbeit. Es ift aljo ausreichende 
Ein Erwachſener von miittlerem  Nahrungdzufuhr mit viel geringerer 
Gewicht und bei mittlerer Arbeit | Füllung des Verdauungsapparates 
braucht tägli 118 g Eiweiß, 50 & | mögli, und man kann einen ge- 
Fett und 500 g Kohlehydrate (alle | nügenden Vorrat an Nährmaterial 
jtärfemehl- und zuderhaltigen Sub- | in Form von Fett viel bequemer 
jtanzen), im ganzen rund 8000 | reforbieren als in Form von koh⸗ 
Wärmeeinheiten. Bon diefen dreien | lenhydrathaltigen Nahrungsmitteln, 
repräſentiert das erftere die Auf- | die — abgejehen von Zucker — meift 
bau: und Crjagftoffe, die beiden | fehr waflerreih find und damit 


XIV; Die Bygiene des Sporke. 


einen Ballaft mit fi führen. So 
enthält 3. B. das Brot, der Haupt: 
reprälentant der kohlehydratreichen 
Nährftoffe durchſchnittlich 40 °|, 
Wafler. Es ift daher ein durchaus 
rationelles Verfahren, wenn unfere 
Holzarbeiter im Gebirge als haupt- 
fählihfte Nahrung Sped und 
Schmalz verwenden. 

833. Die Role des Zuders. 
Der Zuder, den wir oben nur 
furz erwähnt, fpielt in der Ernäh⸗ 
rung des Sporttreibenden eine 
nicht zu unterfchäßende Rolle. Er 
belajtet den Magen nur wenig und 
Tann deshalb auch während großer 
förperliher Anftrengungen in Elei- 
nen Mengen häufig genofjen mer: 
den. Bis zu einem gewiſſen Grade 
ift er ein direktes Belebung?- 
mittel der ermatteten Muskeln, 
zwar nicht das einzige, wie man 
fälfhlih annahm, aber jedenfallg 
ein? der mit am prompteften 
wirkenden. Er befigt den Fetten 
gegenüber den Vorzug, daß er in 
den Körperfäften in beträdtlichen 
Mengen löslich ift, daß er fehr 
viel leichter als die Fette durch die 
Gefäßwände und Hüllen der Zellen 
hindurchwandert, und daß er infolge 
defien auch fehr fchnell nad) feiner 
Aufnahme in den Körper den ar: 
beitenden Musfeln zugute kommen 
fann. So zeigte ſich nah Ber: 
fuden, die zuerft Moffo aus: 
geführt hat, daß die Kraft erfchöpfter 
und ermatteter Muskeln ſchon we⸗ 
grige Minuten nad) Aufnahme von 
Zuder zunimmt, ein Fingerzeig für 
die praftiihe Anwendung des Zuckers 
bei bejonders anjtrengenden Mär: 
Then und Klettertouren, bejonders 
ftarfen ſportlichen Kraftleiftungen 
und ähnlichem mehr. Ueber feine 
Bedeutung für Sport und Touriftik 
bat Alfred Steinitzer eine 
Reihe von Verſuchen angeftellt, aus 
denen ſich ergab, daß der Zuder 
die phyſiſche Leiftungsfähigfeit we⸗ 


Niro. 833—854. 


fentlich jteigerte, daß er bei Ermü- 
dung als raſch mwirfendes Kräfti- 
gungsmittel die normale Leiftungs- 
fähigkeit wieder heritellte, ohne daß 
jelbft beim Genuß größerer Quan— 
titäten irgend welche unangenehmen 
Nebenericheinungen zutage traten. 
Die Hochtouriſtik und der Radſport 
dienten ihm als VBerfuchgmedien. 

Die ſchmackhafteſte Form, ihn zu 
nehmen, find Löfungen von Zuder 
in leichtem Tee oder Wafjer mit 
Zufa von einigen Tropfen Rot: 
mein oder Zitronenfäure, falt oder 
warm, je nad Gejchmad und Ge- 
legenbeit. 

834. Die praftifche Geftaltung 
der Ernährung. Nicht bloß das 
„Was“ ift von Bedeutung, oft noch 
jtärfer dad „Wie“, die Einteilung 
der Mahlzeiten, die Menge der 
Duantitäten und ähnliches mehr. 
Bor und während jeder jportlichen 
Körperleiftung ift — und diejes 
Hauptgebot gehört an die Spitze 
aller weiteren Ausführungen — 
jedwede Ueberfülung des Magen? 
mit Speife und Trank ftrengiteng 
zu vermeiden. Eß- und Trinf- 
gelage am Abend vor dem Antritt 
einer Hodtour, vor einem Rekord 
im Schilauf, im Anprallrennen zu 
Boot, im Meifterfchaftsturnen oder 
was es auch immer fein mag, ge= 
hört zu den gröbjten Verftößen, die 
man begehen fann. Denn jo not: 
wendig auch die öftere Zufuhr von 
Nahrung bei angeftrengter Arbeit 
ift, jo bedenklich ift jede ftärfere 
Belaftung des Magend. Bei der 
Verdauung einer größeren Mahlzeit 
verlangt der Darmkanal jo viel 
Blut, daß die arbeitenden Muskeln 
zu furz fommen, infolgedefjen tritt 
in rafchefter Folge eine Ermüdung 
und Erfhöpfung ein, die fih im 
gewöhnlichen Leben jchon bei ftär- 
ferem Füllen des Magend dur 
die befannte Schwerfälligfeit in den 
Bewegungen, durch Trägheit im 


Niro. 835. 


Denken, ja ſelbſt leichte Schlaf: 
empfindungen äußert. Daher iſt 
auch das Einnehmen von größeren, 
quantitativ reicher geftalteten Mahl⸗ 
zeiten während fportlider An- 
ftrengungen ebenfall3 zu meiden, 
und an ihrer Stelle find Kleine, 
häufige Nahrungsmengen zu neh: 
men. Das ijt und bleibt dag Haupt- 
prinzip der Ernährung beim Sport! 
Unfer Körper befitt Refervematerial 
genug, um felbjt tagelang von 
demfelben zehren zu können. Das 
Gefühl von Mattigfeit, welches bei 
fehlender Nahrung eintritt, beruht 
nit etwa auf Erfhöpfung der 
Körpervorräte, als vielmehr auf 
einem bei leerem Magen ſich ein- 
ftellenden Hungergefühl. Da es 
fih aber dabei um eine auf ner- 
vöſem Wege vermittelte Empfin- 
dung handelt, wird es ung nicht 
wundernehmen,, daß dieſe Mattig- 
feit fih in individuell ganz ver: 
Ihiedenem Maße geltend madt. Es 
gibt Menſchen, welche von früh bis 
jpät intenfiv arbeiten können, ohne 
durch Hungergefühle geftört zu wer- 
den, während fich bei anderen um 
die Stunde der gewohnten Mahl: 
zeit eine jolde Schwäche einitellt, 
daß dadurch die Leiftungsfähigfeit 
ganz außerordentlich herabgefett 
wird. Diejer auf nervöſem Wege 
vom Verdauungsfanal her zujtande 
tommenden Störung helfen in erfter 
Reihe Fleine, Häufige Mengen 
Nahrung ab, fo der Zuder, die 
Schokolade, Rotes, von warmen 
Getränfen Teeaufgüffe, Fleiſch⸗ 
brühe, Löſungen von Fleiſchextrakt, 
von feſten Speiſen belegte Bröt— 
chen, Käſe u. a. mehr. 

Alſo den Magen nie überlaſten, 
unmittelbar vor und wäh— 
rend ſportlicher Anſtrengungen 
keine großen Mahlzeiten, dagegen 
häufige, aber kleine Zwiſchenmahi⸗ 
zeiten und erſt nad vollendeter 
Arbeit ein frugales, aber kräftiges 


Dr, Julian Marrufe. 


Mahl, das find die Leitſätze der 
quantitativen Geſtaltung ſportlicher 
nn 

835. Das „Was“ der Nah: 
rung. Hier ſcheiden ſich pielfach 
die Wege der Beſtimmung der Nah⸗ 
rung je nad Art und Weſen ſport—⸗ 
lihder Leiftungen. Während Hod- 
touren 3. 3. die Notwendigkeit in 
fi ſchließen, fih für eine Reihe 
von Tagen mit Proviant zu ver- 
forgen und dabei es nicht bloß auf 
die BZufammenftellung der Nah: 
rungsmittel allein anfommt, fon: 
dern auch auf möglichit geringes Ge- 
wicht, dann auf bequeme Transport⸗ 
fähigkeit und Haltbarkeit, jcheiden 
diefe Momente bei faſt allen übri- 
gen Sportarten völlig aus. In 
Frage für die Ernährung bei Hoch: 
touren kommen aljo vor allem 
Konferven, die Knorrſchen und 
Hohenloheſchen Präparate für 
Suppen aller Art, Bouillonfapfeln 
für die SHerftelung von Fleiſch— 
brühen, die nah Weckſcher Me- 
thode konſervierten Fleiſch- und 
Fiſchſpeiſen, fomweit ſie von leichtem 
Gewicht find, Fondenfierte Milch, 
ferner geräucdherter Sped, Oelſar⸗ 
dinen, Butter, Käſe, befonders die 
fefteren Sorten, Kakes, Zwiebad, 
Badpflaumen, friihe Aepfel, Scho⸗ 
tolade, Tee ıc. Zu verpönen find 
die in manchen Gegenden beliebten 
ſtark gewürzten Salami- und Ser⸗ 
velatwürjte, die jehr häufig wenig 
einwandfreie Fleifchbeitandteile in 
fih enthalten, vor allem aber auch 
derart durfterregend find, daß nach 
ihrem Genuß ein nahezu unftill- 
bares Berlangen nad Flüffigfeiten 
fi einftelt. Die Milch, die bei 
Hochtouren in den Sennbhütten 
meift zu haben ift, ift kalt genofjen 
für viele unbefömmlich und erzeugt 
oft Tolifartige Anfälle. Nur wer 
feinen Körper genau kennt, wird 
fie in kaltem Zuſtande trinken 
dürfen: Seder andere möge fie, 


XIV. Die Bygiene des Sporie. 


wenn Gelegenheit vorhanden, kochen 
und etwas Tee zur Geſchmacksver—⸗ 
bejjerung zufegen. Als ein Nah: 
rung3mittel, welches Fett und 
Rohlenhydrate in fehr reichlicher 
Menge enthält und dabei Außerft 
bequem zu transportieren ift, emp- 
fiehlt fih die fhon oben genannte 
Schokolade. Man kann fie in Men- 
gen von 100-200 g genießen; 
bejonderg als Zufat zum Brot ift 
Schokolade jehr angenehm, und fie 
erjegt durch ihren hohen Fettgehalt 
bis zu einem gewiſſen Grade die 
Butter. 

Mit diefem ftizzierten eijfernen 
Beitand ift, wie gejagt, weſentlich 
zu rechnen bei Hochtouren und ähn- 
lichen ſportlichen Betätigungen, bei 
denen man auf fich ſelbſt angewieſen 
ift und feinerlei Suffurd an Nah: 
rungsmitteln haben kann. Bei allen 
andern fportlihen Beranjtaltungen 
und Leifiungen gelten die im all: 
gemeinen Teil der Ernährungsfrage 
und in den vorliegenden ausgeführ- 
ten Darlegungen hinſichtlich Zus 
fanımenfegung und Aufnahme der 
Nahrung. 

836. Wa3 fol man trinten? 
Für viele Menſchen eine wichtigere 
Trage al? die nad dem Eſſen, jo 
ſehr fteht bei ihnen dag Trinfen 
im Vordergrund der gejamten 
Nahrungsaufnahme. Die Neigung, 
bei jedweder Gelegenheit Flüffig- 
feiten zu fih zu nehmen, feine 
Mahlzeit ohne dieſelben zu be: 
ginnen und zu enden, hat zur Er—⸗ 
zeugung eines, man fann ruhig 
fagen, künſtlichen Durftgefühls ge: 
führt, dad auf rein jubjeltiven, 
nervöfen Empfindungen beruhend, 
mehr eine Frage der Erziehung 
und Gewohnheit, denn eine phyfio= 
Logische Notwendigkeit ift, und uns 
eben auch die ungemein verbreitete 
Borftellung eingepflanzt hat, man 
könnte, ohne zu trinken, nicht eſſen, 
und dergleichen mehr. Bei Men— 


— 


Nro. 836. 


ſchen, die dieſem von Grund aus 
falſchen Ideengange nachhängen 
und ihm entſprechend ihr Leben 
eingerichtet haben, macht ſich natür⸗ 
lich ein unaufhörliches Durſtgefühl 
geltend, und ſie ſuchen es in jeder 
Form zu befriedigen. Größere 
und vor allem häufige Flüſſigkeits— 
aufnahmen bedingen aber nädhit 
einer früher oder jpäter eintretenden 
Belaftung des Magens auch eine 
erhöhte Inanſpruchnahme des Her: 
zens, das ja diefe Waflermengen 
durh die Organe durchpeitichen 
muß, big fie im Harn wieder zum 
Vorſchein kommen oder durch den 
Schweiß von der Haut aus aus— 
geichieden werden, aljo in jedem 
Sale eine total unnüße Arbeit. 
Deshalb werden derartige Menfchen 
zu jeder größeren ſportlichen Be: 
tätigung und Leiftung unfähig fein, 
mindeftend aber gegenüber anderen, 
die auh im Dürſten eine Art 
Training durchgemacht haben, zurüd- 
ſtehen. Alſo lautet hierfür der 
Grundfaß: Gib nidht jedem 
Durftgefübl nad, daß wie 
alle fubjeltiven Empfin- 
dungen häufig genug auf 
Täufhungberuht, fondern 
trinfe nur dann, wenn in 
folge der förperliden An: 
trengung eine wirkliche 
Wafferarmut des Körpers 
eingetretenift,diejid viel 
meniger im Gefühl einer 
Trockenheit des Halſes, als 
in einem allgemeinen Ver— 
ſchmachtungsempfinden, ei—⸗ 
nem dumpf quälenden Ge— 
fühl bemerkbar macht. 

So viel über die Vorfrage, nun 
zur Frage, was ſoll man trinken! 
Sport und Alkohol ſind von Natur 
aus Antipoden, dort die Tendenz zu 
kraftvollſter Energieanſpannung in 
Muskel wie Hirn, hier ein künſt⸗ 
liches Aufflackern, ein kurzes Stroh— 
feuer und raſches Erlöſchen. Der 


Niro. 837. 


eine löſt 


Dr. Yulian Marrufe. 


bewußte folgerichtige | gezogen werden, in allen anderen 


Handlungen, eine ftraffe Herrjchaft | Fällen jedoch ift er ein gefährlicher, 


des Geiſtes über den Körper aus, | 
der andere ein zufammenhanglojeg, 
untergeordnete Arbeiten zwijchen 
Bewußtfein und SKörperfunftion, 
eine allmählide Knechtung der 
Pſyche unter die Brutalität der 
rohen, hemmungsloſen Kraft. Und 
der Alfohol in Kleinen Mengen ge- 
nommen ermüdet und jchläfert ein, 
die arbeitenden Muskeln, anfangs 
vorübergehend angeregt, ermatten, 
. dag Hirn wird fchwer, die Energie 
ift zum Teufel. Die Praris lehrte 
dies taufendfältig, und mer eine 
ſportliche Betätigung vorhatte, der 
mied ſchon längft die geiftigen Ge- 
tränfe vor und während der Dauer 
derfelben. Dann fam die Wiflen- 
Ihaft und erbradte experimentell 
den Nachweis von der Schädlichkeit 
des Alkoholgenuſſes. Ein Getränf, 
das mandem die nötige „Bett- 
ſchwere“ verleihen, ihm als jchlaf- 
fördernder Trunk dienen foll, dieſes 
gleichzeitig ald Anregungsmittel zu 
nehmen, bedeutet Widerfinn in 
hödjjter Potenz. Für den wirt 
. liden Durft find Limonaden, vor 
allem die aus friſchen Zitronen 
oder in Ermangelung derfelben aus 
Zitronenſäure hergeitellten, Kaffee 
und Tee, warın oder falt, wie man 
es mag, wie ed einem befömmlich 
ift, und wie man es zur Hand hat, 
und ähnliches mehr die richtigen 
Getränfe bei fportlicher Leiſtung; 
auch die Scorle- Morle, eine 
Miihung von fohlenfäurehaltigem 
Waffer und geringen Mengen 
leichten Weines iſt zu akzeptieren 
und wirkt an heißen Tagen jehr 
durftlöfhenn. Als Tropfen in der 
Not, gegen Ende großer An- 
jtrengungen, wenn es gilt, die er- 
löſchende Kraft für eine letzte An- 
firengung anzufaden, mag als 
Peitſche der Wein in konzentrierter 
Form oder der Kognak heran- 


trügerifcher Begleiter! Die Alkohol: 
frage beim Sport erfchöpft fich alfo 
in der Beachtung folgender Gebote: 
Sei mäßig im Quartier, 
trinfe während der Betäti- 
gung feinen Tropfen und 
führe nur bei Hodtouren, 
beiWettfportfämpfen, Re- 
gattenoderähnliden außer: 
gewöhnlihen Anforderungen 
als letztes Reizmittel ge- 
ringe Duantitäten beidir! 


Dygiene der Bekleidung. 


837. Allgemeines. Wir Heiden 
ung, um ung zu [hüßen, um einen 
übermäßigen Wärmeverluft zu ver: 
hüten und damit auch in den 
niedrigften TQTemperaturen unfere 
Eigenwärme zu erhalten. Denn 
der Körper des Warmblüters gibt 
durch Strahlung, Leitung und 
Wafferverdunftung unaufhörlich 
Wärme ab, die immer von neuem 
wieder durch die in demfelben vor 
fih gehenden Berbrennungsprozefle 
erzeugt wird. Die Wärmebilanz 
iſt alſo nicht8 anderes ala das 
Verhältnis zwiſchen produzierter 
und nah außen hin wieder abge- 
gebener Wärme. Während nun 
aber bei allen anderen Warm: 
blütern die phyſikaliſche und che⸗ 
miſche Regulation diefe Wärme: 
bilanz regeln, fommt beim Menjchen 
noch eine weitere Einrichtung hinzu, 
die darauf Einfluß hat, das ift die 
Kleidung. Das erklärt ihre Be- 
deutung für den gefamten Wärme— 
haushalt wie auch für die Funk— 
tionen der Haut, und ſetzt zu gleicher 
Zeit zur Erfüllung diefer Aufgaben 
eine rationelle Zufammenfegung 
der Kleidungsftoffe und Kleidung? 
ftüde voraus. Je geringer das 
Leitungsvermögen, je größer die 
Dide, um fo weniger fann Wärme 


XIV. Die Bngiene des Sporks. 


nach außen gelangen, bis ihr fchließ- 
lich der Weg völlig verlegt ift. 
Im felben Maße, wie dieſe Hem- 
mung wirkt, fchaffen dann zwei 
Mittel die überflüffige Wärme aus 
dem Körper weg, die fteigende 
Hautmärme an den befleideten und 
unbelleideten Stellen und vor allem 
die Verdunſtung von der Haut. 
Werden aljo Leitung und Strahlung 
unterdrüct und zugleich der Waſſer⸗ 
verdunftung Hindernifje bereitet, fo 
fommt e3 zu einer Ueberwärmung 
des Körpers, die eine Temperatur: 
fteigerung des Blutes und damit 
ftörende und die Gefundheit ge- 
Dr Folgen nah ſich ziehen 
fann. 

Die Kleidung bringt alſo unter 
den gedachten Umſtänden eine 
Ueberwärmung zuftande, der gegen: 
über zwar der Körper in der 
Waſſerverdampfung -ein Abwehr: 
mittel befigt, das jedoch bei einer 
irrationellen Belleidunggform zu ei: 
nem höchſt zweifchneidigen Schwerte 
wird. Kommt e3 nämlich zu feiner 
Schmeißabjonderung, dann ind 
Sefretion undlleberwärme imftande, 
nicht nur die Leiftungsfähigkeit für 
die Musfelarbeit herabzufeten, 
fondern auch direkt im Sinne einer 
Erſchöpfung auf den Menſchen ein: 
zumwirten. Die Befeitigung des 
von der Haut ausgefchiedenen 
Wafjerdampfed wird ermöglicht 
dur die Lüftbarkeit der Klei- 
dung, und die lettere ift gegeben 
durh die Permeabilität der Ge- 
webe. Diefe Durchdringlichkeit 
verdanken die Stoffe derjenigen 
Komponente, welche am meiſten 
zur Wärmehaltung beiträgt, nämlich 
der Luft, und wo ſich letztere 
innerhalb der Gewebe in reichlichem 
Maße findet, da fehlt es auch nicht 
an der Permeabilität. Lüftbarkeit 
und eine genügende Lüftung haben 
aber für die Haut noch eine weiter⸗ 
gehende Bedeutung, ſie bilden die 





Nro. 838. 


Grundlage der Abhärtung, die 


Haut bedarf für ihre Reinhaltung 
ſowohl wie fürihre Funktion der 
Tüchtigfeit eines mohlregulierten 
„Abwaſchens“ durch die darüber 
wegftreichende Luft. Unter fteter 
Beachtung diefer Grundprinzipien 
wollen wir nunmehr’ die einzelnen 
Kleidungsteile an und vorüber: 
ziehen fafjen und ihre Brauchbar- 
feit auf die gefchilderten Momente 
bin prüfen. Denn mehr wie bei 
jeder anderen Gelegenheit ijt ge- 
rade beim Sport die Auswahl 
eitter rationellen Kleidung von 
höchſter Bedeutung, fteht doch bei 
ihm im Bordergrunde ein fteter 
Temperaturmwechfel, der oft genug 
jäb von Winterlälte zu brütender 
Schwüle (man denfe nur an den 
Alpinismus) übergeht, immer aber 
die höchſten Forderungen an die 
Hauttätigfeit ftelt. Und wenn 
man auch allen Bebürfniffen und 
allen Situationen jportlicher Be— 
tätigung nicht gerecht zu werden 
vermag, jo wird man doch auf 
mittlerer Baſis eine Kleidung zu= 
fammenjtellen können, die den 
wejentlichiten Anfprüchenzugenügen 
imftande ift. 

838. Kleidung und Sommer- 
jport. Zwei Dinge müfjen fi 
einen, wild man jeine Kleidung 
rationel geftalten, das ijt die 
Poroſität der Kleidungsftoffe (ihre 
Lüftbarkeit) mit ihrer Belchaffen- 
beit als ſchlechte Wärmeleiter, 
wenigitend® ſoweit es fih um 
Winterfport und Alpinismus han- 
delt. Für alle Sportarten, die 
mit Witterung und niederen 
Temperaturen weniger zu rechnen 
haben, alfo vornehmlich den Sport- 
jpielen im Freien, dem Rudern ıc., 
fommt nur das erfte Moment der 
Bentilation als allein bejtimmend 
in Frage, und hier ift die Ent. 
ſcheidung eine einfachere. Während 
im gewöhnlichen Leben die Lein— 


22 


Niro. 839. 


wand mit ihrer fühlen, mild re⸗ 
gulierenden Eigenart fi am vor⸗ 
teilhafteften für die Haut erwieſen 
bat, vorausgefegt, daß fie grob- 
maſchig, porös ift und nicht durch 
Appretierung und Stärken ihre 
beiten Eigenfchaften verloren hat, 
verlangt der Sport mit feiner 
mädjtigen Anfachung der Schweiß- 
drüfen für die Unterfleidung ein 
Material, das raſcher die Yeuchtig- 
feit auffaugt und fie auch rajcher 
verdunften läßt, das ift in erjter 
Reihe die Baummolle Der 
Streit: hie Wolle, bie Baum: 
wolle, tobt feit langem und hat 
wohl auch heute noch fein Ende 


gefunden, die Anhänger des einen 


wie des anderen vertreten mit 
Gründen wohl audgerüftet ihren 
Standpunft. Der nüchterne Bes 
obadhter wird der Baummolle die 
Palme zuerfennen müſſen, da fie 
eine Reihe von gleichen Borzügen 
wie die Wolle in fich vereinigt, 
ohne deren Nachteile zu befigen. 
Die Baummollfafer leitet Wärme 
langfamer wie Wolle, faugt Schweiß 
ebenfo prompt wie Leinwand, dag 
heißt Schneller und vollitändiger 
als Wollſtoff in fi auf, hält ihn 
aber nicht jo lange wie Leinwand 
feſt. Und da fie viel reizlofer iſt 
wie Wolle — die Spiofynkrafie 
vieler Menjchen gegen Wolle beruht 
auf deren unangenehmer Reiz- 
wirkung — vereinigt fie in fich die 
wichtigſten Erforderniffe einer ge- 
jundheitsgemäßen Unterfleidung. 
Baummollenes grobmajchigesUnter: 
hemd mit weichen Kragen, will 
man ganz full dress gehen, fonft 
am beiten kragenlos, ein trifot- 
artiger Smweater darüber, für das 
weibliche Gefchleht fußfreier Nod 
aus Wollſtoff (Cheviot) und Iofe 
Bluſe aus durdläffigen Stoffen, 
das find die für den fommerlichen 
Sport wejentlih in Frage fom- 
menden Kleidungsftüde. Daß die- 


Dr. Jultan Marcufe. 


jelben natürlich in jeden einzelnen 
Falle befonderen Anfprücdhen ge- 
nügen — der Rudernde wird an- 
ders gekleidet jein müſſen mie der 
Reiter, der Tennigfpieler wiederum 
ander® wie der Fechter — und 
dementſprechend auch individuell 
werden gejtaltet werden müfjen, ift 
ein Ding für fi; bier fam es nur 
darauf an, die Grundprinzipien 
einer rationelen Kleidung feftzu- 
legen und ihre wichtigften Beftand- 
teile zu jfizzieren. 

839. Kleidung beim Alpinismus 
nnd beim Winterfport. Ganz anders 
und weſentlich fomplizierter ftellt 
fih die Frage gegenüber den ſport⸗ 
lien Betätigungen, die den Winter 
als Milieu haben, oder die fich auf 
die Hochtouriſtik erftreden, die in 
jo vielen Beziehungen mit dem 
Winterfport übereinitimmt, Daß 
wir fie beide vereint, was Die 
Frage der Belleidung anbetrifit, 
behandeln können. Sn beiden 
Fällen ift das übereinftimmende 
Merkmal, das die aufmerfjamite 
und ftete Berüdfichtigung in der 
Ausrüftung finden muß, der Schuß 
gegen die Kälte, die dem Alpiniften 
ja jelbft bei glühendfter Hige im 
Tiefland droht, und gegen die von 
ihr aus rejultierenden Schädi⸗ 
gungen des Körpers und feiner eins 
zelnen Gliedmaßen. Ohne Hemm— 
nid zu fein für die außerordent- 
lihen Anforderungen, die vor allem 
der Alpinismug, aber auch, big zu 
einem gewifjen Grade, der Winter- 
port an die freie Betätigung der 
Kräfte ftellt, muß doch die Kleidung 
eine genügende Gewähr für den 
Shut des Körpers bieten, und 
dieſes beides unter einen Hut zu 
bringen, ift nicht leiht. Sehen 
wir zu, wie es gelingt! 

Soppe, Weite (auch Gilet genannt), 
furze, glatte Hoje aus Woliftoff 
jolen die Oberkleidung bilden; 
Samt, obgleich ſehr dauerhaft, ift 


XIV. Die Bygiene des Sports. 


Niro. 839. 


nicht ſehr vationell, weil er au | fußlofe Stutzen mit Steg oder die 


“lange Feudtigfeit hält, ohne fie 
verdunften zu laflen. Die Soppe 
fol fo lang fein, daß fie noch den 
Unterleib dedt, ohne Falten, ohne 
Gürtel, unten möglichſt eng an 
ſchließend; fie muß oben zufnöpf- 
bar und mit verfchließbarem Kragen 
(Spangen!) verjehen fein. Auch 
die Aermel follen mittels Spangen 
eng zu fchließen fein. A dies, 
um 3. B. beim Schilauf oder Rodeln 
feinen Schnee hineinzulaffen oder 
bei Öletfhermwanderungen genügend 
gejhüst zu fein. Die Tafchen der 
Soppe, am beiten vier, feien groß 
und verſchließbar. Das Gilet ge- 
fchlofjen, gefüttert oder von vorn 
herein geftridt ; Gilet3 aus dünnem 
Rehleder find bei großen Eis- und 
Wintertouren, wo man ftarfen 
Winden ausgefebt ift, fehr empfeh- 
lendwert. Die Kniehofe fol einen 
doppelt gefütterten Boden haben. 
Ueber die Hofen zieht man lange, 
grobmollene, fußlofe Stuten, je: 
doch ohne jede Befeftigung in 
Form von GStrumpfhaltern oder 
ähnlidem; darüber kann man bei 
großen Schneetouren Wickel⸗ 
gamafden tragen. Gamaſchen, 
die zum Andpfen oder Schnüren 
eingerichtet find, empfehlen ſich im 
allgemeinen nicht. Die jehr grob: 
mwolligen Strümpfe aus nicht ent- 
fetteter Schafwolle find auch bei 
ftundenlanger Wanderung im tiefen, 
feuchten Schnee gegen Feuchtigkeit 


oben genannten Strümpfe, die über 
die Endteile der Kniehofe gezogen 
werden, und zulegt eventuell die 
Widelgamafhen. Die mwollenen 
Soden dürfen weder zu groß fein, 
um feine Falten zu maden, noch 
zu Kein, um die Zehen nicht zu 
drüden, noch geftopft oder aus: 
gebefjert, um den Fuß nicht zu 
verlegen. 

ALS Kopfbedeckung einen weichen 
Filzhut mit breiter Krempe, unter 
dem Kinn mit Bändern zu be— 
feftigen, dazu Ohrenklappen oder 
ähnliches oder eine Wollmüte, die 
ſich durch Herunterklappen gleich: 
zeitig als Schneehaube benützen 
läßt und dabei Hals und Ohren 
ſchützt. Beſondere Aufmerkſamkeit 
iſt den Handſchuhen zu widmen, 
denn der Schutz der Finger iſt 
ebenſo wichtig wie der der Zehen. 
Dabei muß immer daran gedacht 
werden, daB auch der beſte Wärme⸗ 
ſchutz fein abfoluter ift. Niemals 
vermag er eine Abfühlung der 
Körperteile bis zur Umgebung$: 
temperatur zu verhüten, wenn in 


‚ihnen nicht ftändig Wärme erzeugt 


oder, was für die äußerſten Teile 
der Gliedmaßen mit ihrer geringen 
Wärmeproduftion dag wichtigfte ift, 
jolde mit dem Blute aus dem 
Körperinnern zugeführt wird. 
Darum rüdt jede Störung der 
Blutzirfulation, jede Umſchnürung 
der Extremitäten, jeder feſte Drud 


undurdläffig und enden Gefahr des Erfrierend näher. 
entbehrlid. Der Fußſchutz ift ein | Diefer Gefahr wegen, aber auch 


außerordentlich wichtiger, auf ihm jchon 


um Die unangenehmen 


beruht ja die Fähigkeit der Durch: | Empfindungen des Prickelns, der 


führung einer Tour, eines Sci- 
laufs oder ähnlidem. Und wenn 
auf irgend etwas, muß darauf 
ftrengjte Sorgfalt verwandt werden. 
Dide, aber locker geitridte fog. 
Walkſocken find neben Ziegenhaar: 
foden die beite Fußbekleidung, 
darüber kommen dann geitricte, 


eifigen Kälte und des Brennen? 
fernzuhalten, ift jedes feſte Strumpf- 
band, find Hand und Fuß elaftifch 
zufammendrüdende Handihuhe und 
Strümpfe zu verpönen. Die Hand: 
ſchuhe feien weich und nachgiebig, 
am beiten aus Wolle geſtrickt, nur 
der Daumen jei getrennt, die 


Nro. 840. 


übrigen Finger in gemeinjchaft: 
liher Hülle, jo daß ſie fich gegen- 
feitig mwärmen und frei bemegt 
werden fünnen. Bei großer Kälte 
empfiehlt es ſich, unter dieſe Fäuft- 
linge noch weite mollene Finger: 
handſchuhe anzuziehen. 
Nur bei alpinen Klettertouren, 
wo die einzelnen Finger gebraucht 
werben, erleidet dieje Vorſchrift 
eine Ausnahme. Stets jollen die 
Fäuftlinge lange, gut fchließende 
Stulpen haben, die weit über die 
Aermel der Jade gezogen werden 
fönnen und jo das Eindringen von 
Schnee am Handgelent verhindern. 
Aehnliche Prinzipien gelten für 
das Schuhmerf. Die Zehen 
müffen im Borderteil des Schuhes 
frei gebeugt und geftredt werden 
fönnen, der für fiheres Gehen und 
Bermeiden des Borjtoßend der 
Zehen beim Bergabgehen zum Bei- 
fpiel unentbehrliche feite Sit des 
Schuhes muß durch gute Anpaffung 
an die Form der mittleren Partie 
des Fußes gefichert fein. Jeder 
jtetige Drud ift um fo bedenklicher, 
weil er mit der Kälte zufammen- 
wirkt, um die Empfindungsnerven 
zu lähmen, jene Warner, die und 
durch den Schmerz rechtzeitig an 
die Gefahr erinnern. Das erjte 
Gebot, um al dies zu erfüllen, 
heißt daher: ein Paar von einem 
geſchickten Schuhmader nah Maß 
angefertigte, nicht aber ſchon fertig 
gefaufte Schuhe! Nie kann der 
Fabrikſchuh die Formen des Fußes 
treffen, und wenn er anjdheinend 
noch fo gut figt! Alſo ein Eräf- 
tiger, erſtklaſſig gearbeiteter, waſſer⸗ 
dichter Schnürſchuh mit breiten, 
niedrigen Abjägen, der jo weit fein 
muß, daß nod) eine dide Einleg- 
johle darin Pla findet, der den 
Zehen Spielraum genug gibt, im 
übrigen aber genau angepaßt fein 
muß, das ift das richtige Schub: 
wert! Die Sohlen feft, nicht zu 


Dr. Julian Marcufe. 


weit über den Rand des Leders 
tretend, mit fräftigen Nägeln — 
auch ſelbſt -für Schiläufer, wenn: 
gleih mande dies aus Schonung 
für ihre Schi zu vermeiden ſuchen! 
Allein mit Recht fagt Hoek in 
feinem Leitfaden des Schilaufs: 
„Ein paar Nägel können einen 
Menſchen tatſächlich glücklich oder 
unglücklich machen, wenn es gilt, 
einmal die letzten paar hundert 
Meter zum Paß oder Gipfel zu 
Fuß zu gehen.“ 

840. Tracht der Frauen. Für 
die Sporttracht der Frauen bei 
Berg-Skitouren und ähnlichem 
gelten diefelben Prinzipien wie bei 
der Männerkleidung. Daß alles, 
was die freie Beweglichkeit des 
Körpers Hindert, fallen muß, ift 
jelbftverftändfihd. Nicht nur das 
Korfett, fondern auch jede Einfchnü- 
rung der Taille durch Bänder ıc. 
ift durchaus zu verpönen. Im 
Winde flatternde Röcke erſchweren 
jede Bewegung um ſo mehr, je 
länger ſie ſind. Der Rock ſoll nur 
bis zur Mitte des Unterſchenkels 
gehen, Bluſe und Ueberbeinkleid ſoll 
aus demſelben Material ſein, aus 
dem die Männerkleidung iſt. Für 
Skiläuferinnen bewährt ſich nach 
den übereinſtimmenden Erfahrungen 
aller Kenner dieſes Sports am 
beſten folgende Tracht: Als Unter⸗ 
kleidung geſchloſſene Hofe, am vor⸗ 
teilhafteſten in Form der halb aus 
Seide, halb aus Wolle gefertigten 
„Kombination“, als Oberkleidung 
eine — nicht zu weite aber dem 
Knie genügend Bewegungsfreiheit 
geſtattende — gut ſitzende kurze 
Hoſe. Für den Oberkörper eine 
einfache Bluſe, darüber eine ziem— 
lich lange, einfache Jacke. Wer ſich 
zu ſeinem eigenen Nachteil nicht 
entſchließen kann, in Beinkleidern 
zu gehen, dem bleibt nur der kurze, 
fußfreie Rock übrig; weite faltige 
Pumphoſen machen jede Figur zu 


XIV. Die Bngiene des Sports. 


einem Zerrbild. Auch die zum Be: 


feftigen der Röde und Hofen die: 
nende Untertaille ift am beiten aus 
poröfem,, die Ausdünftung nicht 
hemmenden Stoff. Man forge für 
die Möglichkeit ausreichender Durch» 
lüftung, andererjeit3 aber treffe man 
Borjorge, die Kleider bei Wind 
und Wetter abfchließen zu können. 
Noch einige über Erſatzkleidungs⸗ 
ftüde. Für jede Tour, die die 
Dauer eines Tages überfteigt, nehme 
man im Ruckſack Smeater oder 
Zederjade mit, zwei paar Erſatz⸗ 
handſchuhe, mehrere Soden, min: 
defteng ein Baumwollhemd zum ſo— 
fortigen Anziehen nad Ankunft in 
der Hütte bezw. dem Gajthof; nie 
wird man an Erſatzkleidung Ueber: 
fluß verfpüren, und je mehr man 
zum Wechſeln hat, deito befjer über: 
windet man Schwierigkeiten und — 
Erkältungen. 


Dütetik und Pflege des 
Körpers. 


841. Anftrengung und Crho: 
lung. Die Hygiene des Sports 
begreift außer den geſchilderten 
Maßnahmen noch eine Reihe von 
Momenten in jih, deren Kenntnis 
nicht nur wiſſenswert, fondern aud) 
vor allem notwendig ift im inter: 
eſſe eined gedeihlichen Einflufjes 
fportlider Betätigung. In Iofer 
Aneinanderreihung jollen dieſe bis— 
ber nicht erörterten Bunte hier be= 
fproden werden. 

An die Spite gehört das Ver: 
hältnis zwiſchen körperlicher Betäs 
tigung und Erholung, zwiſchen Ar: 
beit und Ruhe! Daß der Sport 
eine Arbeit ift im vollen Sinne 
des Wortes, das haben mir ein- 
gangs bereit3 dargelegt. Jede Ar: 
beit aber bedarf, follen nicht Ar— 
beitsmaſchine und Material früh: 
zeitig abgenügt und aufgebraucht 
werden, der zeitweiſen Entlaftung 
und des Nachſchubs von Brenn: 


Nro. 8411—842. 


ftoffen und das bejorgt im menſch— 
lien Körper die Ruhepaufe, das 
längere Ausruhen, der Schlaf und 
ähnliches mehr. In al diefen von 
wenigen Minuten bis zu Stunden 
und Tagen fich erftredenden Arbeits: 
unterbrechungen liegt die einzige 
Möglichfeit einer Erhaltung der 
Leiftungsfähigfeit und damit wird 
wohl ohne weiteren erflärenden Zu= 
fat die ungeheure Bedeutung diejer 
eingefchobenen Rubezeiten far. Ihr 
Wertmaß wächſt aber noch in dein 
Augenblid, wo wir nicht bloß ein= 
fache Arbeitsleiftungen, fondern fol- 
che von höchſter Anſpannung vor ung 
baben,alfo alpineAufgaben ſchwerſter 
Natur, Refordläufe, Regatten ıc. ıc. 
Hier würde man nicht bloß aufs 
ſachgemäßeſte feine Kräfte vor der 
Entjheidung zu verwalten haben, 
fondern auch während derjelben und 
unmittelbar nachher diejelben zu 
rechter Zeit und mit rechten Mit: 
teln walten laſſen bezw. für den 
Erfa der verloren gegangenen 
Sorge tragen. Alfo mit anderen 
Worten, man wird die Zeit vor 
und nad dem fportlihen Kampfe 
der Natur durch einen tiefen, Träf- 
tigenden Schlaf zu ihrem Rechte 
verhelfen und wird während des: 
felben jede Gelegenheit nüßen, um 
eine Pauſe eintreten zu laſſen, um 
ruhig zu atmen, um eventuell durd) 
Zuführung feiner Mengen von 
Flüfjigfeiten (lauwarme Mild, 
leichte Teeaufgüffe mit Zitrone und 
Zuder u. dergl. m.) Erſchöpfungs⸗ 
zuftände abzuwehren. Seder ernite: 
ren Unternehmung muß mithin eine 
ungejchmälerte Nachtruhe voran: 
gehen. 

842. Diätetik vor und während 
der Tour. Nichts ift fehlerhafter 
und verhängnisvoller ald nad) durd)- 
fneiptem Abend in der Frühe des 
Morgens eine Bergtour? overfähn 
liche® anzutreten! Nie fol man mit 
nüchternen Magen fih zum Auf: 


Nro. 843-844. 


bruch anjdiden; was man aud 
vorhat,ein Heiner Imbiß, ein Schluck 
warmen Getränkes ift dringendft 
notwendig. Man gehe bei Berg- 
wanderungen nie heftig, jondern 
gleichmäßig fortfchreitend, atme mög: 
licht durch die Nafe, made, wo es 
irgend angeht, bei fchwierigeren Be⸗ 
fteigungen Heine Paufen, um das 
Herz zur Ruhe kommen zu laffen, 
größere vor der Snangriffnahme 
befonderg jchwieriger Stellen! An 
erponierten Stellen, an denen man 
ausruht, auf den Bergesijpigen, die 
man erklommen, ſchütze man ſich 
gegenüber den ſcharfen Windftrö- 
mungen durch mitgeführte Loden- 
fapes, Smweater oder dergl. Man 
wechſle fofort, nachdem dag Ziel er: 
reicht, in der Hütte oder dem Quar⸗ 
tier jeine Wäfche und zwar bevor 
diefelbe am Körper zu trocknen be: 
ginnt. So ſehr beim Mari und 
der dabei geleijteten Mustelarbeit 
dieſe Einflüffe paralyfiert werden, 
jo gefährlich ift die von Schweiß: 
waſſer durchfegte Wäſche am ruhen: 
den Körper, jo dringend notwendig, 
ih ihrer jofort bei gegebener Ge: 
legenheit zu entledigen. Auf Hütten 
und in Unterfunftsftellen denke man 
an den nächſten Morgen und an 
deffen Anforderungen, man kürze 
den Schlaf um feine Minute! Und 
ift man nad) alledem glücklich wieder 
beimgefehrt, dann ift das erſte, was 
man nach mehrtägigenWanderungen, 
nach anſtrengenden Schitouren und 
ähnlichen Strapazen -zu tun hat, 
daß man ein heißes Reinigungsbad 
nimmt. Nichts ift imftande, ganz 
abagefehen von der notwendigen 
Spülung der Haut, eine folde Er- 
frifdung und Entlaftung von 
Schlafen zu geben wie dieſes. 


Schäden im Hnfdlufs an 
Iportlide Uebungen. 
843, Allgemeines. Ein eigenes 
Kapitel, bisher nur vorübergehend 


Dr. Yulian Marcuſe. 


gejtreift, aber von fol ausſchlag⸗ 
gebender Bedeutung, daß es einer 
gefonderten Darftelung und der 
ernftejten Berüdfichtigung bedarf. 
Führt der Sport, wie in einer 
Reihe von Abfchnitten auseinander: 
gefett, in feiner Beeinfluffung faft 
aller Organiyfteme zu einer Kräf⸗ 
tigung und Wiedergeburt an Leib 
und Seele, fo it jeine Daſeins— 
beredtigung, ja feine unbedingte 
Notwendigkeit erwiefen! Führt er 
dagegen zur Schädigung, zur Ve⸗— 
einträchtigung auch nur eines Or: 
gang oder einer Funktion, jo tjt er 
zu meiden, ja ſogar als unnützlich 
auszumerzen. Auch bier liegt wie 
in faft allen Fragen und Gemwohn- 
heiten des Lebens die Entjcheidung 
in den Händen des einzelnen: Wie 
jeder Sport treibt, wie er Arbeit 
mit Ruhe wechſeln läßt, wie er die 
Fingerzeige der Natur und der 
eigenen Warnungszeichen beachtet, 
wie er fein Leben im Hinblid auf 
jportliche Betätigung geftaltet, davon 
hängt Nuten, hängt Schaden für 
ihn ab! Rationell betrieben wird 
der Sport zur höchſten Steigerung 
der Körper: wie Seelenfraft, irratio: 
nell betrieben zur Bergeudung der 
Kräfte, zur Shwädung beftimmter 
lebendwichtiger Organe und damit 
zur allgemeinen Herabjegung der 
Widerjtandsfähigfeit und Gefund: 
heit. Und zwar find e8 ganz be=. 
ftimmte Gewebsgruppen im menſch⸗ 
liden Organismus, die in erjter 
Reihe davon betroffen werden und 
Schaden nehmen, die Muskeln, dag 
Herz und die Blutgefäße und die 
Nerven. 

844. Neberanftrengung der 
Muskeln. An den Muskeln, den 
Gradmefjern des Wohlbefindens, 
treten die frühelten Erfcheinungen 
übermäßiger Törperlider Anſtren⸗ 
gung auf, und fie äußern fi in 
einem bodgradigen Ermüdungs- 
gefühl, in Zittern und ſchließlich in 


XIV. Die Bygiene des Sports. 


Muskelkrämpfen, die jedwede wei- 
tere Leiftung unmöglich maden. In 
den äußerften Graden bei wieder: 
holter erzejfiver Anftrengung Tann 
e3 jogar zu direkten Musgfelverän- 
derungen im Sinne eine Gewebs⸗ 
zerfalles kommen. Dieje Anzeichen 
einer maßlofen Inanspruchnahme 
der Kräfte, wie ſie ſich zuerft in 
den tiefen Ermüdungsgefühlen zei- 
gen, können mit Willensfraft, ſtarker 
Gemüt3bewegung und etwaigen 
äußeren Hautreizen, wie Einreibung 
der Glieder mit Franzbranntwein 
und ähnlichem wohl überwunden 
werden, bejonderd dann, wenn es 
fih um vereinzelte, einmalige At⸗ 
taden diefer Art handelt. Folgen 
fie aber hinter einander oder wer: 
den fie in Eleineren Zwifchenräumen, 
ungeadtet der Warnzeichen herauf: 
beſchworen, dann tritt ein Zujtand 
chroniſcher Ermüdung auf, der jo 
leicht nicht mehr ſchwindet, und der 
vor allem jelbft die Heberwindung 
tleinerer Strapazen zu erjchweren, 
ja fogar unmöglich zu machen droßt. 
Schmere Uebermüdung alſo bedarf 
eines Ausgleih3 von Tagen und 
Wochen, ehe man wieder an die 
„Arbeit“ geht, fie bedarf der Scho- 
nung, jonjt wird Hebung zum Miß- 
braud. Am faljcheiten und anfecht- 
barjten vom gejundpheitlichen Stand⸗ 
punkt aus ift die Sudt der groß: 
ftädtifchen Jugend, den freien Sonn⸗ 
tag zum Tummelplaß aller nur er- 
denkbaren ſportlichen Ausfchrei- 
tungen zu maden! Da wird nad) 
halb oder ganz durchzechter Nacht 
bei Morgengrauen aufgebrochen, 
Thlaftrunfen in die Dämmerung 
bineingefahren und am Ziel ange: 
langt nun den Tag über drauf lo8- 
gewirtjchafte. Dann kommt man 
am fpäten Abend, kaum der Glieder 
und Sinne mädtig, heim, und am 
nächſten Tag joll die Berufsarbeit 
der Woche anheben. Das ift nicht 
Sport, das ift Mord! Wer nicht 


Nro. 845. 


lernt, mit feinen Kräften hauszus 
halten, die Anftrengungen zu ver- 
teilen und zwifchen Uebung und 
Erholung zu wechfeln, und wer vor 
allem nicht daran denkt, daß der 
Ruhetag der Woche nicht mit einer 
anderen anftrengenden Arbeit aus: 
gefüllt werdendarf,der wird die wohl⸗ 
tätigen Folgen fportlicder Uebung 
nie an feinem Körper erfahren, ſon⸗ 
dern nur ein Heer außerhalb ver: 
lebte und durchlebte Tage zu den 
anderen zuadbdieren können! 

845. Meberanitrengung de? 
Herzens und der Gefühe. Das 
Herz ift befanntlich auch ein Muskel⸗ 
gebilde, dag fich zufammenzieht und 
ausdehnt, aber wie ſchon in den 
Eingangsfapiteln erwähnt, dem 
Willen entrüdt if. Während nun 
regelmäßige Mebung der millfür- 
lihen Muskeln befanntlid) eine 
Mustelzunahme bewirkt und dieſe 
eine Stärfung de3 ganzen Muskels 
bedeutet, ift die durch ſehr ftarfe 
Smanfpruchnahme herbeigeführte Zu= 
nahme des Herzmugfeld eine ſehr 
unerwünſchte Begleiterjcheinung, be⸗ 
greift ſie doch eine geringere Wider⸗ 
ſtandsfähigkeit des Herzens in ſich 
und führt zu Herzausdehnungen, 
die eine Veränderung dieſes wich— 
tigften aller Organe und zwar im 
ungünftigen Sinne zur Folge haben. 
Solche Herzerweiterungen hat man 
bei Menſchen, die den Radfahrfport, 
den Schilauf, den Bergiport in über: 
triebener Weife getrieben haben, 
zahllos konſtatieren können und die 
Folge davon war, daß diefelben 
nicht bloß gezwungen wurden, jed⸗ 
weder ſportlichen Tätigkeit zu ent- 
jagen, ſondern auch Jahre lang mit 
der Schonung des überangeftrengten 
Herzmuskels zu tun hatten. So 
berihtet Bed in feiner Arbeit 
„Zouriftit und Herz“ über 31 im 
mittleren Lebensalter ftehende junge 
Männer, die er unter dem Einfluß 
des Bergſteigens direkt beob⸗ 

5 


—_—— 1m 


Niro. 846. 


achten Gelegenheit hatte, und die 
ohne jede voraudgegangene Erfran- 
fung oder Veränderung lediglich in- 
folge des zu Herzklopfen und Atem⸗ 
not führenden Bergfteigeng Herz⸗ 
ermweiterungen aufwiejen. Dasſelbe 
wurde bei Schweizer Rekruten, die 
Schwierige Bergtouren zu maden 
hatten, bei Teilnehmern an Dauer- 
märſchen 2c. 2c. feſtgeſtellt; anderer 
feit3 fand man auch wiederum in 
jüngfter Zeit bei Wettſchwimmern, 
bei Gehſportchampions direkte Herz- 
verkleinerungen unter dem Einfluß 
der erzefliven Anftrengung, und 
wenn diefe Frage nah dem Wefen 
der Veränderung au noch nicht 
ganz einwandfrei geklärt ift, jeden 
falls fteht das eine feft, daß dauernde 
Ueberanftrengung, wie fie ſich Durch 
Herzklopfen und Atemnot bemerkbar 
madt, zu Veränderungen führt, die 
eine Einbuße an SHerzfraft und 
Widerſtandsfähigkeit bedeuten. Und 
damit fteht in engem Zuſammen⸗ 
hang die ungünftige Beeinflufjung 


der vom Herzen abhängigen Ges 


fäße: die fräftigen Zuſammen⸗ 
ziehungen der Musteln treiben dag 
Blut beſchleunigt durch die Adern. 


Dr. Julian Marcufe. 


846. Meberanftrengung des 
Nervenſyſtems. Und als legte un⸗ 
günftige Einwirkung ſportlicher 
Ueberanftrengung ift die auf das 
Nervenſyſtem zu betradten. Auch 
bier dient die wiſſenſchaftliche Unter⸗ 
judung auf beftimmte, beim ge= 
funden Menſchen vorhandene Er- 
ſcheinungen als Maßſtab für Die 
unſchädliche oder ſchädliche Wirkung 
ſportlicher Betätigung. Man prüfte 
Radfahrer nach einem Rennen, 
Wettgeher nach einem 40 Kilometer⸗ 
marſch, Teilnehmer des Wettlaufes 
von Marathon nach Athen und fand 
faſt bei allen ein Erlöſchen, min⸗ 
deſtens aber eine weſentliche Herab⸗ 
ſetzung der Sehnenreflexe. Dieſe 
Störungen zeigten, wie das Ueber⸗ 
ſtehen einer beſonderen Leiftung 
noch lange nicht ihre Unſchädlichkeit 
beweiſt. So weiß man z. B. auch, 
daß ein Bergſteiger, der ſich ſtunden⸗ 
lang an einen Baumaſt anklammerte, 
um nicht in die Tiefe zu ſtürzen, 
eine Lähmung der Arme davontrug, 
daß ein anderer, der ſich auf einer 
vorſpringenden Felskante mit einem 
Beine ſtehend erhalten mußte, eine 
Lähmung dieſes Beines erlitt und 


Da aber Herz und Lungen dieſem ähnliches mehr. Auch bei Tieren 
Anprall nicht in gleicher Weiſe nach- hat man erperimentell durch er⸗ 


kommen können, erreicht der Druck 
in den Arterien eine gefährliche 
Höhe, er ſteigt weſentlich und damit 
treten Zirkulationsveränderungen 
ein, die für die Dauer durchaus nicht 
gleichgültig ſind. Alles in allem 
reſultiert aus übertriebenen und die 


individuellen Kräfte überſteigenden 


Uebungen, wie ſie durch falſchen Ehr⸗ 
geiz, brennenden Wetteifer und 
Ueberſchätzung der Kraft oder aus 
Leichtſinn und krankhafter Waghal⸗ 
figfeit unternommen werden, Schä- 
den, die in vielen Fällen nicht mehr 
auszugleichen find, aufjeden all aber 
eine Hemmung der Gefundheit und 
der Leiftungsfähigfeit wenn auch 
nur vorübergehend im fich fchließen ! 


jhöpfende Arbeiten nachträgliche 
Erkrankungen der in Betracht kom⸗ 
menden Bewegungänerven hervor: 
rufen können und die mikroſkopiſche 
Unterſuchung ergab dann einen rich⸗ 
tigen Aufbrauch, einen Zerfall der 
Subftanz der Nervenbahnen. No 
wichtiger als dieſe praktiſch Doc 
nicht alzubäufigen Fälle find die, 
in denen eine Anftrengung zu Schä= 
digungen führt, bei denen man nicht 
von einem Uebermaß der Anforde- 
rung reden kann. Da wird 3. B. der, 
der nad einer Lungenentzündung 
wieder ganz wohl ift und dem 
Tennisſpiel fi widmet, von einer 
Armlähmung befallen. Ein gleiches 
gilt von den anderen Krankheiten, 


XIV. Die Bygiene des Sports. 


die die allgemeinene Konftitution 
beeinträchtigen, dann befonder® von 
Krankheiten, die die Nerven befon- 
ders anzugreifen pflegen wie Zuder- 
harnruhr, Malaria und gemifie 
Gifte, wie Mutterforn, Blei und 
vor allem Alkohol, der beſonders 
dadurch gefährlich wird, daß er ge- 
nommen wird, um über die mar: 
nenden Ermüdungserſcheinungen 
Binwegzutäujhen. AU dieſe dis⸗ 
ponierenden Momente steigern die 
Zerfallämöglichkeit in den Nerven 
außerordentlid und verlangfamen 
andererjeit3 den Wiedererjat. Es 
genügen in foldden Fällen ganz un⸗ 
ſcheinbare Urfadhen, um einen nach⸗ 
baltigen Nervenverfall auszulöfen. 
Aehnlich wirkt die familiäre ange- 
borene Dispofition, jo daß ed ganze 
Familien gibt, in den die einiger: 
maßen Starke Inanfpruchnahme der 
Nerven von einem gefährlichen, oft 
ohne Warnungsfignale, meift aller» 
dings erſt nach einem ſolchen erfol- 
genden Verſagen quittiert wird. 

Es dreht fih nun um die Frage, 
wann tritt Weberanftrengung ein, 
d. 5. wann bleibt der Erjag der 
Nervenfubitanz hinter dem Berbraud 
jzurüd. Die Antwort ift nie gene- 
rell zu geben, fondern jeweils nur 
auf Grund der Abſchätzung der in: 
dividuellen Leiftungsfähigfeit.. Es 
kann fi nur darum handeln, Hin- 
weije dafür zu geben, daß folde 
Ueberanftrengungen gar nicht fo weit 


Niro. 847. 


geichloffen wird, daß die Folgen 
nit fofort einzutreten brauchen, 
daß es gewiſſe Verhältnifie gibt, 
die eine bejondere Dispofition zur 
Schädigung fchaffen. Wir willen, 
daß der Organismus feine Gefete 
hat, daß er auf Anforderungen mit 
Erhöhung feiner Leiftungen reagiert. 
Aber dieſe „Zrainierfähigteit” bat 
ihre Grenzen, von einem gewifjen 
Punkt an beginnt aud für den 
Körper das mechanische Geje ver 
Abnützung! 

847. Rückblick. Praktiſch iſt 
alſo aus Obigem zu entnehmen, 
daß ebenſowenig wie es ein Alle 
heilmittel für alle Krankheiten oder 
ein Allſchutzmittel gegen alle Schä⸗ 
digungen gibt, ſo auch der Sport 
oder jede Art von Sport nicht 
für jeden oder nicht in gleichem 
Maße für jeden zuträglich iſt. 
Auch bier heißt es zu individuali- 
fieren nach der perfönlichen Art, zu 
individualifieren in der Quantität 
wie in der Qualität des Sporte?. 
Wer Golf mit dem beften Erfolg 
treiben kann, für den ift Berg- 
fteigen und Skilauf ein Schaden, 
der eine verträgt Rudern nicht, 
wohl aber Segeln, der andere Fuß⸗ 
ball nicht, wohl aber Tennis! Eine 
befonder8 ernjte Warnung liegt 
aber in dem angeführten Tatjachen- 
material, dag fich leicht erweitern 
läßt, gegen alle Sportfererei und 


| Refordfudht, mo der Sport nicht 


außerhalb des Möglichkeitäbereiches | mehr der körperlichen und geiftigen 


liegen, wie vielfach aus der jubjel- 
tiven momentanen Unempfindlichfeit 





Auffrifhung dient, fondern Selbit- 
zweck krankhafter Eitelkeit wird! 


PRRERERFERERERERERTERTERERERERTT 


XV. Erfte Hilfeleiftung bei fportlichen 
Unfällen bis zur Ankunft des Arztes. 
Von 
Dr. Julian Mareufe. 


Erfte Dilfe bei äufseren 
Verletzungen. 


848. Berlegungen der Weich⸗ 
teile. Unzählig häufig entjtehen 
auf dem Sportgelände oder Sport- 
plate Weichteilverlegungen, ſei es 
daß eine ftumpfe Gewalt auf den 
Körper einwirkt: der Anprall des 
nicht parieyten Fußballes, ein Fall 
auf der Eisbahn, ein Umknicken 
beim Schilauf, ein Abſturz vom 
Barren, vom Pferde, vom Beloci- 
ped, kurzum eine Unjumme von 
Möglichkeiten, fei ed, daß ein 
jpiger, barter oder reifender 
Gegenſtand unferen Körper trifft: 
das Erfaflen einer Felsſcharte beim 
Klettern, das Abgleiten auf einer 
Moräne, das Fallen gegen einen 
- Stein oder Baumftamm beim Ro: 
deln, ein unrechter Stoß gegen un: 
gefhügte Körperteile beim Fechten 
und wie die Dinge alle fich zutragen 
mögen. In dem einen Falle wird 
es zu Duetjchungen der Weidhteile 
ohne Hautverlegung, in dem anderen 
zu Hautdurdtrennungen und Wun⸗ 
den fommen, dort erfolgt die Blu⸗ 
tung unter die Haut, bier ergießt 
fi der Blutſtrom nad) außen, bald 
ftärfer, bald ſchwächer, und im 
Vordergrunde des Unfalls fteht die 
Blutung. So viel Möglichkeiten, fo 


viel verjhiedene Wege zum Ein- 


greifen und zur kunſtgerechten Hilfe- 
leiftung ! 

849. Duetfchungen und Zer- 
rungen. Das Charalteriftilum der 
Quetſchung, deren Zuftandelommen, 
wie ſchon erwähnt, durch die Ein- 
wirkung einer ftumpfen Gewalt er- 
folgt, ijt ein Bluterguß unter die 
Haut, der ji Außerli vor allem 
durh eine Anfchwellung der ge= 
troffenen Körperpartie bemerkbar 
madt, die jchmerzhaft ift, zur Un- 
beweglichkeit führt und je nah dem 
Grade der einmwirtenden Gemalt 
zwiſchen leichter Rötung und tief: 
blauer Berfärbung der Haut alle 
Nüancen durdläuft. Beireffen fie 
nur die äußeren Weidhteile, jo find 
fie im großen und ganzen harmlos 
und erfordern weiter nicht als 
Ruhigſtellung des  gequetjchten 
Gliedes — an den oberen Glied- 
maßen legt man eine Schlinge an 
— und feudtlalte Aufichläge , die 
am einfadften durh in kaltes 
Waſſer getauchte Tücher bergeftellt 
werden. Werden Gelenke gequeticht, 
fo ſpricht man von Verſtauchungen; 
über dieſe ſpäter im Anſchluß an 
die Schilderung der Knochenver⸗ 
letzungen. 

Zerrungen ſind Muskeldehnun⸗ 
gen, zuweilen auch leichte Muskel⸗ 


XV. Erſte Bilfeleiffung bei [porklichen Unfällen efc. 


zerreißungen; fie äußern fi in 
einem plöglich auftretenden heftigen 
Schmerz und der Unfähigkeit, den 
betreffenden Körperteil zu bewegen. 
Sie treten meift durch eine un= 
rechte Bewegung ein, denen der 
betreffende Muskel nicht nachzu⸗ 
kommen im ftande ift; leichte maj- 
fterende Streihungen, wenn man 
eine fpirituöfe Flüffigfeit hat, eine 
Einreibung der gezerrten Stelle mit 
derfelben find die im Augenblid 
des Eintreten? anzumendenden 
Maßnahmen. Quetſchungen fönnen 
aber auch den Schädel, die Wirbel⸗ 
fäule, Bruſt und Bauch treffen, 
und da alle dieje Regionen jehr 
empfindliche Körperteile beherbergen, 
fo können Erjchütterungen und Ber: 
reißungen im Innern eintreten. 
Mir fprehen dann von Gehirn: 
und Rüdenmarlerfchütterungen, von 
Zungenblutungen, Milz und Darm⸗ 
jerreißungen und ähnlichem mehr. 
Alle dieſe Zuftände find äußerft 
gefährlich und Tennzeichnen ſich dem 
Laien vor allem durd eine Reihe 
fchwerer und das gejamte Ausſehen 
verändernder Allgemeinerſcheinun⸗ 
gen: Solche Verletzte werden blaß, 
ohnmächtig und bewußtlos, die At- 
‚mung wird oberflädli und un= 
regelmäßig, der Puls ganz Klein, 
bei Gebirnerfhütterung tritt meift 
Erbreden, oft au Naſen⸗ und 
Obrenblutung ein. 

Das erfte und wicdtigfte, was 
bei dieſen Zuftänden zu tun ift und 
nie verabfäumt werden darf, ift 
fofortige Horizontallage des 
Körper, wo ed auch immer jei, 
und Deffnung ſämtlicher Kleidungs- 
ftüde. Jede Beengung der Atmung 
muß aufgehoben, dem Herz durd) 
die Tieflagerung die Möglichkeit 
gegeben werden, genügend Blut 
zum Hirn zu treiben. Nie darf 
ein Ohnmächtiger und Bemußtlofer 
mit ſchwachem Blut in die Höhe 
gerichtet werden, man würde da— 


ro. 850. 


durch nur eine Verſchlimmerung des 
Zuftandes dur noch ftärfere Blut- 
entleerung des Kopfes herbeiführen. 
Der Berlegte wird dann, möglichft 
am Drt des Unfall®, auf Deden 
oder untergelegte Kleidungsſtücke 
gebettet, mit Waſſer gegen Geficht 
und Bruft fleißig befprengt und fall? 
die Atmung ſchwächer wird und zu 
ſtocken anbebt, der künſtlichen 
Atmung unterworfen (ſ. Nro. 866). 
Fängt er an, ſich zu erholen, jo 
reihe man ihm etwas Kognaf oder 
Wein — friſches Waſſer tut es 
auch — und was man von Bes 
lebungsmitteln mit fich führt (Hoff: 
mann? Tropfen, Meliffengeift oder 
ähnliches). Bei dieſen geſchilderten 
ſchweren Unfällen ift ein Tran?: 
port nur im äußersten Notfall vor- 
zunehmen, in jedem anderen ein 
Arzt zur Unfallitelle zu zitieren. Sit 
man gezwungen zu transportieren, 
fo muß ſowohl beim Aufheben wie 
beim Lagern auf der improvifierten 
Tragbahre das obige Gebot, den 
Körper des Verletzten nicht hoch zu 
richten, nad) wie vor aufs ftrengjte 
beachtet werden. Zu diefem Zwecke 
bebt man den Kopf, die Schulter: 
blätter, das Gefäß und die Füße 
— das find die vier Angriffgpunfte 
für die Träger — gleihmäßig und 
leicht in die Höhe und bettet den 
Berlegten in derjelben. | honenden 
Weile auf der Bahre. 

350. Wunden. Wie fchon er- 
mwähnt, handelt es fich hierbei um 
Durchtrennungen der Haut und da= 
mit um Bloßlegung der darunter 
gelegenen Weichteile und eventuell 
auch Knochen. Zwei Dinge find eg, 
die jeder Wunde den Charafter 
einer Gefahr verleihen: Einmal die 
MWundverunreinigung durch Ein 
dringen von Giftfeimen und mweiter- 
bin die Verblutung. Das Eindringen 
diefer Keime erfolgt aber fehr viel 
mweniger dur die Berührung der 
bloßgelegten Haut mit der Luft als 


Niro, 851, 


durch die Berührung der Wunde mit 
Ihmusigen Fingern und ſchmutzigen 
Verbandftoffen oder Tüchern. Alfo 
it peinlidfte Sauberfeit die 
abjolute Borbedingung für jede 
Wundbehandlung. Die Berblutung 
ift die zweite Gefahr, die natürlich 
nur dann eintritt, wenn es fih um 
größere Adern oder deren Aeſte 
handelt; ihr iſt zu begegnen durch 
die Blutftillung. 

Sit eine Verlegung mit offener 


Dr. Julian Marrufe. 


Modus jeiner Anlegung in einem 
päteren Abfchnitt (Nro. 853). 
851. Blutftilung. Eine eigene 
und kunſtgerechte Blutjtilung iſt 
dann erforderlich, wenn eine größere 
Schlagader (Arterie) verlegt ift, 
und das kennzeichnet fich durch eine 
in weiten Bogen fprigende Ent- 
leerung des Blutes; die ftoßmeije 
— entjprehend der BZujammen- 
ziehung des Herzens — erfolgt. 
Denen (d. 5. Blutadern) jprigen 





421. Heilung einer Wunde 
Aus Esmarch, Erfte Hilfe. 


durch Derflebung. 


Wundbildung erfolgt — und das 
untrüglide Zeichen hierfür ift Die 
Blutung — fo muß vor allem, und 
das iſt das erjte Beginnen, die blu- 
tende Stelle freigelegt, d. 5. jed: 
wedes darüber gelegene Kleidungs- 
ſtück, wenn erforderlich gewaltjam, 
entfernt werden. Nun werden die 
Hände gründlichft gereinigt — wo 
warmes Waffer und Seife zur Hand, 
mittelft diefer, mo nur faltes zur 
Verfügung, muß man fi) damit 
begnügen, und wo auch diefes fehlt, 
nehme man Schnee, Ei oder mit: 
geführte jpirituöfe Flüffigfeiten —, 
vor allem muß aud der Schmuß 
unter den Nägeln entfernt werden, 
und nun beriefele man die Wunde 
mit reinem Waffer (au) bier muß 
in Ermangelung deſſen Schnee 
herangezogen werden, aud) Brannt- 
wein ijt ein Desinfeftiongmittel), 
entferne etwa eingedrungeneSchmuß- 
vartifelden, Kleidungsfafern ıc., und 
ſchließe ſie durch einen Verband. 

Ueber dieſen jelbft, feine verfchie- 
denen Formen und Arten, den 


durch Eiterung. 


zuweilen au, aber nie ſtoßweiſe 
fondern gleihmäßig, meift aber 
rinnen fie um ein großes Led und 
überfluten die gefamte Mundfläce 
mit Blut. Venenblut ift duntel- 
rot, Arterienblut hellrot, dem Un: 
geübten fommt dies jedoch Taum 
zum Bemwußtfein. Kleine, ſchwache 
Blutungen bedürfen feiner be- 
fonderen Stillung, fie werden durch 
einen fejt umjchließenden Berband 
bald unterdrüdt. Jede größere 
Blutung aber erfordert fofortiges 
und funftgerechtes Eingreifen, denn, 
felbit wenn es zu feiner direkten 
Verblutung fommt, ift doch jeder 
größere Blutverluft ſchwächend und 
die Gefundheit beeinträchtigend. 
Bei der Blutftilung unterjcheidet 
man binfichtlich der anzumendenden 
Maßnahmen zwischen Venen- bezw. 
Haargefäßblutung — das find die 
Heinjten Endausläufer der Blut- 
gefüße — und Arterienblutung, 
jede für fich erfordert ihre eigenen 
Maßnahmen. Bei ftärferer Blutung 
aus den erjteren Gefäßen entferne 


XV. Erfie Bilfeleiflung bei ſportlichen Unfällen efc. 


Nro. 851. 


man vor allem jede oberhalb der | fordern eine weit höhere Aufmerf: 


Wunde befindlide Einfhnürung 
(ſo an den Beinen etwaige Strumpf: 
bänder), dann halte oder lagere 
man das betreffende Glied hoch, 
und zwar fo lange, bis die Blutung 





422. Derlegte Schlagader. 
Aus Edmard, Erſte Hilfe. 


völlig fteht, bejpüle die blutende 
- Stelle mit faltem Waffer, Eis ꝛc. 
und umſchnüre fte feit mit einem 
in kaltes Waffer getauchten, fauberen 
Tuch. Bei allen Berlegungen an 
den Gliedmaßen fteht die Blutung 
um fo jeöneller, je höher dag vers 
legte Glied gehalten wird. Go: 
fortige Hochlagerung ift oft fogar 


allein ausreichend, vor allem bei. 


Blutungen aus Krampfadern. — 
Dieſen Maknahmen gegenüber treten 
alle anderen zurüd, felbft die Be- 
derung blutender Stellen mit Eifen- 
chloridwatte ift nicht fo ratjam, wie 
das oben angegebene Verfahren. — 
Die Verlegungen derSchlagadern 
find wefentlich gefährlicher und er- 


famteit und Belämpfung. Sprit 
durch eine Verlegung eine Ader in 
hellrotem Strahle auf, jo gibt es nur 
ein Mittel, dag ift: den Finger 
drauf. Mittels feiten Drudes ſteht 
. wenigſtens vor> 
übergehend jede 
Blutung, und 
das ift im 
Augenblid der 
Entjtehung des 
Unfal das 
erfte und wich⸗ 
tigfte Begin⸗ 
nen. Natürlich 
muß der Finger 
durchaus rein 
fein: Hat man 
alfo noch Zeit, 
fich peinlichit zu 
fäubern, fo tue 
man dies, an⸗ 
dernfalls neh⸗ 
me man einen 
zu Händen be— 
findlihen Wä— 
ſchegegenſtand 
(ein ſauberes 
Taſchentuch, Halstuch oder dergl.) 
| odrr ein Baufch Watte, und,übe da- 
mit den zufammenprefjenden Drud 
aus. Ye vollftändiger dies erfolgt, 
um jorafcher tritt Gerinnung undda= 
mit das Aufhören der Blutung ein. 
Da mo die blutende Schlagader 
oberflächlich gelagert ift — an der 
Scläfe, dem Unterkiefer, am Hand- 
und Fußgelenk — Tann man, denn 
der fortlaufende Drud des Fingers 
ift fehr ermüdend und läßt fi nur 
eine Zeitlang durchführen, zu kom⸗ 
primierenden Notverbänden greifen. 
Man maht aus Leinwand vder 
Watte einen Knäuel (Tampon), 
drüct ihn gegen die blutende Stelle 
und bindet ihn mit einem Tuche 
feft, aber jo feft, daß er wirklich 
die verlegte Stelle zufammenpreßt, 
am beften indem man dieſes Tuch 





423. Derlegte Dene 


(Blutader). Stauung 
durch Strumpfband u. 
abhängige Kage. 
Aus Edmard, 
Erſte Hilfe. 


Nero. 851. 


Dr. Iulian Marrcufe. 


dicht oberhalb der Läfion Inotet. | — man verfäume nie viel Zeit mit 


Man Tann auch für diefe Zwecke 


ein Geldſtück (5- oder 3 Markſtück), 


einen fladen Stein, ein Stüd 
Baumaft nehmen, in ein Tafıhen- 
tuch einfchlagen und umbinden. 
AN dies ift ausführbar an ober- 
flählih gelagerten und daſelbſt 
verlegten Blutgefäßen, mehr oder 
minder unwirkſam dagegen bei in 
der Tiefe liegenden und dem Ge- 
fihtöfeld entzogenen Verletzungen. 
Hier wird man entweder verſuchen, 
die betreffende Arterie gegen einen 





424. Knebelpreffe. 
Aus Esmarch, Erfte Hilfe. 


in der Nähe befindlichen Knochen 
zu drüden und in dieſer Stellung 
anzubandagieren oder aber bei 
Gliedmaßen durch Beugung der: 
jelben das blutende Gefäß gewiſſer⸗ 
maßen abzutniden oder fchließlich 
den Stamm der blutenden Ader zu 
verfolgen und diejelbe abzufchnüren, 
Se nach Körperregion und Lage 
fommen aljo die verfciedenften 
Methoden zur Anwendung, die wir 
der Reihe nach verfolgen wollen. 


Bei Blutungen an der Hand RK 


und dem Vorderarm, die auf 
direkten Druck nicht zu ftilen find 


unnützen und gegenüber der Stärte 
der Blutung von vornherein aus: 
ſichtsloſen Manipulationen — ſchiebe 
man in die Mitte des Dberarmes 
einen feſten Gegenftand — ein 
Stück Holz als Knebel oder auf 
in Crmangelung desſelben einen 
Stein — und binde den Arm feft 
an die Bruft mittelft eines Tuches. 
Dadurh wird die Schlagader des 
Armes zwiſchen Knebel und Ober: 
armknochen zujfammengepreßt und 
fann fein Blut mehr zur verlegten 





425. Knebeldrud. 
Aus Esmarch, Erfte Hilfe. 


Stelle entleeren. Die eben ge— 
nannte Hauptfchlagader des Armes 
liegt in der Mitte an der Sinnen 
jeite degfelben, da wo der Muskel⸗ 
bauch, der den Oberarm einnimnt, 
fi von darunter liegenden Knochen 
abheben läßt. 

Bei Blutungen in der Achſel— 
gegend ſucht man eine Stelle 
auf unterhalb etwa der Mitte des 
entjprehenden Schlüffelbeines und 
drüdt die Ader nad unten gegen 
die erjte Rippe. 

Blutungen am Halfe — mit 
die gefährlichfte Stelle am ganzen 
örper — drüdt man die etwas 
auswärts von Kehlkopf und Luft- 
röhre gelagerte Ader, da wo der 


XV. Erfie Bilfeleiltung bei [porflichen Unfällen efr. 


vom Hals zum Unterkiefer ziehende 
Musfeljtrang feine äußere Grenze 
hat, kräftig gegen die Wirbelfäule 
und halte fie dort feit. 

Bei Blutungenan Oberſchenkel 
verfährt man in derjelben Weife, 





426. Singerdrud auf die Schlüffelbein: 
fchlagader. 
Aus Esmarch, Erſte Hilfe. 


indem man die in der Mitte der 

Leiſte dicht unter derjelben liegende 
Ader gegen den Oberſchenkelknochen 
drüct, dasfelbe gejchieht am Unter: 
ſchenkel und Fuß. 


ar 


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KON 
N X Yıı 





+27. Singerdruf auf die Halsjchlagader. 
Aus Esmarch, Erfte Hilfe. 


- Führt diefe Methode der Zus 
fammendrüdung der oberhalb der 
Wunde gelegenen Pulsadern, die 
man an Ellbogen und Knie nod) 


Nro. 851. 


dur eine forcierte Beugung der 
betreffendenGliedmaßenunterjtügen 
fann, nicht zum Biel, dann ijt es 
notwendig, eine zeitweilige Ab— 
Ihnürung des betreffenden Körper- 
teile8 vorzunehmen. Kunftgerecht 
erfolgt das mit einer elaſtiſchen 
Binde oder einem Gummifchlaude, 
in Ermangelung vesjelben bedient 
man fich der Hojenträger oder aud) 










88 
I) 


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III 
AEKEREENNIEN! _ x 
SIIIETIITUNSE 

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Vi, 17H 
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428. Elajtifcher Kurt als BHofenträger. 
Aus Esmarch, Erjte Hilfe. 


eines einfachen Tajchentuches, das 
mitteljt eines dazwiſchen hinein— 
gebundenen Holzftüdes (man fanı 
auch einen Stod, ein Tafchenmefjer, 
einen Schlüfjel dazu nehmen), zu 
einer Art Knebel gejtaltet wird. 

Bei der Umſchnürung eines Glie: 
des ijt jedes halbe Handeln falich : 
Wenn man fich einmal angefichts 
der Lebensgefahr dazu hat ent— 
ihließen müfjen, darf nur ganze 
| Arbeit geleitet, d. h. eine wirkliche 
Abſchnürung erzielt werden. 

Aber die Zeitdauer dieſer Ab— 
Ihnürung ift begrenzt: 1’, Bis 
höchſtens 2'/, Stunden kann man fie 
liegen lafjen, dann muß fie ent- 
fernt werden, ſonſt bejteht die Ge— 
fahr des Brandigmerdend des ab— 
gejchnürten Teiles. 

In diefem eben geſchilderten 
Rahmen bewegt fich die Methodik 
der Blutftilung! Iſt dieje erfolgt, 





Nro. 852—853. 


bat alfo das gebildete Blutgerinnfel 
die Ausgangsöffnung des verletten 
Blutgefäßes verfperrt, dann wird 
die Wunde forgfältig verbunden. 

Es erübrigt noch im Anfchluß 
daran einige andere Blutungen und 
deren erſte SHilfeleiftung zu ffiz- 
zieren und zwar handelt es ſich 
hierbei um Blutungen aus dem 
Innern des Körpers, aus der Nafe, 
den Lungen und dem Magen. 

852. Nafenbinten. Ein fehr 
häufiges Vorkommnis, meift durch⸗ 
aus harmlos, aber recht läftig und 
ftörend. Bei Nafenbluten auf dem 
Marie oder während 
der Tour einen Rube- 
punkt ſuchen, die Klei- 
dungsftüde — vor allem 
am Hals — öffnen, faltes 
oder Eiswaſſer einziehen, 
über die Nafe ein Taltes 
in Wafler oder Schnee 
getauchtes Leinwand» 
läppchen legen, den Kopf 
ruhig und etwas nad) 
hinten gebeugt halten. 
Hilft Dies nicht, jo ma⸗ 
che man einen Pfropfen 
aus Watte, eventuell auch aus Leinen 
und ſchiebe ihn möglichft Hoch in 
das betreffende Naſenloch hinauf. 
Auch Eiſenchloridwatte ift für ſolche 
Fälle am Platze. 


Wundverbände. 


853. Allgemeines. Des öfte- 
ren war ſchon die Rede von Vers 
bänden als Dedmittel von Wunden 
und al? legte Maßnahme zur Er- 
haltung erfolgreicher Blutftillung, 
ed wird alſo nunmehr notwendig 
fein, Wefen und Art diefer Ber: 
bände genauer zu zerglievdern und 
ihre praltiihe Handhabung vor 
Augen zu führen. 

Bei der Notdurft des fportlichen 
Lebens wird das einfachfte, das am 
leichteften zu transportierende auch 
das praftijäfte fein und in diefem 


Dr. Julian Marrcufe. 


Sinne wird es fich bei Verbänden 
bei jportliden Unfällen um Not: 
verbände im vollen Sinne des 
Wortes handeln! 

Bei jeder größeren Tour ift ed 
dringend anzuempfehlen, fih ein 
Verbandpäckchen mitzunehmen, das 
1 Paket Watte von 100 g, Im 
Berbandgaze, mehrere weiche Mull⸗ 
binden von verfhiedener Breite 
(1a 4,26, 2& 10 cm), etwas 
Guttaperdhapapier und einige wenige 
Sublimatpaftillen a '/, g zur Wund⸗ 
reinigung, wobei je eine Paftille 
in einem halben Liter Wafjer aufs 





429. Keimfreier Notverband. 
Die Derbandfchicht ift auf die Binde feitgenäht. 
Aus Esmarch, Erfte Hilfe. 


gelöft wird, zu enthalten hätte. 
Die verwundete oder blutenve 
Stelle wird zuerft mit einer mehrs 
fahen Schichte von Berbandgaze 
bevedt — nie fol Watte direkt 
auf die Wundfläde kommen. —, 
darauf fommt eine Lage Watte und 
dag ganze wird mittel? einer Binde 
befeftigt. Se nad den Körper: 
teilen, die wir zu verbinden haben, 
werden wir natürli die Breite 
der Binde wählen, an den Fingern 
die fhmälften, am Vorderarm die 
mittelbreiten, am Oberarm, den 
Scenteln, dem Leib, der Bruft die 
breiteften. Und auhda8Aufrollen und 
Anlegen der Binde hängt von Um⸗ 
fang und Stärke der zu verbindenden 
Körperteile ab. Wir wollen z. 8. 
einen Fingerverband madhen: die 
4 cm breite Binde wird zwiſchen 


XV. Erſte Bilfeleiſtung bei ſportlichen Unfällen etc. Nro. 853, 


Daumen und Zeigefinger der rech— 
ten Hand genommen, ein wenig auf- 
gerollt und dieſes aufgerollte Ende 
über die Rüdenfläche des zu ver- 
bindenden Fingers gelegt, jo daß 
derjelbe vom Nagel bis zum An- 
ja an die Handwurzel davon be— 
dedt il. Während man nun mit 
einem Finger der linken Hand diejes 
aufgerollte Stüd Binde in dieſer 
Lage firiert, geht man mit der ge: 
jamten Binde über die Fingerkuppe 
und die Innenfeite des Fingers 
bis dorthin, wo auf der Rückſeite 
der Anfang der Binde beginnt. 
Jetzt hat man den betreffenden ver- 
legten Finger oben und unten be- 
dedt und nun geht man in gleidh- 
mäßigen Kreistouren, die Binde 
ftraff anziehend, von unten nad 
oben um den Finger herum, jo daß 
Lage auf Lage fich dedt. ft der 
ganze Finger feſt eingemwidelt, dann 
reißt man das Endftüf der Binde 
in der Längsridtung ein Stüd 
weit auf und ſchlingt nun die Enden 
in einem Knoten um den Finger. 
Bei Körperteilen, die eine ungleiche 
Dide haben, wie die Arme, Beine ıc. 
wird man von vorn herein nur 
Kreistouren anlegen, aber nicht 


einfache, da fie fich ja bei wechjeln: 


dem Umfang abheben würden, jon- 
dern indem man zmwijchendrin ſo— 
genannte Renverjes, d. h. Um: 
Ihläge, madt. Die Figur 430 
illuftriert dies näher. 

Um Bruft und Leib wird man 
andererſeits nur einfache, ji) dach— 
ziegelförmig deckende Kreistouren 
legen. Ein richtig angelegter Ver— 
band hat folgende Bedingungen zu 
erfüllen: er hält die Wundränder 
zujammen, begünftigt die Blutftil- 
lung, ſchützt die Wunde gegen das 
Eindringen von Unreinlichkeiten 
und ſchädlichen Keimen und wirft 
endlich ſchmerzſtillend. 

Nun wird man aber nicht immer 
die erforderlihe Zahl von Binden 


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zur Hand haben, auch bei Verleguns 
gen größerer Körperteile auf grö- 


Bere Bedeckungen angewieſen jein, 
in allen diejen Fällen bedient man 


ih der Berbandtüder, die 


befonders für den Transport fhwer 
verlegter Ölieder den Binden vor 
zuziehen find. Dieje Verbandtüher 


find als Ddreiedige und vieredige 


Tücher im Handel zu haben, die 








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430. Anlegung der Rollbinde. er 
Aus Bernhard, Samariterdienft.. 
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Klubhütten auf den Bergen ent 


halten fie, gerade wie auch alles 
übrige Berbandsmaterial, man kann 
fie fih aber im Notfall auch jeder 
Zeit aus Wäſcheſtücken fonftruieren. ' 
Ein ſolches Dreiecktuch ift vor allem 
der befte Halt für jedwede Arm: 
verlegung, denn nirgends ruht der 
gebrochene oder lädierte Arm befjer 
wie in einer ſolchen Tragjchlinge. 
Ihre Anlegung gejhieht auf fol- 








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Niro. 853. 


gende Weije: die Spite des Drei- 
ecks fommt in die Achjelhöhle, das 
eine Ende wird um den Arm her: 
um über die Bruft auf die gegen= 
überliegende Schulter geführt, dag 
andere Ende zwiihen Arm und Bruft 
auf die Schulter derſelben Seite 
und nun die beiden fih am Rüden 
treffenden Enden am Hals hinten 
in einem Knoten vereinigt (Fig. 
431). Hat man nur ein vierediges 
Tuch zur Hand, das fich übrigens 


Dr, Julian Marcufe. 


nadeln zufammengeftedt werden. 
Borausfegung für beide Arten von 
Tüchern ift natürlich eine mehr oder 
minder rechtwinklige Stellung des 


betreffenden Armes. Wo dies dur 


die Natur der PBerlegung nicht 
möglich ift, wird man ſich begnü- 
gen, den Arm in eine einfache 
Schlinge zu legen, die denjelben 
nur in einem Kleinen Umfange um— 
greift (Fig. 432). Hat man aud 
hierfür fein genügendes langes 





451. Traafchlinge mit entfaltetem Tuche 432. Tragfchlinge,mit zufammengefaltetem 


(große Armfchlinge). 


Tuche (kleine Armfchlinge) (jog. Mitella). 


Aus Bernhard, Samariterdienft. 


faft immer in ein Ddreiediges ver— 
wandeln läßt, man braucht nur die 
gegenüberliegenden Enden im Kreuz 
zujammenzulegen, dann verfährt man 
jo: Die eine Seite des Tuches 
wird unter dem Arm über die 
Bruft gegen die Schultern geführt, 
die andern um dem Arm herum 
ebenfall® nach oben, und nun wer: 
den die Enden paarmweije geknüpft. 
Der Zipfel, der am Ellbogen ent- 
fteht, muß dann mittelft Steck— 


Tu, jo fnüpft man zwei Tücher 
aneinander oder benußt dazu den 
Rodärmel, die Hofenträger oder 
ähnliches. 

Eine bejondere Form ftellt noch 
der Kopfverband dar, den wir 
bei Schädelverlegungen anzulegen 
gezwungen find. Man jtellt ihn 
fih dadurh her, daß man ein 
möglichjt rechtedfige8 Tuch von den 
beiden fjchmalen Seiten her ein 
Ihneidet, dadurd vier Zipfel er- 





.. - — — * .. = 
——— — — 


XV. Erfte Bilfeleiſtung bei ſportlichen Unfällen efr. 


Nro. 854-856. 


hält und dieſe nun entjprechend ſtark alkoholhaltiger Getränfe ein 


der zu jhügenden Stelle am Kopf Direkter 
befejtigt, wie es die Abbildungen | führen geſucht. 


Raufchzuftand  herbeizu- 
Möglichſt ſchleu— 


433 u. 434 zeigen. Auch bier kann nigſte Herbeiziehung eines Arztes 





433 u. 454. Kopfverbände. 
Aus Bernhard, Samariterbienft. 


im Notfall, wenn man nichts Bas 
jendes zur Hand hat, ein einfaches 
Taſchentuch, das an feinen vier 
Enden gefnotet und jo über das 
Schädeldach geſtülpt wird, aus- 
helfen. Auf die eigene Erfindungs: | 
gabe und die perfönliche Gejchid- 
lichfeit fommt es in allen diejen 
Fällen und Lagen jehr viel an und 
der Erfindungsreiche und Umſich— 
tige wird nie, jelbjt bei größtem 
Mangel an Gegenfjtänden, ratlos 
und ohnmächtig bleiben! 

854. Giftige Wunden. So jel- 
ten fie auch im allgemeinen in un= 
feren Zonen vorkommen, ganz fönnen 
fie doch nicht unerwähnt bleiben. 
Zur Frage fommen Schlangen: 
biſſe und Inſektenſtiche. Ge- 
gen erftere wendet man Umjchnü- 
rungen des verleiten Gliedes be- 
huf Verhütung weiteren Eindrin- 
gend des Giftjtoffes in den Körper 
an, die Wunde jelbjt wird mit 


- einer glühend gemadten Nabdel 


ausgebrannt oder — aber das nur 
bei völlig intakten, Zippen und 
Mund — ausgefaugt, auch mit 
Salmialgeift oder Ffonzentriertem 
Alkohol ausgewaſchen und, mas 


mandem wohl nicht einmal als eine | die 


bittere Arznei vorfommen dürfte, 
durch Einführung größerer Mengen 





ift jelbjtverftändliche Bedingung. 


855. Inſektenſtiche werden in 


Laienfreijen mehr gefürchtet als fie 
e3 in der Tat find, in der überaus 
großen Mehrzahl der Fälle find fie 
harmlos, und nur äußerſt jelten 
tritt im Anjchluß an fie eine Blut- 
vergiftung ein. Ein bemwährtes 
Volksmittel gegen einfache Stiche 
iſt Salmiak — vor allem als Pro: 
phylaktikum —, gegen die Stiche 
jelbft wirft am beiten Kälte in Form 
des Umſchlags und vor allem Ent: 
fernung des in der Haut ftedenden 
Stadel3. 

856. Grfrierungen. Zwanglos 
ſchließt ſich an die Skizzierung der 
Wunden eine Reihe von Erſchei— 
nungen an, die als elementare Wir— 
kungen der Temperatur auf den Or— 
ganismus anzujehen find, das find 
die durch allzugroße Hite oder all- 
zugroße Kälte hervorgerufenen Ber: 
änderungen der Haut, die zu tief- 
greifenden Zerjtörungen im alle 
des Nichtbeachtetwerdeng führen kön⸗ 
nen, Gie verlangen bei allen ſport— 
lien Unternehmungen und Touren 
ftrenafte Berüdfihtigung, denn der 
Schub gegen ihre Einflüfje ift das 
jiherfte und wirkſamſte Heilmittel. 


Wo derjelbe aber verjagt hat oder 


außer acht gelaffen worden iſt, be— 
darf es jofortigen Eingreifend, um 
Schlimmeres zu verhüten. Daher 
ift bei diefem Abſchnitt der Erfrie- 
rungen wie beim folgenden, der 
fih mit den Verbrennungen und 
ihren Unterarten, dem Sonnen- 
und Gletjcherbrand, befaßt, eine 
befondere Gründlichkeit der Auf: 
fafjung am Plage! 

Grfrierungen befallen vor allem 
peripheren Körperteile, Die 
Zehen und Finger, die Füße und 


Hände, die Naſe und Ohrmujcheln. 


| 


Nro. 856. 


Dr. Julian Marxuſe. 


Alles was die Blutzirfulation ver- | die Müdigkeit und Mattigfeit, fie 


langfamt und die Musfelaftion 
herabfegt, vermindert auch Die 
Miderftandsfähigkeit gegen Kälte. 
Viel madt die Kleidung aus. Waſ⸗ 
ferdihte Zeuge find gut beim 
Stehen, jobald aber Bewegung ein- 
tritt, entjteht Schweiß, der dann 
beim Stehen fofort eifig wird. 
Enganliegende, die Zirkulation 
hemmende Kleidungsſtücke (Hals- 


legen ſich in der Kälte hin, um 
nicht wieder aufzuſtehen. Hat die- 
fer Erftarrungszuftand noch nidt 
allzulange gedauert, jo Tann der 
Erftarrte bei raſch eingeleiteten 
MWiederbelebungsverfuhen noch zu 
fih kommen und fih vollftändig 
erholen. Hieraus erfieht man, wie 
wichtig es ift, jeden Scheintoten 
und Eritarrten auf Atmung und 


ftreifen, enge Handſchuhe, enge | Herztätigfeit zu unterjuchen ! 


Strümpfe, Korfett3 2c.) begünftis 
gen die betreffenden Teile, welche 
fie bededen, für Grfrierungen. 
Auch beitimmte Witterungsverhält- 
nifje wirken disponierend: fo ru⸗ 
fen falte Winde und nafje Kälte 
weit eher Erfrierungen hervor wie 
eine windftille, trodene Witterung 
mit noch fo viel Kältegraden. Dan 
unterfcheidet wie bei den Verbren⸗ 


nungen drei verjchiedene Grade: 


den erſten Grad mit einfacher ent- 
zundlider Rötung der Haut, die 


erft in einigen Tagen zurüdgeht, 


den zweiten Grad mit tiefroter, 
ja fogar bläulicher Verfärbung und 
Blafenbildung und ſchließlich den 
dritten mit dunkelblauer Verfär⸗ 
bung und Blajen= und SKruften- 
bildung. Die Blutzirkulation ift 
in diefem letteren Falle völlig er- 
loſchen, die Haut gefühllos, die be- 
treffenden Teile verfallen dem Ab- 
jterben, dem Brande. 

Bon diefen mehr lofalen Erfrie- 
rungen verſchieden ift die allge- 
meine Erfrierung. Die Be: 
troffenen befält das Gefühl großer 
Kälte, ftarfer Mattigfeit und eine 
unüberwindlide Neigung zum 
Schlaf. Der Gang wird unficher, 
Sebtraft und Gehör gehen nahezu 
völlig verloren, die Haut wird 
blaßbläulich, die Fähigkeit zu den⸗ 
fen verliert fih. Tritt in dieſem 
Stadium Hilfe ein, fo können fie 
fih unter Zeitung noch fortbewe- 
gen, anderenfal® übermannt fie 


Nun zur Behandlung der Er- 
frierungen. Die Behandlung der 
leichteften Grade der Erfrierung be- 
fteht darin, daß man die betreffen 
den Teile nicht zu rafch erwärmt, 
fondern mit Schnee oder Eißwafler 
abreibt und dann in naſſe Tücher 
einwidelt. Bei ausgedehnteren 
und tieferen Erfrierungen zweiten 
und dritten Grades wird man 
neben oben genannten Maßnahmen 
die betreffenden Glieder fofort hoch 
lagern, um in den erfrorenen Teilen 
die Herftellung der Blutzirkulation 
zu erleichtern. 

Die Wiederbelebungsverfuche der 
durch Froſt erjtarrten Men: 
fhen müſſen mit der größten Bor: 
fiht angeftelt werden, die Er⸗ 
märmung darf nur ganz allmählich) 
geſchehen. Bringt man Erfrorene 
glei in warme Räume, jo gehen 
fie zugrunde. Man bringe den 
Verunglüdten vorfihtig in einen 
geichlofjenen, aber falten Raum 
und entkleide ihn behutjam (Kleider 
und Schuhe werden aufgefchnitten!), 
damit nit die fteifen Glieder 
breden. Hierauf reibe man ihn 
mit falten, naſſen Tüchern und 
leite eine allmählide Erwärmung 
dur temperierte Vollbäder ein, 
die von 16° C. in 2—3 Stunden 
auf 80° C. anfteigen. Oft treten, 
fowie fih die verjchiedenen Teile 
des Körperd nacheinander wieder 
beleben, nicht unerheblide Schmerzen 
in ben Glievern auf, beſonders 


XV. Erfie Bilfeleiſtung bei ſportlichen Unfällen efc. 


wenn die Erwärmung eine etwas 
zu fchnelle war. In ſolchen Fällen 
tut man gut, die jchmerzhaften 
Körperteile in kalte, nafje Tücher 
einzumwideln. Die erfrorenen Glied- 
maßen lagere man möglichſt hoch, 
um ihr Abfterben zu verhindern. 
Iſt der Kranke bei Bemußtfein und 
kann jchluden, fo gebe man ihm 
falten Wein, alten Kaffee und 
Kognak in größeren Mengen, fonft 
verwende man Salmiakgeiſt als 
Niechmittel. Sollte der erfroren 
Gefundene nur noch äußerſt ſchwach 
atmen, fo verfäume man nidt, 
wenn die Ölieder bereit3 biegſamer 
werden, die künſtliche Atmung ein- 
zuleiten. Erſt fpäter trägt man 
ven Patienten in ein mäßig er- 
wärmtes Bimmer, vdedt ihn mit 
falten Tüchern zu und erft ganz 
allmählih geht man zum Reiben 
mit warmen Tücern über. 

Noch ein paar Worte über eine 
Erfcheinung, die dem Schnee= und 
Eistouriften leicht zuftößt, über 

857. DieSchneeblindheit. Dur 
die Wirkung der ultravioletten, 
chemiſch wirkſamen Strahlen des 
Lichtes, die vom Schnee reflektiert 
werden, entſteht eine intenfive 
Rötung der Augenbindehaut mit 
ſtarker Lichtfcheu, Tränenfluß und 
Schmerzen, häufig noch eine 
Schwellung der Augenlider. Eine 
rauchgraue, gut pafjende Gletjcher- 
brille oder ein Augengla® mit an- 
gerußten Släfern ſchützt am meijten. 
Darum, wenn du zur Gletfcherfahrt 
. rüftelt, vergiß die Schneebrille 
nit! | 


858. Berbrennungen. Der: 
brennungen, die weniger als ſport⸗ 
lihde Unfälle wie als allgemeine 
anzufehen find, können außer durch 
Flammen durd) erhitzte Gegenftände 
(Ofen), heiße Flüffigfeiten, ferner 
durch heiße, flüjftg gemordene 
Metalle und durch ätende Chemi⸗ 
falien entſtehen. Ge nah der 


— — — — — ———— — — 
— — — — — — — — — ——— — — — — — — — — — —e — — — 


Nro. 857—859. 


Dauer und der Stärke der ein 
wirtenden Schädigung unterjcheidet 
man ebenfalld drei Grade der Ver⸗ 
brennung: Rötung mit Schwellung 
undSchmerzhaftigkeit,Blafenbildung 
und Verſchorfung. Maßgebend für 
die Rettung des DVerbrannten iſt 
meift nicht die Tiefe, jondern die 
Ausdehnung der Berbrennung. 
Der Menſch, deffen Körperfläche 
zu ?/, wenn auch nur im erjten 
Grade verbrannt ift, ift gewöhnlich 
verloren. Jedwede ſchwerere 
Verbrennung erfordert mög- 
lichſt raſche ärztliche Hilfe! 

Bei allen Verbrennungen, melden 
Grades fie auch fein mögen, ift dad 
erfte, was man zu tun hat, dem 
Berlegten Linderung feiner Schmer⸗ 
zen zu bringen, und dies gejchieht 
durch einen die Luft abbaltenden, 
fühlen Verband. Hierzu nimmt 
man, was gerade zur Hand oder 
erreichbar ift: Del, Butter, Schmalz, 
ſelbſt Mehl, Kleie oder ähnliche 
Subftanzen, die auf die gebrannten 
Teile gebradt und mit Verband: 
gaze und Watte gededt werden; 
hat man lettere nicht zur Ver⸗ 
fügung, fo tut es aud Leinwand 
oder ein ähnlicher Stoff. Haben 
ſich Blaſen gebildet oder iſt die 
Oberhaut abgelöft, jo muß man 
beim Entfernen der Kleider äußerſt 
vorjihtig umgehen, um die Blajen 
nicht aufzureißen; find die leßteren 
ftarf gejpannt, was die Schmerz- 
baftigfeit vermehrt, jo fteche man 
fie mit einer vorher ausgeglühten 
Nadel (Sted: oder Nähnadel) ein, 
damit Die darin angefammelte 
Flüffigfeit ablaufen fann. Dadurch 
läßt die Spannung und das 
Schmerzempfinden nad. 

Eine Art Berbrennung, aller: 
dings viel harmloferer Natur als 
die eben gejchilderten, ift auch der 

859. Sonnen- bezw. Gletſcher⸗ 
brand. Auch hierbei find es wieder 
die ultravioletten chemiſchen Strah⸗ 


Nro. 860-862. 


len, die bei längerer Einwirkung 
und zarter Haut eine oberflächliche 
Verbrennung, fpeziell der Geſichts⸗ 
und Haldgegend erzeugen. Lange 
Wanderungen. bei ſtarkem Sonnen⸗ 
ſchein über Gletſcher und Firnfelder 
haben, wenn man fich nicht, ſorg⸗ 
fältig gefhüst hat, ſtets eine leich- 
tere oder ftärfere Hautverbrennung 
zur Folge. Friſch gefallener Schnee 
auf großen Höhen wirkt befonders 
ſchädlich, da er die Sonnenjtrahlen 
am intenfivften reflektiert. Der 
Sonnenbrand dußert fi in der 
Meife, daß die Haut — meift ift 
es ein ftarfer Juckreiz — fich rötet, 
leicht anſchwillt, heiß und jchmerz- 
haft wird und dann fi abſchält. 
Lider, Nafe, Kinn und Naden find 
die Lieblingsſtellen für diefe Art 
von Hautentzündung. Schugmittel 
‚dagegen find gelbe oder rote Salben, 
Kohlenruß oder dunkle Schleier. 
Auf ale Fälle ift es rätlich, bei 
längeren Gletjchermanderungen eine 
Einfettung des Gefichtes und Halſes 
vorzunehmen. Sit der Gletſcher⸗ 
brand aber ausgebroden, dann 
made man bis zu weiteren ärzt- 
lichen Anordnungen kalte Umfchläge. 


Verletzungen der Knochen 
und Gelenke. 


860. Allgemeines. War bisher 
‚im weſentlichen von Berlegungen 
der Weichteile die Rede, jo fommen 
wir nunmehr zu den Berlegungen 
der feiten Teile des Körpers und 
der mit ihnen in Zujammenhang 
ftehenden Berbindungspartien, der 
Knochen und Gelente Sie 
jtelen wohl das zahlreichite Kon- 
tingent fportlicher Unfälle dar und 
beanſpruchen ſowohl ihrer Häufig: 
feit als ihrer Natur halber die 
peinlichfte Aufmerkſamkeit. 

Man unterjcheidet unter ihnen 
Verſtauchungen, Berren 
tungen und Knodenbrüde. 

861. Verſtauchungen. Hierbei 





Dr. Julian Marcuſe. 


handelt es ſich um Quetſchungen 
des Gelenks; die einwirkende Ge⸗ 
walt iſt eine ſtumpfe, ſie iſt aber 
nicht ſo ſtark, daß der Knochen ge⸗ 


brochen wird, ſondern es kommt 
einzig und allein zu einer Ber: 


reißung oder Zerrung der Gelent: 


bänder und zu einem Bluterguß 
in das Gelenk. Die Folgen find: 
Schwellung, in den meiften Fällen 
auch bläuliche Berfärbung der Ge- 
lenfgegend, Schmerzhaftigfeit und 
totale oder teilmeife Unbeweglich⸗ 
fett. Während aber bei Ber: 
renfungen und Brüden die Un- 
möglichfeit der Bewegung der ver- 
legten Gliedmaßen in ihrer Gelenk⸗ 
verbindung befteht, fann bei Ber: 
ftauchungen diefelbe, wenn auch in 
minimalen Grenzen, von felbft, 
jevenfall® aber durchjeinen Dritten 
bewegt werden. Dad Rezept für 
die erfte Behandlung der Ders 
ftauchung heißt: Ruhigftellung 
und Kälte. Man wird alfo bei 
Verſtauchungen an Hand, Ellbogen, 
Schulter eine Schlinge anlegen, 
einen Eis- oder Waflerumfchlag 
machen, bei Berftauchungen an Fuß, 
Knie und Oberſchenkel eine Trag: 
bahre fonftruieren und in mögs 
lichſter Hochlagerung den Trands 
port zu bewerfitelligen. Sit die 
Kombination einer Bahre fehr er: 
ſchwert, Hilfe aber in der Nähe, 
jo ift es am beften, den Verlegten 
einige Zeit am Unfallorte zu laflen 
und ihn erſt fpäter zu holen. 
862. Berrenfungen. Zerreißen 
wiederum dur ftumpfe Gemalt 
Kapfel und Bänder eines Gelentes 
und treten die Knochenenden aus 
der Gelenthöhle heraus, fo haben 
wir es mit einer Verrenkung zu 
tun. Wir erkennen fte daran, daß 
fih die Geftalt des betreffenden 
Gelente von Grund aus geändert 
bat, daß an Stellen, wo fonft Ab- 
fladungen vorhanden, nunmehr 
Höder berausragen, wo im nor: 


AV. Erfle Bilſeletnung bei sportlichen Linfällen efg. 


Wolbungen, um: 
verichmunden und 
an deren Stelle Abſlahungen ge— 
treten ſind. Außerdem iſt die in 
Mitleidenſchaft gezogene Glied: 
maße völlig unbeweglich ſowohl 
bei eigenen wie bei Verſuchen 
Dritter. An Verrenkungen darf 
nie herumerperimentiert werden, 
jeder ungeſchickte Einrichtungs— 
verſuch erzeugt nur neue und ver— 
mehrte Schadigungen. Hat man 
eine Verrenkung feſtgeſtellt, ſo heißt 


malen Zuſtande 
gelehrt dieſelben 


es, möglichſt alles in Ruhe laſſen 


und nur für einen möglichſt raſchen 
und unſchädlichen Transport ſorgen. 


Alſo bei Verrenkungen der oberen 
kürzung, 


Gliedmaßen Tragſchlinge und 
Waſſerumſchlag, bei denen 


unteren Gliedmaßen 


ſcheidet einfache und komplizierte 
Knochenbrüche, je nachdem bei dem 
geſetzten Unfall der Knochen allein 
gebrochen und die darüberliegende 
Haut unverſehrt geblieben oder 
auch die letztere mit verletzt iſt, ſo 


der 
Tragbahre 
bezw. jelbft Konjtruierte Unterlage. 

863. Knocheubrüche. Man unter: | 


Yirm. 863. 


dag eine Kommunikation zwiſchen 
auberer Yutt und innerem Knochen— 
bruch geſchaffen iſt Fig. 455, 455). 
Dieſe letztere iſt um deswillen ſo 
gefahrlich, als dadurch leicht Faul— 
niserreger aus der Luft oder den 
beim Zuſtandekommen der Ver— 
letzung mitwirfkenden Gewalten in 
die Wunde eindringen und eine 
Eiterung erzeugen können, die, ab— 
geſehen von ihrer Gefahrlichkeit 
an ſich, auch zu einem höchſt lang— 
wierigen Heilungsverlauf Veran— 
laſſung gibt. 

Knochenbrüche erkennt man an 
der Veranderung der normalen 
Form einer Gliedmaße — Ver— 
Verbiegung, oft auch 
Winkelſtellung —, an der falſchen 
Beweglichkeit des Gliedes an der 
Bruchſtelle, an dem heftigen, lokali— 
ſierten Schmerz, der von dem Ver— 
legten geäußert wird, an der tota— 
len Unfähigkeit, das Glied zu ge- 
brauden. Knochenbrüche follen für 
den Laien immer ein „Rührmid- 
nichtan“ bleiben, denn die unheil— 
volliten Folgen können durch une 





435. Einfacher Knochenbrudh. 
Aus Esmarch, Erfte Hilfe. 





436. Offener Knochenbrucd. 
Aus Esmarch, Erfie Hilfe. 


Niro. 864. 


richtige® Manipus 
lieren entſtehen. 
Von kundiger Hand 
behandelte Brüche 
heilen relativ raſch 
und meiſt gut, die 
moderne Roͤntgen⸗ 
durchleuchtung hat 


das ihrige dazu 
beigetragen, auf 
Grund genaueſter 
Feſtſtellung des 
Bruches und der 
Verlagerung der 





Knochen das ſach⸗ 
gemäße Vorgehen 
zu erleichtern. Des 
Laien Aufgabe iſt 
es nur, den Trans⸗ 
port zum Arzte 
möglichſt ſchonend 
und ohne weitere 
Schädigung zu geſtalten, und hierfür 
iſt folgendes zu beachten notwendig: 
Sieht man den Knochenbruch ſchon 
durch die Kleider hindurch, oder iſt 
begründeter Verdacht auf das Vor⸗ 
handenſein eines ſolchen vorhanden, 
dann ſchneide man vor allem rüd- 
ftht3108 die bedeckenden Kleidungs⸗ 
ftüde auf, denn die Entfernung 
jedweden Drudes ift das erjte, mag 
zu tun if. Hat man fodann den 
Bruch feitgeftellt, fo wird man bei 
einem fomplizierten Bruch eine 
Reinigung der Wunde vornehmen 
in der Art, wie man aud jede 
andere Wunde desinfiziert, und die 
ſchon eingangs befchrieben worden 
ift, und ſodann die Schienung des 
gebrochenen Knochens behufs Trang- 
ports bemerfitelligen; bei einem 
einfaden Bruch ift natürlich die 
lestere Maßnahme allein zu treffen. 

864. Wie behandelt man Kno- 
chenbrüdhe? Der Transport ge= 
brodener Glieder — denn nur um 
einen Notverband und um eine 
möglichft Ichonende und fchmerzlofe 
Verbringung des Unfallverlegten 


432. Einfacher 
Knochenbruch des 
Unterarmes 
(Speiche). 
Aus Esmarch, 
Erfte Hilfe. 


Dr, Julian MWarcufe. 


in ſachverſtändige Hände Hanbelt 
es fih bei der erften Hilfe bei 
Knochenbrüchen — bat jo zu er: 
folgen, daß der gebrochene Teil in 
abjolut unbeweglicher Lage ich be: 
findet, daß er genügend geſtützt 
und ausgepolitert ift und endlich, 
daß die gefchaffene Unterlage eine 
fihere Baſis für jedwede Bewegung 
der Träger bildet. Dieſe Forde- 
rungen find natürlih nicht immer 
zu erfüllen, doch muß man fuchen, 
ihnen möglihft nahe zu fommen. 
Denn nit nur, daß dadurch der 
Transport für den Verletzten unter 
möglichſt geringen Schmerzen er- 
folgt, wird auch vor allem die bei 
jedem Knochenbruch vorliegende 
Gefahr einer Durdipießung der 
Haut und damit einer Umgejftaltung 
eines einfahen und relativ harm⸗ 
Iofen in einen fomplizierten und 
gefährliden Bruch verhütet. 

Sehr angefchwollene und fchmerzs 
bafte Körperpartien wird man vor 
Einleitung des Transportes mit 
einem falten Umjchlag bededen und 
fodann die für den Transport er: 
forderlichen Materialien zufammen: 
tragen. Hier, wo es in den meiften 
Fällen auf die erfinderifche Kons 
ftruftion und aus dem Leben ber- 
aus gewonnene Beherrſchung der 
Situation anlommt, wird man na: 
türlih zu allem greifen, was ers 
reichbar ift und fih für Die vor: 
liegenden Zmede nur einigermaßen 
eignet: Alle Gegenftände aus dem 
Haushalt, wo bewohnte Stätten in 
unmittelbarer Nähe, von Wald und 
Feld, mo nur diefe dag Terrain 
der Unfalljtätte bilden, von Fels 
und Moräne, lajjen fi unter ges 
ihidter Hand zu Schienen für ge: 
brodene Gliedmaßen ummandeln. 
So aljo Bretter, Zatten, Stöde, 
Feuerhaken, große Löffel, Bilders 
rahmen, Stuhlbeine, Xefte und 
Zweige, ſchließlich Die eigenen Stöde, 
zufammengerollte Plaids, Eispidel, 


XV. Erfie Bilfeleiftung bei ſportlichen Unfällen eir. Nro. 864. 


jelbft die Stiefel des Verlegten und erfolgen, wie Schädelbrühe und | 
vieles andere mehr. (Fig. 438 bis ſolche der Wirbelfäule, die mit 
441). Alles dies muß aber auf das tiefer Bewußtloſigkeit bezw. Läh— 
jorafältigite ausgepolitert werden mung der unteren Crtremitäten 
und hierzu verwendet man wieder einhergehen, entziehen ji fchon an 
nur Leinentüher, Watte, Heu, und für fid durd ihre Yage einer 
Stroh, Moos, die eigenen Rod: Bandagierung; bier wird es eben 
ärmel und deraleihen. Zur Be: nur auf einen möglichſt kunſtge— 
feftigung der Schienen, die natür- rechten und f&honenden Transport 
li parallel der gebrochenen Glied: mit Bededung der Stirn bezw. der 
maßen zu beiden Seiten ange: verlegten Stelle mittelit eines feuch— 
legt werden, nimmt man ebenfalls ten Umſchlags ankommen. Für 





458. Zweigbündelſchiene. Aus Esmarch, Erjte Hilfe. 





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459. Knebelpreſſe. Aus Esmarch, Erſte Hilfe. 


Tücher, Stricke, Hoſenträger, Riemen, | Brüche der Geſichtsknochen gilt mehr 
hüte fi) aber beim Knüpfen der- | oder minder dasſelbe, für ſolche des 
jelben den Knoten auf die Haut | Unterkiefer wird man nad) Adap- 
zu legen, derjelbe darf nur der |tierung eines Umſchlags denjelben 


Schiene aufliegen. mit einem Kopf und Kinn um— 
‚Dies im allgemeinen ala Grund: | faflenden Tuch) fefthalten. 
jäge für die Anlegung eines Not-| Bei Rippenbrühen — kennt— 


verbandes bei Knochenbrüchen, für | lich durch lofalifierte heftige Schmer— 
die Speziellen Körperteile ift noch | zen, erfchwertes Atmen, Schmerzen 
folgendes zu beachten: Schienen | bei jeder Bewegung — wird man 
werden vorzugsweife bei Brüchen | ein breites Tuh um den ganzen 
der Gliedmaßen angelegt, Brüche | Bruftforb, bei ſolchen des Schlüſſel— 
des Stammes und Des Kopfes be= | being und der Schulter den betref: 
dürfen ihrer nicht. Die fehmerften | fenden Arm in eine Schlinge legen. 
Berlekungen, die meift durch Sturz | Bei Fingerbrüchen bandagiert man 


Nro 865. 


den verlegten Finger an feinen 
Nachbarfinger an; bei foldhen des 
Bedens wird ein breites Tuh um 
die Hüften gelegt. Eigentliche Not- 


Dr. Jultan Marrufe. 


Wiederbelebung von 
Sceintoten. 


865. Urſachen des Scheintodes 


verbände im Sinne der Banda: | und deren Bejeitigung. Eine Reibe 
gierung beanfpruchen die Brüche der | von Zufällen und Einwirkungen 


oberen und unteren Glievmaßen ; 









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Aus Esmarch, Erſte Hilfe. 


während die erſteren aber im weſent⸗ 
lichen durch eine Tragſchlinge ver: 
ſorgt werden, iſt es bei den letzteren 








äußerer Gewalten erzeugen einen 
Zuſtand von Scheintod, der ein ſo⸗ 
fortiges, tatkräftiges Handeln er⸗ 
fordert. 

Der Scheintote ſtürzt zuſammen, 
iſt bewußtlos, Puls und Atmung 
ſind kaum fühl- bezw. hörbar, der 
Körper iſt kalt, die Haut blutlos. 
Die weſentlichſten veranlaſſenden 
Momente hierfür ſind: 

1. Erſtickung. Sie kommt zu⸗ 
ſtande durch Verſtopfung der Luft⸗ 
röhre, durch Fremdkörper (zu große 
Biſſen, Knochen ꝛc.), durch Ber: 
ſchüttung (Lawinenſtürze, Erdſen⸗ 
kungen), durch Einatmung giftiger 
Gaſe (Kohlenoxyd⸗, Schwefelwaſſer⸗ 
ſtoffgaſſe), durch ſelbſtgewollten Tod 
durch Erhängen. 

2. Ertrinken, das heißt in 
Wirklichkeit nichts anderes, als Er⸗ 
ſticken durch Waſſer. Statt Luft 
tritt Waſſer in die Lungen ein und 
damit iſt die Atmung aufgehoben. 

3. Erfrieren. Das letzte und 
gefahrvollſte Stadium der Erfrie: 
rung tft, wie ſchon an anderer Stelle 


44). Blumentopfgitter als Schiene. 
Aus Esmarch, Erfte Hilfe. 


wichtigfte Aufgabe, eine richtige 
Schienung und daran anſchließend 
einen forgfältigen Transport vor: 
zunehmen. 





auseinandergefeßt, die übermwälti« 
gende Schlafſucht, die den Schnee: 
wanderer befüllt und ihn veranlaßt, 
ſich im Schnee zu betten. Nament: 


XV. Erfte Bilfeleifinng bei [porflichen Unfällen eir. 


lich ift damit der Scheintod, und 
wenn nicht rechtzeitig Hilfe eintritt, 
der wirkliche Tod verbunden. 

4. Hitzſchlag. Bei jchmeren 
förperlihen Strapazen in heißer, 
ſchwüler Luft, namentlich in jchatten- 
\ofen Gegenden tritt ein Zuſtand 
von Bemwußtlofigfeit ein, deſſen 
Vorboten meift in ftarfem Durft: 
gefühl, Mattigfeit und Kopfſchmer⸗ 
zen in Berbindung mit brennend 
heißer Haut, hochgerötetem Ant- 
lig ꝛc. befteben. 

Bei allen diefen Zuftänden kom⸗ 
men vor Einleitung der künſt— 
lihden Atmung als lehtes Hilfs- 
mittel noch eine Reihe von Maß: 
nahmen zur Anwendung, die in 
gewiſſen Fällen noch zum erftrebten 
Ziel zu führen imftande find, vor- 
ausgejegt, daB die einwirkende 
Thädliche Urſache noch nicht zu weit 
vorgefchritten ift. 

So wird man bei Erftidung 
durch Fremdkörper dieſen letzteren 
zu entfernen ſuchen, indem man 
mit dem Zeigefinger oder dem 
Zeige⸗ und dem zweiten Finger in 
den Mund eingeht und den be= 
treffenden Gegenftand zu entfernen 
ſucht (Vorfihtsmaßnahmen hierbei 
zum Schuß der Finger find Ein⸗ 
ftemmen eines Keiles zwifchen den 
Zahnreihen, Maßnahmen zur Deff- 
nung des Mundes, Zuhalten der 
Naſe). Bei Erhängten oder Er- 
droffelten ftüge man während 
des Abſchneidens des Strides den 
Körper, damit er nicht beim Yalle 
befchädigt wird. Bei Einatmung 
giftiger Gaje bringe man den 
Berunglüdten fchleunigft in frifche 
Zuft, öffne alle Kleivungsftüde, be= 
fprige mit kaltem Waſſer. 

Bei den dem Waffer entriffenen, 
der Gefahr des Todes durch Er⸗ 
trinfen unterliegenden Indivi⸗ 
duen wird nad Reinigung von 
Mund und Nahen mittelft mit 


Nero. 866. 


Stoff ummidelten Finger, der Ober: 
förper entkleidet, quer über die 
Knie gelegt und nun durch Drud 
auf Rüden und Bruſtkorb verſucht, 
das eingedrungene Wafjer au den 
Zungen zu entfernen. Hierbei wer: 
den Kopf und Bruft des Verun⸗ 
glüdten leicht abwärts geneigt ge⸗ 
halten, nie darf aber der Körper 
auf den Kopf gejtellt werden, nie 
an den Beinen in die Höhe gehoben 
werden. Bleiben diefe Verſuche 
fruchtlos, dann tritt die Fünftliche 
Atmung in Kraft, die oft ftunden- 
lang fortgejeßt werden muß, bis 
fie zum Biel führt. Während der 
Belebungsverfuhe wird bei Er: 
trunfenen der Körper unaufhörlich 
mit trodenen, am beften mwollenen 
Kleidungsftüden gerieben, um die 
notwendige Erwärmung zu erreichen. 

Bei Hitzſchlägen wird man den 
Betreffenden unverzüglich an einen 
fhattigen Ort bringen, ihn unter 
Löſung aller Kleivungsftüde forg- 
fam am Boden betten, ihm Waſſer 
einflößen und mit Waffer befprengen. 
Dasfelbe giltaud für ven Sonn en⸗ 
ftich, deſſen Erjcheinungen feine 
gefonderte Beſprechung erfordern, 
decken fie ſich doch faſt ganz mit 
denen des Hibfchlages. 

Haben diefe Maßnahmen bei den 
oben geichilderten Zuftänden nicht 
zum Ziele geführt, dann tritt, mit 
Vermeidung weiteren Zeitverluftes, 
als lettes und ſtärkſtes Hilfsmittel 
in Kraft die 

866. Künſtliche Atmung. Ihr 
Erfolg hängt von der Richtigkeit 
und Eraftheit ihrer Ausführung ab, 
wie bedeutſam aljo die Erlernung 
diefer ift, erhellt daraus! Es gibt 
mehrfache Methoden zur Einleitung 
der Fünftliden Atmung, die ge= 
bräuchlichſte ift die von Silvefter 
angegebene und von ESmard in 
Deutſchland eingeführte und geübte. 
Die Umgebung der Fünftlichen At- 


Zeinwand ober einem ähnlidhen mung follen jtet3 freie Yuft oder 


Nro. 867. 


wenigſtens Räume mit frifeher Luft 
und offenen Fenfter bilden. 

Und nun werden folgende Be- 
mwegungen ausgeführt, die nur 
eines Helferd — und dag iſt einer 
von den vielen PVorzügen diefer 
Methode — bedürfen: 

a) Der Scheintote wird flach auf 
den Rüden gelegt, Kopf und Schul: 
tern erhöht Durch ein in Form einer 
Role unter den Bruſtkorb zuſam⸗ 
mengefaltetes Kleidungsſtück. 

b) Man ftelt ſich Binter den» 
felben, ergreift beive Arme oberhalb 
der Ellbogen und hebt fie gleich: 
mäßig bis über den Kopf und hält 
fie Hier 2 Sekunden lang feſt. 

c) Dann führt man die Arme 
auf demfelben Wege zurüd und 
drüdt fie behutfam, aber feſt 2 Se: 
funden lang gegen die Seiten des 
Bruftlaftens. 

d) Sind 2 Helfer zur Hand, jo 
ftelt fi auf jede Seite einer und 
nad) einem gemeinfamen Kommando 
werden die obigen Bewegungen aus: 
geführt. 

e) Diefe Bewegungen werben 
ungefähr fünfzehnmal in der Mi- 
nute, fo lange fortgefett, bis felbft- 
tätige Atembewegungen beginnen. 

Sobald diefelben — wenn aud) 
in leifefter Form — zum Erfcheinen 
fommen, hört man mit der künſt⸗ 
lichen Atmung auf und ſucht nun 
Blutkreislauf und Körperwärme 
wieder wachzurufen. Man hüllt — 
dies gilt natürlich in erfter Reihe 
für Erfrorene, Ertrunfene — den 
Körper in trodene Deden ein, reibt 
die Glieder kräftig — fehr gut 
hierfür ift die Benugung einer 
Wurzelbürfte — ein und bringt den 
Verunglüdten in ein warmes Bett. 
Kann er wieder fchluden, fo flößt 
man ihm warme Flüffigkeiten (Tee, 
Kaffee, Mil) eventuell aud etwas 


Dr. Julian Marcufe. 


Wie transportiert man 
Verletzte ? 


867. Der Transport ift die 
legte, oft genug auch die bedeut: 
famjte Hilfeleiftung, die man einem 
Berlegten zuteil werden laffen muß, 
die Schwierigkeit feiner Durchfüß- 
rung leuchtet gegenüber den äußerft 
unwirtlihen Verhältniſſen, unter 
denen er meift vorgenommen wer: 
den muß, ein. Zweck des Trans: 
porte8 iſt es, den PBerlegten in 
möglichjt fchonender und feinen Zus 
ftand nicht gefährbender Weife in 
die Hände des Arztes überzuführen, 
und je nachdem der Unfall in der 
Nähe bewohnter Stätten oder fern 
von ihnen erfolgt ift, darnach wird 
fih aud) die Art des Transportes 
rihten. Die ideellite Leberführung 
ift natürlich die mittelft einer Trags 
babre, doch deren Vorhandenſein ift 
eben eng an die Nähe von Städten 
gefnüpft. Kann man fie ohne Be: 
einträchtigung des Zuftandes des 
Berletten erhalten, fo fol man eine 
folde in erjter Reihe zu erlangen 
fuhen. Jedweder Transport Spielt 
ſich bei ihrer Benugung am glatteften 
und für den Berlegten förderlichiten 
ab. Zum Tragen einer Bahre 
braudt man befanntlich zwei Trä- 
ger und für dieſe gelten eine Reihe 
von Punkten, die beim Transport 
zu beachten find: 1. Bahren dürfen 
nur mit Händen oder Gurten ge= 
tragen, nicht aber auf die Schultern 
gelegt werden, damit feinen Augen: 
blid die Kontrolle de Transpor⸗ 
tierten aufgehoben wird. 2. Die 
Träger dürfen nicht Schritt Balten, 
ſonſt ſchwankt die Bahre von einer 
Seite zur andern. Tritt alfo der 
eine mit dem linten Fuß an, fo 
der andere gleichzeitig mit dem 
rechten. 3. Jede unrubige, heftige 
Bewegung muß während des Tras 


Wein oder Kognak, aber diefe nur | gens ftreng vermieden werben, ber 


in kleineren Mengen) ein. 


Gang der Träger flein und ficher. 


XV, Erſte Bilfeleifinng bei [porllichen Mnfällen efrc. 


4. Geht es bergauf, fo muß der 
Kopf de Batienten vorangeben, 
gebt es bergab, das Fußende. Nur 
bei Beinbrüdhen erleidet diefes Ge- 
fe eine Ausnahme, würde Doch 
fonft die Körperlaft auf den ge: 
brochenen Knochen drüden. Und 
nun noch ein paar Worte über Auf- 
und Abladen des Berletten! In 
beiden Fällen wird die Bahre in 
eine Linie mit feinem Körper ge⸗ 
ftellt, das Fußende derjelben hinter 
feinen Kopf. Dann ftellen ſich die 
Träger jeder auf eine Eeite, reichen 
fih unter dem Rüden und unter 
den Oberſchenkeln des zu Trans 
portierenden die Hände, heben ihn 
auf, tragen ihn rückwärts über die 
Bahre und legen ihn behutjam dar- 
auf nieder bezw. heben ihn auf. 
Alles dies ift, wie man Sieht, eigent: 
lich durchaus einfach und erfordert 
außer einiger Aufmerkſamkeit nichts 


Nr. 867. 


der lettere noch gehen, dann be: 
darf ed nur einer Stüße und Hilfe 
ſeitens des unbejchädigten Genofjen 
und diefe wird folgendermaßen ge- 
währt: der Verletzte legt feine Hand 
um den Hals des Helfers, fo Daß 
fie auf der anderen Seite berab- 
hängt, der Helfer legt feinen Arm 
hinter dem Rüden des Berlekten 
herum, umgreift deſſen Hüfte und 
faßt mit der anderen Hand die über 
feine Schulter hängende Hand des 
Patienten. Kann aber der Ber: 
legte nicht jtehen und gehen, dann 
muß der andere ihn entweder auf 
den Rüden nehmen oder ſoweit dies 
möglih, in den Armen tragen. 
Beides fehr ſchwer auszuführende 
und mühſame Manipulationen. 
Weſentlich einfacher ift, wie ge- 
fagt, der Transport mittelft zweier 
Helfer. Hierfür gibt es mehrfache 
Methoden. 1. Der Verletzte fit auf 


weiteres. Die Schwierigkeiten heben | den Händen der Träger, welche zwei 
erst an, wenn man fern von jeder | Hände unter feinen Oberfchenfeln und 


menſchlichen Hütte ſich befindet, auf 
einem Felsgrat, einem Eisfirn, 
furzum dort, wo man einzig und 
allein auf fich jelbft angemwiejen ift 
und jeglicher Unterftügung des per: 
fünlichen Handelns ermangelt. Da 
beißt e3, feine ganze Umjicht und 
Geiftesgegenwart zufammenfaffen 
und aus dem Gegebenen und Er: 
reihbaren das formen und bilden, 
was Dringend erforderlid und 
zweddienlich if. E83 kommen für 
ſolche Notbahren in Betracht: Bret: 
ter, Türen, Yenfterläden, Stühle 
Matratzen, Strohſäcke, Decken, Hänge⸗ 
matten, Stangen, die durch Gurte, 
Riemen ꝛc. mit einander verbunden 
werden, junge Bäume ꝛc. ꝛc. Iſt 
aber nichts da und nichts im Um— 
kreis zu erlangen, dann muß man 
den Verunglückten etappenweiſe fort⸗ 
zutragen ſuchen. Sind zwei Helfer 
da, ſo iſt das nicht ſchwer, iſt aber 
nur einer da, dann heißt es auf ſich 
und den Verletzten aufpaſſen. Kann 


zwei hinter feiner Lendengegend ver- 
fchränfen. Der Batient umfaßt mit 
feinen Armen die Naden der Träger. 

2. Die Träger verichränfen alle 
vier Hände zu einem Sig, er legt 
die Arme über ihre Schultern. 

3. Man macht einen Tragfranz 
aus einem zufammengefchnallten 
Leibriemen, einem zujammengefno- 
teten Strid oder einem Strobfeil, 
faßt denfelben je mit einer Hand 
und jest den Verletzten darauf. 

Der Bollftändigfeit halber follen 
noch am Schluß dieſes Kapitels die 
in Gebirgsgegenden gebräuchlichen 
Schleifen ermähnt werden, die 
aus zwei langen, zuſammengekop⸗ 
pelten Baumftämmen bejtehend einen 
faft vollgültigen Erjag für einen 
Wagen bezw. Schlitten daritellen. 
Mit einem Zugtier ald Borjpann 
laſſen ſich auf jolchen Schleifen alle 
Arten von Berlegungen und Bes 
mwußtlojigfeitszuftänden ſchonend 
und rationell transportieren. 





XVI. Sport, Daftpfliht und Der: 
fiherungswefen. 
Von 
Dr. Max Ables, Rechtsanwalt, München. 


868. Gefahren des Sport8. So 


Sache der fportliden Ausbildung 


mannigfach die zurzeit in Uebung |ift eg, Unfälle nad) Möglichkeit 


befindlichen Arten des Sportes find, 


bintanzubalten; vollftändig zu ver- 


Eined haben fie alle gemeinjam: | meiden aber werden fie niemals 


Bald in höherem, bald in geringe- 
rem Maße bringen fie Gefahren 
mit jih, in eriter Linie für den 
Ausübenden felbjt, oft aber gleich⸗ 
zeitig auch für dritte Perjonen. 

Bei einzelnen Arten des Sports 
bildet jogar die damit für den Aus⸗ 
übenden verbundene Gefahr einen 
weſentlichen Beitandteil der bejon- 
deren fportliden Betätigung: Der 
Hodtourift, der Rennreiter, der 
Rennfahrer, fühlen fih zu ihrem 
Sport nit zum Lebten durch den 
Reiz hingezogen, welder für fie 
darin liegt, der Gefahr mit allen 
zu Gebote jtehenden Kräften des 
Körpers und des Geiſtes kämpfend 
entgegen zu treten, und nad) ihrer 
Ueberwindung die Yreuden deö 
Sieges zu koſten. 

Eine Sportart, welche nicht nur 
Geſchicklichkeit, ſondern auch Kraft 
und perſönlichen Mut erfordert, 
verdient auch zweifellos eine her⸗ 
vorragende Wertſchätzung; dient ſie 
doch der Hebung und Ausbildung 
von Kraft, Umſicht, Entſchloſſenheit 
und Unerſchrockenheit, alſo von 
Eigenſchaften, welche von je als 
herrliche Mannestugenden geprieſen 
wurden. 


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fein und fie müſſen deshalb als 
ein jtehender Faktor eines jeden 
Sportzmweiges betrachtet werden. 

Neben den Gefahren, weldde dem 
Sporttreidbenden unmittelbar 
drohen, find es aber auch die bei 
Ausübung de Sport? möglichen 
Schädigungen Dritter, welde 
ihn ſelbſt wieder indirekt treffen 
fönnen. 

869. Haftpflicht. Allen moder- 
nen Geſetzgebungen gemeinjam: ift 
der Grundfat, daß derjenige, wel- 
cher durch Vorſatz oder Fahrläffigkeit 
einen Schaden verurjadt, für diefen 
Schaden haftbar gemadt werden 
fann. 

Die Haftung Tann gleichzeitig 
zivilrechtliher und ftrafrechtlicher 
Art fein. 

Das Burgerliche Gejegbud für 
aan er Reich beftimmt in 


— vorſätzlich oder fahrläſſig 
das Leben, den Körper, die Geſund⸗ 
heit, die Freiheit, das Eigentum 
oder ein ſonſtiges Recht eines An⸗ 
deren widerrechtlich verletzt, iſt dem 
Anderen zum Erſatze des daraus 
entſtehenden Schadens verpflichtet. 
„Die gleiche Verpflichtung trifft 


XVI. Sport, Baſtpflicht und Verſicherungsweſen. 


denjenigen, welcher gegen ein den 
Schub eined Anderen bezwedendes 
Geſetz verftößt. Iſt nad dem In⸗ 
halte des Gejeges ein Verjtoß gegen 
diejeg auch ohne Verfchulden mög: 
lich, fo tritt die Erjagpflict nur 
im Falle des Verſchuldens ein.“ 

In gleiher Weife bat unfer 
Reichsſtrafgeſetzbuch in einer Reihe 
von Beftimmungen da? Prinzip der 
triminellen DBerantwortlichkeit für 
vorfäglih und fahrläffig 
angerichteten Schaden aufgejtellt. 

Umfafiender jedoch ift die zivil- 
rechtliche Haftbarkeit. So ift 3.8. 
die fahrläffige Beſchädigung einer 
fremden Sache nicht ftrafbar, wohl 
aber kann fie zum Erſatz des ent- 
ftehenden Schadens verpflichten. 

Wenn auf fportlidem Gebiete 
eine Schädigung von Perjonen oder 
Sachen eintritt, wird es ſich in der 
Regel nidt um eine vorjätliche, 
fondern um eine nur fahrläffige 
Schadenzufügung handeln. 

Daß die vorſätzliche Zu— 
fügung eines Schadens regelmäßig 
rechtswidrig ift und deshalb zum 
Erſatz verpflichtet, gleichzeitig aber 
auch jtrafrechtlihe Verantwortlich: 
feit mit fich bringt, bedarf faum 
der Erwähnung. 

Es find jedoch Fälle möglid, in 
denen ausnahmsweiſe die vorjäß- 
liche Schädigung fremder Rechte 
vom Geſetz geftattet if. Für den 
Sport fommt von diefen Ausnah⸗ 
men der fogen. „Notitand” in Be- 
tradt, das ift der Fall, daß ein 
an fi rechtswidriger Eingriff in 
fremde Rechte ich zur Rettung aus 
einer augenblidlihen Gefahr für 
Leib oder Leben erforderlich ermweift, 
in welche der Täter oder ein An 
derer unverjchuldeter Weije geraten 
J * 228 B. G. B., 8 54 R. St.⸗ 


8 eitaus wichtiger indes iſt die 
Frage, inwieweit eine nicht abjicht- 
lihe, eine nur „Fabrläfjige” 


Niro. 869. 


Schädigung fremder Berfonen oder 
Rechte eine Haftung ded Schaden- 
ftifter8 nach fich ziehen Tann. 

Die Definition ded Begriffes 
„Fahrläſſigkeit“ ift keineswegs 
einfach. In ſehr vielen, vielleicht 
in den meiſten Fällen iſt es außer—⸗ 
ordentlich ſchwer, die Grenze zu 
finden zwiſchen dem Begriff eines 
unverſchuldeten Zufalles und dem— 
jenigen eines ſchuldhaften Handelns 
oder Unterlaſſens. Zahlreich ſind 
denn auch die von Autoritäten der 
Rechtspflege aufgeſtellten Defini- 
tionen, von denen gleichwohl feine 
Anſpruch darauf erheben kann, daß 
fie in jedem Falle die zmeifelloje 
Entfcheidung der Frage ermögliche, 
ob Fahrläffigfeit ald gegeben oder 
als ausgejchloffen erjcheint. 

Tatfählih läßt ſich dieſe Frage 
immer nur von Fal zu Fall ent- 
ſcheiden, und es bat daher nicht 
an Stimmen gefehlt, welche den 
Begriff der Fahrläffigkeit wenig: 
ſtens aus dem Gebiete unjerer 
Strafgefegebung augfchließen und 
eine friminelle Verantwortung nur 
für vorjäßliches Tun zulafjen woll⸗ 


en. 

Die glüdlichjte Definition hat 
wohl dag deutſche bürgerliche Ge- 
fegbuch gefunden, indem es in 
8 276 fagt: 

„Sahrläffig handelt, wer die 
im Verkehr erforderlide Sorg⸗ 
falt außer Acht läßt.“ 

Freilich ift die begriffliche Fixie— 
tung der „im Verkehr erforder: 
lihen Sorgfalt” abermald ein 
Thema für fih, und es könnte dem 
Berfafjer ded 8 276 der Vorwurf 
gemacht werden, er babe eine De: 
finition gegeben, welche mit einem 
abermals erjt zu definierenden, da⸗ 
her unbeftimmten Begriff arbeite. 
Gleichwohl ift die vom Bürgerlichen 
Geſetzbuch gewählte Löjung des 
Problemes den zahlreichen fonftigen 
Lehrſätzen, welche über die Frage 


Nro. 869. 


der Fahrläffigkeit ſchon aufgeftellt 
wurden, vorzuziehen, und zwar ſelbſt 
dann, wenn man ihren Vorzug nur 
darin erbliden wollte, daß fie auf 
die Notwendigkeit hinmeift, die viel: 
umftrittene Frage ſtets nur für den 
einzelnen, jeweils vorliegenden Fall 
zu entjcheiden. 

Sft nun bei einer Schädigung 
von Berfonen oder Sachen feſtſtell⸗ 
bar, daß fie durch das fahrläffige 
Tun oder Unterlafjen eines Dritten 
verurfacht wurde, jo ift diefer, wie 
Ihon gejagt, für den Schaden ver- 
antwortlih. Seine Verantwortlich: 
feit kann jedoch wieder in Wegfall 
fommen, foferne bei Entftehung des 
Schadens ein Verſchulden des Be- 
Ihädigten mitgewirkt bat, und wenn 
diefem Verfchulden die übermie- 
gende Rolle bei Herbeiführung des 
Schadens zuzufchreiben ift: 8 254 
3.0.8 


Daß die Ausübung eines jeden 
Sport? eine Schädigung dritter 
Perſonen durch den Sporttreibenden 
mit ſich bringen kann, liegt in der 
Natur der Sade: Der Reiter, der 
Hochtouriſt, der Jäger, der Fahrer 
auf Wagen mit Pferdebeipannung, 
auf Automobil oder Fahrrad, der 
Turner, furz jeder, der fi der 
Pflege irgend eines Sportes wid⸗ 
met, kann hierbei infolge unglüd- 
lihen Zufall oder durch Außer- 
achtlaſſen der erforderlihen Bor: 
fit die Rechte Dritter jchädigen. 

Dabei braudt die fchädigende 
Einwirkung keineswegs eine un 
mittelbare und der urſächliche Zu: 
ſammenhang zwifchen Handlung und 
Schaden ein augenfälliger zu fein, 
wie dies beiſpielsweiſe bei dem 
Radfahrer der Fall ift, der ein 
Kind überfährt,; es genügt vielmehr 
auch eine indirekte Herbeiführung 
des fchädigenden Erfolges: So kann 
beiſpielsweiſe der Bergjteiger fich 
einer fahrläffigen Tötung jchuldig 
maden, wenn er aus Mutwillen 


Dr. Max Ahles. 


Markierungen befeitigt und wenn 
infölgedefien ein anderer Touriſt 
fih verirrt und umkommt. 

Nicht nur den Einzelnen kann 
eine derartige Schadenhaftung tref- 
fen, auch die Sportvereine 
fommen leicht in die Lage, für Schä- 
den in Anfpruh genommen zu 
werden. 

Hat ed ein Verein unterlaflen, 
die zum Schuß Dritter Perfonen 
gegen Gefährdungen der betreffen: 
den Sportart notwendigen Bor: 
fehrungen zu treffen, jo ift er für 
den aus diejer Unterlafjung er: 
wachſenden Schaden verantwortlich. 
Sp Tann beifpielöweife ein Turn 
verein haftbar werden, wenn er es 
unterläßt, ſchadhafte Turngeräte 
ausbeſſern oder befeitigen zu laffen, 
und wenn infolge diefer Nachläfjig- 
feit ein Unfall paſſiert, ebenfo ein 
Radfahr- oder Automobilverein, 
wenn er bei Uebungen oder bei 
Veranftaltungen von Rennen nicht 
die zur Abfperrung des Publikums 
erforderliden Maßnahmen trifft. 

Dabei ift nad $ 31 3.6.8. der 
Verein gleichzeitig auch für den 
Schaden verantwortlid, den der 
Vorftand, ein Mitglied des Bor: 
ftande8 oder ein anderer, ver: 
fafjungsmäßig berufener Vertreter 
einem Dritten zufügt, ſofern feine 
zum Schadenerſatz verpflichtende 
Handlung oder Unterlaffung in den 
Bereih der ihm zuftehenden Ber- 
richtungen fällt. 

Endlid kann fi eine Haftung 
des Vereind auch aus 8 831 B. G. B. 
ergeben. Hiernach ift, wer einen 
anderen zu einer Berrichtung bes 
ftelt, zum Erſatz des Schadens 
verpflichtet, den der andere in 
Ausübung der Berridtung einem 
Dritten widerrechtlich zufügt. Diefe 
Erſatzpflicht tritt jedod dann nicht 
ein, wenn der Geſchäftsherr bei 
Auswahl der beftellten Perjonen 


und, fofern er Borridtungen oder 


XVI. Sport, Baftpflict und Berficherungsmelen 


Gerätſchaften zu beichaffen oder 
die Ausführung der Berrichtung zu 
leiten hat, bei der Befchaffung oder 
der Leitung die im Verkehr er- 
forderliche Sorgfalt beobachtet, oder 
wenn der Schaden aud bei An- 
wendung dieſer Sorgfalt entjtanden 
fein würde. 

870. Kraftfahrzeuge. Eine 
Sonderjtelung auf dem Gebiete 
des Sports nimmt dad Kraft: 
fahrzeug (Automobil und Motor: 
rad) ein. 

Im Gegenfag zu den übrigen 
Sportarten tritt hier die Tätigkeit 
und die Geſchicklichkeit des Men: 
Then zurüd gegenüber der Leiſtungs⸗ 
fähigkeit des Sportwerkzeuges. 

Eine weitere Beſonderheit dieſes 
Sportzweiges beſteht in feiner be- 
deutenden Gefährlichkeit, welche 
abermals durch die Bejchaffenheit 
des zur Verwendung gelangenden 
Werkzeuges bedingt wird. Diele 
außergewöhnliche Gefährlichkeit hat 
dazu geführt, daß unfere Rechts⸗ 
pflege für den DVerfehr mit Kraft- 
fahrzeugen einen Begriff von 
„Sorgfalt im Verkehre“ aufgeftellt 
bat, welder über dad Maß der 
gewöhnlichen Sorgfalt hinausgeht. 

So Hat das Reichsgericht in 
Leipzig ineinem Urteil vom 20. Sept. 
1906 ausgejprodhen, die außer 
ordentlich große Gefahr, welche mit 
dem Automobilverfehr auf öffent: 
lichen Straßen verknüpft ift, be- 
Dinge im Intereſſe der Sicherheit 
des Publikums eine ganz be- 
fondersgroße Aufmerkſam— 
feit und Borfidt des Auto- 
mobilfabrers2. 

Ein anderes Urteil, vom 9. März 
1905, erklärt unter gemwifjen Bor: 
ausjegungen nicht nur den Lenker, 
fondern auch den Anfaffen des 
Kraftfahrzeuges für haftbar, indem 
ed ausführt, ed müfje von dem: 
jenigen, welder in einem Auto 
mobil fährt und zu deſſen Leiter 


Niro. 870. 


in einem Berhältnijje jteht, ver- 
möge deſſen diejer jeinen Anord- 
nungen Folge zu leiften bat, ver- 
langt werden, daß er durch feiner 
Sachkenntnis und Erfahrung ent- 
ſprechende Anordnungen eingreift, 
fobald er wahrnimmt, daß durch 
die Art, wie der Fahrer dag Auto- 
mobil leitet, unter den vorliegenden 
Umftänden Gefahr für Leben, Ge⸗ 
jundheit oder Eigentum dritter 
Perſonen droht. 

In Frankreich haben die Gerichte 
wiederholt entfhieden, die zivil- 
rehtlihe Haftung des Führers 
eines Kraftfahrzeuge ſei ohne 
weiteres begründet, wenn er den 
Unfall herbeigeführt Hat und auf 
Berlangen nicht das Führerzeugnis 
und das Zeugnis über Zuteilung 
der Erfennungsnummer vorzeigen 
fann; der Nachweis eines Ver: 
ſchuldens wird alfo hier gar nicht 
gefordert, vielmehr geht dieje Recht: 
jpredung von der Auffaffung aus, 
dag Fehlen der Bejcheinigungen 
begründe die Rechtävermutung der 
Ungeſchicklichkeit, Unvorſichtigkeit 
und Unfähigkeit des Führers. 
(S. Iſaac „Das Recht des Auto- 
mobils“ S. 148.) 

Dem Bedürfniſſe nach einem er⸗ 
höhten Schutz des Publikums gegen⸗ 
über den Gefahren des Verkehrs 
mit Kraftfahrzeugen fuht nunmehr 
das Reichsgeſetz vom 3. Mai 1909 
über den Berfehr mit Kraftfahr: 
zeugen Rechnung zu tragen, indem 
ed neben der Haftung des Auto 
mobilführers auch nod eine 
jolde des Automobilbalter? 
fchafft, und fo die Möglichkeit gibt, 
den Befiger des Fahrzeuges für 
Schäden in Aniprud zu nehmen, 
bei deren Entftehen ein Verſchul⸗ 
den von feiner Seite gar nicht mit⸗ 
gewirkt hat. 

Der Geſetzgeber ging hiebei von 
der Erwägung aus, daß es eine 
Unbilligfeit fei, bei einem Auto- 


EEE 


371. 
(unfall die Geſchädigten hin— 
ich ihrer Schabenerjagan- 









He an den jehr häufig ver: 
ensloſen Führer des Fahrzeuges 
erweifen, ftatt ihnen, wie Dies 
mehr der Fall it, ſolche, An- 
iche in der Richtung gegen den 
elmäßig vermögenden Eigen— 
1er einzuräumen, 

Das Geſetz iſt hinſichtlich feiner 
rſchriften über die Haftpflicht 
t dem 1. Juni 1909 in Kraft 
treten, während jeine fonjtigen 
Stimmungen erjt ab 1, April 1910 
‚Itigfeit haben. 

871. Haftung des Tierhalters. 
cingt bei Ausübung ded Auto 
obiljporte8 die Art des Sport- 
erfzeuges eine bejondere Gefahr 
it ſich, jo ift dies beim Pferdes 
unjport und bei der Jagd in 
nlicher, wenn auch nicht in glei- 
em Maße ausgeprägter Weife um 
eöwillen der Fall, weil hier zur 
sortlichen Betätigung Tiere als 
Berkzeuge benüßt werden, welche 
ntweder infolge unrichtiger Ver— 
vendung oder mangelhafter Beauf- 
ichtigung, oder auch jelbittätig, 
fo ohne irgend ein Verſchulden 
on feiten ihres Heren, Schaden 
tiften können. 

Keiner beſonderen Crörterung 
jedarf der Fall, daß ein Tier in- 
olge eines Verſchuldens feines 
Herrn Schaden anrichtet. Es ver: 
iteht fich von felbjt, daß der Reiter, 
welcher fein Pferd aus Willkür 
durh ein bebautes Getreidefeld 
lenkt, daß der Jäger, welcher feinen 
ihm als biffig befannten Hund zur 
Jagd mitnimmt, für den Schaden 
haftet, welcher dur jein Ber- 
ſchulden entjteht. 

Anders verhält e3 ſich Dagegen, 
wenn das Tier ohne derartiges 
Verſchulden eines Menſchen Dritte 
ſchädigt. Es läge nahe, in diejem 
Fall den Schaden ald durch Zu- 
fall, Durh Einwirkung „höherer 


Dr. Max Ahles. 


Gewalt” entſtanden zu betradien 
und die Frage nad) der Haftdar- 
feit irgend welcher Perſon für den- 
felben zu verneinen, 


Der Gefeggeber hat jedoch dei 


Tatfahe Rechnung getragen, daß 
mit dem Halten eines Tieres, felbit 
wenn es nicht zu den notoriſch 


gefährlichen zählt, außergemöhnltde 
Gefahren verbunden find, und dat 
es als Unbilligfeit erfcheinen müßte, 
wollte man die hieraus entftehenden 
Schäden nicht nach Tunlichkeit den 
Betroffenen abnehmen und fie viel- 
mehr auf den Tierhalter über 
wälzen, welcher ja andererſeits 
auch die Vorteile von der Bes 
nüßung des Tieres zieht. 

Eine Ausnahme bejteht nur zu: 
gunften der Haustiere, welche der 
Tierhalter zur Ausübung feine? 
Berufs oder feiner Erwerbstätigkeit 
verwendet. Bei einer Schädigung 
durch ein ſolches Tier ift der Tier: 
halter nicht erfagpflichtig dann, went 
ihm fein Verſchulden in der Beauf- 
fihtigung zur Laſt fällt, oder wenn 
der Schaden auch troß forgfältiger 
Beauffichtigung entitanden märe. 

Die einjchlägige gefeglihe Be 
ftimmung 8 833 8.6.8. lautet: 

„Wird durch ein Tier ein Menſch 
getötet oder der Körper oder die 
Geſundheit eines Menfchen verlegt 
oder eine Sache beſchädigt, fo ift 
derjenige, welcher das Tier Hält, 
verpflichtet, dem Verlegten den dar: 
aus entjtehenden Schaden zu er: 
ſetzen. Die Erſatzpflicht tritt nicht 
ein, wenn der Schaden durch ein 
Haustier verurfaht wird, das dem 
Berufe, der Erwerbstätigkeit oder 
dem Unterhalte des Tierhalterd zu 
dienen beftimmt ift, und entweder 
der Tierhalter bei der Beaufſichti⸗ 
gung des Tieres die im Verkehr 
erforderlihe Sorgfalt beobachtet 
oder der Schaden auch bei Anwen: 
dung dieſer Sorgfalt entftanden 
fein würde.” 





xXVI. sport 
ne 
fl . 
r angem zeigt fi da. 


"gen di 
auf dem 
N teeſfen. 


08 lie 
e 





XVI. Sport, Baftpflidht und Verſtcherungsweſen. 


872. Die VBerfiherung. Schon 
feit langem zeigt ſich das Beftreben, 
fih gegen Gefahren, melde alle 
Menſchen in gleicher Weife, oder 
aber auch nur beftimmte Gruppen 
von ihnen bedrohen, dadurch zu 
fhüten, daß, infoweit es ſich um 
heilbare Schäden handelt, dieje 
durch den Zufammenfchluß größerer 
Berfonengruppen von diefen gemein: 
Ichaftlich getragen, alfo dem jeweils 
Betroffenen nad Möglichkeit abge- 
nommen werden. 

An den legten Jahrzehnten hat 
fih das Berfiherungswejen derart 
entmwidelt, daß die Gefahren, gegen 
die es feine Berfiherungdmöglid- 
feit gibt, ſchon in der Minderzahl 
find: Gegen Feuerdgefahr, gegen 
Unfall mit oder ohne Todesfolge, 
gegen Hagelfchlag, gegen berufliche 
Haftung, gegen die Zeritörung von 
Glasfenſtern uſw. ufm., nahezu 
gegen alle Fährlichkeiten des Lebens 
kann man fih durch Verficherung 
zu ſchützen ſuchen. 

Was liegt daher näher, als auch 
gegen die Gefahren des Sportes 
auf dem gleichen Wege Vorſorge 
zu treffen. 

Einen ſolchen Schutz fordert nicht 
nur das Intereſſe des Sport3- 
mannes, dem hierdurch nach Mög⸗ 
lichkeit der erlittene Schaden erſetzt 
wird, ſondern er liegt auch im 
Intereſſe des Sportes ſelbſt. Iſt 
doch nichts ſo ſehr geeignet, die 
Energie zu lähmen, als das Be- 
wußtſein, im Falle des Mißlingens 
ſich ſelbſt und damit wohl auch noch 
anderen naheſtehenden Perſonen 
Schaden zuzufügen. 

Das Gefühl ſolcher Verantwort: 
fichfeit hält nicht nur ſehr oft von 
einer freien, ſportlichen Tätigfeit 
ab, fondern es hemmt auch nur zu 
leicht im fportlihen Kampf gerade 
in entfcheidenden Augenbliden Die 
Willenskraft und verurſacht auf 
diefe Weife einen Mißerfolg, der 


Niro. 872. 


beim Fehlen eines jolden morali- 
ſchen Hemmniſſes nicht eingetreten 
wäre. 

Das Zdeal einer fportlichen 
Berficherung wäre es daher, wenn 
jedem Sporttreibenden die Möglich- 
feit gegeben wäre, fich gegen alle 
Schäden, welche die Ausübung des 
Sportes für ihn direft oder auch in- 
direft (durh Haftung gegenüber 
anderen Perfonen) mit fich bringen 
kann, zu verfichern. 

Es müßte alſo eine Verfiherung 
möglich fein vor allem gegen Un: 
fälle jeglicher Art, welche gelegent- 
lih der Ausübung des betreffenden 
Sportes ſich ereignen. “Dabei 
müßte für den Sal des Todes an 
die Hinterbliebenen oder an jonftige 
im Verficherungsvertrag zu bezeich- 
nende Berjonen die vereinbarte 
Summe ausbezahlt werden; es 
müßte aber auch für den Fall einer 
nur vorübergehenden Beichädigung 
Erjag für Verdienftentgang und 
Kurkoften, endlich bei einer dauern⸗ 
den Beihädigung (Berftümme- 
lung :c.) außerdem noch eine Rente 
gewährt werden. 

Des weiteren müßten in den 
Bereich der fportlihen Verficherung 
auch alle jene Beichädigungen auf: 
genommen werden können, welde 
nit auf einen „Unfal” im land: 
läufigen und verfiherungstechnifchen 
Sinne des Wortes, alfo auf ein 
plötzliches von außen einmir- 
fende8 Ereignis, fondern welde 
auf Erkrankungen als Folgen 
der ſportlichen Betätigung zurüd- 
zuführen find, fo beiſpielsweiſe auf 
Grfältung, Ueberanftrengung ꝛc. 

Endlih müßte eine jolche ideale 
Berfiherung auch noch die Haftung 
für Schäden umfafjen, welche der 
Sporttreibende in Ausübung des 
Sporte3 dritten Perſonen zufügt, 
natürlich nur inſoweit, als er für 
jolde Schäden nad den einjchlägi- 
gen gejeglichen Beftimmungen haft: 


Nro. 872. Dr. Max Ahles: XVI. Spori, Baftpflicdht u. Berficherungsmefen. 


bar gemacht werben Tann, bezw. im 
einzelnen Falle durch gerichtliche 
Urteil haftbar gemacht worden ift. 

Diefes Ideal einer fportlichen 
Berfiherung wird von den zurzeit 
beftehenden Berficherungs-Anftalten 
und -Gejellihaften nicht erreicht. 

Die Fährlichkeit einzelner Sport: 
arten und die Schwierigkeit, in 
jedem Falle den urſächlichen Zu⸗ 
ſammenhang zwifchen der [portlichen 
Betätigung und dem eingetretenen 
Schaden feftzujtellen, laſſen unſere 
Berfiherungsinftitute dem Sport 
gegenüber eine gewiſſe vorfichtige 
Zurüdhaltung beobadten. 

So ift regelmäßig die Verfiche- 
rung gegen Unfall auf dem Gebiet 
der Luftichiffahrt, bei der Teilnahme 
an Wettlämpfen und Wettjpielen, 
an equilibriftiihen und afrobatifchen 
Uebungen ausgeſchloſſen. Eine Ber: 
fiherung gegen Unfall bei Waſſer⸗ 
fabrten, beim Schwimmen, bei Wett- 
rennen, Parforce- und Schnikel- 
jagden wird nur injoweit gewährt, 
als nicht der Tod des Verſicherungs⸗ 
nehmers herbeigeführt wird. 

Eine Frage der nächſten Zukunft 
ift e8, welden Standpunft unjere 
Berfiherungsanftalten angefichts 
des Automobilgefeged gegenüber 
der Berfiherung des Automobil: 
port? einnehmen werden. 

Abgejehen von diefen Ausnahmen 
aber bietet unſer heutiges Verfiche- 
rungswefen für‘ den Sporttreiben- 


eines jeden Sports in höherem oder 
geringerem Maße drohen, zu fchüßen. 

Eine wichtige Aufgabe auf dem 
Gebiete der fportliden Verſicheruug 
fommt unſeren Sportvereinen zu. 
Schon haben eine Anzahl der 
größeren fportliden Vereinigungen 
ed unternommen, für ihre Mits 
glieder eine Zwangsverſiche— 
rung einzuführen, indem fie einen 
beftimmten Teil ihrer Einnahmen 
Dazu verwenden, um jedes Mitglied 
gegen eigenen Unfall ſowohl als auch 
gegen Haftpflicht verfichern zu lafjen. 

Es darf als fiher angenommen 
werden, daß diefe bisher verein- 
zelten Beijpiele Nachahmung finden 
werden. Damit wird die fportliche 
Berfiherung auf eine neue Bahn 
geleitet, welde nur zum Borteil 
der Sporttreibenden führen Tann. 
Denn während bisher regelmäßig 
nur derjenige fih zum Abſchluß 
eines PVerficherungdvertrages ent= 
ſchloß, welder fih bewußt war, 
dur beſonders intenfive Sport- 
tätigfeit fih erhöhter Gefahr aus- 
zufegen, welcher dafür aber auch zu 
denen zählte, welche die Berfiche- 
rungsanftalten nicht felten auf er- 
heblihe Leiftungen in Anfprud 
nehmen, wird bei der Zwangs⸗ 
verfiherung dur) DBereine den 
Berfiherungsanftalten die Möglich- 
feit geboten, infolge des Gefahren- 
ausgleiches unter der großen Anzahl 
der Berjicherungsnehmer günftigere 


den reihe Möglichkeit, fi gegen | Bedingungen für die Berficherten 
die Schäden, welde bei Ausübung | zu bieten. 


XVII. Siteratur, Sportvereine, firmen. 


Angegeben von den Mitarbeitern. 


Nachdem hier nur die hauptſächlichſten Werke der einfchlägigen Sport: 
literatur aufgeführt werden konnten, fei auf den ausführlichen Katalog: 
„Sport=zLiteratur” bingewiefen, der von der 9. Lindauerſchen 
Buchhandlung in Münden, Kaufingerftraße 29 ausgegeben wurde. — 
Zu den angeführten Firmen wird ausdrücklich bemerkt, daß ausjchließ- 
lih den Mitarbeitern perſönlich ald empfehlenswert bekannte Ge- 
Ihäfte angegeben wurden, daß aber damit durchaus nicht gefagt fein 
jol, daß nicht auch andere Geſchäfte gut und folid feien. 


Zu Abfdnitt I. Begriff, Ent- 
wickelung und Bedeutung des 
Sports. 


Literatur: 


(Außer den im Text angeführten Autoren.) 

F. Echhardt, Die fportlihe Seite des 
Alpinismus. Mitteilungen des D. u. De. 
A. 3. 1903. 

Prof. Dr. Haußbofer, Sport. Zeit: 
Schrift des D. u. De. A. V. 1899. 

Prof. Dr. 8. Koch, Das heutige Spiel- 
leben Englands. 

Dr, %. Bid, Sport und Gefundheit. 

H. Steiniger, Zur Piychologie des 
Alpiniften. Graphologiſche Monatshefte 
1907- 08. 

Jahrbücher für Volks- und Jugendſpiele 
herausgegeben von E. v Schentendorff 
und Dr. F. A. Schmidt, in denen ſich 
eine große Anzahl von Arbeiten finden, die 
Ka bie bier angeregten Fragen einfchlägig 
find. 


Zu Abfdnitt II. Reit- und 
Fahrſporte. 


Literatur: 
Bücher. 


Bibliothek für Sport und Spiel, J Leipzig, 
Grethlein u. Co.: NReitiport, Geländes 
reiten, Das rohe Pferd, Renniport, 
Hindernisfport, Damen-Reitſport, Par: 
forcejagd auf Hafen, Polo, Fahriport, 
Traberiport. 

Briefe über das Reiten in ber deutſchen 
Kavallerie, v. P. Plinzner; Berlin, 
Mittler u. Sobn. 

Dame, die, ald Reiterin, v. Schlaberg; 
Berlin, B. Parey. 


Damen: Reitkunft, v. 8.0. Wobejer; Ber: 
lin, Mittler u. ©. 

Damen -Reitiport, v. R. Schovenbed; 
Leipzig, Grethlein u. Co. 

Dauerritte, v. C. v. Heydebred; Berlin, 
Mittler u. ©. 

Dauerritte, Betrachtungen und Ratjchläge, 
v. Heuß; Berlin, Mittler u. ©. 

Drefiur, Grundfäge der, v. 3. Fillis; 
Berlin, R. Felix. 

Dreſſur, Tagebuch ber, v. J. Fillis; 
Stuttgart, Schickhardt u. Ebner. 

Erfahrungen von Reitbahn, Exerzierplatz 
u. Jagdfeld, v. A. E. Hoffmann; Leip⸗ 
zig, Engelmann. 

Fahrtunde, die deutſche, v. R.Schoen⸗ 
beck; Leipzig, Klemm. 

Fahrſport, v. W. Ahlers; Leipzig, Greth— 
lein u. Co. 

Fuhrwerk, das Luxus⸗, v. Grf. C. G. 
Wrangel; Stuttgart, Schickhardt und 
Ebner. 

Gymnaſium des Pferdes, v. P. Plinzner; 
Potsdam, Döring. 

Hindernisſport, v: F. Schmidt-Beneke; 
Leipzig, Grethlein u. Co. 

Parforcejagd auf Haſen, v. Frhr. v. Eſe⸗ 
beck; Leipzig, Grethlein u. Co. 

Pferde, dad Buch vom, dv. Grf. C. ©. 
Wrangel; Stuttgart, Schidhardt und 
Ebner. 

Pferdegymnaftil, v. BP. Plinzner; Pot3: 
dam, Döring. 

Pferd, das rohe, v. S. v. Sanden; 
Stuttgart, Schickhardt u. Ebner. 

Pferd, das dreffierte, v. PB. Plinzner; 
Leipzig, Engelmann. 

Reiten und Fahren, v. R. Shoenbed; 
Berlin, B. Parey. 

A ul die natürlidde ; Berlin, Mittler 
u. S. 


XVII. xiteratur, Sporivereine, Fichten. 


Reitfport, v. ©. v. Sanden; Leipzig, — — Burgfteinfurter Reiter⸗ 
n 


Grethlein u. Co. 

Reitwinke, v. Kimmerle; Berlin, P. 
Parey. 

Rennreiten, v. K. v. Tepper-Laski; 
Berlin, P. Parey. 

Traberſport, v. T. Tſcho epe; Leipzig, 
Grethlein u. Co. 

Training des Pferdes, v. A. v. Schlü⸗ 
ter; Berlin, P. Parey. 


Pferdbepflege u. |. w. 


Anleitung zur Beurteilung des Pferde- 
beued. Herausgegeben im Auftrage bes 
Königliden Preuß. Kriegsminifteriums. 
Berlin 1889. 

Goldbeck, Gefundheitspflege der Militär: 
pferde, Berlin 1902. 

Goldbed. Der Pferbefauf. 
1904. 

Köſters Lehrbuch des Hufbeichlages. 
Berlin 1908. 

Ludwig, Wilhelm, Handbuch ver Hygiene 

« und Diätetif des Truppenpferdes zum 

I |Gebraudh für Beterinäre, ſowie Stu⸗ 
dierende, Offiziere und Verwaltungs 
beamten. Berlin. 

Parjey, P. Mnleitung zur Fütterung 
ber Dienftpferde. Berlin 1896. 


Zeitſchriften. 
Wochenrennkalender für Deutſchland. 
Deutſcher Sport, Drgan für Renn⸗ 
fport und Pferbezudt, Berlin. 

Sport im Bild, Illuſtrierte Wochen⸗ 
ſchrift, Berlin. 

Santt®eorg, Illuſtrierte Wochenſchrift, 
Berlin. 


Berlin 


Bereine: 


Sn Deutſchland ſteht ver Union- 
tlub in Berlin an der Spige des Renn- 
betriebes, für ben ein von den Minifterien 
für Landwirtſchaft und Juſtiz berausge- 
gebenes Geſetz maßgebend ift. 

Die Erlaubnis zur Abhaltung öffent- 
liher Rennen haben zurzeit (1909) folgende 
Rennvereine: 

Adern i. B., Acherner Rennverein, 

Altona-Bahrenfeld, Kavalleriften-Kamerad- 
ſchaft, Hamburg. 

Baden-Baden, Internationaler Klub. 

Bamberg, Fräntifcher Neiterverein. 

Beeskow, Beeskow⸗-Stork ower Rennverein, 

Berlin-Grunewald, Unionklub und Verein 
für Hindernisrennen. 

Berlin: Hoppegarten, Unionklub. 

Berlin-Karlshorft, Verein für Hindernis: 


rennen. 

Berlin-Straußberg, Strauöberger Renn- 
verein. 

Bielefeld-Bradwebe, Ravensherger Renn- 
verein. 

Bremen, Bremer Reitllub. 

Breslau, Schleſiſcher Verein für Pferbe- 
zucht und Pferderennen. 

Bromberg, Bromberger NReiterverein. - 


verein. 

Gaftrop, Eaftroper Rennverein. 

Cleve, Clever Reiterverein. 

Danzig-Zoppot, Weftpreußifcher Neiter: 
verein. 

Defiau, Anhaltifher Reiters und Pferde: 
zuchtverein. 

Detmold, Detmolder Rennverein. 

Doberan, Doberaner Rennverein. 

Dortmund, Dortmunder Rennverein. 

Dresden, Dresdener Rennverein. 

Düffeldorf, Düſſeldorfer Reit- und Nenn: 
verein. 

Elmshorn, Verband der Pferdezüchter in 
ben Holfteinifhen Marſchen. 

Frankfurt a. M., Frankfurter Rennklub. 

Sranffurt a.D., Frankfurter Reiterverein. 

Freiburg i. Br., Freiburger Neiter- und 
Pferdezudtverein. 

Fürftenwalbe, Frankfurter Rennverein. 

Gotha, Rennverein für Mitteldeutfchland. 

Graudenz, Graudenzer Rennverein. 

Halle a. S., Sähfifh-Thüringifcher Reiter: 
und Pferdezudtverein. 

— ———— Hamburger Sport⸗ 

u 


amm i. W., Arnsberger Rennverein. 
annover, Verein zur Förderung ber Han: 
noverfhen Landespferdezucht. 
Hannover, Herrenreiterverein. 
— Harzburger Rennverein. 


Km orn, Hamburger Renntlub. 


aßloch, Pfälzifher Rennverein Neuftadt 


a. H. 

Hattingen a. db. Ruhr, Hattinger Renn- 
verein. 

Hering3borf, Verein für Hindernisrennen, ' 
Berlin 


orſt⸗Emſcher, Emfchertaler Rennverein. 
udarbe, Pferbezudt: und NRennverein 
Hudarde-Rahm. 

Hüften i. W., Hüftener Rennverein. 

Sinfterburg, Litthauiſcher Neiterverein. 

Jülich, Züliher Nennverein. 

Karlsruhe, Karlsruher Reiterverein, 

Kafjel, Kurbeffifher Reiterverein. 

Kiel, Kieler Reiterverein. 

Köln a. Rh., Kölner Rennverein. 

Königsberg i. Pr., Verein für Pferde: 
rennen und Pferdeaugftellungen in 
Preußen. 

Kolberg, Hinterpommerfder Reiterverein. 

Kottbus, Lauſitzer Rennverein. 

Kreuznach, Nahetal-Rennverein. 

Küſtrin (für 1 Tag im Jahre 1909), Neu: 
märkiſcher Reiterverein, 

Landsberg a. W. (für 1 Tag im Jahre 1909), 
Neumärkiſcher Reiterverein. 

Lauenburg a. €., Lauenburger Rennverein. 

Leipzig, Leipziger Rennklub. 

Ludwigsluſt, Lubmwigslufter Rennverein. 

Lüneburg, Lüneburger Reiterverein. 

Lyck i. Ditpr., Mafurifcher Reiterverein. 

Magdeburg, Magdeburger Rennverein. 

Magdeburg, Sächſiſch-Thüringiſcher Reiter: 
undr Pferbezudtverein, 


XVII. Literatur, Sporivereine, Firmen. 


Mannheim, Badifher Rennverein. 

Mes, Lothringifher Reiterverein. . 

Militſch (für 2 Tage im Jahre 1909) Mi: 
litfher Rennverein. 

Mülheim a. d. Ruhr, Mülheimer Reiter- 
verein. 

Münden (inkl. DOftoberfeftrennen), Mün: 
chener Rennverein. 

Münfter i. W., Weftfälifher Neiterverein. 

Neuß, Neußer Reiterverein. 

Norderney, Norderneyer Rennverein. 

Nürnberg, Nürnberger Rennverein. 

Oels, Delfer Jagbdreiterverein. 

Oldenburg, Oldenburger Rennverein. 

Oldesloe, Oldesloer Rennklub. 

Osnabrück, Renntomitee. 

Oſterode i. Oſtpr., Oſteroder Reiterverein. 

Poſen, Poſener Rennverein. 

Pyrmont, Pyrmonter Rennverein. 

Qualenbrüd, Artländer Rennverkin. 

Quedlinburg, Verein für Pferdezucht ꝛc. in 
den Harzlandſchaften. 

Raſtenburg i. Oſtpr., Raſtenburger Reiter- 
verein. 

Rathenow, Märkiſcher Reiter- und Pferde⸗ 
zuchtverein. 

Recklinghauſen, Recklinghauſer Reiterverein. 

Regensburg, Regensburger Rennverein. 

Roſtock, Roſtocker Rennverein. 

Saarbrücken, Rhein.-Lothr. Reiterverein. 

Salzwedel, Altmärkiſcher Reiterverein. 

Schleswig-Königswill, Schleswig-Holſtein. 
Renn⸗ und Zuchtverein. 

Schneidemühl, Bromberger Reiterverein. 

Segeberg (für 1Tag im Jahre 1909), Nenn: 
verein des Kreifed Segeberg. 

Steele a. d. Ruhr, Steeler Rennverein. 

Stettin, Pafewalter Reiterverein. 

Stolp i. Bom., Hinterpommerfder Reiter: 


verein. 

Straßburg i. Elj., Straßburger Neiter- 
verein. 

Strausberg (f. Berlin-Strausberg). 

Stuttgart-Cannftatt, Schwäbiſcher Reiter- 
verein. 

Stuttgart-®eil, Württembergifher Renn- 
verein. 

Südteln, Südtelner Reiterverein. 

Thorn:Moder, Thorner Reiterverein. 

Tilfit, Tilfiter Rennverein. 

Torgau, Sächſiſch-Thüringiſcher Neiter- u. 
Pferbezuchtverein. 

— —— Lübeck⸗Travemünder Renn— 
klub. 

Verden, Verdener Rennverein. 

Waltrop, Waltroper Rennverein. 

Waren i. M., Rennkomitee. 

Willſtätt i. B., Rennverein Willſtätt. 

Wittenburg i. M., Mecklenburgiſcher Reiter: 


verein. 
Zweibrücken, Pfälziſcher Rennverein Zwei— 
brücken. 
Die bedeutendſten Rennen Deutjd- 
lands: 


Flach⸗Rennen. 


Berlin-HoppegartenT(bjw. Grune— 
wald⸗Bahn): Henkel-Rennen 10 000 M. 


Union⸗Rennen .. 30 000 M. 
Preis der Diana . .» . 20000 M. 
Hertefeld-Rennen . 2 . 20000M. 
Silberner Edi . . . 20000 M. 
Staatspreis I, Klaffe . „. 10000M. 
Herzog von Ratibor⸗Renne 

Großer Preis von Berlin 74 000 M. 
Renard-Rennen . . . 28 000M. 


Fürft zu Hohenlohe-Dehringen-Nennen 
Baden-Baden: Großer Preis 


50 000M. 
Fürftenberg- Memorial . 46 000 M. 
Prince of Wales Stater . 16000 M. 
Zutunfts-Rennen 36 000 M. 


Breslau: Preis v. Schieſien 26 000 W. 
Herzog v. Ratibor-Erinnerungs-Rennen 
Doberan: Friedrich-Franz-Rennen 
70 00 


om. 

Frankfurt a M.: Wäldchens-Rennen 
10 000M. 
Alerander:-Rennen . . . 25000M. 
Dftober-Preid? . . . 20000 M. 
Bold-Rolal . » * .: 13000 M. 


Gotha: Preis von Thilringen 30 000 M. 
Hamburg-Borftel: Großer Preis 
100 000 M. 
PR Horn: Deutihes:Derby 
100 000M. 
Gr. Hamburger Hanbilap 
Hamburger Kriterium . . 15000M. 
Großer Hanfa-Preis 40 000 M. 
Hannover: Großer Preis von Han- 
noVver . » 2 2 0... 15000M. 
Deutfhes St. Legerr . . 30000 M. 
(jpäter auf der Grunewald-Bahn). 
Köln: Preis v. Donauefdhingen 25 000 M. 
Preis v. Stühlingen . 


Preis v. Ahein - - 2 2. 2LO000M. 

Preis des Winterfavoriten 30 000 M. 

Rheiniſches Zudhtrennen . 30 000M. 
Leipzig: GStiftungss Preis 15 000 M. 

Großer Teutonia-Preis 

Großer Preis von Leipig 25000 M. 
Münden: Bayern:Preis 50 000M. 


Stuttgart-Beil: Schwaben-Preis 
20 000 M. 


Hindernid-Rennen. 
Berlin- Hoppegarten: Gr. Armee: 
Jagd-Rennen - „ 20000M. 
„ Karlshorft: Berolina 20 000 M. 


KRaiferpreid . . 2. 2.2. 15000M. 
Germania . 2 2 2 2 ..15000M. 
„nternationale” . 2. 31000 M. 
Deutfchres Jagdrennen. 11000 M. 
Metropole-Preis. „. » „2 10000M. 
Hauptzfjagdrennen . 22 000 M. 
„2000 Stronen” . 2. 2... 30000M. 
Großes Hürden-Rennen . 

Großer Preis v. Karlshorſt 50 000 M. 
Yandsbergejagdrennen . 10000M. 
Rarforces \agdrennen . „. 10000 M. 


Baden-Baden: Altes Badener-Jagb- 
Kennen 2 2 0 2 2 2. .13500M, 
Große Badener HanbicapsSteeple-Ehafe 

20000. 

Bremen: Großes Bremer Sagdrennen 

10 000 M. 


57 


XVII, Titeratur, Sportvereine, Firmen. 


Dortmund: Germania . 12000 M 
Großer Preis v. Dortmund 20000 M. 
Herbit-Prei . . » 10 000M. 

Hamburg-Horn: Kaiferin Augufta= 
Viltoria-Jagdrennen . . 30000 M. 
Gr. Hamburger-Jagdrennen 10000 M. 

HoritsEmsdder: Großer Preid von 
Hor 02 0.0... 1500M. 
Große3 HürdensRennen . 10000M. 

Frankfurt a. M.: Präfibenten-Preis 

10 000 M. 


Köln: Kronprinzeffin Cäcilie-Jagdrennen 
100 


VOM. 


Colonia-jagbrennen . . . 10000M. 


Mannheim: Preis ber Stabt Mannheim 


15 000 M. 

Badenia . . 40 000 M. 

Münſter: Landsberg⸗ Jeadrennen A 
000 

Neuß: Neußer Jagbrennen ı 000 N. 


Stuttgart=-Weil: Preis von Weil 


31000 M. 


Trabrennfport. 
In Deutichland fteht an . Spitze: die t ech auge Kommiffion für Trab: 


rennen und bad große 


Schiedsgericht. 


Die bedeutendſten Trabrennplätze ſind: 


Tage 
Weſtend 20 
Weißenſee 24 


Altona-Bahrenfeld 5 . 10 
Münden (M. Tr. u. 3-8) 
Pfarrkirchen 
Straubing, . 
ungen Dtioberfeſh 
Heide i. H.. 
Ölbenburg t. Gr. . 
Hamburg (Kav. = aãmeradſchaft 
Ludwigsluſt... 
Heringsdorf. 
Segeberg . 
Stuttgart: Gannflatt 
Sever . . . i 
Neerſen⸗ Neuwert 
Mitterwöhr . . 
Se gorfthof . 
Duhnen . . ; 
Kreiberg t. Br. 
Meftend- (Pferde-Erholungsp. ). 


gb de pad pub eb fen pub ed put De ed eb NO RD 9 0 


© 
00 


Zu Abſchnitt III. Alpinismus. 


Literatur: 


A. Aihinger, Technik des Bergiteigeng- 
Herausgeneben vom D. u De. A.V. 

€. D. Dent, Hodtouren. Ein Hand- 
a für Bergfteiger. Leipzig 1893. 

A. Moſſo, Der Menfh auf den Hoch⸗ 
alpen. Leipzig 1899. 

8. Burticeller, Zur Entwidlungs: 
geſchichte des Alpinismus. Jahrbuch des 
D. u. Oe. A.V. Jahrg. 1894. 

Zſigmondy— Bouite, Die Gefahren 
der Alpen. Annsbrud 1907. 

N. Zung, Höhenklima und Bergwande- 
rungen in ihrer Wirkung auf den Menfchen. 
Berlin 1906. 

geitfhrift und Mitteilungen bed 
D. u. De. A.B. Verſchiedene Auffäge. 

Deutfhe Alpenzeitung, Mün- 
hen. Verſchiedene Auffäge. 


Die win onen Alpinen Vereine und 
ihre Beröffentlichungen: 
I Deutihland und Defterreid. 
Deutjder u. Defterreidifder 
lssnperein. 82221 M. 367 Sektionen. 


Nennen Mark Ehrpr. 
168 440 400 46 
175 425 300 67 

77 165 500 5 
93 142 150 31 
12 23 580 1 
19 13 940 8 
3 9 600 — 
12 6 700 12 
7 4 350 7 
3 3.000 — 
2 2 250 4 
2 1 800 6 
4 1 600 4 
1 1 575 — 
5 1626 6 
3 1400 — 
2 1 840 — 
4 885 — 
6 700 12 
1 600 — 
2 — 2 
691 1 248 145 205 


Zentralausfhuß gegenwärtig München. 
Kanzlei Prannerfir. 8. Zentralbibliothet 
Münden, Ledererſtr. 2. 

„Zeitſchrift des Du. Oe. A.V.“, „Mittei- 
lungen des D. u. De. A. V.“ Für Mits 
glieder unentgeltlich. 

2. Deſterreichiſcher Touriſten— 
klub. 14800 M. 64 Sektionen. — Zen⸗ 
tralleitung in Wien I, Bäckerſtraße 3. 

„DeſterreichiſcheTouriſtenzeitung“ 24Nrn. 

3. Deſterreichiſcher Alpenklub. 
800 M. Wien VI., Rahlgaſſe 6. 

„Oeſterreichiſche Alpenzeitung“. (Wien 
VI/1, Mariahilferhof.) 

4. Deſterreichiſcher Gebirgs— 
verein 6200 M. — Sitz: Wien VIIIl2, 
Lerchenfelderſtr. 89. 

„Der Gebirgsfreund“. 12 Nrn. 

5. Touriftenverein „Natur— 
freunde”. 12000 M. — 109 Ortögruppen. 
Bgentralleitung: Wien XV., Löhrgaffe 16. 

Naturfreund”. 12 Nrn. 

er Vereine: 
hen: Turner: Alpenträngden, 
Sochtourktentiud, 
Graz. Steir. Gebirgäverein; 


Grazer 
Alpenklub; Techniter-Alpentlub. 


XVIl, Wilerafur, Sporfvereine, Kirmen. 


Laibach. Slovensko 
drustvo. 
Prag. Slovenske alpsk& druzstvo. 
Trient. Societä degli Alpinisti Tri- 
‘ dentini; Societä Rhododendron. 
Trieft. Adria; Societä alpina delle 
Giulie; Club Touristi Triestini. 
Zara. Liburnia. 


I. Schweiz. 

1. Shmweizer Alpentlub. 10200 M. 
55 Sektionen und 2 Subfeltionen. — Ben: 
tralleitung Freiburg. Maifon Glaſſon, 30 
Rue de Romont. 

„Jahrbuch“ des S. N.:C.; „Alpina“. 
24 Nrn.; „L’Echo des Alpes“. Genf. 

2. Alpina, Luzern. 

3.TZouriftentlubEdelmweiß, St. 
Ballen. 

4. Genf: a) Club des Grimpenrs. b) 
Union Montagnard. c) Gyms Montag- 
nards. d) l’Allobrogia, e) Piolet-Club. 


II. Stalien. 

1. Club Alpino Italiano. 6500 
M. 34 Seltionen. — Zentralleitung Turin, 
ia Monte di Pietà 28. s 

„Rivista mensile“. 12 Nrn. 

„Bollettino d. C, A. I.“ 

2. Societä& Alpina Friulana in 
Unbdine, Via Daniele Manin 22. 

„In Alto“. 6 Nrn. Schriftleiter: F. 
Cantarutti u. A. Ferrucc. Frs. 4.—. 


IV. $rantreid. 

1. Club Alpin Frangais,' 5900 M. 
46 Sektionen. — Direktion Paris, Rue du 
Bac 30. . 

„L&a Montagne.“ (Revue mensuelle 
illustree.) 12 Nrn. 

2. Societ6 des Touristes du 
Dauphine. Grenoble Rue Thiers 21. 

„Annuaire d. S, T. D.“ (30. Jahrg.) 

8. Societe des Alpinistes Dau- 
phinois in Grenoble, Rue Montorge 1. 

„Revue des Dauphinoises.“ 12 Wrn. 


Fr3. 6.50. 
V. England. 

1. Alpine Club. London W. 23. 
Savile Row. 

„Alpine Journal“. 12 rn. 

2. Scottish Mountaineering 
Club, Edinburgh. 

VI Niederlande. 

1. Nederlandpfhe Alpenvereni: 
gung in Leiden. 

VII. Rußland. 

1. Rufjifder Gebirgsverein. 
Moskau, Obuchow Pereulot 6. 

2. Krimfher Alpentlub. Odeſſa, 
Gorodostoi Sad. 

3. Kaukaſiſcher Gebirgsverein. 
Pijatigorst, 

4. Raufafifher Bergklub. Sotſchi 

VIII Akademiſche Bereine. 

1. Alad. Alpenverein Berlin. 2. Alad. 
Alpentlub Innsbrud. 3. Atad. alpiner 
Verein Innsbrud. 4. Aladem. Alpen: 
verein Leipzig. 5. Alad. Alpenverein 
Münden 6. Akadem. Touriftentlub 


planinsko 


Straßburg. 7. Atad. Alpenclub Bern. 
8. Aladem. Alpenclub Züri. 9. Club 
alpino academico italiano (Turin). 


Firmen: 

9. Schwaiger, Münden, Rathaus. Hod: 
touriftit und Winterfport. 

Mizzi Langer, Wien, wie vor. 

€. Wittig, Innsbrud, wie vor. 

Fritſch & Eo., Züri), wie vor. 

9. Münzinger, Münden, Rodeln, Sti. 

Metzeler & Co., Münden, wie vor. 

— München, Dienerſtr., Berg⸗ 

ube.. 

®. Geiger, Münden, Karlsplag, Spezial: 

artifel für alpine Photographie. 


Zu Abfdnitt IV. KWinterfport. 
1. Schilaufen. 


Literatur: 

„Der Winter”, Amtl. Organ des Deutfchen 
und Defterreihiihen Echiverbandes ꝛc. 
Verlag der Deutfhen Alpenzeitung, 
Münden. [verbandes. 

„Sti”, Mitteilungen des Schweizer Schi— 

„Schnee“, Zeitihrift d. Alpen-Schivereind. 

„Jear boot“, Ski⸗Club-Groat-Britani. 

„Jahrbuch“ des Norweg. Schiverbandes. 

„Jahrbuch“ des Schwed. Schiverbandes. 

„Jahrbuch“ des Schweiz. Schiverbandes. 


Sonſtige wichtigſte Literatur: 
Hoet & Rihardion, Schi und ſeine 
fportlihe Benügung. 
Hoek, Wie lerne ih Schilaufen. 
Yuitfeldt, Das Stkilaufen. (land. 
Nanien, Auf Schneefhuhen durch Grön- 
PBaulde, Der Schi-Lauf. 
Rihardfon, Ski renning. 
Wergeland, Ski-löbering, dens Historie 
og Auvendelse, 


Bereine: 

Es eriftieren derartig viele, daß bloß bie 
„Derbände” erwähnt werden fünnen: 

„Deutſcher Schiverband”. 
„Oeſterreichiſcher Schiverband”. 
„Schweizer Edhiverband”. 
„Norwegiſcher Landesverband”. 
„Shwedifher Landesverband”. 


Firmen: 
thlefffen, Bern. 
n Entref, Stuttgart. 
Her, Freiburg i. Br. 
agen & &o., Ehriftiania. 
anger, Wien. 
chwaiger, Münden. 


‘ 


augauea 
& . 
Ro NASRM u 
= 
SE 
2 
=) 
r 
& 
© 
= 
3 


’ ch 
E. Wittig, Innsbruck. 
(Vergl. auch Abſchnitt III, Alpinismus.) 
2. Schlittſchuhlaufen. 


Literatur: 


„Der Win terſport“ von J. W. und Fr. 
Scheibert. 


XVII, Tiferafur, Sporfvereine, Firmen. 


„Das Schnellaufen auf dem Eife.” „Die 
Dame auf Schlittfhuhen.” „Das Paar- 
laufen und Gruppenlaufen auf dem Eife.” 
Praktiſche Winte für Kunfteisläufer und 
Eiglaufvereine. Bon George Helfrich. 

Beitfgrift „Sport im Bi”. W. I. 9. 
Müller, Winterfport. 

„Der Winter”, Verlag der Deutſchen 
Alpenzeitung, Münden. 


Firmen: 


A. Stor z, Münden, Marienplatz. 
F. Bidmann, Münden, Karlstor. 


3. Schlittenſport. 
Literatur: 

W. Ferry, Das Rodeln ein Winterſport. 
Graz 1906. 

Dr. Rziha, Der Rodelſport mit Berüd: 
fihtigung der übrigen Schlittenfporte. 
Minden, 1907. 

St.MorigTobogganing-E lub, Renns 
orbnung für den Erefta Run. 

„Der Winter”, DBerlag der Deutfchen 
Alpenzeitung, Münden. 

„Illuſtr. öfterreid. Sportblatt”, Wien. 

„Engadin Expreß und Alpine Poft”. 

Faſt alle größeren Tagesblätter bringen 
unter der Rubrik „Sport“ die für Schlitten 
fportler nötigen Nadridten. 


Bereine: 


„St. Morig Tobogganing⸗Club“. 

„St. Moris Bobsleigh: Club“. 

„Davos Toboggan:Elub“. 

„Winterfportflub des öfterr. Touriftenklub”. 

„Winterſportverein Friedrichsroda“. 

„Verband ſteiriſcher Rodler“. 
Winterſportvereine befinden ſich außer⸗ 

dem faft in jedem, durch feine Lage für den 

Sport geeignetem größeren Drte. 


Firmen: 
€ o,, ®ien II, Mariahilfer⸗ 
ftraße A 


C 
MizziLanger, Bien VII, Kaiferftr. 15. 
Joſef Muühlhauſers Nachf. Hans 
Steinbach und Guſtav Reſch, Wien I, 
Kärntnerſtraße 28. 
Wilhelm Pohl, Wien VI, Mariahilfer⸗ 
ftraße 5 und I, Kärntnerſtraße 39. 
Sofef Zah, Graz, Neutorgafle 47, 
„Janushof“. 


(Vergl. auch Abſchn. III, Alpinismus.) 


Zu Abſchnitt V. Wafferfport. 


1. Segelſport. 
Literatur: 
Haedjens „Yactfegeln“, hrsg. v. d. Red.: 
Die Yacht, Berlin Tr s 
A. Muchall⸗Viebrook, Seglerd Hands 
buch, Verl. d. „Wafferfport”, Berlin. 


Scheibert, Der Segelfport, Ver ⸗ 
Iein & Co., Leipzig, — 


ahrbuch bes Aciſert. 
en ferl. Jachtklub, 1908, 


Berr & 
1 


Wafferfport, Fachzeitſchrift f. Rudern 
und Segeln. Berlin. 

Yacht, Die Illuſtr. Zeitſchr. f. Jacht⸗ 
weſen. Berlin. 

Das kleine Buch von der Marine, 1907, 
Berl. Lipfius & Tifcher, Kiel. 

Wafferfport-Almanad, Hrög. v. d. 
Ned. d. Waflerfport. 

Graf €. Neventlow, Die deutſche 
Flotte und ihre Aufgaben, Berl. Herm. 
Hilger, Berlin. 


Bereine: 


Dem „DeutjhenSegler:Berband”, 
in defjen Händen die Organifation bes ſport⸗ 
lien Segelns in Deutichland Liegt, gehören 
die meiften der nachgenannten Bereine an. 
Vorftand gegenwärtig in Hamburg. 


Berliner Yachtklub, Berlin. 

Berliner Regattaverein, Berlin. 

Verein Seglerhbaus a. Wannfee, Berlin. 

Akademiſcher Seglerverein, Berlin. 

Segelllub „Aboi”, Berlin. 

Segelllub „Neptun“, Berlin. 

Zeuthener Seglerverein, Zeuthen. 

Berliner Seglerklub, Berlin. 

Weſtender Eegelllub, Berlin. 

en Yachtklub Potsdam, Deutſch⸗Wilmers⸗ 
or 


Berliner Wettſegelverband, Berlin. 

Verein Berliner Segler, Berlin. 

Verein Shmödmwiger Segler, Berlin. 

Yachtklub „Miüggelfee”, Berlin. 

Potsdamer Nadtllub, Berlin. 

Segeltlub „Fraternitad”, Berlin. 

Berliner Jollenklub, Berlin. 

Freie Vereinigung ber Tourenfegler Brünau 
v. 1899, Berlin. 

Deutfher Yachtklub, Berlin. 

Deutſcher Yachtklub „Viltoria”, Berlin. 

Seglerklub Tegelfee, Spandau. 

Tegeler Segelflub, Berlin. 

Verein Waſſerſport, Lehnig- Berlin. 

Friedrichshagener Seglerllub, Friebrichds 


bagen. 
Blantenefer Segelklub, Blantenefe. 
Seglerverein „Brandenburg“, Branden» 
burg a. 9. 
Bremer Yachtklub, Bremen. 
Segelverein „Wefer*, Bremen. 
Danzig: Zoppoter Yachtklub „Gode Wind“, 


Boppot. 

Segeltlub Edernförbe, Edernförbe. 
lensburger Segeltlub, Flensburg. 
orbdeuticher Regattaverein, Hamburg. 

Hamburger Yadtllub, Hamburg. 
amburger Eegelverein, Hamburg. 
aiſerl. Yachtklub, Kiel. 

Kölner Seglerklub, Köln. 

Segelklub „Rhe“, Königsberg. 

Segelklub „Baltic“, Königsberg. 

Lindauer Segelklub. 

2übeder Yachtklub, Lübeck. 

Segelverein Lubeca“, Lübeck. 

Magdeburger Yachtklub, Magdeburg. 

Memeler Segelverein, —*8* 

Seglerverein Wurmſee, Münden. 


XVII. Niferatur, Sporivereine, Firmen. 


Akad. Seglerverein, Münden. 

Neuruppiner Ruderer⸗ und Seglerflub 
Neu-Ruppin. 

Segelllub „Rheingau“, Nieber-Walluf. 

Berein Prenzlauer Segler, Prenzlau. 

Medlenburgifher Yachtklub, Roftod. 

Sonderburger Waſſerſport, Sonderburg. 

Stettiner Yachtklub, Stettin. 

Tilfiter Segelklub, Tilfit. 

Rheiniſcher Seglerverband, Wiedbaden. 

Wismarſcher Segelllub, Wismar. 

Union-Yadhtllub. Zweigvereine: Atterſee, 
Wörther See, Traunfee, Wolfgangſee. 

Bregenzer Segelklub, Bregenz. 

Stefanie⸗Yachtklub, Balaton-Fured. 

Segelklub Leitmeritz, Leitmeritz. 

Kaiſerl. u. königl. Jachtgeſchwader, Pola. 

Ceſky⸗Yachtklub, Prag. 

Bürder Yachtklub, Zürich. 

ne Yachtklub, Arendburg, Inſel 


eſel. 
Rigaer Yachtklub, Riga. 
Livländiſcher Yachtklub, Riga. 


Europäiſche Wettfahrten. 


Deutſchland: Kielerwoche, Elbregatten 
des Norddeutſchen Regattavereins, Ber⸗ 
linerwoche, oſtdeutſche Woche. 

England: Comes: und Clydewoche. 

Frankreich: Regatten von Havre und 
Trouville, Rivierawoche. 

Daänemark: Dereſundwoche. 

Schweden: Stockholmerwoche. 


Firmen: 


Bootsbauerei: Max Derg, Hamburg. 
Waap, Kiel. 

Stocks & Kolbe, Kiel. 

Fr. Lürffen, Bremen- Vegefad. 

A. Rambed, Starnberg bei Münden. 
Sportanzüge: Thöl, Kiel, Holftenftraße. 
Baniedi, Kiel, Holftenbrüde. 

Steibdel, Berlin, Leipzigerftr. 67/68. 


2. Ruderfport. 
Literatur: 


Hugo Borrmann, Die Kunft be Rus 
dern3, Verlag: Wedelind, Berlin. 
W. B. Woodgate, Rudern und Stullen, 
Verlag: „Wafferfport”, Berlin. 
Zeitſchrift „Der Wafferfport”, N. DIden- 
bourg, Berlin. 

Zeitfrift „Die Yacht“, Berlin. 

Zeitigrift „Von Fluß u. See”, Berlin, 
Verlag des „Waflerjport”. 


Bereine (Geutſche): 


Deutiher Ruderverband mit über 
800 Vereinen, außerdem noch ca. 100 ein: 
zelne Vereine. 

Einige der größeren Rudervereine find: 
Bacharacher Ruderverein. 

Berlin: Akademiſcher Ruderverein, Berlin- 
Grünau. Ruderklub „Hevella“. Ruderklub 
„Hellas“. Ruderklub „Alemannia“. Ruder⸗ 
verein „Narkomania“. Ruderklub „Bis 
fing”. Ruderklub „Sport⸗Boruſſia“, 


Grünau. Turn: u. Ruderverein „Deutſch⸗ 
land“, „Berliner Ruderklub“. Ruder⸗ 
klub „Union“. 

Bremer Ruderverein von 1882. 

Budapeſt: Ruderverein „Donau“. 

Danzig: Ruderklub „Viktoria“. 

Dresden: Sächſ. Regattaverein. Dresdener 
Ruderverein. Rudergeſellſchaft „Dresden“. 

Elbing: Ruderverein „Nautilus“. 

Hamburger Ruderklub „Kosmos“. „Ham— 
burger Ruderklub“. Ruderklub „Ger—⸗ 
mania”. „Norddeutſcher Regattaverein“. 
Ruderklub „Favorite-Hammania“. 

Karlsruhe: Ruderverein „Sturmvogel“. 

Kiel: Erſter Ruderklub von 1832. Aka— 
demiſcher Ruderklub. 

Königsberg: Ruderverein „Pruſſia“. Königs- 
berger Ruderklub. 

Leipzig: Ruderverein „Sturmvogel“. 

Lübecker Ruderklub. 

Mannheimer Ruderklub. 

Magdeburger Ruderklub „Germania“. 

MünchenerKuderklub (am „Starnbergerſee“). 

Schwerin: Ruderklub „Obotrit“. 

Stettiner Ruderklub. Ruderklub „Sport: 
Germania“. 

St. Petersburger Ruderverein. 

Tetſchen: Ruder⸗ u. Eislaufverein „Carolus“. 

Werdener Ruderklub. 

Wien: Ruderverein „Donauhort“. 


Firmen: 


Bootsbauerei: Engelbrecht, 

Kluge, Caerow. 

Max Derty, Hamburg. 

Reiherſtiegwerfte, Hamburg. 

Blohm & Voß, Hamburg. 

Wichmann & Co., Hamburg. 

Janſen & Söhne, Hamburg. 

Stulcken, v. Hacht, Hamburg. 

Tecklenborg, Bremen. 

Aktiengeſellſchaft „Weſer“, Bremen. 

Lürſſen, Vegeſack. 

Vulkan, Stettin. 

Stocks & Kolbe, Kiel. 

Krupps Germaniawerft, Kiel. 

Waap, Heikendorf. 

Howaldtwerke, Neumühlen. 

Rempka, Kiel. 

A. Rambeck, Starnberg b. München. 

P. a Münden, Rudfadboot „Del: 
phin“. 


Zeuthen. 


3. Shwimmiport. 
Literatur: 


Dr. Kart Wolff, Deffentlide Bade» und 
Schmwimmanftalten. 

Emil Rauſch, Trainingdes Schwimmen. 

Arelv. Altenftein, Der Schwimmifport. 

C. Lehmann, Die Schule des Waſſer⸗ 
ſpringens. 

Brendicke, Geſchichte der Schwimmkunſt. 

Fr. Guts-⸗Muts, Lehrbuch der Schwimm⸗ 
kunſt. [pflege”. 

Rich. Nordhauſen, „Sport und Körper: 

Der Schwimmfport, offizielles Organ des 
Deutſch. Shwimmverbandes. 

Kal. preuß. Ererzierreglement. 


XVIT, Liferafur, Sporivereine, Firmen. 


Zu Hbfdnitt VI. Die Jagd. 


Literatur: 
Allgemeines. 

€. E. Diezel, Erfahrungen auf dem Ge- 
biete ver Niederjagd. Berlin. 

Winckells Handbuch für Jäger. Brock⸗ 
haus⸗Leipzig. 

NR. v. Dombrowski, Lehr⸗ und Hand⸗ 
buch für Berufsjäger. Wien. 

F. C. Jeſter, Die kleine Jagd. 

D.v.Riefenthat, Das Weidwerk, Parey⸗ 
Berlin. 

H. v. Fürſt, Forft: und Jagdlerxikon, 
Parey:Berlin. 

D. Grashey, Praktifhes Handbuch für 
Jäger. Berlag für Naturkunde, Spröffer 
u. Nägele, Stuttgart. 

Schr. v. Thbüngen, Wild und Wald. 
Spamer:Leipzig. 

D. Horn, Handbuch des Jagdſports. Hart- 
leben-Wien. 

Graefer, Die Freude am Weidwerk. 

Laska, Das Weidwerk in Bosnien und 
der Herzegowina. 

DOberländer, Duer durch deutſche Jagd⸗ 
gründe. — Der Lehrprinz. 


Nonographien. 


Dombrowski, Das Auerwild. — Das 
Rotwild. — Die Pürſch auf Rot-, Dam⸗, 
Reh⸗, Gemswild. 

ne ‚ Das Rotwild. — Das Rebs 
wild. 

Hüttenvogel, Die Hüttenjagb mit bem 
u 


Bu. 
Schneider, Die Pürſch auf den Rehbock. 
Morgan, Der Fifhotter, Jagd u. Fangart. 
Cronau, Der Sagdfafan. 
Valentinitſch, Dad Haſelhuhn, Ge: 
fhichte und Jagd. 
Wurm, BalpHühnerjagd. 
Klog, Der Dachs. 
Dombromwmäti, Das Nebhuhn. — Die 
Waldſchnepfe. 


Fremdländiſches Weidwerk. 


Martenſon, 1. Jagdbilder aus Rußland. 
2. Wild und Jagd in den ruſſiſchen Oſt⸗ 
ſeeprovinzen. 

Oberländer, 1. Im Lande des braunen 
Bären. 2. Durch norwegiſcheJagdgründe. 
3. Eine Jagdfahrt nad Oſtafrita. 

Roofevelt, 1. Jägerfreuden. 2. Jagden 
in amerifanifcher Wildnis. 

Schillings, 1. Mit Bliglit und Büchſe. 
2. Der Zauber be3 Elelefcho. 

Wißmann, In den Wildniffen Afrikas 
und Afiens. 

Niedied, 1. Mit der Büchſe in 5 Welt- 
teilen. 2. Jagden im Beringmeer. 

Paaſche, Im Morgenlidt. 

Brandbi3, Deutide Jagd am Biltoria 
Nyanza. 

Bilden Jäger, Auf flüchtigem Jagdroß 
in Deutſchſudweſtafrika. 


Kynologifde Werke. 
Dberländer, Drefiur des Gebrauchs⸗ 


hundes. 

Heyewald, Hühnerhund auf Schweiß zu 
arbeiten. 

Oswald, Der Vorſtehhund. 

Krichler, Der Jagdhund. 

Bylandt, Hunderaſſen. 


Schießkunde, Waffenkunde. 


Wild-Queisner, Kunſt bed Schießens 
mit der Büchſe. 

Preuß, Lehrbuch des Flintenfchießens. 

Brandeis, Der Schuß. 

Deinert, Die Kunft bes Schießen mit 
der Schrotflinte. 

Koch, Jagdgewehre der Gegenwart. 


Schuß: und Hegezeiten. 

Grashey, Praktiſches Handbud für Jä⸗ 
ger (Stuttgart, Sprößer u. Nägele), An⸗ 
hang: 

Preußen, Bayern, Sachſen, Württemberg, 
Baden, Heſſen, Elfaß-tothringen, Medien: 
burg, Sadjen:Weimar, S.-Meiningen, 
S.sRKoburg, Oldenburg, Braunſchweig, 
Anhalt, Schwarzburg: Rubolftadt und 
Sonberhaufen. 


Jagdliche Zeitſchriften. 
„Wild und Hund“, Berlin, Parey. 
„Der deutſche Jäger“, München, Ed. Pohl. 
„Deutſche Jägerzeitung“, Neudanım-Berlin. 
Hubertus“, Cöthen i. Anhalt, Berlin. 
„Weidmannsheil“, Wien. 
— Forft: und Jagdzeitung“, 
en. 


Firmen: 
Jagdgewehre. 

eigleder, Berlin. 
teme & Shlegelmild, Suhl. 
ver & Sohn, Suhl. 
ſchner Collath, Frankfurt a. D. 
ttner, Köln. 
bammer, Münden. 
g 


i ? 

ller & Greiß, Münden. 
ieter, Münden. 

bert, Münden. 


Jagdgläſer. 
Buſch, Rathenow. 
Zeiß, Jena. 
Merz, München. 
Rodenſtock, München. 
Goerz, Berlin. 
Voigtländer, Braunſchweig. 


Jagdſportanzüge. 
Adelbert Schmidt, Münden. 
Lodenfabrik Frey, München. 
Sackreuter, Frankfurt a. M. 


Präparatoren. 


—A 
m rg V o er 


Bod, Berlin. 
Nu 


Bbaumer, Münden. 


XVII, Literafur, Sporfvereine, Firmen. 


Zu Abfdnitt VII. Der Angel- 
Iport. 


Literatur: 
Büder. 
Biſchoff, W. Anleitung zur Angelfifcherei, 
2. Aufl., Münden 1888. 
Borne, M. v. dem, Tafhenbud der 
Angelfifherei, 4. Aufl., Berlin 1904. 
Heing, Lr. K., Der Angeljport im Süß— 
wafjer, Münden 1908. 

Robida, Dr. %., Ber Huden und jein 
Fang mit der Angel, Laibach 1902. 

Schubert, Arth., Die Forelle und ihr 
Fang, Berlin 1908. 

Weſſenberg, P., Der Angeliport, Wien 
1902. 

TheBookoftheAll.RoundAngler 
by John Bickerdyke, London 1900. 

Dry-Fly Fishing by J.M. Halford, 
London, 

Pike & Coarse Fishing, Badming- 
ton Library, London. 

Salmon & TroutFishing, Badming- 
ton Library, London. 
A Book of Angling, 

Francis, London, 
Angling & how to angle, by Bur- 
gess, revidiert von R. B. Marston, Editor 
of „The Fishing Gazette“, London 1898. 
Albert Petit, La Truite de Rivicre, 
Paris 1897, 


Zeitſchriften. 

„Allgemeine Fiſchereizeitung“, München. Or⸗ 
gan des Deutſchen Fiſchereivereines u. der 
nachgenannten Landesfiſchereivereine ꝛc., 
ſowie der Kgl. Bayr. Biolog. Verſuchs⸗ 
ftation für Fiſcherei. 

„Deutſche Anglerzeitung”, Berlin. 
des Deutſchen Anglerbundes. 

„Deutſche Fifchereiforrefpondenz”, Köln. 

„Oeſterreichiſche Fifchereizeitung”, Wien. 
Drgan ber k. k. Fiſchereigeſellſchaft. 

„The Fishing Gazette“, Ed. by R. B. 
Marston, London. 

„The Field“, The Country Gentlemans 
Newspaper, London. 

„Dansk Fiskeritidende*, Kopenhagen. 

„L’Aquicoltura Lombarda“, Mailand, 

„Le Pecheur*, Paris. 

„Le P£cheur frangais*, Lyon. 

„Schweizeriſche Fiſchereizeitung“, Zürich. 


Bereine: 


„Deutſcher Fiſchereiverein“, Berlin. 

„Deutſcher Anglerbund“, Berlin. 

„K. k. öſterreich. Fiſchereigeſellſchaft“, Wien. 

„Bayriſcher Landesfiſchereiverein“, München, 
mit 8 Kreisvereinen, Sig in den Kreis⸗ 
bauptftädten. 


by Franeis 


Drgan 


Zandesfijchereivereine für Sachſen, Württem: | 


berg, Baden, Hefjen, Braunfchweig. 
„Fiſchereiverein für Elfaß:Lothringen”. 
„Der Württembergiiche Anglerverein”. 
Der Sportfifchereiverein der „Geſplißten“ 
in Münden 2c. ꝛc. 


Außerdem eine große Anzahl von PBrovinzs, 
Kreis⸗- und ftädtifchen Fifchereivereinen, die 
zur Hebung der Fiſchzucht, fpeziell aber der 
Teihwirtihaft gegründet find. 


Firmen: 
(insbefondere Gerten). 


Hildebrands Nadhfolger, Jakob 
ieland, Münden, Dttoftraße. 

%. Sartoriud & Söhne, Göttingen. 

C. Plawiſch, Wien VIII2, Kirchengaſſe 46. 

S. Allcod & Co., Redditſch, England. 

AU. Carter & Co., 371 Et. John-Str., 
London. 

C. Farlow & Co., 191 Strand, London. 

Fofter Broths, Ajhburne, Derbyihire, 
England. 

Hardy Broth3, Alnwid, England. 

G. Little & Co., 63 Haymerket, London. 


Wiedervertäufer (Barenlager): 


C. B. Merrems Nachfolger, BerlinW, 
Paſſage 21a. 

H. Stork, Münden, Reſidenzſtr. 16. 

F. Ziegenſpeck, BerlinSW,Küraffierftr.3. 


Zu Abſchnitt VIII. Automobil- 
und Motorradfport. 


Literatur: 
Büder. 

W. Schuricht, Das Diotorrad und feine 
Behandlung. 

Ftlius, Das Handbuch des Motorfahrerg, 
160 Seiten mit vielen Abbildungen. 

W. Vogel, Das Motorrad u. f. Behandlung. 

Max R. Zechlin, Der Automobilſport, 
Charlottenburg. 

Ernſt Neuberg, Jahrbuch d. Automobil⸗ 
und Motoreninduſtrie, im Auftrage des 
Kaiſerlichen Automobilklubs. 

Walter Iſendahl, Automobil u. Auto⸗ 
mobiliport. 

Mar R. Zedlin, Vorſchriften für bie 
Kraftwagenführer, Charlottenburg. 

Mar R. Zedlin, Automobilkritik. 

W. Bogel, Der Motorwagen und feine 
Behandlung. 

W. Pfigner, Der Automobilmotor und 
feine Konftruftion. Herausgegeben von 
R. Urtel. 

Müller, DerAutomobilzug(Train⸗Renard). 

WalterIſendahl, Auto⸗Taſchenkalender 
1907/08. 

B. v. Lengerfeu. R. Schmidt, Auto- 
mobil⸗A⸗B⸗C. 
W. Romeiſer, 

Frankfurt a. M. 

Joſef Löwy, Die elektriſche Zündung bei 
Automobilen u. Motorfahrrädern, Wien. 

MaxBuch, Automobil-Steuerungs-, Brems- 
und Kontrollvorrichtungen, Conventry. 

Joſef Löwy, Das Elektromobil u. ſeine 
Behandlung. 

W. Schuricht, Das Motorrad und ſeine 
Behandlung. 


Automobilkaroſſerien, 


XVII. Niterafur, Sporfvoereine, Firmen. 


8. v. Lengerfe, Automobilrennen und 
Mettbewerbe, Düffelporf. 


Zeitſchriften. 
„Allgemeine Automobilzeitung“ Berlin. 
„Automobils®elt” Berlin. 
„Ber Motor” Friedenau. 
„Das Automobil” Straßburg. 
„Das Fahrzeug” Eiſenach. 
„Sporthumor” Berlin. 
„Das Stahlrab und Automobil” Leipzig. 
„Deutihe Rad: und SKraftfahrerzeitung” 
„Santt Georg” Berlin. ., [Berlin. 
„Sport im Bild“ Berlin. 


- „geitichrift des Mitteleuropäifchen Motors 


wagenvereins“ Berlin. 
„Der Motorfahrer” Berlin, 
„Ber Motorwagen” Berlin. 
„Der Kraftwagen” Berlin. 


Vereine für Automobilfport: 


Die mit * verfehenen Vereine gehören bem 
Deutſchen Automobilverband an. 


Aachen. *Weſtdeutſcher Automobiltlub. 
Berlin. Deutſcher Automobilverband, 
Berlin. *Raiferlider Automobilflub. 
Berlin. *Mitteleurop. Motormagenverein. 
Berlin. Offiz.Selbftfahrerver. d. Verkehrstr. 
Breslau. *Schlefifder Automobilflub. 
Düfjeldorf. *Rhein.-Weftfäl.Automobilflub. 
Eifenad. *Mitteldeutfher Automobilflub. 
Hamburg. *Norddeutſcher Automobilklub. 
Hannover. *Hannoverſcher Automobilklub. 
Hannover. Hannover. Motormagenverein. 
KRarlarube i. B. Badiſcher Automobilklub. 
Königsberg i. Pr. Oſtdeutſch. Automobilklub. 
Liegnitz. Niederſchleſiſcher Automobilklub. 
Mannhein. *Rheiniſcher Automobilklub. 
Münden. *Bayeriſcher Automobilklub. 
München. Bayeriſcher Motorwagenverein. 
Osnabrück. Hannov.-Weſtf. Automobilklub. 
Straßburg. *Automobilklub v. Elſ.⸗Lothr. 
Stuttgart. *Württemberg. Automobilklub. 
Zwickau. *Sächſ.⸗Thür. Automobilklub. 


Bereine für Automobil- und Fahrrad⸗ 
induſtrie: 


Automobiltechniſche Geſellſchaft. 

Klub internat. Kraftwagenführer. 

Berlin. Sinternationaler Chauffeurverein. 

Berlin. Schutlartell der Pnreufahrer. 

Berlin. Verein Berliner Fahrrad⸗ u. Krafts 
fahrzeughändler. 

Berlin. Verein deutſcher Motorfahrzeug⸗ 
induftrieller. 

Dresden. Verband ſächſiſcher Fahrrad: u. 
Motorfahrzeugbändler. 

Eſchweiler. Rhein. Fahrrabhändlerverband. 

Frankfurt a. M. Vereinigung beutfcher 
Wagenfabriten. 

Hanau. Verband deutſcher Fahrrad⸗ und 
Motorfahrzeughändler. 


Bereine für Motorradſport: 
Die mit * verſehenen Vereine find Orts⸗ 
gruppen ber Deutfhen Motorrapfahrer- 

vereinigung in München. 


Berlin. 
Berlin. 


U — 


Braunſchweig. *Verein Braunſchw. Motor- 
rabfabrer. 

Breslau. *Motorradbfahrerverein, Bres⸗ 
lau 1903. 

Münden. *Deutide Motorrabfahrerver- 
einigung. Zentrale. 

Münden. Verband zur Wahrung d. Inter: 
efien bayer. Rabs und Motorradfahrer. 


Bezugsquellen: 


Die Automobile werben Heute in zwei 
große Kategorien eingeteilt. Man unters 
ſcheidet hauptſächlich zwiſchen „Lleinen“ 
Kraftfahrzeugen, ſogenannten Klein-Autos 
und großen Wagen. Die Begrenzung iſt 
feine genau feftgeftelte. Jedoch gibt es 
eine größere Anzahl von Firmen, welde 
ihre Fabrikate ald Klein-Autos bezeichnen, 
und andere, welde nur große Wagen her⸗ 
ftelen und anbieten. Nachdem im Jahre 
1906 bie Berfteuerung der Automobile nad) 
verſchiedenen Steuertlafjen eingeteilt wurde, 
zählt man zu ber erjten Kategorie ber 
Klein-Auto8 diejenigen, die bis 10 Pferde: 
ftärten nach der Steuerberehnung haben. 
Die Beitenerung der Automobile erfolgt in 
Deutihland nad) folgenden Sägen, und hat 
fih hiernach die Fabrikation in den legten 
Jaͤhren weſentlich eingerichtet, indem man 
die Motore vielfah jo baut, daß bie höchſt 
zuläffige Motorſtärke in ber betr. Steuer- 
klaſſe eben erreicht, aber nicht überſchritten 
wird. 


Die jährlihe Steuer beträgt bis zu 
6 Pferdeitärten 25 M. Grundgebühr zu⸗ 
züglih 2 M. pro PS. 


bis 10 Pferdeftärten 50 M. Grundgebühr 


zuzüglid 3 M. pro PS. 

bis 25 Pferbeftärlen 100 M. Grundgebühr 
zuzüglid 5 M. pro PS. 

über 25 Pferbeftärten 150 M. Grundgebühr 
zuzüglid 10 M. pro PS. 

Kraftfahrräber ohne Seitens ober Anhänge⸗ 
wagen Marl 10. 

Kraftfabrräder mit Seiten ober Anhänge- 
wagen werben als Klein-AutoS ange⸗ 
fehen und verfteuert. 


1. Bezugsquellen für Klein- 
Auto. 


Wortzeiden: 

Adler, Adlerwerke vorm. Heinrich Kleyer, 
Frankfurt a. M. 

Benz, Benz & Cie., Mannheim. 

Brennabor:Werte, Brandenburg a. 9. 

Cito⸗Fahrradwerke, Köln-Klettenberg. 

Torona⸗Fahrradwerke, Brandenburg a. H. 

Dürkopp, Bielefelder Maſchinenfabrik vorm. 
Dürkopp & Co., Bielefelb. 

Fahrzeugfabrik Eifenad in Eiſenach. 


Hanfa, Hanja Automobil⸗Geſ. Varel in 
[denburg. 

F. Komnid, Automobilfabrit, Elbing in 
Reftpreußen. 


2oreley, Rudolf Ley, Arnſtadt in Th. 
Markranftädter Automobil-Fabril, Hugo 
Ruppe, Markranftäbt 5. Leipzig. 


L.. 


XVII. Niteratur, Sportvereine, Firmen. 


Maurer, Nürnberger Motorfahrzeugfabrit 
Union, Nürnberg. 

Mars:Werfe, A.:G., Nürnberg-Doos. 

Nedarfulmer FZahrradmwerte in Nedarfulm. 

Oryx, Berliner Motormwagen = Fabrit in 
Neinidenborf b. Berlin. 

Piccolo, Ruppe & Sohn, Apolda. 

—5—— —— Muſikwerke, Wahren 

.Leipzi 


pzig. 
Rex-Simplex, Hering & Richard, Ronne⸗ 
burg i. Altenburg. 
Siemens - Schudert, Siemens . Schudert- 
Werke, Nonnendamm b. Berlin. 
Stoewer, Gebr. Stoewer, Stettin. 
Viltoria, Biltoria- Werte, A.“G., Nürnberg. 


2. Bezugsquellen für große 
Bagen. 


Adlerwerke, vorm. Heinrich Kleyer, Frank⸗ 
furt a. M. 
u + & Cie., Gasmotoren-Fabrik, Mann⸗ 


m. 

Beckmann & Co., Breslau. 

Cito⸗-Werke, A.⸗Geſ., Köln⸗Klettenberg. 

Daimler Motoren: Geſellſchaft, Stuttgart⸗ 
Untertürkheim. 

Friedrich Erdmann, Motorwagen-Fabrik, 
Gera (Reuß). 

ee ee Eiſenach, Eiſenach. 
anfa Automobil-Geſ., Varel (Oldenburg). 

A. Horch & Co., Motorwagen-Werke, 
A.G., Zwickau i. ©. [Weſtpr. 

F. Komnick, Automobilfabrik, Elbing in 

Norddeutſche Automobil- und Motoren 
A.⸗G., Bremen-Haſtedt. 

Nade, Automobilfabrik, Coswig i. ©. 

Neue Automobil:Gefellfchaft, Döerfdöne- 
weide bei Berlin. 

Nedarfulmer Fahrradwerke, Nedarjulm. 

Adam Opel, Rüfſelsheim a. M. 

Richard & Hering, Automobilwerk A.-G., 
Ronneburg ©. M. 

Siemens - Schudert- Werfe, G. m. b. 9., 
Automobilmwert, Nonnendamm b. Berlin. 

Süddeutſche Automobilfabrit, &.m.b. H., 
Gaggenau (Baden). 

Gebr. Stoewer, Stettin. 

Gebr. Windhoff, Motoren- und Fahrzeug: 
Fabrik, &. m. b. H., Rheine i. ®. 


8. Eleltromobile. 


Norddeutſche Automobils und Motoren, 
A.⸗G., Bremen-Haſtedt. 

Neue Automobil-Geſellſchaft, Oberſchöne⸗ 
weide b. Berlin. 

Siemens - Schudert - Werte, ©. m. 6. H., 
Nonnendamm 5. Berlin. 

Daimler: Motoren-Gefellfhaft, Stuttgart⸗ 
Untertürtheim. 


4. Motorräder. 


Adlerwerke, vorm. Heinrich Kleyer, Frank⸗ 
furt a. M. 
Bielefelder Mafchinenfabrit, vorm. Dür: 


topp & Co., Bielefeld. 
Brennabor⸗Werke, Brandenburg a. 9. 
Corona-®erte R wen 
Excelfiors®erte n — 


Köln-Lindenthaler Metallwerke, Kölns 
Lindenthal. 

Laurin & Klement, A.⸗G., Jungbunzlau. 

Phänomen Fahrradwerke, Zittau i. ©. 

MarssWerte, Doos bei Nürnberg, 

Motoren » Fabrit Magnet, Weißenfee bei 
Berlin. 

Nedarfulmer Fahrradwerke, Nedarfulm. 

Progrefmotoren= und ApparatebausGef., 
Charlottenburg. 

Johann Puh, A.:G. Gras. 

Adam Dpel, Rüffelfeim a. M. 

Vittorias®erle, Nürnberg. 

Wanderer⸗Werke, Chemnitz. 


Zu Abſchnitt IX. Radfahrfport. 
Literatur: 


Büder. 


Das Radfahren und feine Hygiene von 

Prof. Dr. med. Sciefferdeder 
Handbuch des gefamten Radfahrweſens von 

Richard Koehlid. 

Die Zahl der fpez. Radfahrbücher vom 
fportliden, tehnifhen, ärztliden Stand- 
punkte ift Legion, ebenfo diejenige ber 
Tourenbücdher. Ein halbwegs erfchöpfen- 
des PVerzeihnis mwirde den ganzen dem 
„Radfport“ in diefem Buche gemährten 
Raum überſchreiten; der Lefer tut daher 
gut, feine Wahl nah dem Verzeichnis eines 
E pezialverlages für NRabfahrliteratur zu 
treffen. 

Die oben genannten beiden Bücher ent⸗ 
halten alles Wiflendwerte, das erfte in 
ausführlicher, das zweite in fompenbiöfer 
Form. 


Zeitſchriften. 


Außer den unten genannten Organen 
der Radfahrerverbände: 


Radwelt, Berlin, täglich (namentlich für 
Rennweſen). 

Die übrigen namhaften deutſchen Fach⸗ 
blätter ſind entweder amtliche Organe von 
Unterverbänden (Gauen) oder vertreten 
die tehnifchen und fommerziellen Intereſſen 
ber Fabritanten und Händler. 


Karten. 


Deutſche Straßenprofillarte von Mittelbach, 
Kötfchenbroda; 1: 300 000. 

Spezial-Radfahrkarte von Liebenow-Raven- 
ftein ; 1: 300 000. 

Dr. Vogels Karte des Deutfhen Reiches, 
Verlag Perthes, Gotha; 1: 800 000. 
Krauß’ Karte von Mitteleuropa, Bibl. In⸗ 

ftitut, Leipzig, 1:850 000 (für Mitglieder 

des Dtſch. Radf.-Bundes gratis!) 
Topographifche Ueberfichtsfarte des Deut- 

ſchen Reiches; 1: 200000. 
Generalftabsfarte ; 1: 100000. 

Ferner bie Kartenbeilagen ber zahlreichen 
Reifeführer und Tourenbücher wie Bäbdeler, 
Meyer ıc. 


XVII. Xtferafur, Sportvereine, Firmen. 


Die beventendften Rabfahrerverbänbe: 
1. Sn Deutfdland. 


Deutfher Radfahrerbund, Sig Eſſen a.R.; 
ca. 46000 Mitglieder, amtl. Organ: 
Deutfhe Rad⸗ und Krafıfahrerzeitung 
(wöchentlich). 

Allgemeine Radf.-Union, Sig Straßburg, 
13000 Mitglieder, amtl. Organ: Der 
Radtouriſt und Automobilift, Mannheim. 

Münchener Touringklub, 3—4000 Mitglie⸗ 
der, amtl. Organ: Der Rabwanderer 
(monatlich). 

Verband zur Wahrung ber Intereſſen ber 
bayr. Rad⸗ und Motorfahrer, München, 
Berbandszeitung (monatlich). 


3. Im Auslande. 
Touring Club de France. 
Cyelists Touring Club, 
Touring Club Italiano. 


Empfehlenswerte Fahrrad⸗ und 
a ehörieifefabriten : 


1. Fahrräder, 


Adler⸗Fahrradwerke, Frankfurt a M. 
Bielefelder Mafchinen- u. Fahrradwerke. 
Bielefelder Nähmafchinen= u. Fahrradfabrik, 
vorm. N. Dürkopp. [a. H. 
Brennabor = Yahrradwerte, Brandenburg 
Cito⸗Fahrradwerke, Köln-Klettenberg. 
Corona=Fahrradwerle u. Metallindbuftrie, 
Brandenburg a. 9. 
D EMONE SODELNEIL, Chemnitz⸗Reichen⸗ 
rand. 
Excelſior⸗Fahrradwerke, Brandenburg a. H. 
Expreß⸗Fahrradwerke, Neumartt. 
Fahrzeugfabritk Eiſenach. 
Germania-Fahrradwerke Dresden. 
Köln-Lindenthaler Metallwerke. 
Mars⸗Fahrradwerke, A.⸗G., Nürnberg. 
Maſchinenfabrit Gritzner, Durlach. 
Tune Fahrradiwerte, A.⸗G., Nedar- 


ulm. 
Adam Opel, Rüffeldheim a. M. 
Panther-Fahrradwerte, Braunfchweig. 
Pfeil-Fahrradmwerte, Mühlhaufen i. Thür. 
Phänomen-Fahrradwerke, Zittau i. Sa, 
Premier-Fahrradmerfe, Nürnberg -Doo8. 
Preito-Fahrradmwerte, Chemnig. 
Stoewer-Fahrradmerfe, Stettin. 
Triumph Fahrradmwerfe, Nürnberg. 
Victoria: Fahrradwerke, Nürnberg. 
Wanderer-Fahrrabmwerte, 
Chemnig-Schönau. 


2. Pneumatiks. 


Continental Caouthouc= u. Guttapercha⸗ 
Co., Hannover. 

Dunlop: Pneumatif-Tyre-Co., Hanau a. M. 

Vereinigte Berlin = Frankfurter - Gummi: 
fabrifen, A.⸗“G., Gelnhaufen, 

Vereinigte Gummifabriten Harburg-Wien, 
A.:G., Harburg a. Elbe. 


8. Freilauf-Naben. 


Schweinfurter Präzifiond-Rugellagerfabrit, 
Fichtel u. Sachs, Schweinfurt („Tor- 
pedo"-Nabe). 





Bon deutfchen Fabriken fabrizieren noch 
Freilaufnaben: bie Dürtoppmwerte in Biele⸗ 
feld („Atla8"Nabe), die Neckarſulmer Fahr⸗ 
radwerke (N.S.U.:Nabe) und A. Gott- 
ſchalk⸗Dresden („Rotax“-Nabe). Weltruf 
genießen neben der deutſchen F. u. ©. 
(Fichtel u. Sachs) oder „Torpedo“⸗Nabe, 
die amerikaniſche Morrow⸗- und die New 
Departure-Nabe; doch iſt die wirkſame 
Bremsfläche bei dem deutſchen Fabrikat 
viel größer als bei den letztgenannten. 


Zu Abſchnitt X. Symnaftifche 
Sporte. 


1. Turnfport. 
Literatur: 


Rühl, Dr., Hugo, Entwicklungsgeſchichte 
des Turnend, Leipzig 1908. 

Derfelbe, Handbuch der deuten Turners 

fhaft, Leipzig 1908. 

Schmidt, Dr, F. A., Bhyfiologie der 
Xeibesübungen, Zeipzig 1906. 

v. Altenftein, Axel, Ber Turnſport, 
Leipzig 1902. 

Nordhaufen, Sport und Körperpflege, 
Zeipzig 1908. 

Gaſch, Dr., R., Jahrbud der Turntunft, 
Leipzig 1908. 

Törngren, L. M., Lebrbud der ſchwe⸗ 
diſchen Gymnaſtik, Eßlingen 1908. 


Die wicdtigften Turnverbände: 
Deutfhland. 


Deutfhe Turnerihaft, derzeitiger Verwal⸗ 
tungsfig Leipzig, 7787 Vereine. 

Vertreter-Konvent (B.C.) alabemifcher 
Turnvereine, 48 Vereine. 

Alademifher Turnerbund (A.T.B.), 88 
Vereine. 

Deuter Turnerbund, Verwaltungsfitz 
Bien (beſteht aus öſterreichiſchen und 
deutſchen Turnvereinen), 172 Vereine. 

Arbeiterturnerbund, Berwaltungsfigteipzig, 

1236 ®ereine. 

Jüdiſche Turnerſchaft, 16 Vereine. 


Ausland. 


Belgiſcher Turnerbund, derzeitiger Verwal⸗ 
tungsfig Antwerpen, 209 Vereine. 
Dänifher Turnerbund, derzeitiger Verwal⸗ 
tungafig Kopenhagen, 28 Vereine. 
National Physical Recreation Society, 
Berwaltungsjig London, 80 große Turns 
anftalten. 

Union des Societes de gymnastique de 
France, derzeitiger Berwaltungsfig Bors 
deaug, 1015 Vereine. 

Nederlandsch Gymnastiek-Yerbond, vers 
zeitigerBerwaltungsfig Haag, 227Bereine. 

Federazione gimnastica nazionale, Vor- 
ort Rom, 192 Vereine. 

Union des Societes Luxembourgeoises 

de Gymnastique, Luxemburgiſcher Turs 

nerbund, derzeitiger Bermaltungsfig 

Zuremburg«G&laufen, 30 Bereine. 


XVII. Riferafur, Sporkvereine, Firmen. 


Det norske Turn-og Gymnastic-F'orbund, 
Norwegifher Turmerbund, derzeitiger 
Verwaltungsfig Bergen, 1235 Vereine. 
Turnkreis Deutich- Defterreih KKreis XV 
der deutſchen Turnerihaft), Vorort Wien, 
699 Bereine. [D eutidhland. 
Deutfher Turnerbund, ſiehe oben unter 
Bund der Bereine Ungarns für Leibes- 
übungen, PVermwaltungsfig Sandor, 55 
Vereine. 3 
Cesca Obee Sokolska, Verband ber tiche- 
chiſchen Sofolvereine in Böhmen, Ver—⸗ 
mwaltung2fig Prag, 680 Vereine. 
Mährifh-Schlefiiher Gauverband der Gos 
told, Berwaltungsfig Prag, 185 Bereine. 
Schweden: 85 Bereine fir Turnen und 
Fechten. Der bedeutenpfte ift die „Gym- 
nastikforening* in Stodholm. 
| Schweizer-Eidgenöffifher Turnverein, Vers 
waltungsfig Bern, 702 Seftionen. 
Nordamerikaniſcher Turnerbund, Vorort 
Indianopolis, 238 Vereine. 


2. Athletit. 


Literatur: 


Angerftlein, Dr. E., Geſchichte ber Leibes— 
übungen in den Grundzügen, Wien 1905. 
Jahrbuch für Volks- und Jugendſpiele, 
17. Jahrgang, Leipzig 1908. 
Die olympiſchen Spiele, 776 v. Chr. bis 
1896 n. Chr., Athen 1896/97. 
Furtwängler, Ab., Die Bedeutung ber 
Gymnaſtik in der griechiſchen Kunft, 
Leipzig 1906. (Münden 1908. 
Stolz, A., Kraftiport:Sahrbud, illuſtr., 
Runge, Johs., Leichtathletil. Training, 
Tehnil und Taktik des Laufen? und 
Springen3, Leipzig 1908. 
Sandomw, Eugen, Kraft und wie man fie 
erlangt, 1. deutfche Ausg., Berlin 1906. 
Sandows Leihtgewichtäfyften, Uebungs⸗ 
tafeln mit 12 tägl. Hantelübungen ꝛ⁊c., 
Leipzig 1906. 
Schmidt, Dr. F. A., Bhyfiologie der 
Zeibesilbungen, Leipzig 1906. 
Siebert, Th., Der Kraftiport, 2. Aufl. 
- ——— der Athletik, Leipzig 
Silberer, V., Handbuch der Athletik 
nebft einer Anleit. 3. Boxen, Wien 1899. 
Stolz, N u. Eh. Endres, Die moderne 
Ringtampflunft, Münden 1909. 
Widenbagen, H., Antite und moderne 
Gymnaſtik. Bergleih. Betrachtungen u. 
Vorſchläge, Wien 1891. 
Hancod, 9. 3, Dſchiu⸗Dſchitſu, die 
 _ Quelle japan. Kraft, Stuttgart 1906. 
Zadig, Dr. G., D. Ringtampf, Leipzig 1907. 
Illuſtrierte Sportzeitung für Athletik, Gym⸗ 
naſtik und Verwandtes. München, 
A. Stolz u. Co. 


Bereine: 
Die dentſche Sportbehörde für Athletik 


Vorſtand: Karl Diem, 1. Vorfigenber, 
Berlin. Friebr. Burger, ftellv. Vorfigender, 


Berlin. Sobannes Scharfe, ftelv. Bor: 
figender, Xeipzig. Ref. P. EC. Mebltopf, 
ftelv. Vorfigender, Duisburg. Martin 
Berner, Schriftführer, Berlin. Adolf Meyer, 
Sportwart, Berlin. Joh. Kraufe, Kaſſierer, 
Berlin. 

Gefhäftsftelle: Berlin NW. 40, 
Hinderfinftr. 14, Telepbon Amt III, 231. 

Ausſchuß: H. Zahau, Hamburg, 
P. Koreg, Hamburg, A. Wamſer, Frant- 
furt a. M., 9. Duntze, Frankfurt a. M., 
P. Albredt, Halle, K. Heidenreich, Dresden, 
Runge, Braunſchweig, Ref. Dr. O. Haaſe, 
Bonn a. Rh., P. Aßmus, Marienburg 
i. Weſtpr., J. Keyl, Münden, Alex. Gläſer, 
Stuttgart, Karl Markus. Dortmund. 

Das Verzeichniß aller der Deutſchen Sport: 
behörde für Athletik angehörenden Ber: 
bände und Vereine ift bei der Gefchäftgftelle 
ber D. S.⸗B. f. X. zu beziehen. 


Firmen: 
Johann Deininger, Münden, Wein- 
fir. 14. Athletenkleidung. 
Georg Thieme & Eo., Keipzig-A., Mar: 
tinftr. 24. Turn⸗ u. Athletengeräte. 
Wilhelm Heyden & Co., Köln⸗Linden⸗ 
tal a. Rh. Athletengeräte (Eijen). 

Hermann Fechner, Dresven-Tradau. 
Athletens u. Turngeräte. 

Rudolf Haaſe, Berlin NO. 18, Frank⸗ 
furter Str. 48. Athleten u. Turngeräte. 

Franz Domke, Leipzig d., Cichorius- 
ftr. 7. Athletit-Sportartitel. i 

Spezialfporthbaus A. Steidel, BerlinC.22, 
Rofentalerjtr.84/35. Bekleidung u.Geräte. 

Sorgeu. Sabed, Berlin W. 66, Mauer 
fir. 86/88. Sportartitel. 

DB. Hartung, Eifengießerei, Sulzbach⸗ 
Saar. Hanteln u. Stemmgeräte. 

9. Herre3, Hagen i. ®., Stemmgeräte. 


3. Sedten. 
Literatur: 


Hiebfechtſchule, Deutfche, Leipzig, Weber. 

Kubfahl, ©, Der Fechtſport, Leipzig, 
Grethlein u. Co. 

Meyer, A., Neue Schule des fomment: 
mäßigen akademiſchen Schlägerfechtens, 
Reipzig, Roßberg. 

Roux, P., Das Säbelfehten, Jena, Pohle. 

Schmied-Kowarzik-Kuhfahl, Fecht⸗ 
büchlein, Leipzig, Reclam. 

Seſtini, Das Fechten mit dem Florett 
und dem Säbel, Berlin, Ißleib. 

Stoßfechtſchule, Deutſche, Leipzig, Weber. 

Serel ell, Die Fechtkunſt, Wien, Hart- 


eben. 

Hergfell, Die Fechtkunſt im XV. und 
XVI. Sabrhundert, Prag, Selbftverlag. 

Hergſell, Unterridt im Säbelfechten, 
Wien, Hartleben. 

Rüſtov, Moderne Fechtkunſt, Prag, Calve. 

Varbaſetti, Säbelfechten, Wien. 

Barbaſetti, Stoßfechten, Wien. 

Henke, Fechtkunſt, Wien. 

Broſch, Das Stoßfechten italieniſcher 
Schule, Wien, Seidel. 


XVII. Wiferafur, Sporfvereine, Firmen. 


Zu Ablſchnitt XI. Sport- und 
Rafenfpiele. 


Literatur: 


a) Sammelwerke. 


Kurt v. Eberbadh, „Rajenfpiele”. 
& Bände aus ber Bibliothek für Sport u. 
Spiel. Leipzig bei Grethlein & Co. 

Ph Heineden, „Sportfpiele i. Freien“ 
3 Bände. 

„Sport u. Körperpflege“, heraus: 
gegeben von R, Norbhaufen. 


b) Polo. 

Hasberg, H., jun., Polo. 

Sames %illis, Breaking and Riding. 
N. v. Altenftein, Der Schwimmiport. 


Regeln für Radfahrpolo, herausgegeben 
von U. Steinberg. 


c) Golf. 

R. Clark, „Golf“ a Royaland ancient 
game. 

D. Scott Duncan, The Golf An- 
nual. London. 

9. ©. Evards, Golf in Theory and 
Practice. London. 


ad) Fußball. 


Alcod, Affoziation Fußball. 

Scheibert, Heer und Eport. 

Edw. Ullrid, Spielregeln des Rugby- 
Fußballſpiels 1905—06. 


e) Tennis. 


Louis Benele, Lawn:Tennis. 


N. v. Fichard, Handbuch des Lawn⸗ 
Tennisſpieles. 


R. v. Fichard, Die Spielregeln von 
Lawn⸗Tennis in ſyſtematiſcher Bearbeitung, 
Tennis, Lawn-Tennis, Racquets and Fi- 
ves. (Badminton library.) 

James Dwigbt, Lawn-Tennis. 

P. A. Vaile, Lawn⸗Tennis von heute. 

N) Kricket. 


Kricketregeln, angenommen vom Ver⸗ 
band deutſcher Ballſpielvereine. 


8) Hoden. 


The Encyelopaedia of Sport. London. 
Scheibert, Der Winterjport. 


h) Krocket. 


Die Krodetregeln, autor. Weberfesung 
ber engliſchen Affoziation-Regeln. 


1) Ballſpiele. 

Schnell, Handbuch der Ballſpiele. 
k) Zeitſchriften. 

Sport im Bild, St. Georg, Woche. 
I) Epielregeln. 


Spielregeln dv. techniſchen Aus- 
ſchuſſes. Weftentafgenformat. Seft 1. 


auftball, Raffball. 


5. Aufl. — Heft 2. 
infacher 


ußball (ohne Aufnehmen). 8. 
Aufl. — Heft 3. Schlagball (ohne Ein⸗ 
fhenter). 6. Aufl. — Heft 4. Schleuber: 
ball. Barlauf. 5. Aufl. — Heft 5. Schlag: 
ball (mit Einfchenter). 4. Aufl. — Heft 6. 
Tamburinball. 4. Aufl. — Heft 7. Schlag: 
ball mit Freiftätten. 8. Aufl. — Heft 8. 
Grenzball, Stoßball, Feldball. 3. Aufl. — 
Heft 9. Fußball (mit Aufnehmen). 3. Aufl. 


girmen: 


A. Steidel, Berlin C 22. 

9. Münzinger, Münden, Marienplag, 
Requifiten filr alle Ballfpiele. 

Wtegler, Münden, Kaufingerfiraße 
(wie vor.) 

Paul Zintl, Münden, Refidenzfiraße 
(Tenniß). 


Zu Abfdnitt XI. Luftfport. 


Ziteratur. 


Sinternationaler Luftfhifferverband J. L. V. 
(Federation aéronautique Internatio- 
nale F.A.I.) Sagungen u. Reglements 
aus dem Franzöfiihen, übertragen von 
Zeutnantv.Selafinstyu.Dr. Stade. 
Mit Nachtrag: Reglement für d. Gorbon- 
Bennett-Preis. Straßburg und Berlin, 
8. 3. Trübner, 1908. 


Hermann ®. 2. Moebebed, Taſchen⸗ 
buch für Flugtechniker und Luftſchiffer. 
Unter Mitarbeit hervorragender Fach⸗ 
männer. Berlin 1906, W. H. Kühl. 

v. Tſchudi, Hauptmann, Inſiruktion für 
den Ballonführer. Verlag: Hofbuch⸗ 
händler Radetzki, Berlin. 2. Auflage 
bearbeitet von einer Rommiffion des 
Deutſchen Luftfhiffer-Verbandes. 1908. 


Slluftrierte Aeronautiſche Mit. 
teilungen, Deutiche Se are für 
Luftſchiffahrt. Organ bes Deutfchen Luft- 
ſchiffer⸗ Verbandes. Begründetu. heraus: 
gegeben von 9. W. 2. Moebebed, Oberfts 
leumant 3.D., Chef-Rebalteur Dr. Elias. 
Verlag Braunbed u. Gutenberg, A.⸗G., 
Berlin W. 86. 


Die Luftflotte. Offizielles Organ bes 
Deutfhen Luftflotten » Bereind. Unter 
Zeitung von 9. W. 2. Moebebed, Oberſi⸗ 
leutnant 3. D., berauögegeben vom 
Deutſchen Luftflotten» Verein. Verlag 
Braunbed u. Gutenberg, A.G., Ber: 
lin W. 36, 


9. W. 2. Moedebeck, Fliegende Men- 
ſchen. 1909. Berlin W. 57. erlag von 
Dtto Salle. 


R. Nimführ, Die Luftfhiffahrt, ihre 
wifſenſchaftlichen Grundlagen und tech: 
nifde Entwidlung. Leipzig 1909. Ber: 
lag. ©. Teubner. 

Dr. Brödelmann, 


Wir Lu iffer. 
Die Entwidlung ver — 


modernen Luft- 


1 


1 


XVII, Xileratur, Sportvereine, Firmen. 


ſchifftechnik in Einzeldarftiellungen. Ber- 
lin u. Bien 1909. Berlag Ullftein & Co. 


Die Eroberung ber Luft, Ein Hand- 
buch der Luftihiffahrt und Flugtechnik. 
Union Deutſche Verlags-Geſellſchaft, 
Stuttgart⸗VBerlin⸗Leipzig. 


Zu Abſchnitt XIII. Sport- 
photographie. 


Literatur: 


Zeitſchrift „Der Sportphotograph“, Jahr⸗ 
gang 1909. Verlag von Paul Förfter 
in Breslau. 

Deutiher Camera: Almanad, Jahrg. 1-4. 
Berlag von Guſtav Schmidt, Berlin. 

Horsley Hinton, Künftlerifche Land⸗ 
ſchaftsphotographie, Berlin 1903. 

Gebrüder Keartons, Tierleben in 
freier Natur, Halle 1906. 

Kiesling, Anleitung zum Photographie⸗ 
ren freilebender Tiere, Leipzig 1906. 
Kuhfahl, Hochgebirgs- u. Winterphoto⸗ 

graphie, Halle 1907. 

Liefegang, Die Fernphotographie, 
Düffelborf 1897. 

Löſcher, Leitfaden der Landſchaftsphoto⸗ 
graphie, Berlin 1908. 

M azel, Künftlerifche Gebirgsphotographie. 
Berlin 1903. 

Meerwarth, Lebendbilber aus der Tier- 
welt, Leipzig 1908. 

Meermwartb, Photographifhe Natur- 
ftudien, Eßlingen 1908. 

Schillings „Mit Bliglit und Büchſe“, 
Leipzig 1908. 

Schillingsa „Zauber des Eleleſcho“, Leip⸗ 
zig 1906. 

Terſchack, Photographie im Hochgebirge, 
Berlin 1905. 

Wenzel-Paech, Photographifces Reife: 
handbuch, Berlin 1909. 


Firmen: 


G. Geiger, Münden, Karlöplag, Spes 
zialartifel für alpine Photographie. 

B. S. Shwarz u. Co., Münden, 
Amalienftraße, Entwideln und kopieren 
fehr zuverläjfig. 


Zu Abfcnitt XIV. Die Hygiene 
des Sports. 


Literatur: 


Dr. 3%. Marcufe, Körperpflege durch 
Daffer, Luft und Sport. Leipzig 1908. 

A. Moffo, Der Menfh in den Hod- 
alpen. Leipzig 1899. 

Dr. K. Rad, Wanderfport. Praktiſches 
und hygieniſches Vademekum. 

Dr. A. F. Schmidt, Unſer Körper. 

andbuch der Anatomie, Phyſiologie und 

ygiene der Leibesübungen. Leipzig 1907. 
BER nee der Leibesübungen. Leipzig 

A. Steiniger, Die Bebeutung bes 
Buders als Kraftftoff j. Sport, Touriftit 
und Militärdienft. Berlin 1902. 

Dr. ©. ®Veißftein (unter Mitwirkung 
zahlreich. Autoritäten), Hygiene db. Sports. 
Leipzig 1908. 

Dr. R. Zander, Die Leibesübungen 
und ihre Bedeutung für die Gefundbeit. 

N. Zung, Höhenktlima und Bergmandes 
rungen in ihrer Wirkung aufd. Menden. 
Berlin 1906. 


Zu Abſchnitt XV. Erfte 
Dilfeleiftung. 


Literatur: 


D. Bernhard, Samariterbienft mit 
befonderer Berüdfihtigung der Verhält⸗ 
niffe im Hochgebirge. Samaden 1896. 

Esmarch, Die erfte Hilfe bei plöglichen 
Unglüdsfällen. Leipzig 1903. 


Zu Abſchnitt XVI. Haftpflicht 
und Verficherungswelen. 


Berficherungsanftalten: 
(verfihern auch für Hochtouriſtik, Winter- 
fport 2c.). 


Allgemeine Verſicherungsgeſellſchaft Br o- 
videntia, Wien. 

„Zürich“, Unfallverfiherungs-Altien- 
Geſellſchaft. 

Schweizeriſche Unfallverſicherungs⸗Aktien⸗ 
Geſellſchaft in Winterthur. 





Angelſport. 


Angelgerte 517. 
Angelhaken 620. 
Angelmethoden 616. 
Angelſchnur 519. 
Angelzeug, Herſtel⸗ 
lung, Erneuerung, 
Konſervierung und 
Färbung 627. 
Ausrüftung 5483. 
Behandlung der ge⸗ 
fangen. Fiſche 542. 
Buſchangelei 536. 
Deeſyſtem 531. 
Doppelangeln 521. 
Drillinge 520. 
Entwidlung 514. 
Fangarten, verſchie⸗ 
dene 537, 
Fiſcherſprache 543. 
Filhwafler, Berbal- 
ten am 540. 
Floß 524. 
Alugangel 535. 
Gerätichaften 526. 
Gerte 617. 
Srundangel 580. 
Grunpfifiherei 530. 
Grundköder 580. 
Gutfaden 521. 
Handangelei 516. 
Hegen und Schonen 
641. 
Jamknoten 586. 
Kleidung 548. 
Knoten, verborgener 
527 


Köder, Tünftliche 259. 

— natürliche 528. 

Zandungsgeräte 525, 

Paternofterangel mit 
lebendem Köder: 
fiſch 532. 

Pennell =» Bromley: 
fyftem 531. 

Poil 521. 

Role 518. 

Senter 523. 


Regifter. 


Nah Schlagworten georbnet. Die ‚Ziffern bedeuten die KapitelsNummern, die an . 
erfter Stelle ſtehende Ziffern bebeutet den Haupthinweis. 


Spinnfifcherei 581. 

Scleifentnoten 536. 

Schleppangel 534. - 

Schludangel 5883. 

Schnappangel mit le⸗ 
Ben Köderfiih 
32. 


Schnur 519. 
Schonen und Hegen 
641. 


Schwimmer 524. 


Stand ber Fifharten 
639 


Tippfiſcherei 586. 


Turlefnoten 535. 

Umläufe 522. 

Verhalten am Fiſch⸗ 
waſſer 540. 

Vorfach 521. 

Walton, Izaak 514, 

Wetter 588. 

Wind 588.- 

Wirbel 522, 

Zug 520. 


Athletit. 


Aberberg 613. 

Abs, Karl 611. 

Allgemeines 582. 

Auerdwald, Fabian 
von 611. 

Ausblid 617. 

Ausübung 583. 

Boren 616. 

Sicero 581. 

Cyganiewicz 612. 

Dietrid von Bern 
611. 

Diskosſswurf 608. 

Dreifprung 695. 

Drüden 609. 

Dſchiu⸗Dſchitſu 616. 

Dürer, Albrecht 581, 
611. 

Eberle 611. 

Fauſtkampf 616. 

Fuchsjagd 588. 


Furtwängler Adolf 
581 


Geben 584. 586. 
Geländelaufen 588. 
Germwerfen 601. 
Geſchichtliches 581. 
Gut3-Muth3581.584. 
Hackenſchmidt 618. 
Hagen 611. 
Hammer 606. 
Herobot 581. 
Hindernigrennen 
689. 
Hitler 611. 
Hodfprung 598. 
ee 589. 
ygiene 588. 
Jahn, F. 8%. 
584, 611. 
Karges, D. 592. 596. 
606. [616. 
Kleidung des Boxers 
— des Ringers 612. 
Koh 611. 
Zaufen 584. 586. 
Lurich 613. 
Mannſchaftslauf 587. 
Nero, Claudius 581. 
Pohl 611. 
Reifen 608. 
Rekordliſte 617. 
Ringkampf, Allge⸗ 
meines 612. 
— Bodenkampf 614. 
— Geſchichtliches 
611. 
— Satzungen 612. 
— Gtandlampf 618, 
Rouffeau, $. 3. 581. 
Schleuderball 604. 
Schleuderwurf 602. 
Schwergewichts⸗ 
heben 606. 
— Hygiene 607. 
Schwingen, ſchweize⸗ 
riſches 611. 
Siebert 609. 
©Silberer, Viktor 585. 
586, 590. 616. 


681, 


Speerwerfen 601. 
Sportbehörde, Deut: 
ſche, für Athletit 
682. 
Springen 584. 591. 
Sprunggeräte 597. 
Stabfprung 596. 
Stafettenlauf 587. 
Stemmen 606. 609. 
Stolj, A. 606. 
Stoßen 598. 
610. 
Strenge 611. 
Weinftein, Dr. 595. 
Weithochſprung 594. 
BWeitiprung 592. 
Wels 603. 
Werfen 598. 600. 
Widenhagen, H. 581. 
Zadig 611. 


599. 


Automobil: und 
Motorradiport. 


Amebee-Bolle 544. 
Ausrüftung 560. 
Automobil mit Er: 
ploſionsmotor 546. 
Belleidung 550. 
Benz 544. 
Bollee, Leon 545. 
Bouton, Sngenieur 
544 


Brafier 545. 
Bucquet 545. 
Charron 545. 
Chauchard 545. 
Cugnot 544. 
Cyflonette 554. 
Daimler, Gottlieb 
6544, 561. 
Tampfautomobil 
547 


Dion, Graf de 614. 
Duret 545. 

Edge, Mr. 545. 
Eleltromobil 548. 
Entwidlung 544. 
Erle 545. 


er. 


er —— 


1 M 


IX 


Erplofiondmotor646. 
Fletfher 545. 
Fournier, Henry 545. 
Gabriel 545. 
Geſchwindigkeiten, 
erreichte 646. 
Geſichtsſchutz 560. 
Girardot 646. 
Gordon⸗Benett, Mr. 
545. 
Gummilleiber 550. 
Hancod, Walter 544. 
Hanriot 545. 
Hemery 545, 
Samin 545. 
Seantaub 545. 
Jenatzky 545. 
Joe 545. [6549. 
arofienbezeihnung 
Knyff, Rene de 545. 
Koptihug 550. 
Lautenſchlager 545. 
Le Blon 5456. 
Zee Guineß 545. 
Zevaflor, Emile 545. 
Mariott 545. 
Motorarbeit 546. 
Motorbreiräder 552. 
554. 

Motorrad, Benzin- 
verbraud 553. 
— Entwidlung 551. 
— ae 


— oe hwindigkeits 
getriebe 662. 
— Verwendbarkeit 
662. 
— Zubehörteile 552. 
Motorzweiräder 562. 
— Einteilung und 
Charatteriftif 553. 
Murdoch, Billiam 
Nazzaro 545. [644. 
Newton, Iſaac 544. 
Poege, Willy 546. 
Raggio 545. 
Nigal 546. 
Nigoly 545. 
Salzer, D. 545. 
Schnelligkeitsprü⸗ 
fungen ꝛe. 545. 
Serpollet 544. 545. 
Siegfried, Marcus 
Szisz 545. [644. 
ery 545. 
Banderbilt 545. 
Wagenbezeihnungen 
549. 

Watt, James 544. 
Rettfahrt-al3Schnel- 
ligleitprilfungen 

2c. 545. 


Alpinismus. 


Abfahren 169. 
Alkohol 142. 


Regifter. 


| Alleingeben 152. 


Anregungsmittel 
143, 
Arnold, Dr. ©. 154. 
Aufbruchszeit 168. 
Ausdrüde, bergjtei- 
geriiche 208. 
Außrüftung 149. 
Ausrüftung für 
Damen 150. 
Ball, 3. 186. 
Bänder 176. 
Bartb, 9. v. 186. 
Belleidung 148. 
Bekleidung für Da- 
men 150. 
Bergabgeben 163. 
Bergaufgeben 162. 
Bergkrankheit 137. -. 
Bergihrund 185. 
Bergfteigereigens 
ſchaften 145. 
Bernhard, Dr. D. 
205. 
Bonney, Prof. 153. 
Chelminsky, Louife 
v. 186. 
Shrift, 9. 136. 
Conway, W. M. 186. 
Coolidge, W. A. B. 
136. 
Dante 184. 
Dedy, M. v. 136. 
Dent, C. %. 186.139. 
178. 
Dufour,General 135. 
Duhamel, 9. 200. 
Duntelbeit 200. 
Edardt, %. 146. 
Eigenſchaften 145. 
Einbreden in eine 
Spalte 208. 
Eishänge 187. 
Eislawinen 182. 
Eigrinnen 186. 
Eiatouren, Charal: 
teriftif ber 181. 
Entwidlung 136. 
Enzendberger,€.153. 
Ebtvös, Jlona und 
Rolanda 135. 
Erfrieren 137. 
Ernährung 141. 
gen ——— 


Beisiouren, Reiz der 
17 
Bes Zenzi v. 135. 


irnbrüche 188. 
Firnhänge 187, 
Freilager 201. 
Freshfield, D. W. 

135. 193. 
Friedensberg, F. 154. 
Friedrich, Fürſt 
Schwarzenberg 135. 
Führer mit oder 

ohne 151. 


ar und Tourift Ben 148. 
155. 


Führerloje und Füh⸗ 
rer 156. 
nn der Alpen 


Gefahren ber Yelfen 


Gefahren von Schnee 
und Eis 182. 
Gefährten, Anzahl ꝛc. 
158. 
Gehen 161. 
Gehen auf aperem 
Gletſcher 167. 
Geben auf loderem 
Geröll 168. 
Gehen auf Moränen 
166, 
Gehen auf weichem 
Schnee 168. 
Geßner, 8. 134, 
Geſtein, Beſchneites 
oder vereiſtes 179. 
Geſundheits⸗ 
ftörungen 136. 
Getränte des Berg⸗ 
fteigers 142. 
Gewitter 199. 
Gletſcherbrand 137, 
Gletſcherbrüche 182. 
188. 
Gletſcherſpalten 184. 
Goethe 134. 
Grashänge, fteile 
180. 
Grat, am 189. 
Grat, auf dem 178. 
Grohmann, PB. 136. 
Güßfeld, P. 135. 
Haller 134. 
Harppredt, 7. 136. 
Seht v. 135. 
Heer, D. 1865. 
Hegenauer 134. 
Hilfsmittel bei Eis⸗ 
touren 188, 
Hilfsmittel des Klet- 
terer8 172, 
Hochtouren, außer: 
alpine 193. 


| Hofmann, 8. 186. 


ygiene 136. 
avell, E. 136, 
| Smmint, Jeanne 135. 
Kälte 196. 
Kamin, im 177. 
Kartographie 169. 
Kennedy, €. ©. 136. 
Kleidung 148. 
Klettern, Grund⸗ 
regeln 173, 
Klettern in den Wän⸗ 
den 174. 
Kletterfchulen 192. 


Knigge, Der alpine 
154. 
Kolapräparate 148. 


La mean) 


— 182. 
— 


— da Vinci 
134. 

Lieber, Dr. X. 206. 

Literaturkunde 159. 

Madlener, A. 135. 

Mahlzeiteneintei- 
lung 144. 

Marſchleiſtung, 
durchſchnittliche 
138. 


Menger, H. 155. 
Meurer, J. 200. 
Moriggl 100. 
Mofſſo, Prof. 136. 
Mummery, A.F. 186. 
Nahrung 141. 
Nebel 197. 
Notſignal 206. 
Drientierung 147. 
Dertel, Prof. 186. 
Paul, Jean 146. 
Paulke, Prof. 187. 
139.147. 151. 160. 
182. 183. 190.192. 
195. 202. 
Bayer, 3. v. 186. 
PBetrarca 184. 
Phyfiologie 1386. 
PBiltington, Eh. 163. 
Platten 176. 
Purtſcheller, L. 186. 
146. 173. 189. 208. 
Randkluft, Ueber: 
ſchreiten 185. 
Raſttage 140. 
Reiſezeit 167. 
Rettungsweſen 207. 


Richter, €. 185. 


Rickmer-Rickmers, 
W. 193. 
Rouſſeau, Jean 
Jacques 184. 
Ruthner, A. v. 135. 
Salm, Graf 186. 
Saufjure 185. 
Scheucdzer 134. 
CE chneeblindbeit 137. 
Echneebretter 182. 
Schneebrüde 184. 
Schneefall 198. 
Schneerinnen 186. 
Schneefdilde 182. 
Schneeſturm 198. 
Schneewädten 182. 
190. 
Schul, 8. 185. 
Seilanwendung 172. 
— Th.v. 


— 137. 
Spalten 182. 
Spedt, J. A. 185. 


Stanig, V. 185. 
Steigegefhwinbig- 
fett 188. 
Senn, %. 135. 
Stephens, 2. 135. 
Studer, ©. 135. 
Stüdl, 3. 136. 
Sturm undKälte 196. 
— der, Hermine 
— P. K. 
186. 


— — Beatrice 
—8 und Fübrer 
156. 


Tragbahren 206. 
Training 139. 
Traverfieren von ſtei⸗ 
len Hängen 164. 
Tſchudi, F. u. J. 186. 
Tuckett, F. F. 186. 
Tyndall, J. 185. 
Ueberlegung und 
Vorſicht 146. 
Uebermüdung 187. 
Ueberſchreiten einer 
Randkluft 186. 
Ulrich, M. 186. 
Unglücksfälle, Ver⸗ 
halten bei 202. 
Berdauungsftörun: 
gen 137. 
Berichte Sicherung 


Berleite, Transport 
205. 


Verproviantierung 
bed Bergfteigers 
141. 

Vorſicht und Ueber⸗ 
legung 146. 

Weilenmann, J. J. 

Wetter, ſchlecht 

es, 
Einfluß 196. 

Wetterprognofe 194. 

Wetterftur; 199. 

Whymper, €. 185. 
183. 187. 189. 

Wintertouren 191. 

au ber yüße 


— 146. 
Nanny, Wehe er 


gute 141. 
ung, Prof. 186.189. 


Ballfpiele. 


Ball⸗Goal 785. 
Baſeball 781. 
Boccia 778. 
DamensBafeball 782. 
Deutfhball 779. 


ng 777. 
urling 774. 


Regifter. 


Kaiferball 778. 

La Erofie 784. 
Puſhball 780. 
Raffball 776. 
Rounders 788. 
Schleuderball 775. 
Beber, ©. 9. 777. 


Damenreit- 
jport. 


— des Pfer⸗ 
es 90. 

— der Rei⸗ 
terin 

Sismard Gräfin St: 
ylle 91. 

— Gräfin Wilhelm 
95. 

Bruned, Berta von 


89. 
Buſch, Wilh. 95. 
Eramforb 94. 
en. im Jagdfeld 


Damenpferb 88. 

— Anlauf 88. 

Damenreitfport 88. 

Durand, Madame 96. 
illis 89. 98. 95. 
übhrung 98. 
altung 98. 
agbreiten d. Damen 
94. 

Kandare 92. 

Keudell 88. 93. 

Kinnkette 92. 

Kopfniden 98. 

Duerfig 95. 

Sattel 91. 

Sattellage 88. 

Schenkelwirkung 96. 

Schritt beim Damen- 
pferb 88. 

Seitfig, Nachteile 95. 

Sig 98, 


Stirnriemen 92. 
DDP DEREN 
88. 


Trakehner 88. 


| Unterlegebede 91. 


Bolblutpferb 88. 

White» Melvilles 88. 
89. 98. 

Wobeſer, von 96. 

Zäumung 92. 


Eisjchießen. 
Eisſchießen 766. 


Erfte Bilfe- 
leiftung. 
Armſchlinge 868. 
Arterienblut 851. 
Atmung, künftliche 


Bel 845. 

Blutftillung 851. 

Blutungen in ber 
Achfelgegend 851. 

— am Halfe 861. 

— an b. Sand 851. 

— am Oberſchenkel 
861 


— a.Borberarm 861. 
Erfrierungen 856. 
Esmarch 866. 
ingerverband 863. 
letiherbrand 859. 
Hitzſchläge 866. 
ae 854. 


Rnocenbrüge 868. 
— Behandlung 864. 
Kopfverband 858. 
Nafenbluten 862. 
Notverband 864. 
Quetſchungen 849. 
Renverſes 858. 
Sceintod, Urſachen 
866 


Scheintove, Wieder⸗ 
belebung 866. 
Silagabern,verlepe 


Sälangenbiffe 864. 
Schneeblindheit 807. 
Silvefter 866. 
Sonnenbrand 859. 


| Sonnenftid 865. 


Transport, Berlester 
867. 
Venen, verlegte 861. 
Venenblut 861. 
Verbandtücher 853. 
Verbrennungen 858. 
Verlegungen am Ge- 
lente 860. i 
— der Knochen 860. 
Verletzungen d. Weich⸗ 
teile 848. 
Verrenkungen 862. 
Verſtauchungen 861. 
Weichteile 848. 
Wunden 850. 
— giftige 854. 
Wunbdverbände 858. 
Zerrungen 848. 


Sabrfport. 
— , Benno 


Aöterjlige 108. 

Anfpannung 106. 

— ameritanifde107. 

— engliide 107. 

— ungarifhe 107. 

— rufftide 107. 

— Herzog von 
103. 


—— — 


Diftanfapeten 110. 


Dreffur des Wagen- 
pferdes 97. 
Einfahren, Das 99. 
Einleitung 96. 
Einfpännerwagen 
107. 
Einfpännigfahren 
100. [108 
rkonkurrenzen 
eſpann 106. 
Korſofahrten 109. 
Kummetgeſchirr 106. 
Longieren 97. 
Mehrſpänner 106. 
Mehrſpaͤnnerwagen 
1 0 
Neuß, Herr 109. 
Randem 103. 
Scheuklappen 101. 
Sechſerzüge 106. 
Selbſtfahrer für 
Damen 107. 
— für Herren 107. 
Siebenzuge 106. 
Sielen 106. 
Tandem 102. 
— dreifaches 108. 
Tandemwagen 107. 
Verſchnallen 106. 
Viererzug 104. 
Vierfpännerwagen 
107. 


Bagen, Die 107. 

Barmblutzudt 96. 

Wiener Leine 101. 
106. 

Zehnerzug 106. 

Zudt des Wagen: 
pferbes 98. 

Sweifpännerwagen 
107 


Bweilpännigfahren 
101. 


Sechten. 


Agrippa, Gamillo 
626. 


Allgemeines 618. 

Angriff 634. 

Aflaut 688. 

Besnard, Charles 
626. 

Brantöme 642. 
Caglia, Adolfo Capo 
rro di 626. 

Cervantes 642, 
Damenfechten 642. 
Didier, Henry de 


Falihoffer 621. 

Fechttunſt als Sport 
639. 

Geſchichte 621—688. 

——— Nicoletto 


Grafft 625. 
Hiebfedhten 683. 687. 
Hiebwaffen, ns 
682. 
Holijtein, Dr. — 
Kontrafechten 638. 
Ya Colombière 642. 
Leſage 642. 
Ziancourt 626. 
Manciolino, Antonio 
625. 
Marozzo Achillo 626. 
Moricio, Pietro 626. 
Schutzvorrichtungen 
640. 
Stoßfechten 688. 636. 
Syitem 634. 
Theorie 684. 
Thibauld, Girarb 


626. 
Toude, Philippert 
be la 626. 
Unterridht3erteilung 
641 


Urfprung 619. 

Verteidigung 634. 

Biggiani Angelo 625. 

Waffen, lanbesüb- 
liche 688. 

Zweck 620. 


Sußballipiel. 


Affoziation, Abſeits⸗ 
regel 719. 

— Abftoß vom Tor 
71 8. 

— Allgemeines 718. 

— Aufſtellung 716. 


— Dauer bes Spiels. 


716. 
— Dribbeln 718. 
— Edball 718. 
— Eifmeterftoß 718. 
— Linienridter 717. 
— Malmänner 717. 
— Markmänner 717. 
— Pafſen 718. 
— Schiedsrichter 
717. 
— Spieler, bie 717. 
— Spielfeld 714. 
— Gpielgang 716. 
— Spielgeräte 715. 
— Spielregeln 720. 
— Spielwart 717. 
— Stöße auf das 
Tor 718. 
— GStöße, bejondere 
8 


718. 
— Stürmer 717. 
— Torwädter 717. 
Bebeutung f. Militär 


712. 

Fußball, amerikani⸗ 
fer 780. 781. 

— auftralifder 782, 
738. 


Regiſter. 


Geſchichtliches 712. 
Rugby, Abjeitäregel 


— Rſioß 726. 
— Abſtoß vom Male 
726. 
— Antritt 726. 
— Art des Spiels 
725. 
— Ball 724. 
— Berehnung 729. 
— Dreiviertelfpieler 
727. 
alltritt 726. 
afjen 727. 
— Freifang 726. 
reitritt 728. 
— Gedränge 726. 
727. (721. 
— Geſchichtliches 
— Halbſpieler 727. 
— Halten 726. 727. 
— „Kehrt“ 726. 
— Lagertritt 726. 
— Paſſen 727. 
— Rlagtritt 726. 
— Regeln, befonbere 
728 


— Schlußſpieler 727. 
— Spieler, die 727. 
— GSpielplat 723. 
— Spielregeln 729. 
— Spielweiſe 729. 
— Gprungtritt 726. 
-- GStraftritte 729. 
— Stürmer 727. 


Prof. 
— und Afloziatton 
722 


— Verfug 726. 
— — aufs Mal 


— wartsſchlagen 
726. 
— „at des Spiels 


— 712. 
Sceibert, W. 712. 


Solf. 


Abſchlag 690. 
Annägerungäfäläge 


Aufbewahren b. Keu⸗ 
len 688. 
Ball 687. 
— hochliegender 701. 
— im bunker 700. 
— im AUnkraut 703. 
— tiefliegender 702. 
C. B. 709. 
Damengolf 710. 
Dreiviertelihlag693. 
Einleitung 678. 
Einſchlagen d. Balles 
706. 


Eiſenkeulen 682. 

green-keeper 686. 

Handgelenkſchlag 
695, 


high-lofting stroke, 
der 697. 
Holzkeulen 681. 
Keulen für den Ans 
fänger 684. 
Keulenbredhen 705. 
Knieſchlag 698. 
Köcher und Köcher⸗ 
träger 685. 
Lascelles Frank 678. 
Lauthier 678. 
Running-up the 
ball 698. 

Schlag, halber 694. 
Schlag vom linten 
Fuß aus 699. 
Schneiben des Balles 

696. 
Spiel, ba3 689. 
Spielen über dasFeld 

691. 
Spielfeulen 680. 
Spielplag 679. 
Spielregeln 711. 
Topping the ball 

704. 
Univerfalleulen 683. 
Viertelichlag 695. 
Borgaben 708. 
waggle 690. 
Wettfpiel 689. 
Zaählmethode 707. 


Bodey. 
Eurlingipiel 766. 
Eishodey, Einleitung 

764. 


— Spielgang 765. 
— Spielregeln 765. 
— Verbreitung 764, 
Zandhodey, Ball 760. 
— Einleitung 758. 
— Gang des Spieles 
761. 
— —— 


— J— 762. 
— Markmänner 762. 
— Gpieler, die 762. 
— Gpielgeräte 760. 
— Spielplatz 759. 
— Spielregeln 763. 
— Spielwart 762. 
— Stöde 760. 

— Stürmer 762. 
— Tormädter 762. 


Bygiene des 
Sports. 


—— 827 bis 
Alpiniemus 822. 


Anftrengung und Er: 
bolung 841. 
Atemorgane 820. 
Atmung 820. 
Auge 822. 
Baummolle 838. 
Bed 845. 
Belleidung 837. 
Blutumlauf 819. 
Brennmaterial der 
Mustelarbeit 816. 
Bruſtkorb, Entfal: 
tung 820. 
Caſpari 817. 
Diätetil 841, 842. 
QDurftgefühl 836. 
Eiweiß 816. 
Eiweißſtoffe 832. 
Energie 818. 
Erholung 814. 841. 
Ermübdung 814. 824. 
Ermübungsftoffe 
821. 824, 
Ernährung, prak—⸗ 
tiſche 884. 
Ernährung und Mus⸗ 
telarbeit 832. 
ette 816. 832. 
obfinn 822. 
Gefäße, Ueberan⸗ 
ftrengung 845. 
Geiftesgegenwart 
822. [831. 
Hautpflege 827 big 
Herz, dag 819. 
— Ueberanftrengung 
845 


Herzarbeit 819. 

Herztlopfen 819. 

Herzſchwäche 819. 

Herzvergrößerung 
819. 


Hoek 839. 

Kleidung 837. 

— beim Alpinigmus 
839. 

— beim Sommer: 
fport 838, 

— beim Winterfport 
889 


— der Frauen 840. 
Lüftbarkeit, der 

837. 838. 

a 816. 


Ko — — der Be⸗ 
wegungen 822. 
— ——— 


— ein⸗ 
ſeitige 818. 
Koſt, gemiſchte 816. 
Kräpelin 817. 
Leinwand 838. 
Löwy 817. 
Luft 827. 
— als Abhärtungs⸗ 
mittel 8830. 
58 


Luftbad 830. 831. 
Zunge 820. 
Mahlzeiten, Einteis 
lung 834. 
Moſſo 817. 825. 833, 
Müller 817. 
D.ustelarbeit 818. 
-- Eigenart der 810. 
— — — der 


suöfslenergte 813. 

Muskeln, Weberan= 
ftrengung 844. 

— unmwilltürlide 
809. 

— willfürlide 809. 

— woju 808. 

Muskelſinn 811.822. 

Mut 822. 

Nahrung, welche 885. 

Nervengymnaftit 
812. 828. 

Nerveniyften 822. 

— Ueberanftrengung 
846. 

Reaktion 828. 

—— 


Sqdigungen durch 
den Sport 817. 
Schweißbildung 821. 
Sinnesorgane 822. 

823. 
Sport und Nerven: 
fyflem 822. 
— Alfred 


Stoffwegifel 821. 
Training 828. 
Trinten 836. 
Ueben, mie? 825. 
Ueberanftrengung 
844, 845. 846. 
Uebung der Haut 827. 
— und Ermüdung 
824. 
— und Training 828. 
— Weſen ber 812. 
Mebungen, Zeit und 
Drt 826. 
Venenklappen 819. 
Voit 882. 
Wandern 822. 
Wärmeregulation 
821. 828. 
MWärmeregulierung 
Waſſer 827. 
— ala Abhärtungs- 
mittel 828. 
Wirkung des Sports 
auf d. Atemorgane 
820. 
— auf die Musku⸗ 
latur 818, 

— auf Her; umd 
Blutumlauf 819. 
— auf Stoffwechfel 

821. 


Regifter. 


Wirkung auf BWär- 
meregulation 8215 

Zuder 833. 

Zung 817. 

Sufammenfpiel der 
Organe 816. 


Jagd. 


Adler 435. 468. 
Afrika 474—489. 
Alpenhafe 442. 
Aniapren im Pirſch⸗ 
wagen 418. 
Anftand, der 409. 
Antilopen 484. 
Arnulph, Prinz von 
Bayern 495. 
Aften 490—497. 
Auerbahn 427. 
Auerochs 473. 
Aufbreden, das rich« 
tige 423. 
Aufhütte 487. 
Ausrüftung 404. 
Auftralien 498. 
Bären 426. 497. 
Belaffine 451. 
Bekleidung 404. 
Bergſchaf 607. 
Biber 438. 
Birkhahn 428. 
Blattfhuß 418. 
Bobkatze 610. 
Bosnien 467. 
Bradenjagd 412. 
Brandis 486. 
Büffel Indien 492. 
Buſſarde 463. 
Garracal 484. 
China 497. 
Chotbohrung 406. 
Dachs 444. 
Dammild, bad 420. 
Deutfchoftafrifa 485. 
Edelhirſch 418. 
Edelmarder 447. 
Einzeljagb 408. 
Elch, der 419. 468. 
— kanadiſcher 502. 
Elefant 476. 
— indiſcher 491. 
Elenantilope 485. 
alken 468. 
aſan 481. 498. 
tfchadler 486. 
ifchotter 445. 484. 
lußpferd 477. 
uchs 448. 
utterftellen 415. 
Gamstrieb 422. 
Gem3wilb 422. 
Gerard 481. 
Geſchichte 402. 
Geſchoß 406. 
Gefeliaftsjagb411. 


Gewehre 406. 


Geweihbildung des 
Hirſches 418, 

Ginfterlate 484. 

Giraffe 479. 

Goldadler 436. 

Habichte 463, 

Haſe 440. 

Hafelhubn 480. 

Haubenfteißfuß 462. 

Hege mit ber Büchſe 
416. 

Herzegowina 467. 

Hirſch in der Brunft 
418, 

Hund 407. 

Hyäne 484. 
Sagdgebiete, außer: 
europäifche 474. 

Sagbhund 407. 
Jagdhyänen 488. 
Sagbverhältnifie 
Nordameritad 513. 
Sagbwaffen 406. 
Säger u. Weidmann 
403. 
Japan 498. 
Iltis 447. 
Sndien 491. 
Kadu 485. 
Kahlwildjagden 418. 
Kaiferadler 485. 
Kamtſchatka 497. 
Kängurud 498. 
Kaninden 441. 
Karl der Große 402. 
Kefjeltreiben 411. 
Kleidung 204. 
Koch, Dr. 489. 
Kranich 438. 
Krelihuß 418. 
Kugelſchuß 408. 
Kuguar 509. 
2appjagd 412. 
Laska, F. B. 467. 
Laufſchuß 418. 
Leopard 482. 
Lippenbär 494. 
Löwe 481. 
Luchs 426. 
Lungenſchuß 418. 
Maralhirſch 495. 
Marder 447. 
Matſchie, Prof. 480. 
Maultierhirſch 508. 
Milane 468. 
Moosſchnepfe 451. 
Muffelwild 496. 
Murmeltier 438. 
Nashorn 476. 491. 
Neuſeeland 498. 
Niedieck 494. 497. 
502. 506. 
Norbamerila 499 bis 
518. 
Norwegen 467. 
Nutzwild Afrikas 


487. 


Paaſche 486. 
Panther 494. 
Pferbeantilope 485. 
Pirſche, die 408. 
Pirſchzeichen 418. 
Pleß, Fürft von 421. 
Bulverforten 406. 
Orygantilope 486. 
Dftafrifa 486. 
Nabenvögel 464. 
Rakelhahn 429. 
Hallen 454. 
Raubtiere Nord: 
amerikas 508, 
NRaubvögel 468. 
Rebhuhn 448. 
Rehwild 424. 
Reiher 457. 
Renntier 4723. 506. 
Rohrdommel, kleine 
458. 

— große 469. 
Noofevelt 499. 500. 
602. 508. 6510. 
Rußland 470. 471. 

472. 478. 
Säger 462. 
Ealzleden 415. 
Schakale 484. 
Schießkunſt 406. 
Schillings 481. 486. 
Schlangenadler 435. 
Schneehaje 442. 
Schneehuhn 452. 
Schnepfenſtrich 450. 
Schongebiete i. Nord⸗ 

amerika 499. 
Schreiadler 435. 
Schrotſchuß 405. 
Schuß auf den Hals 

418. 


Schwan 434. 
Schmweben 467. 
Seeabler 436. 
Serval 484. 
Spielhahn 428. 
Standtreiben 412. 
Steinadler 435. 
Steinbod 421. 495. 
Steinhuhn 452. 
Steinmarder 447. 
Steppenhuhn 453. 
Streife 411. 
Sudjagndb mit bem 
Borftehhund 410. 
Taucher 462. 
Tiger Indien? und 
Ceylons 494. 
Trappen 432. 
— auf Hirſche 


Zfetfeftiege 489. 

Zurleitan 495. 

Turkey 612. 

Uhu 486. 

Virginiahirſch 504. 

Bogelwelt Afrikas 
488, 


Vorftehtreiben 412. 
Wachtel 449. 
Waldichnepfe 450. 
Wapita 503. 
Waſſerhuhn 455. 
Weidmannsſprache 
417. 613. 
Weidwundſchuß 418. 
Weihen 463.. 
Wieſel 447. 
Wildbüffel, oſtafri⸗ 
kaniſche 478. 
Wildente 461. 
Wildgans 460. 
Wildgeflügel Nord⸗ 
amerikas 512, 
Wildhege 414. 
Wildhunde 483. 
Wildkatze 446. 
— graue 484. 
Wildſchutz Afrikas 
489. 


Wildſchwein 425. 
Wilbtauben 456. 
Wifent 473. 
Wißmann 474. 489. 
Wolf 426. 

Bebra 480. 
ielfernrobre 406. 
mwergabdler 435. 

Zwergreiher 458. 


Kridet. 


Ball 754, 
Einleitung 752. 
Geſchichtliches 752. 
Handſchuhe 754. 
Keule 754. 
a 


Salagpoh 754. 
Spielgang 755. 
Spielgeräte 754. 
Spielplat 753. 
Spielregeln 757. 
Tor 754, [756. 
Wertung be3 Spiels 


Krodet. 


Einleitung 767. 
Spielfeld 769. 
Spielgang 770. 
Spielgeräte 769. 
Spielplag 768. 
Spielregeln 771. 


Zauflport. 


Barlauf 786. 
Cross-Country- 
Zaufen 786. 


Lawn-Tennis. 


Ball 738. 
Bälle, geſchnittene 
744. 


Regiſter. 


Barre 784. 
Comenius 734. 
Cox 734. 
Doppelſpiel 760. 
Einſchenken 748. 
Einzelſpiel 749. 
iſchart 734. 
lorini 734. 
Flugſchlag 747. 
orbet 784. 
an 1 734. 
Garfault 734. 
Geſchichte 784. 736. 


736. 
Haltung des Schlä⸗ 
gers 742. 

Sieh» od. Schmetters 
ball 747. 

Hochball 745. 
ulpeau 734. 
leidung 739. 

Kreuzſchläge 747. 

Lippomono 734. 

Netz 738. 

Raino 734. 

Ruſhaw 735. 

Schläge, verſchiedene 
74B. 


Schläger 738. 
Spielfeld 737. 
Spielgang 741. 
Spielgeräte 738. 
Spiellinien 737. 
Spielregeln 751. 
Spieltaktik 740. 
Sprungſchlag 746. 
Trelamney, Wr. 786. 
Baile, Mr. 789. 
Bettfpiele 748. 
Wingfield 736. 


Zuftiport. 


Abereron, Haupt⸗ 
mann v. 794. 799. 
Allgemeines 737. 
Ausübung 793. 
Balloniport 796. 
Bamler, Dr. 799. 
Befancon, M. ©. 
794. 
Bleriot 797. 
Bonaparte, Roland 
794. 799. 
Borgbeie 794. 
Brödelmann, Dr. 
799. [794. 
Busley, Geh.Neg-R. 
Catlletet 2. 794. 799. 
Dauerfahrten 795. 
Draden 792. 
Dradenfport 788. 
798. 
Dumont:Santo8797. 
Ellehammer 797. 
Entwidlung 799. 
Erbslöh, Oskar 794. 
799. 


Etappenfahrten 795. 
arman 797. 
Iugmajdine 791. 
Iugfport 788. 797. 
ordon-Bennett797. 
799. 

— :Wettfliegen 794. 
799. 

Hildebrandt, Haupt⸗ 
mann 784. 

Jacobs, M. 794. 

Lahm, Frank 799. 

Lilienthal, Otto 797. 

Luftballon 789. 

Luftſchiff 790. 

——— äroſta⸗ 


tiſche 
Auftfoiffernerbanb, 
Deuticher 794. 
— Internationaler 
94 


794. 
Luftſchiffſport 796. 
a Ingenieur 


Moebebed, Oberfts 
leutnant 794. 799. 

Niemeyer, Rechtsan⸗ 
walt 799. 

Dultremont, Comt b’ 
799. 

Parſeval v. 790. 799. 

Pelterie, R. E3nault 
791. 

Niedinger, A. 794. 

Schaed, Oberſt 794. 

Sommer, Roger 797. 

Stabilitätsfahrten 
796. 

Surcouf, M. €. 794. 

Tiffandier, M. P. 
794. 

Vaulx, Comte de la 
794. 799. 

Voifin 791. 

Wallace, R.W. 794. 

Weitfahrten 795. 

Wright, Orville und 
Wilbur 791. 797. 

Beppelin, Graf 799. 

Zielfahrten 795. 


Nothilfe bein: 
glüdsfällen der 
Pferde. 


AUTEDENDE Mittel 


Autflillungämittel 
128. 

Blutungen 128. 

Gejdirrdrud 126. 

Knochenbrüche 131. 


Kolik 132. 

Lahmheit 130. 

Notwendigkeit der 
erften Hilfeleiftung 
124. 


Prießnisfher Um: 
ſchlag 126. 
Quetichungen 125. 
Satteldruck 125. 
Splintverband 129. 
Vorbeuge innerer Er: 
frantungen 133. 
Wunden 126. 
Wunden der Augen 
129. 
-— der Gelente 129. 
— der Hufe 129. 
— — Maulhohle 


je Sehnen 129. 

Wundenbehbandlung 
127. 

Wunpdenbeilung 126. 


Parforcejagd. 
ur a a 


—— für die 
Pferdezucht 86. 
Borcke, Rittmeiſter v. 


80. 
Borde-Molslom 


Borde - Stargorbt, 
Graf 79. 

Brandenftein-Hoben- 
—* Baron von 


Bronter Meute 82, 
Dewig-Milgom,v.80. 
ne Breejen, von 


illiam, Lord 84. 
lurſchaden 84. 
Friedrich Franz IV, 
Großherzog 81. 
Grabenfee, Dr. 86. 
Habberfteld, Mr. 83. 
Heyden, von 82, 
Keubell 87. 
Zehndorff » Steinert, 
Graf 79. 80. 
Malgahn = Peccatel, 
Baron v. 80. 
Meute, Brooder 82, 
Meuten, hiſtoriſche78. 
Dertzen-Coſa, von 80. 
Dergen=tibber$: 
torf, von 80. 
Dettingen, v. 85. 
Barforcejagd 78. 
— Hinterpommerfche 
79 


— in England 86. 

Barforcejagdverein, 
Zudwigäluft = Par: 
&imer 81. 

— Neubrandenburg: 
Paſewalker 80. 
Pferdezudt, Bedeu⸗ 
tung der Barforce- 
jagd für die 85. 


Schleppjagden 87. 
Schleppmeute 87. 
Sport in Rot 78. 
Vorurteile 83. 


Polo. 


Baer, U. 668. 
Droemer, Frig 668. 
Firduſi 648. 
Gymkhanaſpiele 657. 
— sProgramm 658. 
Haßberg jun. 648. 
Kilian, Oskar 659. 
Kimano 643. 
Knieſe, Fritz 668. 
Lloyd⸗Lindſay⸗Wett⸗ 
bewerb 657. 
Miller, Brüder 646. 
Polo⸗Pony 644. 
Polo = Tournament 
658, 
Pyjama>Rennen 657. 
Radfahrpolo, Ball 
664. 
— Dribbeln 662. 
— Einleitung 659. 
— Erflärung 662. 
— Rad, bad 660. 
— ‚ohne Schläger 


— Whlager 665. 
— Gpieler, der 661. 
— Gpielplag 668. 
— Epielregeln 666. 
Neady, Mc. 659. 
Reiterpolo, Ball 660. 
— Einleitung 643. 
— Erllärung 648. 
— Gang de3 Spieles 
654. 
— Kleidung 647. 
— Regeln für das 
ze ber Ponys 


— ‚Stage. Balles 


— lager 661. 

— Spieler 658. 

— Spielplatz 640. 

— Spielregeln 655. 

Rennen,arithmetijche 
657. 

Ringelſtechen 657. 

Schlangenrennen 
667. 

Steinberg, Udo 6569. 

Trainieren des Ponys 

5 


645. 

— des Spielerd 646. 
Wafferpolo, ameris 
kaniſches 677. 

— Ball 671. 

— Einleitung 668. 

— Erflärung 672. 

— Gang be3 Spieles 
4 


674. 
— Sleidung 70. 


Regifter. 


Wafferpolo. Kunfts 
fertigteiten 675. 
— Gpieler, die 673. 

— Spielfeld 669. 

— Spielregeln 676. 
Watſon, John 648. 
Wilſon, William 668. 


Radfahriport. 


Ausrüftung 565. 
Bahnrenner 562, 
Bekleidung 566. 
Bremfe 562. 
Cordang 564. 
Damenrab 560. 
Diät 566. 

DO IRREEICRUNG 


* Carl Frhr. 


Dunlop 555. 

Fahrrad im Dienfte 
des Sportmannes 
664. 

— im Dienfte ber 
Touriftit 565. 

——— kettenloſe 


—2*— 664. 
Freilauf 557. 
Gefahren des Rab» 
fahrſportes 565. 
Geſchichte 555. 
Lehr, Auguft 564. 
Mihaur 555. 
Niederrad, dad mo- 
derne 5586. 
Pneumatik 562. 
—— Prof. 
Dr. 565. 
Smuing Hauptmann 


— ‚ Graf 


564. 
Starley 666. 566. 
Straßenrenner 562. 
Tandem 561. 
Tourenräber 562. 
Weberjegung 556. 
Ventile 562. 
Verwendungb. Fahr⸗ 

rades 568. 
Zubehörteile, wid: 

tigſte 562. 
Bweifiger 561. 


Reitiport. 


Aufrichtung 48. 
Bügel 35. 
Carl of Cavan 46. 


| sn Hippiques 


Diangeiten 50, 
Dreffur des Reit: 
pferdes, Zwed 41. 

Dreffurprüfungens9. 


Einleitung 38. 
Fauftftellung 37. 
illis 42. 48, 
übrung 87. 
Galopp 39. 
Galoppiprung 51. 
Gebtrieb 42. 
Geländereiten 44. 
Geſäßhilfen 38. 
Gefundheitöpflege d. 
Pferdes 56. 
Gleichgewicht 42. 43. 
Hilfen, Zuſammen⸗ 
wirken ber 38. 
Hunt-Pointstos 
Points 46. 
Kandare 86. 
Kanbarenzügel 87. 
Kontragalopp 39. 


Kopfftelung beim 


Galopp 89. 
Kreuzbilfen 89. 
MirzasSchaffy 88. 
mounted-paper- 

bag-chase-clubs 


46. 

Papierfährte 46. 

Paraden 87. 

Pferd, Abnugen ber 
Vorband 42. 

— Anbinderiemen 
58. 

— Ernährung 52. 

— Ir hluft, Mangel 
an 5 

— itterung 52. 

_ — LESRE 


— —— 68. 
— Hinterhand 41. 
ufpflege 56. 

— Kolik 56. 

— Rötenpflege 56. 
— Krippenſetzer 53. 
— Maute, Verhü⸗ 

tung von 56. 
— Nuten 56. 
— ‚Satin, normale 


— "einigen d. Hufe 


— "huberung bes 
Kopfes 66. 

_ Scheuerftellen 56. 

— Schweiftradt 56. 

— Stallhygiene 53. 

— Gtallpflege 53. 

— —— 


— ——— 58. 
— Tränten 53. 
— Vorhand 41. 
 aferauimuyme 


Pferbebreflur 41. 

Pferdegymnaftit 41. 

Bierbeitak, dunkler 
4. 


Pferdeſtall, Einrich⸗ 
tung 64. 

Plinzner 41. 42. 48. 

Point -to-point- 
races 46. 

Point-to-point- 
Rennen 46. 

Point-to-Point zwis 
fen den Grena⸗ 
dier⸗ und Golbs 
ſtream⸗Guards 46. 

Quabrillereiten 40. 


a a 


Duiefelbein- Rennen 


Nteiten im Gelände 
44. 
Renvers 39. 
Nofenberg, General 
v 44. 
Scentelbilfen 38. 39. 
Scentellage 37. 
Schnitzeljagd 46. 
Schönbed, Major 
Aa. D. 54. 
Sit des Reiters 34. 
— oe 42, 
Spaltfig 8 
Speingtonbürrengen 


— 48. 

Stallpflege 53. 

Stal Bentilation 53. 

Stolpern 42. 

Trabtempo 51. 

re be3 Pferdes 

51. 

Trenfenzügel 37. 

Verfammlung des 
Pferdes 42. 

White-Melville 47. 
äumung 86. 
ügelhilfen 88. 

— beim Galopp 39. 


Rennfpotrt. 


Altersgewichts⸗ 
rennen 68. 
Athelftan, König 58. 
Ausgleichſsrennen 69. 
Baflewig, Graf 60. 
Bebeutung, natios 
nale 67. 
Biel⸗Zierow, Herr v. 


Capet, Hugo 58. 
Derby⸗Jahr 63. 
Einfluß a. d. Landes 

pferdezucht 60. 
Einjäge 69. 

— Entwidelung in 
Deutſchland 59. 
Salenpanen Baran 

6 


Ferdinand, Erzher⸗ 
z0g 59. 


Galoppieren nad d. 
Uhr 67. 


Gewichtsausgleichsb. 
Hahn, Graf 60. 74. 
Halbblut⸗Hindernis⸗ 
Sport 77. 
Halbblutrennen 77. 
albblut⸗Sport 77. 
albblutzucht 57. 
andikaps 69. 
Hauptjagdrennen 73. 
enckel, Graf 60. 
errenreiten 64. 
Herrenreiter, bürger: 
liche 64. 
Hindernisſport 72. 
Hürdenrennen 73. 
Jagdrennen 74. 
Jagdſprünge 74. 
Jährlingsmarkt 71. 
Jockeyrennen 73. 
Kaltblutzucht 57. 
Karl II 58. 
Konkurrenzberechti⸗ 
aung 64. 
Koften des Renn⸗ 
betriebes 70. 
Kracker, Baron 71. 
Maltzahn, Baron 60. 
Mockinländer 70. 
Dettingen, von 77. 
Dffizierfport 75. 
en Baron 


gleffen, Graf 60. 
Provinz:Sport 69. 
eu bie klaſ⸗ 
filgen 63. 
Prilfungsjahr 63. 
Reitmethode, ameri- 
kaniſche 67. 
Remontezucht 57. 
Renard, Graf 60. 
Rennen für Zwei⸗ 
jährige 62. 
Reugelder 69. 
Ba a le 


Sönelligteitöprüfng. 
Severus, Kaiſer in 
York ö8. 
Sport, tllegitimer 72. 
Start 66. 
Steeple-Chafing 74. 
Steepler 78. 
Sweepftakes 70. 
Totalifator 71. 
Trainingmetbode, 
amerilaniiche 67. 
Berlauförennen 69. 
Verlofungdrennen69. 
Vollblutzucht 57. 
— die deutſche 61. 
Barmblutzudt 57. 
Weinberg, v. 71. 
Wettverhältniffe 71. 
Zudtprüfungen 58. 
Zudtrennen 61. 


Regiſter. 


Rollſchuh⸗ 
laufen. 
Rollſchuhlaufen 262. 


Ruderſport. 


Ankauf des Ruder⸗ 
bootes 854. 
er techniſche 


Augräftung bed Ru= 
bererö 852. 
Baumeije d. Touren 
boote 348. 
Behandlung d. Boote 
855. 
Boot, Anlauf 354. 
Borrmann, Hugo 
850. 858. 
Damenrudern 366. 
Dollen 350. 
Geſchichtliches 847. 
Kleidung d. Ruderers 
862. 
Kommandos 362. 
— eines Bootes 


Raben 850. 

Pageien 350. 

Rennboote 349, 

Nennruberer 868. 

Rennſchulboote 349. 

Riemen 350. 

Rudern 357. 

— Allgemeines 856. 

Schlagmann,ber 861. 

Schwimmen lernen 
853, 

Sit, der 351. 

Stullen 360. 

Skulls 850. 

Spurt 868, 

Start 863. 

Steuerer, der 862. 

Tourenboote 348. 

Training 359. 

Vergnügungsboote 
848. 

Verbiltung von Uns 
glüdsfällen 365. 
Wanderrudern 367. 

Wettfahrtsbeſtim⸗ 
mungen 864. 
Woodgate Walter 
8568, 


Schilaufen. 


Abfahrt 224. 

Allgemeines 212. 

Aufftehen, das 226. 

ed technifche 
24 


Ausrüftung 213. 
Bu Degtoneifien 


Bergaufgefen 223. 


\ 


Bindung, die 214. 

Bogenfahren 230. 

Bremien mit dem 
Schi 228, 

— mitdem Etod 229. 

OR INBIORUNG 


allen, das 225. 

Fahrtrichtung, 
ſprungweiſes Aen⸗ 
dern 285. 

Gefahren des Hoch⸗ 
gebirges 248, 

Hilfsgeräte 216. 

Kleidung 216. 

— für Damen 217. 

Laufen in der Ebene 
222. 

Literatur 211. 

Proviant 218. 

Schi, ber 213. 
er Hodtouriften 


Sötfapren mit Pfer- 
den 237. 

— mit Segel 236. 

Schilauf im Hochs 
gebirge 288. 

Schilaufen ald Sport 
210. 


— Urfprung 209. 

Schitechnik für Hoch⸗ 
touren 242. 

— 


Sönespfugpelung 


Seitwärtäfahrenaas, 
Sprung, der 234. 
Sprungidanzen 234. 
Stehen auf Schiern 
219. 
Stemmbögen 281. 
Stemmftellung 228. 
Telemartihmwung 
232. 


Treppenjchritt 2283. 
Umdrehen, das 220. 
Vereine 211. 
Wenden, das 220. 


Wenden am Hang |’ 


221. 
Zdarsky 210. 


Schlittenporte. 
Au ums f. Rodler 


— ei Skeletonfah⸗ 
rers 233. 

Ausübung des Rodel⸗ 
ſportes 274. 

— des Skeletonſpor⸗ 
tes 286. 

Se 


— Entwielung 288, 
— Bahnen 291 


Bauart 


EEE 


Bobsleigh, -Sport, 
Ausübung 293. 
Boblett 294. 
Bremen 277. 
Entwidlung 266.267. 
Eisſchlitten 299. 
Fachausdrücke 299. 
Fußlenkung 276. 
Handlenkung 276. 
Hindernifje 278. 
SuSE Ol REN. Der 
6 


Kleidung 272. 

der Bobsleigh⸗ 
fahrer 290. 
Kjälker, Der 297. 
Anne der Rodel 


— * Bobsleighs 


— gr Steleton 285. 
Martel, Karl 280. 
Rennwolf, Der 296. 
Rodel 269. 
Rodeln, gebräud- 
lihfte 971. 
— lentbare 294. 
Rodelbahn 273. 
— „Material 270. 
— ⸗Rennen 280. 
Rziha, Dr. 280. 
Schlitten, Weſen 263 
Segelſchlitten 803. 
Skeleton, Der 281. 
— Bauart 282. 
— :Bahnen 284. 
Smith, Wilfon 288. 
Sportichlitten 264. 
— Einteilung 268. 
Toboggan 298. 
Beitnehmung a. Ske⸗ 
letonbahnen 287. 
Zweiftgigfahren 279. 


Schlittſchuh⸗ 
laufen. 


Aufbewahren des 
Schlittſchuhs 260. 

Beſtimmungen für 
Welt: u. Europa: 
Meifterfhaft im 
Kunftlaufen 260. 

— im Schnelllaufen 
269. 

Bogen 253. 

Eurti3, Mr. 
244. 262. 

Damen auf dem Eife 
2 


56. 

Dean, Miß Nellie 244. 
igurenlaufen 257. 
uchs, Gilbert 244. 

et 262. 
eſchichte 244. 

Meie yalalauien 


Gooribge 262. 


Callie 


Gruppenlaufen 258. 
Haynes, Mr. Jackſon 
244. 262. 
Kleidung 251. 
Klopftod 245. 
Leykauf, Ignaz 258. 
Paarlaufen 257. 
Potucek, J. 264. 
Rollſchuhlaufen 262. 
Salchow, U. 244. 
Schlittſchuh, Ter245. 
— für Damen 249. 
— fürfunftlauf248. 
— f. Schnellauf 246. 
— fir Touren 247. 
Sglitguhfegeln 


Shut des Kunftläu> 
fer3 258. 
— A Echnelläufers 


Hl Anfänger 262. 
Seyler, Julius 244. 
Sonntag, Henriette 


SperB, Mrs. 266. 
Tanzen 267. 
Tourenfabren 255. 
Ueberſetzer 257. 
genger, W. 244. 


Schwimmfport. 


d'Argy 878. 
Armführung nad 
Pfuel 375. 

Arm und Beintempi, 
Ueben ber 377. 
Arten ded Schwim: 

mens 382, 
Auerbadfprung 391. 
Barriereifprung 394. 
Beinftelung 876. 
Bruſtſchwimmen, 

Das 388. 
Dauerihwimmen 

395. 
Fauftbalfpiel 401. 
Flugſprung 894. 
Freifhwimmer 399. 
gubfprünge 892. 

eſchichtliches 368. 
Hedhtfprünge 891. 
Hodiprung 392. 
Kleidung 872. 
Kopfiprünge 391. 
Kriegsballipiel 401. 
Kunſtſchwimmen 400. 
Pfuel, eek von 

871. 378, 

Rauſch, Emil 871. 
Rettung Ertrinten- 

ber 896. 897. 
Rücken ſchwimmen 

386. 

Salto mortale 898. 
Scharf, Dtto 401. 
Sgrittfprünge 392. 


Regiſter. 


Schwimmen in Klei⸗ 
dern 881. 

— wann lernen 871. 

Schwimmhallen, mo⸗ 
derne deutſche 870. 

Schwimmlage 379. 

Schwimmſtellung 
374 


Schwimmuntrrricht 
378. 


Seiteſchwimmen 884. 

Selbſterlernen 880. 

Spaniſchſchwimmen 
386. 

Tauchen 887. 

Tauziehen 401. 

Tourenſchwimmen 


95. 

Tragentittel 380. 
Trudgen, Mr. 886. 
Ueberichlagen 892. 
Borfihtsmaßregeln 

in Shwimmanftals 

ten 398, 
Waſſerballſpiel 401. 
Waſſerpolo 668. 
Waſſerſpiele 401. 
Waſſerſpringen 890. 
Waſſertreten 389. 
Webbs, Kapitän 872. 
Wenden 888. 
Bygienifche 


gidifen , Generals 
leutnant v. 378. 

Wolffe, Kanalſchwim⸗ 
mer 872. 

Zählmethode d'Argy 
378. 


Segelſport. 


Abſegeln 342. 
Am Wind ſegeln 807. 
An die Boſe gehen 


818, 
Anter mit Boot aus⸗ 
bringen 321. 
— Vor A. gehen 


Ankerlicsten 820. 
Antern, auf Sprin® 
822. 


Anjegeln 340, 

Ans und Verlauf von 
Booten 846. 

— techniſche 


Außrüftung bed Boos 
tes 384. [345. 
Außerbienfiftellung 
Bau einer Jacht 801. 
Beidrehen 311. 
en 818. 
Beſchädigungen 827. 
Bd auf See 316. 


a die Bd. gehen 


Bootämannsinven= 
tar 834, 
Bootstypen 302, 
Brüche 827. 
Bubble 301. 
Catboot 302. 
Dingy 302. 
Eisjachtfegeln 808. 
en 800. 
Geſchleppt werben 
324. 


‚Gig 802. 


Gregor, Mac 302. 

Halfen 810. 

— bei Seegang 3185. 

Herreshoff 802, 

Souari 808. 

Jachttypen 802. 

Sindienftftelen bed 
Bootes 836, 

Kanoe 302. 

Ktelholen 326. 

Kiels oder Schwerts- 
boot 801. 

Kleidung d. Beſitzers 
und der Manns 
fchaft 838. 

Kompaß 380. 

Koften eines Bootes 
846. 

Kreuzen 810. 

Kutter 802. 

Legerwall, Auf 819. 

Lenzen 817. 

Zoggen 882. 

Lot, Das 381. 

Mann über Borb 8256. 

Mannſchaft, Ans 
mufterung 837. 

Matrofen 837. 

Navigation 828. 

Reefen 309. 

Regeln f. Wettſegeln 
848. 


Nennen 341. 
Schleppen 823. 824. 
Schonerjachten 802. 
Schmerts ober Kiel⸗ 
boot (?) 301. 
Seetarten 329. 
Seemannſchaft 814. 
a „Berechnung 
80 


Segelabſetzen 806. 

Segelkunſt, Grund⸗ 
regeln 304. 

Segeln, Am Wind 
807. 


— u dem Wind 

— 306. 

Sloop 802. 

Sprietboote 802. 

Start 8341. 

Steuermanndinvens 
tar 884, 


Südſeeboote 802. 


Tourenfegeln 888. 


Vermeſſen der Boote 
839. 
STPESDIRDELEFING 


Berfigerung f. Jach⸗ 


Kor Anter ‚geben 812. 

Bor dem Binb fegeln 
808. 

Wenden 810. 

— bei Seegang 315. 

Wettfegeln 839. 

— Regeln 343. 

Wilhelm II, Kaiſer 
800. 

Rinterlager 345. 
Wörterbuch, fegel: 
ſportliches 846. 

Yalws 302. 
Zimmermanns- 
inventar 834. 


Sport, Begriff, 
Entwidlung u. 
Bedeutung. 


Alkohol u. Sport 22. 
Alpinismus, Wer: 
tung 28. 
Amateur 8. 
Angelfport, Wert 28. 
Auswüchſe 26. 
Baud, ber 17. 
Bebeutung 2. 
Begriff 1. [82. 
Bergiport, Wertung 
Bismard 15. 
Byyantinismus 15. 
Garlyle 7. 
Edarbt, F. 2. 
Eigenſchaften 3. Aus» 
übung 9. 
Entwidlung bed 
Sports 8. 
Sahriport, Wertung 


Silgereifont, Bert 


Geigieliteit 9. 

Geſchlecht, ſchönes u. 
Sport 10. 

Gefeigel u. Sport 


Gefunbpet u. Sport 


—8 12. 18. 20. 
Grieden 8. 17. 
Burlitt,2.12.18.15. 
GymnaſtiſcheSſSports, 
Wert 28. 
Haushofer, M. 7. 
Herbart, J. 5. 12. 
Hüppe, Prof. 3. 
Jagd, Wertung 28. 
Jugenderziehung 13. 
Kameradſchaft und 
Sport 21. 


Kemeny, %. 13. 21. 
Koch, Prof. 8.29.31. 
Körperkultur, Ders 
ftändnis für 17. 
Körperfchönheit der 
Frau 17. 
Kraft 9. 
2er Heinze 20. 
Zonbon 29. 
Lorenz, Dr. 80. 
Mancheſter 29. 
Mannhardt, ©. 20. 
Münden 29. 
NRervofität 14. 
Nietzſche 2, 20. 
Perbefport, Bertung 


Sie, "Dr. 19. 2. 
Brofeifional 8. 
Pudor, Dr. 9. 31. 
Rad, 9. 11. 
Radſport, Wert 28. 
Rennfport, Wertung 
28. 
Römer 3. 
Roosevelt 14. 
Ruderſport, Wert 28. 
Ruskin 13. 19. 
Saale: und Sport 


Schopenhauer 2. 5. 
16. 
Segeipont, Wertung 


Speffters 29. 

Simmel, Prof. 28. 

Spezialiftentum 8. 

Sport 13. 

— ald Mode 24. 

— ala Sieg 5. 

— als Wettbewerb 5. 

— als Wille zur 
Madt 6. 

— das Wort 3. 

— ſoziale Bedeutung 
29. 


— und Alkohol 22. 

— und Autorität 15. 

— und Beruf 1%. 

— und Byzantinis- 
mus 15. 

— und Charakter 10. 
13, 

— und Ebre 16. 

— ımb Gefahr 7. 

— und Gemüt 11. 

— und Geſchlecht, 
ſchönes 19. 

— u. Geſelligkeit 21. 


Regiffer. 


Sport u. ®efundbeit a Bal- 
12. 


— und Jugenberzie- 
bung 13. [21. 
— u. Kameradſchaft 
— u. Rarilatur 25. 
— u. Koedukation 19. 
-- und Körperkultur 
13. 17. [80. 
— u. flriegervereine 
unb Sunft 18. 
und Mobe 28. 
und Priüderie 20. 
und Schönheit 17. 
und Schule 18. 
und Sprade 27. 
und Volksſitte 81. 
und Wehrfraft 30. 
— Wertungder ver: 
ſchiedenen Sport3 
— Bmed, 2. [28. 
Sportloftüm 23. 
Sportausdriide und 
Sprade 27. 
Sportipiele, Wert 28. 
Steiniger, 9. 6. 10. 
16. 


Sydow, v. 14. 

Wagner, R. 31. 

Wertung der ver« 
— Sports 


ae; Dr. 12. 
Zuntz, Prof. 1. 


Sport, Baft- 
pflicht und Der- 
ficherungs= 
weſen. 


Fahrläſſigkeit 869. 

Gefahren des Sports 
868. 

Haftpflicht 860. 

Haftung des Tier- 
Balter3 871. 

— von Vereinen 869. 

Kraftfahrzeuge 870. 

Verfiherung 872. 

Zwangsverſicherung 
872. 


Sportphoto- 


graphie. 
Begriff 800. 


Irmenbach, Dr. ©. 


801. 


lons aud 804. 
— Hochgebirge 


— nur der Reife 808. 
— d. Rennbahn 802. 
— bed Spielplages 


— beim Binterfport 
806. 

Plaltenwechſel 803, 

Schutz vor Staub u. 
Näſſe 803. 

Tropenkonftruftion 
808. 

— der Plat⸗ 


— 803. 
weck 800. 


Traberſport. 


Bedeutung 111. 

— ſoziale 122. 

Betrieb, techniſcher, 
der Trabrennen 
116. 

Bismarck, Graf Au⸗ 
guſt 121. 

Bruce⸗Lowes 119. 

Felſing, Herr 111. 

Herrenfahren 128. 

Möffinger, W. 111. 

Nordamerita 113. 

Drlomtraber 118. 

Drlow:Tihesmensti, 
Graf 118. 

v. Dettingen, Laub: 
ftallmeifter 113. 

Salm, Prinz 128. 

Schmidt, C. 112. 

Traberſport, Rekord 
112. 

— — Bedeutung 


— Neritaniſcher 
113. 

— auf d. Kontinent 
117. 

— auf dem Eiſe 
118. 

— deutſcher 120. 

— in Frankreich 119. 


Traberzudt 114. 
— in Deutfchland 
121. 





Trainierbahnen 115. 
Training d. Trabers 
115. 


Turnſport. 


Barren 578. 
Bafedow, oh. Bern- 
bard 571. 
Bod 578. 
Entwiding i. Deutſch⸗ 
land 571. 
hear 580. 
eiilbungen 576. 
Germanien 570. 
Geichichtliches 566. 
Griechenland 568. 
Guts-⸗Muths, Joh. 
Chr. Fr. 571. 
— tie, ſchwed. 
679. 


Handgeräteübungen 
677. 

Hantel 577. 

Hausgymnaſtik 576. 

Herodot 567. 

Jahn, Friedr. Ludw. 
671. 


Keule 577. 

Kletterfiangen 578. 

Klettertau 678. 

Kürturnen 574. 

Reiter 578. 

Ling, Per Hendrik 
679 


Drbnungsübungen 
675. 

Perſien 567. 

Pferd 578. 

Ned 578. 

Röm. Reich 569, 

Rübl, Dr. 568. 

Schaufelringe 578. 

Schulturnen 673, 

Schulge-Naumburg, 
Paul 580. 

Schmwebebaum 578. 

Schwed. Gymnaftit 
579. 

Sparta 568. 

Stab 677. 

Trapez 578. 

Zurnerihaft, Deut: 
de 574. 

Vieth, Gerh. Ulrich 
Anton 571. 

Volksturnen 574. 

Zweck 572. 


"wm — ei sat te A I ar ET a a 5 An nt ri 7 > 


Stuttge | 


> . 








Derlag von W. Spemann in Berlin & 








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Spemunns Alpen-Kulender | Spemanns Kunst-Ralender © 
der ſeit 1906 erjcheint, ijt nicht nur für | der feit 1903 erfcheint, gilt als eine R 
Bergjteiger, Sportsfreunde und Tourijten tägliche Kunfjtgejhichte, die ihrer Billig- 





bejtimmt, fondern u — een —— — 
eutſchen Familie aufgenommen werden 
für Jeden, der die ſollte. Der Kunft-Kalender bringt für den 
jchönen Berge liebt, äußerjt a * nur 
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Erlebnifie und Taten der 


geographiihen Forſcher 
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und Umſchlag, ſowie zahl- © 
reichen Tertillujtrationen. 


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Wenn diejes, jpeziell für die reifere 
Jugend, aber auch für alle Gebildeten 
bejtimmte Buch dazu beiträgt, das 
Interefje für die Erforfchung des Ed» IF 
balls und ihre Pioniere zu fördern ' "7 

, und den Sweck der Belohnung mit 77 

' dem Reize der Unterhaltung zu Der- 
binden, dann ift jeine Aufgabe erfüllt. 


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rer 














*7 *7 æ7 27 Mas ilt und bietet 





Plan. 


Bedürfnis. 


Spemanns Pauskunde verfolgt den Plan, in 
einer Reihe von 3uverläfligen Handbücern alle Ge- 
biete der Milfenfchaft und Kunft wie des praktifchen 
Lebens dem täglichen Bedürfnis der deutfchen Familie 
zugänglib zu mahen. ee een ee 


Der moderne Menſch hat keine Zeit, fih in dick— 
leibige Spezialwerke zu vertiefen. Was er braucht, 


find Bücher, die ihm das Wilfenswerte in knapper 


Mitarbeiter. 


Arbeits- 
teilung. 


Redaktion. 


Gründlich- 
keit, 


form vorgetragen, interellant und geichmadkvoll 
arrangiert bieten. aaa ea aaa aaa a 


Der Herausgeber verband fih zu diefem Zweck mit 
einer Anzahl von Schrüftitellern, deren willenfchaft- 
licher Ruf und litterarifhe Vorzüge Bürgfchaft für eine 
allfeitig vollendete Durchführung feines Plans boten. 


Nadh dem bewährten Prinzip der Arbeitsteilung 
überweilt er jedem Mitarbeiter den feinen fähigkeiten 
am beiten entiprebenden Abfcnitt des Werkes. 
Dur in wenigen fällen ift ein ganzer Band einem 
Mitarbeiter übertragen worden.«aaaaea ee 

* 

Ein Unternehmen, dem ſo viele Köpfe dienen, 
bedarf einer umfichtigen redaktionellen Leitung, die 
die Taufende von Fäden geſchickt ineinander webt 
und für den harmoniſchen Einklang zwiſchen allen 
Teilen fort. aaa aaa ern ge 


Ohne Gründlidhkeit und Zuverläffigkeit kein 
nachhaltiger Erfolg! Der Herausgeber hat daber, 
aus den’ Erfahrungen einer dreißigjährigen publi- 
ziftifchen Thätigkeit [höpfend, beide Gigenfchaften zur 
Bauptbedingung gemadt. a aaa suasuea ee. 


26 26 26 26 Bisher erſchienen fießen Wände von Spemanns 


a — 





Spemanns Dauskunde? Lu ER Er. 


Trockene Gelehrfamkeit mit reizlofer Anbäufung Darfltellungs- 
von Daten ilt bei Büchern, die im guten Sinne populär weile. 
fein wollen, nicht am Platz. Unfere Bücher follen bei 
aller Gründlichkeit doch eine angenehme Lektüre fein. 


Das beite Buh bat einen empfindlichen fehler, Ueberficht- 
wenn es nicht überlichtlih ift. Wer ein Buh zur lichkeit. 
Band nimmt, muß das Gefuchte fofort finden können. 

Unfere Bücher zeichnen fih durdh ein hödhlt praktifches 
Syltem der Stoffordnung aus. «ea aaa a 4 


Deben gut gewählten, inftruktiven Abbildungen “Jllultration. 
bringen unfere Bücher eine große Menge von Porträts 
lowohl aus der Vergangenheit wie aus der Gegenwart 
und beleben: dadurch den Text in [ehr anfprechender 


Teile. ee aaa an 4 0 4 


Solche Bücher mülfen handlich fein, um praktib format, 
su fein. Man muß fie ohne Ulmftändlichkeit überall 
hinitellen können: auf den Schreibtilh, das Paneel, 
das Piano u. |. w. Das format entfpridht dem 
‚diefes Profpekts. ae a a ee a ae ae 4 4 4 


Wir haben uns mit Aufbietung aller typogra- Zwech- 
philhen und fonftigen Mittel bemüht, mit jedem mäffigkeit. 
Bande gewiffermaßen ein kleines budhtechnifches Kımft- 
tük zu liefern, und freuen uns über die allfeitige 
Anerkennung des Erfolgs. ee a aaa a a 


ir legen wie immer hoben Wert darauf, ds FAeufferes. 
Heußere unferer Bücher reizvoll zu geltalten, und lallen 
die Einbanddeken von den tüdhtigiten Künltlern ent- 
werfen. Der farbige Grundton aller Einbände ilt 
ein zartes ol. e ee ee aa A A 4 


Bauskunde. » Die Sammlung wird fortgefegt, a sa ser ae 


sen. 





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vier von Dr. Karl Grunsky. 
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wig Salomon. 


I DasTbheater: Gefchichte desCheaters, 


Die dramatifche Technik. Von Dr. 
Robert Beffen. 


Das Buch: Wie ein Buch entlteht, 
Die Dausbibliothek. Von Victor 
Ottmann. 


Schriftfteller und Schriftltellcrei. 
. Von Dr. Ludwig Salomon. 


Schriftfteller der Gegenwart. Circa 
600 Biographien und Charakteriltiken 
mit 300 Porträts von Victor Ott- 
mann. 


Cefen und Bildung, Aphorismen. 














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- Wolf Graf von Baudilfin 


gebunden 6 Mark. 


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Inhalt: »® 


Vorwort Euf Reifen. Wie wir reifen foilen. 
Einleitung. Begriff der Sitte. Bade- und Vergnügungsreifen. Jm 


Hotel. Das Leben an Bord. An der 
Table d’höte. Unfer Verhalten im 
- Ausland. Andere Länder, andere 


Das Baus und feine Bewohner. 
Unfer Heim. Häusliche Toilette. Häus- 
liche Kunftpflege, Bücher und Lieb- 


kabereien. Das eigne Haus. Unjere Sitten. _ 

Dienftboten. Unfere Kinder. Die Kinderltube. Baus 
Unfere Gelelligkeit. Gefellfchaften im | _ und Schule. Die Zukunft der Kinder. 

eignen Haus. Das Benehmen in der Die verfchiedenen Berufsarten. 


Gefelljchaft. Gefellfchafts-Toilette. Wie 
benehme ih mich als Galt? Leben 
auf dem Lande. 
Am Schreibtifch. Unfere Korrefpondenz. 
Husserbalb des Paufes. Auf der 
Straße. Befuche. Im Reltaurant. Im 
Theater, Konzert, Mufeum etc. 
felte und Greigmitie in der familie. Ebrenbändel. 
Die Ehe. Die Verlobung. Die Hoch— : . 
zeit. Sonftige Felte. Geburt, Taufe Adel und Beraldik, Orden. 
und Konfirmation. Todesfälle. Die | Das Leben am Bofe. Die Bofrang- 
Krankenftube. ordnung. 
Der Redner. | Aphorismen. 
| DEE Ein Buch voll gefunden Bumors und köftlicher Lebensweisbeit, 
launig und witzig, nicht zu vergleichen mit den faden Komplimentier- 
büchern landläufiger Art! 


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ftebende Mädchen. Der Junggefelle. 
Oekonomilches. Das liebe Geld! Mieter 
und Vermieter. Einkäufe. und Be- 
forgungen. 

Noble Pallionen. Pferde- und Wagen- 
Iport. Am grünen Tiſch. 


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Cheaters. 


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800 Seiten mit zahlreichen 
Illuſtrationen und Porträts. 


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gebunden 6 Mark. 
Porträtprobe: Karl Wiene 


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5 Inhalt: 9% 
Vorwort und Einleitung. | Das Theaterkoftüm und feine ©c- 
Gelfchichte des Theaters und der, ſchichte. Von Dr. Rudolph Gente. 
Schaufpielkunft. Von Dr. Robert Tbeorie und Praxis in der Schau- 
Heilen. | fpielkunft. Von ErnitvonPBoflart. 
Rlaffifche Dramaturgie. Von Dr. Ro- Die Bübnenkünftler der Gegenwart. 
bert Heffen. ' Biographien und Charakteriltiken mit 
Moderne Dramaturgie. Von Dr. Ro-| a. 200 Porträts. Von Eugen Zabel. 
bert Beffen. Die moderne Tbeaterkritik und ihre 
Gefchichte derOperinibrer dramatifhen Vertreter. Von Eugen Zabel. 
Bedeutung. Von Dr. Rudolphöende. Wie entfteht einDrama? Vom Schreib- 
Gelchichte des Balletts. Von Gott- tiſch bis zum Rampenlidt. Von Dr. 








hilf Meistftein. ' Paul Lindau. 

Gefchichte der Zauberpoffen. Von Das litterarifche Variete. Von Victor 
Sotthilf Weistftein. |  Ottmann. 

Die kleinen dramatilchen Künfte. Yon Gelchichte des Theaterzettels. Von 
Sotthilf Weiskein. | Sottbilf MWeisttein. 

Praxis des Bühnenwelens. Von Das Paustheater. 


Max Grube. , 
Zugang und Vorbereitung zur Büh- — aus dramaturgiſchen 
nenlaufbahn. Von Max Grube ı _ erken. > 
Gefchichte der Bühneneinrichtungen, Bibliographie. 
der Theatergebäude und Deko- Erklärung tbeatralifcher Fachaus- 
rationen. VonDr.Rudolpbh6ente. | drücke. 





Spemanns Dauskunde 
iſt zu beziehen durch die meiften Buch-, Kunft- und Mufikalienbandlungen. 


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SSOSSS Spemanns Hauskunde. Band VI. 898088 


Spemanns 


@sidenes Buch 


der 


Gesundheit. 


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800 Seiten mit zahlreichen 
Porträts. 


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Gebunden 6 Mark. 


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Beh.-Rat Prof. Franz v. Winckel. 


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Der Menfch in der Naturgefchichte. 
Von Wilhelm Bölfce. 
Beziehungen der Hnatomie zur 
Pygiene. Von Dr. Robert Beffen. 
Der Chemismus des menfchlichen 
Körpers. Von Dr. Hlbu. 
Stoffwechlel. VonDr.Robert BHeffen. 
Ernährung. Von Dr. Robert Heffen. 
Verdauung. Von Dr. Robert Helfen. 


Die geiltigen Getränke. Von Dr. 
Wilhelm Bode. 
Kaffee, Tee und Tabak. Von Dr. 


Robert Beffen. 

Wachstum u. Abfterben des menlch- 
licben Körpers. Von Prof. Ber- 
mann Rlaatſch. 

Arbeit. und Mulse. Von Med.-Rat Dr. 
Dornblüthb fen. | 
Die Verfchiedenbeit der Gefchlechter. 

Von Dr. Robert Heffen. . 

Pygiene der Baut. Von Dr. Robert 


Helfen. ; 

Daare und Nägel. Von Dr. Robert 
Beffen. 

Erkältung und Hbbärtung. Von Dr. 
Robert Heffen. 

Pygiene desBadens. Von Dr. Robert 


Helfen. 

Pygiene der Kleidung. Von Dr. Ro- 
bert Beffen. 

Pygiene der Wohnung. 
Dornblütb fen. 

Pygiene der Bewegungsorgane 
(Sport). Von Dr. Robert Heffen. 


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Die Schönheit als Lobn der Bygiene. 
von Dr. Robert Bellen. 

Pygiene. des Kinderzimmers. Von 

- Dr. Oskar Schaeffer. 

Schulbygiene. Von Dr. Julian Mar- 


cufe. 

Pygiene der Pubertät. Von Dr. Ro- 
bert Heffen. 

Pygiene der Schwangerlchaft und 
des Wochenbetts einfchließlich der 
Neugeborenenpflege. Von Dr. Oskar 
Schaeffer. 

Dygiene des Huges. Von Dr.Robert 


Helfen. ’ 
Pygiene desObres, derNafe und des 
Keblkopfes. Von Dr. HB. Baike. 
Pygiene der Zähne und des Mundes. 
Von Dr. C. Röfe. 

Pygiene des Gefühls- und Gemüts- 
lebens. Von Dr. Otto Dornblüth. 

Pygiene des Schlafs. Von Dr. Ro- 
bert Heffen. 

Pygiene der anfteckenden Krank- 
beiten. Von Dr. Julian Marcuje. 

Klimatifchbe Kurorte. Von Dr. h. 
Reimer. 

An der Schwelle der Krankbeit. Von 
Dr. Robert Helfen. 

Die erften Bilfen. Von Dr. Robert 
Beffen. J 

Die Pelfer. 

Die Gefchichte der Hygiene. Von Dr. 
Julian Marcufe. ı 


Pygienifche Hphorismen. Von Dr. 


Julian Marcufe. 





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Goldenes Buch 


vom 
Eignen Heim. 

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Ein ſtarker Band von circa 


800 Seiten mit zahlreichen 
Jlluftrationen und Porträts. 


5 
Gebunden 6 Mark. 


27 | 








Paul Wallot. 


95 Inhalt: sw 


I. 


en Bürgerliche Bauweile. Von Prof. 
* $rit3 Shumacher. 


'2. Der moderneBausbau.VYonLam- 
bert & Stahl. 


3. Die innere Einrichtung des 

Hauſes (Wobn-, Gelellfchafts- 
und Wlirt[chaftsräume). Von 
Direktor Dr. Rihard Graul und 
Lambert & Stabl. 


4. ZurHelthetik der Wohnung.Von 
Dr. Ernlt Shwedeler-Meyer. 


5. Raumwirkung und Raumffim- 
mung. Dekoration der Wand, 
der Diele, der Decke. Von Dr. 
Erih Haenel. 


6. Das Mobiliar. Von Profelfor Dr. 
Alfred Gotthold Meyer. 


r. Beleuchtungs- und Heizkörper. 
Von Dr. Hdolf Brüning. 
Krankbeiten im Baufe und deren 
Hbwebr. Von Dr.Galton Graul. 


‚Das Krankenzimmer. Von Dr. 
Galton Graul. 


Sartenarchitektur. Von Lam- 
rert & Stahl. 


. Entwicklung der Bauformen. 
Von Dr. $r. J. Hofmann. 

2. Gelchichte der Baultile. Von 
Dr. $r. J. Hofmann. 

3. Das Wohnhaus der Antike. 
Von Dr. Srich Pernice. 

4. Das mittelalterliche Baus. Von 
Prof. Dr. Hlfr.Gotthold Meyer. 

5. Das Baus der Renailfance. Von 

6 


Prof. Dr. Hlfr.SottholdMeyer. 

. Schlofs und Hotel in frankreich. 

Von Direktor Dr. Rihard Graul. 

7. Raufmannsbaus und Kaufhaus 

in ibrer baulichen Entwicklung. 
Von Dr. Hlbreht-Kurzwelly. 


8. Die Grundformen des Bauern- 


haufes.VonDr.Albr.Kurzwelly. 

9. Das Bauernhaus in Bayern. 
Von Dr. Pbil. Mm. Balm. 

10. Das Bauernhaus in Schleswig- 
Holftein. Von WilhelmSköler- 
mann. 

11. Das englifche Einfamilienhaus. 
Von Wilh. freiherr v. Tettau. 
Quellenverzeichnis der Illuſtra- 

tionen. 1m 


DeutfcheBaukünftler d.Gegenwart. 
Mit ca. ı80 Porträts. Von Dr. Felix 
Becker und Dr. Srich Haenel. 


5° Regilter. 


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Wo wahre Jäge — 
Da iſt es wohlbeſtellt! 
Gottfr. Bürger. 
* 


Nur das edle Jägerleben, 


* find, 


| > .Jft mit lauter. Luft umgeben! 


Jägerlied. 


Des Pferdes Gemüt 


Seugt von des Rnechtes Geblüt, 


Bauernregel. 
* 


ein Pferd und Rind 
t mit Weib und Kind. 


Bauernregel. 


k Wer pla 
A hälts [le 
* 

rt Pflege dein Pferd wie einen 


reund, 
#* Aber teite es wie einen Seind. 
& Bauernregel. 


4 Was nüßte mir der Er Erde 
Geld 


ft Kein kranker Menſch genießt die 
Welt. Goethe. 
* 


Ah Krank jein ift oft nichts 
anderes, als jhwad im Wollen 


O. 
* v. Leirner, 


* Der Kranke jpart nichts als 
die Schuhe. Sprichwort. 


d Wer niemals w 
vVollbringt ‚kein 
* 


A Was brin ? 
Sid, w Ar She 


* 
nie 


eiſterſtück. 
Ernſt Raupach. 


ein Spiel 


R Immer Arbeit 
RU: en 


er Charakter einer Nation 
—— ſich nirgends aufrichtiger 
ab, als in ihren Spielen, 
Keine Deränderung in diejen, 
die nicht entweder die Dorbe- 
reitung oder die Folge einer 
Deränderung in ihren ſittlichen 
oder politilchen Zulländm wäre, 

* M. Wieland. 


Die — ſtellt der Ciſt 
ſich klug entgegen. 6oethe. 
+ 


Man wendet jeine Seit immer 


gut auf eine Arbeit, * uns 
tãglich ein Sortihritt in der 
Ausbildung abnötigt. 
* 
Talent ift angeboren, 
Doch g’nügt zur Kunjt es nicht. 
Elifabeth 


Kulmann, 
* 


Man muß leije und kalt : 
innen * einen Atem, 


e 
raftfülle b * Entj jdei 


dung und Dollendung 
Werkes aufjparen. 


* 


Wer allzu jtraff die Segeltaue 

annt und niemals jchiegen eh 
er kentert bald und mag, den 

Kiel nad oben, weiterjegeln. 


Sophokles, 
* 


ri A —— der 


In ee 


Wer Gro 
zuſamment 


es muß fie 
en. Goethe. 

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Der Geiſt aus dem wir R 
| deln, ift das he — 








| HARVARD-COLLEGE:LIBRARTY | 
GIFT-OF | 
DANIEL: B FEARING 


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| THIS-BOoK-IS-NOT-TO-BE-SOLD-OR-EXCHANGED || 
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