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Digitized by Google
Ei — — —
—
Technologiſche
Encyklopaͤdie
oder
alphabetiſches Handbuch
der
Technologie, der techniſchen Chemie und des
Maſchinenweſens.
Zum Gebrauche
für ’
Kameraliften, Ökonomen, Künftler, Rabrifanten
und Gewerbtreibende jeder Art.
Herausgegeben rauen
IM
3ot. Jos Brer ti,
—
2.2.2.8. wirft. ae pearl und Direktor des P. F. polytechniſchen Inftitutes in
Wien, Mitgliede der f. f. Landwirthichaftss Gefellfchaften in Wien, Grätz und Laibach,
der E. k. Seſellſchaft des Aderbaues, der Naturs und Landesfunde in Brünn, der
GSeſellſchaft Für Raturwiffenfchaft und Heilkunde ! Heidelberg ; (Shrenmitgliede der
Akademie des Aderbaues, des Handels und der Künfte ın Berona ; Porrefpond Mits
gliede der königl. Baier. Ufademie der Wiffenfchaften, der Sefellfchaft zur Beforderung
der nüglichen Künſte und ihrer Hülfswiffenfchaften zu Frankfurt am Main; auswär⸗
tigem Mitgliede des polgtechnifcken Vereins für Batern; ordentl. Mitgliede der Geſell⸗
zur rderung der gefammten Naturwiffenfchaft au Marburg und des lands
wirtpfcheftlichen Vereines des Srofiperzogtbumes Baden; Shrenmitgliede des Vereins
für Beförderung des Sewerbfleißes in Preußen, der ofonomifchen Geſellſchaft im
Königreihe Sachſen, der märkifhen ofonomifchen Geſellſchaft zu Potsdam, der allges
meinen ſchweizeriſchen Geſellſchaft für die men Naturmiffenfchaften, und
des Mpothekers Vereines im Großherzogthume Baden.
2 a
—
. Erſter Band.
Abdampfen — Baumwollzeuge.
Mit den Kupfertafeln ı bis 19.
Im Berlage der 3%. ©. Evttafhen Buhhandlung.
Wien, Bei Carl Gerold.
Erg 38,30
166] So. 78:
€ Tr nur Drssıel,
— BE. PRZ
Gedruckt bei Earl Gerold
in Wien.
—— —
n
Borrede
Da Umfang des Werkes, von welchem hier der erſte
Band dem Publikum übergeben wird, ſoll 10 bis 12 Bände
betragen. Es wird in dieſer Form ein technologiſches Handbuch
darſtellen, das zum Nachſchlagen, zum Unterrichte und zur
Ueberſicht für Jeden dient, der ſich uͤber irgend einen Gegen⸗
ſtand der techniſchen Kuͤnſte in irgend einer Beziehung beleh⸗
ven will, und deſſen Anſchaffung durch die Vertheilung der "
Ausgabe auf mehrere Fahre und durch den billigen Preis,
den die Verlagshandlung gefeßt hat, auch dem lUnbemittels
teren nicht fchwer wird, Man hat diefen Umfang für noth-
wendig, und für den möglid) leinften gehalten, um die uns
geheure Maffe von Gegenftänden und Thatfachen, welche die
chemiſchen und mechanifchen Zweige der Technologie in fich
faſſen, mit derjenigen Vollftändigfeit und Gruͤndlichkeit dar⸗
zuftellen, daß nicht etwa eine bloß hiftorifche Weberficht der
Berfahrungsarten (die weder ben Theoretiker und wiffenfchaft-
lich Gebildeten, noch den Praktiker befriedigt) gegeben, fon»
dern eine, zwar gedrängte, aber felbft in praßtifcher Beziehung
IV
hinreichende , dabei gehörig begründete Darftellung jedes ein-
zelnen Gegenftandes nach feiner gegenwärtigen Befchaffenheit
und Ausbildung geliefert werde.
Um bei dem befehränkten Raume die leßtere Bedingung
zu erfüllen ‚ war es nöthig, die einem gewöhnlichen Wörter
buche eigenen häufigeren Nachweifungen von einer Sache auf _
die andere, und das Zerfpalten von Gegenftänden, die ihrer
Natur nach zufammengehören, in viele einzelne Artikel, und
dadurch Wiederhohlungen und Zurückführungen auf dieſelben
Gründe moͤglichſt zu vermeiden; Daher in ber Regel nur groͤ⸗
Bere und umfaflendere, nach gehöriger Ueberlegung ausge
wählte Artikel zu geben. Zur Vermeidung der aus diefer
Anordnung entfpringenden Schwierigkeit in der Auffindung
einzelner Notizen und Worserflärungen wird dein Ganzen in
Form eines Negifters ein Wörterbuch der technifchen Kunſt⸗
ausdrüde angehängt, in welchem fich auf die bereitö in dem
Werke felbft gegebenen Erklärungen, die dort mit der ver
wandten Sache im Zufammenhange vorfommen, bezogen
wird, Diefes Negifter wird auch Erklärungen von fol
hen Wörtern oder.Sadhen enthalten, die gelegenheitlich im
Werke felbft nicht vorgekommen find, und zu Burg oder
zu wenig wichtig waren, um als eigene Artikel behandelt
zu werden,
Das vorliegende Werk ift fonach ein fechnologifches Hand⸗
buch in alphabetiſcher Ordnung, deſſen Zwed die gründliche
Darſtellung der Sache ifi; keineswegs aber ein technologifches
Lexikon, deffen Hauptzweck in der Erflärung der Wörter. he
fieht, und in welchem daher, wie in Jacobs ſon's und Pop
pe's Wörterbüchern, alle mehr oder weniger gebräuchlichen,
zum Theil auch veraltete oder nur in einzelnen Orten und Pror
vinzen befannte, auf die Ausübung der Künfte ſich beziehende
Ausdrüde und deren Synonyme, ja felbft auch ſolche, deren
Bedeutung ohnehin allgemein befannt ift, als einzelne Artikel
behandelt werden, Durch die Befeitigung diefer lexikographi⸗
ſchen Eigenheit hat man für die Sache felbft bedeutend am
Raum geivonnen, indem bie wahren technifchen Kunftaus«
drüde in der zufammenhängenden Befchreibung der Sache
felbft ohnehin vorkommen, und fich hier ihre Erklärung viel
fürzer und dabei vollfländiger und deutlicher ergibt, als in
fpeziellen Artikeln, die nur eine Wiederhohlung bes ander-
waͤrts gefagten oder zu fagenden feyn können. Das Negifter
aber wird, wie gefagt, ein Wörterbuch der Kunſtaus⸗
drücke vorftellen, und das Nachfchlagen jedes einzelnen,
auch noch fo untergeordneten Gegenftandes möglichft erleiche
teen. In dem Texte find alle jene Worte durchſchoſſen ge-
druckt, welche eigene Artikel des Regiſters oder des Wörter:
buchs ausmachen,
Die Haupttendenz des Werkes ift praktiſch. Willen
ſchaftliche Begründung iſt jedoch dabei nicht ausgefhloffen,
vielmehr mit Sorgfalt berückſichtigt; denn nur diefe bringt in
VI
viele Begenftände diejenige Einfachheit und Ueberficht, und
vereinigt mannigfach Zerftreutes zum gleichartigen Ganzen in
der Art, daß davon auf wenigen Blaͤttern im Weſentlichen
eben ſo viel geſagt werden kann, wie außerdem durch kompi⸗
latoriſche Zuſannnenhaͤufung auf eben ſo viel Bogen. Ueber⸗
dem iſt, mag man ſonſt auch noch ſo viel von dem großen
Antheile ſprechen, welchen Vervollkommnungen der Künſte dem
Zufalle verdanken, ſo viel gewiß, daß nur wiſſenſchaftliche
Einſicht in die Gründe der techniſchen Verfahrungsarten Klar⸗
heit in die praktiſche Behandlung und Beſtaͤndigkeit in den
Erfolg bringt, und daß eine weſentliche Vervollkommnung in
manchen Künſten nicht ſowohl in der Entdeckung neuer Ver⸗
fahrungsarten, als eben in der Sicherheit und Beſtändigkeit
des Erfolges liege‘, welche in der Negel nur a die Sn hf
der Gründe erhalten werben koͤnnen.
Nein wiffenfchaftliche Artikel, wie fie in ähnliche Hands
bücher für naturhiſtoriſche, phyſiſche, chemifche und mecha⸗
niſche Wiffenfchaften gehören, find in diefem Werke vermie-
ben, weil die Nefultate der theoretiſchen Unterfuchungen bei
denjenigen Gegenftänden vorkommen, zu denen fie gehören.
Doch hat man in diefem Bande einen Artikel über die chemi⸗
ſchen Aequivalente und eine Tafel derfelben aufgenommen,
weil eine folche Tafel die Erfahrungs « Nefultate der theoretis
fhen Chemie umfaßt, durch diefelbe daher eine Menge Nach⸗
mweifungen über die Zufammenfegung der Körper im Ver⸗
vu
laufe des Werkes erfpart werben ‚ und weil die Anwendung
derfelben dem technifchen Chemifer bei den Zerfeßungen und
Zufammenfeßungen ; die er vornimmt, unentbehrlich ift,
| Diefelbe Befchränfung auf den rein technifchen und prafa
tifchen Zweck dieſes Handbuches, ohne welche die zweckmaͤßige
Behandlung der Gegenſtände in dem angenommenen Raume
nicht möglich wäre, enthält auch den Grund, daß den ver-
fhiedenen Naturproduften, welche, ohne durch Arbeit eine
Umftaltung oder Zurichtung erhalten zu haben, ald Waaren
und Materialien zur Fabrikation im Handel vorfommen, in
diefem Werke Feine eigenen Artikel gewidmet find, indem dies
felben als Materialien da zur Sprache fommen, wo ihre
Anwendung für einen oder den andern Zwed eintritt.
Naturgefchichte, Phyſik, Chemie, Mathematik und Me«
chanik find unentbehrliche Hülfsmwiffenfhaften der Technologie :
Iegtere nimmt jedoch aus denfelben nur dasjenige, was ihren
praftifchen Forderungen entſpricht. Die Technologie im all⸗
gemeineren Sinne umfaßt als Gegenftand alles dasjenige,
was durd menfchliche Kunft und Arbeit eine neue Geftal-
tung zu irgend einem Gebraudhe annimmt *) , fo wie die
”) Der Gebrauch unterfeidet die Produkte der technifhen Kunft von
"jenen der zeichnenden oder bildenden als folden. Der Zwed bes
durch die technifche Kunſt dargeftellten Gegenftandes ift der Ge:
braud , beruhe diefer nun auf der Nothwendigkeit, oder auf dem
Nusen, oder auch nur auf Ergoͤtzlichkeit und Vergnügen. Die Pros
dukte der zeichnenden oder bildenden Kunft dienen dagegen an und
VIII
Mittel, dieſe Geſtaltung zu bewirken. Dieſe künſtliche
Umänderung betrifft entweder die Subſtanz, d, h. aus den
natürlichen Produkten oder Stoffen werden neue, von den
früheren in der Wefenheit verfchiedene hervorgebracht; oder
fie betrifft die Korm, d. h. aus den natürlichen oder aud) aus
Sünftlihen Produkten werben verfchieben geftaltete Dinge für
für fih nur zur Beſchauung, ohne Rüdfiht auf einen natürlichen
Gebrauch in der Ephäre des phnfifchen Lebens: fie find für die Aus
gen, was die Muſik für die Ohren iſt. Die techniſchen und bildens
den Künfte greifen daher mannigfach in einander. Co iſt ein zu
einer Statue beſtimmtes, durch bloß techniſche Hülfsmittel ausgeführ⸗
tes Bild eines Pferdes aus Holz ofſenbar ein Gegenſtand der bil⸗
benden Kunft: ift dagegen ein folhes Pferd mit gleich volllommener
Form hergeftellt, aber noch mit einem Innern Mechanismus verfehen,
Durch welchen es dem lebenden Pferde gleich vorwärts fchreitet ; fo ger
hört diefer Gegenftand zur technifchen Kunft, ob er gleich die Natur
noch volllommener nachahmt, als jenes Pferd aus Holz; weil hier
ein Gebrauch eintritt, entweder um dieſes mechaniſche Pferd zum
Vorwaͤrtsziehen zu verwenden, alſo zum Nutzen, oder auch zur
bloßen Kuriofität und zum Vergnügen. In dem letztern Falle iſt
die nachahmende Form nur Nebenfache, in dem erftern aber die
Hauptfaht. Daher treten auch Fälle ein, wo ein und derfelbe Ger
genftand,, bloß nach der Abänderung feiner Beftimmung, bald zur
- technifhen, bald zur bildenden Kunſt gehört. So iſt die zum
Pugmerke beftimmte Eünftlih nachgeahmte Blume ein technifcher
GSegenftand, der eine eigene Fabrikation begründet: ftellt man
dagegen eine folhe Blume bloß zum Anfehen auf, fo gehört fie
als Gegenftand eben fo gut zur. bildenden Kunft, als irgend
eine andere bildlihe Darftelung eines natürlichen Gegenftandes,
wenn dieſe Produktion Leinen anderen Zwed hat, ale das bloße
Bild. :
R
verſchiedene Zwecke hergeſtellt. Die Arbeiten der erſten Art
machen die chemiſchen, jene der zweiten die fo gendunten
mechanifchen Sandthierungen und Künfte, oder bie empiriſch
techuifchen Berfahrungsarten aus, die marı auch mit dem
Nahmen der Technologie im engeren Sinne, oder der em⸗
pirifhen belegt. Biele Verrichtungen ſchweben auf :.ber
Grenze son beiden. Alle diefe Arbeiten, vorzüglich die
kegteren, koͤnnen mit Erleichterung und Vollkommenheik ‚nur
duch Hülfe von Werkzeugen und Maſchinen ausgeführt
werben, beren Kenntniß und Anwendung Daher ebenfalls
einen dritten und wichtigen Zweig der "Technologie aus⸗
macht, In diefem Umriſſe find die Grenzen des vorlle⸗
genden Werkes enthalten, und in dieſen Sinne ift dafielbe
auf dem Titel als ein alphabetifhe® Handbuch ber. tech“
nifchen Cheinie, der — und des —
bezeichnet.
Bei der Bearbeitung der Artikel ſelbſt hat man — ge⸗
genwartig beſtehenden Zuſtand des Gegenſtandes im: Auge
behalten, ohne geſchichtliche Nachweiſungen einzumengen.
Das Geſchichtliche der Erfindungen paßte nicht in das vorlie⸗
gende Werk, deſſen Raum der Darftellung der Säche, wie
fie in ihrem jeßigen Grade der Ausbildung da iſt, gehört,
Daher wird man auch in dieſem Werke eine Menge von Bors
ſchriften und angeblichen Berbefferungen und Erfindungen,
die in Schriften und Sournalen älterer und neuerer Zeit mit
X
getheilt wurden, aber in der Ausübung ohne Werth find,
vergebens fuchen, — dagegen, fo viel e8 an ber Sorgfalt ber
Verfaffer lag, nichts vermiffen, mas für die praftifch richtige
Darftellung des Gegenſtandes zu Diefer Zeit weſentlich war.
Auch in foldhen Fällen, wo vielerlei, immerhin brauchbare,
Abaͤnderungen in Vorrichtungen oder Verfahrungsarten zu
demfelben Zwede führen, ift e8 in einem foldhen Werke uns
moͤglich, oft mur einen Eleinen Theil derjelben anzugeben;
| fondern «8 müffen aus diefer Maffe für verfchiedene Haupt.
| zwecke einige Mufter auögehoben, und die Bedingungen nach⸗
| gewiefen werden, deren Erfüllung bier im Allgemeinen wefents
lich ift, und die in Ausführungen für verfchiedene Zwede
bei mannigfaltiger Abänderung beachtet werden müffen: fo
daß ed demjenigen, der diefe Grundſätze wohl verftanden ans
zuwenden weiß, leicht ift, jene Abanderungen nad) jedem ein⸗
zelnen Zwecke vorzunehmen, oder ſchon vorhandene Vorrich⸗
füngen zu beurtheilen. Daß übrigen6 ein ſolcher Plan nur
durch eine mühſame, eigenthümliche Bearbeitung der Artikel,
mit Vermeidung jeder Art von Kompilation, zu erreichen
ſey, kann der Sachverſtaͤndige leicht beurtheilen, und der
vorliegende erſte Band dürfte wohl ſchon einen Beleg dazu
geben. Die Verfaffer haben ſich das Ziel gefeßt, Feine
Angaben, Nachrichten oder Vorſchriften aufzunehmen, die
nicht aus authentifcher Quelle kommen, oder die fie nicht
als wahr, nützlich und durch die Natur der Sache begründet
X
erkannt, oder nicht ſelbſt erfahren, ober nicht durch autopti⸗
ſche Anficht verglichen oder Eennen gelernt haben, wenn nicht
ausdrücklich bemerkt ifi, daß nur von einem Vorſchlage die
Rede ſey.
Literariſche Nachweiſungen konmen in dieſem Werke nur
dann vor, wenn entweder über die einzelnen Gegenſtaͤnde,
welche ein Artikel enthalt, Schriften vorhanden find, die diefe
Sache in der Art erfchöpfen, daß das Nachlefen derfelden für
denjenigen, ber eine vollftändige Kenntniß erlangen will, un«
entbehrlich bleibt; oder wenn die weitere Ausführung, Die an⸗
deröwo anzutreffen ift, in dem Werke ſelbſt, feinem Plane
nad, nicht mit Vollfländigkeit gegeben werden fann. Ein
ziemlich vollfländiges Verzeichniß technologifdyer Schriften
findet fih in der neuen Ausgabe von Erſch's Handbuch
der deutſchen Literatur; dann in Leuchs polptechnifdjer
Bücherkunde, Nürnberg 1829; und in Kriegers Hand⸗
buch der Literatur der Gewerbkunde, 5 Bände, Marburg
1815 — 1822. —
Ueber das Bedürfniß eines Werkes nach dem vorliegen⸗
den Plane dürfte es kaum noͤthig ſeyn, viel zu ſprechen. Bei
der großen Menge von Materialien, welche in Schriften aller
Art, zumahl in den Zeitſchriften, die ſich die Verbreitung
der Erfindungen und Verbefferungen im Gebiethe der Ge⸗
werböinduftrie zum Geſchaͤfte machen, oft ohne Auswahl und
Kritik zufammengehäuft find; — bei der ungeheuren Aus⸗
Ku —
dehnung des Feldes der Technologie, und bei dem weit ver⸗
breiteten Streben unausgeſetzt Verbeſſerungen in Die techni⸗
ſchen Kuͤnſte zu bringen, und Neues an die Stelle des zu⸗
nächft Bekannten zu feßen, wird e8 demjenigen, der über ir⸗
gend. eine technifche Berfahrungsart, Thatſache oder Verbeſſe⸗
zung Rath zu hohlen wünfcht, oft fehr ſchwer, die gegenwaͤr⸗
tige Beichaffenheit der Sache und den legten Stand ihrer
Vervollkommnung mit Sicherheit zu erheben. Bei dieſem
Drängen nad) dem Neueren tritt oft das fchon Bekannte, nicht
weniger Gute und Brauchbare, manchmahl felbft Beſſere, im
den Hintergrund, ja in die Vergeffenheit, und daraus erfläct
fi) die Erfcheinung, daß umfere Zeitfhriften häufig Ver⸗
befferungen “oder Erfindungen als Neuigkeiten enthalten,
die längft bekannt find. Diefer Umſtand tritt oft felbft
den wahren Fortfchritten in der technifchen Kunft bindernd
entgegen; benn jede neue Derbefferung, wenn fie wahr
und fruchtbringend feyn fol, kann nur aus der genauen
Kenntniß desjenigen, was in dieſem Gegenftande als das
Beſte bereits bekannt und erfahren iſt, hervorgehen. Eben
dieſe Kenntniß, durch welche zugleich die wiſſenſchaftliche
Grundlage des Weſens der Sache und ihrer Bedingungen
gegeben iſt, iſt dann auch eine reichhaltige Quelle neuer
nützlicher Zuthaten, Anwendungen und Vervollkommnun⸗
gen für denjenigen, der Nachdenken mit Scharfſinn ver
einigt.
ım
Die Artikel in dem vorliegenden Bande haben außer
dem Herausgeber den. Herrn Georg Altmütter, ord.
Hrofeſſor der Technologie am k. k. polytechniſchen Inſtitute
in Wien, und den Herrn Karl Karmarſch, vormahl.
Aſſiſtenten der Technologie an dieſer Lehranſtalt, zu Ver⸗
faſſern, welche beide beſtaͤndige Mitarbeiter dieſes Werkes
ſind, und deren thätige und kenntnißreiche Beihülfe das
raſche Fortſchreiten deſſelben verbürget. Die von dem Herrn
Profefior Altmütter verfaßten Artikel find mit G. A.,
die von Herrn Karmarſch verfaßten mit K. K., und die
Artikel des Herausgebers mit d. H. unterzeichnet. Daß
übrigens ſaͤmmtliche Artikel nach einem und demſelben Plane
und in demſelben Geiſte bearbeitet werden, kann der Sachs
fimdige bereitö aus diefem erften Bande entnehmen.
Noch muß ich bemerken, daß die erſte Anregung zu dies
fem Handbuche dem um die deutſche Literatur und Induſtrie
vielfach verdienten Eönigl. preuß. geheimen Hofrathe und
tönigl. baier. Kämmerer Freyheren von Cotta gebührt,
auf deffen Aufforderung und Anträge ich die Herausgabe
dieſes Werkes übernommen habe, das in feinem Verlage
erfcheint, und in Wien bei Herrn Gerold gedrudt wird,
Geſtützt auf die Verhandlungen mit demfelben kann ic)
verfihern, Daß bei dieſem bedeutenden Unternehmen den |
Heren Verleger keineswegs eine Berechnung buchhändlerifchen
Gewinnes, fondern nur der Wunfch geleitet bat, dem
XIV
Publikum ein nügliches und dem obwaltenden Bedürfniffe
entiprechendes Werk in die Hände zu geben,
Schließlich ift zu erinnern, daß die in diefem Werke
vorfommenden Maß⸗ und Gewichts Angaben jederzeit, wenn
ein W. beigefeßt, oder nur nicht ausdrücklich dad Gegentheil
bemerkt ift, nach dem Wiener Maße und Gewichte ..
den werden müllen.
Wien, den 10. Auguſt 1829.
Der Herauögeber.
EREREN
Abdampf en, ©. 1. — I Durch freies euer, S. 83 IL en
Wafferdampf, ©. 11; II — erhister tim gelten, ©. 18;
IV. an freier Luft, ©. so; V rmter Luft, S. 22; VI. im
leeren Raume, ©. 2b.
Abdampfungsofen, ©. 33.
Abdrüde, ©. — — in Wachs, Suse Siegellad, ©. 46; in
Schwefel, ©. 475 in Som, Glas, S. 48; in Thon, ©. 513 in
nt maflen, ©. Ba ; in Papier, Birkenrinde, Leder, Haufenblafe, &.54;
etallen, ©. 55 (Abklatſchen, ©. 57).
een. S. 67.
an ©. 68; — aus Gyps, ©. 71; aus Schwefel, ©. 82; aus
Baht, ©. Bi; aus Siegellad, Haufenblafe, Leim, ©. 85; aus
Aaun, ©. 86; aus Salpeter, Metallen, ©. 87; Geoftereoplaftit, S. 89.
Abkühlen, S. 90; — 1) durch kalte Körper, S. 91; 2) durch Venti⸗
lation, S. 90; 3) durch Verdünſtung, ©. 92; 4) durch Ausſtrah⸗
fung, ©. 97; 5) durch Luftverdunnung, S. 1003 6) durch Sr
löofungen, ©. 103.
Abtreiben, S. 103; — im Kleinen, S. 104; im Großen, ©. 109»
Abziehriemen, ©. 113
Aequivalente (demifhe) S. 120.
Aether, ©. 165. Echwefelätper, S. 166. Eſſigäther, S. 170.
Aetzen, S. 1713 — in Kupfer, ©. 1715 in Stahl, ©. 180; u Glas,
©. 183; ; aufStein, 8.183; auf Perlenmutter, Bernftein, S .ı845
auf Bein und Elfenbein, ©. 185.
Ahle, S. 185.
Alabaſter, ©. 190.
Alaun, ©. 195. Alaunfabrikation aus Alaunftein, S. 1965 aus Alaun⸗
fdiefer, ©. 198.
Altalien, S. 216. Alktalimeter, ©. 218.
Altohol, S. 233. Alkoholometer, S. 228.
Amalgam, ©: 245.
Amalgamation, ©. 248.
amboß, ©. 258.
Ammoniak, ©. 264. Koplenfaures Ammoniak, ©. 271.
Angel, ©. 275. ne an Werkzeugen, ©. 275. Thürangeln, ©. 296.
Sifhangeln, S . 277
Anker, ©. 383.
Anftreihen, Anftride, ©. 291. Anfteeihen mit Farben, ©. agı.
Waſſerabhaltende Anftrihe, S. — euerabhaltende Anſtriche, S. 297.
Roftabhaltende Anſtriche, ©. Zoꝛ. g 5 nſtrich 297
XVI
Antimon, ©. 302. Antimonoxyde, S. 302. Antimonſalze, S. 304.
Schwefelantimon, S. 305. Darſtellung des Autimons, S. 309.
Appretur, S. 311.
Aräometer, S. 8314; — I. mit Gewichten, S. 315; II. mit Skalen,
&.318: ı)allgemeine, S. 320; 2) befondere, S 333. Altoholometer,
©. 336. Raugenwagen, Salsfpindeln, Salpeterfpindeln, Pottafchens
wagen, Sackharometer, 5.337. Milchmeſſer, ©. 338. Weinwagen,
Bierwagen, Moftmefler, S. 340. : Sohes Aräoıneter, & 341. i
Arfenit, S. 341. Acfeniloryde, S.343. Schwefelarfenit, ©. 343. Ges
‚winnung ded Arfenifs, ©.344 5 der arfenigen Säure, ©. 345; der Ars
und des arfenikfauren Kali, S. 347; des Schwefelarfeniks,
h Asbeſt, S. 349.
Aufhangmaſchine, ©. 354.
Auflöfung, ©. 361.
Augen, ©. 369.
Ausdehnung, ©. 374.
Auspreßmafhinen, S. 382.
Ausfhlageifen, S. 384.
Ausftopfen, ©.3895 — der Säugethiere, 5.390; der Vögel, S. 395 5
der Amphibien, S. 400; der Fiſche, ©. 401 ; der Infelten, ©. 402.
Automäte, ©. 403. "
Art, ©. 417. ‘
Bandfabrtilation, ©. 419. Arten der Bänder, ©. 420. I. Borars
beiten zur’ Fabrikation, S. 424. II. Das Weben, S. 428: ı) Müpfe
ftühle, ©. 438; 23) Schubituhl, ©. 4525 3) Handfluhl, ©. 456.
IH. Die Zurichtung der Bänder, ©. 457.
Baryt, ©. 461.
Baſt, ©. 466. Baſthüte, S.467. Sparterie, S.470. -
Baummolle, S. 472. Egrenir-Mafhinen, ©. 473. Packpreſſen, S. 477.
Sorten der Baummolle, ©. 483. ji *
Baumwollſpinnerei, ©. 487. 1. Reinigung und Auflockerung der
Baummplle, ©. 489. 1. Schlagen aus freier Hand, ©. 4go. i1. Schlag⸗
maſchinen, S.4gı. ım. Wolf, ©. 4gı. Below (Willow) ©. 494. Ro:
dier'& Aufloderungs » Mafchine, S. 498. ıv. Flackmaſchinen, S. 499.
Putzmaſchine, S.500. Wattenmafchine, 5.505. II. Das Kratzen, S. 513.
Borkrage, S. 515. Feinkrabe, S. 521. Lapping » Mafchinen, ©. 523.
Kratze mit geftrechten Bändern, ©. 527. III. Das Dupliren und Streß
ten, ©. 534. Strede, ©. 538. IV. Erftes Spinnen, ©. 54ı. 1. Raters
nenbant, ©.542. 11. Srobfpindelbant, S. 545. V. Zweites Spinnen,
©. 562. 1. Borfpinnmafchine, ©. 562. 11. Feinfpindelbant, S. 564.
VI. Drittes Spinnen, ©. 567. 1. Water: Spinnmafhine, ©. 567. .
ır. Mule:Spinnmafchine, ©. 573. VII. Das Hafpeln, 5.594. VIII. Daß
Sortiren, S.595. Sortirwage, ©. 598. IX. Die VBerpadung, ©. 600.
Packpreſſe, S. 600.
Baumwollzeuge, ©.602. Arten derſelben, S. 602. Fabrikation, S. 608.
Abdampfen.
Abdampfen, Verdampfen, Abdünſten, Ver⸗
dünften bezeichnen im Allgemeinen jene Vorgänge, bei welchen.
irgend eine Slüffigfeit in Dampf verwandelt, und in diefer Ge»
alt verflüchtiget wird. Abdanmpfen bezeichnet im Befondern
die Operation, durch welche aus einer Auflöfung die Klüffigfeit
zum Theil oder ganz durch Verflüchtigung entfernt wird, um im
erften Falle Diefelbe zu konzentriren, einzudiden, abzu—
rauchen; oder im zweiten Falle den aufgelöften Körper in trocke⸗
ner Geſtalt abgefchieden darzuftelen, zu trodnen. In den
meiften Faͤllen iſt der zu verflüchtigende Körper das Wafler. Ver⸗
dampfen bezeichnet die allgemeine Erfcheinung der Verwand⸗
lung der Slüffigfeiten in Dampf unter den gehörigen Umftänden.
Abdänſten und Verdünften bezeichnen dieſelben Erfchei-
unngen bei geringeren Wärmegraden, befonders bei der gewöhn-
lichen Temperatur der Atmofphäre, während bei dem Abdampfen
gewöhnlich die Anwendung einer höheren Temperatur voraudges
feßt wird. So fagt man, die Salzauflöfung wird zur Trockene
abgedampft, wenn Dazu eine höhere Temperatur angewendet wird,
bei weicher ein Sieden der Flüſſigkeit erfolgt; die Salzauflöfung
verdunftet, oder wird abgebünftet, wenn jenes nicht der Fall if.
Diefe verfchiedentlidy benannten Vorgaͤnge find übrigens von gleis
der Natur und Befchaffenheit, indem fie im Wefentlichen immer
darin beſtehen, daß die Slufligfeit in Dampf’ verwandelt wird,
geſchehe dieſes nun bei nieberer oder höherer Temperatur, bei
größegen oder. geringerem äußeren Drude.
Zus nöthigen Begründung der nachfolgenden praftifchen Er⸗
rterungen müſſen wir bier folgende Erfahrungsfäpe aufftellen.
L Der Dampf, welcher fid) aus einer Shüffigfeit, . ©. dem
Vaſſer entwidelt, iſt elaſtiſche Fluͤſſigkeit, deren Elaſtizitaͤt
Technoi. Encyelop. I. Bd. N
_
2 Abdampfen.
und Dichtigkeit nur allein von der Temperatur der Flüſſigkeit ab⸗
hängen, aus welcher der Dampf entfleht, und mit welcher er in
Berührung if. So haben die Dämpfe, welche ſich aus Waifer
von einer Temperatur von bo? R. entwideln, eine Elaftizität, die
dem Drude einer Quedfilberfäule von 10.748 P. 3. gleich iſt,
und die Dichtigfeit diefer Dämpfe ift von der Art, daß 73.16 Kub.
Zuß folchen Dampfes aus Einem Pfunde Waffer entitehen. Ent:
wickeln fih die Dämpfe aus Wafler von einer Temperatur von
Bo? R., oder beider Siedhige; fo ift ihre Elaftizität gleich dem
Drucke einer QDuedfilberfäule von a8 Zoll, oder dem mittlern Drucke
- der Atmofphäre, und aus Einem Pfund Wafler entftehen 30.14
8. 5. folhen Dampfes. (©. d. Zabelle im Art. Dampf.)
Wenn daher die Temperatur des Waſſers gegeben ift, fo ift dar⸗
aus auch die Elaftizität und die Dichtigfeit des Dampfes ——
welcher ſich aus demſelben entwickelt.
II. Da die Dämpfe ſich nur vermöge der Elaſtizitaͤt, weiche
ihrer gadartigen Form eigen ift, aus dem Waſſer erheben ; fo kanm
die Dampfentwidelung auch nur dann vor fich gehen, wenn auf
die Oberfläche der Fluͤſſigkeit Dämpfe derfelben Art von minderer
Elaftizität drüden. Wäre die Elaflizität oder Dichtigkeit der letz⸗
teren jener der erfteren gleich; fo fönnte feine Dampfbildung aus
der Slüffigfeit erfolgen. Gefept dad Waſſer habe eine Tempera⸗
tur von 40° R., und die über. demfelben ftehende Luft habe dies
felbe Temperatur, und fey mit Waflerdämpfen gefättigt, fo daß
diefe in der Luft, weldye unmittelbar über der Kläche des Waſſers
ſteht, enthaltenen Dämpfe diefelbe Elaftizität und Dichtigfeit ha⸗
ben, wie jene, die fi aus dem Waller entwideln würden; fo
kann feine Bildung von neuem Dampfe erfolgen, fo lange diefer
Zuftand anhaͤlt. Oder, in einem verfchloffenen Gefäße, welches
zum Theil mit Wafler gefüllt ifl, werde dieſes Wafler bis zum
Sieden oder auf 80° R. erhitzt; fo wird fich der leere Raum des
Gefaͤßes mit Dämpfen von der jener Temperatur zugehörigen
Elaftizität von 28 3. anfüllen. Iſt diefes erfolgt, fo wird aus
dem Wafler Fein neuer Dampf mehr entftehen fönnen, der Ver⸗
dampfungs» oder Abdampfungsprozeß alfo flille ſtehen, fo lange
die Temperatur des Waifers diefelbe bleibt, und nicht höher: fleige:
- denn die Dämpfe über der Oberfläche des Waſſers drüden auf
Allgemeine Örundfäge. 3
daffelbe mit eben der Kraft zurück, mit welcher fich die Dämpfe
aus dem Wafler zu entwideln ſtreben.
UL Der Drud der Luft und der in ihr enthaltenen Dämpfe
anderer Art hindert die Entwidelung der Dämpfe aus der Ober
fläche des Waſſers nicht; er verzögert fie nur. Denn die Erfahe
zung lehrt, daß ein bereitö mit Luft angefüllter Raum noch eben
fo viel Wafferdampf aufzunehmen im Stande ift, als wenn die
Luft nicht in Demfelben vorhanden wäre. Aber die Verdampfung
gebt bei derfelben Temperatur der Slüfligfeit nicht fo fchnell von
©tatten, ald wenn die Quft nicht vorhanden wäre. Denn die
Luft widerfteht der freien Verbreitung des Dampfes durch ihre
eigene Maſſe; die die Fluͤſſigkeit zunächft berührenden Luftfchich-
ten nehmen zuerft die Dämpfe auf, und es braucht einige Zeit,
bis diefe zu den oberen Luftfhichten fortgeführt werden, um den
nachfolgenden Plas zu machen: die Dämpfe liegen alfo längere
Zeit über der Zlüfligfeit, ald wenn fie frei abziehen fönnten, und
müflen daher durch ihre auf die Wailerfläche zurädhwirfende Ela⸗
fizität die Entwidelung der neuen Dämpfe verzögern.
IV. Die Quantitäten des unter verfchiedenen Temperaturen
in der nähmlichen Zeit verbampften Waſſers find den Elaftizitäten -
des Dampfes proportional, Die zu jenen Temperaturen gehören.
Aus einem Gefäße mit fiedendheigem Wailer, deifen Ober«
flähe Quadrat⸗ Fuß W. beträgt, verdampft, bei trockener Luft,
in der Minute eine Quantität von 78o Gran W. Waſſer: die
Elaitizität dieſer Dampfe ift = 28 9.3. Nun frage es fih z. B.
wie groß die Verdampfung für diefelbe Waflerfläche bei 25° R.
fey? Zu dieſer Temperatur gehört die Elaftizität ded Dampfes
== 1.183 P. 3.; folglich verhält fich
8: 1183 = 780 : 32.9,
oder die bei diefer Temperatur und unter denfelben Umfländen in
einer Minute verdunftste Waffermenge beträgt 32.9 Gran.
Enthaͤlt die Luft ſchon Wafferdämpfe von irgend einer Ela⸗
fizität, fo richtet fich die Quantität der Verdampfung in derfelben
Zeit nady der Differenz der Elajtizitäten, dieſes Dampfes und jes
ned aus dem Waller (ll). Es fey die Elaftizität des Dampfes
aus der Klüffigfeit = E, jene bed Dampfes in * Luft mE;
ſo verhaͤlt ſich alſo
4 Abdampfen.
a8: 760 —=—E— E:
md x= 28 (E — 4
Die Elaftizität der Dämpfe in der Luft iſt nur dann ——
welche der Temperatur derſelben zugehoͤrt, wenn die Luft völlig
feucht iſt: außerdem iſt ſie geringer. Um dieſelbe zu finden, fuͤlle
man eine- etwa ı Zoll weite und 8 bis 9 Zoll lange, unten ver⸗
fdhloffene, oben offene Glasröhre, in welcher ein Thermometer
befeſtiget ift, mit friſchem Waſſer, das etwas fälter ift, als die
Luft; und bemerfe die Temperatur des Waflerö, bei welcher fi
außen auf der Röhre fein Thau mehr aus der Luft abfegt. Diefe
Temperatur ift diejenige, welche der Elaftizität der in der Luft be:
findlihen Wafferdämpfe zugehört (Art. Hygrometer).
V. Die Verdampfung .einer Ylüffigfeit findet nur an der
Dberfläche Statt, fo lange die Elaftizität der Dämpfe, welche fich
aus der Slüffigfeit vermöge ihrer Temperatur entwideln, gerin⸗
ger ift, als der Drud der äußeren Luft auf diefelbe. Denn in
diefem Falle fönnen ſich im Inneren der Slüffigfeit feine Dämpfe
bilden, weil diefe in der Geſtalt von Gasblafen die Fluͤſſigkeit
auseinander treiben mülfen, um in derfelben in die Höhe zu ſtei⸗
gen, folglich von einer Elaftizität feyn müßten, die größer wäre,
als der Druck, mit welchem das Waller felbft von außen belaftet
iſt. Die Verdampfung fann alſo nur an der Oberfläche Statt fins
den, wo die Dämpfe, ohne eine Wallerfchichte zu durchdringen,
fih unmittelbar in die aufliegenden Luftfchichten verbreiten koͤn⸗
nen. In diefem alle geht daher Die Verdampfung ruhig vor fich,
ohne daß ein Aufwallen der Slüffigfeit Statt findet.
Iſt hingegen die der Temperatur des Waſſers zugehörige
Elaftisität der Dämpfe größer als der äußere Luftdrud‘; fo fann
die Verdampfung nicht bloß auf der Oberfläche, fondern in jedem
Theile der zu-diefem Grade erhigten Maffe der Fluͤſſigkeit vor fich
gehen; weil die Dämpfe, welde fih im Innern diefer Maſſe
entwideln, ſich durch Ueberwindung des auf den Waflertheilen
Iaftenden Drudes zu Sa6= oder Dampfblafen ausdehnen, und
in diefer Geftalt bis zur Oberfläche in die Höhe ſteigen Eönnen.
Die Elaftizität der fih an einer Stelle der Flüſſigkeitsmaſſe ent⸗
wickelnden Danipfblafe muß alfo den vereinten Drud der äußern
Luft umd der Wailerfäule von der Oberfläche bis gu jener Stelle
Allgemeine Grundfäße. ' 3
etwas. übertreffen. Dieſer Vorgang geht durch das Aufſteigen der
Dampfblafen in der Maffe der Flüfligfeit mit Aufwallen von Otat⸗
ten, und wird im Befondern mit der Benennung —* Siedens
oder. Kochens bezeichnet: Zu: Zu.
Dieeſes Derdampfen mit Sieben kann alfo bei allen Zenp⸗
raturen der Fluͤſſigkeit Statt finden, wenn nur in dem Verhälk
niſſe der niedrigeren Temperatur auch ber Luftdruck auf die Waf-
fermafle verntiindert it. So fisdet dad Waſſer bei. einen Yaftr
drucke von 28 bei 80° R.; und bei 40° R. — ed.unter en
Luftdrucke von 3.309 P. 3.
VI Bei dem Sieden unter irgend einem — *
die Verdampfung ſchneller von Statten, at6--bei'berfelben Term
yeratur bei der ruhigen Werdampfung an der Oberfläche; teil
bei erflerem die Verdampfung durch die garze Maſſe erfol-
gen kann, wenn ein hinreihender Wärmezufluß vorhanden
it, und wenn die gebildeten Dämpfe. frei. abziehen koͤnnen
(in). Es fey z. B. ein Gefäß von ı 2. F. Flaͤche mit: Waffer
von 40’ R. angefüllt; fo wird deffen Verdampfung in trockener
3.369 780
euft ⸗ — 7*96. s Gran in ı Minute betragen (IV).
Stellt man aber dieſes Gefäß unter die Glocke einer. Luftpumpe,
und pumpt die Luft fo weit aus, Daß ihre Elaftizität geringer wird,
als 3369 P. 3. (V); fo wird daB Wafler in dem Gefäße fieden,
folglich die Verdampfung nicht nur an der Oberfläche, ſondern
auch im Inneren der Maife. durch Auffteigung von Dampfblafen
vor fih gehen, und die Verdampfung wird fo ſehr beichleunigt,
als der Zufluß der äußern Wärme, un jene Tomperatur des Waſ⸗
ferö zu erhalten, Staͤtt finden kann. Die Verdampfung der gan-
zen Waflermafle oder eines Theiles derfelben kann plöglich erfol⸗
gen, wenn diefelbe fchon vorher fo weit erhigt.war, daß fie die
zu diefer Dampfbildung erforderliche Wärme ſchon in ſich hatte
(VII). Dabei wird jedoch vorausgefeßt, daß die Dampfe, fo
wie fie fich bilden, abgeführt, kondenſirt oder auf irgend eine Art
von der Oberfläche der verdampfenden Slufligfeit entfernt werden,
weil die Verdampfung aufhöret, fobald die in dem Raum verbreis
teten, und auf die Oberfläche’ der Fluͤſſigkeit drüdenden Dämpfe
6 Abdampfen.
vie Elaſtizitaͤt der fi entwidelnden, oder in bieſen Bette ı von
3.869 3. erlangen (II). F
VlII. Die Dämpfe, welche ſich aus. einer Fiaſſigei bei ä ir⸗
gend einer Temperatur entwickeln, enthalten mehr: Würme, als
die Flüffigkeit, die gu ihrer Bildung gehörte: zum Kortfegung der
Verdampfung iſt alfo Die ‚fortwährende. Zuführung jener Quanti⸗
tie Wärme erforderlich, welche der ‚gebildete Dampf aufgenom⸗
men hat. Wir haben oben gefehen, daß von Waller von Boe R.
eine Oberfläche von ı.Q. F. 780 Gran in der Minute verdampft.
- Stellen wir und nun eine Släche von 1.0. F. von Kupferblech
vor, auf welcher eine dünne Schichte Wafler auögebreitet ift,
und welche von unten bi 80° R. erhigt wird; fo wird für diefe
Waſſerſchichte daifelbe wie vorher Statt finden; fie wird ebenfalls
in der Minute 780 Gran Waffer verdampfen, und in.jeder fpl-
genden Minute diefelbe Quantität, fo lange die Kupferfläche,
welche das Waſſer berührt, durch Zuführung von Wärme, die
Temperatur von Bo° R. erhält. Die Größe der Verdampfung
" in einem Gefäße hängt alfo bei übrigens gleichen Umftänden von
der Größe der erhisten Släche oder der Keflelflähe ab, welche
mit dem Waffer in Berührung fteht, oder von der Größe derjenis
gen Släche, welche fich zwifchen dem Waſſer und dem Feuer bes
findet. Beim Sieden entwideln fi dann die Dampfblafen nur
an diefer erhigten, die Wärme von dem äußeren Feuer zuführen-
den, Flaͤche, weil nur die an dieſer Släche anliegende Waſſer⸗
ſchichte diejenige höhere Temperatur erhält, welche zur Bildung
bes Dampfes von der Elaftizität erforderlich if, die den Drud
der Walferfäule und der äußeren Luft überwindet; indem alle
Wärme, welche jene Bläche über die Temperatur der Slüffigfeit ent
hält, immerfort durch den an derfelben gebildeten Dampf fortges
nommen oder gebunden wird.
VII, Wenn das Waller ſich in Dampf verwandelt, fo
nimmt ed eine Menge Wärme auf, welche 53 Mahl fo groß ift,
als diejenige, die dieſe Quantität Waffer aufnehmen muß, um
von o° R. bis 80° R. erhigt zu werden; oder diefe Wärmemenge
wäre hinreichend, diefe Quantität Waffer von 80° R. um 440°R.
zu erhöhen, oder diefelbe auf Die Temperatur von 520° R. zu brin⸗
gen, wenn dieſes Waffer dabei feine Form nicht änderte. Die
7
Allgemeine Srundfäge. 7
Birme alle, welche dad Waſſer von 0° BR. aufgenommen hat,
um in Dampf überjugeben, beträgt 520° RB. Gefept alſo, «6
wire eine Auantität Waſſer in einem feften Gefäße eingefchleflen,
und daſſelbe wärde biö auf 530° R. erhigt, dann aber das Sehäg
plöglic, geöffnet ; fo würde dieſe Quantität Waſſer auf ein Mahl
fih in Dampf verwandeln, ohne daß treyfbares Waller zurüd:
bliebe, weil nun diefer gebildete Dampf eben diefelbe Bärmemenge
enthält, wie vorher das erhitzte Waſſer.
Eben fo, wenn Dampf durch Berührung mit Fälteren Kor
pern ſich kondenſirt, oder wieder in tropfbarflufliges Waſſer von
80° RB. verwandelt, fo wird eine Wärmeguantität frei, welche im
Stande wäre, 5: Mahl fo viel Waller von o R. bis zu 80° R. zu
erhipen; oder eine Quantität Wafler, welche 440 Mahl ſo groß
it, als diejenige, die den Dampf gebildet hat, un ı° R. zu er⸗
wärmen.
Wenn die Zuführung der Wärme, welche die Verbaiupfung
bewirkt, gleichförutig ift, fo ift demnad) auch eine 5: Mahl fo große
Zeit erforderlich, um ı Pfund Waller von 80° R. in Dampf zu
verwandeln, ald nöthig ift, diefe Quantität Waſſer von 0° RM.
bis 80° oder biö zum Siedepunkt unter Dem atmofphärifchen Drude
u erhigen.
IX. Gleiche Gewichte Dampf von irgend einer Tempe:
ratur enthalten gleihe Menge Wärme. 3.8. um ı Pfund Waf-
fer von o°R. in Dampf von 20°R. zu verwandeln, ift eben fo viel.
Wärme erforderlich, ald um ı Pfund Waller von 0° R. in Dampf
von Bo®° R. zu verwandeln. Der erflere Dampf füllt einen Raum
von 813.5 K. 5. aus bei dem Drude von 0.847 3., den lebtere
eines Raum von 30.14 8. %. bei dem Drude von 28 3. Weide
Daupfmengen enthalten gleihe Mengen von Wärme. Gefecht
man würde jene 813.5 8.5. bis auf 30.14 8. &. zuſammendrü⸗
den, ohne daß Wärme nad, außen entweicht oder abgeleitet wird,
fo wird die Zemperaturdiefes zufammengedrüdten Dampfes 80° R.
betragen. Da num diefer Dampf vom Gefrierpunfte des Waſſers
an 440° -+- 80° = 520°R. Wärme euthält (VID); fo enthält der
Dampf von 20° B. diefelbe Bärmemenge =520°=20°-4-500°R.
Bei Dampf von jeder Zemperatur oder Elaftizität ift alfo die Summe
der Wärme, welche die Temperatur des Dampfes beftimmt (ber
8 | . Abdampfen.
fenfi bien) und der Wärme, welche zur Korm des Dampfes nithig
iſt (der latenten), gleich der Wärme von 520° R., oder 520
Wärme: Einheiten, d. h. einer Wärmequantität, welche eine
Waflernenge, die 520 Mahl fo groß iſt, ald die im Dampfe ent-
haltene, um 10 R. zu erwärmen hinreichend wäre.
Die Tatente Wärme ded Dampfes iſt Daher auch gleich dem
530° R. weniger der Temperatur. So ift die latente Wärme des
Dampfes von 20°R. = 580 — 20 == 500°; jene des Dampfes
von Bo’ R. = Sao — 80 — 4400 R.; jene des ai von
90° R. = 520 — 90 = 430° R. u. ſ. w. |
Aus diefen Grundfägen läßt fich für jeden einzelnen Ball und
Zweck die vortheilhaftefte Einrichtung des Abdampfungsprozeſſes
angeben und beurtheilen. Nachftehende fpeziellere Grundfäge *
praktiſche Folgerungen derſelben.
Es erhellet aus dem Vorigen, daß die Abdampfung Haupt
fachlich auf zwei verſchiedene Weiſen bewerkſtelliget Ren Pönne;
näbmlich :
Erftens bei dem gewöhnlichen Drude der Aumoſphare und
zwar geſchieht hier die Abdampfung
A. durch aͤußere Heitzung in Keſſeln, und hier
a) durch freies Feuer,
b) durch Waſſerdaͤmpfe,
c) durch erhitzte Flüſſigkeiten;
B. durch Verdünſtung in der Luft; und zwar
a) in Luft von der gewöhnlichen Temperatur der
Atmoſphaͤre,
b) in erwaͤrmter Luft.
Zweitens bei einem geringeren Drucke als dei atmoſphaͤri⸗
ſchen, bis nahe zur völligen Aufhebung deſſelben,
oder die Verdampfung im leeren Raume.
J. Abdampfung bei dem gewöhnlichen Drucke der
Atmofpbäre durch freies Feuer.
1) Da bei ‚jeber Abdampfung die Vefchleimigung der Bere
dampfung Zweck iſt, weil dadurch an Zeit erfpart wird; fo muß
der Keſſel, in welchem die Abdampfung vorgenommen wird, ſo
konſtruirt werden, daß er eine ſo viel möglich große Berührungss
Abdampfen durch freies Feuer. 19
fläche zwiſchen Waſſer und Feuer darbietket (VIT). ’ Dtam: gibt
ihm daher, wenn die runde Form nicht- wegen anderer. Zwecke Dan
jug verdient, eine Lämglich vieredige Form, ba bei biefer die
Dberfläche für gleichen Inhalt größer wird, ala bei ‚ber runden.
Wird die Flůſſigkeit nicht bis zum Kochen erhitzt; fo gebt-Die.- Der
dünſtung nur an der Oberflaͤche vor; bie Tiufe des Kchhdlsmuß
alfe in diefem Kalle ſo gering ald möglich gerommen werden, mm
eine verhaͤltnißmaͤßig gegen die Maſſe der HMülfigfeit greßo Ober⸗
flaͤche zu erhalten. Geſchiche die Abbammpfinig aber mis Korhen
oder Aufſieden, wie das gewoöhnlich ber Zall iſt, wo wife die
hauptſaͤchlichſte Verdampfang an der Keſſolſtaͤche Statt:fläbet ;:To
if die größere Tieff des Keſſels nicht ſchalich, ja ſeibſt vortheil⸗
haft. Denn bei dem froien Sieden iſt die Verdampfung an: der
der freien Luft ausgeſetzten Oberfläche. der fiedenden Fluͤß igkeit wie
unbedeutend, wel die oberfte Schichte dieſer Flaͤche darch Weınuff
derſelben wechfelnde kaͤltere Luft abgekahlt wird, folglich nur
Dämpfe von getingerer Temperatur, ulfo "geringerer Dichtgkeit
aussehen fann, ober. wenn diefer Tuftwechfel nicht Statt. finwek,
die Dämpfe von 86° R. auf der Oberſtaͤche der Fluͤſſigerit aufite⸗
gen, und die Entwickrlimg von Dampf aus derfelben hindern.
Diefe Abkühlung dee Oberflaͤche durch Die-Außere Luft, welche der
Größe diefer Släche proportional ift, verurfacht einen wicht unbe⸗
deutenden Waͤrmeverluſt; wie es eine bekannte Erfahrung üft, "daß
ein mit Waſſer gefuͤlltes offenes Gefaͤß ſpüter zum Sieden tanzt,
als wen es bededt if. Die verhaͤltnißmaͤßig große, der - freiem
Luft ansgeſetzte Oberfläche der ſiedenden Fluͤſſegkeit hat ferner den
Nachtheil, daß ſich auf derfelben ein Theil des aufgeſtiegenen und
über ihr in Dunfigeftalt ſchwebenden Dampfes wieder ebene:
und mit dem Waller verbindet. —
2) Daher kommt es auch, daß, wie die Erfahrung zeigt,
bei gleicher Feuerung die Abdampfung nicht nur nicht verzögert,
ſondern felbft noch befchleuniget wird, wenn der Keifel, in web
chem die Fluͤſſigkeit fiedet, mit einem paſſenden Deckel verfchlöffen
it, in welchem fich eine Röhre befindet, aus welcher ber Dampf
in die Luft audftrömt. Hier wird naͤhmlich die Wärme der Flüf«
figfeit durch den aufliegenden eingefchloflenen Dampf zuſammen⸗
gehalten und alle Abfühlung vermieden. Die Dämpfe müflen fich
10 7. Abdampfen.
‚dei diefer Einrichtung: auf dem Boden des Gefaͤßes zwar mit ei⸗
ner. größeren Elaftizität entwideln, ald wenn die Oberfläche der
freien Luft auögefept ift, weil fie nebit dem Drucke der Fluͤſſigkeit
noch den Druck des aufliegenden Dampfes zu überwinder haben,
deſſen Elaſtizitaͤt größer ſeyn muß, als der aͤußere Luftdruck, wenn
er durch Die Röhre ausſtroͤmen ſoll. Diefes iſt jedoch von feinem Nach⸗
theil (S. 3. IV). Es hat dieſe Einrichtung zugleich den weſentlichen
Voertheil, daß der durch die Röhre entweichende Dampf nach zu
einer weitern Heikung oder Erwärmung verwendet werden Fan.
) Außen der Reffelläche kann die Verdampfungsflaͤche der
Flüffigfeit noch dadurch fehr vermehrt werben, daß man den hei⸗
Sen Luftfirom aus dem Feuerherde noch über: die Fluͤſſigkeit ges
ben.:läßt, fo daß er feinen Weg in den Rauchfang ber deren
Oberflaͤche hin zu nehmen gezwungen wird. In diefem Safe wer-
den nicht nur die Dämpfe. fortgeführt, fondern auch, durch die
Waͤrme jenes Luft⸗ oder Rauchſtromes wird die obere Flaͤche der
Fluͤſſigkeit erhigt, und zur eigenen Verbampfung gezwungen: In
dena nachfolgenden Artikel ift ein folsher Ofen beſchrieben. Diefe
Einrichtung iſt in allen jenen Faͤllen vortheilhaft, in welchen die
abzudampfende Flüffigfeit durch ‚die Beitandtpeile des darüber
ſtreichenden Rauches Feine nachtheilige Anderung oder Verunrei-
nigung erleidet.
* 4) Auch bloß durch die Erhigung der Oberfläche der Släffig-
‚Seit kann die Abdampfung mit Befeitigung des metallenen Keſſels
bewirkt werden. Bei diefer Einrichtung befindet fi die Fluͤſſig⸗
‚Seit in einem gemauerten Behälter, an deifen einem Ende fich der
Nauchfang, am anderen der Feuerherd befindet. . Das Feuer
fteeicht über Die Slüffigfeit, erhigt und verdampft die oberen Schich-
ten derfelben, und führt die Dämpfe mit fort. Ein — Ofen
iſt in dem nachfolgenden Artikel beſchrieben.
5) Die Wände des Keſſels dürfen nicht dicker ſeyn, as die
Haltbarkeit nöthig macht, damit der Übergang der Wärme aus
dem Seuerherde in die Slufligfeit nicht zu fehr verzögert werde.
Se dicker das Metall diefer Wände ift, defto höher muß die Tem-
peratur der äußeren, von dem euer beſtrichenen Flaͤche werden,
Damit die innere, das Waller berüprende, eine Temperatur über
80° R: erhalte, —
‚Abdampfen mittelft Wafferdampf. 11
‘6) Die Fenerung muß zweckmaͤßig eingerichtet werben, damit
ein beliebiger Grad von Hige hervorgebracht, und gleichmäßig
unterhalten werden fönne, weil die Verbampfung unter übrigens
gleichen Umfländen der Zuführung von Wärme rn iſt
(Art, Abdampfuugsofen).
IL Abdampfung bei dem gewöhnlihen Drude der
Atmofphäre durch Bafferdämpfe.
Die Abdampfung, bei welcher die äußere Erwärmung. durch
Waſſerdaͤmpfe bewirkt wird, ſtatt durch freies Feuer (dae Dampf
bad), iſt in allen jenen Faͤllen vortheilhaft, in welchen die Fluͤſ
figfeit nur. bis zu einer beflimmten Temperatur erhibt werden fol,
3. ©. auf 70 oder 80° R.; weil eine höhere Temperatur auf. die
im ber Flüſſigkeit aufgelöften Stoffe veraͤndernd oder zerfegenb ein⸗
wirft, wie diefes in mehreren Gällen, z. B. bei der Konzentsirung
des Zuderfyrups und bei der Abdampfung vieler Ertrafte der Fall
il. Diefe Abdampfungsart hat ferner den Vortheil, Daß mittelft
eineB einzigen Zeuerherded durch einen gemeinfchaftlihen Daupfs
feflel ‚mehrere Abbampfungsapparate zugleich betrieben werden
fonnen.
Hierbei find folgende Grundfäge zu berüdfi tigen:
3) Iſt die Temperatur der Dämpfe jene von 80° A. oder
bes Siedens bei Dem atmofphärifchen Drade, fo kommt die Zlüfs
figfeit in dem Keſſel, deilen Flaͤche won. diefen Dämpfer beſtri⸗
chen wird, nicht zum Sieden, da ihre Temperatur einige Grade,
je nachdem die Wand des Kefleld dicker oder Dünner ft, mehr oder
weniger, unter 80° R. bleibt. Die Verdampfung oder Verdün⸗
fung gefchieht alfo hier nur auf der Oberfläche, ift alſo auch nur
der Ausdehnung diefer felbit proportional. Haben jedoch die Waſ⸗
ferdampfe eine höhere Temperatur, indem fie unter einem höheren
Dinde wirken, fo wird das Waller ebenfalld zum Sieden ges
bracht; und Die Verdampfung ift- hier. der —— proportio⸗
nal, wie bei freiem Feuer.
3) Im erſten Falle gebt die Verdampfung bedeutend lang⸗
ſamer von Stätten, als im zweiten bei gleicher Dimenfion des
Leſſels, weil die Dämpfe unter der Siedhige eine viel geringere.
Elaſtizitaͤt und Dichtigfeit haben „ als bei Der letzteren. Geſetzt,
‘
’
42 Aldampfen.
die Fluͤſſigkeit im Keſſel habe eine Oberfläche von 100 Q. F. und
ſey auf 70° R. erbist, welcher Temperatur die Elaftizität des
Dampfes = 17.739. 3., oder, wenn die äußere :Luft bei 190 R.
, mit Dämpfen gefättigt ift, dem Ueberſchuſſe der Elaftizität non
17 P. 3. entfpricht (IV. Grundfaß); fo iſt die Quantität dei im
1 Minute verdampften Waſſers (S. A)
= 28 x 17 >< 100 = 47600. Gran.
Iſt i im zweiten Falle die Fluͤſſigkeit im Sieden ‚ und die erhigte
Reffelflüche ebenfalls = 106 Q. F.; fo ift bie in ı Minute vers
— Menge (VII. Grundſatz)
== "80 >< 100 = 78000 Gran.
Es iſt daher bei diefer Abdampfungsart von Vortheil, wenn die --
niedere Temperatur nicht beſonders Zweck ift, Dämpfe von höhe -
zen Komperatur anzuwenden, weil man dadurch bei gleicher Sf
fel:-Dimenfion die Verdampfung befchleuniget. -
3) Aus demfelben Grunde ift e8 hier nöthig, die Keffelfläche
fo viel möglich zu vergrößern, und die Wände fo dünn wie moͤg⸗
lich zu machen. Die Schnelligkeit. , mit ivelcher die Wärme durch
diefe Wände geht, hängt bei gleicher Temperaturdifferenz von ber
Dunne derfelben und der Wärme leitenden Kraft des Metalle ad.
Dünned Kupferbled, eignet fich daher für diefe Ducchleiting am
beften, nad) demfelben dünnes Eifenblech; viel weniger Qußeifen
‚und. Bley, wegen der nöthigen beträchtlichen. Dicke. Dieſer Bıt-
ftand iſt bei der Erwärmung durch Dampf weit wichtiger, als bei
‚der Heigung mit freiem euer, weil der Unterfchied der Tempe:
raturen des heihenden Dampfes und ber angabampfrnden Flüſſig⸗
keit viel geringer iſt.
Für den Fall, daß die Berdünftung ber Fluͤſſigkeit unter der
Siedehitze vor fich gehen fol, gibt man dem Abdamıpfungsgefäße
die Form eines flachen Keſſels, unter deflen Boden ein zweiter
Keſſel von gleicher Länge und Breite, und hoͤchſtens 6 Zoll Tiefe
in der Art angebracht ift, daß fie luft» und dampfdicht fchließen,
indem der Boden des oberen Keffels in den oberen Rand des un«
teren eingefchoben, und gehörig verfittet if. S. Taf. 1. Fig. ı.
An der einen Seite des unteren Keſſels befindet fich das Rohr a,
durch welches der Dampf aus dem Dampffeffel einfteömt, und
welches mit einem Hahne verfehen ift, um den Zutritt des Dampfes
Abdampfen mittelfi Wafferdampf. 13
keliebig zu regulicen, oder nach Bebürfniß abzufpersen ; an der
anderen Seite befindet ſich der ähnliche Hahn b zum Abfließen des
fondenfirten Waſſers.
Der untere Keflel kann auch aus Hol; verfertiget feyn, was
den Vortheil gewährt, daß die Wärme der Dämpfe nicht nad)
außen abgeleitet wird: ſolche Gefäße find jedoch nicht dauerhaft
genug, da jie leicht fchwinden, fich werfen, und dann den Dampf
entweichen Iaffen. Es ift Daher vortheilhafter, auch diefes untere
Gefäß aus Metallblech oder bei Fleineren Vorrichtungen aus Guß⸗
eifen Herzuftellen, und daflelbe mit hölzernen Wänden zu umges
ben, umdie Wärme zufammen zu halten. Der Apparat wird auf
einem hölzernen Berüfte aufgeftellt.
Man Hat diefe Abdampfungsart auch fo angewendet, daß
man den unteren Keſſel B mit Waffer, etwa bis zur. Hälfte feiner
Höhe, verfieht (in welchem Falle er dann höher ſeyn muß), und
ihn von unten durch freies Heuer in einem Ofen erbigt, fo daß
die Dampfe den Boden des oberen Keſſels berühren. Wenn der
untere Keffel feinen anderen Zweck hat, als den Dampf für die
Erhigung des oberen zu liefern ; fo iſt dieſe Methode höchftend nur
bei ganz Pleinen Apparaten in den Laboratorien anwendbar, indem
fie an Bequemlichkeit und Defonomie der Methode der Zuführung
des Dampfes aus einem Central= Dampffeflel nachſteht. Vor⸗
theilhaft ift fie jedoch, wenn fie ald Nebenbenubung des von dem
anteren Keſſel, in welchem für irgend einen Zweck ohnehin eine
Abdempfung oder Siedung verrichtet wird, auffleigenden Dame
pfes verwendet wird, um mittelft dieſes Dampfes, welcher außer-
dem in der Luft verloren gehen würde, noch eine Flüſſigkeit in
dem oberen Keſſel, deflen Boden der Dedel des unteren ift, zu
erhigen. Diefer Gall fommt dann mit Demjenigen end, der
bereitö oben (I. 2) angegeben worden iſt.
4) Bei einem folchen Apparate Fann in dem. Dampfbehälter
B nicht wohl Dampf von viel höherer Elaftigität oder Temperatur
ale 80° R. angewendet werden, weil die großen und flachen Wände
dieſer Keſſel feinen höheren Druck auszuhalten im Stande find, wenn
ſie nicht ſehr ftarf gemacht werden, was hier völlig zweckwidrig wäre.
Soll daher mittelft des Waflerdampfed bei höherer Tempe⸗
ratur abgedampft werden, fo ift die Anwendung von Röhren aus
14 : Abdampfen.
Metall erforderlich, in welche der Dampf von dem Dampfkeſſel
eintritt, und welche in.der abzudampfenden Staffigfeit zweckmaͤßig
vertheilt werden. Diefe Röhren haben den Vortheil, daß ihre
Wände viel dünner gemacht werden können, als große Keſſel⸗
wände, weil fie dennoch gegen den inneren Drud bei ihren ges
ringen Durchmeffer die nöthige Stärke haben, da der Widerftand,
welchen eine Röhrenwand dem inneren Drude entgegenfeßt, ih⸗
rem Ducchmefler verfehrt proportional ift (Art. Röhren).
Der Keffel, in welchem diefe Röhren zur Erhigung der abe
zudampfenden Slüfligfeit angebracht werden, kann eine hölzerne
Kufe feyn, mit eifernen Reifen gebunden: doch ift für. folche Yluf-
figfeiten, welche zerfegend auf das Hol; einwirfen,. und feine
Zertur allmählich zerftören, oder welche durch Beftandtheile aus
dem Holze verunreiniget werden Fönnen, auch bier eine Kufe aus
Metaliblech vorzuziehen, die dann ebenfalls, wie vorher, von au⸗
Ben durch eine hölzerne Wand vor der Wärme;srfireuung verwahrt
werden muß.. Diefed Gefäß braucht, aus dem fchon früher ans
gegebenen Grunde, nicht flach zu feyn, fondern fann eine Tiefe
von 3 bis 4 Buß erhalten; durch welche Waſſerhoͤhe die Tem⸗
. peratur der Dämpfe, welche fih am Boden entwideln, um
beiläufig 2° R. vermehrt wird, in weldhem Verhältniffe dann
. auch die Zermperatur der Dämpfe, welche die NRöhrenfläche er⸗
. bigen, erhöht werden. muß, damit dad Sieden der Btäffigfeit
erfolge.
Die Röhren werden in dem Keifel am vortheilhafteften nahe
an dem Boden angebracht, was dadurch gefchieht, daß fie paral⸗
. Tel neben einander geführt werben, wie Fig. 2, und an dem einen
Ende fi) die Dampfröhre a, an dem anderen die Ausfluß⸗ oder
Lufträhre b befindet. Diefes Spftem liegt horizontal, oder gegen
a etwas geneigt, um den Abfluß des fondenfirten Waflerd gegen
a zu befördern, bamit vanlelte wide in den Dampfisffel zus
ruͤck fließe.
In Sällen, wo der Druck des — nicht bedeutend iſt,
kann dieſen Dampf⸗Kanaͤlen auch die viereckige oder parallelepi⸗
pediſche Geſtalt gegeben werden, welche den Vortheil hat, daß
bei gleichem Inhalte die erhitzende Oberflaͤche groͤßer iſt. Iſt da⸗
gegen der Druck des Dampfes bedeutend, ſo muß man den Durch⸗
Abdampfen mittelft Wafferdampf. 15
meiler der Röhren vermindern, wodurch man nicht nur ben Wor⸗
theil einer verhältnißgmäßig vergrößerten Oberfläche, fondern auch
für gleiche Stärke eine Dünnere Roͤhrenwand erlangt. Doch hat
auch dieſe Verminderung ihre Oränge, die von der Länge der Röhren
ſelbſt abhängt, damit die Sortbewegung ded Waflers nicht de
dert werde.
Hat das Abdampfungsgefäß eine runde Geſtalt, fo it es
für die Ausführung am bequemften, mit Aufopferung des Vor⸗
theils dünnerer Möhrenwände, Bleiroͤhren anzuwenden von .ı bis
2 Zoll Durchmeſſer, die über dem Boden des Gefäßes in einen
©pirallinie angebracht werden.
Es wäre überfiüffig, bier für- verfchiedene Zwede mehrere
Kombinationen dieſer Einrichtungen anzugeben, da ſie nach dieſen
Grundſaͤtzen auf die verſchiedenſte Weiſe vorgenommen und abges
ändert werden fönnen; wovon in den ſpeziellen Artikeln über die
verſchiedenen Kofturen, im Befondern im Art, Dampf, noch
viele Anwendungen®vorfommen.
5) Beim Gebrauche dDiefer Apparate, ed mag num die Er⸗
hitzung mittelſt einer Keſſelflaͤche oder durch Roͤhren und Kandle
bewirkt werden, iſt es nothwendig, Daß zu Anfang der Operation
der Hahn b offen ſtehe, bis der bei a eintretende Dampf wieder
ganz bei b ausftrömt, und fonach die atmofphärifche Luft aus dem
Apparate verdrängt ift, weil diefe eingefperete Luft die gleich»
mäßige Verbreitung des Dampfes Bindern würde. Iſt diefe Lufts
austreibung erfolgt, fo kann der Hahn b geichloffen werden; ine
dem ſich dann unter dem Keffel oder in der Röhre der Dampf in
dem Maße kondenſiet, ald er feine Wärme an die Fluͤſſigkeit abs
gibt, und fo immer dem nachfolgenden Dampfe aus den Keflel
Plap macht. Der Raum, in welchem der Dampf, welcher die
Erhigung bewirkt, angefammelt ift, iſt ſonach als eine Fortſetzung
des Dampffeflel-Ranmes felbft anzufehen (Art. Dampfleitung).
Wenn der Dampfkeſſel nicht bloß mit ſchon kondenſirtem,
alſo von Luft befreitem, Waffer gefpeift wird, fo iſt es nothwenbig,
daß der Hahn b fo geftellt werde, oder fo mit einer kleinen Durch⸗
bohrung eihgerichtet fen, daß immerfort etwaB wenige Dampf
ausfirömen kann, damit die Luft fich nicht in den Heigröhren an⸗
ſammle. Diefe Einrichtung dient zugleich dazu, daß, wenn .die
16 Abdampfen.
Dampfentwicklung nachlaͤßt, die äußere Luft in den Apparat zu⸗
rüdtreten Fönne, und letzterer Feiner nachtheiligen Zufammendrüs
dung von außen andgefegt werde. Fuͤr diefen Zweck iſt es zu⸗
gleich am ficherften, daß die Hauptleitungsröhre für Diefen Appa-
rat mit einem fich nach einwärts öffnenden Sicherheitöventil ver⸗
ſehen werde (ſ. Dampfkeſſel).
Die Ausflußroͤhre b dient auch dazu, um das in dem Appa⸗
rate etwa angeſammelte Waſſer abzulaſſen. Wenn durch einen
und denſelben Dampfkeſſel, zumahl mit höherem Drucke, mehrere
und groͤßere Apparate beheitzt werden; ſo iſt es zweckmaͤßig, die
Zuruͤckleitung des kondenſirten Waſſers zum tiefer liegenden
Dampflfeſſel in einer eigenen Roͤhre zu bewerkſtelligen, weil das
Zurüdlaufen des Waflers in derfelben Röhre, welche den Dampf
berbeiführt, durch die entgegengefehte Bewegung des Dampfes
gehindert wird, wenn jene Röhre nicht übermäßig weit ifl.
Die Spannung oder Temperatur der Daͤmpfe wird in allen
diefen Fällen durch das Sicherheitsventil oder Lie Barometerröhre
am Dampffeffel regulat. (Art. Dampffeffel).
Soll die Abdampfung gleihförmig bei 8a’ R. gefchehen,
und man will hierüber während des Ganges der Operation ver⸗
ſichert ſeyn; fo iſt es zweckmaͤßig, an die Ausflußroͤhre b (Fig. a
und a) die zweifchenfliche Röhre von Glas (Fig. 3) anzufteden,
Das kondenfirte Wafler fammelt fich zuerft in den beiden Schen:
Feln der Möhre an, und fließt dann, fo wie es gebildet wird,
Durch Die Offnung b‘ ab. Der Zufluß der Dämpfe wird dann
durch den Hahn a fs regulirt, daß der Stand des Waſſers fich
in der einen Röhre beiläufig an derfelben Stelle, z. B. beim er⸗
balt. Der Hahn mit der dünneren Röhre A ıft für den Ausflug der
Buft zu Anfang der Operation beftimmt, wie fchon bemerft worden.
. 6) Damit bei diefen Apparaten der Zwed der Abdampfung
gehörig erreicht werde,. ift Die angemejlene Quantität der von dem
Dampfe gleichförmig beftrichenen Flaͤche erforderlich. Diefe Fläche
muß in derfelben Zeit eben fo viel Wärme durchlaſſen, ald der
Dampf enthält, welcher von der Fluſſigkeit aufſteigt; oder mit
anderen Worten, das Gericht des Dampfes, welches unter der
Keſſelflaͤche Fondenfirt wird, muß'wenigftend gleich ſeyn dem Ge⸗
wichte ded aus der Flüſſigkeit entwidelten Dampfes. Nur lehrt
.
Abdampfen utätelft Waſſerdampf. 17
die Erfahrung,” def eine duf die Temperatur von 80° R, amd
etwas darüber erhigte dünne Blähe von 1o-Q 3. in ı Mi«
ante ı Pfund Waffer verdampft, ein Verhältniß, das
auch bei der gewöhnlichen freien Keſſelfenerung Statt findet (Art.
Dampffeffel): folglich muß, um diefe Abdampfung zu bewerf:
ſtelligen, die Kefjelfläche oder die Oberfläche der Röhren oder Ka⸗
ndle 10 Q. F. für jedes Pfund in der Minute verdampftes Wafı
fer enthalten. Geſetzt alfo, dad Gefaͤß enthalte eine. Flüſſigkeito⸗
malle von 2500 Pfunden, was einen Gefäße von. 6 F. Länge,
4 5. Breite und 2 5. Höhe entfpricht, und über dem Boden die-
ſes Gefaͤßes befinden fic) 8 verbundene Röhren von _5 3. Durch:
meſſer und 6 F. Länge, alfo von 55.8 Q. F.; fo wird die Ab⸗
dampfung in ı Minute — >» Pf, oder in einer Stunde
= ——— — 334.8 Pfund betragen, wenn die heihenden
Daͤmpfe die gehoͤrig hohe Temperatur beſi itzen. Eben ſo viel Dampf
muß auch der Dampfkeſſel zu liefern im Stande ſeyn; d. h. er
muß eine dem Feuer ausgeſetzte und von dem Waſſer beruͤhrte
Släche von 55.8 Q. 8. haben.
7) Wie groß muß bei einer dünnen Metalfläche die Tem⸗
peratur des Dampfes feyn, um diefe Wirfung hervorzubringen ?
Die Schnelligfeit der Verdampfung mittelit des Waſſerdampfes
hängt von der Schnelligfeit ab, mit welcher dieſer Dampf in den
Köhren Fondenfirt wird. Bei derfelben Dünne der Metallfläche
ſteht dieſe Schnelligfeit in dem Verhaͤltniſſe der Zemperaturdiffer
renz des Dampfes und der erhigten Zlüffigfeit.. Die Erfahrung
Iehrt, Daß 100.8. einer Fläche von dünnem Kupfer:
bIehe in ı Minute 3 Pfund Wafferdampf bei ei-
nem Semperaturunterfchiede von 40° R. fonden:
firen. In dem vorigen Beifpiele follen 102.8 in ı Minute
ı Pfund Waller verdampfen; wobei die Temperatur der zu ver:
dampfenden Zlüffigfeit 80° R. ift. Folglich verhäft ſich
3: 1 40:4;
oder bei diefer Verdampfung iſt der EN — ——
— 1350 R.. Folglich muß die Temperatur des mit dem —
— in Verbindung ſtehenden Dampfes, welche die vor⸗
Technol. Encyclop. L BD. 2
18 Abdampfen.
ber berechnete Verdampfung herzuftellen im Stande ſeyn foll,
— 80 + 135 93$°R. betragen, welcher Temperatur eine
Efaftigität des Dampfes von etwa 48 P. 3. zugehört: Wäre die
Temperatur der Dämpfe nur 85° R.; fo würde diefelbe Keifel-
fläche in derfelben Zeit nur eine in dem Werhältniffe wie 134 : 5
verringerte Dampfmenge Hervorbringen, oder um diefelbe Abdam-
pfung in derfelben Zeit zu erhalten, würde eine in dem Verhaͤlt⸗
niffe wie 5 : 13 ; vergrößerte Keffel- oder Nöhrenfläche erforder:
Sich ſeyn. Es laſſen fich auf diefe Art für alle Fälle einer Abdam⸗
pfung mittelft des Waflerdampfes die Zeit, Die Größe der Keffel-
fläche, die Quantität der Verdampfung und die Temperatur des
Dampfes, welcher die Fläche erwärmt, fo wie Die Größe des Dampfr
keſſels, welcher denfelben liefern fol, wechielfeitig beftimmen.
IT Abdampfung mittelft erhigter Zlüffigfeiten.
So wie die in dem freien Feuer erhigte Luft, umd in dem
vorigen alle die Wallerdämpfe die Wärme an die Keffelfläche ab-
geben, um die Verdainpfüng der enthaltenen Fluffigfeit zu bewir-
Fen; eben fo kann Ddiefes durch erhitztes Waſſer und andere er-
biste Fluͤſſigkeiten gefchehen.
Wird Waffer angewendet; fo entfteht das ſchon Tange be=
Fannte fogenannte Marienbad oder Wafferbad. Da das
Waller unter dem gewöhnlichen Luftdrude nur Bo°R. Hite an
nehmen kann; fo Fann mittelft diefer Erwärmungsart Die zu ver:
dampfende Flüſſigkeit nicht zum Sieden gebracht werden, fondern
ed wird ihre Verdünftung auf Diefelbe Art bewirft, wie duch
Waflerdämpfe, deren Temperatur 80° R. nicht überfteige. Im
Kleinen wird dad Marienbad gewöhnlicd, hergeftellt, indem man
in einen über dem freien Feuer befindlichen Keffel einen anderen
ähnlich geftalteten, jedoch Fleineren einfeßt, fo daß zwifchen dem
Boden und den Seitenwänden von beiden ein Zwifchenraum bleibt,
wie die Sig. 4 zeigt. Diefer Zwifchenraum ift mit Waffer ange:
füllt, das mittelft des Äußeren Keſſels erhigt wird. Durch die
Köhre b, aus welcher der Dampf entweicht, wenn das Waffer
zum Sieden fommt, wird Waſſer ein- und nachgefüllt.
Don der Anwendung ded Wailerbades zur Deftillation iſt
in dem Artikel Deftillation die Rede. Wenn in der Fig. 4
Abdampfen mittelft erhigter Flüffigfeiten, 19
der äußere Keſſel nur zum Theil, oder wenigftens nicht fo hoch
mit Waſſer gefüllt ift, als die. Flüſſigkeit in dem inneren Keffel
Reht, und das Waſſer im Sieden ift, fo mind der innere Keffel
fowohl unmittelbar durch das Waſſer als durch die Dämpfe, beide
von der Temperatur von 80° B., erwärmt; und es ift dann hier
ein Dampf» und Waflerbad zugleich vorhanden,
Der Zwed der Anwendung des Waflerbades:ift fan ande-
rer, als die Erhitzung der abzudampfenden Slüffigfeit über Bo°R.
zu vermeiden. Diefer Zwed fann num eben fo gut durch Die Ans
wendung der Waſſerdaͤmpfe (S. 11), und zwar bei der Ausfuͤh⸗
rung im Großen mit mehr Bequemlichkeit: und mit einem weniger
fomplizirten Apparate erreicht werben. Sch will. daher auch die
von Dr. Romershaufen angegebene Vorrichtung. bier nicht näher
befchreiben, welche darin befteht, daß von einer Reihe von Dop⸗
pelfejleln, wie Sig. 4, deren zur Aufnahme des heißen Waſſers ber
fimmte Zwifchenräume mit einander fommuniziren, der’ erfte und
der lepte Keſſel jeder mit einem Dampffeffet in Verbindung ſte⸗
ben, welche abwechſelnd mittelſt des Drudes des Dampfes das
heiße Waſſer durch jene Zwilhenräume der Keſſel yına und der:
treiben.
Mehrere Slüffigfeiten ertragen bei der Abdampfung eine bös -
here Temperatur ald 80° R., aber Doch nicht diejenige, welche
dad freie Feuer hervorbringt, die bis zur Zerflötung und Verkoh⸗
lung aller Ertrafte gehen kann; wad befonders leicht an den Stel-
len des Keſſels eintritt, Die von der oberen Släche der Fluͤſſigkeit
berührt werden. In diefen Fällen kann die Erhigung duch Flüf-
figfeiten bewirft werden,. welche bei einer bedeutend höheren Tem
peratur fieden; z. B. durch Ohl, das bei 256° R. fiedet; durch
Quedfilber, deſſen Siedepunft noch höher liegt, u. f. w. Die
Slüfligfeiten werden in dieſem Falle in einem verfchlojfenen Keffel
erhitzt, mittelft. einer Pumpe durch ein Syſtem von Röhren, das
fih über dem Boden des mit der abzudampfenden Flüſſigkeit ges
füllten Gefäßes befindet, hindurch getrieben, von welchen fie wies
der in den Keffel zurüdtreten. Won dem Ohle hat man in der
neueren Zeit im Großen zur Abdampfung des Zuderfyrupd Ger
brauch gemacht: allein die Erfahrung hat nicht für deſſen Vortheil
entichieden. Durch dad längere Erhipen wird das Hhl allmählich
2, *
%
20 0.2, Abdampfen.
zerfeßt und verdickt, fo. daß deſſen Siedepunkt immer höher, da⸗
her der beabfichtigte Zweck verfehlt wird.
Bei Abdampfungen oder Erhikungen im Kleinen, wo alfo
dad OH nur jedes Mahl zu einer oder wenigen Operationen ver-
wendet wird, ift dieſe Methode brauchbar, und in diefem Falle
ift e8 am einfachften, Daffelbe auf die nähmliche Weife, wie im
Marienbade anzuwenden.
IV..Abdampfung buch Verdünftung in der Luft
von der gewöhnlichen Temperatur der Xtmofphäre.
In vielen Fällen kam die erforderliche Abdampfung oder die
Konzentrirung der Slüffigfeit Dadurch bewirkt werden, daß man
Diefelbe der freien Luft -ausfept; wo dann die Verdampfung in
dem Maße Statt findet, als die Elaftizität des fich aus der Flüůſ⸗
figfeit entwickelnden Dampfes, jene des bereits in der Quft, welche
mit der-Slüffigfeit in Berührung ſteht, enthaltenen, übertrifft
1&. 3). Sn. feuchter Luft, welche bereit Dämpfe von derfelben
Glaftizität enthält, als fie fich aus der Flüſſigkeit, ihrer Temper
ratur gemäß, entwideln, geht daher diefe Art von Verdampfung
oder diefe Verdünftung nicht vor ſich; in völlig trockener Luft das
gegen am flärfften. Iſt die Luft fo feucht, daß feine Verbünftung
Statt findet, und die Oberfläche der Slüffigfeit wird durch die
Sonne erwärmt, fo tritt die Berbünflung neuerdings ein; eben
fo, wenn bei gleichbleibender Temperatur der Sluffigfeit die Tem:
peratur der berührenden Luft ſich erhöht, weil diefe dann trodener
wird (Art. Hygreometer). Alle diefe Verhaͤltniſſe find in der
oben angegebenen Formel enthalten (©. 4); aus welcher fich für
alle Sälfe die abfoluten Verdünflungsmengen nad) Zeit und Ober:
flaͤche beftimmen Taffen.
Wefentlihe Erforderniffe zur Befchleunigung der Verdam⸗
yfung in der freien Luft find alfo ı) der Wechfel der Luft an der
Oberfläche; 2) die möglichfte Vergrößerung der Oberfläche der zu
verdünftenden Slüffigfeit. Die erfte Bedingung wird durch jede
Luftbewegung, alfo im natürlichen Wege vorzüglich durch die
Binde erreicht. Künftlich kann diefer Ruftwechfel durch einen,
von Menfchen > oder andere Kraft in Bewegung gelegten, Xen-
tilator bergeftellt werden, der über die Slüffigfeit hin die Bewer
Abdünften an freier Luft. 21
gung eines Luftſtromes unterhält. Montgolfier bat dieſe
Methode zur Konzentrirung ded Traubenfyrups vorgefchlagen.
&ie hat jedoch das Unbequeme, daß man dabei zu fehr von der
Zemperatur und dem Feuchtigfeitäzuftande der Atmofphäre abs
hängt, folglich auf Fein fichered Reſultat rechnen kann. endet
man Dagegen erwärmte Luft an, fo wird der Gebrauch des Ven⸗
tilatord nicht gerade nothwendig, wovon im Folgenden.
Die möglichfie Vergrößerung der Oberfläche wird außer der
Ausbreitung der Slüfligfeit in fehr flachen Gefäßen, wie bei der
Zafelgradirung der Salzfoolen, vorzüglich Dusch die Zertheilung
der Flůſſigkeit bewirkt, dadurch naͤhmlich, daß man diefelbe über
Dormen, Holzreiſig, Hobelſpaͤne und dergleichen oder über
einander liegende Körper, deren Zwifchenräume frei von der Luft
durchftrichen werden fönnen, abteopfeln laßt, wie dieſes ‚bei der
Dorngradirung der Salzfoolen gefchieht (Art. Kodhfalz). Je
Heiner die Zeöpfchen find, welche in der trockenen Quft ſich bewe⸗
gen, defto größer ift die Verdünftung in derfelben Zeit, weil bei
der Kugel die Oberfläche in einem geringeren Verhaͤltniſſe ab:
nimmt, ald der Kubifinhalt. Geſetzt, eine Maife Fluͤſſigkeit ſey
in der Luft in Tropfen von „; 3. Durchmeffer vertheilt ; fo beträgt
die Oberfläche eines folchen Tropfen 0.0314 Q. 3. und deflen
Snhalt 0.000523 8. 3.; es gehen alfo 3.300000 folcher Tros
pfen auf einen Kubiffuß, welches Wafler- Quantum fonach mit
einer Berdünftungsflähe von 0.0314 >< 3.300000 == 103620
Q. 3. oder mit 719 Q. 5. der Luft außgefegt if. Würde man '
diefe Slüfligfeitsmaffe auch nur 3 3. hoch auf einer Flaͤche aus»
breiten; fo würde ihre Oberfläche nur 48 Q. 5. betragen. Wer:
den die Tropfen Fleiner, fo wird das Verduͤnſtungsverhaͤltniß noch
viel größer, und daraus erflärt fich die fchnelle Verdünftung gro-
Ger Wolkenmaſſen bei eintretender Erwärmung der Atmofphäre,
Treibt man mit hinreichender Kraft in trockene warme Luft aus
einee Sprige durch eine enge Offnung einen dünnen Waſſerſtrahl
in die Höhe, fo vertheilt ex fi) in unzählige Fleine Tröpfchen,
welche die Geſtalt des Nebels Haben, und verdünftet beinahe au⸗
genbliclih. Die Anwendung diefed Prinzips im Großen febt,
wie gefagt, eine trodene Atmofphäre voraus: durch Fünftliche
22 | Abdampfen.
Wärme wird daffelbe jedoch für viele Fälle ausführhar, wovon im
Folgenden. |
V. Verdünftung in erwärmter Luft.
Durch die Erwärmung wird die Luft, welche nicht mit gleich
warnen Waller in Berührung fteht, trodener, weil dann die
Waflerdämpfe, welche fie enthalt, eine geringere Dichtigfeit und
Spannung haben, ald ihrer Xemperatur zugehört. In einer ſol⸗
chen warmen, verhältnißmäßig trodenen Luft kann alfo auch die
Berdünftung. fhneller vor fich gehen (S. 3); vorausgefekt, daß
diefe Luft den gehörigen Wechfel hat. Se heißer hierbei die Luft
iſt, defto mehr wird die Verdünftung befchleunigt; und die Hitze
diefer Luft bringt zugleich die Fluͤſſigkeit felbft auf diefelbe Tem:
yeratur. "Den &. 10, 3) und 4) erwähnten Abdampfungsarten
liegt eben diefes Prinzip zu Grunde.
Auf vielfahe Weife wird dieſe Methode ausgeführt, zum
Behufe des Austrocdinens, des allmählichen Verdünftens u. ſ. w
in den Trodenftuben (f. diefen. Art.), oder in eigenen Vors
vichtungen , welche zum Zweecke haben, die in einem befondern Ofen
erhitzte Quft über die Oberfläche der in flachen Gefäßen befindli-
chen Fläffigfeit hinzuführen. Eine folche Vorrichtung ift in dem
nachfolgenden Artifel befchrieben. In allen diefen Bälen bat
man, wie bei der Erwärmung durch Wafferdämpfe, zur Abficht,
Die Berdampfung bei einer Temperatur zu bewirfen, bei welcher
die Slüffigfeit oder der auszutrocknende Körper noch Feine nach:
theilige Veränderung erleidet.
Am wirffamften wird die VBerdünftung in der erwarmten Luft,
wenn die Ylüjligfeit, wie in dem yorigen Abfage (IV) bemerkt, im
einem mehr oder weniger fein zertheilten Zuflande der Luft aus⸗
gefeht wird. Segen wir die Temperatur der Slüffigfeit zu 80° R,
und die Temperatur der trodenen und wechfelnden Luft, welche
mit derfelben in Berührung fteht, ebenfalls wenigitend 80° R
nehmen wir ferner wie im vorigen —— an, daß die Sluffig-
feit in Tropfen im Durchfchnitte von —— 3. Durchmeffer zertheilt
fey; fo werden in ı Minute 22 oder 71.9 Pfund Wailer verdams
pfen; vorausgeſetzt, daß der verdampfenden Sluffigfeit in eben
diefer Zeit auch die zu jener Dampfmenge erforderliche Wärme
Berdünfkung in erwärmter Luft. 23
zageführt werde. Daſſelbe iſt ver Fall, wenn ſich bie Fluͤſſigkeit
über Flaäͤchen dünn ausgebreitet hin bewegt, welche von der war
sıen Luft beſtrichen werben.
Auf welche Art diefeä gefchehen koͤnne, iſt in der Fig. 5 ans
gezeigt. AB ſtellt einen = bis 3 Klafter und darüber hohen, aus
Eiſenblech zufammengefügten und mit Bretern umgebenen vier:
eigen Kaſten vor, der fi) von unten nach oben verjüngt, folg-
lich die Geſtalt einer abgeflugten vierfeitigen Pyramide hat. Im
Inneren find einander gegenüber geneigte Flächen angebracht.
Über demfelben befindet fich der Behälter C mit der abzudampfen-
den Fluüſſigkeit, deilen Boden in der Mitte mit Pleinen Löchern
verfehen ift, ans welchen die Slüffigfeit in die obere Offnung des
Kaftens fließt, und auf den fchiefen Flächen deſſelben niederwärtö
träufelt. Auf diefem Wege wird fie von der bei D einftrömenden er:
higten Luft beſtrichen, welche an der oberen Öffnung bei B wiez.
der austritt, und hier noch an den Boden des Behälters C etwas
Wärme abjept. Die in dem unteren Behälter A fi fammelnde
Flüſſigkeit wird Durch eine Pumpe wieder in den oberen Behälter
C zurüdgebracht, bis die erforderliche Konzentrirung erreicht ift.
Iſt die Temperatur der bei D einftrömenden warmen Luft
nicht hoch genug, um durch den Kanal aufwärts einen gehörig
raſchen Zuftzug zu begründen; fo fann an der oberen Mündung
ein Ventilator angebracht werden, der auch, wenn es die Lokali⸗
tätöverhältnifle zulaffen, durch ein zu irgend einer anderen Ab-
dampfung oder Koftur zu verwendendes euer erſetzt werden kann,
deifen Alchenherd mit der oberen Mündung des Kanals fa in Ver:
bindung fleht, Daß die das Feuer ernährende Luft aus demfelben
zuſtroͤmt. Durch diefe Einrichtung wird bei der Abdünſtungsope⸗
tatıon in dem Kanal feine Waͤrme ungenügt verloren, weil die
aus der oberen Mündung mit der Luft entweichende Wärme dem
jweiten Feuerherde zum Guten fommt. |
Bei diefer Einrichtung mit einem Ventilator oder mit einem
Luftzuge Durch einen zweiten Seuerherd it Die fenfrechte Stellung
des Kanals nicht nothwendig, fondern derfelbe fann auch, wenn
es für die obwaltenden Verhältnijfe bequemer ift, horizontal ges
legt werden.
Am vortheilbafteften zur Abdampfung bei einer Temperatur,
.
ah. Abdampfen.
die die Siedhitze nieht, oder nicht ſehr bedeutend überfteigt, wird
- der warme Luftzug angeivenbet, wenn er nad) den oben angege⸗
benen Srundfägen zur Herftelung eines befländigen, die ver—
dampfende Shüfligfeit nicht abfühlenden, Luftwechfeld verwendet
wird, während die Fluͤſſigkeit felbft ihre Heitzung mittelft der
Waſſerdaͤmpfe erhält. Bon diefer Art ift Cleland's Abdamr
pfungsapparat, der in neuerer Zeit mit Vortheil für Die Konzen-
‘ trirung ded Zuderfyrups und anderer Auflöfungen verwendet wor⸗
den iſt.
Fig. 6 zeigt den Durchſchnitt eines ſolchen Apparats In
dem viereckigen Kaſten AB von etwa 3 F. im Gevierte und ı=.
5. Höhe und darüber find Fupferne Röhren nach der in Fig. 7 ans
gezeigten Weife vertheilt, welche den auf die Länge der Röhren
in ig. 6 fenfrechten Durchfchnitt vorftellt. Eine jede fenfrechte
Reihe diefer Röhren, als AB, 11, 22, 33 ıc. ift auf die in
Sig. 6 angegebene Art Ponftruirt. Die untere Offnung a einer
jeden ſolchen Nöhrenwand mündet ſich in ein gemeinfchaftliched
Rohr ein, das mit dem Zuleitungsrohre des Dampfes, a’ Fig. 7,
in Verbindung fteht. Eben fo ftehen die oberen Öffnungen die
fer Röhrenfyfteme durch ein gemeinfchaftliches Rohr mit der ge=
meinfchaftlihen Ausgangsröhre b’ in Verbindung. Durch bie
untere Öffnung a’ werden Daher fämmtliche im Zifzaf auffteis
gende Röhren mit Dampf verfehen; und durch die obere Öffnung
b? findet aus allen -Nöhren der Abzug. der Luft Statt, zu deflen
Kegulirung der angebrachte Hahn dient.
Am oberen Theile des Kaftens befindet fich der Behälter c,
welcher mit der abzudampfenden Sluffigfeit angefüllt ift, die durch
den mit Fleinen Löchern verfehenen, feiherartigen Boden des Be-
bälters auf die durch den Wafferdampf erhigten Röhren in Geftalt
eined Regens niederfällt. Bei der angezeigten Dispofision der
Röhren Fann nun die Slüffigfeit, die von einer höher liegenden
Röhre abtropft, die tiefer Tiegenden nicht vorbeigehen, ohne fie
zu berühren, fo daß auf diefe Art unaufhörlich ihre Verdün- -
ftung während des Niederfallens fortgefebt wird, bis fie endlich
in den unteren Behälter e gelangt, aus welchem fie durch den
Hahn d abgelaffen wird. Iſt fie noch nicht genug Fonzentrirt,
fo wird fie mittelft der Punpe wieder in den Behälter e zuruͤckge⸗
Abdampfen im leeren Raume. 25
bracht. Diele wieberhohlte Myeration kaun jedoch erfpart werben,
wenn man nach der Befchaffenheit der abzudampfenden Flüſſigkeit,
z. © des Syrups, dem Kaften eine ſolche Höhe, und dem Dams
pfe eine ſolche Temperatur gibt, daB die Konzentrirung erfolgt
it, wenn die Flüſſigkeit ein Mahl den Weg durch den Kaften ges
nommen bat. Der Kaften felbft ift von Blech zufammengefept, und
die Winfelverbindung der Röhren wird, wie die Fig. 6 zeigt, von
außen angebracht, damit Reparaturen, die gewöhnlicdy nur an dies
fen Stellen vorkommen, leicht vorgenommen werden fünnen. So⸗
wohl zur Sefeftigung, als um die Ableitung der Wärme zu hindern,
it er mit einer Holzeinfaflung umgeben. Es iſt zwedmäßig, daß
der untere Behälter e gleichfalls von dem Dampfe erhigt werde. -
Durch die unteren Öffnungen des- Behälters, g,g, tritt er»
wäarmte Luft ein, welche aus einem in der Nähe befindlichen dazu
eingerichteten Ofen fommt. Diefe Luft ſtroͤmt aufwärts und führt
die gebildeten Dämpfe mit fich fort, befördert auch noch unmit⸗
telbar die Werdünftung der ihr entgegen bewegten Slüffigfeit.
Oben feitwärtd von dem Keffel c befinden ſich mehrere Öffnungen
für den Ausgang diefer Luft. Wollte man diefen Luftzug noch
verftärfen, fo ift es räthlich, an einer am oberen Ende einer Seis
tenwand des Kaſtens angebrachten Öffnung noch einen hölzernen
fih verjüngenden Schlauch aufwärts zu führen, in welchem bie
Euft abzieht.
Diefer Apparat fombinirt und erfüllt die Bedingungen der
Ausbreitung der Zlüffigfeit zu einer möglichft großen Oberfläche,
der Erhitzung der erwärmenden Släche zu einer konſtanten Tem⸗
peratur durch Waflerdampf, und der Befchleunigung der Vers
dünſtung durch den Wechfel von warmer Luft. Er ift zur Abdam ⸗
pfung von Zuderfyrup, von Ertraften, von Trauben: Moft ꝛc. bee
fonders brauchbar.
VL Abdampfung bei vermindertem Luftdrucke,
oderim leeren Raume.
Der Drud der Luft auf die bei einer niederern Temperatur
old Bo° R. verdampfende Fluͤſſigkeit “verfögert deren Verdam⸗
rfung, weil die entflandenen Dämpfe fich immer einige Zeit auf
der Oberfläche der Fluͤſſigkeit aufhalten und auf diefelbe zurids
26 Abdampfen,
drüden, bis die wechfelnde Luft fie weiter fortführt (&. 3). Wuͤr⸗
den die Dämpfe in dem Augenblicke verfchwinden, als fie fid) aus
der Slüffigfeit entwickeln. fo würde letztere fo ſchnell verbampfen,
als der zu diefer Dampfmenge erforderliche Wärmezufluß von au⸗
fen Statt finden kann. Diefes leiftet die Einrichtung, Daß man
über Der zu verdampfenden Slüffigfeit einen beinahe leeren Raum
herſtellt, nicht nur indem man die Luft über derfelben wegichafft,
fondern auch die Dämpfe felbft in dem Maße entfernt, als fie ent⸗
fieben. Man hat alfo dadurch ein Mittel, die Werdünftung bei
niederer Temperatur zu bewerfftelligen (&. 5), und dennoch fie
möglichft zu befchleunigen. Eine Erfparung an Brennmateriak iſt
bei diefer Methode nicht vorhanden: denn wenn gleich diefe Vers
dampfung. bei geringerer äußerer Wärme gefchehen fann; fo ift
doch für diefelbe verdampfte Waflermenge auch die Wärmemenge
gleich, weil ı Pfund Dampf von niederer Temperatur und ge-
ringerer Dichtigfeit eben fo viel Wärme enthält, als ı Pfund
Dampf, deifen Temperatur und Dichtigfeit größer iſt (©. 7).
Der einfachfie Apparat zur Ausführung dieſes Prinzips iſt
folgender ;
In der Fig. B ift A der Keffel, in welchem fich bie abzu⸗
dampfende Flüſſigkeit befindet, mit feiner Abflußröhre a. B ill
der über diefem Keifel Iuftdicht angefchraubte Dedel, in welchem
fi die mit einem Iuftdicht paſſenden Stöpfel verfchloffene Offnung
c zum Einfüllen befindet. C ift das Kommunifationsrohr mit dem
Kefrigerator D, durch welches die entwicelten Waflerdämpfe in
den legteren treten, und hier durch das Falte Wafler, das ihn
in dem Gefaͤße EE umgibt, fondenfirt werden. Diefer Refriger
vator, ‚der unten mit dem Ausflußhahne f verfehen ijt, hat irgend
eine der bei der Deitillation gewöhnlichen Formen (Art. Deftil-
Tation), um der umgebenden Falten Flüſſigkeit eine große Ober-
fläche darzubiethben. Das falte Wafler tritt in den äußeren Be—
hälter unten bei d ein, und das etwas erwärmte fließt oben bei
e ab.
‚ Der Gebrauch diefes Apparats iſt folgender. Wenn die
Fluͤſſigkeit in den Keſſel A durch die Offnung c eingefüllt, und
letztere wieder Tuftdicht verfchloffen worden ift, wird durch Die
Röhre b, welche mit einem Danıpffeifel in Werbindung fleht, nad)
Abdampfen im leeren Raume. 27
Öffnung des Hahns, Dampf in den oberen Raum des Keffele ein⸗
gelaſſen, nachdem der Hahn f geöffnet worden iſt, und be
vor dad falte Waſſer in den Behälter E eingelaffen wird. Diefor
Ballerdampf vertreibt Die Luft aus dem Keflelraume B, der Kom-
munifationsröbre C und dem Refrigerator D, indem fie durech die
Röhre £ entweicht. Wenn endlich aus diefer Röhre bloßer Waſ⸗
ferdampf austritt; fo wird der Hahn £f und ebenfalld der Dampf-
bahn b gefchloifen, und das kalte Waſſer nun in den Kühlbehälter
E eingeloffien. Die Wafferdämpfe werden nun verdichtet, und
ed entſteht in diefen inneren Räumen des Apparats ein Iuftleerer
Kaum. Wird nun der Keſſel A von außen durd ein Waflerbad,
oder, was vorzuziehen ift, gleichfall8 aus demfelben Dampffeflel
durch Waſſerdampf, geheist: fo fommt die Flüſſigkeit im Keflel
bei einer bedeutend niederern Temperatur als 80° R. ins Sieden;
die gebildeten Waſſerdaͤmpfe verdichten fich in dem Refrigerator D,
und fommeln ſich als tropfbares Waſſer in deſſen unterem Theile.
SR die Abdampfung beendigt, fo wird der Stöpfel c wieder
geöffnet, damit’ die Luft eindringe, worauf die eingedidte Slüfs
figfeit durch den Hahn a abgelaifen wird.
Die Temperatur der Dämpfe, folglich auch Die Temperatur
der Flüfligfeit bei der Verdampfung in dieſem Apparate, hängt von
ber Zemperatur des fondenfirten Wafferd ab, weil über der Slüf-
figfeit noch Dampfe von derjenigen Elaftizität zurückbleiben, welche
der Temperatur des Waſſers zugehört, in welches ſich die Dämpfe
verdichtet haben. Wenn 3. B. diefe Temperatur 25° R. beträgt,
wie dieſes Durch den hinreichenden Zufluß des Falten Waſſers bei
verhältnigmäßig großer Berührungsfläche des Nefrigeratord bes
wirft werden kann: fo wird die Flüſſigkeit in dem Keſſel beiläufig
bei einer Temperatur von 30°R. oder etwas darüber fieden. Er⸗
fältet man daher den Refrigerator noch flärfer, ald diefed durch '
gewöhnliches Brunnenwaifer gefchehen kann, nähmlich durch Um:
gebung mit Eis oder Schnee, welche mit Kochfalz gemengt wor⸗
den find; fo fann die Temperatur des aus den Daͤmpfen fondenfira
ten Waſſers bis nahe auf 0° R. gebracht werden, und die Ver:
dampfung wird dann in dem Keifel ohne Anwendung Fünftlicher
Wärme vor fich gehen, bloß durch die Wärme der umgebenden
Luft, welche durch den Keifel in die Fluͤſſigkeit ubertrite. Es iſt
H
28 Abdampfen. |
alfo Hier derſelbe Ball vorhanden, als wenn die Sluffigfeit in
freier trockener Luft verduͤnſtet; nur ift Hier die Verdünflung
ſchneller, weil feine Verzögerung dutch den Luftdrud Statt findet.
Diefe Methode kann in denjenigen Fällen angewendet werden, in
welchen die Abdünftung außer Berührung mit der Luft gefches
ben fol. |
Die Größe der Oberfläche, welche dem Refrigerator bei ei⸗
nee beflimmten äußeren Temperatur und einer beftimmten Keflel-
fläche zu geben ift, damit die Kondenfirung gehörig erfolge, läßt
fi) nach den bereitd früher angegebenen Daten beftimmen. Die
Größe der von dem Waſſerdampfe beftrichenen und innen mit der
Zlüffigfeit in Berührung ſtehenden Keffelfläche betrage- z. B. 10
2. F.; fo ift die Verdampfung in ı Minute gleich ı Pfund Wafe
fer. Das alte Wafler, welches den Nefrigerator umgibt, babe
im Mittel 15° R., und die Temperatur des aus dem. Dampfe kon⸗
denfirten Waſſers fol dadurch auf 30° R. gebracht werden, alfo
der Dampf aus der Flüſſigkeit fich bei diefer oder einer etwas
höheren Temperatur entwideln. Nun fondenfiren 34 Q. F. dün⸗
ner Kupferflähe in ı Minute ı Pfund Waflerdampf bei einem
Zemperaturunterfchiede von 40° R.; folglich ift für einen Tempe⸗
raturunterfchied von 15° R |
15:40=53::89,d. h.
um diefe Bedingungen der Kondenfirung zu erfüllen, eine fonden-
firende Oberfläche von 8,9 Q. 8. erforderlich. Diefe durch Rech⸗
nung gefundene Quantität Fann man in der Ausführung verbops
peln, damit auch für eine lebhaftere Erhitzung der —
der Refrigerator noch ausreiche.
Damit dieſer Apparat ſo gebraucht werben koͤnne ‚ daß die
Dperation ununterbroden fortgefeßt werde, kann derfelbe die in
der Fig. g dargeftellte Einrichtung erhalten. AB iſt wie vorhin
der Keſſel mit der zu konzentrirenden Slüffigfeit. Die etwas weis
tere und Iuftdicht verfchraubte Öffnung c dient hier, um in den
Keffel, zur Reinigung deſſelben, gelangen zu fönnen. b ift die
Nöhre, welche mit dem Dampfkeffel fommunizirt; hift eine Röhre,
deren Ende in die zur Abdampfung beftimmte, in einem Behäls
“ter "befindliche Flüffigfeit taucht. H ift eine gläferne Röhre, die
in zwei Eupferne, mit dem oberen und unteren Theile des Keffels
Abdampfen im leeren Raume. 29
in Berbindung ſtehende Knieröhren eingefiftet ift, und den Stand
der Zlüffigkeit in dem Keflel anzeigt. Die Kommunifationd:
roͤßre C ift in der Nähe des Keſſels mit einem Hahne verfehen.
Der Refrigerator E ift bier am zwedimäßigfien aus dünnen Roͤh⸗
sen von Kupferblech von + bis ı 3. Durchmefler, ganz nach der
felben Anordnung wie in Sig. 6 und 7 herzuſtellen. Mit der Ab⸗
flußroͤhre £ des Refrigeratörs ift ein zweiter Fleiner Tuftdichter Be⸗
bälter F in Verbindung, der unten feine mit einem Hahne verfe-
bene Abflußröhre g hat, ebenfalls mir einem Kühlbehälter umge⸗
ben it, und zur Auffammlung des in dem Refrigerator Pondenfir
ten Waſſers dient. Am oberen Theile ift Die mit einem Hahne ver-
fehene Röhre K'befindlich, welche gleichfalls mit dem Dampffef-
fel fommunizirt; durch weldyen legteren auch der Keſſel AB ges
beigt wird.
Der Bang dieſes Apparates iſt folgender: Nachdem die
HähneC, f und g geöffnet worden find, und bevor das kalte
Waſſer in Die Kühlbehditer eintritt, wird der Hahn der Dampf:
roͤhre b geöffnet, damit der eindringende Dampf die Luft aus den
inneren Räumen des Apparatd austreibe, worauf die Hähne b
und g wieder gefchloffen werden. Man läßt hierauf das Waffer
in die Kühlgefäße eintreten, und öffnet den Hahn h, wodurch die
abzudampfende Fluͤſſigkeit aus dem Vorrathöbehälter in diefer
Röhre h empor fleigt, und den Keffel bis zur gehörigen Höhe,
die Durch die Slasröhre H angezeigt wird, anfüllt. Iſt die
verlangte Eindickung bewerkſtelligt; fo fchließt man den Hahn
C, öffnet den Dampfhahn b, damit der Dampf aus dem Keſſel
den Keſſelraum anfülle, und öffnet ſonach den Ausflußhahn a, ®
worauf die konzentrirte Flüͤſſigkeit ausfließt. Schließt man hier-
auf Die Hähne a und b, und öffnet den Hahn h; fo füllt fidy
der Keſſel neuerdings mit Flüſſigkeit, und die Operation beginnt
von Neuem, nachdem h wieder gefchlojfen und C geöffnet wor⸗
den ift.
Der Inhalt des gefchloffenen Waſſerbehaͤlters E fann wäh.
rend der Operation zu jeder Zeit auögeleert werden. Man fchließt
nähmlich zuerft den Hahn f, zieht das falte Waller aus dem Be⸗
hälter G ab, und öffnet hierauf die Hähne k und g. Der durd)
keindringende Dampf zwingt dad Wailer zum Ausfließen, und
50 Abdampfen.
wenn der Dampf ſelbſt aus der Röhre g tritt, fo wird der Sahı
g wieder gefchloffen, jener bei £ geöffnet, und daß. Palte
Waſſer wieder eingelaffen, worauf das fondenfirte Wafler, das
ſich unterdeffen in dem unteren Theile des Refrigeratord angefam⸗
melt hatte, in den Behälter F abfließt. Da die in den Keflel neu
eintretende Slüffigfeit immer etwas Luft enthält; fo wird e3.noth-
wendig, daß der Apparat von Zeit zu Zeit von diefer Luft gerei⸗
niget werde, inden man nach Beendigung einer Operation das
Waller aus den beiden Kühlbehältern abzieht, und den Dampf,
wie bei dem erften Anfange, durdy den ganzen Apparat ftrömen
läßt. Um diefe Reinigung feltner nöthig zu machen, iſt ed vor-
theilhaft, den Vorrathsbehaͤlter der zu Fonzentrivenden Zlüflig-
feit felbft dirch den Waflerdampf zu erwärmen, wodurch fchon
beinahe alle Luft ausgetrieben wird.
Diefer Apparat fann fowohl im Kleinen als im Großen aus⸗
geführt und gebraucht werden. Im Kleinen iſt er zur Anferti⸗
gung von Ertraften aller Art bei gelinder Zemperatur, fo wie zur
Abdampfung von Salzauflöfungen mit vegetabilifchen Säuren oder
Baſen dienlih; im Großen iſt er vortheilhaft für Die Konzentris
rung ded Zuderfprups, des Traubenmoſtes ıc. verwendbar, in
welchem Balle mehrere folche Apparate, welche durch einen und
denfelben Dampffeifel verfehen werden, neben einander anzubrins
gen find.
Diefer Apparat verdient den- Vorzug vor, denjenigen Vor⸗
richtuhgen, in welchen der Iuftleere Raum mittelft einer Luft
pumpe hervorgebracht, und das zur Kondenfirung nöthige Falte
Waller, wie bei der Dampfmafchine, eingefprigt wird, die Pumpe
fonach, wie bei diefer, als Luft: und Warm -Waffer - Pumpe
wirft, — eine Einrichtung, die fowohl in der fomplizirteren An=
Inge als in der Unterhaltung einer bedeutenden mechanifchen Kraft
Foftipieliger ift, und auf deren nähere Befchreibung ich mich ae
bier nicht einlaife.
Was endlich dad Material der Abdampfgefäße betrifft;
fo muß daffelbe nach der Befchaffenheit der abzudampfenden Sluf:
figfeit genommen werden. So wendet man für verdünnte Schwe-
felfäure und ſaure fehwefelfaure Salzauflöfungen das Blei, für.
alfalifche Slüffigfeiten Eifen, für Ertrafte Zinn, Kupfer, ver
Apdampfgefäße. Sandbab. 31
jimtes Kupfer u. f.w. an, im Kleinen‘ Glas, Steingut, Por-
zellan, Silber, Platin.
Die metallenen Abdampfgefäße, die man in den Laborate-
rim anwendet, haben die Form Fleiner Keffel, die man über das
Sohlenfeuer eines Windofens fegt. Die Abrauchfchalen von Glas,
die aus den Glashätten fommen, find wegen der ungleichen Dide
dem Zerfpringen unterworfen: man verfertigt fie daher auch. felbft
aus gläfernen Kolben, die man: nach der Richtung ded Halfes,
deiien Hälfte Dann für die Schale einen Ausguß bildet, in wei
Hälften zerfchneidet ; indem man mit der Spige eines eifernen gli»
henden Stabes über den Theil binfährt, den man fpalten will.
Kleinere Schalen werden aus einem Kolben durch einen an einem
Stiel befeftigten eifernen Ring (Sprengeifen), den man roth⸗
glühend auf die abzufondernde Stelle bringt, audgefprengt.
Glaͤſerne Gefäße Fönnen nicht über freies Kohlenfener
gefegt werben, fondern werden im Sandbade erhigt, indem
nähmlich ein eifernes, über dem freien Feuer befindlichee, Gefäß mit
Sand gefüllt, und in diefem erwärmten Sande dad Gefäß bie
zur gewünfchten Tiefe eingefebt wird. Dad Sandbad bat den
Bortheil, daß es die Hibe des freien Feuers nur allmählich durch⸗
läßt, und eben fo auch bei der Wegräumung des Feuers nur alls
mählich abfühlt; fo daß dabei gläferne Gefäße beliebig erhigt wer⸗
den fönnen , ohne dem Zeripringen auögefegt zu feyn.
Sollen gläferne Gefäße uber dem freien Feuer gebraucht
werden ; fo müifen fie, ftatt des Sandbades, an der Außenfläche
mit Thon überzogen (befchlagen) werden, welcher mit Sand und
Kuhhaaren vermengt, und nad) dem Auftragen langfam abgetrock⸗
net wird, indem man die entflehenden Riſſe mit neuem Thon ver⸗
ſtreicht.
Die beſten Abrauchſchalen ſind uͤbrigens jene aus Porzellan,
das auf der aͤußeren Flaͤche keine Glaſur hat, und jene aus Stein⸗
gut oder Wedgewood mit innerer glaſirter Flaͤche. Dieſe Schalen
koͤmen über freiem Feuer gebraucht werden, vertragen Abwechslun⸗
gen der Temperatur, und werden von Feiner Aufloͤſung angegriffen.
Beim Abdampfen dicklicher Flüſſigkeiten, die ſchwerer eine
gleichförmigere Erwärmung annehmen, iſt es vortheilhaft, Die gleis
here Vertheilung der Wärme in der Maſſe durch eingelegtes
32 Abdampfen.
Drahtgeflechte oder Drahtgewebe zu befoͤrdern, die aus einem
ſchicklichen Metalle verfertigt ſind, und am beſten aus Platindraht
beſtehen. Durch dieſes Mittel wird überhaupt die Verdampfungs⸗
fläche vergrößert, daher die Berdampfung befchleunigt..
Die Form der Keffel Hängt von dem Zwecke ab, den man
Sanptfächlic im Auge hat, und ergibt fid) aus den bisher erörter-
ten Bedingungen. Füuͤr Fleinere Maflen von Fluͤſſigkeit bedient
man ſich runder Keſſel, weil fie leichter zu verfertigen, und dauer-
bafter find, als vieredige: für größere Maffen wählt.man leg-
tere Zorn, weil fie für gleichen Inhalt eine größere Oberflädhe
gibt. Keifel von gar zu großer Ausdehnung fucht man zu vermei⸗
den, weil ihre Fläche nicht mit Ofonomie gleichförmig erhigt wer-
den kann, und vertheilt Tieber den Inhalt in mehrere Fleinere ;
ober verfieht Einen großen mit zwei oder mehreren Fenerherden.
Sowohl bei runden als vierediigen Keffeln, die nicht gar zu groß
find, biegt man den Boden einwärts, weil unter einem folchen
Die Hige fi) länger aufhält und beffer wirft, ald bei einem ebenen
oder fonvereu Boden.
Noch ift zu bemerfen, daß bei allen Berdampfungsprozeffen,
welche ohne Unterbrechung oder Durch Tängere Zeit hindurch fort
gefept werden, zur Erfparınig an Brennmaterial oder an Zeit die
Einrichtung getroffen werden muͤſſe, daß die in den Abdampfungse«
keſſel nachfließende Auflöfung ſchon vorher gehörig erhigt werde.
Dieſes geichieht am zweckmaͤßigſten Dadurch, daß der Slüffigfeitöbe-
bälter, aus welchem dieſer Erſatz geichieht, und welcher etwas
Höher geſtellt ift, ald der Dampffeffel, noch burch die aus dem
Feuerherde Pommende heiße Luft erwärmt wird, bevor fie in den
Rauchfang tritt. In einigen Faͤllen fann die Einrichtung fo ges
troffen werden, daß der von dem freien Feuer beftrichene Abdampf⸗
Feffel mit einem gewölbten und riygsum mit fenfrechten Wänden
umgebenen Deckel verfehen iſt, auf welchem fich ein cplindrifcher
Anſatz befindet, aus welchem Dampfröhren in die Slüffigfeit ein⸗
treten, mit welcher diefer Hutförmige Auffag angefüllt if. Ein
ſolcher Ofen ift in dem Artikel Bierbrauerei befchrieben.
Überhaupt iftes, aus den fhon (©. 9) angegebenen Grün:
den vortheilhaft, bei der Abdampfung über freiem euer in allen
jenen Bällen, wo es nicht nothwendig iſt, Daß die Oberfläche der
Abdampfungsofen. 33
Suiffigfeit mit Der freien Luft in Berührung ftehe, den Keifel zu
bedecken, und den entweichenden Dampf mittelft einer Leitungs-
röhre zu einer andern beliebigen Heigung zu verwenden, weil bei
einer ſolchen Einrichtung die Seuerungsfoften des erften Keffels
beinahe auf nichts reduzirt werden.
d. H.
Abdampfungsofen.
Diejenigen Vorrichtungen, bei welchen das Erhitzen uud
Abdampfen der Ylüfligfeit durch die Wirkung des freien Beuers
gefchieht, begreift man unter dem Nahmen der Abdampfungs-
öfen. Sie beftehen aus einem zwedfmäßig eingerichteten Feuer⸗
berde, über welchem das Gefäß mit der zu erhitzenden Flüſſigkeit
aufgeftellt if. Die allgemeinen Bedingungen zur zweckmaͤßigen
Eimihtung des Feuerherdes, welcher Die Brundlage eines jeden
Dfend mit natürlichem Luftzuge für irgend einen Zweck ausmacht,
find in dem Art. Beuerherd angegeben. Hier werden diejeni-
gen Konftruftionen betrachtet, welche zunächft die für Abdampfun-
gen jeder Art eingerichteten Dfen betreffen. Spezielle, für einzelne
Fabrifationen berechnete Einrichtungen werden in den fpeziellen
Artifeln behandelt.
Die gewöhnliche Art, einen Siede: oder Abdampffeffel auf
den Keuerherd zu bringen, ift die in der Big. 10 (Taf. 1) dargeftellte.
a iſt die Heigthüre, ducch welche das Brennmaterial auf den Roft
gebracht wird, f der Afchenraum: der in dem Yeuerraume frei
hängende Keifel ift, wenn feine Höhe einige Buß beträgt, bei bb/
mit einer ringförmigen Scheidewand umgeben, welche bei b/ oder
der der Rauchöffnung entgegengefehten Seite eine Offnung hat,
durch welche das Feuer, nachdem es auf den unteren Theil des
Keſſels gewirft hat, über die Scheidewand tritt, den oberen Theil
des Keſſels umgibt, und dann durch die Öffnung c entweder un-
mittelbar, oder was beſſer it, erft durch den niederfleigenden
Kanal A in den Rauchfang tritt. Der letztere niederwärtd gehende
Zug bat den Vortheil, daß die Hige oben bei i mehr zurückgehal⸗
ten, und dadurch Die Temperatur des ganzen Feuerraums höher
gehalten wird, ald ed der Fall wäre, wenn der Rauch von hier
aumittelbar in den Rauchfang trate.
Technoi. Encyclop. I. Bd. 3
34 Abdampfungsofen.
Diefe Einrichtung hat jedoch noch zweierlei Nachtheile.
1) Wird dad Feuer auf dem Nofte, durch die Berührung der
Slamme mit der nur auf eine verhältnißmäßig geringe Tempera-
tur erhigten Keffelflähe, an welcher fie Hinzuftreichen genöthigt iſt,
zu fehr abgefühlt, fo daß die Verbrennung nicht vollftändig erfol-
gen fann, und ein nicht unbedeutertder Theil des Brennmaterials
im NRauche verloren geht. 2) Wird bei jeder Öffnung der Heiß-
thüre a durch das Einftrömen der äußeren Falten Luft die Keffel-
fläche abgefühlt, und dadurch ebenfalls an Brennmaterial und an
Zeit verloren. " Den nachtheiligen Einfluß des letzteren Umftandes
fann man deutlich bei einer ähnlich eingerichteten Kejfelfeuerung
bemerfen, wo daB Sieden fogleich fhwächer wird, fobald man
die Heisthüre öffnet, ja nad) einiger Zeit ganz aufhört.
Den Einfluß des erfteren Umftandes, naͤhmlich der Verhin⸗
derung des vollſtaͤndigen Verbrennens durch die kaͤltere Keſſel⸗
flaͤche, kann man ſich durch einen einfachen Verſuch klar machen.
Man nehme eine Schale aus Kupferblech mit Waſſer angefüllt,
und halte fie über die Flamme einer Wachöferze in einer Kleinen
- Entfernung von der Spitze berfelben ; jo wird die Flamme an ih>
rer Intenfität und Geftalt feine Anderung erleiden, und in dieſer
Stellung wird ſich die Flüſſigkeit bald erhigen und zu ſieden an⸗
fangen. Senkt man aber die Schale mehr nieder, ſo daß ihr
Boden in die Flamme hinein ragt fo verliert letztere ſogleich ih⸗
ren Glanz, wird dunkel und rauchig, der Boden der Schale über:
‚zieht fich mit Ruß, und bei diefer unvollftändigen Verbrennung,
bei welcher die Hige um ein Bebeutendes vermindert ift, hört das
Waſſer wieder auf zu fieden. Bei der Heigung des Keſſels ift es
daher wefentlich, die Abfühlung des Feuers durch die Keffelwand
zu vermeiden; was niemahls gefchehen kann, wenn, wiein Fig. 10,
die Flamme des Beuerd unter dem tief liegenden Keſſel fchief hin⸗
zieht, folglich bevor Die Verbrennung erfolgt ift, ſchon die Abs
fühlung eintritt. Diefer Umftand ift bei der Holsfeuerung noch
mehr von Bedeutung, als beider Feuerung mit Steinfohlen, weil
bei legteren die Flamme viel kürzer ift, und die Werdemanug fi fi)
näher an den Roſt befchränft.
Der Zwei diefer vollftäudigeren Verbrennung kann bewirkt
Abdampfungsofen. 35
werben, entweder indem man dad euer mitten unter dem Keffel auf
einem Rofte unterhält, und lebteren von dem Keifelboden in der:
jenigen Entfernung hält, welche für das aufgelegte Brennmaterial
jur gehörigen Emtwicelung feiner Flamme hinreicht, fo daß for
nach der Keifelboden fenfrecht von der Flamme beftrichen wird:
oder indem man das Feuer von dem Heibraume ganz entfernt, fo
daß deilen Flamme mit dem Keffelboden gar nit in Berührung
fommt, fondern lebterer von der von dem Beuerherde fommenden
glühenden Luft beftrichen wird.
2 Nach dem erften Prinzip iſt der in der Big. 11 und 12 atzaf. 1.)
im horizontalen und fenfrechten Durchfchnitt Dargeftellte Ofen einge⸗
richtet. a ift die Heitzthuͤre, b der Roft; cc find gemauerte Stuͤ⸗
den, auf welchen der aͤußere Rand des Keifelbodens ruht; diefe
Stügen laſſen Zwifchenräume zwifchen ſich, wie Big. 11 zeigt,
durch welche die heiße Luft, die unter dem Keffelboden gewirkt
bat, in den Kanal ee tritt, welcher den unteren und Außeren
Theil des Keſſels umgibt. Durch die Offnung £ (Big. 11) tritt
nun Rauch und Luft in den Kanal-gg (Big. 12), welcher, dent
vorigen Kanale parallel, den oberen Theil der Keffelwand umgibt,
und von da durch die Öffnung h in den Rauchfang. Damit die
Hipe unter dent Kejlelboden fich gleichförmig verbreite, und nicht
fogteich der in den oberen Kanal führenden Offnung f zueile,
find die Zwifchenräume des Kranzed cc, auf dem der Keſſel ruht,
ungleich vertheilt, jo daß fie bei f am weiteften, an der gegen-
überftehenden Seite aber am engſten an-einander fiehen. Die bei
h entweichende Wärme kann noch zur Heitzung ded Behälter,
aus welchem die Flüſſigkeit in den Keffel nachfließt, verwendet
werden. Das Mauerwerf dieſes Ofens wird mit einigen, außer
dem Gebrauche gut verfchloffenen Öffnungen verfehen, um die
Züge der Kandle e und g reinigen zu fönnen.
Die Entfernung des Roftes von dem Keffelboden hängt von
dem Brennmaterial ab, und ift Fleiner für Steinfohlen als für
Holz. Sie muß überhaupt, wenn der hier beabfichtigte Zweck
erreicht werden foll, fo genommen werden, Daß bei gehörig ein
gelegter,, und im vollen Verbrennen befindlicher Brennjtoffmenge
die Spise der Flamme ſchon gebildet ift, bevor fie den —
den erreicht.
\ 3 >
36 Abdampfungsofen.
Diefer Ofen gibt zugleich ein Mufter für die Anlegung von
Feuerfanälen oder Zügen, um die Hiße des Feuerherdes auf die
Keſſelwaͤnde gleichförmiger gu vertheilen. Man darf.diefe Züge
nicht ohne Noth vervielfältigen, weil fie die Maſſe des Mauer:
werks gerade an jenen Stellen, wo die Hiße am größten ifl, ver⸗
mehren, und dadurch der Wärme eine unnöthige Ableitung ver-
fhaffen. Es ift beifer, den Boden des Keffeld von folchen Zügen
frei zu laſſen, die nurdie von dem Feuer beftrichene Oberfläche
deſſelben vermindern, und nicht mehr Mauerwerf anzubringen,
als zur Unterftügung deſſelben nöthig iſt. Kann der Keifelboden,
ohne folche Züge nicht gleichförmig durch Einen Seuerherd geheitzt
werden, fo find Dann lieber zwei anzubringen.
In den meiften Sällen iſt es am ficherften, und fowohl inz
Kleinen als auch bis zu jeder Dimenfion im Großen ausführbar,
den Feuerberd von dem Heigraume zu entfernen, um in
dem erfteren die Verbrennung vollfländig zu bewirfen. Man er=
halt dadurch den Bortheil, daß man diefen Feuerherd für jede
Art und Menge von Brehnmaterial, ohne Ruͤckſicht auf die Form
des Keſſels, auf die für die vollftändige Verbrennung günftigfte
Weiſe einrichten, und dann die von diefem Herde kommende Hitze
‚ anf beliebige Art auf die zu erhigende Fläche wirken laſſen Fann.
Da diefer von feuerfeften Ziegeln umgebene Herd vor der Berüh—
sung von Körpern, welche die Wärme fchnell ableiten, gefchüßt
ift, fo wird in ihm diejenige Hohe Temperatur erzeugt, ohne welche
eine vollftändige Verbrennung nicht Statt finden kann. Bei ei-
ner fo eingerichteten Feuerung ift Fein Zug durch den Noft noth:
wendig, weil der Luftzug durch die Heigöffnung ſelbſt gefchieht.
Nachfolgende Mufter erläutern dieſe Bedingungen fowohl für Holz:
als Steinfohlenfenerung.
Die Fig. 13 (Taf. ı) ſtellt einen ſolchen Ofen im Durchfchnitte
vor, auf Holzfeuer eingerichtet. A ift der Herd, auf welchem das
Holz brennt; a iſt die Heigöffnung, durch welche daffelbe einge:
legt wird; d ein feuerfeites, mit Mauerwerf überlegtes Gewölbe,
das dieſen Herd überfpannt ; c ein Roft, zum Abfallen der Afche
in den Afchenraum, zu welchem die gut fchließende Thuͤre b führt ;
B und C find zwei eingemauerte Keffel; f der Rauchfang. Yür
einen Keſſel von 5 8. Durchmeffer und 4 3. Höhe hat die Heitz⸗
Abdampfungsofen. 37
Huung eine Breite von. 15 3. gegen eine Höhe von 13 3. Am
Ende des Herdes, bei m, wo das euer in den Keſſelraum tritt,
wird durch die Erhöhung der Sohle diefe Öffnung niedriger, da-
gegen breiter, damit fich die Hitze leichter unter dem Keſſelboden
verbreite. Nachdem auf dem Herde A das Feuer entzündet wor»
den, wird das Holz nach der Scheitlänge in denfelben eingelegt,
fo zwar, daß diefer Feuerraum ganz angefüllt wird. Der Luft
ing gefchieht Durch Die Heiböffnung a, deren Thüre offen bleibt,
durch die Zwifchenräume der Holsftüde hindurch. Bringt man in
der Alchenthüre b ein gut fchließendes Negifter an, um dadurch
etwas Luft einzulaſſen; fo. dringt diefe Luft durch den Afchenzoft
c, in deflen Nahe das heftigfte Feuer vorhanden ift, und ver:
brennt hier noch) den Rauch. Der zweite Keſſel C benupt noch
die Wärme, welche von dem erfien Seuerraume übrig if. Soll
diefer zweite Keilel, oder noch ein dritter, zur Nachfüllung des vor⸗
bergehenden dienen ; fo kann derfelbe höher gefept werden, damit
die Flůſſigkeit von felbft Daraus ablaufen könne. Durch eine im
Rauchfange angebrachte Klappe wird der Zug des Feuers ober die
Verbrennung regulirt. Offnet man die Afchenthüre b, und fchließt
die Heitzthüre a, fo ftrömt die kalte Luft durch den Roft, und fühlt
die Keifelmände ab; fo daß man durch diefe Einrichtung auch ein
bequemes Mittel hat, entweder das Sieden der Flüſſigkeit für eis
nige Zeit zu unterbrechen, oder die Keflel beim Audleeren vor den '
Verbrennen zu fhügen, ohne daß das euer auf Dem Herde qus-
gelöfcht wird. Werden ald Brennmaterial Steinfohlen gebraucht,
fo wird, um denfelben Zweck zu erreichen, am beften der Feuer⸗
berd mit niederwärtd gehenden Luftzuge angewendet (f. Art.
Seuerberd). Der in den Fig.ı4, 15, ı6 und 17 (Taf. ı)
dargeftellte,, urfprünglich von Watt Fonjtruirte, Keſſelofen hat
dieſe Einrichtung.
Fig. ı4 ftellt den ſenkrechten Durchſchnitt des Abdampfofens
vor: a iſt der Keſſel von irgend einer Form, bier als rund ange⸗
nommen; b der leere Raum, der um den Keifel zur Zirfulirung
der Warme gelajfen iſt; c eine Stütze und bei derfelben ein Durch:
gang, um die Wärme von dem Boden des Keffels in die Räume
bb zu führen; d ijt der Kanal, durch welchen das Feuer von Dem
Herde an den Keifel tritt; e ift der Afchenraum, und f die Afchen«
38 | Abdampfungsofen.
thuͤre, die während des Verbrennen genau verſchloſſen ift; gh
iſt der Feuerherd.
Figur ı5 iſt ein vertikaler Durchſchnitt in der auf dem vorigen
ſenkrechten Richtung: m ift der hintere Theil des Herdes bei h
(Big. 14); 1 das Gewölbe aus Ziegeln, auf welchem der Brenn:
ſtoff ruht. Figur 17 iſt der Horizontale Durchſchnitt; die punktir⸗
ten Tinien zeigen die Züge an, welche den Keijel umgeben.
Das Feuer wird zuerft über dem Ziegelgewölbe 1 (Fig. 15)
angefchürt, und nachdem ed gut im Brennen ift, wird der Hesd
gh bid oben an g mit Kohlen angefüllt, wobei man darauf fieht,
das hinreichend Zwifchenraum zwiſchen den Stüden des Brenn
materiald, oder zwifchen diefem und der vorderen Mauern bleibt,
um den Luftzug niederwärts zu dem Feuer herzuftellen. Die
frifche Kohle wird immer oben bei g aufgelegt, in dem Maße als
fie fi) unten verzehrt. Diefer untere Theil h hat die ftärffte Hige,
und enthält die Kohlen in voller Gluth; i if eine der zwei Offnun⸗
gen, die von außen auf diefen unteren Theil des Herdes führen,
und mit Sciebern oder Regiftern verfchloifen find, um beliebig
Luft zuzulaffen. Sie find in der Anſicht Sig. 16 vorgeftellt. Diefe
Luft ftrömt hier in die glühenden. Kohlen, und verzehrt den
Rauch, der nod) von den oberen Kohlen niederwärts gebracht
wird. Diefe. Öffnungen dienen zugleich zur Regulirung des Zu-
ges; denn je mehr fie geöffnet werden, defto ſchwächer wird der
Zug von g niederwärts; fo daß endlich der Luftjug von denfelben
gegen g aufwärts gehen, ſonach der Hauptzug ganz gehindert
würde. k(Fig. 14) ift eine verfchloffene Thüre, die in den Raum
unter dem Keſſel führt, und dazu dient, bier frifche Luft einzus
laffen, dadurch den Zug des Feuers gegen den Rauchfang zu hin-
dern und den Keſſel abzufühlen, wenn die Operation beendiget
werden foll.
Die Dimenfionen des in der Figur nach den Maßftabe ge-
gebenen Herdes find auf eine Verbrennung von ı Centner Kohle
‚ in der Stunde berechnet. Kür einen größeren Bedarf müſſen die
Dimenfionen vermehrt werden ; doch ijt es, wie ſchon früher be-
merkt, in dieſem Salle beffer, zwei oder mehrere folche Dfen her⸗
zuſtellen.
In einzelnen Faͤllen iſt es vortheilhaft, bei der freien Feue⸗
Abdampfungsofen. 39
nıng.den Boden des Keſſels nicht zu erhiben, fondern der Fluͤſſig⸗
feit die Wärme durch die Seitenwände mitzutheilen. Dieß ift der
Fell, wenn bei der Abdampfung fih ein flarfer Bodenſazz bildet,
der leicht anbrennen würde, oder wenn Auflöfungen von Salzen
abgedampft werden, die an der Oberfläche kryſtalliſiren, wie Koch⸗
ſalz und fchwefelfaures Kali, und fich dann am Boden anfammeln.
Hierzu dient die in der Fig. 1 (Zaf.2) dargeftellte Einrihtung,
diefelbe, welche in Weftindien zur Eindickung des Zuderfaftes ge-
‚bracht wird. a ift der Keſſel mit der abzudampfenden Flüſſigkeit,
welcher fo eingemauert ift, Daß der Boden deilelben bis zur punk⸗
tirten Linie b auf dem Mauerwerfe unmittelbar aufliegt, folglich
vor der Einwirfung des Feuers gefchübt if. Das Feuer beftreicht
alfo nur denjenigen heil des Keſſels, welcher über diefer Linie
liegt. Der Keffel wird übrigens, wie dad. im Allgemeinen Regel
it, mit der Flüͤſſigkeit durch allmähliches Nachgießen voll erhal-
ten. So wie die Abdampfung vorwärts geht, fammelt fi, das
Salz; in dem unteren Theile des Keffeld unterhalb der punktirten
Linie an, und wird von hier mit geeigneten Löffeln heraus ge⸗
nommen.
Diefe Einrichtung ift ebenfall® nützlich bei der Abdampfung
derjenigen Salzauflöfungen zu gebrauchen, Die einen allmählich
verhärtenden und fich feft anlegenden Bodenfag bilden, wie die
Salje mit erdiger Baſis, 5.®. die fhwefelfaure Thonerde bei der
Alaunfabrikation. Sobald diefe Bodenfrufte vorhanden ift, nimmt
der Keſſelboden bei der gewöhnlichen Einrichtung eine fehr hohe
Temperatur an, und wird entweder bald durchgebrannt, oder er
jerfpringt, wenn er von Qußeifen iſt. Nach diefem Prinzipe Fön
nen in diefen Faͤllen auch gußeifene Keſſel ohne Gefahr gebraucht
werden ; und felbft folche Keffel von diefem Mietalle, deren Boden
bereits gefprungen ift, Fönnen auf diefe Art noch angewendet wer⸗
den, wenn man fie fo in den Beuerherd einfegt, daß ihr Boden
auf einer Rage von gutem Thone aufruht.
Die Fig. 2 (Taf. 2) fiellt eine andere Art der Anwendung diefes
Prinzipd vor. A iſt der mit der abzubampfenden Slüffigfeit ges
füllte Keffel, ‚mit dem gewölbten Deckel bededt, an welchem fi)
die Öffnung mit der Slanfche £ befindet, um bier ein Rohr anzu⸗
feßen, damit der entwickelte Dampf anderswo verwendet werden
40 Abdampfungsofen.
fönne (S. q, 20). a ift der Heitzraum, bder Afchenfall. Der for
niſche Keffel geht unten in die zylindrifche Röhre g aus, deren un⸗
tere8 Ende mit dem Hahne h verfchließbar if. Durch die Röhre
cdc/, an welcher fich oben und unten die Hähne c und befin⸗
den, fließt die Slüffigfeit aud dem Nefervoir in den Keifel nad.
Während der Operation ıft der obere Hahn c zum Theil geöffnet,
um die verdampfte Flüſſigkeit zu erfegen, der untere c’ aber ge⸗
fchloffen. Die aus dem Feuerherde fommende Hitze umfpielt den
Keifel in den Raͤumen e, und der Rauch tritt durch den Kanal ;
niederwärts in den Rauchfang. Der untere zylindrifche Theil g
bleibt dabei viel weniger erwärmt, und in demfelben fammelt ſich
das Fruftallifirende Salz. Nach einiger Zeit wird an ber Zuflußs
röhre der untere Hahn c’ geöffnet; um etwas fältere Flüſſigkeit im
den unteren zylindrifchen Theil zu bringen. Nachdem derfelbe wies
der gefchloifen worden ift, und man dem Salze Zeit gelaſſen hat,
wieder an den Boden niederzufinken, öffnet man den großen Hahn
h, und läßt das Salz in ein unten ftehendes Gefäß ausfließen:
wonach die Operation wie vorher fortgeſetzt wird.
Ähnlich eingerichtete Keifel bedient man fich auch in.manchen
Särbereien in Fällen, wo ed darauf anfomme, die Fluͤſſigkeit zu
. erwärmen, ohne den ftarfen Bodenſatz dem Feuer auß;ufegen. .
In den bisherigen Konftruftionen ift zwar auf den bei ge
wöhnlichen Keifelfeuerungen vorfommenden zweiten Nachtbeil,
nähmlicd auf die Abfühlung der Keffelfläche durch die eintretende
falte Luft beim Nachſchüren (©. 34), Rüdfiht genommen, und
bei einiger Sorgfalt im Heipgefchäfte kann derfelbe möglichft ver⸗
mieden werden: vollftändig wird jedoch dieſer Zwed durch eine
eigene Konftruftionsart erreicht, welche in ig. 3 (Taf. 2) dargeftellt
tft. Diefe Konftruftion beruht darauf, daß man den Roſt an den
hinteren Theil des Feuerraumes bringt, und an dem vorderen
Theil, an welchem fi) die Heigthüre befindet, den Rauchfang in
die Höhe gehen läßt, fo daß bei der Öffnung der Heitzthüre die
kalte Luft unmittelbar in den Nauchfang tritt, ohne unter den
Keifel gelangen zu fönnen. Beuerungs- Einrichtungen Diefer Art
baben den wefentlichen Vortheil, daß fie die Hitze unter dem Kefr
fel unverändert zufammen halten, und dadurd) eine Erfparniß an
Brennmaterial und an Zeit gewähren.
Abdampfungsofar. 41
Die Big, 3 ftellt einen Keſſelofen diefer Art im Durchfchnitte
ver. a ift die Heiſthuͤre, b die Afchenthüre, durch welche der Zug
ja dem Roſte erfolgt ; das Feuer wirkt auf den Keſſel und tritt
dann vor der Heipthüre in den Rauchfang h. Öffnet man biefe
Heisthüre, fo tritt die äußere Luft Durch Diefelbe.in den Rauch
fang, und der Zug durch den Roft hört auf: mittelft eines Regi⸗
ſters in dieſer Thüre, Durch welches ein mäßiger Zutritt der Luft
bewirkt werden kann, läßt fü Daher der Zug des Feuers beliebig
reguliren. Diefe durch die Heitzthüre eintretende Luft: verbrennt
zugleich den Rauch, der noch an diefe Dtelle gelangt.
ZA der Keſſel größer, fo werden zwei Heitzungen biefer Yet "
angebracht, wie Fig. 4 und 5 (Taf. 2) zeigt. a ift eine Zwiſchen⸗
mauer, die den Feuerraum in-zwei gleiche Theile theilt, umd zus
gleich dem Keſſel als Stüße dient; r find die Stüben, auf wel
hen der Rand des Keſſels ruht, wie in Fig. 4 die punktirte
Linie zeigt. Durch die Offnung i tritt der Rauch in den in ber
Mauer des Dfens angebrachten, der Keffelwand parallelen Kanal
k, weldyer in den Rauchfang h führt. Die übrigen Theile der
Zeichnung find für ſich klar. Zweckmaͤßiger noch wird diefe dop⸗
pelte Feuerung bei einem laͤnglich vieredigen Keffel, deſſen nad)
der Länge genommenen vertikalen Durchfchnitt die Fig. 9 ebens
falls vorftellen kann, weil in diefem Falle die untere Zläche des
Keſſels durch das von dem Rofte gegen die Heigthüre zu fpielende
Seuer gleichmäßiger erhitzt wird, als bei der runden Form.
Fig.6 (Taf. 2) ift eine Konftruftion zur Anwendung des im
vorigen Artifel (S. 10) aufgeftellten Prinzips zur Benugung der
von dem Feuerherde abziehenden Hige, um die VBerdampfung auch
auf der Oberfläche der Flüfligfeit zu befchleunigen. A ift ein 8
bis 12 F. langer, 4 bis 6 F. breiter, etwa ı bis 15%. tiefer Keſ⸗
fl. Die Hige wird, nachdem fie auf den Boden gewirkt hat,
noch über die Oberfläche der Fluͤſſigkeit Binzuftreichen gezwun⸗
gen, bevor fie in den Nauchfang gelangt: Die übrigen Xheile
der Figur brauchen feine weitere Erflärung. Die Stüsen, quf
welchen der Keffelboden ruft, find fo geordnet, daß der Zug des
Feuers gleichmäßig vertheilt wird. Der Feuerherd it auf Steine
tohlen eingerichtet: follte er für Holz dienen; fo müßte entweder
der Roft mit der Heisöffnung tiefer in den Afchenraum herab
42 Adampfungsofen.
gelegt, oder der Hals des Fenerherdes o verlängert werden, um
in denfelben das Holz nad) der Scheitlänge einzulegen (3. 35).
Die Fig 7 (Taf. 2) ſtellt im Durchſchnitte denjenigen Ofen dar,
beifen Prinzip bereits im vorhergehenden Artifel ©. 10 angege-
ben worden ift, und in welchem dad Feuer unmittelbar die Ober⸗
fläche der Fluͤſſigkeit erhist. Letztere befindet fid, in einem waſſer⸗
dicht gemauerten Bchälter.A, der von außen noch mit fetten Thon
oder Letten umgeben iſt, und eine. Länge von 15 bis 30 F., eine
Breite von 4 bis 5 F., umd eine Tiefe von 12 bis a F. hat. Dies
ſer Behälter ift mit einem flachen Gewölbe B überfpannt. Der
Luftnig findet mittelſt der Aſchenthüre b durch den Roſt Statt,
während die Heitzthüre a verſchloſſen iſt. In der Seitenwand des
Dfens ift eine Ausflußröhre angebracht, um die Fonzentrirte Flüſ⸗
ſigkeit abzulaffen, und auf dem erwärmten Gewölbe B fleht ein
Behälter aus Eifenblech oder aus Blei, welcher die vorräthige
Lauge enthält, die aus demfelben in den Behälter nachfließt. Für
Vitriol⸗ und Alaunfiederei ift Diefer Ofen befonderd anwendbar. -
Zür die Abdampfung oder Abdünflung mittel erwärmter
Luft (S. 23) fann bier noch der Fiel d'ſche Ofen ald Mu:
fier aufgeftellt werden, welcher in den Figuren 8, 9 und 20
(Taf. 2) dargeftellt iſt. Die Figur 8 iſt eine perfpeftivifche
Zeichnung des Dfend, der aus den drei horizontalen Abtheis
lungen ı, 2, 3, weldye bier aus einander gerüdt vorgeftellt
find, um die innere Einrichtung beifer .erfennen zu fönngn, und
aus einem Auflage befteht, der zwei mit Thüren verfchließbare
Behälter bat, in welchem die mit der abzudünftenden Flüuͤſſigkeit
oder anderen audzutrocnenden Segenftänden verfehenen Gefäße be-
findlich find. In der Figur ift dieſer Auffag fenfrecht in der Hälfte,
naͤhmlich durch den Kanal, welcher in den Rauchfang führt,,. und
die beiden Behälter von einander trennt, durchfchnitten. Die Fi:
gur 9 zeigt Diefen Ofen von außen.
Die drei Abtheilungen ı, 2, 3, ig. 8, bilden den eigentli-
hen Dfen, welcher zur Erhigung der Luft dient, welche die Ab:
dunftung bewirkt. Diefe drei Abtheilungen find von einander durch
horizontale Platten. von Oußeifen getrennt, in welchen ſich die
gehörigen Öffnungen befinden; die fenfrechten Abtheilungen be>
fieben ans Ziegen, In der Abtheilung ı tft a der Afchenherd,
Abdrüde. 43
durch welchen die Luft zur Verbrennung eintritt: über demfelben
in der zweiten Abtheilung a der. Seuerberd, von welchem der
Rauch den durch die Pfeile angezeigten Weg nimmt; wonach er
in der dritten Abtheilung aus den Eckkanaͤlen aa in den zwifchen -
den beiden Behältern befindlichen Rauchkanal, dee noch mit der
Zunge d verfehen ift, audtritt, und hiernach in den Rauchfang
gelangt.
Die mit bb bezeichneten Kanaͤle dienen zur Erwärmung und
Fortleitung der Luft. Diefe tritt in der erflen Abtheilung bei bb
ein; fommt in der zweiten Abtheilung durch den Kanal b an der
Hinterwand, zirkulirt hernach ih der dritten Abtheilung über den
unmittelbar dem Feuer ausgeſetzten Stellen, und tritt vorne durch
die Offnung £ in die beiden Behälter des Aufſatzes, wo fie, wie
in Sig. 10 erfichtlich iſt, um die auf‘ Eifenplatten geftellten Abdün⸗
Rungägefäße herumgeht, und durch die Öffnung h, weiche mit
dem Regifter i verjehen ift, in den Rauchfang tritt, oder auch
irgend anderdwohin geleitet werden kann.
Diefer Ofen kann auch zwedimäßig als Stubenofen verwen:
det werben, wovon im Art. Heigung noch die Nede if. Der
untere Theil deſſelben, welcher zue Hervorbringung einer Sitoͤ⸗
mung von erwärmter Luft dient, fann als ein Mufter für die für
den ähnlichen Zweck dienlichen Einrichtungen angefehen werben,
amd fo im Befondern für die in Fig. 5 und 6 (Taf. ı) angegebenen
Apparate dienen, wenn er ander unteren Mündung derfelben anges
bracht wird. Gersl. die Art. Feuerherd und Dampfkeſſel.)
d. H.
Abdrücke.
Man belegt mit dieſer Benennung im Allgemeinen die über⸗
tragungen der Zeichnungen oder Züge einer Släche auf eine andere
durch miechanifchen Druck, ed mag dabei Farbe angewendet wer-
den, oder nicht. Zu den Abdrüden mit Barben gehören Die von
Supferplatten auf Papier, feltner auf Zeuge oder andere dünne
Flaͤchen; die Eifen» und Stahlftihe; die, obwohl fehr felten
vorfommenden, Abdrüde von mit Slußfpathfäure, nach Art des
Kupfers, geägten Glastafeln ; ferner die von Holsfchnitten, weiche
bei den Kartenmahlern und Papierfärbern auch mit Wailerfarben
44 ; Abdrude.
gemacht werden; die Pflanzenabdrücke mittelft Druckerſchwaͤrze
auf Papier; die zahlreihen Produkte der Lithographie und der
auf die Prinzipien der leßteren gegründeten Metallograpbie (nah⸗
mentlich Abdrüde von Zinkplatien) ; die mit Platten gedrudten
Mufifnoten; und endlich die Abdrüde von dem verfchiedenen Arten
von Buchdruderformen. Dranche diefer Abdrüde werden in felt-
neren Fällen auch wieder ald Originale zu einem neuen Abdrude
benupt, und z. B. die Kupferftiche auf Thonwaaren oder ladirte Ar⸗
beiten, oder auf Steinplatten, zur Herftellung einer. neuen Drud-
form, übertragen. Über alle diefe Gegenftände fol am gehörigen
Dete ausführlicher gehandelt werden.
Zu den Abdrüden ohne Farbe müffen, wenn auch nicht dem
Sprachgebrauche, doch der Darftellungsweife nach, die gepreßten
Viſitkarten, Papiere, Papierborduren, Papiertapeten, Metall«
. folien und Lederforten gerechnet werden, die ihr Entfiehen eben-
falls eigenen, faft immer metallenen Formen, die entweder ebene
Slächen oder Walzen find, und dem gehörig angebrachten mechani=
[hen Drude verdanfen. Vorzüglich aber gehören hierher die Kopien
erhöhter oder vertiefter Originale, welche durch Eindrüden der
legteren in verhältnißmäßig weiche oder nachgiebige, bildſame
Mafien erhalten werden. Einige der legteren haben fchon im ge⸗
wöhnlichen Zuftande den erforderlichen Grad der Weichheit, z. B.
das Wachs in nicht zu niedriger Temperatur; Blackfiſchbein fei-
ner ſchwammigen, lodern und des Zufammendrüdens fähigen
Struktur wegen; gefnetetes, frifch gebadenes Brot. Andern gibt
man denfelben durch Anwendung der Wärme, wohin das Giegel-
lad, der Schwefel unter gewiſſen Umjtänden, das durch die Wärme
der Hand erweichte Silber- und Zinnamalgam, das Horn, daB
Glas, manche Metall:Legierungen, ja fogar felbft der Stahl ge=
hören. Manche Stoffe werden zum Abdrüden in einen bildfamen
Zuftand durch eigene Vorbereitung, nahmentlich mit Beihülfe des
Waſſers oder andrer Slüffigfeiten, gebracht, wie der mit Waſſer
abgefnetete Ihon, der Papierbrei und dad Papiermadhe, die künſt⸗
fihen Holzmailen, deren Hauptbeftandtheil Sägefpäne find, der
Formſand zur Darftellang der Gießformen. Endlich fönnen aud)
harte Stoffe, wenn fie nicht zu fpröde find, zu dieſem Behufe
Allgemeine Bemerkungen. 45
vah einen gehörig angebrachten ftarfen Druck verwendet werden.
Beliufig erinnert Fann bier werden auf das Preffen hoͤlzerner
Den in Formen, Das Schmieden des Eifens in Gefenfen, auf
3 Emdrücden gebärteter Stahlftempel oder Walzen in Kupfer,
a ſelbſft in ungehärteten oder entfohlten Stahl, auf die geftampf:
mund geprägten Knöpfe und die aus dünnen Blechen im Falls
werke hohl verfertigten Metallverzierungen, auf das Prägen der
Münzen, endlich anf Die durd, ein ähnliches Verfahren darzuftel:
Ienden Taſſen, Teller und Schuüifeln felbft aus Eiſenblech nu. f. w.;
welches alle Dem Prinzipe nad) wohl hierher gehöret, aber theils
der Bichtigfeit , theils des verfchiedenen Verfahrens bei der Aus-
führung wegen , hier noch nicht behandelt werden Fann.
Über das Abdrücken fleiner Gegenftände, ald der Münzen,
gefhnittenen Steine und dergleichen, ift vorläufig zu bemerfen, daß
der Abdruck jedes Mahl gegen das Driginal verfehrt ausfällt,
uud daher entweder felbit als eine Kopie des Driginaled angefe«
hen, oder auch fehr Häufig wieder als Form gebraucht wird. Fer:
ner find nicht alle Arten von Maflen, um ganz getreue Abdrüde
zu Kiefern, gleich gut geeignet; indem befonders jene, die ihre
Bildfamfeit dem Zufage einer Zlüffigfeit verdanfen, beim Aus»
trodinen oft bedeutend ſich verfleinern, wodurch gleichzeitig ein
heil der Schärfe feiner Zuͤge mit verloren gehen muß. Daher muͤſ⸗
fen auch die Originale immer möglihft ſcharf und rein ſeyn; und es
Mt demnady auch nicht rathfam, Kopien wieder abzudrüden, weil
nach jedem Abdrude die Züge flumpfer und undeutlicher werden.
Endlich wächft die Schwierigkeit der Darftellung immer mit ber
Größe der Släche, welche abgedrüdt werden foll, und mit der-
Höõhe oder Tiefe der darauf befindlichen Zeihnung. Diefer Um-
Rand ift es vorzüglich, welcher die Anwendung des Abdrüdens
fehr beichränft, indem faſt durchgehende das Abgießen, wo es
überhaupt anwendbar ift, mit weniger Schwietigfeiten verbunden
iſt, und andy in der Negel eben fo getreue Kopien liefert, als
durch das Abdrüden zu erhalten find.
Es erübrigt num noch, die vorzüglichfien Arten der Abdrüde
fleinerer Gegenftände, befonderd der Münzen, gefchnittenen
Steine u. dgl. anzugeben, wodurd dad Vorhergehende sugleich
die noch nöthigen Erläuterungen erhalten wird.
\
46 Abdrücke.
Das Wachs, beſonders das gelbe, laͤßt ſich, wenn es er⸗
waͤrmt und gut durchgeknetet iſt, gut zu Abdrücken anwenden;
allein dieſe ſind, fie mögen als Formen gebraucht werden, oder
nicht, keineswegs dauerhaft. Man bedient fi) deflelben daher
nur in jenen feltenen Sällen, wo man dad Original fchonen will,
z. B. um ein aus Gyps verfertigtes, bereits mit Farben ange:
ſtrichenes Modell wieder abzuformen, Weller ift das Wache zum
Abgießen anwendbar, wovon weiter unten die Rede ſeyn wird.
Brotteig aus frifch, noch beifer fchlecht ausgebadener,
durchgekneteter Brotfrume, kann ebenfalls zum Abdrüden Fleine=
ser Gegenftände, die man durch eine andere Manipulation zu bes
ſchaͤdigen fürchtet, vorzüglich zu Gußformen, benügt werden. Zu
diefem Behufe muß die Maffe, nachdem der Abdrucd gemacht ift,
übertrodnen, fo daß fie.eine harte Rinde befommt, um die flüf-
figen Stoffe, 3. B. Gyps oder Schwefel, aufzunehmen.
Abdrücke in Siegellad werden fo gemacht, wie die von,
Siegeln, und koͤnnen wieder als Formen, befonders für Thon
und Gyps, benüßt werden. Um reine Abdrüde zu erhalten, ıft
nicht nur Siegellack von vorzüglicher Qualität, fondern auch
ein vorfichtige8 gleichförmiges Erhigen deffelben nothwendig. In
einem vertieften metallenen Knopfe, aus welchem das Ohr heraus-
gebrochen, und in welchem über- einer Cichtflamme das eingefüllte
geftoßene Siegellad langſam und fo erhigt wird, daß eö Feine
Blaſen wirft, kann man gefchnittene Steine oder GSlaspaften
leicht abdrüden, um fich. Sormen zum weiteren Abdrüden in Thon
zu verfchaffen. .
Bon flählernen oder metallenen Petſchaften oder andern
Stempeln mit nur feihten Vertiefungen Abdrüde zu machen,
weiche zweierlei Sarben zeigen, ift ebenfalls fehr leiht. Dan
reibt nähmlich in die vertieften Züge Zinnober, oder eine andere
feine Sarbe ein, oder fchwärzt die ganze Fläche über einer Licht⸗
flomme, und drückt, nachdem man die. ebene Släche felbt durch
Abreiben auf feinem Drudpapier vollfommen.von Barbe gereinigt
bat, dad Siegel in Siegellad von andrer Farbe ab. Das letztere
bildet die Grundfarbe des Abdrudes, während die in den: Bertie-
fungen gewefene, an die erhöhten Züge angefchmolzene Zarbe auf
diefen fihtbar wird.
Abdrüde in Siegellad und Schwefel. 47
Wird aber zum Abdruden Siegellad von derfelben Farbe ges
wählt, wie die .in dem Siegel befindliche, fo erhält man auf dem
glänzenden Grunde des Abdrudes die erhöhten Figuren bloß matt,
welches bei manchen einfachen Zeichnungen und Nahmenszuͤgen
fi vorzüglich gut ausnimmt.
Dee Schwefel ift nur unter gewiffen Umftänden zu Abe
druden brauchbar. Nach der gewöhnlichen Angabe wird derfelbe,
wenn er lange Zeit im Schmelzen erhalten, und in Faltes Waſ⸗
fer gegoffen wird, teigartig, fo Daß er ſich leicht kneten läßt, und
die feinften Eindrüde annimmt. Allein wer jemahls über diefen
Gegenſtand Verſuche angeftellt hat, hat auch gefunden, daß nur
mit großen Schwierigfeiten diefer Erfolg zu erhalten ift; indem
der in Dad Waſſer gegoſſene Schwefel oft fogleich wieder feine urs
fprungliche Sprödigfeit annimmt, noch häufiger aber wohl weich,
allein vielmehr elaftifch als bildfam wird. Nach den neueren
Verſuchen von Dumas läßt ſich fchließen, daß es nicht auf die .
Länge des Erhitzens, fondern nur auf die Temperatur, welche .
dem Schwefel mitgetheilt wird, anfomme; fo daß, wenn diefe
dem Siedepunfte nahe ift, und der Schwefel zur möglichft ſchnel⸗
len Abfühlung tropfenweife in eine hinreichend große Menge Wafr
fer gegofien wird, die einzelnen Tropfen unter dem Waſſer fih
leicht zufammenfneten Iaffen, und eine Maile geben, die Feine
Elaftizität, wohl aber die zum Zwecke des Abdrüdens erforderliche
Veichheit hat. Die legtere, fo wie zum Theil die während des
Echmeljend angenommene rothbräunliche Farbe, verliert der fo
zubereitete Schwefel in einigen Tagen wieder. Da nun der nöthige
Grad der Hitze nur nach langer Übung und immer mit Schwierig»
keit zu treffen ift, fo ift die Verwendung des Schwefeld zu Ab:
drücken um fo weniger anzurathen, als er fich durch dad Gießen,
wovon fpäter die Rede ſeyn wird, weit leichter und ficherer bes
handeln laͤßt. Bemerkenswerth aber dürfte noch der Umftand ſeyn,
daß der gefchmolzene Schwefel auch. auf eine andere Art Abs
drüde zu liefern im Stande ift. Bei geringer Hitze kommt er ber
fanntlich ſchon in Fluß, und zwar fo, daß er fo duͤnnfluͤſſig als
Waſſer wird. Wenn man die Hibe verflärft, ſo derdidt er ſich,
und nimmt eine rothe Farbe an. In dieſem Zuſtande auf eine
ebene Flaͤche ausgegoſſen, wird er, in dem Maße wie er erkaltet,
48 Abdrüde.
wieder bünnflüflig ; fpäter zeigt fich der Anfang ber ihm eigenen
ftarfen Kryſtalliſation, und dann wird er plöglich wieder feſt. Vor
der leptern Periode ift ein Augenblick, in welchem er, in einem
Mittelzuftande zwifchen fefler und flüffiger Form, die feinften Ein-
drücke annimmt, fo daß z. B. eine aufgelegte und fchnell auf feine
Flaͤche niedergedrückte Münze fi) volllommen in derfelben abs
drückt. Diefe Erfahrung wird nicht angeführt, um fie für
die fernere Ausübung zu empfehlen, indem der richtige Zeit⸗
punkt fchwer zu treffen und das Gießen unendlich vortheilhafter
iſt: allein fie ift Deßhalb merfwurdig, weil fi) der Schwefel hier
ganz genau fo verhält, wie einige Metalllegierungen, von denen
bei der Operation des AbFlatfchens umftändlich geredet werden foll.
Ochſenhorn (auch jede andere Art von Korn, fo wie
Schildpat) wird bei mäßiger Erwärmung, wozu man fich des
fiedenden Wafferd oder der mittelbaren Einwirkung ſtark erhikter
dicker Eifenplatten bedienen kann, fo weich, daß es einem ſtarken
und allmählich zunehmenden Deude, z. B. einer Spindelpreffe,
nachgibt, und fehr feine Eindrüde annimmt. Plättchen von durch⸗
fihtigem fogenannten Laternenhorn, geben, auf diefe Art mit
Münzen zugleich ig einer Preile behandelt, fehr reine und fchöne
Abdrüde, für welche das Horn durch die bei andern Arbeiten ge:
wöhnlichen Mittel auch vorher gebeigt "und gefärbt werden fann.
Die Verwendung des Hornes und Schildpates zum Preifen mit:
telft mefallener Formen, um aus Platten oder Spänen deifelben
verzierte und figurirte Meſſerſchalen, Dofen, Pulverhörner, Klei⸗
derfnöpfe u. dgl. Darzuftellen, wird im Artikel Horn ausführ⸗
lich befchrichen werden.
Das Glas ift ebenfalls zu Abdrüden gut geeignet, weil es
im glühenden Zuſtande, noch ehe e& eigentlich ſchmilzt, zähe und
fo weich wird, daß es Eindrüde einer harten Form Teicht anzuneh⸗
men fähig ift. Jedoch wird es nur zu Fleinern Gegenftänden, und
nahmentlich zu Nachbildungen gefchnittener Steine, die man mit
dem Nahmen Glas⸗-⸗Paſten belegt, verwendet: eine Benü⸗
tzungsart, weiche fchon den Alten befannt gewefen'zu ſeyn fcheint.
Das Erfte bei dieſer Arbeit ift die Verfertigung der Form, wozu
man Tripel anwendet, unter beifen verichiedenen Arten der le:
vantifche als der vorzüglichfte angerathen wird. Da indeilen es
Abdrücke in Glas. 49
me darauf amfoimmt, daß die Maſſe mit Waſſer einen zuſammen⸗
hbingenden, die feinſten Gindrüde annehmenden Teig bilde, der
in der Hihe nicht fein Volum durch flarfes Zufaimmenziehen än-
dert, und nicht feine Seftigfeit verliert: fo können auch die ges
wöhnlich vorfommenden Arten von Tripel, möglihft fein gepul⸗
vert und durch ein Seidenſieb gebeutelt, mit Erfolg angewen-
det werden. Das Schlämmen des Zripeld, die leichtefte Art, ihn
ſehr fein zu erhalten, ift jedoch nicht anwendbar, indem behauptet
wird, daß er dadurch einen Zheil:feiner bindenden Kraft verliere.
Das auf diefe Art erhaltene unfühlbare Pulver wird langfam mit
Waſſer befprengt, und endlich unter fortiwährendem Duccharbeiten
mit den Händen fo weit gebracht, daß ed fich ballen läßt, ohne
Kiffe zu befommen, aber auch ohne zu naß zu feyn, inden
im Iegteren Falle das Modell .nicht gut loögehen würde. Zum
wirflichen Abformen bedarf.man eines eiferneu Ringes, etwas über
einen halben, Zall body, und um etwas größer ald das Modell.
Diefer Ring Darf aber, da er in der Folge einer nicht unbedeuten:
den Hitze außgefept wird, wicht gelöthet, fondern bloß gefchweißt,
oder mit Drath gebunden. werden. Für gewilfe Größen werden
abgefchnittene und gehörig zugerichtete Stüde von alten Gewehr:
läufen die beften Dienfte thun. Ein folcher Ring wird, auf einer '
slatten Fläche ſtehend, mit dem angemachten Zripel gefüllt, die
Dperfläche des letztern gut geebnet, und das Modell, welches ein
gefchnittener Stein, eine Schwefellopie, eine Glaspaſte, oder
aus einem andern Material von binreichender Härte, weldyes
feine Seuchtigfeit einfaugt, feyn kann, in den Tripel fo tief als
nöthig,,. entweder bloß mit den Fingern, oder mit Beihülfe eines
medmdßig geitalteten Holzſtuͤckes, eingebrüdt. Mach einiger
Zeit wird der- über den Rand ded Modells heransgedrüdte Tripel
behuthſam weggefchafft, und dad Model, nachdem man «8
mit einer feinen Nadel am Rande gelüftet hat, aus der Form ges
nommen, welche Arbeit Durch Umfehren derfelben und durch einige
ſchwache Schläge an den Ring leicht von Statten geht. Man fann
auch, wenn man den feinften Tripel fparen will, die Form mit
etwas geöberem, mit mehr Waſſer angefnetetem Tripel füllen, und
mit dem feinften, trockenen, bloß die Oberfläche, derfelben beftreuen.
Die auf diefe Weiſe bereiteten Formen werben langfam und volls
Technol. Encyelop. I. Bd. 4
50 Abdrüde.
kommen auögetrodinet; ımb dann wird auf jebe Form ein fuͤr dies
ſelbe nach der Größe der ;u erhaltenden Kopie gehörig zugefchnits
tenes Stüdt gefärbten Glaſes, von deſſen Befchaffenheit weiter
unten die Nede ſeyn foll, gelegt. Mehrere fo vorgerichtete For⸗
men feht man unter eine Muffel in einen fleinen Wind» oder Pro⸗
bier-Dfen, und bringt durch allmähliche Erhigung das Glas in
Fluß. Sobald man den Eintritt des Schmelzens bemexft, wird
die Form mit einer Zange hervorgegogen, dad Glas mit einem
fladyen erwärmten Eifen ſtark in der Form niedergebrüdt, und
diefe dann noch weiter herausgerüdt, damit Bad Glas zwar nicht
plöglich abgekühlt, wohl aber wieder feft werde. Saͤmmtliche fo
behandelte Formen werden hierauf wieder in der Muffel zuruͤckge⸗
fchoben ; die Feuerung wird unterbrochen, und der Ofen bei ab-
gefchloifenem Luftzuge ſich felbft überlaffen, damit das Glas nur
fehr langſam abfühle, weil es außerdem leicht fpringt. Nach dem
Erkalten müffen natürlich die Ränder der Kopien erft noch durch
Abfchleifen die richtige Form erhalten.
Nach demfelben Verfahren laſſen ſich auch Kameen mit meh⸗
reren Farben nachahmen. Um eine ſolche zu erhalten, formt man
das Modell wie gewoͤhnlich ein, legt aber nur ſo viel Glas auf,
als beiläufig nöthig iſt, um den Kopf allein, ohne die eigentliche
Flaͤche zu erhalten. Nachdem jener eingedrüdt, erfaltet, und auf
der unteren Bläche eben gefchliffen worden ift, wird er mit etwas
Gummi⸗Aufloͤſung auf ein anders gefärbtes Glasplaͤttchen geflebt,
und diefed, wenn die Kopie drei verfchiedenfarbige Schichten ha⸗
ben fol, auch noch auf ein zweites. Die auf diefe Art vereinig«
ten Stückchen werden wieder in Tripel eingeformt, die Form
wird, ohne diefelben herauszunehmen, getrodnet, und ganz fo wie
bei der Verfertigung der einfachen Paften behandelt. Während
durch die Hibe das Gummi verbrennt, wird zugleich durch Diefe
und den angewendeten Drud die volllommene Vereinigung der
einzelnen Glasſtuͤcke bewirkt.
- In Beziehung auf das zu diefen Arbeiten Dienliche Glas ift zu
bemerfen, daß daöfelbe, fo wie andere Glasflüſſe, durch Metall
oxyde gefärbt, und durch Zufag von Bleioryd und Salpeter leicht
flüffiger gemacht wird. Befondere Vorfchriften zur Bereitung dies
fer Glasfluͤſſe find hier aber um fo unnöthiger, als diefelben die
\
Abdrücke in Thon. 51
nihmlichen find, Deren man fidy zur VBerfertigung ber STednenien
und anderer Kleinigfeiten bedient, und zum Vehufe dieſer Paſten
die allgemein befannten venetianifchen und: boͤhmiſchen —
oder Emailglaͤſer verwendet werden koͤnnen.
Der Thon iſt ein zum Abdrüden und Abfarmen gang Rot;
züglich geeignetes Material, indem er, mit Waller. gehörig durch⸗
gefnetet, die feinften Eindrüde und jede beitebige. Form leicht, am
nimmt. Wefanntlic vertanft er, da er, abgefehen .non feinem
Waſſergehalte und von unwefentlihen Beimifhungen, z. B. Eiſen⸗
orxyd, aus Kieſelerde umd Thonerde befleht, der legtern die eben
gedachte ausgezeichnete Eigenfchaft; fo wie auch Die Anwendbar⸗
keit des Tripels fowohl zu den im Borhergehenden befchriebenen
Formen, als auch zu bleibenden Abdruͤcken, ebenfalld den in ihm
enthaltenen Antheile von Thonerde zuzufchreiben iſt. Ubrigens
fommt der Thon von höchſt verfchiedener Beichaffenheit vor, je
nachdem der eine oder der andere ‚jener beiden Beftandtheile vor«
herrſchend, und überdieß mehr oder weniger Kiefelerde als feiner
Sand mechaniſch beigemengt iſt. Am beiten und leichteften läßt
fi fetter Thon, der wenig Kiefelerde enthält, zum Sormen nen _
wenden, wo hingegen der magere, mit mehr Kiefelerde, fich im
Feuer weit härter, und mit weniger Veränderung feiner Geſtalt
und Größe brennen läßt. Der Thon wird fehr. häufig zu Formen
von Bildhauern, in der Eifen:, Sloden:, Kanonen» und Metalls
gießeren überhaupt gebraucht, in vielen Fällen aber auch felbft
wieder zu Abdrüden verwendet. Die Formen, in welche er fich bes
quem eindruͤcken läßt, find gupfene, metallene, ſolche aus Schwe⸗
fel, furz alle, welche zu diefem Behufe die gehörige Feſtigkeit
haben, und von der in der Thonmaſſe befindlichen Seuchtigfeit ent⸗
weder gar nicht befchädigt werden, oder Dagegen Durch Einöhlen,
oder Tranfen mit Wachs, gefichert werden fönnen. In thönerne
Formen, wenn fie leicht gebrannt, und dann mit Wachs fo
eingetränft werden, daß diefes in den feinen Zügen nach dem Er⸗
falten nicht zurück bleibt, fondern ſich in das Innere durch gehö«
rig angewendete Wärme einzieht, läßt fich wieder Thon fehr gut
und oftmahls eindrüden. Allgemein bekannt find nicht nur. die
Geſchirre, fondern auch die Relief, Medaillons und Nachahmuns
gen von gefchnittenen Steinen (die legten fehr häufig mit weißen.
4”
82 . Abdrüde.
Figuren auf blauem, grünem, braunem oder grauem Grunde),
des berühmten Wedgwood. Derihon zu diefen Abdrüden vers
dauft feine Barben der natürlichen Beimifchung oder dem abfichte
lichen Zufage verfchiedener Metalloryde, wie z. B. die blaue Farbe
ihm durch Beimifchung von Kobaltorpd gegeben wird. Am beften
gelingt die Verfertigung folcher Fleinen Begenftände in metallenen
aravisten Formen. Man drückt in diefe zu einem zweifärbigen
Abdrucke zuerft den Thon für die weißen Figuren ein, und nimmt
das Überfläffige mit einer Spatel oder einem Meffer aus Elfen-
bein fo weg, daß Die Fläche der Form ganz rein wird, auf welche
fodann ein paſſendes Plättchen von ander gefärbten Thon ge⸗
druckt wird, Diefe Abdrücke gehen nad) dem Übertrodnen ſehr
leicht aud der Form, weil fi) der Thon in dem Verhältniffe,
wie er Waffer verliert, zufammenzieht und verfeinert. Ganz
auf ähnliche Art werden auch jene Figuren und Verzierungen ge⸗
bildet, welche auf Thongeſchirre von anderer Farbe durch Befeuchten
der Stellen, wohin fie fommen ſollen, und durch Andrücken mit
den Fingern fo befeftigt werden, daß fie felbft bei dem Brennen
nicht mehr losgehen. Die Eigenheit des Thons, durch Auss
trocknen und Hartbrennen fi zufammenzuziehen, kann öfters
mit Vortheil angewendet werden, 'um manche Verzierungen
regelmäßig und nach allen Dimenfionen zu verfleinern. Wenn
das Original in Thon abgeformt wird, fo verfleinert fi fchon
diefe Form nad) dem Trocknen und leichten Brennen bedeutend;
eben diefe Veränderung erleidet der thönerne Abdruck, fo daß
man durch mehrmahl wiederhohltes Abformen der immer Fleiner
werdenden Kopien, diefe Verkleinerung bis zu einem bedeutenden
Grade bringen kann, jedoch immer zum Nachtheile der Schärfe
des Abdruckes, weldyer nothwendig bei jeder diefer Operationen
etwas an Vollfommenheit verlieren muß.
Es find fehon feit Tängerer Zeit Vorfchriften zu Fünftli-
hen Holzmaſſen bekannt, die ebenfalls zu Abdrüden ver⸗
wendet werden Fönnen. Nach Lenormand verfchafft man ſich
feine Holzfpäne, entweder Durch Sägen oder Nafpeln von Holz,
welche noch, wenn fie nicht fein genug find, nachdem man fie
ſcharf getrodnet hat, geftoßen oder zerrieben werden fönnen, und
zulegt noch durch ein Sieb gehen müflen, um die nöthige Feinheit
Abdrude in Holzmaffe. | 33
zuerhalten. Aus diefen Spänen wird mit Hälfe einer Leimauf⸗
lfung, die fo heiß feyn muß, daß man faum den Singer in ber»
felben leiden kann, eine Malle von hinreichender Konfiftenz ges
bidet. Die Leimauflöfung wird aus fünf Theilen Leim und einem
zheile Haufenblafe durch Einweichen, langſames Erwärmen mit
Bafler, und forgfältiges Durchſeihen bereitet. Die Menge des
dazu nöthigen Waſſers laͤßt fich nicht genau angeben, da ber Leim
von fehr verfchiedener Beſchaffenheit ift; jedoch darf fie nie zu ges
fing feyn, fondern fo, dag die Flüſſigkeit nach dem Erkalten feine
vollfommene Gallerte bildet, fondern nur eben zu gerinnen an⸗
fängt. Zum Einformen felbft kann man außer metallenen For⸗
men, ſolche aus Gyps oder Schwefel, nachdem fie gehörig einges
öhlt find, verwenden; ja man wird fogar aus Holz; geichnittene
Model, wen fie mit einer Auflöfung von Schellad in Weingeiſt
gut geſirnißt worden find, fehr brauchbar finden. Man kann zu-
erft die feine Maſſe nur etwa eine Linie dick Durch forgfältiges
Andrüden mit den Fingern einformen, dad noch) Übrige aber mit
einer von gröberen Spänen bereiteten Maſſe ausfüllen, die Ober⸗
fläche mit einer geöhlten Platte bededen, und ſtark beichweren.
Bor dem Herausnehmen, welches leicht gelingt, fobald der Ab-
druck etwas getrodinet ift, und fid) dadurch sufammengezogen bat,
ſchneidet man mit einem breiten diinnen Meffer das Überflüffige
weg, und ebnet fo die untere Fläche des Reliefs. Solche Stücke
fönnen gefiznißt, vergoldet, und überhaupt ganz fo wie aus Holz
gefchnittene Verzierungen behandelt und verwendet werden ; jedoch
fehr feine Züge und eine große Schärfe wird man, weil Die
Male ſich beym Austrodnen ſtark zufammenzieht, nicht leicht
erhalten. Auch ift zu bemerfen, dag man mit Vortheil nur &&-
gefpane von folhem Hol; wird brauchen fönnen, welches den
Leim gut annimmt, z. B. Birnbaumholz; wogegen die fehr har⸗
ten indifchen Hölzer zu diefem Behufe nicht anzurathen find.
Zerner muß diefe Diafle, da fie, ungeachtet des Zufages von Hau⸗
fenblafe, gegen die Seuchtigfeit empfindlid, bleibe, vor der letz⸗
tern bewahrt werden; fie ift aber auch, wenn anders die in ihr
enthaltene Menge von Späuen nicht zu. gering iſt, und fie lang-
ſam getrocknet wird, gegen dad Krummziehen oder Werfen ziem⸗
lich geſichert. Nach andern Vorſchtiften ſetzt man der Leim⸗
54 Abdrücke.
aufloͤſung etwas Traganth und fein gepulverte Kreide zu. Durch
den erſteren Zufatz wird ſie teigartiger, der zweite kann ihr
eine groͤßere Feſtigkeit geben. Eine zu aͤhnlichen Zwecken,
aber minder boquem, anwendbare Maſſe geben Tiſchler⸗
leim, Leinöhlfirniß und ungelöfchter oder zerfallener Kalf, gut:
durcheinander gefnetet, und in metallene Formen mittelft einer
Schraubenpreſſe eingedrüdt. Dergleichen Zufammenfegungen Taf:
fen ſich noch mehrere nad) verfchiedenen Vorfchriften bereiten. Oft
bedient man fi 3. B. zur Heritellung von halberhabenen Verzie⸗
rungen auf hölzerne Rahmen einer Pafte, welche man dadurch
verfertigt, daß man ſechs Pfund Zifchlerleim in Waſſer auflöfet,
ein Pfund weißes Pech und zwei Pfund Terpentin mit einem Pfund
Leinöhlfirniß über gelindem Beuer zufammen ſchmelzt, den Leim
zufegt, und die Mifchung mit fo viel gefchlämmter, fein gepuls
verter Kreide abfnetet, als zur Hervorbeingung der gehörigen
Konfiftenz erforderlich ift.
Abdrüde von Münzen werden auch manchmahl aus Pas
pier, Birfenrinde oder Leder gemacht, jedoch geht dieſes
deſto beifer an, je feichter dad Gepräge ill. Die Anwendung des
Papiers ifi fehr leicht. Man legt Die Muͤnze zwifchen mäßig ans
gefeuchtetes gut geleimtes Belinpapier, und auf.beide Slächen
noch einige Lagen Druck⸗ oder Löfchpapier, febt Alles in eine Preffe
ein, und läßt es einige Stunden ſtehen. Die auf diefe Art erhal⸗
tenen Kopien find befonders zur Verfendung in Briefen und zum
Dachzeichnen für Kupferftecher, wenn die Münze in Kupfer geftos
chen werden foll, fehr bequem. Die Abdrüde in Birfenrinde,
wozu man fein abgefchälte und möglichft gleichförmige Stücke
wählen muß, und die in Leder werden auf ähnliche Art gemacht.
Die legtern gelingen vorzüglich gut, wenn man das Leder befeuch-
tet, und es mit ber mäßig erhigten Münze fo lange in der Preife
laͤßt, bie es wieder ganz trocken geworden iſt. Es verfteht fich von
felbft, daß man den Abdruck anftatt mit der Preffe auch mit dem
Hammer bewirfen fann, nur muß man ſich in Acht nehmen, daß
man die Münze nicht befchädige, defhalb vielfaches Papier aufle-
gen und Die Hammerfchläge gehörig mäßigen. Noch leichter ift
ed, Müngen mittelft dünner Blätter (Holien) von Haufenblafe
iu fopieren. Man braudıt ein folches Blaͤttchen nur mit einer vor⸗
Abdrüde in Metall. 55
ber benegten Seite anf die Münze zu legen, und auf der andern
eine Zeit lang mit den Fingern überall anzudrüden, fo erhält
man einen reinen und fcharfen vertieften Abdruck. |
Metalle Fönnen auf verfchiedene Art zu Abdrüden benuͤtzt
werden; entweder wenn fie in dünne Blaͤtter verwandelt find;
oder wenn man auf fie, als dickere Maſſen, einen hinreichend
Rarfen Druck anbringt, wie 3. B. dieß bei den allgemein befann-
ten Bleiſiegeln der Zollaͤmter der Fall iſt; oder endlich, wenn
man ſie in einem Zuſtande anwendet, wo ſ ie durch die Hitze er⸗
weicht find.
Die Zinn: oder Spiegelfolie (Stannich) nimmt zwar
fehr leicht Eindrüde von Muͤnzen, entweder mittelft der Preile,
oder leichter durch Schlagen mit einer fteifen Bürfte, an; allein
diefe Kopien Laifen fich nicht gut aufbewahren, und haben wenig
Dauerhaftigfeit, weil die Zinnblätter zu weich jind, und fich bald
verbiegen. Sehr vortheilhaft aber kann man die Zinnfolie zur
Berfertigung von Gießformen zu fehr getreuen Münzkopien benü⸗
gen, wovon im Art. Abgüffe die Nede feyn wird. Dauer
after find Kopien, welche man mittelft des Raufc oder Knit⸗
tergoldes, oderaud filberner oder verfilberter und vergolde«
ter Eupferner Kolien von Münzen auf folgende Art erhalten
kaum. Man legt die Münze, die jedoch ein ziemlich feichte® Ge⸗
präge haben muß, zwifchen ein eingebogenes Bolienblättchen, fo
daß ihre beiden Slächen bedeckt find, Darunter und darüber aber
eine nicht zu flarfe (hoͤchſtens eine Linie die) Bleiplatte. Einige
mäßige, die ganze Fläche treffende Hammerfchläge auf einer har
ten Unterlage find hinreichend , dad Gepräge fehr rein und fcharf
in Die Folie zu übertragen. Bei zu flarfen Schlägen wird die
Münze, wenn fie dünn ift, verbogen, und die Folie an den ſchar⸗
fen Kanten des Sepräges durchgefchlagen. Die fo erhaltenen Ko-
pien koͤnnen befchnitten, auf ſtarkes Papier geleimt, und mit
dieſem zugleich fo lange eingepreßt werden, bis der Leim getrock⸗
net ift. Durch eine ähnliche Anwendung des Hammerd fann mau
bekanntlich auch, mittelft eined einzigen flarfen, geſchickt geführ-
ten Schlages, von einem Siegellad-Abdrude, anf welchen man
eine Bleiplatte Iegt (jedoch mir Verluft des Original&, welches
dabei zermalmt wird) eine genaue vertiefte Kopie erhalten.
56 | Abdrüde.
Selbſt in nicht gehärteten Stahl Taflen fich mit weicheren
Materialien als -er felbft ift, unter gewiſſen Umſtaͤnden, Abdrüde
machen. Eine Vorſchrift dazu ft folgende. Man nimmt eine
Medaille, einen Stempel, oder einen andern beliebigen gravirten
Segenftand, formt denfelben auf die gewöhnliche Art in ſehr fei⸗
nem Sand ab, und gießt diefe Form mit einer Metall « Legierung
aus, welche aus einem Pfunde Meifing und fünf Loth Zinn zus
fammengefegt wurde. Diefer Abguß foll fehr rein ausfallen, und
zu der noch folgenden Operation binlängliche Härte befigen.
Ein Stüdchen Stahl, etwas größer als die gegoilene Kopie, wird
auf der Seite, welche den Eindrud befommen fol, eben gefeilt,
mit Terpentinöhl beftrichen, dann mit einem Blättchen Löfchpapier
bededt, und endlich in Lehm eingehüllt; das letztere deßhalb, damit
die geebnete Fläche durch die jetzt anzuwendende Erbigung nicht
orpdirt und unrein gemacht wird. Wenn man den Stahl kirſch⸗
roth geglüht, und aus dem Feuer gebracht hat, wird die Bede⸗
dung, welche die ebene Seite vor dem Anfepen von Hammerſchlag
geichügt hat, behende weggefchafft, und eben fo fchnell der obge⸗
dachte Abguß durch einen ftarfen Sammerfchlag, oder noch befler
mittelft einer flarfen Schraubenpreife, eingedrüdt, wodurc, mar
in Stahl einen fo zarten Abdrud erhalten. kann, wie in Siegellack.
Außer diefem Verfahren wären noch andere analoge, weit einfa-
dere Mittel zu demfelben Zwede anzugeben, allein das eben Bei⸗
gebrachte wird hinreichend feyn zu Den noch über diefen Gegen⸗
ftand erforderlichen Erläuterungen. Die Urfache, warum dieſes
Eindrüden eines weicheren Metalles in den feiner Natur nach fehr
dichten und harten Stahl erfolgen fann, liegt offenbar darin, daß
Stahl, und nod mehr Schmiedeifen, durch das Erhihen: in hin«
reichendem Grade erweicht werden, um einem urfpränglich viel
weicheren Metalle nachzugeben. Würde man den Stahl bid nahe
zum Schmelzen erhigen, oder ihn wirklich fhmelzen, und fönute
man dann den Augenblid mit Sicherheit beftimmen, wo er eben
aus dem flüffigen in den feften Zuftand übergehen will, fo würde
‚der Erfolg gewiß noch ficherer und befriedigender feyn.
Allein nicht nur mit den genannten metallifchen, durch einen
zureichenden Grad der Erhißung erweichten Stoffen kann das Eins
drücken weniger harter Formen vorgenommen werben. Auch hier,
Abklatſchen. 387
ſo vie in manchen. andern Faͤllen, verſchwindet das Auffallende
der Erſcheinung, wenn fie nicht mehr ifolirt ſieht, und ſich meh⸗
see zur nähmlichen Klaffe gehörende Erfahrungen auffinber lafſen.
Bereits oben, Seite 47, 4B, wurde erwähnt, Daß auch der im Erflar⸗
ren begriffene Schwefel Eindrüde annimmt; recht eigentlich hierher
gehoͤrt aber Die bei den Schriftgießern laͤngſt in Übung geweſene
Dyeration des Abklatſchens oder (nach dem frangöfifchen Aus⸗
drude) Clichirens, welche in neneren Zeiten weitere un
dung und häufigere Anwendung erhalten hat.
Das AbHatfchen der in Holz gefchnittenen Vignetten ober
Buchdruckerſtöcke dient dazu, um diefelben zum Behufe des Abdru⸗
dens mit Buchdruderfarbe zu vervielfältigen, und wird auf fol
gende Art vorgenommen. Dan gießt nicht zu Heiß geworbened,
aber vollftändig gefchmolzenes Blei, dem auch von einigen Arbeis
tern ein geringer Zuſatz von Zinn gegeben wird, in ein Pappkaͤſt⸗
den, welches aber, damit das Blei feine Blafen wirft, ſcharf
getrocknet ſeyn muß. Man wartet den Augenblid ab, wo das
Blei durch das Erfalten erftarren will, und drüdt nun den Holz⸗
ſchnitt ſtark und hinreichend tief in baffelbe ein. Nach dem gaͤnz⸗
lichen Erfalten liefert das Blei eine vertiefte Form, ober im der
Sprache der Schriftgießer eine Matrige, mit welcher das
eigentliche Abflaticyen, oder die Verfertigung eines dem Originale
ganz ähnlichen metallenen Druderftocdes vorgenommen wird. a
diefem Ende gießt man geſchmolzenes Lettern⸗ oder Schriftgießer
Metall auf ein Blatt Papier; welches, auf den vier Seiten aufge«
Happt, eine Art von flachem Käftchen bildet ; und, wenn dad Metall
eben im Begriff ift zu erftarren, und eine breiäßnliche Konfifteng
annimmt, fo fchlägt man. fchnell, ſenkrecht, und mit der erfor⸗
derlichen Gewalt, die Matrize in daſſelbe ein, wodurch, wenn
der rechte Zeitpunkt getroffen wurde, man ohne Beſchaͤdigung der
Matrize einen vollkommenen Abdruck erhaͤlt. Es iſt aber bei die⸗
ſer Arbeit, außer einiger uͤbung, auch manche Vorſicht nothwen⸗
dig. Wenn aufmerkſam vorgegangen, und das Blei beim Eindrüe
den bed Holzfchnittes nicht zu heiß gewefen ift, fo leidet derfelbe
keinen Schaden ; beifer ift eB jedoch immer, wenn er früher einen
fehr duͤnnen Anſtrich aus hoͤchſt fein gepulvertem Blutſtein ober
Polierrotd, mit Waller angerührt, befommt. Er wird dadurch
58 Abdrüde..
; ®
Behr gefchont, und. geht leichter aus der erfalteten Matrize los.
Ein Holzſchnitt, deſſen Züge nicht nach unten ftärker, ſondern
ſenkrecht, oder etwa gar, wenn auch nur an einzelnen Stellen,
fehief einwaͤrts gefchnitten (unterfchnitten) find, iſt zum Abflatfchen
nicht anwendbar, weil er nicht. mehr aus Dem Blei, ohne zu zerbres
chen, herausgehen würde. Auch die bleierne Matrize wird öfters
mit einer Zwifchenlage verſehen, fowohl bamit fie fich leichter vom
Abdrude trennen läßt, als auch, damit diefer nicht etiwa ganz an
Diefelbe anfchmelze. Sie wird daher entweder ebenfalld mit Blut⸗
ſteinwaſſer beftrichen, oder mit Rauch von brennendem Kienholz,
allenfalls auch bloß über einer Lichtflamme, geſchwaͤrzt, oder end»
Kich trocken mit fehr fein geihlämmten Kreiden: oder Bimöftein-
Pulver eingeftreut, umgefehrt und wieder auögeflopft, damit nur
fo viel von dem Pulver in ihr bleibt, als freiwillig fi) anhängt.
Da aber alle diefe Zwifchenmittel der Reinheit und Schärfe des
Abdrudes nadytheilig find, fo ift es beffer, fie wegzulaflen, was
wohl ohne Nachtheil gefchehen kann, wenn das Metall zum Ab⸗
Elatfchen nicht zu fehr erhigt wird, und wenn die bleierne Matrize
einige Zeit an der Luft gelegen ift, wodurch fie ihren metalliſchen
Glanz einbüßt, fo daß kein Anfchmelzen mehr zu beforgen ift.
Die Datrize muß ferner in einem paffend geformten hölzernen In⸗
firumente mit einem ſtarken Handgriffe feftgefchraubt,, oder durch
Umgießen mit Schriftgießer » Metall befeftigt feyn. Die Menge
des zum Abflatfchen beſtimmten Metalles darf nicht zu groß ſeyn,
foudern e8 reicht hin, wenn daffelbe den Boden des Papierfäft-
chend ı* bis höchitend zwei Linien hoch bededt; jedoch muß diefe
Hoͤhe überall gleich feyn, und deßhalb das gefchmolzene Metall
Ducch Neigen des Käftchens über den Boden deflelben gleichförmig
verbreitet, und der Zifch, worauf Die Arbeit vorgenorumen wird,
horizontal geftellt werden. Eben fo muß die Oberfläche des Me⸗
talles ganz rein feyn, und daher das etwa barauf fhwimmende
Oxyd mit einem Meſſer ober Kartenblatte forgfältig abgenommen
werden. Ferner muß man, da ein Theil des Metalls beim Ein-
ſchlagen herausſpritzt, Hände und Geficht dagegen in Acht neh⸗
men. Endlich ift noch zu bemerfen, daß die Schwierigfeit, einen
seinen, fehlerfreien Abdrud zu erhalten, mit der Größe der zu bee
Abklatſchon. 59
handelnden Stüde zunimmt, und bie größeren Abdräde ohne fehr
bedeutende Übung und Sorgfalt häufig mißlingen.
Was noch im Einzelnen über das Gefchäft des Clichirens
oder Abklatſchens, welches man in ſeiner groͤßeren Ausdehnung
als in Frankreich eingeboren betrachten kann, zu bemerken kommt,
betrifft folgende vier Hauptpunkte, naͤhmlich die verſchiedenen zum
Behufe deſſelben anwendbaren metalliſchen Stoffe, die Arten von
Formen oder Matrizen, die Aufzaͤhlung der vorzüglichften Anwens
dungsarten, und einiger Erleichterungsmittel beim Anbringen des’
mechaniſchen Drudes.
Die Brauchbarkeit des Metalled zum Abklatfchen wird da⸗
durch bedingt, daß daſſelbe bei feinem Übergange aus dem gefchmol«
jenen Zuftande in den ftarren einen Augenblid des Gerinnens
darbiethe, in welchen das Einfchlagen gefchehen fann. Es ift
faum zu bezweifeln, und ‚verdiente durch Verſuche beftätigt zu
werden, daß auch firengflüflige Metalle, 3. B. das Gußeifen, zu
diefem Zwede anwendbar wären; allein man wählt bei der wirk⸗
Uchen Ausubung immer nur leichtflüflige Metalle oder Metallmi⸗
ſchungen, welche viel bequemer, ficherer, und ohne Nachtheil für
die Matrizen, gebraucht werden koͤnnen. Das Schriftgießerme:
tal, aus Blei und Spießglanz, deren Verhaͤltniſſe in verfchiedes
nen Werffiätten verfchieben find, und wozu auch manchmahl noch
Cifen und Zinn kommt, ift bereitö genannt worden; allein es wird.
jept nicht mehr ausfchließlich zum Abflaifchen angewendet, weil es in
fo verfchiedenen Miſchungen vorfommt, und weil es noch weit
leichtflüſſigere Legierungen gibt, welche eben fo brauchbar find,
Hierher gehören die fchon bei der Hige des kochenden Waflers in
Fluß fommenden Mifchungen aus zwei Theilen Wismuth, einem
heile Zinn und einem Theile Blei, oder acht TIheilen Wismuth,.
fünf Xheilen Blei und drei Theilen Zinn, oder fünf Theilen Wismuth,
gwei Iheilen Blei und drei Theilen Zinn, bei welchen aber wohl zu
bemerken ift, daß fie bei öfterer Anwendung weniger ſchmelzbar
werden, weil beim mehrmahligen Umfchmelzen die drei Beftand-
theile fich nicht im Verhaͤltniſſe ihrer relativen Menge orydiren,
und das Verhältniß dadurch geändert wird. Außerdem fann zum
Abflatfchen auch dad Schnellloth der Klempner aus gleichuiel Zinn
und Blei, oder zwei Zheilen Zinn und einem Theile Blei, ſogar
60 Abdrücke. 2
auch, nur minder vottheilhaft, Blei allein gebraucht werben.
Ferner ift eine Mifchung aus zwei Theilen Wismuth, einem Theile
Zinn und einem Theile Spießglanz nahmentlich zu Münzabdrü⸗
den vorgeichlagen worden. Tauglich zum Abflatichen find alle
dieſe Zufammenfegungen, und.gewiß noch viele andere; allein bie
Wahl unter denfelben hängt von Nebenumftänden ab, naͤhmlich
von der für irgend eine derfelben bereits exlangten Übung des Ar-
beiterö; von dem Grade der Feſtigkeit, Härte oder Dehnbarkeit,
weichen die Abdrüde zu beflimmten weitern Anwendungen (z. B-
zu Buchdruder-Arbeiten, oder zum Bronziren, wenn fie bleibend
feyn follen) haben müllen; von der Beichaffenheit der Matrize,
durch welche oft, damit fie nicht leide, die Wahl des Metallge⸗
mifches bedingt wird. .
Daß außer den bereitö oben erwähnten bleiernen, durch
Holzſchnitte erhaltenen, Matrizen auch folche brauchbar find, die
durch unmittelbare Einfchlagen von Stahlſtempeln in Aus
pfer, Mefling, oder harte Metalle überhaupt entftehen, bedarf
feiner Erinnerung. So werden fupferne Matrizen zu Köbchen
und anderen Verzierungen, ja felbit zu größeren Drudlettern, die
fih nicht mehr rein gießen laſſen, häufig vom Schriftgießer abge:
klatſcht, und zum wirklichen Gebrauch entweder auf Hol; genagelt,
oder in das Sießinftrument eingelegt, und durch Aufgießen zur
nöthigen Schrifthöhe gebracht. Eben fo können Münzen und Mes
daillen aus allen Metallen abgeflatfcht, und als Matrizen gefchnit-
tene Steine, Glaspaſten und Glas überhaupt verwendet werden. .
Es fommen manchmahl Heiligenbilder, fait fo dünn ald Papier vor,
deren Släche fo glatt und glänzend ift, daß fie jener der neuge⸗
prägten Silbermünzen vollfommen gleicht. Sie find durch Abflat-
ſchen von Formen aus diem Glaſe bereitet, in welches die Figu⸗
ren vertieft gefchnitten find, und deifen Politur der Fläche des Ab⸗
druckes den hohen, fonft nur Durch Prägen mit fehr vollfonmen
polirten Stahlitempeln zu erhaltenden Spiegelglanz mittheilt.
Allein auch weichere Stoffe Fönnen, wenigftens Ein Mahl, in ſehr
leichtflüſſige Mifchungen abgefchlagen werden. Da der Abdrud
einer Münze vertieft ausfällt, fo kann derfelbe mit der nöthigen
Borficht in daffelbe Metall abgeflatfcht werden, aus welchem er
felbft befteht, und diefe Kopie wieder zur Herftellung einer Klatſch⸗
Abtlatſchen. 61
fon, jedoch mit einigem Verluſt an ber. Schärfe, gebrancht wine
deu. D’Arcet der Züngere hat ſogar Gypo⸗, Schwefels und Sie⸗
gellackformen zum Abflatfchen gebraudht. Die Gypsſormen wars
den von ihm dadurch gehärtet, daß er ſie in eine Auflöfung von
ungefähr ſechs Loth -Fifchleim in vier Pfund Waller legte und
ſehr langſam trocdnen ließ, wodurd) übrigens die Heinheit ‚der
Form, weil der Gyps im Waſſer, wenn auch in fehr geringer
Menge, auflöslich ift, Teidet, fo daß z. B. Die :glatte Spiegelflaͤche
eined genauen Münzabguffes in Gyps, rauhmnd unſcheinbar wird;
Beſſer dürfte das Eintränten der Formen mit Wache ſeyn. Sie
gellackformen aber, und folche aus Schwefel, befonders wenn die
letztern aus diefem allein ohne feſtmachende Zufäge beſtehen, ind
wur im höchften Nothfalle, und dann auch ficher nur Ein Mahl,
gu brauchen, wobei die aus Siegellack beſtehenden (in fo.fern es
gelingt, ſie vor dem Schmelzen zu bewahren) noch den Wor⸗
zug verdienen, weil der in dem Abdrucke von der zerbrochenen
Matrize bleibende Ruͤckſtand ſich durch Weingeiſt leicht Ben
fen laͤßt. Ä
Der Anwendimg des Abllatfchens bey den Scqhriftgiehern,
und mittelbar zu Buchdruckerarbeiten, iſt bereits gedacht worden.
Die ungeheure Menge der Aſſignaten im Anfange der franzöflfchen
Revolution, und die große Eile, in der fie hergeftellt werden muß⸗
ten (z. B. im Jahre 1790 allein achthundert Millionen), war
Urfache, daß man die Drudformen zu Denfelben Durch Abklatſchen
fupferner,, aus einzelnen Stüden zufammengefegter Matrizen bil
dete. Die ausgedehntefte Anwendung im Großen vom AbHlätfchen,
zur Darſtellung von Büchdruderformen, hat Firmin Didot in
Paris gemacht, indem er duch Eimbrüden eines gewöhnlichen
Letternfages in Blei eine Matrize verfertigte, und aus diofer Durch
Abftatfchen eine erhöhete Druckform. Diefed Verfahren, nähmlich
das Stereotypiren, wird aber, feiner Wichtigfeit wegen, mit den
fpäter an das Licht getretenen, verbeilerten, ‚und zum Theil ganz
von der angedeuteten verfchiedenen Methoden, in einem eigenen
Artifel behandelt werden. Daß man Medaillenabdrüde dusch Abs
Matfchen verfertigt, und zwar, um die Kopien dem Originale gleich
zu befommen, die vertiefte Form wieder als Matrize braucht, iſt
fchon gefagt worden, und wird weiter unten nodynabläiberipet
62 . Abdruck.
werden. D’Arcet bat verfacht, abgeklatſchte Formen zum Zeugs
und Papiertapeten-Drad anzuwenden, ein Verfahren ,, dem ſo⸗
wohl wegen der nöthigen Größe der Drudformen, als wegen der
Befchaffenheit der Originale, fait unüberwindliche Schwierigfeiten
entgegenfteben werden. Die Originale dürfen nähmlich bloß in
Holz gefcheitten feyn, und koͤnnen nicht, wie faft immer, Parı
tien aus Drath und Blech gebildet enthalten, die wegen ihrer
gleichen, nad) unten nicht zunehmenden Staͤrke, aus der mit ihnen
gefertigten Matrize nicht beransgehen würden. Erwaͤhnt zu wer:
den verdient noch folgender Verſuch von Cadet de Gaſſicourt.
Er leimte auf den Boden einer Taſſe ein Stu Papier, fchrieb auf
daſſelba mit gewöhnlicher Ziute, und beilteute die noch nafle
Schrift mit gepulvertem arabifhen Gummi. Das Refultat war
nach der Wegfchaffung des nicht angeflebten Summi-Pulders:eiwe
etwas erhöhte Schrift. Wurde nun ein leichtflüffiges Metallges
milch in die Zaffe gegoflen, und, um das Kryſtalliſiren zu
verhindern, fchnell abgekühlt, fo gab daflelbe eine vertiefte uud
verkehrte Form, welche eingefchwärgt und auf Papier abgedruckt
werden fonnte. Auch Vifitfarten und andere Abdrüde von Aus
pferitichen auf Papier laſſen ſich abFlatfchen, und die wenige er⸗
hoͤht ſtehende Druckerſchwaͤrze reicht hin, alle Züge vertieft in dem
metgllenen Abdrucke darzuftellen; allein es ift billig zu bezweifeln,
ob diefe Verſuche zu ernftlicher Anwendung und zu einem Druck⸗
verfahren, welches bie bisher üblichen überträfe oder nur erreichte,
Veranlaſſung geben können.
Sobald das Abflatfchen im Großen betrieben wurde, wie
z. B. bei Der Verfertigung der Stereotyp- Platten, der Affignatens
Drudformen u. ſ. w., dachte man auch Darauf, durch befondere
Vorrichtungen dad Auffchlagen der Matrize auf eine minder unſt⸗
here Art, alö durch die Hand, zu bewerfftelligen, von welcher Die
Richtung und die Stärke des Schlages nicht jedes Mahl mit aller
Sicherheit beftimmt , auch bei großen abzuflatfchenden Flaͤ⸗
hen nicht die nöthige Kraft ausgeübt werden fann. Schrauben«
preffen, nach Art der Prägwerfe, find bier nicht brauchbar, da
ed auf feinen flarfen anhaltenden Druck, fondern auf einen bei
ber gehörigen. Konftitenz ded zum Abflatfchen dienenden Metalled
- augenblidlich zu bewirfenden Schlag anfommt.
Clichirmaſchinen. 63
Man bat daher zu diefem Wehufe dad. Prinzip ‚der -Mammt-
Maſchinen oder Fallwerke gewählt, und einen in Leitungen gehenden
Ballfiog angewendet, welcher unten die Matrize trägt, auf eine
gewiffe Höhe gehoben wird, und mit feinem ganzen Gewichte, auf
das geſchmolzene Metall herab faͤllt. Diefer Alog kann ungefähr
10 Pfund wiegen, und die beliebig zu regulirende. Fallhoͤhe bei⸗
läufig a2 bis 30 Zoll betragen.
Außer ſolchen, nach Art der allgemein befannten- Fellwerte
gebanten Drafchinen, dürften noch zwei andere hier eine Mefchrei«
bungverdienen. Die eine davon ift auf af. 3 abgebildet, urſpruͤng⸗
lich zum Abflatfchen von Medaillen beftimmet, aber auch, mit den
nöthigen Änderungen, zu allen Arten des Clichirens auwendhar:
Higur » flellt die Seitenanficht, Figur 2 den Grundeiß, Figur 3
endlich den Theil, in welchem dad Driginal oder die Matrize befe⸗
fligt ift, nach gröfierem Maßitabe, vor. A ift ein dreifeitiger böls
jener Kaften, deflen eine Wand die mit einer Klinke G zu ver⸗
fchließende Thüre B bildet. Mit T find die Ihürbänder bemerkt,
Am Boden des Kaftens liegt, ald Fundament für das auch hier
angewendete Papierfäftchen mit der geichmolzenen Metallmi⸗
fhung, eine Platte aus Oußeifen, P (Fig. ). Bis in die Höhe
von Q ift der Kaften von innen mit Bleiplatten bekleidet, megen
des beim Falle des Stempeld herumfprigenden Metalled; fo wie
überhaupt der Kaſten, welcher beim AbHlatfchen gefchloffen bleibt,
nur zur Sicherung gegen daflelbe vorhanden ift. An dem metal«
lenen Träger F find die Leitungen EE für die vierfantige Stange
D befindlich, welche ſich in denfelben recht leicht in fenfrechter
Richtung bewegen muß. Am untern Ende der Stange D befindet
fih Die in Sig. x punftirt, in Fig. 3 im Durchfchnitte gezeichnete
Vorrichtung zur Befeſtigung der Alatfchform; das obere Ende
aber bildet einen Ring G, woran D mittelft einer über eine Rolle
gehenden Schnur nach dem alle wieder gehoben werden kann.
Ein Geftel O trägt die Achfe der aus einem Stüde beſtehenden
Hemmvorrichtung NM. Das Ende bed Armed M liegt gegens
wärtig in der am untern Ende der Stange gemachten Ruth L, und
da N ein Gewicht von geböriger Schwere iſt, fo wird D verhin⸗
der zu fallen. Wenn man fich vorftellt, daß Alles in der jegigen
Lage von Fig. », jedoch die Thüre B offen ift, fo wird, wenn’
6 . Mdrücke.
nenn dẽeſe fehließt,. ihre obere Kaute das Gewicht N, gegen deſſen
antere ſchraͤge Flaͤche fie ſtoͤßt, in die Hoͤhe heben, wodurch zu⸗
gleich Mabwaͤris geht und aus der Nuth L fich entfernt. Es er⸗
ſolgt demnach mit dem Schließen der Thuͤre zugleich der Fall der
jept freigewordenen Stange D, und daher dad Abklatſchen und
Herumſchleudern des: überflüffigen Metalls im ganz gefchloffenen
Kaften, ohne alle Unbequemlichfeit für den Arbeiter. Die Vor«
sihtang zus Befeftigumg Des Originals aber der Matrize bat fol
ande Weichaffenheit. - Es finden fic, an derfelben vier rechtwinke⸗
lig nach unten gebogene flarfe Arme R.(wovon-der Durchichnitt,
Fig. 3, nur zwei zeigen kann), Durch deren jeden eine Stellſchraube
I. zum: Eiuſpannen des metallenen Ringes J gebt. In diefen paßt
ein zweiter Ring K, welcher mit dem erfteren wieder durch die
Heinere Stellſchraube Y. verbunden iſt. Der Ding H ift doppelt
Iegelfbuanig audgedreht. Die nach abwärts erweiterte untere Hoͤh⸗
hung & iſt es, in weicher ſich die abgeflatfchte Kopie bildet ‚und
welche zum leichtern Anstroten des überfläffigen Metalles am Rande
dier halbrunde kleine Ausſchnitte X hat. Die obere Hoͤhlung aber
iſt ſo austgedreht, daß die Kopie, wenn fie umgekehrt wird, ver⸗
moge three: ſchon koniſchen Randes auch Bier wieder fo. genau
hinein paßt, daß ſie nicht unten herausfallen kann. Daher laßt
fi die Kopie wieder als Matrize oder Original anwenden, wenn
fie fo wie. V. in der Zeichnung in den Ring eingelegt wird. Nur
muß ſie noch verhindert werben, nad) oben auszuweichen. Zu dies
fen. Wehufe wird die über ihr befindliche Höhlung W (Fig.3) mit
einer beichtfläfligen Metallmiſchung bis an den Rand des Ringes
vollgegoflen, wobei ed nothwendig ift, damit die eingelegte Kopie
V nicht ſchmelze, ihre vbere Seite vorher mit Thon oder Kreide,
in Waſſer angerihrt, zu: beftreichen, und nach dem Trocknen die
Metallmiſchung fo wenig heiß ald möglich aufzugießen. Daß die
Driginal: Medaillen auf ähnliche Art in den Ring eingelegt wer⸗
den; daß man ferner Ringe von verfchiedener - Größe vorräthig
haben müſſe, und Daß zum Einfpannen anderer Stuͤcke als run⸗
der die Vorrichtung leicht abgeändert, fo wie zu größeren die Fall⸗
höhe oder die Schwere des wirffamen Theiles vergrößert werden
könne, bedarf Feiner weitern Auseinanderfegung.
+ Big. auf Tafel I ſtellt die in England patentirte Vorrich⸗
Elihirmafchinen. . 65
tung des A. Applegath zum Abflatfchen vor. An einem Holz:
Node Aift die gußeiferne ftarfe Stuͤtze B feitgefchraubt. Die Zroms
mel oder Balze, an welcher das Rad C ftecdt, wird mittelft einer
Karbel M, an deren Achfe ein Getrieb befeftigt if, in Bewegung ge:
fest, und auf diefelbe windet fi) Dadurch ein Seil auf, welches
über die Rollen p, p läuft und die Schlagftange D fenfrecht in die
Höhe zieht. Durch diefe Bewegung der Stange, die ihre gerade
keitung in F, F findet; werben zugleich zwei hinreichend ftarfe Fe⸗
dem E, E, flatt deren auch wohl vier fchwächere angebracht wers
den fönnen, gefpannt, und zwar mehr oder weniger flarf, je
nachdem die Stange mehr oder weniger hoch aufgewunden wird.
Beim plöglichen Nachlaffen des Geiles fchlägt die am unteren Ende
der Stange feftgefehraubte Matrize auf dad in der Papierfapfel Z
befindliche leichtflüſſige Metallgemifch, und bewirkt den Abdrud.
Die Befefligung der Matrize, Die übrigens vielfältig abgeändert
werden fann, geichieht in einem unten offenen Rahmen 1, 1, der
mittelft vier Pfeilern, durch welche Fleine Keile k, k geftedt find,
- mit der obern Platte verbunden ift. Die letztere ift mittelft eines
Schwalbenfchweifes bei Haufdas untere Ende von D aufgefchoben.
Zwifchen diefer Platte und dem untern Rahmen liegt wieder der in
der Zeichnung bloß im Durchſchnitte angedeutete Schraubrahs
men, in welchem die Matrize ducch vier Schrauben gleich m, m,
gehalten wird. Ein Schirm von dünnem Eifenblech um den Holzs
bloc A ſchuͤtzt den Arbeiter gegen das wegfprigende heiße Metall.
Die Eigenheit diefer Vorrichtung liegt in der Anbringung
der Zedern, durch weldye allerdinge Der Vortheil zu erreichen if,
dag das Ganze niedrig feyn, und dennoch eine große Gewalt aus«
geübt werden kann. Die Matrige an D braucht nähmlich nach
des Erfinders Angabe nur bis ſetwa acht ZoU Hoch über die Flaͤche
von A aufgewunden zu werden, um eine gewöhnliche Drudfeiten>
Form abzuflatfchen. Jedoch muß bemerkt werben, daß die Anga⸗
ben über diefe Vorrichtung nicht ganz vollftändig find. Das an der
Achſe der Kurbel M befindliche Getrieb greift offenbar in ein Rad
ein, welches hinter dem Sperrrade C liegt; und dieſes letztere ift
dazu vorhanden, damit, wenn D zur gehörigen Höhe gebracht wors
den ift, der Sperrhafen G das Zurüdziehen des Seiles durch die
Federn verhindere. Wird G nad) der Richtung, welche der Pfeil
Technol. Eucyclop. 1. Bd. 5
66 Abdrücke.
anzeigt, bewegt, fo wird der Hafen aus dem Rade ansgeho⸗
ben, und nichts verhindert die Federn mehr an ihrer augenblicklichen
Wirfung. Da aber zugleich auch dad Geil wieder zurückgezogen,
mithin die Achfe von C fehr ſchnell in verfehrter Richtung gedreht
wird, fo muß nothwendig vor dem Ausheben des Sperrhakens
das an der Achfe von M befindliche Getrieb ebenfalls mit dem für
Daffelbe beftimmten Rade außer Eingriff gefept werben, was ducch
verfchiedene fehr einfache Anordnungen, 5.8. ein Verfchieben der
Achſe nach der Länge, ſich leicht bewirken läßt. Diefe Vorfehrung
aber iſt unentbehrlich, weil fonft Das Getrieb durch. die oft wie-
derhohlte, äußerft fchnelle und heftige Bewegung zu Grunde gerich⸗
tet würde.
Aus dem bisher Geſagten wird leicht hervorgehen, daß das
Abflatfchen eine etwas umfiändliche, und ohne bedeutende Übung
nicht immer gelingende Arbeit if. Es Dürfte deßhalb auch die
Beantwortung der Srage hier erwartet werden, warum die durch
das Abflatfchen zu erhaltenden Stücke nicht Tieber auf dem weit
leichteren und einfacheren Wege des Gießens hervorgebracht wer⸗
den. Die Urfache davon ift, weil fowohl zufolge der Erfahrung
als auch leicht anzuftellender theoretifchen Betrachtungen, duch
den Guß auf die gewöhnliche Art diefelbe Schärfe und Reinheit
nie zu erhalten it. Die gefchmolzenen Metalle nähmlich füllen
‚eine Form, in welche fie gegoffen werden, nicht fo vollfommen aus,
wie diefes z. B. Waſſer thun wurde, und gwar aus mehreren Grün«
den. Ein Mahl haben die Theile der Metalle auch noch im ge-
ſchmolzenen Zuflande einen weit größeren Zufammenhang; dann
legt ſich auch das geihmolzene Metall, da es meiftens Feine Anzies
bung (Adhäfien) zur Form hat, nie genau an Diefelbe an, man
müßte benn polirte Formen mit rein 'metallifcher Oberfläche anwen=
den, an welche aber wieder das eingegoffene Metal fo anfchmilze,
daß Guß und Form verloren gehen; ferner hindert auch die Luft,
welche in den tiefften Zügen der Form eingefchloffen wird, das
Ausfüllen derfelben; und endlich ziehen fich die meiften Metalle
beim Erfalten in einen Fleineren Raum zufammen, und mithin von
der Form zurüd. Das Abflatfchen aber begegnet allen den genann«
ten Hinderniffen volfommen, indem durch den Schlag dad Metal
gewaltfam in alle Züge der Form hineingepreßt, gleichzeitig die
Abformen. 67
Luft Berausgetrieben, und endlich, da das Metall unter mechani⸗
fen Drucke, das beißt noch während. des Schlages, gerinnt und
fet.wird, fogar auch die Verkleinerung des Umfanges unſchaͤd⸗
ich gemacht wird. Die Unbequemlichfeit und Unficherheit des
Abfiatfchens, befonders bei großen Flaͤchen, hat übrigens dennoch
Beranlaffung gegeben, daß man in der neueften Zeit wieder zum
Gießen Zuflucht genommen hat, und daß man die Dabei der Natur
der Sache nach Statt findenden, oben aufgezählten Hindernifle _
durch den hydroſtatiſchen Druck des geſchmolzenen Metalles und
durch andere Mittel verhindert. Don diefen Verfahrungsarten
wird unter dem Art. Stereotypie die Rede fepn.
G. %
Ubformen.
Abformen in der üblichften Bedeutung (denn der Wuch-
binder nennt das richtige Vefchneiden der Buͤcherdeckel eben
fo), heißt die Figur eines. Körpers in einen andern übertragen,
wedurch zum Behufe des eigentlichen Kopierens der Originale Dusch
den Buß eder durch das Abdrüden eine Form entſteht, welche,
mit dem Driginal verglichen, jederzeit verfehrt, und meiſtens ver«
tieft iſt. Das Abformen it nur auf zwei verfchiedene Arten moͤg⸗
lich, nähmlich entweder durch Abdrüden, oder durch Abgießen,
je nachdem die dazu gewählten Materialien entweder weich und
bildſam, oder für eine gewilfe Zeit, und unter beftimmten Umftän«
den, flüjlig find. Immer aber ift es nöthig, daß fie die Faͤhigkeit
befigen, die feinften Züge des abzuformenden Gegenftandes genau
anzunehmen, und nad) dem Austrocknen oder Feſtwerden auch zu
behalten. Die Wahl derfelben in einzelnen Fällen hängt von den _
Umfänden ab, und zwar nicht allein von der Möglichkeit der leich⸗
tern Behandlung, fondern auch von der Befchaffenheit des Origi⸗
agles, welches durch die Anwendung einiger derfelben beſchaͤdigt
oder nachtheilig veraͤndert werden koͤnnte, ſo wie davon, ob die
Ferm zum Abdrücken oder Abgjeßen, ob zu wenigen oder zu möge
lichſt vielen Kopien, und zwar aus welchen Stoffen, gebraucht wer⸗
den fol. Das Nähere über diefe verfchiedenen Rückſichten, über
die zum Abformen dienlihen Materialien, unter welchen Wachd,
Thon, Schwefel, Gyps und Formſand die ekſten Stellen einneh⸗
| 5“
68 Abgüſſe.
men, und über ihre Behandlung, findet man in den Artikeln Ab⸗
druücke, Abgüffe und Metall-Gießerey. —
G. A.
Abgüüſſe.
Man nennt Abgüffe jene Nachbildungen eined Originales,
‚welche durch das Gießen hervorgebracht werden. Nach diefer Be⸗
ftimmung gehören nicht alle Produkte der Gießerey Bierher, indem
jene ausgefchloifen find, bei.welchen die Gießform nicht über ein
Modell oder Driginal, -fondern ohne daffelbe aus freier Hand
oder ducch Hulfe mechanifcher Mittel angefertigt wird, wie dieſes
fehr Häufig in der Eifengießerey, wenn mit Lehm gearbeitet wird,
‘beim Gießen der Oloden, der Kanonen, und faft bei allen Zinn
iwaaren der Fall iſt. Beim eigentlih fogenannten Abgiefien
find drei Hauptpunfte in Betrachtung zu ziehen, nähmlich das
Driginal oder Modell, der Stoff, in welchen es fopirt werben fol,
‚ and endlich die zum Guſſe nöthige Form, deren Bearbeitung nicht
—
abgeſondert behandelt werden kann, weil ihre Wahl und Struftur
theils von der Befchaffenheit des Originales, theild von jener des
. Gießmateriald bedingt wird.
Wenn man unter Originalen überhaupt die Wahl hat, fo
verſteht es ſich von felbii, Daß man die am vollfommenften und aus
den unveraͤnderlichſten und dauerhafteften Stoffen gearbeiteten
vorziehen mülle; das legtere darum, weil fie daun weniger der
Gefahr einer Beſchaͤdigung durch das Abformen ausgefept find.
Kopien zum Abgießen zu nehmen ift wenig vortheilhaft, weil der
Dadurch entftehende Abguß weniger fcharf ausfällt, indem beim
jedesmahligen Kopiren, gefchehe es nun. durch Abdrüden oder
Abgießen, etwas von den feiniten Zügen verloren geht, und daher
als Grundſatz angenommen werden faun, daß die Nachbildungen
deſto unvollfommener ausfallen, je weiter fie von den erſten
Driginalen fid) entfernen, d. i. je mehr fie Kopien von Kopien find.
‚Die Urfache davon iſt einleuchtend. Denn wenn der Abguf das
Driginal ganz getreu wiedergeben follte, fo müßte ſchon die Form
das Original in allen Punkten mit mathematifcher Genauigkeit bes
‚rühren, der Abguß aber wieder auf Diefelbe Art die Form aus:
füßen. Da dieſes nie in aller Vollklommenheit gefchehen kann, fo
Allgemeine Bemerkungen. 69
runde fich Die ſcharfen Züge bei jeder neuen Kopie mehr ab, und
werlieren am Ende alle Schärfe und Genauigfeit. Ob die Form
durch Abdrücken oder Abgießen hergeitellt werden fol, hängt gre-
ben Theils Davon ab, ob einerfeitö das Original zu der einen oder
der andern Verfahrungsweife beſſer geeignet ift, und ob anderfeits
De Form durch diefe oder jene Verfertigungsart die einem beſtimm⸗
tem Gießmateriale entfprechenden Eigenfchaften erhält.
Die Materialien zum Gießen werden, wie fchon die allges
meine Benennung audfpricht, immer in mehr ader minder flüjligem
Zuftande angewendet, und Pönnen unter zwei Hauptflaflen ge-
bracht werden. Es find entweder folche, welche durch Feuer flüf-
fig gemacht worden find, im gefchmolzenen Zuftande die Form atiö-
füllen, und dann durch das Erfalten ihre urfprüngliche Seftigfeit
wieder erhalten, wie der Schwefel und die zu Gußarbeiten an-
wendbaren Metalle; oder es find folche, welche ihre Flüſſigkeit
einem Zufabe verdaffen,‘ und dann entweder dadurch, daß fie
fi mit demfelben nad) einiger Zeit verbinden, oder aber durch
das Austrocknen, erft feft werden. Beiſpiele der letztern Art geben
der mit Waſſer angerührte Gyps, und die Auflöfung der Haufen«
blaſe in Waſſer. Am brauchbarften in Hinficht auf genaue Nach:
bildung des Originales find jene Stoffe, welche beim Seftwerden
fih ausdehnen, und einen größern Raum einnehmen, ald im ge:
fhmofzenen Zuftande,: wohin vorzugsweife der Schwefel, einige
wenige Dietalle, und der Gyps gehören, indem dieſe, vermöge
der genannten Eigenfhaft,' felbft die feinften Züge der Form
ganz genau, und fo zu fagen gewaltfam, ausfüllen. Faſt immer,
und befonders bei den Materialien von der letztgedachten Beſchaf⸗
fenheit, muß die Form an der mit dem Gußmateriale in Berüb-
rung fommenden Flaͤche mit einer Zwifehenlage verfehen werden,
weldye entweder, um fich.zum Theile in die Poren der Form ein-
zuziehen, fldifig ift, wie 3.8. das Ohl; oder in einem Anftriche
-
befieht, der nach dem Austrocknen einen feinen Überzug zurücläßt; "
eder endlich ein feiner Anflug feyn faun, der Durch Aufftäuben, wie
z. 2. feines Kohlenpulver, oder auf andre Art, wie durch dad
Beräudjern mit Kienholg,: angebracht wird. Allerdings fchadet
iwar dieſe Zwifchenlage der Schärfe und höchiten Reinheit des
Quffes immer.iu einem. gewiffen Grabe; allein, obwohl fie bei’
0. Abgüſſe.
ns ©
den Abdrüden, wo das zur Nachbildung nöthige Material nie in
fo innige Berührung mit der Form fommt, faft immer weggelaffen
werden kann: fo ift dieſes Doch beim Abgießen nur felten chunlich,
weil der Guß, nahmentlich mit einem ſich ausdehnenden Stoffe,
entweder durch die bloße Adhäfion fich fo feit an die Form anlegt,
daß er nicht leicht ohne den Verluſt derfelben lodzubringen ift,
oder feiner Blüfligfeit wegen in die Zorm bi6 zu einer gewiſſen,
wenn ſchon geringen, Tiefe eindringt, oder endlich wegen fei-
ner hemifchen Verwandtfchaft zu dem Materiale der Sorm an Die:
felbe anfchmilzt.
Bei der Vergleichung zwifchen Abgüffen und Abricen ers
gibt fich Teicht die Solge, daß, obgleih die Kormen zum Gießen
manchmahl fchwieriger herzuftellen find, diefe Operation dennoch
meiftens dem Abdrücen vorzuziehen iſt, und eine weit ausgedehn⸗
tere Anwendung geflattet. Das Abdrüden aft in hohlem und ge=
f&hloffenen Bornten, und alfo bei Gegenſtaͤnden, welche auf allen
Seiten beftimmte Umriffe haben follen, nur mit großer Schwierig
keit, oft gar nicht, zu bewerfitelligen. Denn beim Eindrüden in
eine folche, beſonders fehr zufammengefeßte, Form ift die nöthige
Menge der teigartigen Maife nie richtig zu bemeilen ; das Weg⸗
Schaffen des aus derfelben heraustretenden Überfluffes ift mit Mühe
und Zeitverluft verbunden; die Form kann manchmahl den erfor⸗
derlichen Drud nicht aushalten, fondern bricht; der Abdruck felbft
endlich ift Häufig von ſolcher Befchaffenheit, daß er fich zufammene
zieht, und feine Geftalt oft ungleichförmig verändert. Vorzüglich
für hohle Bormen wird man daher faft immer dad Gießen vorzie⸗
ben, und nur dann zum Abdrüden feine Zuflucht nehmen, wenn
Das Material gegeben ift, wie 3. B. beider feineren Zöpferwaare.
Auch kann das Abdrüden bei folchen Gegenſtaͤnden, die in offenen
eintheiligen Formen bereitet werden fönnen, wie die Kopien ger
fhnittener Steine, oder andere Meine Arbeiten, bei denen die
Befchaffenheit der Rüdfeite von Feiner Bedeutung ift, und das
nachmahlige Ebnen aus freier Hand erlaubt, lie fogar beque⸗
mer und vortheilhafter feyn.
Im Solgenden follen die vorpiglichften Arten abzugießen bes
handelt werden, wovon jedoch die fabrik⸗ und gewerbiudßig ers
jeugten Abguffe von Metall fowohl ihrer Wichtigkeit, als auch der
Abgüffe aus Gyps. 21
eigentfäntlichen Behandlungsweife wegen zur ausführlicheren
Derkelung für eigene Artifel verfpart werden, in welchen gleich“
zeitig auch der Gebrauch folcher Formen erläutert werden fol, zu
deren Anfertigung man feines Originals oder Modelles bedarf.
Der Gyps wird fehr häufig nicht nur zu Abgüffen, fondern
and) zu Formen verwendet. Diefes für die technifchen und bilden-
den Aunfte, ſo wie für Die Landwirthfchaft, faum entbehrliche Ma⸗
terial wird durch Brennen der Gypsſteine, durch Feinmahlen und
Sieben zum Gebrauch tauglich erhalten, und hat die auffallende
Eigenfchaft, daß ed, mit Waller zu einem Brei angerübrt, ſchneil
erhärtet, wobei eine ſchon bei der Berührung mit: der Hand be-
merkbare Erwärmung, und eine nicht unbeträchtliche Zunahme des
Umfanges Statt findet. Diefe Ieptere Eigenfdyaft ift es, welche
den Gyps zur vollfommenen Ausfüllung auch der feinften Züge
einer Form fähig macht. Nach längerer Zeit wird ein ſolcher Guß,
obwohl er noch eine bedeutende Menge gebundenes Waſſer ent:
hält, troden, und erhält feine völlige, übrigens nicht fehr große
Härte. Starke Erhikung, noch mehr aber das Gluͤhen, raubt
dem 'erhärteten Gypſe das Wafler, welches ihn in den feften Zu«
flaud verfeßt bat; er befommt Sprünge, wird mürbe und zerfällt.
An der Luft, aus welcher der gebrannte Gyps allmählich Feuch⸗
tigkeit anzieht, verliert er die Zähigfeit, mit Waſſer zu erhärten,
obwohl diefes, wenn er nicht in fehr dünnen Tagen ausgebreitet
iR, nur hoͤchſt Tangfam gefchieht. Um den Gyps mit Sicherheit
verwenden zu fönnen, werden nicht nur gewifle Handgriffe und
eine bedeutende Übung, fondern auch die genaue Kenntniß der
jedesmahligen Befchaffenheit des Gypſes erfordert. Die nöthige
Meuge Waller und das befte Werhältniß veflelben it nach dem
Grade, biß zu welchen der Gyps gebrannt, und dadurch feined na⸗
türlichen Wailergehaltes beraubt worden ift, fehr verfchieden ;
überhaupt aber ift zu bemetfen, da er mit einer zu großen Menge
deffelben nie den höchflen Grad der Feſtigkeit, deſſen er fähig
wäre, erhält, fondern daß dieſe immer defto größer ausfällt, je
weniger Waſſer man anwendet, und je befer der Gyps gebrannt
war. Allein defto fchneller erhärtet er auch, fo daß er mit mög-
lichſter Behendigkeit gegoifen werden muß. Das Erhärten wird
arch befihleunigt, :wenn man den Gyps vor dem Anmachen ers
72 Abgufie.
wärmt. Die Vermiſchung mit Wafler muß, um Blaſen in Guſſe
zu vermeiden, durch fehr forgfältiges und ſchnelles Umrühren ge=
fhehen. Wenn e8 die Befchaffenheit der Form erlaubt, fo ift e&
zur Vermeidung der Blafen am beften, wenn zuerft eine Feine
Menge mit verhältnigmäßig mehr Waſſer angerühet, der dadurch
entftandene Brei mittelft eines Haarpinſels aufgeftrichen, und auf
dDiefe dünne Lage ohne Verzug ein dickerer, wenig waſſerhaͤltiger
Gypsbrei aufgegoffen wird. Jedoch darf die untere Schichte noch
nicht erhärtet feyn, weil fich fonft beide in der Folge bei geringen
Stößen"gänzlich von einander abfondern. Beimiſchungen von
“ fremden, erdartigen Subftanzen gewähren, in fo fern der Gyps
als Gießmaterial benügt wird, feinen Vortheil, indem fie jeder-
zeit im Verhältniffe ihrer Meuge die bindende Kraft des mit
Waſſer angerührten Gypſes vermindern. Mit Ziegelmehl, Thom,
feinem Sand gemengter Gyps erhärtet fpäter, und nicht in dem
felben Grade, wie ohne diefe Zufäge. Selbſt vom Kalte im un-
gelöfchten oder zerfallenen Zuftande gilt daflelbe, obwohl manche
Arten von Gyps, zu Folge der Mifchung des Gppäfteines, aus
bem fie gebrannt find, fehon eine geringe Menge Kalt enthalten.
So lange diefe nicht bedeutend ift, und den zehnten bis fechöten
Theil des Ganzen ausmacht, bemerkt man feine Änderung, wohl
aber, wenn der Kalf ein Drittheil bis die Hälfte beträgt. Dann
erhärtet der Gypsbrei nur fehr langfam, und die Mifchung ift
zum Gießen faum mehr, wohl aber zur Bearbeitung aus freien
Hand (mit Boilirhölgern) geeignet, in welchem alle der Maſſe
aber auch, um den Verluft der natürlichen Feſtigkeit zu erfegen,
Leimwaifer zugefest werden muß. Es fönnen demnach allerdings
Umftände eintreten, wo eine folche Beimifchung nothivendig iſt,
nahmentlich in dem Falle, wo der Gyps ald Gießform für etwas
fhwerflüfligere Metalle dienen fol. So verträgt der mit + fei-
nes Gewichtes Kalk gemifchte, gegoffene Gyps die Slühhipe, ohne
zu zerfallen oder Riſſe zu befommen; eben fo, wenn er mit Thon
ober Ziegelmehl verfegt if. Brauchbare Formen zum Metallguß
erhält man auch, wenn dem Gypſe + Bimdftein zugefeht, und die
- Mifchung ınit Lehmwaſſer angerübrt wird. Jedoch hat man zum
Biegen ftrengflüjliger Metalle in Formen weit ficherere Mittel,
fo daß die genannten nur ala Nothbehelfe in. einzelnen feltuen
Abgüffe aus Gyps. 73
ihn betrachtet werben müffen. Auch die Anwenbung anderer
Blöhgfeiten ftatt des Waſſers trägt nichts zur mehreren Beftigfeit
des Gypſes bei. Mit Leimmwafler erhärtet der Gyps nur langfam,
ud die bindende Kraft des Leimes erfegt nothdärftig den Verluft
eines Theiles feiner Seftigfeit; auch die Alaunauflöfung, mit wel«
der der Gyps ſtatt des reinen Waflerd angerührt, oder im
trocknen Zuftande getränft wird, macht ihn nicht merklich härter,
ebwohl dieſer Zufas in vielen Druckſchriften als fehr vortheilhaft
gepriefen wird. Den: fäuflihen Gyps vor dem Gebrauche noch
befonders durchzufieben, um ihn fehr fein zu erhalten, ift ebenfalls
überflüffig, indem felbft die gröbern Sorten in guten Sormen volls
fommene Abgüffe geben. Es ift nur dann von Nutzen, wenn viele
Stellen des Guſſes nach dem Feſtwerden noch fernere Nachhülfe
bedürfen, weil erft dann, wenn die obere Släche weggenommen
wird, das grobe Gefüge zum Vorfcheine fommt. Nacharbeiten
verträgt der gegoflene Gyps übrigens fehr wohl. Noch feucht, aber
ſchon feſtgeworden, Täßt er fich fehr bequem mit einer dünnen
Meflerflinge fchneiden, im ganz harten und trockenen Zuftande aber
mit Rafpeln, nicht zu feinen Feilen, und mit Meißeln beliebig zus
richten. Abgüſſe mit reinen glatten Blächen muß man ſich im Acht
nehmen ftarf naß zu machen, weil der Gyps, obwohl in fehr
geringer Menge, im Waſſer auflöslich ift, und dieſes hinreicht,
feine Flaͤche pors und zaub zu machen.
Unter allen Abgüffen find immer, alfo auch aus Gyps, die
in eintheiligen offenen Formen am leichteften zu verfertigen. Als
Beifpiel fol das Abgießen einer Münze dienen, für deren zwei
Seiten zwei abgelonderte Formen erforderlich find, welche eben⸗
falls aus Gyps gegoffen werden fönuen. Man winbet zu dieſem
Behufe einen Streifen. Schreibpapier, etwas breiter ald die Höhe
beider zu gießenden Formen zufammen genommen, zwei bis Drei
Mahl recht feft um den Rand der Münze, und fchließt diefen Pas
piersing entveder mittelft einer Stedinadel oder durch Feſtkleben
des äußern Endes mit etwas Wachs, Leim oder Kleifter. Die
Münze wird hierauf fo gerichtet, daß fie genau in die Mitte der
Papier-Zarge fommt. Man trägt nun in den obern Raun Gyps
ein, amd zwar. zuerſt mit Beihilfe eines Haarpinſels, wodurch
alle Züge genau gebeddt werden können, und eine. Dünne Tage
4
7A Abgufle,
entſteht, auf welche ſchnell fo viel Gyps aufgegoflen wird, daß
er den Rand des Papiers erreicht. Iſt derfelbe feft geworden, fo
kehrt man das Ganze um, und verfährt mit der zweiten Seite auf
gleiche Art; wodurd man in fehr Purzer Zeit für jede Seite der
. Münze eine abgefonderte Form erhält. Es ift nicht unumgänglich
nothwendig, daß die Münze vor dem Guſſe eingefettet werde, weil
es einen Zeitpunft (etwa eine Viertelſtunde nach dem Abformen)
gibt, in welchem die Formen leicht von ber Münze abzuziehen find.
Diefer ift jedoch exft nach längerer Übung zu treffen, indem frü=-
ber der Gyps zu weich ift und bricht, fpäter aber immer fefter
an den Flächen des Originals haftet. Es ift Daher fiherer, das
Tegtere, jedoch fo wenig ald möglich, einzufchmieren, was entwe⸗
der mit reinem Baumöhl, oder beffer mit einer Mifhung aus
Öhl und Seife gefchieht, von der ſogleich nochmahls die Rede
feyn wird. Die auf dieſe Art verfertigten Sormen koͤnnen zu vielen
Abguflen, ebenfalls von Gyps, tauglich, und fehr dauerhaft ges
macht werden, wenn man fie mit gefchmolzenem weißen Wachs
traͤnkt, in welches fie etwa eine halbe Stunde lang eingelegt wer⸗
den. Um in diefelben Gyps eingießen zu Fönnen, verfieht man
fie ebenfalls mit einem Papierrande, und trägt den Gyps fo auf,
wie auf die Münze ſelbſt. Jedoch muͤſſen dieſe Bormen vor jedem
Buffe eingefchmiert werden, und zwar mit einer falbenähnlichen
Mifchung aus in wenig Waffer aufgelöster Seife und Baumoͤhl.
Diefe Salbe ift beim Gypsgießen überhaupt fehr zu empfehlen,
und dem bloßen Ohle weit vorzuziehen. Denn mmmt man vom
reinen Ohle nur wenig, fo zieht fich daffelbe oft ganz in die Form
ein, befonder& wenn diefe nicht vorher mit Wachs oder Leinöhlfir-
niß (welcher letztere aber faft Jahre zum völligen Austrodnen
braucht) getraͤnkt iſt. Iſt aber das Ohl eingefaugt;. fo febt fich
der Abguß fo feft an die Form, daß er nicht mehr losgebracht
werden kann. Zu viel Ohl im Gegentheile füllt die feinen Wertie⸗
fungen der Form aus, der Abguß wird ſtumpf, ja der Gyps er⸗
haͤrtet dort, wo er noch flüſſiges Ohl findet, gar nie, ſenden „lan
gerreiblid.
Eine andere Art von Münzformen, welche * nur / ein oder
ein Paar Mahl zu brauchen, aber leicht zu verfertigen ſind, und
ſehr ſcharfe und ſchoͤne Abguͤſſe liefern, kann man mittelſt nicht zu
Abguͤſſe aus Gypp8. 25
dider, recht glänzender Spiegel: oder Zinnfolie (Stanniol) ers
halten. Dan fchneidst von derfelben ein rundes Blaͤttchen, etwas
größer als Die Münze, zu, biegt den vorſtehenden Rand über die
Ichtere um, legt die Münze, die fo überfleidete Fläche .nach oben
gefehrt, auf einige Blätter weichen, auf einer recht harten Unter:
lage befindlichen Papiers, und fchlägt nun mit einer Buͤrſte
aus furzen, fehr dichtfiehenden und ſteifen Borften fo Tange auf
die mit Stanniol überzogene Oberfläche, bis da& Gepräge gang
rein und fcharf ausgedrüdt ift. Bei ſehr hohem Sepräge muß ans
fangs durch bloßes Neiben mit der Bürfte der Stanniol allmäh«
lich ansgedehnt werben, damit er fich den ftärfften Erhöhungen,
ohne Falten zu werfen, anpaßt. Will man ganz genau zu Werke
gehen, fo fann bei den feinften Zügen und Umriffen auch noch
mit einem fpibig zugefchnittenen Hölzchen nachgeholfen, und dann
erft dad Schlagen mit der Bürfte zur gänzlichen Vollendung des
Abdrudes angewendet werben, Dan biegt fodann den umgefchla-
genen Rand der Folie wieder auf, macht den Abdrud von der
Münze los, und hat nun für die eine Seite der letztern eine vors
treffliche Gießform, welche nicht ein Mahl des Einfettens bedarf,
indem ſich der Stanniol von dem erhärteten Guffe fehr leicht ab⸗
ziehen läßt; ja man kann fogar, wenn die Borm dabei vorfichtig
behandelt und nicht zu fehr verbogen wird, fie auf der Münzfläche,
welcher fie ihr Entſtehen verdankt, wieder eben richten, mit der
Bürfte abermahle übergehen, und daher noch einige Mahle zu
neuen Abgüſſen gebrauchen. Nur bei fehr hohem Gepräge gelingt
dieſer Kunſtgriff felten, weil die Folie fich beim Abnehmen von
dem Abgufle zu fehr verzieht, und dann nicht mehr auf die Münze
poßt. Auch muß man große und tiefe Formen diefer Art, ehe fie
von der Münze abgenommen tverden, mit Gyps übergießen, wel
cher, wenn er erhärtet ift, ‚die Form gegen das erziehen und
Krümmen durch die Schwere des in fie eingegoflenen Gypſes
fihert. Ohne diefe Vorficht würde der Abguß krumm werden ans
gänzlich nıißglüdien.
Die beiden eben befchriebenen Arten von. Formen find zum
Abgießen von Münzen und Medaillen, (über welches man die nd»
heren. praftifchen Angaben in den Jahrbüchern des f. k. polytech«
nifchen Iuſtitutes in Wien, Band XI, Seite ı u. ff. finden kann,)
76 Abgüuſſe.
die vortheilhafteſten; doch iſt noch zu erwaͤhnen, daß man mit
aͤhnlichen Handgriffen Gyps auch in offene Formen von Wachs,
Brotteig, Thon, Metall, und vorzuͤglich von Schwefel, gießen
kann, daß jedoch alle diefe vor jedem Guſſe eingefhmiert werden
müſſen, und zwar deſto forgfältiger, je wege fie Glanz und
„Glaͤtte befigen.
Diefe Formen, welche bloß aus einem eingigen, oben offe⸗
nen Stüde beftehen, find die einfachften ; fie geben aber auch nur
einfeitige Abgülfe. Gefchloffene oder hohle Formen find weit
fchwieriger zu verfertigen und auszugießen, beſonders wenn das
Modell oder Driginal groß, mit vielen einfpringenden Winfeln
oder freiftehenden Theilen verfehen ift. Gypobrei ift dad bequemfte
Material zur Herftelung folcher Formen, von deren verfchiebes
sen Hauptarten im Folgenden ein allgemeiner Begriff gegeben
werden foll.
Eine der einfachften hierher gehörigen Aufgaben wäre: die
Verfertigung einer Oppöform über eine Kugel. Man verfenft die
letztere, nachdem fie entweder mit Ohl, oder beffer mit der oben
angeführten Mifhung aus: Ohl und Seife, beftrichen worden
ift, zur Hälfte in weichen Thon oder feinen Sand; auch kann fie
unter ihrem größten Kreife bloß mit einem Ringe von naffem Thon
umgeben werden. Auf diefer Begränzung errichtet man nad) Ve:
fchaffenheit der Umſtaͤnde aus Bretchen, Pappe oder Lehm eine
Art von Zarge oder Einfaflımg, in welche der Gyps fo hoch ein⸗
gegoflen wird, daß er den freiftehenden Theil ber Kügel ganz be=
det. Nach dem Beftwerden nimmt man diefe Gypshuͤlle ab,
fhneidet fie an der Fläche, in welcher ſich die Kugelbälfte abge⸗
goflen bat, ganz glatt, und verfieht diefe Fläche mit mehreren fo-
: genannten Marten (Heinen halbrunden Vertiefungen). Nach
dem dieſe Formhaͤlfte fo gut ausgetrocknet ift, daß fie Mingt, wenn
man daran ſchlaͤgt, wird ſie mit Ohl gut eingeſchmiert, oder auch
mit trocknendem Ohl oder Terpenthinoͤhlſirniß getraͤnkt. Die Ku⸗
gel wird wieder in die Form eingelegt, und um die aͤußern Waͤnde
der letztern eine Zarge von der noͤthigen Höhe angebracht. Der
hineingegoſſene Gypsbrei bildet nach dem Erſtarren die zweite
Formhaͤlfte, und da ſich auch die auf der Theilungsflaͤche beſindli⸗
cheu, oben erwähnten Marken mit Gyps gefüllt haben, fo entfte-
Abguͤſſe aus Gyps. 77
ben daraus genau paflende Zaͤpfchen, welche den Schluß ‚der
Fem bilden, und das Verruͤcken der beiden Theile beim nachmah⸗
ligen Gebrauche verhindern... Das Gießloch oder der Einguß
wird trichterförmig in jebem Bormtheile zur Hälfte eingefchnitten.
Aus weniger ald zwei Theilen kann eine gefchloflene, zum
öftera Gebrauch amvendbare Form natürlich nicht beftehen ; ja
ſelbſt einer ſolchen fuͤr eine Kugel, ober ein anderes einfach geſtal⸗
tete Modell, gibt man lieber drei Theile, weil die Schnitt: oder
Zheilungsfläche nur fehr fchwer in den größten Kreis der Kugel,
oder überhaupt fo anzubringen ift, Daß beide Formhaͤlften fih
fenfrecht von dem Modell oder dem Abguife abheben laſſen. Im
gegenfeitigen Falle aber, felbfi wenn der Fehler nur fehr gering
ft, geht das Abnehmen ohne Befchädigung der innern Formraͤn⸗
der nicht an. Es müffen daher faſt alle guten geſchloſſenen For⸗
men aus mehr als zwei Theilen verfertigt werden ; jedoch hat man
darauf zu fehen, daß die Anzahl der Theile nicht unnöthiger Weiſe
vergrößert wird, und fie folglich aus fo wenigen Stüden al®
möglich beftehen, daß aber auch bie einzelnen Formſtücke nicht gar
zu groß ausfallen, weil mit der Zunahme der innern Flaͤche die
Mhaͤſion des Guſſes beträchtlich vermehrt wird, und zu Unfällen
Veranlaffung gibt.
Um Gypsformen über ſehr komplizierte Modelle, als Büften,
Statuen u. f. w. zu erhalten, bat man drei verfchiedene Werfahr
rungsarten.
Nach der erften kann man zu einem und demſelben Gegen«
ande mehrere Formen machen, deren jede nur aus zwei oder Drei
©tüden beftcht, und beim Gießen nur einen einzelnen Beflandtheil
dee Kopie liefert. Die Verfertigung diefer Formen geſchieht eben⸗
falls abgefondert mit jedem. Stüde derfelben, für welches man
den Umfang mit Thon auf dem Modelle begränzt. Kann diefes
für die. Operation nicht jedes Mahl nach Erforderniß gelegt wer:
den, fo muß der Gyps zum Abformen erfl mit Dem Pinfel, und
dam dicker mit einer Meinen Kelle, aufgetragen werden, Die durch
den Abguß in allen Formen erhaltenen Stuͤche werden mittelit ges
hörig eingelegter Eifendrähte von der nöthigen Dicke, und mitteljt
dünnen Gypobreies zu einem Ganzen verbunden, und die Bugen
durch Bearbeitung aus freier Hand unmerflich gemacht, Nach
8 Abgüſſe.
dieſer Methode iſt man, da die Zuſammenſetzung des Abguſſes
von der Geſchicklichkeit des Formers abhängt, nie verſichert, Daß
die Kopie fehr getreu werde; auch erhält fie nicht jedes Mahl die
nöthige Seftigfeit, und es bleibt immer fehr ſchwierig, die Sr
dungsftellen ganz zu verſtecken.
Dreßhalb iſt eine zweite Methode ficherer und weit voräglic
cher. Nach diefer wird das ganze Original mit einer zufanımen-
hängenden, nirgends unterbrochenen Kruſte von Gyps überzogen,
welche, nad) der verfchiedenen Größe des Originals, einen bis Drei
Zoll did feyn fann, Nach dem Erhärten des Gypſes theilt man
die Oberfläche deifelben in -fo viele Gelder, ald man glaubt, daß
die Form, um ſtückweiſe leicht von dera Original herabgenommen
werden zu können, Theile haben müſſe. Man muß fich in Acht
nehmen, nicht zu viele und zu Fleine Abtheslungen zu machen, und
die Theilungslinien müflen fo felten als möglich über die am zar⸗
teften außgearbeiteten Stellen des Originale, 3.8. die Vorderfeite
und das Geficht einer Statue, gehen.. Nach dieſen vorgezeichnes
ten Linien fchneidet man entweder den Gyps mit einer Säge ein,
oder macht Zurchen durch Aushauen mit dem Meißel; jedoch dür⸗
fen diefe Einfchnitte nie bi6 auf den Grund oder auf das Original,
fondern nur bis zu einer folchen Tiefe geben, daß der Gyps noch
zufammenhängt. Hat man auf diefe Art ein Feld auf allen Sei⸗
ten mit Einfchnitten verfehen, fo fprengt man es los, fo daß auch
der noch unzerfchnittene Gyps bricht, und dad Formftüd fi von
dem Modelle oder Originale abheben läßt. Man fährt auf diefelbe
Weife fort, bi aller Gyps in lauter ſolchen Bruchſtuücken abges
nommen worden if. Diefe kann man dann wieder zufammen«
paſſen, mit flarfen Schnüren binden, und als hohle Gießform
benügen. . E8 verfteht fich von ſelbſt, daß man, um diefe Thei⸗
lung glüdlic ind Werf zu richten, das eingehüllte Original ſehr
genau keunen müſſe; daß aber auch die Arbeit fehr erleichtert wird,
wenn die Ninterfeite, bei weicher es rathfam ift anzufangen, vom
Gyps entblößt ift. Wohl aber ift ed immer aͤußerſt ſchwer, Be⸗
fhädigungen des Driginaled beim Ziehen der tiefen Furchen zu
vermeiden. Um diefem Unfalle zu begegnen, macht man auch
manchmahl zuerft nur eine dünne, einen halben bis ganzen Zoll
dicke Gypsdecke, verfieht fie mit einem ſchwarzen Anftriche, und
/
Abgüſſe aus Gyps. ⁊9
trägt erſt auf dieſen den noch übrigen zur Staͤrke der Form noͤthi⸗
sen Gyps auf. Der fchwarge Anftrich dient, fobald er beim. Ein
f4ueiden der Theilungslinien fichtbar wird, zur Warnung, daß
man Säge oder Meißel nicht mehr tiefer eindringen lafle ; ‚beim
3erfprengen aber folgt die untere dünnere Lage nach, ohne daß
fie fich von der obern trennt. Formen nach diefer Art bereitet,
ſind ziemlich leicht zu machen, aber keineswegs dauerhaft, indem
die zadigen Raͤnder des zerbrochenen Gypſes bald ſich ausbsö-
dein, der Abguß daher fo flarfe Gußnaͤhte erhält, daß er unbraudh-
bar wird, umd auch zulegt Die Form, weil der Gyps des Abguiles
fid) in diefen Naͤhten fefept, nicht mehr von denfelben loszubrin⸗
gen if. Den erſten Abguß aber kann man mit gehöriger Borficht,
da die Bruchflächen des Gypſes fo lange fie unbefchädigt bleiben
äußerft genau wieder in einander paſſen, faft ohne bemerfbare
Nähte erhalten. Wr
Die dritte Art abzuformen it zwar Die muͤhſamſte, allein fi
gibt auch Formen, welche ‚bei verfländiger , kunſtgerechter Be⸗
handlung jechzig und mehr gute Abgüſſe zu liefern im Stande
find. Man verfährt bei derfelben folgender Maßen. Wenn man
nach zeiflicher Überlegung beftimmt hat, wo auf dem Modelle die -
einzelne Formſtuͤcke zufammen floßen müflen, damit fie fich von
dem Guſſe recht leicht abheben laſſen, fo wird auf dem Modelle
für das erfte Formſtück mit Thon der Raum begränzt, und in dies
fen der Gyps von Hingeichender Dicke aufgetragen. Dieſes Stüd
wird jept abgenommen, an den Seiten Feilförmig mit dem Mefler
befehnitten „ und an denfelben mit den nöthigen Gruͤbchen oder
Marken verfehen. Man legt ed dann wieder auf das Modell, und
verfertigt mit Beihülfe einer abermahligen Begränzung das zus
nächft anliegende Formſtück, welches an die eine Seite des exiten
genau paßt, auf den übrigen aber ebenfalls befchnitten, und -
mit Gruͤbchen verfehben werden muß. Auf diefe Art fährt man
fort, bis über alle Theile des Modelles die Formſtücke verfertiget
find, welche vermöge ihrer fchräg abgerichteten Seiten feilförmig,
und beiläufig fo zufammenpaflen,, wie richtig behauene Steine
eined Gewoͤlbes. Da aber eine foldye Form, befonders wenn fie
groß und vieltheilig iſt, nicht füglich zum Behufe des Gießens,
ohne auseinander zu fallen, gewendet und umgefehrt werden kann,
80 Abguſſe.
ſo iſt die Arbeit auch noch nicht vollendet. Es werden die zufam⸗
mengefebten Stüde in einer beliebigen bequemen Ordnung vertieft
numerirt oder fonft unterfcheidend bezeichnet, und nachdem fie gut
mit Firniß eingelaffen und eingefettet worden find, fo macht man
ber diefelben noch eine zweite, aus weniger, am beften drei, gro⸗
Ben Iheilen beftehende Form. Diefe fann aus fo wenigen Stüs
den beftehen, weil die innere wegen ihrer Dicke an der oberen
Fläche abgerundet, und Feineswegs mehr mit den fcharfen Wins
feln und Erhöhungen des Originals verfehen iſt. Diefe äußere
dreitheilige, ebenfall® aus Gyps verfertigte, Schalenform dient
zum Zuſammenhalten der aus fleinern Theilen beflehenden eigent=
lichen Gießform; denn, wenn die Stücke desfolben nach der Ord⸗
nung der auch in den Schalen erhöht ſich darftellenden Zeichen
in die Schalen eingelegt find, fü kaun nran diefe mit Schnüren,
Draht oder eifernen Reifen fo verbinden, daß Alles nur ein Gans
zes ausmacht, welches man zum Behufe dos Gießens umkehren:
und font nach Bedürfniß handhaben fann. Endlich biethet die
äußere Schalke audy noch. die Bequemlichkeit dar, daß an diefelbe
jene innern Stüde, die groß und ſchwer, and der’ Gefahr aus⸗
gefebt find, vielleicht in dad Innere der Form zu fallen, leicht bes
feftigen fann. Zu diefem Ende wird ein Drahbtöhr, weldye& über
die obere Fläche eines folchen Stuͤckes vorfteht, in daffelbe mit ein⸗
gegoflen ; in diefes Ohr wird ein Baden befeftigt, durch ein am
gehörigen Orte in die Schale gebohrtes Loch gezdgen, und außen
mittelft eines Fleinen Querholzes fo angefpannt, daß das innere
Stüd von der Schale nicht Tosgehen fann.
liber. da8 Gießen in folchyen Formen ift zu bemerfen, daß
größere Abgüſſe, theild um Gyps zu fparen, theild um fie nicht
zu fhwer zu erhalten, hohl gemacht werden. Man gießt, um dieß
zu bewerfftelligen, zuerft bloß eine verhältnißmäßig geringe Menge
Dünneren Sppöbrei in die Form, und zwingt denfelben, durch ge=
fchictte Neigung und Bewegung der Form, iht Inneres mit einer
binnen Kruſte zu bedecken. Wenn diefe zwar noch nicht völlig
erfiaret, aber auch nicht mehr flüffig ift, fo gießt man etwas di⸗
deren Gypobrei ein, und bringt, durch den nähmlichen Handariff
der Bewegung der Form, den Abguß, der aber doch immer hohl
bleibe, zur nöthigen Stärke. Die . gefchlojlenen Formen ju
Abgüůſſe aus Gypo. 84
hehlen Abgůſſen beduͤrfen in den Nagel auch kaines beſondern Bußr
lehes oder Eimguffes ,:indem die Form, wenn man: fie is
het, Dusch die untere Öffnung gefüllt werden haun.
Die Modelle oder Originale „über welche man Gopsſormen |
macht, 3. B. aus Stein, gebranntem Thon, felbit wieder Gips,
wählen natürlich gegen die Näfle des Gypſes Durch paflende An⸗
frihe, von denen ſchon früher die Rede war, verwahrt werden.
Drigimale aus Holz koͤnnen „mit: Schellackſirniß důnn überzogen
und dann mis Ohl eingefettet werden, u. f. w. . Bei Werken von
bedeutenden Werthe, wie bei Antiken and: Marmor, darf Mar,
um fie nicht fledfig zu machen, dad Einfetten nicht wagen. Man
fann aber ihre Oberfläche mit dünner Spiegelfolie forgfältig be-
Heiden, und auf biefer die Gypsformen anfertigen. Theile, auf
weichen die Folie nicht gut anwendbar ift, Fönnen in Wachs abge⸗
deückt werden. Dan erbält hierdurch eine Form, und ntittelft Die
fer einen Abguß, über weiihen ri eine dauerhafte Bor -
geſtellt werben faun. :
Daß mau. auch dad: Geſicht eined lebenden oder todten Die
(hen in Gyps abformen fanu, iſt befannt. Nachdem das Geficht
der auf dem Rüden liegenden Derfon mit Ohl beſtrichen, und
der Umfang deöfelben mit einem angelegten Zuche gehörig be-
gränzt ifb, bei lebenden Perſonen noch die haarigen Theile, 5.
die Angenbraunen, mit feinem Mehlkleiſter bebeckt, und zum Ath⸗
men dünne Nöhrchen oder offene Papierditen im die Nafenlöcher
geftedt worden find, hat dad Aufgießen eines recht fchnell .echär-
tenden Gypobreies weiter feine Sichwierigfeiten:
Die Gypsabgüſſe kann man ’auf mehr als eine Art gefärbt
oder glänzend erhalten. Um das erſtere zu erreichen, Fönnen dem
Gypſe vor dem Anmachen pulverige Sarben, wie Zinnober, Men⸗
nige, Bergblau, Beinſchwarz, durch forgfältige Mengung oder
gleichjeitiged Neiben des Gypſes und der Farbe auf einem Reib⸗
feine, zugefeßt, oder der Gypo kann auch mit gefärbtem Waſſer
angeruͤhrt werden, z. B. wit siner Aufloͤſung von Gummigutt.
Nur muß man dabei nicht uͤberſehen, daß die natuͤrliche Weiße des
getrockneten Gypſes alle Farben weit lichter erſcheinen laͤßt, und
daß ein zu großer Antheil von den letzteren der Feſtigkeit des Abguſſes
ſchadet. Eigentliches Anſtreichen, Wahlen oder —.n aber. ift
Technol. Encycloꝝ. I. Bd.
82 Abguͤſſe.
bei guten Abgäffen nie anzurathen; deum nicht nun ſetzen ſich Die
aufgetragenen: Stoffe in die feinen. Züge: und Füllen Re thrilweiſe
aus, fondern. auch die mehrmahlige Leimtraͤnke, welche unerläß-
lich iſt, damit die Farben ſich ‚gleichförmig aufſtreichen laſſen, ſcha⸗
det der Reinheit des Abguſſes. Am beſten gelingt noch das Ein⸗
reiben mit ſehr fein geſchlaͤmmtem Reißblei. (Man vergleiche uͤbri⸗
gens den Art. Bronziren.)
. Um indeffen Gypsabgüſſen ein fehäneree Anfehen zu abi
kann man fie mit Glanz verfehen, wodurch fie zugleich einiger
Maßen gegen die Einwirkung der Luft und der Beuchtigfeit, und
gegen das Abreiben der Oberfläche gefchägt werden. Durch ein:
oder zweimahliges. Anftreihen mit dünnem zeinen Seifehwafler,
und Abreiben nach dem Zeodinen mit feiner Leinwand, erhalt man
leicht einen fettähnlichen Glanz, weicher aber bald wieder matt
wird, und überhaupt vergänglich ifl. Biel vorziiglicher ift jener,
welcher entfieht, wenn ber noch feuchte. Gypsguß mit wenigem
fehr fein gefchlämmten Federweiß eingeftäubt, getradnet. und
dann noch mit. Sederweiß mittelit des Singers fo Tange überrieben
wird, bis die Oberflähe wie Atlas glänzt. Statuen, Reliefs
und andere Gypsarbeiten, welche der Witterung audgefegt werden
follen, erwärmt man bis nahe zum. Siedhitze des Waſſers, und tränft
fie wiederhohlt mit einer heißen Bufammenfegung aus drei Theilen
geinöhlfirniß und einem Theile weißem Wachs, bis fie nichts mehr
davon einfaugen, aber auch nichts auf ihrer Oberfläche zurüd;
bleibt. Für kleine Stüde thut reines Wachs diefelben Dienfte,
allein die Farbe des Gypſes wird in beiden Faͤllen unanfehulich,
und macht noch einen — Anſtrich oder das Btonziren
nöthig.
Der S Awef el if unter ben zu Abgüſſen und zu Gießfor⸗
men durch Schmelzen anwendbaren Materialien, in Rückſicht auf
die Reinheit und Schärfe der Züge, gewiß das vorzüglichfte, in⸗
Dem er unter die wenigen Stoffe gehört, welche, indem fie aus
dem gefchmolzenen in den feften Zufland übergehen, während
der dabei Statt findenden audgegeichnet flarfen Kryſtalliſation,
eine beträchtliche Ausdehnung erleiden. Allein die Anwendung des
Schwefels ift, feiner andern Eigenfchaften wegen, doch wieber ziem⸗
Tich befchränft. Er deſtht naͤhmlich nicht nur feine ‚große. Huͤrte,
Abgüffe aus Schwefel, 8
fondern auch eine fo ungemeine. Sprödigkeit ,. daßrer ſchon, bloß
de Hand erwärmt, durch bie Entſtehung kleiner unficytbarer
Sprunge kniſtert, und dann bei dem leifeflen. Stoße zerbricht,
Daher ift er faft nur zu Fleinen Abgüflen tauglich. Außerdem darf
man ihn auch im gefchmolzenen Zujtande nidyt mit allen Stoffen
is Berührung bringen , weil er auf manche derfelben nachtheilig
wirt. So würde er, auf Silber: oder Kupfermünzen gegoffen,
diefelben fledfig machen; in Thon, Gyps, Hol;, wenn fie nicht
vorher gefirmißt und gut geöhlt, oder die Poren auf andre paffende
Art verflopft find, dringt er, obwohl zu einer fehr geringen on
ein, wodurch fein nachheriges Losgehen verhindert wird,
Um Schwefel zu gießen, erhigt man ihn nur ſehr mäßig, wo⸗
durch er faft fo duͤnnfluͤſſig als Waſſer wird, während er in einer
größeren Hitze eine dunkelrothe Farbe und eine. ſolche Zähigfeit ans
aimmt, dag man warten muß, biö er wieder etiwad Fälter, und
jugleih düunnflüffiger wird. Auch muß man ihn nicht bie zum
Brennen fommen lajlen, weil Dann Die Abgüſſe eine unanfehnliche
graue Farbe erhalten. In jenem leichtflüffigen Iuftande aber kann
er unbedenklich auf gefchnittene Steine und Glaspaften, die mit
einem genau anfchließenden Papierrande verfehen find, aufgegofs
fen werden, fo wie fich auch die Münzformen-aus Stanniol fehr gut
mit densfelben füllen. Die Abguͤſſe find anfangs roͤthlich, erhal
ten aber nach und nach die urfprüngliche gelbe Farbe wieder; auch
fonnen fie durch Zufäße, z. B. Zinnober, Beinfhivarz, Reißblei
und alle farbigen Stoffe, welche der fchmelzende Schwefel nicht
chemiſch verändert, beliebig gefärbt werden; nur werden fie all
maͤhlich, fo wie die natürliche Farbe des Schwefels wieder m.
kehrt, lichter.
Schon der Zufag diefer farbigen Stoffe mindert die —
Sproͤdigkeit des Schwefeld um etwas; man kann aber den Folgen
derſelben noch beſſer durch andere Beimifchungenvorbeugen. Hier⸗
ber find zu rechnen: gebrannter Gyps, tsodene Kreide, Ziegel-
mehl, Thom oder feiner Band, fehr gut getrocknete Sägefpäne,
zatt gepulverter Hammerſchlag, oder Eifenfeile. Die beiden lepr
tea geben ibm eine nicht unbedeutende Härte, aber auch eine. uns.
(deinbare graue Farbe, während mit dem Gypſe, welcher der
wrzüglichfte Zuſatz ſeyn durfte, auch zugleich hellere Farben ‚mit
6 *
8% Abcogüſſe.
eingemengt werden koͤnnen. Drei Theile Schwefel und ein Theil
Silber geben eine zu Abguͤſſen in Thon⸗, Gyps⸗ oder Tripelfor⸗
men vortreffliche, aber etwas ſchwerfluͤſſigere Zufamimenfegung.
Die aus Schwefel gegoſſenen Formen brauchen nur ſehr we⸗
nig eingeöhlt zu werden, und man kann in denſelben nicht nur
Gyps, fondern, wenn man vorfichtig verfährt, und fie kalt zu er⸗
halten fucht, auch fogar Schwefel eingießen, diefe Abgüſſe wies
der als Modelle zum Abformen ih Sand und zur Metall-Bießerei
benugen, u. f. w. Wo ‘aber ber Schwefel in größeren Maſſen ge-
braucht werben fol, iſt er wegen des leichten Zerfpringens, und
der ungeachtet aller Zufäge vorherrfchenden Zerbrechlichkeit, nicht
mehr. zu empfehlen. Daher ift e8 auch fehr gut, größere und flarf
vertiefte Schwefelformen noch mit Gyps zu umgießen, und fie in
denfelben bis aufdie Mündung einzuhüllen.
DIE Wach 8 ift feiner Leichtflüffigfeit wegen, —* wel⸗
cher es die in der Regel gypſenen Formen gar nicht beſchaͤdigt,
ein zu Abgüſſen ſehr brauchbares Material. Es wird entweder fuͤr
fich allein, oder mit Zuſaͤtzen zu dieſem Behufe verwendet, wovon
die letztern entweder zum Faͤrben deſſelben (welches ſehr leicht iſt,
indem ſich faſt alle feinpulverigen Farben ohne Ausnahme dem flie⸗
ßenden Wachſe einmengen laſſen), oder um feine Weichheit zu
vermindern, oder endlich um es zu manchen Zwecken auch noch
weicher, oder eigentlich in der Kälte weniger ſproͤde zu machen,
Bienen. Ein ziemlich gewöhnlicher Zufaß ift Terpenthin oder Fett,
welche das Wach leichtflüffiger und minder fpröde machen, ferner
harzige Stoffe und Schwefel, weiche feine Feſtigkeit vermehren,
gu Demfelben Zwecke auch wohl pulverige Subftanzen, wie Bleiweiß,
Haarpuder, Gyps, Kalk, Ziegelmehl u. ſ. w.
Die Gypsformen, in welche man Wachs gewöhnlich gießt,
muͤſſen einige Zeit in Waſſer gelegen haben, und ſeucht ſeyn. Das
Wachs darf nicht zu heiß eingegoflen werden, weil es ſich dann
beim Erkalten ſtark zufammenzieht; zu kalt aber ſtockt es, und füllt
- Die Form micht. Hohl können die Abguſſe ſehr Teiche, amd. fo dann
als man e6 verlangt, erhalten werden, menn man die Form nach
+ dem Eingießen gut nach allen Seiten wendet ober ſchwenkt, and
fobald fich eine Wachsrinde an diefelbe angefept Hat, das Über
flüſſige wieder durch Umſtürzen herauslaufen laͤßt. on einer
Abgüffe aus Siegellack xc. 85
uneztbehrlschen Berwendung wächferner Abguͤſſe wir im Art. Sm
gieferei noch die Nede feyn.
Siegellack und harzige Stoffe überhaupt —
ijrer großen Sproͤdigkeit wegen, nur ſelten zu Abgüflen verwen⸗
det; auch find dieſe, in Hinſicht auf Vollkommenheit, mit den
Schwefelkopien keineswegs zu vergleichen, weil ſie, nur etwas zu
ſtark erhitzt, nach dem Erkalten bedeutend ſich einziehen. Die For⸗
men für dieſe Materialien ſind am beſten aus Metall, indeſſen
können auch ſolche aus Schwefel und gut geoͤhltem Gyps oder
Thon gebraudjt werden. Auch kann man bie fließende Maſſe mit
erdigen Pulvern oder Farben miſchen. Eine Miſchung aus glei⸗
hen Theilen Pech oder Kolophonium und Terpenthin mit + Theil
Bade, oder, wenn fie härter.feyn fol, mit einem kleinen Zufage
von Schellad, in welche eine gehörige Menge:von feinen Saͤgeſpä⸗
nen oder Holzmehl eingerührt wird, gibt ebenfalld eine zu flachen
Verzierungen anwendbare Maſſe, die ziemlich zähe, und, wenn
der Zuſatz von Sägefpänen bedeutend ift, fogar einer weitern Be—
arbeitung mit ftählernen Werkzeugen fähig if.
Wenig audgebreitet ift die Anwendung der aufgelödten Hau—⸗
fenblafe und des reineren thierifchen Ceimes überhaupt zu
Abguffen, welche Stoffe immer nur für fehr flache Gegenftände
aus Metall tauglich find. Um Münzen auf diefe Art zu fopiren,
braucht man, in fo ferne man fich mit einem verehrten und ver⸗
tieften Abguffe begnügt, gar Feine Form, indem die Haufenblafe
geklopft, in Peine Stüde zerfchnitten, mit Waſſer übergoffen und
in diefem in gelinder Wärme aufgelöst, nach dem Durchfeihen
eine Flüſſigkeit gibt, welche warm auf die Münze aufgeftrichen,
bald trod'net, und wenn diefe blanf gewefen ift, von felbft ab⸗
fpringt oder leicht abgenommen werden kann. Didere Kopien er⸗
halt man, wenn man die Münze mit einem Rande verfieht, oder
eine Stanniolform anwendet, und die Haufenblafen-Auflöfung ein-
seht. Die Haufenblafe ann zu diefem Behufe auch mit Saftfare
ben oder mit Abfochungen von Bärbehölzgern beliebig gefärbt wer:
den; auch erhält man auf ähnliche Art Kopien von geftochenen
Kupferplatten, deren Züge vor dem Auftragen der Haufenblafe auch
wohl mit einer feinen Deckfarbe ausgefüllt werden fönnen, welche
ſich an den Abguß anheftet, wie dieß bei den befannten durch⸗
86 . Abgüffe.
fichtigen, meiften® roth gefärbten Heiligenbildern geſchieht. Statt
: der Haufenblafe fann auch der aus Pergamentfpänen gefochte Leim,
ja felbft der gehörig durchgefeihte Zifchlerleim gebraucht werden,
allein die Abgüffe werden weit weniger fchön. Alle aber find
gegen die Feuchtigfeit fehr empfindlich und von geringer Dauer.
"7 Ein fonderbared Diaterial zu Abgüffen ift der Alaun. Wenn
man ihn gelinde und langſam erhigt, um das Blafenwerfen und
ſtarke Schäumen möglichft zu verhindern, fo fommt er in wäfferi«
gen Fluß, und faun in Formen gegoffen werden, die er fehr gut
füllt, und. in welchen er mithin vollfonmen ſcharfe Abgüffe Tiefert,
- welche, wenn fie erft ganz erfaltet (weil fie fonft ſchnell mit einem
weißen Überzug befchlagen) herausgenommen werden, halbdıtrchs
fihtig und ziemlich feft find. Die beften Formen dazu find Abs
drude von Münzen in Stanniol, denn größere hohle Formen füls
Ien fich nicht gut, weil der Alaun zu fchnell erftarrt. Übrigens
verträgt er auch Zufäbe. Unter diefen ift befonders der gebrannte
Gyps, welcher die Kopien undurchſichtig macht, und ihnen ein
fteinähnliches Anfehen gibt, anzurathen. Entweder dem Gypſe
oder dem Alaun allein, fönnen auch Farben, z. B. Zinnober, die
Ocherarten, Mennige, Schmalte u. |. w. beigemifcht werden.
Ferner läßt fi) der Alaun auch mit anderen Salzen in Fluß
bringen, und e8 fcheint, daß diefe, wenn fie auch zum Schmelzen
für fich eines höhern Hißegrades bedürften, in diefer Verbindung
durch das Kryſtallwaſſer des Alauns weit früher als fonft flüſſig
werden. Ein Theil Alaun mit dem dreifigfien Theile Salpeter
fein abgerieben und gut gemengt fommt bald in Fluß, und ers
ftarrt viel fpäter, al$ Alaun allein, fo daß diefe Mifchung fich auch
“ für Hohle Formen eignen würde, Die Abgüffe werden nach dem
Erfalten weiß und undurchſichtig. Mehr Salpeter aber gibt uns
deutliche, ftarf Frnftallifirte und fehr bald zerfpringende Kor
pien. Alaun mit ungefähr dem fechöten heile Duplifatfalz
fließt ebenfalls Teicht, und gibt fehr weiße, wenig durchſcheinende
Abgüffe, welche, wenn fie von legterem Salze eine größere. Menge
enthalten, fich beim Erfalten ſchnell zufammenziehen und eine
große Menge Riffe und Klüfte befommen. Mit Kochſalz er:
folgt das Schnielgen noch früher, ald beim Alaun allein, und die
Abgüffe bleiben bei ungefähr dem fechöten Theile Kochfalz durch:
Abguüffe. aus Salpeter. 87
ſichtig, ohne zu fpringen. Mit der gleichen Menge Bora⸗ ſtatt
des Kochſalzes geſchmolzen, laͤßt ſich der Alaun ebenfalls gießen,
Hood, erhaͤetet er nur ſehr langſam, und. eine ee Menge Bo⸗
ms wocht ihn zu dickflüſſig.
Alle dieſe Zuſammenſetzungen find jcboch verſchieden von
jner, welche ein gewiſſer Rohlik aus Prag unter dem Rah⸗
men künſtlicher Alabaſter zur fabritmäßigen Darſtellung
Heiner, ſelbſt Hohl gegoſſener Gegenſtaͤnde vor ungefaͤhr nem
Jahren auzuwenden verfuchte. Seine Abgüſſe beſtehen, wie die
Unterſuchung derſelben bald zeigt, bloß aus Salpeter, einige mit
fürbenden Zufägen, und find dem Alabafter weniger aͤhnlich, . ala
die » B. aus einer Mifchung von Alaun mit.Gyp8. zu erhaltenden
Abgüſſe. Die Verwendung des reinen Salpetero zu diefem Ber
hufe unterliegt Schwierigfeiten, weil derfelbe zum Schmelzen
eier nicht ganz unbedeutenden Hibe bedarf, und dann aundgegofs
fen ſehr ſchnell erfarrt, die Kormen eben deßhalb wicht leicht voll⸗
fommen ausfüllt, und endlich bei etwas fchnellerer Abkühlung
zwar nicht in Stüde fpringt, aber doc, Riſſe befommt, nach des
ren Richtung er fehr leicht zerbrechlich iſt. Wenn man aber den:
noch ihn zum Gießen, befonders in gefchloflenen Formen, benüpen
will, fo müflen diefe von Metall, und zwar von ſolchem ſeyn, wel
ches während des Guſſes bis zur Schmelzhitze des Salpeters or-
bist werden fann. Unter diefen Umſtaͤnden wird es möglich, den
eingegoilenen Salpeter fo lange in Zluß zu erhalten, daß. durch
die gehörige Bewegung der Form fich eine Krufte deilelben an ihr
Imeres anlegt, und man alfo, nad) ſehr langfamem Erkalten,
einen vollſtaͤndigen hohlen Abguß erhält. Daß jedoch dieſe, fo
wie alle andern dus Salzen verfertigten Abguͤſſe keine große Dauer
haben koönnen, indem fie dem Beuchtwerden oder Verwitgern an
freier Luft unterliegen, bedarf Feiner weiteren Erörterung.
Die Metalle eignen ſich weniger zur Hervorbringung
eigentlicyer Kopien; denu die Verfertigung von Abguͤſſen aus den:
felben iſt weitläufiger und mühfamer, ald die von anderen Stoffen,
und außerdem gibt es nur fehr wenige, bei. welchen der Buß ohne
ale nachmahlige Bearbeitung fogleidy zu brauchen ift, und mithin
eine ganz getreue Kopie genannt werden fann. Da ferner fowohl
die eigentlichen Nachbildungen in Metall, ald auch alle Metallgup:
58 .. Abgüfle, |
wahren überhaupt, nach gleichen Prinzipien verfertigt,; und babel
vorzüglich nur Gieß- oder Sormfand und. Behm zu der: Form vere
wendet werden koͤnnen; da endlich der größte und wichtigfie Theil
der Metallgußwaaren nicht den Zweck bloßer Nachbildung, ſondern
des: ferneren Gebrauches haben: ſo wird es zweckmaͤßig ſeyn, hier⸗
über anf den Art. Metallgießerei und bie einzelnen befonderu
Ark. -Bildgießerei, Eifengießerein. ſ. w. zu verweilen,
wubi:gegenwärtig wur Eine.Art des Metallguffes zu: erwähnen,
welche Abgufls:in ſtreugſter Bedeutung des Wortes liefert.
Es ift naͤhmlich das von allen übrigen abweichende Verfah⸗
zen ,. Abgufle von: Juſekten, Blumen oder andern Pflanzentheilen
zu erhalten. . Dan nimmt zu dieſem Behufe das fodte Inſekt,
z. Bo einen Hirfchläfer, bringt es in die richtige Stellung, und
verbindet die Fuͤße durch einen ovalen Kranz von Wache, welcher
in ‚der. Bolge für die feinen Füße beym Gießen einen Verbin»
dungs⸗ oder Leitungsfanal bildet, Das fo vorbereitete, vorher
mit :Weingeift beftrichene Thier wird nun in der Mitte: eines
höfzesnen oder aus ftarfer Pappe beflehenden, oben offenen Kuſt⸗
chens mit ‘einigen Draͤhten fo befefligt, daß ed ganz frei hängt.
Außerdem werden an einigen Stellen von den Wänden des Kaͤſt⸗
chens bis an den Körper des Käfer auch noch andere flärfere
Drähte eingelegt, weldye, wenn fie aus ber jegt zu bildenden Form
herausgezogen find, Die zum Entweichen der Luft während des
Guſſes nöthigen Röhrchen bilden. An dem oberen Theile des
Zhierförpers wird ferner ein Stüdchen Holz von der Geſtalt eines
abgeftumpften Kegels, welches nad) dem Herausziehen in der
Folge den Einguß bildet, eingelegt. Der Raum ded Käftchene
wird num mit einer Maffe aus einem Theile gebrafinten Gypſes und
einem Drittheile jehr feinen Ziegelmehls gefüllt, welche mit Waffer,
worin gleich viel Alaun und Salmiaf aufgelöft ift, zur nöthie
gen breiartigen Konfiftenz gebracht werden. Nach dem Feſtwer⸗
den der Mafje und dem Abnehmen der Wände des Käftchend er⸗
halt man eine Form, in deren Mitte dad Infekt eingefchloffen iſt.
Diefe Form wird fehr langfam getrodnet, dann mehr erhigt, und
endlich bi6 zum Gluͤhen gebracht, um das in derjelben befindliche
Thier völlig zu verbrennen; eine Operation, welche Die Oppöferm
der gebrauchten Beimifchungen wegen anshält, wenn mit Vorficht
Abgüſſe aus Metall. — 60
vergangen, und andy das Abkaͤhlen derſelben, um Springe zu
vewiden, ſehr laugſam bewirkt wird, Ja die erkaltete Form
Krb Qued ſAber gegoſſen, und dieſelbe ſehr ſtark geſchaͤttelt, wor
durch fie gleichſam ausgeidaſchen, und die auf dem Qusdfilbet
ſchwimmende Aſche durch Ausgießen deſſelben, und durch Wieder⸗
hehlang dieſer Operation beſeitigt werden Fann. Wenn die Form
dann wieder betraͤchtlich erhitzt wird, ſo fann Metall im diefelbe⸗
eingegoſſen werden, wozu Silber am beſten gedignet iſt, aber auch
Schurllloth, Schriftgießermetall oder Meſſing ſich anwenden
laͤßt. Nach dan Erkalten wird. die Form in Waffer gelegt, ws
durch fie fich erweicht, und von dem Guffe behuthfam in feinem
Stůckchen abgenommen werden kann. Der Abguß fällt, wenn das
Metall gehörig im: Fluſſe, und die Form nicht zu Palt war, mit
allen Meinen Theilen und. fo-vem aud, Daß es nur des Abnehmens
des Angnſſes, der zum Theile auögefüliten Eufteöhren, und des
Kranjes an ben Büßen bedarf. |
Außer der eben beichriebenen. fennt man duch noch —
abweichende Verfahrungsarten zu demſelben Zwecke. So kann
dem Gypſe ſtatt des Ziegelmehles rother Bolus zugeſegt,
das Inſekt, damit die Form recht genau wird, in einen etwas
füfigeren Brei davon eingetaucht, und dann erſt über. dieſe Rinde
bie dickere Maffe gegoflen werden; oder man kann den erften Über)
ing auch mit dem Pinfel auftragen, woburd noch genauer alle
feinen Vertiefungen ausgefüllt werden. Leichter von der Aſche
ju reinigen ift eine folhe Form, wenn man fie zweitheilig
macht, und die Durcchfchnittfläche an dem gewölbten Rüden bes
Thiered anbringt; allein da die Form weit weniger hart ift, ald
eine aus reinem Gyps, fo muß man im dieſem Falle, um bie in
nern Kanten nicht zu befchädigen, aͤußerſt behuthfam beim Tren⸗
nen and Zufommenfügen ihrer beiden Beſtandtheile verfahren.
Zum Vefchiuffe dieſes Artifeld verdient auch noch die. Wer⸗
vielfaͤtigung der, größere oder kleinere Theile der Erdoberflaͤche
vorftellenden Reliefs eine Erwähnung. Diefe zum Studium bes
Gebirgöziige und der Befchaffenheit des Zerraind überhaupt
ſehr nüglichen plaftifchen Darftellungen werben nach guten Kars
ten nad beflimmten Höhenangaben erſt aus freier Hand, aus
Thon oder Wacho, oder auch aus beiden zugleich mobellirt, und
90 Abkühlen.
können ſehr leicht durch die Verfertiguug: einer Gießform kopirt
werden, melde, da. faft nie einwaͤrtsgehenda Winkel vorkom⸗
wen, ur aus reinem einzigen. Stüde zu beftehen braucht, und
daher offen feyn fann. Um das Modell, welches mit deu paflem:
den Mitteln (wenn es Wachs if, mit Obl, ift es von Gyps, mit
Seife und Ohl) gefchmiert worden iſt, wird ein Rand gemacht und
Diefer mit Gyps ausgegoffen, wodurch eine hohle Form eutfleht,
welche auf die bereits im Vorigen vorgefommenen Arten wieder
zu Abgaflen aus Wache, Schwefel, Gnpa u. f. w. anmend-
bar if. Fuͤr nicht zu geoße Vorſtellungen diefer Art laͤßt ſich
aud, durch Abdrüden mit Wache eine fehr genaue Form, welche
einige Mahle gebraucht werden kann, erhalten. Die fernere Aus⸗
bildung der Abgüſſe, nabmentlich der aus Gypoͤ, durch Mahlen
und Bezeichnen der auf der Flaͤche vorfommenden Gegenſtaͤnde,
gehört nicht hierher; man findet dazn eine ausführliche Anleitung
in folgender Fleinen Schrift: —— der —— „von
Sr. Biene, — 1846.0
G. %.
Abkühlen.
Abkühlen bezeichnet zunaͤchſt die allmaͤhliche, hoͤchſtens
bis zum Gefrierpunkte oder nicht viel weiter gehende, Tempera⸗
turverminderung eines Koörpers. Es iſt dem Erwärmen entge⸗
gen geſetzt, welches ein maͤßiges Erhöhen der Temperatur bezeich⸗
net. Erfälten drüdt eine mehr plögliche und ftärfere Tempera-
tupverminderung aus, und fleht dem Erbipen gegenüber. In
vielen Faͤllen des gemeinen Lebens und der technifchen Ausübung
hat man die Abfühlung und Erfältung der Körper zum Zwecke.
So find im heißer Jahreszeit fühle Getränke angenehm, und. in
der Haushaltung ift in pielen Faͤllen zur Erhaltung von Lebens,
mitteln verfchiedener Art eine niedere Temperatur erforderlich.
Bei vielen Deſtillationsprozeſſen ift die Abkühlung der Vorlage zu
Fehr verfchiedenen Graden nochwendig. In andern Faͤllen dage⸗
gen ift ed wieder Zwedi, die fchnellere ———— eines realen
Körpers zu verhindern.
Die verfchiedenen Arten des Abkuͤhlens und Erkaltens fönnen
unter folgende Rubriken gebracht werden.
j Abkühlung durch Palte Körper. 91
1) Durch Beruͤhrung mit kaͤlteren In
=) durch Bentilation;
3) dur) Berdünfung; -
4) durch Ausftrablung ;
5) durch Ausdehnung ber Luft;
6) durch falzige Auflöfungen.
1) Abkühlung durch Berührung mit eaiteren Koͤr⸗
pern. In dieſem Falle geht die Waͤrme aus dem waͤrmeren in
den kaͤlteren Koͤrper über, vermoͤge ihrer waͤrmeleitenden Eigen⸗
ſchaft, bis beide nahe auf dieſelbe Temperatur gekommen find.
Die Abfuhlung ‚geht hier um fo fchneller vor ſich, .je größer bie
ten wärmeren Körper berührende Släche des fältern Körpers, und
je größer der Temperaturunterfchied Yon beiden iſt. Hierzu dient
befonder® die Beruhrung mit falten Waſſer und mit Eid. Zu
diefer Art von Abkuͤhlung gehören die Kondenfizungen: der
Dämpfe bei Deftillations-Anftalten (S. Deftillation), Dampf
mafchinen ze., die Abfühlungen von Fluͤſſigkeiten durch die Umge⸗
bung mit Fälterem Waller, u. dgl. Friſches Brunnenwaſſer reicht
zum Abkühlen der gewöhnlichen Getränke im Sommer bin, ba hin⸗
zeihend tiefe Brunnen gewöhnlich die mittlere Temperatur des
Landes haben, folglich im Sommer um 15° bis 20° von der Tem⸗
peratur der Atmofphäre differiren. Ein ähnlicher Brunnen Fan
auch zum Erhalten verfchiedener Lebendmittel benübt werden, wenn
diefe in einem Gefäße aus Weißblech eingefchloffen in denfelben
verfenft werden. Zu eben diefem Zwede dienen tiefe Keller. -
In Ländern der gemäßigten Zone ift bekauntlich das Eis ein ger
wöhnliches Abfühlungsmittel für den Sommer, das zu diefem Bes
bufe in den Eisfellern aufbewahrt wird, |
2) Durch die Ventilation wird abgefühlt, wenn die
wechſelnde Euft’eine geringere Temperatur bat, als der wärmere
Körper, folglich Durch den Luftwechfel demfelben nothwendig eine
größere Menge Wärme entzogen wird, als wenn die Luft, die ein
ſchlechter Wärmeleiter ift, den Körper ruhig umgibt. Durch das
Bewegen in der fälteren Luft, oder in einem Fünftlichen Luftzuge,
oder in dem Winde, fühlen daher Körper leicht ab; und zwar um
fo mehr, je ſtaͤrker diefer Luftzug, oder je ſchneller die Bewegung
des Koͤrpers in der Luft iſt.
92 Abbkuͤhlen.
3) Die Abkühlung durch Verdünſtung oder
Verdampfung ift ein wirffames Mittel zur Temperaturvermin⸗
derung in vielen Fällen. Es ift eine befannte Erfcheinung, daß
das Gefühl von Kälte erregt wird, wenn man die Hände oder das
Geſicht mit Waſſer, felbft mit warmem, benegt, und fie fo der
trodnen warmen Sommerluft ausſetzt. Benetzt man die Kugel
eined .‚Xhermometerd mit Waffer, und fegt fie der trodnen Luft
aus, fo. finft das Qnedfilber deilelben um mehrere Grade. Das
Waſſer nimmt nähmlich eine bedeutende Menge von Wärme auf,
wenn ed verbampft (S. 6); fehlt ihm nun Die äußere Erwärmung,
fo muß e& diefe Wärmemenge aus fich felbft nehmen, und fi in
diefem: Maße abfühlen. So wie biefe Erfältung vor fich geht,
nimmt ed Wärme aud dem Körper, mit welchem e6 in Berührung
fleht, und erfältet ihn. Hierher gehört das Abkühlen erhipter
fefter oder gefchmolzener Körper, als der Metalle, Steine, glü⸗
hender Kohlen ꝛc., durch Auffprigen von Waller, deſſen Dämpfe
dann dem Körper die Wärme entziehen. Hat der Körper nur bie
Zemperatur.der umgebenden Atmofphäre, und das mit ihm in Be⸗
rührung flehende Waller verdünftet in diefer; fo wird durch Diefe
Berbünftung feine Temperatur unter jene der umgebenden Luft er⸗
niedrigt. Der Grad diefer Berdünftungsfälte hängt von
denfelben Umftänden, als die Verbünftung felbft, nähmlich von
ber Temperatur und dem Feuchtigkeitszuſtande der Luft ab (S. 3),
oder, was dasfelbe ift, von der Elaftisität der Waflerbämpfe,
welche in der Luft befindlich find. Geſetzt die Luft, welche den
Körper umgibt, fen völlig troden, oder enthalte Feine Waſſer⸗
dämpfe, und ihre Zempegatur fey 25° R., eben fo wie die Tem⸗
peratur der Körperfläche, welche mit Waffer benest ift; foverdampft
das Waſſer zuerft mit der, der Wärme von 25° zugehörigen Ela⸗
flizität des Dampfes; durch diefe Werdampfung wird die Tempe-
ratur des Waflers fchon erniedrigt; die Verdampfung geht dann,
diefer verminderten Temperatur gemäß, im nächften Augenblicde
fort, und fo weiter bis zu einer Orange, welche von dem Hinder-
nifle, welches die Quft felbft der Verdampfung entgegenfegt, und
von des Leichtigkeit, mit welcher das Fälter gewordene Waſſer wies
der Wärme aus der Luft anzieht, abhängt; fo daß hiernach endlich
ein Gleichgewicht eintritt, und die Temperatur nicht weiter finft.
Abkühlung durch Berdünftung. 95
Cd Baflerdämpfe ſchon in der Luft vorkanden, fo wirb.bie Ver⸗
bislang dadurch vermindert (&. 3), folglich auch die Erfältung.
Sa jedem Falle befördert hier der Luftwechfel die Abkuͤhlung in
bemfelben Maße ale die Berdünftung (&. 0). Wuͤrde die Wer:
dinſtiung von der Waflerfchichte, welche den Körper bededt, ans
gehindert vor fich gehen, fo würde deren Erfältung fo lange zus
nehmen, bis die Elaſtizitaͤt der Dämpfe, welche ſich bei dieſer
niederen Temperatur aus dem Waſſer entbinden, gleich wird der
Elaſtizitaͤt der Daͤnpfe, welche bereits in der Luft enthalten oder
mit der Waſſerſchichte in Beruͤhrung find. "Gewöhnlich beträgt bie
Derdünftungsfälte einer Waflerfläche in der Luft von: gemöhnlis
chem Deude nur 2° bis 4° R. Auf Vergen ift fie wegen der, bei
der verbünnteren Luft gefhwächten Wärmezuleitung und weniger
verzögerten Dampfentbindung etwas größer. Fluͤſſigkeiten, welche
fhneller verdampfen ald Wafler, weil ihr Siedpunft :niebriger
liegt, beingen auch eine größere Verduͤnſtungskaͤlte hervor, weil
bei der Schnelligkeit ihrer Verdampfung bie Abkühlung ſchneller
erfolgt, folglich die Mitteilung der Wärme aus der Luft in ges
ringerem Grade Statt findet. So finft das Thermonteter bei
einee Temperatur der Luft von 14°. A , und unter denfelben Um⸗
Bänden, wenn die Kugel mit Waſſer befeuchter ft, um 322,'iſt
fie mit Weingeift befeuchtet, um 7°, und bei.der Veſencheung mit
üther um 240 R.
Um durch die Verduͤnſtung des Waſſers einen Körper möglichft
zu erfälten, iſt es daher nothwendig, fowohl diefen felbft vor dem
äußern Zufluffe der Wärme möglichft durch fchlechte Wärmeleiter
zu iſoliren, als anch den Luftwechfel beftens' zu befördern. -- Hier⸗
auf beruht die, ſowohl im füdlichen Europa als in Oft- und Weſi⸗
indien übliche Methode, zur Abkühlung der Getraͤnke die Flaſchen
mit naffen Züchern zu umwickeln, und diefelben an einem Orte, wo
ein ſtarker Luftzug Statt findet, an einer Schnur frei fchwebend
anfzuhängen. Iſt ein ſolcher Euftzug gerade nicht vorhanden, fo
m man die Flaſche an der Schnur in der freien es berums
ſchwingen.
In Südlichen Ländern, nahmentlich in Egypten und. in Spa⸗
nien, bat man Geſchirre von pordfer Mafle, Alkarrazas ge-
naunt, in welchen das Waller auf die Oberfläche durchſchwitzt,
94 Abkühlen. -
bier verduͤnſtet, und dadurch das enthaltene Waller abfühlt. In
Spanien beftehen fie aus einer rothbraunen Erde. In Egyptess
find fie von der Form einer Florentiner⸗Flaſche, von afchgrauer
Farbe, und dienen unmittelbar zum Trinken. Bei trockener Luft,
- wie fie in jenen Ländern vorhanden ift, Fühlen dieſe Gefäße beden⸗
tend ab; weniger in feuchten Klimaten, wo die Semperatur des
Waſſers in denfelben nur um wenige Grade abnimmt... Sand
und Thon find die Beflandtheile diefer Gefäße; durch mehr ader
weniger Borwalten des Sande Fann die Porofität der Maſſe bes
liebig erreicht werden: doch ift kalkfreier Sand und Thon erforder⸗
lc. Vieles gemeine Töpfergefchire hat unglaftet diefelbe Eigen "
ſchaft. Durch Zuſatz von gepulverter Kohle oder von Graphit kann
man bie Porofität folcher Geſchirre beliebig vermehren. .
In Indien wendet man folgende Methode zum Abkuhlen
der Zimmer bei trockenem Winde an. Die dem. Winde entgegen⸗
flebende Thür wird mit einer. Art von Schirm oder Vorhang vers
fhloifen, aus zwei Matten oder Sittern von Bambusrohe ber
ſtehend, die einander parallel find, und 3 bis 4 Zoll von einan⸗
der fichen. Der Raum zwifchen diefen beiden Schirmen ift mit
den Wurzeln. einer wohlziechenden Gradast angefüllt, Damit Die
Luft diefen Vorhang durch die vielen Heinen Zwifchenräune diefer _
Ausfüllung durchſtreiche. Zwei Männer ftehen an der Außenfeite,
jeder mit einem Ziegenfell voll Waller, das fie beftändig über den
Vorhang fprigen. Es findet Dadurch eine beitändige Verduͤnſtung
Statt, die die anſtoßenden Zimmer bedeutend abkuͤhlt.
Wenn die Verdünſtung im leeren Raume vorgeht, und
dabei noch die Dämpfe, welche ſich aus der Flüſſigkeit entwickeln,
weggefchafft werden; folglich weder die Verzögerung durch dem
Luftdruck, noch das Hinderniß durch den aufliegenden Dampf
mehr Statt findet; fo geht.die Verdünftung viel fehneller vor fich,
und bie Verdünftungsfälte Fann daher fehr groß werden, indem
fie nur dann ihre Graͤnze findet, wenn Dad Gleichgewicht zwifchen
der von außen in die erfältete Slüffigfeit ſtrömenden Wärne, und
jener, welche in derfelben Zeit zur Dampfbildung erfordert wird,
einteitt, Auf diefe Art wird nach Leslie's Methode das Waf-
fer unter der. Glocke der Laftpumpe zum Gefrieren gebracht, wenn
die entfiandenen Dämpfe zugleich durch. Schwefelfäure abforbirt
7 =
Abkühlung durch "Werdünftung. 95
werben. Man ſtellt zu dieſem Behufe unter die Glocke einer Cufeı
yanye eine breite Taſſe mit konzentrirter Schwefelſaͤure, und
einige Joll über derſelben eine kleine, auf: glaͤſernen Fũßen ruhende
Glas oder Porzellan⸗Schale, die hoͤchſtens die Haͤlfte des Durch⸗
meflerß der .untern Hat, mit Waller. Kirze Zeit nady dem Ab:
pumpen der Luft gefriert da Waller. Die Schwefelfäure, welche
dad serbampfte Wafler aufgenommen hat, bat fi) etwas erwaͤrmt.
Es iſt bei dieſem Verfahren nothwendig, das Wafler möglich
ze iſoliren, daher das Gefäß mit demſelben ganz angefuͤllt ſeyn muß)
denn der trockne oder leere Theil deſſelben leitet die Aanßere Wärme
dem Wafler zu, und vermindert die Verbünftungsfälte. Cs iſt
daher and am beften,; dad Walls in' eine irdene, etwas yorbfe
Schale zu füllen, Deren äußere Flaͤche dann ebenfalls durch se
Berdinsften des durchſchwitzenden Waſſers erfältet wird.
Es formen, zumahl bei chemiſchen Unserfüchungen, Falle vor,
wo man eine Aufl&fung one Anwendung von Wärme, oder bei
ganz niederer Terkperatur, und ohne Zutsitt der Luft, abbanıpfem
wi; fir diefen Zweck iſt dad eben beſchriebene Verfahren gleichfat -
keaudıbar. (©. 35 ff.). Wendet man daſſelbo mehr im Großen an,
fo iſt es beffer, das in Eid zu verwandelnde Waſſer unter: mehrere
fleine Rezipienten zu -vertheilen. Man verbindet dann diefe Rezi⸗
pienten mit einez gemeinfchaftlihen Luftpumpe. ‚In London
werden Mafchinen.diefer Art mit ſechs Rezipienten verfertiget, die
man nach Indien bringt, wa dieſe Eiserzeugungsart für ben
häuslichen Gebrauch in Anwendung gebracht iſt. Mit 6.Rezipien⸗
ten erhält man damit in einer Stunde etwa .6 Pfund Eid. Das
Waffer verliert während des Gefrierens bei diefer Operation etwa
= feines Gewichts Durch den Waiferdampf, der zur Schwefelfäure
übergeht; durch die Aufnahme dieſer Feuchtigfeit wird die abſor⸗
birende Kraft der Schwefelfäure nicht fagleich merflich vermindert,
und fie kann Daher für mehrere Operationen nach einander gebraucht
werden. Wenn fie an Waſſerdampf ein Viertheil ihres Gewichtes
aufgenommen hat; fo bat fi ipre:Eigenfehaft, darch Abforption
des Dampfes die. Kälte zu unkerhalten, um ein Zwanzigſtel ver
mindert, umd wenn dak Gewicht des aufgenommenen Waſſers
ihrem eigenen gleich iſt; fo hat fie nur noch Die Hälfte der erkal⸗
tenden Wirfung. Iſt nun die Wirkung der Schwefelfäure nicht
06 TE ; Abkuͤhlen. u
mehr fräftig genug, ſo wird fie durch in won EI:
ſer befreit.
Statt der Schwefelfänre koͤrnen auch anbere hogrofropiſch⸗
Subſtanzen, als getrocknetes Mehl, Erde, ſalzſaurer Kalk ıc. ges
braucht werden. Beſonders wirkſam verhaͤlt ſich nach Les lie das
getrocknete Hafermehl. Mit. einer Menge diefer Subſtanz, von
1 Fuß Durchmeſſer und ı Zoll Dicke, brachte L. 1. Pfund Waſſer
zum’ Gefrieren, das in einer Schale von: gebramnter puräfer Erde
enthalten war. Das Mehl ——— — leiftet wieder
— Wirkung. 2
Van der abtühlung bereits — gig igkeiten nitseft
der Verdinftung wird in den Künften vielfach; Gebrauch gemacht.
Die exrhigten Flüſſigkeiten fegt man zu diefem Behufe in flacher
Gefäßen dem Luftzuge aus, Damit die Verdünftung moͤglichſt une
gehindert erfolgen koͤnne. Warme Körper, die man abkuͤhlen will,
umgibt man mit naifen Züchern, wie bei der Deftillation im Kleis
wen, u. ſ. w. Die eben erwähnte Methade der Eiserzeugung fang
auch ald ein wirffames Mittel, erhigte Fluͤſſigkeiten ſchnell abzu⸗
fühlen, angewendet werden: was befonders für ſolche Fluͤſſigkei⸗
ten wichtig. it, bie fchnell in Gaͤhrung übergehen, oder an der
Luft zerfegt werden. Geſetzt die Temperatur einer folchen Släffigkeit
betrage. 60° R., und fie folle auf 10° R. abgekählt werden, das
Gewicht der Slüffigfeit fey = p; fo iſt ihre Wärme == p.6o, die
Wärme ded Damıpfes von dem Gewichte x iſt — x. 520 (&,7,8),
bie Wärme der abgefühlten Fluͤſſigkeit = (p ——- x) 10; es ift alſo
60 x. 520 -( —x) 10, oder
x * p, d. h. die Waſſermenge, welche aus der
Bliffigfeit, „auf — der Wärme, welche dieſe enthält, verbantır
pfen muß, um die Zempecatur von 60° auf 10°. zu erniedrigen,
. 5 oder etwa des ganzen Gewichtes. Rechnet man nach. dem
Worigen das Vierfach⸗ Diefes Dampfgewichtes an. Schwefelfaͤure;
fo wäre au letzterer & deo /ganzen Gewichtes, alſo für roo Pfund
Fluſſigkeit etwa 40 Pfund Schwefsffäure erforderlich; woraus
erhellet, Daß dieſe Methode nicht ſehr ind‘ Große — wer⸗
den un
.. *
.. Je J
Abkühlung durch Ausſtrahlung. 97
4) Abfühlung durch Ausſtrahlung der Wärme.
Bean ein erhigter Körper, z. B. ein mit. heißem Waller gefüll«
tes Gefäß, in der Luft ruhig abfühlt; fo verliert derfelbe die
Bärme nicht nur durch die unmittelbare Berührung und Ableitung
der Luft (8. 94), fondern auch unabhängig von diefer durch Die
Ausſtrahlung, und die leptere trägt in den meiften Ballen zur Abführ
lung des Körpers wenigftens eben fo viel bei, als der Wärmeverluft,
welcher durch Die unmittelbare Erwärmung der umgebenden Luft ents
ſteht; vorauögefeßt, daß der Körper nicht in der Luft bewegt werde,
denn in diefem Halle verhält fich feine Abkühlung durch die Luft,
wie feine Geſchwindigkeit. Dieſe Ausſtrahlung der Waͤrme, die auch
im luftleeren Raume Statt findet, iſt für einen und denſelben
Körper nahe dem Temperaturunterſchiede proportional, welcher
jwiihen dem erhitzten Körper und feiner Umgebung Statt findet,
und zeigt fidy zum Theil dem Verhalten des Lichtes analog. So
firablen Die Körper auf der Erdfläche nach dem Untergange der
Sonne Wärme aus, und werden im Verhältniffe diefer. Ausſtrah⸗
lung abgefüpft, auf diefelbe Art, als phoöphoreszivende Körper,
die dem Sonnenlichte ausgeſetzt waren, in der Finfterniß zu leuch⸗
ten anfangen. Diefe Wärmeftrahlung der Erdfläche ift am ftärf-
fen bei unbewölftem Himmel, folglich dem dunkeln kalten Raume
gegenüber, und am fchwächften bei dicht überzogenem Himmel. Auf
diefer Wärmeftrahlung der Exrdfläche beruht die Erfcheinung des
Thaues. Indem durch diefelbe die Körper mehrere Grade unter
die Temperatur der über ihnen befindlichen Luft abgefühlt wer⸗
den, kondenſirt ſich nähmlich der Waſſerdampf aus dieſer Luft an
denfelben. Eben daher rührt die verhältnißmäßig größere Abfäh-
lung einer Waiferfläche in heitern Nächten, welche bei der ftarfen
auöftraplenden Kraft des Wailers bis 10° R. unter der Tempera:
tur der Luft, in einer Höhe von 4 bis 5 Fuß über der Fläche des⸗
felben betragen kann. Diefe Erfältung wird bei gleicher Aus⸗
fraflung um fo größer, je geringer die wärmeleitende Kraft der
Körper iſt, weil fie dann aus ihrer Umgebung um fo Iangfamer
weder Wärme aufnehmen, folglich der Wärmeverluft "Durch die
Ansftrahlung in jenen Verhältnijfe größer wird, als der Waͤrme⸗
flug aus der umgebenden Luft. Ze
Auf diefer Art der Abfühlung oder Erfältung beruht Die
dedqmol. Encyclop. I 8. 7
98 Abkühlen.
Methode der Indier in Benares zur Hervorbringung des Eifes.
In hellen, windftilen und fühlen Nächten, meiftens in höher lies
genden Gegenden, bei einer Temperatur von 4° bis 6° übero R.,
werden flache Gefäße, etwa einen Zoll hoch mit Waſſer gefüllt,
auf eine dicke Unterlage von trodenem Stroh gefebt, das die Zus
leitung der Wärme aus dem Boden in die Gefäße hindert. Durch
die ftarfe Waͤrmeausſtrahlung des Waſſers gegen deu unbedeckten
Himmelsraum, und bei der Wärme-Sfolirung deflelben in der ruhi⸗
"gen Luſt und der fchlechtleitenden Amgebung, bildet ſich eine
dicke Eisrinde auf dem Wafler. Es ift gegenwärtig ausgemacht,
Daß diefe Erfcheinung nicht, wie man früher glaubte, von der
Berdünftungdfälte herrührt: der Erfolg wird im Gegentheil gehin⸗
dert, wenn die Unterlage der Gefäße feucht ift, oder diefe das
Waller durchfidern laffen. Will man dieſes Verfahren nachah⸗
men, fo muß man gefochtes Waller anwenden, weil diefes ſchnel⸗
ler erfaltet, und leichter gefriert, als das mit faurem Fohlenfau:
ren Kalfe verfehene Brunnenwaſſer.
Die Größe der Ausitrahlung der Wärme hängt von der Be⸗
fhaffenheit der Oberfläche des Körpers ab. Blanke metallifche
Dberflächen ftrahlen weniger aus, als fchwarsgefärbte oder als
Überzüge von nichtleitenden Stoffen. Nach Les lie's Verſuchen
ift Die Ansfirahlung aus einem Gefäße von verzinntem Cifenblech
acht Mahl geringer, als jene aus dem gleichen Gefäße, wenn die
Dberfläche ſchwarz angeftrihen, oder mit Papier, Glas, Baum:
‚ wollenftoff ꝛc. überzogen if. Soll daher in einem Gefaͤße eine
Slüffigfeit lange ihre Wärme behalten; fo muß deilen Oberfläche
blanf metallifch feyn. Soll dagegen das metallene Gefäß die
Wärme fchnell an Die umgebende Luft ausftrahlen, fo muß feine
Dberfläche mit einer dunkeln Farbe überzogen, oder mit Papier,
Seide oder irgend einem andern anımalifchen oder vegetabilifchen
Stoffe bededit werden.
Eine filberne Kanne wird faum halb fo viel Hige auöftrap-
Ien, ald eine von Porzellan. Iſt Ieptere mit einem dünnen Über
juge von Gold oder Platin bededet (wie an dem vergoldeten
englifchen Steingut), fo wird die Ausſtrahlung oder Die Abkuͤh⸗
fung um ein Drittheil vermindert. Überzieht man die Silberflaͤche
mit einem duͤnnen Goldſchlaͤgerhaͤutchen; fo wird die Ausſtrahlung
4‘
Abkühlung durch Ausftrahlung. 09
in dem Verhaͤltniſſe wie ı zu 7 vermehrt; bei einem zweiten Haͤut⸗
‚ Yen findet eine weitere Vermehrung von 7 zu g Statt, u. f. w.,
bis endlich bei fünf Häutchen die Ausftrahlung ihre Grenze erreicht.
Bird ein blanfes metallened Gefäß mit Slanell bedeckt, fo wird,
obgleich dieſer Stoff ein fchlechter Wärmeleiter ift, die Abfühlung
durch die Ausfirahlung dennoch vermehrt, und fie würde nur durch
eine wenigftens dreifache Lage deifelben aufgehoben werden. In
Berührung mit Waller ift der Effeft der Ausftrahlung nicht bes
merflih. Wenn man aljo Waffer Durch Röhren erwärmt, fo hat
die Befchaffenheit der Oberfläche dieſer Röhren auf die Mitteilung
der Waͤrme aus denfelben feinen Einfluß,
Diefe Erfahrungsfäge mülfen- bei praftifchen Anwendungen
berüdfichtiget werden. Wird z. B. Dampf durch Röhren in der
Luft fortgeleitet, fo muß die Rührenoberfläche blank metalliſch feyn,
wenn Die geringfte Abfühlung Statt finden fol. Wird diefelbe
mit Flanell oder andern nichtleitenden Stoffen umgeben, wodurch
auch die zweite Quelle der Abfühlung durch die umgebende Luft
befeitiget wird; fo muß diefe Einwickelung die feyn. Daſſelbe
gilt auch für den Zylinder einer Dampfmafchine, den man mit
Vortheil mit einer Hülle von blanfem Kupfer umgeben kann.
Noch mehr und am wirffamften wird die Abfühlung verhins
dert, wenn man das erhiste Gefäß von allen Seiten, in der Ent⸗
fernung von nahe einem Zoll, mit einer oder mehreren Hüllen von
Zinnbledh umgibt. Mit Einer Hülle wird die Abfühlung 3 Mahl
geringer, mit zwei Hüllen 5, und mit drei Hüllen 7 Mahl, u. ſ. w.
Auf diefe Art kann durch Vervielfältigung diefer Hüllen die Tem⸗
yeratur des inneren Gefäßes fi Tage lang gleich erhalten. Soll
ein Luftraum durch Nöhren mit Dampf geheigt werden, fo iſt da⸗
gegen die Überftreichung der metallenen Bläche mit einer ſchwarzen
Farbe erforderlich, Noch ift zu bemerken, daß in der Regel dies
jenigen Körper, wie Metalle, welche Die Wärme wenig ausſtrah⸗
Ien, diefelbe um fo beſſer zurüchwerfen; und daß umgefehrt dieje-
nigen, welche das beſte Ausſtrahlungsvermoͤgen befigen, Die Hige
auch am leichteften abforbiren. Zu Körpern, welche als Zwifchen»
mittel die firahlende Hitze abhalten follen, wie Ofenſchirme, find
daher Metallplatten am beften geeignet, flatt weicher auch ein auf
beiden Seiten vergoldetes ſtarkes Papier dienen kann.
7 Bei
⸗
100 Abkuͤhlen.
Nachſtehende Tabelle enthält, nach Leſlie's Verfuchen, das
relative —— und Zurüdwerfungsvermögen J
rer Koͤrper.
Wärmeſtrahlungs⸗Ver— Bärme-Zurüdwerfungk-
mögen. . Bermögen.
Lampenruß - & . 100 | Meffing und Kupfer . 100
Baflr 10 ler 2. gm
eig 0.98] Stanniol * —
as. o
Eis und Schnee . : * — 7.
Angelaufenes Blei . 451 Blei. 60
Quedfilber . 20 | Zinnamalgam . 20
Glaͤnzendes Blei . . 191 Glas. .. 10
Polirtes Eifen ä ..15 Geoͤhltes Glas . 5
Zinn, Silber, Kupfer, |
Gold (blanfe Flähen) ı2
5) Abkühlung durch Ausdehnung der Luft.
‚Wenn atmofphärifche Luft in einem Gefäße fich ſchnell ausdehnt,
fo verliert fie für jede 0.0215 Theile, um welche fid) ihr Volum
vergrößert, einen Brad AR. Wärme. Gefest man dehne mittelft
einer mechanifchen Vorrichtung durch einen Kolben ein in einen
Gefäße enthaltenes Luftvolum plöglich um das Doppelte aus, fo
— ſich die Temperatur dieſes ausgedehnten Luftvolums um
ang Oder um 93° R. vermindern. Die Ausdehnung ber Luft
ift alfo ein wirffames Mittel zu ihrer Abkühlung. Es hat jedoch
Schwierigkeit, auf mechanifche Art diefe Ausdehnung fo fehnell zu
bewirfen, daß während derfelben der Zufluß der Außeren Wärme
die Temperaturverminderung nicht wieder größten Theile aufhebt.
Beſſer ift e8 daher, die Luft in einem Gefäße zufammen zu drü⸗
den, fie hier abzufühlen, und dann burd eine hinreichend geräu«
mige Offnung ſchnell entweichen gu laſſen. Geſetzt, die Luft fey
um das Zwanzigfache zufammengedrüct worden, und nach Entwei⸗
chung der entbundenen Wärme betrage ihre-Temperatur 10° R.;
fo würde bei ihrer plöglichen Ausdehnung eine Erfältung des Luft⸗
Abkühlung durch ˖ Luftverdünnung. 101
volmus um —— = 928° R., folglich bis auf: dis· R. Statt
0.031
faden. Diefe RE kann yoch.um ED vermindert wer:
den, wenn.man dad Gefäß. mit der komprimirten Luft vorher auf
andere. Art erfältet.
Von diefer. Methode kann jedoch im Großen kein Gebrauq
gemacht werden, weil die Mäſſe der erkaͤlteten Auft'zu gering iſt,
um die Temperatur der Umgebung bedeutend aͤndern zu fünmen,
wie nachflehende Rechnung zeige. In einer Kugel von ı Ruß
Durchmeſſer, von gefchlagenem Gifen, ſey Luft um dad Zwanzig:
fache zufammengedrücdt; die Wände diefer Kugel können, um die-
fen Druck auszuhalten, nicht dünner feyn, als ;,30U, was din
Gewicht non 87914 Gran gibt. Die in der Kugel enthaltene Luft
von. einfachem Drude wiegt 295 Gran. Diefe Luft Hat nun Durch
die plögliche Ausdehnung eine Temperatur von — gı8° R, erhal-
ten, welche fie der umgebenden Eifenhälle mittheilt. Da fih num
vie fpesififche Wärme des Eiſens zu jener der Luft wie 11: 26, ver:
hätt; fo.ift
395 >< 91887914 x 11: 36
alſo x oder die Xemperaturverminderung, welche die eiferne Kugel
durch jene erkaͤltete Luft erleidet == 67°R. Diefe Wirfung ift
= der Erfältung der ganzen fomprimirten Cuftmafle ; 4% derfelben
verbreiten fich bei der Ausdehnung in die äußere Luft, und geben
für die Erfältung des Gefäßes verloren. Man fieht zugleich hier:
aus, warum Gefäße, aus welchen verdichtete Luft ausftrömt, wie
dei der Windbuͤchſe oder anderen Kompreilionsmafchinen, unges
achtet jener bedeutenden Temperatiirverminderung der Luft, fo
wenig erfältet werden. Mur dann wird die Erfältung bedeutend
fern, wenn an der Offnung felbft, aus welcher die verdichtete, Luft
auöftrönet, ſich ein Körper befindet, welchen die ſich ausdehnenbe
Luft beſtreichen muß, weil in diefem Falle die ganze fich ausdeh⸗
nende Luftmaſſe in Wirfung fommt. Bei der Schnelligfeit der
Bewegung der erfälteten Luft wird jedoch auch in dieſem Balle
nur ein- geringer Theil der möglichen Erfältung auf den Kör-
yer übertragen, obgleich fchon diefe Hinreicht, einiges Wafler an
der Mündung eined ſolchen Gefäßes gefrieren zu machen.
j
102 | Abkühlen.
6) Abkühlung duch falzige Anflöfungen.
Einige Salze und Säuren mit Waller oder Schnee gemifcht brin-
den eine bedeutende Erfältung hervor, durch die Bindung der
Wärme beim Übergange aus dem feften in den flüſſtgen Zuſtand.
Solche fogenannte Faltmahende Mifhungen find:
Mifhung. Semperatur&rniedrigung,
Salmiaf 5 Theile, Balpeter 5, | ;
Bafer ı6 : . 0. von 10 auf — 10° R,
Salmiak 5, Salpeter 5, Glau⸗ nr
berſalz 8, Waſſer 16 . Ir 8 — rl
Glauberſalz 5, verdünnte Schwe⸗ a
felfäure 4 2 5 i » sr » —'3TR,
Schnee ı, Kohfa ı . ; » 2» 0 v — 140 R
Schnee 2, falzfaurer Kalf3 . » 90° r — IHR,
Schnee ı, verdünnte Schwefel - ——
fäure ı . er . » — 5 2 — 4 BR,
Diefe Mifchungen werden gewöhnlich angewendet, wenn
man in einzelnen Verfuchen eine Erkältung bedeutend unter o R.
hervorbringen will. Doc, find fie auch in einzelnen Fällen tech⸗
nifch und Öfonomifch anwendbar. An Indien, wo der Salpeter
woplfeil ift, wird feine frifch bereitete Auflöfung in Waſſer häufig
zur Abfühlung der Getränfe angewendet.
Die befte Mifchung ohne Eis oder Schnee ift die aus Sal-
miaf, BSalpeter und Glauberfal; mit Waller. Salmiak uud
Salpeter werden fein gepulvert; je trodiener und feiner die Men
gung aus beiden ift, deſto beſſer. Das Glauberfalz darf nicht
verwittert und zerfallen feyn, ſondern in Flaren Kryſtallen und
trocken, frifch gepulvert. Zuerſt legt man unten in das Gefäß
das gepulverte Slauberfalz mit geebneter Oberfläche: darauf Das
gemengte Pulver aus Salmiaf und Salpeter; und nun gießt man
zuerft die Hälfte des Waflers, und unmittelbar. darauf die andere
Hälfte hinzu, und. rührt jedes Mahl das Ganze um. "
Wenn gleich fchwächer in der Wirfung, doch für ben oͤkono⸗
mifchen Gebrauch, auf Reifen ꝛc. mehr geeignet, ift die Mengung
‚aus Salmiaf und Salpeter,, von jedem 5 Theile mit \6 Theilen
Abtreiben. | 103
Wale. Bei der Temperatur des Waſſers von ı0° R., die man
immer durch einen Pumpbrunnen erhalten kann, wenn man die erſte
Quantitaͤt Waſſer auspumpt und wegfließen laͤßt, bringt Diefe Mi⸗
ſcheng eine Kaͤlte von 100 R. unter dem Gefrierpunkte hervor.
Rah den Gebrauche kann die Salzaufloͤſung wieder abgedampft,
und dann neuerdings verwendet werden. Fuͤr Die gefrornen Frucht⸗
ſaͤſte iſt eine Temperatur von 5 bis 6° unter o R. hinreichend.
Diefe Temperatur wird von den Zuderbädern durch Eis oder
Schnee mit Kochfalz hervorgebracht.
Der Salpeter, der wohlfeiler ift ald Salmiaf, und ſich Teich:
ter pulvern läßt, bringt beiläufig 7° R. Kälte durch feine Auflös
fung. im Waffer hervor, und fann daher allein gebraucht werden,
um Wein in Slafchen abzukuͤhlen. Auch verftärft er die Wirkung,
wenn man ihn der Mifchung aus Eis oder Schnee und Kochfalz
" zufept. |
Übrigens muß die Quantität der erfältenden Mifhung mit
Km Anantum der abzufühlenden Klüfligfeit im Verhaͤltniſſe ſte⸗
ben, wenn die größte Xemperaturerniedrigung erfolgen fol. Auch
it eine zweckmäßige Einrichtung des Gefäßes für die Erfparung
an erfältendem Moateriale vortheilhaft. Diefes befteht am beften
aus einem Zylinder, in welchem fonzentrifch ein zweites Gefäß
eingefeßt ift, deilen horizontaler Durchſchnitt ein hohler Ring ift;
wie die Sig. 11 (Taf. 3) zeigt, in welcher b diefes innere, aus
zwey hohlen fonzentrifchen Zylindern beftehende Gefäß iſt. Der
Apparat iſt mit einem paflenden Dedel verfehen. In den äußern
Ring a und in den innern Zylinder e fommt die erfältende Mi:
dung; in den Ring b aber die zu erfältende Flüffigfeit. Die ,
Beite des äußern Raumes, a, beträgt 2 Theile, die des zweiten, b,
ı Theil, und des innern Raumes, c, 3 Theile. Die Gefäße find
»on Zinn. Um die Zuleitung der Wärme von außen zu vermeiden,
kann der Apparat in eine Büchfe von Holz geſetzt werden.
d. H.
Abtreiben.
Das Abtreiben iſt in der Probier- und Hüttenkunde
diejenige Operation, durch welche aus dem ſilberhaltigen Blei das
104 Abrtrreiben.
Blei nebſt anderen oxydablen Metallen Verſchlagung aus⸗
geſchieden wird.
Das Silber ſchmilzt naͤhmlich mit dem Blei leicht und in
allen Verhaͤltniſſen zuſammen. Da nun das Blei ein in der Hitze
unter dem Zutritte.der Luft fehr leicht oxydables Metall iſt, waͤh⸗
rend. das Silber-ald. ein edles Metall der Oxydirung widerfteht,
fo verfalft fich,' wenn diefe Legierung unter dem Zutritte der Luft
gefhmolzen erhalten wird, nach und nach das Blei, und fcheidet
ſich ald Glätte vom Silber ab, während letzteres rein zurüdbleibt.
Diefe gänzliche Ausfcheidung des Bleies in Schladengeftalt fann
aber nur dann erfolgen, wenn die gefchmolzene Glätte in dem
Maße, ald fie fich bildet, von der Oberfläche des Metalles entfernt
wird, damit fich inumer wieder durch Einwirfung der Luft auf die
metalliſche Oberfläche eine neue Schladenhaut bilden kann, bis
das Metall endlich an Blei gänzlich erfchöpft ift, und die blanfe
Oberflaͤche des Silbers hervoftritt, die feiner weitern Orydation
unterliegt. Enthält das Silber Kupfer, fo wird bei diefem Prozeffe
das Kupfer ebenfalls verfalft; das entftandene Kupferoryd verbin⸗
det fich mit der gefchmolzenen Glaͤtte, da ed in dem Verhaͤltniſſe
leichtflüfliger wird, als e8.mit einer größeren Menge dex legtern
verbunden ift, und fann alfo ebenfalls mit der Glätte zugleich ent-
fernt werden. Auf diefem Verhalten beruht das Abtreiben,
als ein Mittel, das Silber und Gold fowohl von dem beigemifche
ten Blei ald auch in mehreren Fällen vom Kupfer zu fcheiden.
Im Kleinen wird die Abfonderung der entftehenden Bleiglätte da⸗
durch bewirkt, daß das Schmelzen und Oxydiren in fleinen, aus
Afche verfertigten poröfen Schalen vorgenommen wird, welche Die
Beiglätte rein, oder.mit dem Kupferoryde verbunden, verfchluden
oder in ihre Zwifchenräume aufnehmen, fo wie fie entfteht. Im
Großen wird die Glätte mechanifch von der Oberfläche abgezogen.
Die Arbeit im Kleinen nennt man dad Abtreiben auf Ka
pellen, dad Kapelliren oder Kupelliren ; jene im Gros
Ben die Treibarbeit oder das Abtreiben des Bleies vom
Silber.
Dad Abtreiben auf Kapellen wird vorzüglich zur
Probierung des Bilbers oder Goldes auf feinen Kupfergehalt an⸗
gewendet. Boll das Fupferhaltige Silber ‚oder Gold vollitän.
Abtreiben auf Kapellen. 405
Dig gereinigt werden ; fo muß die zur Berfchladung des Aupfers
aferberliche Quantität Blei zugefept werden. Der Erfahrung ger
mis gehören zur vollftäudigen Verfchladung von einem heile
minen Kupfers beim Abtreiben 16 Theile Blei, oder BleiSchwo
rn, und Diefe Quantität muß um fo größer werden, je meht Gil⸗
ber oder Gold bei dem Kupfer ift, weil das edle Metall Dad Kur
pfer mehr gegen die Verſchlackung ſchübt. Die — Pr
folgende Verhaͤltniſſe:
ı Tl Rupf. mit 5 Silb. (und darunter) erforbert —ı6 zhle. feet
se» * * » —ıB + „>
, ee Te u » » » — 20 »
»s 1 » » — 3» »
» » » 3» » v » — 40 .»
» v v 4 » v —56b » j
’ 7 Zu > » x — 64 » >»
, v »15 » » » » — 96 v —
» 30 » v — 138 »
Das abzutreibende kupferhaltige Silber wird vorher auf dem
Probierſtein probiert, um bei dieſer Beſtimmung der Anzahl der
Bleiſchweren einen Anhaltspunkt zu erhalten. Das Blei ſelbſt
muß ſilberfrei ſeyn, weil ſonſt Unrichtigkeit in dem Reſultate ent⸗
Reben würde ; man nimmt gewoͤhnlich das Villacher dazu. Ein
ju großer Zufag des Bleied muß vermieden werden, weil fonf
mehr Silber in die Kapelle geführt wird, auch durch die ftärfere
Verflüchtigung des Bleied mehr Silberverluft entfteht. Das. auf
der Kapelle abzutreibende Blei muß nicht mehr als etwa dad Dop⸗
pelte des Gewichtes der Kapelle betragen, weil diefe fonft die
Schlade nicht ganz aufnehmen fann, fondern auf derfelben ein
Bleifad figen bleibt, der die weitere Verfchladung hindert.
Von dem zu probierenden Metalle wägt man nun eine fleine
Quantität von etwa 10 bis 100 Gran genau ab (defto wenigen,
je mehr Pupferhaltig Die Legierung ıjt), legt das dazu gehörige reine
Blei in Bereitfchaft, umgibt die Muffel des Probierofens mit Koh⸗
Im und fchürt allmählich, während man die Kapelle (oder mehrere
derfelben) in die Muffel ſetzt. Wenn endlich die Kapelle hellroth
glüht, fo legt man in die Vertiefung derfelben mittelft einer Zange
4106 Abtreiben.
das Blei, welches fogleich ſchmilzt, und Hiernach, ſobald ſich Die
Dberfläche des Bleies glatt und glänzend zeigt, dad legierte Metall,
dad man, wenn ed aus Fleineren Stüdichen befteht, in etwas Pas
pier, oder befler in eine fehr diinne Bleiplatte eingewidelt bat,
wobei man.Acht hat, daß die Kapelle nicht gerigt werde. Die
Schmelzung findet fogleih Statt; die Oberfläche der Legierung
hellt fi auf und zeigt Teuchtende Punkte, die von oben nad un
ten in Bewegung find (das Blei treibt); zugleich erhebt ſich
ein Rauch, der in der Muffel fich auöbreitet, und, wenn bie
Probe gehörig von Statten geht, in Geftalt eines dünnen Fadens
aus der Mündung der Muffel herauszieht. So wie das Treiben
vorfchreitet, rundet fich das Metallforn mehr ab, die leuchtenden
Punkte werden größer und fommen in eine fchnelle Bewegung.
Anfangs gibt man ftärfere Hitze; wenn aber fo das Blei im Trei⸗
. ben ift, fo mindert man die Hitze ein wenig, doc, mit Maß, da=
mit dad Metall und die Glaͤtte im gehörigen Zluffe bleiben. Eine
zu flarfe Hitze verflüchtigt einen Theil des Silberd. Die Hitze ift
zu flarf, wenn die Kapelle bellroth glüht, und man den Rauch
ſich ſchnell an die Muffeldecke erheben fieht: ift er Dagegen ſchwer,
dunfel und langſam fich bewegend, fo daß er eine mit dem Boden
der Muffel beinahe. parallele Schichte bildet; fo ift der Ofen nicht
heiß genug. Man erhöht die Hitze, wenn man’ einige ftarf glüs
hende Kohlen in die Mündung der Muffel legt, auch ſolche Koh:
len unter fie ftedt, und die Kapelle in den Hintergrund der Mufe
fel fchiebt: die Hitze wird vermindert, wenn man die glühenden
Kohlen aus der Muffelmändung nimmt, und die Kapelle nach
diefer herzieht. Mean unterhält nun die Hitze gleichförmig, fo daß
das Blei immerfort treibt; doch muß gegen das Ende die Hitze
wieder etwas verftärft werden, weil das Korn in dem Maße
ftrengflüfliger wird, als das Blei abnimmt.
Während des Treibend läuft die entftehende Glätte immerfort
von der Metallmafle ringsum ab, wodurch die erwähnten leuchten⸗
den Punfte entftehen, und wird von der Kapelle eingefogen. Ge⸗
gen das Ende zeigt das Korn eine fehr fchnelle Bewegung, und die
Iepten Antheile vom Blei bilden, indem fie verdampfen, eine
irifirende, nebelartige Dede über dem Korn, die dann auf ein
Mahl verfchwindet, fo daß das reine Silberkorn mit einem hellen
Abtreiben auf Kapellen. 707
und Neibenben Glanze (dem Blicke) erſcheint. Man laͤßt nun
die Kapelle noch einige Minuten in der Hitze, damit die letzte
Glaͤtie ſich völlig einziehe; zieht fie dann an die Muffelmundung,
um läßt das Silberkorn oder den Blick langſam erfiarren. Ger
khicht die Abkühlung zu ſchnell, durch .plögliche Herausnehmen
der Kapelle aus der Muffel, fo fchießen aus dem Silberkorne kry⸗
fallinifche Ajte hervor (ed fprapt), was wahrfcheinlich. darin fei-
nen Grund bat, daß die durch die fchnelle Erfaltung fefiwerdende
and ſich zufammenzichende Rinde das noch fläflige Innere zu⸗
fommenpreßt, fo daß ein Theil deflelben eine dünnere Stelle
jener Rinde durchbricht und hervorſpritzt. Andere ſchreiben diefe
Erfheinung der Entwirfelung einer Heinen Menge Sauerſtoffgas
zu, weldhe das Silber im Fluſſe aufgenommen haben, und bei
dem Erkalten wieder von fich geben fol. Diefe Erfcheinung fuht
man bloß darum zu vermeiden, damit. nicht etwa dadurch ein Ders
luft am Gewichte ded Kornes entflehe.
Dad Korn wird nad) dem Erfalten aus der Kapelle genom-
men, mit einer Krapbürfte (a6 duͤnnem Meflingdraht) von unten
gereinigt, und auf Der Probierivage geivogen.
Dan fann die Operation al& gelungen anfehen, wern das
Korn auf feiner Oberfläche Feine Ungleichheit zeigt, recht rund iſt,
und oben von einer hellen weißen Farbe; wenn ed fich ferner von
der Kapelle nach dem Erfalten leicht ablöft, und von unten kry⸗
ſialliniſch iſt. Iſt feine Oberfläche dagegen fpiegelglänzend, fo
iR das ein Zeichen, daß es noch Blei enthält. Iſt das Silber
bom flach, find feine Ränder ſcharf, und hat ed auf der Ober:
fläche graue Flecken; fo war die Menge des Vleied, die zu der
Probe genommen worden ift, zu gering. Am ficheriten ifl ed, wenn .
man von derielben Legierung immer zwei Proben zugleich einfept,
fe an verfchiebenen Stellen der Muffel treiben Täßt, und dann
die Refultate vergleicht, deren Mittel ald firher angenommen wer⸗
den kann, wenn fie nur wenig von einander differiren.
Das Gold verträgt beim Abtreiben eine höhere Hitze als
dad Silber, da es fich nicht fo leicht wie dieſes verflächtigt; dar
ber man auch in der-Regulirung der Hitze weniger Sorgfalt zu
haben braucht. Da jedoch das Gold gewöhnlich auch etwas Sil⸗
ber entHält, Die hiernach nöthige Scheidung des Silbers durch
108 Abtreiben. |
Auflöfung in Salpeterfäure aber, der Erfahrung nach, am. vol⸗
ſtaͤndigſten erfolgt, wenn das Bold etwa + der Legierung ausmacht;
da ferner ein geringer Antheil Kupfer von .dem-&olde fo feit zu-
ruͤckgehalten wird, daß .ohne :Zufag von Silber das Blei ihm
nicht vollfommen abzufcheiden vermag: fo wird dad Bold noch mit
fo viel Silber verfeßt, daß auf ı Theil reines Gold 3 Theile Sil⸗
ber fommen, und dann diefe Legierung noch mis-3 bis 4 Mahl fo
viel Blei, ald die Malle wiegt, auf der Kapelle abgetrieben. Das
‚goldhaltige Silber wird dann auf Den — — geſchieren
= Art. Scheidung.)
Zum Abtreiben größerer Quantitdten Eilber von mehreren
Lothen oder Marken dienen bie Teſte, welche non demfelben Ma—
teriale und derſelben Form ſind, als die Kapellen. Sie werden auf
einem Herde unter einer Haube von feuerfeſtem Thone erhitzt,
welche mit glübenden Kohlen umfchüttet wird.
Die Kapellen oder Abtreibfiherben find Schälchen
von bis 2 Zoll im Durchmeſſer, mit einem ſehr dicken Boden,
und ar balbfuglichen Höhlung, die aus ausgelaugter Holzofche,
and Knochenafche, oder aus einer Mifhung von beiden, verfertigt
find. Ihre Bildung gefchieht in einer Form von Meifing, die
tiefer iſt, als die Dicke der Kapelle betragen foll, eine koniſche Ge⸗
ftalt Hat und mit einem beweglichen Boden verfehen if. Diefe
Form wird mit einer Mafle gefüllt, die aus zwei Theilen ausge-
laugter Holzafche und einem Theile Knochenafche bejteht, die mit
fo viel Wafler befeuchtet ift, daß fie zufammenflcbt, aber beim
Preſſen nicht Tropfen von fi) gibt. Diefe Maffe wird nun in
der Form, nachdem man das Überfliffige mit einer Klinge. von
Aupfer weggenommen, und fie dann mit fehr feiner Knochenaſche
überfiebt bat, mit einem Stempel von Stahl, mit abgerundeter
und polirter Bodenflädhe, zufammengedrüdt, indem man einige
ſtarke Schläge mit einem hölzernen Hammer auf denfelben führt,
bis der vorfpringende Rand des Stempels auf dem Rande der
Form aufliegt. Auf Tafel 3 ſtellt die Fig. 5 die Form mit dem
beweglichen Boden, Fig. 6 den Stempel, und Sig 7 die Form
mit der geichlagenen Kapelle im Durchfchnitte vor. Um nun die
Kapelle ans der Form zu nehmen, flügt man den Boden auf ein
Treibarbeit im Großen. 109
Stud Holz von demfelben Durchmeſſer, und indem man die Form
gelinde nieder drückt, hebt ſich die Kapelle aus derfelben.
Man läßt die fertigen Kapellen anfangs in einem warmen
Zimmer, vom Ofen entfernt, 4 bis .6 Zage lang langfam trocken
werden, und hebt fie dann vor Staub verwahrt auf. Wenn ſie
aber gebraucht werden follen, muß man fie 15 bis 3o Minuten
lang (je nach ihrer Größe) unter der Muffel ausglühen (ab.äth»
men), damit fie noch alle Feuchtigfeit verlieren. Die Höhlung
der Kapelle darf übrigens Feine Riſſe haben, weil fonft dad Me:
tal in fie eindringen würde. Die Größe der Kapelle wird, wie
bereits oben erwähnt, nach der abzutreibenden Bleimenge bemefr
fa, indem a Theil vom Gewicht der Kapellmaſſe das, durd 2
iheile Blei gebildete Oxyd einfaugt.
Aus derfelben Meugung von Holzaſche und Knochenafche,
gewöhnlich aber aus wohl ausgelaugter Holzafche allein, werden
auch die Teſte verfertiget; die Maſſe wird in einen eifernen Ring
geichlagen, und mit einer Vertiefung verfehen, die jedoch geringer
it, ald bei dem Kapellen, fo daß fie einer flachen Schüffel mit
einem dien Boden ähnlich ift.
Im Großen gefchieht das Abtreiben des filberhaltigen Bleies
(ed Verkes, Werkfbleies, auh Neichbleies), welches
aus dem filberhaltigen Bleiglanze genommen wird, auf eigenen
Zreiböfen, die außer dem Peuerraume im Wefentlichen aus
einem flachen, fchüffelförmigen Herde (dem Treibherde) befte:
ben, der aus demfelben Material, ald die Zefte, gefchlagen ift.
Der Herd ift rund; unter demfelben liegt eine nad) derfelben Kon⸗
fasität geformte Ziegelmauer, unter diefer eine Lage feſtgeſtampf⸗
ker gepochter Schladen; und dad Ganze ruht auf Der Grundmauer,
die, wie bei allen Ofen diefer Art, mit den erforderlichen Abzüch⸗
ten zur Ableitung aller Beuchtigfeit verfehen it. Der Herd felbft
iR mit einer, ı Fuß und darüber hohen Mauer (dem Herdkranze)
umgeben, auf welcher die Kappe oder Haube des Treibofens
aufruht, die aus einem eifernen Zuppelförmigen Gerippe befteht,
dad an der untern hohlen Fläche mit Hafen verfehen ift, an des
nen man eine dicke Lage. Lehms als Befchlag befeiliget. Sie fann
nitteiſt einer Kette durch einen Krahn abgehoben werden, wie
das jedes Mahl beim Ausbrechen des. alten, und Schlagen des
110 - Abtreiben.
nenen Herdes gefchieht. Diefe Kappe muß fo niedrig als mög.
lich feyn, um die Hitze auf. das gefchmolzene Metall gehörig zu
refleftiren.
Neben dem Treibofen oder eigentlich dem Herdraum iſt der
Feuerraum oder ſogenannte Windofen angebracht, der aus
einem bedeckten Feuerraunme mit Roſt und Aſchenfall beſteht, und
mit trockenem geſpaltenen Scheitholz und Reiſigbündeln geheitzt
wird, und aus welchem durch eine große Offnung in der den Treib⸗
und Windofen trennenden Mauer das Feuer in den Herdraum
ſchlaͤgt. Dem Windofen gegenüber befindet fich in der den Treib⸗
herd umgebenden Mauer eine große, mit .einer eifernen Thüre
verſchließbare Offnung (das Schurloch), durch welche dad Auf⸗
feben des Werkes gefchieht, und welche zum Abzug der Flamme
Durch die von der Thüre, die an der oberen Seite in Angeln hängt,
an der unteren Seite gelaffene Öffnung dient. Zwedmäßig wird
bier ein Rauchfang (Eife) aufgeftellt, in welchen der Dampf eins
tritt, und fich in einigen oberhalb liegenden Kammern auöbreitet
‚und abfühlt, un die mit fortgeführten, etwas filberhaltigen Blei⸗
dampfe zum Theil abzuſetzen.
Mit diefer Thuͤre in einem rechten Winfel gehen durch den
Herdfranz die beiden Kormen (Ranınen) zweier Blafebälge, des
ren Wind über das fließende Metall, zur Beförderung der Oxy⸗
dation , hinbläft, und deren Offnungen zu diefen Zwecke noch
mit leicht beweglichen, nad) unten: fi öffnenden, klappenaͤhnli⸗
hen Blehen (Schneppern) verfehen find, welche, indem fie vom
Winde gehoben werden, denfelben auf die, Oberfläche des einge-
ſchmolzenen Werfes leiten. Dem Gebläfe beinahe gegenüber, aber
dem Windofen möglichit nahe, befindet fich die Bruft des Ofens,
eine Öffnung, welche bis zur Höhe des Herdes mit der Herdmaſſe
angefüllt ift, in welcher die GTättgaffe, eine Rinne zum Ablau⸗
fen der auf der, Oberfläche der eingeſchmolzenen Werfe fih bilden-
den Blätte, mit dem Glätthafen eingefragt wird. An diefer Offe
nung fann der Zteiber bequemer flehen, da die Flamme auf die
fhräg gegenüber liegende Seite fhlägt. .
Die Big. 8 und 9 (Taf. 3) zeigen den horizontalen mad ſeuf⸗
rechten Durchſchnitt eines foldhen Ofens. a ift des Windefens
Alchenfall, m der Roft, b der Feuerraun mit dem Flammenloch,
Treibarbeit im Großen. 111
gie Treibherd, c der Herdkranz, e,e die beiden Öffnungen in
bemfelben für die Gebläfeformen oder Kannen; f die Bruſt mit
der Slättgafje, d die dem Slammenloche gegenüber ftehende, nfit
einer Thire mehr oder weniger verfchließbare Öffnung, durch
weiche der Rauch in deu Rauchfang h und in die Kühlfammer ges
langt; k ift die bewegliche Haube.
Der Treibherd wird aus wohl andgelangter, auch wohl vor⸗
her zur Zerſtoͤrung der etwa noch vorhandenen vegetabiliſchen
Theile in einem Reverberierofen ausgebrannter Holzaſche, in der ge⸗
hoͤrigen Form, b6bis 7 Zoll dick, fo feſt geſchlagen, daß er mit
den Fingern keinen Eindruck annimmt. Statt der Aſche kann
auch zweckmaͤßig, wie in Schernowitz, eine Mengung von 5 Thei⸗
len Kalkſtein mit ı Theil leicht geröftetem Lehm, beide gepocht
und geſiebt, und mit der nöthigen geringen Menge Waſſer ver-
bunden, angewendet werden, welche Maſſe ı2 bis 14 Zoll hoch
auf der Herdfohle ausgebreitet, und mit eifernen, vorher glühend
gemachten Stößeln nad) der gehörigen Form feitgeftampft wird.
Gegen die Mitte diefed mit einem Krapeifen glatt und eben ge>
ſchabten Herdes, und zwar von dem Mittelpunfte etwas näher
gegen das Flammloch und das Gebläfe hin, wird eine Vertiefung
(die Spur), von etwa a Fuß Durchmeſſer, und im Mittel z, an
der Peripherie z Zoll Tiefe eingefrapt, damit der Silberblick fich
bier fammle. or jedem Zreiben wird im Xreibofen ein neuer
Herd gefchlagen, und die von dem vorigen Treiben unter dem (mit
Glätte imprägnirten) Herde Tiegen gebliebene ungefogene Herd⸗
maffe, der neuen Maffe zugefegt.
Nachdem der Treibherd mit Kohlen abgewärmt worden,
bringt man die Werte, die bei dem früheren Ausfchmelzen in den
Formen in fait halbfuglichen Stücen gebildet find, durch das
Schurloch auf den Herd über einander, entweder auf ein Mahl,
oder bei größeren Maſſen bis zu 100 Zentner, zuerft die eine
Hälfte, indem die zweite Hälfte, wenn das Treiben im Gange
it, allmählich nachgetragen wird. Durch Das anfangs mäßige
Feuer des Windofens wird das Blei nieder geſchmolzen, wobei
die Bruft mit einer beweglichen Ziegelwand zugefebt ift, und der
Abzug der Flamme durch dad Schurlody erfolgt. Sind die Werke
eingefhmolzen, fo wird der Abſtrich oder Abzug der auf der
v⸗
112 Abtreiben.
Oberflaͤche ſchwimmenden Unart durch die geöffnete Bruſt genom⸗
men, dieſe wieder zugeſetzt, hiernach ſtaͤrker gefeuert, und ſobald
die geſchmolzene Metallmaſſe auf der Oberflaͤche eine kochende
Bewegung zeigt, das Geblaͤſe eingehaͤngt, die Bruſt geöffnet,
und abermahls der Abfteich gezogen. Diefe erſten Abftriche ent»
halten nebft der Glätte noch unzerfegten Bleiglanz, und andere
Boſtandtheile des Erzes, in einer firengflüfligeren Schlade; auch
fommt dad Kupfer größten Iheils mit diefer erften Glaͤtte fchon
zur Verfchlafung. Das Feuer wird nun gleichmäßig unterhalten,
während den: die Orybation des Bleies fortfchreitet, und die Slätte,
Die fi) ringe um das gefchmolzene Werf in einer Breite von 6
bis 8 Zoll (dem Slättrande) anfammelt, in dem Maße, als fie
ſich mehr anhäuft, durch die Glaͤttgaſſe abgelaſſen wird. Ein
Theil derfelben faugt fich in den Herd ein, und führt gewoͤhnlich
auch einen bedeutenden Antheil Silber mit; daher die Operation
fo geleitet werden muß, was befonders mit von der feften Beſchaf⸗
fenheit des Treibherdes abhängt, Daß man fo wenig ale möglich)
(eingefogenen) Herd befommt; fondern der größte Theil der Glaͤtte
durch die Glättgaſſe läuft. Das Bliden des Silbers gibt fich
durch eine regenbogenfarbig Tpielende Haut zu. erfennen. Die
Zeeibarbeit wird fonach beendigt; der Silberblick, der fi in der
Spur gefammelt hat, wird nad) dem Erftarren zuerft mit heißem‘
dann mit kaltem Waifer befprengt, um ihn abzufühlen, und mit
dem Silberfpieß herausgehoben. Die Operation des Abtreibens
dauert a4 Stunden, vom Auffegen des Bleies bid zum Abnehmen
des Silbers.
Das Blidfilber dad auf diefe Art erhalten wird, ift ge=
wöhnlich ı4löthig, und enthält außer dem Blei noch Kupfer,
Sinf, Arfenif, Spießglanz, wenn die Bleiglange mit diefen ge=
fchwefelten Metallen verbunden waren. Es wird daher nochmahls
auf einem Tefte unter einer Haube fo lange im glühenden Fluſſe
erhalten, bis es weder dampft, noch Regenbogenfarben mehr
zeigt, und nochmahls blickt. Es heißt nun Brandfilber. Auch
fann die Verfeinerung bis zu 15 Loth 15 Brän noch auf dem Treib-
herde vollendet werden, wenn dem blidienden Silber nad) reines
Glaͤttblei zugefebt wird, um bei dem nunmehr verftärften Beuer
immer fo viel Glätte zu erzeugen, als nöthig ift, un die Silber:
/
Abziehriemen. 113
flaͤhe vor der unmittelbaren Wirkung des Geblaͤſes zu ſchützen,
wodarch in Der heftigen Hitze noch die letzten Antheile des Bleies
and der übrigen Metalle verfchladt ausgefchieden, und zum Theil
verflüchtiget werden. er
Bon der abfallenden Glaͤtte ift diejenige, die gegen Ende
deö Treibens und gegen Annäherung des Blickes fallt, noch filber:
baltig; man reduzirt fie, um fie fpdter dem Werfblei zuzufeßen.
Die einige Zeit nach den Abftrichen fallende Glaͤtte ift die reinfte,
und wird als Bleiglätte verfauft, oder wieder zu Blei verfrifcht
«Glättblei). Auch die gegen das Ende des Treibens fallende, noch
flberhaltige Glätte kann für fich auf Verfauföglätte abgetrieben
werden, wobei das aus etwa go Zentner beftchende Werf, bis auf
einen Zentner Neihblei (den Schwarzblich) abgetrieben wird,
welches nunmehr beinahe das ganze Silber enthält. Der Schwarz:
blik wird dann beim weiteren Treiben den übrigen Reichblei zu:
gefept. Der abfallende Herd, der bei guter Befchaffenheit des
Treibherdes ı* bid 2 Zoll did, und noch bedeutend filberhaltig ift,
(auf b6 Loth im Zentner) wird für fich verfrifcht. Auch die von dem
Slätte und Herdfrifchen fallenden Schladen find noch ſtark bei:
baltig, und muͤſſen weiter zu Gute gebracht werden. -
Die Zreibarbeit ift immer mit einem bedeutenden Verlufte an
Blei (gegen 10 bis 20 Prozent), und an Silber (auf ı Zentner
Bleiabgang 2 bis 4 Loth), defgleichen an Kupfer verbunden, wel:
her durch zweckmaͤßige Auffangung des Treibrauchd nur zum ges
tingen Theil verhütet werden kam. Daß durch diefe Treibarbeit
filberhaltiges Kupfer nicht gefchieden werden-Fönne, ergibt fich aus
der großen Menge Blei (&. 105) welche dazu erforderlich fegn
würde. Zur Silberfcheidung aus ftarf fupferhaltigem Silber, als
der Scheidemünge, wird gegenwärtig Die weit weniger foftfpielige
Scheidung auf dem naffen Wege, durch Schwefelfäure, angewen⸗
det. (S. Art. Scheidung.) |
d. H.
Abziehriemen.
Das Wort Abziehen wird in den techniſchen Kuͤnſten oft
und in mancherlei Bedeutungen gebraucht, Es heißt z. B. fo viel,
als ein Holz oder Metallſtuͤck durch Abfchaben oder Abfeilen der
Tequol. Encyclop. 1, Vd. 8
114 Abziehriemen.
Dberfläche glatt machen; es wird in den Buchdruckereien für das
Abdrucden der Korrefturen gebraucht; ift in der Branntwein⸗
brennerei gleichbedeutend mit Deftilliren,u.f.w. Alle diefe Ope⸗
rationen, welche an anderen Stellen diefed Werfes erörtert wer⸗
den, gehören nicht hierher. Man nennt auch Abziehen diejes
snige Arbeit, durch welche man den Raſiermeſſern, Sedermeilern
und chirurgifchen Inftrumenten die legte Vollendung, und ihrer
Schneide die größte Feinheit gibt. Won diefer Operation, und
von den dazu gebrauchten Werfjeugen, wird im gegenwärtigen
Artifel ausfchließlih die Nede feyn. Das Abziehen der Rafiers
meſſer insbefondere ijt nicht nur für den Mefferfchmied, der dieſel⸗
ben verfertigt, fondern für Jeden, der fich ihrer bedient, von
MWichtigfeit, da es nicht ohne genaue Kenntniß der dazu dienlichen
Geräthfchaften und gewiller Handgriffe mit genügendem Erfolge
vollzogen werben fann.
Wegen. der außerordentlichen Seinheit und Schärfe, welche
die Schneide der Raftermefler erfordert, find dieſe Meier, wenn
man fie auf dem runden Schleifiteine gefchliffen bat, lange nicht
vollendet, fondern fie müflen erft noch einer zweifachen Behandlung
unterworfen werden, welche die Schneide ftufenweife verfeinert,
und alle Rauhigfeiten von derfelben wegnimmt. Dieß ift das
Abziehen auf dem Steine und das Abziehen aufdem
Riemen, Arbeiten, von welchen befonders die letztere auch fpd=
terbin, beim Gebrauche der Meier, fehr oft wiederhohlt werden
muß, um diefelben ſtets in brauchbarem Zuftande zu erhalten.
Der Stein, defien man ſich zum Abziehen der Rafiermeffer
bedient, ift der befannte levantifche Ohlftein, oder ein anderer
gelblicher feinförniger Stein, der davon eigens den Nahmen
Nafiermeffer-Schleifitein erhalten hat; und zwar wendet
man gewöhnlich drei Steine von zunehmender Beinheit des Kornes
nach einander an. Das Meſſer wird dabei in fchräger Richtung,
mit der Schneide voraus, auf dem mit Ohl bejtrichenen flachen
Steine vorfihtig, und ohne Anwendung eines ftarfen Drudes,
bin und ber geführt. Es ift gut, dem erften oder fchärfften Steine,
der auch ein Waſſerſchleifſtein ſeyn kann, eine fonvere Geftalt zu
geben; eben fo, aber in minderem Grade, dem ziveiten, welcher
ein levantifcher ohlſtein iſt. Nur der dritte Stein iſt dann ganz
Abziehriemen, | 115
flach, und Hierzu wählt man einen blauen Schleifftein (Schiefer)
von fehr feinem Korn, auf welchem das Abziehen wieder mit
Bafler geſchieht. Diefe Anordnung fcheint in der That den Vor⸗
jug zu verdienen, da durch die verfchiedene Seftalt der Steine die
Slächen der Mefferflinge, dort wo fie, um die Schneide zu bilden,
jafammenfloßen, nur allmählich ihre fonfave Arünmung, welche
fie von dem Schleifjteine erhalten haben, verlieren, und mit Bei⸗
behaltung des fchärfiten Winkels in ebene Slächen verwandelt
werden,
Dem Abziehen auf dem Steine folgt das Abziehen auf Leder,
welches mit irgend einem feinen Schleifpulver imprägnirt ift. Die
Geite des Leders, welche man zu diefem Behufe in Anfpruch
nimmt, iſt ſtets die rauhe oder Fleiſchſeite; das Leder felbft roth-
gared Kalb» oder Kuhleder. Die einfachfte Seftalt, in welcher
man dasfelbe anwenden kann, ift die eined 24 Zoll langen, ı:
bis 2 Zoll breiten Streifens, der mit einem feiner Enden irgend
wo angehängt, und am andern mit der linken Hand gehalten
wird, während man mit der rechten das Meſſer darauf ftreicht.
Gewöhnlich aber it daB Leder auf Holz befefligt, und die verfchies
den geflalteten Werkzeuge, welche hierdurch entftehen, nennt man
im Allgemeinen Abziehriemen oder Streihriemen. Die
Art der Befeftigung des Leders, oder vielmehr bie Geftalt und
Beſchaffenheit der Unterlage, trägt weſentlich zur Güte des Abzieh⸗
riemens bei, und die verfchiedenen Arten diefer Werfzeuge find
daher nicht von gleichem Werthe.
Meift haben fie eine folhe Einrichtung, daß das Abziehen
zwei Mahl darauf vorgenonmen werden kann, ein Mahl um die
Schneide zu fchärfen, das andere Mahl um fie zu poliren. Man
leimt zu Diefem Behufe das Leder zwei⸗ oder dreifach Auf die beiden
Slähen eines 9 ZoU langen, 14 ZoU breiten, mit einen Griffe
verfehenen Bretchens, wie Fig. ı (Taf. 4) zeigt; oder man fpannt
es über ein zu dieſem Zwede gehörig ausgehöhltes Holzſtück (f.
Fig. 2, 3, 4). In diefem leptern Falle läßt jedoch das Leder bei
längerem Gebrauche nach, und drückt ſich, wenn ein Meſſer dar⸗
über geführt wird, ‘ein: ein für die Schärfe der Schneide nicht
vortheilhafter Umſtand, der am beften vermieden wird, wenn man
gend eine Vorrichtung anbringt, um das Geber allzeit beliebig
8 %
116 AUbziehriemen. »
anzufpannen. An englifchen Streichriemen findet man hierzu haͤu⸗
fig den in Sig. 5 abgebildeten Mechanismus. Der Lederftreifen
a, a ift an den Enden zufammengenäht, und über die zwei vieredi=
gen eifergen Plättchen c, d, gelegt, von welchen das erftere an
den runden Eifenftängelchen e, e, feitgemacht, das zweite, d, aber
auf denfelben mittelft zweier Löcher verfchiebbar iſt. Eine dritte
Platte, £, vereinigt die beiden Stangen am andern Ende. Die
mittelft des Heftes h umzudrehende Schraube g geht frei durch
ein Loch von f, fo wie durch ein Loch des Leder, und hat ihre
Mutter in der Mitte von d. Wird das Heft rechts umgedreht,
fo entfernt ſich d von c, und dad Leder a wird gefpannt; umges
Behrt wird es nachgelaffen, wenn man die Schraube links dreht.
| Bon Vielen wird eine Fonvere Krümmung des Abziehriemens
für vortheilhafter gehalten, alg eine ebene Fläche; daher haben
Riemen von der in Fig. 6, noch mehr von der in Fig. 7 abgebil«
deten Geſtalt (wo beide Seiten mit mehrfachen Leder befleidet find)
Beifall gefunden. Sa man hat fogar, mit der durch Aufeinander:
leimen von 2, 3 bis 6 Lederftreifen erhaltenen Elaftizitäe noch nicht
jufrieden, gefrimmte Stahlfedern flatt des Holzes dem Leder zur
Unterlage gegeben (Fig. 8). Aubrilin Paris verfertigte Ab⸗
ziehriemen, deren Krümmung fich nach jener der Meiferfläche ver⸗
ändern ließ. Sie beftehen aus einem eifernen Stängelchen, von
welchem das eine, zu einer Schraube: gefchnittene Ende in das
hölzerne Heft ded Werkzeuge hineinreicht , indem es durch eine
im Innern dieſes Heftes befindliche Schraubenmutter geht. Das
Stängelchen trägt zwei meflingene Platten; an die erfte derfelben
ift es feftgemacht, durch die zweite geht es durch. Auf diefe
Platten find die Leder aufgezogen, welche Sifchbein und einen
Leinwandftreifen zur Unterlage haben. Indem man das Heft ge:
gen eine der Platten anfchraubt, gibt man den Zifchbeinftreifen,
und folglich dem Leder, diejenige Arummung, welche man für
die mehr oder weniger hohle Släche der abzuziehenden Meffer dien-
lich Halt. Die nähmliche Einrichtung fönnte man dem in Fig. 8
gezeichneten Abziehriemen geben, wenn man hier die Anordnung
fo träfe, daß das Heft b, flatt feft mit dem Schafte c verbunden
zu ſeyn, auf demfelben Hin und her zu fchrauben wäre. Se mehr
man, unter diefer Vorausſetzung, das Heft b dem entgegenges
Abziehriemen, 117
fegten Eude des Niemens nähert, deſto flärfer miffen ſich natuͤr⸗
lich die mit Dem Leder überzogenen Stahlfedern a, a, frümmen.
Die Subſtanzen, welche man auf das Leder der Streichrie⸗
men auftraͤgt, um durch das Abziehen die Schneide der Meſſer
ſcharf zu machen, müſſen hart genug ſeyn, um den Stahl anzu⸗
greifen, zugleich aber eine ſolche Feinheit beſitzen, daß ſie keine
Riſſe und Feine Scharten in der Schneide hervorbringen. Man
bedient fich hauptfächlich des feingefchlämmten Schmirgel®, der
Zimaſche und des Eifenorybes, Letzteres iR das fo genannte En-
gelroth (Kolfothar), (ſ. dieſen Aritel). Man mag nun einen
oder den andern Diefer drei Stoffe anwenden, fo werden diefelben
entweder ohne Zufäg in das Leder des. Abziehriemens eingerieben,
nachdem man dasfelbe mit Öhl beftrichen hat; oder man macht fie
mit wenig Fett zu einem fleifen Teig, bildet daraus Kugeln, und
überftreicht mit diefen den Riemen. Aber auch in diefen Falle iſt
es gut, von Zeit zu Zeit, um die Trodenheit des Leders zu mil⸗
dern, etwas Öhl oder Fett einzureiben. Wenn durch den Ger
brauch) des Riemens das Schleifpulver feine Schärfe verloren hat,
muß e8 mit einem flumpfen Meifer abgeichabt werben, bevor man
neues aufträgt.
Sehr oft begnügt man ſich nicht mit der Anwendung der drei
vorher genannten Subftanzen im reinen Zuftande; fondern man
vermengt fie therld mit einander, theild mit andern Stoffen, um,
wie man glaubt, mittelft folcher Zuſammenſetzungen eine zugleich
fharfe und glatte Schneide durch daB Abziehen hervorzubringen.
Ron mehreren Zubereitungen diefer Art dürften vielleicht die fol
genden am beften zu empfehlen feyn: 1) Schmirgel, Tevantifcher
Schleifftein und Reißblei zu gleichen Theilen, fein 'gepulvert, ge⸗
fhlämmt, und mit Hammeltalg zu einct Pafte — 2)
— zu einem — Pulver zerrieben, mit & Reiß⸗
blei, —; Braunſtein und Engelroth gemengt; zum Auftragen
mit einer Miſchung aus Waliraih „Klauenfett und weißer Seife
angemacht. 3) Zwei Theile Zinnafche, 2 Th. Engelroth, ı Th.
Eifenhammerfchlag, 7 Ih. gepulverter und gefchlämmter levanti⸗
ſcher Schleifftein; das in ein höchit feines Pulver verwandelte Ge-
menge mit 3 Iheilen Ochfenfett, unter Beihülfe der Wärme, zu
einem Zeige gemacht. 4) Ein Theil Engelroth, 1: Th. Zinnafche,
118. Abziehriemen.
5 Th. Schmirgel, 13 Ch. Bimoſtein, 4: Ch. Reißblei, = Tb:
Blutftein, ı Th. Eifenfeilfpäne, fämmtlich fein gepilvert, ge⸗
fhlämmt, getroduet, durcheinander gerieben und gebeutelt;
zum Anmachen: 3 Th. Baumwachs (aus ı Th. gelbem Wachs,
*Th. Harz und + %h. Zerpenthin zufammengefchmolgen), 2 Th.
Seife, 5 Th. Pommade, 2 Th. Baumöpl.
Bei denjenigen Abziehriemen, welche auf zwei Seiten Leder
haben (wie Fig. ı,3,4,5, 7,8), dient die erfte, welche mit einem
der eben angegebenen Schleifmittel imprägnirt ift,. zum Schärfen
der Meffer; die zweite wird fodann benußt, um die Schneide uns
mittelbar vor dem Gebrauche zu poliren. Man trägt zu diefem
Behufe entweder gefchlämmtes-Reißblei*), oder höchft fein gepul⸗
verten blauen Sichfeifftein (Schiefer), mit Baumöhl oder Fett zu
einer Salbe gemacht, auf. Einige fehren zu gleichem Behufe die
glatte oder Narben⸗Seite des Leders auswärts, und ftreichen Die
Mefler ohne alle weitere Zubereitung darauf. Beine Leinwand in
einer doppelten oder dreifachen Lage firaff aufgeipannt, leiftet den
nähmlichen Dienſt. Man fann fich hierzu auch bei dem Streich“
riemen Big. a der untern Seite des Holzes a bedienen. -
Beim Bebrauche der Abziehriemen fommt ed, wenn man des
guten Erfolges ficher ſeyn will, wefentlicd auf die Art, wie man
das Mefler führt, an. Man muß die Klinge etwas fchräg (wie
Fig. ı bei A zeigt) auf den Riemen legen, und dann mit mäßiger
Sefhwindigfeit und nicht zu ftarfem Drude von dem Ende gegen
das von der Iinfen Hand gehaltene Heft a zu, führen, indem
man fie zugleich langſam ihrer eigenen Laͤnge nach herabzieht. Das
vordere Ende des Meſſers kommt hierdurch ebenfalls mit dem Le=
der in Berührung, obgleich ed anfangs weit über dasfelbe hinaus
ſteht. Der nächfte Zug wird vom Hefte des Riemens aus, mit
umgefehrter Lage des Mefferd (wie B zeigt), übrigens aber ganz
auf diefelbe Weife, vorgenommen. Auf diefe Art wird abwech-
felnd fortgefahren. Man muß dabei wohl in Acht nehmen, daß
zwar der Rüden und die Schneide des Meſſers ftetd das Leder
s *) Die fogenannten Stahltafeln, Eleine viereckige Täfelchen, mit
welchen man das Leder der Abziehriemen einreibt, beftehen aus
Reißblei⸗
Abziehriemen. 119
beraten, der Druck der Hand aber, welche das Meffer führt,
mehr auf Die Schneide falle. Zehn bis fünfzehn Züge für jede
Seite des Meflers reichen hin, wenn Die Schneide nicht fehr ſtumpf
and der Riemen in gutem Zuftande ift; auf der Seite, welche zum
Poliren beftimmt ift, kann man das Meffer um einige Mahl.öfter
reichen. .
Die richtige Führung des Meflerd beim Abziehen, und der
gute Zuftand Des Leder (welches weder ausgetrocknet feyn, noch
duch den Gebrauch, welder das Schleifpulver abnutzt, feine
Schärfe verloren haben darf) find für dad Gelingen der Arbeit von
srößerer Wichtigfeit, ald die Korm des Abziehriemens ; indeß ift
doch auch dieſe nicht.ohne Einfluß. Ein gewiffer Grad von Ela-
fijität des Leders wird gewöhnlich für gut gehalten; und er ift es
auch zuverläßig, in fo fern er dazu dient, die Berührung zwifchen
Leder und Meſſer vollfommen gu machen: wa8 aber darüber gebt,
Ihadet. Denn es ift offenbar, daß, wenn fid) dad Mefler in das
Leder bedeutend eindrüden kann, Tebtered vor der Schneide in die
Höhe fteigt, und diefelbe abzurunden firebt. Es ift Daher mindes
fiend unnöthig, das Leder in mehr als zwei auf einander liegen-
den Dicken aufzuleimen. Bedeutender noch ift ein Fehler aller
jener Riemen, bei weldyen das Leder frei, ohne Unterlage, ausge⸗
ſpannt, und Feine Vorrichtung angebracht ift, um dasfelbe, wenn
ed nachgelaſſen bat, wieder ſtraff anzuziehen. Hier biegt ſich
nähmlich der Lederftreif einwärts, und die Mefferflinge läuft fort:
während auf einer hohlen Fläche, wodurd der Winfel an der
Schneide nothivendig zu ſtumpf werden muß, wenn anders nicht
die Schneide felbft fo dünn ift, daß fie dem Drucke nachgibt, und
fid) biegt. Bei der fonveren Form der Abziehriemen (Fig. 6,7,8)
beabfihtigt man ein genaueres Anliegen der Meflerflinge an dem
Leder, wodurch, weil die Krümmung des Riemens ſich einiger
Maßen jener der Meflerfläche nähert, ein fchärferer Wiykel an
der Schneide entitehen fol. Aber dieſer Erfolg wird offenbar da⸗
durch verhindert, daß die Meſſer vorher auf einem flachen Steine
abgezogen worden find, ihre Slächen alfo zunaͤchſt der Schneide
ebene Sacetten erhalten haben, welche durch die Krümmung des
Streichriemens nicht in bemerfbarem Grade verändert werden koͤn⸗
nen, ja Baum mit dem Leber in die nöthige Berührung fommen,
120 Aequivalente.
wenn man nicht den Nüden des Meſſers beim Abziehen ein wenig
| in die Höhe hebt, und von der Släche ded Riemens entfernt. Es
ſcheinen demnach die fonveren Streichriemen feinen wefentlichen
Rorzug vor den flachen zu haben. |
Schlieplich will ich noch eined Kunftgriffes gedenfen, den
Lenormand angibt, und welcher ſehr zum guten Erfolge
des Abziehens beiträgt. Wenn man ein Naftermeffer auf dem
Steine oder auf'dem Niemen abzieht, fo bildet ſich immer ein
Grath, der, fo gering er auch feyn mag, der Schneide fchadet,
wenn er auf jener Seite aufgeworfen ift, welche beim Nafieren
‚von der Haut abgefehrt bleibt. Wenn man auf den Vorgang beim
Abziehen wohl Acht gibt,. fo bemerft man, daß der Grath noth⸗
wendig jede Mahl nach der Seite hin gerichtet ift, welche das
Leder nicht berührt. Endigt man nun dad Abziehen damit, daß
der legte Strich mit dem Meffer vom Hefte des Riemens gegen
das Ende desfelben (d. b. von B nad) A, Fig. ı) gemacht wird,
fo biethet die Schneide des Meſſers (voraudgefeht, dag man mit
der rechten Hand rafiert) eine Rundung der Haut dar, und das
Meffer muß fchlecht oder gar nicht fehneiden. Wird hingegen der
legte Strich beim Abziehen gegen das Heft des Riemens bin (d.B.
von A nach B) gemacht, fo fommt beim Raſieren die Fläche des
Meſſers, wo der Grath aufgeworfen ift, auf die Haut zu liegen,
und das nähmliche Meifer wird demnach eine gute Schneide zeigen.
Ä 8. 8.
Aequivalente (hemifche).
Die neueren Unterfuchungen der Chemiker haben gelehrt,
daß die Stoffe, aus welchen.die verfchiedenen durch Natur und
Kunſt erzeugten Körper beftehen, fich Feineswegs in allen denfba=
ren Verhältnijfen der Menge mit einander vereinigen (in welchem
Zalle die Anzahl möglicher Werbindungen unendlich groß feyn
würde); fondern daß ihre Vereinigung in wenigen und beftimmten
Berhältniffen erfolgt, dag mithin die Anzahl von Verbindungen,
welche aus den nähmlichen Beftandtheilen gebildet find, befchränfet
iſt. Es iſt alfo nicht nur gewiß (was aus der Natur der Sache
einleuchtend wäre, wenn auch die Erfahrung e8 nicht gezeigt hätte),
daß die nähmlichen Beftandftoffe zur Bildung des nähmlichen Kör«
Begriff der Aequivalente. 121
yon (. 8. Ealpeterfänre und Kali zur Bildung des Salpeters)
has im nähmlichen Verhältnifie dev Menge zufammmitreten; fonts
dern man weiß auch, ‚Daß die nähmlichen. Beftandtheile nur eine
feine Anzahl folcher beftimmter Verbindungen darzuftellen vermöde
gen. Die wirklichen oder [heinbaren Ausnahmen von diefer Re⸗
gel aufzuzaͤhlen und kritiſch zu beleuchten, ift Sache des theoretis
fhen Chemilers; aber das Geſetz und ben daraus zu ziehenden
maftifchen Nugen kennen muß felbft der wiſſenſchaftliche Techniker,
der nicht weiter in die chemifchen Lehren einzubringen verlangt,
als fie fich für ihn fruchtbar zeigen. Die für den gegenwärtigen
Zweck nöthige Behandlungsart des Gegenſtandes ergibt ſich hieraus
von ſelbſt.
Die einfachen Verbindungs⸗ oder Miſchungsberhältniſſe ſind
Wefonders bei gasfoͤrmigen Körpern ſehr in die- Augen -fallend.
Man fennt bis jegt vier einfache Stoffe, welche in ihrem gewoͤhn⸗
lichen Juſtande die Gas⸗ oder Luftform haben; und diefe vereinigen
fh, um chemiſche Verbindungen zu bilben, ſtets fo mit einander,
daß ı,2, 3 Raumtheile (Wolumina) des einen auf ı Raumtheil
(Volumen) des andern, oder 3, 5; 9 Naumtheile des erftern auf
3 Rh. des legtern kommen.
Es bilden nähmlich:
3 Reh. Waſſerſtoffg. mit ı Rth. Sauerſtoffg.: Waſſer,
2» Stickgas »ı » 2) : Oxyd. Stickgas,
1» » >» 1» » : Salpetergad,
>» » »3» » _ :Unterfalpetr. Säure,
ı >» » » 3» » : Galpetrige Säure,
>» r »5 » » : Salpeterfäure,
ı > » » 3 » Waflerfloffg. : Ammoniak,
» »Chlorgas » 1 » Sauerfioffg. : Chlororydul,
. > » „ 3°» » —
1 >» » »” al» » } Chloroxyd,
I» » »5 » 2» 000. Chlorfäure,
ı» » »7» » : Oxyd. Chlorfäure,
ı» » » 1 » Wafferfloffg. : Salzfäure,
I» » » ı » Ötidgad : Ehlorftictoff.
Hehe Einfachheit und Regelmaͤßigkeit bene man bei der Ver⸗
122 Aequivalente.
einigung zuſammengeſetzter Gasarten mit andern, ſowohl cinfa-
chen als zuſammengeſetzten Gaſen. So eutſteht:
aus ı Rth. Cyangas
Blauſaͤure in ı » MWafferftoffgas,
| aus a » Kohlenorydgas
Koplenjäure : i > ı » Bauerftoffgas,
| aus ı » Kohlenorydgas
Phosgengad . 2 P nd 2» Chlorgas,
ı » öhlbildendem Gab
Chlor⸗ Kohlenwaſſerſtoff mb ı =» Chlorgas,
ı » Sohlenfaurem Gas
Kohlenſaures Ammoniaf > und 2 » Ammoniafgas,
: (aus ı =» falzfaurem Gab
Salmit. Yun ı » Ammoniakgas.
Bei gleihen räumlichen Mengen verfchiedener Körper. druͤ⸗
den die fpezififchen Gewichte derfelben das Verhaͤltniß der abſolu⸗
ten Gewichte aus. Es ift daher leicht, die Raumtheile auf Ges
wichttheile zu reduziren. Denn fept man das Gewicht irgend eines‘
zur Vergleichung beliebig gewählten Raumtheiles von einem der
Safe = 100 (Grane oder andere beliebige Gewichttheile), fo er⸗
gibt fi durch Berechnung einfacher Proportionen das Gewicht
eines eben folchen Raumtheiles von jedem andern Gaſe (in Gra⸗
nen, oder überhaupt in den nähmlichen Gewichttbeilen ausgedrüdt).
Man Iaffe 3. ©. das Gewicht 100 für ı Rth. Sauerftoffgas gel⸗
ten. "Das fpezifiiche Gewicht des Sauerftoffgafes ift = 1.1026
(mit jenem der atmofphärifchen Luft ale Einheit verglichen) ; das
Waſſerſtoffgad hat ein fpezififches Gewicht — 0.0688, das Stick⸗
gas — 0.976, das Chlorgad — 2.44: daher wiegt der. nähmliche
Raumtheil von Waflerftoffgas 6.24, von Stidgas 88,52, von
Chlorgas 231.32 ; weil
1.1026 : 100 == 0.0688 : 6.24
== 0.976 : 88,52
== 2.44 : 2321.38. |
| Da diefe Zahlen die Gewichte der gleich großen Raumtheile
ausdrüden, fo fönnen fie auch anflatt dieſer gefebt werden; und
fo wie ſich die genannten, vier Stoffe nach einfachen Zahlen der
Beflimmung der Hequivalente. 123
Kasmiheile unter einander verbinden, fo verbinden fie ſich auch
sad den angegebenen Sewichtmengen, welche entweder einfach
genommen, oder mit 2,3, u. f. w. multipliziert werden muͤſſen.
ir. ganz einerlei, ob angegeben wird, daß im Waſſer
ı Raumtheil Sauerfloff mit 2 Ranmtheilen Waflerftoff vereinigt
fg, oder daß dasfelbe aus ı Mahl 100 (= 100) Xheilen Sauer⸗
Roff und 2. Mahl 6.24 (— 12.48) Theilen Waflerfloff, dem Ges
wichte nach, beſtehe. Die folcher Geftalt den vier einfachen Ga⸗
fen beigelegten Gewichte, uach welchen fie in chemifche Verbin⸗
dungen oder Mifchungen eingeben, nennt man ſehr paflend ihre
Miſchungsgewichte. Mannennt fie auch hemifche Aequi⸗
valente, weil fie fämmtlich einer gleichen Größe (naͤhmlich einem
Raumtheile oder Volumen) entfprechen, und fomit gleichjam
einerlei Werth bei der Bildung von hemifchen Zuſammenſe⸗
hungen haben. Diejenigen Naturforfcher, welche fich alle Körper
aus gewiſſen, äußerft Fleinen Theilchen, welche Atome beißen,
jufommengefept denfen, nehmen an, daß dad Gewicht diefer
Atome bei verfchiedenen Körpern in eben dem Verhaͤltniſſe ftehe,-
welches zwifchen den Mifchungsgewichten Statt findet, und nen«
nen diefe Tegtern Atomgewichte. Ein Atom des Waflerfioffs
wiegt nach Diefer Anficht 6.24, wenn das Gewicht eined Sauer:
ſtoff⸗ Atoms durch 100 ausgedrüdt wird; und dieſe Zahlen fönnen
tihtig feyn, wenn es die atomiftifche Anficht überhaupt ift, weiß
fie nur das verhältnißmäßige, Feineswegs das abfolute Gewicht
der Atome angeben follen. Die Lehre, welche fich mit der Bes
kimmung der Atom⸗ oder Mifchungsgewichte (Aequivalente), und
mit der Auseinanderfegung der daraus fließenden Gefege befaßt,
wird Stöchiometrie genannt, Sie ift ein Theil der theoretis
ſchen Chemie.
Es iſt nicht möglich, die Wiiſchungsgewichte aller einfachen
Stoffe auf dem fo eben bezeichneten Wege zu finden, weil, wie
gefagt, nur die oben genannten vier in ihrem gewöhnlichen Zu⸗
Rande die Gasgeſtalt befigen. Überdieß unterliegt die genaue Be-
fimmung bes fpezififchen Gewichtes der Bafe (auf welche bier
Aled ankommt) oft bedeutenden Schwierigfeiten. Aber durch
mancherlei Betrachtungen, welche die Unterfuchung und Verglei⸗
Yung der chemifchen Verbindungen an. die Hand gibt, laͤßt fich
124 Aequivalente.
in den meiſten Faͤllen mit groͤßter Wahrſcheinlichkeit die relative
Bahl von Raumtheilen oder Atomen ber Beſtandtheile ausfindig
machen, welche in zufammengefepten Körpern enthalten find; und
wenn man dann nur durch genaue Analyfen das Verhaͤltniß der
Beltandtheile nach dem Gewichte weiß, fo Täßt fi) daraus leicht
das Miſchungs⸗ oder Atontgewicht berechnen. Dan wählt zu dies
fen Beftimmungen gewöhnlich die Verbindungen der Körper mie
Sauerftoff, weil diefe am häufigften vorfonmen, bie meiften Zus
ſammenſetzungen eingeben, und leichter. als viele andere analyfirt
werden fünnen. Dad Verfahren bei der Berechnung foll an eini=
gen Veifpielen gezeigt werden, damit die Vergleichung dieſes We⸗
ge6 mit dem obigen möglich werbe.
Wafferftoff. Das Waller befteht, nach den genaueften
Analyfen, in 200 Gewichttheilen aus 88.91 Sauerfloff und 11.09
Waſſerſtoff. Man weiß, daß das Waffer Durch die Vereinigung
von ı Raumtheile Sauerftoff mit 2 Raumtheilen Wafferftoff ge⸗
bildet wird; es wiegen daher = Rth. Waflerftoff 11.09, wenn
1 Rth. Sauerftoff 88.91 wiegt. Drüdt man aber das Gewicht des
legtern, wie oben gefchehen ift, Durch 100 aus, fo ift das Gewicht
von 2 Rth. Waflerfloff, aus der Proportion 88.91: 100 = 11.09
x berechnet, == 12.48, mithin das Gewicht eines Rth. = 6.24.
Stidftoff. Um Salpeterfäure zu bilden, vereinigen fich
2 Rth. Stickgas mit 5 Rth. Sauerfloffgad; dem Gewichte nach
beſteht aber die Salpeterfäure in 100 Theilen aus 26.15 Stickſtoff
und 73.85 Sauerfioff. Ein Rth. Stickſtoff wiegt Demnach 26.15
== 13.075, wenn ı Rth. Sauerftoff * = 14.77 wiegt. Um
wieder dad Gewicht des Sauerftoffs auf 100 zu bringen, fest man
folgende Proportion: 14.77 : 100 = 13.075 :x, und hieraus
findet man das Mifchungögewicht oder Aequivalent des Stickſtoffs
== 88,52.
- Schwefel. Die.\Schwefelfäure befteht in 100 Theilen,
dem Gewichte nach, aus 40.14 Schwefel und 59.86 Sauerftoff,
und enthält, den wahrfcheinlichften Vermuthungen nad, ı Volum
oder Mifchungsgewicht Schwefel gegen: 3 Rth. Sauerſtoff. Da⸗
ber ift das Mifchungsgewicht des Schwefeld = 40.14, wenn jenes
Beſtimmung der Aequivalente. - 125
des Gauerſtoffs — == = 19.953 ift; und ſetzt man letzteres
auf ıoo, fo wird, * der — 19.953: 100 = 40.14: x
herechnet, das erfiere = 201.17
Kupfer. Sm — hat man durch genaue Analy⸗
fen 20.17 pr. Et. Sauerſtoff gegen 79.83 pr. Ct. Kupfer gefunden.
Beun, wie ed wahrfcheinlich iſt, jeder dieſer Beftandtheile ı Mi⸗
ſchungsgewicht oder Aequivalent ausmacht, fo findet man durch
die Proportion 20.17 : 100 = 79.83 : x das Mifchungdgewicht
des Kupfers — = 395.7, wenn jened ded Sauerſtoffs — 100 vors
ansgeſetzt wird.
Da die Zahlen der Mifchungsgewichte ſtets nur ein Verhaͤlt⸗
np, Feine abfolute Größe ausdruͤcken, fo ift ed nöthig, fie ſaͤmmt⸗
lich auf eine unter ihnen ald Maßſtab gewäßlte zu beziehen; gerade
wie bei der Angabe des fpezifiichen Gewichtes der Körper alle die
Zahlen, Durch weiche man dasfelbe ausdrüdt, auf das als Ein»
heit gefegte fpezififche Gewicht des Waſſers oder der Luft bezogen
werden. So wie man aber hier auch jeden andern Körper für .
diefen Zweck Hätte wählen, und fein fpezififched Gewicht durch eine
andere Zahl ald ı hätte bezeichnen fönnen; fo ift auch die Wahl
des als Maßſtab für die Zahlen der Mifchungsgewichte dienenden
Körpers , und die ihm beizulegende Zahl, der Willfür überlaffen.
Hinſichtlich des erften Punftes weichen die Chemifer darin von
einander ab, daß einige den Sauerftoff, andere den Wallerftoff
gewählt Haben. Die letzteren bezeichnen das Mifchungsgewicht
des Waſſerſtoffs immer mit 1; erftere das des Sauerftoffs bald
mit 1, bald mit 10, bald (und zwar am gewöhnlichften, daher
dieß auch in den obigen Beifpielen gefchehen ift) mit 100, wonach
andy die Zahlen der übrigen Körper verfchieden ausfallen. Eine
fernere Urſache, daß nicht alle Chemiker die Zahlen der Miſchungs⸗
gewichte in übereinſtimmung annehmen, liegt in der Unſicherheit,
welche immer in einem gewiſſen Grade darüber herrſcht, wie viele
Miſchungsgewichte die chemiſchen Verbindungen von jenen ihrer
Beftandtheile enthalten, die ſich nicht in Gasgeſtalt darftellen
laſſen. Es iſt 5. B. einleuchtend, daß im oben angeführten Beir
piele das Mifchungsgewichtdes Kupfer doppelt fo groß gefunden
worden wäre, wenn man hätte vorausfegen wollen, daß das Oxyd
126 Yequivalente:
dieſes Metalles a Miſchungsgewichte (oder Rth.) Sauerſtoff gegen
ı Miſchungsgewicht Kupfer enthalte. Zweifelhafte Säle dieſer
Art fommen häufig vor, da die allermeiften einfachen Stoffe feit
oder tropfbar flüflig, mithin mit den Gaſen durch Meilung nicht
vergleichbar find.
In der nun folgenden Tafel findet man die Aequivalente,
Miſchungs⸗ oder Atomgewichte fämmtlicher einfachen Stoffe nach
den neueften und zuverläßigften Beſtimmungen angegeben, und
zwar nicht nur in Beziehung auf den Sauerftoff als 100, fondern
auch in Beziehung auf den Wafferftoff, wenn derfelbe zur Einheit
genommen wird. Die beigefegten Buchitaben find die Zeichen,
durch welche die einfachen Stoffe in den fpäter zu erflärenden ch e⸗
mifhen Formeln vorgeftellt werden: fie find aus den. An⸗
fongsbuchftaben der Tateinifhen Benennungen, im nöthigen Balle
mit Hinzufügung noch eined Buchftabens, gebildet.
Napmen & Yequivalent
der Stoffe = Sauerftoff | ——
cn == 100
Sauerftoff O 100 16.03
Waſſerſtoff H. 6.24 1
Stickſtoff N 88.58 ' 14.19
Schwefel 8 201.17 32.24
Phosphor pP 196.16 31.44
Chlor Cl 321.38 . 35.47
Brom Br 489.15 8.39
Jod I 789.14 126.46
Sluor . F 116.90 18.73
Kohlenftoff C 76.44 12.25
Sr . B 135.98 21.79
Silicium Si 277.48 44.47
Selen. Se 494.58 79.26
Arfenif : As 470.04 75.33
Chrom . Cr 351.82 56.38
Molybdän Mo 598.52 95.92
Wolfram w 1183.20 189.62
Antimon Sb | . 806.45 129.24
Aequivalente der einfachen Stoffe, 127
Aeq nivalent
Nahmen
der Stoffe.
JTellur.
Te 806.45 129.24
| Zantal . F Ta 1153.71 184.90
| Titan 5 Ti 308.69 48.67
| Dömium. 2 Os 1244.21 199.39
Sb . i Au 1243.01 199.21
| Iridium . Ir 1233.26 197.64
| Rhodium . R E 651.40 104.39
| Platin . . Pt 1233.26 197.64
Palladium . Pd 665.84 106.70
| Quediilber - Hg 1265.82 202.86
Silber . . Ag 1351.61 216.61
Sfr -. Cu 395.70 63.48
Un . V 2711,36 434.53
| Zismuth j Bi 1330.38 313.21
| In . Sn | 735.29 | 117.84
Be . . Pb 1294.50 .| 207.46
J Kadmium Cd 696.77 1121.66
| in... Zn 403.23 64.ba
| Kobalt . Co 368.99 59.13
NdE . Ni 369.67 59.24
|&fen . - Fe 339.21 54.36
| Mangan . Mn 355.79 57.03
tr . » Ce 574.73 92.10
Aumium . Al 271.17 37.43
Zirkonium Zr 420.24 67.35
| Yteium Y 401.84 64.39
| Serplium « Be 331.48 53.12.
| Magnum . Mg 158.35 25.38
| Kalzium. Ca 356.02 41,03
| Steontium " . Sr 547.28 87.71
| Baryum . Ba 856.88 137.38
| Eithium . .. L 127.76 20.47
' Natrium . « Na # 3290.90 46.62 |
| Kalium . K 489.92 , 78.52
128 Aequivalente.
Nach diefen Mifchumgsgewichten vereinigen fich Die einfachen
" Körper dergeftalt, daß das Mifhungsgewicht eined jeden unter
ihnen für die Verbindungen mit allen übrigen Körpern gültig ift.
Der einfachfte Fall, welcher bei folhen Verbindungen Statt has
ben faun, ift der, daß darin von jedem der Beftandtheile gleich
viele Mifhungsgewichte oder Aequivalente enthalten find, fo daß
man fich ı Atom de8 einen Körpers wieder mit ı Atgme des an«
dern Körperd vereinigt denfen muß. Dieß ift aber keineswegs die
einzige Verbindungsart ; fondern fehr häufig nimmt 1 Atom oder
Mifchungdgewicht des einen Stoffes 2, 3, oder mehrere Atome
oder Mifchungsgewichte eines andern Stoffes auf; zuweilen end-
lich vereinigen fi auch zwei Stoffe in der Art, daß die Verbin:
dung a Atome des einen Beflandtheild gegen 2,3, 4, 5 oder 6
Atome des andern enthält. Beiſpiele zu allen diefen Faͤllen find
Die folgenden: on :
Im Eifenorydul ift ein Atom (Mifhungsgewicht) = 339. ı
Eifen mit ı Atom = 100 Sauerftoff verbunden. Die fchwefliche
Säure enthält auf ı Atom — 201.17 Schwefel 2 Atome — 200
Sauerftoff, die Schwefelfäure auf eine glei „e Menge Schwefel
3 Atome = 300 :Sauerfloff; das Cyan auf 2 Atome — 177.04
Stickſtoff 2., Atome = 152.88 Kohlenſtoff; das Eifenoryd auf 2
Atome = 678.42 Eifen 3 Atome = 300 Sauerftoff; die Salpeter«
fäure auf 2 Atome = 177.04 Stickſtoff Atome = 500 Bauer-
ſtoff; dad Ammoniaf auf eben diefe Menge Stickſtoff 6 Atome
== 37.44 Waſſerſtoff, u. ſ. w.
Auch wenn mehr als zwei einfache Körper fich vereinigen,
fo gefchieht dieß nach den vorjtehenden Mifchungsgewichten, vder
nach Vielfachen derfelben. Jeder Stoff geht dabei nach dem ihm
eigenthümlichen Miſchungsgewichte in die Verbindung ein, unab⸗
haͤngig von allen übrigen zugleich vorhandenen Beſtandtheilen.
Die Verhältnigmenge,* in welcher ein zufammengefepter Körper
fi) mit anderen zuſammengeſetzten Körpern vereinigt (d. h. fein
Mifhungsgewicht oder Aequivalent) findet. man daher. durch Addi-
tion der Mifchungdgewichte feiner Beftandtheile. 3. 8. das Eifen-
orydul beſteht aus ı Mifchungsgewihte. —= 339.21 Eifen und
ı Mg. — 100 Sauerftoff; die Schwefelfäure aus Mg. 201.17
Schwefel und 3 Mg. = 300 Sauerfloff; und wenn ſich ‚beide
Stöchiometrifche Geſetze. 129
miteinander verbinden, fo gefchieht dieß in dem Verhaͤltniſſe von
50.17 Schwefelfäure und 439.21 Eifenorydul, weil Eifen und
Eqnefel gerade fo mit den ihnen eigenthümlichen Miſchungsge⸗
wihten 339.21 und 201.17 in die Verbindung eingehen, als ob
kin Gauerſtoff vorhanden wäre. Finden zwifchen zufammengefep-
ten Körpern mehrere Verbindungen in verfchiedenen Verhältnijfen
Btatt, fo find fie, aus eben diefem Grunde, wieder nach Vielfa⸗
hen der Mifchungdgewichte zuſammengeſetzt. So ift z. B. daß '
Rg. der Schwefelfäure = 501.17 (1 Mg. Schwefel = 201.17
+IMg. Sauerftoff = 300), jenes des Kali = 589.92 (1 Mg.
Kalium = 489.92 + ı Mg. Sauerjtoff= 100). Kali und Schwer
felfäure vereinigen fi), und bilden ein neutraled und zwei faure
Salze: das neutrale oder einfach: fchwefelfaure Kali enthält auf
ı Mg = 589.92 Kali ı Mg. == 501.17 Schwefelfäure; das an-
derthalb- fchwefelfaure Kali auf 2 Mg. — 1179.84 Kali 3 Mg.
= 1503.51 Schwefelfäure; und das doppelt: fchwefelfaure Kali
aufı Ma. Kali a Mg. = 1002.34 Schwefelſaͤure.
Aus dem flöchiometrifchen Grundgeſetze: daß die Stoffe fidy
nach ihren einfachen oder mehrfach genommenen Mifchungsgewich-
ten unter einander verbinden, fließen mehrere für Die theoretifche
Chemie und zum Theile felbit für praftifhe Zwede wichtige Fol⸗
gerungen:
1) Wenn zwei Stoffe in mehr ald Einem Verhaͤltniſſe ſich
mit einander verbinden, fo find die Quantitäten des einen Stoffes,
welhe von einer gewijlen Menge des andern‘ aufgenommen wers
den, zu einander in einem folchen Verhaͤltniſſe, daß fie ſammtlich
der kleinſten unter ihnen durch die Multiplikation mit 12, 2,
3;,3,4 und anderen ganzen Zahlen entfichen. So bildet der
— mit dem Sauerſtoffe vier Verbindungen, welche auf 100
Theile Schwefel nachſtehende Mengen von Sauerſtoff enthalten:
Die unterſchwefliche Säure (ı Mg. Schw. + 1 Mg. S.) 49.7(1)
Die hweflihe Säure (1 Mg. Schw. - 2 Mg. ©.)| 99.4 (2)
Die Unterfchwefelfäure (a Mg. Schw. 5Mg. S.) 124.2 (25)
Die Schwefelfäure (1 Mg. Schw. + 3 Mg. ©.) 149.1 (3).
Jn den vorhin angeführten drei Arten des ſchwefelſauren Kali ver-
halten fich die mit einer gleichen Menge Kali verbundenen Mengen
bom Schwefelfäure wie die Zahlen ı , 15, 2; 4. f. w.
Ugmel. Encyclop. 1: 0% 9
130 Aequivalente.
a) Wenn zwei zuſammengeſetzte Körper ſich mit einander
vereinigen, welche einen Beftanbtheil gemeinfchaftlih haben; fo
ift die Menge dieſes Beftandtheild in dem einen Körper entweder
der Dienge desſelben in dem andern Körper gleich, ober ein Viel⸗
faches derfelben mit 12, 2, 22, 3, 4, 5, u ſ. w. So beſteht z. B.
das Fohlenfaure Natron aus ı Mg. — 390.9 Natron und ı Mg.
== 276.44 Kohlenfäure, oder in 100 Theilen aus
58.58 Natron, welche Sauerftoff enthalten 14.99 (1)
41.42 Koblenfäure, » > ”» 20.98 (2)
Hier ift alfo der Sauerſtoff⸗ Gehalt der Kohlenfäure das Zweifache
von jenem des Natrond. Diefes Geſetz gilt auch für mehr als
zwei fich vereinigende Körper, wenn Diejelben einen Beftandtheil
gemein haben. Wenn z. ©. das kohlenſaure Natron kryſtalliſirt,
fo nimmt ı Mg. des wailerfreien Salzes 10 Mg. Kryftallwaffer,
dder 100 Theile nehmen 168.5 Theile Wailer auf, welche 149.9
Sauerftoff enthalten. Diefe Sauerfloff-Menge it das Zehnfache
von jener des Natrond.
Der Sauerftoff ift jener Körper, an welchem diefes Geſez
am öfteften zu beobachten ift, und zwar insbefondere in den Sal⸗
zen, bei welchen ſtets zwifhen Säure und Baſis ein einfaches Ver«
haͤltniß der Sauerftoff: Mengen Statt findet. Diefed Verhaͤltniß
ift bei allen auf gleicher Saͤttigungsſtufe flehenden Salzen einer
und der nähmlichen Säure immer unveränderlich das nähmliche.
So enthält die Säure in den neutralen fohlenfauren und fchweflich“
fauren Salzen 2 Mahl, in den neutralen phosphorfauren und ar⸗
feniffauren Salzen 25 Mahl, in den neutralen fchwefelfauren
Salzen 3 Mahl, in den neutralen falpeterfauren Salzen 5 Mahl,
in den neutralen borarfauren Salzen 6 Mahl fo viel Sauerftoff,
als die damit verbundene Bafid. Jede Säure verlangt daher in
der von ihr zu neutralifirenden Baſis eine gewiffe Menge Sauer:
floff; und nur von diefer letztern haͤngt es ab, wie viel von einer
Baſis durch. eine angegebene Menge einer Säure neutralifirt oder
gefättiget werden kann. Die Fähigkeit der Säuren, gerade eine
beftimmte Menge Bafis zu fättigen, nennt man ihre Sätti gung
Kapazität; und diefe wird, der leichten Vergleichung wegen,
ausgedrückt Durch die Menge Sanerftoff, welche in der von 100
Gewichttheilen der Säure gefättigten (neutralifirten) Baſis enthale
Stöchiometriſche Geſetze. 151
ter ſud. Wenn alfo die Sättigungs» Kapazität der Koblenfäure
=3%.17 angegeben wird, fo heißt dieſes, daß 100 Theile Koh⸗
bafänre, um mit irgend einer Bafis ein neutrales Salz zu bilden,
gerade mit einer folchen Menge derfelben fich verbinden, welche
3.17 Sauerftoff enthält. Diefer Umftand ift Urfache, daß eine
gleiche Menge der nähmlichen Säure, um neusralifirt zu werben,
fo ungleiche Mengen von den verfchiedenen Bafen aufnimmt, So
werden 100 Theile Kohlenfäure neutralifirt Durch 141.39 Nateon,
213.37 Kali, 128.77 Kalk, 346.1 Baryt, 504.39 Bleioryd, und
in jeder diefer Quantitäten find 36.17 Ih. Sauerftoff enthalten.
Die Sättigungs- Kapazität ber Sduren ift fehr ungleich; fie beträgt
z. ©. für die Schwefelfäure 19.95, für die Phosphorfäure 22:4 1
für die Salpeterfäure 14.77, für die Borarfäure 11.47, u: f. w.
3) Wenn zwei mit einander in Verbindung befindliche Koͤr⸗
rer ſich gleichzeitig mit einem dritten Körper, und insbefondere
mit Sauerftoff, vereinigen, fo entitehen die new fich bildenden
Zufammerfegungen gerade in folcher relativer Menge, daß, wenw
fie der Vereinigung mit einander fähig find, von feiner ein Übers
ſchuß bleibt. Dieſer Sal tritt z. B. ein bei der Orydation der ges
röfteten Schwefeltiefe, wenn man Eifenvitriol aus denfelben bes
reitet. Diefe Kiefe beftehen, nachdem durch das Röften ein Theil
ded Schwefels entfernt worden ift, größten Theild aus Schwefel:
äfen, welches ı Mg. = 339.21 Eifen gegen ı Mg. = 201.17
Schwefel enthält. Bei der Verwitterung wird durch beit Sauers
ſtoff der Luft das Eifen in Eifenorydul (Mg: — 439.21) und der
Schwefel in Schwefelfäure (Mg. = 501.17) verwandelt: dieſe
beiden find dann gerade in jenem Verhaͤltniſſe vorhanden, In wels
chem fie fich zu fchwefslfaurem Eifenorydul vereinigen koͤnnen.
4) Umgekehrt gefchieht es, daß, wenn jwei mit einander vers
bundenen ospdisten Körpern der Sauerſtoff entzogen wird, die
ruͤckſtaͤndigen Grundlagen der Oxyde wieder eine Verbindung mit
einander bilven, ohne daß ein Theil der einen oder Dee andern
überſchüſſig iſt. So bleiben nady dem Erhitzen des chlorſauten
Kali, wobei der Sauerſtoff dieſes Salzes ſich entwickelt, Chlor
und Kalium gerade in jener verhaͤltnißmaͤßigen Menge zuruͤck, bei
welher fie Chlorkalium bilden. Denn » Mg. dylorfaures Kali
zu 1539.56 enthält ı Mg. == 943.64 Chlorfäute und 1 Mg.
, 9*
132 Aequivalente.
= 589.93 Kali. In der Säure ſind Mg. — 448.64 Chlor;
im Kali ift ı Mg. = 489.92 Kalium: und ı Mg. Kalium erfor-
dert, um in Chlorfalium verwandelt zu werden, eben a Mg. Chlor.
5) Wenn zwei Körper durch doppelte Wahlverwandtſchaft
ſich gegenſeitig zerſetzen, ſo werden neue Verbindungen gebildet,
obne daß von einem der Beftandtheile ein Überfchuß bleibt. 3.8.
wenn zur Bereitung des Schwefelwaſſerſtoffgaſes verdünnte Schwe⸗
felfäure auf Schwefeleifen gegoffen wird, fo zerlegen fich das Waf-
fer der Säure und dad Schwefelmetall gegenfeitig. Ein Mg.
— 540.38 Schwefeleifen enthält ı Mg. = 339.21 Eifen gegen
ı Mg. = 201.17 Schwefel. Ein Mg. Schwefel verlangt zur
Umwandlung in Hydrothionfäure 2 Mg. — 12.48 Wafferitoff;
um diefe zu verfchaffen muß ı Dig. Waller = 112.48 zerlegt wer-
den, und ı Mg. Sauerftoff (— 100), welches in legterem ent⸗
halten ift, reicht gerade hin, das Eifen in Orydul zu verwandeln,
welches fich hierauf mit der Schwefelfäure verbindet. Bei der
‚wechfelfeitigen Zerlegung der Salze tritt der nähmliche Fall ein;
und daher entfliehen aus zwei neutralen Salzen durch doppelte
Wahlverwandtfchaft faſt ohne Ausnahme wieder zwei neutrale
Salze. Als Beifpiel kann die Zerlegung des Fohlenfauren Ammo-
niaks durch Gyps in der Salmiaffabrifation dienen. Es befteht
ı Mg. = 490.92 kohlenſ. Ammoniaf
aus
276.44 Soblenfäure . .. 914.48 Ammoniak;
Mg. = 857.19 Gyps
aus
350.02 Kalt..... 501.17 Schwefelfäure;
und wenn dieſe beiden Salze ſich zerfegen, fo findet jede Säure
genau wieder fo viel Baſis, als fie bedarf; denn 276.44 Kohlen⸗
fäure werden durch 356.02 Kalf, und 501.17 Schwefelfäure Bun
314.48 Ammoniaf neutralifirt.
Um die Art der Verbindung und das Mengenverhältniß der
Beftandtheile in zufammengefegten Körpern leicht überfehen zu Fön
nen, bedient man fich mit Vortheil gewifler, aus Buchftaben und
Zahlen gebildeter Formeln, welche einiger Maßen die Stelle
der. bei den Altern Chemifern üblich gewefenen Zeichen vertreten,
obfchon fie im Grunde einen verfhiedenen Zweck haben, und dies
Chemifche Kormeln. 133
ſchen an Zweckmaͤßigkeit und wirffichem Nugen weit übertreffen,
Es A bereits oben in der Tabelle der einfachen Stoffe angezeigt
saden, daß man für jeden diefer Stoffe einen, auch zwei Buch-
Baben als Zeichen gewählt hat, um abgefürzt den Nahmen desſel⸗
ben audzudbrüden ; und fo wie durch Addition der Miſchungsge⸗
wihte einfacher Körper die Mifhungsgewichte ihrer Zufammen-
kungen entfichen, fo auch werden durch Nebeneinanderftellung
imes Zeichen die Sormeln der chemifchen Verbindungen gebildet. _
Ganz alleinſtehend naͤhmlich ift das Zeichen eines Stoffes nicht bloß
ein Mittel zur abgefürzten Darftellung feines Nahmens; fondern
ed drückt zugleich aud) die Menge, nähmlid Ein Mifhungs-
gewicht, Atom oder Aequivalent aus. Die Verbindung aus
zwei einfachen Stoffen wird durch einfaches Nebeneinanderfegeu
ißrer Zeichen angedeutet; aber die Formel Cu S z. B. fagt mehr
aus, als dag man. fich. Darunter eine Verbindung von Schwefel
mit Kupfer zu denfen habe: fie beftimmt zugleich, dad ı Mg.
ee 395.7 Xheilen Kupfer mit ı Mg. = 201.17 Th. Schwefel ver-
einig fey. Geht ein Beflandtheil, oder gehen beide Veftandtheile
ju mehr ald ı Mg. in die Zufammenfegung ein, fo wird dieſes
duch Zahlen angezeigt, welche man, gleich den Potenz: Erponen-
ten in der Algebra, oben rechts neben das Zeichen ſetzt. So be=
zeichnet Cu? S eine Verbindung von 2 Mg. — 791.4 Kupfer und
1 Vgs. — 208.17 Schwefel; HCl ein Mg. Kalium = 489.92
und 3 Dig. Chlor — 442.64; As? S® zwei Mg. = 940.08 Arfe:
nik und 3 Mg. = 603.51 Schwefel. Hierbei erlaubt man fich
jwei außerordentlich bequeme Abkürzungen, welche den Überblid
noch erleichtern. Die erfte befteht darin, dag man in Sauerftoff-
Verbindungen, welche fo ungemein häufig vorfommen, die Mi-
ſchungsgewichte des Sauerftoffd durch Punfte anzeigt, welche
man über das Zeichen ded orpdirten Körpers feßt; Die andere, daß
man, um ein Doppeltes Mifchungsgewicht anzuzeigen, den großen
Buchſtab des Zeichens durchitreicht, und dafür den Erponenten 2
weglößt. Es wird alfo Fe für Fe 0,5 fir SO°, N für N,
ds SS für As? S®, Fe für Fer Os geſetzt. ZE, welches dad Zei-
hen des Waſſers ift, wird, des leichtern Schreibens wegen, ges
wöhnlich durch Ag. (Aqua) ausgedrüdt. Ein Exrponent bei einem
154 ' Yequivalente.
Zeichen, über weichem fich Punkte befinden, multipfizirt ſowohl
Die Mg. ded Radikals ale jene des Sauerftoffs, überhaupt Das
Mg. des Oxydes. Daher ift Er: wefentlich verfchieden yon Er;
erfteres bedeutet 3 Mg. Chromfäure (2 Mg. Chrom + 6 Mg.
Sauerftoff), Tehtered.ı Mg. Chromoryd (2 Mg. Chrom +3 Mg.
Sauerftoff). Auf gleiche Weife verfährt man in der Nebeneinan
berftellung der Zeichen, wenn drei einfache Körper in Verbindung
treten, wie die in der organifchen Natur gewöhnlich If. ENG
drückt eine Zufammenfebung aus 2 Mg. Wafferftoff, 2 Mg. Stid«
ftoff und a Mg. Kohlenftoff (Die Blauſaͤure) aus, deren Mg. alfo
= 342.40 ſeyn wird. Sauerftoff-Aquivalente, welche in ſolchen
breigliedrigen Formeln vorfommen, koͤnnen nicht durh Punkte
angegeben werden, weil fie nicht mit einem der andern Stoffe
ausſchließlich, ſondern mit beiden gemeinſchaftlich verbunden ſind;
man bedient ſich alfo des Buchſtabens O, Daher iſt die Formel für
die Eifigfäure (welche 6 Mg. Waſſerſtoff, 4 Mg. Kohlenftoff und
3 Mg. Sauerftoff enthält) H°C*+O?, ihr Mg. = 643.2. Die
Zeichen oxydirter Körper werden gleich jenen der einfachen Stoffe
‚Durch bloßes Nebeneinanderftellen verbunden. So bedeutet Fe S
fchwefelfaures Eifenorpdul (1 Mg. Eiſenorydul — 439.2: + ı
Mg. Schwefelfäure — 501.17); Fe 5° fehwefelfaures Eifenoryd
(1 Mg. Eifenoryd = 978.42 +3 Mg. Schwefelfäure= 1503.51).
Hat man das Mifchungsgewicht eined zufammengefegten Körpers
mehrfach zu nehmen, fo wird dieß durch eine links der Formel vor-
gelebte Zahl angedeutet, die Formel felbft mag nun ein⸗, zweis
oder dreigliedrig feyn. Diefe wie ein algebraifcher Koeffizient an⸗
gebrachte Zahl multipliziert alle ihr zur Rechten folgenden Theile
der Sormel, und nicht bloß das unmittelbar nach ihr folgende
Glied. So fchreibt man a oder 2 Ag. für H: (2 Mg. Waffer),
3KS(3 Mo. Schwefelkalium, weldhe aus 3.Mg. Kalium und
3 Mg. Schwefel beftehen), 12 AsS’ (12 Mg. Schwefelarfenif,
weldhe 24 Mg. Arfenif und bo Mg. Schwefel enthalten); u. f. f.
Verbinden fich endlich mehrere fchon zufammengefeßte Körper wie⸗
der mit einander, fo fchreibt man zwar, um diefe Verbindung
auszudräden, die einzelnen Sormeln neben einander, febt aber
Chemiſche Formeln. 155
mwiſcer dieſelben Das Additivnszeichen 4, um felcher Geſtalt
eine Überficht der nächften zufammengefepten Setanhthelle ju ges
mimen. So iſt Ca 4 Aq. öder Ca Ag. Kalthydrat Mg. Kalt
+ı Mg. Waſſer), NaC + 10 Ag. kryſtalliſirtes kohlenſaures
Natron (3 Mg. Natron, ı Mg. Kohlenſaͤure, 10 Dig. Waſſer),
ui. w. Als ein mehr zufammengefeptes Beiſpiel mag der Alaun
dienen, der befanntlich aus fchwefelfanrem Kali, fchwefelfaurer
Uannerde und -(jm —— — aus N befteht.
Seine Sormel ift
Kö ÜB Hg;
d. 5. ein Mg. beöfelben enthält Mg. fchwefelf. Kali, a Mg.
ſchwefelſ. Alaunerde und 24 Mg. Wafler. Zuweilen kommen Fälle
vor, daß fogar noch zwei ſolche Formeln, deren Theile bereits
durch 4 verbunden find, neben einander geftelt werden müffen :
dann klammert man jede derfelben abgefondert ein, und ſetzt, falls
eine berfelben mehrfach zu nehmen ift, links vor die Klammer Die
erforderliche Zahl. Eine Sormel nie feltenen zuſammengeſetzten
Art wäre z. B.
s(3NH° +5) (WS 3 Ag),
wodurch die Zufammenfeßung des bafifchen fchwefelfauren Ammo⸗
niak⸗Kupferoxydes ausgedrüdt wird. Diefed Salz befteht naͤhm⸗
ih aus a Mg. bafifchen fohwefelfauren Ammoniafs (jedes Mo.
wieder 3 Mg. Ammoniak und ı Mg. Schwefelfäure enthaltend),
and ı Dig. bafifchen fehwefelfauren Kupferorydes (3 Mg. Kupfer:
oyd + ı Mg. Schwefelfäure + 3 Mg. Waffer).
Die gehörig abgefaßten chemifchen Formeln haben einen uns
Uingbaren Nutzen, welcher darin befteht, daß man mittelft derfel-
ben auf einen Blick die Zufammenfeßung des Körpers, für welchen
fie aufgeſtellt find, überfieht, und eine Menge von Beziehungen
entdeckt, die mit Worten nicht ohne Weitläufigfeit anzugeben! wä-
en. Dieß wird fid) am beiten an einem Beifpiele zeigen laſſen,
wozu die oben mitgetheilte Formel des Alauns
KS LAS + 24H
gewählt wesden.mag. Diefe zeigt, daß in dem Salze u Mg. ſchwe⸗
136 Aequivalente.
felfaures Kali mit ı Mg. fchwefelfanrer Alannerde und 24 Mg.
Waller; oder ı Mg. Kalt mit 1 Mg. Alannerde, 4 Mg. Schive-
felfäure und 24 Dig. Wafler; oder ı Mg. Kalium mit 2 Mg. Altı=
mim, 4Mg. Schwefel, 48 Mg- Waſſerſtoff und 40 Mg. Sauer⸗
ſtoff verbunden ſind. Sie zeigt, daß im ſchwefelſauren Kali wie
in der ſchwefelſauren Alaunerde die Säure drei Mahl fo viel Sauer⸗
ſtoff enthält als die Baſis; daß der Sanerftoff der Alaunerde das
Dreifache von jenem des Kali iftz daß das Waſſer = Mahl fo viel
Sauerftoff enthaͤlt als die Schwefelfäure, und b Mahl ſo viel als
Kalt und Alaunerde zuſammengenommen; u. ſ. w.
Die hemifchen Formeln haben noch einen andern Nutzen, in⸗
dem fie ein leichtes Mittel darbiethen ‚ den Borgang bei Zerle⸗
gungd« und Vereinigungs-Prozeſſen kurz und deutlich in einer Art
von Schema auszudrüden. Statt z. B. das, was bei der Auflö«
j fung des Eifens in verdünnter Schwefelfäure gefchieft, durch
Worte auszudrüden, fann man folgende Gleichung aufſtellen,
welche links vom Gleichheitszeichen die zu dem Progeile. angewen«-
deten Materialien , rechts aber die Produfte nach, vollendeter Ein
wirfung enthält: |
Fe+S +ä=FPe8 +.
Man erfieht hieraus, daß ı Mg. Eifen auf ı Mg. (waſſerfreier)
Schwefelſaͤure erforderlich iſt, und daß ı Mg. Waſſer zerlegt wird,
deſſen 2 Mg. Waſſerſtoff frei werden, während ſich das darin ent⸗
baltene Mg. Sauerftoff mit dem Eifen verbindet, und es in Oxy⸗
dul verwandelt, welches fich mit der Schwefelfäure zu ı Mg.
Eifenvitriol verbindet. Auf ähnliche Weife läßt fich der Vorgang
bei der Salmiaffabrifation (wenn Fohlenfaures Ammoniaf durch
Gyps, und dann das fchwefelfaure Ammoniaf durch Kochfal; zer⸗
legt wird) mittelft folgender Gleichungen ausdrüden :
FE+ÖO+GS= (HH +5) + ka
Eoblenf. Amm. Gyps ſchwefelſ. Amm. kohlenſ. Kalt
AH LS) 4Na GI- H = XHs RCh -BMa 8
ſchwefelſ. Amm. Kochſalz Waſſer Satmiarx Slauberſalz.
Man erſieht naͤhmlich aus dieſem Schema, daß beim erſten Prozeſſe
eine Zerlegung durch doppelte Wahlverwandtſchaft vorgeht, indem
die Koblenfäure von 1 Mg. kohlenſauren Ammoniaks ſich mit dem
Ehemifche Formeln. 157
Kalle aus ı Dig. Gyps vereinigt, deifen Schwefelfäure hinwieder
gerade zur Neutralifation des Ammoniaks hinreicht. Das ſchwefel⸗
hare Ammoniak (1 Mg.) kommt beim zweiten Prozeſſe mit Koch
‚ Rh (1 DRG.) zufammen, und indent außer diefen beiden auch noch
Baffer (1 Mg.) zerlegt wird, entfleht aus dem Chlor des Kochſal⸗
id Salzfäure,, aus dem Natrium Natron; jene nimmt das Am⸗
umiaf an fi, um Salmiak, diefes die Schwefelfäure, um Glau⸗
kerfalg (fehtwefelfaures. Natron) zu bilden. Das Wailer, welches
bei diefen Vorgängen nur als Auflöfungsmittel wirffam ift, ohne
ſelbſt gerfept zu werden, ift in obigen Sormeln außer Acht gelaffen:
Diefe, in wenigen Suchftaben eine Menge Angaben enthaltende,
ſchematiſche Darſtellung chemifcher. Prozeffe gewährt, wenn man
durch kurze Gewohnheit ihre ſcheinbare Schwerverſtaͤndlichkeit ein
Mahl überwunden hat, große Bequemlichkeit. Es iſt übrigens
einleuchtend, daß man ſelbſt, ohne dieſe Methode der Aufjeihnung
anzunehmen, von den chemiſchen Kormeln Gebrauch machen koͤnne,
um fi ſtatt der weitläufigen Nahmen in ein anderes — kon⸗
ſtruirres Schema zu ſetzen.
Von der Anwendung der Formeln zur Berechnung der Sr
Handtheile einer Verbindung nach Progenter, oder für jede andere
gegebene Menge, wird weiter unten die Nede feyn.
Da dem Techniker, wie ſchon aus dem Vorhergehenden zu
erſehen ift, die Aequivalente oder Mifchungsgewichte fehr oft von
Nugen find, und da ed unbequem feyn würde, fie in jedem Falle
aft berechnen zu müffen; fo wird hier eine Überfichtötafel: der
wichtigften chemifchen Verbindungen ‚- ihrer Formeln, ihrer Mi⸗
(Gungsgewichte (der Sauerftoff — 100 gefegt), und ber darnach
in Progeriteu berechneten Zufammenfebung mitgetheilt. Wollte
man die Zahlen der Aequivalente, auf den Waflerftoff als Eins
heit begogen, Tieber anwenden, fo ift es Teicht, fie aus den hier
angegebenen durch Divifion mit 6.24 zu finden, oder aus den früs
ber mitgetheilten Aequivalenten ber einfachen Stoffe abzuleiten,
Aequivalente.
138
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Gebrauch der Aequivalente. 159
Der Gebrauch, welchen man son ben chemiſchen Aequiva⸗
lenten⸗Zahlen machen kann, iſt ſehr ausgebreitet. Abgeſehen von
dem Nutzen, welchen der eigentliche Chemiker aus ihnen zieht, um
die Reſultate feiner Analyſen zu kontrolliren und zu verbeſſern,
gibt es auch in der technifchen Anwendung der Chemie mehrere *
wo ihre Keuntniß vortheilhaft, ja nothwendig iſt.
1) Um zu, finden, wie viel ein Körper von einem andern er-
fordert, um eine gewifle beabfichtigte Verbindung mit demfelben
ju bilden, reicht die einfache Wergleichung der Mifhungsgewichte
oder Aequivglente beider bin; und die Menge des entitehenden
neuen Körpers ergibt fich aus der Summe diefer Zahlen. Sollen
+ ®. 120 Pfund Quedfilber in Zinnober verwandelt werben, fo
find dazu 19.07 Pfund Schwefel erforderlich ; denn im Zinnober
(Hg S) ift ı Mg. = 1265.82 Quedfilber mit ı Mg. = 201.17
Schwefel verbunden, und es verhält fi) 1265.82 : 201.17 = 120
: 19.07. — ı Mg. = 201.17 Schwefel verzehrt, bei der Ver⸗
wandlung in Schwefelfäure, 3 Mg. = 300 Gauerfioff, und die
entftehende Säure nimmt noch Mg. = 112.48 Waller auf, um
ı Mg. = 613.65 RVitriolöhl vom fpezif. Gewichte 1.850 zu bilden.
Daher ift der höchfte Ertrag an folchem Witriolöhl, welchen ein
Zentner Schwefel zu liefern vermag, 3o5 Pfund, wie man qud
der Proportion 201.17: 613.65 = 100: x findet.
2) Die Zahlen der Aequivalente geben ferner, wenu man
zugleich die ihnen beigefügten Formeln zu Rathe zieht, ein leichtes
Mittel an die Hand, um zu berechnen, wie viel in einer, gegebes
nen Menge eined zufammengefepten Körperd von jedem der Ver
flandtheile enthalten ift. Wil man z.B. die Zufammenfeßung von
2340 Theilen fryftallifirten Eifenvitriols willen, und hat man in den
Zafeln gefunden, daß dieſes Salz, deifen Mg. = 1615.26 ifl,
laut dee Formel Fe S +- 6Agq. enthält:
» Mo. Eifenorpdul = 439.21.
ı » Gchwefelfäure = 501.17
6.» Waſſer == 674.88
1615.26;
ſo ergibt ſich, wenn man nad) einander die Proportionen _
160 Ä Aequivalente.
1625.26 : 439. 21 == 240: x
1615.26 : 501.17 = 240 1 x
1615.26 : 674.88 = 240 : x
anfest und berechnet, daß 240 Th. Vitriol ans 65.26 Eifenory-
dul, 74.47 Schwefelfäure, und 100.27 Waſſer beftehen. — ı Dig.
== 2788.14 Platinfalmiaf (ſalzſaures Ammoniaf- Platin) enthält
ı Mg. = 1233.26 Platin; daher wird man z. B. durch die Re:
duftion von 28 Loth Platinfalmiaf 12.39 Loth Matin erhalten;
u. |. w. — Auf diefe Weife find die in der Tegten Spalte obiger
Zafel enthaltenen Angaben der Prozente berechnet. |
3) Bei der Anftellung chemiſcher Prozefle, wo man durch
Zerlegung mittelft einfadyer oder doppelter Wahlverwandtfchaft
neue Produfte zu gewinnen fucht, wird man, geleitet von der
Kenntniß der Yequivalente, das richtigfte und zweckmaͤßigſte Ver
Hältniß der Zuthaten auszumitteln, und den zu erwartenden Ertrag
voraus zu beftimmen im Stande feyn. 3.8. Man wolle 6 Pfund
(192 Loch) Kochfalz zur Darftellung der Salzſaͤure mittelft Vitriof-
öHl zerlegen. Das Mg. des Kochſalzes (Chlornatriums) ift 783.84,
jenes der Schwefelfäure (vom fpezif. Gewichte 1.85) 613.65-; dieß
zeigt, daß 733.54 Kochfalz 613.65 Vitrioloͤhl zur Zerlegung er-
fordern: auf 192 Loth Kochfalz wird man demnach 160.6 Loth oder
5 Pfund Säure anwenden muͤſſen. Durch die Zerlegung gewinnt
man 119 Loth falzfaured Gas, und ald Ruͤckſtand 527.9 Loth oder
16: Pfund Proftallifirted Glauberfal; ; denn das Mg. der Sale
Säure iſt— 455. 12, jenes des fchwefelfauren Natrons = 2016.87,
und, es verhält fi: .
33.54 : 455.12 — 193 : 119.1
33.54 : 3016.87 = 198 : 527.9.
Will man jur VBereitung von Grünfpan 128 Theile kryſtalliſirten
Bleizuckers (Mg. 2375.14) durch ſchwefelſaures Kupferoryd oder
kryſtalliſirten Kupfervitriol (Mg. 1559.27) zerlegen, fo findet man
aus der Proportion 2375.14 : 1559.27 = 128: x, daß von dies
fem letztern Salze 84 Theile erfordert werden. Die Menge des
erzeugten efligfauren Kupfer im kryſtalliſirten Zuflande wird
67.43 Th., und jene des abgefchiedenen ſchwefelſauren Bleiorgdes
102.1 Th. betragen; denn die Mg. diefer beiden Salze En 1251.38
und 1895.67, und es verhält fich:. F
Chemifche Rechenftäbe. 161
235.14 : 1251.38 = 128 : 67.43,
2375.14 : ı895.697 ==. ı188 : 102...
Jedem man auf ſolche Weiſe den Extrag einer Operation betech
net, und ihn daun mit Dem wirklichen vergleicht, wird man aut
beſten den Werth einer Verfahrungsart, und in. wie fern ihr Er⸗
gebniß ſich Dem höchften möglichen nähert, beurtheilen können.
In allen diefen Fällen gelangt man mirtelt einfacher Pros
pertionen zum Ziele: eine Rechnungdart, welche nicht weniger
als ſchwierig ik, aber dennod; Dem minder Geibten zeitraubend
feyn fann: Man hat baher, um alled Rechnen: ganz zu erfparen)
em eben fo fehönes ale finnreiches Mittel auögebacht, wodurch in
jedem Falle die gewinfchten Refultate in einem Augenblicde und
san; mechanifch gefunden werden. Man hat nähmlich Die Einrich⸗
tang der befannten. Schieb: oder Nechen-Rinsale zur Herflellung
ſo gmannter chemiſcher Ned enftäbe angewendet: und die
fen Infterumenten die Beftalt'gegeben,, welche man auf Zafı 5
Fig. ı abgebildet ſieht *)). Dad Ganze befteht aus einem 3 Zol
breiten, A bis 6 Linien dicken, und ı2 oder mehr Zoll langen Bret⸗
dien, in deſſen Mitte der ganzen Ränge nach ein Salz ausgeftoßen
iſt ¶¶ Fig. 2). In dieſem Salze fchiebt fich ein ſchmales Stäbchen,
weiches, fo wie die obere Flaͤche des Bretchend, mit Papier uͤber⸗
zogen iſt. Das Stäbehen enthält eine Eintheilung, deren Theile
in demſelben Verhaͤltniſſe unter fich leben, wie die Differenzen der
kogarithmen der beigefchriebenen Zahlen. Auf dem Wretchen ſte⸗
ben zu beiden Seiten die Nahmen der einfacher und zuſammenge⸗
fepten Körper, Die Stelle, welche man jedem derfelbenanweifet, iſt
keineswegs willkuͤrlich, ſondern durch Die Cintheilung des Staͤbchend
und dad Miſchungsgewicht des Körpers genau beſtimmt, wie bald
erflärt werden wirt. Es ift übrigens anzurathen, Körper von einer
lei Klaſſe, 8. alle einfachen Stoffe, alle Orpde, alle Sale, u⸗ſ. w.
auf die nähmliche Seite (rechts oder links von den verfihiebbaren
Stäbchen) zu ſetzen, des leichtern Anffindens,. und folglich des
bequemern Gebrauches wegen,
Da die Zeichnung keine andere Beſtimmung hat, als einen
Begriff von der Einrichtung des Inftrumentes zu verfchaffen, fe
find nur wenige Stoffe auf deifelben angegeben; und man wird
für die übrigen, nad der unten folgenden Anleitung, Leicht die
Tem. Eneyeiop, I: 90 I
162 Aequivalente.
ihnen gehörigen Stellen auffinden. Wichtiger ift die Eintheilung '
des verfchiebbaren Stäbchen®, über welche in Kürze fo viel beige:
bracht werden fol, als erforderlich ift, damit man fich felbft’ein
folches Infteument nach feinem Bedürfniſſe verferstigen könne.
Wie gefagt, entfprechen die Iheile dieſer Skale hen Loga⸗
rithmen der auf ihr ftehenden Zahlen ;- nähmlich Die Abflände der
Theilftriche von dem mit ı bezeichneten (aber außerhalb des Bret-
chend liegenden) Anfangöpunfte der Skale verhalten ſich zu einau⸗
der, wie jene Logaritimen. Die Abftände der Theilſtriche von
‚ dem Punkte a, der mit so bezeichnet sit, find demnach folgende ;
wobei die Entfernung, zwifchen den Zahlen 10 und 100 == 1000
gefegt wird. |
si — A 36 — 556 | 100 — 1000 | 340 — 1531
12 — my 38 — 580 | ı10 104ı | 360 — 1556
23 — 114 40 — bo3 | ı30 1079 | 380 — 1580
14 — 146 42 — 623 | ı30o 124 | 400 — 1602
ı5 — 176 44 — 643 | 140 1146 | 420 — :ı633
6 — 204 46 — 663 | ı50 1276 | 440 .— 1643
17 — 1230 48 — 68ı 160 12041460 — 1663
18 — 255 5o — 699 | 170 1330 | 480 — ı68ı
19 — 379 55 — 740 | ı8o 1255 | 500 — ı699
so — 3oı bo — 778 | ı90 1279 | 520 — 1716
22 -- 34% 05 — 813 | soo 1301 | 540 — 1932
24 — 380 70 — 845 | 330 1343 | 660 — 1748
26 — 415 75 — 875 | 340 1380 | 580 — 1763
28 — 447 80 — 903 | 260 — 1415 600 — 1978
30 — 477 85 — 929 | 280 1447 | 620 — 17938
33 — 505 90 — 954 | 300 1477 | 640° — 1806
34 — 531 95 — 978 | 330 — 1505
Man fann, mit Hülfe diefer Tabelle, die Sfale auf folgende Weife
richtig zeichnen. , Wenn die Länge des Raumes, den man zur
Eintheilung verwenden will oder Fann (nähmlich der Abftand zwi⸗
fhen dem oberften mit 10 bezeichneten Punfte, und dem untern
Ende, welches die Zahl 640 trägt) gegeben ift, fo nimmt man
fünf Neuntel von diefer Länge, und bildet Daraus einen Maßſtab,
den man in 1000 Theile theilt, und mittelft deilen man den Ort
für jeden Theilſtrich auf dem verfchiebbaren Stäbchen beflimmt.
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—*
Chemifche Rechenftäbe. 103
Man mißt uähmlich für jede der in der Tabelle fiehenden Zahlen
von dem mit 10 bezeichneten Punkte a aus, gegen b hin, die
beigefegte Menge von Zaufendtheilen bes. Maßftabes ab, und
fhreibt zu der gefundenen Punkte eben diefe Zahl, Die zwifchen
diefen Punften liegenden Räume fann man, ohne einen merflichen
Sehler zu begehen, in eine entfprechende Anzahl gleicher Theile
eintheilen ; fo wie auf diefelbe Art von 10 bis 20 auch Viertel, und
von 20 bis 50 halbe Theile aufgetragen werden fönnen. Dann
fept man die Nahmen jener Stoffe, welche man für feinen Zweck
nöthig zu haben glaubt, nach Bequemlichfeit rechts oder links ne⸗
ben die Sfale, jedoch fo, daß jeder aus ihnen neben die Zahl zu
fiehen kommt, welche dem zehnten Theile feines Mifchungsgewic-
tes gleich ift *), zieht das folcher Geftalt bezeichnete und befchries
bene Papier mittelft Leim oder Aleifter auf Das Bretchen auf, und
ſchneidet es nad) dem Trocknen längs der zwei Linien ab und od
durch, um die Skale von den unbeweglichen Zheilen, welche rechts
und links bleiben, zu trennen. Man kann das Papier mit einent
Beingeififirnijfe überziehen, um es vor Schmuß, und die Schrift .
vor dem Abreiben zu fichern.
Zur Verfertigung der Sfale kann auch das folgende, von
dem obigen verfchiedene Verfahren angewendet werden, welches
vielleicht fogar bequemer iſt. Man theilt Die ganze Länge a b der
Skale (Big. 4) in ſechs gleiche Abfchnitte, und bezeichnet die Theil-
yunfte der Ordnung nad) mit 20, 40, Bo, 160, 320, während ber
Anfangepunft a und der Endpunft b die Zahlen 10 und 640 er⸗
halten. Den erften diefer Abfchnitte, af, theilt man im 100 Theile,
kemierft (von a aus zählend) die Theilpunfte 14, 26, 38, 48;, 584,
68, 762, 85, 923, und fchreibt zus Denfelben der Reihe nach die
Zahlen 11, 12, u. ſ. w. bis 19: Der Abitand af ift dadurch in
sehn ungleiche Theile getheilt. Eben diefe Theile trägt man auch
in jeden der folgenden Räume, fg, gh,hi,ik,hkb, ein, wo je
doch nach Anleitung der Big. 4 den Theilpunften andere, und zwar
ſchneller ſteigende Zahlen beigefchrieben- werden ; denn jeder Theil, -
der im Abfchnitte a f eine Einheit bezeichnet, wird in fg==2, in
*) Auf dem Scieblineale ift näymlid das Mg. des Eauerftoffs= ı0
.(ftatt 200) angendınmen, und daher müffen auch die Zahlen aller
übrigen Körper auf den zehnten Theil herabgefeßt werden.
11 *
164 Aeguivalente.
ghu4, in hi — B, inikes ı6, inkb = 33 Einfeiten. Die
zwiſchen ben fo erhaltenen Punkten liegenden Räume werben nun
wieder, zur Vervollſtaͤndigung der Stale, in gleiche Theile
ingetheilt. Weil aber für alle einzelnen Theile auf einer ı2 bis
16 Zoll langen Skale nicht Raum ift, fo trägt man fie gegen das
Ende b (Big. ı) bin, nur von 2 gu 2, und endlich nur von 5
zu 5 auf. I
Ein fo eingerichtetes Schieblineal kann zur mechanifchen Voll⸗
Weingung aller jener Berechnungen dienen, weldye man mittelft
ber aus den Mifchungsgewichten abgeleiteten Proportionen vor
nimmt, wie oben gelehrt wurde. Mur ift zu bemerfen, daß hier
die Genauigkeit einen minder hohen Grad erreicht, befonders wenn
Die Sfale des Lineals nicht von bedeutender Länge ift, und man
mit großen Zahlen operiert. Indeſſen ift für technifche Zwede eine
Die Meineren Bruchtheile beruüdfichtigende Schärfe nicht nöthig.
Der Gebrauch des Inſtrumentes wird ſich am beiten durch ein
Beiſpiel Deutlich machen laffen. Das bewegliche Stäbchen werde
fo gefchoben, daß die Zahl 200 auf feiner Skale neben »Salpe⸗
ter« zu fliehen kommt (f. Big. 3). Dann befindet fich neben
»&alpeterfäure« die Zahl 107, und neben » Kalia die Zahl
93, was anzeigt, daß in 200 Theilen Salpeter 107 Salpeter⸗
fäure und 93 Kali enthalten find. Die bei dieſer Stellung neben
ber Schwefelfäure (1.85 fp. Gew.), dem [hwefelfauren
Kali, dem Kochfalge, demwafferfreien und Eryftallis
firten fhwefelfauren Natron, dem Waffer, der waf
ferfreien Schwefelfäure, dem Natron, der Salzfäure,
dem falpeterfauren@ilberoryde und denChlorfilber
befindlichen Zahlen zeigen an:
1) Daß 97 Theile Schwefelfäure vom fp. ©. 1.85 aus 79.25
waſſerfreier Schwefelſaͤure und 17.75 Waffer (1 Mg.) beftehen.
u) Daß zur Zerlegung von 200 Th. Salpeter eben diefe 97
xp. Schwefelſaure erforderlich find, und daß hierdurch 107 Th.
(wailerfreie) Qulpeterfäure nebft 172 Th. fehwefelfaurem Kali er
halten werden.
9) Daß die naͤhmlichen 97 Ih. Vitrioloͤhl 116 TH. Kochfalz
gerlegen, dadurch 73 Th. ſalzſaures Gud und ı4ı Ih. waſſerfreies
oder Jı8 Sp kryſtalliſirtes ſchwefelſaures Natrem erzeugen.
Ucther. 163
4) De 141 waiferfteich ſchwefelſ. Natron mb 79.25 Scne
felfönre und 61.75 Netren, wer Iı8 Irpflaiiirtes Ihm N. amd
79.35 Scywefell., 61 75 Rate. und 277 Waller (19 Me.) deſtehen.
5) Da 116 Th. Kochſalz aus 336 Ip, ſalpeterſ. Sildereryded
das Sübervolliändig fällen, und damit 383 Sp. Chlerfilder Infern.
Diefe Angaben könnten noch außerordentlich verwicifältigt
werben; denn in der That iſt darch das Verſchieden ded Drid-
end mit einem Mahle eine Reduktion aller Aequivalenten⸗ Zahlen
oder Diifkchungögewichte dergeftalt werrichtet worden, daß weben
jedem Körper jene Zahl ſich befindet, welche fein Milchungegewicht
auödrüden würde, wenn das Dig. des Salpeterö == 200 waͤre,
Ratt 126.7, wie ed (ald auf den Sauerfloff — 10 bezogen) in
Fig. ı erfcheint. Jede Verrückung des Staͤbchens ſtellt alfo dem
Blicke ſogleich das Nefultat dar, welches man fonft durch Be⸗
rechnung eben fo vieler Proportionen, ald Körper auf dem Lineale
verzeichnet find, mühſam hätte finden muͤſſen. Ein kurzer Um⸗
gang mit dieſem Inſtrumente macht ſeine Handhabung aͤußerſt
leicht, ſicher und bequem.
K. K.
Aether.
Durch die Einwirkung einiger Säuren, beſonderd der Schwe⸗
felfäure, auf Alkohol entſteht eine Flüſſigkeit, welche viel fluͤchtiger
und entzündlicher if, als der Alkohol felbft, und Aether genannt
wird. Wei diefer Einwirkung verbindet ſich in dem Alfohol ein
heil des Waſſerſtoffes mit eihem Theile des Sauerfloffe® zu
Waller, welches mit der Schwefelfäure fich vereiniget, während
der Alfohol, jenes Waſſers oder feiner Beſtandtheile beraubt,
als Aether erfcheint, weicher Daher verhältnipmäßig mehr Kohlen.
ſtoff als der Alkohol enthaͤt. (S. Aequivalente, hemifce,
S. 149.) Der eigentlich ſogenannte Aether iſt der mittelſt der
Schwefelſaͤure dargeftellte (Schwefeläther), weil dleſer,
gleich dem Altohol, nur eine Verbindung von Kohlenfloff, Waſſer⸗
ftoff und Sauerftoff ift, ohne erwas von der Säure zu enthalten
(was auch der Fall ift bei dem mit Arfeniffäure und Phosphorfäure
Dargeftelltem Aether). Von dieſem reinen Aether unterfcheiden ſich
die mit anderen Säuren Dargeftellten Aetherarten barin, daß leptere
166 Aether,
noch) in ihrer Zufammenfegung einen Xheil der Säure enthalten,
mit welcher fie bereitet worden find. Dergleichen find der Sal⸗
peteräther, Salzäther, Eifigäther u. f. f. Wir werden une hier
nur mit der Bereitungsart des reinen Aethers oder Schwefel
aͤthers und des Eſſigaͤthers befchäftigen, da nur diefe eine tedmifche
Wichtigkeit haben.
Die Einwirkung der Schwefelfäure auf den Alfohol im
der Art, daß der letztere in Aether umgeändert wird, geht nur bei,
einer gewiſſen Temperatur vor ſich: ift die Temperatur niedriger,
fo erhält man durch die Deftillation der Mifchung größtentheils
nur Alfohol; ift fie höher, fo bilden fich auf Koften des Alfohold
aufier dent Äther noch andere Produfte, ald Schwefelweinfäure
und Weinöhl, wodurd ein verhältnißmäßiger Verluft an Aether
entfteht. Diefes letztere erfolgt aber nothwendig, wenn, nad
der früher gewöhnlichen Methode, die ganze Menge von Schwefels
fäure und Alfohol mit einander vermifcht, und dann fo lange,
als noch. Aether erfcheint, deftillirt wird, weil der Siedpunkt der
Mifchung immer höher fteigt, je geringer die Menge Alkohols gegen
jene der zurucdbleibenden Schwefelfäure wird. Es folgt alfo hier
aus, daß die vorrheilhaftefte Methode der Aetherbereitung im
Wefentlichen darauf beruhe, daß während der Deftillation der Mis
fhung die Menge des Alfohols gegen jene der Schwefelfäure, wenn
ein Mahl die Aetherbildung begonnen hat, ziemlidy unverändert
erhalten werde, was dadurch bewirft wird, Daß man den Alkohol
in einem gang feinen Strahle in dem Maße in die Retorte nach⸗
fließen läßt, als die Deftillation des Aethers felbft Statt findet.
Die beite Art, den Aether fowohl im Kleinen ale im Gros
fen zu bereiten, ift daher folgende. Man vermifcht zuerft 3 Theile
Scwefelfäure von 1,85 fpez. Gewicht (66° Baume) mit a Theilen
Alkohol von 0,83 fpez. Gewicht (36° Baume). Um bei diefer Mi⸗
ſchung die zu heftige Erhitzung zu vermeiden, gießt man den Alfos
bol zuerſt in die tubulirte, hinreicheud geräumige Metorte, die man
fo in Bewegung feßt, daß der Alkohol fich um eine, dadurch in
ber Mitte entflehende trichterförmige Vertiefung ſchwingt, in
welche man, unter beftändigem Bortfeben diefer Bewegung, die
Säure in einem fehr dunnen Strahl durch den Tubulus einfließen
läßt, Die Miſchung erhigt fih dabei bis zu 60° R.; man fügt
-
Aether. 167
nun fogleich eine geräumige Berlage an, legt die Retorte in eime
vorher mäßig erwärmte Saudlapelle, verbindet diefelbe wittelſt
eines Berftoßes mit der fühl erhaltenen Vorlage, uud läßt die Des
Rillation beginnen. Daß die Mifchung bier ned, warm auf die
Sandkapelle gebracht werde, ifi darum von Vortheil, weil, da
Die Aetherbildung erfi bei einer gewillen Temperatur vor ſich geht,
bei der Iangfamen Erhigung der im der Retorte befindlichen Mi⸗
ſchung erft fehr viel Alkohol nuverändert überdeftillirt,, ehe Die
Zemperatur eintritt „ bei welcher Die Aetherbildung beginnt.
Arbeitet man mit. größeren Mafjen (bis etwa zu ı5 Maß),
fo ift es ficherer, die Mifchung außerhalb der Retorte in einem
hinreichend großen irdenen Kruge, wie foldye zur Alfbewahrung
der Schwefelfäure gebraucht werden, zu bewerfiteligen. Wan
gießt die ganze Menge des Altohols in den Krug, fügt eine Portion
der Schwefelfäure Hinzu, und fchüttelt gut um; fest hierauf eine
neue Portion hinzu, fehüttelt wieder, fahrt fo fort, bis die Hitze
zu ſtark wird; in welchem Falle man dad Ganze einige Stunden
zuben läßt, und dann neuerdingd Schwefelfäure binzufügt, bis
aufeinige Pfunde, diemanim Rüdhaltbehält. Nachdem man nun
den Deftilationsapparat (ſ. Deftillation) mit der hinreichend
geräumigen Retorte, die für dieſen Fall auch aus Bley bergeftellt
ſeyn faun, vorgerichtet,, and die Sandfapelle gehörig erwärmt
bat, gießt man die letzte Portion der Schwefelfäure noch in den
Krug, wodurd die Mifchung ſich wieder erwärmt, wonad) die
felbe fogleich in die Retorte durch den Tubulus eingegoifen wird,
und Die Deftillation ihren Anfang nimmt.
Nunmehr befefliget man in dem Tubulus der Retorte mittelft
eined vorbereiteten, gut fchließenden Korfftöpfel® eine in der Form
eined liegenden co geftaltete Slasröhre, deren eined Eude, welches
in eine Däune, beinahe baarröhrchenartige Spige ausgezogen ift,
in die in ber Retorte befindliche Slüjligkeit um ein Drittel ihrer
Höhe hineinreicht, das andere, außerhalb der Retorte befindliche,
aufwärts gehende Ende aber mit einem Trichter verfehen ift, Durch
welchen fpäterhin der Alkohol nachgegoifen wird. Statt diefer “
Röhre fann man auch einen Heber anwenden, deilen längerer
Schenfel mit der in der Flüſſigkeit befindlichen feinen Spige ver⸗
ſehen iſt, der kürzere aber in einer Flaſche mit Alfohol ſteht, aus
Aequinalente.
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Gebraud der Aequivalente. 159
Der Gebrauch, welchen man von den chemifchen Aequiva⸗
lenten⸗Zahlen machen kann, ift ſehr auögebreitet. Abgefehen von
dem Nuten, welchen der eigentliche Chemiker aus ihnen zieht, um
die Refaltate feiner Analyfen zu fontrolliren und zu verbeifern,
gibt e8 auch in der technifchen Anwendung der Chemie mehrere Falle,
wo ihre Keuntniß vortheilhaft, ja nothwendig iſt.
ı) Um zu. finden, wie viel ein Körper von einem andern ers
fordert, um eine gewifle beabfichtigte Verbindung mit demfelben
ju bilden, reicht die einfache Vergleichung der Mifchungsgewichte
oder Aequivglente beider bin; und die Menge des entitehenden
neuen Körperd ergibt fi) aud der Summe diefer Zahlen. Sollen
+ ®. 120 Pfund Quedfilber in Zinnober verwandelt werben, fo
find dazu 19.07 Pfund Schwefel erforderlich ; denn im Zinnober
(Hg S) ift ı Mg. = 1365.83 Quedfilber mit ı Mg. == 201,17
Schwefel verbunden, und es verhält ſich 1265.83 : 201.17 == 120
39.07. — ı Mg. = 201.17 Schwefel verzehrt, bei der Vers
wandlung in Schwefelfäure, 3 Dig. = 3oo Sauerftoff, und die
entftehende Säure nimmt noch Mg. = 112.48 Waſſer auf, um
ı Mg. = 613.65 Vitriolöhl vom fpezif. Gewichte 1.850 zu bilden.
Daber ift der höchfte Ertrag an ſolchem Vitriolöhl, welchen ein
Zentner Schwefel zu liefern vermag, 305 Pfund, wie man aus
der Proportion 201.17:613.65 — 100: x findet.
2) Die Zahlen der Aequivalente geben ferner, wenu man
zugleich Die ihnen beigefügten Formeln zu Rathe zieht, ein leichtes
Mittel an die Hand, um zu berechnen, wie viel in einer gegebes
nen Menge eines zufammengefepten Körpers von jedem der Bes
fiandtheile enthalten ift. Will man z.B. die Zufammenfegung von
2340 Theilen Fryftallifirten Eifenvitriold willen, und hat man in den
Zafeln gefunden, daß diefes Salz, deſſen Mg. = 1615.26 ill,
laut der Sormel Fe 8 + 6Agq. enthält:
ı Mg. Eifenorpbull = 439.21.
ı '» Gchwefelfäure = 501.17
6 » Waſſer = 674.88
1615.26;
ſo ergibt ſich, wenn man nach einander die Proportionen
468 Kequivalente.
| 1625.26 : 439.81 = 240 : x
1615.86 : 501.17 = 240 ı x
1615.26 : 674.88 —= 240 : x
anfegt und berechnet, daß 240 Th. Witriol and 65.26 Eifenory-
dul, 74.47 Schwefelfäure, und 100.27 Waffer beftehen. — ı Mg.
== 3788.14 Platinfalmiaf (falzfaures Ammoniaf- Platin) enthält
ı Mg. — 1233.26 Platin; daher wird man z. B. Durch die Re⸗
duftion von 28 Loth Platinfalmiaf 12.39 Loth Platin erhalten;
u. ſ. w. — Auf diefe Weiſe find die in der letzten Spalte obiger
Zafel enthaltenen Angaben der Prozente berechnet.
3) Bei der Anftelung chemifcher Prozeffe, wo man durch
Zerlegung mittelft einfacher oder doppelter Wahlverwandtfchaft
neue Produfte zu gewinnen fucht, wird man, geleitet von der
Kenntniß der Xequivalente, das richtigfte und zweckmaͤßigſte Wer
Hältniß der Zuthaten auszumitteln, und den zu erwartenden Ertrag
voraus zu beftimmen im Stande feyn. 3.8. Man wolle 6 Pfund
(192 Loth) Kochfalz zur Darftellung der Salzfäure mittelft Vitriol-
öhl zerlegen. Das Mg. des Kochſalzes (Chlornatriums) ift 733.54,
jenes der Schwefelfäure (vom fpezif. Gewichte 1.85) 613.655 dieß
zeigt, daß 733.54 Kochſalz 613.05 Vitrioloͤhl zur Zerlegung er-
fordern: auf 292 Loth Kochfalz wird man demnach 160.6 Loth oder
5 Pfund Säure anwenden müſſen. Durch die Zerlegung gewinnt
man 119 Loth falzfaures Gas, und als Ruͤckſtand 527.9 Roth oder
16: Pfund fryftallifirtes Glauberſalz; denn das Mg. der Salze
fäure iſt— 455.12, jenes des fchwefelfauren Natrond = 2016. 87;
und, e& verhält ſich: .
33.54 : 435.12 — 192 : 119.1
33.54 : 2016.87 —= 192 : 527.9.
Wil man jur VBereitung von Grünfpan ı28 Theile kryſtalliſirten
Bleizuders (Mg. 2375.14) durch fchwefelfaures Kupferoryd oder
kryſtalliſirten Kupfervitriol (Mg. 1559.27) zerlegen, fo findet man
aus der Proportion 2375.14 : 1559.27 = 1938 : x, daß von dies
fem legtern Salze 84 Theile erfordert werden. Die Menge des
erzeugten efligfauren Kupferd im kryſtalliſirten Zuitande wird
67.43 Th., und jene des abgefchiedenen fchwefelfauren Bleiorgdes
102.1 Ih. betragen; denn Die Mg. diefer beiden Salze find mn
und 1895.67, und es verhält ſich:
Chemiſche Wechenftäbe. 161
2345.14. 1251,38. 04 128 : 67.43,
2375.14 ı 1895.67 ==. 188 : 102.1,
Indem man auf ſolche Weiſe den. Extrag einer Operation berech
net, und ihn Dann mit Dem wirklichen vergleicht, wird man ant
beften den Werth einer Verfahrungsart, amd in.wie fern ihr Erz
gehniß fich dem hoͤchſten möglichen nähert, beurtheilen.Förmen.
In allen diefen Fällen gelangt man mirtelſt einfacher Pros
yertionen zum giele: eine Rechnungdart, welche nichts weniger
als ſchwierig ift, aber dennoch Dem minder Geübten zeitraubend
fopn kann. Man hat daher, um alled Rechnen ganz zu erfparem
em eben fo ſchoͤnes ale finnreiches Mittel ausgedacht, wodurch in
jedem Falle die gewünfchten Refultate in einem Augenblice und
san, mechanifd; gefunden werden. Wan hat nahmlich die Einrich⸗
tung der bekannten. Schieb⸗ oder Rechen-Lineale zur. Herftelung
fo genannter Hemifcher Nedenfläbe angewendet,. und Die
fen Infteumenten die Geſtalt gegeben, welche man auf Tafı 5
Fig. ı abgebildet fieht *): Das Ganze befteht aus einem 3 Zol
breiten, 4 bis 6 Linien dicken, und 12 oder mehr Zoll langen Bret⸗
den, in deffen Mitte der ganzen Ränge nach ein Salz ausgeſtoßen
iſt (¶. Fig. 2). In diefem Balze ſchiebt fich ein ſchmalss Stäbchen,
weiches, fo wie die obere Flaͤche des Bretchens, mit Papier uͤber⸗
zogen iſt. Das Stäbchen emthält eine Eintheilung, Deren Theile
in denfelben Verhaͤltniſſe unter fich ſtehen, wie die Differenzen der
kogarithmen der beigefchriebenen Zahlen, Auf dem Bretchen ftes
ben zu beiden Seiten die Nahmen der einfachen und zuſammenge⸗
febten Körper, Die Stelle, welche man jedem derfelben-anweifet, iſt
keineswegs willfürlicy, fondern durch Die Eintheilung des Staͤbchend
und das Miſchungsgewicht des Körpers genau beſtimmt, wie bald
erflärt werden wird. Es iſt übrigens anzurathen, Körper von einer:
lei Klaſſe, 3.8. alle einfachen Stoffe, alle Oxyde, alle Salze, u. f.w.
auf die nähmliche Seite (rechts oder links von dem verfihiebbaren
Stäbchen) zii Tegen, des leichtern Anffiudens 2 md folglich des
bequemern Gebrauches wegen.
Da die Zeichnung Feine andere Beſtimmung hat, als einen
Begriff von der Einrichtung des Inftrumentes zu werfchaffen, fo
find nur wenige Stoffe auf derſelben angegeben; und. man wied
für die übrigen, nach der unten folgenden Anleitung, leicht die
deqhnel. Encyelop. I: U; 11
102 Aeguivaleute.
ihnen gehörigen Stellen auffinden. Wichtiger ii die Eintheilung
des verfchiebbaren Stäbdyens, über weldye in Kürze fo viel beige-
bracht werden foll, als erforderlid, if, Damit man fich felbft ein
ſolches Inſtrument nach feinem Bedürfniſſe verfertigen könne.
Wie geſagt, entfprechen die Theile dieſer Skale den Loga⸗
rithmen der auf ihr ſtehenden Zahlen ; naͤhmlich die Abſtaͤnde Der
Theilſtriche von dem mit ı bezeichneten (aber außerhalb des Bret⸗
chens liegenden) Anfangspunfte ber Okale verhalten ſich zu einau-
der, wie jene Logarithmen. Die Abflände der Theilſtriche von
‚ dem Yuntte a, der mit 10 bezeichnet sit, ſind demnach folgende;
wobei die Entfernung, swifchen den Zahlen 10 und 100 = 1000
gefept wird. |
1 — AM 36 — 556 | 100 — 1000 | 340 — ı53ı
12 — my 38 — 580 | 110 — 1041360 — 1556
13 — 114 40 — 6bo3 | 330 — 1079 380 — 1580
14 — 146 43 — 623 | ı13do — ııı4 | 400 — 16082
ı5 — ı76 44 — 643 | 140 — 1146 | 420 — 1633
16 — 204 46 — 663 | 150 — 1176 | 440 — 1643
17 — 230 48 — 681 | 160 — 1204 | 460 — 1663
8 — 2585 5bo — 699 | 170 — 1330 | 480 — ı68ı
19 — 979 55 — 740 | ı80 — 1255 | 500 — ı699
so — 3oı 60 — 778 | 190 — 12379 | 520 — 1716
24 -- 348 65 — 813 | s00 — ı30ı | 540 — ı73a °
s4 — 380 70 — 845 | 330 — 1343 | 560 — 1748
6 — 416 „5 — 875 | 240 — ı380 | 580 — 1763
sB — 447 80 — 903 | s60 — 1415. | 600 — 1978
80 — 497 85 — 0939 | 280 — 1447 | 620 — 1798
3s — 505 90 — 954 | 300 — 1477 | 640 — 1806
34 — 53ı 05 — 978 320 — 1505
Man kann, mit Hülfe diefer Tabelle, die Sfale auf folgende Weiſe
richtig zeichnen. Wenn die Länge des Raumes, den man zur
Eintheilung verwenden will oder kann (nähmlich der Abftand zwis
fehen dem oberiten mit 10 bezeichneten Punkte, und dem untern
Ende, welches die Zahl 640 trägt) gegeben ift, fo nimmt man
fünf Neuntel von diefer Länge, und bildet Daraus einen Maßftab,
den man in 2000 Theile theilt, und mittelft deilen man den Ort
für jeden Theilſtrich auf dem verfchiebbaren Stäbchen beſtimmt.
R |
Shemijche Nechenftäbe. 163
Man mit wähmlic, für jede der in der Tabelle ſtehenden Zahlen
von dem mit 10 bezeichneten Punkte a aus, gegen b hin, die
beigefepte Drenge von Taufendtheilen ded Mafftabes ab, und
fhreibt zu dem gefundenen Punkte eben diefe Zahl. Die zwifchen
diefen Punften liegenden Räume kann man, ohne einen merflichen
Schler zu begehen, in eine entiprechende Anzahl gleicher Theile
eintheilen ; fo wie auf biefelbe Art von 10 bis 20 auch Viertel, und
vn 20 bis 50 halbe Theile aufgetragen werden fönnen. Dann
fept man die Nahmen jener Stoffe, welche nıan für feinen Zweck
nöthig zu Haben glaubt, nach Bequemlichkeit rechtö oder links ne⸗
en die Sfale, jedoch fo, daß jeder aus ihnen neben die Zahl zu
ſtehen kommt, welche dem zehnten Theile feines Miſchungsgewich⸗
ted gleich iſt ), zieht das folcher Geſtalt bezeichnete und befchries
bene Papier mittelft Leim oder Kleifter auf das Bretchen auf, und
fhneidet ed nad) dem Trocknen längs der zwei Einien ab uud od
durch, um die &fale von den unbeweglichen Theilen, welche rechts
und links bleiben, zu trennen. Man kann das Papier mit einen
Beingeijtfirniife überziehen, um es vor Schmutz, und die Schrift
vor dem Abreiben zu fichern.
Zur Verfertigung der Sfale kann auch das folgende, von
dem obigen verfchiedene Verfahren angewendet werden, welches
vielleicht foger bequemer iſt. Man theilt die ganze Länge a b der
Skale (Big. 4) in ſechs gleiche Abfchnitte, und bezeichnet die Theil⸗
punfte der Ordnung nad) mit 20, 40, Bo, 160, 330, während bey
Anfangspunft a und der Endpunkt b die Zahlen 10 und 640 er»
halten. Den erften dieſer Abfchnitte, af, theilt man in 100 Theile,
bemerft (von a aus zählend) die Theilpunfte ı4, 36, 38, 48;, 584,
68,762, 85, 923, und fchreibt zus denfelben der Reihe nach die
Zahlen 21, 12, u, few. bis 19. Der Abitand af ift dadurch in
zehn ungleiche Theile getheilt. Eben diefe Theile trägt man auch
in jeden der folgenden Räume, fg, gh, hi,ik, kb, ein, wo je⸗
doch nach) Anleitung der Big. 4 den Theilpunften andere, und zwar
ſchneller ſteigende Zahlen beigefchrieben- werden; denn jedes Theil, -
der im Abfchnitte a f eine Einheit bezeichnet, wird in fg==32, in
2) Auf dem Scieblineale ift näymlidy das Mg. des Eauerfioffs= ı0
.(ftatt 200) angenommen, und daher müffen auch die Zahlen allev
übrigen Körper auf den zehnten Theil herabgefest werden.
11 *
104. Yequivalente.
ghea4, inhi=Bß, inikem ı6, in kb — 32 Einheiten. Die
zwifchen den fo erhaltenen Punkten liegenden Räume werden nun
wieder, zur Vervollſtaͤndigung der Sfale, in gleiche Theile
eingetheilt. Weil aber für alle einzelnen Theile auf einer 12 bie
15 Zoll langen Sfale niht Raum if, fo trägt man fie gegen das
Ende b Big. ı) bin, nur von 2 zu 2, und endlich nur von 5
zu 5 auf.
| Ein fo eingerichtetes Schieblineal fann zur mechanifchen Voll⸗
bringung aller jener Berechnungen dienen, welche man mittelſt
der aus den Miſchungsgewichten abgeleiteten Proportionen vor⸗
nimmt, wie oben gelehrt wurde. Nur iſt zu bemerken, daß hier
die Genauigkeit einen minder hohen Grad erreicht, beſonders wenn
die Skale des Lineals nicht von bedeutender Laͤnge iſt, und man
mit großen Zahlen operirt. Indeſſen iſt für techniſche Zwecke eine
die kleineren Bruchtheile berüdfichtigende Schärfe nicht noͤthig.
Der Gebraud des Inſtrumentes wird fih am beften durch ein
Beiſpiel deutlich machen laſſen. Das bewegliche Stäbchen werde
fo gefchoben, daß die Zahl 200 auf feiner Sfale neben »Salpe⸗
tere zu ſtehen fommt (f. Fig. 3). Dann befindet fih neben
»Salpeterfäure« die Zahl 107, und neben » Kalix die Zahl
93, was anzeigt, daß in 200 Xheilen Salpeter 107 Salpeter-
fäure und 93 Kali enthalten find. Die bei diefer Stellung neben
der Schwefelfäure (1.85 fp. Gew), dem fhwefelfauren
Kali, dem Kochſalze, demwafferfreien und Eryftallis
firten [hwefelfauren Natron, dem Waffer, der waf
ferfreien Shwefelfäure, dem Natron, der Salzsfäure,
dem falpeterfauren@ilberoryde und den Chlorſilber
befindlichen Zahlen zeigen an:
1) Daß 97 Theile Schwefelfäure vom ſp. ©. 1.85 aus 79.25
wafferfreier Schwefelfäure und 17.75 Waſſer (1 Dig.) beftehen.
3) Daß zur Zerlegung von 200 Th. Salpeter eben diefe 97
Th. Schwefelfäure erforderlich find, und daß hierdurch 107 Th.
(waflerfreie) Salpeterfäure nebft 173 Th. fchwefelfaurem Kali er
halten werden.
3) Daß die nähmlichen 97 Ih. Vitriolöhl 116 Th. Kochfalz
gelegen, dadurch 72 Ih. falzfaured Gas und 141 Ih. waſſerfreies
oder 318 Ih. ktyſtalliſirtes fchwefelfaures Natron erzeugen.
- Aether. 105
4) Daß 141 waflerfeeies fchwefelf. Natron aus 79.25 Schwe
felfäure und 61.75 Natron, oder 318 kryſtalliſirtes ſchw. N. aus
79.25 Schwefelf., 61.75 Natr. und 177 Waſſer (10 Mg.) beſtehen.
5) Daß 116 Th. Kochſalz aus 336 Th. falpeterf. Silberorydes
das Silber vollitändig fällen, und damit a83 Th. Chlorfilber liefern.
Diefe Angaben Fönnten noch außerordentlich vervielfältige”
werben ; denn in der That ift Durch das Werfchieben des Stäb-
hend mit einem Mahle eine Reduktion aller Hequivalenten » Zahlen
oder Mifhungsgewichte bergeflalt verrichtet worden, daß neben
jedem Körper jene Zahl ſich befindet, welche fein Milhungsgewicht
ansdriüden würde, wenn dad Mg. des Salpeters — 200 wäre,
ſtatt 226.7, wie es (ald auf den Sauerftoff == 10 bezogen) in
Gig. ı erfcheint. Jede Verrüdung des Stäbchens ſtellt alfo dem
Blicke fogleich dad Nefultat dar, welches man fonft durch Be⸗
rechnung eben fo vieler Proportionen, ald Körper auf dem Rineale
verzeichnet find, mühſam hätte finden müllen. Ein kurzer Um⸗
gang mit diefem Inſtrumente macht feine wanngerung Außerft
leicht, ficher und bequem. Ä
8. K.
Aether.
Durch die Einwirkung einiger Saͤuren, beſonders der Schwe⸗
felſaͤure, auf Alkohol entſteht eine Flüſſigkeit, welche viel fluͤchtiger
und entzuͤndlicher iſt, als der Alkohol ſelbſt, und Aether genannt
wird. Bei dieſer Einwirkung verbindet ſich in dem Alkohol ein
Theil des Waſſerſtoffes mit einem Theile des Sauerſtoffes zu
Waſſer, welches mit der Schwefelfäure ſich vereiniget, während
der Altohol, jenes Waſſers oder feiner Beſtandtheile beraubt,
als Aether erfcheint, welcher daher verhältnigmäßig mehr Kohlen»
ftoff als der Alfoholenthält. (©. Aequivalente, chemiſche,
&.149.) Der eigentlich fogenannte Aether ift der mittelft der
Schwefelfäure dargeftellte (Schwefeläther)-, weil Diefer,
glei dem Alfohol, nur eine Verbindung von Kohlenftoff, Waſſer⸗
Hoff und Sauerftoff ift, ohne etwas von der Säure zu enthalten
(was auch der Bau ift beidem mit Arfeniffäure und Phosphorfäure
dargeſtellten Aether). Ron diefem reinen Aether unterfcheiden ſich
die mit anderen Säuren dargeftellten Actherarten darin, daß letztere
166 Aether.
noch in ihrer Zufammenfeßung einen Theil der Säure enthalten,
mit welcher fie bereitet worden find. Dergleichen find der Sal
geteräther, Salzäther, Eifigäther u. ſ. f. Wir werden und hier
nur mit der Wereitungsart des reinen Aether oder Schwefel-
äthers und des Eſſigaͤthers befchäftigen, da nur Diefe eine tedmifche
Michtigkeit haben.
Die Einwirfung der Schwefelfäure auf den Alkohol im
der Art, daß der letztere in Aether umgeändert wird, geht nur bei.
einer gewillen Temperatur vor ſich: ift die Temperatur niedriger,
fo erhält man durch die Deftillation der Mifchung größtentheild
nur Alkohol; ift fie höher, fo bilden ſich auf Koſten des Alfohold
aufier dem Äther noch andere Produfte, ald Schwefelmeinfänre
und Weinöhl, wodurch ein verhältnißmäßiger Berluft an Aether
entfteht. Diefes letztere erfolgt aber nothwendig, wenn, nad
der früher gewöhnlichen Methode, die ganze Menge von Schwefel
fäure und Alfohol mit einander vermifht, und dann fo lange,
als noch. Aether erfcheint, deftillirt wird, weil der Siedpunkt der
Mifchung immer höher fteigt, je geringer die Menge Alkohols gegen
jene der zurücbleibenden Schwefelfäure wird. Es folgt alfo hier⸗
aus, daß die vortheilhaftefte Methode der Aetherbereitung im
Weſentlichen darauf beruhe, Daß während der Deftillation der Mi⸗
[hung die Menge des Alkohols gegen jene der Schwefelfäure, wenn
ein Mahl die Aetherbildung begonnen hat, ziemlich unverändert
erhalten werde, was dadurd) bewirkt wird, Daß man den Alfohol
in einem ganz feinen Strahle in Dem Maße in die Retorte nach⸗
fließen läßt, ale die Deftillation des Aethers felbft Statt findet.
Die beite Art, den Aether fowohl im Kleinen ald im Gro⸗
fen zu bereiten, ift daher folgende. Man vermifcht zuerft 3 Theile
Schwefelfäure von 1,85 fpez. Gewicht (66° Baume) mit a Theilen
Alfohol von 0,83 fpez. Gewicht (36° Baume). Um bei diefer Mis
fhung die zu heftige Erhigung zu vermeiden, gießt man den Alfos
hol zuerit in die tubulicte, binreicheud geräumige Metorte, die man
fo in Bewegung fegt, Daß der Alfohol ſich um eine, dadurch in
der Mitte entftehende trichterförmige Vertiefung fchwingt, in
welche man, unter beftändigem Bortfeben diefer Bewegung, Die
Säure in einem fehr dünnen Strahl durch ben Zubulus einfließen
laͤßt. Die Mifhung erhipt ſich dabei bis zu 60° R.; man fügt
Aether. 167
mun fogleich eine geräumige Vorlage an, legt die Retorte in eine
vorher mäßig erwärmte Sandfapelle, verbindet diefelbe mittelft
eines Vorſtoßes mit der fühl erhaltenen Vorlage, und läßt die Des
Rillation beginnen. Daß die Mifchung hier noch warm auf die
Saudfapelle gebracht werde, ift darum von Vortheil, weil, da
Die Aetherbildung erft bei einer gewiſſen Temperatur vor fich geht,
bei der langſamen Erhikung der in der Netorte befindlichen Mi⸗
ſchung erſt fehr viel Alkohol unverändert überdeftillirt, ehe die
Zempyeratur eintritt „ bei welcher die Aetherbildung beginnt.
Arbeitet man mit: größeren Mailen (bis etwa zu :5 Maß),
fo iſt es ficherer, die Mifchung außerhalb der Retorte in einem .
hinreichend geoßen irdenen Kruge, wie folche zur Aufbewahrung
der Schwefelfäure gebraucht werden, zu bewerfftelligen. Dean
gießt die ganze Menge. des Alkohols in den Krug, fügt eine Portion
der Schwefelfäure hinzu, und fchüttelt gut um; febt hierauf eine
neue Portion hinzu, fchüttelt wieder, ‚fährt fo fort, bis die Hitze
zu ſtark wird; in welchem Salle man das Ganze einige Stunden
zuben läßt, und dann neuerdings Schwefelfäure hinzufügt, bis
aufeinige Pfunde, dieman im Rückhalt behaͤlt. Nachdemman nun
den Deftillationsapparat (f. Deftillation) mit der hinreichend
geräumigen Retorte, die für diefen Ball auch aus Bley hergefteilt
feyn fann, vorgerichtet, und die Sandfapelle gehörig erwärmt
bat, gießt man die legte Portion der Schwefelfäure noch in den
Krug, wodurd die Mifchung fich wieder erwärmt, wonach Dies
felbe fogleich in die Netorte durch den Zubulus eingegoilen wird,
und die Deftillation ihren Anfang nimmt. '
Nunmehr befeftiget man in dem Tubulus der Retorte mittelft
eines vorbereiteten, gut fchließenden Korfftöpfels eine in der Form
eines liegenden %n geftaltete Slasröhre, deren eined Ende, welches
in eine dünne, beinahe haarröhrdyenartige Spipe ausgezogen iſt,
in Die in der Netorte befindliche Fluͤſſigkeit um ein Drittel ihrer
Höhe hineinreicht, das andere, außerhalb der Netorte befindliche,
aufwärts gehende Ende aber mit einem Trichter verfehen ift, durch
welchen fpäterhin der Alkohol nachgegoilen wird. Statt diefer c
Röhre kaun man auch einen Heber anwenden, deilen längerer
Schenfel mit der in der Flüſſigkeit befindlichen feinen Spige ver-
fehen iſt, der kürzere aber in einer Flaſche mit Alkohol fteht, aus
Aequivalente.
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Gebrauch der Aoequivalente. 389
Der Gebrauch, welchen man won den chemifchen Aequiva-
Ienten-Zahlen machen fann, iſt fehr ausgebreitet. Abgefchen von
dem Nugen, welcyen der eigentliche Chemiker aus ihnen zieht, um
die Refultate feiner Analyfen zu kontrolliren und zu verbeilern,
gibt es auch in der technifchen Anwendung der Chemie mehrere
wo ihre Kenntniß vortheilhaft, ja nothwendig ill.
ı) Um zu, finden, wie viel ein Körper von einem andern er-
fordert, um eine gewifle beabfichtigte Verbindung mit demfelben
zu bilden, reicht die einfache Vergleichung der Mifchungsgewichte
oder Aequivglente beider hin; und die Wenge des entftehenden
neuen Körperd ergibt fi) aus der Summe diefer Zahlen. Sollen
5 ©. 120 Pfund Quedfilber in Zinnober verwandelt werben, ſo
find dazu 19.07 Pfund Schwefel erforderlich; denn im Zinnober
(Hg 8) ift ı Mg. — 1265.82 Quedfilber mit ı Mg. = 201.17
Schwefel verbunden, und es verhält fi) 1265.82 : 201.17 = 120
239.07. — ı Mg. = 201.17 Schwefel verzehrt, bei der Ver⸗
wandlung in Schwefelfäure, 3 Dig. — 300 Sauerftoff, und die
entfiehende Säure nimmt noch ı Mg. — 112.48 Waffer auf, um
ı Mg. = 613.65 Witriolöhl vom fpezif. Gewichte 1.850 zu bilden.
Daher ift der höcdyfte Ertrag an folhem Witriolöhl, welchen ein
Zentner Schwefel zu liefern vermag, 305 Pfund, wie man qud
der Proportion 201.17: 613.65 — 100: x findet.
2) Die Zahlen der Aequivalente geben ferner, wenu man
zugleich die ihnen beigefügten Formeln zu Rathe zieht, ein leichtes
Mittel an die Hand, um zu berechnen, wie viel in einer gegebes
nen Menge eined zufammengefegten Körperd von jedem der Be⸗
fandtheile enthalten ift. Wil man z. B. die Zufammenfeßung von
340 heilen kryſtalliſirten Eifenvitriold wilfen, und hat man in den
Zofeln gefunden, daß dieſes Salz, deilen Mg. = 1615.26 ifl,
Yaut der Formel Fe $ + 6Agq. enthält:
ı Mo. Eifenorydul = 439.21
» -Schwefelfäure = 501.17
6.» Waſſer == 6974.88
1615,26;
ſo ergibt ſich, wenn man nach einander die Proportionen
168 Yeguivalente.
1615.26 : 439.81 = 440 : x
1615.26 : 501.17 = 240: x
1615.26 : 674.88 = 240 : x
anſetzt und berechnet, daß 240 Th. Vitriol and 65.36 Eifenory-
dul, 74.47 Schwefelfäure, und 100.27 Waſſer beftehen. — ı Mg.
== 2788.14 Platinfalmiaf (falzfaures Ammoniaf- Platin) enthält
ı Mg. — 1233.26 Platin; daher wird man z. ©. durch Die Re:
duktion von 28 Loth Platinfalmiaf 12.39 Loth Matin erhalten;
u. f. w. — Auf diefe Weife find die in der Tegten Spalte obiger
Tafel enthaltenen Angaben der Prozente berechnet.
3) Bei der Anftelung chemifcher Progeffe, wo man durch
Zerlegung mittelft einfacher oder doppelter Wahlverwandtfchaft
neue Produkte zu gewinnen ſucht, wird man, geleitet von der
Kenntniß der Aequivalente, das richtigfte und zweckmaͤßigſte Wer
haͤltniß der Zuthaten auszumitteln, und den zu erwartenden Ertrag
voraus zu beftimmen im Stande feyn. 3.8. Man wolle 6 Pfund
(192 Loth) Kochfalz zur Darftellung der Salzſaͤure mittelft Vitriol-
oͤhl zerlegen. Das Mg. des Kochſalzes (Chlornatriume) ift 733.54,
jenes der Schwefelfäure (vom-fpezif. Gewichte 1.85) 613.655 die
zeigt, daß 733.54 Kochfalz 613.65 Vitrioloͤhl zur Zerlegung er-
fordern: auf 192 Loth Kochfalz wird man demnach 160.6 Loth oder
5 Pfund Säure anwenden müffen. Durch die Zerlegung gewinnt
man 119 Loth falzfaured Gas, und als Rückſtand 527.9 Loth oder
ı6: Pfund kryſtalliſirtes Glauberſalz; denn das Mg. der Salze
Säure iſt— 455. 12, jenes des fchwefelfauren Natrons = 2016 8,
und, e& verhält ſich: .
33.54 : 455.12 — 193 : 119.1
"33.54 : 2016.87 —= 192 : 697.9.
Will man jur Bereitung von Orünfpan 128 Theile kryſtalliſirten
Bleizuderd (Mg. 2375.14) durch fchwefelfaures Kupferoryd oder
kryſtalliſirten Kupfervitriol (Mg. 1559.27) zerlegen, fo findet man
aus der Proportion 2375.14 : 1559.27 == 138 : x, daß von Dies
fen letztern Salze 84 Theile erfordert werden. Die Menge des
erzeugten eſſigſauren Kupferd im kryſtalliſirten Zuitande wird
67.43 Th., und jene des abgefchiedenen fchwefelfauren Bleiorgdes
102.1 Th. betragen; denn die Mg. diefer ae Salze > 1251.38
und 1895.67, und es verhält fich:.
Chemifche Nechenftäbe. 161
‚2345.14.: 1251,38. 138 : 67.48,.
2375.14 ı 1895.69 ==. 188 : 102.1,
Indem man auf ſolche Weiſe den Ertrag einer Operation betech
net, und Ihn dann mit dem wirklichen vergleicht, wird man am
beſteu den Werth einer Verfahruugsart, und in.wie fern ihr Er⸗
gebniß ſich dem hoͤchſten möglichen nähert, beurtheilen förmen.
In allen dieſen Fällen gelangt man mirtelft einfacher Bros
yortionen zum Ziele: eine Rechnungsart, welche nichts weniger
als fchwierig ift, aber dennoch dem minder Geübten zeitraubend
ſeyn kann. Man hat daher, um alles Rechnen: ganz zu erſparen,
em eben fo ſchoͤnes als finnreiches Mittel ausgedacht, wodurch in
iedem Falle die gewünfchten Refultate in einem Augenblicte und
ganz mechanifch gefunden werden. Man hat nähnlid, die Einriche
tung der bekannten. Schieb: oder Rechen-Lineale zur Herftellung
fo gmannter chemiſcher Ned onſtaͤbe angewendet: und die
fen Snftrumenten Die Geftalt'gegeben, welche man auf Zafı 5 im
Sig. ı abgebildet ſieht ). Dad Ganze befteht aus einem 3 Zol
breiten, 4 bis 6 Rinien Biden, iind 12 oder mehr Zoll langen Bret⸗
dien, in deffen Mitte ber ganzen Ränge nad) ein Salz ausgeflößen
it (. Fig. 2). In dieſem Balze ſchiebt fich ein ſchmales Stäbchen,
welches, fo wie die obere Fläche des Bretchend, mit Papier über«
sogen if. Das Stäbchen enthält eine Eintheilung, deren Theile
in dentfelben Verhaͤltniſſe unter fich ſtehen, wie Die Differenzen der
Rogarithmen der beigefchriebeuen Zahlen, Auf dem Wretchen fles
ben zu beiden Seiten die Namen der einfachen und zuſammenge⸗
fepten Körper, Die Stelle, welche man jedem derſelben anweiſet, ift
keineswegs willfürlich, ſondern Durch Die Eintheilung des Stäbchen
und das Miſchungsgewicht Fed Körpers genau beitimmt, wie bald
erflärt werden wird. Es iſt übrigens anzurathen, Körper von einer:
lei Kaffe, 3.8. alle einfachen Stoffe, alle Oxyde, alle Salze, uſ. w.
auf die nähmliche Seite (rechts oder liuks von dem vnerjihiebbaren
Stäbchen) zu feben, des leichtern Anffindens ’ und folglich des
beguemern Gebrauches wegen.
Da’ die Zeichnung keine andere Beſtimmung hat, als einen
Begriff von der Einrichtung des Inſtrumentes zu verfchaffen, fo
find nur wenige Stoffe auf derfelben angegeben; und man wird
für die übrigen, nach der unten folgenden Anleitung, Leicht die
Tome. Encyelop. I 0% 18
162 Aequivalente.
ihnen gehörigen Stellen auffinden. Wichtiger iſt die Eintheilung
des verfchiebbaren Stäbchens, über welche in Kürze fo viel beige:
bracht werden foll, ale erforderlich iſt, Damit man fich ſelbſt ein
ſolches Inſtrument nach feinem Bedürfniſſe verfertigen koͤnne.
Wie geſagt, entſprechen die Theile dieſer Skale den Loga⸗
rithmen der auf ihr ſtehenden Zahlen; naͤhmlich die Abſtaͤnde der
Theilſtriche von dem mit ı bezeichneten (aber außerhalb des Bret⸗
chens liegenden) Anfangspunfte der Skale verhalten fi zu einan⸗
der, wie jene Logaritimen. Die Abflände der Theilſtriche von
‚ dem Punkte a, der mit zo bezeichnet ft, find demnach folgende;
wobei die Entfernung, zwifchen den Zahlen 10 und 100 1000
gefegt wird.
1 — 41 36 — 556 100 — 1000 | 340 — 1531
12 — 79 38 — 580 | 110 — ı104ı | 360 — 1566
13 — 114 40 — 603 | 2120 107) | 380 — 1580
14 — 146 42 — 6233 130 — 1114 | 400 — 1602
15 — 176 44 — 643 | 140 — 1146 | 420 — 1623
16 — 204 46 — 663 | 150 — 1176 | 440 .— 1643
37 — 230 48 — 68ı | 160 — 1204 | 460 — ı663
18 255 50 — 699 170 — 1230 | 480 — 1681
ı9 — 279 55 — 740 | ı80 — 1255 | 500 — 1699
so — 30ı bo — 778 | 190 — 1379 | 530 — 1716
32 -- 34% 65 — 813 | s00 — ı3oı | 540 — ı73a °
24 — 380 70 — 845 | 230 — 1343 560 — 1748 _
26 — 415 75 — 875 240 — 13830 580 — 1763
a8 — 447 | 80 — 903 | 260 — 1415. | 600 — 1778
3o — 477 85 — 929 | 280 — 1447 | 620 — 1798
32 — 505 990 — 994 | 300 — 1477 | 640 — 1806
34 — 53ı 95 — 978 | 3so — 1505
Man kann, mit Hülfe diefer Tabelle, die Sfale auf folgende Weiſe
richtig zeichnen. , Wenn die Länge des Raumes, den man zur
Eintheilung verwenden will oder kann (nähmlich der Abftand zwis
ſchen dem oberften mit zo bezeichneten Punkte, und dem untern
Ende, welches die Zahl 640 trägt) gegeben ift, fo nimmt man
fünf Neuntel von diefer Länge, und bildet daraus einen Maßftab,
den man in 1000 Theile theilt, und mittelit deifen man den Ort
für jeden Theilſtrich auf dem verfchiebbaren Stäbchen beftimmt.
d
Chemijche Nechenftäbe. 103
Dan mißt nähmlicdh für jede der in der Tabelle ſtehenden Zahlen
von dem mit 10 bezeichneten Punfte a aus, gegen b bin, die
beigefegte Denge von Taufendtheilen ded Maßftabes ab, und
ſchreibt zu dem gefundenen Punkte eben diefe Zahl, Die zwifchen
diefen Punkten liegenden Räume kann man, ohne einen merflichen
Sehler zu begehen, in eine entiprechende Anzahl gleicher Theile
eintheilen ; fo wie auf diefelbe Art von 10 bis 20 auch Viertel, und
von 30 bis 50 halbe Theile aufgetragen werden fönnen. Dann
fegt man die Nahmen jener Stoffe, welche man für feinen Zweck
nöthig zu haben glaubt, nad) Bequemlichkeit rechtd oder links ne»
ben die Sale, jedoch fo, daß jeder aus ihnen neben die Zahl zu
fiehen kommt, welche dem zehnten Theile feines Miſchungsgewich⸗
teö gleich ift *), zieht das folcher Geſtalt bezeichnete und befchries
bene Papier mittelft Leim oder Kleifter auf das Bretchen auf, und
ſchneidet e8 nad) dem Trocknen längs der zwei Linien ab und od
durch, um die &fale von den unbeweglichen Theilen, welche recht®
und links bleiben, zu trennen. Man kann dad Papier mit einem
Beingeiftfirniife überziehen, um es vor Schmug, und die Schrift
vor dem Abreiben zu fichern.
Zur Verfertigung der Sfale fann auch das folgende, von
dem obigen verfchiedene Verfahren angewendet werden, welches
vieleicht fogar bequemer it, Dan theilt Die ganze Länge a b der
Skale (Hig. 4) in ſechs gleiche Abfchnitte, und bezeichnet die Theil⸗
punfte Der Ordnung nad) mit 20, 40, Bo, 160, 330, während ber
Anfangspunft a und der Endpunft b die Zahlen 10 und 640 ers
halten. Den erften diefer Abfchnitte, af, theilt man in 100 heile,
bemerft (von anıd zählend) die Zheilpunfte ı4, 26, 38, 485, 584,
68, 76%, 85, 922, und fchreibt zus deuſelben der Meihe nach die
Zahlen 11, 12, u, few. bis 19. Der Abitand af ift dadurch in
sehn ungleiche Theile getheilt, Eben diefe Theile trägt man auch
in jeden der folgenden Räume, fg, gh, hi,ik, kb, ein, wo je
doch nach Anleitung der Big. 4 den Theilpunften andere, und zwar
ſchneller fleigende Zahlen beigefshrieben- werden; denn jeder Theil, -
der im Abfchnitte a f eine Einheit bezeichnet, wird in fg= 2, in
2) Auf dem Schieblineale ift näymlid das Mg. des Eauerfioffe= 10
‚(ftatt 100) angenommen, und daher müſſen auch die Zahlen alley
übrigen Körper auf den zehnten Theil herabgeſetzt werden.
11 *
104. Aequivalente.
ghes4, inhi=B, inike 16, in kb = 32 Einheiten. Die
zwifchen den fo erhaltenen Punften liegenden Räume werben nun
wieder, zur Vervollftändigung der Sfale, in gleiche Xheile
eingetheilt. Weil aber für alle einzelnen Theile auf einer ı= bie
15 300 langen Skale nicht Raum ift, fo trägt man fie gegen das
Ende b (Fig. ı) hin, nur von 2 zu 2, und endlich nur von 5
zu 5 auf.
Ein fo eingerichteted Schieblineal kann zur mechanifchen Voll:
bringung aller jener Berechnungen dienen, welche man mittelft
der aus den Mifhungsgewichten abgeleiteten Proportionen vor«
nimmt, wie oben gelehrt wurde. Nur ift zu bemerken, daß hier
Die Benauigfeit einen minder hohen Grad erreicht, befonders wenn
die Sfale des Lineald nicht von bedeutender Länge ift, und man
mit großen Zahlen operirt. Indeſſen ift für technifche Zwecke eine
die Fleineren Bruchtheile berüdfichtigende Schärfe nicht nöthig.
Der Gebrauch ded Inftrumentes wird ſich am beften durch ein
Beiſpiel deutlich machen laſſen. Das bewegliche Stäbchen werde
fo gefhoben, daß die Zahl 200 auf feiner Sfale neben »Salpe⸗
ter« zu fteben fommt (f. Sig. 3). Dann befindet fich neben
»Salpeterfäure« die Zahl 107, und neben » Kalia die Zahl
93, was anzeigt, daß in 200 Xheilen Salpeter 107 Salpeter⸗
fäure und 93 Kali enthalten find. Die bei diefer Stellung neben
der Schwefelfäure (1.85 fp. Gew.), dem fhwefelfauren
Kali, dem Kochſalze, demwafferfreien und Eryftallis
firten [hwefelfauren Natron, dem Waffer, der wafe
ferfreien Schwefelfäure, dem Natron, der Salzfäure,
dem falpeterfauren@&ilberoryde und den Chlorſilber
befindlichen Zahlen zeigen an:
1) Daß 97 Theile Schwefelfäure vom fp. ©. 1.85 aus 79.25
wafferfreier Schwefelfäure und 17.75 Waſſer (1 Dig.) beftehen.
a) Daß zur Zerlegung von 200 Th. Salpeter eben diefe 97
zb. Schwefelfäure erforderlich find, und daß hierdurch 107 Th.
(wafferfreie) Salpeterfäure nebft 172 Th. ſchwefelſaurem Kali er⸗
halten werden.
3) Daß die naͤhmlichen 97 Ih. Vitrioloͤhl 116 TH. Kochfalz
gerlegen, dadurch 72 Th. falzfaured Gas und 141 Ih. waſſerfreies
oder 318 Ih. ktyſtalliſirtes fchwefelfaures Natron erzeugen.
Aether. 165
‚ 4) Daß 141 waſſerfreies fchwefelf. Natron aus 79.35 Schwe⸗
felfäure und 61.75 Natron, oder 318 Froftallifirtes ſchw. N. aus
79.25 Schwefelf., 61.75 Natr. und 177 Wafler (10 Mg.) beſtehen.
. 5) Daß 116 Th. Kochſalz aus 336 TH. falpeterf. Silberorydes
das Silber vollftändig fällen, und Damit 383 Th. Chlorfilber liefern.
Diefe Angaben Fönnten noch außerordentlich vervielfältige”
werden; denn in der That iſt Durch das Verfchieben des Stäb-
end mit einem Mahle eine Reduktion aller Kequivalenten » Zahlen
oder Mifhungsgewichte Dergeflalt verrichtet worden, daß neben
jedem Körper jene Zahl fich befindet, welche fein Mifchungsgewicht
auodruͤcken würde, wenn dad Mg. des Salpeterd = 200 wäre,
Ratt 126.7, wie es (ald auf den Sauerfloff = 10 besogen) in
Gig. ı erfcheint. Jede Verrüdung des Stäbchens ftellt alfo dem
Blicke fogleich das Nefultat dar, welches man fonft durd Be⸗
rechnung eben fo vieler Proportionen, ald Körper auf dem Lineale
verzeichnet find, mühſam hätte finden mülfen. Ein furger Um⸗
gang mit diefem Inftrumente macht feine —————— Außerft
leicht, ficher und bequem. Ä
| 8. K.
Aether.
Durch die Einwirkung einiger Saͤuren, beſonders der Schwe⸗
felſaͤure, auf Alkohol entſteht eine Flüſſigkeit, welche viel fluͤchtiger
und eutzuͤndlicher iſt, als der Alkohol ſelbſt, und Aether genannt
wird. Bei dieſer Einwirfung verbindet ſich in dem Alkohol ein
xheil des Wailerftoffes mit einem Theile des Sauerſtoffes zu
Wafler, welches mit der Schwefelfäure fich vereiniget, während
dee Alkohol, jenes Waſſers oder feiner VBeftandtheile beraubt,
als Aether erfcheint, welcher daher verhältnigmäßig mehr Kohlen-
ftoff als der Alkohol enthält. (©. Aequivalente, hemifde,
&.149.) Der eigentlich fogenannte Aether ift der mittelft der
Schwefelfäure dargeftellte (Schwefeläther)., weil biefer,
gleidy dem Alfohol, nur eine Verbindung von Kohlenftoff, Waſſer⸗
ſtoff und Sauerftoff ift, ohne etwas von der Säure zu enthalten
(was auch der Bau ift bei dem mit Arfeniffäure und Phosphorfäure
Bargeftellten Aether). Ron diefem reinen Aether unterfcheiden fid)
die mit anderen Säuren Dargeftellten Aetherarten darin, daß Ichtere
166 Aether.
noch in ihrer Zufammenfeßung einen Zheil der Säure enthalten,
mit welcher fie bereitet worden find. Dergleichen find der Sal-
geteräther, Salzäther, Eifigäther u. ſ. f. Wir werden und hier
nur mit der Bereitungsart des reinen Aetherd oder Schwefel-
äthers und des Eſſigaͤthers befchäftigen, da nur diefe eine techniſche
Wichtigkeit haben. | |
Die Einwirtung der Schwefelfäure auf den Alfohol im
der Art, daß der letztere in Aether umgeändert wird, geht nur bei.
einer gewilfen Temperatur vor ſich: ift die Temperatur niedriger,
fo erhält man durch die Deftillation der Mifchung größtentheils
nur Alkohol; ift fie höher, fo bilden fi auf Koſten des Alfohold
aufier dem Äther noch andere Produfte, ald Schwefelweinfäure
und Weinöhl, wodurch ein verhältnißmäßiger Verluft an Aether
entfteht. Diefes legtere erfolgt aber nothwendig, wenn, nad
der früher gewöhnlichen Methode, die ganze Menge von Schwefel
fäure und Alfohol mit einander vermifcht, und dann fo lange,
als noch. Aether erfcheint, deftilirt wird, weil der Siedpunft der
Mifchung immer höher fteigt, je geringer die Menge Alfoho[s gegen
jene der zurückbleibenden Schwefelfäure wird. Es folgt alfo hier⸗
aus, daß die vortheilhaftefte Methode der Aetherbereitung im
MWefentlichen darauf beruhe, daß während der Deftillation der Mi⸗
fhung die Menge des Alfohold gegen jene der Schwefelfäure, wenn
ein Mahl die Aetherbildung begonnen hat, ziemlich unverändert
erhalten werde, was dadurd) bewirkt wird, daß man den Alkohol
in einem ganz feinen Strahle in dem Maße in die Netorte nach⸗
fließen läßt, als die Deftillation des Aethers felbft Statt findet.
Die beite Art, den Aether foweohl im Kleinen ald im Gro⸗
Ben zu bereiten, iftdaher folgende. Man vermiſcht zuerft 3 Theile
Schwefelfäure von 1,85 fpez. Gewicht (66° Baume) mit a Iheilen
Alkohol von 0,83 ſpez. Gewicht (36° Baume). Um bei diefer Mi⸗
ſchung die zu heftige Erhigung zu vermeiden, gießt man den Alfos
hol zuerit in die tubulirte, hinreicheud geräumige Netorte, die man
fo in Bewegung feßt, Daß der Alfohol ſich um eine, dadurch in
der Mitte entftehende trichterförmige Vertiefung fehwingt, im
welche man, unter beftändigem Fortſetzen diefer Bewegung, die
Säure in einem fehr dünnen Strahl durch den Tubulus einfließen
läßt, Die Miſchung erhipt ſich dabei bis zu 609° R.; man fügt
Aether. 167
nun fogleich eine geräumige Vorlage an, legt die Retorte in eine
vorher mäßig erwärmte Sandfaäpelle, verbindet diefelbe mittelft
eines Vorſtoßes mit der fühl erhaltenen Vorlage, und läßt die Des
Rilation beginnen. Daß die Mifchung hier noch warm auf die
Saudfapelle gebracht werde, ift darum von Wortheil, weil, de
die Aetherbilduug erft bei einer gewiſſen Temperatur vor fich gebt,
bei der Iangfamen Erhigung der in der Netorte befindlichen Mi⸗
(hung erft ſehr viel Alkohol unverändert überdeftillirt, ehe die
Zemperatur eintritt „ bei welcher die Aetherbildung beginnt.
. Arbeitet man mit größeren Mailen (bis etwa zu :5 Maß),
fo iſt e8 ficherer, die Mifchung außerhalb der Netorte in einem .
binreichend großen irdenen Kruge, wie folche zur Alfbewahrung
der Schwefelfäure gebraucht werden, zu bewerffielligen. Man
gießt Die ganze Menge des Altohols in den Arug, fügt eine Portion
der Schwefelfäure Hinzu, und fchüttelt gut um; fest hierauf eine
neue Portion hinzu, fehüttelt wieder, fährt fo fort, bis die Hitze
zu ſtark wird; in welchem Salle man das Ganze einige Stunden
suben läßt, und dann neuerdingd Schwefelfäure hinzufügt, bis
aufeinige Pfunde, diemanim Rückhalt behält. Nachdem man nun
den Deftillationsapparat (f. Deftillation) mit der hinreichend
geräumigen Retorte, die für dieſen Fall auch aus Bley bergeftellt
feyn kann, vorgerichtet, And die Sandfapelle gehörig erwärmt
bat, gießt man die Tegte Portion der Schwefelfäure noch in den
Krug, wodurch die Mifchung fich wieder erwärmt, wonach die⸗
felbe fogleicy in die Retorte durch den Tubulus eingegoifen wird,
und die Deftillation ihren Anfang nimmt.
Nunmehr befeftiget man indem Tubulus der Retorte mittelft
eined vorbereiteten, gut fchließenden Korfftöpfels eine in der Form
eines liegenden co geftaltete Slasröhre, deren eined Ende, welches
in eine dünne, beinahe haarröhrchenartige Spige ausgezogen iſt,
in die in der Retorte befindliche Flüjligfeit um ein Deittel ihrer
Höhe Hineinreicht, das andere, außerhalb der Retorte befindliche,
aufwärts gehende Ende aber mit einem Trichter verfehen ift, Durch
welchen fpäterhin der Alkohol nachgegoilen wird. Statt diefer m
Röhre kann man auch einen Heber anwenden, deilen längerer
Schenfel mit der in der Flüſſigkeit befindlichen feinen Spige ver-
fehen iſt, der kürzere aber in einer Flaſche mit Alkohol fteht, au«
108 Aether.
welcher das Nachfließen erfolgt, welches noch durch einen an dem
‚längeren Schenfel angebrachten Hahn regulirt werden kann.
Dad Feuer unter der Sandkapelle wird. fehr mäßig und
vorfichtig gehalten; wenn die erften Zeichen des Kochens eintreten
(was man durch Das eigenthuͤmliche Geraͤuſch bemerft) ganz weg-
genommen, und wenn nun Das Kochen ſich gleihförmig und ruhig
eingeftelt bat, nur nah und nad wieder fo viel gefchürt,
daß dieſes gleichförmige Sieden ohne Unterbrechung fortdauert.
Die Abfühlung bei diefer Operation wird am beflen durch eine
Kühlröhre aus reinem Zinn bewirft, und der Aether wirb in einer
- gläfernen Vorlage, :welche fühl erhalten werden muß, aufgefangen.
Um den Aether portionenweife aus diefer Vorlage abzuziehen, ver⸗
fiebt man diefelbe mit einem Heber, deilen einer Schenkel beinahe
bid auf den Boden der Vorlage reicht, der andere, längere, aber
in einer mit einem naflen Tuche Fühl erhaltenen Flaſche ſteht.
. Werden die Aetherdämpfe in der Vorlage etwas ftärfer, fo drüden
fie die vorhandene Slüffigfeit durch den Heber in die Flaſche.
Nachdem durch die erfte Deftillation ein Theil Aether in die
Vorlage übergegangen ift, laͤßt man durch Die c Röhre oder ben
Heber Alkohol in die Retorte nachtreten,, und diefes Nachfließen
muß nun ununterbrochen fortdauern. Da der Zutritt des Alfoe
hols durch die enge Nöhre nur fehr langſam erfolgt, fo wird die
Mifhung dadurch nicht merflich abgefühlt; und da der Aether
beiläufig in gleichem Verhaͤltniſſe mit dieſem Zufluffe gebildet wird,
fo bleibt ın der Mifchung immerfort daͤſſelbe Verhaͤltniß zwifchen
Säure und Alfohol, ein Umftand, der, wie fhon früher bemerkt
wurde, für die Produftion der größten Menge Aethers aud ders
felben Quantität Alfohol weſentlich ift.
Wenn fo viel Alkohol zugefloffen ift, daß die Menge deſſel⸗
ben, mit Einfluß der zuerft zugefeßten Nuantität, dem doppelren
Gewichte der angewendeten Schwefelfäure gleich ift, ſtellt man
den Zufluß ein, und Täßt die Operation bei gelindem euer noch
fo lange währen, bis die fettigen Streifen , welche der fich
Fondenfirende Aether in der Vorlage bildet, aufhören, oder läng«
ſtens bis weißliche, nach fehweflicher Säure riechende Dämpfe zit
erfheinen anfangen, wo dann das Feuer fogleich weggenommen
wird... Bei einer längern Fortſetzung der Operation. würde mit
Aether. | 169
der ſchweflichen Säure. zugleich daß ars einer weiteren Zerſeßung
des Rückſtandes in der Retorte re Weindhl übergehen and
dad Deitillat verunreinigen.
: Man theilt dieſes Deſtillat wäheend der Operation auf die
oben angegebene Art in drei Portionen. Die erſte, welche einen
großen Theil Alfohol enthält, fept man auf die Seite, um fie
bei einer nächlten Operation wieder ber Mifchung flatt Alkohol .
inmfepen. Die zweite and größte Portion ift Die reinſte; fie wird,
da fie noch etwas Alkohol und gewöhnlich auch etwas fehwefliche
@äure enthält, eben fo, wie für fich die Dritte Portion, der Reini⸗
gung von jener fremdartigen Beimiſchung unterworfen. Man
ſchüttelt fie zu diefem Behufe mit einem gleichen Volum Waſſers,
dad mit gebranntem und in Waller zerrührten Kalt gemengt ift,
und nach Abziehung deſſelben noch wit eben fo viel reinen Waſſers;
nimmt den Aether dann ab, wenn er fich wieder obenauf geſammelt
Int, gießt ihn in eine Retorte auf geöblich zeritoßenen falzfauren
Kalk, und deſtillirt bei fehe gelinder Wärme zuerfl ein Drittheil
ab, dad ald reiner Aether abgefendert wird; die übrigen z ent
halten noch etwas Alkohol, und werden befonders aufgefangen.
Hat man das Deftillat, wie das bei Beinern Mengen gewöhnlich
it, nicht in mehrere Portionen getheilt; fo deftillirt man daſſelbe
nochmahls bei gelinder Wärme, nimmt die erfte Hälfte ab, be
baudelt Diefe auf die erwähnte Art mit Kalt und Waſſer, und ſetzt
die rückftändige Hälfte der fehwefelfauren Miſchung bei der naͤch⸗
fen Operation zu.
Der Rüdftand in der Retorte beſteht größtentheild aus wit
Waller verdinnter Schwefelfäure. Man fann demfelben neuerdings
Alkohol zufeben, und noch eine bedeutende Menge einer Mifchung
von Aether mit Alfohol (ehemahls fogenannte verfüßte. Schwer
felfäure) abdeftilliren. Diefe Mifchung ift in mehreren Bällen
gut zu Firniſſen, flatt reinen Alfohols, verwendbar, wenn man die
felbe vorher noch über gebranntem und an der Luft zerfallenem
Kalfe, zur Abfcheidung der fchweflichen Säure, reftifizirt Bat.
Auf die befchriebene Art erhält man bei forgfältiger Leitung des
Prozeſſes aus 57.6 Theilen Alkohol von 0.83 fp. Gew. 33: Theile
Aether; was nahe eben fo viel ift, als die Rechnung verlangt,
ba nad) letzterer 375 Iheile Aether erhalten werden müßten,
170 Aether.
Der Aether ift waſſerhell, düunfläffig, von ſtatten eigen⸗
thumlichen Geruche; bei 16° M. gegen Waſſer von derſelben
Temperatur ift fein fpez. Gewicht==0.7155. Er kocht unter dem
gewöhnlichen Luftdrucke ſchon bei 2820 R. Er ift fehr Teicht ent-
zundlich, wegen der Verbreitung feines Dampfes fchon in einiger
Entfernung von dem brennenden Körper, und muß daher mit
Borficht behandelt werden. Da er bei dem Zutritte bez Luft durch
Aufnahme von Sauerftoff allmaͤhlich ſich in Eſſigſaͤure oder Effig⸗
äther umwandelt, fo muß man ihn an einem fühlen Orte in damit
vollgefällten und gut verfchloifenen Gefäßen aufbewahren. Dee
Aether ift ein Auflöfungsmittel fir einige Salze, für fette und
flüchtige Öble ‚, für verfchiedene Harze und andere Pflanzenftoffe,
z- B. Kautſchuk.
Der Eſſigaͤther entſteht durch die Einwirkung der Eſſig⸗
ſaͤure auf den Alkohol, die man durch Zuſatz von Schwefelſaͤure
befördert. Durch letztere wird nähmlich mit dem Alkohol Aether
‚gebildet, welcher im Augenblide feiner Entftehung mit der Eſſig⸗
fäure in Verbindung tritt. Am wohlfeilften nimmt man hierzu
ein efligfaured Salz ftatt der fonzentrirten Effigfäure, nähmlich
efligfaures Kali oder effigfaures Blei (Bleizucker). Hierzu wer⸗
den 20 Unzen gepulverter Bleizucker in einem hohen Kolben mit
einem Gemifche aus 10 Unzen Altohol und 113 Unzen fonzentrirter
Scwefelfänre übergoflen, hierauf ein Helm mit Vorlage gut
anlutirt, und dann bei gelindem Feuer 12 Unzen abdeftillirt. Der
durch dieſe Deftillation erhaltene Aether ift immer mehr oder wenis
ger alkoholhaltig. WI man ihn wenigftend größtentheild Davon
befreien, fo bringt man in denfelben gefchmolzenen und grob zer⸗
ftoßenen falzfauren Kalt; diefer wird vom Alkohol aufgelöft, und
der Aether fhwimmt dann oben auf. Iſt das Deftillat fauer durch
die Verunreinigung mit freier Effigfäure, fo nimmt man die Säure
erſt Durch Pauftifches Kali weg, und gießt dann den Aether auf den
ſalzſauren Kalf, laͤßt ihn einige Zage damit ftehen, und deftillirt
ihn emdlich ab.
Der Effigäther Hat einen angenehmen efligartigen Geruch
und Sefhmad. Sein ſpez. Gewicht ift bei 14° R. == 0.883; er
kocht unter 38 bei 60% R., laͤßt fich leicht antzünden, und ohne
Aenderung aufbewahren. Er ift in den. meiften Weinen und in
chen. 171
den amd Deufelben bereiteten Beanutweinen enthalten, eben fo in
dem Eifig; im weichen Fällen er ſich durch die Gährung mit und
and dem Alfehel bildet.
i d. H.
Aeten.
Ae tzen bezeichnet diejenige Operation, bei weicher durch
demifche Mittel auf der Flaͤche irgend eined Körpers vertiefte
Zeichummgen hervorgebracht worden, folglich dasjenige geleiſtet
wird, was amf mechauifche Weiſe durch den Geabftichel geſchehen
fann. Der Zwedi deö Aetzens kann ein doppelter feyn, entweder
die bloße Verzierung der Oberfläche oder die Heritellung einer
Form für den Abdrud. Das lehtere ift bei der Ausführung der
Kupferſtiche der Fall. Das Heben befteht im Wefentlichen darin,
daß die Flache mit einem barzigen Firniß (dem Achgrunde)
überzogen wird, in welchem dann die Zeichnung mittelft geeigne⸗
ter Nadeln und Griffel hergeftellt wird. Gießt man nun auf die
fo vorbereitete Zläche eine Säure, die auf deren Subſtanz aufld«
feud wirft (da8 Aeswaffer); fo werden die mit ber Nadel
oder dem Griffel entblößten Linien und Stellen vertieft, während
der übrige Theil durch den Aetzgrund gefchügt if. Die Aepmittel
mũſſen überhaupt als Auflöfungsmittel wirken, folglich fich nach
der Natur des zu äpenden Körpers richten.
Die größte Anwendung: des Aetzens findet in der Kupfer:
fiecheren Statt, und wir wollen diefed Verfahren zuerſt befchreiben,
weil bei der Vollkommenheit, zu welcher daflelbe gebracht ift, die
dabei Statt findenden Handgriffe auch jeder anderen Art zu äben
zum Grunde liegen. |
Aetzen in Kupfer. Die Kupferplatte, welche mit der
geaͤtzten Zeichnung verfehen werden foll, muß völlig eben und por
Iirt, auch von einer ganz gleichfösmigen Maffe feyn, damit das
Scheidewafler, Das zum Aetzen angewendet wird, überall gleichför«
mig angreife. Bor dem Geobrauche fchafft man von ihrer Oberfläche
alle Settflefen weg, indem man diefelbe mit gefchlämmter Kreide
and Leder abreibt, und zulegt mit reiner Leinwand abtrocknet.
Die Platte wird nun mit dem Aepgrunde verfehen. Zu die
ſem Behufe wird fie erwärmt,. indem man fie, mit der polirten
172 FE Aetzen. | |
Flaͤche oben, mit einem Feilfioben über ein mäßiged Kohlenfeuer
hält, oder wen fie flein.ift, einiges Papier unter derfelben an⸗
zündet. Man nimmt hierauf den in Taffet eingewidelten Ach
grund (der nachher befchrieben wird) und fährt damit über Die
‚ heiße Platte von einer Seite zu der anderen in geraden neben
einander liegenden Zügen gelinde bin, bis diefelbe mit dem durch
‚ den Zafft durchdiingenden Fieniß mäßig bedeckt fl. Mit einem, .
mit etwas Baumwolle ausgefüllten Zupfer aus Zeffet berührt man
nun fogleich diejenigen Stellen, wo von dem Firniß zu viel ſeyn
Söuute, um ihn dahin zu führen, wo davon zu wenig iſt, und fo
Die Lage möglich gleich und biinn gu verbreiten.
Die Platte wird nun, während fie noch warm ift, auf der
mit bem Aetzgrunde verfehenen Seite eingeräuchert, mittelft eines
Stuͤckes Fackel oder einer diden Wachöferze oder mit einem Wachs⸗
flode, den man fünf bis ſechs Mal zufanımengebrebt hat, um eben
fo viele Slammen bei einander zu haben, und einen ftarten Rauch
zu verurfachen. Diefes Eimräuchern muß fo fchnell ala möglich
geichehen, damit der Firniß während der Operation nicht Falt
werde, weil der Ruß fonft nicht haftet. Die Flamme muß übri⸗
gend in einiger Entfernung von dem Aetzgrunde gehalten werden,
. Damit der Docht ihn nicht berühre und an einzelnen Stellen vers
derbe. Will man auf den Aetzgrund ftatt Diefer fhwarzen Farbe
eine weiße bringen; fo reibt man reines Bleiweiß mit Leimwaſſer
an, dem man zur befferen Haftung noch einige Tropfen Ochfengalle
zuſetzen fann, und trägt es mit einem Haarpinſel gleichförmig
auf die mit dem Aetzgrunde bedeckte Platte.
Nun wird der Umriß der Zeichnung auf Die vorbereitete
Platte, nachdem diefelbe wieder erfaltet ift, von dem Papier
übertragen (calfirt). Iſt Die Zeichnung mit Blei⸗ oder Rothftift
auf Zeichen= pder Velinpapier angefertigt; fo ift für die Ueber⸗
teagung derfelben auf den Aepgrund die einfachfle Methode
‚diefe, daß man die Zeichnung, nachdem man fie vorher etwa eine
Viertelftunde lang zwifchen benegtes Papier gelegt hat, um fie
hinreichend feucht und weich zu machen, mit.der gefchwärzten
Aupferplatte durch die Aupferdruckerpreffe gehen laͤßt, wo fich
Die Zeichnung auf dem gefchwärzten Aetzgrunde, und zwar ver-
kehrt oder in derjenigen Lage abdrudt, in welcher fie eigentlich
Heben .iu Kupfer. 173
anf Die Kupferplatte kommen fol, damit fie auf dem Kupfer
liche dieſelbe Lage habe, wie anf dem. Original. Sei. diefer
Methode it jedoch ein Papier von fehr feinem und gleichfärmi-
gem Korn erforderlich, damit es fich unter der Prefle gleichmaͤßig
ausdehne und die Zeichnung nicht verzerre. Hat man keine Druck⸗
yreffe zur Hand, fo verführt man auf folgende Art. Die. Zeich⸗
sung des Originals wird auf durchſcheinendes Stroh - oder chine-
ſiſches Papier, oder gebhktes Papier übertragen. . Dann wird: ein
Ste důũmes Velins Papier. von der Größe, der Zeichnung wat
gepulwertem:;.Nöthel, oder. Graphit auf der einen Seite. uͤberrie⸗
ben,- dieſes Papier mit der beftrichenen. Seite auf den Atzgrund
gelegt, Das Strohpapier. mit der Dursbzeichnung, nachdem man
daffelbe umgekehrt hat, damit diefe Die verkehrte ‚Lage er⸗
halte, darüber firaff außgebreitet und an dem ande der Kupfer⸗
tafel durch Kluͤmpchen Wachs hefeflige. Man überfährt nun mit
der Radiernadel die Unriſſe der Zeihnung bei gelindem Drucke,
wodurch ſich dDiefelben.auf Dem ſchwarzen Grund mitteli der mit
Rothel oder Graphit: uͤberſtrichenen Papierfläche übertragen... Ohne
Färbung der Papierfläche laͤßt fi der Calk auch auf folgende Art
herſtellen. Man legt auf.das Original Firniß⸗ oder Strohpapier,
und zeichnet es mit Bleiſtift durch. Nachdem nun der Aetzgrund mit
der weißen Sarbe überzogen worden ift, legt man das Papier mit
der, mit der Bleifliftzeichnung verfehenen Seite auf den Grund, be⸗
ſeſtigt es am Rande, uud überfährt mit Der Radiernadel die‘ Durch»
fheinenden Linien, welche fid) fonach auf dem weißen Grunde
abdrucken. Diele Methode liefert einen feineren . und rückſichtlich
der Staͤrke der Striche richtigeren Calf, ald jene mittelft der. ges
färbten Flaͤche.
Eine andere Manier befteht darin, daß man auf durchſchei⸗
nendes Stroh: oder Oehlpapier, oder auf Hauſenblaſenpapier (pa-
pier glace oder papier gelatine f. Folie), das man über die Zeich⸗
uung legt, Die Umriſſe mit einer feinen Nadel einreißt, und hierauf .
diefe mit der Nadel gemachte Zeichnung mit einer Mengung aus glei-
chen Theilen von fehr fein gepulvertem Rothitein und Graphit mitselft
des Fingers von einem glafirten Handſchuh einreibt. Diefer Staub
fegt ſich in die auf dem Papiere von der Nadel gemachten Ritzen;
das überfchüffige Pulver wird mit einer weichen Leinwand wegge:
174 Aetzen.
nommen. Dieſe Zeichnung legt man auf den Aetzgrund, fo
daß die. gefärbten Striche diefen berühren, die Zeichuung alfo-
die umgekehrte Lage bekommt; fie wird an dem Rande der. Kupfer-
platte gehörig befeftigt, und nun werden mit ber Nadel die Zuge
wieder genau überfahren, wodurch fich die rothe Farbe derſelben
auf dem fehwarzen Grunde abfegt. Wendet man bei diefer Me⸗
thode das Firniß- und Dehl: Papier an, fo darf es weder zu frifch
ſeyn, weil’fich der Calk leicht verliert, noch zu trocken, weil Dan
das Papier von der Nadel Teicht-Durchgefchnitten wird. Veſſer
eignet fich hierzu das Hauſenblaſenpapier, auf welchem fi mis
der Radel tiefer einreißen läßt, als auf dem Birniß- Papier.
Diefed Papier gibt auch den Vortheil, daß man es nach der vor.
ber befchrichenen Art über der gefchwärzten Kupferplatte trocken,
alfo ohne Gefahr des Verziehend, durch die Kupferdruderpreile
gehen laſſen kann, wo fich dann der Ealf auf der Platte abdrudt,
folglich das zweite Durchzeichnen erfpart wird.
Iſt auf eine oder die andere Art die Zeichnung auf ben Aetz⸗
geund gebracht; fo nimmt der Künftler mit der Nadiernadel diefen
Firniß au den gezeichneten Linien weg, um die Flaͤche des Ku⸗
pfers der Sinwirfung des Aetzwaſſerd zu. öffnen.
Nachdem die Radierung der Zeichnung vollendet worden, wird
die Kupferplatte mit einem etwa einen Zoll hohen Rande von wei«
. dem Wachſe umgeben, das in der Kälte hinreichend Hart wird, und
doch, zwifchen den Fingern erwärmt, fich leicht neten läßt. Man
ſetzt zu dieſem Zwede dem gemeinen Wachſe etwas Pech ober Ter-
penthin und Talg zu, oder verfertigt ed eigend nach folgender Vor⸗
ſchrift. Man laͤßt zuerft ein Pfund weißes Wachs fchmelzen,
fept demfelben dann ein Pfund zerftoßenes Pech zu, rührt bie
Mifhung unter einander, fügt nach dem gaͤnzlichen Schmelzen
noch ſechs Unzen Schweinfett hinzu, rührt wieder, und gießt Die
Maile, wenn fie anfängt fi aufzublähen, in ein Gefäß mit
kaltem Wafler. Nachdem die Kupferplatte mit diefem Rande um:
geben worden ift, den man noch, um bad Austreten des Aetzwaſſers
defto fücherer zu verhüten, an der Stelle, wo er nach innen auf
der Platte aufſitzt, mit einem mit Lampenſchwarz verdidten Ter⸗
penthin⸗Firniß (Deckfirniß) überziehen kann; fo wird die
Aetzen .in Kupfer. | 175
Salpeterſaͤure, welche in das Kupfer a üben beſtimmt Wr auf:
gegoflen.
Die hierzu. verwendete Salpeterfänre. bat eine Otarke von aa⸗
Baumé man verdiiunt dieſelbe gewöhnlich mit dem dritten Theile
reinen Waſſers; doch haͤngt dieſe Verdünnung von der Temperatur
der Luft und der Beſchaffenheit der radierten Zeichnung ab, da
das Scheidewaſſer um ſo ſtaͤrker wirkt, je naͤher die Striche ſich
an einander befinden. Man gießt das Scheidewaſſer etwa einen
halben Zell Hoch auf, wonach fogleich die Wirkung deſſelben be⸗
giant, und zwar zuerft und am flärkiten in jenen Linien, wo Die
Radiernadel am ſtaͤrkſten in das Kupfer eingegriffen hat. Waͤh⸗
„send dieſes Aetzens teägt man Serge, die Ruftblafen, die fih an
den geäbten Stellen entwideln, ſo wie den Grüuſpan, der ich
kin und ber aufest, mit einem Pinfel zu entfernen, damit die
fernere Wirkung des Aetzwaſſers au folchen Stellen nicht gehindert
werde. In etwa einer Viertelflunde, oder wenn man bemerkt,
daß das Scheidswafler an den zarteflen Strichen hinreichend ges
wirft bat, gießt man daſſelbe von der Platte ab, wäfcht diefe mit
seinem Wailer, und läßt fie an ber Luft oder der Sonne, oder
was fchneller vor fich geht, durch Aufblafen von Luft mit einens
Blafebalg, troden werden. Nachdem man nun von dem Aep-
grunde mit Polierfohle (Kohle aus Weiden oder Lindenhol;) etwas
wenige& weggenommen, und fich von der hinreichenden Vertiefung
der feinen Striche überzeugt Hat, überzieht man alle Theile der
Platte, die hinreichend geägt find, mit Dem bereit6 genannten
Dedfirniß, bringt nach dem Trocknen deflelben das Aetzwaſſer,
das nun mach und nach verflärft werden kann, neuerdings auf
die Platte, bis auch die flärfereu Striche hinreichend geägt find;
und wiederhohlt dieſe Operation noch weiter, wenn die Natur der
Zeichnung ed erfordert, bis zur Vollendung der flärkfien Striche.
Die Platte wird dann mit Waller abgewafchen, fo weit gewaͤrmt,
daß der Wachsrand weggenommen werden fann, während fie noch
warm ifl, mit etwas Terpenthinöhl übergoifen und.mittelft deſſel⸗
ben der Aeßgrund mit einem Lappen weggenommen ; worauf man
die Platte noch mit Dlivenöhl durdy einen Lappen abreibt. Ge⸗
woͤhnlich gibt der Kuͤuſtler diefer geägten Zeichnung, befonders in
den Kraftſtrichen, die legte Vollendung durch den Grabflichel.
166 Aether.
noch in ihrer Zufammenfegung einen Theil der Säure enthalten,
mit welcher fie bereitet worden find. Dergleichen find der Sal
peteräther, Salzäther, Eifigäther u. ſ. f. Wir werden und hier
nur mit der Bereitungsart des reinen Aethers oder Schwefel
äthers und des Eſſigaͤthers befchäftigen, da nur dieſe eine technifche '
Wichtigkeit haben. |
Die Einwirkung der Schwefelfäure auf den Alkohol in
der Art, daß der Ieptere in Aether umgeändert wird, geht nur bei.
einer gewiſſen Temperatur vor ſich: ift die Temperatur niedriger,
fo erhält man durch die Deftillation der Mifchung größtentheils
nur Alfohol; ift fie höher, fo bilden fi) auf Koften des Altohols
außer dem Äther noch andere Produfte, ald Schwefelweinfäure
und Weinöhl, wodurch ein verhältnißmäßiger Verluft an Aether
entfteht. Diefes legtere erfolgt aber nothwendig, wenn, nach
der früher gewöhnlichen Methode, die ganze Menge von Schwefels
fäure und Alfohol mit einander vermifcht, und dann fo lange,
als noch). Aether erfcheint, deftillirt wird, weil der Siedpunft der
Miſchung immer höher fleigt, je geringer die Menge Alkohols gegen
jene der zurückbleibenden Schwefelfäure wird. Es folgt alfo bier:
aus, daß die vorrheilhaftefie Methode der Aetherbereitung im
Weſentlichen darauf beruhe, daß während der Deftillation der Mi⸗
fhung die Menge des Alfohols gegen jene der Schwefelfäure, wenn
ein Mahl die Aetherbildung begonnen bat, ziemlich unverändert
erhalten werde, was Dadurch bewirkt wird, Daß man den Alkohol
in einem ganz feinen Strahle in dem Maße in die Retorte nach⸗
fließen läßt, als die Deftillation des Aethers felbft Statt findet.
Die beite Art, den Aether fowohl im Kleinen ald im Gro⸗
Ben zu bereiten, ift daher folgende. Man vermifcht zuerft 3 Theile
Scwefeljäure von 1,85 ſpez. Gewicht (66° Baume) mit a Theilen
Alkohol von 0,83 fpez. Gewicht (36’Baume). Um bei diefer Mi⸗
ſchung die zu heftige Erhigung zu vermeiden, gießt man den Alfos
hol zuerſt in die tubulirte, hinreichend geräumige Retorte, die man
fo in Bewegung feßt, daß der Alfohol ſich um eine, dadurch in
ber Mitte entitehende teishterförmige Mertiefung fehwingt, in
welche man, unter beftändigem Fortſetzen diefer Bewegung, Die
Säure in einem fehr Drinnen Strahl durch den Tubulus einfließen
laßt, Die Miſchung erbigt ſich dabei bis zu bo’ R.; man fügt
ee 167
nun ſogleich eine geraͤumige Vorlage an, legt die Retorte in eine
vorher mäßig erwaͤrmte Sandkaͤpelle, verbindet dieſelbe mittelſt
eines Vorſtoßes mit der kuͤhl erhaltenen Vorlage, und laͤßt die De⸗
ſtillation beginnen. Daß die Miſchung hier noch warm auf die
Sandkapelle gebracht werde, iſt darum von Vortheil, weil, da
die Aetherbildung erft bei einer gewiſſen Temperatur vor fich gebt,
bei der langfamen Erhitzung der in der Netorte befindlichen Mi⸗
ſchung erft fehr viel Alkohol unverändert überbeftilirt, ehe die
Zemperatur eintritt, bei welcher die Aetherbildung beginnt.
Arbeitet man mit: größeren Maffen ( bis etwa zu ı5 Maß),
fo ift es ſicherer, Die Mifchung außerhalb der Netorte in einem .
hinreichend großen irdenen Kruge, wie ſolche zur Alfbewahrung
der Schwefelfäure gebraucht werden, zu bewerfftelligen. Man
gießt Die ganze Menge. deö Alkohols in den Krug, fügt eine Portion
der Schwefelfäure hinzu, und fhüttelt gut um; feßt hierauf eine
neue Portion hinzu, fchüttelt wieder, fährt fo fort, bis die Hitze
zu ſtark wird; in welchem alle man das Ganze einige Stunden
- zuhen läßt, und dann neuerdbingd Schwefelfäure hinzufügt, bis
auf einige Pfunde, die man im Ruͤckhalt behaͤlt. Nachdem man nun
den Deftillationsapparat (fe Deftillation) mit der hinreichend
geräumigen Retorte, die für diefen Ball auch aus Bley hergeftellt
feyn kann, vorgerichtet, And die Sandfapelle gehörig erwärmt
bat, gießt man die leute Portion der Schwefelfäure noch in den
Krug, wodurch die Mifchung fich wieder erwärmt, wonach dies
felbe fogleich in Die Netorte durch den Zubulus eingegoilen wird,
und die Deftillation ihren Anfang nimmt.
Nunmehr befeftiget man in dem Zubulus der Retorte mittelſt
eined vorbereiteten, gut ſchließenden Korfftöpfels eine in der Form
eined liegenden % geftaltete Glasröhre, deren eined Ende, welches
in eine dünne, beinahe baarröhrchenartige Spige ausgezogen iſt,
in die in der Retorte befindliche Fluͤſſigkeit um ein Drittel ihrer
Höhe hineinreicht, das andere, außerhalb der Retorte befindliche,
aufwärts gehende Ende aber mit einem Trichter verfehen ift, durch
welchen fpäterhin der Alkohol nachgegoilen wird. Statt diefer c
Nöhre fann man auch einen Heber anwenden, deilen längerer
Schenkel mit der in der Flüſſigkeit befindlichen feinen Spitze ver
fehen iſt, der kürgere aber in einer Flaſche mit Alfohol ſteht, au
168 Aether.
welcher das Nadsflichen erfolgt, weiches ned duch einen am
längeren Schentel angebrachten Hahn zegulirt werden Tann.
Das Amer unter der Saundkapelle wird {che mäßig und
vorfihtig gehalten; wenn die erfien Zeichen des Kochens eintreten
(was mar Durch das eigenthümliche Geraͤuſch bemerft) gan; weg-
genommen, und wenn mun Das Kochen ſich gleichformig uud ruhig
eingeficht Hat, nur nah unb nad wieder fo viel gefchürt,
daß dieſes gleihförmige Sieden ohne Unterbrechung fertdauert.
Die Abtühlung bei diefer Operation wird am befien durch eine
Kühlröhre aus reinem Zium bewirkt, und der Aether wird in einer
glaͤſernen Vorlage, welche fühl erhalten werden muß, aufgefangen.
Um den Aether portionenweife aus Diefer Vorlage abzuziehen, ver⸗
fießt man diefelbe mit einem Heber, deilen einer Schenkel beinahe
bis auf den Boden der Vorlage reicht, der andere, längere, aber
in einer mit einem naflen Zuche fühl erhaltenen Flaſche ſteht.
erden die Aetherdaͤmpfe in der Vorlage etwas flärfer, fo drüden
fie die vorhandene Blüffigfeit durch den Heber in die Slafche.
Nachdem durch die erfte Deftillation ein Iheil Aether in die
Vorlage übergegangen ift, läßt man durch die m Röhre oder ben
Heber Alkohol in die Metorte nachtreten, und dieſes Nachfließen
muß nun ununterbrochen fortdauern. Da der Zutritt ded Alko⸗
hole durch die enge Roͤhre nur fehr langſam erfolgt, fo wird die
Mifhung dadurch nicht merflih abgefühlt; und da der Aether
beilaufig in gleichem Verhältniffe mit diefem Zufluffe gebildet wird,
fo bleibt in der Mifchung immerfort daͤſſelbe Verhältniß zwifchen
Saͤure und Alfohol, ein Umfland, der, wie fhon früher bemerkt
wurde, für die Produktion der größten Menge Aetherd aus der
felben Quantitaͤt Alkohol wefentlich ift.
Wenn fo viel Alkohol zugefloffen ift, daß die Menge deſſel⸗
ben, mit Einfchluß der zuerft zugefepten Quantität, dem doppelien
Bewichte der angewendeten Schwefelfäure gleich ift, flelt man
ben Zufluß ein, und läßt die Operation bei gelindem Feuer noch
fo lange währen, bis die fettigen Streifen, welche der fich
Pondenfirende Aether in der Vorlage bildet, aufhören, oder läng«
ftens bid weißliche, nach fchweflicher Saͤure riechende Dämpfe zu
erfcheinen anfangen, wo dann dad Keuer fogleich weggenommen
wird. Rei einer längern Fortſegung ber Operation. würde mit
Aether. | 269
dee fehweflichen Säure zugleich.dah ars einer weiteren Berfegung
des Rüdftaudes in des Metoste — Weindhl übergehen und
das Deſtillat verunreinigen.
Man theilt dieſes Deſtillat wahrend der Operation auf die
oben angegebene Art in drei Portionen. Die erfte, welche einen
großen Theil Alkohol enthält, ſeht man auf die Seite, um fie
bei einer wächflen Operation wieder der Mifchung flatt Alfohol
zuzuſetzen. Die nuelte und größte Portion ift die zeinfle ; fie wird,
da fie noch etwas Alkohol und gewöhnlich aud etwas ſchwefliche
@äure enthält, eben fo, wie für fich die Dritte Portion, Der Reini⸗
gung von jener fremdartigen Beimiſchung unterworfen. Man
fhuttelt fie zu dieſem Behufe mit einem gleichen Volum Waſſers,
dad mit gebranntem und in Wafler zerrührten Kalt gemengt ifl,
und nach Abziehung deſſelben noch wit eben fo viel seinen Waſſerd;
nimmt den Aether dann ab, wenn er fich wieder obenauf gefammelt
Sat, gießt ihn in eine Netorte auf groͤblich zerſtoßenen falzfauren
Kalk, und deftilirt bei fehr gelinder Wärme zuerſt ein Drittheil
ab, dad ald reiner Aether abgefondert wird; bie übrigen 7 ent-
halten noch‘ etwas Alkohol, und werden befonders aufgefangen.
Sat man dab Deftillat, wie das bei Meinern Mengen gewöhnlich
it, nicht in mehrere Portionen getheilt; fo deftillirt man daſſelbe
nochmahls bei gelinder Wärme, nimmt die erite Hälfte ab, be
handelt diefe auf die erwähnte Art mit Kalf und Waſſer, und ſetzt
die rücftändige Hälfte der fchwefelfauren Mifchung bei der naͤch⸗
fen Operation zu.
Der Rüdftand in der Retorte beſteht größtentheild aus mit
Waſſer verdiinnter Schwefelfäure. Man fann demfelben neuerdings
Alkohol zufeben, und noch eine bedeutende Menge einer Mifchung
von Aether mit Alkohol (ehemahls fogenannte verfüßte Schwer
felfäure) abdeftilliven. Diefe Mifchung ift in mehreren Fällen
gut zu Firniſſen, flatt reinen Alfohole, verwendbar, wenn man die⸗
felbe vorher noch uber gebranntem und an der Luft zerſalleuem
Kalte, zur Abfcheidung der fchiweflihen Säure, reftifigirt Bat.
Auf die befchriebene Art erhält man bei forgfältiger Leitung bed
Prozeſſes aus 57.6 Theilen Alkohol von 0.83 fp. Gew. 33: Theile
Aether; was nahe eben fo viel ift, als die Rechnung verlangt,
da nach letzterer 37; Theile Aether erhalten werden müßten,
170 Aether.
Der Aether ift waſſerhell, dünnfläflig, von ſtarkem eigen⸗
thfimlichen Geruche; bei 6° RM. gegen Waſſer von derſelben
Temperatur ift fein fpez. Gewicht=0.71565. Er kocht unter dem
gewöhnlichen Luftdrude ſchon bei 2020 R. Er ift fehr leicht ent⸗
zundlich, wegen der Verbreitung feined Dampfes fchon in eiwiger
Entfernung von dem breumenden Körper, und muß daher mit
Vorſicht behandelt werden. Da er bei dem Zutritte der Luft durch
Aufnahme von Sauerftoff allmählich ſich in Eſſigſaͤure oder Eifig-
äther ummwandelt, fo muß man ihn an einem kühlen Orte in Damit
vollgefüllten und gut verfchloifenen Gefäßen aufbewahren. Der
Aether ift ein Auflöfangsmittel für einige Salze, für fette und
flüchtige Oble, für verfchiedene Harze und andere Pflanzenſtoffe,
4 B. Kautichuf.
Der Effigäther entfteht durch die Einwirkung der Eſſig⸗
fäure auf den Alfohol, die man durch Zufap von Schwefelfdure
befördert. Durch legtere wird naͤhmlich mit dem Alfohol Aether
‚gebildet, welcher im Augenblide feiner Entftehung mit der Eſſig⸗
fäure in Verbindung tritt. Am wohlfeilften nimmt man hierzu
ein efligfaures Salz ftatt der Fonzenteirten Effigfäure, naͤhmlich
efligfaures Kali oder efligfaures Blei (Bleizuder). Hierzu wer
den 20 Unzen gepulverter Bleizucker in einem hohen Kolben mit
einem Gemifche aus 10 Unzen Alfohol und 11% Unzen fonzentrirter
Schwefelfäure übergoffen, hierauf ein Helm mit Vorlage gut
anlutirt, und dann bei gelindem Feuer 12 Unzen abdeftillirt. Der
durch dieſe Deftillation erhaltene Aether ift immer mehr oder weni«
ger altoholhaltig. Will man ihn wenigftend größtentheild davon
befreien, fo bringt man in denfelben gefchmolzenen und grob zer⸗
ftoßenen falzfauren Kalt; diefer wird vom Alkohol aufgelöft, und
der Aether ſchwimmt dann oben auf. Iſt das Deftillat fauer durch
die Verunreinigung mit freier Effigfäure, fo nimmt man die Säure
erſt durch Pauftifches Kali weg, und gießt dann den Aether auf den
falzfauren Kalf, laͤßt ihn einige Zage damit ftehen, und deſtillirt
ihn endlich ab.
Der Effigäther Hat einen angenehmen efligartigen Geruch
und Geſchmack. Sein fpez. Gewicht ift bei 14° R.== 0.883; er
kocht unter 28 bei 60° R., laͤßt fich Teicht intzünden, und ohne
Zienderung aufbewahren. Er iſt in den meiften Weinen und in
Aetzen. 171
den and denſelben bereiteten Branutweinen enthalten, eben fo in
dem Effig; in weichen Faͤllen er fich Durch die Sährung mit und '
ans dem Altobol bildet. |
J d. H.
Neben.
Aetzen bezeichnet diejenige Operation, ber weicher darq
chemiſche Mittel auf der Fläche irgend eines Koͤrpers vertiefte
Zeichunngen hervorgebracht worden, folglich dasjenige geleiſtet
wird , was auf mechanifche Weife durch den Grabftichel geſchehen
fan. Der Zwed des Aetzens kann ein doppelter feyn, eritweber
die bloße Verzierung der Oberfläche oder die Serftellung einer
Form für den Abdrud. Das leptere ift bei der Ausführung der -
Kupferſtiche der Fall. Dad Aetzen befteht im Wefentlichen darin,
daß die Fläche mit einem barzigen Firniß (dem Achgrunde)
überzogen wird, in welchem dann die Zeichnung mittelft geeigne-
ter Nadeln und Griffel hergeftellt wird. Gießt man nun auf die
fo vorbereitete Fläche eine Säure, die auf deren Subſtanz auflö«
fend wirft (dad Aetzwaſſer); fo werben die mit der Nadel
oder dem Griffel entblößten Linien und Stellen vertieft, während
der übrige Theil durch den Aetzgrund gefchügt iſt. Die Aepmittel
müffen überhaupt als Auflöfungsmittel wirken, ' folglich fich nach
der Natur des zu äbenden Koͤrpers richten.
Die größte Anwendung: ded Aetzens findet in der Kupfer⸗
fiecherey Statt, und wir wollen dieſes Verfahren zuerft befchreiben,
weil bei der Vollfommenheit, zu welcher daffelbe gebracht ift, die
dabei Statt findenden Handgriffe auch jeder anderen Art zu aͤtzen
zum Grunde liegen.
Aetzen in Kupfer. Die Aupferplatte, welche mit der
geägten Zeichnung verfehen werden fol, muß völlig eben und po⸗
lirt, auch von einer ganz gleichfösmigen Maffe feyn, damit das
Scheidewafler, dad zum Aetzen angewendet wird, überall gleichförr
mig angreife. Vor dem Gobrauche fchafft man von ihrer Dberfläche
alle Settfleden weg, indem man dieſelbe mit gefchlämmter Kreide
und Leder abreibt, und zulegt mit reiner Leinwand abtrocknet.
Die Platte wird nun mit dem Aetzgrunde verfehen. Zu die:
fem Behufe wird fie erwärmt,. indem man fie, mit der polixteg
172 | eben. |
Flaͤche oben, mit einem Feilfioben über ein mäßiged Kohlenfeuer
hält, oder wenn fie Mlein.ift, einiges Papier unter derfelben au⸗
zündet. Dan nimmt hierauf den in Taffet eingewidelten Aetz⸗
grund (der nachher befchrieben wird) und fährt damit über die
‚ heiße Platte von einer Seite zu der anderen in geraden neben
einander liegenden Zügen gelinde bin, bis dieſelbe mit dem durch
‚ deu Zafft durchdiingenden Firniß mäßig bedeckt it. Mit einem, .
mit etwas Baumwolle ausgefüllten Zupfer aus Taffet berührt man
nun fogleich Diejenigen Stellen, wo von dem Firniß zu viel ſeyn
Könnte, um ihn dahin zu führen, wo Davon zu wenig iR, und fo
Die Sage möglichft gleich und dünn zu verbreiten.
Die Platte wird nun, während fie noch warm iſt, auf der
mit dem Achgrunde verfehenen Seite eingeräuchert,, mittelft eines
Stuͤckes Badel oder einer dicken Wachöferze oder mit einem Wachs
flode, den man fünf bis ſechs Mal zufammengedreht hat, um eben
fo viele Flammen bei einander zu haben, und einen ſtarken Rauch
zu verurfachen. Diefes Einraͤuchern muß fo fchnell ald möglich
geichehen, damit der Firniß während der Operation nicht Falt
werde, weil der Muß fonft nicht haftet. Die Flamme muß übri⸗
gend in einiger Entfernung von dem Aebgrunde gehalten werden,
. damit der Docht ihn nicht berühre und an einzelnen Stellen vers
derbe. Will man auf den Aetzgrund ftatt diefer fchwarzen Farbe
eine weiße bringen; fo reibt man reines Bleiweiß mit Leimwaſſer
an, dem man zur befferen Haftung noch einige Tropfen Ochfengalle
zufegen fann, und trägt es mit einem Haarpinſel gleichförmig
auf die mit dem Aetzgrunde bedeckte Platte. |
Nun wird der Umriß der Zeichnung auf die vorbereitete
Platte, nachdem diefelbe wieder erfaltet ift, von dem Papier
übertragen (calfirt). Iſt die Zeichnung mit Bleis oder Nothftift
auf Zeihen» oder Velinpapier angefertigt; fo ift für die Ueber⸗
tragung bderfelben auf den Aepgrund die einfachite Methode
‚diefe, daß man die Zeichnung, nachdem man fie vorher etwa eine
Wiertelftunde lang zwifchen benebtes Papier gelegt hat, um fie
binreichend feucht und weich zu machen, mit.der gefchwärzten
Aupferplatte durch die Aupferdruderpreffe gehen Täßt, wo ſich
die Zeichnung auf dem gefchwärzten Aeßgrunde, und zwar ver-
kehrt oder in derjenigen Lage abdeudt, in welcher fie eigentlich
Heben in Kupfer. 173
anf die Aupferplatte kommen foll, damit fie anf bem Kupfer
ſtiche dieſelbe Lage habe, wie anf. dem Original. Bei diefer
Methode it jedoch ein Papier von fehr feinem und gleichfärmi«
gem Korn erforderlich, damit es ſich unter. der Prefle gleichruäfig
ausdehue und bie Zeichnung nicht verzerre. Hat man keine Druck⸗
yeefle zur Hand, fo verfährt man auf folgende Art. Die Zeich« .
sung des Originals wird auf Durchicheinendes Stroh > oder chine-
iſches Papier, oder gebbltes Papier übertragen. . Dann wird ein
Stie dünnes Velin» Papier, von der Größe der Zeichnung wit
gepulwertem: Röthel oder. Graphit auf der einen Seite. uͤberrie⸗
ben,- diefe® Papier mit der beftrichenen. Seite auf den Yapgrund
gelegt, das Strohpapier mit der Durchzeichuung, nachdem man
daſſelbe umgekehrt bat, damit dieſe Die verkehrte ‚Rage er.
halte, darüber firaff ausgebreitet und an dem Raude der Aupfera
tafel durch Klůmpchen Wachs befeſtiget. Masu uberfährt aun mit
der Radiernadel die Unriſſe der Zeichnung bei gelindem Drucke/
wodurch ſich dieſelben auf den ſchwarzen Grund mittelſt der mit
Rothel oder Graphit überſtrichenen Papierflaͤche uͤbertragen. Ohne
Faͤrbung der Papierfläche laͤßt ſich der Calk auch auf folgende Art
herſtellen. Dan legt auf.das Original Firniß⸗ oder Strohpapier,
und zeichnet ed mit Bleiſtift durch. Nachdem nun der Aetzgrund mit
der weißen Farbe überzogen worden iſt, legt man das Papier mit
der, mit der Bleiftiftzeichnung verfehenen Seite auf den Grund, be⸗
feitigt e8 am Rande, und überfährt meit Der Nadiernadel die durch⸗
fcheinenden Linien, welche fich fonach auf dem weißen Grunde
abdrucken. Diefe Methode liefert einen feineren und rückſichtlich
dee Stärke ber Striche richtigeren Calf, als jene mittelft der ge⸗
färbten Flaͤche.
Eine andere Manier befteht darin, daß man auf durchſchei⸗
nendes Stroh: oder Deblpapier, oder auf Haufenblafenpapier (pa-
pier glace oder papier gelatine f. Yolie), das man über die Zeich-
nung legt, die Umriſſe mit einer feinen Nadel einreißt,, und hierauf .
diefe mit der Nadel gemachte Zeichnung mit einer Mengung aus glei
chen Theilen von fehr fein gepulvertem Rothſtein und Graphit mittelſt
des Fingers von einem glafirten Handſchuh einreibt. Diefer Staub
fegt ſich in die auf dem Papiere von der Nadel gemachten Ritzen;
dad überfchüffige Pulver wird mit einer weichen Leinwand wegge |
104 Aequivalente.
ghes4, in hi — B, mike ı6, inkb = 3a Einheiten. Die
zwifchen den fo erhaltenen Punkten liegenden Räume werden nun
wieder, zur Vervolftindigung der Skale, in gleiche Xheile
eingetheilt. Weil aber für alle einzelnen Theile auf einer ı2 bis
15 Zoll langen Sfale nicht Raum ift, fo trägt man fie gegen das
Ende b (Fig. 1) Bin, nur von 2 zu 2, und endlich nur von 5
zu 5 auf.
| Ein fo eingerichtetes Schieblineal kann zur — Voll⸗
bringung aller jener Berechnungen dienen, welche man mittelſt
der aus den Miſchungsgewichten abgeleiteten Proportionen vor⸗
nimmt, wie oben gelehrt wurde. Nur iſt zu bemerken, daß hier
die Genauigkeit einen minder hohen Grad erreicht, beſonders wenn
die Skale des Lineals nicht von bedeutender Laͤnge iſt, und man
mit großen Zahlen operirt. Indeſſen iſt für techniſche Zwecke eine
die kleineren Bruchtheile beruͤckſichtigende Schärfe nicht nöthig.
Der Gebrauch des nftrumentes wird fi am beiten durch ein
Beiſpiel deutlich machen Taffen. Das beweglidhe Stäbchen werde
fo gefchoben, daß die Zahl 200 auf feiner Sfale neben »Salpe⸗
tere zu ftehen fommt (f. Fig. 3). Dann befindet fich neben
»Salpeterfäure« die Zahl 107, und neben » Kalia die Zahl
93, was anzeigt, daß in 200 Theilen Salpeter 107 Salpeter-
fäure und 93 Kali enthalten find. Die bei diefer Stellung neben
der Schwefelfäure (1.85 fp. Gew.), dem fihwefelfauren
Kali, dem Kochſalze, demwafferfreien und fryftallis
firten [hwefelfauren Natron, dem Waffer, der waf
ferfreien Schwefelfäure, dem Natron, der Salzfäure,
dem ſalpeterſauren Silberoxyde und den Chlorſilber
befindlichen Zahlen zeigen an:
1) Daß 97 Theile Schwefelfäure vom ſp. ©. 1.85 aus 79.25
wafferfreier Schwefelfäure und 17.75 Wafler (1 Mg.) beftehen.
3) Daß zur Zerlegung von 200 Th. Salpeter eben diefe 97
Th. Schwefelfäure erforderlich find, und daß hierdurch 107 Th.
(wafferfreie) Salpeterfäure nebft 172 Th. fchwefelfaurem Kali er:
halten werden.
3) Daß die nähmlichen 97 IH. Vitriolöhl 116 Ih. Kochfalz
zerlegen, dadurch 72 Th. falzfaures Gas und 141 Ih, waiferfreies
oder 318 Th. kryſtalliſirtes ſchwefelſaures Natron erzeugen.
Aether. 165
4) Daß 141 waſſerfreies ſchwefelſ. Natron ans 79.25 Schwer
felfäure und 61.75 Natron, oder 318 Fruftallifietes ſchw. N. aus
79.35 Schwefelf., 61.75 Nate. und 177 Wafler (10 Mg.) beſtehen.
. 5) Daß 116 Th. Kochjalz aus 336 Ih. ſalpeterſ. Silberoxydes
das Silber vollitändig fällen, und Damit 383 Th. Chlorfilber liefern.
Diefe Angaben fönnten noch außerordentlich vervielfältige”
werben; denn in der That ift Durch das Verfchieben des Stäb-
chens mit einem Mahle eine Keduftion aller Hequivalenten » Zahlen
oder Miſchungsgewichte dergeſtalt verrichtet worden, daß neben
jedem Körper jene Zahl ſich befindet, welche fein Miſchungsgewicht
ausdrüden würde, weun das Dig. ded Balpeterö = 200 wäre,
Ratt 126.7, wie es (ald auf den Sauerfloff = 10 bezogen) in
Big. ı erfcheint. Jede Verrüdung des Stäbchens ftellt alfo dem
Blicke fogleich das Nefultat dar, welches man fonft durch Be⸗
rechnung eben fo vieler Proportionen, ald Körper auf dem Lineale
verzeichnet find, mühfam hätte finden müſſen. Ein furzer Um⸗
gang mit diefem Inftrumente macht feine RnpeHuns aͤußerſt
leicht, ſicher und bequem.
a. K.
Aether.
Durch die Einwirkung einiger Saͤuren, beſonders der Schwe⸗
felſaͤure, auf Alkohol entſteht eine Flüſſigkeit, welche viel flüchtiger
und entzündlicher iſt, als der Alkohol ſelbſt, und Aether genannt
wird. Bei dieſer Einwirkung verbindet ſich in dem Alkohol ein
heil des Wailerftoffes mit einem Theile des Sauerſtoffes zu
Waller, welches mit der Schwefelfäure fih vereiniget, während
der Alfohol, jenes Waflerd oder feiner Beſtandtheile beraubt,
ale Aether erfcheint, weicher daher verhältnigmäßig mehr Kohlen
ſtoff als der Altoholenthält: (S. Aequivalente, chemiſche,
S. 149.) Der eigentlich ſogenannte Aether ift der mittelſt der
Schwefelſaͤure dargeſtellte (Schwefelaͤther), weil dieſer,
gleich dem Alkohol, nur eine Verbindung von Kohlenſtoff, Waſſer⸗
ſtoff und Sauerſtoff iſt, ohne etwas von der Saͤure zu enthalten
(was auch der Fall iſt bei dem mit Arſenikſaͤure und Phosphorfäure
Dargeftellten Aether). Won diefem reinen Aether unterfcheiden fid)
Die mit anderen Säuren Dargeftellten Aetherarten darin, Daß Tegtere
166 Yether,
noch in ihrer Zufammenfegung einen heil der Säure enthalten,
mit welcher fie bereitet worden find. Dergleichen find der Sal
peteräther, Salzäther, Eſſigäther u. f. f. Wir werden und hier
nur mit der WBereitungsart des reinen Aether oder Schwefel»
äthers und des Ejligäthers befchäftigen, da nur dieſe eine techniſche
Wichtigfeit haben. \
Die Einwirkung der Schwefelläure auf den Alkohol in
der Art, daß der letztere in Aether umgedndert wird, geht nur bei,
einer gewillen Temperatur vor fich : ift Die Temperatur niedriger,
fo erhält man durch die Deftillation der Mifchung größtentheild
mir Alkohol; ift fie höher, fo bilden fich auf Koſten des Alfohold
außer den Ather noch andere Produfte, ald Schwefelweinfäure
und Weinöhl, wodurch, ein verhältnißmäßiger Verluft an Aether
entfteht. Diefes Tegtere erfolgt aber nothwendig, wenn, nad
ber früher gewöhnlichen Methode, die ganze Menge von Schwefel
fäure und Alfohol mit einander vermifcht, und dann fo lange,
als noch). Aether erfcheint, deftillirt wird, weil der Siedpunkt der
Mifchung immer höher fteigt, je geringer die Menge Alkohols gegen
jene der zurücbleibenden Schwefelfäure wırd. Es folgt alfo hier⸗
aus, daß die vortheilhaftefte Methode der Aetherbereitung im
Weſentlichen darauf beruhe, daß während der Deftillation der Mis
fhung die Menge des Alfohols gegen jene der Schwefelfäure, wenn
ein Mahl die Aetherbildung begonnen hat, ziemlich unverändert
erhalten werde, was dadurd, bewirft wird, daß man den Alfohol
in einem ganz feinen Strahle in dem Maße in die Retorte nach⸗
fließen läßt, als die Deftillation des Aethers felbft Statt findet.
Die beſte Art, den Aether fowohl im Kleinen ald im Gro⸗
Ben zu bereiten, ift daher folgende. Man vermifcht zuerſt 3 Theile
Schwefelfäure von 1,85 fpe;. Gewicht (66° Baume) mit a Theilen
Alfohol von 0,83 ſpez. Gewicht (36° Baume). Um bei diefer Mis
ſchung die zu heftige Erhigung zu vermeiden, gießt man den Alfos
hol zuerit in die tubulirte, hinreichend geräumige Netorte, die man
fo in Bewegung feßt, daß der. Alfohol fich um eine, dadurch in
der Mitte entftehende trichterförmige Vertiefung fehwingt, in
welche man, unter befländigem Fortſetzen diefer Bewegung, die
- Säure in einem fehr Diinnen Strahl durch den Zubulus einfließen
läßt, Die Mifhung erhigt ſich dabei bis zu 60° R,; man fügt
Aether. 167
nun fogleich eine geräumige Vorlage an, lege die Retorte in eine
vorher mäßig erwärmte Sandfapelle, verbindet diefelbe mittelft
eined Vorſtoßes mit der fühl erhaltenen Vorlage, und läßt die Des
Rillation beginnen. Daß die Mifchung hier noch warm auf die
Sandfapelle gebracht werde, ift darum von Bortheil, weil, de
Die Aetherbildung erft bei einer gewillen Temperatur vor fich gebt,
bei der Iaugfamen Erhitzung der in der Retorte befindlichen Mi⸗
fhung exft fehe viel Alfohol unverändert uberdeftillirt, ehe die
Temperatur eintritt bei welcher die Aetherbildung beginnt.
Arbeitet man mit. größeren Maſſen ( bis etwa zu 15 Maß),
fo iſt es ficherer, die Mifchung außerhalb der Netorte in einem .
hinreichend großen irdenen Kruge, wie ſolche zur Alfbewahrung
der Schwefelfäure gebraucht werden, zu bewerffielligen. Man .
gießt die ganze Menge. des Altohols in den Krug, fügt eine Portion
der Schwefelfäure hinzu, und fchüttelt gut um; feßt hierauf eine
neue Portion hinzu, fehüttelt wieder, ‚fährt fo fort, bis die Mige
zu ftarf. wird; in welchem alle man dad Ganze einige Stunden
- zuhen läßt, und dann neuerdingd Schwefelfäure hinzufügt, bie
aufeinige Pfunde, dieman im Rückhalt behaͤlt. Nachdem man nun
den Deftillationsapparat (ſ. Deftillation) mit der hinreichend
geräumigen Retorte, die für diefen Ball auch aus Bley hergeftellt
ſeyn kann, vorgerichtet, and die Sandkapelle gehörig erwärmt
bat, gießt man die legte Portion der Schwefelfäure noch in dem
Krug, wodurd die Mifchung ſich wieder erwärmt, wonach die⸗
felbe fogleich in die Retorte durch den Tubulus eingegoilen wird,
und die Deftillation ihren Anfang nimmt. ' |
Nunmehr befeftiget man indem Zubulud der Retorte nrittelft
eines vorbereiteten, gut ſchließenden Korfftöpfele eine in der Form
eined liegenden in geflaltete Glasröhre, deren eined Ende, welches
in eine duͤnne, beinahe haarröhrchenartige Spike ausgezogen ifl,
in Die in der Retorte befindliche Fluͤſſigkeit um ein Drittel ihrer
Höhe hineinreicht, das andere, außerhalb der Netorte befindliche,
aufwärts gehende Ende aber mit einem Trichter verfehen ift, durch
welchen ſpaͤterhin der Alkohol nachgegoflen wird. Statt diefer c
Roͤhre fann man aucd einen Heber anwenden, deſſen längerer
Schenkel mit der in der Flüſſigkeit befindlichen feinen Spitze ver-
fehen iſt, der kürzere aber in einer Flaſche mit Alfohol fteht, aus
I
708 Aether.
welcher das Nachfließen erfolgt, welches noch durch einen an dem
laͤngeren Schenkel angebrachten Hahn regulirt werden kann.
Das Feuer unter der Sandkapelle wird ſehr maͤßig und
vorſichtig gehalten; wenn die erſten Zeichen des Kochens eintreten
(was man durch das eigenthümliche Geraͤuſch bemerkt) ganz weg⸗
genommen, und wenn nun das Kochen ſich gleichfoͤrmig und ruhig
eingeſtellt hat, nur nach und nach wieder ſo viel geſchürt,
Daß dieſes gleichförmige Sieden ohne Unterbrechung fortdauert.
Die Abkühlung bei diefer Operation wird am befien durch ‚eine
Kühlröhre aus reinem Zinn bewirft, und der Aether wirb in einer
gläfernen Vorlage, welche Fühleerhalten werden muß, aufgefangen,
Um den Aether portionenweife aus diefer Vorlage abzuziehen, vers
ſieht man diefelbe mit einem Heber, beilen einer Schenkel beinahe
bis auf den Boden der Vorlage reicht, der andere, längere, aber
in einer mit einem naffen Tuche fühl erhaltenen Flaſche ſteht.
Werden die Aetherdämpfe in der Vorlage etwas flärfer, fo druͤcken
fie die vorhandene Flüffigfeit durch den Heber in die Flaſche.
Nachdem durd die erfte Deftillation ein Theil Aether in die
Borlage übergegangen ift, läßt man durch die c Roͤhre oder den
Heber Altohol in die Retorte nachtreten, und dieſes Nachfließen
muß nun ununterbrochen fortdauern. Da der Zutritt des Alko⸗
hols durch die enge Nöhre nur fehr Tangfam erfolgt, fo wird die
Miſchung dadurch nicht merklich abgefühlt; und da der Aether
beiläufig in gleichem Verhältnijfe mit diefem Zufluffe gebildet wird,
fo bleibt in der Mifchung immerfort dAffelbe Verhaͤltniß zwifchen
Säure und Alfohol, ein Umftand, der, wie ſchon früher bemerkt
wurde, für die Produftion der größten Dienge Aethers aus der⸗
felben Quantität Alfohol wefentlich ift.
: Wenn fo viel Altohol zugefloffen ift, daß die Menge deſſel⸗
ben, mit Einfluß der zuerft zugefegten Quantität, dem doppelren
Bewichte der angewendeten Schwefelfäure gleich ift, ſtellt man
den Zufluß ein, und Fäßt die Operation bei gelindem Fener noch
fo lange währen, bis die fettigen Streifen, welche ber ſich
Fondenfirende Aether in der Vorlage bildet, aufhören, oder läng«
ſtens bis weißliche, nach fchweflicher Eäure riechende Dämpfe zu
erfheinen anfangen, wo dann das Feuer fogleich weggenommen
wird. Bei einer Iängern Fortſetzung der Operation. würde mit
Aecher.. 14169
des ſchweflichen Säure zugleich dg8 aus einer weiteren Zerſetzung
des Rückſtandes in der Retorte nn — übergepen und
das Deftillat verunreinigen. - -
Man tbeilt disfes Deſtillat Ahmad der Operation. auf Die
oben angegebene Art in drei Portionen. Die erfle, weiche einen
großen Theil Alfohel enthält, ſeht man auf die Seite, um fie
bei einer naͤchſten Operation wieder der Mifhung flatt Alkohol.
suufeben. Die zweite und größte Portion ift die reinſte; fie wird,
ba fie noch etwas Alkohol und gewöhnlich aud etwas fehwefliche
@äure enthält, eben fo, wie für ſich die dritte Portion, der Reini
gung von jener fremdartigen Beimiſchung unterworfen. Mau
ſchüttelt fie zu diefem Behufe mit einem gleichen Volum Wailers,
dad mit gebranntem und in Waffer zerrührten Kalf gemengt ift,
und nach Abziehtung deſſelben noch mit eben fo viel zeinen Waſſers;
nimmt den Aether dann ab, wenn er fich wieder obenauf gefammelt
hat, gießt ihn in eine Retorte auf geöblich zerſtoßenen falzfauren
Kalk, und deitilliet bei fehr gelinder Wärme zuerſt ein Drittheil
ab, dad als reiner Aether abgefondert wird; die übrigen z ent
Dalten noch‘ etwas Alkohol, und werden befonders aufgefangen.
Hat man das Deftillat, wie das bei Meinern Mengen gewöhnlich
it, micht in mehrere Portionen getheilt; fo deſtillirt man daſſelbe
nochmahls bei gelinder Wärme, nimmt die erfte Hälfte ab, be⸗
baudelt diefe auf die erwähnte Art mit Kalf und Waller, und fept
die rüdftändige Hälfte der fehwefelfauren Mifchung bei der näch«
ſten Operation gu.
Der Rüdftand in der Retorte beſteht größteutheil® aus wit
Waſſer verdinnter Schwefelfäure. Man kann demfelben neuerdings
Alkohol zufeben, und noch eine bedeutende Menge einer Miſchung
von Aether mit Alkohol (ehemahls fogenaunte verfüßte Schwer
felfäure) abdeſtilliren. Diefe Mifchung ift in mehreren Fällen
gut zu Firniflen, flatt reinen Altohols, verwendbar, wenn man dies
felbe vorher noch uber gebranntem und an der Luft zerfallenem
Kalte, zur Abfcheidung der ſchweflichen Säure, reftiflzirt Hat.
Auf die befchriebene Art erhält man bei forgfältiger Leitung des
Prozefles aus 57.6 Theilen Alkohol von 0.83 fp. Gew. 334 Theile
Aether; was nahe eben fo viel ift, als die Rechnung verlangt,
da nach letzterer 375 Theile Aether erhalten werden müßten,
170 Aether.
Der Aether ift waſſerhell, dännfläflig, von ſtarkem eigen⸗
thumlichen Geruche ; bei »6° N. gegen Waſſer von derſelben
Zemperatur ift fein fpez. Gewicht 0.7155. Er kocht unter bem
gewöhnlichen Luftdrucke [yon bei 2620 R. Er ift fehr leicht ent⸗
zündlich, wegen der Verbreitung feines Dampfes ſchon in einiger
Entfernung von dem brennenden Körper, und muß daher mit
Vorficht behandelt werden. Da er bei dem Zutritte der Luft durch
Aufnahme von Sauerftoff allmaͤhlich fih in Eifigfäuse oder Effig⸗
äther umwandelt, fo muß man ihn an einem fühlen Orte in damit
vollgefällten und gut verfchloilenen Gefäßen aufbewahren. Des
Aether ift ein Auflöfangsmittel für einige Salze, für fette umb
Hlüchtige Öle, für verfchiedene Harze und andere Pflanzenſtoffe,
3 B. Kautfchuf.
Der Effigäther entſteht durch die Einwitkung der Eſſig⸗
faͤure auf den Alkohol, die man durch Zuſatz von Schwefelſaͤure
befördert. Durch letztere wird naͤhmlich mit dem Alkohol Aether
‚gebildet, welcher im Augenblide feiner Entftehung mit der Eſſig⸗
fäure in Verbindung tritt. Am wohlfeilften nimmt man hierzu
ein effigfaures Salz ftatt der Fonzentrirten Effigfäure, naͤhmlich
efligfaures Kali oder efligfaures Blei (Vleizuder). Hierzu wer
den ao Unzen gepulverter Sleizuder in einem hohen Kolben mit
einem Gemiſche aus 10 Unzen Alfohol und 113 Unzen fonzentrirter
Schwefelfäure übergoffen, hierauf ein Helm mit Vorlage gut
anlutirt, und dann bei gelindem Feuer 12 Unzen abdeftillirt. Der
durch diefe Deftillation erhaltene Aether ift immer mehr oder wenie
ger alfoholhaltig. Will man ihn wenigftend größteutheild davon
befreien, fo bringt man in denfelben gefchmolzenen und grob zer⸗
ftoßenen falzfauren Kalf; Diefer wird vom. Alkohol aufgelöft, und
der Aether ſchwimmt dann oben auf. Iſt das Deftillat fauer durch
Die Verunreinigung mit freier Effigfäure, fo nimmt man die Säure
erſt durch Fauftifches Kali weg, und gießt dann den Aether auf den
falzfauren Kalk, Taßt ihn einige Tage damit ſtehen, und deftillirt
ihn endlich ab.
Der Efligäther Hat einen angenehmen efligartigen Geruch
und Sefhmad. Sein fpes. Gewicht ift bei 14° R. = 0.882; er
kocht unter 28 bei bo* R., laͤßt ſich leicht entzünden, und ohne
Aenderung aufbewahren. Er ift in den meiften Weinen und in
Aetzen. 471
den and denſelben bereiteten Branutweinen enthalten, eben fo in
dem Eſſig; in weichen Sällen er ſich Durch die Sährung mit und
ans dem Alkohol bildet. | |
j d. H.
Aetzen.
Ae tzen bezeichnet diejenige Operation, bei weicher —
chemiſche Mittel auf der Flaͤche irgend eines Koͤrpers vertiefte
Zeichnungen hervorgebracht worden, folglich dasjenige geleiſtet
wird, was auf mechaniſche Weiſe Durch den Grabſtichel geſchehen
kann. Der Zweck bed Aetzens kann ein doppelter ſeyn, entweder
die bloße Verzierung der Oberflaͤche oder die Herſtellung einer
Form für den Abdruck. Das letztere ift bei der Ausführung der
Anpferftiche der Fall. Das Aetzen befteht im Wefentlichen darin,
daß die Fläche mit einem harzigen Birniß (dem Aetzgrunde)
überzogen wird, in welchem dann die Zeichnung mittelfl geeigne-
ter Nadeln und Griffel hergeftellt wird. Gießt man nun auf die.
fo vorbereitete Släche eine Säure, bie auf deren Subſtanz auflös
fend wirft (das Aetzwaſſer); fo werden die mit der Nadel
oder dem Griffel entblößten Linien und Stellen vertieft, während
der übrige Theil durch den Aetzgrund gefchügt ift. Die Aetzmittel
müffen überhaupt als Auflöfungsmittel wirken, folglich fich nad)
der Natur des zu äbenden Körper& richten.
Die größte Anwendung: ded Aebens findet in ber Kupfer
fiecherey Statt, und wir wollen diefed Verfahren zuerft befchreiben,
weil bei der Vollfommenheit, zu welcher daffelbe gebracht ift, die
dabei Statt findenden Handgriffe auch jeder anderen Art zu üben
zum Grunde liegen.
Wegen in Kupfer. Die Kupferplatte, welche mit der
geäpten Zeichnung verſehen werden fol, muß völlig eben und por
lirt, auch von einer ganz gleichförmigen Maffe feyn, damit das
Scheidewaller, Dad zum Aegen angewendet wird, überall gleichfoͤr⸗
mig angreife. Vor dem Gebrauche fchafft man von ihrer Mberfläche
alle Fettflecken weg, indem man diefelbe mit gefchlämmter Kreide
und Leder abreibt, und zulegt mit reiner Leinwand abtsodnet.
Die Platte wird nun mit dem Aetzgrunde verfehen. Zu die
fem Behufe wird fie erwärmt, indem man fie, mit der polirten
172 | Aetzen. |
Flaͤche oben, mit einem Beilfloben über ein mäßiged Kohlenfener
Halt, oder wenn fie klein iſt, einiges Papier unter dexrfelben ats
zündet. Man nimmt hierauf den in Taffet eingewidelten Ach-
geund (der nachher befchrieben wird) und fährt Damit über bie
. heiße Platte von einer Seite zu der anderen in geraden neben
einander liegenden Zügen gelinde bin, bis diefelbe mit dem durch
‚ deu Tafft Bucchdiingenden Firniß mäßig bedeckt ifl. Mit einem, .
mit etwas Baumwolle ausgefüllten Tupfer aus Zaffet berührt man
nun fogleich diejenigen Stellen, wo von dem Firniß zu viel feyn
Sönnte, um ihn dahin zu führen, wo davon zu wenig if, und fo
die Enge möglichft gleicdy und dann zu verbreiten.
Die Platte wird nun, während fie noch warm ift, auf der
mit dem Aetzgrunde verfehenen Seite eingeräuchert, mittelft eines
Stuͤckes Fackel oder einer dicken Wachskerze oder mit einem Wachs⸗
finde, den man fünf bid ſechs Mal zufammengedreht hat, um eben
fo viele Slammen beieinander zu haben, und einen ftarten Rauch
zu verurfachen. Dieſes Eimräuchern muß fo fchnell als möglich
gefchehben, damit der Firniß während der Operation nicht Falt
werde, weil der Ruß fonft nicht haftet. Die Flamme muß übri⸗
gend in einiger Entfernung von dem Aebgrunde gehalten werden,
. bamit der Docht ihn nicht berühre und an einzelnen Stellen vers
derbe. Will man auf den Aebgrund ſtatt diefer fhwarzen Farbe
eine weiße bringen; fo reibt man reines Bleiweiß mit Leimwaſſer
an, demman zur befferen Haftung noch einige Tropfen Ochfengalle
zuſetzen kann, und trägt es mit einem Haarpinſel gleihförmig
auf die mit dem Aetzgrunde bededte Platte.
Nun wird der Umriß der Zeichnung auf die vorbereitete
Platte, nachdem diefelbe wieder erfaltet ift, von dem Papier
übertragen (calfirt). Iſt die Zeichnung mit Bleis oder Rothſtift
auf Zeichens pder Welinpapier angefertigt; fo ift für die Ueber:
tragung bderfelben auf den Aepgrund die einfachite Methode
dieſe, daß man die Zeichnung, nachdem man fie vorher etwa eine
Viertelftunde lang zwifchen benebtes Papier gelegt bat, um fie
hinreichend feucht und weich zu machen, mit.der gefchwärsten
Aupferplatte durch die Kupferdruckerpreſſe gehen laͤßt, wo ſich
die Zeichnung auf dem gefchwärzten Aebgrunde, und zwar ver-
kehrt oder in derjenigen Lage abdrudt, in welcher fie eigentlich
Aetzen in Kupfer. 113
auf die Rupferplatte kammen fol, damit fie auf bem Kupfer
ſtiche dieſelbe Lage habe, wie auf. dem Driginal. Bei. diefer
Methode if jedoch ein Papier von fehr feinem und gleichfärmi«
gem Korn erforderlich, Damit es fich unter. der Prefle gleichmaͤßig
ausdehne und die Zeichnung nicht verzerre. Hat man keine Druck⸗
preſſe zur Hand, fo verfoͤhrt man auf folgende Art. Die. Zeich« .
aung des Originald wird auf durchſcheinendes Stroh⸗ oder chine-
ßſches Papier, oder gebhltes Papier übertragen. . Dann wird. ein
Stud dünnes Velins Papier. von der Größe, der Zeichnung wit
gepulwertem: Röthel oder Graphit auf der einen Seite. ühernie«
ben, diefed Papier mit der beftrichenen. Seite auf den. Atzgrund
gelegt, Das Strohpapier mit der Durshzeichnung, nachdem man
daffelbe umgefehrt hat, damit dieſe Die verkehrte ‚Rage er⸗
halte, darüber firaff ausgebreitet und an bem Monde der Kupfer⸗
tafel durch Kluͤmpchen Wachs hefeflige. Man überfährt nun mit
der Radiernabel die Unriſſe der Zeichnung bei gelindem Drucke/
wodurch ſich Diefelben auf Dem ſchwarzen Grund mittel der mit
Röthel oder Graphit. uͤberſtrichenen Papierfläche übertragen. Ohne
Zärbung der Papierfläche laͤßt fi) der Calk auch auf folgende Art
herſtellen. Man legt auf.das Original Firniß⸗ oder Strohpapier,
und zeichnet es mit Bleiſtift durch. Nachdem nun der Aetzgrund mit
der weißen Farbe überzogen worden ift, legtman das Papier mit
der, mit der Bleiftiftzeichnung verfehenen Seite auf den Grund, be⸗
feitigt e8 am Rande, und überfährt mit der Radiernadel die Dusch»
feheinenden Linien, welche fich. fonach auf dem weißen Grunde
abdenden. Diefe Methode liefert einen feineren und rückſichtlich
dee Stärke der Striche rihtigeren Calf, ald jene. mittelfl der ge⸗
färbten Släche.
Eine andere Manier befteht darin, daß man auf Durchfcheis
nendes Stroh: ader Dehlpapier, oder auf Hanfenblafenpapier (pa-
pier glace oder papier gelatine |. Folie), das man über die Zeich⸗
nung legt, die Umriſſe mit einer feinen Nadel einreißt, und hierauf .
Diefe mit der Nadel gemachte Zeichnung mit einer Diengung aus glei⸗
hen Theilen von fehr fein gepulvertem Rothſtein und Graphit. mittelft
des Fingers von einem glafirten Handſchuh einreibt. Diefer Staub
fegt fi) in die auf dem Papiere von der Nadel gemachten Nipen ;
das überfchüffige Pulver wird mit einer weichen Leinwand wegge:
174 Aetzen.
nommen. Dieſe Zeichnung legt man auf den Aetzgrund, ſo
daß die gefaͤrbten Striche diefen berühren, die Zeichnung alſo
die umgekehrte Lage bekommt; fie wird:an dem Rande der Kupfer:
platte gehörig befeftigt, und nun werden mit ber Nadel die Zuge
wieder genau überfahren, wodurch fich die rothe Farbe derſelben
auf dem fchwarzen Grunde abſetzt. Wendet man bei diefer Dies
thode dad Firniß- und Dehl: Papier an, fo Darf es weder zu friſch
fen, weil-fich der Calk Teiche verliert, noch zu trocken, weil Das
das Papier von der Nadel Teicht-durchgefchnitten wird. Beſſer
eignet fich hierzu das Hanfenblafenpapier, auf welchem fi) mit
der Nadel tiefer einzeißen läßt, ald auf dem Birniß- Papier.
Dieſes Papier gibt auch den Vortheil, daß man ed nach der vor
ber befchriebenen Art über der gefchwärzten Kupferplatte trocken,
alfo ohne Gefahr. ded Verziehend, durch die Kupferdruckerpreſſe
geben laſſen kann, wo fich dann dee Ealf auf der Platte abdrudt,
folglich das zweite Durchzeichnen erfpart wird.
Iſt anf eine oder die andere Art die Zeichnung auf den Aetz⸗
grund gebracht; fo nimmt der Kuͤnſtler mit der Radiernadel dieſen
Firniß au den gezeichneten Linien weg, um die Fläche des Ku⸗
pferd der Einwirfung des Aetzwaſſers zu. öffnen.
Nachdem die Radierung der Zeichnung vollendet worden, wird
die Rupferplatte mit einem etwa einen ZoU hoben Rande von wei⸗
chem Wachſe umgeben, das in der Kälte hinreichend hart wird, umd
doch, zwifchen den Fingern erwärmt, fich leicht Eneten läßt. Man
fegt zu dieſem Zwede dem gemeinen Wachſe etwas Pech oder Ter⸗
penthin und Talg zu, oder verfertigt ed eigens nach folgender Vor⸗
ſchrift. Man laͤßt zuerft ein Pfund weißes Wachs fchmelzen,
fept demfelben dann ein Pfund zerftoßenes Pech zu, rührt die
Miſchung unter einander, fügt nach dem gänzlicher Schmelzen
noch ſechs Unzen Schweinfett hinzu, rührt wieder, und gießt Die
Maife, wenn fie anfängt fi) aufzublähen, in ein Gefäß mit
kaltem Wafler. Nachdem die Kupferplatte mit diefem Raude ums
geben worden ifl, den man noch, um das Austreten des Aetzwaſſers
deflo ficherer zu verhuͤten, an der Stelle, wo ex nach innen auf
der Platte auffigt, mit einem mit Lampenſchwarz verdidten Ter⸗
penthin⸗Firniß (Dedfirniß) überziehen fann; fo wird die
Aetzen in Kupfer. 175
Salpeterſaͤure, welche in dad Kupfer a“ üben beftimmt R ‚ ‚ur
gegoffen.
Die hierzu. verwendete Salpeterfänre: bet eine Otaͤrken von das
Baume: man verdiäunt Diefelbe gewöhnlich mit dem Dritten Theilo
reinen Waflerd ; doch hängt diefe Berdünnung von der Temyeratur
der Luft und der Befchaffenheit der radierten Zeihuung ab, da
das Scheidewafler um fo flärker wirft, je näher die Striche fich
an einander befinden. Man gießt das Scheidewafler etwa einen
halben Zell Hoch auf, wonach ſogleich die Wirkung deilelbey be
giunt, und zwar zuerſt und am flärkiten in jenen Linien, wo bie
Radiernadel am ftärffien in das Kupfer eingegriffen hat. Wah⸗
„rend dieſes Aetzens trägt man Serge, die Luftblafen,, Die ſich an
den geäpten Stellen entwideln, fo wie den Grünſpan, der ich
bin-und ber aufent, mit einem Pinſel zu entfernen, Damit die
fernere Wirkung des Aetzwaſſers au folchen Stellen nicht gehindert
werde. In etwa einer Viertelflunde, oder wenn man bemerkt,
daß dad Scheidewafler an den zarteften Strichen hinreichend ga⸗
wirft bat, gießt man daffelbe von der Platte ab, wäfcht dieſe mit
reinem Waſſer, und laßt fie an ber Luft oder der Sonne, oder
was fchneller vor fich gebt, durch Aufblafen von Luft mit einem
Blafebalg, troden werden. Nachdem man nun von dem Ach-
grunde mit Polierfohle (Kohle aus Weiden- oder Lindenhol;) etwas
weniged weggenommen, und fich von der hinreichenden Vertiefung
der feinen Striche überzeugt Hat, überzieht man alle Theile der
Platte, die hinreichend geäpt find, mit dem bereits genannten
Dedfirniß, bringt nach dem Trocknen deſſelben das Aetzwaſſer,
das num mach und nach verftärft werden kann, neuerdings auf
die Platte, bis auch die flärferen Striche hinreichend geägt find;
und wieberhoßlt. Diefe Operation noch weiter, wenn die Natur der
Zeichnung ed erfordert, bis zur Dollendung der ſtaͤrkſten Striche.
Die Platte wird dann mit Waſſer abgewalchen, fo weit gewärnt,
daß der Wachsrand weggenommen werden kann, während fie noch
warm iſt, mit etwas Terpenthinoͤhl übergoifen und .mittelft deſſel⸗
ben der Aebgrund mit einem Lappen weggenommen ; worauf: man
die Platte noch mit Olivenöhl durch einen Tappen abreibt. Ges
wöhnlich gibt der Küufiler Diefer geägten Zeichnung, befonderd in
den Kraftfirichen, die legte Vollendung ducch den Grabftichel.
176 u Aetzen.
In einzelnen Faͤllen ſucht man die Aetzung der Kupfer-
platte mit einem ſchwaͤcheren Aetzwaſſer zu beendigen, als mit
der ſtaͤrker einfreſſenden verduͤnnten Salpeterſaͤure. Hierzu dient
folgende Aufloͤſung: 4 Theile kryſtalliſirter Gruͤnſpan, 4 Theile
Kochſalz, 4 Theile Salmiak und ı Theil Alaun werden fein gepuls
vert, in 8 Theilen ftarfem Weineſſig zerrührt, Dann noch 16 Theile
Wailer hinzugefügt; dab Ganze wird hierauf zum Sieden erhigt,
und wenn es erfaltet ift, filtrirt. Man bringt diefe Flüſſigkeit
auf Die Platte, nachdent, wie vorher befchrieben, die Salpeterfäure
abgegöflen und die Platte getrodnet worden iſt, und läßt fie bis
zu der beabfichtigten Wertiofung wirken.
Der. gemeine Aetzgrund wird auf folgende Art bereitet.
Man nimmt reines weißes Wachs , reind Maftirförner,, von
jedem eine Unze; Afphalt eine halbe Unze. Maflir und Aſphalt
werden äbgefondert fein‘ gepnlvert, das Wache wird .in einem
iedenen Gefäße über dem Feuer zerlaffen, und wenn es fehr heiß iſt,
zuerſt das Maitirpulver nach und nad) hinein geftteut-und wohl
umgeruͤhrt; hierauf eben fe das Pulver vom Aſphalt. Man ruͤhrt
die Miſchung um, bis das Aſphalt gänzlich geſchmolzen ift; nimmt
Bann den Topf vom Feuer, laͤßt die Mifchung -ausfühlen, und
gießt fie nun in reined warmes Wafler, knetet fie hier mit der
Sand, und bildet Rollen oder Zylinder, etwa von der Dice eines
Zolles, oder Meine Kugeln daraus, die man dann in Taffet einwie
ckelt und zum Gebrauche aufhebt. Die Verfertigung dieſes Aetz⸗
grundes kann verfchiedentlich abgeändert werben :- feıne Haupt⸗
beftandtheile find jedoch immer Wachs und Afphalt, denen auch
flatt des Maftir gemeines Pech zugefebt wird, wie in nachſtehen⸗
der Formel. Zwey Unzen Aſphalt, eine Unze Kolophonium und
15 Unze weißes Wachs. Das gepulverte Aſphalt wird in dem
irdenen glaſirten Geſchirre zuerſt uͤber maͤßigem Feuer geſchmolzen,
dann das Pech zugeſetzt, zuletzt das Wachs, gut umgeruͤhrt, Das’.
Ganze in warmes Waſſer ausgegoſſen, und wie vorher behandelt.
Der Callot'ſche Aetzgrund beſteht aus tier Unzen ganz
Maren reinen Leinöhld, das man in einem glafirten irdenen Topfe
erbigt, und dem man unter Umrübren vier Unzen gepulverter
Maftirförner zufest. Man flltrire die Mifchung durch feine
Leinwand in eine Glasflafche, und verwahrt fie'zum Bebrauche.
Uegen in Kupfer. u 177
Diefer Firniß wird auf die warme Kupferplatte mit der Sahne
einer Seder oder einem Pinfel aufgetragen und mit dem taffetnen
Zupfer gleichförmig verbreitet; muß aber danu noch, um zu trock
nen, über dem Feuer abgeraucht werden, indem man die Platte
gleihförmig und behutfam erhigt, bie der Firniß nicht mehr raucht.
Man nimmt die Platte in dem Augenblide von dem Beuer, als.
fi) an einen hölzernen Griffel, mit dem man ben Firniß an einer
Stelle berührt, nichts mehr von Diele enpanar Das Verfahren
ift hierauf wie gewöhnlich.
Eine andere Art von Aebgrund für eine andere Art Yon
Zeihnungsthanier ift der fogenannte weihe Srund, der aus
dem gemeinen Aebgrunde befteht, dem man ncıc) gereinigten Talg
jugefebt bat. Die Platte wird damit wie gervöhnlich überzogen,
beräuchert, dann ein etwa befeuchtete® Papier darüber gebreitet,
das man über die Kanten der Kupferplatte umfchlägt, und rüd-
wärts mit Kleifter oder Wachs befeftigt ; fo daß dad Papier nach
dem Trocknen ftraff ausgeſpannt iſt. Anf biefem Papiere wird
nun mit Reißblei die Zeichnung entworfen, tvobei man die Hand
über ein auf linterlagen ruhendes Lineal auflegt, damit das Papier
an feiner andern Stelle berührt werde. Man nimmt dann das
Papier behutfam von der Platte weg: diejenigen Xheile des Grun⸗
des, welche von dem Neißftifte durch das Papier find berührt
oder gedrüdt worden, haben fi an die Rüdfeite des Papieres
angehängt, wodurd an diefen Stellen das Kupfer entblöße ift.
Die Aetzung wird nun, wie gewöhnlicd vorgenommen.
Eine andere Art von Aebung der Kupferplatten if die
Aquatinta-Manier, welche die mit hinefifchem Tufch ausge⸗
führten Handzeichnungen nahahmt. Bei diefer Manier wird der
Rupferplatte zuerft mittelſt des Aetzwaſſers eine rauhe, gleichfam
aus ımzähligen Punften oder Körnern beftehende Oberfläche gege-
ben, von welcher ein Abdruck auf Papier einer mit Tufch verwa⸗
fchenen Fläche oder einer einfachen Karbentinte gleicht.
Diefer Aquatinta⸗Grund wird auf eine der nachfolgens
den beiden Arten hergeftelt Nach der erjten und älteren Methode
wird Pech oder Gummi Kopal fein gepulvert, durch ein Haar⸗
ſieb gefchlagen, und auf die horizontal liegende Kupferplatte fo
gleihförmig wie möglich aufgeitreut. Dieſes gefchieht am Be
Technoi. Encycſiop. 1. Sb. 12
178 Aetzen.
dadurch, daß man das Harzpulver in ein Stuͤck oder einen Sack
von Muffelin füllt, und dieſen in einiger Entfernung: über der
Platte an einem Siocke ausflopft, damit der Staub fidy in der
Luft verbreite, und ſich gleihförmig auf die Platte in. einer dünnen
Lage niederfenfe. Nachdem diefes gefchehen ift, fährt man unter
der Platte mit einer: angezündeten Rolle fteifen Papieres herum,
um die Pechtheilchen gerade zum Schmelzen zu bringen, was man
leicht an der Veränderung ihrer Farbe bemerft, Die braun wird.
Der Pechſtaub haftet nun hinreichend an der Rupferfläche, und diefe
ift für die folgenden Operationen des Aetzens vorbereitet. Wird
auf diefen Grund E5cheidewailer gegoifen, fo greift dieſes rund
um jedes aufgefhmolzene Pechtbeilchen in das Kupfer ein, und
ed entfieht dasjenige, was den Aquatinta» Grund .bezeichnet.
. Diefe Methode, den Aquatinta- Grund zu legen, hat den
Nachtheil, daß es äußerfi fchwer ift, auf folche Art den gewünfch-
ten Grad der Feinheit des Kornes zu erhalten. Auch halten der-
gleichen Platten nicht viele Abdrüde aus. Man zieht daher die
nachfolgende Method: vor.
Kolophonium oder Maftir wird in reftifizirtem Weingeift
aufgeloͤſt. Man läßt die Auflöfung einige Tage ruhig in einer
verftopften Flaſche ſte hen „damit die Unreinigkeiten ſich zu Boden
ſetzen, und die Flüſſ igkeit ganz klar erſcheint, die man dann in
ein anderes Gefaͤß zum Gebrauche abgießt. Man haͤlt nun die
Kupferplatte in einer ſchiefen Lage, und gießt die Harzaufloͤſung
uͤber dieſelbe, ſo daß ihre ganze Flaͤche damit durchaus benetzt wird,
wobei der Ueberſchuß an der untern Kante abfließt. Man legt ſie
dann nieder, um abzutrocknen, was in wenigen Minuten gefches
ben iſt. Unterſucht man diefen Grund mit dem Vergrößerungs-
glafe, fo ſieht man, daß die dünne Harzlage, die der verdüns
ftete Weingeift auf dem Kupfer zurüdgelaffen hat, fich in einem
ganz granulirten Zuflande befindet, indem fie aus einer unzähligen
Menge Kleiner, durdy feine Riſſe von einander getrennten Theile
beſteht. |
Damit diefed Verfahren gelinge, muß der reftifizirte Wein-
geift völlig rein feyn, und nicht etwa Terpenthinöhl oder Kampfer
enthalten. Während man die Harzauflöfung auf die Platte bringt
und fie trodinet, muß dad Zimmer ganz ruhig und von allem in
; Aetzen in Kupfer. 179
der. Luft fchwebenden Staube befreit feyn. Jede Unreinigfeit, die
auf die Platte fällt, verurfacht auf derfelben einen weißen Sleden,
weil fie die Sranulirung des Harzes hindert. Die Platte muß
vorher vollfommen gereinigt feyn, weil der geringfte Bettfleden
Streifen oder Makeln in dem Grunde hervorbringt. Da die Platte
eine fchiefe Lage hat, während der Firniß auf diefelbe gebracht
wird; fo wird der Grund an der untern Kante dicker, das Korn’
daher gröber: gewöhnlich verwendet man dann diefe Seite für
den Vordergrund, wohin die flärfften Schatten fallen.
Iſt der Aquatinta: Grund auf eine diefer Arten vorbereis
tet, fo werden diejenigen Stellen deffelben, welche in der Zeich-
nung weiß find, mit einem mit Lampenſchwarz verfegten und mit
Terpenthinöhlverdiünnten Maftirfieniß überftrichen, oder auägefpart; “
dann wird der Rand von Wachs auf der Platte wie gewöhnlich
befeftiget, und nun die mit Waſſer verdünnte Salpeterfäure aufge:
goffen. Hat das Aetzwaſſer fo weit gewirfet, daß die ſchwaͤchſte
Zinte nach dem Abdrucke hervorkommen würde; fo wird die Platte
mit Waffer abgewafchen und getrod'net. Hierauf werden mit dem⸗
felben Firniß die leichteften bereit geägten Tinten überftrichen, das
Scheidewaſſer wird wieder aufgegoflen, und fo weiter, biß bei der
legten Operation beinahe die ganze Zeichnung gededt oder ausge⸗
fpart iſt, und nur noch die tiefften Schatten Durch das Aetzwaſſer
bervorzubringen find.
Da es bei diefer Aetzmethode ſchwierig ift, Die tieferen Schatten
mitder nöthigen genauen Begrängung auszuſparen, foverfährt man,
um dieſes zu bewirfen, auch nad) folgender Methode. Bein ge»
ſchlaͤmmte Kreide wird mit etwas Syrup oder Zucker verfeßt, und mit
Waſſer fo weit verdünnt, daß fie ſich mit dem Pinfel gehörig verarbeis
tenläßt. Diefe Farbe wird nun auf den Aquatinta« Grund ganz auf
diefelbe Art und an denfelben Stellen, wie bei einer getufchten Zeich-
nung, aufgetragen. Nach dem Trodnen wird die ganze Platte mit
einem ſchwachen und dünnen Firniß aus Terpenthinöhl und Afphalt
oder Maflir überzogen, und wenn dieſer troden ifl, das Aetzwaſſer
darüber gegoffen. Diefes dringt nun an allen jenen Stellen Durch,
wo die mit dem Syrup gemifchte Farbe aufgetragen ift, während
alle übrigen Theile durch den Firniß gefchügt bleiben. Auf Ddiefe
ı2 *
180: Aeaetzen.
Art erhalten die ſtaͤrkeren Schatten den gehoͤrigen Unriß, ‚ wie bei
der getufchten Zeichnung felbft. Ä
Das Aetzen ift bei der Aquatinta- Manier mit vielen Schwie:
rigfeiten verbunden, und feßt Uebung und Gefchidlichfeit des Künft-
ler voraus; damit dad Korn des Grundes die gehörige Gleich⸗
förmigfeit und Ziefe erhalte. Es iſt Daher ein Vortheil, zur Vers
gleihung mehrere Kleine Plättchen mit demfelben Aetzgrunde zu
verfehen, und an denfelben von Zeit zu Zeit die Wirfung des
Aetzwaſſers zu erforfchen, um fich hiernach bei Dem Aegen der grö-
Beren Platte zu reguliren, uud um ſich überhaupt in der Beur⸗
theilimg und Leitung dieſes Prozeffes einen Taft zu erwerben,
auf den. hier das Meifte für einen gewiſſen Grad der Vollendung
anfommt. Sind einige Stellen der Platte zu tief eingefreifen ;
fo muß man- fie mit dem Polirſtahl auszugleichen fuchen: find
andere Stellen nicht Dunfel genug, fo muß man auf diefe einen
neuen Aquatinta-Brund legen, und fie neuerdings dgen, nachdem
man die umliegenden Theile durch einen. Wachsrand gefichert hat.
Doch find dieſe Nachhälfen. nicht ohne Schwierigkeit, Der Ab»
drud der geäpten Aupferplatten gefchieht: durch den Kupferdrucker,
wovon unter dem Artifel Kupferdruckerei die Rede ift.
Das Aetzen auf andere Metalle fommt mit dem beſchriebe⸗
nen Verfahren überein, nur muß Dabei daB jedem Metalle eigen
thümliche Auflöfungsmittel berücjichtiget werden: fo würde fir
dad Aetzen in Gold oder in Platin das Königewafler angewendet
werden muͤſſen. Manchmahl ift für ein Metall das gewähnliche:
Aurlöfungsmittel.zu ſcharf wirfend, meil es zu fehr um ſich und
unter fi greift, oder ausfrißt; in dieſem Falle muß es durch
longfamer angreifende Mifhungen erfept werden. Hiervon iſt
bereits oben ein Beifpiel vorgefommen, und beim Aegen in Stahl
ift dieſes insbeſondere der Fall.
Aegen in Stahl. Um Zeichnungen in Stahl zu äken,
überzieht.man denfelben, nachdem die Släche gehörig polirt und ges.
reinigt worden iſt, mit demfelben Aetzgrunde, wie für Kupfer, und äpt
dann, ftatt derreinen Salpeterfäure, mit einer Fluͤſſigkeit, welche aus
vier Theilen ftarfer Holz: oder Ejfigfäure, einem Theil reinen Alkohols,
und einem Theil @alpeterfäure von 32° zufammengefeht ift, Der
Altohol wird mit der Holzfäure eine halbe Minute Tang zufammen-
Aetzen in Stahl. - 181
gerührt, und hierauf die Salpeterfäure zugegoffen. Diefe Mifhung
hält das Eifenoryd aufgelöft, fo daß Durch daffelbe die gleichförmige
Einwirfung des Aebwaflerd auf die Tinten nicht gehindert wird,
und ihre Oberfläche erhält ein reines, nicht zerfreflenes Anfehen.
Die leichten Linien werden dadurch in einer oder zwei Minuten ber:
geftellt, und in einer Viertelftunde die ftärfften. - Bei fehr weichem
Stahle kann man fich einer Mifchung aus 3 Unzen warnıen Waſſers,
4 Sran Weinfteinfäure und 4 Zropfen Salpeter= oder Schwefel-
fäure als Aebwaffer bedienen. Auch koͤnnen fuͤr dieſes Aetzwaſſer
ſalzſaure oder ſalpeterſaure Metallauflöfungen, die man nach Be:
dürfniß mit Waſſer verdiinnt, um die Stärke der Einwirfung zu
mäßigen, gebraucht werden, nähmlich die Auflöfung von falz-
faurem Zinn, falpeterfaurem Kupfer, falpeterfauirem Wismuth,
u.f. w. , Die Anwendung diefer Auflöfungen hat den Vortheil,
Daß fich Feine Ruftblafen aus dem Aetzwaſſer entwickeln. Nach
dem Abgießen des Aetzwaſſers wäfcht man die Platte mit Alkohol,
der mit 4 Theilen Waffer verdünnt iſt; und füllt, um alle wei-
tere Wirfung vollftändig aufzuheben, die Linien mittelft eines Pin-
ſels mit Zerpenthindhl aus, in weichem man etwas Afphalt aufge:
Töft Hat. Auf welche Art eine auf Stahl hergeftellte Zeichnung auf
Kupfer übettragen, und fo diefer Abdrud nach Belieben verviel-
fältigt werden könne, wird in dem Artifel Siderographie
befchrieben.
Auf poliertem Stahl, 3.8. polirten Meſſer⸗ und Säbelflingen,
können Schrift und Verzierungen auch fo hergeftellt werden, daß
Diefelben mit Dem Glanze der polirten Flaͤche erfcheinen, während
das Uebrige matt geägt if. Zu diefenr Ende werden die Verzie⸗
rungen oder Schriften mit der Auflöfung des gemeinen Aetzgrundes
oder auch des Afphalts in Terpenthinoͤhl auf der policten Släche
ausgeführt, und auch die übrigen Stellen, welche nach dem Aegen
ihre Politur behalten follen, damit überzogen. Nach dem Trock⸗
nen des Grundes feßt man die Fläche den Dämpfen der Salz:
fäure aus, am beiten fo, daß man auf etwas in einer Porzellan-
fchale befindliches Kochſalz fonzentrirte Schwefelfäure gießt, das
Gemenge umrührs, und die zu ägende Släche in einiger Entfernung
fo Tange darüber halt, bis die Politur verfchwunden, und eine
gleichförmige matte Tinte an deren Stelle getreten ifl. Die po-
182 Aetzen.
lirte Flaͤche muß jedoch vorher durch Abreiben mit gepulvertem
gebrannten Kalke und Weingeiſt gut von aller Fettigkeit befreit
worden ſeyn. Statt der gasförmigen Salzſaͤure kann auch eine
bis zum erforderlichen Grade verdünnte Auflöſung des ſalzſauren
Antimonoxyds (der ſogenannten Spießglanzbutter) angewendet
werden, mit welcher die zu äßenden Stellen überſtrichen werden.
Wegen auf Glas. : Das Aeken auf Glas gefchieht durch
bie Slußfpatbfäure, welche, indem fie ſich mit der Kiefelerde deſſel⸗
ben verbindet, das einzige Auflöfungsmittel diefer Subſtanz ift.
Diefe Säure entwidelt fi) aus Flußfpath durch Schwefelfäure
in Badgeftalt, kann aber auch durch Verbindung mit Waffer in
flüfliger Geſtalt dargeftellt werden (f. STußfpathfäure) Im
Kleinen fann man auf folgende Art verfahren. Man bereitet die
wohl gereinigte Glastafel mit Aetzgrund ganz anf diefelbe Weife,
wie beim Kupfer, vor, radirt die Zeichnung, und umgibt fie mit
einem Wachsrande. Man nimmt hierauf möglichft fein gepulver⸗
ten Slußfpath, und freut ihn ganz eben über den radirten Aetz⸗
grund; und darauf gießt man eine Mifchung von gleichen Theilen
Schwefelfäure und Waſſer, bis dad Ganze beiläufig die Konfifteng
eines dien Rahme erhalten bat. Man dedt nun einen auf den
Wachsrand gut anfchließenden Deckel von Metall oder Hol; dar⸗
über, um die Dampfe der Säure zurüd zu halten. Ganz auf
biefelbe Art wird verfahren, wenn die bereits in flüffiger Ge:
ſtalt Dargeftellte Slußfpathfäure angewendet wird. Auch bei diefer
Aegung kann für forgfältigere Ausführung übrigens eben fo wie
- beim Kupfer durch Audfparung der feinern bereitd genug geägten
Züge, neues Aufgießen der Slüffigfeit u. ſ. w. verfahren werden.
Noch ſchneller geht die Aekung durch die gasförmige Säure
ſelbſt vor fi. Um mit diefer zu operiren, nimmt man einen vier⸗
edigen bleiernen Kaſten, deifen obere Seite ald Dedel dient,
und hängt in demfelben die geundirten und radirten Glastaſeln
neben einander, jede an einer Schnur auf, die man auf der Ruͤck⸗
feite des Glaſes mit Wachs befeftigt. Inden Boden diefes Kaftens
läßt man eine bleierne Röhre reichen, die mit der bleiernen , über
einem gelinden Feuer befindlichen Retorte verbunden ift, in wels
cher fich die Mengung aus Flußſpath und Schwefelfäure befindet,
Auf dem Boden des Kaftens läßt man etwas Waſſer, um bie über⸗
/
Wesen auf Stein. 183
flüffige Säure zu abforbiren, und die Fugen des Dedels Tutist
man mit fettem Kift. Das faure Gas raue nun den Kaſten
und aͤtzt die Zeichnungen in das Glas.
Bei der Aetzung mit dem Gafe werden die Linien rauh
matt, während fie bei der Aetzung mit der fluͤſſigen Säure mehr
glänzend ausfallen. Die in das Glas geägten Zeichnungen laſſen
fi), wenn das Glas auf eine binreichend flarfe Metallplatıe auf
gefittet worden ift, in der Druckerpreſſe, wie Kupferplatten,
auf Papier abdruden. Das Glas hat vor dem Kupfer den Vor:
zug, daß ed weit mehr Abdrüde aushält, fidy nicht zufammen-
druͤcken läßt, folglid) die Zeichnung im ihrer erften Beſchaffenheit
erhält; und es fleht ihm nur darin nach, daß die geäbte Zeichnung
nicht ihre Teste Vollendung durch den Grabſtichel erhalten kann.
Aetzen auf Stein. Auf diefelbe Art, wie auf ©lat,
fann auf polirte Steine geägt werden, deren Haupebeflandtheil
Kiefelerde ift, als Bergkryſtall, Chalcedon, Topas, ıc. Von
den übrigen Steinarten find hauptfächlich die Falfartigen, als die
verfchiedenen Abänderungen von Dichtem Kalfftein und Marmor,
von Mergel u. f. w. zum Aegen geeignet. Will man vertiefte
Zeichnungen äßen, fo überzieht man den vorher 'gereinigten Stein
mit einer Auflöfung von Afphalt oder-Rolophonium in Terpenthin-
öhl, radirt die Zeichnung hinein, fo Daß die Oberfläche des
Steines durch den Briffel oder die Nadel etwas aufgeriffen wind;
und gießt dann Salpeterfäure darauf, die mit ſechs Mahl fo viel
Byaffer verdünnt iſt. Statt der Salpeterfäure fann man aud),
zumabl für feinere Züge, ſtarken Eilig anwenden. Die fo auf
einen dichten feirien Kalkſtein gebrachten Zeichtungen dienen nur
zue Verzierung der Oberfläche, und Fönnen nicht auf diefelbe Art,
wie beim Kupfer, Durch Drud auf Papier übertragen werden,
weil die fette Drudfarbe ſich nicht in die geästen Linien bringen
läßt, ohne auch in die ungeäpte Fläche einzudringen. Auf welche‘
Art der dichte Kulfftein oder Mergel zur Uebertragung von Zeich⸗
nungen verivendet werde, wird in dem Artifel Lithographie
befhrieben. Gewöhnlich aͤtzt man Kalffleinplatten, z. B. für Sonnen»
uhren und ähnliche Gegenftände, fo, daß die Schrift oder die Ver⸗
zierung erhaben erfcheint, während die übrige Bläche vertieft iſt.
Zu diefem Ende reiniget man vorher die Oberfläche der Stein
184 Aetzen.
platte, indem man fie mit einem leinenen Lappen und etwas ſchwa⸗
cher Ealpeterfäure gut abreibt, und zulept mit Brunnenwafler
gut abfpuhlt. Nach dem Trocknen wird nun die Zeichnung oder
Schrift mit der Auflöfung des Aſphalts in Terpenthinöhl, die hierzu
die gehörige Koufiftenz haben muß, um nicht auszufließen, durch
Die Feder oder den Pinfel aufgetragen, die Platte mit einem
Wachsrande umgeben, und verbünnte Salpeterfäure Darüber gee
fhüttet, die man hinwegnimmt, und die Platte mit Waſſer ab⸗
wäfcht, wenn der Grund hinreichend ausgefreſſen ift. Iſt die Schrift
oder Zeichnung fein, und fie foll dennoch hinreichend herausgehoben
werden; fo ift es, um das Unterfreifen zu vermeiden, ficherer,
zuerſt mit Salpeterfäure zu äben, und dann die Vertiefung mit .
ftarfem Eſſig, dem etwas weniges Salpeterfäute oder Salzfäure
zugefegt werden kann, zu vollenden. Die fo hervorgebrachten
erhabenen Zeichnungen fönnen mit Buchdruderfarbe eingefärbt,
und auf Papier abgedruckt werden. Gewöhnlich werden diefelben
gur Verzierung mit einer mit Zerpenthinöhlfirniß angemachten Farbe
überzogen, oder auch vergoldet (f. Vergoldung). Eine Art,
Alabafter mit reinem Wafler zu ägen f. in Art. Alabafter.-
Aetzen auf Perlenmutter. Da die Perlmutter eine
kalkartige Subſtanz ift, fo wird fie ganz auf diefelbe Art geäßt,
wie der Kalkſtein; entweder auf vertiefte Zeichnungen mittelft Ra,
diren, oder auf erhabene Verzierungen durch Wegägen des Grun⸗
des. Das Aepmittel ift hier ebenfalls die Salpeterfäure, die
jedoch für diefen Gebrauch lärfer genommen werden fann. Macht
man die Perlmuttterblätter fehr dünn, und ftellt dann die Verzies
rung auf denfelben erhaben dar, während der Grund zum heil
weggeägt wird ; fo kann man leptern mit einem Mefler vollends
ausſchneiden, und die geäbten Verzierungen auf anderen Gegen-
fländen, z. B. gefirnißten Blechwaaren ꝛc. befeftigen.
Aeben auf Bernflein. Das Aeben auf Bernſtein fan
man durch fonzentrirte Schwefelfäure bewirfen, nachdem man die
polirte Bernfteinfläche vorher mit Wachs überzogen, und mit einem
Wahsrande umgeben hat, damit die Säure in einer Schichte von
ua bis a Linien Dice darüber ſtehe. Man wälcht dad geägte Stud
in Waffer aus, trodinet es mit Löfchpapier, und reibt den —
grund mit einem wollenen Lappen ab.
Ahle. 485
Aetzen auf Bein und Elfenkein. Auf diefen Sub⸗
flanzen kann ebenfalls durch fonzentrirte Schwefelfäure geist wer:
Den. Man überzieht die vorher mit gepulvertem Bimsſtein polirte
Fläche, nachdem fie etwas erwärmt worden ift, mit dem Aebgrunde,
radirt dDiefen, umgibt ihn mit dem. Wachsrande, und übergießt ihn
Dann mit fonzentrirter Schwefelfdure. Durch Anwendung von
Waͤrme geht Die Aetzung fchneller von Statten. Da die Schwefel-
ſaͤure, wenn fie einige Zeit über dem Grunde fteht, aus der Luft
Waller anzieht und ſich ſchwaͤcht: fo gießt man fie nach einiger
Zeit wieder ab, und fehüttet frifche auf. Statt des Aetzgrundes
kann auch bloß Wachs genommen werden, das man mit einem
Zuchlappen auf die Beinfläche. aufreibt. Nach der Operation wirb
Diefer diinne Überzug mit Zerpenthinöhl wieder weggenommen.
Statt der Schwefelfäure fann man auch fonzentrirte Salzſaͤure
anwenden, welche tiefer eingreift.
| Sollen die auf Bein geägten Zeichnungen zugleich eine Farbe
erhalten, fo braucht man als Aetzwaſſer eine mit Waffer verbinnte:
Silber: oder Bold » Auflöfung. Erſtere aͤtzt die Striche ſchwarz,
Iegtere rothbraun. Die Gold» oder Silberauflöfung wird in diefem -
Halle ftatt der Schwefelfäure aufgegoſſen, braucht jedoch nur in
geringerer Menge zu feyn, und fann auch mittelft eines Pinfels
in. die radirte Zeichnung gebracht werden. Iſt die Aegung mit
der Silberauflöfung vollendet ; fo wäfcht man den Grund mit reinem
Wafler, ſetzt ihn eine Stunde dem Lichte, am beften den Sonnen⸗
firablen aus; und nimmt hierauf den Aetzgrund mit Terpenthinöhl
weg. Es iſt diefes die leichtefte Methode, ſchwarz geägte Zeich-
nungen auf Elfenbein zu bringen.
d. H.
| Ahle.
Die Ahlen oder Orte, und die minder haͤufig vorkommen⸗
den Pfriemen, find mäßig gehärtete fpigige Werkzeuge, deren man
fid) bedient, entweder um in faferige Stoffe — Leder, Papier,
Zeuge, Holz — Löcher zu ftechen, oder, feltener, auf Slächen von
Holz oder auch von Metall Linien anzuzeichnen. Sie unterfcheis
den ſich in Beziehung auf den erftgenannten Gebrauch von den
Nadeln dadurch, daß mit diefen gleichzeitig ohne Unterbrechung
186 Ahle.
ein Faden durch Das Loc gezogen wird, indeß mittelft der Ahlen
faſt immer die Löcher nur vorgeftochen werden. |
Am unentbehrlichften find die Ahlen jenen Gewerben, welche
ſich mit der Verarbeitung des Leders befchäftigen, und unter die:
fen verdienen die ohne Ausnahme gefrümmten Orte der Schuh⸗
‚macher eine nähere Betrachtung... Man hat fie von verfchiebener
Größe, und umterfcheidet fie nach dem Gebrauche in Abfaß:,
Einftiche und Befteh: Orte. Fig. ı4, Taf. 6 ſtellt eine große
Abfagahle, Fig. 15 eine ganz Feine VBeftechahle vor, die fo, wie
alle anderen, beym Gebrauche mit der Angel bis zum Anfange
der Krümmung bey a, in hölzernen Heften fleden. Die Form dies
fer Drte ift feineswegs gleichgültig. Sie find vierfantig, wie der
Durdfchnitt b, Big. 14 zeigt, fo daß fie rautenförmige Löcher bil-
den. Die Kanten wirfen zum Theile ald Schneiden, damit ber
Ort leichter eindringt, und das Loch ſich nicht wieder durch die
Eloftizität des Leders zum Theil fchließe, wie dieſes bei einer ganz
zunden Spitze der Ball feyn würde. Das vieredige Loch gewpährt
auch noch den Vortheil, daß es von den Pechdrähten, welche paar⸗
weife durch jedes gehen, weit befier ausgefüllt wird; weil diefe die
beiden fpigigen Winfel desfelben, wenn fie mit Gewalt durchgezo⸗
gen werden, außdeinander treiben, wodurd) die zwei anderen Win-
kel von felbft fih abrunden, und vollfommen an den Draht an«
ſchließen. Auch die Geftalt, nach welcher der Ort gebogen iſt,
bedarf einiger Erläuterung. Die Form Fig. 14 und ı5 ift die
dltere, und die für die gewöhnlich vorfommıenden Arbeiten übliche.
Die Krümmung überhaupt ift nothwendig, weil ohne diefelbe' ge-
wife Arbeiten gar nicht verrichtet werden fönnten. So wird das
Oberleder bei den Srauenfchuhen mit der Sohle Dadurch verbunden,
daß die Stiche nur bis zu einer gewiſſen Tiefe in die Sohle, und
keineswegs ganz durch,‘ fondern in einer bogenförmigen Richtung
auf derfelben Flaͤche wieder heraus gehen. Ein ſolcher Stich aber
kann nur durch Die gehörige Krümmung ded Ortes, und nie durch
eine gerade Spige erhalten werden. Eben fo unentbehrlich ift die
gefrümmte Soem, wenn doppelte Sohlen vorhanden find. Es wird
in diefem alle das Oberleder erſt an die obere Sohle angenähet,
dDiefe aber wieder mit der untern verbunden, eine Arbeit, welche
um von dem Oberleder nicht gehindert zu werden, nur mit Hülfe
Ahle. 187
eines gekrümmten Ortes moͤglich iſt. Ja man muß ſich, wenn die
Sohle über. das Oberleder nur fehr-wenig vorſteht, fogar der noch
flärfer, und vorzüglich an der Spige gefrummten, fogenannten
franzöfifhen oder englifhenDrte (Fig. 16) bedienen. Die
Sig. 17, ein Durchſchnitt des Oberleders m, und der beiden Soh⸗
len, a, b, wird den Nutzen berfelben anfchaulich machen. Nur
ein ſtark gekrümmter Ort, wie cd, wird beim Durchſtechen unten
genan der obern Öffnung gegenüber berausfommen, während eine
wenig gefrümmte, oder gar eine gerade Ahle, gleich e f,- fein
andered als ein fchiefed, und zu weit vom untern Rande der Sohle
entferntes Loch hervorbringen fönnte. Die Quer⸗Orte, eben
falls neuern Urfprunges, braucht man, wenn die Stiche möglichft
nahe an einander fommen follen. Ein ſolches Werkzeug, Fig. ı8,
unterfcheidet fich durch die Stellung der fihärferen Kasten, oder
der beiden ſpitzigen Winkel, indem bei den gemeinen Orten die
ſcharfen Winfel an der Seite der Krümmung, bei den Quer⸗Orten
Dingegen am fonveren und fonfaven Theile fich befinden, folglich,
verglichen mit jener erften Form, nach der Quere geftellt find.
Aus Fig. ı9 fieht man, Daß, wenn beide Orte, wie ed immer ges
fhieht, auf die gleiche Art geführt werden, die Stiche eined ge
wöhnlichen, a, viel mehr Raum einnehmen, als die mit b bezeich-
neten des Quer⸗Ortes. Übrigens unterfcheiden die Schuhmacher
unter den Auer-Orten deutfche und franzöfifche oder englifche. . Die
Ieptern haben die in Sig. 18 vorgeftellte Krümmung, während die
deutfchen fo wie die gemeinen Orte (alfo wie Fig. ı4 und ı5) ges
bogen find. —
Die Schuſterbohrer, welche gleichfalls zu den Ahlen
gezählt werden können, werden gebraucht, um in die Sohlen die
Löcher für hölzerne oder eiferne Nägel vorzufchlagen, Big. 20
jeigt die Form diefer Bohrer, welche im Durchfchnitte entweder
quadratifch wie c, oder rautenförmig wie h find. Alle werden in
Heften aus hartem Holz gebraucht, und haben einen Anfap d (das
Geſtemm), damit die Angel, da fie mit dem Hammer getrieben
werden, fich nicht tiefer in das Heft einfchlägt. Seltener finden
fi) die Sternbobrer, mit vier, wie e, Big. 20, ausgehöhlten
Beiten. Sie geben ein fternförmiges Loch, nach deſſen Form auch
188 Ahle.
der ˖ in dasſelbe eingefchlagene hölzerne Nagel, bloß jun Behufe
der Vorzierung, ſich zuſammendriickt. |
Riemer, Sattler und verwandte Arbeiter —— ſich zwar,
wenn die Art der Arbeit im Bogen gehende Loͤcher erheiſcht, auch
gekruͤmmter Ahlen, die oft ohne die Angel bis zu vier Zoll lang
find. Die vorzüglichften hierher gehörigen Werfzeuge aber find
bei den gedachten Gewerbölenten die gewöhnlich. mit hornenen
Heften verfehenen Ahleifen. ‚Sig. 21 zeigt zwei Arten derfelben,
die nach der Staͤrke des Leders in verſchiedenen Größen, wie z. B.
nach der Form wie a, von einem bis vier Zoll Länge, vorfommen.
Nach der Altern Art waren fie mehr vieredig, jest aber macht
man fie flach, wodurch fie an den Seiten zwei fehr fcharfe und
leicht das Feder Durchdringende Kanten erhalten. Ehemahls wa-
ren auch fogenannte Zweiſpitze üblich. Sie hatten ftatt der Angel
"noch eine zweite, der erften gleiche Spige, deren man fich bedienen
konnte, wenn die lebtere gebrochen oder fonft unbrauchbar gewor-
den war. Die Berziehbahlen der Sattler (von den Riemern
Pfriemen genannt) find ganz gerade, Fegefförmig, und fehr fpi-
big; man braucht fie zum MVorftechen im dünnes Leder, oder in
Zeuge. : Das Vorfchlageifen hingegen ift zwar auch koniſch,
jedoch flärfer und fürzer, und, wie die Schufterbohrer,, mit eineih -
Anfahe verfehen, weil mittelft deffelben Löcher in Hol; für Stifte
'oder-Mägel mit Hülfe des Hammers eingefchlägen werden. Die
Einbindahlen braucht man zum Aufheften der Kiffen bei,
Sätteln, Pferdefummeten, u. f. w., nittelft lederner Riemchen.
Sie haben, wie Fig. 22 beib, an der etwas gefrümmten pi:
ge ein Ohr zum Durchziehen des Niemens durch das vorge⸗
ficchene Loch. Man findet ſolche mit einer Angel ce, für ein Heft,
und mit oder ohne Anſatz d; aber auch ganz große, oft achtzehn
Boll lange, an deren Ende ein eiferner Ring, wie bei einem ar
ſchluͤſſel, ſtatt des Griffes angebracht ift.
Zu den Werfzeugen der Buchbinder gehören gerade, in höl:
zernen Heften ftecfende Ahlen, die entweder rund oder vierfantig
(rautenförmig) find. Die letztern, da fie leichter eindringen, find
"vorzüglich zum Durchfiechen der Parppe anwendbar ; die runden
werden gebraucht, wenn. einige Bogen, mehrere Aupfertafeln
Ahle. 180
oder andere einzelne Blätter vorläufig durchſtochen werden follen,
um fie dann mittelft der Heftnadel und des Zwirnes zu verbinden.
Beim Korrigiren des Sapes in den Buchdrudereien bedient
man fich gerader fehr fpigiger Ahlen zum Herausheben ſowohl eins
jelner Lettern ald auch ganzeg Sylben und‘ Wörter.
Die Tifchler bentigen die geräden Ahlen theils zum Vorſte⸗
hen der Löcher für Drahtftifte und feine Nägel, theild auch zum
Anzeichnen von Linien. Eine in den englifchen Werffiätten übliche
Markir⸗Ahle ſtellt Fig. 233 in der Hälfte der natürlichen Größe
vor. Sie hat entweder bloß eine Spitze und bei a, nach der Durch
Punfte angedeuteten Form, einen breiteren Lappen zum bequemen
Anfaifen; oder flatt deffen einen fchrägen, ſcharf fchneidenden
Meißel, b c, der fowohl zum Anzeichnen von Umriſſen, al6 auch
in andern Fällen fehr bequem iſt.
Die Pfriemen der Kleidermacher find ganz gerade, ohne
die Angel etwa drei Zoll laug, und fegelförmig. Sie dienen zum
Vorſtechen von Schnürlöchern, und-zu ähnlichen Ziveden.
Manchmahl bedient man fic) auch wohl der flarfen kurzen.
Ahlen zum Durchſchlagen von dünnen Metallblehen. Die Reib⸗
und GSlättahlen der Uhrmacher und anderer Mietallarbeiter aber
find, ungeachtet der Benennung, von- den gewöhnlichen Ahlen fo:
wohl in NHinficht der Form ald auch der Wirfung fo verfchies
den, daß fie unter einem eigenen Artifel vorkommen mülfen (f.
Reibahle).
Mit der Verfertigung der Ahlen, der Packnadeln, Flachs⸗
hechelzaͤhne und ähnlicher Fleiner Stahlwaaren befchäftigen fi die -
Ahlenfhmiede. Die Ahlen werden, etwa mit denfelben Hande
griffen wie die Nägel, gewöhnlich aus geringeren Stahlgattungen,
z. B. Sederftahl, gefchmiedet. Die völlige Ausbildung gibt man
ihnen wmittelft der Seile, oder noch fchneller durch das Schleifen.
Die frummen Ahlen erhalten ihre Biegung entweder fogleich durch
den Hammer beim Ausfchmieden , oder mittelft eines Meinen hoͤl⸗
zernen Schlägel3 auf einem Bleifloge, oder endlich, nach dem in
England üblichen Verfahren, in einem dazu vertieft und pailend
geformten ftählernen Sefenfe ; welche Iegtere Methode den Vortheil
einer immer volfommen gleichen Krümmung gewährt. Die Vol-
lendung gibt man den Ahlen-durch das Härten und Poliren. Bei
190 Alabaſter.
den kleineren Sorten, welche manchmahl bloß aus Eiſen verfertigt
werden, geſchieht das erſtere fo, wie bei den aus Eiſendraht gemach⸗
ten Nähnadeln, nähmlich durch Einfepen oder Zementiren, und
nachmahliges fchnelles Ablöfchen in Waſſer. Um fie zu poliren,
gibt man fie mit Schmirgel und ohl in lederne Saͤcke, welche man
entweder aus freier Hand, oder mittelſt einer einfachen Maſchi⸗
nerie fo lange hin und ber ſchüttelt, bis die Reibung der einzelnen
Stüde an einander und an dem Schmirgel die Oberfläche geglättet ,
hat. Um zulest das noch anhängende Ohl wegzufchaffen, fülft
man die fertigen Ahlen mit Sägefpänen in ein Haß, welches an
einer horizontalen Achfe umgedreht wird.
j G. N.
Alabaſter.
Alabaſter iſt kein ſyſtematiſcher oder wiſſenſchaftlicher,
fondern ein bloß techniſcher Nahme, welchen überdieß, beſonders
von den Bildhauern, fehr unbeftimmt gebraucht wird. Am ges
wöhnlichften werden Gypsſteine, welche feft, mehr oder weniger
halbdurchfcheinend und dem Marmor ähnlich find, fo genannt.
Der Alabaſter befteht aljo aus Schwefelfäure und Kalk; obwohl
auch Sorten vorfommen, welche mit Säuren braufen, und daher
als Mifchungen aus fhwefelfaurem und fohlenfaurem Kalk anzu:
fehen find. Man findet den Alabafter, fo wie den Marmor, von
mannigfaltigen Farben, und von fehr verfchiedener Härte, welche
leßtere aber immer geringer ift, ald jene de8 Marmors. Er bildet
gewöhnlich die unterften Lagen der Gypsbruͤche. Die Bildhauer
fhägen vorzüglich den härteften, ganz weißen, von förnigem Ges
füge, welcher manchmahl dem Earrara: Marmor fo ähnlich iſt, daß
zur Unterfcherdung ein fehr geübtes Auge, und die Unterfuchung
der Härte erfordert wird; fie belegen jedoch auch viele andere
Steine, nahmentlih Marmorarten, oft auch Selenit, dichten
Gyps, u. ſ. w. mit derfelben Benennung.
Der Alabafter wird von den Bildhauern mit denfelben Werk⸗
zeugen behandelt wie der Marmor, und da er jedes Mahl viel wei«
her iſt, fo ift die Bearbeitung noch Leichter. Nur die Politur
nimmt er, wegen des weniger dichten Gefüges, fehwieriger an.
Nachdem er rein gefchabt, und mit Bimöftein gefchliffen worden
& Alabaſter. 191
iſt, polirt man ihn mit einer breiartigen Maſſe aus Kreide, Seife
und Milch, und zuletzt mit heiß gemachtem Flanell. Er erhält das
durch aber auch eine gelbliche Farbe, welche mit der Zeit noch
dunkler wird. Bildhauerarbeiten aus Alabaſter unterliegen auch
noch andern Veränderungen; fie fpringen naͤhmlich bei einer be-
deutenden Hibe, und werden vom Waller angegriffen, fo daß fie
zur Aufitellung im Sreien nicht wohl geeignet find.
Außer diefen härteren, für die Skulptur anwendbaren Alas
bafter ijt auch der weiche, ganz weiße, mehr oder weniger durch⸗
fheinende bemerfeuswerth, aus welchem Figuren von geringerem
- Kunjtwerthe, befonderd aber Büchfen, Vafen, Lampen, Säulen
an Uhrkäften und ähnliche Gegenflände verfertigt werden, welche
ald Handelswaaren und ald Gegenftände eigentlich technifcher Erz
zeugung mit mehr Grund hierher gehören. Schon den Alten war
die Verwendung des Alabafters zu gedrehten Arbeiten befannt (wie
denn Alabafter auch nichts anders ald eine Balfambüchfe heißt);
und gegenwärtig gibt es fowohl größere. fabeifmäßige Anftalten,
z. B. in Florenz, Livorno, Mailand, als auch viele einzelne Drech6s
ler, welche ſich mit — Zweige der Induſtrie ausſchließlich be⸗
ſchaͤftigen.
Man ſchaͤtzt den ganz weißen, gleichartigen, faſt halbdurch·
ſichtigen Alabaſter, welcher rein von undurchſichtigen Flecken und
Streifen iſt, am meiſten. Unter allen Sorten behauptet der flo⸗
zentinifche die erfte Stelle, indem die erwähnten Eigenfchaften fich
bei demfelben am öfteften finden, und er auch, feiner Sleichartig«
feit wegen, zu größeren Stüden anwendbar ift, zu welchem Be⸗
hufe er mittelft Sägen von verfchiedener Größe zugefchnitten wird,
welche gute ftählerne Blätter haben mülfen. Andere Sorten, z. B.
der falzburgifche und öfterreichifche, enthalten Sand, Adern und
ungleich harte Stellen, und müllen deßhalb auch durch Spakten
oder Sprengen in Fleinere Stüde getheilt werden. Wieder andere,
3. B. der tirolifche Alabafter, befigen nicht Die nöthige Schönheit
der Farbe, indem fie mehr ind Graue fallen.
‚Der zu technifchen Zweden brauchbare Alabafter ift ſchon
frifch gebrochen weich, und wird ed durch Siegen an der Luft, wo=
bei ex einen Theil des in ihm befindlichen Waſſers verliert, in,
einem noch etwas höheren Grade. Er laßt fich mit dem Meffer
109% Alabafter.
fhneiden, und fehr Teicht mit paffenden ftählernen Werkzeugen be⸗
liebig formen. Es gefchieht dieſes entweder aus freier Hand, oder,
wenn es die Beftalt des herzuftellenden Gegenflandes erlaubt,
noch fehneller auf der Drehbank. Er laͤßt fich mit allen Drebitählen
behandeln, welche nicht, wie jene für die weicheren Holzarten,
dünne und feharfwinflige Schneiden haben. Man Fann daher "
alle jene Werfzeuge bier anwenden, welde zum Drechfeln von
Elfenbein und Meffing gebraucht werden, und auf den Alabafter
nicht durch eigentliche Schneiden, fondern mehr durch Schaben
oder Kragen wirfen. Was nicht gedreht werden kann, wird cheild
mit NRafpeln, theils mit nicht zu feinen Beilen ausgearbeitet, durch⸗
brochenes Laubwerf aber mit Laubfägen ausgefchnitten. Zu Figu⸗
fen und zu feinen Zügen überhaupt bedient man fich außer dem
Mefler und den Feilen, auch noch Fleiner Meißel, und verfchiedes
ner Arten von Grabfticheln (Rundſtichel, Flach⸗ und Meſſer⸗
Zeiger, u. |. w.)
Zum Poliren diefer Arbeiten ift ein eigenthümliches Verfah⸗
ren nothwendig, welchem das Schleifen vorhergehen muß; weil
vermöge des wenig dichten, meiſt glimmerigen Gefuͤges des Stei⸗
nes, Pie Oberfläche durch die genannten Werkzeuge immer nur
matt und rauh erhalten werden fann. Mit recht feinem Bimsſtein⸗
pulver gelingt dad Schleifen fehr gut, allein es fchadet der Weiße
des Alabafters. Man bedient fich daher, um die Unebenheiten aus
dem Groben wegzunehnen, des Schacdhtelhalms, womit die Arbeit
mit Beihülfe von Waſſer gefchliffen wird, Um aber auch die
hiervon noch zurüdbleibenden feinen Riſſe wegzufchaffen, wird das
Seinfchleifen mit gebrannten, in Waffer gelöfchten Kalf vorgenoms»
men, welcher eine ganz reine, aber auch noch matte Oberfläche her:
vorbringt. Die Politur und einen fhönen atlasähnlichen Glanz
erhält man durch Seifenwaſſer und Kalk, welchem man zulept zur
Erhöhung des Glanzes aud) noch etwas gepulverteö und geſchlaͤmm⸗
tes Federweiß (Talk) zufegen fann.
Bei folhen Gegenftänden, welche aus einzelnen Theilen zu⸗
fammengefeßt werden müſſen, gefchieht die Verbindung entweder
durch einen Kitt aus ungelöfchten Kalf und Eiweiß, oder auch
bloß durch gebrannten, mit fehr wenig Waffer angerührten Gyps.
Die Abfälle fönnen zum Gypsbrennen, ald Streufand, fein
⸗⸗
Alabafter. 4103
gepulvert and) zum Putzen von Meffing und Silber, und mit trock⸗
nenden oͤhlen oder Firniſſen ald Steinfitt verwendet werden.
Vorzüglich die Leichtigfeit der Herftelung, und die verhält
nißmäßig geringen Preife der Alabafter-Arbeiten find ihrem Abfage
und ihrer Verbreitung günſtig. Sonſt haben fie manche Gebre⸗
hen. So leidet felbit der Härtefte Alabafter durch die Nälfe und
Hide. Geſchirre zu Flüſſigkeiten, befonders zır heißen, laſſen ſich
zweckmaͤßig nicht aus Alabafter machen, weil er‘, als im Waſſer
etwas auflöslih, der Gefundheit nachtheilig wird, und durch
ſchnelle Erwärmung fpringt. Durch das Alter, eben fo Durch) Rauch,
wird er gelb, und endlich braun; auch nimmt er Fettflecken, bes
fonders wenn er nicht poliert ift, fehr leicht an. Um ihn zu reini⸗
gen, wäfcht man ihn, freilich mit Verluſt der Politur, zuerft
mit Seifenwafler, dann aber mit reinem Wafler, und wenn
er fett ift, noch beſſer mit Terpenthinöhl, wenach er jedoch wieder
mit Schachtelhalm abgefchliffen, und wenn er Glanz haben fol,
wie oben behandelt werden muß.
Bon: der Nachahmung des Alabafters durch gefchmolzene
Salze ift beseitö Seite 86 u. ff. diefes Bandes gehandelt worden;
allein auch die von Dr. Bagni gemachte Erfindung, Reliefs von
Gypotuff zu verfertigen, gehört gewiller Maßen hierher. Man
benügt zu diefem Ende dad Waller heißer Quellen, welches über
Gypo⸗ oder Kalflager fließt, und folche Formen, welche durch
daſſelbe nicht verändert werden, wozu die aus Schwefel am zweck⸗
mäßigften find. Diefe Formen werden fchräg an die innere Wand
einer hölzernen Kufe gelehnt, und das Waſſer wird in einem Dünnen
Strome auf diefelben geleitet. Es fegtiin ihnen allmählich feine
erdigen Beftandtheile ab, welche eine ſehr harte, fchön weiße Krufte,
und endlich Reliefs bildet, welche zue Vollendung nur weniger
Nacharbeit und des Polirens bedürfen, Die hierzu nöthige.Zeit
beträgt nach der Dicke, welche man den Stüden geben will, einen
bis vier Monathe. Das Gefuͤge wird defto dichter und vollkom⸗
mener, je mehr die Formen dor fenfrechten Lage fich nähern, weil
dann bloß die feinften Theile. abgefeht, die übrigen hingegen von
dem Waller, welches nur kurze Zeit:über den fo geſtellten For⸗
men verweilen kann, fortgeführt werden.
Auf die Eigenfchaft des Alabafters, daß er, gleich dem ſchwe⸗
Technol. Encyclop. I, Bd. 13
10% Alabaſter.
felſauren Kalke überhaupt, obwohl nur in geringer Menge (naͤhm⸗
lid) ein Theil in vier: ‚bis fünfhundert Iheilen Waſſer) auflöslich
ift, bat der Engländer Moore ein Verfahren gegründet, auf
Alabafter zu äben. Um hierzu jene Stellen, weldye nicht matt
und vertieft werden follen, zu fchüben, bedeckt man fie mit
einer Mifchung aus Wachs, Zerpenthinöhl und Bleiweiß, oder
man wendet einen Xerpenthinfirniß an, welcher, damit er nicht
zu Bart, und fpäter leichter wieder auflöslich ſey, mit etwas fet⸗
tem Ohl verfebt wird. Nach dem Trocknen dieſes Auftrages
Iegt man daß fo vorbereitete Stüd in Regen- oder deſtillirtes Waf-
fer, worin e8, je nachdem man die geäßten Stellen mehr oder
weniger tief haben will, acht und vierzig Stunden oder länger
bleibt. Den Firniß ſchafft man durch Terpenthinöhl wieder weg;
die matt und vertieft gewordenen Stellen werden mit fehr fein ges
fiebtem Gyps mittelft eines Bürſtchens, oder eines etwas fteifen
‚Pinfeld eingerieben, und erhalten Dadurch eine Art von Undurch-
fihtigfeit, welche fie von den früher bedeckt gewefenen noch vor⸗
theilhafter unterfcheidet, und ihnen das Anfehen gibt, als feyen
fie unter dem Meiße“ des Bildhauers hervorgegangen.
Der Alabafter fann auch gefärbt werden, und zwar entweder
mit metallifchen Auflöfungen, oder mit geiftigen Tinfturen aus
färbenden Pflanzenſtoffen, oder endlich mit gefärbten Ohlen. Das
Verfahren ift daifelbe wie beim Marmor, daher die weitere Aus⸗
führung dieſes Gegenftandes für den Artifel Marmor ver
fpart wird. | |
Endlich verdient auch noch eine Erfindung von Tiffot Ers
wähnung, nad welcher Dichter Gyps und Alabafter härter, dem
Marmor ähnlid, und befonders zu Bildhauerarbeiten anwendbar
gemacht werden kann. Der Sppsblod wird, wenn er vom Bruche
fommt, aus dem Groben behauen und zugerichtet, und durch un⸗
gefähr vier und zwanzig Stunden auf einem Ofen getrod'net. Im
nähmlichen Ofen wird das Stück ferner einer Hitze, welche der
zum Brodbaden nöthigen gleichlommt, auögefegt; wozu, wenn.
daffelbe nicht über achtzehn Linien did ift, drei Stunden hinrei-
chen, bei dickeren Blödten aber eine verhältuißmäßig längere Zeit
erforderlich if. Man läßt das Stüd jodann erfalten, taucht es
durch dreißig Sefunden in Blußwafler, fept es wieder einige Se⸗
Alaun. 1985
kunden, bis ſich das Waſſer in das Innere gezogen hat, der Luft
aus, und taucht es neuerdings, etwa zwei Minuten lang, nach
Verſchiedenheit der Dicke, ein. So zubereiteter Gypoſtein oder
Alabaſter ſoll nach einigen Tagen an der Luft die Haͤrte des Mar⸗
mors erlangen.
G. %
Alaun.
Der Alaun (die ſchwefelſaure Kali-Thonerde)
if ein Doppelfalz, das aus [hwefelfaurem Kali und fchwefelfau«
rer Thonerde zufammengejept iſt; er kryſtalliſirt in Oftaedern, zus
weilen in Würfeln, und befteht in diefer Form aus 36.15 Theilen
fchwefelfaurer Ihonerde, 18.38 Theilen fhwefelfaurem Kali und
45.47 heilen Waller. Im falten Waſſer (8° R.) Töfet er fich in
18.363, und in fiedend heißen Waffen in 0.75 Theilen auf. An
der Luft verwittert er äußerlich nur ſchwach, indem fich feine Ober⸗
fläche mit einem weißlichen Pulver überzieht. In der Hige ſchmilzt
er in feinem Kryſtallwaſſer, und bleibt nach Verdünftung deifelben
als eine weiße ſchwammige Maile zurüh(gebrannter Alaun).
In ftarfem Feuer wird der Alaun zerfegt, indem er zum Theil
feine Schwefelfäure verliert, und einen gefchmolzenen, aus ſchwefel⸗
faurem Kali und Thonerde beftehenden Nüdftand läßt.
Löfet man reinen Alaun in a0 Theilen Waffer auf, und trös
pfelt dieſe Auflöfung in flüjfiges Aegammoniaf, jedoch nicht bis
zur Sättigung des letztern, fo ſetzt ſich ein voluminöfer weißer
Niederfchlag zu Boden, welcher, gehörig mit Wailer ausgewa⸗
ſchen, die reine Thonerde oder Alaunerde darſtellt, von wel⸗
cher der Alaun 10.82 ‚Theile auf 100 enthält. Löfet man diefe
Thonerde, während fie noch feucht ift, in verdünnter Schwefel
fäure auf; fo enthält die Auflöfung die (neutrale) ſchwefel—⸗
faure Thonerde, welche nur 2 Theile falten Waſſers zu ihrer Auf⸗
Iöfung erfordert, Verſetzt man dieſe Auflöfung mit Aegammoniaf,
fo erfcheint ein unauflösliches weißes Pulver, welches bafifche
fhwefelfaure Thonerde if. Troͤpfelt man in die Auflöfung
der neutralen fhwefelfauren Thonerde eine Auflöfung von ſchwefel⸗
faurem Kali, fo fällt, wenn die Auflöfungen fonzentrirt find, ein
Weißes Pulver nieder, welches Alaum iſt; oder waren die Auflös
ı3 *
[4
196 Alaun.
ſungen der beiden Salze verdünnt, ſo erhaͤlt man aus denſelben
durch Abdampfen und Abkühlen den kryſtalliſirten Alaun.
Wird die frifchgefällte Thonerde (das Thonerde⸗Hydrat) mit
einer Auflöfung von Alaun gefocht; fo geht noch ein Antheil Thon-
erde in die Verbindung des Alauns ein, der dadurch im Waſſer
unauflöslich, und als ein weißes Pulver gefällt wird. Eben diefe
Zufammenfeßung entfteht, wenn man eine fiedendheiße Alaunauf:
löfung mit einer Auflöfung von Kali verfegt, bis diefelbe beinahe
neutral wird. Diefer unauflösliche oder bafifhe Alaun kommt
in der Natur in dem Alaunftein oder Alunit vor, und be:
fteht in 100 heilen aus 19.72 Theilen fehwefelfaurem Kali, 61.99
heilen bafifcher fchwefelfaurer Thonerde und ı8.29 Waller. Be:
handelt man diefes unauflösliche Salz mit verdünnter Schwefels
fäure; fo Töfet es fich auf, und wird wieder zu gemeinem Alaun
kryſtalliſirbar. | Ze.
Diefe Erfahrungen enthalten die Grundlage der Alaunfar
brifation, welde für den bedeutenden Bedarf diefed Salzes in
den Künften, auf verfchiedend Weife im Großen betrieben wird.
Der Alaun kommt fertig gebildet in der Natur felten, hier und da
efflorefzirend ald Haarſalz, bäufiger in Oftindien in einigen
Waͤſſern vor: der in Europa im Handel vorfommende wird künſt⸗
lid) aus den Alaunerzen dargeftellt. Diefe Fabrifationsweife
ift nach der Natur diefer Erze verfchieden. Einige derfelben, welche
zu den Ylaunfteinen gehören, enthalten den Alaun ſchon fer⸗
tig, nur noch mit andern Stoffen gemifcht und gemengt, von
welchen er auszufcheiden if. Die übrigen Erze enthalten noch)
nicht Alaun, fondern nur die Beftandtheile, aus denen fich ſchwe⸗
felfaure Thonerde zufammenfegen kann, welche dann durch Zufü⸗
gung von fchwefelfaurem Kali in Alaun verwandelt wird. Zu die:
fer Klaife gehören die fogenannten Alanunfchiefer und. andere
ähnliche mit den Braunkohlen vorfommende erdige Gemenge.
Alaunfabrifation ausdem Alaunftein. Der Alaun-
fein, der nur an einzelnen wenigen Orten, als zu Tolfa bei Civita⸗
vecchia und in Ungarn zu Bereghſzaſz und Mufzag, aber hier in
großer Menge vorfommt, und ganze Lager bildet, ift hart und
ſteinartig und zum Theil mit Fleineren und größeren Hoͤhlungen
Aaunbereitung aus Wlaunftein. 197
verfehen, die gewöhnlich mit Druſen von -Froftaflifirtem Alaunfteine
(bafifhem Alaun) befegt find. Die derben Stüde enthalten mehr.
oder weniger Kiefel in ihrer Mifchung ; fie werden daher nach ihrer
Reichhaltigfeit en Alaun audgelefen, Die man theild an dem
größern fpezififhen Gewichte, theils an den fich im Bruche zeigen:
den, glänzenden kleinen Kryſtallflächen erfennt. Dieſe fortirten.
Stücke werden geröftet oder gebrannt, durch welche Operation.
wahrſcheinlich dad mit der fchwefelfanzen .Thonerde . verbundene
Thonerde - Hydeat fein Waller und ald gebrannte-Thonerde die
Verwandtſchaft zum Alaun verliert, der num mehr frei wird, und,
nachdem durch die nachfolgende Werwitterung der. Jufammenhang
des Steines vollends aufgelöft worden iſt, mit Waller ausgezogen
werden fann.
Das Brennen wird in gemeinen Kalköfen und auf-diefelbe,
Art verrichtet. Es ift hier eine ähnliche Sorgfalt in der Regie⸗
rung des Feuers, wie beim Gypoͤbrennen erforderlich, Damit feine
Schmelzung oder Zufammenfinterung ded Steines, und feine Ents
bindung »on Schwefelfäurg oder fchweflicher Säure eintrete, die
mar auf Koſten des eigentlichen Mlaungehaltes Statt finden fanıı
Aus eben diefem Grunde it auch die Berührung des glühenden
Steines mit Eohlehaltigen Stoffen zu vermeiden. Am ficherften,
mit Erfparung an Zeit und Brennmatertal, und mit Vermeidung
eines bedeutenden Abfalld, deſſen nachherige Ausfcheidung wicder
Arbeit werurfacht, wäre wahrfcheinlich diefes Brennen in einem
Kalzinirofen zu verrichten, nachdem-der fortirte Alaunftein vorher
in ei: oder nußgroße Stüde zerichlagen worden ift.
Die gebrannten Alaunſteine werden in .länglihen, 2 bie 3
Fuß hohen Haufen der Verwitterung ausgeſetzt, indem man fie
beftändig durch Befprigen mit Waller feucht zu erhalten fucht. In⸗
dem fich diefes Waller allmaͤhlich mit dem Alaun verbindet, zer⸗
brödelt fi der Stein, und zerfällt endlich zu einer breiartigen
Maffe, die mit warmem Waſſer ausgelaugt und in einen Laugen⸗
fumpf zum Klären abgelaſſen wird, aus dem fie von dem Boden⸗
faße abgezogen, dann abgedampft, und durch zweimahliges Kry:
ftallifiren zum verkäuflichen Alaun dargeftellt wird. Der auf diefe
Art aus dem Alaunftein von Zolfa dargeftellte Alaun ijt der foger
198 Alaun.
nannte römifche Alaun, der mit einem feinen röthlichen, aus
rothem Eifenoryd beftehenden, Anfluge überzogen ift.
Alaunfabrifation ausden Schiefern. Der größte
heil des, zumahl in Deutfchland, im Handel vorfommenden
Aaunes wird aus den Alaunfchiefern und ähnlichen Alaunerzen
fabrizirt. Die Alaunfchiefer find ein bituminöfer, Schwefelfies
enthaltender Thonfdiefer, von mehr oder weniger Feftigfeit, von
größerem oder geringerem Kohlengehbalt, welcher bei einigen Arten,
bie fchon mehr zu den Braunkohlen gehören, fo bedeutend wird,
daß fie ald Brennmaterial benugt werden fönnen. In den Lagern
von Braunfohlen und von bituminöfem Holz beftehen die oberen
Schichten, wo fie mit den unmittelbar aufliegenden Thonfchichten
fi) vermengen, gewöhnlich aus einer durch Thon und Schwefel:
fied mehr verunteinigten Kohle; daffelbe ift bei den Zwifchenfchich-
ten (Bändern) der Ball, welche das Flötz in verfchiedenen Abftäns
den durchziehen. Diefe zum Brennen weniger taugliche, meift
erdähnliche zerreibliche Kohle iſt ebenfalls Alaunerz. Alle diefe
verfchiedenen Arten von Alaunerz fommen im Wefentlichen mit ein-
ander darin überein, daß fie Thon -und Schwefelfies (Schwes
feleifen im Marımum) in einem fein gemengten Zuftande ent:
halten. Diefes find die wirfenden Veftandtheile zur Bildung der
Ihivefelfauren Xhonerde ; “der Kohlengehalt trägt dazu bei, der
Maſſe eine mehr Iodere Befchaffenheit zu geben, und dadurch die
Einwirfung jener beiden Beftandtheile mittelft der Luft und Feuch⸗
. tigfeit auf einander zu befördern. Werden diefe Schiefer unter dem
Zutritte der Luft einer höhern Temperatur ausgeſetzt; fo verliert
der Schwefelfied die Hälfte feines Schwefel, die fich fublimirt
oder als fchwefliche Säure verflüchtiget, und geht in einfaches
Echwefeleifen über (f. Vequivalente, ©, 145), das aus der
Luft und dem Waſſer ſchnell Saueritoff anzieht, und fich in ſchwe⸗
felfaures Eifenorpdul (Eifenvitriol) verwandelt. Die nıit dem
bituminöfen Holze und den Braunfohlen vorfommenden Schiefer
enthalten gewöhnlich auch fchon fertig gebildeten Eifenvitriol, der
durch allmähliche Verwitterung in dem Lager felbft entftanden ift.
Der Eifenvitriol gibt nun in dem Maße, als durch diefelbe fort
währende Orydation und die höhere Temperatur das Eifen ſich
gleichfalls höher oxydirt und in Oxyd übergeht, die Schwefelſaͤure
Alaunbereitung aus Alaunfchiefern. 190
an die Thonerde ab, umd bildet fchwefelfaure Thonerde. Ein
Aheil des Eifenvitriols bleibt Dabei noch unzerfegt, und zwar um
fo mehr, je weniger das Alaunerz außer der Thonerde noch andere
alfalifche Erden enthält. Enthält das Alaunerz Bittererde, wie das
bei vielen in Braunfohlenlagern vorfonmenden Schiefern der Fall
it, oder Kalk, fo zerfepen diefe den Eifenvitriol, und ed entſteht
Bitterfalz oder Gyps, während nur noch-eine geringe Menge Eiſen⸗
ditriol zurückbleibt.
Die Alaunfabrikation aus Alaunſchiefern zerfällt alſo in fols
‚gende Abtheilungen: 1) Die Vorbereitung ded Alaunerzes, 2) die
Auslaugung deflelben, 3) die Abdampfung der Lauge, 4) die
Berfegung mit dem Fluffe, oder das Präzipitiren,. 5) die Wafchung
des Alaunmehls, 6) die Kryſtalliſation.
2) Vorbereitung des Alaunerzed. Einige Alauns
ſchiefer find von der Befchaffenheit, daB fie, in freier Luft auf einen
Haufen geflürzt, und von Zeit zu Zeit befeuchtet, ſich allmählich
von ſelbſt erhigen, und nach und nad) in eine pulverige Maſſe zer:
fallen, die zum Auslaugen gehörig geeignet ifl. Die meiften
Schiefer müflen jedoch beim Feuer geröftet werden. Dieſes Röften
bat mehrere Vorteile: ı) wird bei feften Schiefeen der Zufam-
menbang aufgehoben, der die Zerfepung hindern würde; 2) wird
die Zerfegung des Schwefelkieſes durch die Ausfcheidung eines
Theiles des Schwefels befchleuniget; 3) wird der ſchon vorhandene
Eifenvitriol durch die Hige theils zerfegt, und die Schwefelfäure
zu Ounften der Bildung der fchwefelfauren Thonerde ausgefchieden.
Solche Schiefer, welche zu wenig Bitumen oder Kohle ent-
balten, um felbft zu brennen, werden auf eine Unterlage von
Reisholz in Form länglicher Haufen (6 Fuß Breite auf Jo — 50
Fuß Länge) geftürzt, in einer Dicde von etwa 2 Fuß; das Reisholz
wird in der Mittel(durch einen Fleinen anal, den man zu dieſem
Behufe gelailen hat) angezündet, und das Feuer fo regulirt, daß
e3 ſich gleichmäßig nach allen Seiten verbreitet, was Dadurch er-
reicht wird, daß man in verfchiedenen Entfernungen mit einer
Hacke Löcher in den Haufen macht, um den Zug ded Feuers in
diefe oder jene Gegend zu leiten. Hat die Hike die Schieferlage
bis nahe an die Oberfläche durchdrungen, fo legt man eine neue
Enge von Reisbündeln auf, bedeckt diefe wieder mit einer Lage von
190 Alabaſter.
den kleineren Sorten, welche manchmahl bloß aus Eiſen verfertigt
werden, geſchieht das erſtere ſo, wie bei den aus Eiſendraht gemach⸗
ten Naͤhnadeln, naͤhmlich durch Einſetzen oder Zementiren, und
nachmahliges ſchnelles Abloͤſchen in Waſſer. Um ſie zu poliren,
gibt man ſie mit Schmirgel und hl in lederne Saͤcke, welche man
entweder aus freier Hand, oder mittelſt einer einfachen Mafchie
nerie fo lange hin und her fchüttelt, bis die Reibung der einzelnen
Stuͤcke an einander und an dem Schmirgel die Oberfläche geglättet ,
hat. Um zulegt das noch anhängende hl wegzufchaffen, füllt
man die fertigen Ahlen mit Sägefpänen in ein Faß, welches an
- einer horizontalen Achfe umgedreht wird.
G. A.
Alabaſter.
Alabaſter iſt kein ſyſtematiſcher oder wiſſenſchaftlicher,
fondern ein bloß techniſcher Nahme, welchen überdieß, beſonders
von den Bildhauern, ſehr unbeſtimmt gebraucht wird. Am ge⸗
woͤhnlichſten werden Gypsſteine, welche feſt, mehr oder weniger
halbdurchſcheinend und dem Marmor aͤhnlich ſind, ſo genannt.
Der Alabaſter beſteht alſo aus Schwefelſaͤure und Kalk; obwohl
auch Sorten vorkommen, welche mit Saͤuren brauſen, und daher
als Miſchungen aus ſchwefelſaurem und kohlenſaurem Kalk anzu:
ſehen ſind. Man findet den Alabaſter, ſo wie den Marmor, von
mannigfaltigen Farben, und von ſehr verſchiedener Härte, welche
letztere aber immer geringer iſt, als jene des Marmors. Er bildet
gewöhnlich die unterſten Lagen der Gypsbruͤche. Die Bildhauer
fhägen vorzüglich den haͤrteſten, ganz weißen, von koͤrnigem Ges
"füge, welcher manchmapl dem Earrara- Marmor fo ähnlich iſt, daß
zur Unterfcherdung ein fehr geübtes Auge, und die Unterfuchung
der Märte erfordert wird; fie belegen jedoch auch viele andere
Steine, nahmentlih Marmorarten, oft aud) Selenit, dichten
Gyps, u. f. w. mit derfelben Benennung.
Der Alabafter wird von den Bildhauern mit denfelben Werk⸗
zeugen behandelt wie der Marmor, und da er jedes Mahl viel wei⸗
cher iſt, fo ift Die Bearbeitung noch Teichter. Nur die Politur
nimmt er, wegen des weniger dichten Gefüge, fehwieriger an.
Nachdem er rein gefchabt, und mit Bimsftein gefchliffen worden
. Alabaſter. 191
iſt, polirt man ihn mit einer breiartigen Maſſe aus Kreide, Seife
und Milch, und zuletzt mit heiß gemachtem Flanell. Ex erhält da⸗
durch aber auch eine gelbliche Farbe, welche mit der Zeit noch
dunkler wird. Bildhauerarbeiten aus Alabaſter unterliegen auch
uoch andern Veränderungen; fie ſpringen nähmlich bei einer be-
deutenden Hige, und werden vom Waſſer angegriffen, fo daß fie
zur Aufitelung im Freien nicht wohl geeignet find.
Außer diefem härteren, für die Skulptur anwendbaren Ala⸗
bafter iſt auch der weiche, ganz weiße, mehr oder weniger durch⸗
fcheinende bemerfenöwerth, aus welchem Figuren von geringerem
- Kunjtwerthe, befonderd aber Büchfen, Vafen, Lampen, Säulen
an Uhrfäften und ähnliche Gegenflände verfertigt werden, welche
ald Handelöwaaren und ald Gegenftände eigentlich technifcher Erz
zeugung mit mehr Grund hierher gehören. Schon den Alten war
die Verwendung des Alabafters zu gedrehten Arbeiten befaung (wie
denn Alabafter auch nichtd anders ald eine Balfambüchfe heißt) ;
und gegenwärtig gibt es fowohl größere. fabrifmäßige Anftalten,
z. B. in Florenz, Livorno, Mailand, als auch viele einzelne Drechs⸗
ler, welche fidy mit biefem Zweige der Snduftrie ausfchließlich bes
fchäftigen.
Man fchäpt den ganz weißen, gleichartigen, faft halbdurch ·
ſichtigen Alabaſter, welcher rein von undurchſichtigen Flecken und
Streifen iſt, am meiſten. Unter allen Sorten behauptet der flo⸗
rentiniſche die erſte Stelle, indem die erwähnten Eigenſchaften ſich
bei demfelben am öfteften finden, und er auch, feiner Gleichartig⸗
feit wegen, zu größeren Stüden anwendbar ift, zu welchem Bes
hufe er mittelft Sägen von verfchiedener Größe zugefchnitten wird,
welche gute ftählerne Blätter haben muͤſſen. Andere Sorten, z. B.
der falzburgifche und öfterreichifche, enthalten Sand, Adern und
ungleich harte Stellen, und müſſen deßhalb auch durch Spalten
oder Sprengen in Fleinere Stüde getheilt werden. Wieder andere,
3. B. ber tirolifche Alabaſter, befigen nicht die nöthige Schönheit
der Farbe, indem fie mehr ind Graue fallen.
‚Der zu technifchen Zweden brauchbare Alabafter ift ſchon
frifch gebrochen weich, und wird es durch Siegen an der Luft, wo⸗
bei er einen Theil des in ihm befindlichen Waſſers verliert, in
einem noch etwas höheren Grade. Er läßt ſich mit dem Meſſer
19% ° Alabafter.
ſchneiden, und fehr Leicht mit paffenden ftählernen Werkzeugen be⸗
liebig formen. Es gefchieht dieſes entweder aus freier Hand, oder,
wenn ed die Geſtalt des herzuftellenden Gegenſtandes erlaubt,
noch ſchneller auf der Drehbank. Er Iäßt fich mit allen Drehſtaͤhlen
behandeln, welche nicht, wie jene für Die weicheren Holzarten,
dünne und fcharfwinklige Schneiden haben. Man Fann daher '
alle jene Werfzeuge bier anwenden, welche zum Drechfeln von
Elfenbein und Meffing gebraucht werden, und auf den Alabafter
nicht durch eigentliches Schneiden, fondern mehr durch Schaben
oder Kragen wirken. Was nicht gedreht werden fann, wird theils
mit Raſpeln, theild mit nicht zu feinen Seilen ausgearbeitet, durch⸗
brochenes Laubwerf aber mit Laubfägen ausgefchnitten. Zu Figu⸗
ten und zu feinen Zügen überhaupt bedient man ſich außer dem
Meiler und den Feilen, auch noch Fleinee Meißel, und verfchiedes
ner Arten von Grabſticheln (Nundftihel, Flach⸗ nnd Meſſer⸗
Zeiger, u. f. w.)
Zum Poliren diefer Arbeiten ift ein eigenthimliches Verfah⸗
ren nothwendig, welchem das Schleifen vorhergehen muß; weil
vermoͤge des wenig dichten, meiſt glimmerigen Gefuͤges des Stei⸗
nes, die Oberflaͤche durch die genannten Werkzeuge immer nur
matt und rauh erhalten werden kann. Mit recht feinem Bimoſtein⸗
pulver gelingt das Schleifen ſehr gut, allein es ſchadet der Weiße
des Alabaſters. Man bedient ſich daher, um die Unebenheiten aus
dem Groben wegzunehmen, des Schachtelhalms, womit die Arbeit
mit Beihuͤlfe von Waſſer geſchliffen wird. Um aber auch die
hiervon noch zurückbleibenden feinen Riſſe wegzuſchaffen, wird das
Feinſchleifen mit gebranntem, in Waſſer gelöfchten Kalk vorgenom⸗
men, welcher eine ganz reine, aber auch noch matte Oberflaͤche her⸗
vorbringt. Die Politur und einen ſchönen atlasaͤhnlichen Glanz
erhält man durch Seifenwaſſer und Kalk, welchem man zuletzt zur
Erhoͤhung des Glanzes auch noch etwas gepulvertes und geſchlaͤmm⸗
tes Federweiß (Talk) zufegen kann.
Bei ſolchen Gegenſtaͤnden, welche aus einzelnen Theilen zu⸗
ſammengeſetzt werden müſſen, geſchieht die Verbindung entweder
durch einen Kitt aus ungelöſchtem Kalk und Eiweiß, oder auch
bloß durch gebrannten, mit ſehr wenig Waſſer angeruͤhrten Gyps.
Die Abfälle koͤnnen zum Gypsbrennen, ald Streuſand, fein
e
Alabafter. 4193
gepulvert aud) zum Pugen von Meffing ımd Silber, und mit trods
nenden Ohlen oder Firniſſen ald Steinfitt verwendet werden.
Vorzüglich Die Leichtigkeit der Herftelung, und die verhälts
nißmäßig geringen Preife der Aabafter-Arbeiten find ihrem Abfape
und ihrer Verbreitung guͤnſtig. Sonſt haben fie manche Gebre⸗
hen. So leidet felbft der härtefte Alabafter durch die Naͤſſe und
Hitze. Geſchirre zu Stüfligkeiten, befonders zu heißen, laſſen fich.
zweckmaͤßig nicht aus Alabafter machen, weil er‘, ald im Waſſer
etwas auflöslich, der Gefundheit nachtheilig wird, und: durch
ſchnelle Erwärmung fpringt. Durch das Alter, eben fo durch Rauch,
wird er gelb, und endlich braun; auch nimmt er Fettflecken, bes
fonderd wenn er nicht polirt iſt, fehr Teicht an. Um ihn zu reini⸗
gen, wäfcht man ihn, freilich mit Verluft der Politur, zuerft
mit Seifenwafler, dann aber mit reinem Wafler, und wenn
er fett ift, noch beifer mit Terpenthinöhl, wonach er jedoch wieder
mit. Schachtelhalm abgefchliffen, und wenn er Stanz haben foll,
wie oben behandelt werden muß. -
Von: der Nachahmung Des — durch geſchmolzene
Salze iſt bereits Seite 86 u. ff. dieſes Bandes gehandelt worden;
allein auch die von Dr. Bagni gemachte Erfindung, Neliefs von
Gppötuff zu verfertigen, gehört gewiller Maßen hierher. Man
benügt zu diefem Ende dad Wafler heißer Quellen, welches über
Gypos- oder Kalflager fließt, und folche Formen, welche duch
daffelbe nicht verändert werden, wozu die and Schwefel am zweck⸗
mäßigften find. Diefe Formen werden fchräg an die innere Wand
eines hölzernen Kufe gelehnt, und das Waſſer wird in einem dünnen
Strome auf Diefelben geleitet. Es feptiin ihnen allmählich feine
erdigen BeftandtHeile ab, welche eine ſehr harte, fchön weiße Kruſte,
und endlich Reliefs bildet, welche zur Bollendung nur weniger
Nacharbeit und des Polirens bedürfen, Die hierzu nöthige.Zeit
beträgt nach der Dicke, welche man den Stüden geben will, einen
bi6 vier Monathe. Das Gefüge wird defto Dichter und vollkom⸗
mener, je mehr die Formen der fenfrechten Lage ſich nähern, weil
Dann bloß die feinften Theile. abgefebt, Die übrigen hingegen von
dem Wailer, welches nur furze Zeit-über den fo geftellten. For⸗
nen verweilen fann, fortgeführt werden.
Auf die Eigenfchaft des Alabafters, daß er, gleich dem ſchwe⸗
Technol. Encyclop. I Bd. 13
10% Alabafter.
felfauren Kalte überhaupt, obwohl nur in geringer Menge (naͤhm⸗
lich ein Theil in vier: bis fünfhundert Iheilen Waller) auflöslich
ift, bat der Engländer Moore ein Verfahren gegründet, auf
Alabafter zu äben. Um hierzu jene Stellen, weldye nicht matt
und vertieft werden follen, zu fchügen, ‚bededt man fie mit
einer Mifchung aus Wachs, Zerpenthinöhl und Bleiweiß, oder
man wendet einen Zerpenthinfirniß an, welcher, damit er nicht
zu hart, und fpäter leichter wieder auflöslich fey, mit etwas fet⸗
tem Ohl verfept wird. Nach dem Trocknen diefes Auftrages
Iegt man das fo vorbereitete Stüc in’ Regen⸗ oder deftillirted Waſ⸗
fer, worin es, je nachdem man die geäßten Stellen mehr oder
weniger tief haben will, acht und vierzig Stunden oder länger
bleibt. Den Firniß fhafft man durch Terpenthinöhl wieder weg;
die matt und vertieft gewordenen Stellen werden mit fehr fein ge⸗
fiebtem Gyps mittelft eines Buͤrſtchens, oder eines etwas fteifen
Pinfels eingerieben, und erhalten dadurch eine Art von Undurch⸗
fihtigfeit, welche fie von den früher bededt gewefenen noch vor⸗
theilhafter unterfcheidet, und ihnen das Anfehen gibt, als feyen
fie unter dem Meiße! des Bildhauers hervorgegangen.
Der Aabafter fann auch gefärbt werden, und zwar entweder
mit metallifhen Auflöfungen, oder mit geiftigen Tinkturen aus
färbenden Pflanzeufloffen, oder endlich mit gefärbten Ohlen. Das
| Verfahren ift daſſelbe wie beim Marmor, Daber die weitere Aus⸗
führung dieſes Gegenftandes für den Artifel Marmor ver
fpart wird.
Endlich verdient auch noch eine Erfindung von Tiſſot Ers
wähnung, nad) welcher Dichter Gyps und Alabafter härter, dem
Marmor ähnlid, und befonders zu Bildhauerarbeiten anwendbar
gemacht werden fann. Der Gypsblock wird, wenn er vom Bruche
fommt, aus dem Groben bebauen und zugerichtet, und durch um« .
gefähr vier und zwanzig Stunden auf einem Ofen getroduet. Im
naͤhmlichen Ofen wird dad Stück ferner einer Hitze, welche der
zum Brodhaden nöthigen gleichlommt, auögefept; wozu, wenn.
daſſelbe nicht über achtzehn Linien dick iſt, drei Stunden hinzei:
chen , bei dideren Bloͤcken aber eine verhältnißmäßig längere Zeit
erforderlich if. Man läßt das Stud jodann erfalten, taucht ed
durch dreißig Gefunden in Blußwaffer, fept es wieder einige Se⸗
Alaun. | 4195
Funden, bis fich das Waſſer in dad Innere gezogen hat, der Luft
aus, und taucht es neuerdings, etwa zwei Minuten lang, nach.
Verfchiedenheit der Dicke, ein. So zubereiteter Gypoſtein oder
Alabaſter fol nad) einigen Tagen an der Luft die Härte des Mar⸗
mors erlangen.
G. %
Ylaun.
Der Alaun (die [hwefelfaure Kali-Ihonerde)
iſt ein Doppelfalz, das aus [hwefelfaurem Kali und fchwefelfau-
rer Thonerde zufammengefept iſt; er kryſtalliſirt in Oftaedern, zus
weilen in Würfeln, und befteht in diefer Form aus 36.15 Theilen
ſchwefelſaurer Thonerde, 18.38 Theilen ſchwefelſaurem Kali und
45.47 Thrilen Waſſer. Im falten Waſſer (8° R.) [öfet er fih in
18.363, und in fiedend heißem Waifen in 0.75 Theilen auf. An
der Luft verwittert er äußerlich nur ſchwach, indem fich feine Ober:
fläche mit einem weißlichen Pulver überzieht. In der Hitze ſchmilzt
er in feinem Kryſtallwaſſer, und bleibt nach Verdünftung deffelben
als eine weiße fhwammige Maile zurüh(gebrannter Alaun).
In ftarfem Feuer wird der Alaun zerfept, indem er zum Theil
feine Schwefelfäure verliert, und einen gefchmolzenen, aus fchwefels
faurem Kali und Thonerde beftehenden Rüdftand laͤßt.
Löfet man reinen Alaun in ao Theilen Waſſer auf, und trös
pfelt dieſe Auflöfung in flülliges Aetzammoniak, jedoch nicht bis
zur Sättigung des legtern, fo fegt fich ein voluminöfer weißer
Niederfchlag zu Boden, welcher, gehörig mit Waller ausgewa-
fhen, die reine Thonerde oder Alaunerde darftellt, von wels
cher der Alaun 10.82 Theile auf 100 enthält. Löfet man diefe
Thonerde, während fie noch feucht ift, in verdinnter Schwefel
fäure auf; fo enthält die Auflöfung die (neutrale) [hwefel
faure Thonerde, welche nur 2 Theile falten Waſſers zu ihrer Auf⸗
Iöfung erfordert. Verſetzt man diefe Auflöfung mit Aegammoniaf,
fo erfcheine ein unauflösfiches weißes Pulver, welches bafifche
fhwefelfaure Thonerde ift. Zröpfelt man in die Auflöfung
der neutralen ſchwefelſauren Thonerde eine Auflöfung von fchwefel«
fagrem Kali, fo fällt, wenn die Auflöfungen fonzentrirt find, ein
weißes Pulver nieder, welches Alaun iſt; oder waren die Auflös
13 *
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196 Alaun.
ſungen der beiden Salze verdünnt, ſo erhaͤlt man aus denſelben
durch Abdampfen und Abfühlen den kryſtalliſirten Alaun.
Wird die frifchgefällte Thonerde (das Thonerde-Hydrat) mit
einer Auflöfung von Alaun gekocht; fo geht noch ein Antheil Thon⸗
erde in die Verbindung des Alauns ein, der dadurch im Waſſer
unauflöslich, und ald ein weißes Pulver gefällt wird. Eben diefe
Zufammenfegung entfteht, wenn man eine fiedendheiße Maunauf:
löfung mit einer Auflöfung von Kali verfegt, bis diefelbe beinahe
neutral wird. Diefer unauflösliche oder bafifhe Alaun fommt
in der Natur in dem Alaunftein oder Alunit vor, und be:
ſteht in 100 Theilen aus 19.73 Theilen fchwefelfaurem Aali, 61.99
heilen bafifcher fchwefelfaurer Thonerde und ı8.29 Waller. Be:
handelt man dieſes unauflösliche Salz mit verdünnter Schwefel:
fäure; fo Töfet e8 fi) auf, und wird wieder zu gemeinem Alaun
kryſtalliſirbar.
Dieſe Erfahrungen enthalten die Grundlage der Alaunfa⸗
brifation, welche für den bedeutenden Bedarf diefed Salzes in
. den Künften, auf verfchiedene Weife im Großen, betrieben wird.
Der Alaun fommt fertig gebildet in der Natur felten, bier und da
efflorefjirend ald Haarſalz, häufiger in Oftindien in einigen
Wällern vor: der in Europa int Handel vorfommende wird fünfte
lich aus den Alaunerzen dargeftellt. Diefe Fabrifationsweife
ift nach der Natur diefer Erze verfchieden. Einige derfelben, welche
zu den Alaunſteinen gehören, enthalten den Alaun ſchon fer⸗
tig, nur noch mit andern Stoffen gemiſcht und gemengt, von
welchen er auszuſcheiden iſt. Die übrigen Erze enthalten noch
nicht Alaun, ſondern nur die Beſtandtheile, aus denen ſich ſchwe⸗
felſaure Thonerde zuſammenſetzen kann, welche dann durch Zufuͤ⸗
gung von ſchwefelſaurem Kali in Alaun verwandelt wird. Zu dies
fer Klaſſe gehören die fogenannten Alaunfchiefer und. andere
ähnliche mit den Braunfghlen vorfommende erdige.Gemenge.
Alaunfabrifation ausdem Alaunftein Der Alaun-
ftein, der nur an einzelnen wenigen Orten, als zu Tolfa bei Civita>
vecchia und in Ungarn zu Bereghſzaſz und Mufzag, aber hier in
großer Menge vorfommt, und ganze Lager bildet, ift hart und
Meinartig und zum Theil nit Pleineren und größeren Höhlungen
Alaunbereitung aus Alaunftein. 197
verfehen, die gewöhnlich mit Druſen von kryſtalliſirtem Alaunfteine
(baſiſchem Alaun) befept find. Die derben Stüde enthalten mehr.
oder weniger Kiefel in ihrer Mifchung ; fie werden Daher nach ihrer
Meichhaltigfeit on Alaun audgelefen, die man theild an dem
größern fpezififchen Gewichte, theils an den ſich im Bruche zeigen:
den, glänzenden feinen Kryftalflächen erfennt. Diefe fortirten
Stüde werden geröftet oder gebrannt, durch welche Operation.
wahrfcheinlich das mit der ſchwofelſauren Thonerde verbundene
Thonerde - Hydrat fein Waller und als gebrannte Thonerde die
Verwandtfchaft zum Alaun verliert, der num mehr frei wird, und,
nachdem durch die nachfolgende Werwitteryng der. Zuſammenhang
des Steines vollends anfgelsit worden iſt, mit Wafler ausgezogen
werden fann.
Das Brennen wird in gemeinen Kalköfen und auf-diefelbe,
Art verrichtet. Es iſt hier eine ähnliche Sorgfalt in der Regie⸗
zung des Feuers, wie beim Gppöbrennen erforderlich, Damit Feine
Schmelzung oder Zufammenfinterung des Steine, und feine Ents
bindung son Schwefelfäurg oder ſchweflicher Säure. eintrete, die
nur auf Koften des eigentlichen Alaungehaltes Statt finden kann.
Aus eben diefem Grunde iſt auch die Berührung des glühenden
Steines mit Fohlehaltigen Stoffen zu vermeiden. Am ficherften,
wit Erfparung an Zeit und Brennmaterial, und mit Vermeidung
eined bedeutenden Abfalls, deilen nachherige Ausfcheidung wicder
Arbeit verurfacht, wäre wahrſcheinlich dieſes Brennen in einem
Kalzinirofen zu verrichten, nachdem-der fortirte Alaunftein vorher
in ei: oder nußgroße Stüde zerichlagen worden ift.
Die gebrannten Alaunſteine werden in laͤnglichen, 2 bis 3
Zus hohen Haufen der Verwitterung ausgeſetzt, indem man fie
beftändig Durch Beſpritzen mit Waſſer feucht zu erhalten fucht. Ins
dem fich diefes Waller allmaͤhlich mit dem Alaun verbindet, zer⸗
bröcdelt fi) der Stein, und zerfällt endlich zu einer breiartigen
Maffe, die mit warmem Wailer ausgelaugt und in einen Laugen-
fumpf zum Klären abgelaffen wird, aus dent fie von dem Bodens
fage abgezogen, dann abgedampft, und durch zweimahliges Kry⸗
ftallifiren zum verfänflihen Maun dargeftellt wird. Der auf diefe
Art aus dem Alaunftein von Tolfa dargeftellte Alaun iſt der ſoge⸗
198 Alaun.
nannte roͤmiſche Alaun, der mit einem feinen röthlichen, aus
rothem Eifenoryd beftehenden, Anfluge überzogen ift.
Alaunfabrifation ausden Schiefern. Der größte
heil des, zumahl in Deutfchland, im Handel vorkommenden
Alaunes wird aus den Aaunfchiefern und ähnlichen Alaunerzen
fabrizirt. Die Aaunfchiefer find ein bituminöfer, Schwefelkies
enthaltender Thonfchiefer, von mehr oder weniger Seftigfeit, von
größerem oder geringerem Koblengehalt, welcher bei einigen Arten,
bie ſchon mehr zu den Braunfohlen gehören, fo bedeutend wird,
daß fie als Brennmaterial benugt werden können. In den Lagern
von Braunfohlen und von bituminöfem Holz beftehen die oberen
Schichten, wo fie rıit den unmittelbar aufliegenden Thonfchichten
fih vermengen, gewöhnlich aus einer durch Ihon und Schwefel:
fied mehr verunteinigten Kohle; daffelbe ift bei den Zwiſchenſchich⸗
ten (Bändern) der Ball, welche das Flötz in verfchiedenen Abſtaͤn⸗
den durchziehen. Diefe zum rennen weniger taugliche, meift
erdähnliche zerreibliche Kohle ift ebenfalld Alaunerz. Alle diefe
verfchiedenen Arten von Alaunerz fommen im Wefentlichen mit ein-
ander darin überein, daß fie Thon -und Schwefelfied (Schwes
feleifen im Marımum) in einem fein gemengten Zuftande ent:
halten. Diefes find die wirkenden Veftandtheile zur Bildung der
fhivefelfauren Thonerde ; "der Kohlengehalt trägt dazu bei, der
Maſſe eine mehr lockere Befchaffenheit zu geben, und dadurch die
Einwirfung jener beiden Beftandtheile mittelft der Luft und Feuch-
tigkeit auf einander zu befördern. Werden diefe Schiefer unter dem
Zutritte der Luft einer höhern Temperatur audgefebt; fo verliert
der Schwefelfied die Hälfte feines Schwefels, die fi fublimirt
oder als fchweflihe Säure verflüchtiget, und geht in einfaches
Echwefeleifen über (f. Aequivalente, ©. 145), dad aus der
Luft und dem Waifer fehnell Saueritoff anzieht, und fich in ſchwe⸗
felfaures Eifenorydul (Eifenvitriol) verwandelt. Die mit dem
bituminöfen Holze und den Braunfohlen vorfommenden Schiefer
enthalten gewöhnlich auch ſchon fertig gebildeten Eifenvitriol, der
durch allmähliche Verwitterung in dem Lager felbft entftanden ifl.
Der Eifenvitriol gibt nun in dem Maße, als durch diefelbe fort-
währende Orpdation und die höhere Temperatur das Eifen fi
gleichfalls höher orydirt und in Oxyd übergeht, die Echwefelfäure
Alaunbereitung aus Mlaunfciefern. 190
an die Thonerde ab, umd bildet fchwefelfaure Thonerbe. Ein
heil des Eifenvitriold bleibt Dabei nody unzerfept, und zwar um
fo mehr, je weniger das Alaunerz außer der Thonerde noch andere
altalifche Erden enthält. Enthält das Alaunerz Bittererde, wie das
bei vielen in Sraunfohlenlagern vorkommenden Schiefern der Fall
ift, oder Kalk, jo zerfepen diefe den Eifenvitriol, und ed entfteht
Bitterfalz oder Gyps, während nur noch eine geringe Menge Eifen:
vitriol zuruͤckbleibt.
Die Alaunfabrikation aus Alaunſchiefern zerfaͤllt alſo in fol⸗
gende Abtheilungen: 1) Die Vorbereitung des Alaunerzes, 2) die
Auslaugung deſſelben, 3) die Abdampfung der Lauge, 4) die
Verſetzung mit dem Fluſſe, oder das Praͤzipitiren, 5) die Waſchung
des Alaunmehls, 6) die Kryſtalliſation.
1) Vorbereitung des Alaunerzed. Einige Alaun⸗
ſchiefer ſind von der Beſchaffenheit, daß ſie, in freier Luft auf einen
Haufen geſtürzt, und von Zeit zu Zeit befeuchtet, ſich allmaͤhlich
von ſelbſt erhitzen, und nach und nach in eine pulverige Maſſe zer⸗
fallen, die zum Auslaugen gehoͤrig geeignet iſt. Die meiſten
Schiefer müſſen jedoch beim Feuer geroͤſtet werden. Dieſes Roͤſten
hat mehrere Vortheile: 1) wird bei feſten Schiefern der Zuſam⸗
menhang aufgehoben, der die Zerſetzung hindern würde; 2) wird
die Zerſetzung des Schwefelkieſes durch die Ausſcheidung eines
Theiles des Schwefels beſchleuniget; 3) wird der ſchon vorhandene
Eiſenvitriol durch die Hitze theils zerſetzt, und die Schwefelſaͤure
zu Gunſten der Bildung der ſchwefelſauren Thonerde ausgeſchieden.
Solche Schiefer, welche zu wenig Bitumen oder Kohle ent⸗
halten, um ſelbſt zu brennen, werden auf eine Unterlage von
Reisholz in Form laͤnglicher Hauſen (6 Fuß Breite auf Jo — 50
Fuß Länge) geſtuͤrzt, in einer Dicke von etwa 2 Fuß; das Reisholz
wird in der Mittel(durch einen kleinen Kanal, den man zu dieſem
Behufe gelatlen hat) angezündet, und das Feuer fo regulirt, daß
e3 fi gleichmäßig nady allen Seiten verbreitet, was dadurch er-
reiht wird, daß man in verfchiedenen Entfernungen mit einer
Hacke Lödyer in den Haufen macht, um den Zug des Feuers in
diefe oder jene Gegend zu leiten. Hat die Hitze die Schieferlage
bis nahe an die Oberfläche durchdrungen, fo legt man eine neue
Lage von Neisbündeln auf, bededt dieſe wieder mit einer Lage von
200 Alaun.
Schiefern, ‚regiert das Feuer wie vorher, u⸗ſ. f., und bedeckt end⸗
lich den Haufen mit einer Lage von mehr pulverigem Alaunerze,
in Form einer abgeſtutzten Pyramide, um bei ſtarkem Regen das
Eindeingen des Waſſers in das Innere zu verhüten. Um jedoch
das Durch den Regen ausgewafchene Salz nicht zu verlieren, ift
der Haufen mit einem Pleinen Graben umgeben, der fich in einem
mit Thon ausgeſchlagenen Behälter endiget.
Bei denjenigen Schiefern, welche bei Lagern von Braunkoh⸗
Ien und bituminoͤſem Holze vorfommen, und welche zum Theil felbft
brennbar find, wird das Nöften mittelft der Braunfohlen felbft, die
ebenfalls auch immer etwas Schwefelfied enthalten, vorgenommen.
Man ftürzt auf den Platz zuerſt eine Schichte Alaunerz, darüber
eine Lage Kohlen, wieder Alaunerz, u. f.f., und bedeckt den Hau⸗
fen mit Kohlenflein. Man macht diefe Haufen pyramidalifch oder
dachförmig, gibt ihnen eine Breite von 6 Buß, diefelbe Höhe, und
eine Länge von. sa bis 3o Zug. Sie werden von außen an:einigen
Stellen augezündet, und der ruhigen Verbrennung überlaffen,
die von außen.nach innen und unten fortfchreitet. Die Oberfläche
des Haufend bededit fich zuerſt mit einer Tage von Afche aus den
verbrannten Schiefern und Kohlen, die den freien Luftzutritt in
dad Innere verzögert, fo daß diefe Verbrennung nur- langfam
and allmählich bis zum innern Theile des Haufens fortſchrei⸗
ten kann.
Dieſe allmaͤhliche und langſame Verbrennung , bei einem
balb erftidten Feuer, ift bei dieſem Röftungsprozeife wefentlich.
Brennt das Feuer zu Iebhaft, fo ſchmilzt das Schwefeleifen mit '
den Erden fhladenartig zufammen, und die Ausbeute an Alaun
ift in eben dDiefem Mafie vermindert. Brennbares Alaunerz, das
man zur Heipung der Abdampffeilel bei lebhaften Feuer verwendet
bat, gibt Daher nur eine fehr geringe Ausbeute an .Alaun. Eben
fo wird diefe Ausbeute geringer bei lebhaften Winden, welche dic
Verbrennung der Haufen befchleunigen: daher man in folchen
Fällen, um diefen Nachtheil zu verhindern, die Haufen mit feudp
ten Kohlenflein bededen muß. Man faun ald Regel annehmen,
daß die Ausbeute an Alaun aus Haufen von demfelben Erze um
fo größer werde, je langfamer und gleichmäßiger die Berbrennung
erfolgt ift. Iſt diefe Verbrennung, bei welcher ſich gewöhnlich
Alaunbereitung aus Alaunfchiefern, 291
au der Dberfläde. der. Haufen etwas fublunirter. Schwefel mfept,
and viel fchweflichfaures® Gas entwickelt, beendiget; ſo laͤßt men
den auf weniger als die Hälfte des erfien Bolums zuſammen gem
fhwundenen Haufen allmählich. erkalten, der nım eine fehr locker
auf einander liegende röthliche Afche enthält; in welche die Luft
von allen Seiten Zutritt findet. Es iſt Daher, um dieſen Luftzu⸗
tritt nicht zu hindern, zweckmaͤßig, bie Haufen ſelbſt nicht zu groß
zu machen; aud) bei äradener Witterung Be von ‚Beit ga Zeit mit
etwas Waſſer zu befeuchten.
Iſt die Aſche erfaltet, fo fann fie — Auslaugen —
werden. Da jedoch von der Aufführung des Haufens bis zu: dieſen
Zeitpunfte ein Zeitraum von mehrereh Wochen, ja bei folgen
Schiefern, welche man: ohne Röften der freiwilligen Wenvisterumg
überläßt, von mehreren Monaten, erforderlich iſt; fo muß: men,
um eine ununterbrochene Sabrifation herzuſtellen, die Auantinft
der im Vorrathe aufzuführenden Haufen nad der Quantität Bed
Alauns, welche erzeugt werden fall, ‚bemeilen, und zugleich dar⸗
auf Bedacht nehmen, daß man vor Einieist der Froſtkaͤlte, we
Das Auslaugen unmöglich wird, eine. hinreichende Menge zum
Auslaugen vorräthig habe: Die Zeit, - welche zu dieſer Worbe⸗
reitung und Verwitterung der Alaunerze riöthig iſt, hänge von: der
Beſchaffenheit derjelben ab. Die künſtlich geröfteten Erze werden
früher reif, als die durch allmähliche eigene Erhigung gar gewor⸗
denen: erſtere erfordern einen Zeitraum von 6 bis B Wochen,
legtere di6 zu einem Jahre. Ob der Haufen gehörig ausgewittert
fey, erfennet man an der Efflorefjen; des Salzes; dem alaunustie
gen Geſchmack der Afche, und an Fleinen Proben, die man mit
Wafler auslaugt, und durch Zufatz von ſchwefelſaurem Kali auf
den Alaungehalt prüft.
3) Die Auslaugung. Die Auslaugung verrichter man
am beften in gemauerten Behältern: Bölzerne Behälter, auch ans
fänglich noch fo ſtark Hergeftellt, find unaufbörlichen Reparaturen
unterworfen. Der ganze, in der Nähe der Afchenhaufen zu errich-
tende Auslaugungsapparat muß, zur Erfparung der Arbeit, fo
angelegt werden, daß dad Waller aus den höher liegenden Bes
haͤltern von felbft. in die tiefer liegenden abfließt, wozu man ein
etwas abhängiged Terrain benügt. An der tiefften Stelle dieſes
202 7 Alam,
Zerraimd und in der Nähe der Sudhuͤtte ſtellt man eine oder meh⸗
rere, waſſerdicht ausgemauerte, 8 bis 10 Fuß tiefe und ao Fuß
im Viereck haltende Gruben her, in welchen die zum Verfieden
beflimmte Roh⸗ oder Srundlauge aufgefammelt wird (die Rohlau⸗
genbehälter); und weldye mit einem leichten Dache gegen Regen
und Staub geſchutzt find. Etwas höher liegend find Die gemauerten
Auslaugekaͤſten, 6 Fuß breit, 12 bis 18 Buß lang, 2 Fuß tief;
je zwei derfelben find immer fo geftellt, daß die Fluͤſſigkeit aus
dem oberen durch die am Boden vorhandene Abflußoͤffnung in. ben
unteren abgelaffen werden fann. Wie viel foldyer Paare von Bes
haͤltern angelegt werben müflen, hängt natürlich von der Größe
des Betriebes ab. Man kann mit Rüdficht auf die Unterbrechun«
gen und auf die Vorratbd- Anfammlung für den Winter a Paar
folcher Behälter auf 600 Zentner Alaun im Jahre rechnen. Wei⸗
ter oberhalb diefer Auslaugekaͤſten ift Das gleichfalld gemanerte
MWaflerrefervoie angebracht, in welches das Waller, wenn es
nicht anders woher genommen werden fann, aus der Grube ges
pumpt wird, und von hier nach Bedarf auf die Laugefäften fließt.
Die gemauerten Behälter werden aus Ziegeln hergeſtellt, die
man auf Die ſchmale Kaute ftellt, und mit einem Mörtel gufammens
fügt, der aus Kalk befteht, dem ftatt des Sandes alte, bereit
ausgelaugte Alaunfchieferafche eingemengt wird. Die Sohlen⸗
mauer wird auf eine Unterlage von fettem Thon gelegt, wit wel-
chem auch Die Seitenwände ungeben werden.
Die Auslaugefäften werden nun mit ber Afche der vers
brannten Schieferhaufen angefüllt, fo zwar, daß man zuerſt die
gröberen Stüde, die fi in jedem Haufen vorfinden, einführt,
und auf dem Boden des Kaſtens ausbreitet, und hierauf die übrige
Alche darüber ftürzt, bis zu einer Höhe von ı5 bis 18Zoll, jedoch
Dabei immer Sorge trägt, daß abwechfelnd gröbere Afche mit der
feineren vermengt werde, Damit fich leptere nicht zuſammenballe,
fondern dad Waſſer durch die Maife gehörig durchfiltriren koͤnne.
Man läßt nun das Waller in den. oberen Kaften einfließen, fo
daß e& die Oberfläche einige Zoll hoch bededt. Nach einiger Zeit
“fließt die Lauge durch die am Boden befindliche Ausflußöffnung,
und wird, jo lange fie noch die gehörige. Stärfe am Araͤo⸗
meter zeigt, mittelft einer vorgelegten Rinne in den Rohlau⸗
Alaunbereitung aus Alaunſchiefern. 203
genbehälter abgelaffen. So wie fie ſchwaͤcher zu werden anfängt,
nimmt man diefe Rinne weg, und läßt die Lange auf die Aſche
Des zweiten, tieferen Behälters Taufen, während man auf Die Afche
Des oberen Kaſtens noch ſo lange Waſſer rinnen läßt, bis die aus
Demfelben auf den unteren Kaften abfließende Lauge faum noch
einen Grad am Aräometer zeigt. Während dem wirb Die Afdhe
Des oberen Kaſtens mittel eines Nuührftodes an verfchiedenen
Stellen, wo es nöthig feyn follte, ausgeglichen, damit die gleich
förmige Filtrirung in den verfchiedenen -Theilen bewirkt werbe.
Die aud dem unteren Kaften abfließende Lange wird nun ebenfalls,
fo lange fie grabhaltig ift, in den Rohlaugenbehaͤlter abgelaflen,
und fobald fie zu fchwach zu werden anfängt, im einem unter dies
fem zweiten Kaften eingegrabenen, mit Thon ausgefchlagenen
Sumpf aufgefangen, bis aud) die aus dem zweiten Kaften ab:
fließende Lauge kaum noch einen Grad des Arkometerd zeigt.
Die ausgelaugte Afche wird hiernach aus den beiden Käften ge-
nommen, neue Afche eingefüllt, and die Operation wie vorher
begonnen. Während nun das Wafler in den oberen Kaflen ein-
fließt, wird ans dem Sumpfe die ſchwache Lauge auf die Aſche
Des zweiten umd tieferen Kaſtens gefchöpft, wodurch bei dies
fer zweiten Operation die Menge der aus dieſem Kaſten ab
fließenden grabhaltigen Lauge verniehrt wird, So gebt das
num für die folgenden Operationen fort. Das nähmliche Berfahe
zen findet bei jedem andern Paare foldher Käften Statt, und auf
Diefe Art kann die beliebige Konzentrirung der Lauge mit der gaͤnz⸗
lichen Erfhöpfung der Afche veremigt werben.
Die ausgelaugte Afche ift auf diefe Art in der Regel erfchöpft,
und ſie wird auf Halden geftürzt, oder zur Ausfüllung der Bingen
gebraucht. In einigen Fällen jedoch, wenn die Verwitterung des
Erzes nicht, zumahl bei zu großen Haufen, gehörig fortfchreiten
Sonnte, wird das ausgelaugte Erz neuerdings in Haufen gefeht,
und einer zweiten Verwitterung überlaffen, um noch ein Mahl aus⸗
gelaugt zu werden. Andere Erze, zumahl foldhe, die Schwefelkies
in größeren Maflen enthalten, vertragen nad dem erften Aus⸗
laugen noch ein zweites Röften, um hiernach wieder auögelaugt
zu werden. Diefe zweiten Behandlungen liefern jedoch immer
weniger Ausbeute, und man muß fie Dadurch, daß man das erſte
204 ne Alam.
Mahl die Möitung und Verwitterung mit Sorgfalt und in tleineren
Haufen vornimmt, zu vermeiden ſuchen, um die Erzeugung dieſes
mit einer bedeutenden Konkurrenz kaͤmpfenden Artikels nicht opne
Moth. mit Ablagen zu beläftigen.
‚Mit. welcher Bradhaltigfeit man am. beſten die Lauge in den
Behlaugenbehälter zu bringen habe, hängt von rein öfonomifcher
Rückſicht ab. Für die Erſparung an Brennmaterial und Zeit. im
ber. Sudhutte ift die möglichfte Konzentrirung der Rohlauge von
Wurtheils dagegen erfordert auch dieſe Konzentrirung bei den
Laugerkoͤſten mehr Zeit und Arbeit. Iſt das Alaunwerk mit einer
Sohleugrube verbunden, fo hat das Srennmaterial, zumahl wenn
Abfälle benupt werden, wenig Werth, und ‚vie: Lange kann für
gleichen Vortheil fchwächer feyn, als wenn der Breunftoff einen
höheren Preis hat.- Im Mittel fanu man fie Die dußeren Gren⸗
gen in dieſen Bällen die Gradhaltigkeit von. ı2° bis 20° Yaume
(1.089 bis 1.15 fpezif. Gewicht) annehmen, In der Rohlauge,
e8 enthalte nun diefelbe Bittenfalz oder Eiſenvitriol, welche wabe
gleiche Auflöglichkeit in faltem Waller haben, iſt gewöhnlich. x Theil
eines diefer Salze oder eines Gemenges aus beiden mit a Theilen
ber fchwefelfauren Thonerde enthalten. - Eine folkhe Salzmifchung
bat aber bei 160 R. ihren Sättigungspunft bei, 25° Baume Grad⸗
Baltigkeit; „wo ſonach eine Werminderung der Temperatur oder
eine Verminderung der Flüffigkeit durch Verdünften ſchon eines
Niederſchlag an Salz hervorbringt. ES iſt daher in feinem Balle
säthlicg, die Konzentrirung der. Rohlauge höher als auf 20° Waums
bei einer Temperatur von ı5°R und darüber zu treiben. -
Es liegt in der Natur der Sache, dag diefer Auslaugungs-
proseß in der wärmeren Jahreszeit am beften vor fi) geht, da
nicht nur dad Waller im Verhältniß feiner größeren Wärme bie
Salze leichter auflöft, fondern auch auf dem Wege, den die Roh⸗
lauge in der-Rinnenleitung bid zum Rohlaugenbehälter zu machen
bat, noch einige Konzentrirung derfelben Statt findet. Es if
‚daher auch wefentlih, daß man diefe Zeit vorzüglich zur Aus⸗
laugung benüge, und den Rohlaugenbehältern eine folche Größe
gebe, daß fie einen bedeutenden. Laugenvorrath zu fallen vermös
gen. Die längere Verweilung der Rohlauge in diefem Behälter
bat übrigens noch den wishtigen Vortheil, daß die Lauge nicht
| Alaunbereitung aus Alaunfchiefern. 205
nur die eingemengten Erdcheile, Gyps, Eiſenocher ıc. abſeht und
ſich klaͤrt; fondern auch, daß der noch in derfelben enthaltene Eifen-
vitriol durdy die Berührung mit der Luft fich ferner orzdirt und
ſonach das Eifenernd fid) ansfcheidet, was in jenen Faͤllen wichtig
üRt, in denen der Hanpt » Rebenbeitandtheil der Rohlauge Bitterfalz
iſt, folglich niht Die Gewinnung des Eifenvitriold, wohl aber
deſſen Entferuung zur Erleichterung der nachherigen Reinigung
des Alauns und des Bitterfalzes Abſicht if. Aber auch in dem
Galle, wenn der Eifenvitriol Haupt: Nebenbeftandtheil ift, ift
die Zerfebung eines Theiles deflelben auf diefe Art von Vortheil;
and diefe kann noch dadurch befördert werden, daß man der Roh⸗
lauge in den Behältern von Zeit zu Zeit von dem Alaunfchlamme
jufegt, welcher. bei den nachfolgenden Operationen in der Sud⸗
hütte abfällt, und größtentheild ans bafifchem Almın befleht, der
fi) dann in der aus dem orybirten Eifenvitriol ‚frei werdenden
‚ Schwefeljäure auflöft, und ſonach Ylaun gegen Eifenvitriol, ber
einen geringeren Preis hat, ausgetauſcht wird. Ueberhaupt ift
e8 bei der Alaunfabrifation Zweck, die Auantität der ſchwefelſauren
Ihonerde anf Koften des Eifenvitriol6 zu vermehren, die Zerfehung
des legteren alfo auf jede Art zu befördern, was fowohl durch Die
längere Verwitterung der Hanfen in der freien Luft, als durch
die DVerweilung der Rohlauge in den. Behältern erreicht wird.
Die Alcunfabrifation an ſich ift um fo weniger vollkommen, je
arößer bei der nachfolgenden Sudoperation der Abfall an Eiſen⸗
sitriof iſt. Es kann zwar der Sail vorfommen, daß eine Schiefors
art bei einem geringen Thongehalt an. Schwefelfies fo veich iM,
Daß fie nach der Röflung und Werwitterung groͤßtentheils Eifen:
vitriol liefert, der Alaun alfo nur ala Nebenbeftandeheil oder Neben»
produft erfcheint; dieſer Fall gehört aber dann nicht mehr zur
Alaun⸗ tondern zur Eifenvitriol » Babrifation, wovon: umter dieſem
Artikel die Rede ſeyn wirb. Zu .
3) Die Abdampfung der Lauge.: Die aus dem
Rohlaugenbehälter genommene Lauge maß fo weit dard) Abdam⸗
pfung fonzentrirt werden, daß die Aufloͤſung geſaͤttiget MM. Der
Grad diefer Einengung. hängt alfo von der Beſchaffenheit der
Rohlauge ab, und muß durch Verſuche gefunden werden. Fuͤr
eine Rohlauge, ‚die auf a heile [chwefelfaure Alaımerde, ı Theil
206 Man .
Bitterſalz oder Eifenvitriol enthält, beträgt fie 25° Baume; fiir
eine Lauge, die Eifenvitriol enthält, welcher zuerſt und vor der
Präzipitirung ausgefchieden werden fol, fann fie 36° bis 38°
Baume betragen. Bei der Abdampfung wird die Rohlauge aus
dem Behälter zuerft in eine Wärmpfanne geleitet, welche durch
das in den Nauchfang tretende Feuer nebenbeierwärmt wird; und
aus diefer fließt diefelbe in den Abdampffeifel in dem Maße nach,
als die Lange in biefem verdampft.
Gewöhnlich werden für die Abdampfleffel bleierne Pfan⸗
nen empfohlen, die uͤber dem Feuerheerde auf eiſernen Stangen
ruhen. Allein dieſe Keſſel haben den Nachtheil, daß ſie ſich leicht
verziehen und verbiegen (dad Blei, durch die Wärme auögedehnt,
geht bei dem Erkalten nicht mehr in feinen vorigen Raum zurück),
daß fie leicht, wegen ded fich aulegenden Bodenfages, durchbrennen
oder fchmelzen, und daher fleten Reparaturen ausgefept find.
Soll der leptere Nachtheil vermieden werden; fo ift ed, um die
Anfeuftirung des Bodenfaßes zu vermeiden, nothwendig, entwe⸗
der die Fluͤſſigkeit in fleter Bewegung zu erhalten, oder die Lauge
vor der vollendeten Konzentrirung abzuziehen, fich Flären zu laſſen,
und neuerdingd aufzufüllen, was Arbeit und Auslage verurfadht.
Sollen metallene Gefäße angewendet werden, fo ift es beffer,
bazu fupferne zu nehmen, da das Kupfer von der Alaunlauge in
der Hitze nicht angegriffen wird, wenn man Sorge trägt, daß
derfelben bei jedesmahligem Auffüllen etwas von dem Alaunſchlamm
zugefegt werde, und da das fupferne Gefäß noch den Vortheil
bat, die Orydation des Eifenvitriold während des Siedens zu be
fördern. Doc, find dieſe Gefäße nur vorzüglich bei Holzfeuerung
gu empfehlen, da die Feuerung mit den auf Alaunwerfen vorhan:
denen fchwefelfieshaltigen Braunkohlen ihre Außenfläche angreift.
Gußeiſerne Keifel find wenig brauchbar, ausgenommen fie werden
auf die in Big. ı, Taf. 2, (&.39) angegebene Weiſe eingemanert:
der fi) beim Sieden der Alaunlauge abfegende Niederfchlag: bildet
in ihnen einen ‚fleinartigen Bodenfab, der bald ihr Zerfpringen
und immerwährende Nachhülfe verurfaht. Starkes Eiſenblech
ift brauchbarer, befonders wenn die innere Flaͤche deifelben vorher
in der Hitze mit Pech oder Steinfohlentheer gut eingelaffen worden
iſt. Wird ein folcher Keffel angewendet ; ſo mauert man denfelben
Alaunbereitung aud Alaunſchiefern. 207
entweder auf die in der Fig. 6, Taf. 3, angegebene Weiſe ein, ober
auf diejenige Art, welche in Big. 10 und 11, Zaf.3, vorgeftellt if,
wo die Flamme zuerft über die Flüͤſſigkeit hingeht, und dann erft
unter dem Boden des Keffels in entgegengefepter Richtung zieht.
Diefe Einrichtung hat den Vortheil, daß der Keſſelboden vor dem
anmittelbaren Flammenfeuer gefchügt ift, und daher der Bodenſatz
der unteren Keffelfläche feinen Nachteil bringt, ohne letztere von
der Mittheilung dee Wärme auszufchließen. Die Fig, 10 flellt
einen LZängendurchfchnitt dieſer Einrichtung vor; Fig. 11 ifl der
Aufriß vom Ende. Der obere Rand der Seitenwände des Keſſels
aa ift mit dem Mauerwerke bedeckt; der Rand der Worderfeite b,
über den die Flamme fchlägt, iſt Durch eine Ziegelbruft gefchägt.
Der Rand) tritt von dem vorderen Theile des Keflelbodend auf. bei«
den Seiten feitwärtd in die Öffnung e, und von hier durch den
in der Seitenmauer des Ofens befindlichen Kanal d, in den
Rauchfang.
Wenn gleich weniger Brennſtoff erſparend, als die vorher⸗
gehende Einrichtung, doch in der Anlage und in der Unterhaltung
der wohlfeilſte Abdampfapparat für die Alaunlauge, iſt der bereits
in dem Art. Abdampfungsofen (S. 43) befchriebene, unb in
Big. 7 (Taf. 2) abgebildete, aus Mauerwerk hergeftellte. Das
Baflin, in welchem die Lauge in diefem Ofen enthalten ift, ift
aus Ziegeln hergeſtellt, die auf die lange fchmale Kante geftellt,
Dicht an einander gefügt, und mit einem Mörtel verbunden find,
" der aus Kalk und audgelaugter Alaunfchieferafche befteht, dis man
vorher, um die Feuchtigkeit zu vertreiben, noch etwas geröftet hat.
- Die Bugen diefes Mauerwerks, dad übrigens in einem Bette von
feftgeitampftem Letten oder Thom liegt, find mit einem Mörtel mit
der Maurerfelle feit andgeflrichen, welcher aus einem Theil des
vorigen Mörteld, mit 3 Theilen Eifenfeile gemengt, beſteht. Auf
der Dede diefes Ofens, welche Durch das Gewölbe, von. dem das
Baſſin überſpannt wird, gebildet iſt, wird eine. flache Pfanne aus
Eifen« oder Kupferblech (legtered verbient den Vorzug) aufgeſtellt,
in welches Die Rohlauge aus dem Behälter fließt, hier vorläufig
erwärmt wisd, zum Theil verdünftet, uad dad Baſſin des Abdam⸗
yfungsofens durch eine mit einem Hahn verfehene Röhre mit wars
mer auge ſpeiſt. An der einen Seite des Blind befindet fich
208 | Haan,
eine mit einer eifernen Thür verfchließbare Öffnung, durch welche
man. in daB Inneve- beöfelben gelangen, den Grund von dem
Schlamme reinigen und "etwaige Reparaturen vornehmen kann.
Ein ſolcher Ofen, anfänglich gut hergeſtellt, halt Jahre lang aus,
ohne einer Reparatur zu betürfen.
Bei dem Abdampfen fept man der Rohlauge gewöhnlich eine
Quantität Mutterlauge zu, die bei der nachfolgenden Operation
dos Kryitallifirens abfällt, und eine Dichtigfeit von 40° bis 420
Baumoͤ hat, Am beften gefchieht dieſer Zufag, wenn die Rohlauge
ſchon ziemlich, bis etwa 20° Baume, konzentrirt iſt. Diefer Zufas
Hat den Vortheil, daß nicht nur der in. der Mutterlauge noch vor⸗
handene Alaun zum Xheil zu Gutem gebracht, fondern auch daß
in der Konzentrirung der Rohlauge an Zeit-erfpart wird, fowohl
weil die konzentrirte Mutterlauge der Rohlauge Waller entzieht,
als auch weil die dichtere Flüſſigkeit bei einer. Höheren Temperatur
(82° bis 83° R.) fiedet, folglich fchneller verdampft; - weil die bei
-diefer Temperatur entwidelten Dämpfe eine größere Dichtigfeit
und laftizität befigen (&.3, IV.) Man muß jedoch diefen Zus
fag nicht übertreiben , damit man durch die Erhigung und Hin⸗
und Herfhaffung unnützer Maſſen nicht mehr verliere ' en jener
Zeitgewinn beträgt. Ä
4) Die Präzipitirung. In der Regel foll man, wie
fhon bemerft worden, aus der gehörig Fonzentrirten Rohlauge
durch Zuſatz des fchwefelfauren. Kalt oder des fogenannten Fluſſes
zuerft den Alaun ausſcheiden, und die beigentengten Salze, ale
Eiſenvitriol und Bitterfalz, in der Mutterlauge laſſen, ftatt umge⸗
kehrt durch die flärfere Konzentrirung der Lange zuerft den Eifens
vitriol oder das Bitterfalz heraus Erpfiallifiren zu laſſen. Man
befchleunigt und vereinfacht dadurch nicht nur die Fabrikation des
Alauns, indem die Zugutbringung der Mutterlauge auf Zeiten,
z. B. auf den Winter, verfchoben- werden kann, wo weniger Arbeit
vorhanden ift; fandern man erfpart auch das Wegfchwenumen der
ſchwefelſauren Maunerde mit dem fich auöfcheidenden Eifenvitvidl
oder Bitterſalz. Fuͤr diefe Einrichtung der Manipulation darf das
Ger die Konzentrirung: der Rohlauge nicht fo: weit getrieben wer⸗
den, da fie beim Erkalten dad Salz abfept, fondern nur fo weit,
daß Tie bis zur mittleren Temperatur abkuͤhlen kann, ohne gerade
Aluunbereitung aus Alaunfchiefern. 209
Eifenvitriel oder Bitterfal; fallen zu laſſen. Diefen Punkt muß
men, wie fchon gefagt, durch einige Verſuche finden, und
den durch das Ardemeter angegebenen Grad der Dichtigkeit der
fonzentrirten Zauge für diefelbe Qualität des Alannerzes ald Norm
aunchmen. Jedoch muß hierbei beobachtet werden, daß auch die
Dienge der Mutterlauge, weldye einer beftimmten Quantität Rohe
lauge beim Berfieden zugefeßt wird, immer diefelbe bleibe.
Iſt nun die Lauge auf diefen Grad Fonzentrirt, fo wird fie
in einen großen Setzbottich abgelaijen, in welchem man fie einige
Zeit rubig ſtehen läßt, damit fi) der eingemengte Schlamm abs
fege. Aus dieſem Setzbottich wird die Lauge in flache, vieredig
längliche, einen Buß hohe Käften (Präzipitirtäften) abgelailen,
in welchen derfelben der Fluß zugefept und durch Rühren mittelft
einer Kruͤcke gut eingemifcht wird. Das ſchwefelſaure Kali, wel«
ches diefer Zuſat liefert, verbindet ſich nun mit der fchwefelfauren
Thonerde zu Alaun (18, Pfund anf ı Zentner Alaun), welcher,
viel ſchwerer auflößlich als letztere, in der abgehühften Slüffigfeit
in Heinen Kryftallen zu Boden fällt (daB fogenannte Alaunmehl),
die Wände ber Käften infruftist, und fich an zechenförmige Stöcke
anfept, die man in die Fluͤſſigkeit einhängt. Man mnß diefe Ge⸗
füße fo auordnen, daßdie Lauge aus dem Keifel in den Setzbottich,
und aus diefem in die Präzipitirfäften rinnt,
Als Fluß oder Präzipitirmittel dient das [hwefelfaure
Kali oder Duplikatfal;, das bei mehreren Fabrikationen, ald der
Salpeterfänre, der Schwefelfäure ꝛc. ald Nebenproduft abfällt;
oder dad falzfaure Kali (Digeflivfalz), wo ed wohlfeil ald
Nebenproduft zu haben ift; oder ftatt deilen die Seifenfieder
lauge, weldhe größten. Theild aus falzfaurem Kali und etwas
fehwefelfaurem Kali und freiem Kali beftebt; oder Die gemeine
Aſchenlauge, welche außer dem fohlenfauren Kali noch ſchwe⸗
felfaured und falsfaured Kali enthält; oder endlich die gemeine
Pottaſche. |
Disfe Fluͤſſe mäflen der Alaunlauge im möglichft fonzenteir-
ten Zuftande gugefept werden, fowohl Damit die Menge des aus
der Shüffigfeit ſich peäzipitirenden Alauns die größte werde, und
die zuruͤckbleibende Mutterlauge nicht zu viel Alaun aufgelöft zus
ruͤckhalte, als auch Damit das Alaunmehl fich fein oder in Beinen
Technel. Encyelop. I. Bd. 14
210 Alaun.
—
Kryſtallen ausſcheide, was deſto mehr der Fall iſt, je ſchneller
die Praͤzipitirung erfolgt, oder je weniger verdünnt die Lauge iſt.
Dad fhwefelfaure Kali geht unmittelbar mit der ſchwe⸗
felfauren Ihonerde in Die Alaunverbindung, ohne Zerſetzung eines
der Nebenſalze. Da es jedoch von faltem Waffer 10 Theile zu
feiner Auflöfung erfordert; fo muß die Auflöfung deffelben mit
heißem Wafler bereitet, und heiß der Alaunlauge zugeſetzt
werden. Das falzfaure Kali.braucht in her Kälte nur drei
Theile Wafler zur Auflöfung, kann alfo kalt zugefebt werden;
eben das iſt mit ber Seifenfiederlauge der. Fall. Das ſalz⸗
faure Kalt zerfegt dad fhwefelfaure Eifenorgdul oder Orpd, und
es entfteht fchwefelfaures Kali, das fich mit Dem Alaun verbindet,
und falzfanres Eifenoryd, das in der Mutterlange zurücbleibt.
Wird Afchenlange oder die Auflöfung der Pottafche als
Fluß verwendet, fo muß man die Präzipitirung mit der bereits
abgefühlten Lauge vornehmen, weil diefe, welche: ſchon einen Theil
fertigen Alaun enthält, in.der Siedhitze fonft bafifchen —
(S. 196) fallen laͤßt.
Die Quantität des Fluſſes, welche der konzentrirten Roh⸗
lauge zugeſetzt werden muß, haͤngt von dem Kaligehalt des erſteren
und dem Gehalt an ſchwefelſaurer Thonerde der letzteren ab, und
muß durch vorläufige Verſuche ausgemittelt werden. Man verſetzt
zu dieſem Behufe eine Probe, z. ©. ein Maß, der konzentrirten
Rohlauge von dem beftimmten fpezififchen Gewichte mit dem Fluffe
bei der gewöhnlichen Zeraperatur, fo Tange, ald noch eine Fällung
von Alaunmehl erfolgt, und bemerft die Quantität. des Fluſſes,
die man hierzu gebraucht hat. Eine völlig genaue Ausgleichung,
fo daß nad) der Präzipitirung in der Mutterlange. weder ſchwefel⸗
faures Kali noch ſchwefelſaure Thonerde uͤberſchuͤſſig wäre, ift bei
der Manipulation im Großen nicht möglich; dach iſt dieß ‚ohne
Nachtheil, da die Mutterlauge in einen gemeinfchaftlichen Behäb
ter zufammen fließt, wo fich diefe Überfchüife ausgleichen, und
dann aus desfelben allmählich fich der Alaun abfegt. Hat 'ſich der
Alaun in den Präzipitirfäften nach dem gänzlichen Exfalten der
Lauge nausgeſchieden, fo wird die zurücdhleibende Wintterlauge for
gleich in cin in die Erde verfenfted gemauertes Baſſin abgelaflen.
Diefe Mutterlange hat eine Dichtigfeit von etwa 40° Baums
Alaunbereitung aus Alaunfhiefern. 211
in miltlerer Temperatur, und iſt eine gefättigte Auflöfung von
Bitterfalz oder von Eifenvitriol und fhwefelfaurem Eifenoryd, oder
von allen zugleich, und enthält noch beiläufig fo viel Alaun, als
das enfhaltene Wafler in der Kälte auflöfen fann. Diefe Mutter⸗
Iauge wird, wie bereitö oben erwähnt, beim Einfieden der Roh⸗
lauge zum Theil wieder zugefebt; die allmählich angehäufte Maſſe
aber zu einer gelegenen Zeit weiter abgedampft, um noch den ent⸗
baltenen Alaun in der Kälte beraysfryftallifiren zu laffen, und
dann weiter fonzentrirt, damit auch die übrige Salzmaife kry⸗
ſtalliſire.
Enthaͤlt die Rohlauge außer der ſchwefelſauren Thonerde
nur Eiſenvitriol, ſo kann die Ausſcheidung dieſes Nebenſalzes
auch vor der Praͤzipitirung geſchehen. Für dieſen Fall dampft man
die Rohlauge bis 40° Baume ab, und laͤßt fie in Behältern erkal⸗
ten. Nachdem der Eifenvitriol ans der Lauge heraus kryſtalliſirt
ift, wird diefe neuerdings in den Keſſel gefüllt, bi8 zu 40° Baume
abgedampft, und dann zur Präzipitirung abgelajlen. Eben diefes
erfahren fann aud) Statt finden, wenn das Nebenfalz Bitter»
falg it. Diefe Behandlungsart hat zwar den Vortheil, daß zur
Praäzipitirung eine mehr gefättigte Lauge von fchivefelfaurer Thon⸗
erde gebracht wird, wodurch eine geringere Menge von Mutterlauge
abfällt, aud das Alaunmehl feiner wird. Auf der andern Seite
fieht diefe Methode der vorigen darin nach, daß fie mehr Gefäße
brancht, und zu einer und derfelben Zeit die Babrifation des Alauns
mit jener des Nebenfalzes nöthig macht, während letztere nach der
vorigen Methode in Zeiten, wo die Mlaunerzeugung vermindert
ift, z. B. im Winter, aus der aufgefammelten Mutterlauge betrie«
ben werden fann. Überdem ift, wie ſchon oben erwähnt, damit
ein Verluft an fchwefelfaurer Thonerde verbunden, die dem Eifen- .
vitriol anhängt, zum Theil mit ihm in Verbindung bleibt, und
ihm ein blafled Anfehen gibt. Dagegen Pryftallifirt der Eifenvitriol
aus der ſchon von der fchwefelfauren Ihonerde befreiten Mutter:
Tauge rein und in feiner natürlichen Farbe.
5) Die Wafhung des Alaunmehls. Dad aus den
Präzipitirfäften genommene Alaunmehl befteht aus Fleinen Kryftal:
Ien, die wegen der beigemengten Mutterlauge ein bräunliches -
Anfehen haben, und noch mit Bitterfalz und Eifenvitriol vermenge
14 *
202 Alaun.
Terrains und in der Naͤhe der Sudhütte ſtellt man eine oder meh⸗
rere, waſſerdicht ausgemauerte, 8 bis 10 Fuß tiefe und ao Fuß
im Viereck haltende Gruben ber, in weldyen die zum Verfieden
beftimmte Roh⸗ oder Srundlange aufgefanımelt wird (die Rohlau⸗
genbehälter); und weiche mit einem leichten Dache gegen Regen
und Staub gefchugt find. Etwas höher liegend find Die gemanerten
Auolaugekaͤſten, 6 Buß breit, 12 bis 18 Buß lang, 2 Buß tief;
je zwei derfelben find immer fo geftellt, Daß die Flüſſigkeit aus
dem oberen durch bie am Boden vorhandene Abflugöffnung in den
unteren abgelaflen werben kann. Wie viel folder Paare von Bes
hältern angelegt werben müffen, hängt natürlich von der Größe
des Betriebes ab. Man kann mit Rüdficht auf die Unterbrechun«
gen und auf die Vorratbs- Anfammlung für den Winter a Paar
folcher. Behälter auf 600 Zentner Alaun im Jahre rechnen. Weir
ter oberhalb diefer Auslaugekäften ift das gleichfalls gemanerte
Waſſerreſervoir angebracht, in weldes dad Waller, wenn es
nicht anders woher genommen werden kann, aus der Grube ges
pumpt:wird, und von hier nad) Bedarf auf die Laugefäften fließt.
Die gemauerten Behälter werden aus Ziegeln hergeftellt, die
man auf die fchmale Kante ftellt, und mit einem Mörtel zuſammen⸗
fügt, der aus Kalk beftebt, dem ftatt des Sandes alte, bereits
ausgelaugte Alaunfchiefezafche eingemengt wird. Die Sohlen⸗
mauer wird auf eine Unterlage von fettem Thon gelegt, mit wei
chem auch Die Seitenwände umgeben werden.
Die Auslaugefäften werden nun mit der Afche der ver⸗
brannuten Schieferhaufen angefüllt, fo zwar, daß man zuerſt die
groͤberen Stücke, die ſich in jedem Haufen vorfinden, einführt,
und auf dem Boden des Kaftens ausbreitet, und hierauf die übrige
Aſche darüber ftürzt, bis zu einer Höhe von 16 bis ı8 Zoll, jedoch
dabei immer Sorge trägt, daß abwechfelnd gröbere Afche mit der
feineren vermengt werde, damit fich letztere nicht zufammenballe,
fondern dad Waſſer durch die Maſſe gehörig durchfiltriren könne.
Man läßt nun dad Waller in den oberen Kaften einfließen, fo
daß es die Oberfläche einige Zoll hoch bededt. Nach, einiger Zeit
"fliegt die Lauge durch die am Boden befindliche Ausflugöffnung,
und wird, fo lange fie noch Die gehörige. Stärfe am Araͤo⸗
meter zeigt, mittelft einer vorgelegten Rinne in den Rohlau⸗
Alaunbereitung aus Wlaunfchiefern. 205
genbehälter abgelaffen. So wie fie fchwächer zu werben anfängt,
nimmt man diefe Rinne weg, und läßt die Lauge auf die Aſche
des zweiten, tieferen Behälters Taufen, während man auf Die Afche
des oberen Kaftens noch fo lange Waſſer rinnen laͤßt, bis die aus
demfelben auf den unteren Kaften abfließende Lauge faum noch
einen Grad am Ardometer zeigt. Während Dem wird Die Afche
des oberen Kaftend mittelft eined Ruͤhrſtockes an verfchiedenen
Stellen, wo ed nöthig feyn follte, ausgeglichen, damit die gleich-
förmige Filtrirung in den verfchiedenen -Theilen bewirkt werde.
Die aus dem unteren Kaften abfließende auge wird nun ebenfalls,
fo lange fie grabhaltig ift, in den Rohlaugenbehaͤlter abgelaflen,
und fobald fie zu fchwach zu werden anfängt, im einem unter die
fem zweiten Kaſten eingegrabenen, mit Thon audgeichlagenen
Sumpf aufgefangen, bis auch die aus dem zweiten Kaften ab»
fließende Lauge faum noch einen Grad des Araͤometers zeigt.
Die ausgelaugte Afche wird hiernach aus den beiden Käften ge
nemmen, neue Afche eingefüllt, und die Operation wie vorher
begounen. Während nun das Wafler in den oberen Kaften ein-
fließt, wird aus dem Sumpfe die ſchwache Lauge auf die Aſche
des zweiten und tieferen Kaſtens gefchöpft, wobusch bei Dies
fer zweiten Operation die Menge der aus dieſem Kaflen ab»
fließenden gradhaltigen Lauge verniehrt wird. So gebt das
num für die folgenden Operationen fort. Das nähmliche Berfahe
en findet bei jedem andern Paare ſolcher Käften Statt, und auf
dieſe Art kann die beliebige Konzentrirung der Lauge mit der ganr
lichen Erſchoͤpfung Der Aſche vereinigt werden.
Die ausgelaugte Aſche iſt auf dieſe Art in der Regel erſchoͤpft,
und ſie wird auf Halden geſtuͤrzt, oder zur Ausfüllung der Bingen
gebraucht. In einigen Fällen jedoch, wenn die Verwitterung des
Erzes nicht, zumahl bei zu großen Haufen, "gehörig fortfchreiten
$onnte, wird das ausgelaugte Erz neuerdings in Haufen geſetzt,
und einer zweiten Verwitterung überlaffen, um noch ein Mahl aus:
gelaugt zu werden. Andere Erze, zumahl ſolche, die Schwefelkies
in größeren Maflen enthalten, vertragen nach dem erfien Ans»
laugen noch ein zweites Röften, um hiernach wieder außgelaugt
zu werden. Diefe zweiten Behandlungen liefern jedoch immer
weniger Ausbeute, und man muß fie dadurch, daß man das erfie
204 — Alaun.
Mahl die Noͤſtung und Verwitterung mit Sorgfalt und in tleineren
Haufen vornimmt, zu vermeiden ſuchen, um die Erzeugung dieſes
mit, einer bedeutenden Konkurrenz kaͤmpfenden Artifeld nicht one
Bu mit Auslagen zu beläftigen.
‚Mit. welcher Bradhaltigfeit man am beſten die Lauge in den
Behlangenbehälter zu bringen habe, hängt von rein öfonomifcher
Nüdficht ab. Kür die Erfparung an Brennwmaterial und Zeit. in
der, Sudhütte ift die möglichfte Konzgentrirung der Rohlauge von
Wurtheil; dagegen erfordert auch diefe Konzentrirung bei den
Luaugeuföften mehr Zeit und Arbeit. Iſt das Alaunwerk mit eingr
SKoblengrube verbunden, ſo hat das Srennmaterial, zumahl wenn
Abfälle benugt werden, wenig Werth, und hie: Lange kann für
gleichen Vortheil fchwächer feyn, ald wenn der Brennſtoff eineh
höheren Preis. hat. Im Mittel fanu man für die Außeren Gren-
zen. in diefen Ballen die Gradhaltigfeit yon 120 bis 20° Baume
(1.089 bis 1.15 fpezif. Gewicht) annehmen, In der Rohlauge,
ed enthalte nun diefelbe Bittenfalz oder Eifenvitriol, welche nahe
gleiche Anflöglichkeit in kaltem Waſſer haben, ift gewöhnlich ı Theil
eines dieſer Salze oder eines Gemenges aus beiden mit a Theilen
ber fchwefelfauren Xhonerde enthalten. - Eine folche Salzmifchung
bat aber bei 15 R. ihren Sättigungspunft bei 25° Baume Grad-
baltigkeit; wo ſonach eine Verminderung der Temperatur oder
eine Verminderung der Flüſſigkeit durch Berdünften fchon, einen
Niederſchlag au Salz hervorbringt. Es iſt daher in feinem Galle
raͤthlich, die Konzentrirung der Nohlguge höher als auf 20° Baume
bei einer Temperatur von ı5°R und darüber zu treiben.
Es liegt in der Natur der Sache, daß diefer Auslaugungs-
prozeß in der waͤrmeren Jahreszeit am beiten vor fich geht, da.
nicht nur das Waller im Verhältnig feiner größeren Warme die
Salze leichter auflöft, fondern auch auf dem Wege, den die Rohe
lauge in der-Rinnenleitung bis zum Roblaugenbehälter zu machen
bat, noch einige Aonzentrirung derfelben Statt findet. Es if
daher auch wefentlid, daß man diefe Zeit vorzüglid zur Aus⸗
laugung benüge, und den Rohlaugenbehältern eine ſolche Größe
gebe, Daß fie einen bedeutenden. Laugenvorrath zu fallen vermö⸗
gen.. Die längere Verweilung der Rohlauge in diefem Behälter
hat übrigens noch den wishtigen Wortheil, daß die Lauge nicht
h
| Alaunbereitung aus Wlaunfchiefern. 205
nur bie eingemengten Erdtheile, Gyps, Eiſenocher ıc. ablept Und
ſich klaͤrt; fondern auch, daß der noch in derfelben enthaltene Eifen-
vitriol durch die Berührung mit der Luft fich feruer oxyditt / und
ſonach das Eiſenoxyd ſich ausſcheidet, was in jenen Faͤllen wichtig
if, in denen der Haupt-Nebenbeſtandtheil der Rohlauge Vitterſalz
ift, folglich nicht die Gewinnung des Eiſenvitriols, wohl aber
deſſen Entfernung zur Erleichterung des nachherigen Reinigung
des Alauns und des Bitterfalzes Abficht if. Aber auch in dem
Kalle, wenn der Eifenvitriol Haupt: Nebenbeftandtheil ift, ift
die Zerfebung eines Theiles deſſelben auf diefe Art von Wertheil;
and diefe kann noch dadurch befördert werden, daß man der Roh⸗
auge in den Behältern von Zeit zu Zeit von dem Alaunfchlamme
zufegt, welcher. bei den nachfolgenden Operationen in der Sub»
hätte abfällt, . umd größtentheils aus baſiſchem Alaun beſteht, der
fih dann in der. aus dem oxydirten Eifenvitriol ‚frei werdenden
Schwefelfäure auflöft, und fonach Alaun gegen Eifenvitriol, der
einen geringeren Preis hat, ausgetauſcht wird. Ueberhauͤpt iſt
es bei der Alaunfabtrikation Zweck, die Anantität der ſchwefelſauren
Thonerde auf Koften des Eifenvitriold zu vermehren, die Zerfegung
des legteren alfo auf jede Art gu befördern, was fowohl durch die
längere Verwitterung der Haufen im der freien Luft, als durch
die Berweilung der Rohlauge in den. Behältern erreicht wird.
Die Alcunfabrifation an ſich ift um fo weniger vollkommen, je
größer bei der nachfolgenden Sudoperation der Abfall an Eifens
sitriol iſt. Es kann zwar der Fall vortommen, daß eine Schiefers
art bei einem geringen Thongehalt an. Schwefelfies fo veich if,
daß fie nach der Röſtung und Verwitterung größtentbeils"Exfen:
vitriol liefert, der Alaunalfo nur ald Nebenbeftandtheiloder Neben
produft. erfcheint; . dieſer Fall gehört aber dann nicht mehr zur
Alaun⸗ tondeen zur Eifenvitriol » Babrifation, wovon umter N
* Artikel die Rede feyn wird. Ze
3) Die Abdampfung ber Lauge. Die aus —
Rohlaugenbehaͤlter genommene Lange map fo weit durch Abdam⸗
pfung konzentrirt werden, daß die Auflöfiing geſaͤttiget Mb. Der
Brad diefer Einengung. hängt alfo von der Beichaffenheit der
Rohlauge ab, und muß durch Werfuche gefunden werden. Kür
eine Rohlauge, ‚die auf a Theile fchwefelfaure Alaumerde, a Theil
206 Maum .
Bitterſalz oder Eifenvitriol enthält, beträgt fie 25° Baumte; für
eine Lauge, die Eifenvitriol enthält, welcher zuerft und vor. der
Präzipitirung ausgefchieden werden fol, kann fie 36° bis 38°
Baume betragen. Bei der Abdampfung wird die Rohlauge aus
dem Behälter zuerft in eine Wärmpfanne geleitet, welche durch
das in den Rauchfang tretende Feuer nebenbeierwärmt wird; und.
aus diefer fließt diefelbe in den Abdampffeifel in dem Maße nach,
als die Lauge in diefem verdampft.
Gewöhnlich werden für die Abdampffeffel bleierne Pfan⸗
nen empfohlen, die über dem Feuerheerde auf eifernen Stangen
suben. Allein diefe Keffel haben den Nachtheil, daß fie fich leicht
verziehen und verbiegen (daB Blei, durch die Wärme auögedehnt,
geht bei dem Erfalten nicht mehr in feinen vorigen Raum zurüd),
daß fie leicht, wegen des füch aulegenden Bodenfages, Durchbrennen
ober fchmelzen, und daher fleten Reparaturen ausgeſetzt find.
Sol der leptere Nachtheil vermieden werden; fo ift ed, um die
Inkruſtirung des Bodenfaßes zu vermeiden, nothwendig, entiwes
der die Fluͤſſigkeit in fteter Bewegung zu erhalten, oder die Lauge
vor der vollendeten Kongentrirung. abzuziehen, fich Flären zu laffen,
und neuerdings aufzufüllen, wad Arbeit und Auslage verurfadht.
Sollen metallene Gefäße augewendet werden, fo ift es beffer,
dazu fupferne zu nehmen, da das Kupfer von der Alaunlauge in
der Hitze nicht angegriffen wird, wenn man Sorge trägt, daß
derfelben bei jedesmahligem Auffüllen erwas von dem Alaunfhlamm
zugelegt werde, und da das kupferne Gefäß noch den Wortheil
bat, die Oxydation des Eifenvitriol6 während des Siedens zu bes
fördern. Dad find dieſe Gefäße nur vorzüglich bei Holzfeuerung
gu empfehlen, da die Beuerung mit den auf Alaunmwerfen vorhan⸗
denen fchwefelfieshaltigen Braunfohlen ihre Außenfläche angreift.
Gußeiſerne Keffel find wenig brauchbar, ausgenommen fie werden
auf die in Big. ı, Taf.2, (&.39) angegebene Weife eingemauert:
der fich beim Sieden der Alaunlauge abfegende Niederfchlag bildet
in ihnen einen .fleinartigen Bodenfag, der bald ihe Zerfpringen
und immerwährende Nachhülfe verurſacht. Starkes Eiſenblech
iſt brauchbarer, beſonders wenn die innere Flaͤche deſſelben vorher
in der Hitze mit Pech oder Steinkohlentheer gut eingelaſſen worden
iſt. Wird sin ſolcher Keſſel angewendet; ſo mauert man denſelben
Alaunbereitung aus Alaunſchiefern. 207
entweder anf die in der Fig. b, Taf. 2, angegebene Weiſe ein, oder
auf diejenige Art, welche in Fig. 10 und 12, Taf. 3, vorgeſtellt iſt,
wo die Flamme zuerſt über die Klüfligfeit hingeht, und dann erſt
unter dem Boden des Keſſels in entgegengefepter Richtung zieht.
Diefe Einrichtung hat den Vortheil, daß der Keſſelboden vor dem
unmittelbaren Slammenfeuer gefchügt ift, und Daher der Bodenfaß
der unteren Keffelfläche keinen Nachtheil bringt, ohne Iegtere von
der Mittheilung der Wärme auszufchließen. Die Big, 10 flellt
einen Längendurchfchnitt diefer Einrichtung vor; Big. 11 iſt der
Aufriß vom Ende. Der obere Rand der Seitenwände des Keſſels
aa ift mit Dem Mauerwerfe bedeckt; der Rand der Worderfeite b,
über den die Flamme fchlägt, if durch eine Ziegelbruft geſchuͤtt.
Der Raud) tritt von dem vorderen Theile des Keffelbodend auf bei«
den Seiten feitwärts in die Offnung c, und von hier durch ben
in der Geitenmauer des Ofens befindlichen Sanal d, in deu
Raudfang.
Wenn gleich weniger Brennstoff erſparend, als die vorher⸗
gehende Einrihtung, doc) in der Anlage und in der Unterhaltung
der -wohlfeilfte Abdampfapparat fir die Alaunlauge, ift der bereits
im dem Art. Abdampfungsofen (©. 43) befihriebene, und in
Sig. 7 (Taf. 2) abgebildete, aus Mauerwerk hergeftellte. Das
Baſſin, in welchem die Lauge in diefem Ofen enthalten ift, ift
aus Ziegeln hergeſtellt, die auf die lange ſchmale Kante geftellt,
Dicht an einander gefügt, und mit einem Mörtel verbunden find,
der aus Kalk und ausgelaugter Alaunfchieferafche befteht, die man
vorher, um die Feuchtigkeit zu vertreiben, noch etwas geröftet hat.
- Die Zugen diefes Mauerwerks, dad übrigens in einem Bette von
feftgeitampftem Letten oder Thon liegt, find mit einem Mörtel mit
Der Maurerfelle feſt anögeftrichen, welcher aus einem Theil des
vorigen Mörtels, mit 3 Theilen Eifenfeile gemengt, beſteht. Auf
der Dede diefes Oſens, welche Durch das Gewölbe, von dem das
Baſſin überfpannt- wird, gebildet ift, wird eine flache Pfanne aus
Eiſen⸗ oder Aupferblech (legtered verbient den Vorzug) aufgeflelit,
in welches die Rohlauge aus dem Behälter fließt, hier vorläufig
erwärmt wird, zum Theil verdünftet, nad das Baſſin des Abdam-
pfungdofens durch eine mit einem Hahn verſehene Roͤhre mit war⸗
mer Lauge ſpeiſt. An der einen Seite des Baſſins befindet fich
208 u Hann,
eine mit einer eifernen Thür verfchließbare Öffnung, durch welche
man in das Innere deöfelben gelangen, den Grund von dem
Schlamme reinigen und etwaige Reparaturen vornehmen kann.
Ein’ folcher Ofen, anfänglich gut hergeftelit, Hält Jahre lang aus,
ohne einer Reparatur zu bedürfen.
Bei dem Abdampfen fest man der Rohlauge gewöhnlich eine
Quantität Mutterlauge zu, die bei der nachfolgenden Operation
des Kryſtalliſirens abfällt, und eine Dichtigfeit von 40° bis 420
Baume hat. Am beften geichieht diejer Zufag, wenn die Rohlauge
ſchon ziemlich, bis etwa 20° Banme, fonzentrirt'ift. Diefer Zufas
hat den Vortheil, DaB nicht nur der in. der Mutterlauge noch vor⸗
Bandene Alaun zum Xheil zu Gutem gebracht, fondern auch daß
in der Konzentrirung der Rohlauge an Zeit erfpart wird, fowohl
weil die konzentrirte Mutterlauge der Rohlauge. Waſſer entzieht,
als auch weil die dichtere Fluͤſſigkeit bei einer. höheren Temperatur
(82° bis 83° R.) fiedet, folglich fchneller verdampft; weil die bei
-diefer Temperatur entwidelten Dämpfe eine größere Dichtigfeit
und Elaftizität beſitzen (©. 3, IV.) Man muß jedoch diefen Zus
fag nicht übertreiben, damit man durch die Erhigung und Hin⸗
und Herfhaffung unnüger Maffen nicht mehr verliere, ald jener
Zeitgewinn beträgt. |
4) Die Prägipitirung. In der. Regel foll man, wie
fhon bemerft worden, aus der gehörig Fonzentrirten Rohlange
Durch Zuſatz des. fchwefelfauren. Kalt oder des fogenannten Fluſſes
zuerft den Alaun auöfcheiden, und die beigentengten Salze, als
Eifenvitriol und Bitterfalz, in der Mutterlauge laifen, flatt umges
kehrt Durch die ftärfere Konzentrirung der Lauge zuerft den Eiſen⸗
vitriol oder das Bitterſalz heraus kryſtalliſiren zu laſſen. Man
beſchleunigt und vereinfacht dadurch nicht nur die Fabrikation des
Alauns, indem die Zugutbringung der Mutterlauge auf Zeiten,
z. B. auf den Winter, verſchoben werden kann, wo weniger Arbeit
vorhanden ift; ſondern man erfpart auch da8 Wegſchwemmen der
ſchwefelſauren Alaunerde mit dem fich ausfcheidenden Eiſenvitriol
oder Bitterſalz. Bür diefe Einrichtung der Manipulation darf da⸗
Ber die Konzentrirung der Rohlauge nicht fo-weit getrieben wes-
den, daß fie beim Erkalten dad Salz abfegt, ſondern nur fo weit,
daß Tie biß zur mittleren Temperatur abfühlen kann, ohne gerade
Alaunbereitung aus Alaunſchiefern. 209
Eifewoitriol oder Bitterfalz fallen zu laſſen. Diefen Punkt muß
men, wie ſchon gejagt, durch einige Werfuche finden, und
den durch dad Araometer angegebenen Grad: der Dichtigfeit der
konzentrirten Lauge für diefelbe Qualität des Alaunerzes ald Norm
aunehmen. Jedoch muß hierbei beobachtet werden, daß auch die
Menge der Mutterlauge, welche einer beflimmten Quantität Roh⸗
lauge beim Verſieden zugefegt wird, immer Diefelbe bleibe.
IR nun die Lauge auf diefen Grad fonzentrirt, fo wird fie
in einen großen Setzbottich abgelaffen, in welchem man fie einige
Zeit ruhig ſtehen läßt, Damit fich der eingemengte Schlamm abe
fee. Aus diefem Setzbottich wird die Lauge in flache, vieredig
.längliche, .. einen Buß hohe Kaͤſten (Praͤzipitirkaͤſten) abgelaifen,
in welchen derfelben der Fluß zugelegt und durch Ruͤhren mittelft
einer Krüde gut eingemifcht wird. Das ſchwefelſaure Kali, wel⸗
ches diefer Zufag liefert, verbindet fih nun mit der fchwefelfauren
Thonerde zu Alaun (18,5, Pfund auf 1 Zentner Alaun), welcher,
viel fehwerer auflöslich als letztere, in der abgefühkten Fluͤſſigkeit
in Fleinen Kryftallen zu Boden fällt (Das fogenannte Alaunmehſ),
die Wände der Käften inkruſtirt, und ſich an rechenförmige Stöde
anfest, die man in die Fluͤſſigkeit einhaͤngt. Man. muß diefe Ge-
fäße fo anordnen, daßdie Lauge aus dem Keifel in den Sepbottich,
und aus diefem in die Präzipitirfälten rinnt,
Als. Sluß oder Präzipitirmittel dient das [hwefelfaure
Kali oder Duplikatſalz, das bei mehreren Babrifationen, ald der
Salpeterfänre, der Schwefelfäure ıc. als Nebenproduft abfällt;
oder das falzfaure Kali (Digeflivfal;), wo ed wohlfeil als
Nebenproduft zu haben ift; oder ftatt deifen die Seifenfieder-
lauge, welche größten. Theild aus falzfaurem Kali und etwas
fchwefelfaueem Kali und freiem Kali beiteht; oder die gemeine
Aſchenlauge, welche außer dem fohlenfauren Kali noch ſchwe⸗
felſaures und falsfaures Kali euthält; oder endlich die gemeine
Pottaſche. |
Disfe Fluͤſſe müſſen der Alaunlauge im möglichft fonzentrir>
ten Zuftanbe zugefegt werden, fowohl Damit die Menge des aus
der Flüſſigkeit fich präzipitirenden Alauns die größte werde, und
die zuvückbleibende Mutterlauge nicht zu viel Alaun aufgelöft zus
rüdhalte, ald auch damit das Alaunmehl fich fein oder in Kleinen
Technol. Encyelop, I. BD. 14
210 Alaun.
Kryſtallen ausſcheide, was deſto mehr der Fall iſt, je ſchneller
die Praͤzipitirung erfolgt, oder je weniger verdünnt die Lauge iſt.
Das ſchwefelſaure Kali geht unmittelbar mit der ſchwe⸗
felſauren Thonerde in die Alaunverbindung, ohne Zerſetzung eines
der Nebenſalze. Da es jedoch von kaltem Waſſer 10 Theile zu
feiner Auflöfung erfordert; fo muß die Auflöſung deſſelben mit
heißem Wafler bereitet, und heiß der Alaunlauge zugeſetzt
werden. Das falzfaure Kali braucht in der Kälte nur drei
Theile Waffer zur Auflöfung, kann alfo kalt zugefept werden;
eben das ift.mit ber Seifenfiederlauge der. Fall. Das ſalz-
faure Kali zerfebt das fchwefelfaure Eifenorgdul oder Oryd, ‚und
es entfteht fchwefelfaures Kali, das fi mit dem Alaun verbindet,
und falzfaures Eifenoryd, das in der Mutterlauge zurücdbleibt.
Wird Afhenlauge oder die Auflöfung der Pottafche als
Fluß verwendet, fo muß man die Präzipitirung mit der bereits
abgefühlten Lauge vornehmen, weil diefe, welde:fchon einen Theil
fertigen Alaun enthält, in.der Siedhige fonft bafifchen an
(&. ı96) fallen läßt.
Die Quantität des Yluffes, welche der fonzentrirten Bob;
lauge jugefegt werden muß, hängt von dem Kaligehalt des erfteren
and dem Gehalt an fchwefelfaurer Ihonerde der legteren ab, und
muß durch vorläufige Verfuche ausgemittelt werden. Man verfegt
zu.diefem Behufe eine Probe, z. B. ein Maß, der Fonzentrirten
Rohlauge von dem beftimmten fpezififchen Gewichte mit dem Fluffe
bei der gewöhnlichen Temperatur, fo Tange, als noch eine Faͤllung
von Alaunmehl erfolgt, und bemerft die Qumntität des Fluſſes,
die man hierzu gebraucht hat. Eine völlig genaue Ausgleichung,
fo daß nad) der Präzipitirung in der Mutterlauge, weder fchivefel-
faures Kali noch fchwefelfaure Ihonerde uͤberſchuͤſſig wäre, ift bei
der Manipulation im Großen nicht möglich; doch iſt dieß ‚ohne
Nachtheil, da die Mutterlauge in einen gemeinfchaftlichen Behäb
ter zufammen fließt, wo fich diefe überſchüſſe ausgleichen, und
dann aus derſelben allmaͤhlich ſich der Alaun abſetzt. Hat ſich der
Alaun in den Präzipitirfäften nach dem gaͤnzlichen Erkalten der
Lauge ausgeſchieden, fo wird die zurüdhleibende Mutterlauge for
gleich in ein in die Erde verfenftes gemauertes Baſſin abgelaffen.
Diefe Mutterlauge hat eine Dichtigfeit von etwa 40° Baume
Alaunbereitung aus Alaunſchiefern. 211
in mittlerer Temperatur, und ift eine gefättigte Auflöfung von
Bitterfalz oder von Eifenvitriol und fchwefelfauren Eifenoryd, oder .
von allen zugleich, und enthält noch beiläufig fo viel Alaun, als
das enthaltene Wafler in der Kälte auflöfen fann. Diefe Mutter:
lauge wird, wie bereitd oben erwähnt, beim Einfieden der Rob»
lauge zum heil wieder zugefeßt; die allmählich angehäufte Maffe
aber zu einer gelegenen Zeit weiter abgedampft, um noch den ent-
baltenen Alaun in der Kälte herauskryſtalliſiren zu Taffen, und
dann weiter fonzentriet, damit auch Die übrige Salzmaife kry⸗
ſtalliſire. |
Enthält die Rohlauge außer der fchwefelfauren Thonerde
ne Eifenvitriol, fo kann die Ausfcheidung diefes Nebenfalzcs
auch vor der Präzipitirung gefchehen. Für diefen Kal dampft man’
die Rohlauge bis 40° Baume ab, und läßt fie in Behältern erfal-
ten. Nachdem der Eifenvitriol aus der: Lauge heraus kryſtalliſirt
ift, wird dieſe neuerdings in den Keſſel gefüllt, bi6 zu 40° Baune
abgedampft, und dann zur Präzipitirung abgelaifen. Eben diefes
Verfahren fann auch Statt finden, wenn dad Nebenfalz Bitter»
falz it. Diefe Behandlungsart hat zwar den Vortheil, daß zur
Präzipitirung eine mehr gefättigte Lauge von fehwefelfaurer Thon«
erde gebracht wird, wodurch) eine geringere Menge von Mutterlauge
abfällt, auch das Alaunmehl feiner wird. Auf der andern Seite
ſteht diefe Methode der vorigen darin nach, daß fie mehr Gefäße
braucht, und zu einer und derfelben Zeit die Fabrifation des Alauns
mit jener des Nebenfalzes nöthig macht, während leptere nach der
vorigen Methode in Zeiten, wo die Alaunerzeugung vermindert
ift, 3.8. im Winter, aus der aufgefammelten Mutterlauge betrie-
ben werden fann. Überdem ift, wie fchon oben erwähnt, damit
ein Verluft an fchwefelfaurer Thonerde verbunden, die dem Eifen- .
vitriol anhängt, zum Zheil mit ihm in Verbindung bleibt, und
ihm ein blafled Anfehen gibt. Dagegen Fryftallifirt der Eifenvitriol
aus der fchon von der fchwefelfauren Ihonerde befreiten Mutter⸗
lauge rein und in feiner natürlichen Farbe—
5) Die Waſchung des Alaunmehls. Das aus den
Präsipitirfäften genommene Alaunmehl befteht aus Fleinen Kryftal-
Ien, die wegen der beigemengten Mutterlauge ein bräunliches -
Anſehen haben, und noch mit Bitterfalz und Eifenvitriol vermengt
14 *
212 # Alaun.
ſind, von welcher Verunreinigung ſie durch Waſchen mit kaltem
Waſſer befreit werden muͤſſen. Damit bei dieſem Waſchen nicht
wieder zu viel Alaun aufgeloͤſt werde, muß daſſelbe mit ſo we⸗
nig Waſſer als moͤglich geſchehen. Man kann es entweder in
einem geneigten leeren Praͤzipitirkaſten vornehmen, in welchen
man einen Theil des Alaunmehld bringt, das Waſſer darüber
fchüttet, und, fo wie es abfließt, wieder mit einer Schaufel darüber
gießt, und mit dem Alaunmehl zufammenrührt. Oder beiler,
man bringt das Alaunmehl in einen Bottich, gießt Faltes Wafler
darüber, Täßt Ddiefed durch das Salz bindurchfiltriren, und
dann diefe Wafchlauge, wenn fie etwa 25° 8. zeigt, unten Durch
den Zapfen abfließen. Man gießt hierauf neuerdings Faltes Waſſer
auf, welches, indem es fich durch das Sal; filtrirt, noch den Reft
der fremden leicht auflöslichen Salze wegnimmt, und zieht dieſes
ebenfalls ab. Dieſes legtere Waller wird ftatt reinen Waffers auf
eine neue Quantität Alaunmehl gegoffen, nad feiner Sättigung
abgezogen, u.f.w. Die mehr gefättigte Wafchlauge hingegen wird
fogleich der Rohlauge zum Verfieden in den Keffeln zugefebt.
Diefer durch Auswafchen gereinigte Alaun wird nun aus dem
Waſchbottich genommen, und auf einer etwas geneigten Ebene in
Haufen gebracht, damit die Beuchtigfeit noch vollends abfließe ;
worauf er zum Kryſtalliſiren fommt.
6) Die Kryftallifation. Der ausgewafchene Alaun wird
in einen hinreichend geräumigen fupfernen Keffel gebracht, fein
eigenes Gewicht an Faltem Waller darauf gegoffen, die Aufld-
fung durch Umruͤhren befördert, die Lauge fredend gemacht,
und durch die unten am Keffel befindliche mit einem Hahn verfe-
bene Abflugröhre in die tiefer ſtehenden KAryftallifir-Bottiche abges
Iaffen. Diefe Gefäße find 5 Fuß hoch, oben 3 Fuß weit, unten etwas
enger, aus gewöhnlichen flarfen Dauben zufammengefegt und
mit einigen eifernen Reifen gebunden, fo daß fie Teicht auseinander
genommen und wieder zuſammengeſetzt werden können. Bei dem
Erkalten ryftallifirt die Alaunauflöfung in großen, fi) an den
Wänden anlegenden Maffen, und in dem mittleren Theile fammelt
fi die Mutterlauge, fo daß die Alaunmaffe einen abgefürgten,
am breiteren Ende etwas ausgehöhlten Kegel darftellt; Der Bot⸗
tich wird nun aus einander genommen, die Mutterlauge zum Ver
Ammoniaf-Alaun. 213
fieden mit der Roblauge verwendet, die Alaunmaſſe zerſchlagen,
an einem etwas erwaͤrmten Orte auf Huͤrden vollends getrock⸗
. net, und hiernach als Kaufmannswaare verpackt. In einigen Fa⸗
brifen verſendet man auch ohne weitere Verpackung Die maſſiven
Alaunfegel felbf. Dem runden Kryftallifiekeffel gibt man zweck⸗
mäßig einen etwas fpigiger, oder mit einem Kreisbogen von gerin-
gerem Halbmeſſer zulaufenden Boden, fo daß diefer eine Art von
Sad bildet, in welchem die unauflöslichen Theile fich abzufegen
Kaum finden, und in demfelben zurücdbleiben, wenn die Auflö-.
fung durd) die über demfelben liegende Ausflußröhre abgezo-
gen wird. |
Diefer unauflösliche Rüdftand befteht zum Xheil aus dem
bafifhen Alaun, der fich auch bei diefer legten Operation, fo wie
bei allen früheren, gebildet oder audgefchieden hat. Diefe ſaͤmmt⸗
lichen Bodenfäße werden in einem Sumpfe gefammelt, zum Zheil
dem NRohlaugenbehälter zugefept (©. 205), und zum Theil mit der
tifenvitriolhaltigen Mutterlauge vermengt, wo die Schwefelfäure
des ſich allmählich orydirenden Eifenvitriols jenen baſiſchen Alaun
wieder zu auflöslichem Alaun herſtellt. Gewöhnlidy wird dieſer
Schlamm weggeworfen, was jedoch ein Verluſt ift, da derfelbe
felbft dann noch mit Vortheil auf Alaun benugt werden kann,
wenn man ihn mit verbünnter Schwefelfäure durch Kochen auflöft.
Wenn man flatt des fchwefelfauren, falsfauren oder Fohlen
fauren Kali, fhwefelfaures oder Fohlenfaures Ammoniaf bei der
Präzipitirung anwendet, fo entfteht der fogenannte Ammoniat-
Alaun (fchwefelfaure Ammoniak» Thonerde), welcher dem Kali«
Alaun fo vollfomnlen gleicht, daß er dem Äußern nach nicht von
demfelben unterfchieden werden fann. Wei gelindem Glühen ver»
liert er, wie der Kali-Alaun, fein Kryſtallwaſſer, dad 48.55 Prozent
beträgt; bei firengerer Hige dagegen hinterläßt er reine Thonerde,
indem das Ammoniaf und die Schwefelfäure ſich verflüchtigen.
Wenn man zum Präzipitirmittel nebft dem Kali: Sluß nody ger.
faulten Urin nimmt, welcher großen Theild fohlenfaured Am«
moniaf enthält ; fo entfteht diefer Alaun zugleich mit dem andern.
In Deutfcyland, wo die kalihaltigen Fluͤſſe, beſonders die Seifen⸗
ſiederlauge, leichter und wohlfeiler zu haben find, als die Ammo-
niakſalze, wird von dieſem Alaun wenig Gebrauch gemacht, und
on
> 5 Ve Alaun.
er entjteht nur nebenbei und in geringerer Menge in einigen Fa⸗
brifen, in denensman nebft dem gewöhnlichen Fluſſe noch faulen
Urin anwendet. - An Sranfreich dagegen wird er in bedeutender
Menge fabrizirt, und gewöhnlich das fchwefelfaure Ammoniaf,
das in andern Sabrifen im Großen bergeftellt wird, dazu entwe⸗
der allein oder in Verbindung mit einem Kalifluß verwendet. Die
Anwendung des fehwefelfauren Ammoniaks hat gegen jene des
fhwefelfauren Kali den Vortheil, daß, da jened Salz; nur a Theile
falten Waſſers zur Auflöfung braucht, die Mengung der Laugen
bei der Präzipitirung in gewöhnlicher Temperatur viel konzentrir⸗
ter feyn Fann. Die Auflöfung des falzfauren Kali in der Seifen⸗
fiederlauge gewährt jedoch nahe denfelben Vortheil (&. 210).
In Sranfreich wird die fchwefelfaure Thonerde auch kuͤnſtlich
durch Auflöfung des Ihons in Schwefelfäure bereitet, aus wel
cher dann auf gewöhnliche Art der Alaun durch Zufag von ſchwo⸗
felfaurem Kali oder Ammoniaf dargeftellt wird. Diefe Methoden
haben in Deutfchland, das einen Überfluß von Alaunfchiefer und
Braunfohlenlagern befigt, Feine Anwendung, und fönnen bei den
‚niedrigen Preifen des Alauns mit Vortheil nicht audgeübt werden.
Die nähere Befchreibung derfelben wäre daher bier nicht an ihrem
Drte. Dagegen will ich noch zwei Methoden erwähnen, die nach
Lofalitätöverhältniffen mit Vortheil betrieben werden können.
Die erite fann auf Schwefelwerfen ald Nebenfabrifation bes
trieben werden, wenn man nähmlich die zur Abtreibung ded Schwer
fels zum Theil entfchwefelten Schwefelfiefe (fogenannte S ch w es
felbrände), ftatt fie auf Eifenvitriol zu benügen, mit Thon
vermengt, den man vorher gelinde. geröjtet und zerfleinert hat,
die Mengung in Haufen fhichtet, und unter zeitweifem Begießen
mit Waſſer der Verwitterung überläßt. Diefe Haufen werden dann
auf gewöhnliche Art ausgelaugt. Die zweite Methode kann da
angewendet werden, wo Zement: oder eifenvitriolhaltige Waͤſſer
vorfommen. Aus getrodnetem und zerfleinertem Ihon wird auf
einem geebneten Boden eine Lage von einigen Zollen Dicke aufges
führt, diefe mit dem Zementwaſſer befeuchtet; Darauf wieder eine
Lage Thon, u. f. f., bis hinreichend große flache Haufen gebildet
: find, die man von Zeit zu Zeit mit dem Zementwaffer begießt, und
fie endlich zur Auslaugung bringt.
Alaun. 215°
Bei der Zabrifation des Alaund auf eine oder die andere
Seife ift ed eine Dauptfache, darauf zu fehen, daß der Alaun eifen= -
frei dargeſtellt, folglich der Eifenvitriol oder das ſchwefelfaure Eifen-
oxyd möglichjt ausgefchieden werde, wohin ein Theil der vorftehen-
den Behandlungsart abzwedt. Alaunlaugen, welche ald Neben⸗
befandtheil Vitterfalz enthalten, geben bei gleicher Verfahrungs-
art einen reinern Alaun, weil dad in geringerer Menge eingemifchte
Eifenfal; durch die allmähliche Drpdirung in den .‚verfchiedenen
Dperationen vollfländiger audgefcyieden wird, ald außerdem.
Ebenfalls eifenfrei ift der aus den Alaunfteinen bereitete Alaun, _
Daher der römifche Alaun ehemahls jedem andern in den Särbereien
vorgezogen worden ill. Wenn ein Alaun einige Zaufendtheile fei-
nes Gewichte Eifenornd enthält, fo wird dieſes fchon bei jenen Far⸗
ben merklich, deren Schattirung durch ein Eifenfalz verändert wird.
Mancher Alaun enthält davon nur 0.001, und iſt darum für Die
feinften Sarben, zumahl auf Seide und Baumwolle, doch nicht
brauchbar: der römische Alaun enthält höchflend 0.0005 Eifenoryd.
Völlig eifenfrei, oder dem aus Alaunftein Dargeftellten gleich, kann
jedoch jeder Alaun bergefiellt werden, wenn man ihn noch ein
Mahl umfryfiallifirt, falls die erfte Kryſtalliſation noch einen
merklichen Rüdftand an Eifenfalz gelaſſen hätte. Für den Fall,
als man diefe wiederhohlte Kryftallifattion vornehmen will, ift es
dann beffer, bei der eriten Kryfiallifation den Alaun nicht in gros
Ben Kryftallen anfchießen zu laſſen, fondern aus der zur Abfühlung
ſtehenden Auflöfung durch Rühren, wodurd die Bildung regel-
mäßiger und großer Kryftalle gehindert wird, den Alaun ald Mehl
oder in Fleinen förnigen Kryſtallen auszufcheiden, weil Dadurch
die noch Eifenvitriol enthaltende Mutterlauge, welche in die grö-
ßeren Kryftalle mit eingeht, ausgeſchloſſen wird. So geförnt, dann
nochmahls aufgelöft und auf die befchriebene Art in großen Kry«
ſtallen dargeftellt, wird der Alaun völlig rein.
Was die Ausbeute an Alaun aus einer beftimmten Dienge
der Alaunfchiefer betrifft, fo ift dieſelbe nach der Befchaffenheit
dieſes Materials, feines Gehalts an Schwefelfies und der Art der
Vertheilung deflelben in dem Thone, fo daß die Umwandlung de& _
Eifenvitriols in fhwefelfaure Thonerde in größerer Menge vor fich
gehen faun, bedeutend verfchieden. Doch liegt diefe Ausbeute ges
216 Alkalien.
wöhnlich innerhalb der Grenzen von ı bis Progentz fo daß für
einen Zentner Alaun 100 bis 200 Zentner Schiefer erforderlich
find. Doc) gibt es auch Schiefer, zumahl der eigentliche Alauns
fchiefer aus der älteren Sormation, deflen Gehalt 2 auf 2 Pros
zent ſteigt. Ä
Der Alaun findet in den Künken eine fehr ausgedehnte An⸗
wendung; beſonders in der Bärberei und zur Bereifung der Lad»
farben, in der Lederbereitung, zum Leimen des Papiers, ale
Klärungsmittel, u. few. Das gewöhnliche Prüfnngsmittel: auf
den Eifengehalt einer Alaunforte ift da8 blaufaure Eifen
kali. Zu dieſem Behufe gießt man in eine gefättigte Auflöfung
des zu prüfenden Alauns einen oder zwei Tropfen vonder Auflde
fung jenes Salzes. Wenn die Sarbe der Alaunauflöfung nicht
augenblidlic) oder nach einer oder zwei Minuten blau wird, fo
ift der Alaun wenigftens eben fo rein, als der römifche, und noch
reiner als diefer, wenn fi) nad) Verlauf von 24 Stunden nicht
eine bläuliche Schattirung durch die ganze Flüſſigkeit verbreitet bat.
d. H.
Alkalien.
Die Alkalien ſind unter den ſalzfaͤhigen Grundlagen oder
Baſen, d. h. den Metalloxyden, welche in Verbindung mit
Saͤuren Salze darſtellen, diejenigen, denen dieſe ſalzmachende
Eigenſchaft oder die Saͤttigung und Neutraliſirung der Saͤuren in
vorzüglichem Grade zukommt, und die ſich uͤberdem noch durch
einige andere Eigenſchaften in der Art auszeichnen, daß ſie als
eine eigene Klaſſe von Körpern angeſehen werden fönnen. Dieſe
. Unterfcheidungsmerfmahle beftehen in einem eigenthümlichen Taus
genhaften Gefhmad und Geruch, welcher Tegtere ſich vorzüglich
bei fochendheißen Auflöfungen entwidelt, und durch das Vorhan⸗
denfeyn vegetabilifcher oder thierifcher Theile verftärft wird (Laugen«
geruch) ; in der Einenfchaft, auf thierifche Theile, 3.8. die Haut,
aͤtzend (Fauftifch) zu wirfen, wenn fie in reinem Zuftande,
nähmlich mit feiner Säure, felbft nicht der Kohlenfäure, verbunden
find ; und in der Eigenfchaft, einige blaue oder rothe Pflanzenfar-
ben grün zu färben, z. B. den Barbeftoff von Veilchen, Rothkohl,
sothen Nofen ıc.; andere rothe Farben blau, wie das durch eine
Alkofien. 217
Säure geräthete Lackmus oder Sernambuf; und endlich verfchie
Dene gelbe Farben braun, wie Kurkume, Rhabarber.
Die Alkalien find: das Kali, Natron, Lithon, Ams
moniaf; bie Baryterde, Strontianerbe, Kalkerde
und Talk: oder Bittererde.
Die vier legteren werden auch die afalifhen Erden ge:
nannt, weil fie in mehreren Stüden mit den eigentlichen Erden
übereinfommen, fo daß die Wittererde gleichfam den Übergang
von den alfalifchen zu den eigentlichen Erden bildet. Unter den
eigentlichen Alfalien fommt das Lithon, das dem Natron ähnlich
iſt, nur felten, im Befondern in einer röthlichen Olimmerart, dem
Lepidolith, vor, und ift von feiner technifehen Anwendung. Die
am längften befannten Alkalien, Kali und Natron, wurden fonft
auch Laugenfalze genannt, weil fie aus der Ajchenlauge von
Begetäbilien erhalten werden, und das Ammoniaf, das ſich von
den beiden vorigen durch feine Fluͤchtigkeit unterfcheidet, hieß das
fluͤchtige Laugenſalz.
Mit Ausnahme des Ammoniaks, das im reinen Zuſtande
eigentlich nur als Gas bei der gewöhnlichen Temperatur exiſtirt,
find fämmtliche Alkalien ſehr fenerbeftändig, und gehen unter ſich
und mit den Erden bei hoher Temperatur in den glafigen Fluß
über. Sie find fämmtlih im Waſſer auflöslich, die Bittererde
jedoch nur in geringem Grade. Die technifchen Anwendungen der
Alfalien find fehr mannigfaltig, und mit Ausnahme des Lithons
werden diefelben in eigenen Artikeln in diefem Werke behandelt
werden.
Unter den Alfalien haben Kali und Natron in den Gewerben
einen fehr außgedehnten Gebrauch, unter der in bem Handel vors
kommenden Form der Pottafche und der Soda, in welchen jene
beiden Alfalien mit mehreren Salzen vermengt vorfommen, fo daß
der Gehalt diefer Gemenge an reinem Alkali fehr verfchteden ıfl,
Da ed nun fowohl für die Dreisbeflimmung diefer Waare, als
auch für die richtige Ansfährung jener Operationen, zu welchen
Pottaſche ober Soda verwendet wird, von Wichtigkeit ift, den
Alkaligehalt derfelben zu kennen; fo ift man genöthigt, fie
einer Prüfung zu unterwerfen, zu deren Erleichterung man fich
218 Alkalien,
aud) eines eigenen Fleinen Apparated, eines ſogenaunten =.
limeters, bedient.
Das Prüfungsmittel der Pottafche oder der Soda if ders
dünnte Schwefelfäure, mit welcher man eine abgewogene Quan-
tität des unreinen Alkali bis zur Neutralifirung verfept, und dann
aus der Menge der hierzu angewandten Säure auf den Gehalt an
zeinem Alkali fchließt. Man verfchafft fich nähmlich zuerſt eine Pros
beflüffigfeit, die in einer etwas größern Menge in Vorrath herges
fiellt, in einer wohlverftopften gläfernen Blafche aufbewahrt
werben kann, und aud einem Theile Sonzentrirter Schwefelfäure
son 1.85 ſpez. Gewicht und q Theilen reinen Waſſers befteht, die
vorher, durch allmähliges Eingießen’ der Schwefelfäure in das
Waſſer, gut zufammengemifcht worden find. Wan nimnit von
der zu -prüfenden Pottafche oder Soda mehrere Loth, umd
zeibt fie in einem fleinernen Mörfer ganz fein und gut unter einan-
der. Dann wägt man aus diefer Maſſe 100 Gran genau ab; loͤſet
Diefe in einer binreichenden Quantität (etwa 5 bis 6 Mahl fo viel)
reinen Waſſers auf, indem man fie in einem Slasmörfer mit dem
Wafler zufammenreibt; läßt die unaufgelöften Theile ſich feßen;
gießt das Klare davon in ein Glas ab; wäfcht den Rüdftand noch
mit etwas Waller qus, damit fein Alfali zuruͤckbleibe; und gießt
dDiefes zu dem Vorigen. Man füllt nun mit der Probeflüfligkeit
eino Pleinere Flaſche mit engenr Halfe, wägt diefelbe, gießt hier⸗
auf, unter befländigem Umruͤhren mit einem Glaöftabe, von der vers
Dünnten Schwefelfäure nach und nad) in die Pottafchen- oder So⸗
baauflöfung; und unterfucht, fo wie dad Aufbraufen oder die
Entwicklung der Kohlenfäure etwas nachlaͤßt, mit dem Ladmude
papier, ob die Sättigung mit Der Säure eintrete, wozu man auch
ein foldyes Papier über den Rand des Glaſes in die Flüſſigkeit
hängen daflen kaun, um die Veränderung der Farbe fogleich zu
bemerfen, Die Probeflüffigfeit wird zulegt nur tropfenweife zu:
gegoflen und gut eingerührt. Bängt endlich das Papier an fich
etwas zu röthen , und. diefe Nöthe an der Luft zu behalten, fo
Hört man mit dem Zugießen auf; wägt neuerdings die Flaſche
mit der — und bemerft den Gewichtsabgang. Da dieſe Flüſ⸗
figfeit 7; ihres Gewichtes an Fonzentrirtee Säure enthält, fo ift
der zehnte Theil jenes Gewichtsabganges die Quantitaͤt der kon⸗
Altalimeter, 219
zentririen Echwefelfäure, welche von den 100 Gran des unreinen
Alfali gefättigt worden ift. Geſetzt diefe® Gewicht der verwen⸗
deten Probeflüffigfeit betrage 400 Gran; fo werden durch 200
Gran des unreinen Alkali 40 Gran fonzentrirter Säure gefättiget.
Bei einer zweiten Sorte von Pottafche oder Soda betrage das
Gewicht der aufgewendeten Probefäure 5ao Gran; fo werden von
100 Gran derfelben 52 Gran der fonzentrirten Schwefelfäure ges
fättiget; ‚der Gehalt an Altali, folglich der Werth der erfteren
Salzmaſſe gegen jenen der zweiten verbält ſich alfo wie 40
zu 52. Aus diefem Nefultate läßt fich nun auch der abfolute Ges
halt der Pottafche oder der Soda an reinem Alfali berechnen.
Denn 100 heile fonzentrirtee Schwefelfäure von 1.85 ſpez. Ges
wicht fättigen 96.1 Theile von reinem wafferfreien Kalı, und 03.4
Theile von folhem Natron. Es verhält ſich alfo z. ©. für den
erften Gall 100: 96.1 == 40:x, oder der wirkliche Gehalt an reinem
Kali it = —— — 38.44 Prozent.
Dei diefen Verſuchen wird das Lackmuspapier fchon vor ber
Sättigung durch die in der Zlüfligfeit zurückgehaltene Kohlenfäure
etwas geröthet: diefe Roͤthe verfchwindet jedody wieder, wenn
man dad Papier an der Luft trocknet oder erwärmt. Am ficherften
it es, wenn man die Flüſſigkeit erhitzt, wodurch die Kohlenfäure
außgetrieben wird, für welchen Sal man auch die Flüſſigkeit felbft -
mit etwas Lackmustinktur vermifchen kann, wo die Änderung der
Farbe fogleih in das Auge fallt. Zieht ſich ungeachtet des
einige Minuten fortgefebten Kochens die Tinftur oder das Papier
bleibend ind Nöthliche, fo ift die Sättigung vollendet. Bei diefer
Roͤthung ift zwar ſchon ein Feiner Überfchuß von Säure vorhan«
den; man berüdfichtiget denfelben aber hier mehr als hinreichend,
‚wenn man von dem gefundenen Gehalte a Prozent abrechnet, .
Um bei diefer Unterfuchung das doppelte, mit hinzeichender
Genauigfeit zu gefchehende, Abwägen der Probefäure zu erfparen;,
bat Deseroizilles ein Alfalimeter oder emen Alfalimef
fer angegeben, welcher im Wefentlichen aus einer ı2 bis 14 Zoll
hohen und etwa z Zoll weiten gläfernen Röhre befteht, die unten
mit einem Fuße verfehen ift, und oben an der Mündung einen
Heinen Ausguß hat, Zaf.3, Sig. 12. Außen ift eine Skale yon
—
220 | Alkalien.
200 Theilen befindlich, von welcher der Nullpunkt oben, und die
Bezeichnung 100 unten am Buße angefchrieben ift. Die Einthei⸗
fung diefer Skale iſt fo hergeftellt, daß in dem Raume zwifchen
zwei Xheilftrichen, oder in dem Raum eined Grades, von der
Probeflüffigfeit, welche den zehnten Theil ihres Gewichtes an
Schwefelfäure von 66° (1.845 fpez. Gewicht) enthält, 5 Deci⸗
gramm, alfo 5 Eentigramm diefer fonzentrirten Säure enthalten
find. Zur Anftellung giner Probe werden nun 5 Gramm der zu
unterfuchenden Pottafche oder Soda auf die befchriebene Art in
Waſſer aufgelöft; dad graduirte Gefäß wirb mit der Probefäure
biö zu dem Nullpunfte angefüllt, umd nun diefelbe bis zur. Neu⸗
tralifirung in die Alfaliauflöfung gegoflen. Nach der Sättigung
bemerft man den Grad der Sfale, bis zu welchem die Säure
ausgegoſſen worden ift, und diefer Grad zeigt die Anzahl der
Theile der Schwefelfäure von 66° an, welche erforderlic, waren,
um 100 Theile des zu prüfenden Alfali zu fättigen. Iſt 5.8. die
Flüffigfeit bis zu dem Theilſtrich 50 ausgegoffen worden, enthält
alfo die Pottafche oder Soda 50 Grad, fo enthielten 100 Theile
des geprüften Salzes fo viel reines Alfali, als durch 60 Theile
Scwefelfäure von 66° gefättiget werden. Auf diefe Art ergibt
fi) alfo, wie bei der erften Methode, zwifchen mehreren Pottafche-
oder Soda⸗Sorten nicht nur der relative Werth, fondern es laͤßt ſich
auch auf diefelbe Art, aus der gefundenen Menge der zur Sätti-
gung nöthigen Schwefelfäure, der wirfliche Gehalt an reinem Als
‚ Tali, berechnen.
Diefes Altalimeter gibt alfo unmittelbar die relativen Gehalte
verfchiedener Pottafche: und Soda⸗Sorten in Graden an, welche
die Menge der konzentrirten Säure von 66° bezeichnen, die zur
Meutralifirung von 100 Theilen des zu prüfenden Alfali erforder:
lich war. Fuͤr die relativen Preifes und Werthbeitimmungen der
Pottafche und Soda ift dieſes Nefultat Binreichend. Da aber in
den technifchen Anwendungen es dem Babrifanten von befonderer
" Wichtigkeit ift, den abfoluten Gehalt feiner Pottafche oder Soda
jedes Mahl zufennen; fo fcheint es noch eine Unvollfommenbheit des
Alfalimeterd von Descroizilles zufeyn, daß diefe Beftimmung
doch noch erſt Durch Rechnung gefunden werden muß. |
Ich habe daher der Probe mit dem Alkalimeter die nachfol⸗
Alkalimeter. 221
gende Einrichtung gegeben, bei welcher‘ die Grade deffelben un:
mittelbar den wirklichen Gehalt der Pottafche oder Soda at:teis
nem Altali angeben; ohne daß dabei eine. andere oder weitläufigere
Manipulation erforderlich ift, als bei Descroizilles Einrichtung. .
Das Alkalimeter ſelbſt wird, wie nach Descroizilles, mit det
Skale von 100 Graden bergeftellt, welche Durch Kalibtiren mit
reinem Waſſer genau abgetheilt, und mit einem Diamant eiur
gefchnitten werden. Die Größe eined Grades ift hier willkuͤrlich,
und es kann daher für Diefe Methode auch jedes fchon vorhundene
Deservizilles ſche Alfalimeter gebraucht werden. Die Grabuirungi
daher auch Hier viel leichter, ale bei Deservizilles Methode ; bei
welcher jeder Grad eine ſchon vorläufig beſtimmte Menge kanzen⸗
trietee Säure faflen muß. Nun find für Die Prüfungen der Netsr
afche und der Soda zwei Probeflüfligfeiten in Vorrath hetzuſtellen.
Die Prpbeflüfligkeit für Pottaſche muß fo zuſammengeſetzt werden,
daß bie Menge, welche das Gefäß bis zu feinem Nullpunkte der
von faßt, 104 Gran Schwefelfäure vom ſpez. Gewicht 1.85 en&
hält. Man füllt daber dad Gefäß bis etiwa zu drei Viertel mit
reinem Wafler, tröpfelt Iangfam 104 Gran Schwefelfäure Sirene,
und gießt endlich noch fo viel Waller nach, daß die Flüffigfeit ges
sade bis an den Nullpunkt reicht. Für die Probeflüfligfeit auf
Natron fegt man auf diefelbe Weile 157 Gran der nähmlichen
fonzentrirten Schwefelfäure zu. Wenn man in jedem diefer Bälle
die verdünnte Säure wägt, und vom ihrem Gewichte 104 oder
oder 157 Gran abzieht, fo findet man die Menge des darin ent-
haltenen Waflers, deſſen Verhältniß zum Gewichte der Säure
man ald Nichtfehnur nimmt, um darmadı. Die Probeflüffigfeiten,
ohne Hülfe des graduirten Gefäßes, in größerer Menge zum Vor⸗
rath zu verfertigen.
Sol nun z. B. eine Pottafche geprüft werden ‚, fo werden,
wie vorher, ı00 Gran derfelben in Waſſer aufgelöft; dad Alfı«
limeter wird mit der für die Pottafche beftimmten Probefäure bis
zum Mullpunkte gefüllt, und die Auflöfung damit verfegt; fo zeige
der Zheilungöftrich der Skale, bis zu welchem die Säure zur Neu⸗
tralifirang von 100 Gran der zu prüfenden Pottafche verbraucht
worden iſt, den Prozentengehalt der Pottafche an reinem Kali,
222 | Alkohol. .
Gefegt die Fluͤſſigkeit wäre bis auf 5a gebraucht worden ; fo ent |
hält die probierte Pottafche 50 Prozent reines Kali.
Diefe Einrichtung beruht auf folgendem Grunde. Bon en
reinen waflerfreien Kali werden 100 Gran durch 104 Gran Schwe⸗
fefäure von 1.85 fpez. Gewicht, und 100 Gran reined Natron
duch 157 Gran diefer Säure gefättiget. Wenn alfo die Kapazi-
tät-der in 100 Theile getheilten Proberoͤhre 104 Gran fonzentrir«
ter. Schwefelfäure für bie Pottafche, und 157 Gran für die Soda
enthält; fo entfpricht jeder Grad der Sala, wenn die Nentrali-
firung mit 100 Gran der zu probierenden Pottafche vorgenommen
wied , einem Prozent Alfaligehalt der unterfuchten Pottaſche oder
Soda. Auf diefe Art gibt das Alfalimeter unmittelbar den abfolu«
ten Alkaligehalt der zu prüfenden Pottafche oder Soda, folglid
auch bei der Vergleichung mehrerer Pottafche-Sorten in diefen Zah:
len deren relative Werthe. Um bei den Proben mit dem Alfalimes
ter den geringen Überfchuß der Säure bei der Neutralifiruag zu
kompenſiren, nimmt man einen Grad weniger, ald dad Niveau
der ruckſtaͤndigen Flüffigfeit anzeigt. Das Meilen der Flüſſigkeiten
in dem Altalimeter gilt übrigens für die mittlere Temperatur.
d. H.
Alkohol.
Der — iſt das in der Weingaͤhrung durch die Ver:
änderung des Zuckers entfiandene Produft, das den wefentlichen
Beftandtheil des Weines, des Branntweind und anderer geiftigen
Siüffigfeiten ausmacht, und in dem Weingeifte, wie er durch Rek⸗
tififation des reinen Branntweind gewonnen wird, nur noch mit
Waſſer vermifcht vorhanden ift.
Aus diefem waͤſſerigen Alkohol oder Weingeift laßt ſich noch
durch Deftillation dad Waffer großen Theils abfcheiden, indem der
Alkohol als viel flüchtiger zuerft und nur noch mit wenig Waffer
verbunden übergeht, während der größere Theil des Waſſers mit
dem geringeren Theile des Alfohols zurüd bleibt. Man deſtillirt
Daher gemeinen Weingeift oder ftarfen Branntwein, und fängt da⸗
von nur das zuerft übergehende Drittel, oder nur fo viel auf, als
Das ſpez. Gewicht von 0.9 (25 bis 36° Bauıne) nicht tiberfteigt.
Mühe 2223
Dieß tft der gewoͤhnliche rektifizirte Weingeiſt. Bon die⸗
fem Weingeiſte deſtillirt man neuerdings ein Drittel ai, das
man für fich auffängt ‚ und dad nun. ein fpezififches Gewicht von -
0.833 (38° 8.) Bat. Diefes ift der fogenannte Höchft reftifis -
zirte Weingeift. Durch wiederhohlte Rektifizirung Fann das
fpezififche Gewicht des Alkohols bis auf o.825 (40° B.), aber
nicht weiter herabgebracht werden, bei welcher Dichtigfeit und
mittlerer Temperatur derfelbe noch 11 Prozent Waller enthält. ::
Der Srund, daß der Alkohdl durch die bloße Rektifikation
nicht ganz vom Wajler befreit werden fann, liegt fowohl in der
feften Verbindung des Waſſers mit demfelben, als auch in dem
Umftande , daß Alkohol von 94 Prozent eben ſo flüchtig iſt, als
der ganz waſſerfreie, ja (nah Delin und Fuch s) des letzteren
Siedepunkt ſelbſt noch etwas höher iſt, als jener des 97 und 96
prozentigen Alkohols; fo daß bei der Deſtillation eines 44 Prozent
haltenden Alkohols die zuerſt übergehende Portion waſſerhaltiger
iſt, als die nachfolgende. Der waſſerfreie Alkohol hat unter at
Zoll Luftdruck feinen Siedpunkt bei 60.62° R
Enthaͤlt dagegen der Alkohol mehr als 6 Prozent Waſſer;
fo ift immer der zuerft übergehemde Theil an Alkohok reicher, und
die Temperatur des Siedpunktes ober der Weingaifibämpfe wird
immer höher. je weiter die Deſtillation fertfchreitet: . Nah Groͤ⸗
nings Verfuchen gehören Den Weingeiſtdaͤmpfen von nachſte⸗
bendem Alfoholgehalt in Prozeuten dei Volums (aach Tralles
Altoholometer, bei 125°.R.), welche füh: aus der in den Deſtillivblafe
fiedenden Flüſſigkeit entwickeln, die beigeſetzten Temperaturen zu,
a Afoholgehalt |
‚ber rüdftändigen
Dämpfe. | Slüffigfeit.
| Alkoholgehalt |
Ä Temperatur der — |
2 En > Stüfigteit. |
65° 85 50 |
66 82 40
67 80 35 |
68 „8 ‚30 |
69 76 5 |
70 71 20
| 71 68 8 |
| ‘7. 66 16 |
| 73 61 13 . |
| ob 55 10 .
75 50 7 J
76 43 5 4
77 36 3 14
78 28 a
79 13 1
80 0 o
Groͤning hat dieſe Verfuche ungewendet, um dad Therme
meter bei der Branntweinbrennerei als Altoholometer zu benügen,
and dadurch fowohl den Alfoholgehalt des Deftillats ald der in der
Blaſe rüdftändigen Flüſſigkeit zu meflen ; zu welchem Behufe daB
<hermometer mittelft eines durchbohrten Korkftöpfels in eine, in
der Helmroͤhre befindliche furze Röhre eingefept wird. Es verfleht
fi) übrigens, daß bei diefen Beobachtungen, wenn fie vergleichbar
feyn ſollen, der Barometerftand nahe unverändert bleiben muß,
weil lepterer den Siedpunkt fogleich bedeutend ändert. Da übris
gend durch dieſe Methode nur jedes Mahl der Alfoholgehalt der in
einer gewiflen Zeit mit derfelben Temperatur übergeheuden Flüffig-
beit gemeffen wird ; fo gibt fie den Alfoholgehalt des ganzen Des
ſtillats nur näherungsweife, fteht daher dem Gebrauche der ge«
wöhnlichen Alfoholometer nach, dient aber als ein fehr zweckmäßi⸗
ges Mittel zur fteten Beobachtung des Ganges der Deftillation,
weßhalb wir in dem Artifel Branntweinbrennerei nod
darauf zuräd fommen.
.
⸗
\
Altohol.® 225
Die einem gewillen Prozentengehalte forrefpondirende Tempe⸗
zatur der Weingeiftdämpfe kann auf eine zwedinäßige Art benuͤtzt
werden, um ſchon ducch eine einmahlige Deftillation den Alfohol
fo waiferfrei zu erhalten, als es durch bloße Deftillation angeht.
Dan feße nähmlich auf die Blafe einen Helm, aus deffen oberiten
Theile das Helmrohr zuerft fenfrecht in die Höhe, dann erſt feit-
wärts in das Kühlgefäß geht, und umgebe den Helm, fo wie
einen heil des fenfrechten Helmrohres mit einem hölzernen, mit
warmen Waſſer gefüllten Gefäße. Wenn die Deftillation, die hier
am beften im Dampfbade gefchieht, vor fich geht, fo werden fich
im Helme und in der fenfrechten Helmröhre alle jene Dämpfe kon⸗
denfiren, und in die Blafe zurüdfallen, deren Temperatur höher
ift, als jene des umgebenden warmen Waller, und nur die
Dämpfe von gleicher Temperatur werden unfondenfirt in die feit«
wärtd gehende Kühlröhre gelangen, und ſich hier verdichten. Erz
halt man alfo das warme Waſſer auf einer Temperatur z 8. von
63° R., indem man Sorge trägt, der fleten Erwärmung diefes
Waflers durch die in dem Helme Fondenfirten Dämpfe durch ange⸗
meflenes Zufließen von falten Waller entgegen zu witfen, um die
gewinfchte Temperatur, fo viel es hier möglich ift, gleid) zu ere
halten; fo wird nach. der. vorigen Tabelle bei mittlerer Temperatur
und mittlerem Barometerftande das Deftillat go Prozent Alkohol
enthalten. Die Anwendung diefed Prinzips macht in der Brannte
weinbrennerei die wefentlichfte Verbefferung aus, welche she
in neuerer Zeit erhalten hat.
Eine andere Methode zur Konzentrirung des Alfohols iſt die
von Sömmering entdedte, gegründet auf die Eigenfchaft der
Rindsblaſe, Waſſer durch fi) Hindurchzulaffen und nad) außen zu
verdünften,, den Alkohol dagegen nicht, oder in nicht merflichem
Grade. Wird daher eine Ochfenblafe mit Weingeift gefüllt, gut
zugebunden und an einem warmen Orte aufgehängt; fo verdfinftet
allmaͤhlich das Waller, während der Alkohol weit mehr wailerfrei
zurückbleibt, fo daß fich auf dieſe Weife Alkohal dis auf 97 und 98
Prozent entwaͤſſern laͤßt.
Nach Soöommering nimmt man hierzu die Blaſe eines Ochſen
oder Kalbes, weicht fie einige Beit in Waſſer, blaͤſt fie anf, und
befreit fie von dent Bette. und den anhängenden Gefäßen, wad
Technol. Encyclop. 1. 8%, "5.
226 Alkohol.
auch, indem man ſie umkehrt, mit der inneren Seite geſchieht.
Nachdem fie wieder aufgeblafen und getrocknet worden iſt, über-
ftreicht man fie, die äußere Seite zwei Mahl, die innere vier Mahl,
mit einer Auflöfung von Haufenblafe, wodurd ihr Gewebe dichter
wird, und die Konzentrirung des Alkohols beifer vor fich geht.
Eine fo vorbereitete Blafe fann hundert und mehr Mahl zum Ges
brauche dienen. Sie wird mit dem zu fonzenteireuden Weingeifte
gefüllt (jedoch ein Fleiner Raum leer gelaffen) feft zugebunden, und
nun an einem warmen Orte, in einer Temperatur von etwa 4o°R.,
über einem Sandbade oder in der Nähe eines geheißten Ofens, auf⸗
gehängt. Das Waller verdünftet allmählich durch die Blaſe, fo
daß letztere feucht anzufühlen ift, wenn das fpez. Gewicht des ent⸗
baltenen Weingeiftes größer ift ald 0.952. Schwächerer Weingeift
verliert dabei fein Waſſer fchneller, als flärferer; in 6 bis 12
Stunden ift der Alfohol, wenn hinreichende Wärme angewendet
worden ift, fonzentrirt.
Diefe wenig foftfpielige Methode ift befonder8 zur Herftel:
Iung des Alfohold für die Sirnißbereitung zu empfehlen. Soll der
Alfohol zu anderem Gebrauche dienen, fo muß man ihn von den
aus der Blafe etwa aufgelöften Theilen durch Deftillation befreien,
Auf diefelbe Art verftärft fich der Alfohol, wie Sö mmering fehon
früher gefunden hatte, wenn das Gefäß, das den Weingeift ent⸗
hält, mit einer Blaſe überbunden ift, die mit der Slüffigfeit ſelbſt
nicht in Berührung fteht. Auf dieſe Weife verftärfen fich alle an⸗
deren, Alfohol und Waller enthaltenden ſlüſſigkeiten, als Wein,
Zider, u. ſ. w.
Soll der Alkohol völlig, waſſerfrei, oder als ſogenannter
abſoluter Alkohol dargeſtellt werden, in welcher Reinheit
ihm ein ſpez. Gewicht von 0.7947 bei 120R., oder von 0.791 bei
ı6°R., verglichen mit Waffer von derfelben Temperatur, zufomnt;
fo muß ihm dad Waſſer mit Hülfe von Salzen, die eine flarfe
Anziehung zu diefem haben, entzogen werden. Hierzu dient vor-
zuglich der ſalzſaure Kalf (das Chlorfalzium). Diefes Sal; wird
vorher gefchmolzen, gröblich zerftoßen, und dann mit dem gleichen
Gewichte Alfohol von 0.833 fpez. Gewichte in einer mit einem
paſſenden Stöpfel verfehenen Flaſche gemengt, um die Auflöfung
des Salzes zu. bewirken. Die klare Auflöfung wird nun in. eine
Alkohol. 227
Snetorte abgegoffen, und das halbe Volum vom angewendeten
Alfohol, oder fo viel ald noch ein fpez. Gewicht von 0.791 bei
26° A. zeigt, bei gelinder Wärme abpdeftillirt.
Statt des falzfauren Kalfes fann man auch ungelöfchten
Kalk anwenden, den man in die Retorte bringt, ihn mit dem gleis
chen Bewichte Alfohol von 0.84 übergießt, und die Fluͤſſigkeit bei
gelinder Wärme überdeftillirt. Diefer Alfohol enthält etwas Kalf
aufgelöft, was ihm zu feiner Anwendung zu Firniſſen ꝛc. nicht
fchadet. Um ihn auch von diefem zu reinigen, fann er 10 ein
Mahl deftillirt werden.
Nahe, aber nicht völlig, waiferfrei wird der Alkohol auch
ohne Deftillation durch die Vermengung mit trockenem (vorher mis
fig ausgeglühten) kohlenſauren Kali (Weinſteinſalz, etwa” ein
Drittel des Gewichts des Alfohols), welches das Waller aufnimmt
und fich darin auflöft, während der Alfohol abgefchieden wird.
Die Auflöfung des Salzes bildet unter dem Alfohol eine abgefon-
derte Schichte einer dicken Slüffigfeit, von welcher derfelbe abge⸗
zogen wird. Gr enthält etwas Alfali aufgelöft, wird daher, wenn
dieſes entfernt werden foll, noch ein Mahl abgezogen. Zur möge
lichten Entwaͤſſerung fest man wiederholt fo viel trockenes Wein-
fteinfalz zu, daß die letzte Portion trocken auf dem Boden lies
gen bleibt. |
Der wafferfreie Alfohol befteht dem Gewichte nah aus
52 66 Kohlenftoff, 12.90 Waſſerſtoff und 34.44 &auerftoff.
Cr hat eine fehr große Anziehung zum Waifer, nimmt daifelbe
fhon aus der Luft auf, daher er in wohl verfchloffenen Gefäßen
aufbewahrt werden muß, und entzieht es den vegetabilifchen und
thierifchen Stoffen, mit denen er in Berührung kommt; dient das
ber auch ald Aufbewahrungsmittel für thierifche Theile, die er
austrodnet, und daher vor der Faͤulniß fhübt. Der Alfohol ift ein
Auflöfungsmittel für viele Stoffe: Harze, ätherifhe Ohle, Kane
pfer ıc. werden in Menge von ihm aufgelöft, und er ift daher
für die Bereitung der fogenannten Weingeiftfienijfe, für Niechs
wälfer u. dgl. ein wefentliches Ingrediend, worüber das Nöthige
an feinem Orte. Die Auflöfung eines Harzed oder eines ätherifchen
Dsles in Alkohol wird durch Zufab von Waffer mildig, weil
diefes durch feine Anziehung zum Alkohol den aufgelöiten, im
15 iu
Br > 1 Alkohol.
Waſſer felbft umauflöslichen Stoff ausfcheidet. Auch mehrere
Salze, befonders die zerfließlichen, Töft er auf, und einige derſel⸗
ben färben feine Flamme: fo wird diefe durch die Auflöfung der
Strontianfalze purpurfarben, grün durch die Kupferfalze und die
Borarfäure; röthlich durch Kalk: und gelblich durd) Baryt-Salze.
Wird Alfohol mit Waffer verfegt, fo erfolgt eine Erwär-
mung und Zufammenziehung ded Volums, die zwifchen 53.9 und
54 Prozent Alfoholgehalt ein Marimum erreicht, und dann bei
weiterer Verfegung mit Waller wieder abnimmt. Fuͤr Alfohol
von 90 Prozent im Volum beträgt diefe Zufammenziehung 1.94
Prozent des Volums; für 80 Proz. 2.87; für 70 Proz. 3.44;
für 60 Pros. 3. 73; für 40 Proz. 3.44; für 3o Proz. 3.72; für
20 Proz. 1.72; für 10 Proz. 0.72. Um daher den Gehalt des
Weingeifted an Alkohol zu beſtimmen, ift es nothwendig, daß für
die beftimmten Mifchungsverhältniife zwifchen Alfohol und Waſſer
das zugehörige fpez. Gewicht durch Werfuche ausgemittelt werde.
Iſt dieſes gefchehen, fo kann dann durch jedes für leichtere Flüͤſſig⸗
keiten ald Wafler eingerichtete Ardometer, das entweder nach
den fpesififchen Gewichten oder nach willfürlichen Graden, die
einem beftimmten fpez. Gewichte entfprechen, eingetheilt ift, der
Prozentengehalt des Weingeiftes oder Branntweins an Alfohol von
‚irgend einer angenommenen Stärfe oder Reinheit beftimmt wers
den. Ein zu diefem Gebrauche beſtimmtes Aräometer führt dann
den Rahmen Alfoholometer oder Branntweinwage, im
Befondern, wenn die Skale deſſelben fo eingetheilt ijt, daß fie
ſtatt der fpez. Gewichte unmittelbar die Prozente des wällerigen
Alfohols, dem Gewichte oder dem Volum nad, angibt Die nach
den Progenten ded Gewichtes an reinem Alfohol getheilte Skale
ift jene des Alfoholometerd von Richter, und die nach den
Prozenten ded Volums aegele ‚, jene des Alfobolometerd von
Tralles.
Da der Alkohol in mehr oder weniger mit Waller verfchtem
Zuftande unter der Benennung Weingeift, Aquavit, Branntwein,
einen bedeutenden Sabrifations: und Handelsartifel ausmacht; fo
ift die fo viel möglich erleichterte Beflimmung des Alfoholgehalts
diefer Slüffigfeiten von Wichtigfeit. Unter Brannewein verfteht
man in der Regel den noch zum Genuſſe dienenden wällerigen
Alkoholometer. 22
Weingeiſt, deſſen ſpez. Gewicht hoͤchſtens 0.925 (22° B.) betraͤg
wovon die ſtaͤrkſten Sorten auch Aquavit heißen; während bie a
Alkohol reicheren,, folglid) ohne Verdünnung nicht mehr zum ©
auffe beflimmten Slüffigfeiten, unter der Benennung Weingei
begriffen werden, den man wieder, wie bereitö oben erwähnt worden
in reftifizirten (von 0.9 fpez. Gew.) und hoͤchſt reftifizirten (vo
0.825 fpez. Gew.) eintheilt; und jene von noch geringerem fpe
Gewichte, die nur durch chemifche Mittel noch von dem Waflı
weiter befreit werden fönnen, Alkohol heißen.
Da das fpesififhe Gewicht einer Mifchung aus Weingei
und Waffer nur für eine beflimmte Temperatur gilt, indem d
Dichtigfeit der Flüffigfeit mit der Erniedrigung oder Erhöhung di
Zemperatur zus oder abnimmt; fo fommt es hier bauptfächlir
darauf an, bei verfchiedenen Temperaturen und verfchiedenen M
Ihungsverhältnijfen des Alkohols und Waſſers das fpezififche ©
wicht diefer Mifchung zu beftimmen. Gilpin hat hierüber m
Benügung aller Hülfsmittel und mit außerordentlicher Sorgfa
(auf Veraplaffung der englifchen Regierung) eine aͤußerſt mühſan
‚Arbeit geliefert, die an Genauigfeit wohl fchwerlich fo leicht übe:
troffen werden dürfte, und die mehr und weniger Allem, was fei
dem in diefem Sache geleiftet worden ift, zu Grunde liegt. D
nachftehende Tafel enthält Gil pins Beflimmungen: der von ihı
zum Grunde gelegte Alfohol ift hoͤchſt reftifizirter Weingeift vo
0.825 fpez. Gewicht, eine Annahme, die für den öffentlichen ©:
brauch darum zweckmaͤßig ift, weil diefer Weingeift der ftärkfte if
der Durch einfache Reftifizirung erhalten werden fann, und ftärfe
als irgend eine der im Handel vorkommenden Weingeifl-Sorter
Das Mifchungsverhältniß ift in diefer Zafel nach Dem Gewicht
angegeben, fo daß z. B. auf 100 Gewichttheile Weingeift 5 Ge
wichttheile Waffer, u. ſ. w. fommen.
Alkohol,
0
——— — —
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253
Altoholometer.
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u3B38 any
Burg Vobuogs Viobuiag Viabuiag; Vibuiↄg; | J1Buraaz Vabuiꝰg; | Buggy Vꝛobuiagꝭ ward
5
234 Alkohol.
Da die Getränfe in der Regel dem Maße und nicht dem
Gewichte nach im Handel erfcheinen, und ed ſonach bequemer ift,
den Alfoholgehalt der Mifchung in Progenten des Volums
zu willen; fo hat Tralles mit Zugrundelegung der Gilpin’-
fhen Refultate neue Tafeln ausgearbeitet, in welchen der Prozens
stengehalt dem Volum nach angegeben ift, und wafferfreier Alfos
hol zum Grunde gelegt wird, welcher bei 60° Fahr. (12.044 R.),
mit Waffer im Marimum feiner Dichtigfeit verglichen, 0.7939
fpez. Gewicht hat, was einem fpez. Gewichte von 0.7946 mit
Wailer von derfelben Temperatur bei 60° 5. verglichen, entfpritht.
Der Gilpin'ſche Alfohol von 0.825 enthält alfo 93.6 Prozent des
Volums an wafferfreiem Alfohol.
Die nachftehende Tafel enthält hiernach die den fpesifiichen
©ewichten der Zlüfligfeit (jenes des Waſſers bei 60° 5. = gggı
gefegt) entfprechenden Gehalte an waflerfreiem Alkohol in Prozens
ten deö Volums bei der Normaltemperatur von 60° Bahr. oder
120.44 R.
100 100
Maße derSpezifiſches Unter⸗ Maße der
ı Slüffigkeit | Gewicht ſchiede derFlüfſſigkeit
enthalten bei fpesififchen!| enthalten
Spezififches | Unter:
Gewicht Ifchiede der
bei fpezififchen
— * 60° F. | Gewidte. —2 — 60° F, | Gewidte.
0 999? r6 9791 21
| 9976 15 17 y7Bı 10
2 9961 15 | ı8 9771 10
3 9947 14 19 9761 10 |
4 9933 14 20 9751 10
5 9919 14 21 974 1 10
6 9906 13 22 9731 10
7 9893 13 23 9730 1 21
8 «881 12 24 9710 10
9 986g 12 25 q9700 10
10 9857 19 36 9689 11
11 9845 12 27 9679 10
13 9834 11 28 9668 11
13 9823 X 29 9657 11
14 9812 1 3o 9646 s
15 9802 10 Jı 9634 12
Alkoholometer. 335
— — — —— —
ö —— e — — — —— — ——— — — — — —— —
Maße der Spezifiſches Unter⸗
Fluͤſſigkeit Gewicht ſchiede der
a [bei fpesififchen
aße ”
Altopor. | 0° F- Gewichte
323 9632 ah
‚33 9609 24
34 9596 24
35 9583 ‚35
36 9570 25
‚397 9556 35
38 954 1 35
39 9526 26
"40 9510 ab
41 9494 26
42 9478 27
43 9461 27
44 9444 37
45 9427 27.
46 9409 28
47 . 9391 28
48 9373 28
49 9354 29
50 9335 3o
51 09315 ‘30
52 9295 3o
63 9355 3ı
54 9254 323
55 9234 33
56 | 9313 33
57 9192 34
58 9170 35
59 9148 36
60 9126 37
bı 9104 39
63 9082 4ı
63 9059 43
64 9036 46
65 9013 49
66 8989
236 Alkohol.
Die dritte Kolumne dieſer Tafel enthält die Unterſchiede der
ſpeziſiſchen Gewichte, welche für den Hall, ald dad gegebene ſpe⸗
zififche Gewicht nicht genau in der Tafel vorfommt, den Nenner
des Bruches geben, deilen Zähler der Unterfchied des gegebenen
ſpezifiſchen Gewichts von dem in der Tafel befindlichen nächft grös
Beren iſt. 3. 8. das bei 60° F. gefundene fpezififche Gewicht der
Slüfligkeit fey = 9605 (Progentengehalt zwifchen 33 und 34);
fo ift die Differenz von 9609 (der in der Tafel nächft größeren
Zahl) = 4, alfo der Bruch = 7, oder der Progentengehalt
gleich 33%
Aus den Angaben diefer Tafel laßt fich auch der Progenten-
gehalt an Alfohol nach dem Gewichte finden. Man multie
plizirt nähmlich die Anzahl der Maße Alkohol, welche die Tafel
für ein beftimmtes fpegifilches Gewicht der Mifchung angibt, mit
dem fpesififchen Gewichte bes reinen Alfohols, alfo mit 7939; fo
ift die berausfommende Zahl die Anzahl der Pfunde Alfohol in fo
viel Pfunden, ald das -fpezififche Gewicht mit 100 multipliziert ane
gibt. 3.8. In der Mifchung von g510 fpezififchem Gewicht find _
40 Maße Alfohol enthalten: hiernach find alfo ing51000 Pfunden
dieſes Weingeifled 7939 >< 40 = 3ı75bo Pfunde Alkohol;
oder in 100 Pfunden des Weingeiſtes von g510 fpezifiihem en
wicht 33.39 Pfund Alkohol enthalten.
Da die vorhergehende Tafel den wahren Alkoholgehalt nur
in dem Falle angibt, wenn die Flüffigfeit, von welcher die Probe
gemacht wird, die Normaltemperatur von 60° F. hat; fo gibt nach«
folgende Tafel Die Prozentengehalte der Blufligfeit bei dem für
die beigefebten Temperaturen gefundenen fpezififchen Gewichte.
237
Alfoholometer.
ıLıg | Hozg: |
zobb | 0L66 | 9L66 1906 | Lg66 ı666 o
‚ 9g58 | age | oogg | seen | 06 gutg | estg qosts ob
.t££B | S9E8 . 96£8 | Zerg | Bstg | Bar 8 — 9098 | GE9B 58
£8r8 | Vıcg vygg | ECG | T0gg | 1E98 08 Lg | buLg| ıLlq 08
v209g | 6998 | 1998 | o1lg | geLg | S9LB gL Lvag £Lgg | b6gg 96
| 95£8 | Yale | sı98 | 6gng | 9988-| sögg | 04 oLbg | göhg | 1506 ol
uggg | bobg | gehe | zgbg | ggbg | E06 89 8g06 | Erb | gg16 9
0006 | 9506 | 1606 | gLo6 | goı6 | 9216 09 gbı6, | 2s:6 | ahz6 00
Yırb | 6816 | ggı6 | Zgi6 | 1156 | HEc6 59 zog6 | Gsgb | LYe6 cc
ızch | Hhc6 | Zge6 | 06r6 | grE6 | gggh 0g 66£6 | oshb | ott6 0g
osgb | zhe6 | 49E6 | GgE6 | goh6 | Lutb | ch 9876 | 9056 | gz56 J
sıH6 | ggh6 | eghb oyν | 1666 | o1ch oh 996 1966 | g6c6 ob
gbh6 | Yıgb | zegh | 6456 | ggc6 | usb | SE 6796 | #96 | g596 Se
uLc6 | ggc6 | £096 | gı96 } E96 | 9696 og tggh | Gbg6 | LoL6 o£
8£96 | 3596 | G996 | gLg6 | 0696 | ouLb Gr 63L6 | gelb | gyL6 <=
ooL6 | 11L6 | ueL6 | ggLh | ehL6 | 1016 0 sLL6b | LLL6 | vgL6 0%
19Lb | ıLL6 | 6LL6 | ggL6 | 96L6 | zogh 91 Lıg6b | osg6 | 2886 91
| ges ıgg6 | 6686 | Gyg6 | uog6 | Log6 01 Lgg6 | 8986 | 6986 or
| hgnb | Lug6 | £066 | 6066 | gı66 | 6166 9 g9s66 | 9266 | 9566 9
g666 | L666 | L666
ogEI TE] ustoıt,
10438
unygvaadmayg sj0gogR
"I oS8|' 008)" 0596|" 00L|°1 099 | A 009 ee "I 099]°1 006 |°1 erha .ohl’g
31093
unynaodwmaz
240 Alkohol.
Alkohol inſ Laͤnge des | Abſtand
vrorenten eingefentten] zwiſchen
des | Theils der jjedem Pro⸗
Bolums. | Nöhre.
Alkohol in Ränge des | Abitand
Prozenten|eingefenkten| zwifchen
des Theile der jedem Pro⸗
Dolums. | Nöhre. | zentgrad.
1067 28 833 1701 39
|
| 65 1096 20 84 1740 39
J 66 | 1136 29 85 ı17ı 41
J 6 1154 | 29 — 86 1823 42
68 1184 30 - 89 1866 43
69 1215 31 88 1910 44
I 70 1246, 3ı 89 1955 45 |
| 71 1278 32 90 2003 |. 47
il 7a 1310 32 91 2050 48
| 3 1342 33 92 2099 49
Ä ab 1375 33 93 3150 51
| 78 1409 34 94 2203 63
| 6 1443 34 95 3259 56
ft 77 1478 35 96 2318 59
78 1514 36 97 2380 63
79 1550 36 "98 2447 67
80 1587 37° 99 3519 72
81 1624 37 100 2597 8
83 1662 36 |
Um nad) diefer Tafel ein Alfoholometer zu graduiren; fo
fenft man daſſelbe zuerft in reinem Waſſer ein, und dann in
Weingeift von einem beftinimten Progentengehalt (welchen man
vorher mitteljt des durch eine genaue hydroſtatiſche Wage bei
60° F. gefundenen fpez. Gewichtes aus der Tafel (©. 334) ent-
nommen bat), 5. ®. von 50 Prozent, beide von der Temperatur
60° F., und bemerft an der Röhre die beiden Punfte, bis zu wel⸗
hen das Inftrument in dieſen Klüffigfeiten einfinft. Nun zeigt
die Tabelle an, daß den 50 Prozenten die Länge des eingefenkften
Theile der Röhre von 712, oder von 712 —9g==703 zugehört,
wenn von dem Punkte des Waſſers an gezählt wird. Theilt man alfo,
die Länge zwifchen diefen beiden betimniten Punkten in 703 Theile,
Alkoholoineter. ht
und trägt uun:nach der dritten Aolsunne der Tafel noch weiten auf⸗
wärtd.sd fedcher Theile, füc den Sı Progentpunft, Dann a3 Theile
für 52, u. fi:wı und dben fo auch g folcher Aheile noch unter o;
oder dem Punkt des reinen Waſſers, fo zeigen dann Die in der
zweiten Rolumne angegebenen Zahlen den relativen Abſtand von
diefene äußexften abgeflochenen Punkte bis zu jedem Prozentgrade
an, welchen war nun nach der. exrften-Kolamine des Tafel neben
dem zugehörigen Theilungsſtrich auf Die Dkale fest. Soll die
Skale nur für Peozente im einem gewillss-Umfang, 3. ®. von
Zo bis Bo Prozent Alkohol, reichen; fo wird das Ardometer fo ein:
gerichtet, Daß es in dem 3o.prozentigen Woingeiſt: bis etwas uber
dee Kugel einſinkt; man beſtimmt fowohl dieſen Punkt als jenen,
bis zu welchrut es in beim Bo prozentigen Weingeiſt einſinkt, und
theilt dann dieſe Laͤnge in 1607 367 — 1220 Theile, ſetzt von
dem unteren Pankte an, auf den 3Bo.— 367 — 13 Theil den
3r. Posgentgrab: una [0:3 Theile: weiter den 3e,.,' u f f y ui
den Angaben der dritten Kolumne der Tafel. 1.
GE wich Hierbei voramägefent, daß der Hals des‘ Arhömetert
durchgrhends von gleichent Kaliber. ſey. Mur muß daher bei dei
Auswahl.der Glasroͤhren BMI Se eAngunG möglich! nahe zu errei⸗
hen ſuchen. Wariationer von etwä — des Durchmeilerd haben
feinen Einfluß mehr. Um auf jeden Fat fidyer zu ſeyn, fenft
man dad nod) einzutheilende Ardometer in mehrere Flüſſigkeiten
von größerem oder minderem Alfoholgehalt, der zuvor mittelft des
fpesififchen Gewichts durch eine genaue hydroſtatiſche Wage bei
60° F. gefunden worden ift, und theilt nun die verfchiedenen Zwi⸗
Ihenräume nad) Maßgabe der Tafel in die ihnen zufommende Zapl
von Theilen ein 3:8 Man habe mittelft dreier Probeflüffigfei:
ten auf dem Halfe die Prozentpunfte 73, 51 und 27 bemerft, wel
chen nach der Tafel die Theilungd = Zahlen 1342, 735 und 33a
zukommen. “Wenn fich alfo zwiſchen den Punften 73 und 51 ges
nau 607 folcher Theile eintragen laſſen, als deren 403 zwifchen
den Punften 5ı und 37 Plag haben; fo ift die Höhre oder der
Hals von richtigem Kaliber, Iſt dieſes nicht der Sal, fo muß
der zweite Zwifchenraum von 51 bis 73 fir fich In 607 gleiche
Theile getheilt werden, bei welchen man nun, wie vorher, nach
den in der Kolumne 3 der Tafel angegeberien Abftänden, die zuge:
Technol, Encyelsp.. I, Bd: 17)
-
242 Alkohol.
hörigen Prozente als 28, 29 ıc., und über &ı weiter 52, 53 ıc., an:
ſetzt. Je unregelmäßiger der Hals iſt, defto mehr ſolche Zwiſchen⸗
räume müſſen mittelft Der durch beſondere Verſuche zu AA RIENENE
den Prozentenpunfte gemacht werben.
Diefes Prozenten = Alfoholometer gibt nur genaue Beftim-
mungen für die. Temperatur von 60° F. (12°.44 R.); für andere .
Temperaturen iſt e¬hwendig, den entfprechenden wahren Prozen:
tengehalt, welcher dem unterfuchten Weingeifte beider Normaltem⸗
peratur zukommt, ‚in der Tafel (S. 237) aufzuſuchen, inden: man
denjenigen Prozentengehalt nimmt, welcher hei der beobachteten
Zemperatur dem nähmlichen fpezififchen Gewichte entipricht, wie Der
beobachtete bei:60°F. 3.%. bei Bo°F. zeigte das Alfoholometer 50
Prozent, welchem Gehalt bei 60° F. das fpezififche Gewicht 0.9335
zugehört ; diefes.fpezififche Gewicht fteht für 80° F, in einer nädy-
ſten Zahl inder Zafel dem Progentengehalt 45 gegenüber daher
- den wahre Gehalt bei 60° F. 45 Prozent, mit Veslaſſang des
Bruches, betraͤgt.
Zur Erleichterung des Aufſuchens dieſer Korreftion —
folgende, von Tralles mitgetheilte Tafel, welche unmittelbar
den wahren Prozentengehalt im Volum angibt, nach den bei ans
deren Temperaturen von einem gläfernen Alfoholometer angegebe⸗
nen Progentengehalten. |
2435
Alkoholometer.
369) 0 anun aoꝛautoynt guq 2916 Sog “39712029 — uafpraE aquaßay) uanqc uoq aoa ↄqiaꝛc uoilaago 229 m gu bunaa⸗uun
ı6 *
24 Alkohol.
Da das Prozenten⸗Alkoholometer nur in den ſeltenen Faͤllen,
wo gerade die Normaltemperatur eintrifft, den richtigen Alkohol⸗
gehalt angibt, bei allen übrigen Temperaturen aber die Korrektur
aus der Tafel genommen werden muß; was eben fo auch bei dem
nad) dem fpezifiichen Gewichte graduirten Aräometer, dad doch
eine allgemeine Anwendung auch für andere Slüffigfeiten hat, bie
fpezififch Teichter find als Waffer, der Fall ift: fo ift ed im Übri-
gen ebenfalls zwedmäßig, flatt eines Progenten- Mlfoholometers,
ein nach den ſpezifiſchen Gewichten in drei Dezinalftellen graduir-
tes Aräometer (ſ. Ardometer), ald Branntweinwage anzu
wenden, und nad) demfelben in einer Huülfstafel, nach der Form
der Tafel (S. 237), die Gehalte für jeded Prozent und für
jeden Grad der Temperatur aufzufuchen. Für diefen Zweck wäre
es eine verdienftliche Arbeit, die Silpin’fche Tafel, fowohl für die
Gewichts » als für die Wolum: Prozente, allenfalls mit Zugrund«
legung des waflerfreien Alkohols, für jedes Prozent und jeben
Ihermometergrad (R. und Gentef.) umzurechnen, und noch bie
Kolumne für die Zufammenziehung der Mifhung in Progenten
des Volums beizufügen. Durch letztere erhält man dann auch bei
den abfichtlichen Mifchungen aus Alkohol und Waffer die unmit:
telbare Angabe der Statt findenden Volumsverminderung. Ein
Auszug aus dieſer Tafel in einer folhen Form, das die erſte Ko-
fumne die Baume’fhen Grade enthält, und die folgenden
den einem jeden von diefen Graden zugehörigen wahren Pro-
jentengehalt für die Temperaturen von 2 zu 2 Grab R. angeben,
wird für den Gebraud) des ein Mahl beinahe allgemein recipirten
Baume'fchen Aräometerd eine eben fo verftändliche als Teicht zu _
benügende Hülfstafel feyn, und für alle Fälle des gemenen Le⸗
bens hinreichende Genauigkeit gewaͤhren.
Damit man bei Meſſungen mit dem Alkoholometer nicht ab⸗
geſondert ein Thermometer zur Ausmittelung der Temperatur in
die Flüſſigkeit zu ſenken braucht, iſt es am zweckmaͤßigſten, das
Thermometer mit dem Alkoholometer in der Art zu verbinden,
daß die Quedfilberfugel des Ihermometerd am unteren Theile
deilelben, die Röhre mit der Skale aber in der Röhre des Alfo-
holometers befindlich it, wodurch die Thermometerfugel noch das
fonft zus Beſchwerung nöthige Gewicht erfept. (f. Aräometer).
d. H.
Amalganı. 245
Amalgam.
Die Verbindung oder Legirung des Queckſilbers mit einem an-
deren Metalle wird Amalgam genannt. Die Amalgame find feſt,
oder teigig und flüffig, je nachdem fie weniger oder mehr Queckſil⸗
ber enthalten. Eigentlich verbindet fich dad Quedfilber mit einem
Metalle nur in einem beftimmten Verhältniffe ; diefe Legirung nimmt
aber dann auch noch mehr Auedfilber auf, in welchem fie aufge:
loͤſt iſt, in mehreren Fällen daraus Froftallifirt, nnd welches fich
durch mechanifchen Druck wieder abfondern läßt. Preßt man z. B.
ein Amalgam von Zinn mit fo viel Queeffilber, daß ed ganz flüffig
it, durch ein Stück fämifches Leder, fo dringt das Quedfilber
durch Die Poren deifelben, und Täßt das Amalgam in feſter Ger
ſtalt zuruck, das nur noch wenig freied Quedfilber enthält. Das
durchgepreßte Queckfilber enthält jedoch auch noch etwas weniges
von dem Metalle aufgelöft. Eifen, Kobalt, Nidel, Mangan
amalgamiren fich nicht ; das Antimon und das Platin nur fchwer.
Die Amalgame, von denen bei technifehen Anwendungen die Nede
ift, find jene des Goldes, Silbers, Zinns, Bleies, Zinfd und
Wismuths.
Die Verbindung des Queckſilbers mit den Metallen geht
fhon bei der gewöhnlichen Temperatur vor fich, und ein Gold:
blättchen z. B., das man in eine Schale legt, und mit etwas Queck⸗
filber übergießt , wird von diefem bald aufgelöf. Wie Leicht
goldene Münzen, goldene Ringe mit Quedfilber, mit dem fie in
Berührung kommen, felbft bis auf eine bedeutende Tiefe durch⸗
drungen werden, ift befannt; dad Metall wird dadurch brüchig,
und es ift eine angemeffene Erhigung beffelben erforderlich, um
durch die Vertreibung des Quedfilbers ihm feinen natürlichen Zu⸗
ftand wieder zu verfchaffen. Am zweckmaͤßigſten werden jedoch die
Amalgame durd) Anwendung von Wärme bereitet. Iſt das zu
amalgamirende Metall Teichtflüffig, ald Blei, Zinn, Wismuth
und Zinf, fo bringt man es in einem Ziegel, gerade nur bei der
Temperatur, die zu feinem Schmelzen erforderlich ift, in Fluß,
gießt Hierauf das vorher in einem andern Ziegel heiß gemadite _
Quetkſilber mit einem eifernen Löffel nach und nach ein, rührt
‚246 | Amalgam,
die Mifchung mit einem eifernen Stabe um, und gießt fie dann.
auf einen Stein oder in Wafler aus. |
-Bei firengflüfligen Metallen, wie Gold und Silber, bringt
man erft diefe vorher Iaminirten Metalle in den Ziegel, erhigt ihn
bis zum Rothglühen, und fügt dann das vorher erhigte Quedfil-
‚ber hinzu, wobei fodann die Amalgamation fogleich vor fich geht,
und durch Umrühren befördert wird. Man kann dabei auch umge:
fehrt verfahren, und zuerft dad Quedfilber in den Ziegel thun,
dieſes fo weit erhigen, bis es zu dampfen anfängt, hernady das
Metal eintragen , und mit einem eifernen Stabe umrühren;
worauf man ed audgießt, fobald man bemerft, daf das Metall
‚gefhmolzen if. Die Amalgame mit Gold, Silber und Kupfer
verlieren durch Erhitzung vollftändig dad Quedfilber wieder, das
ſich von denfelben abdeftillirten läßt; die leichtflüjfigen Metalle
halten jedod) einen Fleinen Theil Quedfilber hartnädig zurüd. Die
meiften Amalgame nehmen, in der Wärme bereitet, beim langſa⸗
men Abfühlen eine Erpftallinifche Form an.
Das Soldamalgam ift im gefättigten Zuftande hart, wird
aber wieder weich Durch Aneten und Erwärmung. Diefes Amal:
gam, und das des Sil bers, werdenhauptfächlic, zur Vergoldung
und Verfilberung von Kupfer und Mefling gebraucht, wovon
unter diefen Artifeln die Rede ift. Ein Fryftallinifches Silberamal-
gam ift der fogenannte Dianenbaum, den man erhält, wenn
ein Gemenge von 3 heilen einer gefättigten Auflöfung von Sil⸗
ber in &alpeterfäure mit 2 heilen einer gefättigten Auflöfung
von Quedfilber in Salpeterfäure vermifcht, und anfden Boden des
Gefäßes ein Amalgam von 7 Theilen Quedfilber mit ı Theil
DBlattfilber gelegt wird. Nach einigen Zagen fchießt aus diefer
Grundlage eine aus glänzenden Kryſtallen beftehende metallifche
Vegetation empor, die Erpftallifirted Silberamalgam ift, und aus
65.2 Zheilen Quedfilber, und 34.8 Theilen Silber befteht.
Das Zinnamalgam wird hauptfächlic zur Belegung
der Glas: Spiegel verwendet; 3 Theile Auedfilber und ı Theil
Zinn geben ein Amalgam in fubifchen Keyftallen. |
Das in der Wärme bereitete Bleiamalgam fryftallifirt
ebenfalls bei langſamer Erfaltung. Bei gleichen Theilen Blei und
Quedfilber ift dad Amalgam fefl. Durch Aneten und Erwärmen
—
Amalgam. 247
wird eo, wie das vorhergehende, weich. Auch das Zink amal⸗
gamirt ſich leicht in der Hitze: ſehr ſchwer jedoch das Kupfer, und
letzteres muß hierzu im fein zertheilten Zuſtande, wie es durch
Faͤllung einer Kupferauflöfung mittelſt Zink oder Eiſen erhalten
wird, genommen werden. Das Amalgam iſt hellroth von Farbe.
Das Wismuthamalgam iſt ſehr flüſſig, und theilt
dieſe Flüſſigkeit auch dem feſteren Bleiamalgam mit, wenn es
damit in Verbindung kommt Ein Amalgam aus 3 Theilen Queck⸗
filber, ı heil Blei, und ı Theil Wismuth ift fo flüffig, daß es
fi), wie reines Quedfilber, durch fämifches Leder preifen laͤßt.
Zur gewille Zwecke ſetzt man daher auch den Blei- und Zinnamal-
gamen Wiömuth zu, um ihre Leichtfläffigfeit bey gleichem Queck⸗
ſilbergehalt zu vermehren.
Letzteres iſt der Fall bei der Methode, Glaskugeln zu Spiegeln
auszugießen. Man nimmt dazu ein Amalgam aus ı Theil Zinn, ı
Theil Blei, ı Theil Wismuth und 4 Theilen Quedfilber ; oder aus ı
<heil Zinn, ı Theil Blei, 2 Iheilen Wismuth und 10 Theilen
Quedfilber; oder auch bloß aus ı Theil Wismuth -und 4 Theilen
Quedfilber ; ſchüttet das Amalgam in Die vorher wohl gereinigte Ku⸗
gel, und führt eödarin herum, bis die innere Fläche gänzlich überzos
gen if. Dad Amalgam darf fein Oxyd eingemengt enthalten,
und kann defhalb vorher durch einen feinen Ioderen Zeug filtrirt
werden. im die innere Släche der Kugel zu reinigen, muß man
fie mit einer Pottafchen Auflöfung, dann mit reinem Waſſer gut
ausfpülen, und mit reinem Löfchpapier austrocknen.
Aus Zinf mit Zinn wird das Amalgam zum Beſtreichen der
Reibkiffen für die Eleftrifirmafchinen bereite. Man erhibt zu
diefem Behufe zuerft das Zink in einem Ziegel, febt dann das Zinn
ju, und wenn dad Ganze gut geſchmolzen und umgerührt worden
if, gießt man es in einen andern, falten, Tiegel aus, in welchem
ſich das Quedfilber befindet, worauf man die Mifchung ſogleich
gut umrührt. Man fann auch Das vorher erwärmte, Quedfilber
der gefhmolzenen Metallmifchung zufeßen ; doch muß dieſes nach
und nach, gefchehen, um eine fehnelle Verbampfung bed Queck⸗
filberö und etwaiges Umberfprigen des Metalles zu vermeiden
Man kann diefes Amalgam mit etwas mehr.oder weniger. Queck⸗
ſilber bereiten. Verhaͤltuiſſe dazu find: » Theil Zink, 1 Theil
218 Amalgamatibn.
Zinn, 2 Theile Queckſilber (dad Kieumſay e r'iſch Amalgam);
oder 2 Theile Zink, ı Theil Zim und 5 Theile Queckſilber. Das
Amalganı wird nach dem Ausgießen gepulert, und mit Fett auf-
getragen.
Ein Amalgam aus gleichen heilen Zinn, Miemuth und
Queckſilber gibt, mit Eiweiß angerieben, einen ſilberartigen
Firniß zum Überziehen von Gypsfiguren und andern Gegen—
ſtaͤnden.
Das Zinkamalgam kann verwendet werden, u um dem blan-
fen Kupfer eine Similorfarbe zu geben; wenn es auf daffelbe
- . aufgetragen, das Quetkſilber abgeraucht, und die Fläche abge:
pugt wird. Die dünne Binflage hat fid) mit dem Aupfer verbun-
den, und einen goldähnlichen Uberzug (Meſſing) gebildet.
‚Amalgamation,
Amalgamation, Verguidung, Anguidung if
bie Operation der Verbindung eines Metalled mit dem Qnedfil
ber. Diefe Amalgamirung wird theild vorgenommen, um dad
Amalgam zu einem weitern Zwede zu verwenden, wie in dem
Artifel Amalgam erwähnt worden ift, theild um aus dem
. erhaltenen Amalgam dos Metall für fich darzuftellen. In diefer
legteren Beziehung ift die Amalgamation ein Mittel, um Metalle
aus einem Gemenge ven andern Stoffen, die ſich mit dem Queck⸗
filber nicht, oder nicht leicht verbinden, abzufcheiden. Beſonders
wird diefe Amalgamirung zur Ausfonderung von Gold und Sil:
ber aus folchen Gemengen angewendet. Dieß ift der Fall mit dem
bei den Gold» und Silberarbeitern, und in anderen Werfftdtten,
in denen Gold und Silber mit andern Metallen verarbeitet wird,
fi) ergebenden Abfalle (der Kräge), der aus metallifchen _
Gold- und Silbertheilen mit Abfällen anderer Metalle, mit erdi⸗
gen und vegetabilifchen Gemengtheilen verunreinigt, befteht. Die
lesteren laſſen fich durch Schlämmen abfondern , bei welchem die
Metalitheile, als fpezififch fchwerer, zu Boden fallen, während
die ablaufende Fluͤſſigkeit die leichteren Theile mit fort nimmt.
Enthält diefer nusgewafchene metallifche Ruͤckſtand (Schlich)
bloß Gold und Silber; ſo er unmittelbar zuſammen ge⸗
Amalgamation. 249
ſchmolzen. Enthält er aber noch Abfälle anderer Metalle, als
Kupfer, Zinn, Eifen oder Stahl ꝛc.; fo werden dieſe letzteren
Metalle erft durch vorhergehendes Nöften des Gemenges (unter
der Muffel eines Probierofens, oder im Großen auf dem Herde
eines Reverberirofens) orydirt, woranf fie fi) mit dem Quedfil-
ber nicht mehr verbinden fönnen. Das Gemenge wird fodann fein
zermahlen, und hernach unter Zufag von Waſſer mit Auedfilber
zufammen gerieben, oder in einem fich um feine Achfe drehenden
Faſſe unter einander gefchüttelt. Diefe Operationen fönnen im
Kleinen ganz auf diefelbe Weife auögeführt werden, wie im
Nachfolgenden ausführlicher für die Amalgamation im Großen ans
gegeben wird.
Auf diefelbe Art werden auch Erze, welche gediegened Golb
oder Silber fo fein zertheilt enthalten, daß aus dem gepochten
und gemahlenen Erze die erdigen Theile durch Schlämmen nicht
vollftändig abgefondert werden fönnen, zu Gute gemacht.
Aber auch aus Erzen, welche das Silber nicht im gediege-
nen Zuftande, fondern als Schwefelfilber enthalten, fann das
Silber durch Amalgamirung abgefchieden werden, und auf diefe
Weife wird auf manchen Hüttenwerfen, ald in Suüdamerifa und
in Sreiberg, der bedeutendfle Theildes ausgebrachten Silberd ge:
wonnen. In diefem Prozeffe wird das Silberer; mit Zufap von
Kochfalz zuerft einer Röftung oder Oxydation unterworfen, bei wel-
her der Schwefel des Schwefeljilbers in Schwefelfäure übergeht,
welche fi mit dem Natron ausdem Kochſalze zu Slauberfalz ver-
bindet, während die Salzfäure (das Chlor) des Kochfalzes fi
mit dem Silber zu falsfaurem Silber (Chlorfilber) verbindet.
Wird nun diefed geröftete Erz mit Waſſer und Quedfilber zuſam⸗
men gemengt, und dem Gemenge noch Eifen oder Kupfer in
Stüden zugeſetzt; fo geht die Verbindung des Silbers mit dem
Queckſilber vor fih, während die Salzfäure an das Eifen oder
Kupfer übertritt. Bei diefer Einwirfung tritt wahrfcheinlich durch
die Berährung des Eifend oder Kupfers mit dem (mehr elektrifch-
negativen) Queckſilber und der Salzauflöfung ein galvanifcher
Prozeß ein, durch welchen bie Zerfegung des Hornfilbers mittelft
erhöhter‘ Anziehung des Eifens oder Kupfers zur Salzfäure und
des Queckſilbers zum Silber befördert wird. Die zur Amalgama-
I
250 | Amalgamation.
tion verwendeten Silbererze enthalten gewöhnlich auch noch Schwe⸗
felkupfer und andere Schwefelmetalle: dieſe werden durch die
Köftung zum Theil ebenfalls in ſalzſaure Salze verwandelt; leg:
tere aber durch die Amalgamation nicht zerfeßt; fo daß das Amal-
gam, wenn die Operation‘ fonft gehörig von Statten gebt, nur
das in den Erzen vorhanden gewefene Silber enthält.
Die zuerft durch v. B ormangegebene, in Freiber g im Gro⸗
ßen ſeit einer Reihe von Jahren ausgeführte, und zu einem ge⸗
wiſſen Grade von Vollkommenheit gebrachte Amalgamationsmethode
der Silbererze beſteht aus folgenden Operationen.
1) Die Beſchickung der zum Amalgamiren beſtimmten
Erze. Man hat durch Erfahrung gefunden, daß man die vortheil⸗
hafteſte Beſchickung dann erhält, wenn man die verſchiedenen
Erze in einem folchen Verhaͤltniſſe zuſammen mengt, daß fie einen
Kohfteingehalt von 30 bis 35 Pfund im Zentner baben, und -
daß ihr Silbergehalt 7 bis 8 Loth, am beften 7: Loth, im Zent-
ner beträgt. Wäre der Rohfteingehalt größer, fo wäre eine wei-
tere Fortſetzung der Röftung nad der ſchon erfolgten Bil⸗
dung des Chlorfilbers nöthig, um die Schwefeltiefe noch vol:
lends zu orydiren: wäre der Silbergehalt im Verhältniffe grö-
fer, fo müßte man den Nohfteingehalt durch Zufab von Kiefen
vermehren , was wieder eine ‚verhältnißmäßig verlängerte Rö- _
ftung nothwendig machte. Auch Erze mit ftarfem Bleigehalt find
für dieſe Beſchickung nicht tauglich.
Die gehörig gepocdhten Erze werden nun mit 10 Progent
ihred Gewichtes Kochſalz, das ebenfalls zerftoßen ifl, gut gemengt.
3) Die Röftung, Das auf diefe Weife befchidte Erz
wird nun geröftet. Die Röftung gefchieht in einem Reverberir-
ofen (dem fogenannten ungarifchen Röftofen, welcher im Artifel
Dfen befchrieben wird), deilen hinterer, von dem Feuerherde
mehr entfernter Theil ald Trodenherd dient, während Die
Köftung auf dem vorderen Theile, dem Röftherde, vor fi
geht. Das gemengte Erz; wird zuerſt von dem über dem Ofen be«
findlihen Schicht» oder Befchidungsboden auf den Trockenherd
gelaflen, wo e8 durch die von dem Roͤſtherde kommende Wärme
in Zeit einer Dierteljtunde hinreichend ausgetroduet wird. Es
wird dann durch die Öffnung des Trockenherdes mit einer eiſer⸗
Amalgamation. 251
nen Krüde auf den um einige Zolle tiefer liegenden Röftherd gezo⸗
gen, und gleichförmig ausgebreitet. Die NRöftung felbft erfolgt
nun in drei Perioden. Die erfte iſt das Anfeuern. In diefer wird
auf dem Beuerherde das Beuer ununterbrochen unterhalten ; das
Erz durch die Offnung des Röftherdes mit einem eifernen Rechen
fletö Durchgerührt, um das Zufammenfleben der Maſſe zu ver:
hindern, und alle Theile nach und nach in das euer zu bringen.
Nach etwa drei Viertelftunden fängt das Erz an zu glühen,
und zwar zunaͤchſt am Seuerherde zuerft, daher man dann Diefes
Erz weiter gegen den Trodenherd, und Dagegen an deilen Stelle
das von der Seite des Trodenherdes zieht, um ein gleichförmis
ges Gluͤhen der ganzen Maſſe zu bewirfen. In diefer Periode ver-
flüchtigen ſich, nebft der noch rüdftändigen Beuchtigfeit, das
beigemengte Spießglanz, Arfenif und Kobalt in weißlichen
Dämpfen.
Eine und eine halbe Stunde nach dem erften Anfange der
Röſtung tritt Die zweite Periode ein, naͤhmlich jenedesAbfchwe-
feln8; indem das glühende Erz durch das Verbrennen des
Schwefelfiefes mit einer blauen Flamme überzogen ift, und von
felbft zu brennen fcheint. Hier hört man mitder Feuerung auf, das
mit Durch die nunmehr eingeleitete Orpdation der Kiefe die Zer⸗
ſetzung des Kochfalzes und die Bildung des Chlorſilbers, welche
der Zwed der Operation ift, vor ſich gehen fönne.
Diefe Periode dauert etwa dritthbalb Stunden, und gegen
dad Ende derfelben, wenn nähmlic) die Schwefelflammen allmäp-
lich verfchwinden, wird noch ein furzes, aber ſtarkes Feuer ge:
macht, um die flüchtigen Metalle noch vollends auszufcheiden.
Das Erz wird dabei noch ein Mahl gewendet. Die ganze Mafle
bat in diefer Zeit eine etwas teigige Konfiftenz angenommen, und
ihre Zufammenhang ift loderer, eine Folge der vorgegangenen
Zerftörung des Schwefeld, und der Bildung der neuen Salze.
Auch entwideln fi nunmehr falsfaure Dämpfe. Die Röftung
wird num noch (die dritte Periode, des Gutmachens) etwa
eine Stunde lang fortgefegt, während berfelben das Er; noch
ein Mahl gewendet, und diefed dann noch glübend heiß mit einer
eiſernen Krücke in einen eifernen zweirädrigen Wagen —
gezogen, und zum Abkuͤhlen ausgeleert.
252 Amalgamation.
3) Das Sieben und Mahlen. Auch das forgfäl-
tigfte Rühren und Umwenden des Erzed beim Nöften Fann das
Zufammenbaden zu Fleineren oder größeren Stücken nicht ver-
hindern, die eben dadurch der vollfländigen Wirfung des Roͤ—
fiend entgehen, indem die inneren Theile folcher Klumpen vor
der gänzlihen Oxydation gefchügt find. Es ift Daher nothwen-
dig, dieſe gröberen Stuͤcke (Röftgröbe, Graupen) abzu:
fondern, um fie wieder zu zerfleinern, und einer nochmahligen
KRöftung zu unterwerfen. Man laͤßt daher das geröftete Erz
dur Siebe (Raiter) von Eifendrath gehen, deren Löcher etwa
s ZoU im Durchmeifer haben, und fammelt dasjenige, was
über das Sieb weg geht, für die nochmahlige NRöftung, wäh:
rend das Durchgefiebte zum weiteren Vermahlen beflimmt wird.
Die Röftgröbe wird mit hölzernen Hämmern zerfchlagen, neuer:
dings mit a Prozent Kochfalz befhidt, und auf bie vorige
Weife geröftet, fo Daß jedoch dazu nur die Hälfte der Zeit für
gleiche Quantität. erforderlich ift. Für die Freiberger Befchidung
fallen von 100 Zentner geröfteten Erzes gewöhnlih nur ı7
Zentner Röftgröbe ab.
Eine vwefentlihe Bedingung der vollftändigen Amalgam
rung ift die möglich feinfte Zertheilung des geröfteten Erzeb.
Bon dem durchgefiebten Erze iſt gewöhnlich ein Theil fchon in
einem ftaubartigen Zuftande, der von dem Übrigen noch durch
Haarſiebe abgefondert werden kann. Alles andere wird auf einer
gewöhnlichen Mahlmühle vermahlen, deren Steine aus einem
feften Granit beftehen. Ein Gang mahlt in 8 Stunden 7 bis 8
Zentner fein. Das Beuteln des Mehls gefchieht durch gewöhne
liches Beuteltuch. |
4) Das Amalgamiren. Das Erzmehl ift nun zum
Amalgamiren gehörig vorbereitet. Das Amalgamiren oder An⸗
quiden felbft geichieht in Bäffern, die fich um ihre Achfe drehen,
und aus ftarfen, 3 Zoll diden Pfoften von Fichtenholz .herge:
ftellt, mit eifernen Reifen umgeben, und an den beiden Böden
mit eifernen Scheiben verfehen find, in welchen fich die Zapfen
befinden, mit denen fi) das Faß in den Zapfenlagern umdreht.
Die eine diefer Scheiben ift an der Peripherie mit einem ger
zahnten Rade verfehen, in welde das Stirnrad der Radwelle
Amulgamation. 255
eingreift. Ein ſolches Faß, auf 10 Zentner eingerichtet, Bat. in
Sreiberg 32 Buß Länge, und in der Mitte a: Fuß Durchmeifer,
im Lichten, der fich gegen die beiden Böden nur um 2 Zoll ver⸗
jüngt. Die zylindrifche Form wäre wegen der gleichförmigen Men⸗
gung der enthaltenen Maſſe eigentlich die befte: die Ausweitung
iſt gegen die Mitte alfo nur fo groß genommen, ald zum leichte:
sen Ausleeren der Mafle nach der Operation erforderlich ift. Zum
Füllen und Ablaffen hat das Faß ein 5 Zoll weites Spundloch,
dad durch einen hölzernen Spund verfchloifen werden kann, in
deſſen Mitte ſich wieder eine Feine: Zoll große, durch einen Stoͤp⸗
ſel verſchließbare Offnung befindet. Dieſer en ift durch einen
eiferuen Bügel befeftiget.
| In ein ſolches Faß (dad leer 14 — wiegt) werden nun
eingefült: so Zentner Erzmehl, 5 Zentner QAuedfilber, 3 Zent⸗
ner Waſſer, und 66 bi6 77 Pfund (6 bis 7 Prozent des Erz
quantums) an gefchmiedeten Eifenplättchen, die etwa ı* Zoll
lang und breit, und + Zoll dick find. Nach der Einfüllung diefer
Maſſen behält das Faß in der Spundgegend noch einen leeren
Kaum von etwa ı2 Zall.
Zuerft wird das Waſſer eingefüllt, Hierauf das Erz. Man
verfchließt fodann das Faß mit dem Spunde, und läßt es etwa
eine Stunde lang umgehen, damit das Erz mit dem Waffer fich
zu einem gleichförmigen Brei vermenge. Diefer Brei darf weder zu
fieif feyn, weil dann die Einwirfung des Queckſilbers erfchwert
wird, noch zu flüflig, weil ſich fonft das Quedfilber gegen die
Seitenwände des Falles anlegt, und mit der Maſſe nicht genug
vermengt wird. , Erze, die mehr thonige Gangarten enthalten,
bedürfen natürlich mehr Waller, ald andere, die weniger Waifer
abforbiren,, weßhalb hier die Erfahrung berathen werden muß.
Nun wird das Auedfilber fammt den Eifenplättchen einge⸗
füllt, und das Faß nad) der Verfchließung des Spundes in Um⸗
Tauf gebracht. Die Gefchwindigfeit darf dabei nicht zu groß feyn,
weil fonft durch die Schwungfroft dad Quedfilber zu fehr gegen
die innern Seitenwände getrieben werden würde; und man hält
der Erfahrung nach eine Anzahl der Umläufe von 18 bis 20 in
der Minute für die vortheilhafteite, was einer Gefchwindigfeit
der Peripherie des Faſſes an der Spundöffnung von etwa 150
254 Amalgamation.
Zuß in der Minute, oder von 22 Fuß in der Sekunde, entfpricht.
Eine Dauer des Umlaufes von ı6 bis 18 Sfunden hat man zur:
Beendigung der Amalgamirung hinreichend gefunden. : Während '
biefer Operation erfolgt die “oben erwähnte Zerfegung bes
Hornfilbers, und die Verbindung des Silber mit dem Quedfil-
ber: es entfteht dabei eine Erhöhung der . ‚ die gegen‘
das Ende bis auf 35° R. fteigt.
Die Eifenplättchen verlieren etwas an Gewicht dur Dige
dation und Auflöfung von den noch vorhandenen Kupfer- und
andern metallifchen Salzen (etwa 18 Prozent bei Einer Amalga⸗
mation); fie bleiben jedoch im Faſſe nach dem Ablaffen der übrigen’
.Maſſe, und werden erft erneuert, wenn fie nach einiger Zeit zu
ſtark angegriffen worden find. Außer der bereits oben, S. 249,
angegebenen Wirfung zur Zerfegung des Hornſilbers Haben fie bei
diefem Prozeffe noch den Vortheil, daß fie die Quantität des
zerfhlagenen Quedfilbers vermindern, d. h. desjenigen,
das in fo feine Kügelchen zertheilt wird, daß es in der dicklichen
Flüffigfeit ein fhaumartiged Anfehen gewinnt, und fih nur ſehr
ſchwer wieder in größere Maſſen vereinigen läßt, wodurch ein
Berluft an Auedfilber entfteht.
Nach einem etwa 18ftündigen Umlaufe der Säffer werden
diefe mit Waffer ganz voll gefüllt, wozu auf das Faß noch et-
wa 3 Zentner nöthig find. Die Maffe wird dadurch fo viel ver-
diinnt, daß das QAuedfilber fich Leicht aus derfelben fammeln, und’
zu Boden feben fann. Man läßt das Faß nun nod 2 Stunden
lang, mit etwa 12 Umdrehungen in der Minute, umlaufen; rüdt
ed dann, um es audzuleeren, von dem Stirnrade aus, und dreht
e8 fo, daß der Spund nach unten flieht. Man zieht nun den Za⸗
pfen aus der in dem Spunde befindlichen Fleinern Öffnung aus,
und läßt durch diefe dad Amalgam, das fi) am unteren Theile
des ruhenden Faſſes gefammelt hat, auslaufen. Hierauf wird aud)
der Spund geöffnet, und die entfilberten Rücftände werden gleich-
falls ausgelaſſen.
5) Das Filtriren des Amalgams. Das gewonnene
Amalgam enthält nur etwa —- feines Gewichts an Silber, un
terfcheidet fich alfo in feiner Slüffigfeit wenig von dem reinen
Auedfilber. Es wird in Beutel aus Zwillich, etwa ı: Fuß lang
Amalgamation. 255
und q Zoll weit, welche über einem fleinernen Troge haͤngen, ge⸗
goſſen, durch welche das nur wenig Silber (im Zentner ı bis a
Loth) haltende Queckſilber hindurch läuft, während das Amalgam
als eine ziemlich fefte Maffe in den Beuteln zurücbleibt, in wel⸗
chen man ed noch durch Ausdrüden vom überflüfligen Auedfilber
befreit. Diefed Amalgam enthält auf einen Theil Silber noch 6
Iheile Quedfilber. Das filtrirte Queckſilber wird zur neuen ame
gamirung verwendet.
6) Ausglühen des Amalgamd. Um das Auedfilber
nody vollends von dem Silber abzufcheiden,, wird Das auf eiſernen
Schalen liegende Amalgam unter einem eifernen Sturze (einer
zylindriſchen, oben fugelig gefchlofenen Haube), deflen unteres
offenes. Ende in einem eifernen Gefäße mit Waſſer fteht, während
der obere Theil mit Kohlen erhitzt wird, auögeglüht, wobei das
verflüchtigte Quedfilber ſich wieder in dem unteren Theile verbich-
tet, und. fich in dem Waffer anfammelt, das durch einen fort.
währenden Zus und Abfluß gehörig fühl erhalten wird. Die Feue⸗
sung ift Anfangs mäßig; damit dad verbampfende Quecſilber
nicht Silber mit fich reife. Das zurückbleibende Silber, das aͤſtig
und poroͤs auöfieht, wird nun in Tiegeln vollends zuſammen ges
ſchmolzen, und wenn es erforderlich ift, noch weiter auf gewöhnliche
Art fein gemacht. Das durch die Amalgamation gewonnene Sil-
ber iR gewöhnlich zwifchen 13 und 13 Töthig.
| Die Rüdftände, welche nach dem Abziehen des Amal⸗
sam aus den Faͤſſern gelaffen worden find, enthalten noch et:
wad ſilberhaltiges Queckſilber, das Durch Wafchen oder
Shlämmen aus denfelben gewonnen werden muß; übrigens
im Durchfſchnitte nur etwa „= des ganzen Quedfilberguantums
beträgt. Zu diefem Behufe wird nach der gewöhnlichen Art zu
fhlämmen verfahren, indem man die Rückſtaͤnde in mehrere.
Bottiche vertheilt, welche an Der Seite mit mehreren über einan⸗
der in einem Abflaude von etwa 6 Zul angebrachten , mit
Zapfen verfchloffenen Öffnungen verfehen find. Diefe Bottiche
werden mit Waller angefüllt, das Gemenge wird gut umgerährt, und
"von Zapfen zu Zapfen die von den ſchweren Quedfilbertheilen
befreite Zlüffigkeit (was man jedes Mahl vorher durch eine in einer
Schüffel aufgefangene Probe beurtheilt) abgelaffen; fo daß dann
256 Amalgamation.
das Queckſilber am Boden zuruͤckbleibt, dad man, wenn ſichnach.
längerer Zeit eine bedeutendere Quantitaͤt davan augeſanmelt
hat, abzieht. Der abgelaſſene Ruͤckſtand wird in Sümpfen geſam⸗
melt. Die Lauge enthält größten Theils Glauherſalz aufgelöſt,
und kann auf dieſes benutzt werden. Der entſilberte feſte Ruck
ſtand (Schlich) wird, nachdem ein hinreichendes Quantum auge⸗
ſammelt worden iſt, durch den Schmelzprozeß zu Gute gemacht.
Dieſe Rückſtaͤnde find durch die Amalgamirung fe weit entſilbert,
daß fie nur noch + bis. Loth Silber im Zeutner enthalten. Der
Verluft au Quedfilber bei diefer ganzen Operation beträgt in
Sreiberg höchſtens nur 1: Loth auf den Zentner Erz, ober. 3: Loch
auf die Marf Silber; wovon 14 Loth auf das Anquiden und Ver:
wafchen, und Roth- auf Verluft beim Ausglüben kommen. Aude
führlihe Nachrichten über das Amalgamationswerf in Freiberg, mit
den Abbildungen der :dabei in Anwendung gebrachten Maſchine⸗
zien, enthält das »Hankbiich der allgemeinen Hüttenkunde, non
Lompadius« .
Bei dem Anıalgamationdverfahren ift Dasjenige, maß eigradı
Lid) auf dem Möftherde .und in den Anquicfälern vorgeht, wach
nicht fo vollkommen aufgeflärt, daß etwaige Merbeilerungen des
Verfahrens aus der Theorie mit einiger. @icherheit hergeleitet
werden fönnten, weßhalb man hierin hauptfächlich der Erfahrung
folgen muß. Das Eiſen befördert wohl die Amalgamirung des
Silbers in den Faͤſſern: aber wenn die Erze’bedeutend Fupferhals
tig, find, und von der Roͤſtung noch ſchwefelſaures Kupforoxyd,
wie das gewöhnlidy der Fall ift, übrig bleibt; fo fchlägt das Eis
fen auch aus der fchwefelfauren Kupferauflöfung das metallifche
Kupfer nieder , das daun ebenfalls zum Theil mitin die Amalgas-
mation gebt, und ein Silber von größeren Kupfergehalt lie«
fert. Man fest daher in ſolchen Ballen, 3. B. bei der: Amalgea-
mirung Der filberhaltigen Rupferfteine (Rohleche) ftatt des. Eiſens
bieber Kalt oder metallifches Kupfer zu. Erſterer zerſetzt das ſchwe⸗
felfaure Kupfer, und das ausgefällte Oryd geht mit dem Queck⸗
filber feine Verbindung: ein : letzteres unterfkügt die Wirkung des
Quedfilberö auf das Hornfilber, ne das Kupfer aus den vor-
bandenen Salzen zu fällen.
Das Hornfilber wird befanntlich auf dem naflen Wege durch
Amalgamation. 257
kohlenſaures Ammoniak zerfeht, und diefe nalfe Mengung mit
QAuedfilber angerieben,, Liefert Teicht ein Silberamalgaım. Wahr-
ſcheinlich ließe ſich Daher der Anquickprozeß mit Erfparung des
Zufages von Kupfer oder Eifen abfürgen, und vielleicht felbfi noch
ein demerer Rückſtand erhalten, wenn man die Mengung in dem
Amalgamirfaffe mit einer angemeffenen Menge von kohlenſaurem
Ammoniaf (das in Dem ungereinigten Zuftande, wie es hier brauch⸗
bar wäre, im Großen wohlfeil dargeftellt werden kann) veerſetzte.
Diefer Zufag würde zugleich die Verunreinigung des Silbers mit
Kupfer, Antimon ıc. hindern,
Um das Hornfilber ohne Amalgamirung aus dem geröfteten
Erze zu fcheiden, könnte vielleicht die von Weglar entdedte
Eigenſchaft der gefättigten Kochfalzauflöfung „ das Chlorfil:
ber durch Kochen aufzulöfen, benügt werden. Vielleicht laͤßt fich
diefe Methode für reichere Silbererze, ſelbſt folche, welche Feine
Kiefe enthalten, anwenden, wenn man durch angemeffend Mittel
in denſelben vorher das Chlorfilber herſtellt. Rivero's Bor:
fhlag, das Hornſilber aus dem geröfteten Erze durch Ätzammo⸗
niak aufzulöfen, und durch Schwefelfäure zu fällen, dürfte wegen
der Koftipieligfeit dieſes Auflöfungsmitteld m Großen nicht wohl
ausfüuhrbar feyn. '
Auch die filberhaltigen Schwarzkupfer fönnen, ftatt
der Eofifpieligeren Seigerungsmanipulation, durch die Amalgas
mation vortheilhaft entfilbere werden, und die noch neuerlich zu
Schmöllnig in Oberungarn hierüber ausgeführten Berfuche im Gro⸗
Ben haben ein fehr günftiges Reſultat geliefert. Die filberhaltigen
Schwarzfupfer (mit etwa ı4 Loth Silber im Zentner) werden im
dunkelroth glühenden Zuftande mit eifernen Stampfern gepocht,
fodann geraitert, und hiernad) mitteljt eines eifernen Muͤhlſteins
gu Mehl vermahlen. Bei dem Pochen fällt gleich etwa + des Ge-
wichts an Mehl ab, das des weiteren Vermahlens nicht bedarf.
Das rohe Kupfermehl wird nun mit 10 Prozent fein gepufe
vertem Kochſalz (Minutienfalz) befchidt, und nach den befchriebe«
nen drei Perioden geröftet. Man vermeidet dabei eine zu hohe
Temperatur, da die bezwedte Orpdation in einer fhwachen Dun⸗
felrothglühhige am beſten vor fich geht, und fich Dabei am wenig»
ften Schladten (Graupen) bilden.
Technol. Enenclop. 1. Vd. 17
258 Ambof.'
Das geröftete filberhaltige Schwarzfupfer, das durch die Ver:
söftung eine Gewichtövermehrung von 35 Prozent, mit Einfluß
des Salzzufchlages, und nach Auslaugung der gebildeten Salze,
von 27 Prozent erhalten hat, wird nun gefiebt, fo Daß das Durch⸗
gehende. etwa dem groben Sprengpulver im Korn gleich fommt.
Die Graupen werden abgefondert, gefchroten,. wieder mit-ı Pro⸗
zent Kochſalz eine Stunde hindurch geröftet, und dann dem Durch⸗
geraiterten zugefchlagen, worauf dad Ganze Auf der Mühle fein
vermahlen wird. Das Bermahlen gefchieht feucht, um die Ver—
ftaubung zu hindern: ein Müplftein mahlt in aa Stunden 32 bis
36 Zentner verröftetes Kupfer.
In ein ı3 bis ı4 eimeriges Anquicdfaß werden nun, auf die
bereits beſchriebene Weiſe, 13 Zentner des geroͤſteten Kupfer:
mehls, 3oo Pfund. heißen Waſſers, dann 400 Pfund Queckſilber
und 100 Pfund gefchmiedete, ı Fuß lange, ı Zoll breite, 2 Linien
die, an beiden Enden abgerundete, Kupferzaine gebracht; das
Faß ı6 Stunden hindurd in Bewegung gefebt; daflelbe dann-
mit kaltem Waſſer vollgefüllt, und noch einige Stunden lang mit
verminderter Gefchwindigfeit umgetrieben ; und hiernach Die Amals
gamation beendigt: Der Rüdfland zeigt dabei gewöhnlich nur 3
Denar, höchſtens ı Quentchen Silbergehalt im Zentner.
Das durch: das Ausglühen und Einfchmelzen erhaltene Sil-
ber ift nahe fein, und die Menge um ein bedeutendes größer, als
durch den Seigerprozeß. Die Rüdftände werden mit Zufag
von Rohlechen durch den 0. Schmel;prozeß zu Gute
gemadht.
d. H.
Ymboß.
Wenn man unter Aniboß alle jene Werfzeuge verftcht,
deren man fich als harter unnachgiebiger Unterlagen bedient, um
auf denfelben mittelft des Hammers Metalle zu fehmieden, zu
fchweißen, zu ſtrecken, und überhaupt in einem gewilfen Grade
zu formen: fo ift die Anzahl der einzelnen Arten fehr groß. Gie
find faft allen Metallarbeitern fo unentbehrlich, daß fogar an den’
meiften Schraubftöcden der größern Bequemlichkeit wegen gehärs
tete Platten oder Klögchen zu dem Behufe angebracht werden,
Amboß. 259
um mit Beihülfe des Hammers fleinere Stüde fchnell biegen und
richten zu fönnen. Diefem ausgedehnten Gebrauche zn Folge find
auch die Amboife in der Größe ungemein verfchieden. Man hat-
folhe von einigen taufend Pfunden im Gewichte, bei großen
Hammerwerfen, und fo von allen Abjtufungen bis zu den klei⸗
nen, nur etwa zwei ZoU langen Schlagitödhen der Klein-
uhrmacher. Auch die Art, wie fie angebracht werden, ift fehr ver⸗
fdyieden. Die größten Amboffe der Hammerwerfe pflegt man
auf eine eiferne Unterlage zu ftellen, welche wieder in einem ftar-
fen in die Erde verfenften hölzernen log, dem Amboßftod,-
feftgefeilt if. Die Amboſſe der Schmiede und Schloffer ruhen
auf einem eichenen, mit einem flarfen eifernen Reifen umgebenen-
Blocke, in deſſen Oberfläche der Fuß des Amboffes, höchftens einige
Zoll tief, eingelaifen ift, damit er fich während des Schmiedens
nicht verrüden fönne, übrigens aber mit demſelben keiner weitern
Verbindung bedarf, indem dad Gewicht des Amboſſes diefelbe
überflüflig madıt. Die Pleineren Amboffe (Schlagftöde ges.
nannt, ein Nahme der übrigens öfters auch den Schmiede » Am
boſſen beigelegt wird) haben am untern Ende eine Angel, mit wel:
her man fie in einem in der Werkitätte ftehenden Holzklotze befe⸗
ftigt. Noch Fleinere fönnen fammt ihrem hölzernen Unterfape
aufden Werftifch geflellt werden. Die Liegamboffe der Kupfer:
fchmiede werden durdy Keile in einem hölzernen Blode feftgehalten.
Die Schlagftödchen der Kleinuhrmacher haben einen flachen
Fuß, um entweder auf dem Tifche zu ftehen, oder auch um fie
an demfelben in den Schraubftoc einfpannen zu fönnen. Auch
gibt es folche, welche ſich mittelft einer am unteren Theile befinds
lihen Schraubzwinge an die Zifchfante befefligen laſſfen. Ganz
Heine Polirftödchen der Uhrmacher find auch manchmahl
doppelt, mit einer kreisrunden, und einer vieredfigen oder drey⸗
eigen Bahn, und in der Mitte zwifchen beiden mit einem An⸗
fage, an welchem man fie in den Schraubflod einfpannt, fo daß
nach Bedürfniß die eine oder die andere a. nach oben ger
bracht, und benüßt werden fann.
Da die Amboffe bei einer großen Anzahl ſehr verſchiedenar⸗
tiger Gewerbe, und zu ſo mannigfaltigen Zwecken benützt wer⸗
den; ſo wuͤrde hier eine Aufzaͤhlung aller einzelnen, durch Form
ı7 *
260 Amboß.
imd Gebrauch von einander abweichenden Arten nicht zweckmaͤßig,
ja fogar deßhalb nicht thunlich ſeyn, weil die Urſache einer. ber
ſtimmten Form bei vielen diefer Werkzeuge die fpezielle Arbeit ift,
zu welcher fie benußt werden. Zur leichteren Überficht fönnen fie
aber füglich in zwei Klaffen getheilt werden, wovon die eine zu
allgemeinen, die andere zu befondern Zweden beftimmt ift.
Zur erftern Klaffe gehören vorzugsweife die Amboffe der
Schmiede und Schloffer, welche zur Bearbeitung des Eifens -
mittelft de8 Hammers, meiftens im glühenden Zuftande, beftimmt
find, und welche, nach den Amboffen der Hammerwerke, die
größten find. Ein folder Amboß, Tafel 7, Bigur ı, ift ein
länglich vierediger, auf der oberen Slähe (der Bahn) mit
gehärtetem Stahl belegtee Eifenflog, welcher außer dem etwas
hohlen Zuße noch zwei horizontale Verlängerungen befigt. Die
eine, fegelförmige, c, dient dazu, um das Eifen während des
Schmiedens rund zu biegen, fo wie auch um Ringe rund zu rich:
ten oder aufzutreiben (zu erweitern). Man nennt diefen Theil
da8 Horn oder Sperrhorn.
In dem andern freiltehenden Theile, deſſen ebene Ober-
fläche eine Fortſetzung der Bahn ift, befindet fich ein vierediges
Loch, d, in welches der zum Abhauen des Eifens nöthige Schrot-
meißel, die Untertheile der Gefenfe, und andere zur Schmiede-
arbeit erforderliche Hulfswerkzeuge mittelft der an ihnen befindli—
chen, in das gedachte Loch pallenden Stiele, eingeftedt werden
fönnet. Es verſteht fich beinahe von felbft, daß diefe ſchweren
Ambofle in der Werfftätte einen unverrücten Stand haben müf-
fen, und zwar, damit man das glühende Eifen ohne Zeitverluft
auf diefelben bringen fönne, fo nahe ald möglicd, am Feuer. Daß
fie auf einem Holzklotze ftehen, ift bereitö bemerft worden.
Um die bei den Schlägen der ſchweren Schmiedehämmer
Statt findende Erfcehütterung des Gebäudes zu vermeiden, hat man
vorgefchlagen , diefer Art von Amboß eine elaftifche Unterlage zu
geben. Zu diefem Ende wird eine aufrecht ftehende, oben offene
Tonne mit Sand gefüllt, auf den Sand eine dide runde Scheibe
gelegt, und auf diefe erft der Amboß geſetzt. Die Tonne ruht
anf zwei Tangen eihenen Balken, welche nur mit ihren Enden
d⸗
N
.
Ambof. 261
den Yußboden berühren, baher in der Mitte hohl liegen, nnd da⸗
durch einen Grad von Elaftizität erhalten, durch welchen die Ge⸗
walt der Schläge gebrochen wird, und dieß defto ficherer, je
fchwerer der Amboß if. Noch mehr wird das Gebäude gefchont,
wenn die Enden der Balken bis an die Wände des Arbeitsortes
reichen.
Meben dem Schmiede» Amboffe findet man auch meiftens
noch einen befondern Horn: Amboß, mit einem Pegelförmigen
and einem ppramidalen Ende. Er bat einen längern Zuß oder
Schaft, damit er'höher fteht, und dem Arbeiter, wenn Fleinere
Stüde rund oder vieredig gerichtet werden follen, bequemer zur
Hand iſt. Mittelft einer Angel fledt er in einem hölzernen Klotze.
Überhaupt find diefe runden und vieredigen Enden bei vielen Ges
legenheiten eben fo unentbehrlich, als die gerade Bahn des Am:
boſſes. Man findet fie fogar an den Schlagftödchen der Kleinuhr⸗
macher. |
Allein es gibt aud häufig Amboße oder Schlagftöde ohne
Hörner, mit bloß quadratförmiger Bahn; welche vorzüglich zum
Bearbeiten ebener Flächen, befonders des Bleches gebraucht wer:
den. Hierher gehören die Polir-, Treib⸗ und Spannftöde
der Klempner. Nebft diefen bedienen fich die genannten Arbeiter
aber auch noch befonderer, nach Art der Sperrhörner gebildeter
Werkzeuge, welche fie Sperrhafen nennen, und durch Zus
fäge, 3.8. langer, großer, Fleiner Sperrhafen, von ein:
ander unterfcheiden. Der Sickenſtock der Klempner aber, ob-
wohl der äußern Form nad) den vorigen ähnlich, hat quer über
die Bahn gehende, größere und Fleinere Rinnen, in welche das
Blech mit eigenen Haͤmmern getrieben wird, und nähert fich daher,
feiner Verwendung zu Folge, ſchon den Sefenfen. Zu gleichem
Behufe brauchen die Kupferfchmiede das Senfeifen, einen
flachen, ebenfalls mit Rinnen verfehenen Amboß.
Überhaupt richtet fi die Form der zu befondern Zwecken
beftimmten Amboffe, von welchen fo eben einige Beifpiele ange:
führt worden find, nach der VBefchaffenheit der mit ihrer Huülfe
vorzunehmenden Arbeiten. &o bat der vieredige Amboß zur Wer:
fertigung der Schnürftifte eine über die ganze Bahn gehende Fleine
Rinne ; der Amboß der Beilhauer eine zum Befeftigen der zu hauen-
262 Ambof.
den Feile zwedmäßige Einrichtung; jener der Nagelfchniede
eine. zum Anbringen des Nageleifens geeignete Gefbalt, u. f. w.
Obwohl die Bahnen der meiften den. Amboffen beizuzählenden
Werfjeuge gang eben find, fo iſt Doch auch manchmahl Das Ge⸗
gentheil nothwendig. Hierher gehört der Stodamboß der Au-
pferfchmiede, mit einem großen rumden Knopfe ſtatt der flachen
Bahn; das Einfageifen der Klempner, und die in daffelbe
paflenden Auffäge, mit fehr verfchieden gefrümmten und ges
fhweiften Slächen; die. halbfugelförmigen Bodeneifen der
Uhrgehäufemacher. Berner ift auch wohl der obere Xheil des
Amboffes zuweilen gebogen, gefrümmt, oder abgefrüpft. Bei—
fpiele geben der Hals amboß der Kupferfchmiede, zum Aus⸗
bilden des engern ‚Theile von Kannen und dergleichen, das
Daumeifen der Klempner zundchit zum Ausflopfen von Beu⸗
len in bauchigen Gefäßen, die Bauceifen zur Bearbeitung des
_ Umfanges von Uhrgehäufen, und andere mehr.
Bei der Beihreibung der einzelnen Metallarbeiten werden
noch mehrere Fälle vorfommen, wo Amboffe von minder gewöhns
lichen Sormen nothwendig find; wogegen eine erfchöpfende Auf:
zaͤhlung derfelben, ohne die Erflärung der darauf vorzunehmen
den Arbeiten, die fich außer dem Zufammenbange nicht wohl ges
ben läßt, ohne Nugen feyn würde.
Die größten Amboffe, die in den Hammerwerfen angewen-
det werden, find aus gegoffenem Eifen.. Man richtet fich zu dem
Guſſe eine Form vor, deren Boden, auf welchem die Bahn oder.
die obere Flaͤche des Amboffes fich bilden foll, aus einer ebenfalls
gußeifernen Flaͤche von der erforderlichen Dicke befteht, damit
durch diefelbe eine möglichft fchnele Abkühlung des Guffes, und
eine fehr große Härte deffelben erhalten werde.
Die eigentlichen Schmiede - Amboffe mit Körnern verfertigt
‚man nur felten aus gegoffenem Eifen. Denn obwohl fie dann viel
wohlfeiler zu ftehen fommen, fo erhalten fie doch nie die nöthige
Stärfe und Dauerhaftigfeit, indem die Kanten, befonders aber
"Die Hörner, leicht brechen, auch wohl der Körper felbft zerfpringt,
uud daher der Amboß bald unbrauchbar wird.
Ale guten Schmiede - Amboffe beftehen daher aus gefchmies
detem Eifen, und find auf der Bahn mit Stahl belegt, welchem
Amboß. 263
man, nachdem er eben abgerichtet worden iſt, die nöthige Härte
gibt. Sie werden entweder auf den Eiſenhaͤmmern, oder auch
wohl von eigenen Amboßſchmieden verfertigt. Zu den größten
Arten macht man ein Feuer im Sreien, weil das der Schmiede:
Eſſe nicht mehr hinreicht, und fchmiedet den Körper des Amboſſes
entweder aus eimer großen Luppe, oder aus einzelnen zufammen-
geſchweißten Eleineren Eiſenſtücken. Während dem wird auch die
Stahlplatte aus einem Bündel zerbrochener vierfantiger Stahl:
fangen gefchmiedet; und, endlich werden beide, nachdem man
ifnen Die erforderlihe Schweißhige gegeben hat, vereinigt, in:
dem man die Stahlplatte erft in der Mitte, dann aber auch an
beiden Enden, mitder obern Fläche des Amboſſes zuſammen fchweißt.
Alles wird nun gleichförmig erhigt, die flählerne Belegung mit
gebrannten Ochſenklauen bededt, und durch fchnelles Ablöfchen
gehärtet. Zu diefem Behufe Teitet man entweder einen ununter:
brochenen ſchmalen Strom Waffer von oben auf die Bahn, oder
man pflegt auch ſehr große Amboffe fchnell auf einen Karren
zu legen, und in einen nahen Fluß zu fahren.
Es leuchtet ein, daß diefe Arbeiten eine bedeutende Übung
erfordern, indem ein guter Amboß ohne unganze Stellen und
ohne Schweißinähte, vorzüglich aber die ftählerne Bekleidung
überall wohl mit dem Eifen vereinigt, und hinreichend hart feyn
fol. Die legtere Sigenfchaft erfennt man daran, daß die Bahn
nicht von der Zeile angegriffen wird. Ein guter Amboß muß fer-
ner, mit einem Eifen angefchlagen, überall recht hell flingen, indem
ein ungleicher, Flirrender Ton auf unganze Stellen, und auf un-
vollfommene Verbindung des Stahles mit den Eifen fließen läßt.
Da man beim Schmieden der Amboffe gewöhnlich, zuerft einen
vieredigen Klotz, wiee, m, n, p, Sig. ı, Zaf. 7, verfertigt, und
denfelben durch Anfchweißen der freiftehenden Theile.c, d, und
des Fußes q, r, ergänzt; fo gefchieht es oft, daß einer der obe⸗
ren Theile, wenn das Schweißen nicht vollfommen gelungen -ift,
bei der Verwendung zu fchwererer Arbeit wegbricht, und der Am-
boß unbrauchbar wird. Der Engländer King hat daher mit
Grund vorgefchlagen, den Amboß nur aus zwei Stüden, wie A,
B, Sigur 2, Zafel 7, zu verfertigen, welche dann zuſammenge⸗
ſchweißt werden. Wenn dabei ‚nicht gar zu forglos verfahren
264 Ammoniaf. '
wird, fo ift feine Trennung der Theile beim Gebrauch zu befürdye
- ten, indem die am leichteften einer Beſchaͤdigung ausgeſetzten
freiftehenden Theile mit der obern Maffe des Ambofles ein Ganzes
ausmachen.
Die Heineren Amboffe werden mit denfelben Mitteln und
Handgriffen, wie andere mit Stahl belegte Eifenwaaren verfertigt.
Bei manchen derfelben wird die gehärtete Bahn, welche immer
aus einer ja nicht zu dünnen Lage Stahl beftehen muß, bis zum
höchften Glanze polirt. Das legtere ift unumgaͤnglich nethwendig
bei den Poliritöcden der Klempner und Plattirer, den Stödchen
der Uhrmacher, den Amboffen der Ylitternfchläger, und überhaupt
bei allen, wo die Arbeit zwifchen der Bahn und dem ebenfalls fein
polirten Hammer außer der richtigen Form auch zugleich einen
hoben Brad von Slanz erhalten foll. |
G. 2%.
Ymmoniaf
Das Ammoniaf, font flahtiges Alkali, unters
ſcheidet fich von den übrigen Alfalien, mit denen es die allgemei=
nen alfaliichen Eigenfchaften gemein hat, wefentlich darin, daß
es bei gewöhnlihem Drude und mittlerer Temperatur im reinen
Zuftande nur ald Gas eriftirt. Nur bei einer Temperatur von
32° R. unter o bei mittlerem Luftdrude, oder bei einem Drucke
von 6: Atmofphären bei mittlerer Temperatur Fondenfirt es fich zu
einer farblofen Sluffigfeit, die ein fpez. Gewicht von etwa 0.76
bat, Das Ammoniafgas ift eine Verbindung von Wafferftoff und
Stidftoff, fo zwar, daß.man daflelbe ald aus 3 Map Waſſer⸗
floffgas und ı Maß Stickſtoffgas beftehend, und auf = Maß ver=
Dichtet, anfehen fann. Es enthält hiernach in 100 Gewichtötheis
len 82.54 Xheile Sticftoff gegen 17.46 Waſſerſtoff. Sein fpez.
Gewicht gegen das der atmofphärifchen Luft ift = 0.5913. Das
Ammoniafgas wird vom Waſſer fehr Teicht, unter Erwärmung, aufs
genommen, und zwar um fo leichter, je Fälter dieſes ift; fo daß ſelbſt
das Eis es begierig aufnimmt, und mit demfelben flüflig wird.
Das Wailer nimmt bei 670 Mahl fein Volum von diefem Gas
auf, vermehrt dabei feinen Unfang um + (aud ı Maß werden ı7
Map), erhält ein fpez. Gewicht von 0.872, und enthält 32; Pros
Ammoniak. 965
zent veined Anmoniaf. Das mit Ammoniaf mehr oder weniger
gefättigte Wafler Heißt flüffiges Ammoniaf, Aetzammo—⸗
niaf, fonfl ägender Galmiakg eiſt. Es hat, wie das Gas
ſelbſt, das fich fortwährend aus demfelben entbindet, einen eige-
nen durchdringenden Geruch, ſcharfen Taugenhaften Gefhmad, und
wirft auf Zunge und Haut Abend. _
Das Ammoniaf wird gewöhnlich ans dem Salmiaf (ſalzſau⸗
vem Ammoniak) dargeftellt, indem diefer durch gebrannten Kalt
zerfegt wird. Die Salzfäure verbindet ſich hier mit dem Kalle zu
falzfaurem Kalt (Ehlorkalzium) , während das Ammoniak frei
wird, und fich als Gas entwidelt. Um daffelbe gasförmig darzu⸗
ftellen, vermengt man zwei Theile gebrannten und gepulverten
Kalt mit einem Theile trodenem gepulverten Salmiaf, füllt dad
Gemenge in eine Fleine gläferne Retorte, die man über einem
Kohlenfeuer oder einer argand’fchen Lampe erwärmt, während die
Öffnung ihres Halfes unter einem gläfernen Rezipienten durch
Quedfilber gefperrt ift, und das fich entwidelnde Gas in dieſem
aufgefangen wird. 2
Für die gewöhnlichen Anwendungen wird das Ammoniaf
immer in flüffiger Geſtalt bereite. Zu diefem Behufe ift es beiler,
das Gemenge nicht ganz troden, fondern mit Wafler befeuchtet
anzuwenden, weil in diefem Kalle die Entwidelung des Ammo-
niaks leichter und bei geringerer Wärme vor fich geht; auch kann
die Menge des zuzufependen Kalfs um fo mehr (bis auf gleiche
Theile Kalf and Salmiaf) vermindert werden, je mehr Waſſer zu⸗
gefeßt wird, was den Vortheil gewährt, daß der Ruͤckſtand in der
Retorte weniger überfchüfligen Kalk enthält, und leichter heraus⸗
geſchafft werden kann.
Will man ein konzentrirtes flüſſiges Ammoniaf bereiten ‚fo
verfährt man hiernach auf folgende Art. Der Salmiaf (ein Theil)
wird vorher fein gepulvert. Der Kalk (zwei Theile) wird mit
Waſſer allmählich befprengt‘, bis er zu einem feinen Pulver jer-
. fallen ift, und hierauf gefiebt. Die beiden Pulver werden ſchnell
gemengt, nnd in die in dem Sandbade liegende Retorte gebracht.
Diefe ift mit einer aus drei Woulfeſchen Slafchen beftehenden Vor⸗
lage verfehen; (ſ. Deftillation). Die erfte Slafche enthalt
etwas weniges Waſſer; die zweite Flaſche enthält fo viel Wafler,
266 Ummoniaf.
als 2 vom Gewichte des angewendeten Salmiaks betragen; die
dritte Zlafche enthält etwa die Hälfte dDiefed Gewichte. Die Fla⸗
ſchen dürfen nur bis etwas über die Hälfte ihres Inhalts mit Waſ⸗
fer gefüllt feyn. Sämmtlihe Zugen werden fehr gut verfittet,
am beften mit gut übergebundenen, mit Eiweiß oder mit Mehlklei⸗
fier getränften Leinwandftreifen, die man erft völlig trocken werden
Iaßt, bevor das Feuer angefchürt wird. Die Deftillation wird bei
allmählich fleigender Hige bewirft, die endlich bis zum Glühen des
Netortenbodend verftärft wird. Das entiwidchte Gas verbindet
fi mit dem Wafler der zweiten Slafche, während die mit demſel⸗
ben übergeführte atmofphärijche Luft in Blaſen entweicht, und
nad) der völligen Sättigung deffelben mit dem Waſſer der dritten,
welche ſonach ein fehwächeres Ammoniaf liefert. Während der .
Operation werden die Flaſchen mit Schnee oder Eid, oder wenig-
ſtens mit erneuertem frifhem Brunnenwaffer, umgeben. Die Ope⸗
ration ift beendigt, wenn Feine Luftblafen mehr in den Slaichen
zum Borfchein fommen, und eine bedeutende Menge von wäffti-
ger Slüffigfeit aus der Retorte in die erite Flaſche überzugehen an⸗
fängt. Das in der erften Slafche enthaltene Ammoniak ift ſchwach,
mit etwas Salmiaf, brenzlichem Ohl, auch Eohlenfaurem Ammo⸗
niaf verunreinigt, und fann bei einer neuen Deftillation dem Ges
menge in Der Retorte wieder zugefept werden. Wenn in der zwei⸗
ten Flaſche fchen die gehörige Menge Waſſer (ein Pfund Waſſer
auf ein Pfund Salmiaf) vorgefchlagen worden ift, fo ift der Am⸗
moniafgehalt der dritten Flaſche nur unbedeutend.
Bei der Anwendung des Wouffefchen Apparats mit mehreren
Flaſchen entiteht ein ftarfer Druck des Gafes (welcher der Summe
des Drucdes der Wafferfäulen gleich ift, die ſich in den Flaſchen
befinden) wodurch Leicht Riffe in der Lutirung entftehen. Dean
kann die Vorlage daher auch fo einrichten, Daß man mit der Res
torte einen tubulirten Ballon oder Kolben in Verbindung ſetzt,
in deffen Zubulus man eine I] förmig gebogene Glasroͤhre ein-
fittet, deren längerer Schenfel bis nahe auf den Boden einer eng-
balfigen, mit einem Korfftöpfel, durch deifen Durchbohrung die
Nöhre geht, leicht zu verjchließenden Flaſche reicht, in welcher
das Waffer (3 vom Gewichte des Salmiafs) vorgefchlagen iſt.
Nimmt diefes gehörig obgefühlte Waller fein Gas mehr auf, fo.
Ammoniak. 967
nimmt man die Blafche weg, und fegt eine andere an deren Stelle.
Übrigens ift Diefer Apparat auch einfacher und leichter herzuſtellen,
als eine Wonlfefche Vorlage mit drei Flaſchen. In den Tubulus
der Vorlage kann zugleich eine Sicherheitsröhre eingefittet feyn,
die in das in derfelben befindliche wenige Waffer reicht.
Wil man nicht Fongentrirtes, fondern ſchwaͤcheres Aetzam⸗
moniaf, von der Stärke ded gewöhnlichen Salmiafgeifted (etwa
0.95 bis 0.96 fpe;. Bewichtes), wie daffelbe gewöhnlich zu techni-
fhen Anwendungen gebraucht wird; fo loſcht man den Kalf mit
fo viel Waſſer, daß ein dünner Brei entfteht, den man mit
dem gröblic, zerfioßenen Salmiak vermengt, und in die Netorte
einfült. Man nimmt in diefem Falle gleiche Gewichte Kalt und
Salmiaf,. Die Vorlage, in weldyer die von der Netorte fommende
Roͤhre bis faft auf den Boden reicht, enthält + Mahl das Gewicht des .
Salmiaks an Waſſer, alſo auf 16 Unzen Salmiaf 24 Unzen Wafler,
und man ſetzt nun die Deftilation bei maͤßigem Feuer fo langefort,
bis zu diefer Flüfligfeit noch eben fo viel übergegangen , im Gan⸗
zen alfo 48 Ungen enthalten find; was man an der Slafche vorher
durch ein Zeichen bemerft haben kann; worauf biefelbe ſogleich
weggenommen wird. Um die Verunreinigung des Deſtillats zu
vermeiden, iſt es in dieſem Falle vortheilhaft, ſtatt der Retorte
einen Kolben mit maͤßig langem Halſe anzuwenden, und auf die⸗
fen einen Helm aufzuſetzen, oder in denſelben eine heberfoͤrmig
gebogene, eiwad weite Röhre einzufitten.
In der Netorte, welche übrigens mit der Mengung mur
hoͤchſtens bis auf: ihres Inhalts gefüllt ſeyn darf, bleibt bei dies
fen Operationen ein. Rüdftand, der um fo fefter ift, je trockener
Die Mengung war, folglich je höher die Hibe zur Beendigung der
Dperation ſeyn mußte. Diefer Rüdftand beſteht aus Chlorfals
zium mit nod) überfchüffigem Kalk. Das erftere wird Durch Auflö«
fung in Waffer von dem Tegteren getrennt, und durch Abdampfung
zu weiterem Gebrauche in fefter Geſtalt dargeſtellt.
Bei der zuletzt erwaͤhnten Verfahrungsweiſe mit dem naſſen
Gemenge bleibt die Retorte ganz, und kann wiederhohlt gebraucht
werden, weil die angewendete Hitze nicht bedeutend iſt. Bei der
Methode mit dem trocdenen Gemenge hingegen hält die Netorte -
nur Eine Operation aus. Es ift daher mehr öfonomifch, hierzu
268 Ammoniaf.
Retorten aus Gußeiſen nach der gewöhnlichen Form zu gebrau-
den, welche an der Stelle, wo fich bei den Glasretorten der Tu⸗
bulus befindet, mit einer kurzen Röhre oder einem Halfe verfehen
find, in welchen ein paflender eiferner Stöpfel eingefchmirgelt iſt,
der am oberen Theile einen Ring hat, um leichter. herausgenom⸗
men werden zu Fönnen. Durch diefen Hals füllt man die Men⸗
gung ein, und nimmt den NRüdftand nach der Operation wieder
heraus. Die Retorte liegt feft über dem Feuer eines Windofend,
- und ihr Hald wird mit einem eifernen Vorſtoße verfehen, aus
welchem die Verbindungsröhre in die Vorlagen geht.
Arbeitet man mehr im Großen, fo find gußeiferne Zylinder,
in derfelben Form wie Gasretorten, am wohlfeilften und bequems
fien. Aus dem hinteren Theile einer folchen in einem Ofen einge:
mauerten Retorte geht eine eiferne Röhre durch die Hintermauer,
in welche eine bleierne Röhre eingefittet oder angefchraubt wird,
Die in die erfte Vorlage geht, welche zum Wachen des Gaſes und
zur Anfammlung des unreinen Deftillats dient ; fie enthält etwaß
Mailer, in welches die Röhre eintaucht, und ift mit einer Sicher:
heitöröhre verfehen. Aus Diefer Vorlage, die von Blei oder Eifen
feyn fann, und unten mit einem Abflußhahne.verfehen ıft, um das
Deitillat von Zeit zu Zeit abzulaffen, geht eine Verbindungsröhre
bis nahe auf den Boden einer weiten, mit Wailer bis zur Hälfte
gefüllten und Fühl erhaltenen Slafche, die auf einem auf und nieder
beweglichen Träger ſteht. Diefe Flafche erfegt man durch eine atı=
dere, fobald das Waffer in derfelben init dem Ammoniaf gehörig
gefättiget ift; und mit diefem Wechfeln fährt man fo lange fort,
bis die Operation beendiget ift. Die vordere Öffnung der Retorte,
durd) welche das Gemenge aus dem zu Pulver gelöfchten Kalf und
dem gepulverten Salmiaf eingebracht wird, ift mit einer vieredi-
gen Slanfche verfehen, auf welche ein ähnlich geformter Dedel von .
Bußeifen paßt, welcher mit Schrauben an die Slanfche befeftiget
- wird, nachdem man einen Filzring, der vorher mit in Waffer zer
rührtem feinen Thon imprägnirt worden ift, dazwifchen gelegt
“Bat. Sonft fann man die Iuftdichte Verſchließung auch anf
diefelbe Art bewirfen, wie diefes bei den Gasretorten wird ange
geben werden. Arbeitet man mit einem folchen Zylinder, fo kann
dad Gemenge nicht breiartig eingetragen werden, was jedadh bei
e Ammonidf. 269
der eifernen NRetorte angeht: doc, kann man dem Kalf, wenn man
der Mengımg mehr Waſſer geben will, nachdem er zu Pulver ge⸗
Isfcht und mit dem Salmiaf vermengt worden ift, noch bei dem
Eintragen fo viel Waifer zufeben, daß er fich zu ballen anfängt.
Das Ammoniaf wird gewöhnlicd, aus dem Salmiak bereitet,
weil dieſes Salz ein gewöhnlicher Handeldartifel if. Da jedoch
das Thwefelfaure Ammoniaf (aus welchen der größte
Theil des im Handel vorfommenden Salmiafs durch Zerfeßung
mit Kochfalz bereitet wird) viel wohlfeiler ift, ald Salmiaf; fo ift
es, wenn man im Großen arbeitet, vorzuziehen, das fchwefelfaure
Ammoniaf ftatt des Salmiaks zu gebrauchen. Die Anwendungss
art deſſelben ift ganz diejenige des letzteren Salıts; nur muß man
aus dem Grunde, weil das fchwefelfaure Ammoniaf nicht flüchtig
ift, wie der Salmiaf, folglich bei der Erhitzung nicht, wie der
legtere, dad Kalfpulver ald Dampf Durchdringen fann, die Men⸗
gung diefed Salzes mit dem gepulverten Kalfe forgfältiger bewerk⸗
ſtelligen, oder, wie in den zulegt erwähnten Methoden, immer
Waſſer zufeben. "
Die Arten, das fehwefelfaure Ammoniaf darzuftellen, wer⸗
den in dem Artifel Salmiaf befchrieben. Die für den vor«
Hiegenden Zwed zunächft anwendbare Methode befteht im We⸗
fentlichen darin, daß man in einer gewöhnlichen Gasbereitungs-
Ketorte ausgefotteneXnochen ganz auf dieſelbe Art deftillirt oder ver⸗
fohlt, als es bei der Gasbeleuchtung mit den Steinfohlen gefchieht.
Die Vorlage befteht aus einem mit etwas Waffer verfehenen Faſſe,
bis nahe auf deflen Boden die, von dem Zylinder oder der Retorte
fommende, binlänglich weite Entbindungsrähre reicht Der zwi⸗
fhen dem Ofen und des Vorlage befindliche Theil diefer Röhre
geht durch ein Kühlgefäß. Aus dem Faſſe ift eine Roͤhre weiter
fortgefeitet, um das in großer Menge entwidelte brennbare Gas
entweder in den Feuerherd der Netorte, zur Unterhaltung des
Feuers, oder anderdwohin zur Beleuchtung, zu führen. In der
Vorlage fammelt ſich flüffiges Fohlenfaured Ammoniak mit brenzs
lichem Öble verunreinigt. Es wird durch den über dem Boden
befindlichen Hahn aus dem Haile abgelaſſen, von dem aufſchwim⸗
‚menden Öhle abgefondert, und demfelben gebrannter und fein ges
pulverter Gyps oder Eifenvitriol. (was von beiden für die Lofali-
270 Ammoniaf. on
tät wohlfeiler iff), in der zur Zerfeßung des in der Klüffigfeit ent⸗
haltenen Fohlenfauren Ammoniafs binreichenden Menge (die man
Durch vorläufige Proben im Kleinen findet), beigemeugt; die von’
dem Bodenfage durch Sedimentiren oder Filtriren befreite Flüͤſſig⸗
feit, welche fchwefelfaured Ammoniaf ift, in einem eifernen Keifel
bis zur Trockne abgedampft, und noch etwa geröftet, um das beis
gemengte brenzliche Ohl zu verflüchtigen oder zu zerflören. Der
Rückſtand wird mit a Theilen heißen Waſſers aufgelöft, filtrirt,
und das nach dem Abdampfen erhaltene gereinigte fchwefelfaure
Ammoniaf auf diefelbe Art zur Ammoniafbereitung verwendet, ald
von dem Salmiaf bereitö angegeben worden ift.
Nach beendigter Deftillation wird Die Retorte geöffnet, die
verfohlten Anochen werden herausgefchafft, und in einen ſteiner⸗
nen Behälter geftürzt, wo fie mit etwas Waller abgelöfcht werden.
Sie bilden die Anochenfohle oder thierifche Kohle, die zum Klären
der Flüſſigkeiten, 5.8. deö Zuderforups 2c., verwendet wird. Die:
Netorte wird fogleich wieder mit Knochen gefüllt, um die Operas
tion bei derfelben Hibe des Ofens fortzufegen. Die Entbindung
ded Ammoniaks geht leichter und häufiger von Statten, und es
fett fic) dabei weniger feftes Ammoniaf in der Verbindungsröhre
an, wenn man während der Operation Waflerdämpfe in die Re⸗
torte treten läßt, was durch eine dünne eiferne Röhre gefchehen
ann, die fi) am vorderen-Theile der Retorte einmündet, und aus
einem Fleinen fupfernen Dampffeilel Fommt, der in der Seiten
wand des Ofens eingemauert ift. Legterer hat ein Sicherheitsven⸗
til, und die Röhre ift mit einem Hahn verfehen, um den Dampf-
zufluß nad) Belieben abfperren oder reguliren zu fönnen.
Bei den Gasbeleuchtungsanftalten mit Steinfohlen befteht
die in den Vorlagen ſich anfammelnde Flüſſigkeit größten Theile
aus Fohlenfaurem Ammoniak, und Fann auf diefelbe Weife durch
Verfegung mit Gyps in fchwefelfaures Ammoniaf umgewandelt
werden.
Das flüffige Ammoniak ift leichter al8 Waſſer, und zwar
um fo leichter, je mehr Ammoniaf ed enthält; fein Gehalt an reis
nem Ammoniaf oder Ammoniafgas läßt fich daher nad) Verfuchen
durch das fpezififche Gewicht beſtimmen. Nachſtehende von N.
Do y gegebene Tabelle zeigt die Mengen des reinen Ammoniaks
Kohlenfaures Ammoniak. 271
an, weldye das fläffige Ammoniak bei. beftimmten fpezififchen Ge—
wichten enthält. .
Spezififhes
Sewigt. Ammoniaf. Waſſer.
0.8750 32.50 67.50
0.8875 29.29 70,79
0.9000 26.00 74.00
0.9054 25.37 74.63
0.9166 22.07 77.93
0.9255 19.54 80.46
0.9336 17.52 82.48
0.9385 15.88 84.12
0.9435 14.53 85.47
0.9476 13.46 86.54
0.9913 12.40 87.60
0.9545 11.56 88.44
0.9573 10.82 89.18
0.9597 10.17 89.83
0.9619 9.60 90.40
0.9692 Be 9.50 90,50
Das Ammoniaf bildet ſich in vielen Ballen durch die Zerfe-
gung der thierifchen oder folcher vegetabilifcher Stoffe, welche
mehr oder weniger Stidftoff enthalten. Es entfteht durch die Faͤul⸗
niß dieſer Stoffe; auch wenn diefe Subflanzen mit Kalis oder
Kalkhydrat behandelt werden; am häufigiten bei Dem Verbrennen
oder der Verfohlung der thierifchen Theile; 3. 8. Blut, Horn,
Knochen ıc. In dem lehteren Falle ift es immer mit Kohlenfäure
verbunden.
Außer in dem flüffigen, äbenden Zuftande, fommt das Am⸗
moniaf im Handel und in der technifchen Anwendung am häufigften
als Fohlenfaures Ammoniaf vor. Wie diefed Salz, wels
ches die Bafid der Salmiaffabrifation ausmacht, im Großen durch
bie Deftillation thierifcher Abfälle bereitet werde, wird in dem Art.
Salmiaf befchrieben ; hier wird nur noch die Verfahrungsart
erwähnt, das kohlenſaure Ammoniaf aus dem Salmiaf darzuftels
[\ ’
'
272 . Ammoniak.
len, welcher Methode man fich gewöhnlich bedient, um diefes Salz
rein, vorzüglich von beigemengten Theilen des brenzlichen hls,
zu erhalten.
Die Zerſetzung des Salmiafs geſchieht hier mit Pottaſche
(kohlenſaurem Kali) oder mit Kreide (kohlenſaurem Kalk). Bon
diefen nimmt man 2 Theile auf ı Theil Salmiaf: beide werden
gepulvert, trocden mit einander gemengt, und dad Gentenge in
einer mit Lehm befchlagenen, oder im Sandbade ruhenden gläfer-
nen, auch in einer eifernen Netorts, (wie bei der Gewinnung des
reinen Ammoniafö), erhitzt. Die Koblenfäure verbindet fich. mit
dem Ammoniaf, und die Salzfäure mit dem Kali oder dem
Kalt, fo daß im erfteren Sale falzfaures Kali, im Tegteren ſalz⸗
faurer Kalk, in der Netorte zurüchbleibt. Das Fohlenfaure Am⸗
moniaf fublimirt fi, und geht in eine Vorlage über, in welcher
es ſich ald ein mehr oder weniger feftes Salz; anfebt. Da die
Pottafche gewöhnlich etwas Aegkali enthält, fo entwidelt fich bei
Anwendung derfelben etwas Aetzammoniak, dad zum Theil ent-
weicht; und das Sublimat wird weich und feucht, was bei der Au⸗
wendung der Kreide nicht der Fall ill. Man zieht daher letztere
vor, obgleich zur Beendigung der Operation dabei eine höhere
Temperatur erforderlich ift., Als Vorlage kann jedes einfache, ge«
börig Fühl erhaltene Gefäß gebraucht werden, in welchem man
eine Fleine Öffnung offen laͤßt, um das etwa ſich entbindende Gas
entweichen zu lajlen, oder Den Gang der Operation zu beurtheilen.
Damit das fohlenfaure Ammoniaf fi nicht an dem oberen Theile
der Netorte anfege, von welchem es, wenn diefe von Eifen ift,
nicht gut wegzunehmen wäre; fo muß aud) der obere Theil der -
Netorte erhigt werden, was über dem freien Feuer eines Winds
ofens' durch eine aufgefegte Kuppel erreicht wird, bei einer gläfers
nen Retorte im Sandbade aber dadurch gefchieht, daß man diefe
ganz im Sande vergräbt.
Zweckmaͤßig ift der folgende in der Figur 24, Taf. 6, im
Durchſchnitte vorgeftellte Apparat. Aift das vieredige, oder beifer,
muffelförmige Sublimirgefäß, 2 Zuß lang, 14 Zoll breit und hoch,
von Gußeifen, mit einem Halfe, über welchen die mit der Vorlage
B verbundene, 8 Zoll im Durchmeſſer haltende Röhre a von Blei
gefhoben und anlutirt ifl. Die Vorlage ſelbſt ift ein bleierner
Kohlenfaured Ammoniaf. 973
Zylinder, 4 Fuß hoch, 1: Fuß weit, deffen obere Öffnung mit dem
gleichfells Intirten, oder mit Waſſer gefperrten Deckel b verfchlof-
fen iſt. Der Röhre a gegenüber, bei c, befindet fich eine Fleine
Öffnung, von etwa 5 Zoll Durchmeſſer, welche nicht verfchloifen
ift, fondern während der ganzen Operation durch zeitweiſes Eins
ſchieben eines hölzernen Stodes offen erhalten wird. Die Retorte
wird mit dem Gemenge aus Kreide und Salmiaf gefüllt, und
letzteres, nachdem ed in der Vorlage gleihförmig ausgebreitet
worden, noch mit einer Lage von Sreidenpulver bedeckt. Die
Kreide ift fein gemahlen, und vor der Vermengung mit dem ge:
pulverten Salmiaf auf dem oberen Theile des Ofens gut ausge⸗
trocdinet worden. Kür reinen Salmiaf nimmt man, wie fchon er-
wähnt, im Sanzen 2 Theile Kreide, für rohen (nicht fublimirten)
Salmiat find gleiche Theile hinreichend, wenn die Mengang
in der Netorte noch mit 3 heil Kreide bededt wird. Man
gibt allmählich verftärftes Feuer, und regulirt diefes fo, daß aus
der Fleinen Offnung der Dampf des kohlenfauren Ammoniaks nicht
mit einiger Spannung hervortritt; oder daß der Rezipient nicht
zu warm wird. Durch die Temperatur des letzteren kann man bei
einiger Übung ſich von dem Gange der Operation hinreichend ge:
nau unterrichten. Die Operation dauert bei obigen Verhältniffen,
die auf 40 Pfund Salmiak berechnet find, 30 bis 36 Stunden,
und ift beendigt, wenn die Vorlage Falt zu werden anfängt, wos
nach man das Feuer abgehen läßt. Ein Pfund Salmiaf gibt Ein
Pfund Fohlenfaures Ammoniak. Daß übrigens and) hier flatt des
Salmiafs das [hwefelfaure Ammoniaf mit Vortheil angewendet
werden Pönne, bedarf Peiner weiteren Erinnerung.
? Das in der Vorlage angefammelte lodere Sublimat iſt nur
dann von brenzlichem Oble rein, wenn der Salmiaf oder das
fhwefelfaure Ammoniaf rein war: im entgegengefegten Falle muf
e&, um die erforderliche Reinheit zu erhalten, noch ein Mahl fu«
blimirt werden, was bei gelinder Hige in weithalfigen, mit den
furzen Hälfen zufammengefügten Kolben gefchehen Fanır, da die
Sublimirung des fohlenfauren Ammoniafs nur kaum die Siedhige
erfordert. Da bei dem Sublimiren immer ein Verluft entftcht,
indem ein Theil des Salzes zerfegt wird, und Ammoniafgas fid)
entbindet; fo ift e8 vortheilhafter, daffelbe aus reinem Salmiak
Technoi. Encyclop. 1. Bo. 18
274 Ammoniak.
oder fhwefelfaurem Ammoniaf ſogleich rein darzuftellen. Diefes
gereinigte Salz ijt dad fogenannte englifhe Riechſalz, das
zu diefem Behufe in Släfchchen gefüllt, auch noch mit einem wohl:
riechenden Ohle verfeßt wird. Um das lockere Sublimat feft zu
verpaden, feuchtet man ed mit reinem Waffer, das mit Kohlen-
fäure gefättiget ift, an, indem man es in weithalfige ftarfe Fla⸗
fhen füllt, mit einer Mörferfeule feſt drüdt, und nach der An⸗
fülung noch etwas Fohlenfaures Waſſer oben auftröpfelt. Nach:
dem die Slafchen in einem feuchten Keller einige Tage Teicht bededit
geſtanden find, werben fie verftopft und verfchloffen.
Das Fohlenfaure Ammoniaf, wie es auf diefe Art erhalten
wird, hat denfelben ftechenden Geruch, als das Aetzammoniak,
jedoch fchwächer. Es enthält in trockener Geſtalt 183 Prozent
Waſſer. Es loͤſt ſich in zwei Theilen Faltem und in weniger ald
‚gleichen Theilen warmem Waifer anf. Man fann es durch Abkuͤh⸗
len feyftallifirt erhalten, wenn man daifelbe mit Hülfe eines auf
etwa 60° R. erhisten Wafferbades in Waffer, fo viel diefes auf-
zulöfen vermag, auflöit, und die Auflöfung filtrirt. Nach dem
Erfalten fcheiden fi) in Menge burchfcheinende, feine Aryftalle
aus, die reines Fohlenfaures Ammoniaf find. Das Ammoniaf
Fann fich übrigens nod) in einem andern Verhältniffe mit Kohlen-
fäure verbinden, welche Verbindung bei gleicher Menge von Kahe
Ienfäure nur halb fo viel Ammoniaf enthält (da8 doppelt koh—
lenſaure Ammoniaf). Diefe Verbindung entfteht, wenn
Fohlenfaures. Ammoniaf einige Zeit lang in unvollfommen ver:
fhloffenen Gefäßen aufbewahrt wird, wobei die Hälfte des Am⸗
moniaks verdunftet, und ein geruchlofes Salz zurüdbleibt, das
8 Theile Falten Waffers zur Auflöfung braucht, und ebenfalls
kryſtalliſirbar if. Es wird auch erhalten, wenn man .eine ge=
fättigte Auflöfung des einfach Fohlenfauren Ammoniaks mit
fohlenfaurem Gas imprägnirt. Die Mifchungsverhältniffe die
fer Salze find in der Aequivalenten = Tafel Seite 152 ange-
geben. '
€
v» H.
Angel. 275
Angel.
Angel nennt man an fchneidenden und anderen Werfzeu-
gen jenen Theil, mit welchem fie in den Heften, Griffen oder
Schalen befeftigt find, woran fie angefaßt werden. Selten find
Diefe Angeln dünn, flach und breit, wie z. ®. an manchen Tifch-
meflern, oder an den Spannfägen: fie werden dann mit dem
Griffe durch mehrere Nieten verbunden, welche durch gemeinfchaft:
liche Löcher der Angel und des Griffes gehen. Am gewöhnlichiten
find die Angeln ſchwaͤcher als das Werkzeug, an welchem fie ſich
befinden, fie laufen fpikig zu, und find vierfantig, felten rund
oder dreiedig. Oberhalb der Angel findet ſich auch meiften® noch
ein befonderer Anfag, mit welchem dad Werkzeug auf dem Hefte
ruht, und welcher verhindert, daß Die Angel während des Gebrau:
ches tiefer in das Heft eindringe, wodurch Tegteres in manchen
Hallen zerfprengt werden fönnte. Manchmahl gibt man auch wohl
einem und demfelben Stücke zwei Angeln. Hierher gehören die,
zwei Perfonen zur Führung erfordernden, großen Holzſaͤgen,
ferner die Spannfägen, die bogenförmigen Schneidmefler,
einige wenige Arten von Feilen, die Schnittmefler der Baßbinder,
Wagner und Zimmerleute, die Werkmeſſer der Riemer, Sattler
und Handfchuhmacher, und mehrere andere. Die Befeftigungs-
art der Angeln ift verfchieden. In hölzerne Hefte bohrt man ein
Loch, etwas Fleiner als die Angel, und treibt Iegtere dann mit
Gewalt in daifelbe ein. : Ofters laͤßt man die Angel ganz durch
das Heft gehen, und vernietet das vorftehende Ende mittelft eines
untergelegten Eifen- oder Meffingplättchens, oder verfieht daifelbe
mit einer Meinen Schraubenmutter. Wenn das Stud, Woran
ſich die Angel befindet, und daher auch diefe felbft, fehr heiß wer-
den muß, wie 5. B. bei den einzelnen Theilen metallener Zinngies
ferformen, wodurch dad Holz eintrocknen und die Angel lodgehen
würde; oder wenn dad Werfjeug nach einer Richtung geführt
wird, nach welcher der beim Arbeiten Statt findende Widerftand
die Angel aus dem Hefte zu ziehen ftrebt (wie bei den zur Holzver⸗
goldung nöthigen Neparireifen), fo fchneidet oder feilt man an
die Angel ein grobes Gewinde, und fehraubt fie in das Heft ein.
Einige Angeln werden auc, eingefittet; was 5. B. an jenen Mef-
ı8 *
a
276 Angel.
fern und Gabeln, welche in’hohle filberne Schalen fommen, mit
einem Kitt aus Pech, etwas Schella und Ziegelmehl, und an den
Heinen Seilen zur Bearbeitung der Taſchenuhren mittelft geſchmol⸗
genen Siegellacks gefchieht. — Bei größeren fchneidenden Werk⸗
zeugen find die Angeln von Eifen, und in den Stahl eingefchweißt,
fowohl der Koftenerfparniß wegen, als auch damit fie zäher find,
und nicht fo leicht von der Klinge wegbrechen. Wenn aber das
Werfjeug fammt der Angel aus Stahl gemacht, und jenes gehär-
tet wird: fo ift e8 nothwendig, entweder die Angel nicht mit zu
harten, oder, wenn diefed nicht thunlich ift, fie noch befonders
nachzulaffen, damit fie wegen ihrer Härte der Gefahr des Abbre>
‚hend nicht zu fehr ausgefebt bleibe.
Angeln werden auch jene Stifte oder Zapfen genannt,
auf welchen ſich Thüren, Senfter und andere bewegliche Rahmen
wenden, und als um Achfen drehen. Diefe Angeln find an der
Befleidung der Thür feit, und am freiftehenden Theile, auf wel:
hen die an der Thür befeftigten Bänder mitteljt eines dazu paſ⸗
fenden röhrenförmigen Anfapes aufgeftedit werden, ganz zylindrifch.
Die Angeln (welche immer, fo wie die Bänder, wenigſtens paar»
weife vorhanden feyn müffen) werden entweder in den Thürpfoften
eingefchlagen oder eingefchraubt, oder auch mittelft befonderer feft-
zufchraubender Anfäge angebracht, oder endlich, in Stein,
mit Holz verfeilt, eingemauert, oder eingefittet. ei diefer Ge⸗
legenheit verdient eine aus England ſtammende Abänderung diefer
Angeln und Befchläge erwähnt zu werden. Mach der hergebrach«
ten Art figt das Ihürband mit feiner untern Freisföemigen Off
nung auf einem runden Vorfprunge der Angel, fo daß diefe Kreiss
linie mit der Achfe der Angel vollfommen rechtwinklig ifl. Nach
jener verbefferten Einrichtung aber ift fowohl die untere Linie der
runden Öffnung des Thürbandes, ald auch ber Anfag, auf welchen
fie zu fiehen fommt, fchief, indem fie eine gegen die Achfe der
Angel etwas geneigte Släche, in der Richtung eines Schrauben:
ganges, bildet. Beide diefe Linien, fowohl an der Angel ald am
Thürbande, fchließen, wenn die Thür zu ift, vollflommen auf
einander. Wie diefelbe geöffnet wird, fo fteigt dad Ihurband auf
der fchiefen Fläche der Angel, folglich gleichzeitig die Thur felbft,
in die Höhe; und.dieß um fo mehr, je weiter fie.geöffnet wird,
Fiſchangeln. 277
und je mehr jene Schraubenlinie gegen die Bewegungsachſe ge⸗
neigt iſt. Man erhaͤlt dadurch den Vortheil, daß die untere Kante
der Thür beim Dffnen nie auf dem Fußboden oder auf den Tep⸗
pihen, womit derfelbe belegt ift, ftreift; auch kann man es fehr
leicht fo einrichten, daß die offene Thuͤre von felbft wieder zufällt,
wenn man dem Schraubengang eine flärfere Neigung gibt. Man
bat aber auch bemerkt, daß Thürbaͤnder von der befchriebenen Be:
fhaffenheit das ihnen gegebene Ohl nicht fo gut an ſich Halten,
als die von der gewöhnlichen Einrichtung.
Angel, Angelhafen, Sifhangel, das befannte, zur
Angelfifderei unentbehrliche Werkzeug. An jeder Sifchangel be-
merft man den Widerhafen a, Big. 3, Taf. 7; den Bug b; den
Schaft oder Stiel c; und den zur Befeftigung der Angelfchnur
dienlichen Theil d. Diefer legtere ift bei den Fleinen und mittleren
Angeln ein durch das Breitfchlagen des Schaft-Endes entitandener
Lappen; bei größeren findet man den Schaft an diefer Stelle auch
wohl mit der Feile mehrmahls eingeferbt, ebenfallö um die Schnur
anbinden zu fönnen. Die Größe der Angeln richtet fich unmittels
bar nach der Schwere der Fiſche, welche mit denfelben gefangen
werden follen. Es gibt dergleichen, welche vom Ende des Stieles
bis zum Buge ſechs Zoll und darüber lang find, bis abwärts zu
folchen, bei welchen die Länge an derfelben Stelle nur etwa drei
Linien beträgt. Eine folche ift in Fig. 4 (Taf. 7) vorgeitellt.
WE Seltenheit werden zu Waidhofen in Ofterreich fo kleine Fiſch⸗
angeln verfertigt, Daß an einer Angel von der Größe wie Big. 3,
der Schaft durch Bohren ausgehöhlt, und Hundert von jenen ein-
gefüllt werden; und daß von den Fleinften, Die noch nicht ein Mahl
eine Linie ın der Länge haben, vierzehn -taufend auf ein Loth ge>
ben würden, obwohl jede derfelben alle Theile einer großen Angel
befigt. Man führt diefe Fleinen Angeln befanntlich ald ein Bei«
fpiel der ungemeinen Veredlung eines rohen Produftes, nähmlich
des Eifens an; allein fie find nicht mehr zum wirklichen Gebrauche
geeignet, und werben nur felten von einzelnen Arbeitern, um ihre
Geſchicklichkeit zu zeigen, verfertigt. Eigentlihe Handelswaare
find die Sorten von etwa drei Zoll bis zu drei Linien in der Qänge.
In Hinſicht auf die äußere Form ift vorzüglich der Hafen a, Fig. 3,
zu beachten. Diefer muß recht glatt, fehr fpikig, und an den
278 | Angel.
Seitenkanten fehr fharf feyn, im welcher Hinficht die englifchen
Sifhangeln mit vorzüglichem Fleiße bearbeitet find. Eine folche
ftellt die Sig.5, A von der Seite und B von vorne angefehen vor,
wo man die denfelben faft immer eigene Form ded Hafens a,
nähmlich feine etwas nad) auswärts gebogene Spige, bemerfen
wird. Zu befonderen Zweden hat man aud) doppelte Angeln
(Hechtangeln) Fig.6, A, dieaus Einem Stüde Draht beftehen,
und einen Winfel bilden, wie der Grundriß B derfelben er:
fihtlich macht. An diefen wird auch bei d nicht immer unmittel-
bar die Angelfchnur befeftigt, fondern man bringt noch zwei Kets
tenglieder aus zufammengedrehtem Meffingdraht, und an das obere
Ohr des zweiten erft die Schnur an, damit diefe von Fifchen mit
fharfem Gebiſſe nicht abgefneipt werden fann. Die Form des
Buges an den Angeln ift ebenfalls fehr verfchieden, nähmlich mehr
oder weniger edig oder flach, wie man aus der Vergleichung der
Figuren 3, 5, 7, fehen fann. Sie hängt vom Gebraud), und von
Dem Verlangen des Käuferd oder Beſtellers ab (fo iſt z. B.
Big. 7 eine zur Verfendung nach Italien beftimmte öfterreichifche
Fiſchangel⸗Sorte); jedoch dürfte im Allgemeinen ein mehr runder
Bug, Big. 3, fich leichter ausziehen und dehnen, wenn die Angel
nicht hart genug ift; wogegen bei einem fchärferen Buge, nad)
Big. 7, eher das Abbrechen zu befürchten if. Wei gut gehärteten
Angeln wird Daher ein abgerundeter Bug vorzüglicher feyn,
da vermöge deflelben die Angel bei fehr großer Gewalt leichter
nachgeben, und fich etwas federn kann, und daher nicht leicht
brechen wird. Die Fleinen und mittleren englifchen oder nad)
englifcher Art verfertigten Angeln haben auch noch eine Seiten»
biegung, Fig. 5, B, welche den offenbaren Vortheil gewährt,
daß eine folche Angel, wenn fie fenfrecht in die Höhe gezogen wird,
noch ficherer eingreifen muß, weil die Spitze des Hafens a frei,
und feitwärts heraus, nicht aber wie'bei den deutfchen Angeln mit
dem Schafte parallel, fteht.
Zuweilen werden Fleinere Sorten von Fifchangeln aus hart
gezogenem Meffingdraht verfertiget; das gewöhnlichfte Material
der Angeln aber ijt Eifendraht, welchem man erft nach ganz vol:
Iendeter Bearbeitung der äußern Form auf die weiter unten anges
gebene Art die nöthige Härte gibt. Man pflegt die Angeln ent-
Verfertigung der Fiſchangeln. 279
weder blan anlaufen zu laſſen, damit fie ſowohl den Kifchen wenj«
ger auffallend werden, ald auch dem Noften etwas weniger untere
liegen; oder fie zu verzinnen, um befonders jene, welche in ſalzi⸗
gem Meerwailer gebraucht werden, gegen den Roft zu ſchuͤtzen.
Die Berfertigung der Fiſchangeln gefchieht mit einfachen
Werkzeugen, erfordert aber von Seite des Arbeiters einen defto
höheren Srad von Geſchicklichkeit und Übung. Der dazu nöthige
Draht muß von der beiten Befchaffenheit, möglichft glatt und rein,
befonders aber ohne Schiefern, Zangenbilfe und unganze Stellen
ſeyn, weil er im entgegengefegten Falle nicht nur fich nicht gut
bearbeiten läßt, fondern auch die daraus verfertigten Angeln bei
den legtgenannten Fehlern fehr leicht brechen. Der Anfang wird
damit gemacht, den Draht in Stücke von der für jede Nummer
der Angeln nöthigen Lange zu zerfchroten. Auf einem Kloge ſte⸗
ben zwei längliche Stahlſtücke, woran das eine, etwas höhere,
scchtwinflig ift, das andere aber einen nach oben gekehrten, ftatt
einer nicht zu fcharfen Schneide dienenden Winkel hat. Die Ents
fernung der fenfrechten Wand des erſtern Stüdes von der mit ihr
parallel ftehenden fchneidenden Kante des zweiten beſtimmt bie
Länge der Drabtftüde, und muß daher für verfchiedene Sorten
verfchieden ſeyn. Der Arbeiter nimmt ein Büfchel Draht, ſtemmt
die Enden an. die mit der Schneide parallel fiehende. Wand des
einen Stahlſtückes, und legt die Drabte auf die Schneide auf.
Indem er mit einem bloß eifernen Hammer über der Schneide auf
die Drähte fchlägt, dringt jene in diefelben fo tief ein, daß
man fie an diefer Stelle leicht ganz abbrechen und mithin, Durch
Fortſetzung des angegebenen Verfahrens, allen Draht in Stüde -
von gleicher Länge zertheilen kann.
Zu den nächfifolgenden Arbeiten dient ein niedriger, fehr
feit ſtehender Werftifh, auf welchem fh der zur Bildung des
MWiderhafens behulflihe Amboß befindet, welcher mitteljt zweier
bis zur nöthigen Tiefe in die dicke Tifchplatte eindringenden An-
gen unbeweglich feft gemacht iſt. Diefer laͤnglich vieredige Am:
bog hat einen flufenähnlichen Abfag, auf deflen horizontaler Släche
eine feichte Rinne angebracht ift, welche hinſichtlich ihrer Stärke
im Verhältuiffe mit den zu bearbeitenden Draͤhten ſteht, und nicht
aur bis an die anfloßende fenfrechte Wand des höheren Abfages
280 | Angel. ©
reiht, fondern in diefe hinein, noch mittelft eines, hoͤchſtens zwei
Linien tiefen, Loches fortgefegt ift. Ferner gehört zur Bildung des
Hafens noch ein gut geftähltes Meifer, deflen ganze Ränge (dem
eilf 300 langen hölzernen runden Griff mit eingerechnet) ungefähr
zwei und zwanzig Zoll beträgt. Die etwa neun Linien breite
Schneide des Meffers ift unten ganz flach, oben aber mit einer
Facette verfehen, wodurch der nicht allzu fpigige ſchneidende Win«
fel gebildet wird. Mor diefer Schneide, alfo an dem Ende,
. welches dem hölzernen Griffe gegenüber fteht, iſt dad Meſſer
ſchmaͤler, und bildet einen nur vier Linien im Quadrat dicken Ans
fat. Als Stützpunkt für legteren fteht auf dem Werftifche, mit
dem Amboffe in derfelben Richtung, eine ftarfe, in das Holz eins
gefchlagene eiferne Klammer. Um den Einfchnitt zu machen, wel⸗
her zur Grundlage des Widerhafend dient, legt der Arbeiter einen
Draht in die Rinne des Amboſſes, und drüdt ihn nicht nur in
Diefe, fondern auch in das im höhern Theile des Ambofjes als
Fortſetzung der Rinne befindliche Loch, fo feft ein, daß er ganz
unbeweglich bleibt. Der Anfag des Mefferd vor der Schneide
wird in die Klammer gelegt, die Schneide felbft aber auf ben
Drath; und mittelft einer gefchicten Führung des Meifers an feis
nem Griffe und eines hinreichend flarfen Drudes dringt daſſelbe
in fchiefer Richtung in den Draht ein, wobei zugleich auch der auf
diefe Art gelöfte Theil des Drahtes fo viel ald es nöthig ift, aufs
gehoben wird. Fig. 8, Taf. 7, zeigt einen Draht von der ftärf-
fien Gattung nad) diefer Operation. Bei noch dicferen Drähe
ten reicht das Meffer nicht mehr hin, den Einfchnitt zu machen;
fondern man wendet hier, indem der Draht auf einem größern
Amboß auf gleiche Art feftgelegt worden ift, einen ſchief aufgefeß-
ten kurzen Meißel an, welcher mit dem Hammer getrieben wird.
Die oberfte, mit gehärtetem Stable belegte Fläche diefer Amboſſe
dient zum Öeraderichten des durch die Gewalt ded Schnittes oder
fonft zufällig gebogenen Drahtes. |
Zum Ausbilden des Widerhafens bedient man ſich der Seile.
Der Drath wird, nach Verfchiedenheit feiner Dice, entiweder in
eine Schiebzange oder in einen Beilffoben eingefpannt, und mit
dem freien Ende auf ein Holzftücd gelegt, auf welchem, damit er
während des Feilens fich nicht verrüdten und ausweichen fann, ein
. Berfertigung der Fijchangeln. | 281
ftarfer Stift eingefchlagen ift, gegen welchen man ihn andrüdt.
Man muß beim Außfeilen forgfältig darauf fehen, daß die durch
den Meflerfchnitt hervorgebrachten Iangen Kanten des Hafens
unverlegt fteben bleiben, indem fie durch die Feile nie fo ſcharf
erhalten werden Fönnen, als dieß Durch das Meſſer geichehen ift.
Um das Biegen der Angel zu bewerffteligen, bedient man
ſich eines flachen, in einem Hefte ftedenden Eifenftüdies, welches
in der Mitte der obern Kante einen fo weiten Einfchnitt hat, daß
ber jeded Mahl zn bearbeitende Draht bequem in denfelben hinein-
geht. Während diefer in der linfen Hand mit Beihülfe der Schieb«
sange oder des Feilflobens feftgehalten wird, faßt man ihn dort,
wo die Biegung anfangen fol, mit dem eben gedachten gabel
ähnlichen Werkzeuge, und krümmt ihn nach der verlangten Form.
Kleinen Angeln gibt man, und zwar mehreren zugleich, den
Bug mittelft einer Rundzange mit langen Spigen, während die
längern Enden der Stiele der Angeln unter einer Klammer ſte⸗
den, und auf diefe Art feftgehalten werden.
Das Stiel: Ende der gebogenen Angel wird auf die gehär
tete Oberfläche eines Pleinen Amboffes gelegt, und mit einem ein⸗
zigen Schlage eines ebenfalls harten Hammers mit ganz ebener
Bahn geplättet; wobei es fich von felbft verfteht, Daß der Draht
nur fo weit auf dem Ambofle aufliegen darf, ald die Länge ded
durd) den Hammer zu bildenden Lappen erfordert.
Das Härten der urſpruͤnglich aus Eifendraht beftehenden
Angelhafen gefchieht fo wie bei den Nadeln durdy Einfeben oder
Zementiren, in blecyernen oder thönernen Gefäßen, mit Ochfens
Mauen, Hornabgängen, gebrannten Leder, Kohlenpulver u. dgl.
Jedoch erfordert diefe Arbeit manche Handgriffe, damit die Angeln
ein recht feines Korn, Feine zu große Härte und Damit in
Berbindung ſtehende Sprödigfeit erhalten. Die englifchen Fiſch⸗
angeln werden auch in diefer Beziehimg fehr gefchäßt.
Nach dem Härten werden die Angeln rein gefcheuert, wel
ches in Säden, die von zwei Perfonen gefchüttelt und gefchwun-
gen werden, mit Beihülfe von feinem Sand, oder noch befler mit
Schmirgel, gefchieht. |
Endlich werden fie blau angelaffen, oder verzinnt, indem
nur die gemeinften Sorten, bloß blanf gefchenert im Kandel vor:
282 Anker.
kommen. Das erſtere nimmt man mit den bei Kleinigkeiten aus
Stahl überhaupt uͤblichen Handgriffen auf einer langſam und
gleichförmig zu erhitzenden Eiſenplatte vor. Das Verzinnen aber
wird auf aͤhnliche Art, wie bei eiſernen kleinen Nägeln und Drath⸗
ftiften, Sleiderhaften, Ringen, Schnallen, u. dgl. audgeübt.
In einem flachen eifernen, gehörig erhigten Zopfe befindet ſich
ungefähr einen Zoll hoch gefchmolzenes, möglichft reines Zinn,
und über diefem eine etwa fünf ZoU hohe Schichte Talg. Man
läßt die Angeln langfam in den Zopf gleiten, und rührt fie in
demfelben um, fo daß fie in dem Zalg erft den nöthigen Hitzegrad
annehmen, und dann in das Zinn gelangen, welches fie in einer
dünnen Lage überzieht. Wenn man glaubt, daß fie hinreichend
verzinnt feyen, nimmt man mit einer dreizadigen Gabel fo viele
heraus als fie fallen kann, Täßt fie abtropfen, und beingt dann
auf den Griff der Gabel einen ftarfen fchnellen Schlag an, wor
durch die Angeln weggeichleudert, und, befonders wenn fie auf
dieſe Art gegen eine Wand geworfen werden, am Zuſammenkle⸗
ben durch das erftarrende Zinn verhindert werden.
Das ihnen anbängende Zalg wird noch zulest dadurch
weggefchafft, daß man fie, mit troddenen Kleien gefchichtet, in eis
nem Zopfe unter fortwährendem Umrühren erhigt, dann in Säden
ſchüttelt, diefes Verfahren nochmahls mit neuen Kleien wieders
hohlt, und die legteren durch Sieben gänzlidy befeitigt.
G. A.
v
Anker.
Diefen Nahmen führen bekanntlich in der Baukunſt gewiſſe
gekruͤmmte Klammern, durch welche man Steine, Balken, u.
fe w. feſter vereinigt. Ein Haupttheil der Hemmung bei den
Pendeluhren beißt ebenfalls Anfer. In beiden Faͤllen rührt die
Benennung von der mehr oder weniger großen Ähnlichkeit her,
welche die bezeichneten Stüde mit dem urfprünglich jenen Nah⸗
men führenden Geraͤthe, nähmlich den Schiff: Anfern haben.
Bon diefen allein wird hier ausführlich Die Rede ſeyn.
Die Beſtimmung der Anfer ift befannt. Ohne Anker laͤßt
fi, Schifffahrt von einiger Bedeutung gar nicht denken, und da-
ber iſt die Erfindung der Anker wohl eben fo alt, als die Kuuft
Einrichtung ‚der Anfer. 285
des Schiffens felbft. Die Haupttheile eines jeden Anfers find die
Anferrutbe, eine ftarfe eiferne Stange, und die Arme oder
Flügel, weldye bogenförmig, zugefpist, und an dem einen
Ende der Ruthe durch Aufchweißen befeftigt find. Wenn der Anz
fer außgeworfen wird, fo fommt er dergeftalt auf den Grund zu
liegen, daß einer feiner Arme mit dem zugefpisten, fchaufelförs
migen Ende fich einwühlt, und Dan die Bewegung des Schiffes
verhindert.
Die älteften Anfer hatten nur einen einzigen Arm, und eins
ormiger Anfer bedient man fich noch jept, um die Schiffe in den
Häfen zu befefligen, nie aber auf offenem Meere, wo durchaus
Anfer mit zwei einander gegenüber ftehenden, gleichfam einen
Halbınond bildenden Armen gebräuchlich find. Anfer mit drei
Arnen findet man jegt nicht mehr; wohl aber foldye mit 4 oder 6
Armen, welche für Boote und bei der Flußſchifffahrt angewendet
werden. Man hat in England zum Gebrauch der Bifcherboote
und bei der Küftenfahrt Anfer von der Geftalt eines Pilzes oder
eines Regenfchirmes, deren gewölbte Kappe aus Gußeifen beiteht,
und an einer gefchmiedeten Ruthe befeftigt iſt. Diefe Kappe ver:
tritt die Stelle der Arme; denn welche auch die Lage des Ankers
auf dem Boden fey, fo greift ihr Rand in den lebtern ein.
Die Seftalt eines gewöhnlichen zweiarmigen Ankers erfieht
man aus Fig. 9 und 10 (Zafel 4). Die Ruthe abe iſt von e
bis b bei den Fleinen Anfern rund, bei den großen parallel mit der
Ebene der Arme abgeplattet, immer aber dergeftalt verjüngt oder
Fonifch gebildet, daß fie ihre größte Dicke bei c, und die Fleinfte
bei b hat. Die Arme de find an den Enden e abgefchrägt, um
leichter in den Boden einzudringen ; jeder derfelben trägt, um dem
Ausreißen mehr Widerftand zu leiften, eine dreiedige Schaufel £.
Die vierarmigen Anfer, bei welchen dad zweite Paar der Arme
mit dem erften rechtwinffig geftellt, und folglich jeder Arm von
dem naͤchſten nur um go Grade entfernt ift, haben außer den ans
gegebenen Xheilen nur noch) am obern Ende der Ruthe einen
Ring k, in welchem das Seil oder Tau befefligt wird. Ein
ziweiarmiger Anfer aber würde beim Auswerfen immer flach auf
den Grund zu liegen kommen, und feine der Schaufeln Fönnte
eindringen, um das Schiff feilzubalten. Er bedarf Demnach einer
Vorrichtung, woburd er, im Waffer liegend, ftetö fo gewendet
wird, daß einer feiner Arme fenfrecht auf dem Boden ſteht, und
fi) folglich in.denfelben eingraben kann. Diefen Zwed erfüllt
dee Anferftod, ein langes Querftüd, weldyes am obern Ende
Der Ruthe unter rechtem Winfel gegen die Richtung der Arme
befeftigt ift, und fich beim Auswerfen des Anfers ſtets flach auf
den Grund legt. Bei Fleinen Anfern ift der Anferftod eine eiferne
Stange, welche durch ein Loch der Ruthe geſteckt wird; bei den
großen befteht er aud zwei eichenen Valfen gg, hh (Fig. 9),
welche Durch Nägel oder Bolzen und eiferne Reifen zufammen ges
halten werden, ‘indem fie die zwifchen ihnen durchgehende Anfer-
ruthe umfaffen. Die Ruthe ift zu diefem Behufe von b bis an
das obere Ende a vierediig, und befißt auf zwei einander gegen-
überfteheriden Seiten vieredige Zapfen i (f. Fig. 10, und den
Durchſchnitt Fig. 21); welche in die innern Zlächen der Balken
g, h, verfenft werden, und diefelben unbeweglich an ihrer Stelle
erhalten. Der Ring'k ift durch ein oberhalb des Anferftodes in
der Ruthe befindliches Loch geftedt. Man umwidelt ihn ganz mit
einer Schnur, um die Berührung des darin beſeſtgten Taues mit
dem Eiſen zu vermeiden.
Über die Geſtalt und die verhaͤltnißmaͤßigen Dimenſionen der
heile eines Anfers ift noch Folgendes zu bemerfen. Die Anfer-
ruthe bat an ihrer [hwächften Stelle, d. i. beib, —; bis -& der-
jenigen Dide, welche fie am dickſten Ende, bei c, befist. Die
Seite des Vierecks bei a b macht man dem Durchmeifer bei b
glei), mit der Abweichung, daß man der Flaͤche, auf welcher
das Loch füs den Ring durchgeht, eine etwas größere Breite gibt,
um fie nicht zu fehr zu fehwächen. Die Dicke des Ringes ift dem
halben Durchmeffer der Ruthe bei b gleich; das Loch für denfel-
ben ift um 3 jened Durchmefferd vom obern Ende der Nuthe ent-
fernt. Bür Die Länge der Ruthe nimmt man bei dem größten Au—
Per eines Schiffes z von der größten Breite des Schiffes an. Die
Größe des Ankers fteht natürlich in einem gewillen Verhaͤltniſſe
mit feinem Gewichte. Bouguer gab hierüber die Regel, daß
man aus der Länge der Anferruthe, wenn diefelbe (in Zollen
‚ausgedrüdt) auf die dritte Potenz erhoben, und durd) 1160 divi⸗
dirt wird, das Gewicht des Anfers in Pfunden erhalte. Ein
Einrihfung der Anker. 285
7000 Pfund fchwerer Anker würde demnach 165 Fuß lang fen.
Hiervon wird aber ftetd mehr oder weniger abgewichen. Die Arme
des Ankers follen, nad Bouguer, zufammen einen Kreidbo-
gen ede bilden, deffen Mittelpunft um 3 der Länge der Anfer-
ruthe vom untern Ende c derfelben entfernt. ift; die Größe dieſes
Bogens fol ı20 Grad, oder den dritten Theil des ganzen Kreis
fed, betragen. Wenn man fich auch, wie Sig. 10 zeigt, nicht
fireng an die Bogenform hält, fo berüdfichtigt man doch den wer
fentfihen Umftand, daß die innern Seiten der Arme de mit der
Ruthe einen Winfelvon bo Graden machen, und gibt auch den Ars
men die aus obiger Regel ungefähr folgende Länge, naͤhmlich
jedem z von der Länge der Ruthe *). Die Arme find zunaͤchſt an
der Ruthe eben fo dick, als diefe bei c ift; ihre Stärfe nimmt ger
gen außen hin ab, fo zwar, daß fie dort, wo die Schaufeln f
ihren Anfang nehmen, nur mehr die Dicke der Ruthe bei b bes
fiten. Die Schaufeln find zwei.ftarfe Eifenplatten von der Form
gleichfchenfliger Dreiede, indem die gerade Grundlinie derfelben
um ı bis ı! Zoll fürzer ill, als die Entfernung von diefer bi6
an die entgegengefebte obere Spitze. Die zwei längern Seiten
find etwas nach auswärts gefriimmt.
Der Anferftod bat gewöhnlich gleiche Länge mit der Anfers
ruthe. Seine Dice in der Mitte ift gleich ; der Länge; die
Dicke an den Enden ift die Hälfte von jener in der Mitte. Die
obere Seite ift gerade, die untere läuft gegen beide Enden ſchraͤg
birauf. Zwifchen den zwei Balfen, aus welchen der Ankerſtock
) Ehapman hat Gilbert's Annalen dee Phyſik, Bd. 6) gezeigt,
dag alle aus dem Endpunkte a der Ankerruthe auf die Arme c ©
gezogenen Linien mit den Armen einen Winkel von 112° 30’ ma⸗
hen müffen, wenn die Flügel am leichteften einfchneiden, und Den
größten Widerſtand gegen dad Ausreißen leiten folen. Um diefe
Bedingung zu erfüllen, müßte jeder Arm nach der Geftalt einer
logarithmiſchen Spirale, deren Mittelpunft in a ift, ges
krümmt feyn. Macht man die Arme, wie oben gefagt, gerade,
unter einem Winkel von 60° gegen die Nuthe geneigt, fo kommt
man der aufgeftellten Bedingung darum ziemlich nahe, weil daun
eine von a auf die Mitte des Armes gesogene Linie eben einen
Winkel von 112° mit dem Arme mad.
280 | Anker.
beſteht, bleibt ı oder 1 Zoll Öffnung, damit die eifernen Reifen
näher gegen die Mitte angetrieben werden Fönnen, wenn dad Holz
ſchwindet.
Folgende kleine Tabelle enthaͤlt die als bewaͤhrt befundenen
Dimenſionen einiger Anker von verſchiedener Größe. Die Maße
ſind ſaͤmmtlich in Zollen ausgedruͤckt.
— — —
Gewicht des Ankers, Zentner | 10
Länge der Ruthe . |124 156 180 211 |234
Länge der Arme . ß 41 | 52+| 632| 70;| 78
Breite dee Schaufeln . 19 | 2172| 38 | 34:| 38
Dide der Schaufeln ; 1541 1: 3 3 3*
Größte Die der Ruthe(beic) | 4:| 53] 72| &| 9
Kleinste Dicke derfelben (beib) | 4 | 5| 7| 7] .&
Außerer Durchmeffer d.Ringes | 19 | 213] 28 | 344] 38
Die ded Kings . a| 23] 3| 35| 41
60 | 80
20 |.40
Was die Verfertigung der Anker betrifft, fo gefchieht
diefelbe in eigenen Anferfchmieden, welche. nur zu dieſem Behufe
eingerichtet find; obfchon Pleine Anfer, deren Behandlung weni
ger Tchwierig ift, auch auf manchem gewöhnlichen Eifenhammer
erzeugt werden. Da von der Güte der Anfer die Sicherheit und
das Leben fo vieler Menfchen abhängt, fo ift es von der hoͤchſten
Wichtigfeit, bei der Verfertigung jener Werfzeuge auf eine ſolche
Art zu Werfe zu gehen, daß diefelben den größten möglichen
Grad der Stärfe und Widerftandefähigfeit erhalten. Die Ruthe,
die Arme, deren Schaufeln und der Ring werden zuerft abgefon«
deet gefchmiedet. Man macht am Ende der Ruthe das Loch für
den Ring, ſteckt Diefen hinein, und fchweißt feine Enden zuſam⸗
men; dann fchweißt man die ſchon mit den Schaufeln, ebenfalls
durch Schweißen, verbundenen Arme an, und der Anker iſt
fertig.
Die Anfer, nahmentlich die fehwereren, find die größte ge—
fehmiedete Eifenarbeit; es ift daher Far, daß es nicht angeht,
ihre Theile aus einem einzigen Eifenftücfe zu bilden, fondern daß
Verfertigung der Anker. 287°
fie durch Zufammenfchweißen mehrerer Stüde erzeugt werden
müffen. Diefes Verfahren hat gleichzeitig den Nutzen, daß das
Eifen durch das lange fortgefegte Haͤmmern recht gegerbt oder
durchgearbeitet, gleihförmig gemacht, und alfo verbeflert wird.
Man befolgt darum die Methode des Zufammenfchweißens jelbft
in jenen Faͤllen, wo fie durch die Größe der Stuͤcke nicht eben
nothwendig gemacht wird, 3, 8. bei den Armen der kleineren
Anter, und bei den Schaufeln. Ehemahls erzeugte man die
Ankertheile durch unmittelbares Zufammenfchweißen der von den
Srifhhämmern gelieferten Eifenblöce oder Luppen. Allein da diefe
Eifenmaflen noch Schladen enthalten, uhd wegen Mangel an
Bearbeitung Fein gleichförmiges Gefüge haben, fo fielen auch die
daraus hergeftellten Anker nicht anders als fchlecht aus, und bear
hen oft faft eben fo leicht ald Gußeifen. Dan gab fpäterhin den
zunden Ruppen vor dem Zufammenfchweißen durch einiges Schmies
den eine platt vieredige Seftalt, und verbeiferte fie hierdurch we⸗
nigftens fo weit, daß die beigemengten Schladen entfernt wur-
den. Allein das Eifen erhält auf diefe Art noch nicht jene fafe-
tige Steuftur, wovon feine große Zähigfeit abhängt, und welche
nur durch das Ausfchmieden in die Länge entfteht. Gegenwärtig
verfährt man daher bei der Anferfabrifation auf andere Weife.
Man fchmiedet zuerft flache ppramidalifche Stangen, legt mehrere
derfelben (gewöhnlich 26 zur Verfertigung einer großen Anferrus
the) auf einander, und hält fie durch eiferne gefchweißte Ringe,
weiche man mittelft Hammerfchlägen vom dinnern Ende des Buͤn⸗
dels her -auftreibt, zufammen. Da das Beuer auf die äußern
Stangen mehr wirft, al& auf die mittleren, und einen Theil der
erfleren verbrennt, fo gibt man jenen eine größere Dicke als Die:
fen. Das ganze Bündel, welches fürzer, aber dider ift, ald das
Stud, welches man zu erzeugen beabfichtigt, wird nun in einem
Steinkohlenfeuer nach und nad an allen feinen Theilen erhitzt,
umter einem großen, 500 bi6 800 Pfund fchweren, vom Waſſer
getriebenen Hammer gefchweißt, und in die gehörige Form ge⸗
bracht. Die Hammer einer Anferfchmiebe gleichen in der Ein»
richtung den gewöhnlichen Eifenhämmern; nur gibt man ihnen
eine bedeutende (bis 4: Fuß betragende) Hubhöhe, um ihre Wir:
tung zu vermehren. -
288 Ä Anker. . *.
Die Eſſe unterfcheidet fich ebenfalls in feinem wefentlichen
Punkte von jener eines gewöhnlichen Eiſenhammers. Man be=
dient fi der Steinfohlen, weil diefe eine flärfere Hitze geben,
old Holzkohle; aber wegen der Schwerentzundfichkeit der Stein⸗
tohle macht man die Öffnung der Gebläfe = Dille Heiner ala bei Holz⸗
fohlenfeuern, fo, daß der Wind mit größerer Heftigkeit wirkt.
Zur Handhabung der großen Eifenftüde, welche durch Menſchen⸗
bände nicht wohl mehr bewegt werden Fönnten, bedient man ſich
eines Krahns.
Man darf nicht wagen, einen Anker wirklich in |
zu nehmen, bevor er auf feine Seftigfeit geprüft ifl. Die Probe,
welcher man die Anfer gewöhnlich unterwirft, indem man vers
fucht, ob fie den Fall von einer bedeutenden Höhe auf ein Lager
yon alten Kanonen oder eine andere Eifenmafle aushalten, iſt
nicht ganz ficher, weil dabei fehr viel von der Art des Auffal«
lens abhängt, und alfo auch ein fchlechter Anfer zufällig unbes
ſchaͤdigt bleiben kann. Beſſer ift es, die Arnıe des Ankers, einen‘
nah dem andern, gegen ein unbewegliches Hinderniß zuftemmen,
und das in dem Ringe der Ruthe befeftigte Anfertau anzuziehen,
bie es reißt. Diefe Probe hat auch den Vorzug, daß dabei die
Stärfe des Ankers ganz auf diefelbe Weife in Anfpruch genommen
wird, als beim Gebrauche felbft. Um zu ſehen, ob fich die Schaus
feln gehörig dem Boden zuwenden, in welchen fie eingreifen fol«
Ien, legt man den Anfer fo auf eine ebene Flaͤche, daß eine
Schaufel und ein Ende des Stockes die Fläche berühren. Dreht
fich der Anfer dergeftalt von felbft um, daß er in die Lage kommt,
welche er auf dem Meeresgrunde annehmen foll, fo ift er gut.
Ausführlicheres über Die Verfertigung der Anfer findet man
in der ‘zur Description des Arts et Metiers gehörigen Abhand-
lung: Fabrique des ancres, lue a I’ academie, en Juillet ı723,
par M. de Reaumur. Avcc des notes et des additions de M.
Duhamel; weldhe im ı. Bande des Schauplatzes der Künſte und”
Handwerke, Berlin, 1762, überfegt iſt. Uns erübrigt nun noch
die Erwähnung einiger neueren Verbeflerungen oder Abanderun-
gen, welche mit den Anfern vorgenommen worden find.
‚Hierher gehört zuerft die fehr zweckmaͤßige, von dem englie
{hen Kapitän Ball angegebene Art, den Ankerſtock mit der An-
Verbeſſerungen der Anker. 289
ferruthe zu verbinden (f. den Durchfchnitt Figur 22, Tafel 4).
Statt der Zapfen i (Bigur 10, 11) iſt nähmlich die Ankerruthe
mit zwei Lappen 1, 1, verfehen, . welche fo lang find, daß durch
jeden derfelben zwei Bolzen durchgehen Fönnen. Zwiſchen diefen
Bolzen wird der Ankerſtock von zwei eifernen Bändern m, n,
umfaßt, und fomit ift Die Verbindung auf eine, die gewöhnliche
an Feſtigkeit weit übertreffende Weiſe hergeſtellt. Chriftos
phers in London hat (mie die Anficht feines Ankers Fig. 13,
Taf. 4, von der Seite, Fig. ı4 von unten, zeigt) die Ruthe a
aus zwei im Querfchnitte elliptifchen Stangen gebildet, welche
unten abgefondert in die Arme, b, b, befeftigt find, oben aber
in ein ſtarkes Viereck fid) vereinigen, durch welches der eiferne
Anterfiod d geftedt iſt. Die Schaufeln co, c, haben die ges
wöhnlihe Geftalt; indeſſen zieht der Erfinder folche mit bogen»
förmigem Hiutertheile (wie die punktirten Linien in Big. 14 anzei⸗
gen) vor. Die Stellung der zwei Schenkel, aus welchen die
Ruthe befteht, gibt dieſem Anfer eine große Feſtigkeit; auch find
die Arme weniger in Gefahr zu brechen, weil fie näher gegen ihre
Endpunete mit der Ruthe in Verbindung gefept find.
Brunton erfand einen Anker (Bigur 15), bei wel:
hem der eiferne Stod c c unten angebraht, und durch
die Arme d, d mit der Ruthe a verbunden ift. Hierdurch
bewirft man, daß der Anfer fich leichter in jene Lage dreht,
wo die Schaufeln b (von welden man in Diefer Richtung
nur eine fehen fann) in den Boden eindringen. Hawkes
ließ den Anfer aus zwei Theilen beſtehen, gerade ale wenn die
Ruthe ihrer Länge nad in zwei Hälften zerfchnitten wäre, die
durch berumgelegte Ringe wieder vereinigt find. Jede Hälfte
ftellt fomit ein winfelförmiges Stüd vor, von welchem der lange
Schenfel die halbe Die der Ruthe, der fürgere hingegen einen
der Anferarme bildet. Die beiden Theile der Ruthe find auf der
Släche, mit weicher fie fich berühren, ausgehöblt, fo, daß nach
der Zufammenfegung ein von unten bid oben durchgehender roͤh⸗
renfoͤrmiger Kanal entficeht. In diefer Höhlung Tiegt eine Kette
oder eine eiferne Stange, die oben fowohl ald unten mit einem
Ringe verfehen ifl. Der obere Ring dient zur Befeſtigung des
Taues, an welchem der Anfer ausgeworfen wird; in den untern
Technol. Encyclop. I. Bd. 19
290 Antker.
Ring wird ein Hülfstau eingemacht, welches man beim Lichten
des Ankers braucht. Die winfelförmigen Hälften des Ankers bils
det der Erfinder aus gerade gefchmiedeten Stangen durch Biegen,
wodurch das Anfchweißen der Arme erfpart, und alfo jeder Dabei
mögliche Fehler vermieden wird.
Ein anderer Engländer, Somes, hat Aufer mit einer
einzigen Schaufel erfunden, welche mit eben fo großer Sicherheit
gebraucht werden Fönnen,. als die gewöhnlichen zweifchaufligen.
Anter mehreren. für diefe Anfer ausgedahten Formen ift jene,
welche man in Sig. 16 und 17 nach zwei Anfichten gezeichnet fieht,
die befte. Die Stelle der Anferruthe wird hier durch einen eifernen,
faft dreiedig auöfehbenden Rahmen vertreten, deſſen Seitentbeile
a, a, durch die Querftüde b, c, verbunden find. Die Schau:
fel e ift an einem Bolgen oder einer Achfe d befeftigt, welche fich
im untern, fchmalen Theile des Rahmens dreht. Mit dem Arme
der Schaufel find unter rechten Winkeln zwei andere Arme, f, f%,
verbunden, welche nur fo lange der Schaufel eine Drehung ges
ftatten, bis einer von ihnen an dem Querftüde c des. Rahmens
anfteht. Man fieht, daß der Anker, wenn er in der Stellung
Fig. 17 auf dem Meereöboden anlangt, jedes Mahl Grund faf:
fen muß, . der Rahmen a mag fid) rechts oder links umlegen;
denn im erfien Falle befindet ſich die Schaufel fogleic) in der zum
Eindringen nöthigen Lage, und im zweiten fällt fie von felbft,
mit ihrer Achfe ſich drehend, auf die entgegengefegte Seite, wo
fodann der Arm f ftatt £ mit- dem Querjtüde c in Berührung
fommt. Die Stange b des Rahmens leiftet den Dienft des Ans
ferftodes; mittelft der Ketten g, g, ift der Rahmen mit dem
Ringe h verbunden. in welchem dad Tau befeftigt wird. Ähnliche
Einrichtungen von Ankern mit umdrehbaren Schaufeln haben
Hawkins und Piper angegeben. Man findet ausführlichere
Nachricht und Abbildungen von mehreren der hier erwähnten An⸗
fer, wie auch von anderen Verbefferungen derfelben, in Newe
ton’6 London Journal of Arts, Vol. IV. p. bo, 113, V.
246, Vi. 76, IX. 10; dann in Dingler’s polytechnifchem Jour⸗
nal, Bd. IX. &. 308, X. 407, XI. 304, XI. 319.
K. K.
Anſtreichen, Anftriche. 291
Anftreichen, Anftriche.
Anftreichen heißt im Allgemeinen, die Oberfläche eines
Körperd, theild zur Verzierung, theild zu anderem Behufe, mit
einem flüffig aufgetragenen Überzuge verfehen.
Das Anftreichen im gewöhnlichen engern Sinne, nähmlich
das Überziehen von allerlei Gegenftänden, befonders aus Holz,
mit Farbe, ift meiftens das Geſchaͤft eigener Arbeiter, welche
Anftreicher (in einigen Gegenden, wo fie ſich auch mit dem
Ausmahlen der Zimmer, mit dem Vergolden und Ladiren befaf-
fen, Staffiermahler) genannt werden.
Zum Anftreichen werden entwider Leim = oder Ohlfarben
gebraucht, und ziwar, wegen der großen Menge, in welcher mar
ihrer bedarf, ſtets die wohlfeilften, z. B. ald Leimfarben: Blei⸗
weiß gefchlämmter weißer Thon, Kreide, Kafleler Gelb, Schütt:
gelb, Gelberde, Ocher, Umbra, Engelrotb, Grünfpan, Berg⸗
grün, Berlinerblau, Bergblau, Kienruß, -Sranffurter Schwarz;
als Oblfarben: Bleiweiß, Bleigelb, Kaſſeler Gelb, Ocher, Men⸗
nige, Braunſtein, Grünſpan, Shlgrün, Berlinerblau, Bein⸗
ſchwarz, Frankfurter Schwarz. Die verſchiedenen Mittelfarben
werden durch zweckmaͤßige Miſchung hervorgebracht; z. B. Licht⸗
grün aus Grünſpan und Bleiweiß, oder Berggrün und Blei⸗
weiß; Hellblau aus Berlinerblau und Blieiweiß; Nußbraun aus
braunem Ocher, Bleiweiß und etwad Schwarz; Kaftanienbraun
aus Engelroth und Beinſchwarz; Lichtgelb aus Ocher und Blei:
weiß; Grau aus Bleiweiß und Franffurter Schwarz; Perlfarb
aus den vorigen beiden mit etwas Berlinerblau; u. f, w.
Die Leimfarben werden mit Wafler auf dem Reibſteine (ei⸗
ner Platte von Marmor oder anderem harten Steine) mittelftdes
Laͤufers (eines kleinern Steinftücdes) abgerieben, und mit dünnem
Leim angerührt. Das beim Gerinnen ded Blutes fich abfondernde
Blutwaffer fann in manchen Sällen einen Stellvertreter des
Leimes abgeben. Es muß aber friſch verbraucht werden, und
(äßt fi) nur mit erdigen Yarben (Kreide, Bolus, Gelberde, u.
f w.), nicht aber mit metalliichen, — es zum Gerinnen brin⸗
gen, vermiſchen.
Die Öhlfarhen reibt man ei dem Steine mit Öhlfirnig,
19*
292 Anftreichen, Anftriche.
und febt dann von legterem nod) fo viel zu, als zur gehörigen
Slüffigfeit erforderlich it. Der Ohlfirniß wird aus einem trod-
nenden fetten Ohle durch Kochen mit einem Zufage von Bleiglätte
bereitet (f. den Artifel Firniſſe). Am häufigiten bedient man
fi) des’ Leinoͤhles, aber für lichte Farben ift Nußöhl oder Mohn:
öhl vorzuziehen, weil Diefe beiden weniger gefärbt find, ald das
Leinöhl. Eine Veimifchung von Terpenthinöhl macht die Ohlfarz
ben dünnflüffiger, fo, daß fie fich leichter aufftreichen laffen. Um
den Ohlfarben eine größere Haltbarfeit und Elaftizität zu geben,
fann man fich einer Auflöfung von Federharz (Kautfchuf) in Stein»
öhl oder Terpenthinöhl bedienen, welche man mit dem Firniffe ver-
mengt. Auch ein Zufag von Bleizucker und Zinfoitriol vermehrt
die Dauerbaftigfeit diefer Sarbon, indem fie dadurch trodinender
gemacht werden. So erhält man einen fehr dauerhaften ſchwar⸗
zen Anftrih, wenn man 2 Theile gebrannte Umbra, ı Th. Blei:
zuder, ı Th. Zinfvitriol und ı Th Bleiweiß mit etwas Leinöhl«
firnig fein abreibt, die Miſchung mit mehr Firniß verdünnt, zu⸗
legt no) ı2 Th. ausgeglühten Kienruß zufegt, und damit das
Holz überzieht. Diefen Anftrich wiederhohlt man, wenn der erfte
getrodnet ift, jedoch ohne den Zufag von Bleiweiß; und endlich
gibt man noch einen dritten Anftrich von ‘4 Th. gebrannter Um⸗
bra, 2 Th. Bleizuder, ı Ih. Zinfvitriol, a Th. Berlinerblau,
ı Th. Grünfpan und ı6 Th. Kienruß, auf obige Art mit der er
forderlihen Menge Leinöhlfieniß angemacht. Andere Farben
werden auf gleiche Weife mit den gehörigen Materialien darge:
ſtellt; z. 8. Weiß aus 128 Ih. Bleiweiß, ı Th. Zinfvitriol, ı
Th. Bleisuder; Grau aus eben diefen Ingredienzen, mit Zufag
von Berlinerblau; Gelb aus 16 Th. gelbem Ocher, ı Th. ges
brannter Umbra, 24 bis 28 Ih. Bleiweiß, ı Ih. Zinfoitriol,
ı Th. Bleizucker; Grün aus ı6 Th. gelbem Ocher, 3 Th. Berli-
nerblau, 12 Th. Bleiweiß, 3 Ih. Zinfoitriol, ı Th. Bleizucker;
Roth aus ıb Th. Mennige, 8 Ih. Zinnober, ı Th. Zinfvitriol,
ı Th. Bleizuder.
In England bedient man fi) des Thrans zu groben Far⸗
benanftrichen ftatt des Ohlfirniſſes, und bereitet ihn für dieſen
Zweck auf folgende Art zu. Man kocht ihn in einem eifernen
Topfe bei ſchwachem Feuer, und fchäumt ihn ab. Wenn er fo
Anftreichen mit Farben. ' . 203
heiß geworden ift, daß er eine hineingetauchte Feder verfengt,
fest man auf jede Maß Ihran ungefähr einen halben Eplöffel voll
Bleiglätte zu, rührt dann drei Minuten lang um, nimmt die
Miſchung vom Seuer und Täßt fie erfalten, worauf fie zum Ge-
brauche fertig iſt. Nach einer andern Vorfchrift kann man den
Thran felbft zu feinen Anftrichen brauchbar machen, wenn man in
3 Maß gutem Eifig 7 Loth Bleiglätte und 7 Loth Zinfvitriol auf:
Töfer, diefen Effig dann niit ı6 Maß Thran gut durcheinander
ſchüttelt und vermifcht, das Ganze bis zum naͤchſten Tage fich fe:
Ben läßt, das Klare abgießt, Z Maß Leinöhlfirniß nebft ; Maß
Zerpenthinöhl hinzufügt, und mit diefer Mifchung, wenn fie nad)
zwei Zagen fich gefebt hat, beliebige Farben abreibt. Bleiweiß
auf diefe Art mit Thran angemacht, ſoll eine fchönere Farbe er-
halten, al& das mit Leinöhlfirniß abgeriebene, übrigens edet
durch nichts von diefem zu unterfcyeiden fenn.
Die Gegenftände, welche mit Barben angeftrichen werden
follen, erhalten vorläufig einen fp genannten Grund, d. h. ei⸗
nen fhwachen Anftrich, der Die feinen Poren des Holzes ausfuͤllt,
unb die Oberfläche zum Auftragen der Farbe vorbereitet. Wenn
man mit Leimfarbe anftreichen will, fo befteht der Grund aus
Kreide und Leim; fol mit Öblfarbe angeftrichen werden, fo grun-
Dirt man mit Hhlfirniß und Bleiweiß. Wenn das angeftrichene
Geräthe nicht der Feuchtigfeit ausgefeht wird, fo kann man, um
Koften zu erfparen, mit Leimfarbe grundiren, und darüber die
Ohlfarbe aufftreihen. Ze fhwammiger und einfaugender das
Hol; ift, deſto flärfer muß jedes Mahl dee Grund aufgetragen
werden.
Das Anftreichen ſelbſt darf nicht eher vorgenommen werden,
als nachdem der Grund fo vollfommen getrodinet ift, daß er gar
nicht mehr Flebt. Es find dabei nur wenige und ganz einfache
Handgriffe zu beobachten, um das Gelingen der Arbeit zu fichern.
Man bedient fi) eines großen Borftenpinfelö, den man gerade
auffegt, und in langen Zügen über das Holz, ſtets nach der Rich⸗
tung der Faſern, hinführt. Man fieht darauf, nicht zu viel
Sarbe in den Pinfel zu nehmen, und den Anftrich diinn und fo
gleichförmig als möglich zu machen. Aus feinen Vertiefungen
von Schnipwerf u. dgl., in welche ſich die Sarbe zu fehr hinein
294 Anftreichen, Anftriche.
geſetzt Hat, muß diefelbe mittelft eined einen Pinfeld wieder
herausgeftrichen werden., Die Farbe muß in dem Topfe oft um⸗
gerührt werden, damit fie immerfort die nähmliche Schattirung
behält, und fich nicht zu Boden feßen kann. Leimfarben fol man
wenigftens lauwarm auftragen, damit der darin befindliche Leim
‚ganz flüffig if. Da in der Regel das Anftreichen wiederhohlt
werden muß, um die Fläche gleichförmig und dick genug zu über
ziehen, fo ift es, um die nöthige Haltbarkeit der Farbe zu errei=
hen, durchaus nothwendig, jeden Anftrich vollfommen trodnen
zu laffen, bevor ein neuer gegeben wird. Bei dem lebten Ans
ftriche befonders muß man fi ich Mühe geben, die Pinfelftriche nicht
ſichtbar werden zu laffen.
Ohlfarben⸗ -Anftriche beſitzen einen gewiſſen Glanz, wider⸗
ſtehen der Feuchtigkeit, und haben den Vorzug, daß ſie ſich,
vollkommen ausgetrocknet, durch Waſchen, ſelbſt mit Seife, rei⸗
nigen laſſen. Die Anſtriche mit Leimfarben ſind matt; man kann
ihnen aber einen dauerhaften Glanz dadurch geben, daß man fein
gepulvertes Federweiß unter die Farbe mengt, und den vollkom⸗
men trockenen Anſtrich mit einer ſteifen Buͤrſte anhaltend überreibt.
Das von Such erfundene, unten ausführlicher zu erwähnende
Wafferglas' gibt den Leimfarben- Anftrichen, welche man mit
feiner Auflöfung überfährt, das Anfehen einer Ohlfarbe, und die
Fähigkeit, fich naß abwifchen zu laſſen; ja das Waſſerglas Fann
vortheilhaft ſtatt des Leimes felbjt zum Anmachen der Farben ger
braucht werden.
In folgenden zwei Schriften findet man ausführliche Anlei⸗
tung zum Anftreihen: Watin, der Staffiermahler, oder die Kunft
anzuftreichen, zu vergolden und zu ladiren, Aus dem Sranzöfie
fhen. 8. Leipzig 1779. — H. 5-4. Stödel'd praftifches Hands
buch für Künftler, Tadirliebhaber und Shlfarben = Anftreicher. 8.
1.11. Theil, 5. Aufl. Nürnberg 1817, 1820; ILL, bis VIII Theil.
Münden, 1819 — ı829.
Das Anftreichen mit Farben bat meiften Theils nur bie Ver⸗
fhönerung der angeſtrichenen Gegenſtaͤnde zur Abſicht. Oft aber
fucht man durch einen Anftrich die Abhaltung verfchiedener aͤuße⸗
ser Einfluffe zu erreichen, und dann muß die Befchaffenheit des⸗
felben wefentlich nach dem Zwecke verfchieden feyn, welcher dar
Waflerabhaltende Anftriche, 295
Durch erfüllt werden fol. Hierher gehören indbefondere die An⸗
firiche zur Abhaltung der Naͤſſe von Holzwerf, Mauern, u. dgl.,
Des Feuers von allen brennbaren Stoffen, und des Rofles oder
der Oxydation von den Metallen. Einen waflerabhaltenden, d.h.,
der Feuchtigkeit widerſtehenden, überzug bildet eigentlich jede ge⸗
meine hlfarbe, mit den oben beſchriebenen Handgriffen bereitet
und aufgetragen. Allein für manche Faͤlle find diefe Karben zu
Foftfpielig; und wenn das angeftrichene Holzwerf den Unbilden
der Witterung. bloßgegeben iſt, fo zeigen fie nicht immer die wün-
fchenswerthe Dauerhaftigfeit. Man muß dann zu anderen Mit-
teln feine Zuflucht nehmen, um das Hol; auf eine wirffame Art
vor dem Eindringen der Mälfe zu ſchützen. Wenn man das. Holz
mit dickem Leinöhlfirnig überzieht, dann mit feinem Sand bewirft,
nach dem völligen Trodinen den nicht angeflebten Sand wegreibt,
und diefe Operation einige Mahl wiederhohlt, fo erhält Das ange⸗
flrihene Holzwerf ein fteinartiges Anfehen, und bleibt vor Näile
(folglich vor der Faͤulniß), fo wie vor Würmern gefhüpt. Statt
des Leinöhlfirniffes kann hier die Grundirung auch mit Holz oder
Steinfohlentheer vorgenommen werden. Einen andern, der Witz
terung fehr gut widerftehenden liberzug erhält man aus 3 Theilen
an der Luft zerfallenem Kalf, 2 Th. Holzafche und » Th. feinem
Sand, welche vermengt, durch ein Sieb gebeutelt, und mit Leinoͤhl⸗
firniß angemacht werden. Man überftreicht damit das Mol; zwei
Mahl: das erfie Mahl nur dünn, das zweite Mahl aber fo dic,
als es mittelft des Pinfeld möglid) ift. Ein Pfund Kolophonium,
mit 14 Maß Thran und + Pfund Schwefel zufammengefhmolzen,
liefert gleichfall® einen dauerhaften, fehr gut der Naͤſſe widerite=
benden Anftrich, der mit Ocher oder einer andern in Leinöhlfirniß
abgeriebenen Farbe beliebig verfeßt werden fann, und heiß auf
das Hol; mittelft eined Pinfeld aufgetragen werden muß. Der
erfte Anftrich muß fo diinn als möglich gemacht werden, und einige
Zage trodnen, bevor man den zweiten gibt.
Sehr empfehlenswerth ift, nach Verfuchen, welche Bleſſon
in Berlin angeitellt bat, folgender in Rußland zum Überziehen
der hölzernen Dächer gebräuchliche Anftrih. Man Töfet in 8 Maß
Waller durch Kochen 16 Loth Eifenvitriol auf, fchüttet ı2 Loth
feingepulvertes weißes Harz hinein, und ruührt fo lange nm, big
206 Anftreihen, Anftriche.
das Harz auf dem Waſſer fchwimmt, und sähe wird. Sodann
fegt man zu dieſer ſtets Fochenden Wifchung, unter fortwährendem
Rühren, nad) und nach in Fleinen Portionen 2} Pfund feinges
ftoßenes, gefiebtes Engelroth (Kolfothar), 15 Pfund Rodenmehl,
und endlich noch + Maß LeinöblL Das Umrühren wird fo lange
fortgefegt, bis keine Ohlpünftchen mehr auf der Oberfläche fihtbar
find. Diefer Anftrich wird braunroth; wünfcht man ihn grün, fo
wird ftatt des Kolfothard 3 Pfund Grünfpan zugefegt. Die Miz
{hung wird am beiten frifch bereitet angewendet, und heiß auf
das mit nichtd grundirte Holz aufgeftrihen. Man wählt dazu
eine Zeit, wo die Witterung warm und trocken ifl. Die angege-
benen Mengen reichen für eine Släche von 300 Quadratfuß hin;
der Anftrich riecht nicht wie gewöhnliche Ohlfarbe, und widerfteht
dem Regen, und überhaupt der Feuchtigkeit, wenn er einige Tage
zum Trocknen Zeit gehabt hat, vollfommen.
Am nüglichiten vielleicht, um die Näffe vom Holz; abzuhal«
ten, ift der Xheer, und indbefondere der Steinfohlen-Theer, wel«
cher, ald eine Mifchung von Harz mit flüchtigem Oble, eine Art
von Firniß daritelt. Man trägt ihn fiedendheiß (jedoch ohne ihn
laͤnger kochen zu laffen) fo lange auf das Holz; auf, bis er nicht
mehr eingefaugt wird. Um den. legten Anftrich zu geben, kann
dem Theer Pech und Ziegelmehl nebft einer angemeflenen Menge
Zerpenthinöhl (welches die Mifchung dünnflüffiger mache) zugelegt
werden. Holztheer trodinet fehwieriger als Steinfohlentheer, und
kann zu der angegebenen Verwendung nur dadurch brauchbar ges
macht werden, daß man ihn erhikt, und (um die in ihm enthal«
tene Eifigfäure zu neutralifiren) mit gepulverter Bleiglätte verfeßt.
Eine Beimifchung von Bederharz zum Theer ift in neuerer Zeit
empfohlen worden, möchte aber wohl meiftens zu Poftfpielig feyn.
Man zerfchneidet 5 Pfund Federharz in Streifen, - übergießt es
mit 13 Maß Terpenthinöpl, und laͤßt es damit, unter Öfterem
Umruͤhren, in einer mäßigen Wärme (höchftens 60°.R.) ftehen, bis
ed fich aufgelöfet Hat. Diefe Slüffigfeit wird dann mit 38 Pfund
Zheer zufammengerührt, und die Mifchung etwas erwärmt auf
das Holz; geftrichen.
Geuchte Mauern in Wohnungen Pönnen, nach den von
D’Arcet und Thenard gemachten Werfuchen ; vortrefflich aus⸗
Beuerabhaltende Anftriche. 297
getrod'net, und vor dem fernern Eindringen der Näffe gefchüpt
werden, indem man fie, eine Stelle nach der andern, mittelft
eines beiveglichen eifernen Ofens erbibt, umd hierauf mit einer
geihmolzenen Mifchung von ı Theile Leinöhlfirniß und a Theilen
Harz beftreicht. Wenn diefer Anftrich nicht fogleich und leicht ein«
dringt, fo Hilft man durch Erhigen nach, indem man den auf einer
horizontalen eifernen Stange hängenden Ofen wieder vor diefe
Stelle der Wand ſchiebt. Man wiederhohlt dieſes Überftreichen
oder Einlaffen einige Mahl, und überhaupt fo oft, bis nichts
mehr eingefaugt wird; der letzte Anftrich bildet dann eine Art Gla⸗
für, welche bald fehr erhärtet. Wäre die Mauer ftarf mit Salpe⸗
ter durchdrungen, fo mäßte man fie vor dem, Einlaffen abfragen,
und neu mit Gyps überziehen.
Senerabhaltende Anftriche, welche das Holz; der Gebäude,
die Dekorationen in Theatern, u. f. w. vor der Einwirkung des
Feuers dergeftalt zu fchüben vermögen, daß jene fonft leicht ent⸗
sindlichen Stoffe die Faͤhigkeit verlieren, eine Feuersbrunſt weiter
fortzupflanzen, find gewiß von der höchften Wichtigfeit. Man
kann zu dem genannten Zwede auf zweierlei Art gelangen ; nähm-
lich indem man das Holz mit irgend einem an fich unverbrennli«
Gen, die Wärme fchlecht leitenden Überzuge verficht, der in der
Hige nicht abfällt; oder indem man die Poren des Holzes, der
Leinwand, u. ſ. w. durch Beſtreichen oder Eintauchen mit einer
unverbrennlichen Subſtanz ausfüllt, welche den Zufammenhang
der verbrennlichen Theile unterbricht, und zugleich als fchlechter
Bärmeleiter die Fortpflanzung der Hige in einem gewiffen Grade
erihwert. In beiden Faͤllen, welche gewöhnlich zugleich vorhans
den find, weil jeder Anftrich mehr oder weniger in die Maffe des
Holzes eindringt, kann es jedoch nur gelingen, durch Ausſchlie⸗
Bung der Luft, und ducch Sfolirung ber entzündlichen Theile, das
Ausbrechen derfelben in Flamme zu verhindern, und ihre Verkoh⸗
lung etwas zu verzögern; denn letztete ganz zu vermeiden, geht,
bei dem Mangel eines abfoluten Nichtleiter der Wärme, nie
mahls an, wenn Die Hige einige Zeit hindurch eimwirft, Die fo
genannte Unverbrennlichfeit der auf eine jener Arten zuberei⸗
teten Stoffe ift daher auch nur relativ, und kann nie bis zur Un.
zerſtoͤrbarkeit gefleigert werden.
—8
298 Anſtreichen, Anftriche.
Ein einfacher Anftri von Kalf mit Waſſer macht dad Hol;
ſchon etwas weniger entzündlich. Den Zweck aber, dad Holz dergeftalt
zu überziehen, daß es im obigen Sinne unverbrennlich wird, erfüllt
nothiwendig jede erdige Subftanz, welcher man ein angemeifenes, der
Hige widerftehendes Bindungsmittel zu geben weiß. Dig einfadjite
Zubereitung diefer Art ift, bei gleicher Wirkfamfeit, jederzeit vorzu⸗
ziehen, weil e8 hierbei aufleichtigfeit der Bereitung und Anwendung,
fo wie auf Wohffeilheit, wefentlich anfommt. Man fann z.%. das
Holzwerk der Gebäude mit einer gefättigten Auflöfung von Pottafche
in Waffer beftreichen, dann eben diefe Auflöfung mit gelbem Thon zur
Dicke einer gewöhnlichen Leimfarbe anrühren, ald Bindemittel etwas
gefochten Mehlkleiſter zufegen, und hier:nit den Anftrich noch drei
oder vier Mahl wiederhohlen. Das Hol; wird Dadurch wenigitend
zwei Stunden gegen die Einwirkung des Feuers gefchübt. Auf
30 Pfund Thon find ı+ Pfund Mehl zum Kleifter, und ı Pfund
Pottafche erforderlich. Ähnliche Wirkung Ieiftet eine Mifchung
von Hammerſchlag und Ziegelmehl, welche mit Reimwafler, worin
fo viel ald möglich Alaun aufgelöfet it, angemadht, und unge:
fähr zwei Linien did auf das Hol; geftrihen wird. Auch ein
Mörtel aus ı Theile ungelöfchtem Kalf, 2 Ih. Sand und 3 Th.
zu Stüden von ı Zoll Länge zerfchnittenem Heu oder Stroh ijt
empfohlen worden; fo wie ein fehr zufammengefeßter Überzug aus
a4 Th. gelöfchtem Kalf, ı Th. fettem Ihon, ı Ih. gepulvertem
Gyps, 3 Th. feinem Sand, 4 Th. Ziegelmehl, 3 Th. Hammer⸗
Ihlag, 4 Th, zerhadten Pferdes oder Kälberbaaren und der erfor⸗
berlichen Menge Ochfenblut, welcher auf das getheerte, mit fcharfem
Band beworfene Holzwerk (3.8. der Dächer) 3 JZoll did aufgetra=
gen, vor dem völligen Trocknen mit Sand eingerieben, und endlich
mit einem Mörtel aud Kal, Sand, Hammerſchlag und Ochſen⸗
blut 2 Linien dick bededit wird.
In Fällen, wo eine der vprigen Zubereitungen nicht anwend⸗
bar ift, kann es zuweilen von Nupen ſeyn, das Holz a oder 3
Mahl mit einem Sirniffe zu überziehen, den man durch Zufam-
menmifchen der Auflöfungen von gleich viel Leim und Alam, mit
Zufag von etwas Eſſig, verfertigt. Diefer gibt nähmlich dem
Holze die Eigenfchaft, ſich ſchwer zu entzunden, fo, daß man
Waller in einem hölzernen Gefäße kochen kaun, welches mit bem
Beuerabhaltende Anftriche, 209
erwähnten Anftriche verfehen if. Mitten in ein Flammenfeuer
gelegt, widerfieht aber fo zubereitetes Holz der Entzündung nicht.
Wie bier der Alaun, fo wirfen noch viele andere Salze,
welche alfo gleihfalld angewendet werden Fönnen, um dem Holze
feine Entzündlichfeit, wenigftens zum Theil, zu rauben, indem
fie auf die oben erflärte Weife die Poren desfelben ausfüllen.
Die falzige Subſtanz muß aber, wenn fie gehörig wirfen fol, auf
einige Ziefe eindringen; und da dieß durch bloßes Eintauchen oder
Überftreichen zu bewirken gewöhnlich nicht angeht, fo ift es raͤth⸗
lich, das Holz vorlaͤuſig auf die Tiefe einiger Linien zu verkohlen,
und es dann gut mit der Salzauflöſung zu traͤnken. Umwickelt
man überdieß noch das Holz mit Leinwand, welche mit der nähms
lichen Auflöfung getraͤnkt ift, fo ift es um fo beſſer gefchügt. Die
Auflöfungen, von welchen man in Diefer Anwendung die befte
Wirfung beobachtet hat, find die des phosphorfauren und borazs
fauren Ammoniafö, des fauren phoöphorfauren Kalks, des ägen-
den Kalt und Natron. |
Die nähmlichen Mittel, welche Holz gegen dad Ausbrechen
in SIamme.fchügen, fönnen auch angewendet werden, um Ge⸗
webe verfchiedener Art, z. ©. leinene und baummollene' Zeuge,
welche. fo leicht entzundlich find, zur Sortpflanzung des Feuers
untauglich zu machen ; nur ift bier von eigentlicher Unverbrenulich«
keit noch weniger die Rede. Gay-Luffac hat über diefen Ges
genftand die befriedigendflen Verſuche angeftellt. Er bemerft im
Allgemeinen, daß folche Salze, welche beim Erhigen eine unge:
fhmolzene erdartige Subftanz hinterlaffen, desgleichen foldhe,
welche nur bei fehr hoher Hige fchmelzen, Seinen Fräftig ſchützen⸗
den Überzug geben. Dieß ift der Fall mit dem Alaun, Eifenvis
triol, Zinfoitriol, Glauberſalz, fchwefelfauren Kali, u. f. w. Biel
tanglicher zur Erreichung des Zwedes find jene Salze, welche in
nicht zu ſtarker Hitze ſchmelzen, und daher die Oberfläche der Ger
webe mit einer Art von glafiger Rinde, gleichſam mit einem un-
verbrennlichen Firniſſe, überfleiden, wie z. B. der Borar. Flüch⸗
tige Salze, z. B. das fchwefelfaure Ammoniaf und der Salmiaf,
‚zeigen fich ebenfalls wirkfam, indem ihre Dämpfe mit den aus
dem erhipten Gewebe entwicelten fich vermengen, und denfelben
die Entzündlichkeit benehmen, alfo die Entfiehung der Flamme
— — —
300 Anftreichen, Anſtriche.
verhindern. Am tauglichften wurden Salze gefunden, bei welchen
die zwei erwähnten Urfachen der Wirffamfeit gleichzeitig eintre⸗
ten ; fo das borarfaure und phosphorfaure Ammoniaf (welche in
der Hiße ihr Ammoniaf verdampfen laffen, während Phosphor-
fänre und Borarfäure zurücbleiben und fchmelzen) entweder allein,
oder beſſer mit gleich viel Salmiak vermifht. Die Auflöfungen
müſſen fonzentrirt angewendet, und die Gewebe durch und durch
Damit getränft werden. Papier ift der nähmlichen Zubereitung
wie die Zeuge fähig; indeg wird unverbrennliche® Papier,
d. 5. ſolches, welches fich nur verfohlt, ohne zu brennen, in wer
nigen Sällen von Nutzen ſeyn.
Daß neuefte, und im Großen wahrfcheinlich mit dem meiften
Dortheile anzuwendende Mittel gegen die Bortpflanzung des
Feuers durch Holz oder Zeuge ift das von Profeſſor Fuchs in
Münden erfundene Wafferglas, naͤhmlich eine Verbindung
von Kiefelerde mit Kali, welche für diefen Zwed auf folgende
Weiſe bereitet wird. Man vermengt 10 Xheile guter, von Dige-
ftiofalz fo viel möglich reiner Pottafche (oder flatt derfelben Soda),
15 Th. Kies oder Quarz und ı Th. Kohle gut mit einander, und
fhmelzt das Gemenge in einem feuerfeften Ziegel bei ftarfem Feuer
zu einer gleihförmigen glafigen Maffe, welche mit einem eifernen
Löffel ausgefchöpft, nad dem Erfalten gepulvert, und in dem
vier: oder fünffachen Gewichte Wafler aufgelöfet wird. Um die
Auflöfung zu bewirfen, macht man das Waffer in einem Keifel
fiedend, trägt das Glas unter beftändigem Umrühren nad) und
nach ein, und ſetzt das Sieden drei bis vier Stunden lang fort,
His fich nicht® mehr auflöfet, und die Slüffigfeit das Anfehen eines
diinnen Syrups erlangt hat. In diefem Zujtande hebt man fie,
wenn fie erfaltet ift, und die unaufgelöften Theile zu Boden ge
. funfen find, zum G©ebrauche auf. Iſt die zur Bereitung des
Glaſes angewendete Pottafche mit fremden Salzen verunreinigt
gewefen, oder enthält das Glas eine bedeutende Menge Schwefel:
feber (deren Gegenwart fich durch den Geruch zu erfennen-gibt),
fo muß daflelbe vor dem Auflöfen gepulvert drei bis vier Wochen
der Luft auögefeht, dabei oft umgefchlagen, hierauf mit kaltem
Waller übergojfen, wenn diefes nad) ungefähr drei Stunden wies
der entfernt ift, mit neuem Falten Wafler ausgewafchen, und nun
Noftabhaltende Anftriche. 301.
erft auf die befchriebene Weife in kochendem Waſſer anfgelöfet
werden. Die Sladauflöfung ift etwas Flebrig und trüb; fie läßt
fi) mit reinem Waſſer verdünnen, und bildet, auf Körper geſtri⸗
chen, indem fie ſchnell austrocknet, einen firnißartigen Überzug,
der fih durch die Einwirfung der Luft nicht verändert, in Faltem
Waſſer nur außerordentlich langſam aufgelöfet wird, und dem
euer dermaßen widerfteht, daß er die beftrichenen Gegenftände
fehr gut vor dem Anbreunen fhüpt. Um Holzwerf u.. dgl. mit
diefem Überzuge zu verfehen, muß man daffelbe 5 oder 6 Mahl
mit der Auflöfung des Wafferglafes anftreichen, und befonders
das erfie Mahl dieſe Auflöfung nicht zu Fonzentrirt anwenden, auch
durch Neiben mit dem Pinfel das Eindringen derfelben befördern.
Ihre größte Brauchbarfeit als feuerfichernder Anſtrich erhält die
Slasauflöfung jedach erft dann, wenn man ihr ein erdiges Pulver,
am beiten Anochenafche oder ein Gemenge aus Thon und Kreide,
beimifcht, und fo eine Maſſe herftellt, in welcher dad Waſſerglas
bauptfächlich nur als Bindemittel wirkt. Leinwand, welche man
mittelft der Slasauflöfung unverbrennlich machen will, muß man
nicht bloß damit beftreichen, fondern es ift nöthig, das Eindringen
der Flüffigfeit durch Druck (z. B. zwifchen Walzen) zu befördern;
denn wird diefe Vorficht vernachläßigt, fo glimmt die Leinwand
außerhalb des Feuers noch fort, was mit der ganz durchdrungenen
nicht der Fall iſt.
Wichtig find auch jene Anftriche, durch welche man die Ory-
dation der, der Luft und Witterung, oder andern orydirenden
Einflüffen, ausgefegten Metalle, befonders das Roſten des Eifens,
zu verhindern fucht. Es ift befannt, daß blanfes Eifen oder po⸗
lirter Stahl durch Beftreichen mit einer dünnen Lage Fett oder
Öpl bis zu einem gewiffen Grade vor Roft gefhügt wird, und
daß bei rauhen Gußeifenwaaren das Einreiben mit Neifblei die
nähmfiche Wirfung hat. Auf Meffing ift das Beftreichen mit Shl
ſchaͤdlich, weil Iegteres vielmehr die Bildung von Grünfpan ver-
anlaßt, ftatt fie zu hindern. In England foll man feine Stahl⸗
waaren vor der Verfendung in Kalfwafler tauchen, um fie vor
Noft zu bewahren; und nah Murray wird diefer Zwed fehr
gut erreicht, wenn man die Gegenflände von polirtem Stahl mit
Beinen: oder Wollenzeug umwidelt, der in eine gefättigte Auflö-
302 Antimon.
fung von lebendigem Kalf und Slauberfalz getaucht, und wieder
gut getrochnet if. Eigentliche roftabhaltende Anftriche aber bilden
alle Firniſſe; 3. B. für feine Eifen: und Meifingwaaren, welche
Feiner Reibung auögefegt find, ein einfacher Weingeififirniß; für
weniger zarte Gegenftände eine Mifchung von 5 Theilen Teinöhl«
firnig und 3 bi6 4 Th. reftifizirtem Terpenthinöhl, welche man
nad) dem Aufftreichen an einem der Beuchtigfeit nicht ausgefepten
Orte eintrod'nen läßt. Yür grobe, im Freien befindliche eiferne
Geraͤthe ift ein Anftrich von Steinfohlentheer fehr zu empfehlen,
befonderd wenn man, nah Lampadius, in ı Pfund des er-
wärmten Theerd 2 Loth Asphalt einrührt, und die Mifhung dann
mit 3 Loth fchwefelfaurem Blei und a Loth feinem Graphit zufam-
menreibt.
Am weiteften Sinne ded Wortes gehört zu den Anjtris
hen endlich auch die ganze große Reihe der verfchiedenen Fir-
niffe oder Lade, von welchen in den Artikeln Sirniffe und
Lackiren die Rede feyn wird, und die man theils in ihrer natür«
* lichen Farbe anwenden, theild durch Auflöfung oder mechanifche
Veimifchung von Pigmenten beliebig färben kann.
8.8.
Yntimon.
Das Antimon (Spießglan;, Spießglan;metall)
bat eine filberweiße Farbe mit ſtarkem Slanze, und ein blättrig«
fteahliges Gefüge. Es ift zwar hart, aber fehr fpröde, und läßt
ſich Teiht zu Pulver zerfioßen. Sein fpezififches Gewicht beträgt
6.702 bis 6.860. Es fehmilzt bei einer Temperatur von etwa
345° R. In der Weißglühhige Täßt es fich in verfchloffenen Ge:
fäßen überdeftilliren.
Wird dad Antimon unter Ruftzutritt zum Glühen erhist, fo
fängt e8 au zu brennen, und fublimirt ſich als Oxyd, das fi
oft in glänzenden Kryſtallnadeln anfept (Spiefiglanzblus
men). Diefed Antimonornd enthält 15.68 Prozent Sauerftoff,
und macht die Bafis der Antimonfalze aus. Als Pulver (aus den
Antimonfalzen dargeftellt) hat es eine grauweiße Farbe. Es
ſchmilzt bei fhwacher Glühhige zu einer gelblichen Slüffıgfeit, die
beim Erfalten zu einer gelblichweißen, fryftallinifchen, asbeſtarti⸗
Antimonoryde. 305
gen Maſſe erflarrt; in höherer Temperatur verflüchtigt es ſich,
und fublimirt ſich in den erwähnten Feyitallinifchen Blumen. Man
erhält auch, nad) Berzelius, diefes Antimonoryd, wenn Schwes
felantimon geröftet wird bis aller Schwefel verbrannt ift, worauf
der Rudftand mit „; bis —; feines Gewichtes Schwefelantimon
genau vermengt, und in einem Tiegel bis zum Schmelzen erhißt
wird. Die gefhmolzene Maffe wird audgegoflen und gepulvert.
Sie muß im Bruche kryſtalliniſch, aber nicht glafig feyn; im letz⸗
teren Falle enthält fie Schwefelantimon. Hier wird durch das
Köften das Schwefelantimen in die, fogleich zu erwähnende, an«
timonige Säure verwandelt ,* welche durch das Umfchmelzen mit
Schwefelantimon zu Oxyd reduzirt wird. Es iſt dieſes die wohle
feilfte Art, das Oxyd zu bereiten.
Außer dieſem Oxyd bildet dad Antimon mit Sauerftoff noch
jwei höhere Orydationdftufen, welche in ihren Verbindungen mit
den Salzbaſen die Eigenfihaften von Säuren haben, und antis
monige Säure und Antimonfäure genannt werden.
Die antimonige Säure (fonft weißes Antimons
ox y d) entficeht, wenn das Antimonoryd an der Luft noch weiter
erhigt wird, wo ed, wenn ed fehr fein vertheilt ift, wie Zunder
fortbrennt, bis ed zu antimoniger Säure geworden iſt. Sie wird
ebenfalld gebildet, wenn man Schwefelantimon an der Luft voll«
fländig röftet, wodurch der Schwefel verbrennt, und als ſchwef⸗
liche Säure davon geht, während antimonige Säure zurücbleibt.
Sie erfcheint als ein fehneeweißes Pulver, das fich beim Erhigen
jedes Mahl gelb färbt; ift unfchmelzbar und feuerbeftändig: fie
enthält 19.87 Prozent Sauerftoff.
Die Antimonfäure (fonft gelbes Antimonorpd)ers
halt man, wenn Antimon in Königdwaller aufgelöft, die Auflös
fung zur Trockne abgedampft, dann mit fonzentrirter Salpeter⸗
fäure verſetzt, und die Maſſe bei einer Temperatur, die nicht bis
zum Glühen gehen darf, fo lange erhigt wird, bis alle Salpeter⸗
fäure verdampft if. Sie ift ein blaßgelbes Pulver, im Waſſer
manflösfich, und geht, bis zum Glühen erhigt, unter Verluft von
Sauerſtoffgas, in antimonige Säure über. Sie enthält 23.66
Prozent Sauerſtoff. Sowohl die antimonige Säure ald die An-
timonfäure verbinden fi mit dem Kali, beim Erhigen, fowohl mit
. 304 Antimon. .
dem äbenden ald dem Fohlenfauren Kali, zu antimonigfaurem
und antimonfaurem Kali... Das autimonfaure Kali
(welches 21.71 Prozent Kali enthält) entfteht, wenn man gepul«
vertes Antimon mit 6 Theilen Salpeter verbrennt, die Maſſe noch
einige ‚Zeit in ftarfer Glühhige Täßt; hierauf die auögegoilene
Salzmaffe pulvert, mit Faltem Waffer ausgieht, und das erhaltene
weiße Pulver mit Waifer eine Stunde lang Focht; dann die Aufe
löſung filtrist. Diefe Auflöfung des antimonfauren Kali fället
aus den Metallauflöfungen antimonfaure Metallorgde. Wird
diefelbe mit überfchüffiger Salpeterfäure verfegt, fo ſcheidet fich ein
zartes, weiße Pulver aus, das mit Wafler gehörig ausgewaſchen,
dad Antimonfäurehydrat darftellt, in welchem 94.95 Säure
mit 5.05 Waſſer verbunden find.
Die Fonzentrirte Schwefelfäure wirft unter Anwendung von
Hitze auf das Antimon mit Entbindung von fchweflicher Säure,
und verwandelt e8 in eine weiße Salgmafle, neutrale 8 ſchwe⸗
felſaures Antimonoxyd, welche durch Waffer in bafıfhed
und ſaures ſchwefelſaures Salz zerlegt wird.
Die Salpeterfäure greift unter Entbindung von Salpetergas
dad Antimon beftig an, und diefes verwandelt ſich Dabei in ein
weißes orpdähnliches Pulver, bafifhes falpeterfaures
Antimonoryd, das durch wiederhohltes Digeriren: mit einer
binlänglichen Menge Wafler zerlegt wird, fo daß das Oxyd rein
zurücdbleibt. Man fann das Antimonoryd daher auch auf dieſe
Art bereiten.
Das eigentliche Aufloͤſungsmittel des Antimons iſt Konigs⸗
waſſer, aus fünf Theilen konzentrirter Salzſaͤure und einem
Theile konzentrirter Salpeterfäure zuſammengeſetzt. Die Auflö-
fung ift farbelos, und enthält falzfaure® Antimonoryd
(Antimonchlorid) mit überſchuͤſſiger Salzfäure. Dünftet man
die Auflöfung in einer Retorte ab, bis der Rucfland butterartig
ift, wobei fie dad Waller und die überfchüffige Salzfäure verliert,
und deftillirt dann bei ftärferem Feuer, mit gewechfelter Vorlage ;
fo gebt das ſalzſaure Antimonoryd (Antimonchlorid) wafferfrei über,
fonft Spießglanzbutter genannt, ald eine durchfcheinende,
ungefärbte Erpftallinifche Maſſe, die beim Erwärmen zu einem
N
Antimonfalze. _ 305
farblofen oder gelblichen Ohle fhmilzt, an der Luft weiße Nebel
erzeugt, und fehr ägend wirft.
Am wohlfeilften wird diefed Salz, nad) Berzelius, dar:
geftellt, wenn man Antimon oder Antimonoryd in Schwefelfäure
auflöft, die Mafle zur Trockne abdampft, fie mit doppelt fo viel,
dem Gewichte nad), oder etwas mehr Kochſalz vermengt, und
das Gemenge deftillirt, wobei fchwefelfaures Natron in der
Retorte zurüdbleibt, und dad Antimonchlorid in die Worlage
übergeht. j
Wird die Spießglangbutter mit Waſſer verfegt, fo fcheidet
fi) aus derfelben ein weißes Pulver ab (Algarothpulver), wel:
ches bafifches falzfaured Antimonoryd (Antimonoryd
mit Chlorantimon verbunden) ift, während dad faure Salz im
Waſſer aufgelöit zurüc bleibt. Daffelbe erfolgt, wenn die vorher
genannte Auflöfung in Koͤnigswaſſer mit mehr Waſſer verfegt wird.
Die Spießglanzbutter oder diefe fanre Auflöfung, welche nad)
der Faͤllung des bafifhen Salzes bleibt, wird als Aegmittel
auf Eifen und Stahl gebraucht, (f. Aetzen, &. ı82, und Bru⸗
niren).
Eine Verbindung des Weinſteins mit dem Antimonorpd ift
der fogenaunte Brechweinftein (weinfaures Antimonorydfali).
Dieſes Doppelfalz entfteht, wenn man gereinigten Weinftein bis
zur Sättigung der freien Säure mit Antimonoryd kocht, Die Auf:
löfung darauf filteirt, und zur Kryftallifation abdampft. Hierzu
taugt, nad) Berzelius, am wohlfeilften das Oryd, welches
duch Röftung des Schwefelantimons und Schmelzung der gerö-
fteten Maffe mit Schwefelantimon erhalten wird (&. 303). Man
treibt da8 Oxyd zum feinften Pulver, mengt ed mit z oder ber
Haͤlfte feines Gewichte gereinigten Weiniteind und 5 bis 6 Thei⸗
len Waifer, und focht das Gemenge, biß die ganze Quantität
des Weinſteins aufgelöft if. Das Doppelfalz fchießt in großen
Kryftallen an, die an der Luft verwittern, und fih in ı4 Theilen
falten und 1.88 Theilen fiedenden Waſſers auflöfen.
Aus der Auflöfung des Brechweinfteins fället dad Schwefel:
waflerftoffgad ein rothbraunes Pulver, den fogenannten Mine:
ralfermes, weiches ein auf dem naſſen Wege dargeftelltes
Schwefelantimonift. Es entſieht daher auch in allen den Fällen,
Technol. Encyclop. I. Bd. 20
306 „ Antimon,
wo man Schwefelantimon mit Schwefelfalium oder Schwefelna-
trium verbindet, und aus der Auflöfung in Waſſer das Schwefel:
antimon durch Abfühlung auöfcheidet. So entfteht ed, wenn
man 6 Theile Schwefelantimon mit 6 Th. fchwefelfaurem Kali und
ı Th. Kohle, oder ı Th. Schwefelentimon mit 3 bis 4 Ch. Wein
ftein, oder 16 Th. Schwefelantimon mit 12 Th. Aegfali und ı TH.
Schwefel fchmelzt, diefe Mifchungen ausfocht, und die Auflöfung
heiß filtriert, aus welcher ſich beim Erkalten der Kermes abfegt.
Unmittelbar auf dem nafjen Wege entfteht die Verbindung, wenn
Schwefelantimon mit äpendem oder Fohlenfaurem Kali und Waf-
fer, oder mit Schwefelfalium oder Schwefelnatrium gefocht wird.
Nah Berzelius if die befte Bereitungsart diefer Verbihdung
folgende: Ein Theil reines Fohlenfaures Kali wird mit 2? Theilen
fein geriebenem Schwefelantimpn genau gemengt, und in einem
bedediten Ziegel langfam erwärmt, bis die Maſſe, ohne zu fochen,
ruhig fließt. Die leberbranne Maſſe (Spießglanzleber) wird
mit Waſſer gefocht, und noch fochend durch ein vorber zur Siedhibe
erwaͤrmtes Filtrum filtrirt. Aus der durchgehenden Flaren Fluͤſſig⸗
feit fegt fich bald der Kermes in Flocken ab, die auf einem eignen
Filtrum gefammelt und gewafchen werden. Wird die von dem
audgefchiedenen Kermes befreite Ylülfigfeit neuerdings mit dem
unaufgelöit gebliebenen Ruͤckſtande gekocht, fo nimmt fie eine neue
Portion davon auf, die fich wieder abfebt; und fo weiter, bis end-
lich ein ferner unauflöslicher, aus einer Verbindung von Schwer
felantimon mit Antimonoxyd beftehender Rückſtand ubrig bleibt
(Spießglanzfafran).
Die in der Natur am meiften vorkommende Verbindung des
Antimons ijt jene mit Schwefel, dad Schwefelantinmon (ro-
bes Spießglanz), welches häufig in dem Graufpießglangerze
vorfommt. Es enthält (fo wie der Mineralfermes) 72.77 Progent
Antimon, und bildet ſich Teicht beim Zufammenfchmelzen des An-
timond oder eines Antimonorydes (im legteren Falle unter Entwi:
ckelung von fehweflicher Säure) mit überfchülligem Schwefel. Es
ift eine: ftrahlige Malle von Bleifarbe und metallifchem Glanze,
fehr fpröde und leichtflüſſig; kocht in ſtarker Glühhitze, und Täßt
fih, wenn die Luft abgehalten wird, unzerſetzt überbeftilliren. In
Berührung mit der Luft hingegen wird es beim Glühen zerſetzt,
[4
Schwefel⸗Antimon. 307
der Schwefel oxydirt, und das Metall in unreine antimonige
Säure verwandelt (&. 303). Bei diefer Roͤſtung, die unter
ftetem Umrühren gefchehen muß, darf die Hitze nacht fo groß feyn,
Daß die Maffe fhmilzt. Sollte fie ſchmelzen, fo muß fie abgekühlt,
und aufs neue gepulvert werden. Die Röftung ijt vollendet,‘ wenn
ſich Fein Geruch nach fchweflicher Säure mehr zeigt. Man erhält
eine graue Maſſe, die aus antimoniger Säure und. aus zufälligen
Überreften von noch nicht völlig orpdirtem Antimon und unzer⸗
festem Schwefelmetal befteht.
Wird ein folches nicht vollfommen ausgeröſtetes Schwefel⸗
antimon in einem Tiegel bis zum Gluͤhen erhitzt, ſo erhaͤlt man
eine geſchmolzene Maſſe von glaſigem Bruche, von einer mehr
oder weniger dunfelbraunen Farbe, die bisweilen ganz durchfich-
tig, und unter dem Nahnıen Spießglanzglas befannt ilt.
Es ift eine Verbindung von Antimonoryd mit Schwefelantimon.
War das Schwefelantimon zu wenig geröftet, jo wird das Glas
durch das überfchüjfige Schwefelantimon zu dunfel gefärbt; war
es zu viel geröftet, fo wird das Glas wenig gefärbt und dickflüſſi⸗
ger. Im erſten Falle muß man noch ſehr ſtark geröſtetes Schive=
felautimon, im letzten friſches Schwefelantimon zuſetzen. Man
kann dieſe Miſchung auch durch das Zuſammenſchmelzen von 8
Theilen Antimonoryd mit ı Theil Schwefelantimon herſtellen.
Sie gibt mit Kieſelerde oder Kieſelglas zuſammengeſchmolzen, hya⸗
zinthfarbige Glaͤſer. Der Spießglanzſafran, der durch Zus
ſammenſchmelzen von 3 Theilen Antimonoxyd mit ı Theil Schwe⸗
felantimon erhalten werden kann, beiteht aus 30.14 Antimonoryd
gegen 69.86 Schwefelantimon, und ift eine feite Verbindung,
während Das Spießglanzglas entweder Oxyd oder Schiwefelantis
mon im Überfchuife hat, je nachdem es durchfichtig oder, undurch⸗
fihtig ifl. Der Spießglanzfafran kommt im Rothſpießglanzerz in
nadelförmigen Kryſtallen vor.
Das Schwefelantimon wird von Kali und Natron auf tro⸗
ckenem und naſſem Wege aufgelöft, (Spießglanzleber, Schwe⸗
felantimon⸗ Schwefelfalium), und aus dieſer Aufloͤſung in Waſſer
faͤllt nad) -Zufog einer Säure der Spießglanzfchwefel oder
Boldfchwefeldes Spießglanzes als ein ‚pomeranzengelbes
Pulver nieder. Daher gehen die pben genannten Slüffigfeiten,
20 *
1
308 | Antimon.
ans denen ſich beim Erfalten Kermes abfept, nach dem Ausſchei⸗
den diefer Verbindung noch, durch den Zufaß einer Säure, Gold»
fchwefel. Auch wird derfelbe erhalten, wenn man 4 Theile koh⸗
Ienfaures Kali, 5 Theile Schwefelantimon und ı Theil Schwefel
zufammen ſchmelzt, die Maife hierauf in Fochendem Waffer auflöft,
und die Auflöfung dann mit verdünnter Schwefelfäure fällt. Es
ift ein Schwefelantimon, das 38.41 Prozent Schwefel enthält.
Das Schwefelantimon wird im Großen aus dem Graufpieß-
glanzerze gewonnen. Die reinjten und von der Bergart (gewöhn⸗
lih Quarz oder Schwerfpath) freien Stüde werden audgeftuft,
und fo als rohes Spießglanz ausgefchieden; diejenigen Stüde, von
denen die Bergart fich nicht trennen läßt, werben zur Ausſchmel⸗
zung (Ausfeigerung) genommen. Bei der Leichtflüffigfeit des
Schwefelantimons ift diefe.fehr leicht und einfah. Man füllt ir-
dene Töpfe mit dDurchlöchertem Boden mit dem Flein zerfchlagenen
Erze an, und feßt diefe auf andere, welche bis zur Hälfte in die
Erde gegraben find. Die oberen Gefäße werden nun mit Brenn
material umgeben und ethitzt. Dad Schwefelantimon fehmilzt
aus der Gangart aus, und träufelt in die unteren Töpfe. Nach
Erfaltung des Apparats leert man die oberen und unteren Gefäße.
Mit weniger Aufwand an Arbeit und Brennmaterial Fann
diefe Seigerung in thönernen Röhren verrichtet werden, welche
mit einer geringen Neigung, die gerade nur fo groß ift, Daß das
geſchmolzene rohe Spießglanz aus denſelben abfließen kann, mit
dem hinteren, verſchloſſenen Ende uͤber den Roſt eines langen und
ſchmalen Windofens gelegt werden, ſo daß die vordere Offnung
aus der Seitenmauer hervorragt. Dieſe Öffnung iſt mit einem
Deckel verſchließbar, welcher unten ein Loch hat, aus welchem
das Spießglanz abfließt. Die Roͤhre wird mit dem zerkleinerten
Spießglanzerz angefüllt, mit dem Deckel verſchloſſen, und durch
Kohlenfeuer erhitzt. Nach der Ausſeigerung des Spießglanzes wird
der Rüdftand herausgenommen, und neues Erz eingefüllt; fo daß
Die Operation ununterbrochen fortgeht. Die Röhren felbft werden
am beſten aus Graphitmaffe verfertigt.
Wenn diefe Spigerung des Spießglanzes mehr ins Große
geht, fo iſt dazu ein Reverberirherd mit Slammenfeuer die zweck⸗
mäßigfte Vorrichtung. Auf den vertieften Herd eines folchen
Darftellung des Antimons. 309
Flammenofens, der nad) der Korn eines Treibherbes (f. Abtrei⸗
ben) eingerichtet ift, fo daß die Flamme an der dem Windafen
entgegengefegten Seite durch eine Öffnung abzieht, wird das
Spießglanzerz in einer Maſſe von B bis, 10 Zeutner aufgelegt,
durch dad Flammenfeuer außgefeigert, und dad gefchmol;ene rohe
Spießglanz durch ein an dam tiefften Punfte des Herdes auge:
brachtes Stichloch abgezogen. Es ijt hierbei zwar ein Verluſt
duch Abbrand und Verflüchtigung unvermeidlich, der jedoch durch
die viel geringeren Koſten Kiefer Ausbringungsart mehr als erfegt
wird. Um bei diefer Methode jenen Verbrand zu vernindern, ift
es vortheilhaft, den Roft des Windofens ſchmal und eng zu ma⸗
chen, damit fo wenig ald moͤglich unzerfegte (noch fauerftoffhaltige)
Luft in den Feuerraum gelange,-
Aus dem. oben Spießglanze wird das Antimon im metallis
fhen Zuflande dargeftellt. Dan vermengt gu diefem Behufe 8
Theile gepulvertes Schwefelantimon mit 6 Xheilen rohem Weinftein
und 3 Zheilen trockenem Salpeter, bringt die Mifchung nad) und
nach in einen glühenden Schmelztiegel, und erhigt dad Ganze
bis zum Fluſſe; worauf man es erfalten läßt. Das Metall fam-
melt fich unten, und darüber eine braune Schlade, die aus Spieß-
glanzleber mit Kohle gemengt, außer etwas unzerſetztem Fohlen»
fauren und fchwefelfauren Kali, beftehbt. Der Salpeter verwan-
delt bier durch den Sauerftoff feiner Säure einen Theil des Schwe-
felantimons in Antimonoxyd, das durch die Kohle des verbrann-
ten Weinfteins reduzirt wird; das Kali aus diefem verbindet fich
mit dem Schwefel eines andern Theild des Antimons, und ed
bleibt dann die Verbindung ded Schwefelfalium mit dem noch un»
jerfegten Theile des Schwefelantimons in der Schlade. Diefe
Schlade, die durch den Kaligehalt leichtfluͤſſi ig wird, iſt nothiwen-
dig, um die Verbrennung und Berflüchtigung des Antimond zu
bindern. Der Weinftein kann auch durch Pottafche und Kohle
(ſtatt a Theil Weinftein, ı Theil Pottafche und a Theile Kohle)
erfept werden. |
Im Großen wendet man, flatt des Zufaßed von Salpeter,
das Nöften an. Dieſes gefchieht auf dem Herde eines Reverberir⸗
ofend ganz auf die fchon befchriebene Weife, indem man Sorge
trägt, daß Fein Zufammenbaden der Mafle erfolge, damit die
310 Antimon.
Köftung möglichft vollſtaͤndig geſchehe. Die geroͤſtete Maſſe (an⸗
timonige Säure mit etwad unzerſetztem Schwefelantimon) wird
mit der Haͤlfte ihres Gewichts rohem Weinſtein gemengt, und die
Mengung in großen‘ bedeckten Schmelztiegeln, die man auf Die
Sohle eines Flammenofens ſtellt, oder auch auf einem Roſtofen
mit Kohlen erhitzt, bei ſchwacher Gluͤhhitze geſchmolzen. Das
Metall wird in gußeiſerne, mit ag august Formen aus⸗
gegoffen.
Ein anderes Neduftionsmittel des rohen Syießglanzes iſt
das Eiſen. Man macht in einem Schmelztiegel eiſerne Nägel oder
Abfälle von weichem Eifen weißglübend, fchüftet hierauf das dop⸗
pelte Gewicht Schwefelfpießglang hinzu, bededt den Ziegel, und
gießt dad Ganze, nachdem es in dünnen Fluß gefommen, fit, in die
eiferne Form aus, wo ſich das Metall unten ſett, und daB Schwe⸗
feleiſen uͤber ihm die Schlacke bildet.
Das auf die letztere Art erhaltene Antimon N eifenhaltig:
um es von dem Eifen zu befreien, muß. man es noch mit etwas
Schwefelantimon ſchmelzen laſſen; dad erhaltene Metall dann
neuerdings in Fluß bringen, und, während es fließt, etivad wer
niged Salpeter darauf werfen, um den noch beigemengten Schwes
fel zu entfernen. Aber auch das auf die andere Art dargeftellte
Antimon ift nicht rein, da es immer etwas Eifen und Schwefel,
und größten Theils etwas Arfenif enthält. Um e8 völlig rein zu
erhalten, wird ed nach Berzelius zu feinem Pülver zerftoßen,
und mit der Hälfte feines Gewichts, oder, wenn es fehr unrein
it, mit gleichen Xheilen Antimonoryd gemifcht, und damit in
einem Ziegel geſchmolzen; wobei fi) die fremden Stoffe orydiren.
und ausfcheiden. Um das Antimon auf dem naffen Wege rein
darzuftellen, Töft man es in Königewaffer auf, vermengt das mit
Waſſer ausgefaͤllte baſiſche Salz mit zwei Theilen Weinſtein, und
ſchmelzt das Gemenge in einem Tiegel.
Aus der bei der Reduktion des Schwefelantimons mit Wein⸗
ſtein erhaltenen Schlacke (S. 309) kann durch Schmelzen mit
Eiſen, auf die oben angegebene Weiſe, noch Antimon ausgeſchie⸗
den werden; die neue Schlacke enthaͤlt nun bloß Schwefeleiſen⸗
Kalium, Auch kann dieſelbe mit Waſſer ausgekocht, und aus der
Appretur. 311
abgegoſſenen Auflöfung eine Art Kermes abgeſchieden werden, der
als Vieh⸗Arzney an mehreren Orten verwendet wird. ‘
Das Antimon wird in den Künften. am haͤufigſten für das
Schriftgießermetall verwendet, das aus Blei mit etwa 20 Prozent
Autimon befieht. Das Blei wird überhaupt durch den Zufaß von
Antimon härter und dichter. Daſſelbe ift mit dem Zinn der Fall.
Kupfer mit gleich viel Antimon a le erhält eine
violette Farbe, und wird härter.
Die Antimonospde werden in der. Emailmapletei ald gelbes
Pigment gebraucht, da fie, mit verglafenden. Stoffen geſchmol⸗
jen, das Glas gelb färben, wie davon am gehörigen Orte die
Rede iſt.
d. H.
Appretur.
Man verſteht unter Appretur (Zurichtung) diejenigen
Dperationen, welchen gewiſſe Sabrifate, Hauptfächlich aber ge:
webte und gewirfte Waaren, zulept unterworfen werden, um ein
fhöneres, für den Käufer einladenderes, und dem Gebrauche mehr
angemeflenes Anfehen zu erhalten. Es folgt hieraus von felbft,
daß Durch das Appretiren oder Zurichten feine eigentliche Verbeſſe⸗
rung, fondern vielmehr bloß eine Verfchönerung der Stoffe beab⸗
fihtigt wird. So verfchieden aber die zu appretirenden Sabrifate
felbft find, fo abweichend find auch-die Verfahrungsarten und die
Mittel, welche zum Appretiren derfelben angewendet werden. Auße
führlihe Nachricht darüber wird man in den einzelnen betreffen»
den Artifeln dieſes Werkes finden: hier nur folgende allgemeine
Bemerfungen.
Die Appretur der gewebten Stoffe oder Zeuge begreift in.
weiteren Sinne auch das Bleichen, Faͤrben und Druden derfelben;
doch find diefe Veränderungen -der Gewebe zu wichtig und wefents
lih, begründen auch zu bedeutende felbfifländige Fabrikations⸗
jweige, als daß fie füglich unter die Nebenarbeiten gerechnet wer⸗
den fönnten. Man verfteht daher unter Appretur der Zeuge im
einem engern Sinne nur jene Operationen, durch weiche alle Uns '
seinigfeit aus dem Gewehe entfernt, und der Oberfläche eine ges
wiſſe Glätte, zuweilen auch abſichtlich Glanz, gegeben wird.
312 Appretur.
Die Appretur des Tuches befteht in dem Scheren (welchem
ald Vorarbeit dad Rauhen vorangeht), und im Preffen. Durch
das Scheren werden. die beim Rauhen aus der filzartigen Ober:
fläche Hervorgezogenen Haare dergeftalt.regelmäßig abgefchnitten,
daß fie, nach dem Striche niedergebürftet, eine glatt und gleich«
förmig ausfehende Dede bilden. Durch das Preflen, welches
theils heiß, theils kalt, theild mit, theild ohne glatte Zwifchenla-
gen (Preßfpäne) vorgenommen wird, erhält das Tuch einen Glanz,
der aber vor der Verarbeitung deilelben zu Kleidungsftüden wie-
der weggefchafft werden muß, weil er der Seuchtigfeit nicht wis
derſteht. Erft in der neuelten Zeit hat man angefangen, das
Tuch mit Beihülfe anderer Mittel dergeftalt zu preifen, daß der
Glanz auch durch Benetzen nicht vergeht. Diefe Art der Appretur,
welche unter dem Nahmen des Defatirens befannt ift, wird in dem
Artikel Tuchfabrikation mit befchrieben werden.
Die Zurichtung der glatten Wollenzeuge, fo wie der
Stoffe aus Baumwolle, hat mit jener des Tuches einige ühn⸗
lichkeit, in fo fern man bier ebenfalld zwei Hauptzwede zu
erreichen fucht, nähmlich die Wegfchaffung der Haare von der
Oberfläche, und die Hervorbringung eines gewillen Glanzes. Da
aber bei den Wollenzeugen wegen der feltern Drehung des Ge⸗
fpinnfted, fo wie wegen des Mangels der Walfe, und bei den
Baunmwollftoffen wegen der eigenthümlichen Natur des Materials,
die auf den Geweben befindlichen Haare weder von biureichender
Länge noch, überhaupt von ſolcher Befchaffenheit find, daß fie
durch Scheren abgenonımen werden fönnten; da es fich ferner
auch nicht um eine regelmäßige Verfürzung derfelben (wie beim
Tuche), fondern um ihre gänzliche Wegfchaffung handelt: fo bes
bient man ſich eines anderen, fehr angemeſſenen Mitteld, nähms
lich man fengt oder brennt fie veg, indem man den Zeug mit ges
höriger Gefchwindigfeit über flarf erhiptes Metall oder über eine
Flamme Binleitet. Die Wollenzeuge werden nad) dem Sengen
(zuweilen auch vorher) mit Seife, Urin oder Kleie in einer Art
von Walfmühle gereinigt, in reinem Wafler ausgewafchen, hier⸗
auf gefärbt, und endlich geglänzt.. Das Slängen gefchieht durch
den Drud glatter Walzen in einer foginannten Kalander, oder
durch Reiben mit einem polirten Steine; zulebt werden die Zeuge
Appretur, 93
meift auch noch, gleich dem Tuche, gepreßt. Die Baumwollen-
jeuge werben nach dem Sengen ebenfalls in der Walfe gewaſchen,
gebleicht, dann mit Stärke getränkt, und entweder gemangt oder
mitteljt der Kalander geglättet, zulept aber noch gepreßt.
Die Zurichtung der Leinwand ift von jener der Baumwol⸗
Ienftoffe nur dadurch unterfchieden, Daß das. Sengen, wegen ber
wötürlichen Glaͤtte der Leinenfafer, wegfält.: Das Slätten ges
fhicht entweder mit dee Mange, durch Reiben mit einem Steine,
oder zwifchen den Walzen der Kalander; das Preilen in einer ge⸗
wöhnlihen Schraubenprefle.
Don den Seidenzeugen bleiben viele entweder gquz
ohne Appretur, oder ‚fie werden bloß gepreßt. Nur die leichten
Sorten von Atlas und Zaffee, und einige. andere Stoffe. werden
durch Beflreichen mit einer Traganth-Auflöfung gefleift, und zwi⸗
ſchen Walzen geglättet. Wenn die Zeuge mit Waller befprengt,
und dann-falandert oder gemangt werden, erhalten fie ein gewaͤſ⸗
ſertes Aufchen. Man nennt diefe Operation, welche. auch zuwei⸗
len mit wollenen Stoffen vorgenommen wird, dad Moirirem
Die gewirften Waaren werden, nach Verſchiedenheit
bes Materialdö, aus welchem fie verfertigt find, verfchiedentlich
appretirt. Baumwollene Strümpfe z. B. werden gefengt, wollene
gefengt und gepreßt, oder auch tuchartig zugerichtet, nähmlich
gewalft, geraubt und geſchoren; der Petinet wird mit Gummi
oder Stärke fteif gemacht, u. f.w. Bei den Roßhaarzeugen
beftebt die Appretur bloß im Preilen; bei den Strohhüten im
Beftreichen mit Gummi oder Stärke und im nachherigen Glaͤnzen
durch Überreiben mit einem glatten Holze. Endlich gehört zu
den Sabrifaten, die eine Appretur erhalten, auch dad Leder,
weldyes mit dem fogenannten Krifpelholze (einem der Quere nach
mit Kerben verfehenen flachen Holze) gefrifpelt (d. h. zur Her⸗
vorhebung der Narben gerieben), oder durch Reiben mit Korf,
wohl auch durch Bearbeitung mit einer gläfernen Kugel, geglät-
tet wird,
8.8.
314 | . Yraometer.
Yraomefter,
Es iſt ein Geſetz in der Phyfif, daß jeder feſte Körper, der
auf einer Blüffigfeit ſchwimmt, fo tief in dieſelbe eintaucht, daß
eine dem eingetauchten Theile an Rauminhalt gleiche Menge der
Slüffigfeit eben fo viel wiegt, als der ganze Körper. Hieraus
folgt von felbit: 1) daß ein Körper, wenn er in Slüffigfeiten von
verfchiedenem fpezififchen Gewichte bis zum nähmlichen Punfte
einfinfen foll, fein Gewicht in dem Maße vergrößern muß, wie
das fpezififche Gewicht der Flüffigfeit zunimmt; =) daß ein Koͤr⸗
per; deffen Gewicht unverändert bleibt, deſto tiefer in eine Fluͤſ⸗
figfeit 'eintaucht, je geringer das fpezifffche Gewicht der Tegtern
iſt. Diefe beiden Saͤtze find zur Konſtruktion gewilfer Werkzeuge
angewendet worden, weldhe man Aräsmeter, Hydrometer
oder Senkwagen nennt, und zur Beflimmung des fpezififchen
Gewichtes von Flüffigkeiten braucht. -Da in den technifchen
Künften fehr Häufig Sluffigkeiten vorfommen und angewendet wers
den, bei welchen das fpezififche Gewicht ald Kennzeichen der Guͤte
und Brauchbarfeit,: oder auf andere Weiſe, wichtig ift; jo kann
eine genaue Befanntfehaft mit den Ardometern und der Art ihres
Gebrauches in vielen Fällen nicht entbehrt werden.
Wenn ein Aräometer nach dem erften der oben anfgeftellten
Saͤtze konſtruirt ift, fo beurtheilt man das fpezififche Gewicht eimer
Fluͤſſigkeit, in weiche man es einfenft, nach der Menge der Ges
wichte, mit welcher dasfelbe belaftet werden muß, um es auf ei«
nen gewiflen unveränderlichen Punft unterzutauchen ; denn je mehr
Diefe nöthige Vergrößerung feines Gewichtes beträgt, defto grö-
Ber ift das fpegififche Gewicht der Sluffigfeit. Auf diefe Art ent«
flehen die Araometer mit Gewichten oder (wie fie richtis
ger heißen wiirden) Aräometer mit veränderlihem@&es
wichte. Su
Ein Aräometer aber, welches nach dem zweiten Gabe das
fpesififche Gewicht der Slüffigfeiten anzeigen fol, muß fo befchafe
‚ fen feyn, daß man den veränderlichen Punkt, bis zu welchem es
unterfinft, jedes Mahl genau beobachten kann. Diefed wird Durch
eine Eintheilung, Gradleiter oder Skale bewerfitelligt, welche an
dem hierzu geeigneten Theile des Inftrumentes angebracht wird,
Araometer mit Gewichten. 515
und die ſpezifiſchen Gewichte der unterfüchten Fluͤſſigkeiten unmit-
telbar oder mittelbar, mehr oder weniger beſtimmt, anzeigt.
Aräometer diefer Art, oder Arsometer mit Sfalen, find
faſt ausfchließlich, und zu technifchen Zwedien wirflich ganz allein
im Gebrauch; daher wird au von der erften Art bier. nur in
Kürze die Rede feyn. i
L Aräometer mit Gewichten.
Man gibt diefen Ardometern gewöhnlich eine der in Big. a
und 2 (Taf. 6) abgebildeten Formen. Der hohle, birnfoͤrmige
oder zylindrifche, aus Glas oder Blech verfertigte Köryer a trägt
unten an einer diinnen Verlängerung b eine kleine Kugel c, oben
aber auf einem ebenfalls fehr dünnen Halſe d ein Schälchen e,
in welches die Gewichte gelegt werden. Die Kugel c muß ein ver
haͤltnißmaͤßig etwas bedeutendes Gewicht haben, weil fie beftimmt
it, den Schwerpunft des Ganzen tief genug hinab zu ziehen,
Damit dad Aräometer in einer Sluffigfeit aufrecht fchwinmme, ohne
umzufchlagen; fie wird deßwegen bei gläfernen Snftrumenten mit
Bleifchrot oder ein wenig Quedfilber befchwert. Der Hals d
trägt ein Zeichen, naͤhmlich einen Strich, bis zu welchem das
Aräometer jedes Mahl, wenn es gebraucht wird, in die Flüſſi ig-
keit eintauchen muß.
Dieſe Einrichtung iſt von Fahrenheit angegeben wor—⸗
den, Daher ſolche Aräometer unter dem Nahmen der Fahren—
beit’fchen befannt find. Bei ihrem Bebrauche, um das fpegi-
fifche Gewicht einer’ Sküffigfeit zu erforfchen, verfährt man auf
folgende Weife. Man muß das Gewicht des ganzen Inftrumen»
tes Fennen; dieſes betrage 5. ©. 480 Gran. Man muß ferner
willen, wie viel Gewichte noch in das Schälchen e gelegt werden
müffen, um das Ardometer, wenn es in deftillirted Waffer gefegt
wird, bis an das Zeichen des Halfes d einzufenfen. Hätte man .
diefe Menge = ı25 Gran gefunden, fo drüdt das Gewicht des
fo belafteten Aräometers 480 + 125 = 605 Gran aus, daß eine
Menge Waller, welche dem ganzen eingetauchten Theile, bis zum
Striche am: Halfe d, am Umfange gleich ift, 605 Gran wiegt.
‚Die ſpezifiſchen Gewichte feiter und flüfliger Körper drückt man
dadurch aus, dag man angibt, wie ſich das Gewicht eines will:
>
310 Araͤometer.
kuͤrlichen Volumens zu dem Gewichte eines gleich. großen Volu-
mens deftilfirten Waſſers verhält (f. Gewicht, fpezififches).
Das Gewicht der willfürlichen Waflermenge ift im gegenwärti=
gen Salle durch die 605 Gran gegeben; dad Gewicht eines glei-
hen Volumens anderer Zluffigfeit wird dargeftellt Durch dad Ge-
wicht des Aräometers, wenn dajlelbe fo belajtet ift, daß es auch
in dieſer Slülfigfeit bis zu dem Zeichen am Halfe unterfinft. Für
Slüffigfeiten, welche’ fpezififch Teichter find ald Waller, muß, um
die genannte Abficht zu erreichen, von der urfprünglichen Bela⸗
fiung des Schaͤlchens e etwas weggengmmen werden; bei ſpezi⸗
Rich fchwereren Slüffigfeiten muß man derfelben mehr oder weni⸗
ger zulegen. Gefebt man finde, daß in Weingeiſt dad Ardometer
gerade dann bis zum Zeichen einfinft, wenn, auf dem Schaͤlchen
nur 44 Oran liegen. Das Geſammtgewicht ded Inſtrumentes
beträgt unter diefer Vorausſetzung 480 + 44 = 524 Gran. Da
nun bei der Vergleichung der fpezififchen Gewichte jenes des Waſ⸗
ſers als ı angenommen wird, fo ergibt fi) aus der Proportion
605: 524 = ı: x,
x, oder das fpezififche Gewicht des geprüften Weingeiftes, ==
0.866.
Das ganz unbelaftete Inſtrument wurde mit feinem Gewichte
von 480 Gran in einer Slüffigfeit bis ans Zeichen einfinfen, de⸗
ren fpezififches Gewicht, aus der Proportion
605: 480 = ı: x
berechnet, 0.793 betrůge. Dagegen würde man auf dem Schäl«
hen eine Belaftung von ı86 Gran anbringen, um das Araͤome⸗
ter, welches fodann 480 4 186 oder 666 Gran woͤge, in einer
Sluffigkeit vom fpezififhen Gewichte 1.1 bis zum Zeichen einzu:
tauchen. |
Es ift Far, daß die Fleine Rechnung, welche bei dieſem Ver-
fahren nothwendig ift, erfpart werden kann, indem man das Ges
wicht des Aräometers fo einrichtet, daß ed gerade mit 1000 Ge⸗
wicht» Einheiten in deftillirtem Waſſer gehörig einfinft; Denn als⸗
dann drückt jedes andere Gewicht, womit das Einfinfen in ırgend
einer Fluffigfeit Statt findet, unmittelbar das fpezif. Gewicht der
legtern aud. Haͤtte z. B. das Ardometer ohne Belaflung 800
halbe Gran im Gewicht, und müßte man 200 halbe Gran auf
Aräometer mit Gewichten, 317
Das Schälchen legen‘, um in deftillirtem Waſſer die Eintauchung
bis an das Zeichen zu bewirken, fo wäre der obigen Bedingung
Genüge geleiftet; und wenn man unter dieſer Vorausfegung fän-
de, daß 240 halbe Gran Belaftung in einer gewiſſen Flüſſigkeit
die Einfenfung gehörig bewirken, fo wäre daß fpezif. Gewicht on
diefer Slüffigkeit — 800 + 240 == 1.040,
Die Beflimmung der fpezififchen Gewichte mittelft des Fah⸗
renheit ſchen Aräometers findet ihre Gränzen einerfeitd in Dem Ges
wichte des unbelafteten Inftrumentes, welches feine Verringerung
mehr geftattet; und anderfeits in dem Umftande, daß die Bela⸗
Aung des Schälchens nicht über einen gewiflen Punft gefteigert
werden kann, ohne den Schwerpunft des Ganzen fehr in die Höhe
zu rücken, welches Dadurch in Gefahr kommt umzufchlagen. Die:
ſes Aräometer ift übrigeh8 einiger Verbefferungen fähig, wodurch
man den Gebrauch deffelben bequemer gemacht hat. Es iſt z. B
gut, dad Schälchen herab nehmen zu fönnen; und um das beim
Zulegen der Gewichte öfter Statt findende ftarfe Auf» und Nies
derfchwanfen des Inftrumentes zu verhindern, fann man von dem
obern Ende des Halfed d, unmittelbar unter dem Schälchen, drei‘
dünne horizontale Drähte ausgehen Taffen, welche durch ihr Aufs
legen auf den Rand des zum Verſuche dienenden Gefäßes, dad
zu tiefe Einfinfen, folglich das unangenehme Naßwerden des
Schaͤlchens, verhindern.
Nicholſon Hat das Fahrenheit'ſche Araͤometer zur Beſtim⸗
mung des ſpezifiſchen Gewichtes feſter Körper anwendbar gemacht,
indem er ſtatt der Kugel c (Fig. ı und 2) ein Meines Eimerchen
anbrachte, in welches der zu prüfende Körper gelegt werden muß.
Da jedoch das hierbei zu beobachtende Verfahren mit der Beſtim⸗
mung des fpesififchen Gewichtes durch. die Hydroftatifche Wage im
Weſentlichen übereinflimmt; fo wird davon, gleich wie von einer -
Abänderung des Nicholfon’fchen Ardometerd, welche Hr. Prof.
Baumgartner angegeben hat, im Artifel Gewicht (fpezifl-
ſches) die Rede feyn. Hier aber verdient noch Dad von Tralles
erfundene, unter dem Rahmen einer Hydroftatifhen Wage
befannt gemachte Aräometer erwähnt zuwerden (f. Fig. 3, Taf. 6),
welches fich von dem Sahrenheitfchen Durch die Form ded Gefäßes
a, fo wie dadurch unterfcheidet, daß die Schale zum‘ Auflegen
318 . Araometer.
der Gewichte nicht oben anf dem Halſe b angebracht, fondern
mittelft eines zwei Mahl rechtwinklig gebogenen Armes von Draht,
e, unten bei.d angehängt wird. Übrigens befigt der Hals b ein
Zeichen, bis zu welchem jedes Mahl die Eintauchung gefchehen
muß; und das ganze Verfahren beim Gebrauch diefes Inſtrumen⸗
tes iſt dem oben beſchriebenen gleich.
I. Aräͤometer mit Skalen.
Die Araͤometer dieſer Klaſſe unterſcheiden ſich der Geſtalt
nach von dem Fahrenheit'ſchen dadurch, Daß der Körper d (Fig. 4
und 5, Taf. 6), den man entweder fugel: oder birnförmig, nur
zuweilen zylindrifch, macht, ſehr verfleinert, der Hals dagegen
meift zu einer Länge von 4 bis 5 Zoll, ausgedehnt, und dad
Schälhen auf demſelben weggelaifen iſt. Die untere, fhwere Ku⸗
gel e ift jedoch hier, wie dort, angebracht, damit das Inftrument
felbit dann noch fenfrecht ſtehend fchwimme, wenn der ganze
Hals fich außer der Flüffigfeit befindet. Sndem man dem Körper
deinen im Vergleich mit dem Halfe bedeutenden Durchmeffer
gibt, bewirkt man, daß fchon ziemlich geringe Abweichungen im
fpezifiichen Gewichte der Flüſſigkeiten fich durch merfliche Unter«
fhiede in der Tiefe des Einfinfens fund geben; denn das Volu⸗
men, um weldes dad Aräometer, für einen beflimmten Unters
fchied im fpesifiihen Gewichte der Fluͤſſigkeit, tiefer. oder weniger
tief einfinft, nimmt eine defto größere Länge auf dem Halfe ein,
je dünner derfelbe bei gleichem Volumen des Körpers iſt. Doc)
geftatten praftifche Hinderniſſe nicht, die Dicke des Halſes bis un«
ter eine gewilfe Gränze zu vermindern, und hierdurch die Schärfe
in den Anzeigen des Aräometers beliebig zu fleigern. Der Hals,
auf dem fich die Sfale befindet, muß nähmlich, wenn letztere be:
quem und deutlich angebracht werden fol, ſtets eine angemeſſene
Die behalten, welche ihm auch nöthig ift, Damit er nicht Leicht
abgebrochen oder verbogen wird; und man darf nicht unbeachtet
laffen,. daß, um. gleiche Differenzen im fpezififhen Gewichte zu
umfaffen, der Hals defto länger feyn muß, je dünner er it, wos
durch dad Inftrumene leicht unbequem, und ebenfalls gebrechli=
cher wird.
Man verfertigt Aregane die Sfalen: Ardometer, gleich je:
Araometer mit Skalen. 319
nen mit Gewichten, entweder aus Glas oder aus Metall.. Die
gläfernen baben gewöhnlich eine Geftalt wie Fig. 5; ihre un⸗
tere Kugel e ift durch eingefülltes Bleiſchrot oder Quedfilber
befhwert, und der Hals eine zylindrifche Röhre. Die metalle
nen (Sig. 5) find aus dünnem Meflingblech, beffer ans Sil⸗
berblech (welches von fauren und falzigen Zlülfigfeiten nicht ans
gegriffen wird) gemacht; ihre beiden Augen, d und e, find
durch eine duͤnne Röhre £ verbimden; ber Hals ift eine zylindri⸗
ſche Röhre, oder ein flaches vierkantiges Stäbchen. Die Skale
wird auf den Hals der metallenen Aräometer gravirt; für die
gläfernen zeichnet man fie auf einen Streifen Papier, den man
zuſammenrollt, vor dem Zufchmelzen des Halfes in. die Hoh—
lung deffelben ſteckt, und mittelft ein wenig Wachs oder Sie:
gellack befeſtigt. Metallene Ardometer müffen vor dem Zuſam⸗
mendrüden oder Einbiegen gefchüßt werden, wodurd ihr Wo:
Iumen eine Änderung erleidet, und eine Unrichtigfeit in den
"Angaben der Sfale herbeigeführt wird.
Die eben befchriebene Form ift ohne wefentliche Abändes
‚rung allen Sfalen: Ardometern gemein; eine Ausnahme machen
nur die von Richter zuerft verfertigten, und von Hrn. Prof.
Meisner in Wien wieder in Aufnahme gebrachten Aräomes
ter (Sig. 6 und 8, Taf. 6), welche in einer an beiden Enden
gugefchmolzenen, ungefähr 30 Zoll Tangen, unten mit etwas
Siegellad und Schrofförnern befchwerten Glasröhre beftehen.
Während die anderen Ardometer. beliebig in jedes mit der zu
prüfenden Flüſſigkeit angefüllte Gefäfi geftellt werden, ift für
diefe ein eigened, oben trichterförmig erweiterted Glasrohr
(Sig. 7) beftimmt, welches beim Gebrauch in, einem hölzernen
Zuße ſteckt, und den Bortheil hat, dag nur wenig Flüſſigkeit
zu einem Verſuche nöthig ift.
Beim Gebrauche der Araͤometer, der an fich höchft einfach
und Leicht ift, find übrigens nur zwei Vorfichten zu beobachten.
1) Muß das Injtrument langſam in die Flüſſigkeit geſetzt wers
den, um dad Nafßwerden über jenen Punft hinauf, bis zu wel⸗
chem es eingetaucht bleibt, zu verhindern; denn die höher oben
ſich anhängende Zlüjligfeit vermehrt dad Gewicht des Aräome:
terö, folglich die Ziefe feiner Einfenfung, und gibt dadurch Anz
320 Aräometer.
laß zu Unrichtigkeiten. =) Iſt es nöthig, das Auge unter der
Oberfläche der Slüffigfeit auf die Skala zu richten, weil oberhalb
derfelben das Emporfleigen rund um den Hals die Beobachtung
des Einfenfungspunftes unficher und ungenau madıt.
Die Sfalen: Ardometer zerfallen, nach der Anwendung, die
man von ihnen madıt, in allgemeine und befondere. Er-
flere werden ohne Unterfchied für alle oder für mehrere Flüſſigkei⸗
ten gebraucht, um das fpezififche Gewicht derfelben auf direfte
oder indirekte Art zu erforfchen ; letztere find beflimmt, nicht ſowohl
unmittelbar das fpesifiiche Gewicht, ale vielmehr dad durch das⸗
felbe fi äußernde Verhältniß eines Beſtandtheils in gewilfen ge-
mifchten Slüffigfeiten anzuzeigen.
1. Allgemeine Aräometer.
Diefe find wieder von zweierlei Art. Einige derfelben geben
unmittelbar, und auf die eingeführte Weife im Verhältniife zum
Wafler ausgedrüct, das fpezififche Gewicht an; andere haben eine
ganz willfürlihe &fale, welche an fich nichts mit dem Ausdrude
des fpezififchen Gewichtes gemein Bat, und erft, wenn es nöthig
ift, auf diefen zurüdgeführt werden muß. Zuerft fol von jenen
die Rede feyn.
A. Es ift ohne Zweifel Die angemeffenfte, natürlichfte, und
dennoch nicht die Altefte Methode, die Aräometer dergeftalt zu
Eonfteuiren, daB man, wenn ein folched Snftrument in irgend
eine Fluͤſſigkeit geftellt wird, das fpesififche Gewicht derfelben fo-
gleich bei demjenigen Punfte, bis zu welchem es einfinft, ablefen
kann. Die Sfale, welche diefen Zwed erfüllen fol, kann nicht
aus gleich großen Theilen beftehen, wie folgende einfache Betrach⸗
tung zeigen wird. Gefept, ein Ardometer finfe in deftillietem
Waller bis zu einem gewiſſen Punkte ein, der a heißen mag.
Dad Volumen oder der förperliche Inhalt desjenigen Theiles vom
Sinfteumente, welcher ſich gegenwärtig unter der Slüffigfeit befin- -
det, ift eben fo groß als eine Waflermenge, deren Gewicht dem
Gewichte des Ardometerd gleich kommt, und der Erleichterung
wegen == 1000 gefeht werde. Nun bringe man daſſelbe Araͤo⸗
meter in eine Fluͤſſigkeit vom ſpezifiſchen Gewichte 0.99. Könnte
es hier feinen vorigen Stand behaupten, fo würde das dem ein-
Skalen für das fpezif. Gewicht. 321
getauchten Theile entiprechende Volumen der Fluͤſſigkeit nur
2000 > 0.99 = 9g0 wiegen. Dad Aräometer muß aber tie=
fer als bis a einfinfen, und zwar fo weit, daß die Menge dee
durch den eingetauchten Theil aus ihrer Stelle verdrängten Slüfs
figfeit wieder 1000 wiegt. Wenn die abfoluten Gewichte zweier
Körper gleich find, und ihre fpezififchen Gewichte fi) wie 1.00:
0.99 verhalten, fo müſſen ihre Volume wie 0.99: 1. feyn; alfo
ift der nun eingetauchte Iheil des Aräometerd um 75 größer, als
jener, welcher im Wafler — war. Nennt man den leb-
tern ı, fo wird erfterer = ı — — — und — if demnach
der förperlihe Inhalt jener ER des Halfes, welche auf
der Sfale dem Unterfchiede der fpezififhen Gewichte 1.00 und
0.99 entipricht. Auf diefelbe Weife laͤßt fich zeigen, daß Die
Größe des untergetaudhten Theiles für die fpezififchen Gewichte
0.98, -0.97, 0.96, u. f. w. nad) .der Reihe = —F ; 7 ; 3
u. f. f. folglich die Vermehrung der Einfenfung über den Punft
a: F, Hr Fr +. wird. Traͤgt man diefe Größen, welche
bei der zulindrifchen Geftalt des Halfes in ihrer Länge das gleiche
Verhältniß gegen einander beobachten, von a and nach oben zu
auf die Sfale, und bezeichnet man die dadurch gefundenen Punkte
mit b, c, d, e, fo bemerft manleicht, daß diefe, gleichen Diffe⸗
renzen der fpezififchen Gewichte entfprechenden, Grade deſto grös
Ger werden, je mehr fie fich dem obern Ende der Sfale nähern;
denn swilchen a und b ift der Abftand = „, zwiſchen b und
c=, zwiſchen c und d = „77, zwiſchen d und e = 75;
u. ſ. f.
Es ift für die Ausdbung von Wichtigkeit, ein Mittel zu has
ben, wodurch die Theilung ſolcher Aräometer + Skalen fowohl leicht
als genau bewirkt werden fann. Nicht alle zur Erreichung diefes
Zwedes anwendbaren Methoden find deßhalb von gleichem Werthe.
Diejenige, welche fich zuerft darbiethet, beſteht darin, das Ardos
meter nach und nach in mehrere Flüſſigkeiten zu tauchen, deren
jede ein anderes fpezififches Gewicht hat, jedes Mahl den Einfen-
kungspunkt auf dem Halſe zu bemerfen, und die Zahl des fpezifi«
fchen Gewichtes beizuſchreiben. Man müßte jedoh , um eine
Technol. Encyclop. I. Bd. 31
'
322 - Yräometer.
brauchbare Graduirung auf diefem Wege herzuftellen, eine große
Menge Flüffigfeiten, mit der Reihe nach regelmäßig (5. B. von
0.005 zu 0.005 oder von 0.010 zu 0.010), wachfenden fpezififchen
Gewichten bereiten. Wie fehwierig und umftändlich dieß mit Ges
nauigfeit auszuführen feyn würde, ift eben fo einleuchtend ‚ als
die außerordentlihe Muͤhſamkeit des ganzen Verfahrens. Man
bat ſich die Arbeit Dadurch zu erleichtern gefucht, daß man nur
wenige Punfte der Sfale durch Einfenfen in Slüffigfeiten von an«
gemeſſenem fpezifiichen Gewichte beftimmte, und die Zwifchen«
räume in gleiche Theile eintheilte. Allein aus dem Obigen erficht
man, daß dieſe Methode ungenau ift, und eine von der richtigen
defto mehr abweichende Theilung gibt, je weniger der durch Ver—
fuche gefundenen Punfte, und je weiter diefelben von einander
entfernt find.
Ein zweite Verfahren, welches zwar nicht weniger muͤh⸗
fam als das eben erwähnte ift, aber den Vorzug hat, daß es die
Bereitung mehrerer Slüffigfeiten von beftimmten fpesififchen Ge⸗
wichten erfpart, gründet ſich auf den Gedanken, die Raumabthei—
- Tungen auf der Skale durch Veränderungen im Gewichte des
Aräometerd, welches dabei immer nur in Waifer ftehen bleibt,
zu beftimmen. In der That, wenn dad Gewicht eines Ardomes
ters, wie daſſelbe nach der Vollendung bleiben ſoll, genau bes
fannt, und der Punft des Einfinfens in deftillirtem Waſſer mit
1.000 bezeichnet ift; fo bedarf es bloß einer gewilfen Vermehrung
jenes Gewichtes, um eine angemeifene Dergrößerung des einges
tauchten Theiles zu bewirken, und fomit einen Punkt zu finden,
bis an welchen das Aräometer in einer andern Slüffigfeit von ges
ringerem fpezififchen Gewichte einfinfen würde. 3. 8. für die
Differenzen des fpezififchen Gewichtes abwärtd 1.000, don 0.010
zu 0.010, iſt im Vorhergehenden die Größe des eingetauchten
heile = 1, SF, Fr, Zr Zr ern gefunden worden.
Auf dieſe verfchiedenen Tiefen finft das Ardometer mit unverän=
dertem Gewichte in Flüſſigkeiten ein, deren fpesififche Gewichte
== 1.000, 0.990, 0.980, 0.970, 0.960..... find; aber auf
eben alle dieſe Tiefen wird es auch in Wafler einfinfen, wenn fein
Gewicht nach der Reihe uf, Fi, 5, u ſ. w. des urfprüng-
lichen, und zuleht auch bleibenden Gewichtes vermehrt wird. Ge⸗
Skalen für das ſpezif. Gewicht. 325:
febt, das Aräometer wiege, wenn es in Waffer bis zu dem mit
1.000 bemerften Punkte einfinft, 300 Gran. Man. macht es
300 — F
nun um 75, d. — 3.03 Gran ſchwerer, indem man durch
das noch offene Ende des Halſes ſo viel Queckſilber eingießt, und
bezeichnet den Punkt, bis zu welchem es eintaucht, mit 0.990.
Gleicher Weiſe werden die Punfte fiir 0.980, 0.970, 0.960 ı.
beftimmt, indem man durch Nachgießen dad Gewicht des Inſtru⸗
mented von © >< 300 — 303.03 Gran, nad) und nad) auf
100
| 6 * 300
— 312.5, bringt, und ſedes Mahl den Punkt des Einſinkens
beobachtet. Um das Letztere bequem thum zu Fönnen, befeitigt
man in dem Halfe des Ardometerd eine auf Papier, gezeichnete
proviforifche,. in ſehr Feine gleiche Theile getheilte Sfale, bemerkt
an diefer die Einfenfungspunfte, notirt fie, und überträgt fie
endlich auf einen andern Papierftreifen, der als die bleibende
Sfale genau in derfelben Höhe des Halſes fejtgemacdht wird. Das
angegebene Verfahren dient zur Konftruftion der Skale für Slüf-
figfeiten‘, welche leichter find ale Waller; um die Punfte für grö-
Bere ſpezifiſche Gewichte zu finden, bei welchen dad Ardometer
weniger tief ald in Waſſer einfinft, muß das Gewicht deifelben
vermindert werden, und zwar ebenfalls jedes Mahl im umgefehr-
ten Verhäftnife zu den Zahlen, wodurd jene fpezifiichen Ge—
wichte ausgedrüdt werden. Setzt man wieder dad Gewicht des
im Waſſer bis zum Punkte 1.000 einfinfenden Aräometerd S ı,
fo muß daifelbe nach der Reihe für die fpezififchen Gewichte 1.010,
100 100 100 100
Tea ont gebracht wer:
den, alfo im oben angenommenen Beifpiele auf 297.03, 294.11,
291.26, 288.46 Gran, indem man von der. anfänglichen Queck-
filper -Belaftung die erforderlichen Mengen wegninmt. Zuleßt
wird in jedem Falle das bleibende Gewicht des Infirumented —
300 Gran wieder hergeftellt, und nad) Befefligung der wirflichen
Skale das Ende des Halfes zugefhmolzen.
Das genaue Abwägen fo vieler und Heiner Quedfilbermens
gen, wie. fie zur Graduitung auf dem angegebenen Wege noth-
21 *
= >< 300 = dob.ı2, * 300 = 309.28,
1.0230, 1.030, 1.040, auf.
324 Araͤometer.
wendig find, iſt hoͤchſt mühfam und zeitraubend. Durch folgen:
des Verfahren wird dailelbe gang entbehrlid gemacht. Man
hängt das. Aräometer, nachdem die proviforifhe Skale in dem
Halſe angebracht ift, an den einen Arm einer genauen Wage,
und- ftellt durch Belaftung der am andern Arme befindlichen Schale
das Gleichgewicht her. Hierauf wird ein Gefäß mit beftillirtem
Waſſer unter das Aräometer gebracht, daſſelbe eingefenft, und
der Punkt, bis zu welchem das Waller reicht, mit 1.000 bezeich-
net. Die übrigen Punfte der Skale werden nun ſaͤmmtlich da⸗
durch beftimmt, daß man die entfprechenden Gewichte von der
Wagſchale wegnimmt, oder auf diefelbe zulegt, nachdem jedes
Mahl das Waflergefäß fo erhöht, oder herabgelaflen worden ift,
daß der Wagebalfen ſtets Horizontal bleibt. Die wegzunehmen:
‚den Gewichte find für Die ſperifiſchen na . 0.980,
0.979, .... der Reihe nah, = „u, Zar zz +. .; Die ve
genden für bie fpezififhen Gewichte, 1.010, 1.020, 1.030, ..
1 9
101° 103’ 108 '
lebtereö wieder — 300 Gran gefept, fo findet man durch Multis
plifation diefer Zahl mit den angegebenen Brüchen die Gewichte
in Granen ausgedrüdt. Man ficht, daß diefes Verfahren von
dem vorigen nur dadurch fich unterfcheidet, daß nicht das Gewicht
ded Araͤometers unmittelbar, fondern jenes der ihm gegenüber
hängenden Wagfchale verändert wird, was aber von gleichem
Einfluffe auf den Erfolg iſt.
Die biöher befchriebenen Grabuirungs » Methoden geben,
genau auögeführt, volfommen richtige Skalen, der Hals des
Aräometerd mag ganz zylindrifh, d. h. an allen Etellen glei)
did ſeyn, oder nicht; nur fallen an dünnern Stellen die Abtheie
lungen länger, bei dickeren kürzer aus, als fie an einem gleich»
dicken Halfe feyn würden. Es ift oft ſchwer, recht genau zylindri⸗
Ihe Glasröhren zu erhalten; wo man fi) aber auf die gleiche
Dice derfelden in dem bier erforderlichen Grade verlaffen kann,
ift ed weit bequemer, und doch fiher genug, die Skale durch
Zeichnung zu verfertigen, wozu man ſich folgender einfachen Me⸗
thode bedient. Auf eine der vorigen Arten werden der oberfte
und unterite Endpunft der Skale beſtimmt, alfo die Grenzen des
.. . vom Bewichte des Aräometerd ; und wird
Skalen für das. fpegif. Gewicht. 325
ſpeziſiſchen Gewichtes, inmerhafb welcher das Ardometen gebraucht
werben kann. Geſetzt man babe das Aräometer dergeſtalt fon-
ſtruirt, Daß es in deftillietem Waſſer bis nahe an das: obere, und
im einer Flaifiafeit.. vom ſpeziſiſchen Gewichte 1,500 bie nahe am
Das unters Ende des Halſes eintaucht, um mitselit deſſelben alle
zwiſchen dieſen Srenzen liegenden Tpezififcgen Gewichte erforſchen
zu können. Die zwei ſolchergeſtalt feſtgeſetzten aͤußerſten Punfte
werden auf dem Melle angezeigt/ um ſpaͤter darnach die Skale
richtig zu befeiligen. Man trägt nun anf eine gerada Linie ab
(Big. 9, :Zafel 6) die Länge. e A der Skale auf,..pieht rechtwinf:
lig durch c und-'d die Linien a f, g h, und ſchueidet von e f aus
e ein belichigeö Stuck ck ab, welches in ſo viele gleiche Theile
eingetheilt wird, als die Stale Grade oder: Abtheilungen erhalten
fol. In der Zeichnung it zur Ewleichterung angenommen, daß
Die. fpezififhen Gewichte nur ben o. ob zu 0.05 aufgetragen ‚wer-
den follen, und: daher ce k nur. im zehn Theile. getheilt.. Auf der
Linie g.h wird, von dem Punkte d:; aus, und zwar nach der k
sutgegengefehten Seite, ebenfalls ein Stuck, di, abgefchnitten,
deſſen Länge aber nicht willkuͤrlich iſt, ſondern ſich zur Länge
von c k fo verhält, wie das kleinſte ſpeziſiſche Gewicht der Skale
gu dem größten ;. im angenommenen Beifpiele alſo wie 1.000?
1.500 oder a: 3. Diefes Stück d i theilt man in eben fo viele
‚gleiche Iheile als e k, and verbindet die Theilungspunkte beider
Linien auf die in der Zeichnung angegebene Weife mit: einander.
Die Durchſchnitte der fchrägen Linien mit c d geben die Theilungs⸗
punkte der: Sfale, welchen in der Figur die zugehörigen fpezifls
ſchen Gewichte beigeichrieben find. ;Zeägt man aufee fundgh,
rechts von ce und i, links von kund d, nod) mehrere der erwähn-
sen gleichen Theile auf, und zieht man durch diefe Punfte die in
der Figur zum. Unterſchiede punftirten Cinien, bis diefelben a b
fchneiden; fo erhäfe man auf legterer Linie auch die Theilungs-
punfte der Sfale für beliebige größere und Fleinere fpezififche Ge⸗
wichte, welche man, wenn Plas vorhanden iſt, noch auf die
Skale auftragen fann.
In jedem Falle iſt es nur Ein Mahl nöthig, eine Skale
nach der befchriebenen Methode zu zeichnen; denn da bad Ver:
haͤltniß der, gleiche Unterfchiede des fpezififchen Gewichtes aus⸗
326 + .Yräbriefer.
drüdenden- Theile ſtets unverätidert bleibe, und war ihre abſolnte
Größe nach det zu Gebothe ſteheuden Länge des Ardometer - Hale
ſes varüirt: fo Täßt fich die in hinteichend großem Maßflabe ent»
worfene, "Tämmtlihe bei Zlüffigferten vortonimenden ſpezifiſchen
Gewichte enthaltende Sfale auf: folgende Weile zur Gradnirung
ler Aräometer anwenden: "Man:trägt Die. gefundene Eintheis
Tung auf-eine Linie lm (Sig. 10, Tafel 6),: zieht aus allen Xher-
Tungspunften gerade Linien nach einem in willfürlicher. (aber
nicht zu Heiner) Entfernmug augenommenen Punkt n, umd zu
I m eine Menge: Parallelen, wieo p,q r,s.t, uv,-wx,
Iſt nun die Ränge einer Aräpmeter » Sfale nobfl dem größten
und kleinſten fpezififchen Sewithte derfelben gegeben ; fo -fucht mau
Teptere beide aufder Linie Im, bemerft die zwei dazu gehörigen,
nad) n hin laufenden Linien;,: and fucht nun unter den Parallelen
op, qr, uf. Av. diejenige, welche zwifchen den erwähnten bei-
den Linien genau die vorgefchriebene Länge bat: “won dieſer —
trägt man die Eintheilung fögleich auf die tale.
Da ein Uräometer nicht.alle bei Flüfftgfeiten. vorkommenden
fpezififchen Gewichte auf ſeitter Sale umfaflen fann, ohne zu
groß und unbequem zu werden, fo pflegt man eigene Ardometer
für jene Fluͤſſigkeiten zu verfertigen, die leichten :ald, Waffer find,
und wieder eigene für jene, Die ſchwerer find. - Zuweilen trennt
man felbft die legtere Skale nach in zwei Theile (von 1.000 bis
1.500 und von 1.500 bis 2.000), und macht für jeden derfelben
ein befondered Ardometer, um die Abtheilungen dee Skale groͤ⸗
Ger, daher für genaue Beobachtungen geeigneter, zu erhalten.
An dem Aräometer Big. 6 ift die Sfale für fchwere, und an dem
Fig. & die Sfale für leichte Flüſſigkeiten angebracht. Man hat
aber auch, um eine Sfale von bedeutendem Umfange auf.einem
einzigen Inftrumente von verhältnigmäßig geringer Größe anzu-
bringen, und dennoch große Theile zu erhalten, ein Mittel aue
gewendet, welches nur für die Praris in den meiſten Sällen et=
was zu umfländlich, übrigens aber feiner Grundlage nach einfach
und zwedmäßig iſt. Man denfe fi, ein für Flüſſigkeiten Teich:
ter als Waſſer beftimmtes Aräometer finfe in Waſſer bis zu einem
Punfte a ein, der fih am untern Ende des Halfes befindet; und in
eine Släfligfeit vom fpezif. Gewichte 0,900 bis zu einem andern
Skalen für das ſpezif. Gewicht. 527
Dunkte, b, oben am Halfſe. Mit der Sfale, welche man zwi:
fchen diefen beiden Punften verzeichnet, wisd man alle fpegififchen
Gewichte von 1.000 bid 0.900 abwärts. erforfdyen fonnen. Nun
werde aber das Aräometer (3. B. indem * ein vorher auf den
Hals geſtecktes Gewicht wegnimmt) um Z; leichter gemacht, fo
wird es in einer Flüffigfeit vom fpezif. Orig = 3 — = 0.900
bis zum Punfte a, und in einer andern Zlüfligfeit vom fpezif. Ge:
wichte er — 0.810 bis zum Punfte b einfinfen. Theilt
man daher den Abſtand a b auf die entfprechende Art ein, und
trägt man diefe Eintheilung auf der gegenuͤberſtehenden Flaͤche
des Halſes auf, fo dat man eine Sfale, mittelft welcher, nad
vorausgegangener erwähnter Gewichtöverminderung des Inſtru⸗
mentes, die fpezifiichen. Gewichte von 0.810 bis 0.900 —
werden koͤnnen.
Wenn man genau. zu Werke gehen win, ſo iſt es nöthig,
Die Temperatur zu fennen, bei weldyer das Aräometer, deſſen
man fic) bedient, graduirt worden iſt; Denn der mit 1.000 bezeich-
nete Punkt zeigt nur bei jenem Wärmegrade, bei welchem er be:
ſtimmt it, Das fpesififche Gewicht des Waflerd an: bei größerer
Wärme finft dad Aräometer tiefer, bei geringerer Wärme weniger
tief ein, wegen der Veränderung ded Volumens, und folglich
des fpezififhen Gewichtes, welche das Waifer gleich allen Kör-
pern. durch die Wärme erleidet. Wenn daher die Skale eines
Araͤometers z. B. bei 14° R. verfertigt wurde, fo gelten auch alle
durch dieſes Inſtrument bei anderen Temperaturen angezeigten
fpesifilchen Gewichte nur in Wergleichung mit jenem des Waflers
bei 14° als 1.000 gefegt; und will man fie mit Waſſer von der
nähmlichen andern Temperatur vergleichen, fo ift eine Korreftion
nöthig, welche aus der befannten Ausdehnungsgröße des Waſſers
für gegebene Zemperatur » Unterfchiede hergeleitet wird, aber zu
unbedeutend ausfällt, um in der technifchen Praris nicht ohne
Schaden vernachläßigt zu werden. Das Nähmliche gilt von der
Unrichtigfeit, welche die durd) die Temperatur bewirkte Volume
veränderung des Aräometers felbft, in der Beſtimmung der ſpe⸗
ziſiſchen Gewichte hervorbringt.
328 0 "Araometer.
+ Be Die Araͤometer mit willtürlicher Eintheilung haben ſaͤmm t⸗
lich den Umfland niit einander gemein, daß ihre Theile oder
Grade gleicd, ‚groß find,. und Daher nicht gleiche Differenzen des
ſpeziſſſchen Gewichtes ausdrüden. Diefed Leptere wird man na⸗
türlich finden, wenn man fich aus dem Vorhergehenden erinnert,
daß die, gleichen Unterfchieden des fpezififchen Gewichtes entfpre-
chenden Grade oder Abtheilungen gegen das obere Ende des Hal
fes Hin an Größe zunehmen (&. 320). Wenn demnach eine
Ardometer: Sfale in gleich große Grade getheilt ift, fo zeigt das
Einfinfen um eine doppelte oder dreifache Anzahl folcher Grade
feineöwegß ein zwei⸗ aber drei Mahl Fleineres Tpezififches Gewicht
an; denn der Werth der oben auf der Skale lebenden Grade iſt
viel geringer als jenew der unteren. Diefer Umftand macht, wenn
man mitteljt dergleichen Aräometern das fpesififche Gewicht von
Stüffigfeiten kennen lernen will, eigene Vergleichungstafeln noth⸗
-. wendig, ähnlich jenen, welche hier unten fogleich mitgetheift
werden follen, wenn über die. Kaonſtruktion der gebräudplichiten
Skalen das Nöthige gefagt if. Es find dieß die Sfalen von
Baume, Cartier und Bed.
Die Aräometer nah Baume’s Konftruftion find die ges
wöhnlichiten, und werden zur Bezeichnung der Stärke des Wein»
geiftes, der Säuren und Salzauflöfungen, ꝛc. gehraucht. Man
verfertigt befondere Inftrumente diefer Art für Slüffigfeiten, die
leichter find als Waller, und für foldye, die fchwerer find. Die
Graduirung wird bei beiden auf verfchiedene, und zwar auf fol⸗
gende Weife, bewerkitelligt.
Um die Sfale für fchwere Flüfligfeiten (Fig. 4, Tafel 6)
berzuftellen, bereitet man eine Auflöfung von 3 Theilen Kochfalz
in ı7 Xheilen Waffer , bemerft am Halfe des Inſtrumentes
den Punft b, bis zu welchem es in diefe Auflöfung einfinkt, und
bezeichnet ihn mit 15. Der Punft a hingegen, bis aufden das
Araometer in deſtillirtem Wailer untertaudht, wird o genannt.
Den Raum zwifchen a und b theilt man in ı5 gleiche Theile, und
trägt noch mehrere folche Theile (meift bis zu 70) von b abwaͤrts
auf. Rei dem Araͤometer für leichte Slüäffigkeiten, wozu Fig. 5
(Zaf. 6) die Sfale zeigt, erhält der Punft a, bis zu welchen
das Inftrument im Waſſer einfinft, die Bezeichnung 10; ein zwei⸗
Baume’s Skalen. 820
ter Punkt b, den man o heißt, wird durch Eintauchen in ine
Anftöfung von ı Theile Kochſalz in y Theilen Waſſer beſtimmt.
Den Raum a b theilt man in 10 gleiche Theile, und ſolche Grade
werden in beliebiger Anzahl (gewöhnlich * 50) auf die —
Eaͤnge der Skale aufgetragen.
Es iſt ein Mangel der Baumoͤſchen — daß für den
Einfenfungspunft im Waller ein Mahl der: zehnte Grad, und eln
Mahl Null angelegt wurde. Webrigend können diefe Inſtrumente,
obgleich fie nicht das Verhaͤltniß der fpezififchen Gewichte durch ihrr
Graduirung anzeigen, doch mit gutem Erfolge zur Vergleichmig
von Blüfligfeiten gebraucht werden, wenn fie gehörig mit einan=
der übereinftimmen. Diefe Uecbereinfiimmmg wird nur erreicht,
wenn das zur Graduirung angewendete Kochfalz ſtets gleich rein
it; wenn die Beſtimmung bee beiden Bundamentalpunfte a, b
(Big. 4, 5, Taf. 6) immer bei der nähmlichen Temperatur gefchieht
(deun das Waſſer ſowehl als die Salzauflöfung haben bei warmer
Luft ein Meineres fpezififches Gewicht als bei Falter); und wenn
endlich der Hals der Infteumente vollkommen zylindrifch fl.
Bon diefen drei Umftänden wird in der Regel mır auf den
zweiten, nähmlich auf Die Temperatur, Nüdficht genommen: Grund
genug, die oft ziemlich aunvolllommene Uebereinkimmung zwiſchen
den nah Baums's Grundfägen verfertigten Ardometern erflärkich
zu finden. Baume beflimmte die Zundamentalyunfte feiner Sfr
len bei einer Wärme von 11° R., jegt wählt man dazu häufig die
Temperatur von ı4° R. ‚Die Beſtimmumg ‚der Grade mittelſt
zweier einander fo nahe liegender Punkte ift übrigens von ſchadli⸗
chem Einfluffe auf die Senauigfeit; denn em Hier begangener Feh⸗
ler wiederhohlt fich beim weitern Auftragen dee Grabe, und wird
am Ende der Sfale ſehr merflih. Es ift darum beſſer, new zu
verfertigende Aräometer nach einem guten Mufter zu.graduiren,
indem man beide mit einander in zwei Fluͤſſigkeiten von ziernlich
verfchiedenem fpesififhen Gewichte ſtellt, Die zwei Einfenfunge
punfte auf dem noch ungraduirten Inftrumente bemerkt, und den
Zwifchenraum in fo viele Grade eintheilt, ald er auf dem Mufter:
Araͤometer enthält.
Die Sfale von Cartier’ Aräometer, welches in Frankreich
zur Pruͤfung des Branntweines und Weingeiſtes angewendet wird,
350 Araͤometer.
iſt aus der Baume’fchen durch eine unnöthige und nutzloſe Veraͤn⸗
derung entflanden. Auf Cartier's Sfale flimmt naͤhwlich der a2.
Grad mit dem a2. von Baume’s Araometer für leichte Flüffigfei-
ten überein ; von diefem Punfte aus fowohl auf: als abwaͤrts, ift
der Raum, welchen 16 Baume’fche Grade einnehmen, in 18 Theile
geiheilt: ı5 Grade nad) Cartier find alfo 16 Graden von Baume
gleich; und der Waſſerpunkt faͤllt auf 102 Gr. Cartier. Auf dem
Cartier ſchen Aräometern find in der Negel die Grade nur von 14
an aufwärts aufgetragen, weil die tiefer. liegenden nie gebraucht
werden, und nur zwecklos das Inſtrument verlängern würden.
Zwei Fehler der Baume’fchen Aräometer, nähmlic) die Bes
ſtimmung der Kundamentel-Punfte durch die unfichere Anwendung
einer Flüſſigkeit, deren fpezififhes Gewicht nicht feftgefebt iſt,
and die ungleiche Bezeichnung des Waflerpunftes, ein Mahl mit
o, ein anderes Mahl nit 10, find:bei den von Bed (in Bern)
nach Bentely's Vorfchlag verfertigten Aräometern befeifigt. Der
Einfenfungspunft in deſtillirtem Waſſer heißt hier unveränderlich o;
ein zweiter Punft, bis zu welchem dad Inſtrument in eine Flüſſig⸗
keit eintaucht, deren fpezififches Gewicht‘— 0.850 iſt, wird mit
&o bezeichnet. Diefe beiden Punkte fönnen zu jeder Zeit mit größ-
ser Schärfe beflimmt werden, und machen daher die vollfommene
Uebereinflimmung felbft bei folchen Aräometern möglich, welche an
verfchiedenen Orten, zu verfehiedenen Zeiten, und fogar ohne ein
Mufter-Inftrument, verfertigt worden find. Man theilt den Raum
zwifchen den erwähnten zwei Punkten in 30 gleiche Theile, trägt
oben och 40 dergleichen, unter o aber Bo auf; fo, daß 7o Grade
für Slüffigfeiten welche fpezififch leichter find als Waffer, und 80
Grade für fchwerere Slüfligfeiten die ganze Sale bilden. In der
Ausübung wird diefe in zwei Theile getrennt, und auf abgefon-
derte Ardometer übertragen. Das Aräometer für leichte Flüſſig⸗
keiten hat den Nullpunft gleich über der Kugel, und die 7a Grade
werden nach aufwärts gezählt; bei jenem für fchwere Slufligfeiten
ſteht o oben am Halfe, und 8o zunächſt Der Kugel.
In den nun folgenden Tafeln findet man die drei erwähnten
Araͤometer-Skalen mit einander nad) den ihren Graden entfprer
chenden fpezififchen Gewichten verglichen; es ift über diefelben nur
Folgendes zu bemerken. Die erfte Spalte in beiden Tafeln ent:
Dergleihung verfchiedener Skalen. 331
haͤlt die fortlanfenden Zahlen der Grabe; bie zweite das entipres
chende ſpeziſiſche Gewicht für alle Grade, wenn diefe auf Die Baus:
mefchen Aräometer bezogen werden ; Die Tepte das fpesifiiche Ges
wicht für die Grade von Beckſs Arkometern. Hierzu kommt in
der erften Tafel noch das fpezififche Gewicht für die Cartier {hen
Grade. Die Zahlen der zweiten Kolumne find’ das Mittel aus
den von Gilpin, der holländifchen Pharmakopoͤe, Huß amd
Franco eur befannt gemachten Angaben ; welche am: wenigflen
bon einander abweichen; fie nähern ſich alfo vermuthlich der Währ⸗
beit am meiften. Die fpezififchen Gewichte für die Cartier'ſchen
Grade find, nad) der oben angegebenen Konftruftion diefer Skale,
aus den Zahlen der zweiten Spalte abgeleitet.
legten Kolumne: find von Bentely berechnet, und zugleich mit
Die Zahlen der .
feinem Aräonteter befannt gemacht worden.
Il. Tafel, |
für Slüffigfeiten ae als Waffer.
t
Gr. Baume|Cartier | Beck | | we# Tor. |weums |eatier] wre | Baume | we# Tor. |weums |eatier] wre | Bed
70] — — [0.7083 || 50 | 0.784 | — [0.7727 '
69} — | —— [0.7112 || 49 | 0.788 | — Io. 7763 |
68] — — 10.7143 || 48 | 0.792 | — 10.7799
67 1 — | —— [0.7173 || 47 | 0.795 | — [0.7834
66 | — | —— [0.7803 || 46 | 0.799 | — 10.7871
65 | — | —— [0.7234 || 45 | 0.8038 | —— |0.7907
64 | —— — [0.7265 || 44 | 0.807 | — [0.7944
63 I —— | —— [0.7296 || 43 | 0.811 | —— 10.7981.
62 | — | —— [0.7388 || 42 | 0.816 | — 10.8018
61 —— 10.7359 || 4ı | 0.820 | — |0.Bobı
60 } 0,744 — 10.7391 || 40 | 0.824 | —— |0,8095
59 | — |: —— 10.7433 || 39 | 0.829 | 0.824 [0.8133
5685| —— | —— 10.7456 || 3B | 0.834 | 0.829 [0.8173
57 | —— — 10.7489 || 37 | 0.839 | 0.834 |o 82312
561 — | —— [0.7523 || 36 |.0.844 | 0.839 |0.8252
165 | 0.763 | — [0.7556 || 35 | 0.849 | 0.845 .|0.829a.
54 | —— | — 10.7589 || 34 | 0.854 | 0.850, |o 8333
531 — | —— [0.7633 || 33 | 0.859 | 0.855 |0.8374
53 | — | —— 10.7658 || 32 | 0.864 | 0.861 0,8415
53] —— | —— 10.7693 || 31 | 0.869 | 0.866 |0.8457
En a nn an
332
Gr. Baums Beck | Gr.
m 3 m ED ED u ͤ
a > Dad STEUERT
0875
1 0.88ı
0.886
0,892
0.897
0,903
0.989
0,915
0.931
0.927
0.933.
0.939
0.946
0.952
0.959
0.965
0.872
0.878
.0.883
0.889
0.895
0:901
0.907
0.914
0.921
‘0.927
0.994
0,941
0.948
0.955.
0.962
0.969
Araometer, -
DB WAHR 90
‚0.972
0.9
0.9
0.992
be ade
1 «000 '
MM Tafeı,
für Slüffigfeiten [hwerer als Waſſer.
50 —
1.000
1.007
1.014
1.020
"1.028
1.034
2.041
1.049
1.057
1.064
1.072
1.080
1.088
1.096
1.104
1.113
1.12%
1.130
2.0000
1.0059
1.0119
1.0180
1,0241
3.0303
1.0366
1.0429
1.0494
1.0539
1.0625
1.0692
1.0759
1.0839
1.0897
1.0968
1.1039
21.121118
1
Baume
1.138
1.147
. 2.197
1.166
1.176
1.185
1.195
1.205
1.215
1.225
1.235
1.345
1.256
I ‚267
1.278
1.289
1.300
1.312
==
|
Fe a To Ku ne nn De —— — —
v
Aräometer für eingelne Fluͤſſigkeiten. ‚ 335
— — —
Set || Gr | Baumd | Bed
36 1.334 1.2687 55 3.596 1.4783
37 |. 1.337 1.2782 56 1.615 1.4918
38 _ 1.349 1.2879 || 57 1.634 | 1.5044
39 1.362 1,2977 58 | 1.653 1.5179
40 1.375 1.3077 || 59 1.671 1,5315
4 1 1.388 1.3178 60 1.690 1.9454
423 1.401 1.3381 bı 1.709 1.5596
43 1.414 ,.3386 || 62 1.721) 1.574 1
44 1.428 1.3493 63 1.750 } 1.5888
45 1.442 1.3600 64. 1.771 ı 6038
46 1.456 1.3710 65 1.793 1.6190
47 1.470 | 1.3821 66 1,815 1.6346
48 1.485 1.3934 67 1.839 1.6505
49 1.500 1.4050 ||: 68 1.864 1.666”
50 1,515 |'3.4167 69 1.885 1.6832
51 1.531 1.4386 70 1.909 2.7000
52 1.546 1.4407 71 1.939
53 1.562 1.4530 72 1.960 _——
54 | 1.578 1.4655
2. Befondere Ariometer.
Die für einzelne Slüjligfeiten beftimmten Ardometer haben
das mit einander gemein, daß fie. nicht das fpezififche Gewicht,
fondern den Gehalt an irgend einem beigewifchten oder aufgelöften
Stoffe. angeigen, 3. ®. die Menge des abfoluten Altohols im
Btanntweine, des Kochfalzes in.einer Salzfoole, u. ſ. w. Zu fol«
hen Anzeigen werden die Aräometer Dadurch anwendbar, baß
mit der relativen Menge der Beftandtheile in einer gemifchten
Fluſſigkeit das fpezififche Gewicht der Ieptern fich ändert, und daß
fi folglich rückwaͤrts aus dem fpezififchen Gewichte ein Schluß
auf Die Zufammenfeßung machen. läßt ; wozu die Daten jedoch nur
durch die Erfahrung, nie Durch bloße theoretifche Berechnung, ge⸗
geben werden fönnen. Denn wenn zwei Flüſſigkeiten mit einander
gemifcht werden (wie 3. B. Waller und Weingeiſt), fo ift das ſpe⸗
jififche Gewicht der Mifchung nicht das nad) den relativen Mengen
berechnete Mittel aus den fpezifiihen Gewichten beider ; fondern
ed fällt entweder Fleinet oder größer aus. Eben fo wenig fchreitet
334 Ä Hreäomieter.
die Veränderung des fpezififchen Gewichtes einer Slüffigfeit durch)
Beimifchung einer andern, oder durch Auflöfung eines feſten Kör=
pers, in gleichem Verhältniffe wie die Menge dieſes Zufages fort;
und es hat daher z. B. die Zumifchung von 2, 3, 4 Mahl fo viel
Weingeift oder Sal; zum Waffer nitht auch gerade eine 2,3, 4
Mahl fo große Verminderung oder Vermehrung des ſpezifiſchen
Gewichtes zur Folge. Diefe zwei Umſtaͤnde erfchweren die genaue
Verfertigung der für einzelne Slüffigfeiten beftimmten Araͤometer
fehr bedeutend; indem, wenn man mit der größten Genauigfeit
verfahren wollte, jeder Grad ihrer Sfalen das Ergebniß eines
eigenen Verfuches feyn müßte. Diefe Ardometer find gewöhnlich
fo eingerichtet, daß fie Durch ihren Einfenfungspunft die Menge
des auszumittelnden Beftandtheils in der geprüften Slüffigfeit nach
Prozenten.der letztern angeben; und diefe heißen Prozenten—⸗
Ardometer. Ju mandyen Fällen jedoch begnügt man fich mit
einer unbeflimmtern Anzeige, indem man, um die mühfane Kon-
firuftion einer Progenten : Sfale zu erfparen, oder weil diefelbe
aus Mangel einer ftets mit Sicherheit herzuftellenden unveränder-
lihen Normal⸗Flüſſigkeit feinen Nugen bringen würde, bloß dar-
nach firebt, eine Vergleichung der Flüſſigkeiten einerlei Art, aber
ungleicher quantitativer Zufammenfegung, möglich zu machen,
ohne eben zu verlangen, daß diefe-WVergleichung die Größe des
Unterfchiedes im Gehalte genau und ausdruͤcklich angebe. Ders
gleichen Aräometer (wie z. B. jene für Wein, Bier, u. f. w. find)
verhalten füch zu den Progenten-Aräometern ungefähr eben fo, wie
die Baume’fhen, und andere mit willführlicher Sfale verſehe⸗
nen Ardometer zu jenen, welche das fpezififhe Gewicht unmittel:
bar angeben. = |
Die Verfertigung der Prozenten »Sfalen Tann auf zweierlei
Art gefchehen: entweder, indem man die nach den auf der Skale
vorfommenden Verhältnijfen gemifchten Sküäffigfeiten bereitet, und
die Einfenfung des Ardometers in jede derfelben beobachtet; oder
indem man auf einer für das fpezififche Gewicht graduirten SPale
die den verfchiedenen Mifchungen zugehörigen Punfte (welche für
jede Abftufung des Prozenten⸗Gehaltes aus anderweitigen Verſu⸗
chen befannt find) auffucht und bezeichnet. Wenn man bei dem
erftern Verfahren die Mühe fcheut, alle einzelnen Punfte von
Arsometer für einzelne Flüſſigkeiten. 535
Prozent zu Prozent Durch ben Verfuch zu beſtimmen, fo begnügs
man fich, wenige, weiter aus einander liegende Punfte (3.8. von.
5 zu 5 Prozent) auf diefe Weife ausfindig zu machen, und bie
Zwifhengrade durch Eintheilung der Intervalle in gleich große
Theile zu beflimmen ; allein gran fieht, daß dieſes Verfahren ein
deito mehr von der Wahrheit abweichendes Refultat liefern muß,
je geringer die Anzahl, je bedeutender folglich der Abftand jener
durch Verſuche ausgemittelten Punkte ift. - Durch das oben
(&. 326) angegebene, vermittelft Fig. 10 (Taf. 6) erflärte Ver:
fahren Fann die ein Mahl entworfene Skale auf eine belichtge Ans
zahl, felbft ungleich langer (für die nähmliche Fluͤſſigkeit beſtimm⸗
ter) Aräometer übertragen werden; wenn nur ihre Endpunfte auf
den zu Fonftruirenden Snftrumenten gefunden find, und der Hals
ohne bedeutenden Fehler ald durchaus gleich Died angefehen. wer:
den darf. | |
Uebrigens ift ein jedes folche Inftrument nur für einen ein:
jigen Temperaturgrad gültig, für jenen naͤhmlich, bei welchem
feine Skale verfertigt wurde; denn die durdy Veränderung deu .
Waͤrme bewirkte Ausdehnung oder Zufämmenziehung der Flüſſig⸗
feiten macht, daß bei einer andern Zemperatur dad Aräometer
nicht gerade zu dem Punfte einfinft, welcher dem wirklich vorhan=
denen Mifchungsverhältnifle entfpricht, ſondern bei größerer
Wärme tiefer, bei geringerer Wärme weniger tief. Man findet
daher auf den Aräometern die Temperatur angegeben, für welche
ihre Anzeigen.ald richtig gelten fönnen (z. B. 10, ı2, oder 14’ R.);
für jeden andern Grad der Wärme iſt eine Korrektion nöthig, bie
man mittelft eigener Tafeln bewerfftelligt, in welchen die den
Temperatur» Unterfchieden entfprechenden Änderungen der fpezifi-
ſchen Gewichte enthalten find. Bisher find jedoch ſolche Korrek⸗
tions⸗Tafeln, welche ſtets nur das Ergebniß umftäudlicher und
mühfamer Verfuche ſeyn koͤnnen, ausfchließlich für die Miſchungen
von Altohol und Waffer vorhanden.
lm bei der Anwendung der Ardometer nicht jedes Mahl die
Temperatur der geprüften Blüffigfeit durch eine befondere Unter:
fuhung mittelft des Thermometers beitimmen zu müflen, kann
man fehr zweckmaͤßig das Thermometer auf die in Fig. 11 (Xaf. 6)
angezeigte Art mit dem Araͤometer verbinden. a b ift hier der zy⸗
336 - Ardometer,
lindriſch geftaltete Körper des gläfernen Araometerd, cd das
Thermonieter, deifen Röhre bei b in den Zylinder a b eingefchmols
‚zen ift, und bei a mit dem obern Ende im Anfange des Halfed a @
‚einen Stüspunft findet. Die Kugel d des Ihermometers vertritt,
auf diefe Weife angebracht, zugleich die Stelle der gewöhnlichen
Queckſilber » Befchwerung des Aräometerd. Es ijt einleuchtend,
daß die Thermometer-Sfale, welche nur. bei den gewöhnlichen
Lufttemperaturen gebraucht wird, einen hinreichenden Umfang
babe, wenn fie etwa die 40 Brade von — 10° bis 4 300 A
umfaßt. Hierbei wird, wenn die Sfale drei Zoll lang iſt, jeder
Grad noch beinahe eine Linie groß, was zureichend fcharfe Beob⸗
achtungen geitattet.
Auf weiche Art, nach vorläufigen genauen Verſuchen, die
Arivmeter als fogenannte Branntweinwagen oder Alko—
holometer zur Angabe des Gehaltes einer geiſtigen Flüſſigkeit
an Alkohol dienen, ift in dem Art. Alkohol aus einander geſetzt
worden. Nach derfelben Weife laſſen ſich auch Prozenten - Aräo:
meter für die Mifchungen der Säuren und Alfalien mit Waf-
fer herftellen. In der Praris beftimmt man jedoch die Konzen⸗
trationsgrade diefer Flüſſigkeiten gewöhnlich nach dem fpesififchen
Gewichte oder nach Araometer-Sraden, und entnimmt den Pros
zentengehalt in den erforderlichen Fällen aus den vorhandenen Ta⸗
feln. Ueberhaupt ift die Vervielfältigung der Aräometer-Sfalen
dem Zechnifer von feinem Vortheil: ein Aräometer für Flüſſigkei—
ten fchwerer, und ein anderes für Flüſſigkeiten leichter als Waſſer,
beide nad) den fpezififchen Gewichten, oder nach willfürlichen
Braden, welche beftimmten fpezififchen Gewichten bei einer Nor⸗
maltemperatur entfprechen, getheilt, befriedigen alle Bedürfnijle,
und erleichtern den Gebrauch diefer Prüfungsmethode, wie ſchon
bei Gelegenheit der Altoholometer (©. 244) bemerkt worden ifl.
Mur da, wa man, wie bei beitimmten Sabrifationsarten,, inımer
mit einer und derfelben Flüſſigkeit zu thun hat, z. B. in Pottafchee,
Salpeter: und Salsfiedereien, ift, um für die Manipulation bei-
läufige Anhaltpunfte zu gewinnen, die Herflellung von Araͤome⸗
tern, die fpeziell für dieſen Ball graduirt find, zweckmaͤßig.
So bedient man fid) in den Seifenfledereien, um die Stärfe
der aus Afche und Kalf bereiteten Üslauge zu unterfuchen,, einer
Salzwagen, Sacharomtr. 337
Laugenwage (Laugenprobe), die öfter gleichfalls ald Pro.
zenten = Aräometer eingerichtet iſt. Ähnliche Infteumente wendet
man an, um die Konzentration von Salzauflöfungen zu erforfchen.
Die Salzfpindeln GSalzwagen, Sool: oder Gradier-
wagen), die Salpeterjpindeln und Pottafchenwagen,
auf deren Sfale jeder Grad einen Gewichttheil Kochſalz, Salpes
ter oder Pottafche in 100 G. der Auflöfung anzeigt, gehören hier⸗
ber. Zuweilen haben diefe Sfalen eine etwas abgeänderte Eins
richtung, folglid die Grade derfelben eine andere, obwohl eben
fo beſtimmte, Bedeutung. So gibt es Salsfpindeln, deren Grade
den Kochfalzgehalt nicht in Hunderttbeilen, fondern in 128ſteln
(nad) Quentchen in einem Pfunde der Soole) ausdrüden; und
für die Pottafchefiedereien werden Ardometer verfertigt, welche
angeben, wie viele Pfunde Pottafche in einem Eimer Lauge ent-
Balten find. Es ift leicht einzufehen, daß man auf ähnliche Weiſe
die Bedeutung der Grade mannigfaltig abändern, fo wie die Kons '
firuftion folcher Aräometer auf alle beliebigen Salze ausdehnen
kann. Diefe Einrichtungen hängen von dem fpeziellen, oft felbit
von dem Rofalbedürfniffe des Sabrifanten ab. Zu manchem Zwecke
kann diefer fogar Die ganze Aräometer-Sfale, bis auf einen eins
jigen in der Erfahrung beflimmten Punft, entbehren; wenn es
ſich naͤhmlich nicht darum handelt, die Grade der Konzentration
einer Salzlauge, oder einer Slüfligfeit überhaupt, zu vergleichen,
Tondern nur auszumitteln, wann diefelbe einen gewilfen Punkt
erreicht habe. In diefem alle (der z. B. eintritt, wenn beim
Abdampfen gewiller Salzauflöfungen der zur Kryſtalliſation guͤn⸗
flige Zeitpunft, als das nicht zu überfchreitende Ziel des Kochens,
beobachtet werden fol) ift ed am zweckmaͤßigſten, ſich eines ſehr
vereinfachten Araͤometers zu bedienen, nähmlich einer mit Schrot
befchwerten Glaskugel mit kurzem Halſe, an welchem bloß die
Stelle bemerkt ift, bis wohin er über die Oberfläche der Flüͤſſigkeit,
bei gehöriger Konzentration der legtern, hervorragt.
In einigen Zuderfiedereien bedient man fich eigener Ardo-
meter (Saccharometer), deren Sfale Dadurch gebildet ift, daß
man den Einfenfungspnnft in deftillirtem Wafler (bei 14° R.) mit
o, die Stelle aber, bis zu welcher der Hald in einer Mifchung
aus 1 Theile Zucker und so Theilen Wafler untertaucht, mit 10
Technol. Encyelop. I. 7 de. 22 j
338 Aräometer.
bezeichnet, den Zwifchenraum in 20 gleiche Theile theilt, und noch
-preißig folche Theile nach abwärts aufträgt, fo, daß die ganze
Sfale aus 40 gleich großen Sraden befteht. Daß diefe indeß nicht
gleichen Zudermengen in der Auflöfung entfprechen, liegt am Tage.
Man findet aud) Zuder-Aräometer; weldye mit den Banme’schen
allgemeinen Aräometern (&. 328) übereinflimmend graduirt find,
aber nur die Grade 20 bis 36 enthalten, weil niedrigere und hö⸗
here bei der Prüfung des Zuckerſyrups nicht gebraucht werden.
Wie ein Progenten» Aräometer für Zuderauflöfungen verfertigt
werden fönnte, bedarf, nach dem oben (&. 334) Gefagten feiner
Erläuterung mehr.
Alle bisher genannten Slüffigfeiten find zur genauen Prii-
fung ihrer Mifchung durch Aräometer deßhalb geeignet, weil fie
nur zwei Beftandtheile (das Waller ald Auflöfungs- oder Verdün-
nungsmittel, und den damit verbundenen Stoff, deifen Menge
beftimmt werden foll) enthalten, daher jede Veränderung des fpe=
zififchen Gewichtes bei derfelben Temperatur unzweidentig eine
Verfchiedenheit des Mifchungsverhältniffes anzeigt. Es gibt aber
andere, zufammengefeßtere Sluffigfeiten, bei welchen diefed weni⸗
ger der Fall ift, und die man gleichwohl oft mittelft des Araͤo⸗
meters beurtheilt, nothwendiger Weife mit Entbehrung eines ge-
nauen und zuverläßigen Nefultated. Won den für folche Sluüffig-
feiten, z. B. Milch, Wein, Bier, ıc. beftimmten Aräometern fol
hier nicht mehr angeführt werden, als nöthig ift, damit man ſich
derfelben in vorfommenden Faͤllen mit gehöriger Berüdfichtigung
ihrer Mangelbaftigfeit bediene.
Zur Unterfuhung der Milch haben Cadet:de-Waur
‚und E. Davy Aräometer angegeben. Der Erftere nannte das
feinige GSalaftometer Milchmeffer). Es ift nichts als
ein nad) den Grundfäpen des Baume’fchen Aräometers für ſchwe⸗
rere Flüſſigkeiten (S. 528) graduirtes gewöhnliches Aräometer,
enthält aber nur die Grade von o (dem Wafferpunfte) bis 8 abs
wärts. Diefe Grade find hier fo groß, daß fie bequem in Viertel
getheilt werden fönnen, was durch gehörige Vergrößerung der
Kugel des Aräometerd erreicht wird (8. 318). In guter, nicht
abgerahmter Milch finft dieſes Inſtrument auf 44, 44 oder 5 Grad
ein. Abgerahınte Milch zeigt, da der Teichtefte Theil, nähmlich das
Milchmeffer. 350
Fett, von ihr genommen if, bis 55 Grad. Durch Verdiinnung
mit Waſſer wird die Milch fpezififch Leichter, und zeigt Daher, je
nad) der zugejegten Waflermenge, nur 37 bid 4 Grad. Die Vers
fälfhung der Milch Täßt fich hieraus beiläufig beuetheilen, obfchon
bei den oft bedeutenden natürlichen Werfchiedenheiten derfelben
das fpezififche Gewicht allein nicht immer hinreichenden Grund gibt,
anf Betrug zu fchließen. Unläugbar liegt ein wefentlicher Fehler
fhen darin, daß es möglich ift, eine Milch, welche abgerahmt,
und dadurch fchwerer gemacht wurde, durch Zufak von Waſſer
wieder auf ihre anfängliches fpezififches Gewicht zurückzuführen,
Diefe doppelte Verfchlechterung alſo der Anzeige des Galaktome⸗
ters zu entziehen. Nicht zu gedenfen der mannigfaltigen Zuſaͤtze
von Mehl u. dgl., welche die Beurtheilung nach dem fpesififchen
Gewichte Höchft unfiher machen. Davy's Milchmefler (Lafto-
meter), ift auf etwas feftere Grundlagen geflüßt, und insbefon-
dere nur für abgerabmte Milch beſtimmt. Davy überzeugte ſich
durch oft wiederhohlte Verſuche mit Milch aus verfchiedenen
Meiereien, daß das fpezififche Gewicht der unverfälfchten abge-
rahmten Milch nicht unter 3.036, meift 1.037 oder 1.0375, fel«
ten bis 1.040 beträgt (bei 8° R.). Kaͤufliche Milch fand er öfter
mit z bis + Maffer verdünnt, übrigens aber durch Feinen Zufag
verfälfcht; die fchlechtefte darunter hatte ein ſpezifiſches Gewicht
von 1.026. Auf diefe Erfahrungen ift die Sfale des Milchmeffers
gegründet, bei der jener Punft, bis an welchen das Inftrument
in der Leichteften unverfälfchten Milch vom fpezififchen Gewichte -
1.035 bei 60° F.) einfinft, mit o bezeichnet ift, und jeder der 35
von hier nach oben aufgetragenen Grade ein Prozent Waller mehr
anzeigt; fo daß z. B. Milh am Laftometer 20° zeigt, wenn ihr
auf 100 Theile ao Theile Waſſer zugefegt find, fie alfo im Gans
sen 5 Wafler enthält. Diefe Sfale ift für die Temperatur von
60° F. (12°%,44 R.) gültig; für jede 3° F, (15° R.) darüber oder
darunter muß von der beim Einfenfungspunfte ftehenden Zahl ı
abgezogen, oder zu derfelben ı hinzugefügt werden, um bie von
dem Temperatur-Unterfchiede herrührende Veraͤnderung des ſpezi⸗
fiichen Gewichtes zu forrigiren, Andere Zufäge ald Waſſer machen
natuͤrlich audy hier dad Reſultat trüglid). R
Wein und Bier werden feit langer Zeit mittelſt des Arde:
a9 *
340 Aräometer.
meter6 geprüft, fo unzuverläßig auch eıne Probe diefer Art ift.
Der Wein hat im Allgemeinen ein geringeres fpezififches Gewicht
als Waller, und diefes nimmt, unter übrigen® gleichen Umftän-
den, defto mehr ab, je geifliger der Wein ifl. Der Zuder aber,
wovon derfelbe häufig eine gewifle Menge enthält, vergrößert das
fpezififche Gewicht; daher manche füße Weine in der That fogar
fpesififch fchwerer find ald Wafler. Ron zwei Weinen kann alfo
öfter derjenige, weldyer mehr Geift enthält, fpezififch fchwerer
ſeyn, wenn er zugleich reicher an Zuder, mithin in jeder Hinficht
beifer ift; und junger Wein wird gewöhnlich beim Liegen, indem
der darin enthaltene Zucker allmählich gährt und in Weingeiſt ver-
wandelt wird; weit beiler, als fein fpezififches Gewicht ihn ſchaͤ⸗
gen laßt. Hieraus geht unläugbar hervor, daß es unmöglich ift,
mittelft des Ardometerd die Güte ded Weines mit Sicherheit zus
erfennen. Die gewöhnliche Konftruftionsart der Sfalen für die
fo genannten Weinwagen iſt noch überdieß fo befchaffen, daß
diefen Snftrumenten die Webereinftimmung unter ſich ganz und
gar abgeht. Man bezeichnet den Punkt, bis an welchen ein fol«
ches Inſtrument in Waſſer einfinft, mit Null, den Eintauchungs⸗
punft in irgend eine gute Weinforte mit 10, theilt den Zwifchen«
raum in no gleiche Theile, und trägt dergleichen Grade noch meh⸗
rere auf die übrige Cänge des Halfes auf. Die Eintheilung der
Bierproben oder Bierwagen ift eben fo willfürlich und
fhwanfend; fie unterfcheidet fih von jener der Weinwagen das
durch, daß der Nullpunkt für das Bier, ald eine das Waſſer an
fpezififchem Gewichte übertreffende Flüſſigkeit, fich am obern Ende
der Skale befindet. Cadet-de⸗Vaux hat dad Baume’fche Araͤome⸗
ter zur Prüfung des Weines und des Moftes vorgefchlagen, und
Chevallier hat hiernach zwei Inftrumente ausgeführt, welche er
BÖleufometer (Moftmefler) und Denometer (Weinmeifer)
nannte. Erſteres enthält von der Baume’fchen Sfale für ſchwe⸗
rere Slüfligfeiten nur die erften Grade von o bis 16 abwärtd ; aber
diefe Grade find groß, damit das Inſtrument empfindlicher wird.
Je weniger daflelbe im Mofte einfinft (d. h. je mehr Grade ed an⸗
gibt), deſto mehr Zuder fann man in legterem’vorausfeßen, und
defto befferer Wein ift daher zu erwarten. Achtgradiger Moft gibt
nur mittelmäßigen, ı2gradiger fchon guten Wein, An dem Oeno⸗
Arfenif, 341
meter, deilen Skale unten mit Null anfängt, zeigen fchwache
Weine ı oder 2, beffere 4 bis 5, fehr gute 7, auch 8 Grad.
Man kann beide Skalen mit einander verbinden, wo dann der
Nullpunkt in die Mitte fällt, die Grade über demfelben für den
Wein, jene darunter für den Moft.gebraucht werden.
Schluͤßlich ift noch zu erwähnen, daß für den Gebrauch der
Schnellgerberei ein Aräometer von Hermbftädt vorgefchlagen
worden.ift, um die Konzentration der Lohbrühe zu erforfchen.
Diefed Lohe-Arfäometer finft in deftilirtem Waller bid zum
Nullpunfte ein, der fi am oberen Ende feiner Skale befindet ;
von da nad) abwärts find 20 Grade aufgetragen, welche nad)
Prozenten des Gewichtes die in der Brühe enthaltene Menge von .
Serbeftoff und andern aus der Lohe aufgelöften Subftanzen anzei-
‚gen follen. Eine Prozenten-Sfale ift hier, wenn fie auch mit Ge:
nanigfeit ausführbar wäre, ohne Werth, da das Aräometer auch
ſolche Stoffe mit in feiner Anzeige begreift, welche die Brauchbars
Feit der Lohbrühe nicht erhöhen.
K. K.
Arſenikf.
Das Arſenik (der Scherbenkobalt, Fliegenſtein)
iſt ein ſehr ſproͤdes Metall von lichtbleigrauer Farbe, ſtarkem
Glanze, ſtrahlig- blättrigem Gefüge, und einem ſpezifiſchen Ge⸗
wichte = 5.789. Es verfluͤchtigt ſich, bis zu 144° R. erhitzt, in
Dampfgeſtalt, ohne vorher zu ſchmelzen, und ſublimirt ſich an
kaͤlteren Körpern in unvollkommenen Kryſtallen. Der eigenthüm- N
liche knoblauchartige Geruch, weldyen es dabei verbreitet, ift ein
Farakteriftifches Erfennungsmittel für dieſes Metall. An der Luft
liegend, Läuft e8 gewöhnlich nach und nach an, überzieht fich mit
einer fhwarzen Rinde, und zerfällt endlich zu einem ſchwarzen
Pulver. Manchmal behält ed jedoch Glanz und Zufammenhang,
ohne daß man die Urfache diefes verfchiedenen Verhaltens anzuger
ben im Stande iſt. Das Arfenif gehört zu den furdhtbarften Gif⸗
ten ; daffelbe gilt, mehr oder weniger, von allen feinen Verbin:
dungen mit anderen Körpern.
Unter den Verbindungen des Arfenifd haben nur jene mit
342 Arfenif.
Sauerftoff, mit Schwefel, und mit einigen Metallen. technifche
Wichtigkeit.
Man kennt drei Orydationsftufen des Arfenits, naͤhmlich
ein Suboryd, die arfenige Säure und die Arfeniffäure. Das
Arfenif-Suboryd ift eben jenes fchwarze Pulver, in welches
fi das bei gewöhnlicher Temperatur der Luft ausgeſetzte Metall
verwandelt. Es hat feine Anwendung.
Die zweite Orpdationsftufe, nähmlich Die arfenige Säure,
auch Arfeniforyd, Arfenitblumen, Giftmehl, Hüte
tenraudh, NRattengift, am :gewöhnlichiten aber weißer
Arfenif genannt, entfteht jeded Mahl, wenn metalliſches Arfe«
if anter LQuftzutritt verdampft, wobei daffelbe, wenn die Hitze
ftarf genug ift, mit blaßblauer Flamme brennt, und einen weißen
Hauch erzeiigt, der fich an Fältere Körper, mit welchen er in Bes
rührung fommt, in Geftalt eines weißen Mehles anlegt. Die
arfenige Säure verdampft bei geringerer Hitze als das metallifche
Arfenif, und nimmt, indem fie fich fublimirt, eine nach den Um⸗
ſtaͤnden verfchiedene Geſtalt an. Sie bildet nähmlich eine durch⸗
fcheinende, glasartige, fpsröde Maile, wenn die Dämpfe an einem
noch ziemlich heißen Körper fich verdichten, wo dad Sublimat fich
erweicht und zufammenfintert ; das erwähnte Mehl, wenn dieſes
nicht der Fall ift; endlich oftaädrifche Kryflalle, wenn die Subli⸗
mation recht langfam, in geräumigen Gefäßen vorgenommen
wird. Uebrigens iſt dieſe Säure, felbit ald Dampf, geruchlos
(denn der Knoblauchgeruch, welchen man hemerft, wenn fie auf.
glühende Kohlen geworfen wird, gehört etwas reduzirtem metalli»
ſchem Arfenif zu); fie hat einen berben, fcharfen, hintennach et=
was füßlichen Geſchmack, und ein fpezififches. Gewicht von 3.738
bis 3.738. Ihre Auflöslichkeit im Wafler ift nach der Tempera -
tür verfchieden; aber die Angaben darüber weichen fehr bedeutend
von einander ab. So viel fcheint gewiß zu feyn, daß ı Theil
weißen Arſeniks wenigftens 50 Theile Faltes und 7.72 Theile for
chendes Waller braucht, um aufgelöfet zu werden. Die arfenige
Säure befteht in 100 Xheilen aus 75.81 Arfenif und 24.19 Sauer⸗
ſtoff. Sie hat zahlreiche technifche Anwendungen, vorzüglich ald
Zufag zum Glafe, in der Särberei und Kattundruderei, ald Be⸗
ſtandtheil der Weise in den Hutfabrifen, zur Bereitung grüner
| Arfenikfäure ‚ Schwefelarfenif. 343
Sarben aud Kupfer, und zur Darftellung einiger Metallmiſchun⸗
gen, wobei man fie mit einem Neduftionsmittel (Kohlenpulver)
flatt des metalliichen Arſeniks zuſetzt. Bon den Verbindungen
dieſer Säure mit Salzbafen, oder den arfenigfauren Salzen, ift
ein einziged von Nugen, naͤhmlich dad arfenigfaure Kupfer:
o xyd als grüne Mahlerfarbe (ſ. Kupfergrün).
Die Arſenikſäure, welche in 100 Theilen 65.28 Arſenik
und 34.72 Sauerſtoff enthält, ſtellt eine weiße, undurchſichtige
Maſſe dar, welche bei ſchwacher Gluͤhhitze zu einem durchſichtigen,
farbelofen, bei der Aufbewahrung allmählich wieder undurchfichs
tig werdenden Glafe ſchmilzt, einen fehr ſcharfen Geſchmack befikt,
an feuchter Luft langſam zerfließt, und im Waſſer fehr leicht auf⸗
Löslich ift. Unter den Salzen diefer Säure find nur zwei, welche
einige technifche Anwendung haben, nähmlich das arfeniffaure
Kali und dad arfeniffaure Kobaltoryd. Erſteres wird
zuweilen in der Kattundruderei zur. fo genannten Äp- Nefervage
angewendet (ſ. Kattundruderei); letzteres dient zur Berei⸗
tung einer blauen Sarbe (f. Kobaltblau).
Mit Schwefel läßt fi) das Arfenif in jeder beliebigen
Menge durch Schmehzen vereinigen; Verbindungen nach beftimm-
ten Verhältniffen beider Stoffe Fennt man fünf: ı) eine braune,
welche aus dem fogleich zu erwähnenden rothen Schwefelarjenif
durch Behandlung mit Kali entſteht; 2) eine rothe, nähmlich das
Realgar; 3) eine gelbe, da8 Operment; 4)eine andere gelbe,
welche durch Schwefelwafferfioffgas aus der Auflöfung der Arfe-
niffäure gefällt wird; und 5) eine dritte gelbe, die man erhält,
wenn Operment mit einer Auflöfung der Schwefelleber in Wein:
geift behandelt wird. Hiervon find nur die zweite und dritte,
oder das rothe und das Bea gelbe Schwefelarſenik, von
Wichtigkeit.
Das rothe Schwefelarfenit oder Realgar, welches
gewöhnlich rother Arfenif, zuweilen auch rothber Schwer
fel, Sandarach und Arfenifrubin genannt wird; befteht
in 100 Zheilen aus 70.03 Arfenif und 29.97 Schwefel. Es ift
von morgenrother, in Hyazinthroth und Braun übergehender Farbe,
gibt beim Zerreiben ein pomeranzengelbes Pulver, und hat ein
fpezififches Gewicht = 3.33 bis 3.6. Das gelbe Schwefel:
344 Arſenik.
arfenif, Operment (Auripigment) oder Rauſchgelb,
welches 39.1 Prozent Schwefel und 60.9 Prozent Arfenif enthält,
befigt eine zitronengelbe, ind Pomeranzengelbe ziehende, als Pul=
ver eine rein zitronengelbe Barbe, und ein fpezifiiches Gewicht
— 3.43 bis 3.48. Beide Arten des Schwefelarfenifs ſtimmen
übrigens darin mit einander überein, baß fie geruch> und geſchmack⸗
106, im: Waſſer unauflöslich und leicht ſchmelzbar find, fich im
verfchloffenen Gefäßen unverändert verflüchtigen Taffen, an der
Luft erhigt aber mit einer blauen Flamme verbrennen. Man wen«
det fie zu Beuerwerfs- Kompofitionen und ald gelbe Mahlerfarbe
(Königsgelb), das Realgar überdieß als Zufab zu dem Blei,
aus welchem Slintenfchrot verfertigt wird, das Operment in der
Särberei und Kattundruderei an.
Zu den technifch anwendbaren Metalletegierungen, in welche
das Arfenif als Beſtandtheil eingeht, gehört hauptſaͤchlich das
Weißkupfer (Argent hache) und dad.Metall der Teledkop⸗
Spiegel, von welchen beiden am gehörigen Orte die Rede feyn
wird (f. Metallmifhungen und Spiegel).
Das Arfenif wird in der Natur in verfchiebenen Zuftänden
gefunden, und zwar: ı) Gediegen (frei von’ wefentlichen fremden
Beimifchungen). 2) Ald arfenige Säure (Arfenifblüthe).
8) Als arfenigfaures Kobaltoryd. 4) In arfeniffauren Salzen,
nähmlich als arfeniffaurer Kalk, arfeniffaures Bleioryd, Kobalt:
oryd, Nideloryd, Kupferoryd, Eifenorydul und Eifenoryd. 5)
Mit Schwefel verbunden, als natürliche Realgar und Oper:
mönt. 6) Mit Metallen, als mit Nidel im Kupfernidel,
mit Kobalt und Eifen im Speisfobalt. 7) Mit Metallen und
Schwefel, z. B. im Slanzfobalt mit Schwefel und Kobalt,
im Arfeniffies oder Mispickel mit Schwefel und Eifen, im
Nickelglanz mit Schwefel und Nickel.
Zur Gewinnung des metallifchen Arfenifs wird entweder das
SGediegen = Arfenif durch Sublimation in Tanghalfigen Retörten
von den fremden Beimifchungen (gewöhnlich Eifen, Kobalt und
Nickel, welche mit etwas Arfenif verbunden anı Boden zurüdblei-
ben) gereinigt, oder arfenige Säure, mit Kohlenpulver oder Oh.
gemengt, erhigt und fublimirt. Im Großen glüht man Arſenik⸗
fiefe in röhrenförmigen gußeifernen Netorten, wobei fich zuerſt
⸗
Gewinnung des weißen Arfenifs. 845
Schwefelarfenit, dann Arfenif entwidelt, und Schwefeleifen im
Mückſtande bleibt.
Die wichtigfte, und am haufigſten angewendete Verbindung
des Arſeniks iſt der weiße Arſenif. Man gewinnt denſelben ges
woͤhnlich als Nebenproduft bein Roͤſten der arſenikhaltigen Kobalt⸗
erze (Glanzkobalt und Speidkobalt) in den Blaufarbenwerken (ſ.
Schmalte), oͤfters aber auch aus Arfeniffiefen, die eigens und
audfchließlich zu diefem Behufe ‚geröftet werden. Da bei diefer
Arbeit die Luft zutreten kann, fo Srydiren fi) die aus den Erzen
durch die Hitze entwidelten Dämpfe des metallifchen Arſeniks zu
arfeniger Säure, und nur ein Theil des Metalls, welcher der
Oxydation entgeht, wird, ald weniger’ flüchtig, zunaͤchſt am Ofen
fondenfirt. Zur Auffammlung des Arſeniks verbindet man mit
dem Dfen, worin das Möften der Erze gefchieht, ſtatt des Schorn⸗
fleins einen gerade, oder mit drei bis vier Wendungen im Zif-
sat, horizontal fortgeleiteten Kanal (den fo genannten Biftfang),
in welchem die mit dem Rauche durch den Luftzug fortgeriffenen'
Dämpfe ſich gu einem mehligen Sublimate (Giftmehſ) verdich-
ten. Der Röftherd, auf welchem die zerpochten Erze ausgebreitet
und fleißig umgerährt werden, befindet fich über dem Feuerherde,
und ift mit einem Gewölbe bededt. Die Slamme zieht durch eine
Dffnung aus dem Feuerherde über die Erze nach der hintern Wand
des Röftraumes hin, durch welche eine große Öffnung in den
Giftfang führt. Diefer it 300 bis 400 Fuß lang, 4 bie 5 Fuß -
weit, entweder ganz gemauert, oder an dem in größerer Entfer-
nung vom Ofen befindlichen Theile aus Hol; verfertigt, und an
mehreren Stellen mit Thüren verfehen, durch welche man in daß .
Innere gelangt, um von Zeit zu Zeit das Giftmehl auszufehren.
Zulegt endigt er fi) in eine ſenkrecht aufwärts gehende Zugröhre.
Statt diefer fo viel Raum einnehmenden Vorrichtung zieht
man ed mit Recht vor, den Siftfang aufrecht ftehend, in Seftalt
eined Thurmes zu banen, wie die vordere Anficht und der Laͤngen⸗
durchfchnitt eines folhen Arfenifofens (Tafel 6, Fig. ı2, 13) zei⸗
gen. Statt des Reverberir⸗Herdes der gewöhnlichen Röftöfen ift
bier eine aus feuerfeften Ziegeln gebaute, 10 Fuß lange und 6
Fuß breite Muffel a angebracht, welche von der Flamme ganz und
gar umfpielt wird. b ift der Noft des Ofens, e der Afchenherd,
346 Arfenif.
und .d, d find zwei fchräg eingefebte Zugröhren ober Pleine Schorn⸗
fleine, durch deren Stellung das Feuer genöthigt if, um die Muf⸗
fel herum feinen Weg zu nehmen. Die Dede des Ofens bildet,
-fo wie jene der Muffel, ein flaches Gewölbe, und befißt in der
Mitte eine Öffnung e, durch welche dad vorher daranf zum Trock⸗
nen außgebreitete gepochte Erz bequem in die ebenfalld mit einer
Öffnung, £, verfehene Muffel gebracht werden kann. Die vor-
dere Seite ber Muffel wird während des Roͤſtens mit einem eifer-
nen Schieber unvollfommen verfchloifen,, durch die hintere Wand
führen zwei Löcher h, b, die Arfenifdämpfe ab. Zum Auflegen der
Krũucke, womit die Erze umgerührt werden, iſt eine eiferne Walze
g angebracht. Der Giftfang befteht aus einem unmittelbar hinter
dem Ofen angebauten, gemauerten Gewölbe k, und dem damit
anfemmendängenden, 20 Fuß hohen Thurme i, auf welchem ſich
oben eine enge Zugröhre s befindet. Der Thurm ift durch horizon=
tale Zwifchenmauern in drei gewölbte Kammern o, p, q, abgetheilt,
welche mittelft der Öffnungen m, n, mit einander in Verbindung
ſtehen, und deren jede, gleich dem Behaͤltniſſe k, eine Zhürr
zum Auskehren des Giftmehls befigt. Diefe Thüren bleiben waͤh⸗
rend des Nöftens verfchloffen, und werden an den Fugen mit
Lehm verfirihen. Die aus der Muffel a durch die Löcher h her«
austretenden Dämpfe gelangen zuerft in den Raum k, von hier
durch die Öffnung 1 in die unterfte Abtheilung o des Thurmes,
und aus diefer nach und nach in die mittlere und oberfte. In der
Iegtern feßt fi nur fehr wenig Arfenif mehr ab. Die Muffel iſt,
bei der oben und in den Zeichnungen angegebenen Größe, geeig⸗
net, ſechs Zentner Erz bei einer Füllung aufzunehmen; und in
zwölf Stunden iſt das Nöften dieſer Menge beendigt.
Die meblige Geftalt, welche der weiße Arfenik in dem Gift
fange erhält, taugt, ded Verfläubens wegen, nicht zur Verfen-
dung eines fo giftigen Körpers; überdieß ift der unmittelbar durch
Dad Nöflten der Erze gewonnene Arfenif mit Slugafche, Ruß, und
(wenn, wie gewöhnlich, die Erze fchwefelhaltig waren) etwas
Schwefelarfenif verunreinigt, daher grau oder gelblich gefärbt.
Beiden Fehlern wird durch eine erneuerte, und zwar zwei oder
drei Mahl (am beflen mit Zufag von etwas Pottafche) vorgenoms
mene Sublimation abgeholfen, welche den Arfenif in die oben
en Bes a m m —— — ⸗
Bereitung des arſenikſauren Kali. 347
beſchriebene glasartige Maſſe verwandelt. Man bedient ſich hierzu
gußeiſerner Schalen, welche mit einem koniſchen, oben offenen
Hute von Blech bedeckt find. Die ffnung, welche durch einen
aufgelegten Ziegel verſchloſſen wird, iſt vorhanden, damit man
mittelſt eines durch dieſelbe eingebrachten Stockes den nicht glaſi⸗
gen, ſondern noch mehligen Theil des Sublimats wjeder abſtoßen
kann. Mehrere ſolche Sublimirgefäße find in einer Reihe über
dem Rofte eines Iänglichen Windofens fo eingefept, daß nur die
Hüte hervorragen. In größerem Maßftabe wird Ddiefer Apparat
fo ausgeführt, daß man ald Sublimirgefäß einen a Fuß weiten,
3 Buß tiefen eifernen Keffel anwendet, auf den breiten Rand deö>
felben einen 7 Fuß hohen, ebenfalls 2 Buß weiten, von Eifen⸗
blech zufammengefegten Zylinder ſtellt, und alle Fugen mit Lehm
verfireicht. Das glafige Sublimat fammelt ſich in dem unterften,
heißeren heile des zylindrifchen Hutes, weiter oben fegt-fich ein
Zheild des Arfenifs ald Mehl an, und der Dampf, welcher fich
auch bier nicht genug abfühlt, um verdichtet zu werden, gebt
burch ein vier ZoU weites eifernes, oben in den Hut eingefügtes
Rohr in einen hölzernen Kaften, wo er fih ale ein fehr feines
Bublimat tiederfchlägt. Aus diefem Kaften führt endlich noch)
eine hölzerne Röhre ins Sreie, um den felbft hier etwa unfonden«
firt bleibenden Dampf abzuleiten. Drei Zentner Arfenif, welche
auf Ein Mahl in einen Keffel eingefüllt werden, find in zwölf
Stunden fublimirt.
Der weiße Arfenif dient als das gewöhnlichfie Material zur
Bereitung der übrigen Arfenif- Präparate. Ron der Neduftion
des metallifchen Arfenifd aus demſelben ift fchon die Rede gewefen.
Die Arfeniffäure wird durch Abdampfen einer Mifchung aus
arfeniger Säure,‘ Salpeterfäure und Salzfäure, und fehr ſchwa⸗
ches Glühen des Ruͤckſtandes, dargeftelt. Das arfeniffaure
Kali bereitet man, zum Behufe feiner bereitd oben, genannten
Anwendung, entweder mit einem Ueberfchuffe von Arfeniffäure,
oder im neutralen Zuftande. Gleiche Theile Salpeter und weißer
Arfenif werden gepulvert, mit einander vermengt, und in einem
Schmelztiegel (im Großen in einem gußeifernen Zylinder). flufen- -
weife erhitzt, fo Tange fich noch rothe Dämpfe (von durch Zerfe-
bung des Salpeterd entfiandener falpetriger Säure) entwideln.
348 Arſenik.
Zuletzt wird das Feuer ſo verſtaͤrkt, daß der Rückſtand in vollkom⸗
menen Fluß geraͤth. Er bildet nach dem Erkalten eine dichte
Maſſe, welche man: zerftößt, in kochendem Waſſer auflöfet (wobei
etwas unveränderte arfenige Säure zurückbleibt), Die filtrirte Auf⸗
löfung bis zur Erfcheinung eined Salzhäutchens abdampft, und
durch Abfühlen Fryftallifiren laͤßt. Das faure arfeniffaure
Kali, welches man auf diefe Weife erhält, bildet vierfeitige, mit
vier Flaͤchen zugefpiste, im Wafler leicht auflösliche Pridmen von
falpeterähnlihem Geſchmack. Saͤttigt man die Auflöfung deflelben
mit Fohlenfaurem Kali, und dampft man fie dann zur Trockenheit
ab, fo ftelt der Nüdftand das neutrale arfeniffaure Kali
dar, welches unkryſtalliſirbar ift, und, weil ed an der Luft zer⸗
fließt, in wohl verftopften Befäßen aufbewahrt werden muß.
Die technifch angewendeten Verbindungen des Arfenifs mit
Schwefel, nähmlic das Realgar und Dperment, werden
entweder fo, wie das Mineralreich natürlich fie liefert, verbraucht,
oder auch fünftlich bereitet. Das Realgar läßt fich durch Zufanı=
menfchmelzen von Schwefel mit überfchälfigem Arfenifmetall oder
weißem Arfenif, fo wie von Operment mit Arfenif, erhalten, wird
aber im Sroßen gewöhnlich durch Deitillation eined Gemenges von
Arfeniffied und Schwefelfiid aus irdenen, mit Thon (oder einen
Gemenge aus Thon, Eifenfeile, Blut, Haaren und Alaunauflö-
fung) befhlagenen Retorten mit isdenen Vorlagen dargeftellt, wos
bei dad aus dent Arfeniffiefe entwickelte Arfenif fich mit dem Schwe⸗
fel, welchen der Schwefelfies liefert, vereinigt. Durch nachheri=
ges (wegen der Arfenifdämpfe mit größter Vorficht vorzunehmen:
des) Schmelzen und Abfonderung der auf dem flüjfigen Theile
erfcheinenden Schlade, reinigt man das Produfl. Das Opers
ment entiteht, wenn Realgar mit Schwefel zufammengefchmolzen
wird, oder wenn man eine Auflöfung von weißem Arfenif in Salz:
fäure durch Schwefelwafferftoffgas fall. Im Großen bereitet
man ed durch Sublimation von weißem Arfenif mit wenig (5)
Schwefel, wobei e8 jedoch fehr bedeutend durch arfenige Säure
verunreinigt wird. Der Apparat hierzu ift der naͤhmliche, ſchon
oben befchriebene, deffen man ſich zur Sublimation des weißen
Arfenifd bedient. Man gewinnt es auch als Nebenproduft in den
Asbeſt. 349
Giftfängen, wo der weiße Arfenif gefammelt wird, wenn die dem
Roͤſten unterzogenen Erze fchwefelhaltig find.
8. 8.
Asbe ſſt.
Asbeft, Amianth, iſt ein Foſſil von ſehr auffallender
faſeriger Struktur, welches in den techniſchen Kuͤnſten einige,
obwohl beſchraͤnkte, Anwendung findet. Die Mineralogen belegen
eine Gattung der zum Talkerde⸗Geſchlecht gehörenden Steine mit
dem Nahmen Asbeft, und unterfcheiden von derfelben wieder meh⸗
rere Arten, zunaͤchſt nad) der Verfchiedenheit des Gefüges, und
des fpezififchen Gewichtes. Der Bergforf nimmt Eindrüde an,
befteht aber doc; aus zufammengewachfenen Fafern; der gemei«
ve Asbeſt ift wenig biegfam und grobfafrig; dad Bergholz,
der Holzasbeft, halbverfaultem Holze ähnlich, hat ebenfalls
zufammenhängende, in einander laufende Bafern; der Amianth
endlich, oder der biegfame Asbeſt, iſt jene Art, welche eigent⸗
lid) hierher gehört, und ſich zwar an vielen Orten, allein faft nie
in größerer Menge findet, und daher unter die feltneren Minerar
lien gehört. Er kommt von verfchiedener Farbe, am häufigiten
gelblichgran, auch grünlichweiß oder gelblichweiß vor, und zeich-
net fich durch fein deutlich außgebildetes Iangfaferiged Gefüge
aus. Die Fafern find faft immer gerade, unter einander parallel,
immer nur Tofe, und bei dem fehönften Amianth gar nicht mit ein⸗
ander verbunden, fo daß das Koffil mit dem Flachſe oder der
Wolle ziemliche Ähnlichkeit hat, und deßhalb auch wohl Berg
flach 8 genannt wird. Obwohl diefe Faſern einen hohen Grad
von Biegfamkeit haben, fo brechen fie dennnoch, wenn fie kurz
abgebogen werden, und verrathen durch diefe Sprödigfeit, vers
glihen mit den Faſern des Flachſes oder der Baumwolle, ihre
fleinartige Natur. In gewöhnlichem Feuer glühend gemacht, er⸗
Theint der Asbeft nach dem Erfalten nicht verändert, nur durch
fehr flarfe Hige, oder durch oft wieberhohltes Ausglühen, wird
er ganz fpröde und zerreiblid.
“ Der aus lofen, manchmahl einen Schuh Tangen Fäden bes
ftehende Asbeft Täßt ſich, obwohl mit ziemlich vieler Mühe, zu
Garn fpinnen, und diefed kann wie Leinengarn auf dem Weber: -
350 Asbeſt.
ſtuhle, oder durch Flechten oder Stricken in eine Art von Zeug
verwandelt werden, welcher wie das Material ſelbſt, ein mäßi-
ges Slühen aushält, und durch daflelbe von allen verbrenn⸗
lichen Unreinigfeiten befreit werden Fann. Zum Spinnen taugt
am beften der aus ganz freien oder leicht trennbaren Faſern
befiehende Asbeſt; wenn diefe mehr verbunden find, müffen eigene
Vorbereitungen vorbergehen. Man bat vorgefhlagen, um die
Löfung der Faſern zu erleihtern, den Stein mit AgammoniaP,
Abender Kalilauge, oder frifchgelöfhtem Kalk zu behandeln. Der
letztere aber dürfte auf feinen Ball einen günftigen Erfolg gewäh-
ren, indem er von den Faſern nie wieder gang fich trennen laſſen,
und fie fehr rauh und hart machen wirde. Gewöhnlich legt mar
den lang⸗ und feinfaferigen Asbeſt fo lange ind Waſſer, bis ihn
dieſes möglichft durchdrungen hat; worauf er auf einer hölzernen
Tafel mit einem Fleinen Klopfholze (jedoch ohne zu große Gewalt,
welche die Fäden zerbrechen würde) vorfichtig geflopft wird. Ein
darauf folgendes Auswafchen mit vielem, anfangs fiedenden Wafz
fer fondert einen erdigen -Beftandtheil ab, durch welchen wahre
ſcheinlich die Faſern im natürlichen Zuflande des Steines verbun⸗
den waren. Das Wafchen wird fo lange fortgefegt, bis das
Waller nicht mehr mildig, fondern ganz klar abfließt. Während
deflelben bemüht man fich auch, die Faſern, jedoch ohne fie abzu«
reißen und zu verfürzen, fo viel ald möglich aus einander zu zie⸗
ben, welcher Operation bereitd durch das Alopfen vorgeatbeitet
worden iſt. Die fo erhaltenen Fäden werden auf einem Siebe
ſchnell getrodnet, nnd dann mit feinen eifernen Kämmen, nad)
Art der Kammwolle, vorfichtig geftrichen oder gefämmt, wodurch
fie ganz getrennt , und einander gleichlaufend erhalten werden.
Geſponnen wird der Asbeft mit der Spindel, aber fo, daß an der:
felben ein feiner Flachsfaden fich befindet, an welchen die Asbeſt⸗
fafern gelegt, und mit feiner Huülfe zufammengedreht werden.
Beim Spinnen benept man die Ginger unausgefegt mit Baumoͤhl,
fowohl um die Adbeftfafern gefchmeidiger zu machen, als auch um
die Singer gegen die abgedrochenen, die Haut reitzenden Spigchen
des Steins zu ſichern. Diefem Sefpinnfte dient alſo der Flachs⸗
faden zur Grundlage, indem die Adbeftfafern für fich allein, fos
wohl ihrer Sprödigfeit ald auch der meiftens geringern Länge we⸗
Asbeft. 351
gen, nicht zu einem haltbaren Faden gedreht werben koͤnnen. Das
auf die befchriebene Weife erhaltene Garn kann jeßt wie jeded ane -
dere zu Zeugen verwendet werben; diefe wäfcht man, um das öhl
wegzubringen, mit heißem Seifenwalfer, und brennt fie im Feuer
aus, wodurch der Slachöfaden zerftört, und, wenn die von demfelben
zurüdbleibende Afche gleichfalls durch Wafchen entfernt wirb, der
Zeug bloß aus Asbeft beitehend dargeflellt wird. Jedoch ift Sorge
ju tragen, daß der Zeug fo dicht ale möglich (z. B. beim Weben
durch fleißiges Schlagen mit der Lade) gemacht wird, weil er
fonft, nach dem Verlufte des Flachsgarnes, zu locker ausfallen
würde. _
Schon die Alten fcheinen die Asbeſtleinwand gefannt, und
vornehme Leichen, um Afche und Anochen derfelben unvermifcht
zu erhalten, in ihr verbrannt zu haben. Allein ſchon Plinius
bemerft den hohen Preis derfelben, welcher auch jebt noch, bei
der Seltenheit des fchönften, Tanghaarigen Asbeſtes, und der müs
hevollen Bearbeitung deffelben, die Verfertigung der Asbeftzeuge
auf wenige Gegenden und einzelne Arbeiter befchränft. In
Sibirien verfertiget man feit längerer Zeit außer Asbeftleinwand,
auch geſtrickte Kleidungsftüde, z. B. Handfchuhe, aus dem dort
vorfommenden fehr fehönen Asbeſt. Eben fo in den pyrenäifchen
Gebirgen. Worzüglich weit hat es in diefer Art der Fabrikation
eine gewiffe Magdalena Perpenti zu Como gebracht, und
nahmentlich Spigen von einer Beinheit und Weiße geliefert, daß
fie von mittelfeinen Zwirnfpigen durch das Anfehen faum zu uns
terfcheiden find. Diefe fcheinen auch feinen Flachsfaden enthalten
zu haben, fondern vermuthlich ift das Asbeſtgarn dazu aus den
laͤngſten ausgefuchten Faſern für fich allein vorfichtig zufammen-
gedreht worden. Alle diefe Sabrifate find aber nur als Seltenhei⸗
ten zu betrachten, und keineswegs zum ernfllihen Gebrauche
geeignet. Denn außerdem, daß die leichte Reinigung durch
dad Feuer nur ein foheinbarer Vortheil ift, indem durch die
öftere Wiederhohlung derfelben die Safern endlich fpröde und die
Gewebe brüchig und zerreiblich werden: fo find fie zu Kleidungs-
flüden auch darum nicht gut anwendbar, weil fie die Haut durch
die dem Steine eigene Wärmeleitungs-Sähigfeit unangenehm er⸗
352 - Asbeſt.
kaͤlten, und wegen der abbrechenden kleinen Spitzen und Borſten
ebenfalls beſchwerlich, ja ſogar nachtheilig ſeyn würden.
Die Theilbarkeit des Asbeſtes in ſehr feine und kurze Faͤſer
chen hat Veraulaſſung gegeben, auch etwas dem Papiere Ähnli⸗
ches aud demfelben zu verfertigen.. Man flampft ihn zu dieſem
Ende im Mörfer, jedoch mit Waller, weil fonft die Zafern zu
fur;, und faft in Staub verwandelt werden; ferner wird er in
einem Siebe ausgewafchen, und wie das Ganzzeug aus Teinenen
Hadern gefchöpft und weiter behandelt. Da man aber hierdurch
nur ein fehr fprödes, brüdiges Papier erhalten würde, fo fegt
man dem Breie vor dem Schöpfen zur beffern Verbindung auch
nod) etwas feine Papiermaffe, und um das ließen beim Schrei⸗
ben zu verhindern, Leimwailer, oder noch beffer eine fehr verdunnite
Auflöfung von Zraganth in Wafler zu. Solches Adbefl:Papier
ift aber, da die Faſern nie fo gut in einander greifen und fich filzen,
wie beim gemeinen Papierzeug, doch immer ſehr fpröde, nicht
weiß, und fo raub und hart, daß es nur fchwer die Tinte an-
nimmt, und fehnell die Federn flumpf macht. Ein Paar Mahl
ausgebrannt, verliert eö feine Beftigfeit noch mehr, bricht, zer-
fafert fih, und geht ganz zu Grunde. Wird aber die Tinte mit
Waller ausgewafchen, fo muß dad Papier jedes Mahl zum Ges
brauche aufs Neue wieder geleimt werden, welches ebenfalld mit
Schwierigfeiten verbunden ift, und oft die gänzliche Auflöfung des
Gefüges zur Folge hat.
Ein ähnlicher Brei aus in Waffer zerriebenem oder zerftoße-
nem Amianth ift zu Basreliefö, Abdrüden von Genimen, Stufe
faturz Arbeiten, u. dgl. vorgefchlagen worden. Wenn man die
teigartige Maffe auf eine dem Waller widerfichende, vertiefte
Form bringt, und fie, nachdem man die Oberfläche mit Löfchpapier
bedeckt hat, recht feft in diefelbe hineindrückt: fo erhält man nach
dem Trocknen Abdrüde, welche den einzigen Vorzug haben, daß
fie leicht find, fouft aber weder durch Feſtigkeit, noch durch die
‚Schärfe der Züge, und noch weniger durch die unanfehnliche Sarbe,
ſich empfehlen.
Schon Kircher hat verfucht, parallel neben einander ge-
ordnete Aöbeilfäden zu Lampendochten zu verwenden, und bei den
Grönländern fol diefe Benuͤtzungsart ganz gewöhnlich feyn. Ein
Asbeſt. 353
ſolcher Docht verbrennt zwar nicht, allein er muß ſo gut, nur ſel⸗
tener, geputzt werden, als ein anderer; indem ſich an ihm eine
harte Kruſte, ſowohl aus den Produkten des Verbrennungs⸗Pro⸗
zeſſes, als auch aus dem durch die Hitze veränderten Asbeſt anſetzt,
welche, wenn fie nicht weggeſchafft wird, das Brennen verhindert,
und die Flamme zum Erlöfchen bringt.
Die Chinefen verfertigen Feine tragbare Öfen, welche den
in Frankreich angeftellten Unterſuchungen, und dem Anſehen auf
den Bruche zu Folge, ebenfalls aus Aobeſt beſtehen, und beſon⸗
ders ihrer Leichtigkeit wegen Aufmerkſamkeit verdienen. Sie
ſcheinen in hohlen Formen gemacht zu ſeyn, und dem zerſtoßenen
oder zermahlenen Asbeſt iſt wahrſcheinlich durch ein Bindemittel
der noͤthige Zuſammenhang gegeben. Zum letztern Behufe duͤrfte
Traganth⸗Schleim am beften anwendbar ſeyn, indem dieſer der erdi⸗
gen Subftanz, felbft nach dem Brennen, noch einige Haltbarkeit
mittheilt. Indeſſen fann bei dem Asbeſt dad Ineinandergreifen
der furzen Bafern auch bloß durch ſtarkes Preilen erzwungen, und
ſolchen Dfen die nöthige Dauerhaftigkeit an der äußeren Fläche,
durch einen bindenden Anftrich nach dem Formen und Trodnen
leicht ertheilt werden.
Auf det Infel Korflfa, wo fi) Amianth in größerer Menge,
und von vorzüglicher Befchaffenheit findet, ſetzt man ihn dem ge=
meinen Zöpfergefchiere zu, wodurch diefes leichter, porös, und
eben dadurch fähig wird, plögliche Abwechölungen der Zempera-
tur beffer zu ertragen, ohne zu fpringen. Der®erfuch lohnte fich
der Mühe, ob nicht dieſer Zufag auch bei Schmelztiegeln für nicht
ſalzige Subflanzen von Nutzen ſeyn, und das oft fo Rachtheilige
Reißen derfelben in heftigem Feuer verhindern fönnte.
Auch das von Faxe im vorigen Jahrhundert erfundene, und
zum Dachdecken in Hinfiht feiner brandabhaltenden Eigenfchaft
vorgefchlagene Steinpapier, oder die Steinpappe, deren ge
rühmteEigenfchaften,mit Ausnahme der großen Leichtigkeit, fich aber,
nahmentlich in Hinficht auf die Dauer im Freien, nicht hinreichend
bewährt haben, ſcheint Asbeft enthalten zu haben. Um ein aͤhn⸗
liches Produkt zu erhalten, wird Asbeft im Waller zertheilt, mit
Zöpferlehm und Thran verſetzt, und in Formen gepreßt.
Ganz neuerlich bat auch der Ritter Aldini in Mailand bei
Technol. Encyelop. 1. Bd. a3.
354 Aufhängmaſchine.
feinen, zur Sicherung der mit dem Feuerlöfchen befchäftigten Per⸗
ſonen erfundenen Apparaten, Asbeſt angewendet; jedoch auf eine
Weiſe, über welche man, da die ausführlichen Details noch nicht
befannt find, nur fo viel weiß, daß feine Vorrichtungen, nach den
damit öffentlich angeftellten Verfuchen, von fehr bedeutenden Nur
gen feyn dürften.
Die gemeinnügigfte Anwendung des Asbeſtes, zu welcher
jeder tauglich iſt, der fich nur einiger Maßen in ein wollähnliches
Haufwerk durch Zertheilung verwandeln laͤßt, möchte jene bei den
chemiſchen Zündapparaten mittelft deö chlorfauren Kali ſehn, wor⸗
über der Art. Feuerzeuge das Nöthige enthalten wird.
G. 2.
Aufhängmaſchine.
Um die naſſen Kattune, Leinwanden und andere Zeuge in
den Faͤrbereien, Bleichereien ꝛc., mit Erſparniß an Zeit und Men⸗
ſchenhäänden zum Trocknen aufzuhaͤngen, und nach dem Trocknen
wieder abzunehmen, hat der Englaͤnder Southworth eine Ma⸗
> angegeben, weldye wegen threr finnreichen Bauart merfwür:
ig ift, und Durch die Anwendung in den englifchen Babrifen ihre
Brauchbarfeit bewährt hat.
Das Aufhängen gefchieht bei diefer Vorrichtung über eine
Reihe paralleler, horizontaler, gleichweit von einander entfernter
Stangen oder Sproijen, weldye nahe unter dem Dache des Tros
denhaufes angebracht find. Ein Wagen, der ſich von einem Ende
des Trockenhauſes bis an das andere bewegen fann, befindet fich
unmittelbar über jenen Sproffen, ohne daß jedoch feine Laft von .
denfelben getragen wird. Diefer Wagen ift mit zweckmaͤßigen
Lagern verſehen, in welche man mehrere mit den naffen Zeugen
Vollgewidelte Walzen einlegt; er enthält ferner andere Zylinder,
welche durch: die ihnen gegebene Umdrehung eine regelmäßige Abs
wicklung der Zeuge von jenen Walzen bewirken. Wenn daher der
Wagen langfam quer über die Eproffen fortbewegt wird, waͤh⸗
rend zugleich die erwähnte Abwicklung Statt findet; fo fallen die
Zengſtücke zwifchen den Sproſſen nad) und nach hinab, und bleis-
ben in langen Falten auf denfelben Hängen, wodurch fie in ver:
haͤltnißmaͤßig Fleinem Raume der trod'nenden Luft ihre ganze Släche
Aufhängmaſchine. 353
frei darbiethen. Die Laͤnge einer ſolchen Falte wird natuͤrlich be⸗
ſtimmt durch die Menge Zeug, welche eine Walze waͤhrend der
Bewegung des Wagens von einer Sproſſe bis zu der naͤchſten her⸗
gibt. Nach vollendeter Trocknung koͤnnen die Gewebe ganz ein⸗
fach dadurch wieder von den Sproſſen abgenommen und um die
Walzen aufgewickelt werden, daß man den Wagen langſam in der
verkehrten Richtung feinen Weg machen läßt, wobei auch ſaͤmmt⸗
lihe Zylinder deſſelben ſich in einer folchen Richtung umdrehen,
daß die Aufwicklung geichieht.
Man Fönnte wohl auch die Sproflen, ftatt fie fefiftehend
gu machen, unter einander durch Geile oder Ketten verbins
den, fo, daß eine Art Stridleiter entflünde, und diefe unter dent
Wagen, der dann unbewegt an feinem Plage bleiben müßte, vor:
über geben laffen, während der Zeug ſich mit gehöriger Geſchwin⸗
digfeit abwickelt. Der Zwed würde hierdurch eben fo vollfommen
erreicht; allein der Erfinder hat der erftern Einrichtung den Vorzug
gegeben, welche durch die Zeichnungen auf Tafel 4 näher erflärt
wird. Hier zeigt Zig. ı»8 das Trodenhaus, fammt der in ihrer
Wirkung begriffenen Mafchine, im fenfrechten Längendurchfchnitte,
Big. 30 daſſelbe in-Querdurchfchnitte, und Fig. ı9 den Wagen
alein, nach einem größeren Maßſtabe gezeichnet. Es ift bei dies .
fen Abbildungen, und insbefondere bei ig. 20, vorausgefebt,
Daß zwei Reihen Aängfproifen neben einander, und folglich auch
zwei Wägen angebracht find, welche übrigens ganz unabhängig
von einander ihre Arbeit verrichten, fo, daß einer von beiden
ruben kann, während der andere in Bang ift, oder'einer zum Auf
hängen gebraucht werden kann, indeß der zweite bie getrockneten
Zeuge abnimmt.
A ift das aͤußere Mauerwerk des Gebäudes; B (Fig. 18)
ein Dampfkeſſel, von welchem mittelſt der am Boden hinlaufenden
Dampfröhren C (Fig. 18, 20) der Trockenraum geheitzt wird;
D ift der Dachſtuhl; und E, E, find die auf dem Dache angebrach«
ten Tuftzüge. Im obern Theile des Haufes find an den Mauern
zwei ſtarke eiferne Schienen F,F, (Fig. 20) befeitigt, welche
beinahe durch die ganze Länge des Raumes hin fich erſtrecken,
and den Heinen Rädern an den Außenfeiten ber zwei Wägen G, G,
ald Bahnen dienen. H, H, find zwei Balken, welche, in glei
—
350 | Aufhängmaſchine.
her Höhe und parallel mit den Schienen F, in der Mitte des
Hauſes fi befinden, die ganze Länge deifelben einnehmen, auf
den fchmalen oder Endmauern ruhen, und überdieß in angemeſſe⸗
nen Abftänden durch vertifale Säulen I unterflügt werden. Man
fieht fie beide im Durchfchnitte in Fig. 20, einen von ihnen aber
von der Seite in Fig. 18 und 19. Einer von dem andern find diefe
Balfen ungefähr fünfzehn Zoll entfernt; eiferne Schienen, wo⸗
mit ihre obere Släche belegt ift, bilden die Bahn für die Räder
an den innern oder gegen einander gefehrten Seiten der zwei
Wägen. Die Sproffen, über welche die Zeugftüde gehängt wer⸗
den, find mit K bezeichnet ; fe ruhen mit einem Ende auf den
Balfen H, mit dem andern auf den Schienen F, und gewähren
vermöge ihrer parallelen Lage, von oben oder unten betrachtet,
das Anfehen zweier horizontal neben einander liegenden Leitern,
wie man fich mit Hülfe des Ducchfchnittes, Big. 19, leicht vor:
ftellen Fann. |
Die Aufhängmaſchine felbft ift der in Fig. 19 durchfchnitt-
weife gezeichnete Wagen, bei deilen Erflärung im Voraus bemerft
werden muß, daß Alles, wad Darüber gefagt werden wird, gleicher
Maßen von dem einen wie von dem andern der beiden vorhandes
nen Wägen gilt. Der Wagen befteht aus drei ftarfen eifernen
Stangen G,G, L, welche die zwei Seitenwände b, b (f. auch
Fig. 20) mit einander vereinigen. Er bejigt vier Fleine Räder a,
mittelft welcher er, wie oben gefagt wurde, auf einem der Balfen
H und einer der Schienen F fi fortbewegt. N ift eine von den
Walzen, auf welchen die naſſen Zeuge anfangs aufgewicelt find.
Solcher Walzen fönnen mehrere in einer Reihe neben einander auf
dem Wagen liegen; z. B. drei, wie in Fig. 20 angenommen ift,
wo jeder Wagen drei Zeugftüde k, k, k, zugleich aufhängt. Die
nad außen gefehrten Zapfen der erften und dritten Walze liegen
auf fchiefen Slächen der Seitenwände b; die einwärts gerichteten
Zapfen eben diefer beiden Walzen werden von zwei ähnlichen fchie-
fen Flaͤchen, welche an die Querftange L feftgefchraubt find, und
wovon die eine fichtbare in Fig. ı9 mit c bezeichnet iſt, getragen.
Die nähmlichen zwei Zwifchenftüde c mit ihren fchiefen Flächen
dienen zugleich, um die Zapfen der zwifchen ihnen, befindlichen
mittlern Walze zu unterjtügen. Die Stüde e find mit L nicht
Aufhangmafcine. 357
unbeweglich verbunden, fondern darauf verfchiebbar, und durch
Schrauben z feitzuftellen , Damit man fie in die Durch die Länge
der einzulegenden Walzen (alfo Durch die Breite der Gewebe) nö»
thig gemachte Entfernung von einander und von den Geftelldwän-
den b bringen fann.
P flellt eine große Walzevor, welche über Die ganze Breite des
Wagens, an allen drei Walzen N vorüber, reicht, und mit ihren
Zapfen in den Seitenwänden b fich dreht. Unter dieſer Walze
befindet ſich ein eben fo.langer Fleinerer Zylinder Q, deffen Zapfen
von den Fürzeren Armen zweier Hebel d getragen werden. Da
jeder diefer Hebel (deren Drebungspunfte die an den Wänden b
befeftigten Zapfen e bilden) am entgegengefegten Ende mit einem
Gewichte h belaftet iſt, fo wird Durch letzteres der Zylinder Q ftarf
gegen die Walze P gedrüdt, und muß folglich mit deifen Ober-
fläche fortwährend in genauer Berührung bleiben. Bon der an-
dern Seite findet eine eben fo ununterbrochene Berührung zwiſchen
der Walze P und den Zeugwalzen N Statt, da lebtere, indem
ihre Zapfen auf fchrägen Flächen liegen, ein Beftreben haben,
berabzugehen. Wird daher die Walze P in Umdrehung gefept,
fo theilt fie diefe Bewegung, vermöge der Reibung an N und Q,
diefen beiden Zylindern mit; und wird das Ende des um N auf:
gerollten Zeugflüded unten am Umfreife von P vorüber, dann
zwifchen P und Q dur) geleitet, fo ift die natürliche Bolge jener
Bewegung, daß der Zeug, indem er fi von N abwidelt, über
Q heraudgelangt, und bei k in fenfrechter Linie zwiſchen den
Sprojfen H niederfällt. Die langen alten, welche auf Diefe
Weiſe beim allmäplichen Hortfchreiten des Wagens von einer Sproife
zur andern entftehen, find in Sig. 18 und 20 ebenfalls mit k be-
zeichnet. In kurzen, von der Querftange L ausgehenden Armen
liegen Feine Walzen R, welchen eine geringe Bewegung in ihren
Lagern geftattet iſt. Sie haben die Beftimmung, das. Zeugftüd
auf jeder der Sproffen K (mit deren oberer Fläche fie beim Fort⸗
fchreiten des Wagens in Berührung fommen) während einer kurzen
Zeit feit zu halten, damit das Hinabfinfen des Zeuges nicht durch
das Gegengewicht der unmittelbar vorher gebildeten Balte verhin⸗
dert werde. Die Kanten.der Sproifen find, wie man aus Den
Durchſchnitten in Fig. 19 fieht, abgefchrägt; und daher fönnen
358 Aufhaͤugmaſchine.
die Walzen R, welche nur von ihrem eigenen Gewichte hinabge⸗
zogen werden, ſich leicht etwas heben, wenn ie ie mit jenen Kanten
in Berührung fommen.
Es ift nicht immer gerade nöthig oder achlich daß der um
N aufgerolite Zeug den Umfreis der Walze P berühre. Man kann
dann die Zapfen von N hinter Fleine Hervprragungen legen, welche
fi) auf den ihnen als Unterlagen dienenden fchiefen Tlächen befin«
den, um das Herabgleiten zu verhindern. Es iſt in diefem Falle
ganz allein die Reibung von P an Q, welche den Zeug vorwärts
zieht und abwickelt; und daher geht ed auch an, denfelben flach
zufammengefaltet auf eine Tafel zu Tegen, flatt ihn um eine Walze
zu rollen. Beim Abnehmen der getrodineten Zeuge ift e8 jedoch,
um die regelmäßige Aufwicklung derfelben zu bewirken, immer
nothwendig, die Walze N an P anliegen zu laſſen.
Es ift nun noch die Art zu befchreiben, auf welche der Walze
P die Umdrehung, und zugleich dem Wagen feine Tangfam fort
fihreitende Bewegung gegeben wird.
Eine horizontale, am Ende des Trodenhaufes, unter den
Balken H angebrachte Welle befigt_zwei koniſche Näader, die zur
Bewegung der beiden Wägen dienen, und von welchen bein
(Fig. ı8) das eine zu fehen if. Da der Bewegungs: Mecyanide
mus für jeden Wagen auf die nähmliche Weife eingerichtet ift, fo
wird es auch nicht nöthig feyn, ihn zwei Mahl zu befchreiben. Die
erwähnte horizontale Welle wird durch Waifer, durch eine Dampf
majfchine oder eine andere bewegende Kraft umgedreht. Das Ke-
gelrad nm greift in ein anderes eben folches Rad ein, welches fich
am untern Ende einer fenfrechten Welle o befindet. Das obere
Ende diefer Welle trägt wieder ein Fleines Fonifched Zahnrad, und
dieſes theilt die Bewegung auf folgende Art einer horizontalen
Welle mit, an welcher fich die Rolle S befindet. Die Welle diefer
Rolle befist zwei gleiche, mit den Fleinern Durchmeffern gegen
einander gefchrte Kegelräder, welche Darauf fo verfchoben werden
können, daß man ed durch eine fehr befannte und fehr einfache
mechanifche Vorrichtung in feiner Macht hat, beliebig eines oder
das andere in Eingriff mit dem unter und zwifchen ihnen befindli=
chen obern Rade der Welle o zu feßen. Bei unveränderter Ber
wegung von n und o fann man daher jene beiden Näder fammt
Aufkangmafchine. 359
ihter Welle und dei Rolle S bald rechts, bald links umlaufen,
und, wenn man durch zwedmäßige Verſchiebung der Räder den
Eingriff ganz anfhebt, auch ftiliftehen Taffen. Es iſt nöthig, die
zu Diefen Veränderungen beftimmte Vorrichtung fo anzulegen, daß
fie an jeder Stelle in der ganzen Länge des Haufe gehandhabt
werden kann, und der Arbeiter nicht nöthig hat, jedes Mahl nach
S zurüd zu kehren, wenn er mit dem Bagen anderswo RT
tigt if.
Um die Rolle S ift ein an feinen Enden vereinigter fiemen r
gelegt, welcher ſich durch Die ganze Länge des Hauſes erfiredt‘,
und am eritgegengefeßten Ende deffelben über eine gleiche Rolle T
laͤuft. Der obere Theil dieſes Riemens ruht auf mehreren Fleinen
Rollen t (f. auch Fig. 30), damit er fich nicht zu fehr fenfe; der
untere umfchlingt, von 'T herfommend, die große, mit der Wake
P verbundene Rolle V (f. Fig. ı9, 20), wobei ihm durch Die
Leitungdrollen s, s, über weldye er geht, Die gehörige Richtung
gegeben wird, und kehrt Hierauf nach der Role S zurüd.
Diefer Riemen r ift e8, welcher der Walze P und dem gan-
zen Wagen die Bewegung gibt. Denn, indem er felbft mittelft
der Rolle S, welche auf die oben befchriebene Art umgedreht wird,
in beftändiger Bewegung bleibt, dreht er durch die Reibung an
dem Umfreife der Rolle V diefe und die mit ihr verbundene Walze
P um, der Wagen mag ſich an was immer für einer Stelle feines
Weges befinden. An dem Ende der Achſe von P und V ift ein
Getrieb angebracht, welches in ein großes verzahntes Nad W
(Sig. 19) eingreift, und daffelbe umdreht. Diefes Rad dreht ſich
frei auf einem an der Seitenwand des. Wagengeftelles befeftigten
Zapfen, und ift mit einem zweiten Getriebe verbunden, welches
in dad Zwifchenrad X eingreift, und vermittelft deſſelben die Bes
wegung auf ein drittes Rad X überträgt. Die Achfe diefes letz⸗
tern erſtreckt fich über die ganze Breite ded Wagend, und trägt ,
am andern Ende ein eben ſolches Rad wie X if. Diefe beiden
Mäder greifen in gezahnte eiferne Stangen Z ein, welche oben auf
den Wagengeleifen -F und H der ganzen Länge nad) angebracht
find. Durch diefe Anordnung wird, wie man ſieht, bewirkt, daß
bei der Bewegung von V durch den Riemen r die zivei gleichen
Räder Y in Iangfame Umdrehung kommen, und vermöge ihres
300 Aufhängmafdine.
Eingriffe in die unbeweglichen gezahnten Stangen den Wagen
längs feiner Bahn, alfo quer über die Sprofien H, fortführen.
Diefe Bewegung findet vor oder rüdwärtd Statt, je nachdem
man durch das oben befcdhriebene Mittel die Rolle S linfs ober
rechts umdreht. Man weiß aus dem Vorhergehenden, daß die
Bewegung rüdwärts zum Abnehmen der getrodneten Zeuge ge⸗
braucht wird.
Das Verhältnig der Zühne-Anzahlen on den vorerwähnten
Rädern und Getriehen hängt von der Tiefe (Höhe) des Trocken⸗
baufes, und von dem Durchmeiler der Walze P ab; indem der
Umkreis diefer Walze einen beinahe der doppelten Höhe des Haus
ſes gleihen Raum durchlaufen muß, während der Wagen ben
Weg von einer Sproife K bis zur nächften zurücklegt. Man fan
ſtatt dieſes Raͤderwerkes einen einfachen Mechanismus zur Bewe⸗
sung ded Wagens anbringen, nähmlic, eine Schraube ohne Ende
an der Achſe von P, ein horizontale Rad, in welches diefe
Schraube eingreift, und.am untern Ende der vertifalen Achfe dies
ſes Rades ein Setrieb, welches durch feinen Eingriff in die Zahn-
flange des Geleiſes den Wagen fortführt. Daß in diefem Halle
die Bahnftangen feitwärts und nicht oben auf den Balken H und
Schienen F angebracht find, fo wie, daß zur Erleichterung der
Bewegung der befchriebene Mechanismus zu beiden Seiten des
Wagens vorhanden feyn muß, verfteht ſich von felbft.
Der Arbeiter, welcher Die Aufficht über die Mafchine führt, .
begleitet den Wagen bei feiner Bewegung, zu welchem Behufe er
mit einem Pleinen und leichten vierräderigen Sitze verfehen iſt, der
auf den nähmlichen Geleifen geht, wie der Wagen, an denfelben
angehängt, und mit ihm fortgezogen wird. Da dieſer Sig oder
Heinere Wagen von dem Wagen der Mafchine abgelöfet, und un⸗
abhängig für fich vom Arbeiter fortgefchoben werden fann, fo dient
derfelbe zugleich zum Herbeibringen der mit den Zeugſtuͤcken umwi⸗
delten Walzen, und zur Wegfchaffung eben diefer Walzen nach
dem Trocknen und Wiederaufwiceln der Zeuge. Die hintere Hälfte
ded Wagend ift mit einem Boden oder einer Platte g verfehen,
worauf der Arbeiter fteht, wenn er die Walzen einlegt oder her⸗
auanimmt.
K. K.
Auflöfung, 361
Auflob ſung.
Die Auflöfung iſt derjenige chemiſche Vorgang, bei weh:
chem ein fefter Körper von einem fluͤſſigen, oder ein flüffiges Koͤr⸗
per. von einem anderen, flüfligeren, in der Act aufgenommen wird,
daß die Verbindung felbft in fluͤſſiger Geſtalt beſteht. So wird
das: Eifenoryd in verbünnter Schwefelfäure, das Kochſalz im
Vaſſer, ein ätherifched Ohl im Alldhol aufgeboͤſt. Die aus diecfer
Verbindung entſtehende ſluͤſſige Miſchung ſalbſt wird ebenfalls
Auflöfung genannt. So ſagt man, eine Aaflöfung von Kochſalz,
eine Auflöfung von Glauberſalz. Die Flüſſigkeit, in welcher Dex
fremde Körper aufgelöft wird, heißt das Auflöfungömittel,
Die Auflöfung iſt bad. vorbereitende Mittel zur Bewirkung
alter Scheidungen und Mifhungen auf dem naflen Wege ; daher
bei Den meiften chemifchen Dperationen vorzunehmen. Yür ver
fchiedene Stoffe find die Auflöfungamittel verfchieden , indem nur
folche Flüffigkeiten, welche zu einem Körper chemifche Anziehung
haben, dieſen aufzulöfen im Stande find. &o Iöfen fich viele
Salze im Wafler auf, einige im Alkohol, Metalloxyde in Saͤu⸗
ren, oͤhle im flüſſigen Atzkali oder Natron.
Bei vielen diefer Auflöfungen geht der aufzuföfenbe Körper
wahrfcheinlich chemifch unverändert oder nur im flüfligen Zuftande
in das Auflöfungsmittel über, wie bei der Auflöfung der Salze
im Waffer, im Alfohol, bei der Auflöfung einiger im Waffer un:
auflöslichen Salze in Säuren oder Alfalien. Bei anderen hin»
gegen geht diefer Mifchung erft eine chemifche Zerfeßung oder Vers
bindung voraus, in deren Folge der neuentitandene Körper ſich
in der Slüffigfeit auf eben’ diefelbe Art auflöft. Wird. z. B. fohe |
lenfaurer Baryt mit verdünriter Salpeterfäure uͤbergoſſen; fo ver
bindet fi) die Säure mit dem Baryt, während die Kohlenſaͤure
im Gasform entweicht, zu falpeterfaurem Baryt, der dann in dem
Waller auf diefelbe Art aufgelöft wird, ald wenn diefed Salz vor⸗
ber für fich dargeftellt gewefen wäre. Eben fo bildet fih, wenn
Binforyd mit verdünnter Schwefelfäure übergoflen wird, im erften
Augenblicke fehwefelfaures Zinforyd (Zinfvitriol), das dann in
dem Wafler aufgelöft wird. War Feine überfchüflige Säure vor-
handen, fo ift diefe Auflöfung alfo ganz diefelbe, ald wäre fie..
3062 Auflöfung.
unmittelbar mit Zinfvitriol nnd Waſſer gemacht worden. Wird
ein Metall mit einer Säure, die auf daſſelbe auflöfend wirft, über-
goffen; fo geht die der Mifchung vorhergehende Zerfegung noch
‚ um eine Stufe weiter. . Das Metall wird naͤhmlich zuerft oxydirt,
entweder auf Kojten der Säure oder auf Koften des Waſſers; das
gebildete Dryd verbindet fi nun mit dee Säure zum Salze, und
diefes wird, in dem Maße als e8 fich bildet, in dem Waſſer auf»
gelöft. Auf diefe Art Löft fi, dem gewöhnlichen Sprachgebrauche
nad), das Kupfer in. Schwefelfäure unter Entbindung von fchwefli=
cher Säure, und das Eifen in Schwefelfäure unter Entbindung
von Waſſerſtoffgas auf. Alle Auflöfıngen.gefchehen alfo, wenn
man in dem Vorgange die der eigentlichen Auflöfung vorausges
hende chemifche Änderung des Körpers abrechnet, ganz auf diefelbe
Weiſe, fo daß fein Grund vorhanden ift, mit Einigen einen Un⸗
terfchied zwifchen Löfung und Auflöfung zu machen. Alle jene .
Auflöfungen gefchehen mit Aufbraufen oder mit Aufihäamen
der Slüffigfeit, bei welchen auf die vorher angegebene Weife —
Entbindung einer Gasart erfolgt.
Der Körper, welcher aufgeloͤſt wird, geht in das Auflöfungds
mittel in flüffiger Form über; die Kohäfion feiner Theile wird alfo -
zum Theil aufgehoben, was um fo leichter gefchehen muß, je grö-
er die Fläche ift, in welcher. das Auflöfungsmittel auf ihn wirkt.
Um daher die Auflöfung eined Körpers zu befchleunigen, ift die
möglichfte Zertheilung deſſelben erforderlih, damit für gleiche
Maſſe möglichft viel Oberfläche gewonnen werde. Metalle, welche
dehnbar find, werden daher laminirt (in dünne Bleche gefchla-
gen oder ausgewalzt), oder granulirt, indem man fie ges
ſchmolzen aus einiger Höhe in Faltes Waller ausgießt, wo fich
die Maſſe in erftarrte Tropfen oder in banderförmige Streifen zer⸗
theilt. Spröde Metalle werden gepulvert. Auch foldye Metalle
oder Metallgemifche, welche nicht fpröde genug find, um ſich pul⸗
vern zu laffen, können Auf diefe Art zerPleinert werden, wenn
man fie fo weit erhist, daß fie weich zu werden, aber noch nicht
zu ſchmetzen anfangen, 3.8. Gußeifen, fchwefelbaltiges Kupfer,
Bronze ꝛc.; bei welcher Hitze fie dann durch Hammerfchläge oder
Stampfen auf einer eifernen Unterlage zerbrödelt werben Fönnen.
Salze, Oryde und alle ähnlichen "zerreiblichen Körper werben im
—
Auflöfung. 365
Kleinen in Moͤrſern mittelft einer Keule zerrieben, im Großen
durch Stampfen, horizontale oder vertifale Mühlfteine, und an⸗
dere Vorrichtungen, welche zum Zerreiben oder Mahlen dienen.
Die feine Zertheilung eines Körpers Kat auf die Beförderung der
Auflöfung einen fo wefentlihen Einfluß, daß felbft Stoffe, welche
im fompaften Zuflande gar nicht aufgelöft werden, im hoͤchſt fein
zertheilten Zuflande mehr oder weniger auflöslich find. So löſt
ſich die Kiefelerde im Höchft fein zertheilten Zuftande, wie fie durch
Faͤllung aus Kiefelfeuchtigfeit erhalten wird, in geringer Menge
im Waſſer auf. |
Su mehreren Fällen, befonders wenn der gepulverte Stoff
ſich feft zufammenlegt, und dadurch das Eindringen des Auflöfungs-
mitteld erſchwert, ift es vortheilhaft, demfelben irgend einen an-
deren gepulverten Körper beizumengen , der von den Auflöfungde -
mittel nicht angegriffen wird, und die gepulverten Theile des aufzu⸗
Löfenden Stoffes von einander entfernt hält, damit das Auflöfungd«
mittel auf fie wirfen könne. So wird die Auflöfung eines gepuls
verten Harzes in Weingeift befördert, wenn man demfelben vor⸗
ber gepulvertes Glas oder gepulverten Quarz beimengt. Der legs
tere, der außer der Flußfäure in Feiner Säure auflöslich ift, kann
‚zu diefem Behufe auch in Bällen, wo das Auflöfungsmittel aus
einer ftarfen Säure befteht, gebraucht werden. Gepulverter Gras
phit iſt ebenfalls Hierzu anwendbar.
Ein zweites Beförderungsmittel der Auflöfung ift Die Wärme.
Sn höherer Temperatur wird nicht nur in der Regel die Auflöfung
befchleunigt (weil die Wärme zur Aufhebung des Zufammenhangs, -
zur Slüffigmacdhung, beiträgt); fondern das Auflöfungsmittel nimmt
auch eine größere Menge von den aufzulöfenden Stoffe auf, als
in der Kälte. Diefer Unterfchied in der aufgelöften Quantität in
der Wärme und Kälte ift bei vielen Auflöfungen fehr bedentend;
und hierauf beruht die. Ausfcheidung eines Theiles des Aufgelöften
ans der Auflöfung, durch die Abkühlung der letzteren, und Die
Kryſtalliſation der Salze durch Abkühlen.
Von denjenigen Auflöfungsmitteln, deren Kraft dur Erz .
wärnung erhöht wird, machen diejenigen eine Ausnahme, die
durch die Wärme eine partielle Zerfegung erleiden, daher in ihrem
Auflöfungsvermögen vergndert werden. "Hierher gehören bie
304 | Auflöfung.
Fluͤſſigkeiten, deren wirfender Beftandtheil die Kohlenfäure, ober
eine andere flüchtige Säure iſt. So läßt das Fohlenfaure Wailer,
welches fohlenfauren Kalt aufgelöft enthält, durch Erwärmung
einen Theil des Aufgelöften wieder fallen, weil durch die Erwär-
mung ein heil des Auflöfungsmitteld, der Koblenfäure, entweicht.
Das dritte Beförberungsmittel der Auflöfung ift das Schüt⸗
teln oder Rühren, damit die Fluͤſſigkeit abwechfelnd mit dem anf:
zuloͤſenden Körper in Berührung fomme. Gießt man 5.8. Waſſer
über in einem Glaſe befindlichen gepulverten Zudier, und Iäßt das
Ganze ruhig: fo Löft fih der Zucker am Boden zu einer ſyrupaͤhn⸗
lichen Fluͤſſigkeit, während die Darüber ſtehenden Wafferfchichten
wenig, und die oberften gar feinen Zuder enthalten; und nur
durch guted Umrühren fann die Mifchung gleich, vertheilt werden,
fo daß alle Theile des Aufloͤſungsmittels gleiche Theile des Aufzu:
Iöfenden enthalten. Hierin liegt audy ein Grund, warum die Aufe
löfung durch Kochen in einem am Boden erhißten Gefäße leichter,
und felbit ohne Rühren gleihförmig vor fich geht; weil die bei _
dem Kochen Statt findende Bewegung der an dem Boden mehr
erbisten Slufligfeit aufwärts, und das Dadurch bewirkte Nieder
finfen der oberen Fälteren Flüſſigkeit, die gleichförmige Mifchung
nad) längerer Zeit hervorbringt.
Ein viertes Beförderungsmittel der Auflöfung endlich iſt der
bpdroftatifche Drud, mit welchem die Fluͤſſigkeit auf den aufzu:
löfenden Körper wirft, indem im Allgemeinen diefer Drud auf
mechaniſche Weife die chemifche Anziehung der Theile unterftügt.
Im Befondern ift er in zwei Bällen vorzüglich wirffam: nahmlich
in dem alle, als das Auflöfungsmittel felbft unter dem äußeren
Drude eine ftärfere Konzentrirung erlangen fann; fo bei der fläf:
figen Koblenfäure, bei der fchweflichen Säure, bei der. Hydrothion⸗
fäure; oder in dem Balle, wenn das Aufzulöfende, wie bei allen
vegetabilifhen und thierifchen Subftanzen, von der Art ift, daß
durch den dußeren Drud die auflöfende Slufligfeit zwifchen die
Theile des Körpers hinein und durch gepreßt wird, fo daß fie
jedes einzelne Theilchen umgibt, und ans demfelben das Auflös-
liche aufzunehmen im Stand iſt. Dieſes Verfahren ift befonders
bei den Ausziehungen wirffam, wozu die Ausziehungspreffe oder
Real'ſche Prefle angewendet wird (f. Ertraftionspreffe).
n
Auflöfung. 365
Wird Höhere Temperatur mit dem Drude vereinigt, fo wird in
mehreren Faͤllen die Auflöfung außerordentlich befördert, wozu .
im Befonderen das Sieden im Papinifchen Topfe dient (f. Di-
geftor).
Jedes Auflöfungsmittel ann von einem beflimmten Stoffe,
bei einer beflimmten Temperatur, nur eine beſtimmte Quantität aufs
nehmen. Diefen Zuftand der Auflöfung nennt man die. Saͤtt i⸗
gung. Eine beitiner niedrigen Temperatur gefättigte Auflöfung
ift alfo bei einer höheren Temperatur noch nicht gefättiget, da fie
bei diefer Temperatur eine neue Quantität aufzunehmen im Stande
iſt; und umgefehrt Täßt die bei der höheren Temperatur gefättigte
Auflöfung bei der niedrigeren einen Theil des Aufgelöften fallen.
Das mit einem Salze bei einer beflimmten Temperatur gefättigte
Auflöfungsmittel kann jedoch von einem zweiten Salze noch eine -
Quantität aufnehmen, dann noch von einem dritten, u. f. w., ohne
daß ein Iheil des erſten Salzes ausgefchieden wird, wenn nicht
dadurch Zerfeßungen erfolgen, welche ein neues, fchwerer auflößli-
ches Salz hervorbringen. |
In den Künften fommen häufig Auflöfungen von Metallen
in Säuren im Großen vor. Bei diefen Auflöfungen wird, wie
oben bemerft worden, ein Theil der Säure auf die Orydation des
Metalles verwendet, wenn diefe Orydation auf Koften der Säure
erfolgt. Es ift daher in diefen Bällen zweckmaͤßiger, diefe Ory:
dation der Metalle auf eine andere wohlfeilere Weife zu-bewirfen,
um dadurch an Säure zu fparen, und felbft in jenen Fällen, wo
unter Mitwirkung der Säure die Orpdation auf Koften ded Wafr
ſers erfolgt, wird die Auflöfung befchleunigt, wenn die Säure .
ſchon mit dem vorher gebildeten Oryde in Berührung gebracht wird.
Diefe vorgängige Operation fann man entweder Durch Glühen der
Metallfpäne, z. B. des Kupfers, in einem Neverberirofen, Abe
wafchen derfelben in verdünnter Säure, neues Gluͤhen, wieder«
hohltes Auflöfen des gebildeten Orydes, u. f. f., oder, nach Ber
rard, auch bei gewöhnlicher Temperatur dadurch bewirfen, daß
man das zerfleinerte Metall mit fehr verdünnter Säure übergießt,
bald darauf die Säure abzapft, und nun das benetzte Metall mit
der Luft in Berührung läßt. Diefed nimmt nun Sauerftoff auf,
und erhigt ſich oft ſtark. Nachdem Diele Einwirfung der Luft
366 - Auflöfung.
10 bi6 12 Stunden gedauert hat, übergießt man es wieder mit der
zuvor abgezapften Säure, welche nun das an der Luft gebildete
Oxydhydrat leicht aufloͤſt. Nach einigen Stunden zieht. man die
Säure wieder ab, Täßt das Metall abermahls an der Luft roften,
gießt die Säure neuerdings auf, welche endlich nach einigen Wieders
bohlungen in einigen Tagen völlig gefättiget if. Man fann die=
fed Verfahren zur Bereitung des Kupfervitriols, des falzfauren
Zinned, des Bleizuckers und anderer Salze anwenden.
Sind edle Metalle mit unedlen legirt, z. B. Silber mit
Kupfer, 2c.; fo fann die vorläufige Orydation der Metallmifchung
(Die in diefem alle am beften durch die Nöftung im Neverberirs
ofen vorgenommep wird) benügt werden, um die Scheidung des
edleren Metalled von den anderen mittelft eines Auflöfungsmittels
zu bewirken. In dieſem Falle naͤhmlich oxydiren ſich durch die
Roͤſtung die unedleren Metalle, deren Oryde ſich ſonach bei ges
wöhnlicher Temperatur in verdünnter Schwefelfäure auflöfen,
während das Silber von derfelben nicht angegriffen wird. Eben -
fo fann man aus einem Gemenge von Feilfpänen edler und une
edler Metalle die lehteren entfernen, wenn man dad Gemenge
durch Röften an der Luft orydirt, und dann die Oxyde in verdünn⸗
ter Schwefelfäure auflöft.
In vielen Fällen wird ein Ki von dem Auflöfungsmittel
nicht ganz, fondern nur zum Theil aufgenommen, wenn naͤhm⸗
lich einzelne Gemengtheile deifelben in jenem Miittelauflöslich, an⸗
dere unauflöslich find. Diefe partielle Auflöfung beißt ge=
wöhnlich das Ausziehen, der Auszug, Ertraft. Durch
Diefelbe werden die in der Auflöfung enthaltenen Stoffe von den
übrigen’ fremdartigen Gemengtheilen des Körpers, die in dieſen
Sällen als Rüdftand bleiben, gefchieden. So zieht der Alkohol
aus dem Gummigutt den barzartigen Beftandtheil aus, und läßt
den gunmiartigen, wenigjtens größten Theils, zurüf: das Wafe
fer extrahirt aus verfchiedenen Pflanzentheilen die im Waſſer auf-
loͤslichen, alfo fchleiin- und gummiartigen und falzigen Gemeng⸗
theile, während Faſerſtoff, Erdarten, Harze, u. f. w. zurüc blei⸗
ben. Iſt der Zweck des Ausziehens Hauptfächlich die Auflöflug
von falzigen Beitandtheilen aus dem gemengten Körper, fo wird
die Operation da Auslaugen, und der Auszug Lauge genannt.
Auflöfung. 567
So werben aus ber Holzaſche die falzigen Beſtandtheile (jur Bes
zeitung der Pottafche oder Afchenlauge) oder aus dem vorbereites .
ten Alaunerze die Alaun» und andere Salze auögelaugt, und die
erdigen Gemengtheile bleiben zurüd.
Diefe partielen Auflöfungen „werden größten Theild, zur
nolfländigeren Wirfung der Flüſſigkeit auf den aufzulöfenden,
mit fremden Gemengtheilen eiugehüllten Stoff, hei höherer Tem:
peratur vorgenommen. Wird der zu ertrahirende Körper in maͤßi⸗
ger Wärme, welche die Siedhitze nicht erreicht, mit dem Auflö-
fungsmittel behandelt, fo nennt man diefes Digeriren. Wird
das Auflöfungdmittel mit dem auszuziehenden Körper bis zur Sied⸗
hige gebracht ; fo heißt Die Operation das Abfochen, Ausko—
hen, und die Ausziehung felbit, die man dadurch erhält, ein
Defott. Bei diefer Ausziehungsart verbinden ſich mehr auflös«
liche Theile mit dem Auflöfungsmittel in kürzerer Zeit, aber die
flüchtigen Beftandtheile werden Durch die Siedhige zerftreut. Wird
der ausjuziehende Körper mit der heißen Flüſſigkeit übergoffen,
und damit bis zur Erfaltung ſtehen gelajfen, oder nach einiger
Zeit abgegoifen: fo heißt diefe Arbeit dad Infundiren; die
erhaltene Auflöfung felbft der Aufguß (Infufum). Man bedient
ſich dieſes Verfahrens befonders da, wo die vom Auflöfungsmittel
aus dem Köcper aufzunehmenden Stoffe fo flüchtiger Natur find,
daß fie die Siedhige, und felbft ein längeres Digeriren, nicht. er-
tragen.
In einzelnen Sällen hat man bei den Ausziehungen haupts --
fächlich die Benügung des NRüdflandes zum Zwede: hier wird
dieſer Ruͤckſtand, um ihn vollends von den, von der abgegoffes .
nen Auflöfung noch zurückgelaſſenen fahigen und anderen auflösli-
chen Theilen zu befreien, noch mit Waller oder Alkohol übergoffen,
und fo ausgewafchen, abgewafchen oder ausgefußt.
In mehreren Bällen wird der ähnliche Zwed durch bloßes Ein-
weichen, Aufweidhen oder Mazeriren in Faltem Waffer
erreicht, wodurch die in diefer Temperatur von dem Auflöfungss
mittel aufzunehmmenden Gemengtheile entfernt werden; auch der
Ruͤckſtand in mehreren Fällen aufgelockert und Dadurch zu weiter
ver Bearbeitung geſchickt gemacht wird. Zür.vegetabilifche und -
thierifche Subftangen iſt dieſes Einweichen aud) eine mügliche Vor⸗
®
368 ' Aufloͤſung.
bereitung fuͤr die nachfolgende Aufloͤſung, indem der durch das
eingedrungene Waſſer aufgeſchwellte Körper dem Auflsſungsmittel
einen leichtern Zugang zu den innern Theilen eröffnet: Auf dieſe
Art loͤſet fich thierifcher Leim, vorher in Waffer eingeweicht, viel
leichter in fochendem Waffer auf, ald außerdem. Eben fo werden
Harze leichter im Alkohol aufgelöft, wenn fie vorher nur grob zer
ſtoßen, durch Beſprengen mit wegen erft aufgelodert oder auf
geweicht worden find.
Bei den Auflöfungen fommen auch noch die Gefäße zum
berücfichtigen, die in Der Regel von einem Stoffe genommen were
den müffen, welcher von dem Auflöfungsmittel: nicht angegriffen
wird. Gläferne Gefäße in der Form’ von Kolben oder Phiolen
find für die meiften Säle am beften geeignet, da fie ihrer. fuglie
gen Geftalt wegen auch die Abwechölung der Wärme gut vertra-
gen, überdem wohlfeiler find, als folche Gefäße aus Steingut
oder Porzellan. Im Großen fann man metallene Keffel anwen⸗
den ; das Metall muß dann nad) der Natur des Auflöfungsmittels
gewählt werden. So nimmt man bleierne Gefäße, wenn die
Auflöfung mit Schwefelfäure geſchieht: in ſolchen Gefäßen fönnen
Auföfungen oder Sceidyngen von filberhaltigem Kupfer oder
goldhaltigem Silber mit Schwefelfäure vorgenommen werden.
Die elektrifche oder galvanifche Wirkung zweier verfchiedenen, die⸗
felbe Slüffigfeit berührenden Metalle, vermöge welcher das elek
trifchenegative Metall vor der Einwirkung der Säure gefchüpt
wird, während das pofitive, als in feiner Orydabilität erhöht,
von derfelben um fo mehr angegriffen wird, kann benützt werden,
fowohl die Auflöfung des Metalles in einer Saͤure zu befchleunie
gen, als auch die Maſſe des Gefäßes oder Keſſels felbft vor der
Wirfung der Säure zu ſchützen. Im erften alle bringt man das
aufzulöfende Metall in ein Gefäß, deflen Metall in Berührung
mit jenem negativ wird: dadurch wird daB pofitive Metall Teichter
oxydirt und aufgelöft; z. B. Zinn, Kupfer, in einem Gefaͤße
von Platin. In dem zweiten Galle kann man in einem fupfernen
Keſſel Zinn in Salzfäure auflöfen, ohne daß das Kupfer von der
Salzſaͤure angegriffen wird, wenn man auf den Boden des Keſſels
ein Stück Zinn vorher aufgelöthet hat. Diefe Eigenfchaft der
Metalle, in der gemeinfchaftlichen Berührung mit einer Fluͤſſigkeit
Augen. 369
ihr natürliches Werbalten zu eben diefer zu aͤndern, und ihre Oxy⸗
dationsfaͤhigkeit zu erhöhen oder zu erniedrigen, kann bei verfchie-
denen technifchen — in Anwendung gebracht werden.
bi H.
Augen.
Ange, ald techniſches Kunſtwort, hat mehrere, aber nir
folche Bedeutungen, welche zu unwichtig find, um bier ausführlich
behandelt zu werden. &o nennt man Augen die Löcher an den
Schnielzöfen zum Abfließeri des Metalles, zuweilen die Öffnungen
an einen geflschterien Drahtgitter, mänche Arten von Maſchen,
und jene Glas⸗ oder Drahtringelchen, durch welche bei einigen
Arten von Weberflühlen die Kettenfäden geleitet werben, wor:
über man das Möthige unter der gewöhnlicheri Benennung
Ligen findet. Hier aber wied vorzuͤglich von den eigentlichen
Nachahmungen des Auges , ober von den ſogenannten Fünfilis
hen Augen die Nede feyn.
Künftlihes Auge heiße ein phyſikaliſcher, verfchieben
eingerichteter Apparat, welcher den Bau ded menſchlichen Augen
nachahmt, tind dazu dient, die Wirkungsart deſſelben in optifcher
Beziehung zu erläutert. Von geſchickten Drechslern find ferner
in diterer Zeit aus Elfenbein, Horn und Glas beftehende, zerleg⸗
bare Augen von der Größe der natürlichen verfertigt worden , als
ein Mittel, die Struktur der Tepteren auf eine Leichte Weiſe anſchau⸗
lich zw machen. Ganz eigentlich aber gehören jene Fünftlichen
Augen hierher, welche ſowohl flatt verlorner Augen bei lebenden
Perfonen, als auch zum Einfegen in Wachöfiguren und in ausge⸗
flopfte Thiere verwendet werden.
Bei jerien kleinen Vögeln und Säugethieren, welche eirie ſehr
dunkle, fait ſchwarz erſcheinende Iris haben, bedient man ſich zu
den Augen der ausgeſtopften Exenplare maſſiver oder hohler Ku:
geln von. fchwargen oder fehr dunkel gefärbtent Safe, auch wohl
der Glasperlen von berfelben Farbe. Die hohlnn Kugeln werden
aus Glasroͤhren vor der Schmelzlampe verfertigt, und man läßt
an der hintern Seite ein Stuͤck des Glasroͤhrchens ald Anſatz ſte⸗
hen, mit deſſen Huͤlfe ſie leichter beſeſtigt, und unverrüdt erhalten
werden koͤnnen. Noch wohlfeiler, aber nicht fo ſchön und dauer⸗
Tecnol. Eneyclop⸗ I: DW 24
370 Augen.
haft, find Kügelchen aus ſchwarzem Siegellad‘, oder einer ſchwarz
gefärbten harzigen Mifchung, welche am Ende eines Drahtes über
der Lichtflamme gebildet werden.
Auch andere als fhwarze Thieraugen werden mittelft hohler
Glaskugeln nachgeahmt. Sie werden aus Beinglas vor der Lampe
geblafen, der farbige Ring aber und die Pupille mittelft GIas-
ftängelhen von der gehörigen Farbe in die vordere Släche einge-
fhmolzen. Allein da diefe Theile auf, oder unmittelbar unter der
Oberfläche, und nicht wie in der Natur im Innern, in der Tiefe
des Auges erfcheinen, fo haben diefe Nachahmungen nie ein
Anfehen, welches auch nur von ferne einiger Maßen auıbenD
genannt werden Fönnte.
-Derfelbe Nachteil tritt auch, bei weniger Glanz und noch
minderer Dauer ein, wenn folche Augen aus Holz gedreht oder
gefchnigt, angeftrichen und Tadirt werden. P
Die fhönften Fünftlichen Augen erhält man, wenn ein dickes
gewölbtes Stück Glas auf der unteren ebenen Bläche forgfältig
und getreu nach der Natur gemahlt wird.
Man muß fich zu diefem Ende zuerft das dazu nöthige Glas,
in der Form von größeren oder fleineren, höheren oder niedrige«
ren Kugel-Sogmenten, je nachdem es die. Befchaffenheit der nach⸗
zuahmenden Xugen erfordert, zubereiten. Man nimmt quadra-
tifche Stuͤcke von recht hellem, durchfichtigen, reinen, am.beften
dicken Spiegelglafe, und richtet dDiefelben rund zu, welches fo wie
bei der Verfertigung der vptifchen Släfer dadurch gefchieht, daß
man jedes derfelben auf eine harte Unterlage legt, und von den
darüber vorftehenden Kanten durch vorfichtige Bearbeitung mit
dem Hammer fo lange Splitter abfchlägt, bis fie die verlangte
Rundung erhalten. Dünneres Glas fann mit dem Kröfeleifen
der Slafer, und durch Abfneipen mit einer dazu geeigneten Zange
zugerundet werden. Es ift nicht nöthig, den Rand eben zu ſchlei⸗
fen, auch ift die vollfommen kreisrunde Form nicht erforderlich,
indem- beide Unvolltommenheiten fich bei der hernach vorzuneh—
‚menden Schmelzung von felbft verlieren. Man muß aber daranf
fehen, daß nicht etwa Glasſorten von fehr verfchiedenem Grade
der Schmelzbarfeit der aaltelgenden Dperation gleichzeitig un:
terworfen werden.
Künftliche Augen. 371
Der Apparat zum Schmelzen oder Senfen der rund abge-
zichteten Glasſtücke ift einfach. Man bedarf dazu vorerft eines‘
Käftchend von unverzinntem Eifenblech, welches wie ein Schieb⸗
Butteral zu einem Buche geſtaltet wird, alfo an einer ſchmalen
Seite offen iſt, aus zwei groͤßeren Flaͤchen, und drei, dieſe ver⸗
bindenden, niedrigen Seitenwaͤnden beſteht. Es iſt etwa acht
Zoll lang, fünf Zoll breit, und ı+ Zoll hoch. In daſſelbe paßt
eine Lade, ebenfalls aus Eiſenblech, welche etwas kleiner ſeyn
muß, damit fie recht Teicht aus: und eingefchoben werden kann,
und auch um einen Zoll niedriger ald das Käftchen, damit man
an der hierdurch entftehenden Offnung, den Fortgang des Schmelj-
prozeſſes beobachten fönne. An beiden Stüden darf nicht geloͤ⸗
‚ thet werden, fondern die Kanten müſſen Durch Salzen oder durch
Mieten verbunden feyn. Die Lade dient zum Einlegen der Glas:
flüde. Damit aber dad Glas, bei der unmittelbaren Berührung mit
dem Eifen, durch Dad Oryd nicht fledig und dem Zwecke nachthei⸗
lig gefärbt werde, fo muß der Boden bedeckt werden. Diefes fann
mit Tripel, in Wafler angerührt, oder durch fehr feinen Sand,
oder auch durch eine Lage von gepulverter Kreide geſchehen, weiche
man mit einer glatten Fläche recht feit zufammengedrüdt hat. Es
kommt jetzt darauf an, die in der Lade befindlichen Släfer, fammt
dem eifernen Käftchen, im welches fie zu dem Ende eingefchoben
wird, um die Bläfer vor Afche und Kohlen zu verwahren, bis
zum Schmelzen zu erhigen. Wenn man feinen eigenen Ofen dazu
bat, fo läßt fich leicht aus einigen, auf Die hohe Kante geftellten
Mauerziegeln etwas dem Aehnliches errichten. Das Käftchen kommt
in die Mitte des dadurch erhaltenen Feuerraumes auf eine etwas
erhöhte Unterlage zu fliehen, wird mit Ausnahme der vordern zum
Einfchieben der Lade beftimmten Öffnung mit Kohlen bedeckt, und
dann erft langfam, nachdem aber die Lade mit den Glaͤſern einge:
fchoben ift, ftärfer, und fo lange erhitzt, bis die legtern glühend
geworden, erweicht und in Fluß gefommen find; wodurch fich
ihre fcharfen Ränder abrunden, und fie in gewölbte, unten flache
Suchen, oder Augelfegmente umgewandelt werden. Man bat
darauf zu fehen, daß keine zu ftarfe Hitze angewendet wird, und
fie nicht zu lange im Fluſſe bleiben, wodurch fie zu flach ausfallen,
— wenn man leichtfluͤſſiges Glas gewaͤhlt hat; ferner daß
2,”
s’
372 Augen.
fie nicht zu nahe liegen, ober durch Verrüden beim, Einſchieben
der Lade einander berühren, weil fie dann, wenn fie weich werden,
zufammenfchmelzen; und endlich daß fie dußerft langſam abgefüplt
werden, um Sprünge und Riſſe zu vermeiden.
Die fo erhaltenen Gläfer, bei welchen der Grad der Woͤl⸗
bung von der Dide und Größe abhängt, welche fie im rohen Zu⸗
ftande gehabt haben, find auf der untern Släche nur felten ganz
"glatt and rein, fondern meiftens mehr oder weniger rauf, und
müflen auf derfelben abgefchliffen und polirt werden ; auch ift es
oͤfters nöthig, wenn fie zu hoch ſeyn follten, fie durch Wegfchleifen
der ebenen Flaͤche niedriger zu machen. Man fchleift fie auf
einem Saudfteine mit Waffer, und, um die Arbeit zu beſchleuni⸗
gen, mehrere zugleich, welche man durch Übergießen mit einem
Kitt aus Kolophonium, Schellad und Ziegelmehl, ober einer ähn-
lichen Zufammenfegung, mit einander vereinigt hat. Die durch
das Schleifen matt gewordenen Flaͤchen polirt man auf Holz,
oder einer ebenen Mefling« oder Zinnplatte, und zulegt auf Hutfilz,
mit Schmirgel, Polirroth, und endlich mit Zinnafche.
Das Mahlen auf der untern, ebenen Fläche gibt diefen
fünftlichen Augen die Vollendung. Man fann entweder diefe
ganze Bläche zuerft mit der Zrisfarbe bedecken, nach dem Trock⸗
nen den Kreis für die Pupille herausfchaben, und ihn dann mit
der nöthigen Farbe ausfüllen ; oder auch das umgefehrte Verfahren
beobachten, und die Grundfarbe zulegt auftragen. In einigen
Faͤllen, um z. B. die mit einem goldglängenden Ringe verfehenen
Augen mancher Amphibien getreu nachzubilden, Fann auch Blatt⸗
gold aufgelegt werden; überhaupt aber gehört zu diefer Art Mah⸗
lerei Übung und ein nicht unbedeutender Grad von Geſchicklichkeit.
Die brauchbarften Farben find die mit Shi oder Firniß angeriebe-
nen, weil fie an dem Glaſe am beften haften; allein zu manchen
heilen Zinten muß man fich dennoch der Waller: oder Miniaturs
farben bedienen, welche ſich auch leichter behandeln, und Al
les weit reiner und-naturgemäßer ausführen laffen. Allein fie
haben den Nachtheil, daß fie fich nach einiger Zeit gerne vom
Glaſe ablöfen, vorzüglich wenn fie zu viel Gummi enthalten. Man
muß daher den lestern Umſtand möglichit vermeiden, und über-
haupt die hintere Seite des Barbenauftrages mit einem Überzug
Künftlihe Augen. 373
aus weißem Wachs bededen, welchem man, damit. er nicht zu
fpröde werde, und in einiger Zeit vielleicht mit ber Barbe zugleich
abfpringe, eine hinreichende Menge Terpenthin zufebt. Ein Stück⸗
hen Soldfchlägerhaut, aber ja nicht auf der ebenen Flaͤche, fon-
dern nur am Rande der erhabenen befeftigt, hält äußere Einflüffe, -
in Verbindung mit der eben erwähnten Bedeckung, noch beſſer ab,
und fchüpt die Karben auf lange Zeit gegen jede Veränderung.
Dbwohl diefe Kunftaugen, forgfältig und durch eine gefchicte
. Hand gearbeitet, fehr fehön ausfallen, fo laſſen fie doch nocd Mans
ed zu wünfchen übrig. Bei größeren und ſtark hervorragen-
den, bemerft man in der Nähe und von der Seite, bald das
Unnatürliche Rerfelben, nähmlich die über den aufgetragenen Far⸗
ben befindliche dicke Glaslage. In Hinſicht auf menſchliche Augen
kommt daher folgende Art der Natur, vorzüglich in Hinſicht der
harten oder weißen Haut des Auges, viel näher. Es werden
aus. ganz durchfichtigem weißen Glaſe duͤnne, eiförmige, hohle
Schalen, deren Rand rund und glatt geſchmolzen wird, vor der
Lampe geblafen. Auf der höchften Stelle derfelben, dort, wo der
Augenftern erfcheinen fol, wird noch eine dickere Freisförmige Lage
von ebenfalls recht hellem ungefärbten Glaſe eingefchmolzen. Auf
der hintern Seite dieſer dickern Stelle fann die Iris und die Pupille
gemahlt werden, während die Dünnere hohle Släche mit Weiß
und den nöthigen rothen Äderchen bemahlt wird. Diefe Art Mah⸗
lerei ift freilich, da fie auf der innern, konkaven Släche vorgenom⸗
men werden muß, fehr fehwierig, und erfordert einen, gerade
für diefe Art Arbeit gut eingeübten Künftler; allein der Erfolg ift
dann auch weit mehr entfprechend, indem man bei dem nachge-
ahmten Weißen des Auges das Glad, aud) von der Seite angele:
ben, feiner geringen Dicke wegen nicht bemerft, die Iris und die
Pupille hingegen, da fie mit dem dideren Iinfenförmigen Glaſe
bedeckt find (welches aber, über die dußere Fonvere Fläche nicht
bedeutend vorftehen darf) wirflich tiefer im Grunde des Auges zu
liegen fcheinen. Daß man die innere Höhlung, fowohl der Se:
fligfeit wegen, ald auch um die Karben gegen äußere Einflüffe zu
fügen, mit weichem Wachfe ausfüllen müfle, verfteht ſich
von felbft. .
— 8X
374 Ausdehnung.
Ausſsdehnung.
Die Ausdehnung eines Koͤrpers iſt die Vergroͤßerung ſei⸗
nes Umfanges bei bleibender Maſſe. Dieſe Ausdehnung kann
entweder durch mechaniſche Kraft oder durch die Waͤrme hervorge⸗
bracht werben. Durch mechaniſche Kraft laſſen ſich gewiſſe Körper, _
wie dad Sederharz oder Kautfchuf, flarf ausdehnen; viele audere
Körper laſſen fich zufammendrüden, und dehnen fi beim Nadh=
laffen des Drudes wieder nahe zu ihrer vorigen Größe aus. Mes
talfene Röhren oder hohle Zylinder, in denen Luft oder Waffer
ſtark zufammengedrüdt wird, dehnen ſich Durch diefen mechanifchen
Druck ebenfalld etwas aus, der, wenn er hinreichend flarf wird,
im Stande ift, die Kohäfion felbft an einzelnen Stellen aufzuheben,
und dad Gefäß zu zerfprengen. Hierher gehören auch jene Bälle,
wo Die Ausdehnung eines Körpers in der Froftfälte, durch dad zwi⸗
fhen feinen Theilen befindliche Waſſer bewirft wird, wenn dieſes
in Ei6 übergeht, folglich in dieſer Geftalt vermöge der Kryſtalli⸗
fation einen größeren Umfang als- vorher einnimmt. Berner. ge-
bören hierher diejenigen Erfcheinungen, bei welchen die Körper
durch Einfaugen von Waffer oder einer andern Slüffigfeit ihren Une
fang vergrößern oder auffchwellen, was bei dem Einweichen
der meiften trodenen vegetabilifchen und thieriſchen Subftanzen
Statt findet. Die Anziehung der Theile des Körpers zu der Slüfe
figfeit iſt hier ſtark genug, daß diefe jene Theile von einander zu
entfernen im Stande ift, und die Ausdehnung entweder nach allen
Seiten oder nach einer oder der andern Richtung, je nach der Lage
der Faſern, erfolgt. Auf dieſe Art ſchwellen hölzerne Keile, welche
in den Spalt eines Gefteined eingetrieben worden find, durch Bes
feuchtung mit Waffer ftarf genug an, daß fie den Stein zu zer⸗
fprengen im Stande find. Daffelbe ift mit Seilen der Sal,
welche benetzt werden; fie fchwellen Dadurch nach der Breite auf,
und verfürzen fich fonach in der Fänge, fo daß fie, an beiden Enden
befeftigt, fich dadurch flärfer anfpannen, ald im trodenen Zus
. flande. Don gleicher Art ift die durch Feuchtigkeit bewirfte Aus⸗
Dehnung des verarbeiteten Holzes, der Breter, welche quer auf
die Richtung der Längenfafern erfolgt. Wird z. B. ein trodenes
ebenes Bret auf der einen Seite hinreichend mit Waſſer befeuch⸗
. Ausdehnung. a 375
tet; ſo dehnt ſich dieſe Seite ſenkrecht auf die Richtung der Laͤngen⸗
faſern, oder nach der Breite des Bretes, ſtaͤrker aus, als an der ent»
gegengefepten Seite; es erfolgt fonach ein Krümmen Peleiben
Berfen).
Durch die Wärme dehnen ſich alle Körper, fowohl fefte, als
flüffige und gadförmige aus. Diefe Ausdehnung erfolgt nach allen
Dimenfionen , fowohl nach der Länge, als der Breite und der
Die. Nur jene Körper machen fcheinbar von diefer allgemeinen
Regel eine Ausnahme, welche Wafler enthalten, das fie bei der
Erhöhung der Temperatur wieder verlieren, wonach ihre Theile
näher an einander treten (zufammenfintern). Aus diefem Grunde
nehmen thönerne Gefchirre nach dem Brennen einen Fleineren
Kaum ein ald vorher: die ein Mahl gebrannte Maffe dehne fich
aber dann wieder nad) der allgemeinen Regel durch Wärme aus.
. Die Größe der Ausdehnung der Körper durch Wärme ift
fehr verfchieden, und zwar dehnen fich im Allgemeinen feite Körper
am wenigiten, Slüfligfeiten mehr, und Gasarten am meiften, für
gleiche Temperaturunterfchiede, aus. Diefe Ausdehnung der Kör⸗
per durch Wärme wirft auf Die widerfiehende Umgebung mit einer
Kraft, welche dem Drucke gleich feyn muß, welcher erforderlich wäre, -
um den bei jener Temperatur audgedehnten Körper in den der
vorigen Temperatur zugehörigen Raum zufammen zu drüsfen.
Wird z. B. die in einem Gefäße mit feften Wänden eingefchloifene
Luft fo viel erwärmt, daß fie fi, wenn Fein Hinderniß da wäre,
in den doppelten Raum ausdehnen würde, fo ift die Kraft oder
der Druck, den fie auf die Wände jenes Gefäßes ausübt, gleich
dem Drude, welcher nothwendig wäre, um die Durch die höhere
Temperatur ausgedehnte Luft bei dieſer Temperatur in die Hälfte
des Raumes zufammen zu Drüden. Da zur Zufammendrüdung
der flüffigen Körper, und noch mehr zur Zufammendrüdung der
feften und fpröden Körper, eine fehr große, in vielen Fällen kaum
meßbare Kraft erforderlich ift; fo erflärt fi) hieraus die außeror-
dentliche Kraft, welche flüflige und feite Körper bei ihrer Ausdeh⸗
nung durch die Wärme auf die widerftehende Umgebung ausüben,
und welche hinreichend ift, auch die flärfften Körper felbft zu zer⸗
fprengen, wenn die umgebenden Theile nicht verhältnigmäßig nach⸗
geben. Daher entficht dad Springen und Brechen auch der did:
370 | Ausdehnung.
fien Glasſtangen, der flärkiten gußeifernen Platten und Roͤhren,
wenn für ihre Ausdehnung fein Raum bleibt, oder wenn durch
ungleiche Erwärmung an verfchiedenen Stellen die fich ausdehnen
den wärmern Theile von den Fältern, die jenen nicht zu folgen im
Stande find, mit Gewalt loögeriffen werden. "Bei einer großen
Menge von technifchen Ausführungen iſt diefe Ausdehnung ber
feften Körper bei verfchiedenen Wermegraden zu vera chtigen,
und daher die Kenntniß derfelben nothwendig.
Nachſtehende Tafel enthält die Ausdehnungdgröße verſchie⸗
dener feſter Körper nad) den aus den Verfuchen verfchiedener Be⸗
obachter fich ergebenden Mittelwerthen.
Ausdehnung verfhiedener feier Körper vom
Befrier: bis zum Siedpunfte.
1.0000000 Längentbeile dehnen fi aus
von | um
Glaaaasass 0.0008943
Platin . . “ee. | 0009223
Antimon (Criestan) nr 0.0010833 |
Gußeifen ; TE ER 0.0011094 - |
Weicher Stahl ae a > 0.0011200
Schmiedeiſen. 0. 0011927
Gehaͤrteter Sf . . 2. 0.0013230
Wismuhththtt 0.0013917
Shd . i : F 0.0014530
Kupfer, gefchlagenes ——— 0.0017653
Bronze (B Kupfer ı Zinf) ’ . 0.0018170
Melling, gefchlagenes . —A 0.0018804
» gegoſſenes ee 0.0018838
ı6 Th. Mefling, ı Th. Sinn . R 0.0019083
Spiegelmetall . . ; 0.0019333
Hartloth (1 Th. Zink — Surfen) s 0.0030583
3m . . 0.0022516
Klempnerloth (ı Th. Zinn nen Blei) 0.0025053
Blei r i : : , 0.0028824
| Binf, eufen 0.0 0.0029869
» gebämmer . — :0.0031083
Ausdehnung. | 577
Die Ausdehnung diefer Körper von Gefrier: bis zum Sied⸗
punfte ift gleichförmig; in höheren Temperaturen nimmt das Aus-
dehnungsverhältniß zwar etwas zu, jedoch noch nicht bedeutend,
wenn die Zemperatur von dem Schmelzpunfte noch weit genug
entfernt if. Wenn man daher die vorigen Zahlen für die Réͤau⸗
mur'ſche Sfale mit Bo, und für, die Centefimal- Sfale mit 100
dipidirt,, fo erhält man die Ausdehnung bed Körpers nad) der
Länge für 1° R. oder Gent., welche Größe dann mit der Anzahl
son Braden, um weiche der Körper erwärmt oder erfältet wird,
multiplizirt,, - feine Ausdehnung oder Zufammenziehung nach der.
Längendimenfion gibt. Es bezeichne k diefe Ausdehnung für 1°;
t nach derfelben Sfale die Anzahl Srade unter oder über o, bei
welchen die Länge des Körperd beftimmt iſt; L Diefe Länge des
Körpers bei diefer Temperatur; A die Temperaturdiffereng bei der
Erwärmung oder Erfältung, d. h. die Anzahl Grade, um welche
die Temperatur des Körpers erhöht oder erniedriget wird; L’ deffen
Länge bei der höheren oder niedrigern Temperatur: fo iſt genau für
die Ausdehnung
YV=Lhi+ki— RAr -Art....);
und für Die Zufammenzicehung
L— L(i — AAt — kAtt....)).
Da jedoch für die meiſten Faͤlle, im Beſonderen bei den feſten
Körpern, die Slieder, in welchen die höheren Potenzen von k -
: vorfommen, vernachläfliget werden fönnen; fo wirb in der Aus⸗
übung hinreichend genau für Die Ausdehnung |
V’=L(ı-+kö),
und für die Zufammenziehung
L=L(i—köü)
3.8. eine eiferne Stange von 10 Fuß Länge habe bei 120R.
oder 15° C. thr genaues Maß (z. B. ald Mapitab); fo wird ihre
Länge bei 200 R. oder 25° C., alfo für den Temperaturunterfchied
von 10° C. == 10 (ı +.0.000119) = 10.002119 Fuß. Würde
diefe Stange biö zu der Temperatur von 5°C. erfältet; fo betrüge
ihre Länge = 10 (1 — 0.000119) = 9.9988 ı Fuß.
Bildet der Körper eine Släche, und es fol die Ausdehnung
diefer Flaͤche, alfo nach der Dimenfion der Länge und Breite zu:
gleich, für einen. gegebenen Temperaturunterfchied boftimmt werden ;
378 Ausdehnung.
fo ift, wenn F die Fläche von dem bei einer beftimmten Tempera:
tur gegebenen Maße, und F’ jene bei der höheren ober niedrigern
Temperatur bezeichnet, für die Ausdehnung |
F=F(ı+sküA),
und für die Zufammenziehbung
F=F(i-—.aköü)
"wenn wie. vorher die höheren Potenzen von k N iget
werden.
3.8. eine Hatte von Gußeifen habe bei 10° C. eine Slache
von 10 Q. F , fo ift dieſe Flaͤche Bei 20° €,
== 10 (1 #+ 3 x< 0.0001109) = 10 002218 2. F.,
und bei dem Gefrierpunfte
== 10 (1 — 2 X 0.0001109) = 9.997783 N. g
Eben ſo iſt für die Ausdehnung eines Koͤrpers, wo alſo die
Ausdehnung nach der Laͤnge, Breite und Dicke zugleich betrach⸗
tet wird, wenn K das beſtimmte Volum, K’ jenes bei der yoyeren
oder niedrigern Temperatur bejeichnet,
K=K(ı +3k%4)
und für die Zufammenziehung
K=K(ı — 3k A). |
3. 8. ein gläferner Ballon enthalte bei 10° E, einen Kubi:
fuß Waſſer; derfelbe werde nun mit Waffer von 90° E. angefüllt,
ſo iſt bei Diefer Temperaturerhöhung von 80°C. die Kapazität des
Ballons = ı (1 4 3 X 0.0007154) = 1.0021463 Kub. Fuß.
Auf diefe Art Taffen fich für alle Bälle der praftifchen Anwen-
dung die Längen-, Blächen: und Volume: Ausdehnungen oder
Zufammenziehungen der feften Körper einfach berechnen. Diefe
Beflimmungen find nothwendig, um bei Konftruftionen verfchie-
dener Art die nachtheiligen Wirkungen der Ausdehnung oder Zu:
fammenziehung bemeffen, und darnach Die nöthigen Mittel wählen
zu Pönnen. Wenn z. 3. zur Zufammenhaltung des Mauerwerfes
eined großen Ofens eiferne Schließen eingelegt werden, fo werden
fich diefe bei der Erhitzung ausdehnen, und dDadurd das Mauer:
werf auseinander treiben oder befchädigen, wenn fie genau anfte=
bend eingemauert ader befeftiget find; zur Befeitigung dieſes Er-
folges muß daher ein Feiner Spielraum gelaflen werden. Eine
feſt zufammengefügte Röhrenleitung von Gußeifen wird eben fo
-
; Ausdehnung, Ä 379
durch die Ausdehnung oder Zufammenziehung bei verfchiedenen
Zemperaturen Schaden leiden, wenn nicht dafür geforgt wird,
Daß durch, an verfchiedenen Stellen angebrachte Röhren, die ſich
in Stopfbüchfen verfchieben, Diefe Verkürzung oder Verlängerung
leicht erfolgen fann. - | |
In vielen Fällen wird die Verfchiedenheit der Ausdehnung
der feſten Körper auch zu befondern nüglichen Zwecken angewen⸗
det. Auf. diefelbe gründen fich die fogenannten Kompenfationspen«
del der Uhren, und verfchiedene thermometrifche Vorrichtungen
(Porometer). Die Ausdehnung und Iufammenziehung der Metalle
wird auch in einzelnen Faͤllen ald mechanifche Kraft benuͤtzt. So
wenn ein heißer eiferner Ring auf einen Zylinder von Holz oder.
kaltem Metall aufgetrieben wird, fchließt ſich derfelbe nach der
Erfaltung und Zufammenziehung feiter an, als e& durch Hammer
fhläge zu bewirfen möglich gewefen wäre. Wenn man den Hals
einer Glasflaſche, während dieſe, etwa durch eine eingegoffene
Flüſſigkeit, warm ift, mit dem falten eingefchliffenen Glasſtoͤpſel
verfchließt; fo ſteckt dieſer nach dem Erkalten der Flaſche fo feſt,
daß er durch bloße Gewalt nicht mehr herausgebracht werden fann.
Eben fo fönnen zwei folche feit verbundene Körper wieder getrennt
werden, wenn man den Einen Durch Erwärmung ausdehnt, oder
durch Erfältung zuſammenzieht. &o läßt ſich der eingefchliffene
Glasſtöpſel wieder ausziehen, wenn man den Hals der Slafche
erwärmt. Bei befonderen Öfen und Heißapparaten wird die Aus⸗
dehnung des Metalles ald Regulator benügt, um bei dem Eins
treten einer gewiſſen Temperatur einen Hahn oder eine Thüire mehr
oder weniger zu öffnen und zu fchließen, u. |. w., von welchen ſpe⸗
zielen Anwendungen in den einzelnen Artifein die Nede ift.
Einige fefte Körper haben eine fo geringe Ausdehnung in der
Wärme, dad fie Faum meßbar iſt. Hierher gehört vorzüglich trock⸗
nes Holz, deifen Ausdehnung nach der Richtung feiner Qängenfa-
fern fo unbedeutend ift, daß ed für genaue Uhren als Pendels
ftange gebraucht werden kann. Wahrfcheinlich wird hier Die Aus:
dehnung in die Länge durch die verfürzende Wirkung der Ausdeh⸗
nung in die Breite (wie bei naflen Seilen) aufgehoben; fo daß
hiernach bei einer beftimmten Breite oder Dicke für eine beftimmte -
Länge fich diefe Laͤngenausdehnung gänzlich würde aufheben oder
‚380, Ausdehnung.
Fompenfiren laffen. Auch fefte Steinarten, ald Marmor, Granit,
u, dgl,, deßgleichen gebrannter fand oder Fohlehaltiger Thon,
haben eine fehr geringe Ausdehnung, worin zum Theil der Grund
liegt, daß heilifche und Paflauer (Graphit) Ziegel flarfe Tempe:
raturwechfel, ohne zu fpringen, ertragen.
Noch ift zu bemerken, daß die durch Wärme ausgedehnten
Metalle nur bei geringeren Waͤrmeunterſchieden ſich nach der
Abkühlung zu derfelben Kemperatur genau wieber in denſelben
Kaum zufammenziehen. Iſt die Ausdehnung bei größeren Wär:
‚megraden erfolgt, befonders wenn diefe fi der Zemperatur naͤ⸗
bern, in welcher dad Metall weich zu. werben anfängt, fo bleibe
ihe Volum etwas größer, ald ed vorher war. Auf diefe Art wird
eine bleierne Röhre, durch welche Wafferdampf ftreicht,, immer
länger, und erhält Biegungen, wenn fie vorher gerade war. Zu
Körpern, z. B. Maßftäben, die für eine beftimmte Temperatur ihre
abfolute Länge durch die Bariafionen der Temperatur nicht ändern
follen, taugen daher vorzüglich folhe Metalle, dereu Schmelz.
punkt fehe hoch liegt, als Eifen, Platin.
Die tropfbar flüffigen Körper dehnen fich flärfer
aus, als bie feften, aber dieſe Ausdehnung ift zmifchen dem Sied-
und Gefrierpunkte nicht fo gleichförmig, als bei jenen, weßhalb
man auch aus ber zwifchen jenen beiden Punften Statt findenden
Ausdehnung nicht auf diefelbe Art jene für die zwifchen liegenden
Grade angeben fann. Am gleichförmigften ift zwifchen dem Ge:
friers und Siedpunfte des Thermometerd die Ausdehnung des
Quedfilberö, daher dieſes vorzugsweiſe als thermometrifche Fluͤſ⸗
ſigkeit benützt wird. Die Ausdehnung deſſelben von oð bis Boo R.
beträgt o. o18018302. Die Ausdehnung des Alkohols und der
Mifhungen deifelben mit Waſſer bei verfchiedenen Wärmegraden,
wird in der Praris bei den Beflimmungen des Alkoholometers
(©. 228) berüdfichtiget. Die Ausdehnungdgtade ded Waſſexrs,
und die Damit zufammenhängenden fpezififchen Gewichte gibt nach⸗
ftehbender Auszug einer Tafel von Hällſtröm, das fpezifiiche
Gewicht und dad Volum des Waſſers bei 4°.1 E. oder bei der Tem⸗
peratur der größten Dichtigfeit = ı gefeßt.
Temperatur . Se
Cent. Spezif. Gewicht. Volum.
0° 0.99989 18 1.0001083
3° 0.9999920 1.000007B
6° 0.9999772 1.0000226
9° .0.9998497 1.0001501
120 0.9996 1 17 1.0003888
15° 0.9992647 1.0007357
ı8° 0.9988 125 1.00:1888
21° - 0.9982570 1.0017660
24° 0.9976000 1.0024058B
37° 0.9968439 1. 0021662
30° 0.995991 7 1.0040245
Ausdehnung.
Für die Luft oder. Gaſsarten findet das eigenthümliche
Verhalten Statt, daß fie fih nach den hierüber vorhandenen ge⸗
nauen Verfuchen fämmtlich um gleich viel, naͤhmlich vom Gefrier⸗
bie zum Siedpunfte um 0.375 ihred Volums ausdehnen. Diefe
Ausdehnungsgröße gilt eben ſowohl file trodene, als für. feuchte
Luft, da auch die Dämpfe nach demfelben Geſetze wie-die Luftars
ten ausgedehnt werden. Diefe Ausdehnung ift überdem gleichförs
mig, und zwar nicht wur innerhalb der beiden feiten Punkte des
Thermometers, ſondern von — 36° bis -- 360° C., fo daß ich alfe
für jeden Zemperaturunterfchied die Volumsvermehrung oder Vers
minderung nad) jener gegebenen Ausdehnungdgröße berechnen läßt.
Iſt naͤhmlich das bei einer beitimmten Temperatur gegebene Vo⸗
Inm == V, jenes bei der höheren Temperatur =.V’, die Tem⸗
peraturdifferen;, oder die Anzahl der Grade, um welche die Luft
erwärmt, wird, = 4; fo ift für die Cent. Skale
V’=V (ı + 0.0375 A),
und für die Réaumur'ſche Skale
VV (ı + 0.00468754).
3. 8. Ein Kub. Zırß Luft von 100 R. werde bis auf 30oo°R.
erwärmt; fo ift der Raum, den diefelbe nunmehr einnimmt
= ı (1 + 0,00468 x 290) = 2.3572 K. F. Die Luft hat ſich alfo
bei diefer Temperaturerhöhung auf mehr als Das Doppelte ihres Um⸗
fanges ausgedehnt. Fuͤr die Zufammenziehung bei der Erfältung
382 Auspreßmafcinen.
gilt wie vorher das negative Zeichen. Konımen Bälle vor, bei
welchen in der oben angegebenen genauen Formel das dritte Glied
L At noch einen zu berüdfichtigenden Werth hätte, fo müßte das⸗
felbe mit in die Rechnung aufgenommen werden.
| Ä d. H.
Auspreßmaſchinen.
Dieſer Nahme kommt im Allgemeinen allen jenen Maſchinen
zu, welche gebraucht werden, um Flüſſigkeiten aus feſten Körpern
durch Drud abjufondern. Da man in allen Fällen, wo diefe
Operation vorfonmt, Mafchinen dazu entweder wirflich anwendet,
oder anwenden fann, fo gibt es zahlreiche Arten von Auspreß⸗
mafchinen. Dahin gehören z. ®. die Wein- und Öhlpreffen, die
Preſſen der Papierfabrifen, u.f. w. „Hier ift aber insbefondere
von einer Art. Mafchinen die Rede, deren man- fich vorzüglich in
Bleichereien, Kattun⸗ und Leinwandfabrifen bedient, um das
Waller aus den naffen Zeugen auszupreffen, und diefe Arbeit
ſchneller und zweckmaͤßiger zu verrichten, als fie durch das gewoͤhn⸗
liche Auöringen oder Auswinden mittelft der Auswindftöde ges
ſchehen Fann. |
Die einfathfte Vorrichtung für diefen Zwed ift folgende.
Eine niedrige ovale hölzerne Wanne von 4 bis 5 Fuß Länge und
a bis 2* Fuß Breite, befigt an jeder der zwei fehmalen oder End»
Seiten eine um ı2 oder 15 Zoll über die andern hervorragende
Daube. Diefe zwei höheren Dauben find 4 Zoll breit, 3 Zoll
dit, und beſtehen aus Eichenhol;, während die übrigen aus Fich-
ten» oder Tannenholz verfertigt find. Durch jede derfelben geht
der Schaft eines großen eifernen verzinnten Hafens, fo, daß die
Hafen felbft nach einwärts gefehrt find, und einander in horizon⸗
taler Linie gegenüber ftehen. Einer diefer Haken ift feſt ange:
fehraubt, der andere trägt am Ende feines Schaftes, außerhalb
der Daube, eine Kurbel, vermittelft welcher er umgedreht werden
kann. Die Wanne ift mittelft zweier an ihrem untern Theile bes
. findlicher eiferner Lappen unbeweglich befefliget. Um fish der Vor⸗
richtung zum Auswinden oder Audpreilen eines Zeugflüdes zu
bedienen, bringt man das legtere in die Wanne, fchlägt es fo oft,
als dieß angeht, hin und her um beide Hafen, fledt die Enden
Auspreßmafchinen, 583
deſſelben in der Mitte ein, damit fie nicht herabhängen , und
dreht endlich den beweglichen Hafen mittelft feiner Kurbel um. .
Der Zeug wird Dadurch zufammen gedreht, das ausgepreßte Wafr
fer fant in die Wanne, und fließt Durch den Boden derfelben
(weicher für diefen Zweck durchlöchert ift) ab. Nach vollendeten
Auswinden gibt man der Kurbel einen Schwung rüdwärtd, der
ganz allein hinreichend ift, das Stuͤck wieder aufjzudrehen, fo,
dag es zum Audbreiten oder Ausfchütteln von den Hafen abgenom-
men werden fann. Zarte Gewebe, welche das befchriebene Zu⸗
fammendrehen nicht oßne Gefahr aushalten würden, fchlägt man
in ein, Meb ein, welches auf diefelbe Weife über die Hafen gelegt,
und zufammengewunden wird. Kleiner gemacht, und mit einem
nicht durchlöcherten Boden verfeben, kann die Wanıre mit ihren
Hafen zum Auswinden der gebeipten Garnftrehne in Särbereien
benugt werden.- Dan bedient fich ihrer aud, zum Auswinden der
Wolle, nachdem diefelbe gewafchen worden iſt.
Sehr empfehlenswerth iſt eine von Dingler (in deffen poly«
technifhem Journal, Bd. III.) befchriebene Auspreßmafchine,
welche für Bleichereien und Kattunfabrifen darum großen Werth
bat, weil die weißen oder gedrudten Waaren, welche man mittelft
berfelben vor dem Aufhängen vom Waſſer befreien will, nicht zu⸗
fommengedreht werden; woraus der doppelte Vortheil entfteht,
dag die oft fehr zarten Gewebe Feiner Beſchaͤdigung ausgeſetzt
find, und daß beim nachherigen Muöbreiten bedeutend an Zeit ers
fpart wird. Diefe Mafchine befteht aus zwei übereinander liegen
den hölzernen Walzen von’6 Fuß Länge und 15 Zoll Durchmefe
fer, welche in einem zwectmäßigen Geſtelle fo angebracht find, daß
die obere durch die bei einer Kalander (f. diefen Artikel) gebräuch-
liche Vorrichtung, nähmlich durch zwei mit Gewichten: belaftete
Hebel, ſtark auf die untere herabgedrüdt wird. Die obere Walze
ift ganz glatt, die untere befigt in gleichen Abftänden fünf rund
berum Laufende, in fich ſelbſt zurückfehrende Hohlfehlen von etwa
2: Zoll Breite. Die Achfe diefer uftern Walze ift auf einer Seite
über das Geftell hinaus verlängert, und trägt hier ein gezahntes
Rad, welches durch den Eingriff eined Trillings bewegt wird.
Ein Arbeiter fegt die Mafchine in Gang, indem er die mit einer
Kurbel und einem Schwungrade verfehene Achſe ded Trillings
384 Ausſchlageiſen.
umdreht. Ein anderer Arbeiter leitet die naſſen Zeugſtücke wurſt·
foͤrmig der Breite nach zuſammengefaltet zwiſchen die Walzen
hinein; ein Knabe nimmt fie hinter der Maſchine in Empfang,
und läßt fie in untergefegte Körbe fallen. Vor den Walzen befin-
det fich ein aus zolldicken Latten mit Zwifchenräumen zuſammen⸗
geſetzter, halbrund vertiefter Tifch, auf welchen die auszupreſſen⸗
den Stüde gelegt werden, und ein aufrechtfiehendes Bret mit
vier halbrunden Ausfchnitten in der obern Kante, wodurch die
Stüde zwifchen die Walzen hineingeleitet werden. Wenn man
etwa nur zwei Stücke zugleich auspreſſen will, fo muß man hierzu
die Ausfchnitte 1 und 4 oder = und 3 wählen, nicht aber die zwei
erften oder die zwei legten, damit die obere Walze nicht fchief zu
liegen kommt. Immer muß man darauf fehen, Stüde von unges
fähr gleicher Dide mit einander audzupreſſen, damit nicht ein
Stud dad andere hindert, den nöthigen Druck zu empfangen.
Durch dad Verfchieben der Gewichte an den Druckhebeln wird die
Gewalt des Auspreffens, welche von dem Drude der obern Walze
auf die untere abhängt, nad) Erforderniß getegelt ; nöthigen Fal⸗
led wiederhohlt man dad Auspreilen zwei, drei; auch vier Mahl.
Die Hohltehlen der unteren Walze dienen zum Abfluife des ausge:
preßten Waſſers, welches in einen unter der Mafchine angebrach⸗
ten Trog oder Ableitungs» Kanal fällt.
8. 8:
Ausſchlageiſen.
Die Ausſchlageiſen (Durchſchlageiſen) find ſchnei⸗
dende Werkzeuge, welche gebraucht werden, um in dünne Stoffe,
nahmentlich Papier, Zeuge, Leder, aud wohl ſchwache Metall⸗
bleche, Löcher von beitimmter Größe und Form zu machen. Ent:
‘weder will man Dabei die Fleinen außgefchlagenen Stückchen wie⸗
der verwenden, und das Übrige der Kläche, aus weicher fie erhalten
werden, ift als Abfall zu betrachten; oder man hat die Durchlö«
cherung der Flaͤche zur Hauptäbficht.
Die runden Ausfchlageifen, gewöhnlich Loche i ſen genannt,
find jene, welche am bäufigften vorfomnten. Bälle ihrer Anwen⸗
dung find folgende. Sie werden gebraucht, um runde Löcher bei
Schuhmacher: und Riemer: Arbeiten fchuell, und von gleicher
Ausichlageifen. 585
Größe zu erhalten. Sie leiften ferner ſehr gute Dienfte bei der
Verfertigung der aus Kartenpapier beftehenden Patronen der Zim-
mermahler; die freidrunden Löcher in denfelben Fönnen Durch
Ausſchneiden mit dem Meſſer weder fo genau rund, noch fo rein
und gleich erhalten werden, als muttelft der Locheifen. Die Ho⸗
flien- und Siegel»Oblaten werben ebenfalls mit folchen Eifen aus⸗
geftochen ; ferner braucht man fie zum Ausſchlagen runder Etifet
ten aus Papier zum Numerizen von Zeugmuftern u. dgl.; und
endlich find auch die fogenannten Pflaftereifen hierher zu zaͤh⸗
Ien, mit weldyen die Pflafter ausgefchlagen werden, naͤhmlich
jene runden Scheiben aus Leinwand oder Wollenzeug, welche
zum @inladen der Kugeln in gezogene Gewehre dienen.
Daß die Größe dieſer Werkzeuge, vorzüglich in Nudficht
auf die runde Schneide, verfchieden feyn werde, bedarf feiner
Erörterung; allein auch in ihrer Form finden fi Abweichungen.
Bei den beſſer gearbeiteten Arten ift, wie man aus Fig. 9, Taf. 7
fiebt, der Schaft a in der Mitte des jchneidenden Ringes befind«
lich, und mit dieſem · durch zwei Arme oder Bogen b, c, verbunden.
Der Außere Umfang des Ringes, d, ift nad) oben erweitert, fo
dag an dem untern Rande mittelft einer Facette die Schneide arts
geſchliffen werden faun. Auch die innere Öffnung hat man gerne
fegelförmig, das heißt, oben weiter; welches die Bequemlichkeit
gewährt, daß man nicht nach jedem Schlage das runde Plättchen
von oben herauszuftoßen braucht, fondern daß, wenn viele ausge⸗
fhlagen werden, fie endlich von felbft oben herausfommen. Die
Locheifen der. Schuhmacher und. anderer Lederarbeiter, von ber
Form wie Fig. 10, Taf. 7, haben eben diefe Einrichtung hinſicht⸗
lich dee Höhlung. Diefe iſt fehr lang, damit die Schneide recht
oft nachgefchliffen werden fann. Der Schaft befindet fich hier
nidyt in der Mitte, fondern feitwärtd an der Röhre ab, theild
um: die audgefchlagenen Plätthen durch Umkehren des Eifend
noch Teichter ausleeren zu. fönnen, theild auch der leichtern Vers
fertigung des Werkzeuges wegen, wovon weiter unten bie Rede
ſeyn wird. |
: Die Art, wie die Ausfchlageifen gebraucht werden, iſt bei
allen, auch den noch fpdter anzuführenden Arten, ziemlich die
nähmliche, und kann hier ſogleich befchrieben werden. Hum Aufe
Teqnot. Encyelop. L Bb. 35
i &
386: Ausfchlageifen.
legen des auszufchlagenden Stoffes bedient man fich am beften
einer feftliegenden dicken Bleiplatte, oder auch eines eben abge-
richteten Klotzes aus Linden» oder Birnbaumbol;, oder einer an⸗
dern nicht zu harten Holzart ohne alle Afte, wobei jene Fläche
am vortheilhafteften zu benüßen ift, auf welcher die Faſern des
Holzes unter einem rechten Winfel, oder über Hirn, durch⸗
gefhnitten find. Das Eifen wird dann feft und recht ges
rade aufgefegt, und mittelft eines flarfen Hammerfchlages das
Durchfchneiden bewirft. Es ift zu ratben, nach jedesmahligem
Durhfchlagen eine neue Stelle der Unterlage zu wählen, daher
biefe auch, wenn ihre ganze Oberfläche benübt worden iſt, neu
abgehobelt, oder wenn fie von Blei ift, mit einem Sammer mit
flachrunder Bahn (bei manchen Arbeitern Bleibammer genannt)
eben geflopft werden muß.
Nicht nur die Freisrunden, fondern auch anders geformte
Ausfchlageifen fommen in den Werfitätten dee Klaviermacher, zur
Darftellung der diefen Arbeitern nöthigen Lederſtuͤckchen, welche
recht glatte Ränder haben, und einander ganz gleich feyn muͤſſen,
vor. Einige derjelben find auf der 7. Tafel’ abgebildet. Das
Auslöfungseifen, Sig. ı2, hat eine runde Schneide, in der
Mitte derfelben aber einen Stift, der mittelft eines flachen Lap⸗
pens bei a an den Schaft feitgenietet, unten aber ganz eben, und
mit der Schneide gleichlaufend, abgefeilt if. Man erhält durch
diefes Eifen runde Scheibchen in deren Mitte gleichzeitig jener
Stift ein kleineres Stückchen (einen Pugen) ausfchlägt, und mit«
bin ein Löchelchen zum Anfterfen des Scheibchens hervorbringt.
Fig. 16, d, zeigt die untere Seite des ebenfalld mit einem Stifte
verfehenen halbrunden Auslöfungseifens. Fig ı5, b, ftellt die
Schneide des Käppcheneifens, c aber die des Fleckchen⸗
eifens vor. Fig. 23 gibt die Anficht von zwei Seiten und von
der Schneide des Dämpfungseiſens, welches, gleihfam als
ein doppeltes Meffer, zwei einander parallele Linien in das Leder
einfchlägt:
Um aus Zeugen aller Art flatt des Ausſchneidens mit der
"Schere fchnell gleichgroße viereckige Mufterflecichen zu erhal:
ten, wendet man ebenfalls Durchfchlageifen mit einer nad) Erfor«
derniß gebildeten Schneide an, fo wie man auch folche mit Zaden,
Ausſchlageiſen. 367
gleich Fig. ı5, a, hat, um ſternfoͤrmige oder ausgezackte Etiketten
aud Papier zu verfertigen.
Die mit dreiedigen Zacken verfehenen Eifen Pommen bei den
Sattlern und Riemern unter dem Nahmen Spigcheneifen
nebft noch andern ähnlichen, mit wellenförmigen oder anderen
Defleind verfehenen, vor. Auch hat man folche, deren Schneide
ein Halbkreis ift, wie Fig. ı4, welche den genannten Arbeitern,
auch wohl den Handichuhmachern manchmahl bei Damenhandſchu⸗
ben, dazu dienen, den Kanten des Leders eine aus gezackten Bo⸗
gen beftehende Bordur zu geben.
Noch gehören manche Ausfchlageifen mit Schneiden, welche
auf. die mannigfaltigfte Art gefchweift find, hierher, z. B. jene, mit
welchen man die zum Belegen der Oblatenfiegel gebräuchlichen
Papierblaͤtter verfertigt. Sie haben auf der Schneide nur den
vierten Theil des ganzen Deſſeins; das Papier wird vor dem Aus⸗
ſchlagen vierfach zufammengelegt, und gibt dann nach dem Aus«
breiten die volle Zeichnung. Kerner fönnen bier noch genannt
werden die Audfchlageifen der Kartenmacher zur Berfertigung der
Sefteinpatronen, und die, mit den verfchiedenften fchneidenden
Umriffen verfehenen Eifen zur Darftellung der Blätter für fünft-
liche Blumen; worüber in den Artifeln Spielfarten und Blu⸗
men das Nöthige vorfommen wird.
Einiger Ähnlichkeit wegen können hier auch noch) die Korn
eifen der Alaviermadyer, und die ihnen gleich. gebildeten Eifen der
Sattler erwähnt werden, welche mit mehreren nadelförmigen
Spitzen verfehen, in Leder mehrere Löcher zugleich zum nach⸗
mahligen Einziehen des Fadens, oder in Holz zum Einfchlagen
von Stiftchen, vorfchlagen. An jene Stempel kann ebenfalls ers
innert werden, welche fchneidig gearbeitete Zahlen und Buchſta⸗
ben darftellen, und zum Zeichnen gegerbter Felle, oder zum Ein«
Ihlagen von Buchſtaben und Zahlen auf Holz oder Elfenbein (4.8.
auf Maßftäben) fehr vorteilhafte Anwendung finden.
Bei Metallarbeiten werden Ausfchlageifen feltener gebraucht.
Hierher find die Hauer oder Aushauer der Klempner zu rech⸗
nen, mit welchen fie größere, oft zwei Zoll weite Löcher in Blech
(lagen, welches dabei immer auf einer dien Bleiplatte liegen
muß. Einen folhen Hauer für runde Löcher (denn man hat fie
25 *
388 | Ausfchlageifen.
von verfchledener Größe und auch für ovale Löcher) ftellt Fig. 11,
Zaf. 7, im Durchfchnitte vor. Er ift aus gut gebärtetem Stahl,
und unten bei a ziemlich tief außgebohrt, damit er ſich, wenn er
flumpf wird, öfter fchärfen lͤßt. Das. Schleifen gefchieht bloß
am äußern Umfange der Schneide, welcher zu a Ende au
ſchon Fonifch gearbeitet ıft.
Mit ähnlichen Werkzeugen, an denen aber die Höhlung bei
a (Big. 11) fehr feicht und rein polirt ift, werden aus Meifing-,
Zombaf-, verfilbertem oder filberplattirtem Blech, die fhälchen-
artig vertieften Köpfe der Tapezierernägel ausgefchlagen, in welche
man dann die Spigen mit Zinnloth befeftigt. Auch Gürtler, Gold⸗
und Silberarbeiter wenden folche Eifen an, wenn fie eine größere
Anzahl vertiefter Plättchen brauchen. Das Blech erhält hier die
Wölbung gleichzeitig mit dem Aushanen, weil die Schneide des
Eifend zuerft das Blech niederdrüdt, und eben dadurch die Platte
zwingt, im Innern der Höhlung in die Höhe zu fteigen, und fich
nach ihr zu formen. Es gefchieht dieß defto Leichter, je Fleiner
der Durchmeffer der Schneide, und je dicker oder härter das mit
derfelben behandelte Blech if. Man Hat ſolche Eifen auch rofen-
förmig oder mit anderen Deffeins.
Gute Ausfhlageifen müffen nicht nur aus Stahl verfertigt
ſeyn, und die rechte Härte haben, damit fidy die Schneide weder
umlegt, noch ausfpringt und fchartig wird; fondern fie follen
auch an der Schneide aud dem Ganzen und maſſiv gefchmiedet
feyn. Die Höhlung wird gebohrt, und bei den runden am beften
auf der Drehbank ganz ausgebildet. Die Zaden und Een müſſen
gefeilt werden; fo wie man die, mit einer dreiedigen Seile ges
machten Einfchnitte in Fig. 14 bemerfen wird. Die Tocheifen der
Schuhmacher, wie Fig. 10, find an der Höhlung bloß aus einem,
dort breiter außgefchmiedeten Lappen über einem Dorn zufammens
gebogen, fo daß die Kanten in einer von a nad) b laufenden
Linie fid) berühren, und vollfommen an einander fchließen. Allein
nach diefer, obwohl fehr Teichten und wohlfeilen Herſtellungsart
erhält man diefe Werkzeuge nie gut und dauerhaft, indem die
Schneide bei b immer rau bleibt, auch wohl nach Iängerm Ge:
branch und bei einiger Gewalt. die Spalte ſich öffnet, und das
Eifen ganz unbrauchbar wird.
Ausftopfen. 389
Der Vergleichung mit den vorbeſchriebenen Ausſchlageiſen
wegen iſt noch anzuführen, daß man ſich auch noch anderer, ob⸗
wohl verwandter Mittel zu ähnlichen Zwecken bedient. So ver:
fertigt man durchbrochene Papierborduren durch das, in gewiſſer
Kinficht, umgekehrte Verfahren, indem ein Papierftreifen auf eine,
mit dem fchneidig gearbeiteten Deflein verfehene harte. Stanze
gelegt, und mit einem bleiernen Hammer gefchlagen wird ; noch
befier aber wird ein dergleichen fchneidiger, in fich felbft zurückkeh⸗
sender Deflein auf eine ftählerne Walze gravirt, und auf diefe Art
die Papierbordur auögepreßt. Zum Durchſchlagen von Löchern
in Metall wendet man ferner auch Meißel an, deren ımtere,
freißrumde oder vieredige ebene Fläche auf das Blech (auf einer
Unterlage von Holz oder Blei) oder auch auf dickere Stüde.aufge-
fegt, ein gleich geformtes Plättchen, oder bei Fleineren, eben fo
wie der Stift des bereitd oben befchriebenen, und Sig. ı2, Taf. 7
abgebildeten Klaviermacher- Werfzeugs aus dem Leder, einen ſo⸗
genannten Pugen ausfchlägt, wie dieß bei den Putzmeißeln
der Klempner, zum Xheile auch bei den Durhfchlägen der
Schlofjer geſchieht; und endlich gehören, als eine mehr erweiterte
Anwendung defjelben Prinzipes im Großen aud die Durſch—
fhnitte der Münzwerfflätten und Metallknopf⸗Fabriken hierher.
Bon diefen Werkzeugen und Vorrichtungen wird am gehörigen
Drte ausführlicher die Rede ſeyn.
G. 2.
Ausſtopfen.
Die Kunſt, Thiere auszuſtopfen (Taridermie), welche zur
Abficht Hat, der abgezogenen Haut fo viel ald möglich dad Anfehen
der. Iebenden Eremplare zu geben, erfordert außer einem bedeu⸗
senden Grade von Geſchicklichkeit und Übung auch noch gründliche
naturhiftorifche, und fogar einige anatomifche Kenntniffe. Obwohl
das Ausftopfen in der Regel nur bei den Thieren der höhern Klafe _
fen anwendbar ift, nähmlich bei den Säugethieren, Vögeln, Am⸗
phibien und Bifchen : fo ift doch Leicht zu entnehmen daß bei den fo
mannigfaltigen Formen das Verfahren fehr verfchieden feyn
könne, und daß faum mit Sicherheit anzugeben feyn dürfte, welche
der bisher befannten Manipulationsarten den andern vorzuziehen
390 Ausftopfen.
fey ; um fo mehr, als die vollfommene Nachahmung der Natur zu⸗
letzt dennoch von der Geſchicklichkeit und Sorgfalt des Arbeiters
abhängt. Unter diefen Umftänden wird man hier, da eine ins
Einzelne gehende fchriftlihe Anweifung zu diefem ziemlich ſchwie⸗
rigen Gefchäfte zu weitläufig feyn würde, nur jene allgemeinen
Bemerfungen finden, welche nothwendig find, um das BEIDEN
überhaupt anfdjaulich zu machen.
Dad Ausitopfen zerfällt in drei Hauptoperationen, von Wels
chen die erfte das Funftgerechte Abziehen der Haut, Die zweite das
Ausfüllen derfelben mit Baumwolle, Werg, Moos oder Heu, die
dritte endlich Die Aufſtellung felbft begreift. Davon im Weſentli⸗
chen abweichende Methoden find nur höchft felten im Gebrauch.
Hierher gehört das bloße Auftrodnen des Thieres, wo bloß der
Unterleib geöffnet, von den Eingeweiden entleert, und ausgeftopft
wird. Es ift faft nur bei den Fleinften Vögeln thunlich, weil
das getrocknete Fleiſch ftetd eine Lockſpeiſe für zerftörende Infel-
ten wird, und 68 daher bein Ausftopfen immer Grundfag bleibt,
alle fleifchigen und fetten Theile-fo viel ald möglich zu entfernen.
Auch eine andere Methode ift eben fo wenig anwendbar, nach wel«
cher der aus der Haut gebrachte Körper in Gyps abgegoffen, und
über diefen die Haut gezogen wird. Das Abgießen ift zu umfländ«
Jich und zeitraubend, und die Ausbildung und Kefefligung der
äußern Xheile fo fchwierig , daß von dieſem Verfahren, fo wenig
ald von einem andern, mo der Körper aus Holz gefchnigt werden
fol, ernftlicheg Gebrauch gemacht werden fann. Jener oben an«
gezeigte Gaug der Arbeit ift daher immer der vorzüglichte. Ein-
zelne Abweichungen werden jedoch in der Folge vorfommen.
Das Abziehen der Haut, oder das Abbälgen des Thieres ift
jene erſte, höchft wichtige Operation, welche, unzwedmäßig oder
ſorglos vollbracht, das Mißlingen des Erfolges herbeiführen Fann.
Es wird bei dem verfchiedenen Baue der einzelnen Xhierflaffen auf
verfchiedene Art verrichtet; ja felbft zum Abziehen der Saͤung e⸗
thiere, von denen zunächft gehandelt werden foll, gibt es mehr
als eine Vorfchrift. Es ift am leichteften, wenn die Haut nicht
am Bauche, fondern am Rüden des Thieres aufgefchnitten wird,
obwohl auch hier Ausnahmen gemacht werden müffen. Diefe Mes
thode hat für die Schönheit der fertigen Arbeit auch noch den
Ausftopfen der Säugethiere. 391
Rortheil, daß die Naht nicht bemerfbar wird, weil bie meiften
Säungethiere am Rüden dichtfichendes ſtarkes, am Bauche aber
weit dünnered Haar haben. Nahmentlich aber ift Diefe Art die
Haut aufzufchneiden immer unerläßlich,, wenn das Thier aufrecht,
oder auf den Hinterbeinen fipend, dargeftellt werden fol. Mau
macht demnach am höchften Theile des Rüdens einen Einfchnitt,
welcher zwifchen den Schulterblättern anfängt, und bid an die
Wurzel des Schweifes reiht. Man macht die Haut erſt auf der
einen.Seite, anfangs mit den Fingern, dann aber mit dem Mef-
ſergriffe, bis zum Bauche los, wendet das Thier um, und vers
fährt eben fo auf deflen anderer Seite. Die inneren naflen Raͤn⸗
der der Haut, welche beim Fortrücken des Abziehens umgelegt
werden muß, auch von felbft fi) einrolt, muß man mit etwas
angefeuchtetem Mafuilaturpapier bedecken, damit die Haare nicht
beihmngt und zufammengeflebt werden, deren Tpätsre Reinigung
mit großem Verluft an Zeit und Mühe verbumden ſeyn wiirde,
Man fucht nun den Schweif aus der Haut zu bringen, wozu
Übung erforderlich. ift, damit die, an diefer Stelle oft fehr dünne
Bedeckung nicht zerriffen werde, Unter dem Schweife aber, am
After, ſchneidet man die Haut mit der Schere Durch. Jetzt wird
die Haut an jedem Hinterfuße bis an die Nägel, Klauen oder
Hufe, unaufgefchnitten, bloß durch Umfehren, abgezogen. Man
fchneidet ſogleich das Fleiſch von den Knochen, ohne jedoch die
Bänder und Sehnen zu verlegen, fo daß Demnach die Knochen,
mit Ausnahme des obern Schenfeltuochens, mit Der Haut in Ver⸗
bindung und zulegt auch in dem ausgeflopften Thiere bleiben, deſ⸗
fen Süße ohne die Durch die Bänder zufammenhäugenden Knachen
weder die gehörige Feſtigkeit, noch auch die zur getreuen Nachah⸗
mung der Natur erforderliche Form. erhalten würden. Auf ähnliche
Art wird ansh mit Den Vorderfüßen verfahren. Nun zieht man.
Die Haut von der Bruß und dem Halſe ab, wo diefelbe nur dann
eines Einfchnitted bedarf, wenn Der Kopf groß, der Hals fehr .
dünn ift, und die Bekleidung des Iegtern bei der naͤchſtfolgenden
Operation naturiwidrig ausgebahnt werden müßte, Die Zubereis
tung des Kopfes ift am ſchwierigſten. Man fireift Die Haut bis
an die Ohren ab, und fshneidet diefelben, ohne ſie aus der Kopf-
Haus zu bringen, indem fie auch nach dem Ausftopfen in Diefey
392 Ä Ausftopfen.
bleiben, hart am Kopfe ab. Sodann ſetzt man das Abftzeifen bẽs
an die Augen, welche, jedoch ohne Beichädigung der Augenlieder,
ganz herausgenommen werden, und bi8 an die Nafe fort: Der
Schädel felbft wird durchfchnitten, fo daß nur der obere und vor⸗
dere Theil deflelben und die untere Kimnlade, bis auf ihr hinteres
zahnlofes Ende, mit der Haut im Zufammenhange bleiben. Alles
Fleiſch an diefen Anochen, fo wie das Gehirn, muß rein und fo
forgfältig als möglich weggefchafft werden. Sind Hörner vorhan-
den, fo wird die Haut nur bis an diefe losgemacht, und aus dem
Schädel ein Stüdchen der Hirnfchale herausgefchnitten, an welchem
beide Hörner beifammen bleiben. In der Folge wird diefes Stück⸗
chen fammt den Hörnern an feinem vorigen Ort wieder eingepaßt,
und die Kopfhaut Darüber gezogen.
Es ift ein Grundfag, daß das Audftopfen unmittelbar nach
der eben befchriebenen Zubereitung, recht ſchnell und ohne Unter⸗
brechung vorgenommen werden müffe, fo lange nähmlich die Haut
ihre Gefchmeidigkeit nicht verloren, oder gar durch gänzliches
Austrocknen Form und Größe derfelben fich geändert hat. Allein
da fie roh ift, da ferner, felbit dad fleißigfte Ausfchneiden der flei⸗
fhigen und fetten Theile vorausgeſetzt, noch Stoff genug übrig
bleibt, welcher Inſekten anloden, und die baldige Zerftörung des
‚auögeftopften Thieres herbeiführen wärde: fo iſt e8 durchaus noth-
‚ wendig, die Haut vorher mit folchen Materialien zuzubereiten, welche
die Raubinfeften abhalten. Leider fcheint bisher noch Fein ganz
fiheres Mittel zu dieſem Zwecke befannt zu feyn. Selbſt Arfenif,
äbender Sublimat, und andere fcharfe mineralifche Stoffe, welche
ihrer giftigen Eigenfchaften wegen immer höchft bedenflich find,
und felbft noch bei dem bereitö aufgeflellten Thiere mannigfaltige
Gefahr bringen fönnen, beugen jener Zerflörung, wie die Erfah.
rung lehrt, nicht immer vor. Sie ſchützen faft nur die Oberfläche
der Haut, indem fie, felbft mit Beihülfe des Waflers, in welchem
fie nicht in großer Menge ſich auflöfen, unfähig find, das Innere
zu durchdringen. Indeſſen verdienen noch folgende Sicherungs⸗
mittel angeführt zu werden. An der Luft zerfallener Kalf und
Alaun, mit einem Zufage von Tabakaſche, auf die Sleifchfeite
der Haut eingerieben, entziehen ihr ſchnell die Beuchtigkeit, und
gewähren ziemliche Sicherheit. Auch Kienöhl, Kampher, Weine
Ausftopfen der Gäugethiere. 395
ftein und Salmiaf-werden empfohlen. Noch beffer ift e& freilich, die
Haͤute durch eine Brühe aus Eichenlohe und Alaun einer Art von
Gerbung zu unterwerfen; allein e8 entfteht Dadurch die Unbequem⸗
lichfeit, Daß die Haut, wenn dad Gerben nur mit einiger Voll-
kommenheit gefchehen fol, fich durch Zuſammenziehen verkleinert,
und dann zur naturgetreuen Ausfüllung weit mehr Kunſt und
Muͤhe erfordert.
Beim Ausſtopfen nicht zu großer Thiere dient als Material
aufgelockerted. Werg. Dan bildet genau nach der Natur aus dem:
felben .zuerft den Hals des Thieres, gibt ihm durch Umwinden mit
Bindfaden Feftigfeit und Rundung, und bringt den vordern Theil
in die Offnung des Schädelfnochens, nachdem man vorher den
Raum der audgefchnittenen Muskeln des Kopfes ebenfalls mit fei-
. nem erg oder auch mit Baumwolle, fo wie die Augenhöhlen
ausgefüllt, und in den Fegtern die kuͤnſtlichen Augen befeftigt hat,
von deren Beſchaffenheit und DVerfertigung im Artifel Augen
gehandelt worden ifl. An den Knochen der Beine gibt ebenfalls
umgewideltes Werg die richtige Form; fo wie auch in der Haut _
des Schweifeß, in welche ein, mit Werg umwidelter Drabt ges
fedt wird. Auf diefelbe Art wird der Rumpf behandelt; und
nachdem man über alle diefe Theile nad) und nad) Die Haut ges
zogen, und wo es nöthig war, hervorfpringende Stellen duch
nachgeftopfted Werg, am gehörigen Orte eingelegte Stüde von
Stricken oder leinenen Lappen, vollfommen ausgebildet hat, wor
bei nur Erfahrung und ein richtige® Augenmaß, und die Verglei-
hung mit lebenden Thieren derfelben Art, oder mit guten Abbils
dungen das vollfommene Gelingen verfichert; fo wird der Schnitt
in dee Haut geſchickt wieder zugenäht, und das Haar fo geordnet
daß die Naht vollkommen unfichtbar wird.
Um das Thier aufzuftellen, müflen, der Feſtigkeit wegen,
Drähte von der gehörigen Stärke (bei ganz großen Thieren eiferne
Stangen) in fein Inneres gebracht werden. Es geſchieht dieſes
auf verfchiedene Art, am leichteften dadurch, daß man die am
vorderen Ende zugefpigten, nicht ausgeglüheten Eifendrähte erſt
nad) dem Ausftopfen gewaltfam eintteibt: Einer derfelben kommt
durch den Kopf bis in Die Mitte‘ des Rumpfes, und vier andere
Richt man durch die Züße, ebenfalls biß in den Rumpf. Bon den
394 Ausſtopfen.
letzteren laͤßt man aus den Fußſohlen ſo viel hervorragen, als
man zur fünftigen Beſeſtigung des Thieres auf einem Brete, Aſte,
oder dgl. bedarf. Nach einer andern Methode Fönnen die Drähte
aud) vor der Vollendung des Ausftopfens angebracht werden, wo⸗
durch fich eine größere Feſtigkeit erreichen läßt. Man nimmt Drei
lange Drähte, von welchen man zwei in ihrer Mitte zufammenbieget.
Einer derfelben wird Damm mit dem gerade gebliebenen bis auf eine
gewille Länge fchraubenförmig zufammengedreht, die Enden aber
werden gabelförmig auseinander gebogen. , Eben fo verfährt man
am andern Ende des geraden Drabtflüdes, wodurd man an dem⸗
felben vier, mit ihm feft verbundene Afte erhält. Die letztern
werden neben den Anochen in die Haut der Füße geftedt, waͤh⸗
rend .der lange Draht mit einem Ende in das Hinterhauptloch,
mit den andern aber in die Haut des Schweifes gebracht wird.
Das richtige Außftopfen der Füße aber ift dann viel muͤhſamer, als
wenn abgefonderte Drahtftüde erft nach dem Ausftopfen eingefto-
hen werden, |
Dem auf die befchriebene Art behandelten Körper läßt ſich
jebt leicht Durch Biegen die angemeffene natürliche Stellung geben
In die Ohren werden, damit fie nicht zufammenfchrumpfen, ges
rollte Rartenblätter geſteckt, und einftweilen mit Stedinadeln be⸗
feftigt... Aus derfelben Urfache muß man die. Nafenlöcher mit
Papier auöftopfen, und den Mund mit Nadeln fchließen, ober
auch zunähen; und Daun erft kann das Trocknen, welches recht
ſchnell geſchehen foll, entweder in einem Badofen, oder bei grö-
ßeren Thieren in einem anderen fehr warmen Orte vorgenammen
werden.
Thiere, welche mit Schildern oder Schuppen, mit Stacheln,
oder einem fehr ftarfen Haarkamme auf dem Rüden verfehen find,
müffen nothwendiger Weife am Bauche aufgefchnitten werden; in
welchem Sale von den Hauptfchnitte aus auch noch fürzere Schnitte
zur Seife, unter rechten Winkeln mit jenen, bis an die vier Beine
gemacht werden. An.gewillen haarloſen Theilen, z. B. der Nafe,
den Lippen, dem Rachen, wenn er offen feyn fol, den Schwie⸗
Ien der Affen, muß auch mit Farbe nachgeholfen werden, weil
diefe Theile beim Trocknen fich fehr bedeutend verändern.
Dei ganz großen Thieren, 3. ©. den Elephanten, kann ein
Ausftopfen der Vögel. 395
die Umriſſe des Körpers nachahmendes Gerüft, aus Bögen von
leihtem , 3. B. Einden-Holz; beftehend, erbaut, und über diefed,
ohne eigentlidhes Auöftopfen, mit Ausnahme einiger wenigen
heile, die Haut gezogen werden. Das legtere ift, wenn die Kos
fien eines genau gearbeiteten Holzgerippes nicht in Betrachtung
fommen, Dann um fo leichter, und gewährt noch den Vortheil,
daß die Haut gegerbt werden fann, indem die Verfleinerung ihres
Amfanges, da dad, die äußere Form beftimmende Gerüft vorbans
den ift, nicht viel zu bedeuten hat. Eine Befchreibung bes hier
zu beobachtenden Verfahrens findet man in J. H. Voigt's Maga
zin für den neueften Zuftand der Naturfunde, Weimar 1605,
IX. Band, Seite 269 u. ff. Bei diefer Methode müßte übrigens
aur ein Fehler vermieden werden, der nähmlich, daß die Haut,
weldye im feuchten Zuftande übergezogen werden muß, fich nach dem
Zrodnen zu feſt an dad Gerippe anlegte, und lepteres hierdurch
auch auf der äußeren Fläche fihtbar würde. Man müßte dephalb
die einzelnen Theile und Bogen des Gerippes an den Kanten ftarf
abrunden, oder noch befler, daflelbe ganz, oder doch an den groͤß⸗
ten Öffnungen, mit Pappe befleiden, welcher man vorher die
nöthige Krümmung zu geben hätte.
Die Zubereitung der Vögel ift leichter als die der Säuges
thiere, weil bei dem einfachern Baue die richtige Form eher "zu
treffen ift; fchwieriger aber in Beziehung auf die Behandlung und
unbefchädigte Erhaltung der Sedern, welche weit leichter nachthei«
lige Änderungen erleiden, ald die Haare. Dit Rüdficht auf diefe
Eigenheit ift zu bemerken, daß das Ausftopfen jener Vögel am.
beiten gelingt, welche entweber eines natürlichen Todes geftorben,
oder durch Erſticken getödtet worden find; daß man aber bei fol-
hen, welhe Schußwnnden haben, fowohl diefe, als auch den
Schnabel mit Baumwolle verftopfen müffe, um anbaltendes Blu⸗
ten und das Verderben der Federn zu verhindern; auch follten fie
fogleich nach dem Tode zum Transport in weiches Papier gewi⸗
delt werden. Berner follten die Vögel, wenn man die Wahl hat,
zum Ausftopfen zu jener Zeit, wo fie ihr Gefieder ganz; vollkom⸗
men haben, verwendet, und die Bearbeitung der zu fett geworde⸗
nen möglichft vermieden werden. Man muß ferner auch das Aus⸗
ſtopfen nicht zu lange, und biß zur. beginnenden Faͤulniß verfchier
396 Ausftopfen.
ben, weil dann die Haut mürbe ifl, die Federn zum Ausfallen
geneigt find, und die Arbeit in mehrfacher Beziehung mißlich und
unangenehm wird.
Die Vorbereitung, welcher der todte Vogel vor dem Abzie-
ben bedarf, befteht in der Reinigung des Gefieders, wenn diefes
mit Blut oder fonft befledt if. Es gejchieht mit reinem Waſſer,
welches wiederholt mit einem Schwamm aufgetragen wird. Das
legte, nicht mehr gefärbte. Waller wird zum Theil mit dem
Schwamme aufgefaugt; endlidy aber befireut man die Stelle mit
Haarpuder, welchen man nach dem Trodinen duch Auflodern und
vorſichtiges Kämmen der Federn wieder wegbringt. Es verfteht
fi) von felbft, daß dieſes Kaͤmmen, welches auch noch öfter in
der Folge gefchehen muß, immer nach der natürlichen Lage der
. Sedern, und nie gegen den Strich, vorzunehmen ifl. Vor dem
Auffchneiden der Haut wird noch der Armfnochen in jedem Fluͤgel,
ummittelbar über dem Ellbogen, abgebrochen, ohne jedoch die
Haut im Mindeften zu verlegen, und zwar bei Fleinern Vögeln
bloß mit den Bingern, bei größern mit einer nicht zu feharfen Kneip⸗
oder Beißzange.
Man madht in die Haut, während der Vogel auf dem Rü-
den liegt, einen Einfchnitt, welcher von der Spige des Bruſtkno⸗
chend bio zum Bauche, oder auch ein wenig weiter reicht; hebt die
Haut von der einen Seite des Schnittes behuthſam auf, und fuche
fie bis unter den Slügel lodzumachen, wobei man nur im Notbfalle
der Schneide des Meffers, vorzüglich aber des bloßen Ziehens und
des zwifchen Haut und Fleiſch eingefteckten Meflergriffes fich be-
dient. Eben fo wird auch die andere Seite behandelt, an der
innern Släche der Haut aber unverzüglich wieder durch Befeuchten
biegfam gemachted Drudpapier aufgelegt, um das Beſchmutzen
der Federn zu verhindern. Der Hald des Vogels wird hierauf
gebogen, durch die Spalte der Haut herausgedrüct, und nicht zu
nahe am Körper abgefchnitten. Lebteren jept ganz aus dem Balge
zu bringen, fällt nicht fchwer, da die Armknochen bereits gebros
hen find, und nur um den Reſt derfelben und die Haut am Rü⸗
den Ioszumachen, bedarf es einiger Vorficht, damit Feine Riffe
entfteben. Wenn die Haut bid zum Schenkel abgeftreift üt, fo
Ihiebt man das Nein von außen in die Höhe, und zieht Die Haut
Ausftopfen der Vögel, 397
his an den bei den meiften Vögeln unbefiederten Theil des Fußes -
(bis an das eigentliche Berfengelenf) ab. Der unmittelbar über
diefem Selenfe befindliche Knochen‘ wird, nachdem er vom Bleifche
geremigt ift, gleich unter feinem obern Selenfe (dem Schenkelge⸗
Ienf) abgebrochen, und bleibt demnach mit der Haut in Verbin⸗
bung. Diefe läßt fi) nach der Bearbeitung beider Schenfel bis
zum Steiße abziehen, wo ein Schnitt durch die letzten Schwanz⸗
Wirbelfnochen gemacht, und Dadurch der fleifchige Theil, in wel:
hem die Schwanzfedern eingewachfen find, mit an der Hant ers
halten. wird. Noch it Kopf und Hals zu präpariten. Der letztere
läßt ſich Teicht aus der Haut bringen, und diefe fi) bis an Die
Ohren abftreifen, wo fie aber aus den Höhlungen derfelben heraus:
gehoben, und dann erft, damit hier nicht zu große Löcher entſte⸗
ben, dirtchgefchnitten "werden muß. Nun fährt man mit dem
Abziehen fort, bis die Augäpfel bloß liegen und aus ihren Höhlen
genommen werben fönnen. Der Schädel bleibt nicht ganz, fondern
ed werden in demfelhen, erftlich. in gleicher Linie mit dem Schnas
bel von den Augenhöhlen nach dem Genick zu, und dann von dieſem
fenfreiyt nach unten, zwei Schnitte gemacht, welche in jeder
Augenhöhle unter rechten Winkeln zufammentreffen; fo daß der
Hinterkopf fammt dem daran befindlichen Halfe wegfällt, und an
der Haut nur noc ein Theil der Kinnladen, der Augenhöhlen
und die obere Hälfte des Schädels zurückbleiben, welches Alles
recht forgfältig gereinigt werden muß. Auch die Zunge fann aus⸗
geichnitten werden. Das Fleiſch an den in der Haut zuruͤcklei⸗
benden Armfnochen vertrocknet bei Fleinen Vögeln fo bald, daß
es füglich unbeachtet bleiben kann; bei den großen Thieren diefer
Klaffe aber muß e8 noch beſonders abgelöfet werden. Bei diefen
muß Daher die Haut über den Arm bis an die fogenannte Hand
aufgeftreift werden, welches leichter durch das Auffchneiden ge:
lingt, weil bei dem bloßen Umkehren die Tangen Slügelfedern alls
zuleicht in Unordnung gerathen. Sowohl an den Armfnochen als
an den Schenfeln werden die fleifchigen Theile fogleich wieder
durch umgewundene Baumwolle oder feines Werg erfebt, und die
Haut in ihre-alte Lage gebracht. Brüher noch muß dad Snnere
der ganzen Haut mit dem gewählten Schußmittel gegen die Inſek⸗
ten verfehen werden.
| 398 Ausſtopfen.
Von dieſer Art des Abbaͤlgens iſt man manchmahl gezwun⸗
gen abzuweichen. Bei Schwimmvögeln, welche auf Bruſt und
Unterleib meiſtens mit ſehr Dicht ſtehenden Federn bedeckt find, und
bei ſolchen mit ſchoͤnen Zeichnungen an dieſen Theilen, geht das
Aufſchneiden hier nicht an, weil die Nath in der Folge einen Übel-
fland verurfachen würde; fondern ed muß auf dem Rüden gefches
ben. Der Schnitt fängt bei der Haldwurzel an, und wird fo
lang gemacht, wie fonft auf der untern Seite. Berner läßt fich
bei Vögeln mit ſehr duͤnnem Halfe und großen Kopfe die Hals»
baut ohne zu berften nicht weit genug über den Kopf ziehen; fie
- muß deßwegen, und zwar rüdwärts am Halfe, aber immer nur
fo wenig ald möglich, aufgefchnitten werden.
Ausgeftopft werden die Wögelbänte gleichfalls mit Berg,
and. welchem ein Fünftliher Körper verfertigt, und diefem die
Haut angepaßt wird. Zu groß darf derfelbe-ja nicht gemacht wer⸗
den,. weil fonft Die Haut nicht fchließt; weniger fehadet ed, wenn
er etwas zu klein geräth, indem die Haut beim Trocknen fich zu⸗
fammenzieht, und dann doch vollfommen- ausgefüllt erfcheint.
Man bildet zuerft.aus Flein gefchnittenem oder fein gezupftem Werg
den mit Bindfaden, der mehreren Slätte wegen, umwundenen
Hals, und bringt ihn (mach vorausgegangener Ergänzung der
fehlenden Theile des Schädels, und nach dem Einfegen der kuͤnſt⸗
lichen Augen in die Höhlen deilelben) in die Haut des Halſes.
Eben fo wird der Körper, nach den Abmeflungen des wirklichen
geformt, in die Haut des Rumpfes eingepaßt, und wenn Alles
durch Nachhelfen an den noch fehlerhaft gebliebenen Stellen die
richtige Form erhalten hat, der Schnitt an der Bruſt (oder am
Mücken) gugenäht. Die Federn werden fo geordnet, wie im leben-
den Zuftande des Thieres, ohne. fie zu verdrüden, zu zerfafern,
:oder fonft zu befchädigen.
Zur Aufftelung werden die nöthigen Drähte in dem audge-
ftopften Vogel angebraht. Man flicht einen zugefpigten Draht
in jeden Fuß, welcher durch die hornähnliche Bedeckung des Beis
ned am Schenfelfnochen hinauf bis in den Rumpf reichen muß.
Beide Drähte laufen am beiten in fhiefer Richtung, fo daß fie fich
im Innern des Vogels etwas einander nähern, wodurch Derfelbe,
wenn fie durch Zufammendrüden der Fuͤße mehr parallel werden,
Ausftopfen der Vögel. 309
einen feftern Stand erhält. Ein dritter Draht fommt durch den
After in den Rumpf, und ift beftimmt die Schwanzfedern zu unters _
flügen. Der Halsdraht wird oben vom Scheitel bis in die Ge⸗
gend der Schenfel eingetrieben. Zwei Drähte in den Slügelt,
oder bei fehr großen Vögeln, zwei Paar derfelben — einer neben
den abgebrochenen Oberarm," der andere am Handgelenk hinreis
hend tief eingeſteckt — geben auch diefen die nöthige Haltbarkeit;
und dann unterliegt es eben fo wenig einem Anflande, die Theile
des Vogels durch Biegen in die richtige Lage zu bringen, als ihn
auf der beftimmten Unterlage zu befefligen, oder auch mit ausge⸗
breiteten Sittichen oder im Fluge darzuftellen. Der Schnabel
wird einftweilen durch Zunähen oder durch Stifte, oder durch Zus
fammenleimen für immer, gefchloifen. Man ummwindet den Vo⸗
gel, vorzüglich am Numpfe, mit Binden, die kleinern auch bloß
mit einem Bande, oder emem Streifen ftarfen Papiers, und bes
wirft ein ſchnelles Trodnen, am beften durch Ofenwärnte; wobei
aber darauf zu fehen ift, dag ja alle Theile ohne Ausnahme vor
der Beendigung diefed Gefchäftes ihre richtige Lage haben, da
der Vogel im vollfommen ausgetrockneten Zuftande fo hart iſt,
daß fi) an demfelben ohne Gefahr des Zerbrechens nidytd mehr
ändern läßt.
Eine hoͤchſt ſchwierige Aufgabe ift ed, Baͤlge von Vögeln
und Säugethieren, welche man abgezogen und ſchon getrodnet
erhält, auszuftopfen. Um fie wieder biegfam zu machen, muß
man fie aufweichen, welches bei jenen der Säugethiere minder
umftändlich ift, indem man fie geradezu in Waffer legen, und
fd Tange in demſelben laffen kann, bis fie ihre Biegfamfeit, wenn
auch nie fo, wie im frifchen Zuftande, wieder erlangt haben. Bei
den Vogelhäuten aber ift nichts zu thun, ald daß man fie, wenn
fie, wie gewöhnlich zufammengeflappt, und mit Moos, Heu, u. dgl.
etwas gefüllt find, entleert; auf der innern Seite, ohne fie auf:
zubiegen, wodurdy fie brechen würden, allmählich naß macht, fie
dann mit gut durchnaͤßtem Werg ftopft, in ein feuchtes Tuch ein«
Ihlägt, und einige Zeit an einem feuchten Orte liegen läßt. Durdy
Wiederhohlung diefes Verfahrens bringt man es endlich dahin,
vorzüglich wenn man noch fehwache Afchenlauge und warmes Waſ⸗
fer zu Hülfe nimmt, daß fie fich nothdürftig behandeln und mit
400 Ausftopfen. .
Vorſicht ausftopfen laſſen. Ähnliche, und noch mühfamere Gand-
griffe, deren Aufzählung hier zu weitläufig-feyn würde, müllen
gebraucht werden, wenn fchlecht ausgeſtopfte Eremplare umgeän-
dert, oder gar von Inſekten angegriffene wieder bergeftellt wer-
ben follen. Hier muß fogar nicht felten ein geſchicktes Einfegen
einzelner Hautflede und neuer Sedern von andern aͤhnlichen Indi⸗
viduen vorgenommen werden; ein hoͤchſt mühfeliged Verfahren, .
welche. bei dem. immer nicht ganz genügenden Erfolge. nur durch
die Seltenheit des zu ergänzenden Eremplared veraulaßt wer
den fann.
Das Ausftopfen der meilten Amphibien ift fchon viel
- Teichter, ald das der mit Haaren und Federn bedeckten Thiere. Bei
den Sröfchen und allen kleinern EidechfensArten wird der Rachen
geöffnet, Magen und Eingeweide werden durch denfelben mittelft
einer Zange herauögezogen, und der Rüdgrath wird, ebenfalls
durch den Rachen, bei den erften Haldwirbeln zerfchnitten. Man
wendet dann den Rachen um, fo daß das Innere audwärts fommt,
und fängt an, die Haut des Körpers abzuftreifen. - Bald find, auf
dDiefem Wege die Vorderfüße bis zu den-Zehen, welche man ab⸗
ſchneidet und an der Haut läßt, ferner der Leib und die Hinter-
füße abgeſchaͤt. Die ganze Bededung ift mithin fo wie ein
Handſchuh umgefehrt, ohne daß es nörhig wäre, einen Einfchnitt
in die Haut zu machen, mit Ausnahme einiger Erweiterung des
Rachens, welche im Anfange der Operation durch Wegfchneiden
der Zunge und der fleifchigen Theile Teicht bewirkt wird. Der
Scyädel bleibt dieſemnach in der Haut, wird aber rein ausgenom⸗
men, ſo wie auch die Augen ſpaͤter durch künſtliche zu erſetzen ſind.
In den wieder umgekehrten leeren Balg laͤßt man durch den ge⸗
öffneten Mund mit Huͤlfe eines Trichters feinen Sand laufen, bis
er vollfommen ausgefüllt ift, und durch mäßiges Druͤcken und
andere leicht zu findende Mittel feine urfprüngliche Form wieder
erhalten bat. Nach dem Trocknen fann entweder der Sand an
feiner Stelle bleiben, oder man läßt ihn durch den Mund auslau⸗
fen und erſetzt ihn durch Baumwolle. Den Beſchluß der Arbeit
macht das Überſtreichen des Balges mit einem hellen, leicht trock⸗
nenden Firniſſe, um Glaͤtte und Glanz des lebenden Thieres —
zuahmen.
Ausftopfen der Amphibien und Fiſche. 401
Die meiften Schlangen, auch die ihnen im Baue ähnlichen
Fiſche, können auf diefelbe Art behandelt werden. Nur bei fol«
hen, welche in der Mitte gu dick find, als daß der Körper. durch
den Rachen geben Eönnte, ohne ihn zu zerreißen, iſt eine Abaͤn⸗
derung nöthig. Man erweitert nähmlich den Rachen durch Ein-
ſchneiden, und näht ihn zulegt wieder zu. Noch beifer aber ver-
fährt nıan folgender Maßen. Man ſchlitzt an der dickſten Stelle
bed Körpers die Haut etwas auf, und ſchneidet denfelben bier
quer ganz durh. Dann faßt man das eine Ende. desjelben und
zieht es durch ‘die Offnung in der Haut bis an. den Kopf, wo.
es abgefchnitten und als unnuß befeitigt wird. Daſſelbe gefchieht
mit dem hintern Ende, und fo fann die Haut, mit Ausnahme des
Kopfes und der Rinnladen, gänzlich entleert werden: Große
vierfüßige Amphibien, wie mehrere Eidechfen und die Rrofodille,
werden fo wie die mit Schildern befebten Säugethiere geöffnet uud
außgeftopft. Schwierig aber ift Die Zubereitung der Schildfröten,
nicht in Hinficht des Ausftopfens felbft, fondern in Hinſicht des
Dffnens und Abziehens, welches wegen der verfchiedenen Beſchaf⸗
fenheit der Schilder, und ihrer Verbindung unter einander bedeu«
tende Schwierigfeiten veranlaßt, und, wenn es gut gelingen fol,
eine genaue Kenntniß jener Verfchiedenheiten, und mithin angto«
miſche Kenntnilfe des Baues diefer Gefchöpfe vorausfept. Bei
jenen, wo die zwei Schilder bloß durch eine mehr oder weniger
fefte Haut gufammenhängen, kann diefe aufgefchnitten werden, um
die inneren Theile herauszufchaffen ; wo aber wahre Knochen⸗
Mähte die Vereinigung der Schilder bewerfftelligen, welche man,
ohne Pfünftigen, Faum zu verbergenden Übelftand, nicht mit der
Säge durchfchneiden fann, muß das Ausräumen ducch die Öff:
nungen am vordern und hintern Theile des Thieres gefchehen;
die früher abgenommenen Theile aber, Kopf und Fuße nähmlich,
müflen abgefondert bearbeitet werden. Jedoch ift es immer ſehr
fhwer, die legtern wieder in ihre vorige Lage zu bringen; und
ein vollfommen naturgetreues Ausſtopfen diefer Thiere verlangt
demnach einen nicht unbedeutenden Grad von Geſchicklichkeit.
Zum Ausftopfen der Fifche hat man verfchiedene Vorfchrifr
ten, deren Anwendbarfeit zum Theile Durch die jedesmahlige Haupt⸗
form der einzelnen Arten bedingt wird. : Daß man bei einigen dei
Technot. Encyclop. I. Op. 26
402 Ausſtopfen.
Körper durch die Mundoͤffnung (manchmahl auch durch die Kie⸗
men=Dedel) entfernen koͤnne, erhellt bereits aus dem oben Ge⸗
fasten. Allein auch die Haͤute vieler anderen kann man, obwohl
mit Muͤhe und Geduld, erhalten, ohne fie irgendwo aufzuſchnei⸗
den. Zu diefem Ende nimmt man die Kiemen durdy die gleich»
nahmigen Öffnungen heraus, und entfernt auf demfelben Wege
alle Eingeweide. Dann fucht man mit einer Art von dünner höl-
jener Spatel, Durch langſames Einfchieben und Bewegen derfels
ben, die Haut vom Fleifche bis an den Schwanz loszumachen, wors
auf fowohl das Fleiſch, ald auch Die mit einem dazu paſſenden
Zängelchen zerbrochenen Gräthen und der Rückgrath ftüdweife
durdy den allenfalls etwas erweiterten Mund berausgehohlt
werden. Die Enden der im Fleifche fteddenden Floßgräthen muͤſſen
mit einer gefchit in dad Innere gebrachten Schere abgefchnitten
werden. Mach der Reinigung des Schädeld hängt man die leere
Haut an demfelben auf, und füllt fie durd, den Mund mit feinens
Sand, welcher, nachdem Alles hart und troden geworden iſt,
wieder außgeleert werden kann. Es bleibt von demfelben nur noch
eine, durch die Feuchtigkeit der inneren Hautfläche gleichſam an⸗
geleimte, dünne, die Hülle verftärfende Krufte zurüd. Übrie
gend kann man auch an den Fifchen die Haut auffchneiden, und
fie auf ähnliche Art, wie Vögel und Säugethiere ausftopfen. Am
gewöhnlichften gefchieht der Schnitt am Bauche, reicht von Une
terfiefer bis zum After, und gebt hart an den auf einer Seite der
Haut bleibenden Floßen vorbei, welche mit der Schere fo durch⸗
gefchnitten werden muͤſſen, daß fie an der abgezogenen Haut hän-
gen bleiben. Beim Audftopfen aber ift vorzüglich Darauf Bedacht
zu nehmen, daß der Körper aus Werg dem des Fifches am Um
fange gleich, ja aber nicht größer werde. Da die Haut der Bifche
weit weniger nachgiebig, und viel fpröder iſt, als die der Saͤuge⸗
thiere oder der Vögel; fo wärde, wenn fie zu flraff geftopft wäre,
beim Trodnen und Zufammenziehen die Math, oder die Haut
felbft aufplaben, und die Arbeit wäre fohin mißlungen.
Bei den Thieren derjübrigen- Klaſſen findet ein eigentliches
Ausftopfen Höchft felten Statt. Nur den Hinterleib mandyer In⸗
fetten, welcher duch freiwilliges Austrocknen zu fehr einſchrum⸗
yfen wärde, pflegt man. öfters aufzufchneiden, zu entleeren, und
Automate. - 403
mit Baumwolle auszuſtopfen. Die Haͤute der Naupen werden
gleichfalls, aber nur durch den etwas erweiterten After, durch
Hinausdrüden der weichen, den Körper bildenden Beftandtheile
auögeleert, mit einem Röhrchen aufgeblafen, und entweder in
diefem Zuftande getrodnet, oder allenfalls mit flüffig gemachten,
auch wohl gefärbten Wachfe ausgegoffen. Bei den Krebfen und
Krabben ift gleihfalld das Entleeren und einigen der harten.
Schalen die Hauptfahe, und das Außftopfen mit Werg oder
Baumwolle nur beim Körper felbft gebraͤuchlich. Es wird daher-
genügen, diefe Verfahrungsarten bier im Allgemeinen erwähnt
zu haben.
Naͤhere Belehrung über das Außftopfen geben, außer mehre:
ren anderen, folgende Fleinen Schriften: K. P. Stein’s
Handbuch des Zubereitens und Aufbewahren® der Thiere aller
Kaflen, Frankfurt a. M. 1802; und 3. 5. Naumann’s Tari-
dermie, oder die Lehre, Thiere aller Klaſſen auszuftopfen und
aufzubewahren, Halle, 1815. r
®. A.
Automate.
Nach dem buchſtaͤblichen Sinne würde man Automat
(Selbftbewegungs-Mafchine) jede mechaniſche Vorrichtung nennen
müflen, welche vermöge der in ihr verborgenen, gehörig vorbe⸗
reiteten Kraft, gewille Bewegungen eine Zeit lang fortfeßte, ohne
einer fernern dußeren Einwirkung zu bedürfen. Dieſemnach wür«
den alle Arten von Uhrwerfen, die Planetarien, die Bratenwen-
der, und noch manche andere Mafchinen hierher gehören. Allein
der Sprachgebrauch befchränft den Ausdruck Automat Bauptfächlich
anf jene mechanifchen Kunftiverfe, bei welchen die verborgene, in
Thaͤtigkeit gefepte Kraft die willfürlichen Bewegungen lebender
Weſen nachahmt. Menfchliche Biguren diefer Art. fommen zus
weilen unter der befondern Benennung Androide vor.
Obwohl dem Befagten zu Folge die eigentlichen Uhrwerfe
nicht zu den Automaten gerechnet werden fönnen, fo unterliegt es
doch keinem Zweifel, daß die Uhrmacherkunſt, und ihre allmaͤhliche
Bervollfommnung und Verbreitung zum Entftehen der Automate
Öelegenheit gegeben habe; fo wie auch jeßt noch die meiften der:
26 *
404 Automate.
felben in Hinficht des innern Baues und vorzüglich der Art, wie-
die bewegende Kraft angebracht und fortgeleitet wird, große Ver⸗
wandtfhaft mit den Uhren haben; ja fogar nicht felten werden
Automate unmittelbar an Uhrwerfen angebracht, und mit ihnen
verbunden. Daß letztere ift fchon in früherer Zeit, nähnlich gegen
das Ende des dreizehuten Sährhunderts, bei mehreren Thurmuhren
. gefhehen, wie z. 8. bei jenen zu Straßburg, Lübeck, Prag,
Ollmůtz, u. f.w. Eine forgfältige hiftorifche Unterfuchung dürfte
dad Refultat liefern, daß die eigentlichen Automate gewiß nicht
älter find, als Die Näder-Uhren, vollkommenere Stüde diefer Art
aber vor der allgemeineren Einführung der Uhren mit Federn niche
verfertigt worden find. Manche Nachrichten über ältere Automate,
wie 3. B. die fliegende Taube des Archytas von Tarent, Nes
giomontam's eiferne Fliege, der Adler, welcher dem Kaifer Ma⸗
zimilian in Nürnberg 1470 entgegengeflogen feyn fol, beruhen
auf Täufchung und Übertreibung; denn die genannten drei Kunſt⸗
werfe müßten auch jeßt noch, nach aller Vervollfommnung mecha=
nifcher Hülfdmittel, zu den fchwierigften Aufgaben gezählt werden,
indem gerade die Nahbildung Fliegender Gefchöpfe aus mehre:
ren Gründen aͤußerſt ſchwer, ja bei einem gegebenen fehr Heinen
Raume für den, Bewegungs : Mechanismus, und bei dem durch
das Material (welches nur Metall feyn kann) vergrößerten Ges
wichte, gar nicht gelingen würde. Gewiſſer find die Angaben
Fünftliher mechanifcher Figuren aus dem fechzehnten und ſiebzehn⸗
ten Jahrhunderte, welche von einzelnen geſchickten Arbeitern in
Nürnberg und Augsburg‘ verfertigt wurden. Sehr großen Beifall
haben zwei Automate des berühmten franzöfifhen Mechanifers
Baucanfon gefunden, welche zuerfi im Jahre 1738 gezeigt
wurden; nähmlich ein Blötenfpieler, fanımt dem wirfelförmigen
Poftamente fünf und einen halben Schub hoch, welcher mehrere
Stüde auf der Querflöte fpielte, und zwar nicht durch ein im In⸗
nern angebrachtes Pfeifenwerk, fondern durch wirfliches Einblafen
der Luft in die Slöte, Bewegung der Zunge, und kunſtgerechte
Bedeckung der Löcher mit den Yingern; und eine Ente, welche ſehr
viele Bewegungen einer natürlichen auf die tänfchendfte Art nach:
ahmte. Diefer Künftler Hat mehrere Nachfolger gefunden, unter
welchen die Brüder Droz aug Chaur de Bond vorziglichen Ruf
Automate. 405
erlangt haben. Bon ihnen Fennt man mehrere fehr fchöne Kunſt⸗
Uhren, eine Figur, welche zeichnet, eine andere, weldye Klavier
fpielt, eine, welche fchreibt, und noch mehrere fehr zufammenge-
feßte Automate. Eine fchreibende Mafchine hat auch Friedrich
von Knauf in Wien 1760 vollendet. Sie befindet fich jet im
Modellen⸗Kabinete des polytechnifchen Snftitutes, und befteht aus
einer den; Mechanismus enthaltenden Kugel von zwei Schub im
Durchmeſſer, auf welcher eine fieben Zoll hohe Figur figt, und
auf ein, in einen Rahmen eingefpanntes Papierblatt alles fchreibt,
was man vorher auf einer Stiften- Walze gefest hat. Nach jedem
Buchſtab rüdt der Rahmen fort, nach jeder vollendeten Zeile hebt
ex ſich, und geht fo weit zurück, daß die nächte begonnen werden
fann. Sehr zufammengefeste Automate find in den neueften Zei⸗
ten feltener geworden; theild weil man überhaupt an diefelben,
wenn. fie intereffiren follen, größere Borderungen macht; theils
audy, weil der mechanifche Scharffinn bei der Erſindung technifcher
Mafchinen ein weiteres Feld, und einen belohnenderen Erfolg
findet, als bei der Herftelung jener Kunftwerfe, welche, ohne
wahren Nugen zu haben, ihrer nicht zu vermeidenden Einförmig-
Seit wegen bald ermüden, und nach der Befriedigung der' Neu:
gierde im günftigften Falle nur noch die Anerfennung des Talentes,
der Gefchicdlichfeit und Geduld ihrer Urheber übrig laſſen. Jedoch
verdienen mehrere mufifalifche Automate, und ‘unter diefen der
mechanifche Trompeter von Mälzl in Wien, und ein dhnliches
Werf von Kaufmann aus Dresden, Erwähnung. In der
franzöfifchen Schweiz fahren einige Künftfer noch fort, Fleinere
hierher. zu zählende Kunftwerfe zu verfertigen, welche Bewunde⸗
tung erregen. Bingende Kanarienvögel, mit mannigfaltigen,
Die natürlichen getreu nachahmenden Bewegungen, Wögelchen in
Dofen und Uhren, von-emaillirtem Gold, oft kanm z Zoll lang,
. gehören naͤchſt anderen Stahl⸗ und Slöten- Spielwerfen unter die
nicht fehe feltenen Erzeugniffe der Genfer und Meufchateler Uhr:
macher. Ä | |
Manche fünftlichen Figuren, welche man mit der Benen⸗
nung Automate belegt hat, verdienen diefelbe eigentlich nicht,
weil ihnen mehr oder weniger Tänfchung und verborgene willfür-
liche Einwirfung. zum Grunde liegt. Hierher gehört eine Anzahl
400 Automate.
angeblich durch; Mechanismus fprechender Figuren; eine Uhr,
welche auf einen mit den Singern in der Luft befchriebenen Iug zu
ſchlagen oder zu fpielen anfängt, muthmaßlich dadurch, daß ein
verborgener Zeifig, oder ein anderer gelehriger Fleiner Vogel,
‚durch eine gut eingelernte Bewegung die Auslöfung des Raͤderwer⸗
kes bewirkt; endlich auch, aller Wahrfcheinlichfeit nach, der im
legten Viertel des vorigen Jahrhunderts fo fehr bewunderte, räth-
felhafte Schachfpieler des Hofrathes von Kempelen in Wien.
Wenigſtens erflärt die Annahme einer, in dem vor der Figur ſte⸗
henden Kaften verborgenen Perfon die Wirkungen diefer Maſchine
vollfommen. Auch die fehr artigen, englifche Bereiter und Seil⸗
ſchwinger nachahmenden Fleinen Figuren von Tendler, Vater
und Sohn, aus Eifenerz in Steyermarf, find wahrfcheinlich eben
fo wenig wahre Automate, ald die Biguren der Marionetten«
Sheater, welche man in manchen Städten Italiens, vorzüglich
aber in Rom, in großer Vollkommenheit findet.
Ausführlicheres über den Hiftorifchen Theil diefes Artifels
findet nıan in der neuen Bearbeitung von Gehler's phyſikaliſchem
Wörterbuche, Leipzig 835, I. Band, Artifel Automat; und
in Poppe's Geſchichte der Technologie, Göttingen 1810, IH.
Band, bei Gelegenheit der Gefchichte der Uhren. In beiden
Werfen find zugleich Die Quellen der gefammelten Daten nachge⸗
wieſen.
Die bewegende Kraft faſt aller Automate iſt, ſo wie bei den
Feder⸗Uhren, eine zuſammengewundene Stahlfeder, weil dieſe,
verglichen mit andern, Bewegung hervorbringenden Mitteln,
den kleinſten Raum einnimmt, am leichteſten zu verbergen und in
Thaͤtigkeit zu ſetzen iſt. Nur ſelten, und meiſtens als Nebenbe⸗
ſtandtheile, ſind Gewichte anwendbar; noch beſchraͤnkter aber iſt
der Gebrauch anderer bewegender Kraͤfte. Manchmahl laͤßt man
feinen Sand auf ein kleines oberſchlaͤchtiges Rad fallen, und von
dieſem aus den übrigen Mechanismus bewegen; auch wird wohl
zum nähmlichen Behufe Waller angewendet, welches zugleich,
wenn ed die Luft aus einem gefchloffenen Raume durch Pfeifen -
austreibt, diefe zum Tönen bringen fann; ferner kann in einzelnen
Fällen Quedfilber gebraucht werden, wie z. B. bei den chinefiihen
Bauflern, welche aber mehr als phyſikaliſcher Apparat zur Erläu-
YAutomate. : 407
terung ber Lehre vom Schwerpunkte anzufehen find. Cine der
größten Schwierigkeiten bei der Verfertigung der Automate ift der
meiftens verhältnißmäßig Fleine Raum, überdieß noch faft immer
von gegebener beftimmter Form. Diefe Befchränfung erfchwert
nicht nur das Unterbringen des Triebwerkes und der Haupttheile,
fondern auch die bequeme Anbriagung der Nebentheile, z. B. der
Zapfenloͤcher, der Stege, der Hebel, welche oft, um die Bewegung
fortzuleiten, mit Verluft an Kraft, und fonft nicht nöthiger Ver⸗
mebrung ber Reibung vervielfacht, und maunigfaltig gekrümmt
werden müflen. Diefe Theile fo zu ordnen, daß fie leicht zuſam⸗
mengefegt, und zum Behufe der Reinigung oder Ausbeſſerung
auch wieder zerlegt werden Fönnen, ift fein geringer Anftand bei
Disfer Art von Arbeiten. Die Schnüre, deren man fich,'um die
Bewegung in Äußere Theile fortzuleiten, nicht felten bedient,
müffen über Rollen laufen, und fo eingerichtet werben, daß fie
ſich nicht allmählich durch das Ziehen verlängern, und aufhören
Dienft zu thun. Es ift daher zu rathen, wo ed nur immer ans
geht, ftatt derfelben Stahldrähte, Gelenf:Ketten (gleich jenen in
den mit Schneden verfehenen Uhren) oder wenigftend gute Darm⸗
faiten zu nehmen. Da faft nie fo viel Pla vorhanden ift, um
eine Feder mit überflüfliger Kraft anzuwenden, fo muß ferner auch,
damit diefelbe nicht zum Theile durch die Reibung unnöthiger
Weiſe aufgezehrt werde, Alles auf das Reinſte und Sleißigite be>
arbeitet; vorzüglich - müſſen Zapfen, Rollen, und überhaupt alle
Beftandtheile, weldye fich an einander oder über einander bewegen,
fo glatt ald möglich gemacht werden. Daher find auch , wenig»
flens-für den eigentlichen Mechanismus, faum andere Materia-
lien brauchbar, als Stahl, Eifen und Meffing; denn nur bei
dieſen ift Die erforderliche Glätte, Seftigfeit und Unveränderlichkeit
zu erhalten. | |
Die.genannten Hinderniffe abgerechnet, ift die Verfertigung
der Automate für einen geübten Mechaniker und geſchickten Arbei⸗
ter nicht fo außerordentlich ſchwer, indem Fleiß und Geduld beis
‚nahe die Haupterforderniffe find. Die Mittel, durch welche man
eine Drebende Bewegung in eine geradlinige, eine ununterbrochene
sder gleichförmige in eine abfegende oder ungleichförmige, und
umgekehrt, verwandeln kann; ferner jene, welche die Geſchwin⸗
408 Automate.
digkeit und die Richtung derſelben abzuändern dienen, find im
Allgemeinen befannt, und hier diefelben, wie bei allen anderen
Leitungen der praftifhen Mechanif. Nur die Wahl der einfach-
ften, ihre glüdliche Kombination, und die nicht abzuändernde
Bedingung der äußern Form find es, welche eine genaue Detail-
Kenntniß derfelben, bedeutende Übung, und faft immer vorläufige
Perfuche nöthig.machen. Bei der unendlichen Verfchiedenheit Der
Automate ift es daher nicht möglich, Regeln aufzuftelen, welche
in einzelnen Fallen jedes Mahl als fichere Richtſchnur dienen könn⸗
ten. Da ferner eine.genaue Befchreibimg ſehr fomplizirter Auto⸗
mate nicht nur fehr umftändlich, fondern auch, wenn fie nicht
unmittelbar als Unweifung zur Nachahmung dienen foll, von ges
zingem Nußen feyn würde: fo wird man ſich im Folgenden. auf
- einige Beifpiele befchränfen, um von der Möglichkeit automatifcher
Bewegungen einen allgemeinen Begriff zu geben.
Nicht felten werden ald Spielzeug Figuren verfertigt, welche
auf Rädern, Die nicht leicht zu bemerfen find, fich fortbewegen.
Als Beifpiel diefer einfachften Art von Automaten, welche um fo
mehr hierher gehören , als fie einen, obfchon wenig bedeutenden,
Zweig der Snduftrie bilden, mag die auf Taf. 7, Big. 16, abges
bildete Thierfigur Dienen, von deren Triebwerf Sig. 17 die vordere
Anficht gibt. Das Gehäufe befteht aus drei Platten b, c, d, wos
von b den Boden, c, d aber die Seitenwände bilden, in welchen
auch die Zapfenlöcher der Näderachfen enthalten find. Die Pfew
ler a,a, a verbinden, fo wie bei einer Tafchenuhr, die beiden Sei⸗
tenwände mit einander; nur ift din Fig. 16 abfichtlich weggelaſ⸗
fen, um das Räderwerf fihtbar zu machen. Die gewundene Fe⸗
Der e, von welcher die Bewegung ausgeht, ift mit einem Ende
an der Platte c feft (ſ. Fig. 16), mit dem andern aber in die
Federwelle eingehangen. Am vieredigen Zapfen der legtern wird
mittelft eined Schlüjfeld das Aufziehen der Feder bewirkt, wozu
nod) an. derfelben Welle Die Sperrung, fo wie bei den Uhren ohne
Schnede, erforderlich, ift, welche Vorrichtung, ald ohnedieß be=
fannt, in die Zeichnung nicht mit aufgenommen wurde. Ein
Federhaus, welches hier feftftehend feyn müßte, ift nicht vorhan⸗
den,. fondern wird Durch drei oder vier Fleine Stahlflifte erſetzt,
welche Die Seder verhindern, ſich über ihre beftimmten Graͤnzen
Antomate. 409
auszubreiten. Die geſpannte Feder bewegt das mit ihrer Welle
verbundene Rad f in der Richtung des Pfeiles; £ greift in das
Getrieb von g, lebtered in das Getrieb von h, und dieſes Mad
endlich in das Getrieb i ein. An den vieredigen, über die Plate
ten ce und d vorftiehenden Enden der Achfe von i ſtecken zwei nicht
verzahnte Räder k, 1, welche nach der in Fig. 16 angedeuteten
Richtung ziemlich fchnell fih umdrehen, und durch welche auch
das Gehaͤuſe, und die daffelbe enthaltende, aus leichtem Stoff
(Papiermafle, Holz, oder dergleichen) beftehende Figur auf einer
ebenen, weder zuͤ glatten noch zu rauhen Bahn, mit Beihilfe
eines Dritten noch zu erwähnenden Raͤdchens n, fortrollt. Um
ähnliche Bewegungen von Raͤderwerk zu mäßigen und gleichfär
miger zu machen, bringt man fonft an dem von der bewegenden
Kraft am weiteften entfernten Getriebe einen Windfang an, wel»
her auch hier gute Dienfte leiften würde, aber im gegenwärtigen
Halle, um die möglichite Einfachheit der Konftrußtion zu erreichen,
weggelaffen iſt, und durch die Reibung der drei Raͤder k,l,n, auf
der Bahn, nothhürftig erfeht wird. Das Raͤdchen n befindet fich,
außer aller Verbindung mit dem Räderwerke, an dem gabelföruug
aufgefihnittenen Ende des Staͤbchens m, nnd dient vorzüglich
zur Beflimmung der Bahn, welche die Figur durchlaufen fol.
Jenes Stäbchen kann nähmlich um eine. Schraube, mit einiger
‚Reibung, rechtd oder links gewendet, oder, wie in den Zeichnun⸗
gen, parallel mif'den vordern Rädern, und zwifchen diefelben in
die Mitte geftellt werden. Im lebten Falle gefchieht Die Bewegung
der Figur in gerader Linie; bei einer fehiefen Stellung des Raͤd⸗
chens n aber befchreibt .fie einen engern oder weitern Kreis, je
nachdem das Stäbchen mehr oder weniger auöwärtd gerichtet wor⸗
den ift, weil der horizontale “Durchmeiler von n jedes Mahl eine
Zangente des Kreiſes bildet. Ob die Kreisbahn rechts oder
Imfs durchlaufen wird, hängt ebenfalls von der Stellung des
Raͤdchens ab. Das Werk bedarf aud) noch einer Sperrung, um
ſowohl das zu ſchnelle Ablaufen nach dem Aufziehen, noch ehe man
die Figur niedergeftelt bat, zu verhindern, ald auch um ihren
Lauf. willfürlich unterbrechen zu Fönnen. Die Sperrung, welche
fonft am. beguemften beim Windfange angebracht wird, und diefen
aufhält, wirft bier auf das Rad 1. Diefes bat einen oder zwei
410 . Automafe.
. feichte Einfchuitte, in welche die furze, bewegliche Leite x, fobald
fie gegen den Umfang des Rades gedrädt wird, ent und die
fernere Bewegung hemmt.
Die Figuren ıB, 19, 20, Tafel 7, enthalten die Idee zu
einem, einen Schwan vorftellenden Automat, mit ziemlich zuſam⸗
‚mengefepten Bewegungen. Der Mechanismus fol, der leichteren
Berftändlichkeit wegen, nach mehreren abgefonderten Hauptthei-
den betrachtet werden. Der erfte betrifft Die Beivegung der gau⸗
gen Figur. Bermöge deffelben fhwimmt fie auf dem Waſſer, in
verſchiedener, von Zeit zu Zeit ohne äußeres Zuthun ſich abaͤn⸗
dernder Richtung. Durch eine andere Vorrichtung frümmt die
Figur auch mehrere Mahl den Hals, und zwar fo weit, daß der
Schnabel und ein Theil des Kopfes in dad Waſſer getaucht wird.
Endlich wird der gerade aufgerichtete Hald und der Kopf langſam,
abwechfelnd rechts und links gedreht. Das Näderwerf zur Bewe⸗
gung der ganzen Figur hat Ähnlichkeit mit dem des erfien Bei⸗
ſpieles. An der Welle der ſtarken Feder befindet ſich außer der
gewöhnlichen Eperrung dad in Fig. 18 mit ı bezeichnete Haupt:
rad, welches in das an 3 befindliche Betrieb eingreift. Das Rad
2. bewegt ein kleineres, welches bloß punftirt angezeigt werben
Tonnte, und an der langen Achfe dieſes letztern befindet ſich an
jedem Ende ein Ruder⸗Rad, wovon die Schaufeln des in der Zeich⸗
nung fihtbaren mit a bemerft worben find. Weide Ruderräder
reichen durch Fängliche Öffnungen am Bauch" der Figur bis in
Das Waller, und ertheilen ihr, indem fie.fich nach der durch den
Pfeil angedenteten Richtung umdrehen, die gerade vorwaͤrts ge⸗
hende Bewegung. Übrigens muß jedes dieſes Räder eine abgeſon⸗
derte waflerdichte Kammer im hohlen Rumpfe der Sigur erhalten,
Damit dad Naßwerden der übrigen inneren Theile möglichfi ver:
hindert werde. Durch das Rad 4 wird die Bewegung auf dad
Windfangsgetrieb 5 übertragen; der Windfaug 6 dient zur Regu⸗
lirung des ganzen Werkes, fo wie die bei demſelben angebrachte,
aber nicht in der Zeichnung vorfommende Sperrung, zum will:
Sürlichen Aufhalten deifelben. Sowohl bier, ald im erſten Bei⸗
fpiele ift der Weg, welchen die Sigur nimmt, geradlinig, wenn
Derfelbe nicht Durch. die Steuerung abgeändert wird, welches hier
nicht aus freier Hand, fondern durch das Raͤderwert felbft ge⸗
-Automate, 41 1
ſchieht. Eine i in Fig. ı8 bloß im Durchſchnitt ſichtbare, um ihren
Mittelpunkt bewegliche Querleiſte b trägt an jedem Ende einen
Schwimmfuß c, fo daß die Richtung der. Leifle b und beider
Schwimmfüße gegen die Ruberräder die Form der Bahn beftimmt,
welche von der Figur befchrieben wird. Die Änderung ber Lage
jener Auerleifte wirb ohne aͤußeres Zuthun bewerffieliigt. Das
Rad ı greift zu diefem Ende in dad Setrieb 7 ein, und diefes
. führt das Krourad 8 herum, welches mit einer exzentriſchen
Scheibe 9 an einer gemeinſchaftlichen Achſe ſteckt. Inder, zur
beſſern Verſtaͤndlichkeit in Big. 19 abgefondert und im Grundriſſe
‚dargeftellten Vorrichtung zue Wendung der Schwimmfüße ift 8
wieder das Aronrad; 9 die exzentrifche eliptifche Scheibe; m. aber
ein Hebel, welcher in der Mitte der Querleifte b, und auf ihrer
Drebungsachfe im Innern der Figur befeftigt iſt; n endlich eine
Geber, deren freies Eude auf den Hebelm drüdt, und ihn in
fortwährender Berührung mit der Scheibe 9 erhält. Indem das
Kronrad in der Richtung des Pfeiles fich dreht, wendet fich all⸗
maͤhlich der weniger erzentrifche Theil der Ellipfe gegen den Hebel
m, welcher, von feiner Feder fortwährend nachgetrieben, nad) und
nach die mit der Mittellinie der Figur gleichlaufende Lage p, ſpaͤ⸗
ter die fchiefe Stellung q annimmt, dann aber wieder. zurüd‘,
und an feinen erften Plag gelangt, und mithin durch die gleich-
jeitige Wendung der Leifte b und der Schwimmfüße den Weg bes
flimmt und abändert, welchen die Figur nehmen muß. Diefelbe
Vorrichtung ift auch bei allen Automaten, welche auf Rädern lau⸗
fen, anwendbar, und man ficht leicht, Daß man durch verfchiedene
Bormen der Scheibe 9 die Art, und die Gefchwindigfeit der Wen⸗
dungen willfürlich werde einrichten fönnen. Iſt 3.8. die Scheibe
ein Kreis, fo werden bie Abwechölungen minder plöglich auf einan⸗
der folgen; eine aus ein- und auswärtd gehenden Bogen beftes
hende Scheibe, auf deren Stien dad mit einer Rolle verfehene
Hebelende läuft, wird eine Bewegung in einer —— —
hervorbringen, u. ſ. w.
Der Hals iſt jener Theil, welcher die ſorgfaltigſte Bearbei-
tung verlangt. eine äußere Hülle muß biegfam feyn, und fann
daher etwa aus röhrenförmig gewundenem Draht befichen, welcher
mit Leder, oder mit einem, noch mit den Federn verfehenen wick-
412 ‚Automate.
lichen Vogelbalge überzogen wird. Die Doppelte Linie im Innern
(Fig. 18), an welcher man die Dreiede e fieht, bezeichnet eine
-&tahlfeder, welche an der den Boden des Halfes bildenden Platte
10 feft ift, übrigens aber ganz frei fteht, und nur fo ftarf zu ſeyn
braucht, daß fie den Hals gerade hält, oder ihn noch etwas rück⸗
:wärt® zu beugen ftrebt. Sie darf aber nicht an allen Stellen
gleich di feyn, fondern man macht fie dort, wo fie fich zuerft
und am meiften krümmen foll, fchwächer, fo wie überhaupt durch
ihre verfchiedene Dicke die Form, welche der Hals im gebogenen
Zuſtande erhalten fol, fid leicht beftimmen laßt. Die Dreiede e
find mit ihrer Bafid auf der vorderen Flaͤche der Feder befeftigt,
an der Spitze aber befommt jedes derfelben einen Spalt, in wel-
chen mittelft eines Stahlftiftchens eine glatt gedrehte, recht Teicht
bewegliche Rolle eingelegt wird. Eine dünne Darınfaite £ läuft
vom obern Ende der Feder, wo fie fefigemacht ift, über alle diefe
Rollen, und geht durch eine in der Mitte von 10 befindliche Off«
aung in dad Innere ded Rumpfes. Wenn man annimmt, die
Saite werbe bei f gerade abwärts gezogen, fo muß offenbar die
Seder, und mit ihr der Hals, gefrümmt werden, und zwar defto
flärfer, je mehr f angezogen, und im hohlen Halſe verkuͤrzt wird.
Wie dieſes durch das Räderwerf gefchieht, wird fich fogleich erge⸗
ben. Das Rad ıı erhält feine Umdrehung durch das mit dem
‚Hauptrade » verbundene Getriceb s. An aı befindet fich ferner
Die Scheibe 12, an deren Umfange ein Kettchen fefigemadht tit.
Dreht das Rad ıı fich in der Richtung des Pfeiles, fo wird durch
das gleichzeitige Bortfchreiten des Punftes bei 12 das Kettchen fo
lange angezogen, bis diefer Punft feinem jegigen Standorte ge⸗
genüber gefommen ift, folglich 11 die halbe Umdrehung vollbracht
bat. Das andere Ende des Kettchens iſt in die Rinne einer leicht
beweglichen Rolle bei 14 eingehangen, und diefe wird folglich
durch die Abwindung des Kettchens um ihre Achſe gedreht. Mit
ihr in Verbindung dreht fich aber auch die große Rolle 13, auf
welcher die Saite f befeftigt ift; und demnad) wird auch diefe nach
ber Richtung des Pfeiles angezogen, alfo der Hals jo lange ges
kruͤmmt, bid das Rad 1a eine halbe Umdrehung gemacht hat.
Dann hört der Zug am Kettchen und an der Saite wieder auf;
die Feder im Halſe fommt in Thätigkeit, ſtellt fich gerade, richtet
Automate. 413.
den Hals auf, und dreht die Rollen 13 und 14 wieder im bie erfte
Lage zurüd. Die Rolle 13 ift bedeutend groß, damit durch die.
geringe Bewegung der Rolle 14 von der Saite f ein hinreichend
langes Stüd aufgewunden, und die nöthige Verfürzung im Halſe
bewieft werde, welche legtere alfo durch das Verhältniß der Durch«
meſſer von 11,13 und ı4 bedingt wird. Übrigens liegt diefer
Theil des Mechanismus fo nahe an der Seitenwand des hohlen
Körpers als möglid, um für die innern Theile, befonders aber
für die Schaufelräder Plab zu gewinnen. Da jedoch die Saite £
in der Mitte von 10 herabgehen muß, fo ift e8 nothwendig, fie Durch
einige Feine Rollen feitwärts ab, und auf 13 zu lenfen. Der
Kopf, als mit dem Halfe aus einem Stücke beftehend, würde bei
der vollendeten. Biegung des Halfes umgefehrt, und der Schnabeb
gegen die Bruft gerichtet, auf der Waflerflähe anfommen. . Ep
darf Daher nicht unbeweglich feyn; fondern ift mit dem Teichten
Ringe, welcher den oberften Theil der Halsbekleidung bildet, durch
ein leicht bewegliches Gewinde auf beiden Seiten vereinigt. Eine
ſchwache Feder g, ebenfalld am Ende des Halſes befeftigt, ſtrebt
den Kopf nach rückwaͤrts zu fehren; allein in der gegenwärtigen
Lage kann fie dieß nicht, weil eine Kette bei g, deren zweites Ende
in die Platte 10 eingehangen ift, fie ‚geipannt erhält. Bei
der Krümmung. des Halfes wird diefe Kette fchlaff, Die Feder g
teitt in Wirffamfeit, und treibt den Kepf fo zurüc, daß er in der
natürlichen Lage auf der Wafferrlähe anfommt. Um endlich die
Drehung des Kopfes und Halfes möglich zu machen, ift legterer
mit dem Rumpfe nicht feſt verbunden, indem die Platte 10 fich in
einem zylindrifchen Anfabe um die Achfe wenden, jedoch nicht nach
aufwärts losmachen kann. Berner ift an der Achfe des Rades ı,-
und hinter diefem, noch ein (in der Zeichnung bloß als ein Kreis
erfcheinendes) Winkel⸗ oder Kegelrad vorhanden, welches im ein
zweites ſolches Rad, 15, eingreift, und daffelbe in horizontaler
Lage herumführt. Der Stift 16 auf dem legtern Rade wirft auf
den zweiarmigen, um. den Punft h beweglichen Hebel 19, und
diefer bewegt mittelft des Stiftes ı7 den Hals, auf eine Art,
welche aus dem Grundriſſe Diefer Vyrrichtung, Fig. 20, deutlich
werden wird. Der fürzere Arm des Hebels 19 bildet eine ovale
Öffnung , in welcher der Stift 16 ſteht. Sobald dieſer, in Folge
LTR Automate.
der Bewegung des Kegelrades ı5, in die punftirte Lage kommt,
fo’ fchiebt er auch den ovalen Ring an feinem Meinern Durchmeifer
sach außen, und dreht mithin den Hebel um den Punft hin die
ſchiefe, ebenfalls punftirt angezeigte, Richtung. Der Stift 16,
auf feinem Wege der jepigen Lage gerade gegenüber gekommen,
fiellt den Hebel wieder gerade; dann aber wird, bein: fernern.
Sortfchreiten des Stiftes auf feiner Freisförmigen Bahn, der Hebel
auf Die entgegengefegte Seite auswaͤrts, und zulegt, wenn 25
eine ganze Umdrehung gemacht hat, abermahld gerade gerichtet.”
Diefen abwechfelnden Bewegungen folgt;auch der längere Hebel⸗
arm, fo daß er den Hals an feiner Platte 10, mittelft des Stiftes
17 wendet, "und wenn daher ı8 den Schnabel andentet, dieſer
ebenfalls in bie punftirte Cage gelangt. Noch muß bemerkt wer-
den, daß beim Zeichnen der Fig. 18 ungefähr bie Hälfte jener
Größe angenommen wurde, in welcher das Automat ausgeführt
werben koͤnnte, und Daß der Rumpf aus getriebenem Kupfer- oder
Meſſingbleche befteht. Nebentheile zur Lagerung der Achfen u. dal.
find übergangen worden, weil fich ihre zweckmaͤßigſte Anordnung
beider wirklichen Ausführung von felbft ergeben würde.
Den Entwurf eines dritten Beifpieles zeigen die Fig. 21,22,23,
auf Taf. 7. Ein Pferd, welches die Füße nach der Natur bewegt,
zieht einen Wagen fort, in welchem zwei Figuren figen, wovon
die männliche das Pferd mit der Peitfche anzuteeiben fcheint, die
weibliche aber von Zeit zu Zeit fich vorwärts neigt. Die vier Raͤ⸗
der des Wagens haben feine Verbindung mit dem Bewegungds
Mechanismus. Vorzuͤgliche Aufınerffamfeit verdient’das Pferd,
welches auch, verglichen mit Big. 23, in größerem Maßftabe ge:
zeichnet worden iſt. Man bemerkte zuerft in Fig. aı das Rad ı,
welches durch zwei Zwifchenräder 3,3, auf Die mit 4 und 5 bezeich⸗
neten wirft. on der Achfe der beiden legtern Räder werden die
Füße in Bewegung gefept. Wenn der linfe Vorderfuß a, dann
der rechte Hinterfuß fich rüdwärts ftellen, und mit Fleinen Za⸗
den ihrer Hufe in den Boden eingreifen, die beiden übrigen aber
gebogen und gehoben werden, fo folgt nicht nur die Bewegung
des Koͤrpers nach vorne; fondern auch der Wagen, mit welchem
das Pferd in Verbindung fteht, wird auf feinen Rädern fortge:
sogen. Durch aufmerffame Betrachtung des Fußes a und der mit
Automate. 115
ihm. verbiendenen Theile wird man bald die gehörige Einficht der
hierzu dienlihen Mittel erlangen. Die Achſe des Rades 4 iſt am
beiden Seiten, wo fie mittelbar auf die Vorderfüße wirfen fol,
Purbelförmig, für jeden Fuß. aber nach der entgegengefesten Seite
gebogen , wie dieß die vordere Anficht, Fig. 22°, deutlich zeigt.
Dieſer Bug, eigentlich fein am weiteften von der Achfe abſtehen⸗
der Theil, dient ftatt des Stiftes 16 in Fig. 20, und bewegt gleiche
falls an einem ovalen Audfchnitte p, Fig. 21, einen doppelarmi⸗
gen Hebel, welcher die Bewegung duch Verzahnung, und nicht
wie in Fig. 20 mitteljt eines zweiten Stiftes, fortleitet; wodurch
ein weit fanfterer Gang erhalten wird. Der. gedachte Hebel hat
bin, Big. 2ı, feinen Drehungöpunft,. auf welchem er fich abe
wechfelnd nach der einen und der andern Seite, veranfaßt durch
die Umdrehung ded Rades A, wendet. Der verzahnte Bogen,
oder das Halbrad am untern, fürzern Hebelarme greift in einen
gleichen Bogen am oberften Fußgelenke ein, welches um den Bas
pfen m vorwärts und zurüd bewegt wird. Beim Bortjchreiten der:
mittelft der Pfeile angedeuteten Bewegungen, muß zuerſt der Fußa
(ohne ſich zu biegen) fich [chief nach rüdwärts ſtellen, und der
Körper dadurch fich vorwärtd neigen, wenn der rechte Hinterfuß
diefelbe Bewegung macht, ‚die beiden anderen Büße aber gehoben:
und gebogen werben. Die Gelenfe des Fußes bei d und e werden -
durch Gewinde gebildet, ‚welche fo gearbeitet find, daß fie bei der -
ſchraͤgen Stellung des Fußes nicht weiter nachgeben fönnen, als
ed nothwendig ift. Bei fortgefepter Drehung des Rades 4 wendet
fich der Hebel um n in verfehrter Richtung, nach innen, und treibt
das oberfte Bußgelenf vorwärts, fo, Daß ed vorn mit dem Körper
einen fpigigen Winfel bildet. Nun muß aber auch der Fuß felbft
"zwei Mahl in feinen Gelenken gebogen werden. Dieſes gefchieht
durch das Anziehen der Kette t, welche über Rollen, wie die Zeich-
nung ausweiſet, bis in den Huf geleitet, und dort befeftigt iſt.
Da ihe oberes Ende im Innern des Rumpfes feinen feften Punft
bat, fo wird fie Durch den, in der Nähe von m ftehenden exzen⸗
trifchen Stift r (ftatt deflen, wenn ed der Raum erlaubt, eine
Rolle noch beifere Dienfte thut) angezogen, und dadurdy auch der .
Buß bei den Gewinden gebogen. Beim Zurückgehen des oberften
Gelenkes in die erfte Lage aber hört die Spannung.der Kette x
%
410 | Antomate.
von felhft wieder auf, weil ſich der Stift r von ihre entferut, und
der Fuß wird durch die Heinen, auf feine zwei untern Theile wir»
Fenden Sedern, die durch die Kette vorher gewaltfam gebogen wur⸗
den, wieder gerade auögeftredt. Mit Hülfe der Zeichnung und
des bisher Sefagten, wird ſich leicht einfehen laifen, daß alle vier
Füße eine ähnliche Einrichtung haben, daß die richtige Folge der
Bewegungen durch die Verzahnung und die Stellung der Kurbeln
an ben Achfen der Räder 4 und 5 bedingt werde, und hierdurch
das Bortfchreiten der Figur erfolgen muͤſſe. Daß das Rad 6,
weiches durch das an. ı befindliche Fleinere Rad umgetrieben wird,
den Bindfang 7 in Ihätigkeit fegt; daß an den Befefligungspunf-
ten der vier Ketten ohne Anftand mittelft eines Sperrrädchend und
Sperrhafens die nöthige Spannung wieder hergeftellt werden kann,
wenn ſich die Ketten etwas ausgezogen haben follten; daß auch
noch hinreichend Platz vorhanden wäre, um eine Vorrichtung zur
Bewegung des Kopfes und der Obren anzubringen, braucht nur
angebentet zu werden. Über die eigentliche Auelle der Bewegung
aber wird fogleich die Rede fen.
In Sig. 23 iſt a Das mit-der gewundenen Feder verbundene
Rad, von welchem die Bewegung der zwei Siguren, und auch,
wenn man will, die des Pferdes ausgeht. Die Achfe des Rades
b trägt nody eine Scheibe mit Stiften, welche auf den zweiarmi⸗
gen Hebel mit dem Drebungspunfte e wirken, und fo dem Ober⸗
leibe der einen Figur, der bei fein Gewinde hat, die Neigung
nad) vorwärts geben. An der nähmlichen Radachſe befindet ſich
noch eine zweite Scheibe c, zur Bewegung der andern Figur; wo⸗
bei bemerft werden muß, daß diefelbe der Deutlichfeit wegen ab»
gefondert gezeichnet wurde, während fie doch neben der andern
ſitzt. Am oberen Ende des Doppelarmigen Hebels d fteht man eine
Schnur, deren zweited Ende in der Gegend von i mit dem beweg⸗
lichen Arme verbunden ift, und diefen hebt, fobald ein Stift der
- Scheibe auf den untern Theil des Hebels drüdt. Eine Beder h
bringt den Arm, wenn ein Stift vor dem Hebel vorbeigegangen
ift, und ihn fich felbft überlaffen hat, in die urfprüngliche Lage
zurück. Die Stifte auf o und d können in verfchiedenen Entfernuns
gen vom Mittelpunfte ihrer Scheiben angebracht werden, wodurch
mar den Vortheil erreicht, Daß Die Bewegungen der Figuren
At, 47
bei jedem Angriffe eines andern Stiftes verfchieben, mithin nicht
fo einförmig, und mehr der Natur getreu, auöfallen.
Zur Verbindung beider Mechanismen, naͤhmlich des Wagens
und des Pferdes, laſſen fi) verfchiedene Anordnungen treffen.
So können zwei abgefondert aufzuziehende Gedern, die eine bei a,
Fig. 23, im Kutfchenfige (wo aber an b noch der Windfang mit
feinem Getriebe, ferner auch eine Sperrung nöthig ift), die an;
dere im Körper des Pferdes, angebracht werden;. fo daß die:
ſes nur mittelit der Deichfel mit dem Wagen im Zufammenhange
fieht; oder es kaun das Pferd auch von der Feder im Wagen feine
Bewegung erhalten, wodurch nur eine einzige Feder nothiwendig
if. Nach der legtern Art würde man folgende Einrichtung wählen
müffen. Der Achfe von b, Fig. 233, wird nod ein Winkelrad
beigefügt, und von diefem die Bewegung, mit Hülfe des zweiten
Winfelrades s, auf ein drittes folches® Rad, t, am Boden der
Kutſche, fortgepflanzt. Dieſes dreht wieder Dad Rad u, deflen
lange Achfe v durch die hohle Deichfel in fehiefer Richtung bis zu
der Mitte des Pferdeleibes geht. Diefe Achſe trägt dort, Big. ar,
eine endlofe Schraube 9, mit fehr fchrägen Gewinden, welche
durch eine Öffnung in der Seitenwand des Pferdes in das an 'ı
befindfiche entiprechende Feine Rad 8 eingreift, und auf diefe Art
deu Mechanismus des Pferdes in Wirkfamkeit febt. Es ift jedod)
nach diefer Einrichtung in Fig. 23 eine Feder von beträchtlicher
Stärfe notbwendig, oder ed muß, wenn die Höhe des Kutſchen⸗
fies für diefelbe nicht hinreichend Raum gewährt, feine Breite
benügt werden, um zwei fchwächere Federn neben einander auf
einer gemeinfchaftlihen Welle anzubringen.
j ®: 2%.
Art.
Dieſes bekannte Werkzeug, welches vorzuͤglich zum Spalten,
wohl aber auch.zum Behauen oder Zurichten des Holzed gebraucht
wird, befteht aus einem feilförmigen, an der Schneide verftähl-
ten Eifenftüde, welches an dem hintern heile (der jo genaunten
Haube) ein Loch zum Einſtecken des hölzernen Stieles oder Hels
mes beige. Vom Beile unterfcheidet fi) die Art durch ihren
gewöhnlich Tängern Stiel, hauptjächlich aber un die geringere
un Encyclop. 1.8 . 87
418 - Art.
Breite an der Schneide, und durch den Umſtand, daß das Weil
nur auf Einer Seite ſchraͤg angeſchliffen ift, indeß die Schneide
der Art von beiden Seiten gleihförmig zuläuft, und ſich alfo in
der Mitte dee Dicke befindet. Man braucht ftattt Art oft die Be⸗
nennung Hacke, obfchon dieſes Wort ohne ftrenge Unterfcheidung
auch mehreren Arten von Meilen beigelegt wird, und fogar in
feiner eigentlichen Bedeutung nur eine Haue, wie man beim Gar⸗
ten» und Feldbaue zum Aufgraben der Erde, zur Vertilgung des
Unkrautes, u. f. w. anwendet, bezeichnet.
Die Geftalt der Ärte ift verfchieden, und richtet ſich theils
nach wirklichen Bedürfniffe, theild nach der ein Mahl eingeführ-
ten Gewohnheit. "Die Haube iſt bei einigen eben fo lang ald das
Blatt breit ift, bei anderen Ffürzer, bei den meilten aber länger,
um dem Stiele mehr Seftigfeit zu geben ; das Blatt felbft iſt bald
dicker, bald dünner, an der Schneide oft viel breiter als hinten,
zuweilen verfchiedentlich gefchweift oder gefrümmt; die Schneide
ift bald ganz gerade, bald mehr bald weniger rund. Durch diefe
Abweichungen, und durch die Unterfchiede in-der Größe, werden
zahlreiche, eigenthiimlich benannte Arten diefer Wekzeuge gebildet,
von. welchen die vorzüglichften hier erwähnt werden muͤſſen (m. f.
die Abbildungen auf Taf. 2).
Die Kollerhade (Big. ı2), Schlägelbade (Big. ı3,
14), Auffeshade (Fig. 15), Schrott: oder Aſthacke (Fig. 16,
17), Meißhacke (Fig. 18) und Merfel (Fig. 19) machen,
nebft einem eifernen verftählten Reile, das Geraͤthe des Holzhauers
oder Holzfällers aud. Der Handhacke (Handart, Fig. 20)
bedient nian fih, um kleinere und kürzere Holzſtuͤcke zu fpalten.
Zum Gebrauhe einzelner Arten von Holzarbeitern find andere
Ürte von eigener Form beftinmt; fo die Bandhade, Zim:
merart oder Bundart (Fig. 21) und die Zwerchart (Fig.
33) mit zwei Schneiden, von welchen die eine fenfrecht, die an⸗
dere wagrecht ift, für Zimmerleute; die Zifhlerart von ähn-
licher Geſtalt wie Fig. 15 oder 20, für Tiſchler; die Flöfferart,
ähnlich der fchon erwähnten Afthade (Big. ı6), für Floßknechte
zum Behauen der Baumſtaͤmme auf Slößen; u. ſ. f. Die Blei⸗
hacke (Fig. 23) zum Zerſtücken der Bleikloͤtze iſt mehr ein breiter
Bandfabrikation. - 419.
Meißel ald eine Art, weil fie nur aufgefebt, und Durch Hammer⸗
ſchlaͤge, weldhe man auf ihren Rüden führt, eingetrieben wird,
Die Äxte oder Hacken find, fo wie die Beile, in der Regel
das ansfchliegliche Eezeugniß eigener Grobfchmiede, welche daher
den Nahmen Hadenfchmiede führen. Won den öfterreichifchen
und fteiermärfifchen Hadenfchnieden werden bei hundert Arten
von Ärten und Beilen verfertigt. Die Arbeit an diefen Werkzeu⸗
gen gehört zu den einfachfien. Eine Art wird aus einer Eiſen⸗
flange von angemeffener Länge und Dicke gebildet, die man an
beiden Enden etwas dünner ausfchmiedet, und dann zufammen-
biegt, um das Ohr oder den Ring für den Stiel hervorzubringen.
Durch das Zufammenfchweißen‘der auf einander liegenden dünnen
Enden entfteht dann die Schneide. Weil aber dieſe jederzeit ver-
ſtaͤhlt ſeyn muß, fo wird ein Stück Stahl entweder zwifchen die
noch offenen Enden eiugefchoben, oder von außen um die Schneide
auf beiden Seiten herumgelegt, und Mn — mit dem
rn vereinigt.
%
8. 8.
Bandfabrifation.
Band nennt nıan, almefehen von den mancherlei Bedeu⸗
tungen , welche diefes Wort ald Kunftausdrud bat, und die an
den gehörigen Stellen dieſes Werkes erflärt werden, ein in ſchma⸗
len und langen Streifen erzeugtes Gewebe, deifen Gebrauch hins
laͤnglich bekannt iſt. Die Verfertigung der Bänder, oder die
Bandfabrifation,. ift alfo ein Zweig der Weberei; und fie
hat mit den übrigen Abtheilungen diefer wichtigen Kunft die wer -
fentlihe Grundlage gemein: daher ed, um Wiederhohlungen zu
vermeiden, zwerfmäßig feyn wird, in dem gegenwärtigen Artifel
nur denjenigen Theilder Verfahrungsarten und mechanifchen Huͤlfs⸗
mittel befonders hervorzuheben, welcher der Bandfabrifation eigen«
thümlich iſt, und wegen der ausführlichen Erläuterung des Übri⸗
gen auf den Artifel Weberei zu verweifen.
Bänder werden aus allen Materialien verfertiget, welche
jur Zeugfabrifation überhaupt gebräuchlich find, naͤhmlich Leinen,
Baumwolle, Wolle und Seide; zugleich finden fich hier faft alle
jene Mopdififationen der Gewebe wieder, welche der Weberer im
j 27 *
\
8
{
t
1
420 Bandfabrifation.
Allgemeinen eine fo audgezeichnete Mannigfaltigfeit verleihen. Es
gibt daher eine Menge verfchiedener Arten von Bändern, welche
theils mehr theild weniger wefentlid von einander verfchie-
den find. |
Die Teinenen Bänder werden theild. aus einfachem Lei⸗
nengarn (Leinwandbänder), theild aus zweidrähtigent Zwirn
verfertigt (Zwirnbänder) Bei den Iepteren ift fehr oft nur
die Kette Zwirn, der Eintrag aber Garn. Die geföperten Garn⸗
oder Ziwirnbänder der feineren Art führen gewöhnlich die Benen-
nung Niederländer Band. Die Strippenbänder oder
©Struppen find ein grobes geföpertes Zwirndand., Man macht
_ auch Teinene Bänder mit verjchiedenen eingewebten, oft vielfarbi-
gen Muftern, welche zum Gebrauche für die gemeineren Volfs-
Haffen beftimmt find. Die leinenen Bänder find mebrentheils
son geringer Breite. Die fehmälften und gröbften. Leinwandbaͤn⸗
der haben bei einer Breite von z Zoll nur 8 Fäden in der Kette.
Baummwollenbänder find nicht fehr im Gebrauch, da
fie weder die Feftigfeit der Teinenen, noch die Schönheit der ſeide⸗
nen Bänder haben. Man macht fie theild ganz weiß, theild mit
farbigen Streifen, feltener niit Deſſeins. Die feineren Sorten
der glatten Baummollenbänder führen den Nahmen Perfalbän-
der. Man bat in den legten Jahren angefangen, gewiffe baums
wollene Stoffe, in breiten Stüden mit eingewebten Streifen auf _
dem gemeinen Weberftuple verfertigt, in Bänder dergeftalt zu zer⸗
Schneiden, daß jedes diefer Tegtern zu beiden Seiten, als Leifte,
einen von den erwähnten, aus ftärferen oder doppelten Kettenfaͤ⸗
den gebildeten, Streifen erhält. Auf diefe Weife-werden befon-
derö Organdinbänder zu Srauenpug erzeugt, welche aber,
da es ihnen an eigentlichen Leiften fehlt, dem Ausfafern unter
worfen find.
Die wollenen Bänder, oder, wie man fie gewöhnfich
nennt, Harrasbänder find entweder glatt, oder geköpert,
oder gemuftert (figurirt) Halbwollene Bänder haben eine
Kette ganz von Leinenzwirn, oder von Leinen und Schafwolle
gemifcht, und einen Eintrag von Wolle.
Am wichtigften und, fowohl der Mannigfaltigfeit als Schön:
heit nach, am audgezeichnetften find die feidenen Bänder.
Gattungen der Bänder. 421
Die verfchiedenen Gattungen derfelben erhalten im Allgemeinen
den Nahmen von jenem Zeuge, welchen fie in der Befchaffenbeit
ihres Gewebes gleihen. Die ganz glatt gewebten nennt man
überhaupt TZaffetbänder. Ihre Kette befteht aus einfachen
Fäden ; zum Eintrage nimmt man bei den ganz, leichten Sorten
einfache, bei den befferen oder fchwereren Doppelte auch dreifache
(jedoch nicht zufammengedrehte) Baden. Der doppelte oder drei⸗
fache Yaden wird hierbei gerade fo in dad Gewebe verflochten, ald
wenn er nur einfach wäre; dad Band erhält dadurch mehr Dicke
und Feftigfeit. Die fogenannten Nenforces find gute Zaffetbän-
der, bei welchen die Eintragfäden ftärfer an einander gefchlagen
find, und die alfo eine größere Dichtigfeit beſitzen. Übrigens er-
Halten die ZTaffetbänder im Handel, nad Rerfchiedenheit ihrer
Güte, manderlei Nahmen, z. B. mittelfeine Renforces, fehwere
Menforces, Doubles, franzöfifche Doubles, Zins Doubled, Mar:
gellinband, Paſſefins, Bortband, u. f. w. Die fchwerfte Sorte
der glatt gewebten Bänder (mit Ausnahme. der Ordensbänder)
find die frangöfifhen Taffeetbänder oder Grosdetours—
Bänder (auch wohl Grosdenaples-Bänder genannt),
welche eine Kette von doppelten, und einen Eintrag von zwei⸗,
drei⸗ oder vierfachen Faͤden befiben. Geföperte Seidenbänder find
bie fo genannten Sloret- oder Zwildbänder, und das Fri
foletband, welche nur aus fchlechter Seide (oft nur aus Flo⸗
zetfeide) verfertigt werden, und denen man oft fogar eine zum
Theile oder ganz aus Baumwolle beftehende Kette gibt. Die ge⸗
bräuchlichfte und fchönfte Art der geföperten Bänder find aber die
Atlasbänder, welche durch die auf der rechten Seite dem größten
Theile nach frei liegende, aus fchöner Seide beſtehende Kette einen
angenehmen Glanz, und eine gleihförmige, fich fammtartig an⸗
fühlende Oberfläche erhalten. Die Kette der Atlasbänder befteht
aus einfachen, nur in höchft feltenen Faͤllen aus doppelten Fäden ;
der Eintrag ift doppelt oder dreifach, feltener vier- oder fünffach,
Das Leptere findet dann Statt, wenn die Seide fehr dünn, oder
das Band fehr ſchwer ift; übrigens iſt e8 für das Anfehen des
Gewebes vortheilhafter, wenn mehr und feine, ald wenn weniger
und dicke Biden den Eintrag bilden. Aus roher (ungefottener)
Beide werden die Dünntuchbänder verfertigt, welche, wenn
422 Bandfabrikation.
fie ganz glatt, nur mit Leiften von gefottener (entfchälter) Seide
verfeben find, auch Gafürbänder heißen. Ihe Gewebe ift
taffetartig, d. h. ungeföpert ; aber die einfachen Ketten- und Ein⸗
tragfäden Tiegen fo weit aus einander, Daß das Gewebe im Anſe⸗
hen einem feinen Gitter gleicht. Ähnlich, nähmlich gleichfalls
aus roher Seide und loder., aber mit doppelten Kettenfäden ge⸗
webt, find die zur Verfertigung von Putzarbeiten beftimmten ſchma⸗
len Draptbänder, in welchen an jeder Seite der Kette ein wei⸗
cher (auögeglühter) Dinner Eifendraht fich befindet, der Dem Bande
die Hähigfeit gibt, Die ihm durch Biegen ertheilte Geftalt zu bes
halten, Man macht folhe Bänder and) aus Baumwolle. Gros⸗
detours⸗, Atlas und Diünntuch» Bänder werden verfchiedentlich
facsnnirt: oder gemuftert, d. h. mit Defleind, erzeugt. Die ein-
fachfte Verzierung befteht in Streifen von einem andern Gewebe
ald der Grund. So macht man Atlaöftreifen in Dünntuch- und
Srosdetourd: Band, und Grosdetouröftreifen in Dinntuch-Band.
Ferner werden Figuren verfchiedener Art, Blumen u. dgl. einges
webt, theils einfärbig, theild mit anderen Sarben ald jene deö-
Grundes. Man begreift die zum Putze beftimmten breiteren und
fchwereren Bandgattungen, fie mögen nun glaft, geftreift oder
gemuftert feyn, gewöhnlich unter dem Nahmen Modebänder.
Eine eigene Sattung.. bilden endlich nody die Sammtbänder.
Man verfertigr fietheils aufgefchnitten, theils unaufgefchnitten ; zus_
weilen ift auch Durch theilweifes Auffchneiden der Sammtmafchen
ein Deffein gebildet. Manche Sammtbänder erhalten, der Wohl:
feilheit wegen einen Eintrag von Baumwolle.
Die Bänder werden im Handel nad) ihrer Breite Durch Num:
mern unterfchieden, welche zwar in verfchiedenen Sabrifen etwas
von einander abweichen, doch aber ſtets fo gebraucht werden, daß
eine höhere Nummer ein breitered Sand anzeigt. Man bezeichnet
10 die Bandforten nad) zunehmender Breite mit den Nummern
0, 1,2, 3, 4,5,6,7,8,9, 10, 11, ı2, 13, 14, 20,
22, 24, 30. Abſtufungen der Breite, welche zwifchen diefen
liegen, — auch durch gebrochene Zahlen ausgedrückt;
z. B. Nr. =, 153, 15, 5. Bei Atlasband find hauptſaͤchlich die
Nummern o, ı, 4, 6, 8, ı2, ı6, 223, 24, 30, in Ge⸗
brauch. Die folgende Fleine Tafel enthält Die Angabe Der Breite,
Gattungen der Bänder. 423
welche die Nummern, mit Fleinen Abweichungen in ben verfchie-
denen Zabrifen, bezeichnen , nebft der Anzahl von Faͤden, welche
Die Kette einer jeden Nummer, bei einer mittleren, am meiften
geſuchten Schwere, enthält.
Breite, Faͤden in
Breite, | Bäden in Num⸗ 1 j
Be der Kette. || mer inien. i
Linien. | der Kette
90 12 28 968
o
2 E 136 ı6 34 12723
| 2 7: 308 23 43 1670
4 11 320 24 48 2000
6 ı6 484 30 56 3000
8 21 636
Die letzten beiden Sorten gehören ſchon zu den ſchwerſten Atlas⸗
baͤndern. Die Zaffetbänder- find bei gleicher Nummer immer et⸗
was breiter als die Atlasbänder, und felbft die fehwerften enthal-
ten bei gleicher Breite beiläufig um den Dritten Theil weniger
Süden, als die hier für Atlasband angegebenen Zahlen. Die Ur⸗
fache hiervon ift, daß die Taffetbänder fowohl leichter, als auch
aus dickerer Seide gearbeitet werden. Eigentliche Zaffetbänder,
mit einfacher Kette, werden in der Negel nicht breiter als 16 Li-
nien (Nr. 5) verfertigt; alle breiteren haben doppelte Faͤden in der
. Kette, gehören alfo zu den Grosdetours-Bändern. Leichte Taffet-
bänder haben z. B. bei 5 Linien Breite 50, bei 7: Linien 70, bei
ı6 Linien ı60 Bäden in der Kette, welche Zahlen bei den fchwes
reren Sorten bis auf dad Doppelte fleigen. Grosdetourd: Band
enthält bei 2ı Linien Breite ungefähr 200, bei 42 Linien 600
Doppelte Fäden. Die Sammtbänder bezeichnet man mit Nummern
von oo und o an. biß 250. Hiervon ift, ohne die Leifte gemeffen,
z. B. Nr. 2 eine Linie, Nr: 10 drei Linien, Nr. 20 ſechs Linien,
Nr. 50 zehn Uinien, Ne. 100 achtzehn Linien, Sr. 140 zwei Zolf
breit. Ähnliche willfürlihe Numerirungen finden bei den wolles
nen, baumwollenen und leinenen Bändern Statt.
Die Babrifation der Bänder zerfällt in einige Borarbeiten,
uud in das Weben ſelbſt. Hierzu kommt noch in manchen Fällen
42% Bandfabrifation.
die Zurichfung (Appretur) , wodurch die fertigen Bänder gewiſſe,
von ihrer wefentlichen Befchaffenheit unabhängige Verſchoͤnerungen
erhalten, weldye man von ihnen als Handeldwaare zu verlangen
gewohnt iſt. Die Vorarbeiten find die bei allen Arten von Webe⸗
rei eingeführten, welche man mit dem zu verwebenden Materiale
vornimmt, um dafjelbe in eine zum Weben bequeme Geſtalt und
Abtheilung zu bringen. Die Webeftühle, worauf die Bänder ge
macht werden, find diefer Sabrifation eigenthümlidh, und haben
eine Einrichtung, durch welche befonders die Vermehrung des Er-
zeugniſſes beabfichtigt wird, weil ohne diefe, mit den für breitere
Zeuge üblichen Mitteln, die Bänder nicht um wohlfeile Preife ge
liefert werden fönnten.
Es wird zwedmäßig feyn, den ganzen Gang der Zabrifa-
tion an der Verfertigung der Seidenbänder darzuilellen, indem
hier fowohl die größte Dannigfaltigfeit vorfommt, als die meiften
Küdfichten zu beobachten find; das Weſentliche aber gleichfalls
für die Sabrifation aller andern Bänder gilt.
I. Die Vorarbeiten. Die erfte Arbeit, welcher die aus
dem Ballen genommene Eeide unterworfen wird, befteht darın,
daß man die Fäden, womit die Strehne feit gebunden find, auf:
fprengt, bevor man fie dem Färber überliefert. Diefe Vorberei:
tung ift, fo unbedeutend fie fcheint, nicht ohne Wichtigkeit; denn
ohne fie würde die Farbe an den gebundenen Stellen der Strehne
nicht leicht genng eindringen, und die Sarbung daher ungleichföre
mig ausfallen, Dan bedient ſich zu jener Operation, welche das
Kaviliren genannt wird, um die Seide bequem handhaben zu
£önnen, des Kavilirftodes. Diefes hoͤchſt einfache Geräth bes
fteht aus einer niedrigen, uur etwa ı3 oder ı5 Zoll hoben Banf,
aus einen fenfrecht darauf befeftigten, =: Zuß hohen Brete, und
aus zwei oder vier, von den Seiten dieſes Bretes horizontal ab⸗
ftehenden runden Pflöden, über welche man die zu behandelnden
Beidenftrehne hängt. Die Benennung der Arbeit und des Werk:
zeuges ift italienifh, und Ffommt von Caviglia, ein Pflod.
Das Färben der Seide ift Feine Arbeit des Bandfabrifanten,
und wird in diefem Werfe bei der Behandlung der Särbefunft aus⸗
führlich befchrieben werden.
Die gefärbte Eeide wird auf große Spulen gewidelt, wozu
Vorarbeiten zum Weben. 425
man fich einer Maſchine bedient, anf weicher gewöhnlich acht
Strehne zugleich abgewicelt werden (f. Spulmafhine). Die
ſes Binden if die letzte Vorbereltunge-Arbeit, weiche aller zur
Bandfabrifation beflimmten Seide gemein iſt. Die nun folgenden
Dperationen zerfallen in zwei Abtheilungen, je nachdem die Seide
als Kette oder als Eintrag gebraucht werden fol. Wekanntlich
find es zwei ſchon in den Seidenfpinnereien uf verfihisdene Weiſe
zugerichtete Seidengattungen, welche bei allen feidenen Geweben
zu Kette und Eintrag gebraucht werden: naͤhmlich die Dirgan-
ſinſeide (Organfin) zur Kette, d. i. zu den Säden, welche nad)
der Länge der Gewebe laufen; und die Tramfeide (Xrama)
zum Einfchlag, oder zu demjenigen Baden, welcher Die Kette recht⸗
winflig durchkreuzt. Die erftere ift ſtaͤrker gedreht und feſter, bie
zweite hat weniger Drehung und daher einen weicheren, Tlacherk
Faden. Ausführlicheres über diefen Unterfchigb und feinen ur
fprung wird im Artifel Seide vorfommen.
Die Kette (der Anfchweif oder ZetteT) befteht für jedes
Band aus einer gewillen Anzahl glei Ianger, neben einamber
liegender Säden, welche Bier, aus einem fpäter anzugebenden
Grunde, eine fehr bedeutende Länge, gewöhnlich von 200, 300,
ja ſelbſt von 350 Ellen haben. Nur zu foldhen Bändern, von
welchen als Modemtiteln fein fehr ange dauernder Abfag zu er⸗
warten ift, macht man die Kette, und Daher auch die daraus entz
Rehenden Bandſtücke, Pürzer. Die Anzahl der Fäden in einer
Kette ift nach der Breite der Bänder, und nad) ihrer Schwere
(d.h. Dichtiäfeit und Feinheit) verfchieden ; fie beträgt z. B. bei
einem Atlasbande von 24 Zoll Breite 936 bis 1000, ja ſelbſt 1500.
Je breiter ein Band iſt, deſto enger ſtellt man in der Regel die
Kettenfaͤden und deſto mehr Sorgfalt wird überhaupt auf die Er⸗
zeugung verwendet. Zur Verfertigung der Kette wird eine ge=
wiſſe Anzahl der oben erwähnten Spulen, welche mit Organſin⸗
feide vollgewidelt find, in einem auf einer niedrigen Banf etwas
fhräg flehenden Rahmen auf Drähte geſteckt. Diefer Rahmen
beißt dee Schweifftod oder das Schweifgeftell. Er ent
Hält gewöhnlich vier Reihen Spulen neben einander, und in jeder
Neihe zehn, im Ganzen alfo vierzig Spulen. Manchmahl ift aber
die Anzahl der Spulen auch größer, und fleigt bis Hundert. Man
426 . Banpdfabrikation.
nimmt die Faͤden von allen vierzig Spulen zuſammen, und leitet
fie zuerft einzeln durch eine Reihe gläferner Ringe, welche auf
einer Leifte befeftigt find, dann gemeinfchaftlich Durch einen grö-
Gern gläfeenen Ring auf einen nahe ftehenden, ſenkrechten, 6 Buß
hoben Haſpel (den Anſchweif⸗ oder Zettelrabmen) Die
Umdrehung diefes Haſpels gefchieht mittelft einer Kurbel und
Dreier verzahnter Räder. Diefe Vorrichtung und ihr Gebrauch ift
bei allen Arten von Weberei bis auf.geringe Unterfchiede die naͤhm⸗
Uche, wird Daher im Artifel Weberei ein für ale Mahl ausführ-
lic, befchrieben. on
Dreer Zettelrahmen der Bandfabrifen hat vier Ellen im Um:
fange: Das Aufwideln der vierzig Faͤden gefchieht von oben nach
unten in nahe an einander Tiegenden Windungen einer Schraus
benlinie fo oft, daß die erforderliche Länge herausfonmt, z. B.
alfo 75 Mahl für eine Kette von 300 Ellen. Die Kette wird am
Ende des Rahmens um- drei hölzerne Nägel gefchlungen, und dann,
bei verfehrter Drehung des Rahmens, zurüd hinauf, eben fo oft
herum gewunden; fo, Daß alfo jetzt bereits Bo Fäden von der feft-
gefesten Länge auf dem Zettelrahmen ſich befinden. Auf diefe
Meife. fährt man fort, abwechfelnd hinauf und hinab zu fchweifen,
bis die beftimmte Sädenzahl voll ift. Für eine Kette von 1200
Fäden ift es alfo nöthig, 16 Mahl von oben nach unten, und eben
fo oft von unten nach oben zu ſchweifen, wodurch 3o Mahl za
oder 1200 Faͤden, ſaͤmmtlich 4 Mahl 75 oder 300 Ellen lang,
erhalten werden. Das erwähnte Herunschlingen der Kette um
Die Nägel oben und unten am Zetteleahmen wird dergeftalt vors
‚genommen, daß zuerft Die ganze Kette über den legten Nagel ges
hängt, dann aber in umgefehrter- Richtung zurüdgeführt, und
nun abwechfelnd ein Saden über und einer unter den zweiten Nas
gel gelegt wird. Zwifchen dem zweiten und erften Nagel kreuzt
man die fo getrennten Hälften der Kette, fo daß auf dem erften alle
Faͤden oben zu liegen kommen, welche auf dem zweiten fich unten
befinden, und umgefehrt. Diefe Kreuzung hat zum Zwede, die
Faͤden in.einer folchen Ordnung zu erhalten, daß fie ſich in der
Folge nicht verwirren, und beim Einziehen oder Andrehen auf dem
Webeſtüuhle (f. unten) leicht der Reihe nach aus einander gefunden
werben können. Zu diefem Behufe fchlingt man zulegt-durch Die
Vorarbeiten zum Weben, 427
Krenzung einen flarfen Zwirnfaden, um die Trennung auch nad)
dem Abnehmen vom Zettelrahmen bleibend zu machen.
Bei den meiften Arten von Bändern werden die Seidenfaͤden
in der Kette einfach genommen; nur bei Grosdetoursband, bei
Drdensbändern und anderen ſchweren Artifeln, ift Diefed nicht der
Gall. Bei diefen werden zwei, feltener.drei oder vier Faͤden von
eben fo vielen Spulen des Schweifgeftelld zufammengenommen,
und gemeinfchaftlid, Durch einen Glasring auf den Zettelrahmen
‚ geleitet, wo fie auch bei der erwähnten Kreuzung ſtets beifammen
bleiben, und überhaupt fo betrachtet und behandelt werden, als
feyen fie nur ein einziger Faden. Man fehe hierüber, was oben
bei der Aufzählung der Bänder-Sattungen gefagt worden iſt.
Vom Zettelrahmen weg wird die gefammte, für ein Band
beſtimmte Kette auf eine große Spule, oder, wenn die Zahl der
Fäden ſehr bedeutend ift, auf zwei folche Spulen, welche man
Zettelfpulen (Zettelrollen) nennt, aufgewidelt, um in
diefer Geſtalt auf den Webeftuhl gebracht zu werden. Man be—
dient fich zu Diefer Arbeit, welche das Ablegen oder Abfahren
heißt, eines Geſtelles (des Abfahrers), worin die Spule auf
einer eifernen Achfe ſteckt, und lestere durch eine Kurbel umge⸗
dreht wird. Die Kurbel befindet fich unmittelbar an der Achfe,
wenn die Bandfette größer (aus mehr Faͤden zuſammengeſetzt) iſt,
weil dann das Aufwideln langfam und mit mehr Aufmerffamfeit
vorgenommen werden muß. Bei den Ketten für fchmale Bänder .
Bingegen wird die Achfe der Spule fchneller durch ein an ihr ber
findlicheö Getrieb umgedreht; diefes erhält feine Bewegung mit
telft eines Zwifchenraded von einem zweiten, größern Rade, au
welchem die Kurbel angebracht ift.-
Die zum Eintrage beftinmte Seide wird von den er er⸗
waͤhnten großen Spulen, auf welche ſie, wie die Kettenſeide vor
dem Schweifen ‚ einfach aufgewunden worden iſt, auf kleine, nur
ı oder 13 Zoll lange Spulen gewickelt, welche in die unten zit
befchreibenden Schügen eingelegt werden. Hierzu dient eine eigene
Spulmafchine, auf weldher 32 Eintragfpulen zugleich mit Seide
gleihförmig angefüllt werden. Auch die Befchreibung diefer Ma—⸗
ſchine kommt im Artikel Spulmafchine vor. Der Eintrag der
feidenen Bänder ift beinahe gar nie ein einfacher Baden, fpndern
428 Bandfabrikation.
entweder doppelt, oder noch mehrfach, wie bereits bei ber Yafı
sählung der Bändergattungen gefagt worden ift; daher nimmt man
"auf der eben erwähnten Mafchine die Fäden von 2, 3 oder meh⸗
zeren großen Spulen zufammen, um fie gemteinfchaftli auf eine
Schützenſpule zu wickeln.
U. Das Weben. Sum Heben der Bänder werden dreier:
dei Stühle angewendet: Muͤhlſtühle, Schubftühle und
Handftühle Der meifte und allgemeiufte Gebrauch wird von
den Müplftühlen gemacht; der Schubftühle bedient man fich faſt
ausfchließlich zur Verfertigung von Sammtbändern, der Hand-
ftähle nur zu fehr breiten und fhweren Bändern, befonderd wenn
diefelben mit fünftlicheren Muftern verfehen find.
ı) Der Mühlſtuhl (die Bandmühle) ift ein wahrer
felbfiwebender Stuhl, d. 5. ein folcher, bei welchem die einzelnen
zur Bildung des Gewebes nöthigen Bewegungen, ohne unmittel=
bares örtlihes Zuthun der bewegenden Kraft, durch mechanifche
Vorrichtungen hervorgebracht werden. Cr bat ferner das Eigen-
thuͤmliche, daß eine große Zahl von Bändern (12 bis 30 oder 40,
nach Verfchiedenheit der Breite) zugleich darauf gewebt werden,
und ift hierdurch das Haupt-Beförderungsmittel einer wohlfeilen
Erzeugung; indem der Arbeiter, welcher den Stuhl in Bewegung
fept, beim Weben der erwähnten Anzahl von Bändern nicht viel
mehr Mühe und Zeit aufwendet, als er zu einem einzigen Bande
von der nähmlichen Breite nöthig hätte. Ein einzelnes Band heißt
- auf dem Muͤhlſtuhle ein Lauf oder Gang, und fo gibt es alfo
@tühle mit 20, 24, u. f. w. Läufen oder Gängen. Die Einrich-
tung des Stuhles, obſchon im Wefentlichen ſtets die nähmliche,
weicht doch in einzelnen Umftänden ab, je nachdem man bloß glatte
Bänder (3. B. Taffetbänder), oder Atlasbänder, oder figuricte
(gemufterte) Bänder darauf verfertigt.
Fig. ı (Taf. 8) ift der Aufriß der Vorderfeite eines zur Vers
fertigung von Atlasband, und auch von figurirten Bändern, eins
gerichteten Muͤhlſtuhles, und zwar von 18 Läufen. Fig. ı ( Ta⸗
fel 9) iſt ein Durchſchnitt des wähmlichen Stuhles, und Fig. =
(Taf. 9) die Anficht der linken Seite deflelben.
Die Zettelrollen, d. 5. die Spulen, auf welchen die
einzelnen Ketten aufgewidelt find, und deren mithin ſo viele vor:
Müpifühle. ' 479
handen find, als der Stuhl Läufe hat, befinden ſich in einem hin⸗
ten am Stuhlgeſtelle angebrachten Rahmen (dem Zettelrah⸗
men), wo fie auf Eifendrähten fledien, und frei um dieſelben ſich
drehen koͤnnen. Man ſteht in Big. 1, Taf. 9, beia eine Diefer
Spulen, und beit, Fig. ı und 2, den erwähnten Rahmen. Das
mit die Spulen fi) während ded Webens nicht, und überhaupt
zu feiner andern Zeit drehen fönnen, ala wenn e8 der Arbeiter. will,
am einen neuen Theil der Kette flatt des Schon verwebten abzurol«
len, befigt jede Spule an einer ihrer Scheiben einen Tchrägen
Einfchnitt, und in diefem Tiegt die Schlinge einer am Zettelrahmen
befeftigten Schnur, welde die Spule fomit auf die einfachfte
Weiſe zurückhält. Won ihrer Spule a geht eine jede Kette fchräg
aufwärts, über ein an der Kante abgerundetes, ſtehendes Bret b,
uber eine Fleine Rolle c, hierauf um eine freie, mit dem Gewichte ©
befhwerte Rolle d, wieder aufwärts um die Rolle f, und dann
um die Unterfeite des runden, zwifchen den zwei Säulen y des
Btuhlgeftelles feftliegenden Seidenbaumes g. Don hier an
nehmen die Kettenfäden eine horizontale Richtung. Sie gehen -
juerft durch ein Blatt (das Scheidblatt) h, ſodann durch. Die
Ligen i der Schäfte m’, und endlich durch das Blatt c’ in der
Lade k. or diefem Blatte findet, wie bei allen Webeſtuͤhlen,
die Bildung des Gewebes Etatt, indem ziwifchen die Kettenfäden
die Faͤden des Eintrages oder Einfchuffes eingezogen werden. Aus
jeder. Kette wird folchergeftalt ein Band. Die Bänder (2’, Gig. v,
Taf. 8 und 9) nehmen nun ihren Weg durd, eine Spalte eines
borizontolen, unbeweglich liegenden, vierfantigen Baumes I (der
Liegb anf), hierauf um zwei hölzerne Walzen m, n, (die Bands
bäume), gehen von da fenfrecht hinauf, jedes über eine Rolle o,
um eine mit einem Gewichte q befchwerte freie Rolle p,. über eine
abgerundete Leifte r, und endlich fhräg hinab nach einem Rah⸗
men 77, der fich hinten über die ganze Breite des Stuhles erſtreckt.
Diefer Rahmen, welcher der Bandrahmen genannt wird, äft
durch fenfrechte Ratten in fo viele Abtheilungen getrennt, als der
Stuhl Läufe hat. In jeder Abtheilung befindet fich eine Feine
Wale (Bandrolle) s, um welde das fertige Band aufgerollt
wird. Damit aber diefe Bandrollen nicht von felbft zurückgehen
tunen, beſitzt eine jede derfelben an einem Ende eine Art Sperr⸗
ABO. Bandfabrikation.
Rad von nicht mehr als zwei Zähnen, in weiches ein hölzerner
Sperrfegel (Schnapper) einfällt. Die Gewichte e und q find zy⸗
Iinbrifche blecherne Buͤchſen, in welche man. Eifenftüdfe legt. Das
Gewicht q, dab Bandgewicht, muß immer um etwas fchwerer
feyn, als das Seidengewicht e, aud einem fpdter zu erflä-
renden Grunde. Die Rollen o, c, f, mit dem dazu gehörigen Ge⸗
flelle, nennt der Baudmacher das Gerölle. Mehrere der. biöher
erwähnten Theile des Stuhles find auch in: Fig. ı ( Taf. 8) und
Big. 2 (Taf. 9) zu bemerken, wo man fie leicht an den nähmlichen.
Buchftaben wieder erfennt.
Es ift fhon oben berührt worden, daß bei fehr breiten Baͤn⸗
dern die Kette auf zwei Spulen vertheilt wird. In dieſem Falle
muß alſo der Zettelrahmen t doppelt fo viel Spulen enthalten, als
Läufe auf dem Stuhle vorhanden find; die Rollen c, d, Bingegen
find nur. einfach für jede Kette vorhanden. Die Urfache non der
Vertheilung der Kette auf zwei Spulen liegt in der Bemerkung,
bie fich beim Weben darbiethet, daß es unmöglich ift, eine vollz
fommen. gleiche Spannung aller Fäden. zu erhalten, wenn deren
eine fehr große Zahl mit einander aufgewidelt find. Denn es ift
eine gewilfe Ungleichheit der Länge diefer Fäden beim Schweifen
deſto weniger zu vermeiden, je größer ihre Anzahl wird; und diefe
Ungleichheit hat dann die natürliche Folge, daß entweder die laͤn⸗
gern Fäden auf dem Stuhle fchlaff bleiben, oder die fürzeren,
Ducch.den ganz allein auf fie fallenden Zug des Gewichtes e, ab⸗
reißen: beides für die Schönheit des Gewebes und die Schnellige
keit der Arbeit fehr nachtheilige Umftände. Der nähmliche Grund
macht es nothwendig, ſolche Xheile der Kette, von deren hinrei«
hender Spannung nian befonderö verfichert feyn will, oder die ſich
in ungleihem Verbältniffe zum Übrigen einweben, auf abgeſon⸗
derte Spulen zu bringen, und daher fchon abgefondert zu fchweis
fen. Diefes ift 3. B. der Fall mit den aͤußerſten Faͤden (Eudfäden)
ber Leiten an breiten Bändern, welche man gerne etwas flärfer,
und unabhängig von dem Reſte der Kette, fpannt, damit Die Baͤn⸗
‚ ber gerade und nicht fchlaffe Kanten erhalten. Eben fo muß bei
* figurirten Bändern der zur Hervorbringung ded Mufters oder
Deſſeins beftimmte Theil der Kette, welcher fi, da er mehr frei,
und weniger zwiſchen den Eintragfäden gefchlängelt liegt, nicht
fo- fchnell einarbeitet (d. 5. nicht in fo guoßer Menge verbraucht
wird), ald die Kettenfäden des Grundes, auf eine befondere Spule
gewickelt werden. Endlich beobachtet man diefed Verfahren auch,
wenn zwei Seidengattungen gemifcht verarbeitet, 5.8. Atlaöftrei-
fen (wozu man gefochte oder entfchälte Seide nimmt) in Duͤnn⸗
tuchband (welches aus roher Seide beſteht) eingewebt werden.
In allen dieſen Sällen wird die zweite Spulenreihe oberhalb der
erften angebracht. Das die ganze Breite des Stuhls einnehmende
fchräge Lifierbret. (Lifier von dem franzöfifchen Lisiöre, die
Leifte eined Zeuges oder Bandes) u,. Fig. ı, 2, Tafel 9, ift hierzu
vorhanden... Es tft mit hölzermen Nägeln verfehen, auf welche
man die Spulen v fiedt. Die. Faͤden einer jeder. von diefen Spu⸗
ten Taufen über eine Fleine Rolle w (Big. ı, Taf. 9) in dem fo ge:
nannten Lifierfrange abwärts, um eine freie, mit einem Ges
wichtchen befchwerte Rolle x, dann wieder hinauf, über eine
neben w auf demfelben Drahte ſteckende Rolle, und von diefer
nach dem. Seidenbaune g, wo fie an den gehörigen Stellen zwi⸗
fchen oder neben den übrigen Theilen der Kette eingereiht und
durch das Scheibblatt h gezogen find. |
Das Scheidblatt hat zum Zwecke, bie Fäden der Banbfetten,
welche bis zu dem Seidenbaume g eben fowohl auf ald neben eins.
ander liegen, in eine ebene Släche regelmäßig auszubreiten. Es
iſt an den zwei Säulen y des Stuhlgeftelles, unmittelbar vor dem
Seidenbaume, befeitigt, und befteht, wie die Weberblätter über
baupt, aus zwei langen und dünnen, parallelen, hölzernen Leiften,
zwifchen welchen, eng an einander‘, fenfrechte platte Stifte (ges
wöhnlich von Mohr) eingefeht find. Dusch den Raum zwifchen
zwei re zieht man entweder nur einen einzigen Baden, oder
auch, bei fhwereren Bändern, wo die Kettenfäden enger beifam-
men feyn mülfen, zwei, ja Drei Fäden.
Bon dem Scheidblatte geht Die ausgebreitete Kette nach den
Schäften hin, welche man auch, zufanmengenommen, dad Wert .
oder Gefchirr nennt. Die Schäfte bilden einen der wichtigften
Xheile hier, fo wie bei allen Webeftüßlen überhaupt, indem fie
die Beftimmung haben, die Kette auf eine folche Art zu trennen
oder zu theilen, daß nicht nur der Eintrag durch die entflehende
Dffnung durchgebracht werden kann, fondern auch jeder einzelne
J
432 Banbfabrifation.
Baden deöfelben jene Lage erhält, welche er nach der Natur bes
Gewebes haben muß. Es wird. unter Weberei über die verfchie»
denen Modififasionen der Gewebe umfländlich die Rede feyn; hier
kann einftweilen darüber nur fo viel gefagt werden, als zum Ver:
fteben der Bandweberei unmittelbar nothwendig ift.
‚ Jeder Schaft ift eine Sammlung von parallelen fenfrecdhten
Zwirnfaͤden, deren jeder in der Witte feiner Länge eine Maſche
zum Durchgange eines oder zweier Kettenfäden beſitzt. Man nennt
jene Fäden die Ligen; fie find fämmtlich oben an eine dünne
hölzerne Leifte, wie m’ (Big. 7, Taf. 9) befeſtigt. Die Schäfte
des Bandfluhls find nicht durchaus mit Ligen verfehen, weil es
unnöthig und hindernd wäre, an jenen Stellen, wo feine Kette
durchgeht, dergleichen anzubringen. Die Einrichtung eines Schaf:
tes erfennt man am beiten aus der nach etwas größerem Maß-
flabe gemachten Zeichnung, Fig. 2, Taf. 8, welche einen Theil
deifelben, von vorn und im Profile gefehen, vorflellt. Die Leifte
m’ befigt fo viele Einfchnitte 0°, als Läufe auf dem Stuhle vor
handen find ;. ihre untere ſchmale Fläche ift rinnenartig ausgehöhlt,
und in diefe Rinne ift ein ftarfer Meflingdrabt n? n? gelegt, der
durch Klammern von Eifendraht, y?, y?, feftgehalten wird. Die
fer Drabt ift nur fo Di, daß über ihm in den Ausfchnitten o?
noch etwas Raum bleibt. Die Ligen i werden auf die in den Aus⸗
ſchnitten fichtbaren Theile des Drahted aufgefchlungen, fo wie es
ausführlicher die im: dritten Theile der Größe entworfene Profil
zeichnung, Big. 3, Taf. 8, zeigt. Mean fieht bier zugleich die
Einrichtung der Ligen genauer angegeben. Jede Lige ift naͤhmlich
ein doppelter Zwirnfaden, der bei p?, q?, r? drei Knoten befipt.
Durch die Mafche, welche folchergeftalt zwifchen q? und r* entfteht,
wird ein Baden der Bandfette gezogen. Das untere Ende jeder
Lige trägt ein Stud Eifendraht von 10 bi6 ı2 Zoll Länge und fa
ı Linie Dide, welches oben platt gefchlagen, und mit einem
Loche verfehen ift, um an die Litze ängefchlungen zu werden (f. 8°,
Fig. 3). Diefe Eifen find in allen Biguren, wo fte fichtbar find,
mit n‘ bezeichnet; fie geben ben Ligen die nöthige Spannung, nud
dem ganzen Schafte das Gewicht, welches er Haben muß, um
von felbft fchnell zu. finfen, wenn er gehoben worden ift, und
wieder auögelaffen wird. Die bier befchriebene Einrichtung der
Muplftühte. 453
Schaͤfte iſt die. vollkommenſte, aber fie iſt nicht die wohlfeilite
(vorzüglich wegen der großen Menge Eifen, welche zur Herftel-
lung eines ganzen Gefchirres erfordert wird), und Daher aud)
nicht Die gewöhnlichfie. Meiſtens nähmlich bleiben die Einfchnitte
o° in der Leiſte (Big. 2, Taf. 8), der Meflingdraht n?, und die
Eifen n’ weg: die Ligen werden oben ganz; um die Teifte m‘ her:
umgeschlungen,, und unten auf diefelbe Weife durch eine gleiche
Leifte verbunden, fo, daß ſie ſich nicht einzeln, fondern nur ge:
meinfehaftlich bewegen Föunen. “Zum Meben von Taffet⸗ und
Atlasbändern, überhaupt von foldhen, welche nur glatt oder ge⸗
föpert find, find die Eifen auch in der That entbehrlich, obfchon
fie immer, durch die unabhängige Beweglichfeit einer jeden einzel-
nen Litze, das Auffuchen abgerilfener Kettenfäden im Laufe des
Webens fehr erleichtern ; allein, um figurirte (gemufterte) Bänder.
zu verfertigen, muß man jedes Mahl den Schäften die obige Ein-
richtung geben, wie fpäter noch berührt werden foll.
Zum Weben von Atlasband find acht, Schäfte erforderlich,
und überdieß noch zwei Schäfte zur Hervorbringung der Leiften,
welche glatt oder taffetartig gewebt find. Leichtere Atlasbänder
werden indellen wohl auch mit 7 oder 6, zuweilen fogar nur mit
5 Schäften gewebt. Man fieht dad ganze Gefchire in dem Durch⸗
fhnitte, Sig. ı (Taf. 9), und den obern Theil deffelben auch in
Big. ı (Taf.8); aber in Fig. a (Taf. 9) find die Schäfte wegge⸗
laſſen, weil fie die vor ihnen befindlichen Theile verwirrt hätten.
Die zehn Schäfte denfe man fich von hinten nach’ vorne dergeftalt
mit Nummer bezeichnet, daß der zunaͤchſt am Seidenbaume g
befindliche ı, und der erfte hinter der Lade k, 10 heiße. Unter
diefer Vorausſetzung find die Schäfte ı und a die zum Weben der
Leiften beflimmten, und 3 bis 10 diejenigen, welche den Atlas,
oder das eigentliche Gewebe der hier zu erzeugenden Bänder her⸗
vorbringen. Die erftern haben Daher auch nur wenige Ligen zu
beiden Seiten des für eine Kette beftimmten Raumes, fo, wie man
dei at (Fig. 2, Taf. 8) bemerkt; indeß die. Mitte für den Durch»
gang der übrigen Kette nach den acht Atlasſchaͤften frei bleibt,
welche fo wie h*, kt ganz .mit Ligen beſetzt find. Die Zahl der
Ligen an einem Schafte richtet ſich nach der Staͤrke der Kette; fo
erfordert. 3. 8. eine ı200 Fäden flarfe Atlasfette an jedem der
Technoi. Encyelop, 1. BD. 28
Aa. Bandfahrifation.
acht Schäfte 150 Ligen. Durch die Mafche in dee Mitte einer
jeden Lite wird ein einfagher (oder bei Geweben, wozu die Kette
doppelt geſchweift iſt, ein doppelter) Kettenfaden gezogen, der
alfo bei dem Hinaufgehen des Schaftes gezwungen ift, demfelben
zu folgen. Die Vertheilung der Kette in die Schäfte gefchiebt fo,
daß man zuerft die Fäden zu der einen Leifte in die Schäfte ı und
a, und zwar abwechjelnd in diefen und in jenen Schaft einen Fa⸗
den einzieht; dann aber zu den Schäften 3 bis 10 übergeht, hier
einen Baden in den Schaft 3, einen in 4, einen ind, u.f.f., endlich
einen in 10 einzieht, and dieſes in derfelben Ordnung fo Tange wies
derhohlt, bis die Kette zu Ende iſt. Zulegt wird dann Die Kette der
zweiten Leifte auf obige Art in die Schäfte ı und 2 eingezogen.
Hieraus ergibt fich auch leicht Die Art, wie man z. B. einziehen
müßte, wenn der Grund des Bandes Taffet oder Grosdetours,
und nur mit einzelnen Streifen von Atlas verfehen ware. Alle
Kettenfäden zum glatten Grunde fämen dann in das hinterfie
Schäfte-Paar, und nur die Faͤden zu den Streifen in die acht
vordern oder Atlas⸗Schaͤfte. Damit die Schäfte bei ihrer auf und
‚nieder geheiiden Bewegung nicht an einander fteeifen und fich rei⸗
ben, find drei gitterförmige Rahmen (Befchirr- Bitter) p’
angebracht, von weldjen eines in Sig. 7 (Taf. 9) abgefondert vor:
geftellt it. Jedes ſolche Gitter ift mittelit zweier Schnüre au
dem Schnürbret q/ (deifen Beftimmung bald erflärt wird) aufge:
hängt; und beſteht aus neun fenfrecht zwifchen zwei Querleiften
eingefegten dünnen Stäbchen, zwiſchen welchen die acht mittleren
Schäfte Raum genug haben, im ſich ungehindert auf und ab
bewegen zu können. Der erfte und zehnte Schaft befinden fi)
außerhalb der Gitter; Um die Verwirrung der Ligen, fo wie Die zu
große Reibung der Eifen n’ und ihr Hin⸗ und Herfchwingen bei
der Bewegung der Schäfte zu vermeiden, gehen die Eifen aller
zu einer Bandkette gehörigen Ligen durch ein viereckiges Loch in
einem Brete 0’ (Fig. ı, Taf. 9), welches Loch noch durch Eifen-
Drähte in zehn Abtheilungen getrennt ift, fo, daß die Eifen eines
jeden Schaftes für ſich abgefondert find. In ig. 4, Taf. 9, ill
ein Stück diefes Breted in der Anficht von oben abgebildet.
Die Lade k, durch welche Die Ketten zunächft ihren Weg neh⸗
men, bat in den Haupttheilen die nähmliche Einrichtung, wie bei
‚Müplftühle. 435
allen Webeftühlen. Sie ift ein flarfer, die ganze Breite des
Stuhles ausfüllender Rahmen, aus zwei Seitentheilen k beftehend,
welche oben durch ein Querſtück w‘/ u“ (Fig. ı, Taf. 8) und unten
ducch zwei andere Querftüde i/, k/, verbunden find. Bei u‘, w
hängt diefer Rahmen in Zapfen, um welche er vor: und rüd:
wärtd fchiwingen fann. Zwifchen i‘ und k/ find die Blätter c/ ein«
gejebt, für jede Bandkette eines, wie man deutlich in Fig. ı,
Zaf. 8 fieht. In Fig. 5, Taf. 9, wo ein Stud der Lade in grös
Berem Maßitabe vorgeftellt ift, find die Räume ec‘, in welche die
Blätter eingefegt werden, leer gelaſſen. Fig. 4, Taf. 8, zeigt
ein Blatt abgefondert. Es befteht aus einem Fleinen, von zwei
horizontalen hölzernen Leiftchen und zwei fenfrechten Stahldrähten
zufammengefesten Rahmen, in welchen platte Stahlftifte, wie die
Rohrſtifte des Scheidblatted, fenkrecht und eng neben einander
befeftigt find. Durch die Sffnung swifchen zwei Stiften gehen bei
Atlasband 8, feltener b oder 5 Faͤden der Kette (bei Taffetband
2, 3, auch 4, bei Grosdetours 6 oder 8, bei Dünntuchband nur.
ein einziger). Je dichter das Bandgewebe werden foll, defto
mehr Häden zieht man zwifchen zwei Stiften des Blattes ein;
weil wegen der nöthigen Stärfe der Stifte es nicht angeht, die
Anzahl derfelben auf einem gegebenen Raume beliebig zu vermeh-
sen. Ein leichteres, d. i. mehr lockeres Gewebe läßt ein Blatt
mit weiter ſtehenden Stiften zu. Dan fönnte zwar mit einem ſol⸗
hen auch die [hwerften Bänder erzeugen, indem man die Zahl der |
Fäden in einer Offnung nad; Erforderniß vergrößerte ; aber dieß
wäre ein Mißbrauch von üblen Folgen. Denn in der That bleiben
die Kettenfäden, welche gemeinfchaftlich durch eine Offnung des
Blattes laufen, vor der Lade einander defto näher, je weniger
Raum fie im Blatte haben, und es entftehen Hierdurch einzelne
Sädenbüfchel, weldye durch größere Zwifchenräume von einander
getrennt find, und das Gewebe ftreifig machen. Der Einfluß
diefes Umſtandes ift bei glattem Band (Zaffetband) am merflichften.
Es ift demnach am zweckmaͤßigſten, die für eine beftinmte Breite
der Kette feftgefeßte Anzahl von Fäden fo gleihförmig als mög:
lich zu vertheilen, und dieß gefchieht Durch Anwendung eines nicht
zu groben Blattes.
Es iſt gefagt worden, daß die Bildung des Gewebes, durch)
28 *
436 Bandfabrikation.
die Vereinigung des Eintrages mit der Kette, unmittelbar vor der
Lade Statt findet. Das Werkzeug, welches hierzu bei allen Ar:
ten von Weberei gebraucht wird, die Schüpe, hat an den Band⸗
müblen eine etwas eigenthümliche Einrichtung (f. Fig. 9, Taf. 8,
die Anficht einer Bandfchüge von oben und von vorn). Sie ift ein
ungefähr balbrundes , bei bedeutenderer Größe auch mehr laͤngli⸗
ches, flaches, und an den Enden dünner, faft ftumpf ſchneidig
zulaufendes Stück Buchsbaumholz. Ihre Länge beträgt wenig⸗
fiend die doppelte Breite des damit zu webenden Bandes ; ihre
Breite ſtets nur + bis 2 Zoll. Sie befigt nahe an der hintern,
geraden Kante, fowohl auf der obern als auf der untern Släche,
eine Rinne, wie ı? 13, und weiter vorn eine große Durchbrechung
in welcher die Fleine, mit Eintragfeide angefüllte Spule u? Platz
findet, ohne weder über die obere noch über die untere Fläche her⸗
vorzuragen. Der Faden geht von diefer Spule durch ein Feines,
mit einem Glasringe gefütterted Loch x? heraus. Die Spule
fleft und dreht fich auf einem feſt eingelegten Eifendrahte. Damit
fie fi) nicht mehr drehen fann, als der Zug des ſich abwicfelnden
Badens gerade verlangt, fo drückt auf fie das ringförmig gebogene
Ende eined Drahtes v’, der mit feinem andern, umgebogenen,
Ende in ein Loch des Holzes geſteckt ift, und auf welchem die
ſchwache Stahlfeder w’ liegt. Diefe Schägen, deren fo viele ald
DBandläufe am Stuhle vorhanden feyn müſſen, find wahre Schnell»
fügen, d. h. folhe, welche nicht unmittelbar von der Hand des
Arbeiters, fondern durch einen Mechanismus geworfen, oder
eigentlich geſtoßen werden.
Durch die auf und nieder gehende Bewegung der Schaͤfte,
in welcher dieſelben auf eine noch zu beſchreibende Art mit einan⸗
der abwechſeln, wird "ein Theil der Kette aus der horizontalen
Ebene, in welcher die ganze Kette fi) urfprunglich befindet, ents
fernt, und in die Höhe gehoben. Hierdurch entfteht, wie man in
Fig. ı., Zaf. 9, fieht, eine Öffnung zwifchen den gehobenen und
liegen gebliebenen Settenfäden, welche ſich rüdwärts bis an den
Ceidenbaum g, vorwärts bis außerhalb die Lade erftredt, und
an beiden Punften in einen fpigigen Winfel zufammen läuft.
Durch diefe Offnung muß der Eintrag, und zwar abwechfelnd von
der rechten gegen die linfe Seite und von der linfen gegen die
Muͤhlſtuͤhle. 437
rechte, mittelft der Schüge durchgegogen werben. Die hierzu ger
troffene Anordnung ift fo befchaffen, wie fie die Zeichnungen Fig.
» (Taf.8), Sig. ı und 5 (Taf. 9) angeben. In die zwei unteren
Querſtücke i/ und k’/ der Lade find nähmlic doppelt rechtwinklig
gebogene eiferne Bügel d’ eingefept; für jede Schüpe ein Paar,
welche zwifchen ihren horizontaten Theilen eine geringe Öffnung
laſſen. Diefe Bügel befinden fi) vor den Blättern c’, und an
den zwifchen leßteren leer gelaflenen Stellen, alfo zwifchen den
einzelnen Bändern. Es iſt um ein Bügelpaar mehr vorhanden,
als der Stuhl Läufe Hat, im angenommenen Falle alfo beträgt
ihre Anzahl 19, fo, daß links und rechts, außerhalb des erften
und des lebten Bandes, ein folches Paar Bügel ſteht (f. Fig. ı,
Taf. 8). Zwifchen die horizontalen Theile der zwei zufammengehöris
gen Bügel wird eine Schüge e’ mit ihren Rinnen t? ı? (ig. 3,
Taf. 8) eingefchoben, fo, daß fie fich Teicht, aber ohne zu fchlot-
tern, darin bin und her bewegen läßt. Die Bewegung, welde
den Schügen, um das Weben zu verrichten, gegeben wird, bee
flieht in dem Übergange von einem Bügelpaare auf das nächte,
und von diefem zurüd aufdas erfte, in immer dauernder Abwechs⸗
lung, wobei die Schüge durch die von den Schäften gemachte
Öffnung der ihr zugehörigen Kette durchgeht, und der von der
Spule fommende Eintragfaden fich in jene Öffnung gefpannt
bineinlegt. Damit diefe Bewegung möglichft Teicht vor fich gehe,
muß, wenn das vorausgehende Ende den nächiten Bügel fchon
erreicht hat, noch etwas mehr als die Hälfte der Schübe in dem
alten Bügel zurũck ſeyn; im entgegengefegten Falle ſenkt fich dad
berausftehende Ende der Schüge, und flößt gegen den untern Büs
gel des nächften Paares, oder, was noch fchlimmer ift, gegen
Die Kettenfäden. Man erreicht jenen Zweck dadurch, daß man den
Bügeln eine im Verhaͤltniſſe wie 7 zu 3 größere Tänge‘gibt, ale
den Räumen zwifchen zwei auf einander folgenden Paaren derfel-
ben. Hierdurch it auch das Verhältniß zwifchen der Länge der
Schügen und der Breite der Blätter (oder der Bänder) beftimmt.
Die Liegbanf 1, auf welche die fertigen Bänder zunächft ges
Iangen, hat eben fo viele, in ihrer Mittellinie befindliche Spalten,
ald Bänder auf dem Stuhle gewebt werden. Diefe Spalten die:
nen den Bändern zur Leitung nach der Walze oder dem Baume
ı 458 Bandfabrikation.
m hin. Die Liegbank beſitzt ferner auf ihrer obern Seite zwei,
die ganze Länge einnehmende, flache Rinnen, in welche der Ar-
beiter feine Huͤlfswerkzeuge, z. B. eine Fleine Schere und ein
Zängelchen zum Pugen der Bänder, bequem legen fann.
Die Bewegungen, weldye zum Weben nöthig find, und
welche hier in der gehörigen Abwechslung durd einen Mechanis⸗
mus hervorgebracht werden, find: a) das Heben der Schäfte, und
die Dadurch bewirkte Theilung der Kette; 2) die Bewegung der
Schügen durch die hierbei entftehende Offnung, wodurch der Ein»
trag zwifchen die Kettenfäden gelegt wird; 3) dad Schwingen der
Lade, welche, wenn fie vorwärts geht, mittelft der Blätter die
Eintragfäden an einander treibt.
Quer durch den ganzen Stuhl geht eine eiferne Achſe d? (Fig.
1, Zaf.8, Fig. ı, 2, Taf. q), welche am rechten Ende ein hölzer-
ned Schwungrad h?, und am linfen, innerhalb des Stuhlgeftelleg,
eine Scheibe c* trägt- An den Enden des Stuhles befinden fich
zwei hölzerne Arme i? (die Treibarme), welche vorn durch eine
runde Stange K? (die Triebflange) verbunden find. Mit dem
bintern Ende ift der rechte Treibarm in eine furbelförnige Biegung
der Achfe d?, zunächſt am Schwungrade, und der linfe in einen
auf der Scheibe c* außer dem Mittelpunfte ftehenden Zapfen ein:
gehängt. Außerdem ift jeder Treibarm bei 1? durch einen Zapfen
mit einem Seitentheile k der Lade in Verbindung gefebt. Das
von dem Arbeiter mit den Händen bewirkte Vor- und Rüdiwärtds
fhieben der Zriebitange k? feßt, diefer Anordnung gemäß, nicht
nur die Achfe d? in Umdrehung, fondern auch die Lade k in ab-
wechfelnde Schwingung um ihre Aufhängungspunfte u‘. Auf der
Achſe d? befindet fich ein Trilling e®, welcher in'ein Zahnrad f?
eingreift, und daſſelbe umdreht. Die Welle g? des letztern ift vier-
edig, von Holz, und geht nicht nur durch die ganze Breite des
Stuhles, fondern ragt aufder Iinfen Seite noch ein wenig über den-
felben hervor. Hier trägt fie ein gezahnted Radm? (Fig. 2, Taf. 9),
welches in ein anderes folches Rad, n? (Fig. ı, Taf. 8, Fig. 2,
Zaf. 9) eingreift. Hierdurch wird die Bewegung auf Diejenigen
Theile übertragen, welche das Heben der Schäfte verrichten, und
zufammen die fo genannte Atlasmafchine bilden, Das Se:
ftell diefer Mafchine ift eine neben dem Stuhle angebrachte Banf
Mühlſtühle. 459
at, unter welcher fih das Rad n? befindet. Diefes Rad iſt feſt
mit einer hölzernen Walze 0? verbunden, auf welcher, zur gehöri«
geu Bewegung der Schäfte, in einer gewiflen Ordnung Kammen
oder Daumen angebracht find.
Jeder der zehn Schäfte hängt an drei Schnüren, s’ (Fig. ı,
Zaf.8 und y); diefe dreißig Schnüre, welche durch Löcher in dem
Schnürbrete q’ geben, find über eben fo viele Rollen t/ gelegt,
welche zu zehn-und zehn auf einer gemeinfchaftlichen Achſe fleden,
fo, daß fie fi unabhängig von einander umdrehen können. Auf
der linfen Seite des Stuhles, oben, find die drei Schnüre eines
jeden Schaftes mit einander über eine der zehn Rollen v’, wi, x’
geleitet, und unter denfelben gemeinfchaftlich an eine ftärfere
Schnur oder an ein dünnes Eifenftängelchen y“ geknüpft. Wenn
eines Diefer zehn Stängelchen herabgejogen wird, fo geht der
Schaft, dem die.daran befeftigten drei Schnüre s zugehören, in
die Höhe. Dieß wird aber auf folgende Art bewirkt. Zehn ein-
armige Hebel 2’, die ihre Dredungspuntte in einem Eifenftängel-
hen haben, auf welches fie mit ihren hinteren Enden geſteckt find,
befinden fidy über der Banf ar; fie heißen Die Dbertritte. Se:
der derfelben ift mittelit eines Eifenfiängelchens b? mit einem Un⸗
tertritte oc? verbunden. Die Untertritte gehen unter der Walze
0? durch, und haben ihre gemeinfchaftliche Drehungsachfe vorn
unter der Banf at. Ein jeder von ihnen trägt ein eifernes aufrecht:
ſtehendes Stängelchen, und an diefem eine Sriktionsrolle, auf
welche die Kammen oder Daumen der Walze o? wirfen, um die
Untertritte, durch diefe die Obertritte, herabzuziehen, und fomit
die Schäfte zu heben. Für jeden Untertritt der acht Atlasfchäfte
ſteht ein Daumen auf der Walze; für jeden der zwei Leiftenfchäfte
enthält diefelbe vier Daumen: fo, daß bei einer Umdrehung der
Walze die Schäfte 3 bis 10 jeder ein Mahl, die Schäfte x und
3 aber jeder vier Mahl gehoben werden. Die Ordnung diefes
Hebens, nach welcher die Stellung der Daumen auf der Walze
eingerichtet feyn muß, ift folgende:
3.6.9.4.7.10.9.8
14.2. TEE,
wobei die unter einander ſtehenden Ziffern die zwei Schäfte anzei:
gen, welche ſtets zugleich gehoben werden. In Big. ı, Zaf. 9
440 _ Bandfabrifatin. «
fieht man au den Schäften, und in Big. ı, Zaf. 8, an den Trit⸗
ten, daß eben die Schäfte a und 10 in die Höhe gegangen find.
Die Daumen auf der Walze 0? greifen (wie man in Big. 2, Taf. q,
bemerft) dergeftalt mit ihren Grundlinien über einander, daß der
eine feinen Zritt fchon hinabzubrüden anfängt, bevor nad) der
vorhergehende den feinigen ausgelailen hat. . Man zieht diefe
Einrichtung darum vor, weil die Hebung eined neuen Theiles der
Kette leichter und mit weniger Reibung vor fich geht, wenn der
unmittelbar vor&er gehobene Theil noch nicht ganz in Die Reihe der
liegen gebliebenen Fäden zurückgekehrt iſt. Jedes Mahl, wenn
zwei Schäfte gezogen werden, wird die Hälfte der Leiften- Ketten»
fäden, und .$ der Atlasfette über die Sbene dev übrigen Kette
binaufgezogen ; fodann wird ein Eintragfaden durchgeſchoſſen, und
durch die Kortfegung diefed Vorganges bildet fi) von felbft das
geföperte Gewebe des Bandes, und das glatte Gewebe feiner
Leiften (f. das Ausführlichere hierüber im Artifel Weberei). Die
unrechte oder linke Seite des Atladbandes ift auf dem Stuhle nach
oben gefehrt.
Es bleibt nun noch die Art zu erflären übrig, wie die Ber
wegung der Schüßen hervorgebracht wird. Dorn auf dem unter:
ſten Querftüde ı/ der Lade liegt eine Stange g’, welche eben fo
lang it, als die Lade breit, und auf ein Paar Rollen, wie h’
(Big. 1,5, Taf. 9) hin und her laͤuft. Diefe Stange ift mit eben
fo vielen aufrechtftehenden eifernen Zähnen f! (Big. ı, Taf. 8, Fig.
1, 5, Taf. 9) befeßt, ald Paare von Bügeln an der Lade vorhan-
den find, und heißt wegen ihrer Geftalt der Rechen. Sie erhält
eine fchiebende Bewegung, abwechſelnd rechtd und links, und
immer nur um fo viel, als die Länge eines Bügeld d’/ beträgt;
fo, daß jeder Zahn von einem Ende feines Buͤgels bis zum andern
bin and ber geht, und hierbei abwechfelnd eine und die andere der
zwei Schüßen, ziwifchen welchen er ſich befindet, vor fich her treibt.
Würde diefe Bewegung langfam geichehen, fo fönnte jede Schüge
nicht um mehr fortgefhoben werden, als der Weg des Rechen
oder die Länge eines Buͤgels beträgt; fie müßte daher faft mitten
vor dem Blatte und in der geöffneten Kette ftehen bleiben. Die
Bewegung, welche der Nechen den Schügen einpflangt, ift aber
ein plöglicher Stoß, und diefer treibt Die Schügen vor den Blaͤt⸗
. Mühlftüple. 7% Ws
tern vorbei, ganz auf bie naͤchſten Bügel hinüber. Folgender Mes
chanismus iſt beſtimmt, Diefe en von der Welle g* (Fig. 2,
Taf. 9) Berzuleiten.
Mit dem Rechen g/ ift am Tinfen Ende der Lade ein vierecki⸗
ges Bret v2 (Big. 1, Taf. 8, Fig. 2, 5, Taf. 9) verbunden, wel
ches fich hinter einer Leifte w* und auf dem Drahte x? hin und her
ſchiebt. An derfelben Stelle ift hinten auf den Querftäden ir, k‘
der Lade ein Bret befeftigt ; und es entſteht fo eine Art von Kaften,
in welchem fich eine Rolle t? befindet, deren eiferne Achfe y? am
vordern Ende gleich einer Kurbel .gebogen if, hier eine Friktions⸗
solle trägt, und durch einen mit Eifen. gefütterten fenfrechten Ein⸗
ſchnitt des Bretes v* durchgeht. Diefe ganze Vorrichtung nennt
man den Schlag. Eine ftarfe-Ochnur s? umfchlingt die Rolle t?,
läuft dann aufwärts, über zwei Leitungsrollen u?, und hierauf
abwärts, gegen die Welle g? bin, wo ihre Enden, an zwei Tritte q?
befeftigt find. Weil eine fo Tange Schnur fich ſtark auszieht, fo
iſt es beifer, von den Rollen u? bis zu den Teitten q? zwei Eifen«
ſtaͤngelchen herabgehen zu laſſen, an welchen oben die Enden der
Schnur hefeftigt werden. Die Tritte haben ihren Drehungs⸗
punft in r?, und befigen vorn jeder eine Sriftionsrolle, woran fie
von den auf der Welle g? befeftigten Daumen oder Wellfüßen p*
abwechfelnd niedergedrüct werden. - Wenn einer diefer Tritte nie
dergeht, fo zwingt er mittelft der Schnur s? die Rolle t?, eins
halbe Umdrehung zıe- machen; die Kurbel y? der Rolle treibt daher
das Bret v*, in deſſen Einfchnitt fie liegt, plöglich feitwärts, und
fchiebt Hierdurd, den Rechen. Geht der zweite Tritt q? hinab,
und der erfte dafür hinauf, fo findet Diefelbe Bewegung der Rolle
t? und des Rechens Statt, nur nad) verfehrter Richtung, und die
Schützen werden auf jene Bügel zurädgeftoßen, wo, fie anfänglich
waren. Für jeden Tritt q? find zwei Süße p? auf der Welle g*
vorhanden, welche einander gegenüber ftehen; und daher gehen
die Schügen zwei Mahl links und zwei Mahl recht6 durch die Kets
ten, d. h. es werden vier Faͤden eingefchoifen, während die Welle -
8? eine Umdrehiing macht. Die Walze o* aber vollbringt, wie
oben gezeigt worden it, bei acht-Einfchüffen eine Umdrehung ;
und die Achfe d? muß fich vier Mahl umdrehen, damit durch die
Bewegung der Treibarme it die Qade vier Mahl vorwärts gehe,
442 ' Bandfabrikation.
und vier Eintragfäden mittelft der Blätter anfchlage. Man muß
daher den Rade f! vier Mahl fo viel Zähne geben ald dem Ge-
triebe e?, und dem Nade n? zwei Mahl fo viel ald dem Rade m?.
Es wird zweckmaͤßig feyn, die Hauptpunkte von der Einrich⸗
tung und dem Gebrauche ded Stuhles in einer kurzen Überficht zu
wiederhohlen,, nnd einige noch nicht vorgefommene Bemerkungen
anzufchließen.. Nachdem die mit den Ketten angefitliten Spulen a,
oder a und v, an ihren gehörigen Drt geitedt, und die Ketten
einzeln über die im hintern Theile des Stuhles befindlichen Rollen
nach dem Seidenbaume g hin geleitet worden find, werden fie
durdy das Scheidblatt h in eine ebene Fläche ausgebreitet, und
dann in die Mafchen der an den Schäften m’ befindlichen Litzen i
eingezogen, nach einer Ordnung, Die oben näher bezeichnet iſt.
Wenn aus den neu auf den Stuhl gebrachten Ketten die nähn-
liche Sorte Band gewebt werden fol, welche unmittelbar vorher
darauf verfertigt worden ift, fo hat man von der alten Kette ein
Stück gelaflen, welches von der Liegbanf 1 bis durch dab Scheid⸗
blatt reicht; und die neuen Faͤden werden dann nur mit den Zins
gern an dieſe Refte angedreht, wodurch man dad mühſame Ein:
ziehen in das Scheidblatt, in die Ligen und in die Blätter der
Lade erfpart. Wenn aber die neue Kette mehr oder weniger Faͤden
als die alte enthält, fo geht dieſe Abkürzung nicht an, und man
muß fie alſo förmlich einziehen. Einzig um das Andrehen oder
Einziehen fo viel möglich zu erfparen, fo wie, um nicht zu oft
das Stud der Ketten zwifchen der Lade und dem Seidenbaume,
welches dabei jedes Mahl verloren geht, einzubüßen, gibt man
den Ketten die fo bedeutende Länge von Joo und fogar noch mehr
Ellen. Aus den Ligen der Schäfte gelangen die Ketten in Die non
platten Stahlitiften zufammengefegten Blätter o“, welche zwiſchen
den unteren Quertheilen i‘, k/ der Lade k ftehen. Etwas weiter
vorn fieden auf ihren Bügeln die Schüpen e’, welche, von dem
Nechen bin und her getrieben, den Eintrag zwifchen die Ketten
legen, und alfo den Bändern ihre Entftehung geben. Diefe lau:
fen dann durch die Spalten der Liegbanf 1 hinab, um die Bands
bäumem,n, über die Rollen o und die Leifte r nach den Bandrollen
s bin. Die Gewidte e und q — die nöthige —— der
Ketten und Baͤnder.
Mühlſtühle. 443
Bei den gewöhnlichen Muͤhlſtühlen wird Die Bewegung durch
einen Arbeiter hervorgebracht, welcher die Triebflange k? abwech⸗
ſelnd gegen fich hin zieht, und von fich weg ftößt; es ift aber Mar,
daß man mitteljt einer an der Achfe d? angebrachten Rolle und
eines endlofen Riemens ſolche Stühle auch durdy ein Waflerrad
oder eine Dampfmafchine kann betreiben laffen. Wenn Wafler
die beivegende Kraft ift, fo it auf den Umſtand Nüdficht zu neh⸗
men, daß oft mehrere Stühle zugleich , wegen bes Reißens der
Kettenfäden, ftill ftehen müffen. Damit für diefen Ball die Bes
wegung der übrigen nicht augenblidlich zu fehr befchleunigt werde,
ift mit der Schuͤtze des Waflerrades ein. Regulator in Verbindung
zu fegen, der die Menge des auf dad Rad fallenden Waſſers in
entfprechendem Grade verringert. Übrigens ift die Verbindung
und Zufanmenwirfung aller Theile des Stuhles die naͤhmliche,
derfelbe mag duch Menfchenhände oder Elementarkraft getrieben
werden. Mittelfi der Treibarme i* wird die Lade um ihre Aufhaͤn⸗
gungspunfte u’ vor⸗ und rüdwärtd bewegt. Wenn fie rückwaͤrts
geht, fo heben die Daumen der Walze 0? zwei von den zehn Schäfe
ten., hierdurch alfo den entfprechenden Theil der Kettenfäden em⸗
por; und der Rechen g‘, von den Daumen p? der Welle g? mittelft
der Tritte q?, der Schnur s? und der Rolle x? mit ihrer Furbelför-
migen Achſe y? bewegt, fößt die Schügen durch die geöffneten
Ketten. Wenn hierauf die Lade vorwärts geht, bleiben die Schüs
pen ſtehen, und die Stifte der in die Lade eingefehten Blätter e
fhlagen den eben eingefchoffenen Eintragfaden an den vorherges
benden an, um dem Gewebe die gehörige Dichtigfeit zu geben.
Die Bänder muͤſſen in demfelben Maße, al fie fich bilden, gegen
Die Bandbäume m, n, hin fortrüden. Diefe aͤußerſt langfame Be:
wegung erhalten fie zum Theil ſchon durch den Schlag der Lade,
welche bei ihrem Vorwaͤrtsgehen mittelft der Stahlftifte in den
Blättern ein geringes Sortfchieben bewirkt; vorzüglich ift aber zu _
diefem Zwecke dad Gewicht q eines jeden Bandes beflimmt, wels
ches immer etwas fchwerer ift, als das Gewicht e der Kette, und
durch diefen Überfchuß bei dem geringften Stoße, welchen das
Blatt der Lade auf den Eintrag ded Bandes ausübt, Tebtered
fortzieht. Dieſed Fortziehen ift defto bedeutender, je größer man
dad Gewicht q, verglichen mit e, macht; durch Zulegen einiger
Ab& Bandfabrifation.
Eifenftüdchen in eine der Büchfen q wird daher dad Gewebe des
Bandes augenblidlich Ioderer, weil weniger Einfchußfäden auf
einen gleichen Raum der Länge fommen; fo wie aud der entgegen»
gefegten Urfache eine Vermehrung des Gewichtes von e, oder eine
Verminderung von q, wobei die Kette mehr zurücgehalten wird,
die Dichtigfeit des Sewebten vergrößert. Diefed Mittel, die Dich⸗
tigkeit ded Gewebes zu verändern, fann nach Willfür für jedes
Band einzeln angewendet werden; der Stuhl hat aber noch eine
Einrichtung, wodurc man augenblicklich denfelben Erfolg bei allen
Bändern gemeinfchaftlich hervorzubringen im Stande ift (ſ. Fig. 6,
Zaf. 9, und Fig. ı, Taf. 8). Um die Mitte des hintern Bandbau⸗
med n ift naͤhmlich ein Strick k’ gefchlungen, der unter dem
Baume m dumhläuft, vorn am Stuhle über eine Rolle #? an dem
Querbrete g? in die Höhe geht, und an den kurzen Arm eines
Hebels 1? befeftigt iſt. Diefer Hebel hat feinen Drehungspunkt
auf der Stüge h?, welche die Liegbanf I mit dem Brete g° verbin-
det, und trägt am entgegengefepten Ende ein Gewicht m?. So—⸗
bald man die Schnur diefed Gewichtes vom Drehungspunfte weis
ter weg, gegen das Ende des Hebels hinaus, jchiebt, wird die
Spannung des Strides ko, folglidy die Reibung deilelben an den
Bandbäumen m, n, vergrößert, die Umdrehung diefer Bäume er»
fhwert, und folglich die ganze Neihe der Bänder mehr zurüdges
halten, und am fchnellen Fortruͤcken gehindert.
Der Arbeiter, welcher den Stuhl in Bewegung fest, muß
zugleich alle etwa vorfallenden Fehler beobachten und verbeilern,
Knoten und andere Unreinigfeiten mittelft eines Yederzängelchend
und der Schere aus dem Gewebe entfernen, die brechenden Ket⸗
tenfäden auffuchen und anknüpfen, abgeriffene Ligen durch neue
erfegen, die leer gewordenen Spulen der Schügen heraus nehmen,
und andere dafür einlegen, 2c. Wenn, durch das allmähliche Korte
rüden der Bänder die Gewichte q fat bis auf den Boden gefuns
fen, und die Gewichte e dafuͤr in die Höhe gekommen find; fo
fchreitet man zum Aufwideln der Bänder auf die Bandrolien s
(Fig. ı, Taf. 9), wozu eine jede folche Rolle mittelft einer auf das
vierfantige Ende ihrer Achfe geftedten Kurbel umgedreht wird.
Hierbei wird nun auch die rechte Seite des Bandes, welche hier
dem Arbeiter im Gefichte ift, gepußt. Die Gewichte Fommen durch
Muüplfhihle. 445
das Aufrollen, wenn man fodann auch die Ketten von den Spulen a
und vnachläßt, wieder in jene Lage gegen einander, welche fie frü-
her gehabt haben, und die in den Zeichnungen angegeben ift. Ein
fleißiger Arbeiter webt des Tages (in ıa Stunden) von Atlasband
Pr. ı, auf einem Stuhle mit 36 Läufen, ı3 bis 17 Ellen; von
Nr. 6 und 8, mit ao Länfen, ı0 bis ı3 Ellen; von Nr. ıa und
ı6, mit 10 oder ı2 Läufen, 8 biö 10 Ellen; von Mr. 32, mit
8 oder 9 Läufen, 6 Ellen. Diefe Länge ift von einem Laufe zu
verftehen, und muß mit der Zahl der Läufe multipliziet werden,
wenn man den ganzen Betrag des Erzeugniffes finden will. Ed
ift Plar, daß man auf einem Stuhle, der. für eine gewiffe Nummer
eingerichtet ift, ohne Anftand auch alle fhmäleren Gattungen wes
ben fann; doch thut man Diefes felten, und nie bringt man Baͤn⸗
der von fehr ungleicher Breite auf einen Stuhl zufammen, weil
ſich dann beiden fehmäleren.der Eintrag nicht gut mehr fpannt.
Der in den Figuren ı (Taf. 8) und ı, a (Taf. 9) abgebildete
Muͤhlſtuhl iſt mit einer Einrichtung verfehen, vermittelft welcher im
erforderlichen Falle auch Figuren in die Bänder eingewebt werden
tönnen. Diefes ift die Trommel co’, eine hölzerne, mit gewiſſen res
gelmäßigen Erhöhungen (aufgeleimten Holzkloͤtzchen) verfehene Wal⸗
je. Für den Fall, daß man fich der Teommel bedienen will, werden
an die Ligen (und zwar an. die obern Knoten p!, Big. 3, Taf. 8,
welche nur dazu vorhanden find) flarfe Bäden angefchlungen, fo
genannte Aufheber, welde durch Löcher in dem von zwei Balz
fen r’ getragenen Schnürbrete q’ durchgehen, oben zwifchen
zwei dannen Walzen a’ (Big. ı, Taf. 8) fich einander nähern, und
an die Platinen b? (hafenförmige Holzichienen) befeftigt find.
Der Hebel d? dient dazu, die Platinen, und durch fie mittelft der
Aufheber die Ligen, in beflimmter Abwechslung in die Höhe zu
ziehen, indem er mittelft ber Ziehftange e® an einem außer dem
Mittelpunkte ftehenden Zapfen £? des Schwungrades h? eingehängt
ifl. Da hierbei jede Lie unabhängig von den übrigen ihres Schafs
tes beweglich feyn muß, fo geht ed nicht an, fle unten Durch Leis
ften zu vereinigen, ſondern die Eifen n’ find beim Figurweben un«
entbehrlih. Der Mechanismus d? e? f? ſchiebt zugleich bei jedem
neuen Eintragfaden die Trommel c? um einen gewillen Theil ih:
res Umfreifes weiter, und hierdurch wird bewirkt, daß jedes Mahl
446 Bandfabrifation.
andere Ligen, folglich andere Kettenfäden, gehoben werden, wie
es zur Hervorbringung ded Mufterd nothwendig it. Es ift hier
nicht der Ort, die Befchaffenheit und Wirfungsart dieſer Worrich-
tung näher anzugeben ; fie ift in die Zeichnungen nur darum auf:
‚ genommen worden, damit Die Art ihrer Verbindung mit dem
Bandftuhle fihtbar werde. Der Artifel Weberei wird ausführ-
liche VBefchreibungen fowohl hiervon, als von anderen Mechanis-
men (z.B. der Leinwand: und Sacquart:Mafchine) enthalten, weldhe
flatt der Trommel angewendet werden, um Deffeins in Bändern
(und Zeugen überhaupt) zu weben.
Eine fehr gewöhnliche Verzierung der feidenen Bänder find
die Ohren oder Zaden, nähmlic Fleine an den Leiften ber:
vorragende Mafchen, welche, wie man in Fig. 3, Taf. g, ficht,
durch die etwas weiter hberausftehenden Umbiegungen des Eintrag:
fadens gebildet werden. Sie ftehen bald einander gegenüber, bald
(wie in der angeführten Zeichnung) abwechfelnd oder verfebt ; ihre
Größe und Aufeinanderfolge ift bald mehr bald weniger einfach.
Man hat wohl ehemahld Bänder verfestigt, deren Zaden ſich
durch 60 bis Bo Einfchußfäden ausdehnten; die jegt gewöhnlichen
Baden beftehben entweder aus einzelnen, gleich langen Mafchen,
oder aus zwei dergleichen, oder endlich aus drei, von welchen die
mittlere länger ift, als die beiden äußeren. Je nachdem die Zaden
einfacher oder zufammengefegter find, ift ihre Hervorbringung mit
minderer oder größerer Umjtändlichfeit verbunden ; im Allgemei⸗
nen werden fie jedoch auf diefelbe Weife gebildet. Das Mittel
hierzu befteht in einigen Faͤden von 4=, 6=, oder Bfachem Roß⸗
haar, welche dort, wo Zaden entftehen follen,, außerhalb der
Leiften des Bandes eingewebt, und dann außgezogen werden, ſo,
Daß die Biegungen des Eintrages frei bleiben. Beſtehen die Zar
. den nur aus Mafchen von einerlei Größe, fo ift auf jeder Seite
der Bandfette ein einziger Haarfaden nöthig; find aber abwech⸗
felnd Fürzere und Tängere Ohrchen vorhanden, fo braucht man wer
nigftens zwei. In Fig. ı, Taf. 9, find a’ zwei ſolche Haarfaͤden,
welche an eine Querleifte z des Stublgeftelles angebunden, mit
Fleinen Bleigewichtchen b’ befchwert, und neben den Kettenfäden
durch das Blatt c/ gezogen find. Es konmt, um die Zaden mit:
telſt diefer Haare hervorzubringen, nur darauf an, Die Tegteren
Mühlſtühle. 447
in beſtimmter Abwechölung bald aufzuheben und mit einzuweben,
bald fie neben der Kette unbewegt liegen zu laffen, fo, daß fie
als gar nicht vorhanden angefehen werden koͤnnen, der Eintrag
ſteto mur über fie hingeht, und fich feit um die dußerften Kettenfäs
den der Leiften herumlegt, ohne freiftehende Biegungen zu bilden.
Beim Fortrüden des Bandes jiehen fid) Die Haarfäden mit ihren
vorderen freien Enden von felbft aus dem Bande heraus, da fie,
wie gefagt, hinten befeftigt find. Jeder Haarfaden wird durch
eine Lige gezogen, und diefe Litzen werden, nach Verſchiedenheit
‚der Zaden, entweder alle in einen einzigen Schaft vereinigt, oder
in zwei oder vier Schäfte vertheilt, die dann nach Erforderniß in
zwedwmäßiger Abwechslung gehoben werden. Es ift in den meiſten
Ballen unbequem, die Zahl der Schäfte, welche für Atlasband .
ohnehin zehn beträgt, noch durch vier-neue, den Haarfaͤden an⸗
gehörige, zu vermehren. -Benn daher (wie bei dem in Sig. 3,
Taf. 9, gezeichneten Bande) vier Schäfte für Die Zacken erforder
lich werden; fo zieht man es vor, die Ligen nicht in Schäfte zu
vereinigen, fondern fie einzeln, jede mit ihrem Eifen befchwert, zu
laſſen, dafür an jede einen Aufheber (f. oben, &. 445) anzuma⸗
chen, und diefe Ieptern auf diefelbe Weiſo, als wenn ein Deffein
gewebt würde, an vier Platinen der Trommel'zu befeftigen. Diefe
Eimichtung ift in Big. ı (Taf. 8) angegeben, wo z* die erwähnten
Ligen, und d* ihre Aufbeber bezeichhen. Jede Bandkette hat vier
Haarfaͤden, folglich vier folhe.Ligen, zwei auf jeder Seite, und
von diefen ift jede an einer andern Platine befeftigt; fo, daß jede
Platine fo viele Ligen zugleich mit einander aufhebt, als Bänder
auf dem Stuhle mit hrchen gewebt werden. Der Eintrag wird,
durch die Ordnung, in welcher dieſes Aufheben gefchieht, bald um
gar feinen der Haarfäden, bald um einen, bald um beide herum⸗
gefchlimgen ; und hierdurch entftehen die leeren Stellen, die kurzen
und Die langen Mafchen.
Die Bandmühle zum Weben glatter Arbeit (Zaffet- und Oro:
detours⸗ Bänder) iſt um Vieles einfacher als jene zu Atlad- und
figurieten Bändern; und man wird fich nach dem Vorbergehenden;
mit Beihülfe des. Durchſchnittes Fig. ı , Taf. 10, leicht eine Vor⸗
ftellung davon machen konnen. Mehrere der in Hig. ı,2 (Taf. 9)
und Fig. ı (Taf. 8) angegebenen Theile bleiben hier weg, nahment⸗
mm mem m me me Er HET TED TE — ——
448 Bandfabrikation.
lich die Trommel e? ſammt ihrem Geſtelle md Allem was zu ihrer
Wirfung erforderlich ift, naͤhmlich den Platinen b’, dem Hebel
d?, der Stange e? f?, und dem Schnürbrete q’; ferner die ganze
Atlasmaſchine nebft den Rollen t/, v/, w/, x“. Dagegen bleibt die
Einrichtung der Lade, und der Mechanismus zur Bewegung der
Schügen unverändert. Schäfte find nur zwei vorhanden, oder
bei fchweren Bändern vier, von welchen aber immer zwei zuſam⸗
mengebunden find, und Daher zugleich auf und nieder gehen. Sie
haben keine Eifen an den Litzen, fondern Diefe find unten wie oben
durch eine hölzerne Leifle verbunden... Ihre Bewegung wird auf
folgende Weife hervorgebracht. An die obern Leiften der Schäfte
m’ find Schnüre m* angebunden, die oben an die Hebel oder
Zritte h* befeftigt find. on jedem diefer Hebel geht ein dünnes
Eifenftängelchen i* nach einem Arme h* der vieredigen Welle g*,
an welchen es beweglich eingehängt iſt. Auch die unteren Leiften
der Schäfte find durch Schnüre n* verbunden, welche über Rollen
wie 1* gelegt find. Man bringt zwei folche Rollen und Schnüre,
nahe an den Enden der Schäfte, an, damit dad Schwanfen vers
mieden wird, welches fonft bei der Bewegung leicht eintreten
könnte. Aus demfelben Grunde find auch die Schnüre m*, die
‚ Hebel k*, die Drähte 1° und die Arme h* doppelt vorhanden, An
ber rechten Seite des Stuhles (welche in der Zeichnung die hintere
ift) iſt das Ende der Welle g* rund, und bier ilt eine Schnur
Darüber gelegt, deren Enden an zwei flarfe Eifendrähte angebun⸗
ben find. Letztere reishen. bid auf den Boden herab, und find an
zwei Zritten f* eingehängt. Diefe Drähte, fo wie die erwähnte
Schnur findet man durch punftirte Linien angegeben. Auf der
Welle gt, welche wie gewwöhnlic, ihre Bewegung mittelft des Ras
des f? und des Getriebe oꝛ von der Achfe d? erhält, ſtecken kreuz⸗
weife zwei ovale Scheiben e*, von welchen jede bei der Umdrehung
auf die Sriftionsrolle eines der Tritte f* wirft. . Diefe Tritte wers
den hierdurch abwechfelnd niedergegogen;,. drehen mittelft der oben
erwähnten Schnur die Welle g* ein wenig um, und heben fo ab»
wechſelnd den hintern und vordern Schaft empor, während ber
andere zugleich herabgeht. Es findet hier, wie man ſieht, eine
Verſchiedenheit im Spiele der Schäfte:&tatt, wenn man diefen
Stupl; mit. dam vorhin befchriebenen Atladfinhle Vergleicht: wäh:
Mäptftühle. 449
send dort ein Theil der Schäfte gehoben wird , und die andern
unverändert in ihrer Rage bleiben, find hier immer beide zugleich
in Bewegung, der eine hinauf, der andere hinab. Alle übrigen
in der Zeichnung vortommenden Theile bedürfen nach dem Voraus:
gegangenen feiner Eiflärung mehr.
Eine Verbeiferung der Bandmühle, welche von den Engläns
den Worthington und Mulliner herrübet, ift auf Taf. 10
in Sig. 2 abgebildet. Sie betrifft eine Methode, die Bänder
während des Webens felbit aufzuwiceln, und Das ununterbrochene
Nachrüden der Bandfetten dergeftalt zu bewirfen, daß das Aus⸗
fegen der Arbeit erfpart wird, welches bei den gewöhnlichen Band-
mübhlen jedes Mahl nothwendig ift, wenn Die Bänder aufgewickelt
und die Ketten nachgelaflen werden follen. Die Zeichnung iſt
die Beitenanficht von dem Geftelle eines Muͤhlſtuhles, der durch
Dampfs oder Wailerfraft getrieben wird. Mehrere der befannten
und gewöhnlichen Theile, welche die Deutlichfeit geſtoͤrt haben
würden, find darin weggelaifen.. a ift eine Rolle an der Haupt:
achſe b, welche die Bewegung mittelft eines endlofen Riemens
von der Triebfraft, z. B. einer Dampfmafchine, erhält. c ift eine
der Zettelrollen, von welcher die Kette zum Verweben allmählich
bergegeben wird; d ift eine Walze, auf welche fi das fertige
Band aufwidelt, in dem Maße al es erzeugt wird. Der Weg,
den die Kettenfäden von der großen Spule c aus nehmen, ift durd)
die Linie e e e angezeigt. Die Kette geht zuerfi aufwärts, über
die Rollen £f und g, dann abwärts, unter der befchwerten Rolle h
durch, noch eim Mahl über die Rolle g, und endlich nad) dem
Seidenbaume i, den Schäften k und der Lade I bin. Die Bänder
laufen über den Bruftbaum oder die Liegbanf m, und zwifchen
den Walzen o und p durch, auf die Walze d, wo fie fich aufwi«
deln. Ein an der entgegengefegten Seite des Stuhls auf der
Achfe b befefligted Zahnrad greift in ein anderes Rad ein, welches
an der in Fig. ı (Taf. 10) g?, hier aber q genannten Welle fich
befindet. In der Zeichnung find beide Räder Durch punftirte Kreife
angezeigt. Dad Ende der Welle q hat ein Schraubengewinde,
welches in die zwei Betriebe der fchräg liegenden Achfen r, s, ein»
greift; andere, und zwar fonifche, Betriebe befinden fid) an den
entgegengefegten Enden jener Achfen. Das Getrieb der Achfe r
Tehnol. Encyclop. I. Bd. 29
450 Bandfabrikation.
greift in ein großes koniſches Rad r ein, welches mit der Walze p
verbunden ift; jenes der Achfe s fegt ein ähnliches, aber kleineres
Rad u in Bewegung, mit einer an demfelben befindlichen Rolle,
von der ein endlofer Riemen um die Walze d läuft. Durch die
Umdrehung der Welle q kommen, der befchriebenen Veranftaltung
gemäß, auch die Walzen p und d in langfame Bewegung. Erftere
zieht, vermittelft der Reibung an der auf ihr liegenden Walze o,
die Bänder mit gleichförmiger Gefchwindigfeit an ſich, und über:
liefert fie der Walze d, welche fie um ſich aufwidel. Wenn die
Theile o, p und d Walzen genannt worden find, fo hat man dar:
unter eigentlich Reihen von ganz furzen Walzen zu veritehen,
welche nue fo lang, als für die Breite eined Bandes nöthig ift,
“und auf einer gemeinfchaftlichen Achfe befeftigt find. Die Walzen
o werden durch Gewichte auf die unter ihnen befindlichen Walzen
p niedergedrüdt. Da die Walzen d ihren Durchmeffer durch die
Aufwicklung der Bänder vergrößern; fo müflen fie fich defto lang⸗
famer drehen, je mehr fie fich anfüllen, um nur gerade fo viel aufs
zuwideln, als ihnen von p und o zugeführt wird; diefes bewirkt
man dadurch, daß man dem Riemen, weldyer die Walzen d um⸗
dreht, zu fchleifen erlaubt, und ihn fo verhindert, Die Bänder un-
gebührlich zu fpannen. In demfelben Maße, ald die Aufwicklung
der Bänder vor fich geht, ziehen fich die Ketten durch die Schäfte
und die Lade nach, und die Rollen h mit'ihren Gewichten werden
gehoben. Bolgende Vorrichtung erfpart dem Arbeiter das Nach:
laſſen der Ketten, wenn diefe Rollen ganz hinaufgeftiegen find.
. Eine unten im Stuhle befeftigte Schnur x ift ein Mahl ganz um
eine mit e verbundene Rolle y berumgefchlungen, und läuft dann
über die Rollen f, g, nad) dem Ende eines Hebels w bin, der fie
mittelit de8 an ihm hängenden Gewichtes z fpannt, und fomit die
Spulen c verhindert, fich zu Drehen. Wenn nun die Rolle h bis
zu einem gewillen Punfte in die Höhe gefommen ift, fo ftößt fie
gegen den Hebel w, hebt ihn etwas auf, und macht die Schnur
x ſchlaff. Die Spule c erhält dadurch die Freiheit fich umzudres
ben. Durch den Zug des Gewichted an der Rolle h wird etwas
Kette abgewickelt, diefe Rolle finft wieder, alfo auch der Hebelw,
und die Spule c ift fogleih vom Neuen feftgehalten, bie abers
Mühlſtühle. 41
mahls ein Abwiceln der Kette nothwendig wird, und diefer Vor⸗
gang fich wiederholt.
Eine befondere Einrichtung erhält der Mühlftuhl zur Verfer⸗
tigung der quadrillirten Bänder, d. h. derjenigen, bei wel⸗
hen Kette und Eintrag aus Streifen von verfchiedenen Farben
beftehen. Gewöhnlich find diefe Bänder Grosdetours⸗Baͤnder. In
der Kette macht die Hervorbringung der Streifen nicht die mindefte
Schwierigfeit, indem nur beim Schweifen die Spulen mit den
beliebigen Sarben in der gehörigen Anzahl und Ordnung auf das
Schweifgeftell geſteckt werden dürfen. Zum Eintrage aber ift für
jede Farbe eine befondere Schüge erforderlich, und beide Schügen
müffen abwechfelnd gebraucht werden. Dan bedient fich zu diefem
Behufe einer fo genannten Steiglade, an welcher vorn die
mit verfchiedenfarbiger Seide verfehenen Schüßen in zwei Reihen
über einander, fonft aber auf die gewöhnliche Art, angebracht
find. Der Schlag, d.h. jene oben befchriebene Vorrichtung, durch
welche die Schügen bewegt werden, iſt Doppelt, nähmlich zu beis
den Seiten der Lade vorhanden, den beiden Schüßenreihen ent⸗
fprechend. Die unteren Querftüde i’, k’ der Lade (f. Gig. ı und
5, Taf. 9) find auf den Seitentheilen k auf und yieder beweglich.
Geſetzt nun, die obere Schügenreihe habe fo lange fortgearbeitet,
als es die Breite des Streifend, welchen fie bervorzubringen be⸗
ſtimmt ift, nöthig macht; fo werden durch einen Mechanismus
(die Ladhebmaſchine) die Querftüde i, K/, der Lade, fammt
den ziwifchen ihnen befindlichen Blättern und Schügen, längs den
©eitentheilen k hinaufgefchoben, fo, daß die unteren Schüßen
in gleiche Höhe mit der Kette kommen; zugleich werden die Tritte
des einen Schlaged (g?, Fig. 2, Taf, 9) von den Füßen p? der
Welle g* feitwärts entfernt, und die Tritte des andern Schlages
unter die ihnen zugehörigen Süße der nähmlichen Welle hineinges
fhoben, fo, daß ohne Unterbrehung die untere Schügenreihe
flatt der obern fortarbeitet. Der erwähnte Mechanidmus, welcher
diefe Veränderungen, und eben fo die entgegengefepten bewirkt,
wenn wieder die obere Reihe der Schügen in Thätigfeit kommen
fol, befteht Hauptfählich aus einem, wie m!-(Big. 2, Taf. 9) an
der Welle g? befeſtigten Rade oder Getriebe, weldyes in ein großes
Rad an. der Stelle von n? eingreift, und daſſelbe herumdreht.
29 *
452 Bandfabrifation.
Auf der Fläche dieſes Rades find Bogenftüde angebracht, welche
einen unter dem NRade befindlichen Hebel oder Tritt niederdrücken
und hierdurch die nothiwendigen Verfchiebungen bewirfen; fo wie
alle Theile wieder ihre vorige Lage einnehmen, wenn ein folder
Bogen vorüber gegangen ifl. Bon der Größe und Entfernung
der Bögen auf dem Rade hängt es ab, wie viele Eintragfäden bei
unveränderter Stöllung der Lade eingefchoffen werden. Die von
den unthätigen Schügen zwifchen einem Streifen umd dem näch-
ften gleichfarbigen, an beiden Seiten der Bänder hängen bleiben-
den Faͤden werden zulebt weggefchnitten.
Man webt wohl auch quadrillirte Bänder mit’ der gewöhn-
lichen Einrichtung des Mühlftuhles, d. h. mit Einer Schügenreibe;
allein dann muß der Arbeiter die Einfchußfäden zählen, oder die
Breite der Streifen meflen, und in dem erforderlichen Zeitpunfte
die Spulen in den Schügen gegen folche mit anders gefärbter
Seide auswecfeln. Diefes Verfahren verurfacht einen großen
Beitverluft, wenn nidht die Breite der, Streifen beträchtlich, und
die Zahl der Läufe auf dem Stuhle nur Mein if. Man bringt in
diefem Balle wohl auch mit der Trommel c? (Big. ı, Taf. 8) eine
Borrihtung in’ Verbindung, welche von felbft an eine Glocke
fhlägt, wenn die gehörige Anzahl von Eintragfäden eingewebt
ift, um den Arbeiter an dad Wechfeln der Spulen zu erinnern.
Auf Müplftühlen werden außer den eigentlichen Bändern
auch andere fchmale Gewebe, mit oder ohne Deffein erzeugt:
3. 8. ſchmale feidene oder halbfeidene Börtchen für Tapezierer ;
Halsflöre (fo genannte Bauernflöre) aus halbgefottener,
ſchwarz gefärbter Seide, z oder z Elle breit, auf Stühlen von
Zoder 4 Läufen; unechte Goldborten; feidene Hofenträger-
Bänder; u.f.w. Das Verfahren und die Einrichtung bleibt
hierzu in allen Fällen, den wefentlichen Punften nach, unver:
ändert.
) Der Schubſtuhl. Die zweite Art von Webeftuhl,
welche zur Derfertigung der Bänder angewendet wird, ift der
Schubſtuhl (Bandmacherſtuhſ). Diefer ift von der Band:
muͤhle oder dem Muͤhlſtuhle darin verfchieden, daß die Schäfte,
die Lade und die Schüben von dem Arbeiter unmittelbar, und
zwar die erflern durch Treten, Die letztern beiden mit den Händen,
Schubſtuhl. 453
bewegt werden. uͤbrigens werden auch hier mehrere Baͤuder auf
ein Mahl verfertigt; doch nicht ſo viele als auf den Muͤhlſtuͤhlen,
weil die Bewegung zu auſtrengend wäre. Die Schubftühle haben
von breiten Bändern manchmahl nur 2, von fchmalen hoͤchſtens
30, 2% oder ı4 Läufe. Big. 3, Zaf. 10, zeigt die Seitenanſichr
eines Schubftuhles, mit einer von dem Engländer Goodman
daran angebrachten Verbeflerung, welcher zu Folge zwei Reihen
Bänder ber einander gewebt werden fönnen; fo, daß bei gleicher
Breite des Stuhles, und wenig vergrößerter Mühe des Arbeiters,
dad Erzeugaiß verdoppelt wird. a,a, find bier die Zettelfpulen
für beide Baͤnderreihen. Die Kette eines jeden Bandes läuft von
ihrer Zettelfpyle, wie die Pfeile anzeigen, zuerft über eine Rollen,
dann unter der beweglichen, befchwerten Rolle o durch, wieder
über eine auf der nähmlichen Achfe mit n fteddende größere Rolle,
abwärts durch ein Scheidblatt b, unter dem Seidenbaume c durch,
nach den Schäften d. Alle bisher erwähnten Theile find für jede
Keihe von Bändern auch in einer eigenen, abgefonderten Reihe
angebracht. Schäfte find nur zwei (für glatte Bänder); aber
diefe müſſen an den gehörigen Stellen Litzen zum Durchgange für
die Fäden beider Kettenreihen befigen. Da die Bänder auf dem
Stuhle abwechſelnd ftehen (d. h. fo, daß jedes Band der obern Reihe
über. dem Zwifchenraume zweier Bänder der untern Reihe fich bes
findet) ; fo gehört abwechfelnd eine Abtheilung der Litzen der obern,
und eine der untern Reihe an, wonach ſich Die Stellung der zum
Einziehen der Kette beftimmten Mafchen richten muß. Sn der
Lade befinden fich, den Ketten entfnrechend, zwei Reihen Blätter
und zwei Reihen Schügen, welche Iegteren zugleich in Gang ge«
feßt werden. Die Bänder gehen (und zwar die oberen nach unten,
die unteren nach oben) durch Spalten oder ſchmale Öffnungen des
Bruſtbaumes g, nach dem Bandbaume h, unter diefem gemein:
ſchaftlich durch, dann jedes einzeln über eine fefte Rolle q und um
eine bewegliche befehwerte Rolle t, wieder alle in einer Reihe. über
eine Leiſte k, durch Offnungen bei 1, wo fie Durch. Keile feſtgehal⸗
ten und am Zurüdtreten verhindert werden, endlich auf Die Band⸗
fpulen za, wo fie von Zeit zu Zeit aufgewidelt werden. Diefe
ganze Anordnung ift nicht im Wefentlichen, fondern nur etwas in
der Stellung der Theile, von ber oben befchriebenen des Mühl:
454 Bandfabrifation.
fluhles verfchieden. &ie weicht auch etwas von jener ber gewoͤhn⸗
lihen Schubftühle ab, bei welchen die Spulen nicht oben auf dem
Seftelle, fondern hinten in demfelben angebracht find. Die Bes
wegung der Schäfte gefchieht Durch Treten von dem Arbeiter, wel⸗
cher auf der Banfr fißt: Hierzu find die mitten unter dein Stuhle
angebrachten Tritte e beftimmt, welche durch Schnüre an die uns
teren Reiften der Schäfte befeftigt find. Der Weber bat auf je⸗
dem Tritte einen Zuß, und druͤckt abwechſelnd den einen und den
andern’ nieder, wodurch der entfprechende Schaft herab, der zweite
hinauf geht, und die Ketten aller Bänder zur Aufnahme des Ein-
trages fich öffnen. Die Lade p wird jedes Mahl, nachdem ein
Eintragfaden durchgefchoffen iſt, von dem Arbeiter. mit der Hand
gegen ſich gezogen, damit die Stahlflifte der Blätter den Eintrag
dicht anfchlagen. Wenn er fie Hierauf wieder ;urädfchiebt, und
mittelft des andern Trittes die vorher unten gewefene Hälfte der
Kettenfäden in die Höhe gebracht hat, fo wird der nächite Eintrag:
faden nad) entgegengefegter Richtung durchgebracht.
Die wefentliche Eigenthümlihkeit dieſes Stuhles, welche
nun noch zu befchreiben ift, befteht in der Worrichtung, durch
welche die zwei Reihen Schügen in Bewegung gefegt werben.
Dieſes gefchieht mittelft des an der Lade befindlichen Griffes f,
welchen der Arbeiter faßt, und ein Mahl rechts, ein Mahl links
ftößt oder fchiebt (daher die Benennung Schubfiufl). Die Anord⸗
nung der Schügen fann man aus den Figuren 4, 5, 6 (Taf. 10)
entnehmen. Fig. 4 ift ein Stüd der Lade nach größerem Maß⸗
flabe von vorn angefehen, Big. 5 daffelbe von Binten, und Big. 6
im Durdffchnitte. An der Vorderfeite der Lade befinden fich drei
ſchmale parallele Breter, s, u,v (die Schüßenbreter), welche,
wie man in Fig. A fieht, enge Furchen zwifchen fich laſſen, und
überdieß Ausfchnitte befiben, durch welche die von den Blättern
fommenden Bandfetten herausgeben. Das Bret s ift an der obern
Leifte w der Lade mittelft Schrauben befeitigt; das Bret v auf
gleiche Art an die untere Leifte y; das Bret u ebenfalld durch
Schrauben, oder Auch nur durch Stifte, an die mittlere Leifte x.
Zwifchen diefer Leifte und dem Brete u bleibt hinlänglicheer Raum
für Die Bewegung ded Treibers, welcher hier diefelben Dienfte
leiftet, wie der Rechen am Mühlſtuhle. Diefer Treiber ift in der
Schubſtuhl. 433
That nichts, ald ein doppelter Rechen, naͤhmlich ein (in Sig. 5
bei c’, c’, punktirter) Rahmen, deilen obere und untere Reifte mit
gegen einander gefehrten Zähnen befegt find. Er wird an feinem,
oben in der Mitte der Lade hervorftehenden, Griffe £ gefaßt, und
bin und ber gefchoben, wodurch feine Zähne, die man in Fig. 5
. deutlich fieht, die Schugen abwechfelnd rechts und links bewegen.
Bei dem Schubjluhle mit Einer Reihe Sthügen hat der Treiber
. nur Eine Reihe Zähne, und man gibt ihm gewöhnlich die Beftalt
einer Leiter, deren Sproffen an. die zwifchen ihnen befindlichen
Schügen ftoßen, um fie durdy die Ketten zu. treiben. Die Breter
8, u, v vertreten die Stelle der Bügel am Muͤhlſtuhle, indem in
‚ihre fchmalen Zwifchenräume die Schügen b (Big. 4, 5, 6) einge:
ſteckt werden, fo, daß fie fich leicht und frei.darin hin und ber
fchieben laſſen. Auf der obern und untern Fläche der Teifte x find
Vertiefungen angebracht, in welche die Blätter z, z eingeſetzt
werden. . Die entgegengefegten Enden der Blätter liegen in Ein-
fchnitten der Leiften w und y, und werden hinten durch die hafen-
förmigen Köpfe a’ der Schrauben gehalten, welche die erwähn-
ten Leiften mit den Schüßenbretern s und v verbinden (f. ig.
5 und 6).
Man wendet die Schubftühle gegenwärtig beſonders zur Er-
jeugung der Sammtbänder an, bei welcher mehr Aufmerffamfeit
und Mitwirfung von Seite des Arbeiterd erforderlich, und alfo
die Anbringung einer großen Zahl von Läufen weniger thunlich
. Kt; obfhon man Sammtbänder wohl aud auf Muüplftühlen ver-
fertigt. Die Bildung der aufrecht flehenden, durch Auffchneiden
in eine Art Haar verwandelten Mafchen, welche das Eigenthüms
liche des Sammtes ausmachen, gefchieht durch eine zweite Kette
über der eigentlichen Grund» oder Zeugfette, und durch Einlegen
von Drabten (Sammtnadeln) zwifchen beide Ketten während des
Webens; wovon im. Artifel Weberei erſt ausführlicher die Rede
ſeyn kann. Demnach müffen auch doppelte Spulen oder Walzen
für die Kette vorhanden feyn. Der Verſuch, welchen man gemacht
hat, Sammtbänder ohne Nadeln zu weben, ift nicht günftig aus⸗
gefallen. Das Wefentliche diefer übrigens finnreichen Vorrichtung
befteht darin, daß die Bänder paarweife über einander ſtehen, und
man hierzu. zwei Grundketten, eine gerade über der andern, zwi⸗
456 Buandfabrifation,
[chen beiden aber eine dritte Kette zum. Bildung bes Sammthaars,
anbringt. Diefe. legtere Kette geht während des Webeus abwech⸗
felnd von der oberen Grundfette zur untern, fo wie von. diefer zu
jener über, und wird mit beiden zuſammengewebt. Meifer, welche
an einem. mit den Tritten verbundenen, und hierdurch bin und ber
fi) fchiebenden Brete befefligt find, dringen zwifchen die beiden
folchergeftalt zufammenhängenden Gewebe ein, fchneiden die ſenk⸗
rechten Fäden in der Mitte aus einander, und bilden fo zwei mit
der rechten Seite gegen einander: gekehrte Sammtbänder, welche
abgefondert aufgewidelt werden.
3) Der Handſtuhl. Man gibt diefen Nahmen, im Ge
genfage zu den Mühl: und Schubftühlen, einer Art von Webeſtuhl,
welcher fonft allgemein unter der Benennung des Bortenwirfers
oder Pofamentierfiuhles befannt ift, und hauptfächlich zur Ver⸗
fertigung von Bold» und Silberborten, wie auch von wollenen
Borten gebraucht wird (f. Bortenweberei). Diefer Stuhl,
auf welchem nur Eine Kette aufgefpannt tft, alfo auch nicht mehr
als Ein Stüd gewebt, und die Schüße frei mit der Hand gewor⸗
fen wird, gehört in fo ferne auch hierher, ald man fich deifelben
zum Weben fehr breiter und fchwerer Bänder, ferner folcher,, in
welchen fehr fünftliche Deifeins, oder viele Barben-Abwechslungen
im Eintrage vorfommen, bedient. Es ift oben (&. 451) gezeigt
worden, auf welche Arten man beim Muͤhlſtuhle eine folche Ab⸗
wechölung bervorbringen fann. Bei den Schubftühlen bedient
man fich ähnlicher Mittel. Wenn aber (wie bei vielen quadrillir⸗
ten und gemufterten Bändern) der Eintrag aus mehr ald zwei:
mit einander wechfelnden Sarben befteht, fo wird eine folche Bor:
Fehrung nicht mehr mit Vortheil ausführbar, und man muß zum
Handſtuhle feine Zuflucht nehmen, bei welchem die mit verfchieden-
farbiger Seide verfehenen Schügen nach Erforderniß ohne Zeit-
verluſt gewechfelt werden fönnen. Die Bewegung der Schüge
geht bei dem Handftuhle fchneller ald bei den Muͤhlſtuͤhlen; allein,
weil nur ein einziger Lauf vorhanden ift, fo fällt das Erzeugniß,
im Ganzen gerechnet, um viel geringer aus. Ein Arbeiter kann
von dem breiteften Atlasbande (Nr. 24: und 30) in zwölf Stunden
neun Ellen weben. Hingegen fällt freilich dad Band reiner und
fhöner aus, als auf dem Mühl: oder Schubftuhle, weil der Wer
|
Zurichtung ber. Bänder. 457
ber alle feine Aufmerkfamkeit auf dieſes einzige Stuͤck zu verwen⸗
den im Stande ifl. Zur Hervorbringung von Deſſeins werben
mit dem Handſtuhle verfchiedene Mafchinen, ald Trommeln;
Leinwandmaſchinen und Jacquardmaſchinen, i in ACHNDEng gefept
(f Weberei).
UL Die Zurihtung der Bänder. Die meiften Baͤu⸗
der⸗Gattungen, wie die beſſeren Zaffetbänder, die meiſten Gros⸗
detours⸗Baͤnder, u. f. w., find in dem Zuſtande, wie fie vom
Stuhle herabgenommen werden, verfäuflihe Waare, und werben
nur in Stüde von der üblichen Länge. abgemeilen, zerfchnitten,
und auf zufammengebogene Streifen von Pappe oder auf Holz
aufgewidelt. Die Stüde von Zaffet- und Grosdetours⸗Baͤndern
find gewöhnlich zwilchen 16 und 3o Ellen lang. : Man wickelt
die leichteren Sorten auf Pappe, die fchwereren auf zpylindriſche
Holzſtücke. Fuͤr den erfiern Zweck werden in einer feſtſtehenden
Preffe, aus einer Anzahl auf einander ‚liegender Pappbogen zu⸗
gleich, Streifen mittelft eines Buchbinder:Hobels gefchnitten, die
man dann entweder zylindrifch zuſammenrollt, oder in .die Form
eines O frümmt. Hierzu, und zum Aufwideln felbft dient sine
feine Mafchine, in welcher mittelft einer Kurbel und zweier in
einander greifender Heiner Räder eine horizontale Welle umgedreht
wird. Auf diefer, weiche entweder zylindriſch oder von der er⸗
wähnten Form, (), ift, befindet fich eine feſtſtehende Scheibe, und
eine bewegliche Scheibe, welche von der erftern fo weit entfernt,
als die Breite der Bänder es erfordert, befeftigt wird. Zwifchen
beiden Scheiben wird zuerft ein Streifen von Pappe auf Die Weile
gewidelt, uud über diefen das Band, welches fih genau Win;
dang auf Windung legen muß, weil die beiden Scheiben es abzu⸗
weichen verhindern. Das äußere Ende des Bandes wird. mit einer
Heinen Stedinadel feſtgeſteckt. Die auf diefe Art rund aufgewi⸗
delten Bandftüde bleiben in dieſer Seftalt; die anderen aber wer⸗
ben, zu einigen hundert Stück auf ein Mahl, in einer Preſſe flach
gepreßt, und an zwei Stellen mit einen Faden gebunden. Zum
Aufwideln der fchwereren Band⸗Sorten, welche auf maflive oder
töhrenförmig außgedrehte hölzerne Zylinder kommen, bedient man
ſich einer ähnlichen Maſchine, in welcher das Holz; gleichfalls an
einer Dusch eine Kurbel umgedrehten Welle befeftigt wird,
458. , Bandfabrifation.
Die Atlasbänder erhalten, wenn fle vom Stuhle fommen,
eine Appretur; fie werden nähmlichh gummirt und zwifchen Wal:
zen geglänzt (gylindrirt). Auch Taffetbänder werden zuweilen
gummirt. Die Stüde der Atlasbänder find in der Regel »8 Ellen
lang; man zerfchneidet fie aber nicht gleich anfangs zu dieſer
Länge, fondern läßt wenigftens. immer zwei Stüc in einem Gans
zen beifammen. Dann werden fie auf Heine hölzerne Walzen auf:
gerollt, und fogleich das erfte Mahl zylindriet; hierauf werden
fie gummirt, d. 5. mittelft eined Schwammes mit einer klebenden
Flüſſigkeit beftrichen, auf einem großen horizontal liegenden fechd«
armigen Hafpel fchnell getrocknet, wieder auf Walzen gewickelt,
zum zweiten Mahle ;nlindrirt, in Stüde von ı8 Ellen zerfchnitten
und endlich aufgewidelt. Zum Gummiren fann, wie der
Nahme fagt, eine duͤnne Auflöfung von Gummi, von Traganth,
Hauſenblaſe oder Pergamentleim, ja fogar nur von Stärke, ge:
braucht werden. Am beften wäre wohl Haufenblafe; allein wegen
ihres ‚hohen Preifes nimmt man an deren Stelle gewöhnlich einen
zeinen und weißen, aus Pergamentfchnigeln, Abfällen von Kalbs⸗
bäuten u. dgl. gefochten Leim. Das Beftreicdyen mit der Auflöfung
gefchieht auf der untern (unrechten) Seite, während man Die Baͤn⸗
der auf den zuvor erwähnten, 6 Fuß langen und 4 Fuß im Durch⸗
meſſer großen Hafpel (Streichrahmen oder Gummirrab-
men) laufen läßt. Wenn dieſer vollgewidelt ift, jo dreht man
ihn mittelft feiner Kurbel (in freier Luft oder in einem geheitzten
Zimmer) fehr fhnell um, und befchleunigt fo nach Möglichkeit das
Trocknen der Bänder, damit fie nicht zu fehr Durchnäßt werden.
Das darauf folgende zweite Zylindriren gibt ihnen erft den ges
wünfchten Slanz, pnd eine gewiſſe Milde, verbunden mit der er⸗
forderlihen Steifigkeit, ;
Die Zylindeir- Mafchine hat nach der zweckmaͤßigſten Kon⸗
firuftion folgende Einrihtung, welche auf Tafel 10, in Fig. 7
von vorn, und in Fig. 8 von der Seite abgebildet ifl. Sie befteht
aus einer ſtarken Banfa, auf welcher dad eigentliche Geſtell b
des Walzwerkes errichtet ifl. - Die obere Walze, c, ift von Mef-
fing, befler von Gußeifen, genau rund abgedreht und polirt.
Ihr Inneres ift zum Einlegen eines glühenden Eiſens ausgehoͤhlt,
‚and ein Ende zu dieſem Behufe mit einer Fleinen runden Thür d
Zurihtung der Bänder, 459
(Big. 8) verfehen. Die untere Walze, e, ift ebenfalls fehr genau
rund und glatt, aber nicht von Metall, fondern aus Papier ver
fertigt (f. Ralander). Die metallene Walze wird mittelft einer
an ihrer Achfe befefligten Kurbel £ umgedreht. Die Schraube g
preßt fie auf den papiernen Zylinder herab, und übt frden Druck
aus, duch weichen, mit VBeihüffe der Hitze, die Bänder. glatt
und glänzend gemacht werden. Die Zapfenlager der Walze c
werden durch hinein gegebened Wachs, welches von der Hitze
ſchmilzt, fehlüpfrig erhalten. Die Hitze muß forgfältig regulirt,
und beſonders auf Bänder von lichten und zarten Farben nicht zu
far? angewendet werden. So oft ed nöthig ift, muß man von
Neuem ein glühendes Eifen einlegen... Die in den Zeichnungen
angegebene Vorrichtung, durch welche die Bänder ohne Beihülfe
von Menfchenhänden ſtets mit gleicher Spannung, und ohne alle
Balten zwifchen die Walzen geleitet werden, ift fehr einfach und
zweckmaͤßig. Sie befteht aus zwei fchräg ftehenden Trägern, h
und i, in welchen Die mit den Bändern umwidelten hölzernen Wal⸗
zen k, 1, eingelegt werden. Die „deren Enden der Träger find
zu dieſem Behufe gabelförmig; unten aber ift jeder Träger auf
einer zwifchen Leiften m, m, m, verfchiebbaren Stange n befeftigt,
fo, daß er nach der Breite der Banf a beliebig verfchoben, und
mittelft einer Schraube o feftgeftellt werden fann. Jede der Bande
walzen, k, 1, hat an einem Ende eine eingedrehte Rinne, in wel
cher eine Schnur liegt, welche die Walze umfchlingt, und unter
der Banf a mit einem Gewichte p befchwert if. Durch die Reis
bung der erwähnten Schnur an der Walze wird die Umdrehung
der letztern erfchwert, mithin das Band zurücgehalten und in
einem gewiflen Grade gefpannt, während die Walzen es zwifchen
ſich hineingiehen. Beim Austritte aus den Walzen laufen die Baͤn⸗
der über eine runde Glasftange in dem Träger q, und fallen dann
in einen untergefegten Korb. Auf diefe Weife werden fortwährend
wei Bänder zugleich zylindrirt, welche, von den Walzen k und 1
fommend, neben einander zwiſchen den Zylindern c,e, durchgehen.
Zur Bedienung der Mafchine find drei Perfonen nöthig: eine,
sum Umdrehen der Kurbel; eine, welche die Bänder hinter den
Walzen heraus in den Korb leitet; und eine zum Auswechfeln der
leeg gewordenen Bandwalzen gegen neue, Die letztere erübrigt
460 Bandfabrikation.
noch Zeit genug, um nebſt zwei anderen Perſonen die Bänder
auf die Walzen k, 1, welche in großer Anzahl vorräthig feyn müfe
fen, aufzuwickeln. Diefe Arbeit wird dadurch fehr ſchnell verrich-
tet, daß man die Walze in ein Fleined, irgend wo befeftigtes
Geſtell Iegt, worin fie mittelft einer auf ihren vierfantigen Zapfen
geſteckten Kurbel umgedreht wird. Man rollt zwei, drei, auch
vier Bänder (nach Verfchiedenheit der Breite) neben einander auf
eine Walze, damit man .fie, wenn beim Zylindriren das eine ab-
gelaufen iſt, nicht fogleich ans der Mafchine nehmen, fondern nur
den Träger, worin fie liegt, etwas verfchieben darf, um ein ans
dered Band an die Stelle des abgelaufenen zu bringen. Bei dem.
ongegebenen Verfahren fönnen in eıner Stunde 3600 bis 4300
Ellen Band zylindrirt werden..
Auch Dünntuch-Bänder, welche Streifen ober Figuren von
Atlas enthalten, werden gummirt und zylindeirt, die breiteften
auch. wohl bloß mit einem heißen Plätteifen übergangen , weil fie
zwifchen den Walzen, wegen ihres Iorfern Gewebes, der Gefahe
des Verziehend ausgeſetzt find.
Zuwei Arten von Zurichtung oder Verfchönerung, welche bei
Groddetours: und ſchweren Taffet-Bändern gebräuchlich find, bes
fteben in dem Moiriren und Gaufriren. Durch dad Moi⸗
riren (Wäffern) erhalten die Bänder ein bloß von der unglei⸗
chen Spiegelung verfhiedener Stellen herrührendes, wellenartiged
Anfehen. Um diefe ſchoͤne Erfcheinung hervorzubringen, benept
man die Bänder mit Wafler, trocknet fie auf dem oben erwähnten
Oummirrahmen, legt fie zufammen, und preßt fie, mehrere bun«
dert Ellen auf ein Mahl, in einer Schraubenpreſſe. Diefe legte
Arbeit muß mit Beihülfe der Wärme geſchehen; man legt daher
Den Stoß Baͤnder zwifchen zwei Bretchen, dann unten und oben
eine Dicke, ſtark erhigte Eifenplatte, und fept dad ganze dem. Drude
au. Man kann fich ftatt der Schraubenprefle aud) der. oben ber
befchriebenen Zylindrie-Mafchine bedienen, indem man zwei Baͤn⸗
Der auf einander liegend zwifchen den Walzen durchlaufen laßt
(wobei die inneren, einander berührenden Seiten die fchönere
Moirirung, erhalten); aber dieſes Verfahren hält mit dem Preſſen,
Hinfichtlich der Schnelligkeit, nicht den Vergleich aus.
Das Saufriren hat zum Zwede, auf den Bändern erha⸗
Baryt. 461
bene Zeichnungen oder Deſſeins durch mechaniſchen Druck hervor⸗
jubringen. Dan bedient fi dazu eines Walzwerkes, welches
der befchriebenen Zylindrir⸗Maſchine gleicht, mit der Ausnahme,
dag die Oberfläche der metallenen (meflingenen) geheitzten Walze
nicht glatt, fondern mit dem beliebigen eingravirten Deffein ver⸗
feben ift, der fich auf daB durchgehende Band abdrüdt.
Eine dem Gaufriren ähnliche Arbeit wird mit manchen
Sammtbändern vorgenommen, indem man diefelben mittelft Höls
zerner oder meflingener Model preßt, und fo, durch Niederdrüs
den des Haares an einzelnen Stellen r einen Deflein darauf ver
vorbringt.
8. 8.
Baryt.
Der Baryt, die Baryterde, das Baryumoxyd
iſt eine alkaliſche Erde (S. 217), die im reinen Zuſtande in der
Natur nicht vorkommt, wohl aber in Verbindung mit Kohlenſaͤure
im Witherit, und in Verbindung mit Schwefelfäure im
Schwerfpath, welder letztere ein ziemlich häufig verbreitetes
Mineral ift, daher er auch vorzüglich zur Darftellung des reinen
oder aͤtzenden Baryts und der verfchiedenen Barytſalze gebraucht
wird. Zu diefem Behufe wird zuerft der Schwerfpath durch GTü-
ben mit Kohle in Schwefelbaryt (Schwefelbargum) auf fol-
gende Art verwandelt. Der Schwerfpath wird fein gepulvert
und gefchlämnt, 8 Gewichttheile davon mit ı Theil fein zerries
bener Kohle genau vermengt, Diefe Mengung noch mit 3 Theis
len Harz oder Roggenmehl zufammen gerieben, in einen heſ—⸗
ſiſchen Tiegel eingepreßt, und + Stunden lang im Windofen einer
dem Weißglühen nahe fommenden Hitze ausgeſetzt. Die erhaltene
Maſſe, welche nun Schwefelbaryum ift, indem der Sauerftoff der
Schwefelfäure und des Baryts fich mit der Kohle zu Kohlenoxyd⸗
ga6 verbunden haben, welches entweicht, während der Schwefel
mit dem Baryum im Nuͤckſtande bleibt, wird mit 30 Mahl foviel
kochenden Waſſers übergoffen, und einige Stunden unter öfteren
Umrübren in einem verfchloffenen Gefäße digerirt. Die erhaltene
Auflöfung des Schwefelbaryums wird dann filtrirt, der Rüdftand
!
462 - Baryt.
fo lange noch etwas ausgezogen wird, ausgelaugt, und Die Fluͤſſig⸗
keit zu der vorigen gefügt.
Im Großen kann man das Ausglühen des Schwefelbaryts
im Reverberirofen mit Flammenfeuer bewirken, wenn man die
Mengung aus dem Schwerſpath und der Kohle mit Theer zuſam⸗
men knetet, um Kugeln daraus formen zu koͤnnen, dieſe ſonach
auf der Sohle des Ofens aufſchichtet, und eine Stunde lang
in ſtarker Rothglühhitze erhaͤlt.
Mit dieſer Aufloͤſung des Schwefelbaryums werden die ver⸗
ſchiedenen Barytſalze dargeſtellt. Durch Verſetzung derſelben mit
einer Aufloͤſung von kohlenſaurem Kali, das jedoch weder Kieſel⸗
erde noch Schwefelſäure enthalten darf, erhält man den Fohlens
fauren Baryt, der als ein weißes, lockeres, im Waifer fehr
fhwer auflösliches Pulver niederfällt. Hier "verbindet fich das
Kalium des Kali mit dem Schwefel, und bleibt in der Auflöfung ;
das Baryum wird mit Dem Sauerftoff des Kali zu Baryt, der ſich
mit der Kohlenfäure in Verbindung ausfcheidet. Es werden bei
diefer Faͤllung 24 Theile Fohlenfaures Kalı erfordert, welche etwa
5 Theile Fohlenfaure Baryterde liefern. Der Niederfchlag wird
mit heißem Wafler wohl ausgewafchen und getrodnet.
Wird die Auflöfung des Schwefelbargums mit einer Säure
verfegt; fo wird Schwefel ausgefchieden, das Baryum orydirt
ſich auf Koften des Waſſers, während ein anderer Theil des Schwe⸗
fels mit dem Wailerftoffe ale Schwefelwailerftoffgas entweicht,
und der Baryt verbindet ſich mit der Säure. Dieſe Verjegung
der Auflöfung mit der Säure muß unter einem gut ziehenden Rauch⸗
fange vorgenommen werden, danıit das Gas leicht entweichen
fönne; die Säure wird unter Umrühren allmählich zugefegt, bis
fie. vorfchlägt ; und dann das Ganze zum Sieden erhigt, da⸗
mit dad Schwefelwaflerftoffgas völlig entweiche. Die Auflöfung
wird endlich filtriert, abgedampft, un dad Salz zum Kryſtalliſiren
gebracht.
Auf. diefe Art entfteht durch Sättigung mit Salpeterfäure
ber falpeterfaure Baryt, in oftaedrifchen Kryſtallen, der
in 12 Theilen falten, und 3 bis 4 Tpeilen heißen Waſſers aufs
loͤslich ift; durch Verſetzung der Auflöfung des Schwefelbaryums
mit Salsfäure, der falzfaure Baryt (Chlorbaryum), in tafels
Y
Baryt. | 463
förmigen Kryſtallen, der fi) in 25 Theilen falten und in »3 Thei⸗
Ien fiedenden Waflers auflöft; durch Faͤllung mit Sfigfäure der
effigfaure Baryt, in Prismen kryſtalliſirt, der ı7 Theile
Falted und 1.03 fiedendes Wailer zur Auflöfung erforder. Man
Fann diefe Salze auch fo dDarftellen, daß man den durch dad Aus⸗
glühen des Schwerſpaths mit Kohle erhaltenen Schwefelbaryt un⸗
mittelbar mit den Säuren außzieht oder auslaugt: bei diefer Ver-
fahrungsart fommen jedoch auch noch fremde Beftandtheile, mit,
denen der Schwefelbargt verunreinigt tft, befonders Eifenoryd,
mit in die Auflöfung, und nur bei der Bereitung des falzfauren
Baryts geht ed an, diefen durch flarfed Ausglühen im offenen
euer, wodurch die fremden, befonders Eifen-Salze zerftört werden,
und nochmahliges Auflöfen und Kryſtalliſiren, wieder zu reinigen.
Man arbeitet daher reiner und zuverläßiger, wenn man erft die
filtrirte Auflöfung des Schwefelbarygums herftell. Den falsfau-
ren Baryt kann man nah Bucholz auch erhalten, wenn man
geihlämmten Schwerfpath mit der halben Gewichtmenge geglüb-
tem falzfauren Kalf (Chlorkalzium) ſchmelzt, die gefchmolzene
Maffe pulvert, mit fochendem Waſſer übergießt, und ſchnell durch⸗
feihet, wobei der Gyps auf dem Filter bleibt, die Auflöfung des
Chlorbaryums aber durchgeht (beim längeren Zufammenbleiben,
fo daß der gefällte Gyps Arpftallwafler aufzunehmen Zeit hat, zers
legen beide Salze wieder einander).
Der reine oder ägende Baryt wird am leichteflen aus bem
falpeterfauren Baryt dargeſtellt. Man erhitzt naͤhmlich diefes
Salz in einer Retorte von Steingut oder von Porzellan, bis die
Säure zerlegt iſt und fein Gas (Sauerſtoffgas) mehr entweicht;
legteres erfennt man leicht, wenn man einen glimmenden Holz⸗
fpan vor die Mündung der Retorte halt; fo ange fich dieſer noch
entzündet oder fich lebhafter anfacht, fährt man noch mit dem
Ausglüben fort. Da das Salz, nachdem es in Fluß gekommen
ift, und die Säure zerlegt zu werden anfängt, flarf auffchäumt,
fo füllt man die Netorte nur bis zur Hälfte, und mäßigt anz
fangs das Teuer, das gegen Ende bis zum Glühen der Retorte
verftärft wird. Die zurücbleibende poröfe Maſſe iſt ägender
wafferfreier Baryt, der fogleih in wohl verftopften Slafchen auf:
. bewahrt wırd.
464 Baryt.
Auf andere Weiſe kann der reine Baryt aus dem kohlenſau⸗
ren Baryt durch Ausglühen mit Kohle hergeſtellt werden. Es
werden nähmlich 100 Theile der auf die obige Weife bereiteten,
fhwach. geglühten, Fohlenfauren Baryterde mit 6 bis 10 Theilen
fein gepulverter Holzkohle genau gemengt, dann mit etwas Tra⸗
ganthſchleim zu einer fieifen Maife gefnetet, in eine Kugel gebil-
det, und diefe mit Koblenftaub umgeben in einen Thontiegel gelegt,
den man mit einem gemau aufliegenden Dedel oder mit einem klei⸗
neren Ziegel gut verdeckt; und nun wird dad Ganze eine Stunde
lang vor.dem Gebläfe ausgeglüht. In diefem Prozeſſe wird die
Kohlenfäure von der zugefepten Kohle in Kohlenorydgad umges
wandelt, welches entweicht, während die Baryterde, noch mit
etwas Kohlenpulver gemengt, rein zurüdbleibt; die dann in hei⸗
Ben Waller aufgelöft wird.
Die reine, waflerfreie Baryterde, wie fie in den beiden
vorhergehenden Operationen erhalten wird, hat eine graulichweiße
Sarbe und ift im gewöhnlichen Feuer unfchmelzbar. Mit dem
Waſſer verhält fie fich, wie der gebrannte Kalf: damit befeuchtet
erhitzt fie ſich und zerfällt zu einem weißen Pulver; mit noch mehr
Waſſer verbärtet fie zu einer harten, Fepftallinifchen Maſſe. Diefe
Verbindungen des Baryts mit dem Wafler find Barythydrat.
Sn so Theilen Falten und 2 Theilen fiedenden Waſſers wird das
Barythydrat aufgelöft, welche Auflöfung Barytwaffer ges
sannt wird. Der Luft ausgeſetzt , zieht fie Kohlenſaͤure an, wie
Kalkwaſſer, und überdeckt ſich mit einem Haͤutchen von kohlenſau⸗
rem Baryt, fo daß endlich aller Baryt als kohlenſauer aus dem»
felben auögefchieden wird. Wenn die mit heißem Waſſer gemachte
Auflöfung des Barythydrats zu 3 abgebampft, und dann abges
fühlt wird, fo kryſtalliſirt aus derfelben das Barpthydrat in lan⸗
gen vierfeitigen Prismen (Barytkryſtalle), die an die Halfte ihres
Gewichtes Kryſtallwaſſer enthalten, weiß und-Ducchfiheinend find,
jedoch an der Luft bald unfcheinbar werden, quch im Feuer mit
Verluft des Kryſtallwaſſers in ein weißes Pulver, das Barythy⸗
drat, zerfallen. Das Barythydrat ſchmilzt für fich in höherer
Zemperatur, und nimmt, gleich dem gefchmolzenen Kalihydrat,
nach dem Geftehen ein Fryftallinifches Gefüge an wobei es das
Waſſer, wie das auch beim gefchmolzenen Kalihydrat der Fall
Baryt. 463
iſt, nicht verliert. Das geſchmolzene Hodrat enthält 10% Prozent
Waſſer.
Der reine Baryt iſt ein Oryd des Baryums, zu welcher
metallifchen Subftanz Derfelbe durch Eleftrizität oder durch Behand⸗
Iung mit Salium reduziert werden fann. An der Luft und im Wafs
fer oxydirt ſich dieſes Metall fchnell wieder zu Baryt. Dad Ba⸗
ryum bildet mit Sauerjtoff außer dem Baryt noch ein Super:
oxyd, welches entfleht, wenn dad Metall in Sauerfloffgas ver⸗
brannt, oder wenn äßender wajjerfreier Baryt in einer Porzellan⸗
söhre geglüht wird, Durch welche man Sauerftoffgas leitet.
Die Auflöſungen des Baryts in Waller oder in Salz⸗, Eifig-
und Salpeterfäure dienen hauptfächlic, ald Reagirmittel auf Schwe:
felfäure, mit welcher fi) der Baryt vor allen andern Salzbafen
verbindet, und als ein weißes Pulver (fchwefelfaurer Baryt), das
gänzlich im Waffer unauflöslich if, ausfcheidet. Diefe Barytauflö-
fungen dienen daher nicht nur zur Prüfung auf Das Vorbandenfeyn
von Schwefelfäure, und zur Ausmittelung des quantitativen Vers
häftnijfes an diefer, oder an einem fchwefelfauren Salze in einer _
Auflöfung ; fonderg audy um von diefer Säure und ihren Salzen
ſolche Auflöfungen zu reinigen. Wenn fich Daher in einer Auflöe
fung irgend ein fchwefelfaures Salz; befindet, und diefelbe wird
mit einer Barytauflöfung verfept; fo wird das Salz zerlegt und
die Schwefelfäure mit dem Baryt audgefchieden, während die vor
sige Bafis entweder für ſich abgefchieden wird, wenn Barptwaffer
angewendet worden, oder mit der Säure in Verbindung geht,
in welcher der Barpt aufgelöft war. So z. B. wenn eine Auflöfung
von falpeterfaurem Kali etwas fchwefelfaures Kali enthält, wird
fie von leßterem durch Zufag einer Auflöfung des falpeterfauren
Baryts gereinigt, wobei die Schwefelfäure mit dem Baryt fich
auöfcheidet, das Kaliber mit der Salpeterfäure in Verbindung
aufgelöft bleib, Mon dem Niederfchlage, welchen aufgelöfte
tohlenfaure Salze mit den Barptfalzen geben, und der Fohlenfaus
rer Barpt ill, unterscheidet fich der fchwefelfaure Baryt durch feine
Unauflöslichfeit in Salpeterfäure; auf welchen un man in
ES Ballen Ruͤckficht — muß.
d. H.
Technol. Encyclop. I. BD. - 30
466 Baſt.
B a ſt.
Bekannutlich iſt Baſt jener faſerige Beſtandtheil holziger Ge⸗
waͤchſe, welcher unter der Rinde, und über dem Splinte liegt. Er
kann als Fortſetzung der Rinde, und als jener Stoff angeſehen
werden, aus welchem ſich das weichere Holz oder der Splint
bildet; auch iſt er von dem letztern nur durch ſeine geringere
Dichte und wenigeren Zuſammenhang der Faſern, nicht aber
weſentlich verſchieden. Die techniſche Verwendung dieſes Pflan⸗
zenbeſtandtheils iſt ſehr ausgebreitet, indem Flachs und Hanf,
welchen aber, ihrer Wichtigkeit wegen, beſondere Artikel gewidmet
werden muͤſſen, ebenfalls nichts als wahrer Baſt find. Hier wird
zunaͤchſt nur von dem Lindenbaſt die Rede ſeyn, welcher an der
gemeinen oder europaͤiſchen Linde in ſehr großer Menge, in gerin⸗
gerer auch an der Winter⸗Linde vorkommt, und zu wohlfeilen, aber
ſehr nuͤtzlichen Fabrikaten, vorzüglich in Rußland, ferner in Frank⸗
reich und Italien, und in mehreren andern Laͤndern, benützt wird.
Er kann zwar von der Rinde ohne weitere Vorbereitung abgezogen
werden, beſſer aber iſt es, denſelben (fo wie den Flachs und Hanf)
einer Art von Nöftung zu unterwerfen, wodurch er geſchmeidiger
wird, und fich Leichter in bandförmige Streifen zertheilen laͤßt.
Die Rinde der gefällten Stämme wird der ganzen Länge nach
aufgeriffen, und durch eingetriebene Keile gezwungen, fid) von dem
Holze zu trennen, während der Baſt mit ihrer innern Fläche in
Derbindung bleibt. Won diefen Rindenſtücken läßt fich, nachdem
fie, mit Steinen befhwert, durch 6 bis 8 Wochen im Waſſer ge:
legen haben, der Baft leicht abziehen, und in die zur weiteren
Verwendung nöthigen Bänder verwandeln,
Bon den Benuͤtzungsarten des Linden-Baftes find folgende
nahmhaft zu machen. Der mehrfach zufammengewundene, in Wülfte
oder Kränge verwandelte Baſt gibt die befannten, gur Reinigung
des Küchengefchirred gebräuchlihen Baftwifche oder Baſt⸗
Pränze. Berner werden aus Baftitreifen durch Flechten, mei-
ſtens aber durch Weben auf einem -fehr einfachen Stuhle, die
Bafl:Matten, ein vorzüglich in Rußland nicht unwichtiger
Handels⸗Artikel, verfertigt. Diefe Matten, deren häufigfter Ver:
brauch zum Verpaden von Waaren Statt findet, geben noch, wies
Baſt. | | 467
der in die Bänder getrennt, aus welchen fie beftehen, jenen Baſt,
welcher in der Gärtnerei, feiner eftigfeit nnd Wohlfeilheit wes
gen, zum Binden verwendet wird. Berner macht man auch Ba ft:
Stricke, welde außerdem, daß fie wohlfeil find, noch den Vors
tbeil gewähren follen, die mittelft derfelben aufgehangene naffe
Waͤſche nicht fo leicht fledig zu machen, als die hanfenen Stride.
Jedoch dürften diefe Stridde, welche im lombardifch » venetianifchen
Königreiche oft bis zu einer Länge von go Buß, ferner im unga-
riſchen Bannate, und in großer Menge auch in Rußland verfer-
tigt und gebraucht werden, die Reibung nicht fo gut vertragen,
als die gewöhnlichen, da fie weniger glatt find, und ſich daher
leichter zerfafern. Außerdem werden in Rußland Schuhe und fo>
gar Hüte aus Lindenbaft verfertigt; auch ift nicht zu zweifeln,
daß man denfelben ald Spinn-Material verwenden fönnte, wel⸗
cheö aber, fo lange nody an Flachs und Hanf fein Mangel ift, der
weit mübfameren Vorbereitung wegen, in Beziehung auf das Rö⸗
ften und Hecheln, fo wie die ebenfalld mögliche Verwendung zu
Papier, nicht vortheilhaft ſeyn würde.
Wahrfcheinlich durch Mißverftändniß hat man eine Art fehr
leichter und wohlfeiler Hüte, deren Fabrikation im füdlichen Europa,
und nahmentlic in Stalien einheimifch ift, Bafthüte genannt,
welche, da fie einmahl diefen Rahmen, obfchon mit Unrecht führen,
indem das Material zu denfelben Hol; ift, hier gleichfalls -befprochen
werden follen. Sie beftehen, fo wie die Schweizer.und Floren⸗
tiner Strohhüte, aus Bändchen, deren Kanten in einer Spiral⸗
Linie an einander gereiht find; die Bändchen felbft aber find wie⸗
der aus diinnen ſchmalen Holzflreifchen zufammen geflochten. Das
hierzu verwendete fehr weiße Mol; ift Dad der gemeinen oder
weißen Weide, welche aber, nad) der einflimmigen Ausfage der
Ürbeiter, nur in füdlichen Gegenden die zu diefem Fabrikate nös
thige Vollfommenheit erreichen fo. Man nimmt die abgefchnit-
tenen jungen Zweige, fehichtet fie mit Lehmerde, welche die Naͤſſe
lange an fi) hält, in Gruben, und läßt fie durch mehrere Mona⸗
the in denfelben; wonach fie herausgenommen, entfchält, und
zur gleichen , etwa drei Zuß betragenden Ränge abgefchnitten wers
den. Zur Verwandlung in Streifen werden fie durch Zufpipen auf
beiden Seiten vorbereitet, Dann aber wird jeder diefer Zweige ein⸗
| 3o *
468 Baſt.
zeln an einem Ende eingeſpannt, und mit einem Meſſer von beſon⸗
derer Form behandelt. Dieſes, welches der Arbeiter mit der rech⸗
ten Hand führt, während er das freie Ende des Zweiges mit der
Linken hält, und diefen nach jedem Schnitte etwad um feine
Achfe dreht, hat eine ungefähr ſechs Zoll Tange, ftarfe, aber nicht
fchneidende Klinge, in deren Mitte ein ppramidaler, fehr ſcharf
gefchliffener Anfag die eigentliche Schneide bildet. Am’Ende des
Meſſers findet fich ein flügelförmiger Anfab, mittelft welchem. das⸗
felbe an dem Zweige laufen, und an ihm fchnell Heruntergezogen
. werden kann. Jeder Zug liefert einen Streifen. Die Streifen find
anfangs dicker und breiter, werden aber allmählich, wie der Durch⸗
meſſer des Zweiges fih vermindert, feiner. Won diefen gehörig
fortirten Streifen werden fleben oder neun Durch Flechten aus freier
Hand, ganz fo wie bei Strohhüten, in fehr lange ſchmale Bänder,
als das nächfte Material zu den Bafthüten, vereinigt. Zur Bil⸗
dung der Hüte gibt ed allerlei Verfahrungsarten. KHöchft felten,
und nur ausnahmsweife, werden fie nach Art der Slorentiner
Hüte genäht, ein Verfahren, welches bei diefer wohlfeil feyn
folenden Waare, des Zeitaufwandes wegen, zu foftfpielig wird.
Am bäufigften werden die fogenannten Baft: Platten in den
Handel gebracht. &ie find kreisrund, ganz flach, und beftehen
aus einem einzigen fehr langen Bändchen, welches von der Mitte
aus fpiralförmig gefrünmt, und an den einander berührenden
Kanten auf eine ganz eigenthümliche Art, durch fogenannted Zu⸗
fammens&Ketteln ohne weitere Hülfsmittel, in eine Flaͤche ver-
wandelt if. Zu diefem Ende ftedt man, bloß mit den Finger:
nägeln, die Umbiegungen oder Eden der Streifen an den fich
' ‚berührenden Rändern ded Bandes wechfelweife in einander, wo⸗
bei man aber Dort, wo die Krümmung ftarf feyn fol, immer eine
folche Ecke, oder einen Zacken übergeht, und nur den zweiten mit
der. gegemüberftehenden Kante vereinigt, weil fonft die nöthige
Krümmung nit zu erhalten feyn würde. Größere Haltbarkeit
‚ befommt die Platte durch Überreiben und Glätten mit einem run-
den Stücke Glas, oder noch beffer durch warmes Preffen zwifchen
glatten und dünnen Bretchen in einer ftarfen Schrauben = Preife.
Die rauhen, an den Streifen noch vom Schneiden ber befindlichen
Snolzfäferchen befördern das Ineinandergreifen der gedachten
Baſt. 469
Zacken der geflochtenen Baͤnder. Um einen Hut zu verfertigen,
wird aus der Mitte einer folchen Platte eine runde Scheibe, als
der Boden des künftigen Hutkopfes, losgeriſſen, und zwiſchen fie
und das dadurch entſtandene Loch ein ſogenanntes Bandeau (ein
auch aus Bändchen beſtehender Streifen von der nöthigen Länge
und Höhe), welches die zylindrifche Nundung des Kopfes gibt, ein=
geſetzt. Es gefchieht diefed oben und unten, gleihfalld Durch Ans
fetteln der mit einander in Berührung fommenden Bändchen, und
durch Zufammennähen in der Breite oder Höhe des eingefegten
Bandeaus. Außer diefen Hüten werden im öfterreichifchen Sta-
lien auch folcye verfertigt, an welchen gar nichtS genäht, fondern
alles gefettelt iſt, und ein einziges langes Bändchen, von ber
Mitte des Kopfes ausgehend, den Hut bildet. Die Bafthüte er:
halten verfchiedene Arten der Appretur. Einige werden durch
Schwefel gebleicht, mit Stärfe beftrichen und geglättet. Noch
befiere Dienfte leiſtet Leim aus Pergament Spänen, mit etwas
ſehr fein geriebenem Bleiweiß verfegt: eine Art der Zurichtung,
in welcher es die Sranzofen am weiteften gebracht haben. Manch⸗
mahl werden Die Bändchen auch aus gefärbten Streifen geflochten,
oder die Hüte felbft fchwarz, gelb, grün, braun, u. ſ. w. gefärbt,
eine Operation, welche bei der hohen Weiße der Bänder, und bei
der Leichtigkeit, mit welcher dad weiche, ſchwammige Hol; die
Barbebrühen einfaugt, gar feinem Anftande unterliegt. Die Baft-
hüte find zwar an den Erzeugungsorten fehr wohfeil, aber aud)
von fehr geringer Daner. Bei einiger Gewalt ziehen fi die
Bänder leicht aus einander, welches fowohl beim Gebrauch als
auch nicht felten bei der Appretur gefchieht; wobei nur dann, wenn.
der Riß nicht zu groß ift, die Ausbeiferung dadurch möglich ift,
daß man feinen Zwirn mittelft der Nähnadel einzieht, und durch
die beiderfeitigen Zaden der Öffnung leitet. Die weißen Hüte
mit der natürlichen Farbe des Holzes find die fehönften; allein
fie verändern fich fehr bald, indem fie durch Luft und Licht zuerſt
gelb, dann röthlih, und endlich braun werden. Die Bändchen
von aufgelöiten Baftplatten werden zum Befehen anderer Damen:
büte, zur Unterlage von Seidenbändern und Mafchen auf —
ben, und zu ähnlichen Nebenarbeiten verwendet.
Der Ähnlichkeit des Gebrauches und des Materiales —
4720 Baſt.
muß hier auch noch jener, durch Weben aus Holzſtreifen gebilde⸗
ten Platten gedacht werden, welche bon einer Größe von 30
bis 36 Zoll im Quadrate vorfommen, und verfchiedene Nahmen
führen. Bei einigen derfelben, den fogenannten Sieb-Plate
ten, liegen die Streifen nicht unmittelbar an einander, fondern
fo, daß fie Öffnungen zwifchen fich Iaffen, und folche Platten
(obwohl dieß feltener gefchieht) auch wirflich zu Siebböden benugt
‚werden Finnen. Böhmen und Sachfen liefern fie in bedeutender
Menge und zu fehr niedrigen Preifen. Es fommen aber auch
feinere , fehr dichte, geföpert, und felbft mit Deſſeins gewebte
Platten, unter dem Nahmen Sparterie vor, welche fowohl
aus den genannten Laͤndern, als auch, und zwar in großer Volls
fommenheit, aus der Schweiz und aus Frankreich bezogen werden.
Die Streifen zu diefen Geweben werden nicht aus Zweigen,
fondern aus Bretern, und zwar durch Hobeln verfertigt. Zu
jenen feineren, welche ganz weiße Gewebe liefern follen, wendet
man Weidenholz, zu den gröbern anch Pappelhol; an, welches
durch längere Zeit in die Erde eingegraben, einer Art von Maze⸗
ration unterworfen wird. Zur Darftellung der Streifen bedient
man ſich zweier Werfjeuge. Das eine ift einem Kamme, oder
einem Zahn⸗-Hobeleiſen ähnlich, und mit zwei Griffen zur Führung
verfehen. Die feinen fpigigen oder fchneidigen Zähne dienen dazu,
auf die vorher glatt gehobelte, beim Einfpannen des Bretes nach
oben gefehrte. fchmale Kante deſſelben gleichlaufende Linien ein«
zureißen, deren Entfernung von einander durch den Abftand der
Zähne oder Schneiden beftimmt wird, und felbft wieder die Breite
der Holzſtreifen beflimmt. Das zweite Werkzeug ift ein Schlicht-
hobel mit fehr fcharf gefchliffenem Eifen, welcher, über Die Molz«
kante geführt, einen bereitd Durch das Worfchneiden mit dem er
ſten Inſtrumente in gleichbreite Streifen getheilten Span von ber
Länge des Bretes gibt. Die Die der Streifen hängt davon ab,
ob die Schneide des Eifens mehr oder weniger über die Bahn Des
Hobels vorfieht. Es fann mehrere Mahl gehobelt werden, ohne
daB erftere Werfzeug aufd Neue zu brauchen, weil diefes für einige
Soobelftöße tief genug einbringt; und das ganze Bret fann durch
Diefe Werfzeuge in kurzer Zeit in eine ungeheure Menge Streifen
verwandelt werden. Es ift zwar thunlich, jenes Zahneifen [pr
Baſt. 471
"gleich im Hobel felbft anzubringen, und fo beibe Operationen in
eine zufammen ‚zu ziehen: allein das Hobeln erfordert dann auch
mehr Araft, als in jenem Falle.
Zum Verweben diefer Streifen dient ein einfacher Weber⸗
fiubl, dem des Leinwebers aͤhnlich; und Faum findet fid) eine an-
dere- Schwierigkeit dabei, ald die Sprödigfeit des Holzes, ver⸗
möge welcder die Streifen der Kette leicht reißen, und diefe über«
haupt nicht die fonft gewöhnliche Spannung verträgt. Auf den
Stuhl werden zuerft Zwirnfäden aufgebäumt, und wenn fie durch
die Schäfte und das Blatt durchgezogen find, fo vereinigt man
vor dem letzteren jeden Baden mit einem Holzſtreifen. Die Holz⸗
fireifen gehen, wenn die Zwirnfette ſodann rüdhwärtd gezogen
wird, durd das Blatt, und durch die Augen der Ligen, und koͤn⸗
nen mit ihren freien Enden leiht an dem Bruftbaum befeftige
werden. Die Zwirnfette dient auch in der Folge noch oft zur
Befeftigung neuer Streifen, wenn die bereitd aufgezogenen mit
dem Eintrage verfehen, in Zeug verwandelt, und von dem Stuhle
abgenommen worden find. Die gewöhnliche Schüge ift bei diefer
Art der Weberei nicht anwendbar, fondern fie wird durch eine
Reifte erfegt, mit welcher man, wenn fie Durch die geöffnete Kette
geſteckt ift, mittelft eines an ihr befindlichen Häfchens den als
Eintragfaden dienenden Streifen faßt, und zurüd durch die
Kette zieht,
Von den, auf die befchriebene Art erhaltenen Holggeweben
macht man verfchiedenen Gebrauch. Aus den Siebplatten werden
manchmahl ordinaͤre Srauen-Hüte durch Zuſchneiden und Zuſam⸗
mennaͤhen verfertigt; auch Männer: Hüte hat man auf ähnliche
Art verfertigt, und außen ſchwarz ladirt. Gewöhnlich aber dienen -
die Siebplatten nur zu Unterfutter für Hüte aus Seidenzeugen,
&o bilden fie auch das Gerippe maucher Männer » Seidenhüte,
welches mit Felper überzogen wird. Zuweilen werden dieſe Plat-
ten dadurch appretirt, daß man fie mit einer weißen, bläulichen
oder grünlichen Dedfarbe überftreicht, und erft in diefem Zuflande
verwendet. Die fogenannte Sparterie, oder die feinen, gemu—
fterten Holzgewebe, benügt man entweder auch zu Unterfutter,
häufiger aber, des höhern Preifes und fchönern Anſehens wegen,
zu Hüten ſelbſt. Auch Finnen fie ig Streifen gefchnitten, ber
472 Baumwolle.
ganzen Länge uach zufammengebogen, umd fo ald Bändchen,
gleich jenen aus Stroh, durch Nähen zu Hüten geformt werden.
Die aus WBeidenruthen duch Spalten gewonnenen feinen
Streifen gehören nicht mehr hierher, indem fie auf ganz andere
Art zubereitet, und von den Korbmacdhern zum Flechten von Koͤrb⸗
hen und ähnlihen Erzeugniffen ihres Gewerbes — wer⸗
den (f. Rorbmacher-Arbeiten).
G. 2.
Baumwolle.
Die Baumwolle iſt ein faferiger Stoff, welcher in den Sa⸗
menkapſeln mehrerer zur 16. Linnéiſchen Klaffe gehörenden Pflan⸗
zen die Samen einhüllt. Die verfchiedenen Arten der Baum»
wollenpflanzge wacfen theild baum⸗, theild ſtrauch⸗, theils
ſtauden⸗ oder frautartig; umd bei dem ungeheuren Verbrauche,
welcher von der Baumwolle gemacht wird, ift der Anbau derfelben
ein wichtiger Zweig der Landfultur, der ſich über die wärmeren
Gegenden aller Erdtheile erfiredt.
Am häufigften, und zwar befonders in den füdlichen Oi
den von Europa (nahmentlicd Mazedonien, Malta, Sizilien und
Kalabrien), in der Levante und in Oftindien, wird die frauts
artigeBaumwollenpflange (Gossypium herbaceum) ges
zogen, welche 2 bis 3 Fuß hoch waͤchſt, nur über einen Sommer
ausdanert, runde, dreifächerige Sruchtfapfeln von dem Umfange
einer Fleinen Walnuß, und in diefen etwa erbfengroße Samen
hat. Ebenfalld nur ein Sommergewächd, welches aber doch oft
auch zwei Jahre ausdauert, ift die zuweilen mannshohe zotige
Baummollenpflanze (Gossypium hirsutum) mit eirunden,
vierfächerigen Kapfeln von der Größe eines mittelmäßigen Apfels.
Sie ift in Amerifa einheimifch, und wird vorzüglid in Karolina
gebaut. Bon den ftrauchförmigen Baummwollenpflangen, mit hols
jigem Stamme, wird die 8 bis ı2 Buß hohe baumartige
(Gossypium arboreum) in Oftindien, in Egypten, und in einigen
Gegenden Spaniens, die gelbe (Goss. religiosum) in Oftine
dien und China, die barbadenfifche (Goss. barbadense) iu -
Weftindien und Südamerifa angetroffen. Der Baumwollen-
baum (Bombax pentandrum), welcher in Oftindien und Amer -
Egrenir » Mafchinen. 473
rifa waͤchſt, gehört zu einem andern Gefchlechte, als die vorigen
Arten. Er erreicht gegen 20 Fuß Höhe, und oft eine bedeutende
Staͤrke.
Die Samenkapſeln aller Baumwollenpflanzen ſind anfangs
gruͤn, werden aber ſpaͤterhin braun. Zur Zeit der Reife ſpringen
ſie mit einem ſchwachen Knalle auf, und werden dann ſogleich ein⸗
geſammelt, damit die vorher zuſammengepreßte, nun aber ver⸗
moͤge ihrer Elaſtizitaͤt ſtark herausquellende Wolle nicht auf die
Erde falle und ſich verunreinige, oder durch den Wind gar verlo⸗
ren gebe. Die Baumwolle wird beim Herausnehmen aus den
Kapfeln zugleich fortirt, indem man alle nicht ganz reifen oder
überreifen Stüde bei Seite legt, um nicht durch ihre Beimengung
den Werth der guten Wolle zu vermindern. Hierauf werden Die
bald mehr bald weniger feſt anhängenden Samenkoͤrner davon
getrennt ; und endlich wird die reine Wolle gehörig verpadt.
Zur Abfonderung der Samen (eine Operation, weldye man
dad Egreniren nennt), hat man Mafchinen, fat immer aus
zwei harten hölzernen Walzen beftehend, die horizontal in einem
Geftelle, und fo nahe über einander Tiegen, daß fle die vorn
ihnen Dargebothene Baumwolle zwar faſſen, zwifchen ſich durchs
ziehen, und hinten wieder fallen laſſen, den Samen aber feinen
Durchgang geftatten; daher die leßteren entweder von felbft her⸗
abfallen, oder leicht mit den Händen ausgelefen werden fönnen.
Wenn diefe Mafchinen ihren Zwed gut erfüllen follen, fo dürfen
die Walzen nicht groß feyn, damit der Winfel ihrer Peripherien,
in welchem die Baumwolle eingeflemmt wird, ſtumpfer ausfalle,
und nicht fo leicht Die Körner mit hineingezogen und zerdrückt were
den fönnen. In manchen Baumwollpflanzungen (5. ®. in Bra⸗
filien) hat man glatte Walzen von etwa 15 Zoll Länge und 4
oder 5 Zoll Durchmeſſer, von welchen jede an ihrer eigenen Kur⸗
bel von einer Perfon. in der gehörigen Richtung umgedreht wird.
Eine andere Einrichtung ift aber bequemer und zwedmüäßiger. Die
Walzen find naͤhmlich Dinner und geriffelt, d. 5. mit nad) der
Länge laufenden parallelen, dreiedigen Einferbungen verfehen,
um die Baumwolle beffer zu faflen; fie werden durch ein angemeſ⸗
fenes Gewicht gegen einander gepreßt. Die Achſe der obern Walze
trägt an jedem Ende eine hölzerne Scheibe, welche ald Schwung⸗
474 Baumwolle,
rad dient; auf der Flaͤche einer diefer Scheiben ift ein außer dem
Mittelpunfte ftehender Stift angebradıt, von welchem eine Schnur
zu einem Tritte herabgeht, fo daß die Mafchine auf diefelbe Weife
wie eine Drehbanf oder ein Spinnrad in Bewegung gefeht wird.
Eine Perfon reicht dazu bin, da ihr beide Hände zur Einführung
der Baumwolle frei bleiben. Lestere fällt, von den Samen be=
freit, in einen unter den Walzen aufgefpannten Sad. Eine folche
Mafchine liefert des Tages höchftend 25 Pfund gereinigte Baum:
wolle.
Man macht die Walzen auch, gleich viel ob glatt oder ge=
riffelt, der Dauerhaftigfeit wegen von Eifen, gibt ihnen aber dann
natürlich die geringfte Größe, welche fie, ohne zu bedeutenden
Machtheil für die Schnelligfeit ihrer Arbeit, haben fönnen. Die
Umdrehung gefchieht mittelft zweier in einander greifender verzahn-
ter Räder, von welchen eines an jeder Walze ſich befindet. Meh-
rere Mafchinen werden oft gleichzeitig durd) Pferde: oder Waſſer⸗
Fraft in Bewegung gefegt. Ein Walzwerf diefer Art ift in Big. ı,
Zaf. 13, im Durchſchnitte abgebildet. a, b find die beiden Wal-
sen, welche einen Durchmefler von 9 Linien und ‚eine Länge
von 6 Zoll haben. Sie werden nach der Richtung der Pfeile um⸗
gedreht. Die untere Walze liegt in unbeweglichen Zapfenlagern ;
ein jeber Zapfen der obern wird von einem Arme umfaßt, der bei
f um einen Stift im Seftelle ſich dreht, und mittelft der Schraube
d, wenn die Slügelmutter angezogen wird, die obere Walze gegen
Die untere berabdrüdt. c ift die Tafel, worauf man die Baum⸗
wolle legt, die man der Mafchine zur Bearbeitung darbiethet.
Unten befindet fich eine Buͤrſte e, welche die fich anhängende
Baumwolle von dem Zylinder b abftreift. Zu dem nähmlichen
Behufe kann man Hinter der Maſchine zwei Bürften (für jede
Walze eine) anbringen, wie Fig. 2, Taf. ı2, zeigt. aund b
find hier wieder die zwei Walzen; e, e, die Bürften; g, g, zwei
Holzſtücke, in welchen diefelben befeftigt find. Diefe Holzftüde,
von welchen die Zeichnung den Ducchfchnitt darftellt, müflen etwas
‚ länger feyn als die Walzen, und zu beiden Seiten an dem Seftelle
befeftigt werden. Jedes derfelben enthält zu diefem Behufe an
beiden Enden einen Einfchnitt i, durch welchen eine Schraube h
m das Holz des Seftelles geht. Der Kopf diefer Schraube liegt
Egrenir⸗Maſchinen. 43
auf einer Eifen« oder Meffingplatte 1 auf, welche mit einem ent-
Tpredyenden Einfchnitte verfehen if. Die zwei Schrauben, welche
foldergeftalt das Bürftenholz fefthalten, erlauben zugleich, wenn
fle etwas zurückgezogen werden, eine Verfchiebung von g, ver»
möge weldyer man im Stande ift, die Bürften den Walzen mehr
zu nähern, wenn fie fich abgenugt haben.
Glatte Walzen von geringem Durchmefler arbeiten immer
verhältnigmäßig langſam, weil fie die Baumwolle wegen des
flumpfen Winfeld an ihrer Beruͤhrungsſtelle fehwer faſſen, und
eine große Zahl von Umdrehungen machen müffen, um eine be⸗
beutende Menge zwifchen fih durchzuführen. Geriffelte Walzen
find freilich dem erftern Fehler nicht unterworfen ; aber fie ziehen
zu leicht au die Samen hinein, und gerquetfchen mehr davon,
verunreinigen alfo eben dadurch die Baumwolle mehr, ale dieß
bei glatten Walzen der Sal if. Der Vorfchlag, welchen Mo⸗
Iard d. j. in diefer Hinficht gemacht bat, ift fehr zweckmaͤßig.
Er befteht darin, ganz nahe vor den zwei Walzen a, b, Fig. 3,
Zaf. 11, eine blecherne Bedeckung k, k anzubringen, deren Krüm⸗
mung genau mit jener.der Walzen Ponzentrifch ift, nnd welche in
dem Winkel, we die Baumwolle unter die Walzen gelangen foll,
eine für den Durchgang der. Samenförner nicht hinreichend große
Spalte beſitzt. Diefe Bededung wirkt gleichſam als ein Xrichter,
durch welchen die Baumwolle von den Walzen hinausgezogen wird,
während die Körner wegen ihrer Größe zurüdbleiben müjlen. Die
Tafel c dient zum Auflegen der Baumwolle.
In den vereinigten Staaten von Nordamerika ift eine Ma⸗
ſchine zum Egreniren der Baumwolle gebraͤuchlich, welche ſich
durch die Schnelligkeit ihrer Arbeit auszeichnet, und der Einrich⸗
tung nach ganz von den Walzwerken verſchieden iſt. Die Haupt⸗
theile dieſer Vorrichtung find in Fig. 4, Zaf. 12, im Durchſchnitte
gezeichnet. Auf einer horizontalen eiſernen Achfe n find mehrere
(wenn die Mafchine durch einen Menfchen getrieben werden foll,
18 oder 20, außerdem bis 50 oder 60) zirfelförmige Scheiben m
von Eifen- oder Stahlblech befefligt, deren Umfreis fägenartig
mit fehr chief liegenden, ſcharf ſpitzigen Zähnen befegt ift. Diefe
Scheiben, welche zehn oder zwölf Zoll Durchmeifer und eine halbe
Linie Die haben, werben durch Eleinere hölzerne zwifchen ihnen
—
4106 Baumwolle.
auf die Achſe geſchobene Scheiben in paralleler Richtung und in
9 Linien Entfernung von einander gehalten. Bor diefem Sägen-
Zylinder befindet fi) ein Roſt von flachen, gebogenen, an den
Holzſtücken p, p befefligten Eifenftangen o, welche fo nahe an
einander fleben, daß die Sägen gerade nur ohne zu ftreifen ſich
in den Zwifchenrdumen bewegen fönnen. Der erwähnte Roß
bildet einen heil der Vorderfeite eines Kaftens, in welchen die
von ben Samen zu befreiende Baumwolle geworfen wird, und der
eine hölzerne Hinterwand q befist. Mit der legtern iſt unten eine
an Bewinden hängende Leifte r verbunden, welche vermittelit der
Schraube s höher geftellt oder herabgelaflen werden kann, fo daß
ein Fleinerer oder größerer Raum zwifchen ihr und den Sägen m
bleibt. Hinter den Sägen befindet, fich parallel mit der Achfe n,
eine Walze oder Trommel, welche aus einer Achfe, zwei oder drei
Reifen gleich t, ſechs mit Roßhaar⸗ Bürſten, u, beſetzten Stan⸗
gen, und ſechs dünnen Bretern beſteht, welche zwiſchen jene Stan⸗
gen und die Achſe eingeſetzt ſind. Man gibt, um von dieſer Ma⸗
ſchine Gebrauch zu machen, mittelſt einer Kurbel, eines großen
Mades und eines endloſen Riemens den Sägen und der Büurſten⸗
trommel eine fchnelle Bewegung um die Achfe, nach entgegenges
fepter Richtung (wie die Pfeile in der Figur anzeigen), jedoch fo,
daß fich die Buürften fchneller bewegen, als der Umfreis der Sägen.
Erftere fönnen z. B. ı50 Umdrehungen in der Minute machen,
legtere 100. Die Zähne der Sägen, welche, zwifchen den Stan:
gen o durch, in den Kaften mehr oder weniger hineintagen (zu
welchem Behufe der Roſt gegen die Sägen nad) Erforderniß ge=
ftelle werben kann), fallen die Baumwolle und ziehen fie heraus,
indeß die Samen, welche zu groß find um nachzufolgen, durch
die Offnung zwifchen der Leifte r und den Stangen o herabfallen.
Die an den Zähnen von m hängen bleibende Baumwolle wird
duch die Bürſten u von denfelben abgeftreift. Die Breter v, v,
an der Bürftentrommel bilden zugleich einen Wentilator, durch
welchen die Baumwolle zum Theil von Staub gereinigt wird. Der
Kaften, in welchem fich die Baumwolle befindet, ift während der
Arbeit durch einen Dedel verfchloffen. Die Anwendung diefer
Mafchine ift befonders bei ſolchen Baumwollenforten zwedmäßig,
welche nicht ſehr lang find, und nicht zu feft an den Samenkoͤr⸗
Packpreſſen. 477
nern hängen; denn je mehr das eine und bad andere der Fall ift,
defto mehr wird die Baumwolle durch die Sägen furzgeriflen, folg«
lid, ihr Werth vermindert. Zwei Perfonen fönnen, mit ı Mas
fchine von ao Sägen, in zehn Stunden go bis 100 Pfund gereis
nigte Baumwolle liefern; wobei fie in der Arbeit fo mit einander
abwechfeln, daß eine die Maſchine in Bewegung fegt, während
die andere neue Baumwolle in den Kaften wirft, und die fchon
gereinigte in Säde füllt.
Um die Baumwolle zur Verfendung einzupaden, muß fie
ſtark zufammengepreßt werden, fowohl damit fie weniger Raum
einnimmt, als auch damit fie mehr vor Befhädigung durch zufäl«
liges Eindringen der Näffe gefchüst bleibt. Man hängt zu diefem
Behufe gewöhnlich die Säde frei an ftehenden Pfoften auf; legt
die Baumwolle fhichtenweife hinein, und läßt jede Lage vom Ars
beiter, der hineinfteigt, fefltreten. Die Säde werden von außen
naßgemacht, damit fie weich werden, ihre Elaftizität verlieren,
und die Baumwolle nicht wieder in die Höhe fteigen fan. Wenn
fie vol find, fo naht man fie zu. Man bedient ſich wohl auch
einer Kebelprefle, um die Baumwolle in den Ballen zufammen-
zu drüden. Allein, da in diefem wie in jenem Falle noch nicht
der Grad von Dichtigfeit erreicht wird, welcher. wünfchenswerth
ift; fo laflen die Kauffahrer, welche fie zum Transporte überneh⸗
men, diefelben gewöhnlich noch mehr zufammen preffen. Hierzu
macht man in den nordamerifanifchen Seehandelsftädten von eiges
nen Schraubenprefjen Gebrauch, deren Einrichtung verfchieden ilt.
In der einfachiten Geftalt gleichen diefe Preifen einer in großem
Maßſtabe ausgeführten Buchbinderpreffe, von welcher der untere,
unbewegliche Balken, an dem die zwei Schrauben befeftigt find,
in den-Boden verfenft ift. Der bewegliche, obere Balken iſt 9
Fuß lang, ı8 oder 20 Zoll breit, und ı2 Zoll did. Die Schraus
ben find von gefchmiedetem Eifen, haben 8 Buß Länge und 3: bis
4 Zoll Durchmeſſer. Ihre Muttern find von Mefling, und mit
dem beweglichen Preßbalfen fo verbunden, daß fie, mittelft darauf
geſteckter langer Hebel umgedreht, denfelben nicht nur niederdrüs
den, fondern ihn, wenn verkehrt gedreht wird, auch wieder em⸗
porheben. Acht ſtarke Arbeiter fönnen mit einer ſolchen Preffe
nur 25 Ballen des Tages preffen. Man hat, um die Arbeit zu
®
418 Baumwolle.
befchleunigen, mancherlei Veränderungen mit dieſen Mafchinen
vorgenommen, z. B. die Schraubenmuttern durch Näderwerf in
Bewegung gefebt, oder auf diefelbe Weife die Schraubenfpindeln
umgedreht, und die Muttern unbeweglich mit dem Preßbalfen
verbunden. Am vorzüglichiten aber ift die folgende, von Vals
court angegebene Bauart, wovon auf Taf, 11, Fig. 5 der Aufs
riß der vordern Seite, Fig. 6 das Profil ift.
Drei ſtarke Balken, a, b, c, welche durch zolldide, in das
Holz eingelaffene Eifenfchienen d verftärft find, bilden diefe Preſſe,
und werden Durch die Umdrehung zweier eiferner Schraubenfpin«
dein, e, e, gleichzeitig in Bewegung gefeßt. Damit man die
hierzu angebrachte Einrichtung deutlich fehen fönne, ift das linfe
Ende von Fig. 5 im Durchfchnitte gezeichnet. Der mittlere Theil.
einer jeden Schraubenfpindel hat ein linkes Gewinde, während
das obere und untere Drittel gewöhnliche rechte Schraubengewinde
find. Daß der Durchmeffer des mittlern Theiled wenigftend um
die Tiefe der Schraubengänge größer feyn muß, als jener der
äußern Theile, ift offenbar; weil die Mutter eben diefes didern
Mittelftüdes über einen von den dünneren Iheilen aufgeſteckt were
den muß. Das untere Ende der Spindel geht durch einen meilin-
genen Ring g, und fteht auf einer eifernen, verflählten Platte h;
das obere läuft ebenfalld in einem gehörig durchbohrten Meſſing⸗
ftüde i. Diefe Anordnung erlaubt den Spindeln ſich zu drehen,
geftattet ihnen aber feine Bewegung in der Richtung ihrer Achſe;
die geradlinige Bewegung wird alfo den Schraubenmuttern £, und
durch diefe den Balken a, b, c, in weldyen diefelben befeftigt find,
mitgetheilt. Werden die beiden Spindeln rechts herum gedreht,
fo gehen die Balfen b und c, welche jtetd unverändert in Dem
naͤhmlichen Abftande von einander bleiben, aufwärts, a hingegen
bewegt fidy abwärts; folglidy wird der Kaum zwifchen a und ©
größer, indeß fich jener zwifchen a und b verfleinert. Man hat
mithin Zeit, den gepreßten und gehörig zufammengefchnürten
Ballen aus dem erften oder obern Raume wegzunehmen, und einen
neuen dafür einzulegen, während der Ballen k, welcher fi in
dem untern Raume befindet, zufammengedrüdt, und hierauf von
den Arbeitern, mittelft der fchon vorher eingelegten Strike, ger
bunden wird. Der entgegengefehte Erfolg findet Statt, wenn
Packpreſſen. 419
man den Schraubenfpindeln eine Drehung nach der Iinfen Seite
“ gibt: der Raum zwifchen a und c verengert fih nun, weil dee
Balken a binaufgeht, b und e aber fid, abwärts bewegen; der im
untern Raume eingepreßte Ballen Fann demnach herausgefchafft,
und durch einen noch ungepreßten erfeßt werden.
Die Schrauben e, e, erhalten ihre Bewegung durch zwei an
ihnen befeftigte Zahnräder m, m, welche gemeinfchaftlich von
einem mitten zwifchen ihnen befindlichen dritten Rade Jl umgedreht
werden. Das letztere erhält abwechfelnd eine Drehung links und
rechts, wodurch denn natürlich jene befchriebene abwechfelnde
Bewegung der Preßbalfen hervorgebracht wird. Auf den mit
Bretern belegten Brüden v, v, Big. 6, werden die Ballen unter
die Prefle Hinein, und aus. derfelben wieder heraus gefchafft.
Man fieht, daß diefe Arbeit noch erleichtert wird durch die abwech⸗
felnde geneigte Lage, welche die mit den Balfen a und b —
und ſinkenden Bruͤcken annehmen.
Der Vortheil des unausgeſetzten Preſſens iſt — ————
er iſt aber nicht der einzige, welchen dieſe ſinnreich ausgedachte
Mafchine gewährt. Weil der Widerfland der Baumwolle mit dem
Grade der Zufammendrüdung wächft, fo wird gegen dad Ende
des Preſſens bedeutend mehr Kraft zur Umdrehung der Spindeln
erfordert, ald im Anfange. Um demungeadjtet die bewegende
Keaft ſtets möglichft gleichförmig in Anſpruch zu nehmen, hat der
Erfinder ſich eines fehr zwedmäßigen Mitteld bedient, nähmlich
der Schnede, welche befanntlid im Kleinen in den Uhren ges
braucht wird, um den in verfchiedenen Zeitpunkten ungleich ftarfen
Zug der beivegenden Feder auszugleichen (fe. Schnede). Die
Welle p des Rades 1 trägt alfo zwei abgeftuste hölzerne Kegel,
n und o, deren jeder mit einer fchraubenförmigen Rinne verfehen
ift, und eine foͤrmliche Schnede bildet. Das Gewinde der Schnecke
n ift ein rechtes, jenes von o ein lines. Auf jede Schnede win»
det fich ein Seil auf, welches am dicken Ende derfelben befeftigt
ift; aber das Seil w geht von der bintern Seite auf die Schnede
o, indeß das Geil x, wegen der umgekehrten Richtung des Ges
windes von n, vorn auf diefe Schnede läuft. Beide Seile fom-
men in paralleler Richtung von zwei Trommeln oder hölzernen
Zylindern, q, r, welche lofe auf der mittelft des Göpeld u von
%
480 Baumwolle.
Pferden umgebrehten Welle t ftedien. Auf diefer Welle koͤnnen
ſich die Zeommeln -frei drehen, wenn fie nicht durch Einftedien
eined Bolzens s daran befeftigt werden, was immer abwechfelnd
mit einer von beiden gefchieht. Die feflgemachte Trommel muß
dann der Bewegung ber Welle folgen, während die andere von
derfelben unabhängig ift, und ruhig bleiben, ja auch nach entge=
gengeſetzter Richtung fich drehen Ffann. Die Anordnung ift fo ge⸗
troffen, daß immer ein Seil von feiner Schnede auf feine Trom⸗
mel, das andere von der Trommel auf die Schnecke überzugehen
im Begriffe ift. Übrigens ift die Richtung der Seile auf beiden
Trommeln die nähmlihe. Wenn, wie in der Zeichnung (Big. 5),
die Schnee o mit dem Seile gefüllt, n aber leer, ferner die
Trommel q auf der Welle t befeftigt, und r losgemacht ift; fo
muß bei der Umdrehung von t das Seilw von o fich abwideln
und auf q übergeben, während umgekehrt die Schnecke n des Sei⸗
le8 x fich bemächtigt,, und daffelbe durch Umdrehung der Trom⸗
mel r nach entgegengefehter Richtung, von diefer abrollt. Die
Schraubenfpindeln e, e, werden demnach links umgedreht, die
Preßbalfen b und c gehen hinab, der mittlere, a, bewegt fich
hinauf. Fährt, wenn die gegenfeitige Näherung von a und c
ihre Grenze erreicht hat, die bewegende Kraft fort, die Welle t
nach der nähmlichen Richtung umjudrehen, und befeitigt man
nun die Trommel r, macht aber q los; fo Fehrt fich die Bewe⸗
gung der Schneden, des an ihrer Achfe befindlichen Rades 1, und
folglich der Schrauben e, e, um. Die Schnede n, welche vow
bin das Seil x von der Trommel r aufgenommen hat, wird nahm«
lich jegt davon leer; und dagegen wicdelt fi) das Seil von q auf
o über: die ganze Mafchine kommt dadurch wieder in den Zuftand,
weldyen die Zeichnung angibt. Die Wirfung der Schneden bei
dDiefer Bewegung ift offenbar. Indem das beivegende Seil jedes
Mahl vom dünnern Theile feiner Schnede fid) abzuwickeln anfängt,
zieht ed an einem Fleinen Hebelarme; und, die gleidhförmige
GSefchwindigfeit der Bewegung von t voraudgefept, bewirkt es die
Bewegung der Prefbalfen mit größerer Geſchwindigkeit, aber
geringerer Kraft, weil eine Umdrehung der Trommel ungefähr
zwei Umdrehungen der Schnede hervorbringt. Wie aber. beim
Zortgange der Bewegung der Abwiclungs » Punkt des Seile ſich
Sorten der Baumwolle, 481
dem dickern Theile der Schnee nähert, nimmt allmählich die
Sefhwindigfeit der letztern, und folglidy der Preßbalfen, ab;
allein das Preilen gefchieht nun mit immerfort fleigender Kraft,
weil der Halbmefler des Kreifes, an welchem das Seil die Schnede
berührt, im Wachſen if. Man bat alfo bei diefer Mafchine den
doppelten Vortheil, daß mit einer unveränderten Nichtung der
bewegenden Kraft abwechf ind zwei einander entgegengefebte Be⸗
wegungen hervorgebracht werden; und daß jene Kraft, ungeach⸗
tet der Zunahme des Widerftandes, ſtets ziemlich gleichmäßig an-
geftrengt wird. Eine folche Preſſe faun, von zwei Pferden in Bes
wegung gefegt, in zehn Arbeitöftunden Hundert Ballen preifen.
In den nordamerifanifchen Staaten bedient man fich auch
der hydrauliſchen Preffe zum Verpaden der Baumwolle. Man
bat zu dieſem Ende einen Kaſten von der Länge und Breite des
zu bildenden Ballend, und von einer wenigftens vier Mahl fo
großen Söhe. Diefer Kaſten ift aus mehreren über einander ge:
festen Rahmen gebildet, deren vier Wände Durch flarfe eiferne Ha⸗
fen an den Eden vereinigt werden. Als Böden dienen dem Ka
ften die Platten der Bramah ſchen Preife felbft, welche dergeftalt
eingefchnitten find, Daß man im Stande ift, die zum Zufammen-
binden’ beflimmten Schnüre voraus einzulegen. Die obere Platte
paßt genau in den innern Raum des Kaftend, in welchen fie nach
Maßgabe der fortichreitenden Zufammendrüdung der Baumwolle
eintritt. Die auf einander liegenden Rahmen, aus welchen, wie
gefagt, der Kaften gebildet ift, werden hierbei, einer nach dem
andern, zerlegt und weggenommen, bis auf den legten, in deſſen
Raum allein endlich die ganze Baumwollmaffe zufammengepreßt
ift, und der noch fo lange bleibt ‚ bi8 man das Zufammenbinden
verrichtet hat. Die leinwandene Umbüllung wird hernach ange:
legt. Auf diefe Weife werden Ballen vun 450 bis 500 Pfund
im Gewichte bergeftellt, welche nicht mehr als ı2 oder 13 Kubik⸗
fuß Raum einnehmen.
Die Baumwolle aus verfchiedenen Ländern ift in ihren Eigen-
fchaften fehr ungleich, da fie nicht nur, wie oben erwähnt, von
mehr ald einer Art der Pflanze geerntet wird, fondern auch’ hier,
wie überall, Klima; Boden und Kultivirungs: Methode ihren Ein-
fluß äußern. Don Farbe ift fie entweder rein weiß, oder gelblich,
Technol· Encyclop. I. Vd. 31
482 Baumwolle.
oder vöthlich, oder braun; ihre Faſern find mehr oder weniger
lang, mehr oder weniger fein, mehr oder weniger weich anzufüh⸗
len. Die Faſern der Fürzeften Saummollenforten find kaum
einen Zoll, jene der längiten nur bid gegen zwei Zoll lang. Ob⸗
wohl alfo die Baumwolle, mit der Schafwolle verglichen, von
diefer an Laͤnge fehr übertroffen wird, fo hat fie doch eine größere
Feinheit vor derfelben voraus. Die Faſern der Baumwolle find
gewöhnlich zwifchen 0.0005 und 0.0006 Zoll did, was umgefähr
zwei Drittel von dem Durchmeffer der feinften Schafwollfäden
beträgt. . Übrigens find felbft in einer Handvoll der nähmlichen
Baummwollforte Faſern von fehr ungleicher Länge und etwas vers
ſchiedener Die enthalten; und hinfichtlich der Dice ift eine ganz
genaue Beftimmung fehon darum nicht möglicdy, weil unter dem
Mifroffope ded Dollond ſchen Wollmeflerd (mit welchem jene Re⸗
fultate erhalten wurden) der Baumwollfaden fchraubenförmig zu⸗
fammengedreht, daher von ſehr ungleichem Durchmeifer, erfcheint.
Sm Allgemeinen wird von einer guten Baumwolle gefordert,
daß fie fein, lang, weich, ohne Unreinigfeiten und, Knoten fey.
An je höherem Grade fie diefe Eigenfchaften befigt, defto feiner
und mit defto geringerem Abgange läßt fie ſich zu Gefpinnften ver-
arbeiten, und defto größer ift daher ihr Werth. Man benennt
im Handel die Sattungen der Baumwolle nach dem Vaterlande,
und unterfcheidet gewöhnlich von jeder Gattung drei Sorten, die
man Prima, Saufmannsgut und ordinäre Sorte nennt;
manchmahl noch ein vierte, naͤhmlich Mittelgut, welche dann
zwifchen die gute Kaufmanndforte und die gemeine Sorte gefept
wird. Die Prima, als die Tängite und reinfte, wird vorzugs⸗
weife zu Kettengarn verfponnen ; die übrigen dienen zu Einfchuß,
die ordindre Sorte nur zu groben Gefpinnften. Um die Güte einer
Baumwolle zu beurteilen, oder zu erfennen, in welchem Grade
fie die oben erwähnten Eigenfchaften befigt, nimmt man eine
Handvoll derfelben,, preßt fie zwifchen beiden Händen zuſammen,
indem man zwiſchen den Daumen etwas davon heraus dringen
laͤßt, und fie dann nach entgegengefeßten Richtungen aus einan⸗
der zieht. Durch diefes Auseinanderziehen wird die Länge der
Faſern fichtbar, während Durch das Anfehen zugleich die Seinheit,
und durch dad Gefühl die Weichheit derfelben fich erfennen läßt.
Sorten der Baumwolle. 483
Durch zweckmaͤßige Mifchung verfchiedener Baumwollenforten
ann oft ein, befonders in öfonomifcher Hinficht, fehr vortheil⸗
haftes Refultat erhalten werden ; denn eine lange Baumwolle vers
trägt 3. ©. fehr gut die Beimifchung einer gewillen Menge von
kurzer Sorte, ohne merfliche Verfchlechterung des Gefpinnftee. Die.
Erfahrung allein fann hier zur fihernRichtfchnur genommen werden.
. Die fänmtlichen, in den europäifchen Sabrifen verarbeiteten
Baummwollenforten Taffen fich nad) ihrem Vaterlande unter folgende
Hauptklaſſen bringen: ı) Nordamerifanifche; 2) mittelamerifanis
ſche; 3) füdamerifanifche; 4) oftindifche; 5) Tevantifche; 6) afrie
Panifche; 7) italienifche; 8) fpanifche. Es wird hinreichen, hier
die Haupfgattungen einer jeden Klaffe, nebft ihren farafteriftifchen
Eigenfchaften, anzugeben; wobei jedoch zu bemerfen ift, daß hin« -
fichtlid der Tegteren die Beftimmungen nur fehr allgemein ſeyn
koͤnnen, und in einzelnen Faͤllen mehr oder minder beträchtlichen
Ausnahmen unterliegen.
1) Unter den Sorten der nordamerifanifchen Baum
wolle find die Georgia, Louifiana, Neu⸗Orleans, Karolina und
Zeneffee zu bemerfen. Bon der Georgia unterfcheidet man eine
Tange,und eine kurze Sorte. Erftere iſt das Erzeugniß der
Küftengegenden von Georgien, und der dabei liegenden Fleinen
Inſeln; ſie gilt für die befte aller Baumwollenforten, welche ein
fehr langes, weiches, feines Haar. befigt, und fich zu den feinften Ge= |
fpinnjten verarbeiten läßt. Ihre Farbe ift etwas gelblich. Die Baum:
wolle von den Inſeln bei Georgia fommt unter dem Nahmen
Sea⸗Island vor. Die kurze Georgia, welche in dem Innern
der Provinz gebaut wird, ift von ungleich geringerem Werthe,
furshaarig, weiß, und ohne Zähigfeit, in der Kegel ziemlich un«
rein. Sie fann, allein verfponnen, höchitend Garne von der
Feinheits Nummer 40, meift fogar nur Nr. ı2 bis 20, liefern;
dagegen ift fie zur Vermifchung mit gleich viel Mako (egyptifcher
Baumwolle) fehr geeignet, und gibt dann auch höhere Nummern.
Die blaulich weiße Louiſiana ilt von beilerer Befchaffenbeit,
fieht aber doch der langen Georgia, den brafiliihen und vielen
weftindifchen Sorten nach. Es laſſen fich daraus Garne bis zu
Nr. 50 hinauf erzeugen. Sie enthält oft viele feſt anhängende
Samenförner. Auch die Karolina wird der furzen Georgia
3ı *
NY Baummolle.
vorgezogen ; weniger ift dieſes der Ball mit Teneffee und Neu⸗
Drleans, welche im Allgemeinen ein fchwaches, Feine fefte
Drehung ertragendes Haar haben. Doch kommen von ber letztern
Sorte zuweilen Partien vor, welche ſich fein (bid gegen Nr. 100)
fpinnen Iaffen.
9) Die mittelamerifanifhen oder weftindifhen
Banmwollenforten zeichnen-fid) durchgängig durch ihre bedeutende
Länge aus, und gehören überhaupt zu den vorzüglichiien, indem
fie nur der fangen Georgia, der Bourbon, der beiten fpanifchen,
und den füdamerifanifchen an Güte nachſtehen. Für die befte
wird jene von der Inſel Portorico gehalten; dann folgen die
übrigen ungefähr in’ nachftehender Ordnung: Curagao, Gt.
Domingo, Martinique, Buadeloupe, Barbados,
Jamaika, St. Chriftophb, St. Lucie, St. Thomas,
Grenada, St. Binzent, Dominique, Tortola,
Montferat, Bahbama, Kuba, St. Jago, Antiaua.
Die legte ift faft von gleiher Güte mit den beften Tevantifchen
Sorten. Die Guadeloupe ift meift röthlich, langhaarig, und läßt
ſich leicht fpinnen. Man erzeugt daraus, fo wie aus den befferen
Sorten der gewöhnlich weißeren St. Domingo, Garne bis zu der
Geinheit-Nummer 100.
3) Sudamerifa liefert vortreffliche Baumwolle, und die
befte darunter ift die brafilifhe, nahmentlih die Maragnan
(Maranhao), Bahia und Bernambuf, aus welchen ſich
Garne von der größten Seinheit, z. B. bis Nr. 250, fpinnen laſ⸗
fen. Überhaupt nehmen diefe drei Sorten (von welchen nur die
Maragnan oft fehr unrein ift) den Rang unmittelbar nach der
langen Georgia und der Bourbon ein; minder vorzüglich find die
Minad-Geraed, die Para und Siara (Ceara), welche nur
Garne von höchftend Nr. 60 zu liefern vermögen. Cine fchlechte,
fehr unreine und braune Sorte der brafilifchen Baumwolle ift Die
Rio Janeiro, welche etwa nur den geringften Gattungen der
weſtindiſchen Baumwolle gleich geachtet werden fann. Von den
übrigen füdamerifanifhen Baumwollenforten wird die Cayenne
am meiften gefehägt, da fie fehe lang, weiß und glänzend ift, und
tiberhaupt der guten brafilifchen Baumwolle nahe flieht. Ihr fols
gen die Surinam, von langem, gelbem Haar, welche fich oft
Sorten der Baumwolle. 485
bis Nr. 200 fpinnen laͤßt; die fürzeren Sorten Demerary,
Effequebo und Berbice (von welchen oft Partien vorfommen,
die braun, grob und unrein find); die Lima; die Caracas und
Cumana, beide mit Samenförnern fehr verunreinigt, gelb, und
nur mit bedeutendem Abfalle verfpinnbar; endlich die Kartha-
gena, noch unreiner und gröber als die vorigen, aber länger und
feſter als dieſe.
4) Die oſtind iſche Baumwolle fteht im Allgemeinen der
amerifanifchen, und felbit der beffern Tevantifchen nach, und wird
in Europa viel weniger als dieſe beiden verarbeitet. Man fennt
davon hauptfächlih die Surate, welche unrein, gelblich, übris
gend zwar fein, aber aͤußerſt kurz ifl; die Madras, Siam und
Bengal, wovon die legtere weiß, feidenartig ift, und noch
Garne bis zur Feinheits Nummer 50 gibt. Eine gute Sorte oft
indifcher Baumwolle ift auch die Nanking, welche ſowohl weiß
als gelb (oder vielmehr gelbbraun) vorfommt ; aus der gelben (von
der Pflanze, welche im botanifchen Syſteme Gossypium religio-
sum heißt) wird in Oftindien und China der unter dem Nahmen
Nanking fo befannte Zeug verfertigt.
5) Unter der Benennung Tevantifche Baumwolle begreift
man, im weiteren Sinne des Wortes, alle jene, welche in der
europäifchen und aſiatiſchen Türfei erzeugt wird. Dazu gehört
die mazedonifche, die ſmyrniſche und die eigentliche Te:
vantifche, welche fich fammtlich durch einen hohen Grad von
Weiße, aber auch durch geringere Länge, und überhaupt dadurch
unterfcheiden, daß fie nicht über Nr. bo hinauf verfponnen werden
Sönnen. Die beften Sorten der mazedonifchen Baumwolle find die
Ufhur oder Zehentwolle, und die Salonichi; eine ganz
fchlechte, welche faum Garne von Nr. ao liefert, heißt Lira.
Smornifche Baumwolle nennt man alle in der aflatifchen Türfei
erzeugten, und über Smyrna verfandten Baumwollenforten, Diefe
kommen der beffern mazedonifchen und oftindifchen Baumwolle an
Süte nicht gleich, und geben meift nur Gefpinnfte bid zu Nr. 40
aufwärts, die man als Einfchußgern verwebt. Die befannteften
Sorten find die Arar, Kaffabar und Kirfagadfh. Was
endlich) die levantifche Baumwolle (in der eingefchränftern Bedeu⸗
tung) betrifft; fo verfieht man darunter die Baumwolle von meh:
486 Baumwolle.
seren Infeln Griechenlands und der ajlatifchen Türfei, mit Inbe⸗
griff einiger Küftengegenden Kleinafiens und Syriens. Die beften
Gattungen der levantifchen Baumwolle erreichen nur die gering⸗
ften weftindifchen an Gute, und find gewöhnlich ziemlich -unrein.
Die am meiften gefchästen Sorten find die Subufhaf und Ki-
nik; weniger gut ift die zyprifche und jene von dere, am
fchlechteften die Bendir und Altah.
6) Afrika liefert auf der Infel Bourbon bei Madagas-
Far eine ber vorzüglichften Baummollengattungen, welche der Ian»
gen Georgia an Büte fait: gleich gefchäst wird, aber bei der Ver:
arbeitung bedeutenden Abgang:leidet. Sie ift ungemein gleich“ .
förmig, rein, feih und feidenartig, gewöhnlich an Weiße der
levantifchen Baumwolle glei, und fann zu fehr feinen Garnen
verfponnen werden. Die egyptiſche oder alerandrinifche
Baumwolle, welche unter dem Nahmen Mafo (Maho) im Hans
del erfcheint, hat ein feines, leicht bindendes Haar, verträgt
leicht die Mifhung mit anderen Baummollengattungen., ift aber
meift fehr unrein und mit unreifen Theilen vermifcht. Sie ift in
den öfterreichifchen Sabrifen feit einiger Zeit an bie Stelle der ma⸗
zedonifchen Baumwolle getreten, welche fonft hier am bäufigften
verarbeitet wurde. Die Senegal:Baummwolle ift beiläufig
von gleicher Güte mit der geringen weftindifchen oder der guten
levantifhen; die Samen derfelben hängen nicht feft an der Bea,
und laſſen ſich daher leicht abfondern.
7) Bon italienifcher Baumwolle kommt die von der In⸗
fel Malta, die fizilifche und die aus dem Neapolitanifchen,
vor. Die befte bierunter ift die fizilifche, und die aus der Nähe
von Meapel (von Eaftellamare und Della Zorre), welche
beide der NRangordnung nach etwa neben der Louiſiana oder den
mittleren Sattungen der weftindifchen Baumwolle zu ftehen kom⸗
men. ‚Die Baumwolle von Malta reiht ſich an die geringere weft
indifche an. Die Biancapilla, eine Sorte der neapolitani«
fhen Baumwolle, taugt gut zur Mifhung mit Mafo und gibt dann
(3 Theile gegen 3 Theile Mafo) einen brauchbaren Baden von '
Nr. 30 bis 50. Mit furzer Georgia gemiſcht läßt fie ſich zu Nr. 30
bis 40 verfpinnen.
8) Die beſte Sorte der fpanifhen Baumwolle ift die
Baumwollfpinnerei, ' 487
Motril (aus den Königreiche Granada), welche ihren Platz
neben der beiten brafilifchen einnimmt, und wegen der Seinheit .
ihres Haares zu Hohen Nummern gefponnen werden fann.
Die Verfuche, welche gemadht worden find, den Baumwol:
lenbau in andern europäifchen Ländern, wie in Frankreich und in
Ungarn, einzuführen, können bier füglid) übergangen werden,
da fie fein befriedigendes Nefultat gegeben haben. Das Nähm:
liche gilt von den erfolglofen Beftrebungen, die Samenwolle andes
rer Pflanzen, 5.8. der fprifchen Seidenpflange (Asclepias syriaca),
ber Pappeln und Beiden, ded Wollgrafes (Eriophorum) ꝛc. als
Baumwoll:Surrogate in Anwendung zu bringen; und von
ber öfter in Vorfchlag gebrachten Zubereitung des Hanfed und
Flachſes zu einer baumwollartigen Subſtanz.
8.8,
Baummwollfpinnerei.
Bon allen fpinnbaren Materialien ift die Baumwolle basjes
nige, welches mit der größten Leichtigkeit ſich in einen feinen und
gleihförmigen Faden verwandeln läßt. Sie verdanft diefe Eigen
{haft der ſchwach gefräufelten Form ihrer Faſern, vermöge welcher
diefelben beim bloßen Nebeneinanderliegen in einem gewiflen Grade
zufammen haften, und der im Allgemeinen fehr angemeffenen Länge
diefer Safern, welche weder fo groß ift, um das Ausziehen zu
einem Faden zu erfchweren, noch fo gering, um dem Zu die-
«. Haltbarkeit während feiner Bildung zu rauben.
Wenn man etwas rohe Baumwolle in die linfe Hand —
dieſelbe mit den Fingern der rechten Hand anfaßt und langſam
auszieht, ſo bemerkt man, mit welcher auffallenden Leichtigkeit
die Faſern neben einander vorbei gleiten, mit Beibehaltung ihres
Zuſammenhanges ſich ausſtrecken, parallel legen, und eine Art
von Band bilden, welches, ohne abzureißen, ſich bis zu einem
ziemlichen Grade verlaͤngern laͤßt. Dieſer Verſuch gelingt noch
weit beſſer, wenn man gekrempelte Baumwolle anwendet, bei
welcher die Faſern ſich ſchon in einer abſichtlich hervorgebrachten
ziemlich parallelen Lage befinden; und wenn man, ſobald der
ausgezogene Faden eine gewiſſe Laͤnge erreicht hat, demſelben mit
den Fingern einen Grad von Drehung gibt, welcher hinreicht, die
+88 Baumwollſpinnerei.
Faſern einander zu nähern, ihren Zufammenhadg zu verſlaͤrken,
ohne dem Vorbeigleiten derfelben ein Hinderniß zu fegen.
Diefer einfache Verſuch zeigt, wenn er gehörig gewürbiget -
wird, den Weg an, welhen man beim Spinnen der Baumwolle
Durch Mafchinen einfhlagen muß. Es fommt (nachdem alle frem⸗
den Subftanzgen und Unreinigfeiten aus der Baumwolle abgefon»
dert find) darauf an, die Faſern fo viel möglich alle unter einander -
parallel zu legen; dann aus denfelben durch Ziehen ein Band zu
bilden; diefes durch fortgeſetztes Ziehen immer mehr zu verfeinern,
und dabei die Parallel-Legung der Faſern zu vollenden; hierauf,
wenn die Beinheit einen gewillen Grad erreicht hat, dem Zuſam⸗
menhange der Faſern durch eine- fchwache Drehung zu Huülfe zu
fommen; die Drehung allmählich im Verhältniffe gegen die Deb-
nung wachfen zu Taifen; und endlich noch dem fo entftandenen fer-
tigen Baden, der nicht weiter verlängert wird, den Reſt der Dres
hung zu geben, deflen er, um die nöthige Seftigfeit zu erlangen,
bedarf. |
Die Mafchinenfpinnerei befteht in der zweckmaͤßigen Ausfüh-
tung diefer Dperationen durch mehrere auf.einander folgende
Vorrichtungen, und in der Anwendung berfelben auf eine große
Menge von Biden zugleih. &o leicht und natürlich indeflen der
oben vorgezeichnete Gang fir diefe Sabrifation ift, fo viele Schwies
rigfeiten find in der Merftellung der mechanifchen Mittel zu dem⸗
felben zu überwinden ; und daher ijt und bleibt die Mafchinenfpins
nerei ein ungerflörbared Denfmahl des fcharffinnigfien Erfin⸗
dungsgeiſtes.
Die heutige Baumwollſpinnerei durch Maſchinen (welche das
Spinnen auf dem Rade in dem kultivirten Europa nun ſchon lange
gänzlich verdraͤngt hat), beſteht aus folgenden Operationen:
I, Die Reinigung und Auflockerung der rohen Baum⸗
wolle, wodurch alle fremden Körper und Unreinigkeiten entfernt,
die Bafern aber von einander gelöfet, und zur nächfifolgenden
Arbeit vorbereitet werden.
II, Das Kragen oder Krempeln, welches den Zwed
hat, den Safern der aufgeloderten Baumwolle eine parallele Lage
zu geben, und fie zulegt in ein grobes Band zu verwandeln.
III. Das Dupliren und Streden, woburd in ben von
Allgemeine Ueberſicht. 489
der Kragmafchine gelieferten Baͤndern die parallele Lage ber Faſern
noch vollftäudiger hergeſtellt wird.
IV. Das erfte Spinnen, eime Operation, welche ihrer
Natur nach diefen Nahmen verdient, obfchon fie ihn in der Kunſt⸗
fprache nicht führt. Sie bewirkt eine Verlängerung nud Verfei⸗
nerung der Bänder, gibt denfelben aber zugleich fchon einen ges
willen Grab von Drehung, und verwandelt fie in eine Art fehr
grober und fehr lockerer Fäden.
V. Dad zweite Spinnen, oder, wie es gewöhnlich ge-
nannt wird, dad Vorfpinnen. "Hierbei wird die Streckung
der Fäden fortgefeßt, die Drehung berfelben verſtaͤrkt, und fo ein
feinerer, fchon etwaß fefterer Faden, das fo genannte Borges
fpinnft, gebildet.
VI. Das dritte Spinnen oder Seinfpinnen, weldes
die Vorgeſpinnſt⸗ Faͤden bis zu der von dem fertigen Garne vers
Iangten Feinheit ausdehnt, und ihre Drehung vollendet.
Diefen Arbeiten, womit die eigentliche Fabrikation beendigt
iſt, folgen noch, ald Operationen, welche bloß die Zurichtung für
den Handel zum Zwede haben,
VI Das Hafpeln oder Weifen, d.i. PIC DeEWARpIRnG
bed Garnes in Strehne;
VIII. Das Sortiren der Garne nad) ihrer Feinheit;
IX. Die Verpackung.
Erſte Operation.
Die Reinigung und Auflockerung der Baumwolle.
Wenn die Baumwolle in dem Zuſtande, wie ſie in den Sa⸗
menfapfeln der Pflanze enthalten iſt, den Spinnereien überliefert
würde, fo wäre fie loder genug, um ſogleich der nächften Operas
tion, nähmlidy dem Kragen, unterzogen zu werden. Allein da
fie, wie in dem Artifel Baumwolle angeführt ift, an den Er⸗
zeugungsorten Behufs der Verfendung ftarf zufammengedrüdt
wird, und eine beträchtliche Zeit in diefem Zuftande bleibt; fo
haben ihre Bafern, wenn fie zur Verarbeitung fommt, einen fol-
hen Zuſammenhang erlangt L daß die dichten Knollen, welche fie
bilden, nicht ohne große Bı’hädigung, alfo nur mit fehr bedeu⸗
tendem Abfall und zum Nachtheil ihrer Güte, fogleich gefragt
[4
49D Baumteollfpinnerei.
werden fönnten. Das Kragen beiteht nähmlich in dem Auseinan-
derziehen der Bafern durch die Bewegung gewiller, mit fpibigen
Drahthäfchen dicht beſetzter Flaͤchen; und ed wäre nicht möglich,
durch diefe Operation den Zweck, naͤhmlich die parallele Lage der
Faſern, zu erreichen, ohne einen beträchtlichen Theil der legtern,
welcher zu feit in die Maſſe verfchlungen, oder gleihfam verfilze
ift, abzureißen.
Man muß demnach eine Aufloderung ‚der Baumwolle vor=
ausgehen laffen, bei weldyer zugleich die darin enthaltenen Un⸗
seinigfeiten, ald Nefte der Samenförner, Sand, Staub und an⸗
derer Schmuß, ꝛc. befeitigt werden. Diefe Aufloderung gefchieht
in verfchiedenen Spinnereien, bei verfchiedenen Baummollforten,
und für verfchiedene Feinheitsgrade des zu erzeugenden Garnes
nicht mit den nähmlichen Mitteln. Man verrichtet diefelbe nahm:
lic) theils duch Schlagen mit Stäbchen aus freier Hand,
theild auf Schlagmafchinen, theild in dem fo genannten
Wolf, theild endlih, und gegenwärtig am allgemeinften, mit-
telft fo genannter Flackmaſchinen. Zuweilen werden zwei dies
fer Mittel nach einander angewendet, 3.8. der Wolf, dann die
Sladmafhine. Im Driente wird die Baumwolle, fo wie bei uns
das Haar, “welches die Hutmacher verarbeiten (f. Hutfabrika⸗
. tion) mit dem Fachbogen gefacht.
I) Das Schlagen oder Klopfen aus freier Hand
gefchieht auf Tifchen, welche ftatt des Blattes einen vieredigen,
mit parallelen und eng neben einander befindlichen Schnüren bes
fpannten Rahmen haben. “Auf diefe Schnüre wird die Baumwolle,
fo wie fie roh aus den Ballen kommt, auögebreitet, und mit
hölzernen Stäbchen, von welchen der Arbeiter in jeder Hand eines
führt, gefchlagen oder geflopft. Die Erfchütterung, welche hier:
durch ,-vermöge der Schnellfraft der ftarf gefpannten Schnüre, in
der zufammengeballten Baumwolle entſteht, bewirkt nicht nur,
daß die fhwereren und gröberen Unreinigfeiten fammt dem Staube
abgefondert werden, fondern auch, daß die Faſern ihrer natürli-
chen Elaftizität folgen, fi) ausdehnen, und fo die Baumwolle
auffchwillt und Ioder wird. Grobe Unreinigfeiten, die nicht von
feloft berauöfallen (3. B. Kuollen Yon unreifer oder überreifer
Baumwolle), werden mit der Hand ausgelefen. Diefe Behand
1
Schlagen der Baumwolle. 4091
lungsart, welche ehemahls allgemein uͤblich war, iſt unter allen
Reinigungs⸗Methoden die muͤhſamſte und koſtſpieligſte; allein fie
fegt die Baumwolle feiner Gefahr einer Befchädigung aus. Man
wendet fie aus dem letztern Grunde jest noch bei folcher Baum-
‘wolle an, welche zu feinem oder fehr feinem Gefpinnft (z. B.
Nr. 60 bis 100 und darüber) verarbeitet werden foll, und der
man daher forgfältig ihre unverminderte Länge zu bewahren fucht.
U) Shlagmafdhinen oder Klopfmaſchinen (eng-
lifdy batting machines), bei weldyen das Schlagen auf diefelbe
Art gefchieht, die Stäbchen aber in größerer Anzahl durch einen
Mechanismus bewegt werden, hatte man in englifchen Spinnereien
eingeführt, um die Handarbeit zu erfeben. Da fie aber gegen»
wärtig durch die weit fohneller arbeitenden Sladimafchinen ver-
drängt find, fo ift es unnöthig, fie zu befchreiben. Unter dem.
Art. Wolle wird noch Einiges über folche Mafchinen, welche man
mit gleicher Einrichtung auch zum Klopfen der Schafwolle zuwei⸗
len anwendet, vorfommen.
I) Der Wolf oder Teufel (engliſch Devil, Deviling
machine oder opening machine) wird zu demſelben Zwecke ges
braucht, welchen dad Schlagen auß freier Hand oder mittelſt der
Mafchine erfüllt; aber nur für gröbere oder unreine Baumwollfor:
ten, und insbefondere für folche, welche auf Waterfpinnmafchinen
verfponnen werden follen. Der wefentliche Theil diefer Mafchine
ift ein auf der ganzen Oberfläcye mit fpigigen eifernen Zähnen be⸗
ſetzter Zylinder, der fidy in einem verfchloffenen Kaften mit großer
Schnelligfeit umdreht, und die ihm zugelieferte Baumwolle zer
zaufet und auflodert, indem feine Zähne an ähnlichen Zähnen,
welche auf der innern Seite des Kaſtens ftehen, nahe vorbei gehen.
Fig. 7 auf Taf. 11 zeigt diefe Mafchine im Grundriffe, nach Ab»
nahme des Dedeld, welcher den Zylinder oben umgibt, und Fig. 8
derfelben Zafel im Aufriffe, wo der Kaften durchfchnitten ift, da⸗
mit man die innere Einrichtung bemerfen fann. Die hohle Walze
oder Trommel a ift von Holz, und rund herum reihenweife mit
fpißigen eifernen Zähnen beſetzt. Zwifchen den Iepteren befinden
fi aufrecht ftehende, die ganze Länge der Trommel einnehmende,
Blechſchienen c, weldhe an A, binter ihnen auf der Trommel
liegenden Keilen befeftigt find. Die obere Hälfte ded Kaſtens,
482 Baumwolle.
oder röthlich, oder braun; ihre Faſern find mehr oder weniger
lang, mehr oder weniger fein, mehr oder weniger weich anzufihe
len. Die Safern der kürzeſten Baumwollenſorten find Faum
einen Zoll, jene der längften nur bis gegen zwei Zoll lang. Ob⸗
wohl alfo die Baumwolle, mit der Schafwolle verglichen, von
diefer an Länge fehr übertroffen wird, fo hat fie doch eine größere
Feinheit vor derfelben voraus. Die Faſern der Baumwolle find
. gewöhnlich zwifchen 0.0005 und 0.0006 Zoll did, was umgefähr
zwei Drittel von dem Durchmeffer der feinften Schafwollfäden
beträgt. . Übrigens find felbft in einer Handvoll der nähmlichen
Baummwollforte Faſern von fehr ungleicher Laͤnge und etwas ver:
fhiedener Dide enthalten; und binfichtlich der Dice ift eine ganz
genaue Beſtimmung fchon darum nicht möglich, weil unter dem
Mifroffope des Dollond’fchen Wollmeflers (mit welchem jene Re⸗
fultate erhalten wurden) der Baumwollfaden fchraubenförmig zu⸗
fammengedreht, daher von fehr ungleichem Durchmeifer, erfcheint.
Im Allgemeinen wird von einer guten Baumwolle gefordert,
daß fie fein, lang, weich, ohne Unreinigfeiten und, Knoten fey.
In je höherem Grade fie diefe Eigenfchaften befigt, defto feiner
und mit defto geringerem Abgange läßt fie fich zu Gefpinnften ver⸗
arbeiten, und defto größer ift daher ihr Werth. Man benennt
im Handel die Gattungen der Baumwolle nach dem Vaterlande,
und unterfcheidet gewöhnlich von jeder Gattung drei Sorten, die _
man Prima, Raufmanndgut und ordinäre Sorte nennt;
manchmahl noch ein vierte, nähmlih Mittelgut, welche dann
zwifchen die gute Kaufmannsforte und die gemeine Sorte gefept
wird. Die Prima, als die laͤngſte und reinfte, wird vorzugs⸗
weife zu Kettengarn verfponnen; die übrigen dienen zu Einfchuß,
die ordinäre Sorte nur zu groben Sefpinnften. Um die Güte einer
Baumwolle zu beurtheilen, oder zu erfennen, in welchem Grade .
fie die oben erwähnten Eigenfchaften befigt, nimmt man eine
Handvoll derfelben,, preßt fie zwifchen beiden Händen zufammen,
indem man zwifchen den Daumen etwas davon heraus dringen
läßt, und fie dann nach entgegengefegten Richtungen aus einan⸗
der zieht. Durch diefed Auseinanderziehen wird die Länge der
Faſern fichtbar, während Durch das Anfehen zugleich die Feinheit,
und durch dad Gefühl die Weichheit derfelben fich erfennen läßt.
Sorten der Baumwolle. 483
Duch zwedmäßige Mifchung verfchiedener Baumwollenforten
fann oft ein, befonders in öfonomifcher Hinficht, fehr vortheil⸗
haftes Refultat erhalten werden ; denn eine lange Baunmvolle vers
trägt 3. ©. fehr gut die Beimifchung einer gewilfen Menge von
kurzer Sorte, ohne merfliche Verfchlechterung des Gefpinnfted. Die.
Erfahrung allein kann hier zur fihernRichtfchnur genommen werden.
Die fämmtlichen, in den europäifchen Fabriken verarbeiteten
Baumwollenforten Taffen fich nach ihrem Vaterlande unter folgende
Hauptklaffen bringen: a) Nordbamerifanifche; 2) mittelamerifanis
Ihe; 3) füdamerifanifche; 4) oftindifche; 5) Ievantifche ; 6) afri«
kaniſche; 7) italienifhe; 8) ſpaniſche. Es wird hinreichen, hier
die Hauptgattungen einer jeden Klaſſe, nebft ihren farafteriftifchen
Eigenfchaften, anzugeben; wobei jedoch zu bemerken ift, daß hin« -
fichtlich der Tegteren die Beſtimmungen nur fehr allgemein feyn
fönnen, und in einzelnen Faͤllen mehr oder minder beträchtlichen
Ausnahmen unterliegen.
1) Unter den Sorten der nordamerifanifchen Baum«
wolle find die Georgia, Louifiana, Neu⸗Orleans, Karolina und
Teneflee zu bemerfen. Bon der Georgia unterfcheidet man eine
lange,und eine kurze Sorte. Erftere ift das Erzeugniß der
Küftengegenden von Georgien, und der dabei liegenden Pleinen
Inſeln; fie gilt für die befte aller Baumwollenforten, welche ein
fehr langes; weiches, feines Haar, befigt, und fich zu den feinften Ge= .
fpinnften verarbeiten läßt. Ihre Farbe ift etwas gelblich. Die Baum⸗
wolle von den Snfeln bei Georgia kommt unter dem Nahmen
Sea⸗Island vor. Die furze Georgia, welche in dem Innern
der Provinz gebaut wird, ift von ungleich geringerem Werthe,
kurzhaarig, weiß, und ohne Zähigfeit, in der Negel ziemlich un«
rein. Sie fann, allein verfponnen, böchitend Garne von der
Feinheits Nummer 40, meift fogar nur Nr. ı2 bis 20, liefern;
dagegen ift fie zur Vermifchung mit gleich viel Mafo (egyptifcher
Baumwolle) fehr geeignet, und gibt Dann auch höhere Nummern.
Die bläaulih weiße Louiſiana iſt von beilerer Befchaffenheit,
fieht aber doch der langen Georgia, den brafilifchen und vielen
weftindifchen Sorten nad). Es laſſen ſich daraus Garne bis zu
Hr. 50 hinauf erzeugen. Sie enthält oft viele feit anhängende
Samenförner. Auch die Karolina wird der kurzen Georgia
31*
484 Baumwolle.
vorgezogen; weniger iſt dieſes der Fall mi Teneſſee und Neu⸗
Orleans, welche im Allgemeinen ein ſchwaches, Feine feſte
Drehung ertragendes Haar haben. Doc, kommen von der Teptern
Sorte zuweilen Partien vor, welche fich fein (bi6 gegen Nr. 100)
fpinnen laffen.
3) Die mittelamerifanifchen oder weftindifhen
Banmwollenforten zeichnen-fi) durchgängig durch ihre bedeutende
Länge aus, und gehören überhaupt zu den vorzüglichiten, indem
fie nur der langen Georgia, der Bourbon, der beften fpanifchen,
und den füdamerifanifchen an Güte nachſtehen. Fuͤr die befte
wird jene von der Infel Portorico gehalten; dann folgen die
übrigen ungefähr im’ nachftehender Ordnung: Curagao, &t.
Domingo, Martinique, Guadeloupe, Barbados,
Jamaika, St. Chriftopb, St. Lucie, St. Thomas,
Grenada, St Binzent, Dominique, Tortola,
Montferat, Bahbama, Kuba, St. Jago, Antiaun.
Die letzte ift faft von gleicher Güte mit den beften Ievantifchen
Sorten. Die Guadeloupe ift meift röthlich, langhaarig, und läßt
fich Teicht fpinnen. Man erzeugt daraus, fo wie aus den befferen
Sorten der gewöhnlich weißeren St. Domingo, Garne biß zu der
Feinheits- Nummer 100.
3) Südamerika liefert vortreffliche Baumwolle, und die
befte darunter ift die brafilifhe, nahmentlih die Maragnan
(Maranhao), Bahia und Bernambuf, aus welchen ſich
Garne von der größten Seinheit, z. B. bis Nr. 250, fpinnen laſ⸗
fen. Überhaupt nehmen diefe drei Sorten (von welchen nur die
Maragnan oft fehr unrein ift) den Nang unmittelbar nach der
langen Georgia und der Bourbon ein; minder vorzüglich find die
Minas-Geraed, die Para und Siara (Ceara), welche nur
Garne von hoͤchſtens Nr. bo zu liefern vermögen. Eine ſchlechte,
fehr unreine und braune Sorte der brafilifchen Baumwolle ift die
Rio Janeiro, weldhe etwa nur den geringften Gattungen der
weſtindiſchen Baumwolle gleich geachtet werden kann. Won den
übrigen füdamerifanifhen Baumwollenforten wird die Cayenne
am meiften gefchägt, da fie ſeht lang, weiß und glänzend iſt, und
überhaupt der guten brafilifhen Baumwolle nahe fteht. Ihr fol:
gen die Surinam, von langem, gelbem Saar, welche fich oft
Sorten der Baumwolle. 485
bis Nr. 200 fpinnen laͤßt; die kürzeren Sorten Demerary,
Effequebo und Berbice (von welchen oft Partien vorfommen,
die braun, grob und unrein find); die Lima; die Caracas und
Cumana, beide mit Samenförnern fehr verunreinigt, gelb, und
nur mit bedeutendem Abfalle verfpiunbar; endlich die Kartha-
gena, nody unreiner und greöber als die vorigen, aber länger und
fefter als diefe.
4) Die oftindifche Baumwolle fteht im Allgemeinen der
amerifanifchen, und felbft der beffern Ievantifchen nach, und wirb
in Europa viel weniger als diefe beiden verarbeitet. Dan fennt
davon hauptfächlich die Surate, welde unrein, gelblich, übri⸗
gend zwar fein, aber äußert Purz iſt; di Madras, Siam und
Bengal, wovon die legtere weiß, feidenartig ift, und noch
Garne bis zur Feinheits Nummer 50 gibt. Eine gute Sorte oft
indifcher Baumwolle iſt auch die Nanfing, welche fowohl weiß
als gelb (oder vielmehr gelbbraun) vorfommt ; aus der gelben (von
der Pflanze, welche im botanifchen Syſteme Gossypium religio-
sum beißt) wird in Oftindien und China der unter dem Nahmen
Nanfing fo befannte Zeug verfertigt.
5) Unter der Benennung Tevantifche Baumwolle begreift
man, im weiteren Sinne des Wortes, alle jene, welche in der
eueopäifchen und aflatifhen Türkei erzeugt wird. Dazu gehört
die mazedonifche, die ſmyrniſche und die eigentliche Le-
vantifche, welche fich fämmtlich durch einen hohen Grad von
Weiße, aber auch durch geringere Länge, und überhaupt dadurch
unterfcheiden, daß fie nicht über Nr. 60 hinauf verfponnen werden
Sönnen. Die beften Sorten der mazedonifchen Baumwolle find die
Ufhur oder Zehbentworle, und die Salonichi; eine gang
fchlechte, welche faum Garne von Nr. ao liefert, heißt Cira.
Smyrniſche Baumwolle nennt man alle in der afiatifchen Türkei
erzeugten, und über Smyrna verfandten Baumwollenforten. Diefe
kommen der beſſern mazedonifchen und oftindifchen Baumwolle an
Güte nicht glei, und geben meift nur Gefpinnfte bis zu Nr. 40
aufwärts, die man als Einfchußgarn verwebt. Die befannteften
Sorten find die Arar, Kaffabar und Kirkagadſch. Was
endlich die levantifche Baumwolle (in der eingefchränftern Bedeu⸗
tung) betrifft; fo verfteht man darunter die Baumwolle von meh:
480 Baummolle.
reren Inſeln Griechenlands und der ajlatifchen Zürfei, mit Inbe⸗
griff einiger Küftengegenden Kleinafiens und Syriens. Die beften
Gattungen der Tevantifchen Baumwolle erreichen nur die gering⸗
fien weftindifchen an Güte, und find gewöhnlich ziemlich-unrein.
Die am meiften gefhästen Sorten find die Su buſchak und Ki-
nif; weniger gut ift die zypriſche und jene von Aere, am
ſchlechteſten die Bendir und Altah.
6) Afrika liefert auf der Inſel Bourbon bei Madagas—
Far eine der vorzüglichften Baumwollengattungen, welche der lan⸗
gen Georgia an Bute fait gleich gefchägt wird, aber bei der Ber-
arbeitung bedeutenden Abgang.leidet. Sie iſt ungemein gleiche .
förmig, rein, feih und feidenartig, gewöhnlich an Weiße der
levantifchen Baumwolle gleich, und fann zu fehr feinen Sarnen
verfponnen werden. Die egyptiſche oder alerandrinifche
Baumwolle, welche unter dem Nahmen Mako (Maho) im Hans
del erfcheint, Hat ein feines, leicht bindendes Haar, verträgt
leicht die Mifchung mit anderen Baummwollengattungen., ift aber
meift fehr unrein und mit unreifen Theilen vermifcht. Sie ift in
den öfterreichifchen Fabriken feit einiger Zeit an die Stelle der ma⸗
zedonifhen Baumwolle getreten, welche fonft hier am häufigiten
verarbeitet wurde. Die Senegal-Baummolle ift beiläufig
von gleicher Güte mit der geringen weftindifchen oder der guten
Tevantifchen; die Samen derfelben Hängen nicht feſt an der —
und laſſen ſich daher leicht abſondern.
7) Von italienifher Baumwolle kommt die von der In⸗
fel Malta, die fizilifche und die aus dem Neapolitanifchen,
vor. Die befte hierunter ift die fizilifche, und die aus der Nähe
von Neapel (von Caftellamare und Della Torre), welde
beide der Rangordnung nach etwa neben der Louifiana oder den
mittleren Gattungen der weitindifchen Baumwolle zu fiehen kom⸗
men. Die Baumwolle von Malta reiht fich an die geringere weft
indifhe an. Die Biancapilla, eine Sorte der neapolitani=
fhen Baumwolle, taugt gut zur Mifhung mit Mafo und gibt dann
(3 Theile gegen 3 Iheile Mafo) einen brauchbaren Baden von '
Nr. 30 bi6 50. Mit furzer Georgia gemiſcht laͤßt ſie ſich zu Nr. 30
bis 40 verſpinnen.
8) Die beſte Sorte der fpanifhen Baumwolle ift die
Baummollfpinnerei, 487
Motril (aus dem Königreihe Granada), welche ihren Platz
neben der beiten brafilifchen einnimmt, und wegen der Feinheit
ihred Haares zu hohen Nummern gefponnen werden fann.
Die Verfuche, welche gemacht worden find, den Baumwol:
lenbau in andern europäifchen Ländern, wie in Sranfreich und in
Ungarn, einzuführen, Fönnen bier füglich übergangen werden,
da fie fein befriedigendes Nefultat gegeben haben. Das Nähm-
liche gilt von den erfolglofen Beftrebungen, die Samenwolle ander
rer Pflanzen, z. B. der fprifchen Seidenpflange (Asclepias syriaca),
der Pappeln und Weiden, des Wollgrafes (Eriophorum) ıc. ale
Baumwoll:Surrogate in Anwendung zu bringen; und von
ber öfter in Vorſchlag gebrachten Zubereitung des Hanfes und
Flachſes zu einer baumwollartigen Subftan;.
\ 8.8,
Baumwollfpinnerei.
Ron allen fpinnbaren Materialien ift die Baumwolle dasje⸗
uige, welches mit der größten Leichtigkeit fich in einen feinen und
gleichförmigen Baden verwandeln läßt. Sie verdanft diefe Eigen
ſchaft der ſchwach gefräufelten Form ihrer Zafern, vermöge welcher
diefelben beim bloßen Nebeneinanderliegen in einem gewilfen Grade
zufammen haften, und der im Allgemeinen fehr angemeſſenen Länge
diefer Bafern, welche weder fo groß ift, um das Außziehen zu
einem Faden zu erfchweren, noch fo gering, um dem die-
«. Haltbarkeit während feiner Bildung zu rauben.
Wenn man etwas rohe Baumwolle in die linfe Hand —
dieſelbe mit den Fingern der rechten Hand anfaßt und langſam
auszieht, ſo bemerkt man, mit welcher auffallenden Leichtigkeit
die Faſern neben einander vorbei gleiten, mit Beibehaltung ihres
Zuſammenhanges ſich ausſtrecken, parallel legen, und eine Art
von Band bilden, welches, ohne abzureißen, ſich bis zu einem
ziemlichen Grade verlaͤngern laͤßt. Dieſer Verſuch gelingt noch
weit beſſer, wenn man gekrempelte Baumwolle anwendet, bei
welcher die Faſern ſich ſchon in einer abſichtlich hervorgebrachten
ziemlich parallelen Lage befinden; und wenn man, ſobald der
ausgezogene Faden eine gewiſſe Länge erreicht hat, demfelben mit
ben Fingern einen Grad von Drehung gibt, welcher hinreicht, die
488 Baumwollfpinnerei.
Faſern einander zu nähern, ihren Zufammenharg zu verftärfen,
ohne dem Vorbeigleiten derfelben ein Hinderniß zu fegen.
Diefer einfache Verſuch zeigt, wenn er gehörig gewürbdiget
wird, den Weg an, welchen man beim Spinnen der Baumwolle
durch Mafchinen einfchlagen muß. Es fommt (nachdem alle frem⸗
den Subſtanzen und Unreinigfeiten aus der Baumwolle abgefon»
dert find) darauf an, die Bafern fo viel möglich alle unter einander
parallel zu legen; dann aus denfelben durdy Ziehen 'ein Band zu
bilden; dieſes durch fortgefegted Ziehen immer mehr zu verfeinern,
und dabei die Parallel-⸗Legung der Faſern zu vollenden; hierauf,
wenn die Beinheit einen gewilfen Grad erreicht hat, dem Zuſam⸗
menbange der Fafern durch eine- ſchwache Drehung zu Hülfe zu
Pommen; die Drehung allmählich im Verbältniffe gegen die Deb-
nung wachfen zu laſſen; und endlich noch dem fo entftandenen fer-
tigen Baden, der nicht weiter verlängert wird, den Neft der Dres
bung zu geben, deifen er, um die nöthige Beftigfeit zu erlangen,
bedarf.
Die Mafchinenfpinnerei befteht in der zweckmaͤßigen Ausführ
rung bdiefer Operationen durch mehrere Auf.einander folgende
Worrichtungen, und in der Anwendung derfelben auf eine große
Menge von Zäden zugleich. So leicht und natürlich indeſſen der
oben vorgezeichnete Sang für diefe Fabrifation tft, fo viele Schwies
rigfeiten find in der Herftellung der mechaniſchen Mittel zu dem⸗
felben zu überwinden; und daher iſt und bleibt Die Mafchinenfpin«
neret ein ungerflörbared Denfmahl des fcharffinnigften Erfin⸗
dungsgeiſtes.
Die heutige Baumwollſpinnerei durch Maſchinen (welche das
Spinnen auf dem Rade in dem kultivirten Europa nun ſchon lange
gaͤnzlich verdraͤngt hat), beſteht aus folgenden Operationen:
J. Die Reinigung und Auflockerung der rohen Baum⸗
wolle, wodurch alle fremden Körper und Unreinigkeiten entfernt,
die Faſern aber von einander geloͤſet, und zur naͤchſtfolgenden
Arbeit vorbereitet werden.
II. Das Kratzen oder Krempeln, welches den Zweck
hat, den Faſern der aufgelockerten Baumwolle eine parallele Lage
zu geben, und ſie zuletzt in ein grobes Band zu verwandeln.
IM, Das Dupliren und Strecken, wodurch in ben von
Allgemeine Ueberfiht. 489
der Kragmafchine gelieferten Bändern die parallele Lage der Faſern
noch vollftändiger bergeftellt wird.
IV. Das erfte Spinnen, eime Operation, welche ihrer
Natur nach diefen Nahmen verdient, obfchon fie ihn in der Kunſt⸗
ſprache nicht führt. Sie bewirkt eine Verlängerung und Verfei⸗
nerung ber Bänder, gibt denfelben aber zugleich ſchon einen ges
willen Grad von Drehung, und verwandelt fie in eine Art ſehr
grober und fehr Ioderer Faͤden.
V. Dad zweite Spinnen, oder, wie es gewöhnlich ge⸗
nannt wird, dad Vorfpinnen. Hierbei wird die Stredung
der Fäden fortgefegt, die Drehung derfelben verftärkt, und fo ein
feinerer, ſchon etwaß fefterer Faden, das fo genannte Borges
fpinnft, gebildet.
VI. Das dritte Spinnen oder Feinfpinnen, weldes
die Vorgefpinnft:Säden bis zu der von dem fertigen Garne vers
Iangten Beinheit ausdehnt, und ihre Drehung vollendet.
Diefen Arbeiten, womit die eigentliche Yabrifation beendigt
if, folgen noch, als Operationen, welche bloß die Zurichtung für
den Handel zum Zwede baben,
VI. Das Hafpeln oder Weifen, d.i. die Auanbtung
des Garnes in Strehne;
VIII. Das Sortiren der Garne nad) ihrer Feinheit;
IX. Die Verpackung.
Erſte Dperation.
Die Reinigung und Aufloderung der Baumwolle.
Wenn die Baumwolle in dem Zuftande, wie fie in den Sa⸗
menkapſeln der Pflanze enthalten ift, den Spinnereien überliefert
würde, fo wäre fie locker genug, um fogleich der nächften Opera⸗
tion, nähmlich dem Kragen, unterzogen zu werden. Allein ba
fie, wie in dem Artifel Baumwolle angeführt ift, an den Er⸗
zeugungsorten Behufs der Verſendung ſtark zufammengebrüdt
wird, und eine beträchtliche Zeit in diefem Zuftande bleibt; fo
haben ihre Sofern, wenn fie zur Verarbeitung fommt, einen fol«
hen Zuſammenhang erlangt, daß die dichten Knollen, welche fie
bilden, nicht ohne große Bıhädigung, alfo nur mit fehr bebeur
tendem Abfall und zum Nachtheil ihrer Güte, ſogleich gekratzt
e
490 Baumwollſpinnerei.
werden koͤnnten. Das Kragen beſteht naͤhmlich in dem Auseinan⸗
derziehen der Faſern durch die Bewegung gewiſſer, mit ſpitzigen
Drahbthäfchen dicht beſetzter Flaͤchen; und ed wäre nicht möglich,
durch diefe Operation den Zweck, naͤhmlich die parallele Lage der
Sofern, zu erreichen, ohne einen beträchtlichen Theil der letztern,
welcher zu feft in die Maſſe verfchlungen, oder gleichfam verfilze
ift, abzureißen.
Man muß demnac, eine Aufloderung der Baumwolle vor
audgehen lafien, bei weldyer zugleich die darin enthaltenen Un⸗
‚reinigfeiten, als Refte der Samenförner, Sand, Statb und an⸗
derer Schmuß, zc. befeitigt werden. Diefe Aufloderung gefchieht
in verfchiedenen Spinnereien, bei verfchiedenen Baumwollforten,
und für verfchiedene Keinheitögrade des zu erseugenden Garnes
nicht mit den nähmlichen Mitteln. Man verrichtet diefelbe naͤhm⸗
Ich theils durch Schlagen mit Stäbchen aus freier Hand,
theild auf Schlagmafhinen, theild in dem fo genannten
Wolf, theild endlich, und gegenwärtig am allgemeinften, mit-
telft fo genannter Flackmaſchinen. Zuweilen werden zwei dies
fer Mittel nad) einander angewendet, 3. B. der Wolf, dann die
Sladmafchine. Im Oriente wird die Baumwolle, fo wie bei uns
das Haar, "welches die Hutmacher verarbeiten (f. Autfabrifa-
tion) mit dem Fachbogen gefadht.
I) Da8 Schlagen oder Klopfen aus freier Hand
gefchieht auf Zifchen, welche flatt des Blattes einen vieredigen,
mit parallelen und eng neben einander befindlichen Schnüren be=
fpannten Rahmen haben. “Auf diefe Schnüre wird die Baumwolle,
fo wie fie roh aus den Ballen kommt, ausgebreitet, und mit
hölzernen Stäbchen, von welchen der Arbeiter in jeder Hand eines
führt, gefchlagen oder geflopft. Die Erfchütterung, welche hier:
durch ,-vermöge der Schnellfraft der ſtark gefpannten Schnüre, in
der zufammengeballten Baumwolle entfteht, bewirkt nicht nur,
daß die fehwereren und gröberen Unreinigfeiten fammt dem Staube
abgefondert werden, fondern auch, daß die Fafern ihrer natürli-
hen Elaftizität folgen, fi) ausdehnen, und fo die Baumwolle
auffhwillt und Toder wird. Grobe Unreinigfeiten, die nicht von
felbft herausfallen (3. B. Knollen Son unreifer oder überreifer
Baumwolle), werden mit der Hand audgelefen. Diefe Behand⸗
Schlagen der Baumwolle, 491
lungsart, welche ehemahls allgemein üblich war, ift unter allen
Reinigungd: Methoden die mühfamfte und Foftfpieligfte; allein fie
fegt die Baumwolle feiner Gefahr einer Befhädigung au. Man
wendet fie aus dem lehtern Grunde jet noch bei ſolcher Baum-
‘wolle an, welche zu feinem oder fehr feinem Gefpinnft (3. 2.
Kir. 60 biß 100 und darüber) verarbeitet werden fol, und der
man daher forgfältig ihre unverminderte Länge zu bewahren ſucht.
I) Schlagmefdhinen oder Klopfmaſchinen (eng-
lifch batting machines), bei weldhen das Schlagen auf diefelbe
Art gefchieht, die Stäbchen aber in größerer Anzahl durch einen
Mechanismus bewegt werden, hatte man in englifchen Spinnereien
eingeführt, um die Handarbeit zu erfegen. Da fie aber gegen»
wärtig durch die weit fchneller arbeitenden Sladimafchinen ver⸗
drängt find, fo ift es unnöthig, fie zu befchreiben. Unter dem,
Art. Wolle wird noch Einiges über ſolche Mafchinen, weldye man
mit gleicher Einrichtung auch zum Klopfen der Schafwolle zuwei⸗
len anwendet, vorfommen.
II) Der Wolf oder Teufel (englifd Devil, Deviling
machine oder opening machine) wird zu demfelben Zwecke ges
braucht, welchen das Schlagen aus freier Hand oder mittelft der
Mafchine erfüllt; aber nur für gröbere oder unreine Baumwollfor-
ten, und insbefondere für folche, welche auf Waterfpinnmafchinen
verfponnen werden follen. Der wefentliche Theil diefer Mafchine
ift ein auf der ganzen Oberfläcye mit fpigigen eifernen Zähnen bes
feßter Zylinder, der fidy in einem verfchloffenen Kaften mit großer
Schnelligkeit umdreht, und die ihm zugelieferte Baumwolle zer
zaufet und auflodert, indem feine Zähne an ähnlichen Zähnen,
welche auf der innern Seite des Kaſtens ftehen, nahe vorbei gehen.
Big. 7 auf Taf. 11 zeigt diefe Mafchine im Grundriffe, nach Ab»
nahme des Deckels, welcher den Zylinder oben umgibt, und ig. 8
berfelben Tafel im Aufriffe, wo der Kaften durchfchnitten ift, das
mit man die innere Einrichtung bemerfen kann. Die hohle Walze
oder Trommel a ift von Holz, und rund herum reihenweife mit
fpißigen eifernen Zähnen beſetzt. Zwifchen den Iepteren befinden
fih aufrecht ftehende, die ganze Länge der Trommel einnehmende,
Blechſchienen c, welche an eleinen, hinter ihnen auf der Trommel
liegenden Keilen befeftigt find. Die obere Hälfte des Kaftens,
492 Baummwollfpinnerei.
welcher die Trommel umgibt, befteht aus. Holsftüden d, d, welche
fo lang find als die-Trommel, und vermöge ihrer nad) einwärts
etwas verjüngten Geftalt fo an einander paflen, daß fie ohne Zwi-
ſchenraͤume einen balbzylindrifchen Dedel bilden, der nur an der
vordern, zum Einbringen der Baumwolle befiimmten Seite eine
Öffnung laͤßt, wie man bei k, Fig. 8, fieht. Auf der innern
Seite find diefe Holzſtücke gleich der Trommel mit fpigigen Zaͤh⸗
nen und dazwifhen angebrachten Blechfchienen befebt. Diefe
Einrichtung wird aus den Figuren 10, 11, 19 (Taf. 11) deutlich,
welche die innere Zläche, die Seitenanficht und Endanficht eines
jener Stüde darſtellen. Man bemerft bier, daß jedes Holıflüd d,
nebft den zwei auf ihm ftehenden Zahnreihen, an einer langen
Seite eine an zwei Keilen befeftigte Blechſchiene v, v, und an
jedem feiner Enden einen Spalt u befigt. Mittelft diefer Spalte
werden die Stücke d auf folgende Weife über der Trommel feftges
legt. Auf den horizontalen oberen Balfen des Geftelles fiehen,
neben den Enden der Trommel, zwei Halbzirfelförmige gußeiferne
Bögen, e, e, Big. 7, oder s, Fig. 9, deren Öffnung mit Holz
audgetäfelt, und alfo ganz verfchloffen ift. Auf der äußern Krünts
mung diefer Bögen find, in der Richtung nach dem Mittelpunfte,
eiferne Stifte, t, t, Big. 9, angebracht, fo, daß je zwei und zwei
Stifte beider Bögen einander gegenüber find. Auf zwei foldye
einander gegenüber ſtehende Stifte wird ein jedes Holzſtuͤck d mit⸗
telft feiner zwei Spalte u, u, Fig. 10, geftedt; fo, daß fie fich
nach Belieben augenbliclich wieder abnehmen laffen, wenn man
z. B. die Mafchine reinigen will. Die untere Hälfte des Kaſtens
befteht aus einem Meſſingdrahtgitter r,r’ (ig. 8), welches bei r’
fo fi) krümmt, daß es eine Öffnung zum Herausfallen der bear
beiteten Baumwolle bildet.
Die Baumwolle wird der Mafchine auf folgende Art zuge:
führt. Im vorderen Theile des Beftelles liegen zwei hölzerne Wal⸗
gen, o, q, über welche ein an feinen Enden zufammengenähted
Stück Leinwand p gefpannt ift. Dieſes bewegt fich folglich, bei
der Umdrehung der Walzen, unausgefegt nach der Richtung des
Pfeiles in Big. 8, und führt die von einer Perfon daranf audges
breitete Baumwolle gegen die Trommel bin. Wenn diefelbe die
Walze q erreicht bat, fo wird fie von zwei auf einander Ijegenden
Wolf oder Teufel. 4053
eifernen Walzen gefaßt, von welchen in Fig.7 und 8 die fichtbare
“ obere mit k bezeichnet iſt. Diefe Walzen find nach ihrer ganzen
Länge geriffelt, d. 5. mit abwechfelnden Heinen dreiedigen Rin⸗
nen und Erhöhlingen verfehen, mit welchen fie in einander eingrei-
fen, indem die obere Walze durch an ihre Achfe gehängte Gewichte
(die man in den Zeichnungen nicht fieht) auf die untere niederge-
druckt wird. Beide Walzen drehen fic gegen einander, und zwar
in einer folchen Richtung, daß die von dem endlofen Leinentuche p
berbeigebrachte Baumwolle zwifchen fie hineingezogen, und her:
nad), indem fie auf der hintern Seite wieder herausfommt, den
Zähnen der fehnell umlaufenden Trommel a dargebothen wird.
Diefe reißen fie mit ſich fort, zerzaufen fie beim Vorbeigehen an
den Zähnen des Dached d, d, und werfen fie endlich bei r/, nach:
dem der Staub und andere Unreinigfeiten durch das Gitter r
durchgefallen find, heraus. Die Blechfchienen c auf der Trom-
mel, und die gleichgeftalteten Schienen der Holzitüdle d bewirfen,
indem fie die Baumwolle zurüdhalten, ein längeres Verweilen
derfelben in der Mafchine. Leptere Fann des Tages 1000 bis 1200
Pfund bearbeiten. Man läßt die Baumwolle, wenn fie durch die
einmahlige Bearbeitung nicht hinreichend aufgelodert ift, noch ein
zweites Mahl durch die Mafchine geben.
Die Bewegung wird dem Wolfe von der Triebfraft, welche
die übrigen Mafchinen der Spinnerei in Bewegung fest, mittelft
eines endlofen Riemens mitgetheilt, der über die Rolle b an der
Achfe der Trommel gelegt if. Die Trommel macht 400 bid 450
Umdrehungen in jeder Minute. An dem entgegengefebten Ende
der Achfe befindet fich eine Schraube ohne Ende, f, (Fig. 7)
welche in das gezahnte Rad g eingreift. Lebtered fegt mittelft
des an feiner Achfe. ftefenden Winfel: oder Kegelrades h ein an«
deres ähnliches Mad i an der Achfe der untern Riffelwalze, und
mithin diefe Walze felbft, in Bewegung. Das vordere Ende von
der Achfe diefer Walze trägt ein gezahnte® Rad l, von weichem,
mittelft eines Zwifchenrades m (Fig. 8) ein Rad n umgedreht wird,
welches ſich an der Walze q befindet. Über diefe Walze ift, wie
ſchon gefagt wurde, das endlofe Tuch p gelegt, und dieſes fommt
mithin ebenfalls in Bewegung. Die Walze o dreht fich bloß
Durch die Reibung des gefpanuten Tuches an ihr, und die obere
494 | Baummollfpinnerei.
Riffelwalze k dincch den Eingriff ihrer Rinnen und Erhöhungen in
jene der untern Riffelwalze. Die Pfeile in Fig.8 zeigen die Rich
tungen an, nach welchen ſich die verfchiedenen Theile bewegen.
Man hat mit diefer Mafchine mancherlei AbAnderungen und
Verbefferungen vorgenommen. &o macht man diefelbe zuweilen
doppelt, indem man zwei gegen einander fi) drehende Trom⸗
meln anbringt, um die Bearbeitung vollfommener zu machen.
Die oben erwähnten Eifenfchienen auf diefen Trommeln bleiben
dann ald unnöthig weg, und die Zähne werden in einer Schrau⸗
benlinie auf der Oberfläche georbnet, ſo daß nicht zwei derfelben
auf der nähmlichen Linie hinter einander fiehen. Won der Off-
nung x’ kann ein Schlaudy oder Kanal auögehen, in welchem die
von der Mafchine ausgeworfene Baumwolle auf ein Tuch ohne
Ende fällt, um durch deſſen Bewegung nach dem Ende des Zim«
mers bingeführt zu werden, wo fie in einen Korb fällt. Der
Schlauch geht von hier aufwärts, und mündet fich in eine ziem⸗
lich große Kammer, aus welcher endlich wieder ein engeres Rohr
zum bintern Ende der Mafchine zurücführt. Bei diefer Einrich-
tung ftreicht der durch die fehnelle Drehung der Trommel hervor-
gebrachte Luftzug durch den Schlauch über die Oberfläche der das
rin befindlichen Baumwolle, reißt die kürzeſten Faſern derfelben
mit fich fort, und laͤßt diefelben in der Kammer, wo die Beive-
gung der Luft wegen des größeren Raumes viel Iangfamer ift,
fallen. Bon hier fann man diefen Baumwollftaub, der fonft durch
feine Verbreitung in dem Gemache die Lungen der Arbeiter belä-
fligt, von Zeit zu Zeit fammeln, um ihn, mit fchlechten Baum⸗
wollforten gemifcht, zu grobem Gefpinnft zu verarbeiten.
Einer Mafchine, welche mit dem Wolfe Ähnlichkeit hat, bes
dient man ſich unter dem englifchen Nahmen Below in mehreren
Sabrifen, um langhaarige, fehr unreine Baummollforten vorläu«
fig zu reinigen, aufjulodern, und zur Bearbeitung in der weiter
unten befchriebenen Sladmafchine vorzubereiten, Damit fie hier
weniger Widerftand Teiftet, und nicht fo fehr kurzgehackt wird.
Auf Taf. ı2 ift Sig, 1 der Aufrik, Big. a ein vertifaler Durchs
fchnitt, Fig. 3 ein horizontaler Ducchichnitt davon. Der Haupt
beftandtheil ift auch Bier eine Trommel oder hohle Walze B, welche
in einem Geſtelle A von Eichenholz liegt, und mit einem halbzy⸗
⸗
Velom. 495
Iindrifchen Mantel C überfpannt it. Die Irommel wird ducd)
wei auf der vieredigen Welle a feftgefeilte gußeiferne Räder oder
Reifen g gebildet, indem man auf dem äußern Umfreife diefer
Heifen vier Stücke b von Eichen» oder Buchenholz, und zwifchen
diefen andere, gleichgeftaltete Stüde b von weichem Holze, befes.
fligt. Die Befeftigung gefchieht nach der bei e, Fig. 2, 3, ſicht⸗
baren Weife. Auf die Holzſtuͤcke b werden eiferne gedrehte, an:
den Enden aber nicht fcharfe, fondern abgerundete Stifte c feſt⸗
geihraubt. Solcher Stifte befinden fi) acht in der ganzen Länge
der Trommel, mithin 32 in allen vier Neihen. ‚Die Achfe der
Trommel läuft in den Lagern m (Big. ı, 3), und. befigt an einem
ihrer Enden zwei gleich große Rollen D (Fig. 3), von welchen die
eine darauf feit, die andere aber loſe aufgeftedt iſt. ermittelt
der erflern (der Triebrolle) wird die Trommel durch einen
von der Betriebsmafchine herfommenden endlofen Riemen umges
dreht; auf die zweite (die Leerrolle) fchiebt man mittelft eines
hierzu angebrachten Hebeld jenen Riemen, wenn man die Ma⸗
ſchine plöglich einzeln will fill ftehen Taffen, ohne den Gang der
übrigen Mafchinerie zu ftören. Diefe Einrichtung fommt an allen
im Verfolge dieſes Artifeld noch bejchriebenen Naſchuen Be wenn
fie auch nicht ausdruͤcklich erwähnt wird.
Über der Trommel befindet fich der Mantel C, weliher bei
n,n (Sig. ı) an das Geftell feftgefchraubt ifl. Die beiden Geis
tenwände deifelben find aus Pfoften zufammengefügt, den halb⸗
freisförmigen Umfang bilden vier harte Holsftüde £, und die zwi⸗
fchen denfelben angebrachten Dünneren Süllungen z von weichem
Holze (f. Zig.2). An den Stüden f find Stifte, gleich jenen der
Trommel befeftigt, welche aber fo geftellt find, daß die Stifte der
Trommel frei in der Mitte zwischen ihnen durchgehen fönnen.
Damit alle diefe Stifte feit genug fliehen, und durch den langen
Gebrauch der Mafchine nicht zum Nachgeben und Wanfen ge:
bracht werden, find unter den Schraubenmuttern außen auf den
Stüden f, und unter dem Anfage der Stifte auf der Trommel
Eifenfchienen in das Holz eingelaifen, die man durch ftarfe Linien
angezeigt fieht. Oben in dem. Mantel befindet fich eine Öffnung,
und in diefe ift ein mit eine? Fleinen Sallthüre verfehener Trog p
eingefept. Die untere Umgebung der Trommel befteht zur. Hälfte
v⸗
406 Baummwollfpinnerei.
aus einem Roſte h von eifernen, + Zoll im Quadrat dicken Stä«
ben, welche parallel mit der Achfe der Trommel, und + Zoll von
einander entfernt, befeftigt find; zur andern Hälfte aus einer
nach der Krümmung der Trommel gebogenen Thuͤr r von Eifen-
blech. Bei diefer Thür, welche fich bei s in Angeln dreht, wird
die Baumwolle nach gefchehener Bearbeitung herausgelaſſen. Zu
dieſem Behufe iſt außen an der Angel oder Achfe s der Thür ein
Hebel k angebradt (f. Sig. 4, Taf. ı2, abgefondert nach zwei
Anfichten), welcher innerhalb einer eiferner Schiene 1 (ig. 1,3)
läuft. Sn einem Einfchnitte x diefer Schiene (Big. 3) ruht der
Hebel, wenn die Xhür, wie in Fig. 2, geſchloſſen if. Unten,
bei y, ift diefer Hebel flach nnd dünn audgefeilt, fo, daß er Feder⸗
kraft erhält, und fich dadurch von felbft in dem Einfchnitte x der
Schiene 1 feſthaͤt. Wird nun der Hebel, mittelft des oben an
ihm befindlichen Heftes aus dem Einfchnitte x herausgedrückt, fo
öffnet fich die Thür r, und fällt vermöge ihres Gewichtes in der
Richtung des Pfeiles (Fig. 2) herab. Die Iangen Seiten des
Geſtelles A find mit Bretern verfchalt. An der einen fchmalen
Seite ift ein Schieber q angebracht, der geöffnet wird, wenn man
den durd) den Roft h gefallenen Staub und Sand herausnehmen
will; die andere fchmale Seite bleibt zur Bewegung der Thür r
frei. Vor dem Geftelle bei i, wo fich diefe Thüre öffnet, wird
ein bölgerner Roft angebracht, durch welchen, indem die Baum⸗
wolle darüber hinfliegt, noch die fich ablöfenden Unreinigfeiten
durchfallen.
Wenn die Trommel B mittelft der Triebrolle D gehörig in
Gang ift, fo macht fie 3oo Umdrehungen in einer Minute, nach
der Richtung, welche in Big. 2 der Pfeil anzeigt. Man wirft nun
hei der geöffneten Thür des Troges p Baumwolle hinein. Diefe
wird von den fich begegnenden und neben einander vorbeigehenden
Stiften der Trommel und des Mantels gefchlagen und aus einan-
der geriffen; Staub und Sandförner fondern fich ab, fallen durch
den NRoft h (Fig. 2), und die gereinigte Baumwolle wird dann,
wenn man die Thür r öffnet, von dem durch die Umdrehung der
Trommel bewirkten Luftftrome, vereinigt mit der Fliehfraft, her
ausgeworfen. Ein Arbeiter, der die Mafchine verſieht, kann in
einer Stunde leicht 150, ja 200 Pfund Baumwolle bearbeiten.
4
Below. 407
Die auf ein Mahl in die Mafchine zu gebende Menge Baummolle
beträgt nicht mehr ald eine große Handvoll, oder ungefähr ız
Pfund; und diefe muß auf die ganze Breite audgetheilt werden,
fo, daß alle Stifte gleichmäßig zu ihrer Bearbeitung mitwirfen,
weil im entgegengefegten Balle die Mafchine zu fehr Teider,
und die Baumwolle länger in berfelben bleiben muß. Die Zeit,
welche bei dem zweckmaͤßigen Verfahren nothwendig ift, um die
Bearbeitung einer folchen Portion zu Hollenden, beträgt im Mit
tel etwa nur 25 Sekunden, ift aber nicht in allen Faͤllen gleich,
und muß defto mehr verlängert werden , je länger und unreiner
die Baumwolle if. Ein zu langer Aufenthalt der Baumwolle in
der Mafchine hat eine fehr üble Folge, welche darin befteht, daß
die von den Stiften fchon in Flocken zertheilte Wolle durch die
drehende Bewegung der Trommel an ber innern Seite ded Man
tels fortgerollt wird, fo Daß jede Flocke ſich in eine von ihren
eigenen äußeren Haaren umwidelte Rolle verwandelt, welche dem
Auseinanderziehen einen gewillen Widerftand leiſtet. Kommen
nun folche Rollen oder Widel in die Bladmafchine, fo werden fie
von den geriffelten Walzen derfelben fo feit zuſammen gehalten,
daß der mit großer Schnelligkeit fich bewegende Schläger fie ente
weder ganz durchhadt, oder doch einzelne Haare abreißt. Im
erften Falle fommen noch unaufgeloderte Theile diefer Rollen mit
zur nachfolgenden Bearbeitung auf die Krape, welche Davon lei⸗
det; im zweiten Balle wird wenigftens zu einer verminderten Güte
des GSefpinnftes ſchon von der Flackmaſchine ber, durch die Ver⸗
fürzung der Bafern, der Grund gelegt. Diefer Einfluß iſt fo bes
dDeutend, daß bei einer Nachläßigfeit in der Bedienung des Velow
die beftihmt ſeyn follenden Seinheit8-Nummern des erzeugten Gars
ned merflich fteigen und fallen. Diefer Nachtheil ift am größten
bei fehr langer Wolle; allein gerade bier ift die Anwendung der
Maſchine am nöthigften. Um ihm zu begegnen, wäre zu rathen, -
daß man der Trommel ftatt der runden Geſtalt vier ebene oder
noch befler einwärts gebogene Slächen gebe (wie Fig. 5, Taf. ı 2).
Dadurch würde das erwähnte Zuſammenrollen wahrfcheinlich ent:
weder ganz vermieden, oder doch fehr verringert werden, indem
die Wolle hinreichend Raum hätte, ohne beftändig zwifchen der
Trommel und dem Mantel eng eingefchloffen zu feyn.
Technol. Encyclop. L Bd. 32
498 Baumwollfpinnerei.
Ich will hier gelegentlich noch einer Mafchine gebenfen,
welche mit dem Wolfe und Below dem Zwecke nach, weniger in
der Einrichtung, übereinftimmt; naͤhmlich der auf Taf.ıı, Fig.
13 im Längendurchfchnitte, ig. 14 im Querdurchſchnitte abgebil«
deten Aufloderungs:Mafchine des Franzoſen Rodier, welche bee
ftimmt iſt, gröbere und lange Baumwollenforten zum Kragen vor⸗
zubereiten, fo wie Abfälle der Baumwolle noch zum Spinnen taug⸗
lich zu machen. &ie befteht aus einem Kaften, in welchen die
Baumwolle durch den Trog oder Rumpf a bineingeworfen wird.
Die Baumwolle fällt bier auf einen Rahmen c, der aus zwei Tan«
gen Leiften und einer Menge eng neben einander befindlicher Quer⸗
fproffen gebildet ifl. Diefe Sproffen find mit winfelförmig gebo⸗
genen Drahtzähnen, ähnlich jenen der gewöhnlichen Krempeln,
aber größer, und weiter aus einander beſetzt, fo zwar, daß jede
Sproffe eine Meihe davon enthält, und die Zähne aller Sproffen
in gerader Linie hinter einander ftehen. Über dem Rahmen c
befindet ſich ein zweiter, breiterer Rahmen b, der von einer Sei-
tenwand deö Kaftens bis zur andern reicht, und in feiner ganzen
Länge mit nahe an einander liegenden Bretern q bededt ift, bis
auf ein Stüd am hintern Ende, wo diefe Breter weggelaffen find,
- damit die Baumwolle aus dem Troge a ungehindert auf den Rabe
men c fallen fönne, Jedes der Breter q enthält zwei Reihen lan⸗
ger, nad) abwärtd gefehrter, und an den Spigen umgebogener
Zähne, welche fo geftellt find, daß fie in den Zwifchenräulnen der
Zähne an dem Rahmen c fich befinden. Diefer letztere Rahmen
bewegt fich unaufhörlich auf eine gewiſſe Strecke unter b vor: und
rückwaͤrts, indem er mittelft des Anſatzes n und der Ziehftange f
mit der Kurbel g einer Achfe verbunden ift, an welcher außen die
mit gehöriger Gefchwindigfeit durch einen Riemen umgebrehte
Rolle e ſteckt. Um bei diefer Bewegung nicht aus feiner Richtung
zu kommen, laͤuft der Rahmen zwifchen Friktionsrollen d, welche
an den mit ihm parallelen Leiften o, o, angebracht find.
j Wenn nun aus dem Rumpfe a Baumwolle auf den hintern
heil des Rahmens c fällt, fo wird diefelbe von den hakenförmi-
gen Drabtzähnen gefaßt, und vorwärtd geführt. Da hierbei die
Zähne von c zwifchen jenen des Rahmens b durchgehen, fo fann
die Baumwolle der Bewegung nicht tolgen ‚ ohne aus einander
Flackmaſchinen (Schlagmafchinen). 499
gezogen oder zerzaufet zu werden. "Wenn der Rahmen c bei der
zweiten halben Umdrehung der Kurbel g zuruͤckkommt, fo trachtet
er zwar die auf ihm liegende Baumwolle mit za nehmen; allein
dieſe wird von den vorwärts gerichteten Hafen der langen feftftes
henden Zähne zurüdgehalten und abgeftreift. Beim naͤchſten Vor⸗
wärtögehen von c wird diefe-nähmliche Portion Baumwolle wieder
eine Strede weiter vorwärts gefhoben, und fie kommt endlich,
indem dieſer Vorgang ſich ſtets wiederhohlt, bei der ÖOffnung m
des Kaſtens heraus, wo fie über das ſchiefe Bret p herabfäallt.
Um bei dieſer Maſchine die Baumwolle pach Erforderniß
mehr oder weniger der Wirfuug der Drabtzähne auszufegen, laßt
man letztere mehr oder weniger tief zwifchen einander eingreifen ;
und zu diefem Behufe kann der unbewegliche Rahmen b tiefer und
höher geftellt werden. Er ruht nähmlich mit feinen Füßen r auf
geneigten Slächen i, welche an den zwei langen Leiften h ange-
bracht find. Ein Süd von jeder diefer Leiften ift mit Zähnen
befest, und in diefe Verzahnung greifen zwei Getriebe k, k, ein,
die mit ihrer gemeinfchaftlihen Achfe durch die Kurbel J (ig. ı4)
umgedreht werden. Wenn auf diefe Weife die Stangen h nad)
einer oder der andern Richtung hin verfchoben werden, fo finkt
oder fleigt auch, vermittelft der fchrägen Slächen i, der Rahmen k.
IV) Die Stelle des Schlagend mit Stäbchen (aus freier
Hand oder auf Mafchinen), fo wie jene des Wolfes, iſt gegen«
wärtig allgemein, die bereitö angeführten Ausnahmen abgerechnet,
durch die fo genannten Flackmaſchinen, weldhe man auch
Schlagmafhinen nennt, eingenommen. Das Wefentliche
einer ſolchen Mafchine befteht in zwei an einer Achſe befefligten,
und fammt derfelben ſich außerordentlich ſchnell umdrehenden Slüs
geln ‚ welche in dem gefchloffenen Kaften, worin fie fich befinden,
die Faſern der ihnen dargebothenen Baumwolle durch die Gewalt
des Schlages und des erregten Luftſtromes von einander trennen.
Der Staub, welcher dabei aus der Baumwolle abgefondert wird,
fänt theils durch einen unter dem Schläger angebrachten Roſt,
theild wird er von der durch einen eigenen Ventilator befoͤrderten
Luftſtroͤmung fortgeriſſen, und in einen entfernten Raum geführt.
Die Einrichtung diefer Mafchinen ift in den letzten Jahren bedeu«
tend verbeiert, und auf einen hoben Grad der Vollkommenheit
3a *
500 Baumwollſpinnerei.
gebracht worden. Man bedient ſich jetzt in der Regel zweier
Echlag⸗ oder Flackmaſchinen nach einander, und arbeitet ihnen
noch, bei gewillen Baummollforten, durch den oben befchriebenen
Below (oder zuweilen Durch den Wolf) vor. Die erfte Mafchine
empfängt die Baumwolle fo, wie ſie aus dem Ballen oder vom
Below herfommt, Iodert fie mittelft zweier hinter einander ange⸗
brachter Schläger auf, und befreit fie fchon von einem großen
Zheile der Unreinigfeiten. Diefe fo vorbereitete Baumwolle wird
fodann der zweiten Schlagmafchine übergeben, welche fid) von der
erften wefentlich bloß dadurch) 'unterfcheidet, daß fie nur einen
einzigen Schläger befikt, und. die Baumwolle nach vollendeter
Zertheilung und Reinigung fogleich in eine breite zufammenhäns
gende Släche (eine Warte, ein Fell, oder einen Pelz) verwan-
delt, in welcher Geſtalt fie der Kragmafchine überliefert wird.
Die beiden Schlagmafchinen, nach der neueften, vollfommen-
ften Einrichtung, find auf Taf. ı2 abgebildet. Fig. 6 ift hier’
ein Längendurdyfchnitt der erften Schlagmafchine, welde
man auch die Pub mafchine (englifh Blowing machine, Blo-
wer oder Scutcher, frangöflfch Batteur eplucheur) nennt, weil
fie ed vorzüglich ift, welche die Baumwolle von den Unreinigkei⸗
ten befreit. Die Dimenfionen diefer Maſchine erficht man aus
der Zeichnung, mit Ausnahme der Breite, welche im Lichten von
einer Geftellewand zur andern drei Fuß beträgt. Das ganze,
von Qußeifen verfertigte Geſtell ift mit Bretern verfchalt, fo, daß
ed einen ringsum gefchloffenen Kaften bildet, der nur die noͤthi⸗
gen Öffnungen befigt, um die rohe Baumwolle hinein zu bringen,
die bearbeitete heraus zu nehmen, und den abgefonderten Staub
fortzufchaffen. Eigene, während der Arbeit verfchloffene Thüren
find angebracht, durch welche man in das Innere gelangt, um
nachzuſehen, oder Ausbeflerungen vorzunehmen.
Die Zuführung der Baumwolle gefchieht mittelft eines an
den Enden zufammengenähten leinenen Tuches (ded Einlaßtu-
he) a, welches über zwei hölzerne Walzen, b und c, gelegt ift,
und fich bei der Umdrehung diefer legteren in der Richtung der
Pfeile bewegt, To daß fein oberer Theil gegen die Mafchine hin -
geht. Die Walze c, welche 3 Zoll Durchmeffer hat, muß vier
Umdrehungen in einer Minute machen. Zwifchen den Walzen
Schlag. und Putzmaſchine. 501
b, e, iſt eine fchräge hölzerne Tafel d angebracht, über welche
dad Tuch hinläuft, damit es flets flach bleiben muß, und nicht
einfinfen kann. Es ift gut, dad Tuch ohne Ende nicht in feiner
ganzen Breite aus Einem Stüde, fondern lieber aus acht Strei⸗
fen zu verfertigen (f. Sig. 9, Taf. ı2), deren jeder auf einem et⸗
was bauchig gedrehten Stüde der Walze b anliegt. Man erreicht
hierdurch eine viel gleihförmigere Spannung, und vermeidet das
Verzichen des Tuches, welches fonft, bei der geringften Ungleich⸗
heit der Walzen leicht eintritt. Die Spannung des Tuches wird
übrigens dadurch hervorgebracht, Daß die Walze b fich mehr oder
weniger yon c entfernen läßt. Diefe ganze Vorrichtung kann man
den Zuführtifch nennen, Wenn die auf demfelben mit der
Hand möglichft gleihförmig ausgebreitete Baumwolle bis an das
Ende bei c gelangt ift, fo wird fie von zwei fich gegen einander
drehenden, geriffelten eifernen Walzen e gefaßt, bineingezogen,
and nun fogleich dem Schläger £ dargebothben. Diefer, welcher
unter einem gemölbten blechernen Dache g mit großer Schnellig«
feit (640 Mahl in einer Minute) umläuft, befteht, wie man in
Fig. 10, Taf. ı2, fieht, and einge Welle 19, und zwei Fluͤgeln,
deren jeder durch vier Arme so, und eine an diefen befeftigte
dünne Eifenfchiene 18, mit abgerundeten Kanten, gebildet wird,
Man hat Schläger mit drei Slügeln perfucht, will aber ihre Ans
wendung nicht vortheilhaft gefunden haben. Die Riffelwalzen e,
welche einen Darchmeſſer von »8 Linien haben, drehen fi acht
Map! in einer Minute um, liefern daher dem Schläger ih diefer
Zeit eine ihrem achtfachen Umfange gleiche, d. i. 37.7 Zoll oder
452 Einien betragende, Länge von Baumwolle. Auf diefe wirft
der Schläger, indem er 640 Umdrehungen oder (mit beiden Flü⸗
geln) 12380 Schläge macht; es Fommen mithin auf jede Linie
Baumwolle 3.83, Schläge. Unter dem Schläger befindet fich ein
bogenförmiger Roſt (Rechen) n von ftarfen Eifendrähten,, wel:
der Schmutz, Samenförner und andere grobe Unreinigfeiten durch⸗
fallen laͤßt, während die leichtere Baumwolle gegen ein zweites
Tuch ohne Ende a’ hin getrieben wird, welches nad) ber oben
befchriebenen Weife aus Streifen befteht, über die drei Walzen
b’, 1, c’ gefpannt ift, und mit der hölzernen Tafel d’ als Zuführs
tifch für den zweiten Schläger dient. Diefer, welcher mit f’ be-
502 . Baumwollfpinnerei.
zeichnet ift, über ſich das Blechdach g/, unter fich den Rechen n’,
vor ſich Die zwei geriffelten eifernen Walzen e/ hat, gleicht in fei-
ner Einrichtung ganz und gar dem 'oben befchriebenen erften, dreht
fich aber fehneller als dieſer (1300 Mahl in der Minute) und dient
zur fortgefeßten Reinigung und Zertheilung der Baumwolle. Die
Walze co’ des Zufuͤhrtiſches macht in einer Minute 95 Umdrehun⸗
gen, und bringt alfo, da ihr Durchmeifer 3 Zoll beträgt, 89
ZoU oder 1074 Linien des endlofen Tuches vorwärts. Um diefe
Länge der auf dem Tuche ausgebreiteten Baumwolle fortzufchaffen,
müflen die Niffelwalgen e“, welche nur 18 Linien im Durchmeſſer
haben, 19 Mahl fi) umdrehen; und um fie zu bearbeiten, macht
der Schläger 1300 Umdrehungen oder 2600 Schläge, folglich auf
eine Linie Baumwolle 2.41 Schläge.
Die Baumtvolle foll, bevor fie dem Schläger von den orifels
walzen e’ überliefert wird, einigen Zufammenhang erhalten, um
gleichfoͤrmig zwifchen diefe Walzen Hineingezogen zu werden; und
Dieß wird durch eine rundum mit Drabtfieb befleidete Walze ober
‚ Trommel h bewirft, welche fich in dem blechernen Gehäufe i befin-
det, mit ihrem ganzen Gewichte auf dem Zuführtifche a’ d’ Taftet,
und folglich Hier die von der Gewalt des Luftfiromes gegen ihren
Umkreis getriebene Baumwolle in einem entfprechenden Grade zu⸗
fammendrüdt, indem fie fi durch die Reibung an dem Zuführe
tifche beim Fortgehen des Tuches a’ Tangfam umdreht. Diefe
Zrommel wird durch zwei oder Drei auf einer Achfe befeftigte guß⸗
eiferne Neifen gebildet, über welche, mit der Achfe parallel, ale
Unterlage für das Drahtfieb, Eifenftängelchen gezogen find. Der
von dem erften Schläger erregte Luftzug jagt den Staub und die
ganz kurzen Baumwollfafern durch die Löcher des Siebes und daß _
Innere der Trommel gegen die Öffnung k des Gehäufesi. Da
es jedoch darauf ankommt, diefen Staub weiter fortzufchaffen,
wozu der erwähnte Luftzug nicht hinreichen würde; fo ift zu dies
ſem Behufe über der Mafchine noch ein eigener, aus vier Wind⸗
flügeln beftehender Ventilator angebracht. Man fieht diefen in
Fig. 8 (Taf. ı2) bei p, wo er in einem zglindrifchen Gehäufe ein-
gefchloffen if. Die Flügel diefed Ventilators, welche, indem fie
ſich 120 bi6 150 Mahl in der Minute umdrehen, hart an dem
Umfreife des Gehäufes vorbeiftreifen/ faugen auf eine wohlder
Schlag. und Putzmaſchine. 503
kannte Art die Luft aus dem Raume, in welchem ſich die Sieb⸗
tronnnel h befindet, und der ſich bei k in das Behaͤltniß des Ven⸗
tifators mündet. Die Luft, welche durch das unter dem Schläger
befindliche Drahtgitter in den Kaſten der Mafchine eindringt, iſt
Deshalb genöthiget, immerfort gegen jenes Behältnig hin zu ſtroͤ⸗
men, und reißt auf diefem Wege den Staub mit fich, indeß die
Iangen Baumwollfafern von der Siebhülle der Trommel zurückge⸗
Halten werden. Die Luftfteömung geht von dem Ventilator aus
durch die Offnung q’ feines Gehäufes und das Rohr 12 in einen
Kaſten 13, wo fi, vermöge der verminderten Gefchwindigfeit,
der größte Theil des Baumwollſtaubes ablagert. Was hier nicht
bleibt, fliegt Durch das Rohr 17 in die freie Luft. Wermöge dies
fer Veranftaltung wird der Abfall von feinen furzen Baumwollfä-
ferchen, der bei der Bearbeitung in der Schlagmafchine entfteht,
gefammelt, und die ſchaͤdliche Einwirkung, welche er beim Einath-
men bervorbringen würde, befeitigt.
Der zweite Schläger, f/, wirft die Baumwolle in einen aus
Bretern gebildeten, am Ende offenen Kanal, x, x, deilen Boden
in der zweiten Hälfte feiner Länge aus einem Roſte w, w von
ſchraͤg liegenden Leiften beſteht. Die Sorttreibung der Baummolle
in diefem Kanale oder Schlauche wird durch den Luftzug befördert, .
den ein unterhalb des Schläger angebrachter, in einer Minute
etwa 700 Mahl umlaufender Ventilator m erzeugt. Das Gehäufe
o dieſes Ventilators ift mit Sffnungen p, p verfehen, durch welche
die Enft von außen eingefaugt wird, und mündet ſich bei t in den
Schlauch x. Lepterer befigt ein Paar Thüren, u und v, zum
Herausnehmen der Baumwolle. Zuweilen bringt man hinter dem
zweiten Schläger, eben fo wie hinter dem erften, eine Siebtrom⸗
mel und einen darüber befindlichen Ventilator an; dann bleibt der
Ventilator m fammt dem Schlauche x weg, und die Baumwolle
fällt fogleich von dem. endlofen Tuche, welches fich unter der zweis
ten &iebtrommel befindet, in Geftalt einer Iofe sufammenhängen«
den Watte. in einen Korb herab.
Wie die verfchiedenen bei diefer Mafchine vorfommenden
Bewegungen hervorgebracht werden, erfieht man aus Fig. 6, wo
alle an der Hinterſeite befindlichen Theile punftirt find, und aus
#ig. 7, welche die an der vordern (dem Befchauer der Zeishpnun:
504 - - Baummwollfpinnerei.
gen zugelehrten) Seite angebrachten Räder und Rollen zeigt. Von
der Betrieböwelle der Spinnerei, welche duch eine Dampfma-
fchine oder durch Waſſer u. f. w. in Bewegung geſetzt wird, läuft
ein Kiemen ohne Ende, 6 (Fig. 6) auf eine Rolle s, an deren
Welle ſich überdieß die zwei Räder r (Big. 6) und ı (Fig. 7) be=
finden. Erfteres gibt mittelft des gefreuzten Riemend 7 dem Ven⸗
tilator m feine Bewegung; von ı aus aber läuft ein Riemen a
auf die Rolle £”, welche fi) an der Welle des erſten Schläger
(f, Fig. 6) befindet. Diefe Welle trägt zugleich noch eine andere
Molle, f’, von welcher mittelft des Riemens 3 die Rolle £ am
zweiten Schläger (f/, Fig. 6), und alfo diefer Schläger felbft, im
Bewegung gefept wird. Durch das Geſtell der Mafchine geht fer⸗
ner eine Welle, an welcher auf der hintern Seite die Rollen y
und z (Fig.6), auf der vordern Seite die Rolle 5 (ig. 7) ange⸗
bracht find. Leptere empfängt mittelft des gekreuzten Riemens 4
die Bewegung von der Betrieböwelle, von welcher dad Rad ı fie
bernimmt. Bon den Rollen y und z laufen zwei Riemen, 8 und
9, auf die Rollen e’’ und r‘, welche fi) an den unteren Riffel«
walzen e und e’ befinden. In Fig. 7 fieht man, daß am vordern
Ende jede diefer Walzen ein Betrieb oder Fleined Zahnrad (von
ı5 Zähnen) trägt, welches in ein gleiches, an der obern Walze
befindliche, hier mit e und e/ bemerftes Getrieb eingreift. Hier -
durch entfteht die gleichzeitige und gleichförmige Bewegung diefer
‚Niffelwalzen, welche die Baumwolle mit beſtimmter und unveraͤn⸗
derlicher Gefchwindigfeit zwifchen fich hineinziehen müſſen, um fie
den Schlägern zu überliefern. An den Walzen c und c’ der Zus
führtifche (Big. 6) find auf der vorderen Seite Zahnräder von 3o
Zähnen, e und c’, Fig. 7, angebracht, welche mittelft der Zwi⸗
fhenräder bh’, h’/, von den Getrieben der unteren Niffelmalzen
umgedreht werden. Die anderen Walzen der endlofen Tücher
(b, b‘, 1, $ig. 6) drehen fich bloß vermöge der Reibung mit, ohne
abfichtlicd, in Bewegung gefegt zu werden. Das legtere ift, wie
fhon erinnert wurde, auch der Fall mit der Eiebtrommel h
(Big. 6). Endlich Läuft von einer Nolle der Vetrieböwelle, 10,
Sig. 8, ein Riemen 11 auf eine Fleine Rolle am Ventilator p‘,
um dieſem die nöthige fchnelle Bewegung zu geben.'
. In Sig. 7 fieht man noch die Art, wie die oberen Riffel⸗
Schlag. und Wattermafchine. 505
walzen auf Die unteren niebergedrüdt werden, fo, Daß fie Die Baum⸗
wolle mit gehöriger Gewalt fallen, und doch etwas nachgeben
fönnen, damit, wenn dicker zufammengeballte Theile vorfommen,
biefe von ben Kerben oder Riffeln nicht befchädigt werden. Auf
dad Zapfenlager der.obern Walze drückt ein zweckmaͤßig gebogener
Eifenftab 16, und diefer geht mit feinem untern Ende durch einen
Hebel, deflen Drehungspunft bei 14 fich befindet, und der mit
einem verfchiebbaren Gewichte 15 beſchwert ift. Diefe Vorrichtung
ift natürlich an beiden Enden der Walzen angebracht.
Eine Putzmaſchine der befchriebenen Art kann in 12 Stunden
500 bis boo Pfund Baumwolle von furzhaarigen Sorten bearbei⸗
sen, wobei zur Bedienung nur eine Perfon nöthig ift, welche die
Baumwolle auf das Einlaßtuch legt. Langhaarige, begleichen
fehe unreine Baumwolle, die nur zu gröberen Garn - Nummern
verfponnen werden fol, Täßt man zwei Mahl durch die Mafchine
geben ; für fehr feine Garne aber ift dieſes Verfahren untauglich,
und man muß dafür die Baumwolle, wenn fie nach dem erſten
Schlagen in der Mafchine nicht rein genug erfcheint, durch Aus:
Iefen mit der Hand fäubern, bevor man fie auf die zweite Schlag⸗
suafchine bringt.
Die zweite Shlagmafhine, gewöhnlih Watten⸗
mafchine genannt, weil fie die Baumwolle in eine zuſammen⸗
bängende, wattenähnliche Släche verwandelt (engl. Spreading
machine oder Spreader, franzöfifch Batteur etaleur) gleicht hin⸗
fichtlich jenes Theiles, welcher die Beftimmung bat, die Baum⸗
‚wolle vollends aufzulocdern und zu reinigen, ganz der vorberges
benden. Man fieht diefelbe auf Taf. ı2 in Fig. ıı der Länge
nach ducchfchnitten gezeichnet. Die Breite beträgt wieder drei
Zuß, unter der Voraudfegung, daß die Kragen oder Kardma⸗
fhinen diefe Breite haben; in jenen Babrifen, wo die Aragmafchi-
nen mır 18 Zoll breit find, hat auch die Wattenmafchine nur diefe
Breite. Die Nothwendigfeit dieſer Übereinftimmung wird aus
dem Spaͤtern erhellen.
a ift das über die Walzen b und c gefpannte endlofe Tuch,
mit der unter demſelben befindlichen hölzernen Tafel d; e, e die
beiden Riffelwalzen; fder Schläger; g dad Blechdach über, n
ber Rechen unter demfelben ; h die Siebtrommel; i die Bedeckung
5060 | DBaumwollfpinnerei.
derfelben. Alle diefe Theile find fo befchaffen,, wie fie oben be-
fekrieben worden find. Der Schläger madıt 1300 bie 1400 Um⸗
drehungen in der Minute. Die Riffelwaljen, welche in derfelben
Zeit 16 Umdrehungen vollbringen, überliefern ihm hierdurch, da
fie 18 Linien im Durchmeſſer haben, eine Cänge von 755 Zoll oder
904 Linien Baumwolle ; ed kommen mithin 15 Schläge auf eine
Linie Baumwolle. Die Behleidung der Siebtrommel hat 36 öff⸗
wungen auf dem Quadratzoll. Unter dieſer Trommel befindet ſich
auch hier ein endlofes Tuch, welches über die Walzen.o, p, ge:
fpannt ift, und eine Tafel q unter fich bat, damit es Durch den
Drud der Trommel h nicht eingebogen werden kann. Der Ven⸗
tilator über der Siebtrommel kaun die nähmliche Einrichtung wie
in Fig. B, Taf. ı2, haben; man fann aber auch oben in jeder
Seitenwand des Gehäufes, welches die Trommel umgibt, eine
Offnung k anbringen, von diefen beiden Öffnungen hölzerne
Schläude, wiem, in die Höhe leiten, welche fich oben vereinigen, -
und hier, im Vereinigungspunfte, den Ventilator anbringen. Eiue
ähnliche Anordnung zeigt Fig. 13, Taf. ı2, im Durchſchnitte
nad) der Quere und nach der Länge des Ventilators (in legterem
nur zur Hälfte). Der Ventilator p‘ befindet fich hier unmittelbar
über der Siebtrommel h. Das Gehäufe i der legtern hat an jedem
Ende eine Öffnung k, aus welcher durch den furzen Kanal m’ und
Die Affnung o’ der Luftfteom in das Behaͤltniß des Ventilators
tritt, worauf er durch den Schlaudy q’ wieder entweiht. Die
mit einem Schieber bedeckte Öffnung n’ ift vorhanden, damit man
in dem Kanale m’ nachfehen, und zu der Schraubenmutter der
Querftange gelangen kann, welche. beide Seitenwände zuſammen
hält. 1, in Sig. 12, ift ein Thürchen, durch welches man ins
Innere des Gehäufes i gelangt, um den in der Trommel Bogen
bleibenden feinen Baumwollflaum heraus zu nehmen:
Die Baumwolle, welche durch den Drud der Trommel h
ſchon einigen Zufammenhang gewonnen hat, geht mit dem endlo⸗
fen Tuche o, p gegen zwei glatte gußeiferne Walzen r, s, bin,
welche durch fchwere Gewichte gegen einander gedeckt werden, und
ſomit der zwifchen ihnen dDurchlaufenden Watte noch mehr Feſtigkeit
geben. Beim Austritte aus dieſen Walzen wickelt fi) dann die Watte
anf eine duͤnne hölzerne Walze v, welche mit ihren eifernen Zapfen
Schlag » und Wattenmaſchine. 507
in fenfrechten Ausfchnitten des Geftellesfo liegt, baß fie in dem
Maße, wie fie durch die Umwidlung dider wird, fi) Heben kann.
Diefe Walze v ruht dabei immer auf zwei gleich großen hölzernen,
allenfalld mit Leder überzogenen, Walzen t, u, durch deren Um⸗
Drehung fie mittelft der Neibung fo in Bewegung gefebt wird,
daß die Aufwicklung der Baumwolle ſtets mit gleichfoͤrmiger Ge:
fhwindigfeit vor fich geht. Zwei Gewichte, wie x, druͤcken die
Walze v dermaßen auf t und u nieder, daß die Umwindungen
der Watte feit und dicht werden. Jeder Zapfen von v wird zu
diefem Behufe von dem obern, bafenförmigen Ende einer Eifen-
flange w umfaßt; die ımtern Enden diefer Stangen find durch
eine Querflange verbunden, und auf diefer hängen die Gewichte
x, welche fich nach Erforderniß gegen die Mitte oder nach den
Seiten hin verfchieben laſſen, jedoch immer fo angebracht werden
müffen, daß der Druck auf beide Zapfen der Walze gleich ftarf
wird.
Den etwas zufammengefepten Mechanismus, durch welchen
die einzelnen Theile diefer Mafchine ihre Bewegung erhalten, kann
man nur zum Theile aus Sig. 11 kennen lernen; es muß dazu
noch die Fig. 12, Taf. ı2, zu Rathe gezogen werden, eine Dar⸗
ſtellung jener Theile, welche fi) auf der vordern, im Durchs
fchnitte, Fig. 12, weggenommenen Seite der Mafchine, außer:
halb des Geſtelles, befinden. Die verfchiedenen Räder in Fig. 12
find mit den nähmlichen Buchftaben bezeichnet, wie die Walzen
in Sig. ı2, an welchen fie fich befinden. Man wird mit Hülfe-
dieſes Umſtandes das Verftehen erleichtert finden, wenn man ſich
Fig. ı3, jenen Buchftaben entfprechend, auf die Fig. 11 ges
legt denft.
Bon der Vetrieböwelle her gelangen zwei Riemen auf die
Wattenmaſchine. Der erfte, 5, Big. in, dreht mittelft der auf
der Hintern Seite befindlichen Rolle 4 den Schläger um. Der
gweite, 22, Big. 12, febt, mit einer Gefchwindigfeit von 36
Umdrehungen in der Minute, eine Rolle 9 in Bewegung, deren
Achfe auf der Vorbderfeite des Geſtelles eine andere Rolle B, und
auf der hintern Seite ein sAgähniges Betrieb 7, Fig. 11, trägt.
Dieſes letztere greift in ein an der eifernen Walze s befindliches
Zahnrad 6, von 144 Zähnen ein, und dreht hierdurch dieſe Walze
508 Baumwollſpinnerei.
um. Am vordern Ende hat die Achſe der Wahes ein Rad s
(Big. 13) mit 40 Zähnen; und ein gleiches Nad r, welches in s
eingreift, befindet fich an der Walze r, welche hierdurch gleich-
zeitig, und, wie ed nöthig ift, mach entgegengefegter Richtung,
umgedreht wird. Don dem Made s werben zwei kleine Räder,
38 und 19, umgedreht. Erſteres greift in das bazähnige Rad t
an der gleichnahmigen hölzernen Walze, welches wieder mittelſt
bed Zwifchenrades 17 das ebenfalld 60 Zähne u. Rad u,
und deifen Walze, in Bewegung fept.
Das Rad ı9 greift in das 40zaͤhnige Rad p an der hin-
tern Walze des endlofen Tuches o p (Big. 21) ein. Mit diefem
Made ift ein (in der Zeichnung nicht fichtbares) Getrieb von 20
Bähnen verbunden, von welchem durch die Zwifchenräder zo und
21 ein großes, 100 Zähne enthaltendes Rad h bewegt wird, wel
ches an der. Achfe der Siebtrommel h (Fig. 11) fedt, und dies
felbe umdreht.
Die Rolle 8 ſetzt mittelft eines gekreuzten Riemens 10 die groͤ⸗
Bere Rolle e’, an der untern Riffelwalze e, in Umdrehung. Die
genannte untere Walze träge, fo wie die obere, am entgegenges
festen, Bintern, Ende ein (in der Zeichnung nicht angegebenes)
s5zähniges Getrieb ; und es wird alfo, durch den Eingriff dieſer
beiden Getriebe, die Bewegung auch auf die andere Riffelwalze
übertragen. Das Getrieb der untern Walze dreht vermittelit eines
Zwifchenrades ein Rad mit 3o Zähnen an der Walze c ded Zur
führtifches um, und febt hierdurch diefe fammt dem Tuche a im
Bewegung nad) den Riffelwalgen hin. In Big. ı2 fieht man noch
den Mechanismus 14, 15, sb, welcher, fo wie in Sig. 7, die
obere Riffelwalze gegen die untere preßt; und das an dem langen
‚ Hebel 12 hängende Gewicht 13, welches, mittelft der oben haken⸗
förmigen, einen Zapfen der Walze r umfallenden Stange ıı,
jene Walze auf die Walze s niederdrüdt. Diefe zwei Befchwes
rungs⸗ Apparate find natürlich doppelt, nähmlich auf jeder Seite
der Maſchine, angebracht. Der hölzerne Zylinder v, fanımt feis
ner Umwicklung von Baumwolle, ift hier nur punftirt angegeben.
Der Gebrauch und die Bedienung der Wattenmafchine erfor
dert eine etwas ausführliche Erklärung, weil in diefer Mafchine ſchon
der Grund gelegt wird zur Vorausbeftimmung der Feinheit, welche
Schlag» und Wattenmafchine. 500 °
das ans der Baumwolle zu erzeugende Befpinnft erhalten fol. Da,
‚wie and dem Späteren erhellet, die Feinheit des Gefpinnfted
durch die Angabe des Gewichtes bei einer beflimmten Länge aus⸗
gedrüdt wird; fo muß der Babrifant während des ganzen Laufes
feiner Operationen ſtets in Kenntniß bleiben von der Länge, auf
welcher in jeder Stufe der Verarbeitung eine gewiffe Menge
Baumwolle ausgedehnt ifl. Dieſes vorausgefept, und auf Feine
audere Art, wird er im Stande feyn, bie Einrichtung und Wir:
fung feiner Mafchinen in verfchiedenen Fällen fo zu modifiziren,
daß das endliche Produft, naͤhmlich das fertige Gefpinnft (abge
fehen von unvermeidlichen geringen Abweichungen) genau den dere
langten Seinheitögrad erhält. Der Anfang diefer Rechnungsfühe
rung muß fchon bei der Wattenmafchine gemacht werden.
Man breitet daher die Baumwolle, welche auf das Einlaß«
tuch a (Big. 11) gelegt wird, nicht nur möglichft gleihförmig‘
darüber aus, fondern man beobachtet au, daß auf einen ber
fimmten Raum dieſes Tuches eine befannte und nach den Umſtaͤn⸗
den feftgefegte Menge Baumwolle fommt. Zu diefem Behufe ift
das Tuch durch deutliche rothe oder ſchwarze Querftriche in meh⸗
rere, 3. B. fünf, Abtheilungen getrennt. Man wägt die von der
Pupmafchine fommende Baumwolle in gleichen Portionen ab,
und breitet jede fo regelmäßig als möglich über den Raum einer
folchen Abtheilung aus. Die Größe der Portionen hängt, wie
fpäter erhellen wird, in gewiſſem Grade von der Beinheit de8 Ge
fpinnftes ab, welches man erzeugen will; fie fann z. B., wenn
das Einlaßtuch 3° breit, und jede feiner Abtheilungen 3° lang iſt,
16 Loth betragen. Wenn eine gewille Anzahl‘folcher Portionen,
welche zufammen eine Watte bilden follen, aufgelegt ift, laͤßt man eis
nen Streifen des Tuches Teer, damit die auf einander folgenden
Watten getrennt aus der Mafchine hervorgehen. Geſetzt, man habe
zehn Abtheilungen des Tuches zu einer Watte beflimmt; fo ift die
über eine zufammenhängende Fläche von 3o Buß Länge und 3 Fuß
Breite audgedehnte Menge Baumwolle 5 Pfund. Diefe Baum
wolle wird von den Riffelwalzen e (Fig. 11) mit der nähmlichen
Geſchwindigkeit Hineingegogen, mit welcher ſich das Tuch bewegt,
naͤhmlich 755 Zoll in der Minute. Nachdem fie die Wirkung des
Schlägerd erfahren hat, faͤllt fie gereinigt und aufgelodert auf
510 Baumwollſpinnerei.
das endloſe Tuch op, welches ſich, fo wie der mit ihm in Be⸗
rührung ſtehende Umfreis der Siebtrommel h, mit der naͤhmli⸗
chen vorhin erwähnten Gefchwindigfeit bewegt. Diefe Überein-
ſtimmung der Gefchwindigfeiten entfteht. durch die angegebene
Einrichtung des Näderwerfes, vermöge welcher die vierzöllige
Walze p in einer Minute ſechs Umdrehungen, die Trommel h
aber, deren Durchmeſſer 20 Zoll beträgt, in der nähmlichen Zeit
nur 1. 2 Umdrehung macht. Wenn fich Die, Baumwolle nicht,
durch zufällige Stockungen der Trommel, por derfelben auf dem
Tuche anhäufen, und alfo die Watte flellenweife ungleich dick
werden foll, fo iſt ed unerläßlich, die Bewegung der Trommel,
unabhängig von der Reibung an dem Tuche, durch daß Raͤder⸗
werf zu bewirken. Diefe Einrichtung wäre fogar an der Putzma⸗
ſchine vorzuziehen, obgleich es dort nicht auf die gleichförmigfte
Vertheilung der Baumwolle anfommt. Die eifernen 4 Zoll diden
Walzen r, s, und die.bölzernen Zylinder t, u, mit einem Durch⸗
meifer von 6 Zoll, befigen, da eritere 6, Teßtere vier Umdrehuns
gen in der Minute machen, einerlei Umfangögefchwindigfeit une
ter fih, und mit der Walze p, fo wie mit den Riffelwalgen e;
fie ziehen daher die Watte mit eben jener Gefchwindigfeit aus der
Mafchine hervor, mit welcher die Baumwolle in diefelbe eintritt.
Die) Reibung der Walzen t u an dem hölzernen Zylinder v bes
wirft die Umdrehung des letztern, und folglich die gleichförmige
‚Aufwidlung der Watte auf denfelben. Da beim Auflegen der
Baumwolle von 10 zu 10 Portionen ein Zwifchenraum gelaifen
worden ift, fo hat man, ohne die Mafchine ftill ftehen zu Laifen,
Zeit genug, nach Beendigung einer Watte die damit angefüllte
Walze v herauszunehmen, "und durd eine andere, leere, zu ers
feßen, auf welche ſich nun die nächfifolgenne Watte eben fo aufs
widelt. Man nennt eine folche volle Walze einen Pad, und
legt eine gewiffe Anzahl derfelben mit den Zapfen über und neben
einander in ein paſſendes Geſtell, bevor man fie, Behufs der weis
tern Verarbeitung, zur Rragmafchine bringt.
Beim Auswechfeln der Walze v müllen die Gewichte x,
welche diefelbe niederdrüden, in die Höhe gehoben werben,
Dieß gefchieht mittelft eined Hebels z, der feinen Drehungspunkt
bei ı, in einer die ganze Breite der Mafchine einnehmenden Wele,
Schlag. und Wattenmafcine. s11
bat. Cine zweite folche Welle, 3, an welcher dee Hebel: gleich:
falls befeftigt ift, geht durch die untern Öffnungen der eiferuen
Gewichtſtangen w. Wenn man daher z aufhebt, fo werden auch
die Gewichte x fammt ihren Stangen w gehoben, und letztere
geftatten nun das Herauönehmen der Walze v. Zur Bequemlich-
feit legt man, fo lange dieſes Auswechfeln Dauert ‚die Welle 2
in einen KHafen.y, der ſich hinten am Geſtelle der Maſchine bes
findet. Diefe Lage der Theile zeigt Fig. ı2.
Eine Battenmafchine von den angenommenen Dimenfonen
liefert, wenn die Auflage für jede Abtheilung des Einlaßtuches
ı6 Loth beträgt, in 44 Minuten einen Pad oder eine Watte von
3o Fuß Länge, und (von dem unbedeutenden Abfalle abgefehen)
5 Pfund Gewicht. In a2 Stunden werden daher leidht 130
Päde verfertigt, und 650 Pfund Baumwolle verarbeitet. . Dabei
find zwei Perfonen nöthig, um die Baumwolle auf das Einlaße
tuch zu verbreiten; eine dritte verrichtet dad Abwägen der Baum⸗
wolle, und die Auswechslung der vollen Walzen gegen leere.
Die Wattenmafchinen haben nicht durchaus die oben befchrie-
bene Einrichtung, und find zuweilen felbjt in wefentlihen Punk⸗
ten verfchieden. Eine folche Abänderung befteht darin, daß man
öfter außer den hier abgebildeten und erflärten Theilen noch zwei
Paar Riffelwalzen anbringt, und die Baumwolle mit größerer
Sefchwindigfeit durch die Maſchine und aus derfelben hervor ger
hen läßt, als fie Hineingezogen wird. Das eine Paar jener Wal:
sen, welche den in ig. sı mit e, e, bezeichneten gleich find,
wird ganz unmittelbar und nahe hinter diefen leptern angebracht,
dreht fich aber mit größerer Gefchwindigfeit, z. B. im Verhaͤlt⸗
niſſe wie 3 zu 2. Die natürliche Folge hiervon ift, daß jede
3 Zoll Baumwolle, welche das erite Walzenpaar vom Einlaßtuche
wegnimmt, zwifchen ihm und dem zweiten Paare zu 3 Zoll aus⸗
gedehnt werden. Von der finnreichen Anwendung geriffekter Wal:
zen zu diefem Zwecke, weldye Die Grundlage der jetzigen Maſchi⸗
nenfpinnerei ausmacht, wird bald ausführlicher die Rede ſeyn (f.
die Dritte Operation). Man erlangt hierdurch im gegen-
wärtigen Falle den Bortheil, daß eine gleich duͤnne MWatte.mit
ſtaͤrkerer Auflage erzeugt werden kann, folglich bei unveränderter
Anzahl ber arbeitenden Perfonen in gleichen Zeit mehr Watte ges
512 Baumwollſpinnerei.
liefert wird, Ein anderer Nugen dieſer Einrichtung beſteht darin,
daß durch die Statt findende Stredung, wobei dia Baumwollfa⸗
fern neben einander vorbei gleiten, der Parallel» Legung derfel-
ben durch das Kratzen vorgearbeitet wird. Das andere Paar
Hiffelwalzen wird unmittelbar vor den Preßwalzen r, s (&ig. 11)
angebracht. Es nimmt die Baumwolle von dem Zuche o p auf,
und überliefert fie, fchon in einem gewillen Grade zufammenge-
drückt, den Walzen r, s. Diefen legteren gibt man eine um we⸗
nig größere Umfangdgefchwindigfeit, ald den erwähnten Riffel⸗
walzen, fo wie den Zylindern t, u wieder eine etwa® größere Ge⸗
fhwindigfeit als r und s. Hierdurch entfleht noch eine zweimah⸗
lige, aber geringere Stredung, welche zugleich den Nugen hat,
daß die Watte ſtets ficher gefpannt bleibt; und die Baumwolle
geht, ungefähr auf das Doppelte des beim Eintritte von ihr bes
deckten Raumes verlängert, aus der Mafchine hervor, um fich
aufzuwicdeln Um der Aufmerffamfeit der Arbeiter zu Hülfe zu
fommen, bringt man gewöhnlich eine Vorrichtung an, welche den
Augenbli anzeigt, wo eine Watte beendigt iſt. Die Achfe der
Siebtrommel beſitzt hierzu an einem ihrer Enden ein Paar Schrau⸗
bengaͤnge, welche in ein gezahntes Rad eingreifen, und das
ſelbe bei jeder Umdrehung der Trommel um einen Zahn weiter
ſchieben. Ein auf der Flaͤche des Rades ſtehender Stift hebt
hierdurch einen Hammer, deſſen Stiel er begegnet, auf, und
laͤßt ihn, wenn die Trommel ſo viele Umdrehungen gemacht hat,
als zur Vollendung einer Watte erfordert werden, auf eine Glocke
fallen. Bei dieſer Einrichtung werden die Watten nicht durch ei⸗
nen leeren Zwiſchenraum von einander getrennt (weil dieſer von
der Trommel mit gemeſſen wuͤrde); ſondern man legt die Baum⸗
wolle ohne Unterbrechung auf das Einlaßtuch, und laͤßt im Au⸗
genblicke, wo der Hammer ſchlaͤgt, durch Verſchiebung des Rie⸗
mens 32 (Fig. 12) auf die Leerrolle, die Maſchine ſtill ſtehen,
dis man die Watte hinter den Zylindern r, s abgeriſſen, und am
die Stelle von v eine neue Walze eingelegt hat.
Die Baumwolle erleidet bei der im Vorhergehenden befchries
benen erften Operation des Auflockerns und Reinigens eine Ges
wichtöverminderung, welche hauptfächlich von der Abfonderung
Des Staubed und der übrigen Unreinigfeiten, zum Theil aber
| Kragen, Kratzmaſchinen. 515
auch von weggefommenen Baumwollfaſern herrührt˖ Diefer
Schlag: und Pugabfalt if, Hinfichtlich feiner Dienge, ganz
natürlich verfchieden nach der größern oder geringern Reinheit der
rohen Baumwolle, fo wie nad) der mehr oder minder forgfältigen
Bearbeitung ; und da die leptere zum Theile ſich wieder nach der
Feinheit des zu ergeugenden Geſpinnſtes richtet, fo hat auch dies
fer Umftand einen gewillen Einfluß. Nach den in einer der vor⸗
züglichften öfterreichifchen Spinnereien mit egyptifcher Baumwolle
(Mafo) gemachten Erfahrungen leidet diefe Sorte im Durch»
ſchnitte 4 bis 5 Prozent Abfall, davon ungefähr ı Prozent bei
der Bearbeitung im Velow (&. 494), und das Übrige in den
beiden Flackmaſchinen (dem Batteur Eeplucheur und etaleur).
Der Abfall aus dem Velow ift, als bloß aus den gröbften Unrei⸗
nigfeiten beitehend, unbenugpbar. Der Abfall von den Flackma⸗
ſchinen theilt fih in den Nechen=- Abfall (der unter den Bits
tern oder Rechen der Schläger gefammelt wird) und in den mit
ganz kurzen Baumwollfäferchen vermengten Staub, welcher fidh
in dem Staubfaften (©. 503) anhäuft. Lebterer, der nur etwa
den zwölften Theil des Ganzen ausmacht, und bei der Watten«
mafchine viel weniger als bei der erftien Flackmaſchine beträgt,
wird weggeworfen; der Nechen» Abfall aber wird Durch einen mit °
eng aneinander fiehenden Leiften verfehenen Tifch, oder im Velow
gefiebt, daß Durchfallende weggeworfen, und was von Baumwolle
fafern zurücdbleibt, unter dem Nahmen Durhfchlag an Deden-
macher zum Verbrauch überlaflen.
Zweite Dpyeration.
Das Kratzen.
Wenn durch da Schlagen aus freier Hand, oder durch die
Bearbeitung in den unter der vorigen Operation befchriebenen Ma:
fhinen, die Baumwolle von Unreinigfeit größtentheils befreit,
und bis zu einem gewiſſen Grade aufgelodert ift, fo wird fie ge:
fragt (gefrempelt oder geftrichen): eine Operation,
welche, neben der Abfonderung der noch vorhandenen Unreinigs
feiten, hauptfächlich den Zwed hat, die Faſern noch mehr aus
einander zu ziehen, und in eine parallele Richtung neben einan-
ber zu legen. Hierzu find eigene Mafchinen beftimmt, welche
Tepnol. Encyciop. I. Bd. 33
s
514 Baummwollipinnerei. -
man Kragmafchinen, Kragen, Rrempelmafdhinen,
Streihmafchinen oder Karden (engl. Carding engines,
franzöf. Machines a carder) nennt. Das Wefentliche diefer
Maſchinen befteht (fo wie bei den ehemahls gebräuchlichen Hand⸗
fragen) in der Gegeneinanderwirfung von Blächen, welche mit
hafenförmigen elaftifchen Drahtſpitzen befest find. Diefe Häfchen,
welche aus hart gezogenem, fteifem Cifendraht befteben, haben
die Größe und die Geftalt wie Fig. 9, Taf. »3, indem immer
zwei derfelben aus Einem Stüde verfertigt find. Sie werden
in Leder dergeftalt reihenweife eingeſtochen, daß die Hafen
auf einer Seite gleich hoch vorſtehen, indeß das Auerflid c d
die hintere Fläche des Leder berührt; und mit den fo vorgerich«
teten Lederflüdien werben geeignete frumme oder ebene Flächen
überzogen, welche. beflimmt find, die oben angezeigte Wirfung
auf die Baumwollfafern heroorzubringen. Gefegt man habe eine
ſolche Kratze a (Big. 10, Taf. 33), und eine zweite b, deren
Zähne nach entgegengefegter Richtung geftellt find; die von den
Draͤhten gebildeten Blächen feyen parallel, und einander fehr nahe
geftellt, und ;wifchen denfelben befinde fich etwas Baumwolle.
Es werde nun a in der Richtung des Pfeild (d. h. fo, daß die
Spipen der Zähne vorausgehen) bewegt, indeflen b feit liegt,
oder ſich nach entgegengefepter Richtung "bewegt. Jedes Fleine
Klümpchen Baumwolle, . weiches diefen Umfländen ausge⸗
fegt ift, muß die Wirkung Davon erfahren, und Iegtere ift
offenbar. Die Zähne von a fuchen die Faſern mit ſich fort zu
nehmen, wogegen die Zähne von b fie zurücdhalten, oder nad)
der gerade entgegengefegten Seite hinziehen: jede der beiden
Kragen eignet fich einen Theil der Baummolle an, und das anges
nommene Klümpchen wird aus einander gezogen, : wobei nothwen⸗
dig die Faſern ſich von ſelbſt nad, jener Richtung ausſtrecken, in
welcher der Zug geſchieht. Wird dieſe Bewegung oft genug wie
derhoßlt, oder lange genug fortgeſetzt, fo erfolgt endlich die voll⸗
fommene parallele Lage der Faſern, welche man zur Abficht ge-
habt hat. Haͤngt an den Zähnen der Krabe a Baumwolle, an
jenen von b nicht, fo wird erftere einen Theil davon an b ab«
feben, felbft in Dem alle, wenn b ſich nach der nähmlichen Mich«
fung wie a, nur mit geringerer Gefchwindigfeit, bewegt. ‚Sind
Vorkratze. 515
Die Kratzen fo geſtellt, daß die Spitzen ihrer Zähne nach der
naͤhmlichen Seite geneigt find, wie in Sig. 11; und läßt man
a fi) nad) der Richtung des Pfeiled beivegen, während b ftill
ſteht, oder Tangfamer in eben diefer Richtung fortgeht; fo
fammt a alle Baumwolle aus den Zähnen von b heraus, da
diefelbe Hier durch nichtö gehalten wird. Die Kenntniß diefer
verfhiedenen Erfolge bei Verfchiedenheit der Umftände ift zum
Verſtehen der Kragmafchinen unentbehrlich. Über die Verferti⸗
gung!der Kragen oder Krempeln wird übrigens im Art. Krem⸗
peln das Nöthige vorfommen.
In der Regel reicht das eininahlige Kragen nicht Gin,
der Baumwolle Loderheit und Reinheit, und ihren Bafern die
parallele Lage, in jenem Grade zugeben, der für die weitere
Bearbeitung erfordert wird; man verrichtet daher gewöhnlich das
Kragen zwei Mahl, und bedient fich hierzu zweier, nur. wenig
von einander verfchiedener Mafchinen, nähmlih der Vorkratze
und der Feinkratze.
Die Vorkratze (Brobfarde, engl. Breaker oder
Breaking Card, franzöf. Briseur oder Carde en gros) hat, wie
der Durchfchnitt, Fig. ı (Taf. ı3) zeigt, in den Haupttheilen
viele Ähnlichkeit mit dem oben (&. 491) befchriebenen Wolfe.
Auch hier findet man nähmlich eine große hohle Walze ober
Trommel f, die an beiden Enden durch hölzerne Böden ge-
ſchloſſen ift, und in einem Geſtelle liegt, deſſen unterer Theil ei»
nen ringsum mit SBreterwänden verfehenen Kaften bildet. Die
Oberfläche diefer Trommel ift ganz mit Krempeln befegt, deren
Zähne nach der nähmlichen Richtung geftellt find, in welcher Die
Bewegung Statt findet. Über der Trommel find flache, zue
Verhinderung ded Werfend aus drei Holzdicken zufammenges
leimte Breter g angebracht, Die fo genannten Dedel (Kratz⸗
deckel), welche ein bogenförmiges Dach über der Trommel bil
den, und auf eine ähnliche Art wie die Dedel des Wolfes
(5. 492) an ihrer Stelle feflgelegt werden. Die nach unten ge»
fehrte Fläche diefer Dedel ift gleichfalls mit Kragen befept, der
ren Spitzen jenen der Trommel entgegen geſtellt, und von den⸗
felben nur fehe wenig entfernt find. Wenn nun Baumwolle in’
den Zähnen der Trommel fich befindet, fo wird diefelbe, da fie
33 *
516 ! Baumwollfpinnerei.
zum Theil an den Zähnen der Dedel im fchnellen Vorübergehen
hängen bleibt, auf die oben befchriebene Weife aus einander ges.
.. zogen, rüdt dabei allmählid) von Zahn zu Zahn an den Dedeln
fort, und geht endlich von dem legten Dedel, fehr aufgelodert
und fchon mit ziemlich paralleler Lage der Faſern, hervor.
- Die Baumwolle kann der Kragmafchine auf verfchiedene Ars
ten zugeführt werden. Die ältefte, und noch jebt hin and wieder
gebräuchliche Art ift in der Zeichnung angegeben. Die Baums
wolle wird nähmlich auf ein endlofes, um die zwei hölzernen
Walzen b, c, gezogenes, und durd) dad Gewicht einer dritten,
eifernen: Walze d geſpanntes Leinentuch a gelegt, und durch defr
fen Bewegung gegen die Trommel hin geführt. Hier nehmen
zwei Heine, eiferne, geriffelte Walzen e, e,-fie auf, um fie
langſam und gleichförmig der Kragtrommel £ darzubiethen. Ein
Gewicht g‘ drüdt die obere Walze e auf.die untere herab. Das
mit man im Stande fey, eine fo viel möglid) gleiche Wertheilung
der Baumwolle zu bewirken — fowohl während des Kragend auf
der Trommel, ald nad) demfelben in der Watte oder dem Bande,
worein die Maſchine fie verwandelt — ift das Einlaßtuch a (wie
bei der Wattenmafchine, S. 509) durch Striche in mehrere Ab»
theiluiigen getrenut, auf deren jeder man eine gewogene Menge
Baumwolle (3. ®. 6 bis 12 Loth auf einem Raume von 30 Zoll
Länge) recht gleichförmig mit den Händen ausbreitet. Um diefe
Arbeit, wozu bei jeder Krage eine eigene Perfon erfordert wird,
zu befeitigen, hat man zuweilen die Baumwolle auf lange Tücher
audgebreitet,. und biefe zufammengerollt vor die Kragmafchine
gebracht, wo dad Tuch a durch eine fürzere hölzerne Tafel erfegt
war. Hier wurde beim Fortgange des Kragen das Tuch all«
maͤhlich wieder abgerollt und weggeleitet, die Baumwolle von
demfelben aber Durch die Riffelmalzen e, e, abgenommen. Spaͤ⸗
ter verrichtete man dad Zufammenrollen nicht mehr aus freier
Hand, jondern mittelfi einer Mafchine(Watrtenroller, Widel:
maſchine, engl. Spreading engine, franzöf. Etaleur oder
Chargeur), dem Wefentlichen nach von der in Fig. 8 (Taf. 13)
durchfchnittweife abgebildeten Einrichtung. Zwei glatte eiferne
Walzen, r, s, ziehen hier das lange, durch Striche eingetheifte
Stück Wachstnuch mit der Darauf auögebreiteten Baumwolle zwi⸗
Borfraße. 517
«
ſchen fi hinein, und führen es einer Heinen Holzernen Walze v
zu, welche auf zwei andern hölzernen Zylindern, t, w, ruht,
und durch Gewichte auf diefelben herabgepreßt wird, damit das
Zud feft genug ſich herumrolle. Die Walzen t und u erhalteh
mittelft verzahnter Räder eine Drehung nad) der durch die Pfeile
angegebenen Richtung, und durch ihre Reibung wird auch der 39:
Iimder v umgedreht, welcher, fo wie er durch die Umwicklungen
feinen Durchmeiler vergrößert, fich in dem Geftelle heben kann.
Diefe Mafchine ift für den eben erwähnten Zwed außer Gebrauch
gefommen, feit man durch die Anwendung der Wattenmafchine
oder deö Batteur etaleur (&. 505) die Baumwolle ohne Mit-
hülfe eines Tuches in zufammenhängende Rollen verwandelt; fie
wird aber dagegen zu einem andern Behufe gebraucht, von dem
fpäter (S. 523) die Rede ift. In denjenigen Spinnereien, wo der
Batteur etaleur eingeführt ift, werden die von letzterem geliefer-
ten Päde (S. 510) an die Stelle des endlofen Tuches (a,
Fig. ı „ Taf. 13) gebracht, uud mit den Zapfen in gabelförmige
Zräger eingelegt; der Anfang der Watte wird dann zwifchen bie
Kiffelmalzen c geftecft, durch deren Bewegung nach und nad) Die
ganze Watte abgewidelt, und der Kratztrommel zur Bearbeitung
überliefert wird. Diefe Einrichtung ift oͤkonomiſch, weil fle
die fonft zum Auflegen nöthigen Arbeiter erfpart ; aber man
bat bemerkt , daß die in den Watten ſtark zufammengepreßte
Baumwolle, wegen ded größeren Widerſtandes, welchen fie
dem Auseinanderziehen entgegenfeht, ſchneller die Kragen gu
Grunde richtet. '
Dad Kraben felbft gefchieht, auf welche Weile auch Die
Baumwolle zugeführt werde, ſtets auf Die nähmliche Art, naͤhm⸗
lich durch die fchon erflärte Zufammenwirfung der Zrommel f und
der Deckel g, g. Es ift hierbei von wefentlichem Nupen , die Mifr
felwalzen e fo Hein zu machen, und der Aragtrommel fo nahe zu
ftellen,, daß der Abftand von der Berührungslinie der Walzen bis
zur Oberfläche der Trommel etwas Meiner ift, als die mittlere
Länge der Baumwollfafern. Denn hierdurch bewirkt man, daß
die Zähne der Trommel nur einen Theil der Fafern mit ſich neh⸗
men, nähmlicd, jenen, der nicht mehr von den Walzen feſtgehal⸗
ten wird; und es entſteht ein wirkliches Ausfämmen der Baum⸗
518 Kaummwollfpinnerei.
wolle, welche nun gleihförmiger und ſchon etwas aufgelodert auf
die Trommel gelangt. Um die .gefrabte Baumwolle in dem Maße
wieder abzunehmen, als neue der Mafchine zugeführt wird, if
eine zweite mit Kraben überzogene Walze h angebracht, welche
man die Fleine Trommel nennt, zum Unterfchiede von der
großen Trommel f. Die Zähne von h find jenen von fent:
gegengeftellt, und h dreht fich, verglichen mit f, fo langſam,
daß fie in Bezug ‚hierauf faft ald ruhend angefehen werden kann.
Der Erfolg diefer Anordnung befteht darin, daß die geoße Trom⸗
mel allmählich die Baumwolle an die Zähne der Heinen Trommel
abfest, letztere fi alfo damit anfüllen. An der Seite von h,
welche der großen Trommel entgegengefept ift, befindet fich bei i
der fo genannte Abnehmer, eine aufund abbewegliche, kamm⸗
artig feingezahnte. Stahlfchiene, welche fo Tang ift ale die Trom⸗
melh, und mit der Achfe derfelben parallel liegt. Diefer wich«
tige Theil der Krapmafchine ift zwifchen zwei fenfrechten Stangen .
k befeftigt, die fich zu beiden Seiten der Mafchine befinden, und
von welchem jede unten mit einer Kurbel m, oben ‚mit einem um
den Punkt q’/ beweglichen Arme 1 verbunden iſt. Die beiden Kur:
bein m befinden ſich an einer eifernen Achfe, welche quer hinter
dem ganzen Geftelle der Mafchine vorbeigeht, und nad) einer ſol⸗
chen Richtung umgedreht wird, daß der ſchnell auf: und nieder
fteigende Kamm i beim Hinaufgehen fich ein wenig von den Zaͤh⸗
nen der Trommel h entfernt, beim Herabſteigen aber diefelben
berührt, und indem er äußerft wenig zwiſchen fre eindringt, an
ihnen vorbei gleitet. Diefes Vorbeigleiten bewirkt, daß bei jedem
Zuge des Kammes ein 10 bis ı2 Linien breiter Streifen Baume
wolle von der ganzen Länge der Trommel auf Ein Mahl abgelö-
fet wird. Während dem nächften Hinaufgehen des Kammes rückt
der Umfreid der Trommel h um ein Stüc von der angegebenen
Größe weiter fort; der folgende Streich des Kammes löfet daher
wieder einen eben fo breiten Streifen Baumwolle ab, der mit
dem vorigen zufammenhängt, und fo entfteht allmählich (indem
ſtets nur die untere Hälfte des Umfreifes von h mit Baumwolle
gefüllt bleibt) eine ununterbrochene, aͤußerſt dünne und lodere
Watte (ein fo genanntes Vließ) von der Breite der Trommel
h, welche zugleich die Breite der großen Trommel f, und übers
Borkrage. 519
haupt der ganzen Mafchine if. Diefe Watte wird bei manchen,
nahmentlidy bei den älteren, Kratzmaſchinen nad) einer glatten
hölzernen Trommel n hin geleitet, und widelt fi), durch die
langfame Umdrehung derfelben, Hier auf, indem eine kleine, auf
n liegende Walze o, durch ihr Gewicht die Regelmäßigkeit und
Dichtigkeit der Aufwidlung befördert. Dan läßt die Trommeln
ungefähr 20 Umdrehungen machen, d. 5. eben fo viele Umwin⸗
dungen der feinen Watte um fich aufnehmen; danıı wird dieſer
Überzug an einer Stelle des Umkreiſes in gerader, mit der Achfe
paralleler Linie aufgeriffen, und man erhält fomit eine dickere
Watte, deren Länge dem Umkreiſe von ,n (ungefähr fünf. Zuß),
und deren Breite der Länge der Trommeln.gleich ift. Diefe Watte
wird abgenommen, und auf die Beinfrape gebracht, um zum weis
ten Mahle gekrempelt zu werben. Die neueren Vorkratzen find
fo eingerichtet, daß fie die von dem Abnehmer gebildete dünne
Watte in ein fchmaled Band verwandeln, und befigen hierzu
genau denfelben Diechaniömus, welcher fogleich bei den Bein-
ragen wird befchrieben werden:
Auf folgende Weife wird die Bewegung aller in der Zeich-
nung angegebenen, und bisher befchriebenen Theile der Kratzma⸗
ſchine hervorgebracht. Die Achfe der Trommel f trägt eine große
Rolle q, mittelſt welcher fie Durch den von der Betrieböwelle der
Spinnerei fommenden Riemen p in Umdrehung gefegt wird.
Ihre GSefchwindigfeit bei diefer Bewegung beträgt go bis 100
Umläufe und darüber, in der Minute. Auf der Seite der Ma⸗
fihine, welche in der Zeichnung die hintere ift, befindet fich,
nebft q, an der Achfe von £ noch eine etwas Feinere Rolle r,
welche mittelft des gefreuzten Riemens s und der Rolle t die Achfe
in Umdrehung bringt, deren Kurbeln den Abnehmer i, ungefähr
250 Mahl in der Minute, auf und nieder ziehen. Die Feine
Zrommel h erhält ihre Bewegung (beiläufig 5 Umdrehungen in
jeder Minute) vermittelt eines auf der vorderen Seite angebrad)-
ten, in der Zeichnung punktirten, Näderwerfes. Ron einem an
der Achfe der Trommel £f befindlichen Getriebe wird naͤhmlich ein
Zahnrad u und ein mit demfelben verbundenes kleineres Rad ums»
gedreht. Letzteres greift in ein großes Rad v ein, deſſen Achfe
eine Rolle w trägt; und dieſe endlich treibt mittelft eine® gekreuz⸗
520 Baumwollſpiunerei.
ten Riemens bie größere Rolle x an der Trommel k. Von diefer
Trommel aus wird die Wattentrommel n mittelft der Rollen y,
z, und des gefreuzten Riemens a‘, dergeftalt umgedreht, daß
der Umkreis von n ſich entweder genau fo fchnell, oder beffer ein
Hein wenig fchneller bewegt, als der Umkreis von h. Ein andes
. rer Mechanismus pflanzt die Bewegung auf die Riffelwalzgen e, e,
fort. An der bintern Seite trägt nähmlich' die Achfe der Trom⸗
mel h ein kleines Kegeltad b/, mittelft deffen ein anderes, aͤhnli⸗
ches Rad, c/r umgedreht wird.. Diefes befindet fich an der fehräg
liegenden Achfe d’, deren unteres Ende ein Fonifches Getrieb e/
befigt, und mittelft deafelben das an der untern Niffelwalze ans
gebrachte Kegelrad f! bewegt. Die / Walze macht in einer Minute
‚ beiläufig 12 Umdrehungen; ihre Umfangögefchwindigkeit ift (bei
dem Ducchmeffer von 15 Linien) etwa 1900 Mahl geringer ald
die Unmfangsgefchwindigfeit der großen, und 40 Mahl geringer
ald jene der Heinen Trommel. Xorn bat jede Riffelwalze ein Ge⸗
trieb, und indem diefe zwei Getriebe in einander eingreifen, er⸗
halt die obere Walze jeine gleich fchnelle Bewegung. Das Ge⸗
trieb der untern Walze bringt zugleich mitteljt eines Zwifchenras
des und eines Rades an der Walze b diefe lebtere, und durch fie
dad Tuch a in Umlauf: auf die nähmliche Weife, wie dieß bei
der Vefchreibung der Flackmaſchinen angegeben worden ifl.
(S. 504, 508).
Das Näderwerf der Kragen wird jest auch häufig auf fol⸗
gende Weife, mit Erfparung der Kegelräder, eingerichtet. An bie
Achfe der großen Trommel fommt, wie in Fig. ı, ein auszuwech⸗
felndes Getrieb, 3. B. von 24 Zähnen, welches in ein Rad von
198 Zähnen eingreift. An der Achfe dieſes letztern befindet ſich
wieder ein a4zähniges Betrieb, und diefes fegt ein zweites Rad
von 198 Zähnen in Bewegung, welches fich an der untern Rifs
felwalze befindet. Auf der andern Seite greift das erwähnte Ge:
trieb der großen Trommel in ein Rad mit 130 Zähnen, an deſſen
Achſe ein Betrieb von 36 Zähnen (welches gewechfelt werden kann)
fit. Von diefem Getriebe wird ein zweites Rad, und durch letz⸗
teres endlich ein dritte Rad an der Heinen Trommel in Umdre⸗
Hung gefegt. Dieſe beiden Räder haben ebenfalls 130 Zähne.
Die Geſchwindigkeit der verfchisdenen Theile an der Kratz⸗
Germfrake. sau
mafdyine,, weiche oben beiläufig angesehen if, Heiht wicht fuer
genau besfelbe. Richt wer, daß man die große Trommel, vom
weidyer alle übrigen Theile die Wewegung hernebnen, nach der
verfchiedenen Länge und Reinheit der Ruaummolle bald mehr kald
weniger Umdrehungen in einer beitimmten Zeit machen läßt: few
dern and) das Verhaltniß der Gefchwindigteiten zwiſchen den
Riffelwalsen e und der großen Trommel, fo wie zwiſchen biefer
und der Fleinen Trommel, wird zuweilen abgeändert, indem man
au der Stelle von e’ und am der Achfe der großen Krommel Ge
triebe mit mehr oder weniger Zähnen andringt. Je fehneller ſich
Die große Trommel im Vergleich mit den Riffelmalzen und mit
der Meinen Xrommel dreht, deite mehr wird die Baumwolle bei
- ihrem Verweilen in der Mafchine gekraht. Lange Baumwolle
muß ſtaͤrker gefragt werben, als kurze, weil fich ihre Bafern nicht
fo fchnell und leicht parallel legen.
Die Feinkratze (Auskarde, engl. Finisher oder Fi-
nisbing Card, franzöf. Finisseur oder Cardo en fin), auf wele
cher die Baumwolle zum zweiten Mahle gefrempelt wird, unter:
fcheidet fi von der Vorkratze dadurch, daß ihre Garnitur (fo
nennt man die Bekleidung von Drabthäfchen) aus feineren und
engeren Zähnen befteht, und daß fie ohne Ausnahme Bänder (und
Seine Watten mehr) aus der Baumwolle bildet, Die zu dem leht⸗
genannten Zwede dienlicdye Einrichtung zeigt auf Taf. 13, Big. 4
im Aufriffe von der Seite, und Fig. 5 im Grundriffe Die auch
in Sig. ı vorfommenden Theile find bier mit denfelben Buchftaben
wie dort bezeichnet. Die Trommeln, Big. ı, fammt ihrer klei⸗
nen Walze o, bleibt. weg. Dafür Läuft die unter dem Abnehmeri
hervorgehende zarte Watte (dad Vließ) durch einen flachen Trich⸗
tern von Weißblech, wo fie in ihrer Breite zufammengedrüdt,
und in ein Band vertvandelt wird. Zwei meflingene oder elferne
Walzen, von welchen man die obere bei u in beiden Figuren fleht,
nehmen diefed Band zwifchen fich auf, sieben es aus dem Trichter
hervor, und laſſen e8 in eine untergeftellte, 24 bis 30 Zoll hohe
zylindeifche Blechfanne h’, oder in einen eben fo geftalteten Korb
fallen. Man macht diefe Zugwalzen (deren Umkreis fih um fehr
wenig fchneller drehen ſoll als der Umkreis der Pleinen Trommel)
entweder etwas breit und ganz gerade (f. Big. 5), oder, wad
522 - Baumwollfpinnerei.
beſſer ift, man macht fie nur ſchmal, dreht die Peripherie der un-
tern rinnenförmig ein, jene ber obern aber rund, fo, daß fie in
die erwähnte Rinue paßt. Das Baumwollenband erhält hierdurch
mehr Sleichförmigfeit in der Breite, weil ed nicht auf die Seite
ausweichen fann. Die obere Walze ruht mit ihrem Gewichte auf
der untern, und dreht fidy nur vermöge der Reibung mit. Die
Achfe der untern Walze wird entweder mittelft einer Rolle z und
eined gefreusten Riemens von der großen Rolle y (Fig. 5) umge⸗
dreht, welche fich Hinter x an der Trommel h-befindet; oder man
gibt: ihr ‚Die Bewegung mittelft Verzahnung, indem man ein au
der Fleinen Trommel befindliche großes Rad in ein Zwiſchenrad,
dieſes in ein zweites Zwifchenrad, und letzteres, endlich in ein
Feines Rad an der Zugwalze eingreifen läßt.
Wenn die Vorfrage die in Fig. ı abgebildete Einrichtung
hat, alfo eine kurze Watte liefert, fo wird dieſe bei Der Feinkratze
über ein (an der Stelle des endlofen Tuches a angebrachtes) Bret
‚den Riffelmalzen e dargebothen. Wenn aber fchon die Vorkratze
Bänder geliefert bat (wie es jeßt bereitö faft allgemein der Ge:
brauch iſt); fo vereinigte man diefe zu einer Watte, rollt legtere
nm eine hölzerne Walze, und biethet fie fo auf diefelbe Weiſe der
Seinfrage dar, wie die vom Batteur etaleur fommenden Watten
der Vorkratze dargebothen werden (©. 517). Zur Vereinigung
der Bänder in eine breite Watte dienen die fo genaunten Qappimg-
Mafchinen (engl. Lapping engines), wovon man zwei Arten
nach einander anwendet.
Die erite Lapping-Mafchine,, von welcher Big. b (Taf. ı3)
der Aufriß ift, vereinigt mehrere der von der Vorkratze verferkig-
ten Bänder in ein einziges breitere Band. Sie befteht aus zwei
glatten Walzen, a und b, deren Zapfen in den Spalten der oben
am Geftelle d befindlichen Träger c, c, liegen. Die untere Walze
wird Durch eine an ihrer Achfe befindliche Niemenrolle umgedreht,
die obere aber mittelft eines Gewichtes auf jene niedergebrüdt.
In der Zeichnung ift weder die Rolle noch das Gewicht zu fehen.
Die aus einem glatten Brete oder aus Blech beftehende Tafel e
ift bei £ um ein Gewinde an dem Geftell beweglich, und bei ı. mit
telft der Ziehftange g h mit der Kurbel j zufammengehängt ; letz⸗
tere erhält ihre Umdrehung von dem Betriebe m der Walze b mit«
Saspung : Mafchinen, S23
seh der Röter 1 und h. Lürrturb wirt eine Ianafame efcillirente
Vemegung ter Zefel e hervorgebracht, weiche, mean fie am wei-
tefüra ji vom Gejlele enrierut bat, tie derch puntktiret Aaien
von ıB Zoll Breite zu bilden, 422 Bänder mit einander vereinigt.
Drau Reit Daher firben biecherne Kanuen oder auch Küche, we .
bei 0, o, zwei angegeben find, mit eben jo vielen einfachen Win:
dern vor der Lapping:Mafchine auf, wimmt die Enden aller Win:
der zufammen, umd leitet fie parallel neben einander liegend durch
eine biecherne Rinne n nad) den Walzen a, b, hin. SIudem fir
jwifchen diefen durchgehen, werden fie etwas der Wreite nach aus
einander gedrüdt, und vereinigen fi) en deu Rändern vollkom⸗
men ;u einem etwas mehr ald firben Mahl fo breiten Bande,
Diefes gleitet über die Tafel e hinab, und fällt in dem vieredigen
Kaften oder Becher p, wo es ſich vermittelit der Ofeillation der
Tafel regelmäßig im Zikzak hin und der legt. Wenn auf diefe
Weile der Kaften angefüllt ift, fo reißt man das Wand ab, legt
eine gerade in die Öffnung des Kaſtens paffende Bleiplatte darauf,
um ed zufammen zu preflen, und fept nun die Operation fort, bie
der Kaften nichtd mehr aufnehmen kann.
Sechs ſolche Käften wie p brings man nun vor die zweite
Lapping-Mafchine, welche in Fig. 7 (Taf. 13) im Aufriffe von ber
Seite, und in Big. 8 im Durchfchnitte vorgeftellt if, Hier wer⸗
Den die Bänder paarweife über einander gelegt, fo, daß drei biefer
breiten, oder 21 der urfprünglichen fchmalen Bänder die ganze
Breite bilden; die foldher Geſtalt entftehende Watte wird fogleich
um eine hölzerne Walze feſt aufgewidelt, Diefe ganze Mafchine
iſt nichts als eine Wiederhohlung der an der Wattenmafchine (dem
- Batteur etaleur) zur Bildung und Aufwidlung der Watte befind-
lichen Theile (f. ©. 506, und Fig. 11, Taf. 12); um dieß an⸗
Schaulicher zu machen, find hier dieſelben Buchſtaben wie dort ger
braucht worden. r, s (ig. 8) find die zwei glatten eifernen Wal⸗
zen, welche die Bänder ywifchen fich hineinziehen, und durch ihren
Drud vereinigen ; v ift der hölzerne Zylinder, um welchen fich die
Watte aufwidelt, und t, u find die beiden mit Leder befleideten
Walzen, auf welchen v ruht. Durch die Blechrinne a werden die
Bänder den Walzen r, s, zugeleitet. Die Bewegung der Mafchine
514 Baummollfpinnerei. -
man Kratzmaſchinen, Kragen, Rrempelmafhinen,
Streihbmafhinen oder Karden (engl. Carding engines,
franzöf. Machines a carder) nennt. Das Wefentliche diefer
Maſchinen befteht (fo wie bei den ehemahls gebräuchlichen Hand⸗
fragen) in der Öegeneinanderwirfung von Slächen, welche mit
. hafenförmigen elaftifchen Drahtfpigen befept find. Diefe Häfchen,
welche aus hart gezogenem, fteifem Eiſendraht beftehen, baben
die Größe und die Geſtalt wie Big. 9, Taf.. 13, indem immer
zwei derfelben aus Einen Stüde verfertigt find. Sie werden
in Leder‘ dergeftalt reihenweife eingeftschen, daß die Hafen
auf einer Seite gleich hoch vorfiehen, indeß das Querſtuͤck c d
die hintere Släche des Leders berührt; und mit den fo vorgerich«
teten Leberflüdien werden geeignete krumme oder ebene Slächen
überzogen, welche beftimmt find, die oben angezeigte Wirfung
auf die Baumwollfafern hervorzubringen. Gefegt man habe eine
ſolche Krage a (Big. 10, Taf. 13), und eine zweite b, deren
Zähne nach entgegengefegter Richtung geſtellt find; die von den
Drähten gebildeten Blächen feyen parallel, und einander ſehr nahe
geftellt, und zwiſchen denfelben befinde fich etwas Baumwolle.
Es werde nun a in der Richtung des Pfeild (d. h. fo, daß die
Spigen der Zähne vorausgehen) bewegt, indeilen b feit liegt,
oder ſich nach entgegengefegter Richtung ' bewegt. Jedes Fleine
Klümpchen Baumwolle, . weiche diefen Umfländen ausge⸗
fest ift, muß die Wirfung Davon erfahren, und letztere ift
offenbar. Die Zähne von a fuchen die Faſern mit ſich fort zu
nehmen, wogegen die Zähne von b fie zurücdhalten, oder nach
der gerade entgegengefebten Seite hinziehen: jede der beiden
Kragen eignet ſich einen Theil der Baumwolle an, und dad anges
nommene Klümpchen wird aus einander gezogen, wobei nothwen⸗
dig die Faſern fich von felbfi nach jener Richtung ausſtrecken, in
welcher der Zug geſchieht. Wird diefe Bewegung oft genug wies
derhohlt, oder lange genug fortgefegt, fo erfolgt endlich die voll-
fommene parallele Lage der Faſern, welche man zur Abficht ge-
habt bat. Hängt an den Zähnen der Kratze a Baumwolle, an
jenen von b nicht, fo wird erftere einen Theil davon an b ab«
fegen, felbft in dem Falle, wenn b ſich nach der nähmlichen Mich:
fung wie a, nur mit geringerer Gefchwindigfeit, bewegt. ‚Sind
v
Vorkratze. 515
die Kraben fo geſtellt, daß die Spitzen ihrer Zähne nach der
naͤhmlichen Seite geneigt find, wie in Fig. 11; und laßt man
a ſich nach der Richtung des Pfeiled bewegen, während b ftill
ftebt, oder Iangfamer in eben diefer Richtung fortgeht; fo
fümmt a alle Baumwolle aus den Zähnen von b heraus, da
diefelbe bier durch nichtd gehalten wird. Die Kenntniß diefer
verfchiedenen Erfolge bei Verfchiedenheit der Umftände ift zung
Verſtehen der Kratzmaſchinen unentbehrlich. Über die Verferti⸗
gung’der Kragen oder Krempeln wird übrigens im Art. Krem-
peln das Nöthige vorfommen.
In der Regel reicht das einmahlige Kragen nicht Gin,
der Baumwolle Lockerheit und Reinheit, und ihren Faſern die
parallele Lage, in jenem Grade zugeben, der für die weitere
Bearbeitung erfordert wird; man verrichtet Daher gewoͤhnlich das
Kratzen zwei Mahl, und bedient ſich hierzu zweier, nur wenig
von einander verſchiedener Maſchinen, naͤhmlich der Vorkratze
und der Feinkratze.
Die Vorkratze Grobkarde, engl. Breaker oder
Breaking Card, franzöf. Briseur oder Carde en gros) hat, wie
der Durchſchnitt, Fig. ı (Taf. 13) zeigt, in den Haupttheilen
viele Ähnlichfeit mit dem oben (&. 491) befchriebenen Wolfe.
Auch bier findet man nähmlich eine große hohle Walze oder
Trommel f, die an beiden Enden durch hölzerne Böden ge⸗
ſchloſſen ift, und in einem Geſtelle Tiegt, deſſen unterer Theil eis
nen ringsum mit Breterwänden verfehenen Kaften bildet. Die
Oberfläche diefer Trommel ift ganz mit Krempeln befegt, deren
Zähne nach der nähmlichen Richtung geftellt find, in welcher die
Bewegung Statt findet. Über der Trommel find flache, zur
Verhinderung des Werfend aus drei Holzdicken zufammenge-
leimte Breter g angebracht, die fo genannten Dedel (Krap:
deckel), welche ein bogenförmiges Dach über der Zromnıiel bil-
den, und auf eine ähnliche Art wie die Dedel des Wolfes
(©. 492) an ihrer Stelle feftgelegt werden. Die nach unten ges
fehrte Fläche dieſer Dedel ift gleichfalls mit Kragen befegt, der
sen Spigen jenen der Trommel entgegen geftellt, und von den⸗
felben nur fehr wenig entfernt find. Wenn nun Baumwolle in’
den Zähnen der Trommel fich befindet, fo wird diefelbe, da fi e
33 *
516 | Baummwollfpinnerei.
zum Theil an den Zähnen der Dedel im fchnellen Worübergehen
hängen bleibt, auf Die oben befchriebene Weife aus einander ge⸗
zogen, rüdt dabei allmählich von Zahn zu Zahn an den Dedeln
fort, und geht endlich von dem legten Dedel, fehr aufgelodert
und fchon mit ziemlich paralleler Lage der Safern, hervor.
- Die Baumwolle kann der Kragmafchine auf verfchiedene Ars
ten zugeführt werden. Die ältefle, und noch jept hin and wieder
gebräuchliche Art ift in der Zeichnung angegeben. Die Baum:
wolle wird nähnılid auf ein endlofes, um die zwei hölzernen
Walzen b, c, gezogene, und durd) dad Gewicht einer dritten,
eiſernen Walze d geſpanntes Leinentuch a gelegt, und durch defr
fen Bewegung gegen die Trommel bin geführt. Hier nehmen
zwei Pleine, eiferne, geriffelte Walzen e, e,-fie auf, um fie
langſam und gleichförmig der Kraktrommel f darzubiethen. Ein
Gewicht. g‘ drüdt die obere Walze e auf.die untere herab. Da⸗
mit man im Stande fey, eine fo viel möglich gleiche Vertheilung
der Baumwolle zu bewirken — fowohl während des Kratzens auf
der Trommel, als nad) demfelben in der Watte oder dem Bande,
worein die Mafchine fie verwandelt — ift das Einlaßtuch a (wie
bei der Wattenmafchine, &. 509) durch Striche in mehrere Abs
theiluigen getrennt, auf deren jeder man eine gewogene Menge
Baumwolle (3. ®. 6 bis 12 Loth auf einem Raume von 30 Zoll
Länge) recht gleichförmig mit den Händen ausbreitet. Um diefe
Arbeit, wozu bei jeder Krage eine eigene Perfon erfordert wird,
zu befeitigen, hat man zuweilen die Baumwolle auf lange Tücher
audgebreitet,. and diefe zufammengerolit vor die Aragmafchine
gebracht, wo dad Tuch a durch eine fürzere hölzerne Tafel erfent
war. Hier wurde beim Fortgange ded Kratzens das Tuch alle
wmählich wieder abgerollt und weggeleitet, die Baumwolle von
bemfelben aber durch die Riffelwalzen e, e, abgenommen. Spaͤ⸗
ter verrichtete man dad Zufammenrollen nicht mehr aus freier
Hand, fondern mittelft einer Mafhine(Wattenroller, Wickel⸗
maſchine, engl. Spreading engine, franzöf. Etaleur oder
Chargeur), dem Wefentlichen nad) von der in Fig. 8 (Taf. 13)
durchfchnittweife abgebildeten Einrichtang. Zwei glatte eiferne
Walzen, r, s, ziehen hier das lange, durch Striche eingetheilte
Stüuck Wachstuch mit der darauf auögebreiteten Baumwolle zwi⸗
Borkrage. 517
fchen fich hinein, und führen es einer Fleinen hölzernen Walze v
zu, welche auf zwei andern hölzernen Zylindern, t, u, ruht,
und durch Gewichte auf diefelben herabgepreßt wird, damit das
Tuch feft genug ſich herumrolle. Die Walzen t und u erhalteh
mittelft verzahnter Räder eine Drehung nad) der durch die Pfeile
angegebenen Richtung, und durch ihre Reibung wird auch der 3y:
Iinder v umgedreht, welcher, fo wie er durch die Umwiclungen
feinen Durchmeifer vergrößert, fich in dem Geftelle heben kann.
Diefe Mafchine ift für Den eben erwähnten Zwed außer Gebrauch
gefommen, feit man durch die Anwendung der Wattenmafchine
oder deö Batteur etaleur (©. 505) die Baumwolle ohne Mit:
hülfe eines Zuches in zufammenhängende Rollen verwandelt; fie
wird aber dagegen zu einem andern Behnfe gebraucht, von dem
fpäter (8.523) die Nede iſt. In denjenigen Spinnereien, wo ber
Batteur etaleur eingeführt ift, werden die von leßterem geliefer:
ten Päde (8. 510) an die Stelle des endlofen Tuches (a,
Fig. ı „ Taf. 13) gebracht, und mit den Zapfen in gabelförmige
Zräger eingelegt; der Anfang der Watte wird dann zwifchen die
Riffelwalzen c geſteckt, durch deren Bewegung nach und nach die
ganze Watte abgewidelt, und der Kragtrommel zur Bearbeitung
überliefert wird. Diefe Einrichtung ift öfonomifch, weil fle
die fonft zum Auflegen nöthigen Arbeiter erfpart ; aber man
hat bemerkt , daß die in den Watten fiarf zufammengepreßte
‚Baumwolle, wegen ded größeren Widerftandes, welchen fie
dem Auseinanderziehen entgegenfeßt, fchneller die Kragen zu
Grunde richtet. De:
Das Kratzen felbft gefchieht, auf welche Weife auch die
Baumwolle ;ugeführt werde, ſtets auf die nähmliche Art, naͤhm⸗
lich durch die fchon erflärte Zufammenwirfung der Trommel f und
der Dedel g, g. Es ift hierbei von wefentlihem Nutzen, die Rif⸗
felwalzen e fo Hein zu machen, und der Kragtrommel fo nahe zu
ſtellen, daß der Abfland von der Berührungslinie der Walzen bis
zue Oberfläche der- Trommel etwas Feiner ift, als die mittlere
Länge der Baummollfafern. Denn hierdurch bewirkt man, daß
die Zähne der Trommel nur einen Theil der Bafern mit ſich neh⸗
men, nähmlich jenen, der nicht mehr von den Walzen feitgehal:
ten wird; und es entfleht ein wirkliches Ausfämmen der Baum⸗
518 Baumwollſpinnerei.
wolle, welche nun gleichförmiger und ſchon etwas aufgelockert auf
die Trommel gelangt. Um die ,gefragte Baumwolle in dem Maße
wieder abzunehmen, als neue der Mafchine zugeführt wird, ift
eine zweite mit Krapen überzogene Walze h angebracht, welche
man die Fleine Trommel nennt, zum Unterfchiede von der
großen Trommel f. Die Zähne von h find jenen von fent:
gegengeftellt, und h dreht fi), verglichen mit f, fo langſqm,
Daß fie in Bezug hierauf fat als rubend angefehen werden kann.
Der Erfolg diefer Anordnung befteht darin, daß die große Trom⸗
nel allmählich die Baumwolle an die Zähne der Fleinen Trommel
abfest, Iestere fi alfo damit anfüllen. An der Seite von h,
welche der großen Trommel entgegengefept ift, befindet fich bei i
der fo genannte Abnehmer, eine aufund ab bewegliche, kamm⸗
artig feingezahnte Stahlichiene, welche fo lang ift ale die Trom⸗
melh, und mit der Achfe derfelben parallel liegt. Diefer wich-
tige Theil der Kratzmaſchine ift zwifchen zwei fenfrechten Stangen
k befeftigt, die fich zu beiden Seiten der Mafchine befinden, und
von welchem jede unten mit einer Kurbel m, oben „mit einem um
den Punft q/ beweglichen Arme 1 verbunden ift. Die beiden Kurs
bein m befinden fich an einer eifernen Achfe, welche quer hinter
dem ganzen Geftelle der Mafchine vorbeigeht, und nach einer ſol⸗
chen Richtung umgedreht wird, daß der fchnell aufs und nieder
fteigende Lamm i beim Hinaufgehen fid) ein wenig von den Zaͤh⸗
nen der Trommel h entfernt, beim SHerabfteigen aber diefelben
berührt, und indem er äußerft wenig zwifchen fie eindringt, an
ihnen vorbei gleitet. Diefes Vorbeigleiten bewirft, daß bei jedem
Zuge des Kammes ein 10 bis 12 Linien breiter Streifen Baum⸗
wolle von der ganzen Fänge der Trommel. auf Ein Mahl abgelö-
fet wird. Während dem nächften Hinaufgehen des Kammes rüdt
der Umfreid der Trommel h um ein Stüd von der angegebenen
Größe weiter fort; der folgende Streich des Kammes Löfet daher
wieder einen eben fo breiten Streifen Baumwolle ab, der mit
dem vorigen zufammenhängt, und fo entfteht allmählich (indem
ſtets nur die untere Hälfte des Umfreifes von h mit Baumwolle
gefüllt bleibt) eine ununterbrochene, aͤußerſt důnne und lodere
Watte (ein fo genanntes Vließ) von der Breite der Trommel
h, welche zugleich die Breite der großen Trommel f, und über:
Vorkratze. u 519
haupt der ganzen Maſchine iſt. Dieſe Watte wird bei manchen,
nahmentlich bei den aͤlteren, Kratzmaſchinen nach einer glatten
hölgernen Trommel n bin geleitet, und wickelt ſich, durch die
langfame Umdrehung derfelben, hier auf, indem eine Fleine, auf -
n liegende Walze o, dürch ihr Gewicht die Regelmäßigfeit und
Dichtigkeit der Aufwicklung befördert. Man läßt die Trommeln
ungefähr 20 Umdrehungen maden, d. 5. eben fo viele Umwin⸗
dungen der feinen Watte um fich aufnehmen; dann wird diefer
Überzug an einer Stelle des Umfreifes in gerader, mit der Achfe
paralleler Linie aufgeriffen, und man erhält fomit eine dickere
Watte, deren Länge dem Umkreiſe von n (ungefähr fünf. Fuß),
und deren Breite der Länge der Trommel n.gleich ift. Diefe Watte
wird abgenommen, und auf die Geinfrage gebracht, um zum zwei⸗
ten Mahle gefrempelt zu werden. Die neueren Vorfragen find
fo eingerichtet, daß fie die von dem Abnehmer gebildete dünne
Watte in ein fchmales Band verwandeln, und befigen hierzu
genau denfelben Mechanismus, welcher fogleich bei den Fein⸗
kratzen wird befchrieben werden.
Auf folgende Weife wird die Bewegung aller in der Zeich-
nung angegebenen, und bisher befchriebemen Theile der Kratzma⸗
fhine hervorgebracht. Die Achfe der Trommel f trägt eine große
Rolle q, migtelft welcher fie Durch den von der Betrieböwelle der
Spinnerei fommenden Riemen p in Umdrehung gefegt wird.
Ihre Gefchwindigfeit bei diefer Bewegung beträgt go bis 100
Umläufe und darüber, in dee Minute. Auf der Seite der Ma:
fine, welche in der Zeichnung die hintere ift, befindet fich,
nebft q, am der Achfe von f nod eine etwas Fleinere Rolle r,
welche mitteljt des gekreuzten Riemens s und der Rolle t die Achfe
in Umdrehung bringt, deren Kurbeln den Abnehmer i, ungefähr
250 Mahl in der Minute, auf und nieder ziehen. Die Fleine
Zrommel h erhält ihre Bewegung (beiläufig 5 Umdrehungen in
jeder Minute) vermittelft eined auf der vordeen Seite angebrach-
ten, in der Zeichnung punftirten, Raͤderwerkes. Don einem an
der Achfe der Zrommel £ befindlichen Getriebe wird naͤhmlich ein
Zahnrad u und ein mit demfelben verbundenes Fleineres Rad ums
gedreht. Leptered greift in ein großes Rad v ein, deſſen Achſe
eine Rode w trägt; und diefe endlich treibt mittelft eines gekreuz⸗
520 Baumwollſpinnerei.
ten Riemens die größere Rolle x an der Trommel h. Ron dieſer
Zronmel aus wird die Watterntrommel n mittelft der Rollen y,
2, und des gekreuzten Riemens a‘, dergeftalt umgedreht, daß
der Umfreis von n ſich entweder genau fo fehnell, oder befler ein
klein wenig fchneller bewegt, al8 der Umfreis von h. Ein andes
: rer Mechanismus pflanzt die Bewegung auf die Riffelwalzen e, e,
fort. An der Hintern Seite trägt naͤhmlich die Achfe der Trom⸗
mel h ein kleines Kegelrad b/, mittelft deflen ein anderes, aͤhnli⸗
ched Rad, c/> umgedreht wird.. Diefes befindet fich an der fchräg
liegenden Achſe d‘, deren unteres Ende ein koniſches Getrieb e’
befißt, und mittelft degfelben das an der untern Riffelwalze an⸗
gebrachte Kegelrad F! bewegt. Die Walze macht in einer Minute
‚ beiläufig 12 Umdrehungen ; ihre Umfangegefchwindigfeit ift (bei
dem Ducchmeffer von ı5 Linien) etwa 1900 Mahl geringer als
die Umfangsgefchwindigfeit der großen, und 40 Mahl geringer
alö jene der Fleinen Trommel. Rorn bat jede Riffelwalze ein Ges
trieb, und inden diefe zwei Getriebe in einander eingreifen, ex:
hält die obere Walze jeine gleich fehnelle Bewegung. Das Gex
trieb der untern Walze bringt zugleich mittelft eines Zwifchenres
des und eines Rades an der Walze b diefe letztere, und durch fie
dad Tuch a in Umlauf: auf die nähmliche Weife, wie dieß bei
der VBefchreibung der Flackmaſchinen angegeben worden ift.
(©. 504, 508).
Das Näderwerf der Kratzen wird jest auch häufig auf fol«
gende Weife, mit Erfparung der Kegelräder, eingerichtet. An die
Achfe der großen Trommel fommt, wie in Fig. ı, ein auszuwech⸗
felndes Setrieb, z. B. von 24 Zähnen, welches in ein Rad von
198 Zähnen eingreift. An der Adıfe diefes letztern befindet füch
wieder ein 24zaͤhniges Getrieb, und dieſes ſetzt ein zweites Rad
von 198 Zähnen in Bewegung, welches fich an der untern Rif⸗
felwalze befindet. Auf der andern Seite greift das erwähnte Ge⸗
trieb der großen Trommel in ein Rad mit 130 Zähnen, an deffen
Achſe ein Setrieb von 36 Zähnen (welches gewechfelt werden-fann)
ſitzt. Bon diefem Getriebe wird ein zweite Rad, und durch letz⸗
teres endlich ein drittes Rad an der Fleinen Trommel in Umdre⸗
bung gefegt. Dieſe beiden Räder haben ebenfalld 130 Zähne.
Die Gefchwindigfeit der verfchisdenen Theile an der Kratz⸗
Feinfrape. 521
mafchine, welche oben beiläufig angegeben ift, bleibt nicht immer
genau diejelbe. Micht nur, daß man die große Trommel, von
welcher alle übrigen Theile die Bewegung hernehmen, nad) der
verfchiedenen Länge und Reinheit der Baumwolle bald mehr bald
weniger Umdrehungen in einer beflimmten Zeit machen läßt; fon-
dern auch das Verhaͤltniß der Gefchwindigfeiten zwifchen den
Riffelwalzen e und der großen Trommel, fo wie zwifchen dieſer
und der fleinen Trommel, wird zuweilen abgeändert, indem man
an der Stelle von e’/ und an der Achfe der großen Trommel Ge⸗
triebe mit mehr oder weniger Zähnen anbringt. Se fchneller fich
die große Trommel im Vergleich mit den Riffelwalzen und mit
der Meinen Trommel dreht, defto mehr wird die Baumwolle bei
- ihrem Verweilen in der Mafchine gefragt. Lange Baumwolle
muß ſtaͤrker gefraßt werden, als kurze, weil fich ihre Faſern nicht
fo ſchnell und leicht parallel legen.
Die Feinkratze (Ausfarde, engl. Finisher oder Fi-
nisbing Card, franzöf. Finisseur oder Carde en fin),. auf wel
her die Baumwolle zum zweiten Mahle gefrempelt wird, unter»
ſcheidet fich von der Vorkratze dadurch, daß ihre Garnitur (fo
nennt man die Befleidung von Drahthaͤkchen) aus feineren und
engeren Zähnen befteht, und daß fie ohne Ausnahme Bänder (und
feine Batten mehr) aus der Baumwolle bildet. Die zu dem letzt⸗
genannten Zwede dienliche Einrichtung zeigt auf Taf. 18, Fig. A
im Aufriffe von der Seite, und Fig. 5 im Grundriffe. Die auch
in Sig. ı vorfommenden Theile find hier mit denfelben Buchftaben
wie Dort bezeichnet. Die Trommeln, Fig. ı, fammt ihrer klei⸗
nen Walze o, bleibt weg. Dafür Iduft die unter dem Abnehmeri
hervorgehende zarte Watte (dad Vließ) durch einen flachen Trich⸗
tern von Weißblech, wo fie in ihrer Breite zufammengedrüdt,
und in ein Band verwandelt wird. Zwei meflingene oder eiferne
Walzen, von welchen man die obere bei u in beiden Figuren fieht,
nehmen diefes Band zwifchen fich auf, ziehen es aus dem Trichter
hervor, und laffen e8 in eine untergeftellte, 24 bis 30 Zoll hohe
zylindeifche Blechkanne h’, oder in einen eben fo geftalteten Korb
fallen. Man macht diefe Zugwalzen (deren Umfreis fih um fehr
wenig fehneller drehen foll als der Umkreis der Meinen Trommel)
entweder etwas breit und ganz gerade (f. Big. 5), oder, was
522 - Baumwollfpinnerei.
beſſer ift, man macht fie nur fchmal, dreht die Peripherie der um-
tern rinnenförmig ein, jene. der oberu aber rund, fo, daß ſie in
die erwähnte Rinne paßt. Das Baumwollenband erhält hierdurch
mehr Gleichfoͤrmigkeit in der Breite, weil ed nicht auf die Seite
ausweichen fann. Die obere Walze ruht mit ihrem Gewichte auf
der untern, und dreht fih nur vermöge der Reibung mit. Die
Achſe der untern Walze wird entweder mittelfi einer Rolle z und
eines gefreuzten Riemens von der großen Rolle y (Big. 5) umge⸗
dreht, welche ſich hinter x an der Trommel h befindet; oder man
gibt ihr ‚die Bewegung mittelft Verzahnung, indem man ein an
der Kleinen Trommel befindliche großes Rad in ein Zwifchenrad,
dieſes in ein zweites Zwifchenrad, und letzteres, endlich in ein
Feines Rad an der Zugwalze eingreifen läßt.
Wenn die Vorkrage die in Fig. ı abgebildete Einrichtung
hat, alfo eine furze Watte liefert, fo wird. diefe bei der Zeinfrage
über ein (an der Stelle des endlofen Tuches a angebrachtes) Bret
den Riffelwalzen e dargebothen. Wenn aber fchon die Vorkratze
Bänder geliefert hat (wie es jept bereits faft allgemein der Se-
brauch ift); fo vereinigt man diefe zu einer Watte, rollt letztere
nm eine hölzerne Walze, und biethet fie fo auf diefelbe Weiſe der
Zeinfrage dar, wie die vom Batteur etaleur fommenden Watten
der Vorkratze dargebothen werden (©. 517). Zur Vereinigung
ber Bänder in eine breite Watte dienen die fo genaunten Lapping⸗
Mafchinen (engl. Lapping engines), wovon man zwei Arten
nach einander anwendet.
Die erite Lapping-Mafchine, von welcher Fig. b (Taf. ı3)
der Aufriß ift, vereinigt mehrere der von der Vorkratze verferkig-
ten Bänder in ein einziges breitere Band. Sie befteht aus zwei
glatten Walzen, a und b, deren Zapfen in den Spalten der oben
am Geftelle d befindlichen Träger c, c, liegen. Die untere Walje
wird durch eine au ihrer Achfe befindliche Riemenrolle umgedreht,
die obere aber mittelft eined Gewichtes auf jene niedergedrüdt.
In der Zeichnung ift weder die Rolle noch das Gewicht zu fehen.
Die aus einem glatten Brete oder aus Blech beftehende Tafel e
ift bei f um ein Gewinde an dem Geftell beweglich, und bei i mit⸗
telft der Ziehftange g h mit der Kurbel ) zufammengehängt ; leg
tere erhält ihre Umdrehung von dem Getriebe m der Walze b mit⸗
Lapping⸗Maſchinen. 523
telſt der Räder J und k. Hierdurch wird eine Tangfame ofeillirende
Bewegung der Tafel e hervorgebracht, welche, wenn fie am weis
teften fidy vom Geſtelle entfernt hat, Die durch punktirte Linien
angezeigte Stellung einnimmt. Gewöhnlich werden, um eine Watte
von 18 Zoll Breite zu bilden, 42 Bänder mit einander vereinigt.
Man ftellt daher fieben blecherne Kannen oder auch Körbe, wie
bei o, 0, zwei angegeben find, mit eben fo vielen einfachen Bän-
bern vor der. Lapping⸗Maſchine auf, nimmt die Enden aller Bän-
der zufammen, und leitet fie parallel neben einander liegend. durch
eine blecherne Rinne n nach den Walzen a, b, hin. Indem fie
zwiſchen diefen durchgehen, werden fie etwas der Breite nach aus
einander gedrüdt, und vereinigen ſich an den Rändern vollfom:
men zu einem etwas mehr als fieben Mahl fo breiten Bande.
Dieſes gleitet über die Tafel e hinab, und fällt in den vieredigen
Kaften oder Becher p, wo es fich vermittelft der Ofcillation der
Zafel regelmäßig im Zikzak hin und her legt. Wenn auf diefe
Weife der Kaften angefüllt ift, fo reißt man das Band ab, legt
eine gerade in die Öffnung des Kaſtens paſſende Bleiplatte darauf,
um ed zufammen zu preflen, und feßt nun die Operation fort, dis
der Kaften nichts mehr aufnehmen kann.
Sechs folhe Käften wie p brings man nun vor Die —
Lapping⸗Maſchine, welche in Fig.7 (Taf. 13) im Aufriſſe von der
Seite, und in Big. 8 im Durchfchnitte vorgeftellt if. Hier wer:
den die Bänder paarweife über einander gelegt, fo, Daß drei dieſer
breiten, oder 21 der urfprünglichen fchmalen Bänder die ganze
Breite bilden; die folcher Geftalt entftehende Watte wird fogleich
um eine hölzerne Walze feft aufgewidelt. Diefe ganze Maſchine
ift nichts als eine Wiederhohlung der an der Wattenmafchine (dem
Batteur etaleur) zur Bildung und Aufwidlung der Watte befind-
Iihen heile (f. S. 506, und Fig. 11, Taf. 12); um dieß an«
fchaulicher zu machen, find hier diefelben Buchftaben wie dort ge⸗
braucht worden. r, s (Big. 8) find die zwei glatten eifernen Wal⸗
zen, welche die Bänder ywifchen ſich hineinziehen, und durch ihren
Druck vereinigen ; v ift der hölzerne Zylinder, um welchen fich die
Watte aufwidelt, und t, u find die beiden mit Leder befleideten
Walzen, auf welchen v ruht. Durch die Blechrinne a werben Die
Bänder den Walzen r, 3, zugeleitet. Die Bewegung der Mafchine
«
524 Baummwollfpinnerei.
wird durch einen Riemen ohne Ende hervorgebracht, welcher eine
an der Walze t befindliche Rolle umdreht; das in Fig. 7 ange:
zeigte Räderwerf dient, um fie auf die anderen Walzen zu über-
tragen. Die Räder r, s,t, u find an den gleichnahmigen Walzen
befeftigt; 17, »8 find Zwifchenräder zue Abänderung der Richtung.
Der Durchnefler der Walzen t, u, ift doppelt fo groß ald jener
von r und s; dennoch gibt man den Rädern r, s, 35, und den
Kädern t, u, nur 48 (ftatt 50) Zähne. Indem vermöge dieſer
Anordnung die Watte von t, u und v ein Mein wenig fchneller
nachgezogen wird, als r und s fie liefern, bleibt fie beftändig ge⸗
ſpannt, und widelt ſich ohne alle Falten, und recht feſt, auf.
Das Gewicht 13 druͤckt mittelſt des Hebels 12 und der Stange 11
die Walze r auf s herab; dieſe Vorrichtung iſt für jeden Zapfen
von r befonders angebracht. Der Apparat wx y ı 2 z, durch
welchen die Walze v in fefter Berührung mit t, u erhalten, und,
fobald fie angefüllt ift, von Dem Drude frei gemacht wird, ſtimmt
ganz genau mit dem oben (&. 507, 510) befchriebenen überein.
Die Einführung der "Lapping » Mafchinen, und eben fo die
der Vorfeagen mit Bändern, durch welche die erftern nöthig ge=
worden find, ift, troß der Vermehrung der Arbeit Durch Dad Hin-
zufommen einer neuen Operation, eine wirfliche Verbeflerung.
Man erhält dadurd nicht nur längere Watten als von den Vor⸗
fragen mit Trommeln (&. 519), fondern auch ein gleichförmiges
res Band von der Feinfrage, mithin ein gleichförmigeres Ge⸗
fpinnft ; weil alle Ungleichheiten der Bänder in dem durch allmaͤh⸗
liches Strecken daraus gebildeten Faden merklich werden. Die
Watte, wie fie von der Fleinen Trommel der Vorfrage abgelöfet
wird, zeigt nähmlich noch flarfe Spuren von der ungleichen Ver⸗
theilung, in welcher fich die Baumwolle vor dem Kraben befunden
hat, und diefe Spuren verlieren fich nicht gang, wenn die Watte
in ihrer unveränderten Geftalt zum zweiten Mahle gefragt wird.
Indem man aber jede foldye Watte in ein Band verwandelt, nnd
viele folche Bänder auf den Lapping» Mafchinen neben, und zum
Theil auf einander legt, gleichen ſich die ungleich diden Stellen
derſelben häufig gegen einander aus, und die entfiehende neue
Watte enthält die Baumwolle in regelmäßigerer Vertheilung.
Das oft nöthige Anftüden der Bänder auf den Lapping-Mafchinen
Kratzmaſchinen. | 525
ift von keinem Nachtheile, da felten mehrere Bänder im nähmlie
hen Augenblicke ausgehen, und alfo diefe Zufammenfügungss
Stellen fehr zerftreut vorfommen.
Über die Kragmafchinen find noch einige Bemerkungen zu
machen, welche fowohl die Vor» als die Seinfragen betreffen. Die
Breite dieſer Mafchinen (alfo die Länge aller ihrer Walzen und
Trommeln) ift verfchieden : man hat fo genannte einfache Kar
den gewöhnlich von 18, und Doppelfarden von 36 Zoll Breite.
Letztere finden vorzüglich ihre Anwendung, wenn nicht fehr feine
Garne gefponnen werden, und alfo nicht die allergrößte Sorgfalt
beim Kragen nöthig ifl. Denn längere Kragtrommeln find ſchwie⸗
riger genau rund und an allen Stellen gleich die? herzuftellen ; fie
verlieren diefe vollfommene Geſtalt aud) leichter durch das Werfen
des Holzes, und dann entfteht ftellenweife ein zu ſtarkes, ſchaͤdli⸗
ches Streifen der großen Trommel an der Meinen oder an den
Dedeln, fo wie ded Abnehmers an der Fleinen Trommel. Die
Folge eines folhen Fehlers ift dann immer, daß die Baumwollfa⸗
fern zum Iheil durch die zu heftige Wirkung der Drabtzähne abs
geriffen werden, und die Watte oder dad Band ungleichförmig
ausfällt, weil die flärfer hervorragenden Zähne mehr Baumwolle
faffen und mit ſich fortnehmen, ald die anderen. Die Art, wie
die Garnitur, d. h. die Kragen» Bededung, angebracht wird, ift
nicht bei allen Theilen der Mafchine die nähmliche. Die große
Trommel ift mit fo genannten Blättern bedeckt, d. i. breiten Streis
fen, welche fo lang find al8 die Trommel, parallel mit der Achfe
aufgelegt, und feftgenagelt werben. Da diefe Blätter einen Rand.
haben, der nicht mit Drahtzähnen befegt ift, fo bleiben zwifchen
ihnen entfprechende ſchmale Streifen von Zähnen entblößt: ein
Umftand, der für die große Trommel gleichgültig ift; nicht fo für
die Heine Trommel, da diefe, wenn der Abnehmer eine gleichför:
mige, überall zufammenhängende Watte liefern fol, ohne Unter⸗
brechung mit Zähnen angefüllt feyn muß. Man wählt daher hier
eine andere Art der Bekleidung, indem man einen fchmälern, aber
fehr langen, und bis au den Außerfien Rand mit Drähten verfe-
henen Lederftreifen in einer Schraubenlinie herumwindet, und an
den Enden befeftigt. Bon den Dedeln ift jeder mit einem einzi⸗
gen Blatte befleidet, welches fo lang und fo breit if, als er felbfl.
326 Baumwollſpinnerei.
Statt des kammfoͤrmigen Abnehmers, deſſen genaue Verfertigung
und richtige Stellung manchen Schwierigkeiten unterliegt, hat
man mit Glück verſucht, ein Paar diinner, ſehr fein geriffelter
Walzen anzubringen, welche die Watte, wenn fie ein Mahl zwi⸗
ſchen diefelben eingeführt ift, fortwährend unbefchädigt von der
Meinen Trommel berabziehen. Diefe Walzen haben erwa einen
Zoll im Ducchmeffer, und erhalten ihre Riffeln nicht durch einen
Meißel oder eine Art Hobel, fondern durch Ziehen in einem mit
Heinen Zaden verfehenen Drabtzugeifen. Über die Verfertigung
der gewöhnlichen Riffelwalgen, wie fie an allen zur Baumwoll⸗
fpinnerei dienlichen Mafchinen fo häufig vorfommen, wird ein
eigener Artifel (Riffelmafchine) Auskunft geben. Die Kra-
gen, fowohl der Trommeln ald der Dedel, müſſen, gleich nach
ihrer Verfertigung, und auch während des Gebrauches von Zeit
zu Zeit, mit Schmirgel abgefchliffen werden, damit die Spigen
der Zähne feharf werden, und genau in einerlei Ebene fommen.
Die Vorrichtungen hierzu werden im Artifel Krempel maſchi⸗
nen befchrieben, wo man auch über die Verfertigung der Trom⸗
meln und über das Aufziehen der Kraben auf diefelben das Nö⸗
tbige findet. Die beiden Trommeln fowohl als die Dedel müflen
ofters von den zwifchen den Drahtzähnen fich anhäufenden kurzen
Baumwollfafern und Unreinigfeiten befreit (gepußt) werden,
weiches durch Ausfämmen mit einer Handfrage gefchieht. Das
Putzen der Dedel findet ohne Unterbrechung der Arbeit Statt,
indem eine Perfon eigens dazu angeftellt ift, welche die Reinigung
bei mehreren Kragmafchinen beforgt. Es wird dabei in angemel=
fener Ordnung verfahren; fo zwar, daß z.B. von der erſten Mas
ſchine bis zur letzten von jeder. der erfte und zweite Dedel, dann
zurüd von der legten bis zur erfien überall der dritte und vierte
Dedel, hierauf wieder von der erſten Mafchine an, der fünfte und
ſechste Dedel, u. ff. abgenommen, umgefehrt und gepugt wird.
Wenn auf diefe Weife der eilfte und zwölfte Dedel aller Kragen
gereinigt find, fo ift e& gerade Zeit, wieder von vorn anzufangen,.
vorausgefept, daß wenigftend 8 oder 10 Krapmafchinen von. einem
Arbeiter gepugt werden. Von den Fleinen Trommeln nimmt man
bloß den leichten darauf fchwebertden Flaum ab, ebenfalls ohne
die Arbeit aufzuhalten. Die Reinigung der großen Zrommeln
Kratzmaſchinen. 527
gefchieht in längeren Zwifchenzeiten. (drei bis ſechs Mahl des Ta⸗
ges), und hierzu muͤſſen die Maſchinen natürlich fill fiehen. Der
Engländer Buhanan hat eine Einrichtung. der Krapmafchinen
angegeben, vermöge welcher die Dedel fidy von felbft, einer nach
dem andern, an Gewinden aufichlagen, von einer darüber hin
gehenden zylindrifchen Buͤrſte gereinigt werden, und dann fich,
eben fo von felbft, wieder umlegen. Es ift zu zweifeln, daß Dies
fer etwa zufammengefegte Mechanismus in ölfonomifcher Hinſicht
vortheilhafter ſey, als Die Anftellung eines Arbeiters für mehrere
Kragen, der zugleidy die Trommeln pußt; indeffen fann man die
Befchreibung und Abbildung in den Sahrbüchern des Ef. polytech⸗
nischen SInftitutd in Wien (Bd. 9, ©. 396) nachfehen. Außer
dem Arbeiter, welcher dad Putzen beforgt, ift für acht Kratzen
nod) eine Perfoh erforderlich, welche die Päde oder Wattenrollen
einlegt, und die mit den Bändern angefüllten Kannen oder Körbe
wegnimmt, und durch leere erſetzt. Eine Vor: oder Fein⸗Kratze,
deren Trommel ı8 Zoll Iang, 36 Zou im Durchmeffer groß ift,
und 95 bis 100 Umdrehungen in der Minute macht, fann in
12 Stunden 25 Pfund Baumwolle in hinreichendem Grade bear:
beiten.
Das zweimahlige Kragen der Baumwolle ift in allen jenen
Faͤllen unerläßlih, wo man es mit der Erzeugung feinerer- Ges
fpinnfte zu thun hat, weil für dieſe die Bearbeitung forgfältiger
und vollfommener feyn muß. Für Garne unter Nr. 50 oder 60
kann nach den neueſten Verbeilerungen ein einmahliged Kragen
bineeichen, wenn man die Baumwolle langfamer durd) die Ma⸗
fchine gehen laͤßt, und, außer den Dedeln und der Fleinen Trom⸗
mel, noch zwei Walzen (fo genannte Läufer) in Berührung mit
der großen Trommel anbringt, die ebenfalls mit Kragen befleidet
find. Diefe, fo wie eine fernere Zugabe, vermöge welcher‘ dad
aus der Krapmafchine hervorgehende Band fogleidy in einem ge⸗
wiſſen Grade geſireckt, und fomit der naͤchſtfolgenden Operation
mehr vorgearbeites wird, machen die wefentlichfien. neueren Ver⸗
befferungen diefer Maſchinen au. . :,
Man fieht eine. Kratze von dieſer vorzüglichſten Einrichtung
in Fig. 2, Taf. »3, im Durchfchniste, und in Fig. 3 derfelben
Tafel im Aufriffe gezeichnet. a ift hier einer von zwei gabelförmt-
528 Baumwollfpinnerei.
gen Trägern, in welche Die von der Wattenmafchine (Battear eta-
leur) kommenden Wattenrollen oder Paͤcke (©. 510) mit den Za⸗
pfen ihrer hölzernen Walzen gelegt werden. Der Umkreis eines
folchen Packes ruht dabei auf einer Walze b, welche fi) langſam
nad) einer folchen Richtung umdreht, daß fie die Abwidlung der
von den Niffelwalzen e angezogenen Watte befördert. Lestere
geht, indem fie nach den Walzen e hin fortrüdt, über die ebene
Zafel c. Die Riffelwalzen haben 14 Linien im Durchmeiler, und
jede 28 Einferbungen oder Riffeln auf ihrem Umkreiſe. Hier, fo
wie in der oben befchriebenen Fig. ı, iſt g’ das Gewicht, welches
die obere Riffelmalze gegen die untere andrüdt; f die große Zrome
mel; g, g, g, das von den Dedeln gebildete bogenförmige Dad);
h die Meine Trommel; i der- Abnehmer; k, 1, q’, m der Mecha⸗
nidmus zur Bewegung dedfelben. Dit d if in Gig. = eine Thuͤr
bezeichnet, durch welche man in den Kaften der Mafchine gelangt,
.am den fich darin fammelnden Abfall herauszunehmen. In Fig-3
bemerft man die Art, wie Die Dedelg Aber der Trommel feſtge⸗
legt find; zu größerer Deutlichfeit find die drei erften Dedel weg⸗
gelaſſen. Auf den zu den Seitenwänden ded Geftelld gehörigen
gußeiſernen Bögen find Stifte wie k’ in der Richtung nad dem
Mittelpunfte bin befeftigt ; und jeder Dedel bat an feinen beiden
Enden ein Loch, womit er auf zwei foldhe einander gegenüber
fiehende Stifte geftedt wird. 1,1, find Schrauben, deren Köpfe
den Dedeln .zur Unterlage dienen, und welde man nur weiter
heraus oder hinein fchrauben darf, um die Eutfernung der Dedel
von der Trommel zu reguliren. h’ift der kleine Läufer, und
v der große Läufer; beide find auf diefelbe Weiſe (in einer
Schraubenlinie) mit dem Kragenleder überzogen, wie die Fleine
Trommel. Die Zähne diefer Walzen find nach der in den Figuren
angegebenen Richtung geftellt, und fie Drehen fich beide nach einer
lei Seite bin um, wie die Pfeile anzeigen. Sie können nad) Er⸗
forderniß mehr oder weniger nahe an die. Trommel £ geftellt wer-
den; dieß ift auch der Fall mit der Fleinen Trommel h: allein die
hierzu beitimmten Schrauben find in den Zeichnungen weggelaflen.
Die durch den Abnehmer i von der Fleinen Zeommel h abgelöfete
- dünne Watte geht durch den gufßeifernen oder blechernen Trichter n,
(Big. 3), worin fie zu einem Bande zuſammengedrückt wird ; dann
Kratzmaſchinen. 329
laͤuft dieſes durch zwei Walzenpaare bei o nach den Walzen
u,v, bin, welde es mit gleichförmiger Geſchwindigkeit her⸗
ausziehen, und in die untergefegten Kannen oder Körbe fallen
laffen. Die zwei Walzenpaare bei o find es, welche die Stre⸗
dung des Bandes bewirken. Die unteren Walzen dieſes Stred«
werfes find von Eifen und geriffelt; die obern find ebenfalld von
Eifen, aber zuerft mit aufgefleiftertem Tuch, und darüber mit
einer an den Rändern genähten oder geleimten röhrenförmigen
Hülle von Leder überzogen. Zwei Gewichte wie w drüden die
oberen Zylinder feft gegen die unteren an. Das erfte Walzenpaar
läßt fi vom zweiten mehr oder weniger entfernen, wie ed die
größere oder geringere Länge der Baumwolle erfordert. Das
zweite (vom Trichter mehr entfernte) Paar dreht ſich mit größerer
Geſchwindigkeit, und fchafft Daher eine größere Länge des Baum⸗
wollenbandes heraus, als ihm von dem erften Paare nachgeliefert
wird: der Erfolg hiervon ift fo, wie man ihn beabfichtigt, nähm-
lich eine entfprecheude Ausdehnung des Bandes, welche in dem
Zwiſchenraume beider Walzenpaase vor ſich geht.
Die Bewegung aller einzelnen Theile wird auf folgende
Weiſe hervorgebracht. Der von der Betrieböwelle der Fabrik kom⸗
mende Riemen p (Big. 3) treibt mittelft der Rolle q die Trommelf,
mit einer Sefchwindigfeit von 120 bis 140 Umdrehungen in einer
Minute. on einer andern an der Achfe der Trommel befindlis
chen Rolle r wird mittelft des Riemend s und der Rolle t diejenige
Achſe umgedreht, an welcher fid) die Kurbeln zum Auf⸗ und Nies
derziehen des Abnehmers i befinden. Eine dritte, mit r gleich
große Rolle ift innerhalb des Geftelles an dem Boden oder der
zunden Endfläche der Trommel felbft befeftigt, und von diefer geht
ein gefreuzter Riemen r’ auf eine Rolle des Kleinen Läufers h’,
der hierdurch feine fchnelle Bewegung erhält. Auf der bintern
Seite befinden fich die in Fig. 2 punftirt angegebenen Räder und
Rollen. Man bemerkt hier zuerfi eine Rolley an der Trommel,
und eine Nolle'a‘, welche von jener mittelſt ded Riemens z die
Bewegung erhält. Die Achſe von a’ trägt vorn (Fig. 3) ein Ge⸗
trieb m’, welches ein Rad n’ in Umdrehung ſetzt. Letzteres theilt
einerfeitd Die Bewegung, mittelft eines an ihm befindlichen Ge⸗
triebed und des Zwilchenrades 0‘, dem Rade h an der Pleinen
Technol. Encyclop. 1. Bd. 34
530 Baumwollfpinnerei.
Trommel, und folglich diefer felbft, mit; anderfeitö dreht es durch
das Zwifchenrad p’ ein Rab x um, deflen Achfe aud in Fig. =
mit x bezeichnet iſt. Eben diefe Achfe von x trägt, näher gegen
die Mitte der Mafchine hin, ein ſehr breites Rad, welches in
Fig. 3 durch den Fleineren, punftirten Kreis vorgeftellt wird, und
in das gleichzeitig da6 Rad v der Walze v (Gig. 2), und die zwei
‚Räder o, o der zwei unteren, geriffelten Stredwalzen o (Big. 2)
eingreifen. Wie. man fieht, iſt dad Rad der zweiten Riffelwalze
fleiner als jenes der erften, durch welches Mittel eben die un⸗
gleiche Gefchwindigfeit beider entſteht. Von der Trommel h aus
wird mittelft der Rolle u’ und ded Riemens s’ (Big. 2) der große
Läufer i umgetrieben;; der erwähnte Riemen ift doppelt gefreuzt,
nnd wird von der Rolle t/, unter welcher er durchgeht, gefpannt.
Die Bewegung der die Baumwolle einführenden Riffelwalsen e
(Fig. 2) gefchieht auf diefelbe Weiſe, wie bei Fig. ı (f. ©. 520)
mittelft des an der Fleinen Trommtel befindlichen Kegelrades b’,
deö gleichen Rades c’ an der fehrägen Achfe d’, des Getriebes e’
eben diefer Achfe, und des Rades f’ an der untern Riffelwalze.
Born (Fig. 3) hat jede Riffelwalze ein Getriebe, fo, daß die
obere diefer Walzen fih mitdrehen muß. Die Walze b endlich
wird vermittelft ihres Nades x’ von einem hinten an der untern
Riffelwalze befindlichen Rade v’ (Big. 2) durch das größere Zwi-
fehenrad w’ in Bewegung gefebt. Die Umfangsgefchwindigfeit
von b muß eben fo groß feyn, als jene der Riffelwalzen e, da⸗
mit erftere genau fo viel Watte abwidelt, als Iegtere verlangen.
Die nachftehende Tafel enthält die zwecfmäßigften Geſchwin⸗
digfeiten der an der Mafchine vorfommenden Walzen, welche je:
doch, wie ſchon gefagt, nicht für alle Fälle ganz unveränderlich
find, indem man fie durch Wechfeln der Getriebe e’/ (Fig. 2) und
m’ (Sig. 3) nach Befchaffenheit der Baumwolle in einem gewiflen
Grade. modifiziren muß. Die in der Tafel angezeigten Gefchiwin-
‚digfeiten werden erhalten, wenn man die Rolle a’ im Verhäftniffe
‚3:2 größer macht, ald y, und den Rädern und Betrieben fol:
gende Zähne-Anzahlen gibt: m’ 18; n‘ 50; feinem Getriebe 18;
hı28; x 24; dem daran befindlichen breiten Rade 37, dem
Rade o der erſten Riffelwalze 36; jenem der zweiten 213 v 44;
b’/ und c’/ 54; e’ 10; [/ 63.
Kragmafchinen. j 531
- Himfangs«
Benennung : geſchwin⸗
der Theile. digkeit.
Trommel f . . | 35 109.90 130
Trommel h . i 14 43. 96 4.38
Läufer v . . 6.25 | 19.62 5
fäufer U . . 3.5 11 490
Kiffelwalgen e . 1.16)) 3.664] 0.bg6
Erfte Streckwalze o ı 3.14 | 68.71
Zweite » 1.169] 3.664 | 114.52
Waller . . 2.5 ”85 | 54.66
Die Wirkung der Läufer h’ und ı/ wird, wenn man ihre Ges
ſchwindigkeiten mit einander, fo wie mit jener der großen Trom⸗
mel vergleicht, und auf die Richtung ihrer Zähne Rüdficht nimmt,
ganz flar. Die von der großen Trommel den Riffehwalzen abge⸗
aommene Baumwolle bleibt zuerft an den ihe entgegenſtehenden
Zähnen des großen Laͤufers Hängen, weil diefer wegen feiner ges
ringen Ulnfangsgefchwindigfeit (98 ZoU in der Minute) gegen die
Trommel faft als ruhend angefehen werden fann, und wird alſo
bier dad erſte Mahl gefragt. Der Fleine Läufer fämmt, vermöge
feiner 5a Mahl größeren Gefchwindigfeit (5170 Zoll in einer Mir
nute) die Baumwolle aus den Zähnen des ‘großen Läufers wieder
beraus, überläßt fie aber, da er doch, verglichen mit der Trom⸗
mel, fih nur langfam dreht, neuerdings der legtern, mit welcher
fie, unter beftändiger Wiederbohlung diefes Vorganges, allmähe
lich nach den Dedeln hin fortfchreitet, um dort zum zweiten Mahle
gefragt zu werden. Man fleht Hieraus, wie wefentlich die Läufer
gur Vervollkommnung und Befchleunigung der Arbeit beittagen,
Bei dem Pupen der Kragmafchine (&. 526) wird der Fleine Läufer
jedes Mahl mit der großen Trommel zugleich gereinigt; ‚der große
Räufer erfordert feine andere Reinigung als die Fleine Trommel.
Die Bänder, in welche die Baumwolle durch das Kragen
verwandelt wird, find der Urfprang des durch die weitere Bearbeis
tung zu ergeugenden Gefpinnfted, und felbit ſchon gleichſam als
34 *
552 Baumwollſpinnerei.
ein ſehr grober, lockerer, noch ungedrehter Faden zu betrachten,
Wenn man im Stande ſeyn ſoll, planmaͤßig auf die Erzeugung
eines Geſpinnſtes von vorbeſtimmter Feinheit hin zu arbeiten, fd
muß man die Beinheit diefer Bänder, d.h. ihr Gewicht bei einer
gewiffen Länge, fennen, und beliebig voraus feftzufeben im Stande
ſeyn. Hierzu gelangt der Fabrikant auf folgende Art.
Bei den Vorfragen mit Trommeln (Taf. ı3, Sig ı, S. 515)
wird eine abgewogene Menge Baumwolle auf das Zuführtuch a
außgebreitet, und wenn diefe den Weg durch die. Mafchine zurück⸗
gelegt hat, fo wird die Daraus gebildete Watte von der Trommel
n abgenommen; ihre Länge und ihr Gewicht find nun zugleich ber
Fannt. Durch Vermehrung oder Verminderung der auf das Zu⸗
führtuch gelegten Baumwoll- Portionen ift man im Stande, die
Watte dicker oder dünner, folglich ſchwerer oder leichter, zu ers
holten. Wenn die Vorfrage mit den auf der Wattenmafchine
. (Batteur etaleur, ©. 505) verfertigten Watten von beftimmtem
Bewichte bei ebenfalls befannter Länge verfehen wird : ſo laͤßt ſich
aus der Geſchwindigkeit der Riffelwalzen leicht finden, wie groß
die Länge (und folglich das Gewicht) der in gewiſſer Zeit einge
führten Baumwolle ift. Die Umfangsgefchwindigfeit der Walzen
u (Big. 4, 5, Taf. 13), welche das davon erzeugte Band aus der
Mafchine hervorziehen, läßt finden, wie groß in eben der Zeit die
Länge des herausgeichafften Bandes ift, folglich bis zu welchem
Grade das befannte Gewicht Baumwolle ausgedehnt worden ift.
Diefelde Berechnung gilt für die Feinkratzen, da fich die Feinheit
der ihnen vorgelegten Watten leicht ergibt, wenn man die Anzahl
der durch die Lapping » Mafchinen (©. 522) vereinigten Bänder,
und deren Feinheit berüdfichtigt. Die Beinheit der legten Bänder
hängt alfo, wie man fieht, von der Größe der Auflage, welche
auf eine Abtheilung des Zuführtuches bei der Wattenmafchine
(©. 509) gemacht worden ift, ab; und durch Wermehrung oder
Verminderung jener Auflage hat man es in feiner Gewalt, Bän«
der von geringerer oder größerer Feinheit darzuftellen. Bei allen
dieſen Kechnungen muß man, um möglichft genau zu verfahren,
auch die aus der Erfahrung befannte Größe des Abfalles in An⸗
fhlag bringen, welchen die Baumwolle während des Krapens
ı leidet.
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wiegen (511). Je einer Wıaare legt die eerkite Dr Auf
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das im einer Minute dir arefen Tremmi f ;agctuNtte uud von
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aufzmarbeiten, Ind ı2ı Minuten eier 2 Stunden an a. Minu
tem erforderlich. Im dieſer Zeit macht Ver Umkreis der Walzen
a, v, eine Bewegung von ı3ı > 329.08 Ze, &. i. 5042 uf,
and liefert alſo ein eben fo langes Band, welches 5 Pfund, oder,
wenn man 6 Prozent Abfall berechnet, 4 Pfund 23.4 Yorb wirgt.
Auf ein Pfund wurden alfo 1073 uf dieſes Bandes geben. Nach
der für die Sefpinnfte eingeführten engliſchen Vrzeihnungs » Mr:
spode müßte ein foldhes Band beiläufig die Nummer ; (gemau '
0.35-) erhalten. Die Ztredfung der Baumwolle zu dieſer Feinheit
geht allmaͤhlich auf folgende Weiſe vor fih. In den ı4ı Minus
ten, welche die Riffelwalzeu e brauchen, um die Jo Fuß lange
Warte hinein zu ziehen, macht die Heine Trommel h 617.58 Um:
gänge, und der Kamm i löfet von ihrer Oberfläche eine dünne
Watte von 3263 Fuß Länge ab. Das erite Paar der Streckwal⸗
gen verwandelt, durch feine etwas fchnellere Bewegung, diefe
Watte mit Hülfe des Trichter n, in ein Band von 3535 Ruß.
Das zweite Paar der Stredwalzen verlängert diefed Band auf
4930 Fuß, indem feine Umfangsgefchwindigfeit in diefem Wer:
hältniffe größer ift. Die geringe (nur 112 Buß oder 77 betragende)
Verlängerung, welche zwifchen dem zweiten Stredwalzens Paare
und den Zylindern v, u, noch Etatt findet, dient bloß, um das
Band hier fortwährend gefpannt zu erhalten.
Der Abfall, welchen die Baumwolle beim Krapen erleidet,
befteht zum Theil aus den nach der erſten Operation noch zuruͤck⸗
gebliebenen Unreinigkeiten, hauptfächlich aber aus fürzeren Faſern,
€
55h» Baummwollfpinnerei.
welche theils fchon in ihr enthalten waren, theils erft dem Kratzen
ſelbſt (wobei immer eine gewiffe Menge Baumwolle von den Zäh-
nen zerriffen wird) die Entſtehung verdanfen. Er zerfällt in
Srommel-Abfall, welcher aus der großen Trommel und dem
feinen Läufer ausgefämmt wird; Dedel-Abfall, den man
beim Pugen der Dedel erhält; und Staub, d. 5, jene Baum:
wollfafern, welche am Boden des Kaftend der Mafchine ſich ſam⸗
meln, und durch die Thür d (Taf. 13, Fig. =) herausgenommen
werden. on einer und derfelben Krape ift der Trommel⸗Abfall
länger und reiner ald der Dedel-Abfall; der Staub iſt am reinften,
aber am fürzeften. Die Abfälle der Seinfrabe find durchaus rei⸗
ner (aber gerade nieht Sänger) als jene der Vorkratze. Dedel- und
Krommel-Abfall werden von beiden Kragen zufammengeworfen;
den Staub unterfcheidet man in reinen (von der Feinkratze) und
gemifchten (von der Vorfrage). Der reine Staub, der Deckel⸗
und Trommel-Abfall werden, theild allein, theils mit einander,
oder mit wenig langer Baumwolle vermifcht (z. B. + Staub, +
Dedel:Abfall, z gute Wolle) zu groben Garnen (Nr. 8 bis 12)
verfponnen; in geringerer Menge (zu + oder 5) der guten Baum⸗
wolle zugefeßt, laſſen fie fich felbft noch auf Befpinnfte von Nr. 30 '
verarbeiten. Nach Verfchiedenheit der Baumwolle und der Güte
der Mafchinen ift die Größe des Abfalls beim Krapen mehr ober
minder bedeutend. Sie fann von 3 bis zu ı2 Prozent betragen.
Mac) den im Sroßen gemachten Erfahrungen fteigt bei egyptifcher
Baumwolle (Mafo) der Abfall beim zweimahligen Kraben im
Durchſchnitte auf 9 bis 10 Prozent der rohen Baumwolle; und
wenn daher diefe bei der erften Operation ſchon 5 Prozent verlo⸗
ren hat (©. 513), fo beträgt das Gewicht des Bandes aus einem
Zentner roher Baumwolle 85 bis 86 Pfund. Won dem Berlufte
beim Srapen find ungefähr 7 = Zreommel:Abfall, Dedel= Abfall
und 5 Staub.
| Dritte Operation,
Das Dupliren und Streden,
Die Bänder, wie fie durch das Kragen erhalten werben,
find außerordentlich zart und locker; aber die Faſern find darin
noch nicht vpllfommen parallel mit einander, wie fie es doch beim
Dupliren und Streden. 535
Spinnen feyn follen.. Es muß daber dem Spinnen nod eine
Dperation vorauögehen, weldye die möglihfi gleiche Lage aller
Baumwollfaſern in den Bändern berbeiführt. Das Dupliren und
Streden erfüllt diefe Abficht, und zwar auf eine eben fo einfache
als fichere Art. Das Mittel dazu find Stredwalzen, der
Einrichtung bier näher angegeben werden muß, da diefelben bei
allen noch folgenden Maſchinen gebraucht werden, und ein Bei⸗
fpiel von ihrer Anwendung auch fchon bei der S. 527 befchriebenen
Kratze vorgefommen ift. |
Wenn in Big. 3 (Taf. 14) a und b die Durchfchnitte zweier
anf einander liegenden Walgen bezeichuen, welche mit einem an⸗
gemeflenen Drucke fich berühren, und in Berührung mit einander
ſich nad der von den Pfeilen angegebenen Richtung um ihre Achfe
drehen ; fo werden diefe Walzen ein ihnen bei C dargebothenes
Baummollendband falten, zwifchen fich hinein ziehen, und hinten
wieder heraus lafien, ohne dasfelbe übrigens zu verändern. Die
Länge des in eiier gewillen Zeit durchgehenden Stuͤckes wird gleich
feyn dem Wege, weichen irgend ein am lmfreife angenommener
Punft in eben diefer Zeit zurüdgelegt hat, d. b. gleich dem Um:
fange einer der Walzen, multiplizire mit der Anzahl der vollbrach-
ten Umdrehungen. Das Naͤhmliche gilt von dem Durchgange des
Bandes zwifchen einem zweiten Walzenpaare c, d, und einem drik-
ten, e, fe Daher fommt das angenommene Band unverändert
fo aus dem dritten Paare hervor, wie es bei C in das erfte hinein⸗
gegangen ift; vorausgefegt, daß die Umfangsgefchwindigfeit
aller Walzen die nähmliche ifl. Nimmt man aber die Umfangs⸗
gefchwindigfeit von c und d größer an, als jene von aund b;
fo liefert dad zuerft genannte Walzenpaar eine größere Länge Band
als das andere empfängt und ihm zuführt. Der Erfolg kann un-
ter diefen Umfiänden fein anderer feyn, als eine angemeflene Stre⸗
dung oder Verlängerung des Bandes innerhalb des Raumes zwi⸗
fhen a,b ımd c, d, uud eine Annäherung der an einander vorbei
gleitenden- Faſern zur geraden, parallelen Lage. Auf gleiche Weife
Tann die Stredung wiederhohlt werden, wenn man den Walzen
2, f eine größere Umfangsgefchwindigfeit gibt, ald.c und d bes
ſitzen. Die Vergrößerung der Umfangsgefchwindigfeit kann übri-
gend. entweder durch Vergrößerung des Durchmeſſers, oder Durch
550 I Baumwollſpinnerei.
Vermehrung der Umdrehungen in einerlei Zeit, oder endlich durch
beide Mittel zugleich, hervorgebracht werden. Man richtet es in
der Regel fo ein, daß die Streckung hauptfächlich zwiſchen dem
zweiten und dritten Walzenpaare Statt findet, zwifchen dem er⸗
flen und zweiten aber geringer und nur vorbereitend iſt. Übrigen®
hat, wie man fieht, die Gefhwindigfeit der mittleren Walzen auf
die Größe der Stredung feinen Einylaß, wenn die Geſchwindig⸗
Peit der erften und dritten Walze feſtgeſetzt iſt. Die Walzen a, b
und c,d behalten gegen einander ſtets unveränderlich den naͤhmli⸗
hen Stand, laflen fich aber mit ihrem Geftelle von dem dritten
Paare, e,f, mebr.oder weniger entfernen, je nachdem es die
Länge der Baumwolle erfordert, Der Abftand der Mistelpunfte
von bund d; oder ihrer Berührungslinien mit den oberen Walzen,
Mr ein für alle Mahl fo berechnet, daß er die Länge der Baum
wollfafern übertrifft, und alfo diefe Faſern niemahls in Gefahr
formen, dadurch zerriffen zu werden, daß das zweite Walzenpaar
fie foßt, während daß erfte fie noch halt. Zwiſchen d und £, wo
Die größte Streckung gefchieht, muß die Entfernung fo gering ſeyn,
als e8 ohne jene Gefahr des Zerreißens thunlich iſt; denn hier⸗
dur) wird die Sleichförmigfeit der Stredung befördert. Man
denfe fid) nur den Abftand von d nach £ fehr groß, fo wird man
einfehen, daß ein hier dDurchgehendes Band hauptfächlich in der
Mitte fich dehnen, ja vielleicht abreißen müßte; wogegen die Stre⸗
ckung defto gleichförmiger erfolgt, je fürzer dad auf ein Mahl der
Operation unterworfene Stück ift, je näher fich alfo die Walzen
ſtehen. Die unteren Walzen, b,d,f, macht man von Eifen,
und verfieht fie, damit die Baumwolle fefter von ihnen gefaßt
wird, mit regelmäßigen Rauhigkeiten, naͤhmlich feinen dreiecfigen
Einterbungen oder Riffeln, welche mit der Achfe parallel lau⸗
fen. Die oberen Walzen, a, c, e, find ebenfalls von Eifen (wohl
auch von Holz), ‚aber glatt, und mit einem doppelten Überzuge
verfehen, der ihnen einen gewiffen Grad von Weichhe‘‘ und Ela⸗
ftisität gibt. Man leimt oder Meiftert nähmlich zuerſt auf das
Eifen unmittelbar eine Hülle von grobem Zuch auf, und zieht über
diefe eine zufammengeleimte oder auch genähte Röhre von Leder,
welche nur an den Enden fefigeleimt wird, damit fie ihre Weich.
heit behält. Es ift vorgefchlagen worden, den Lederüberzug, um _
Dwliren und Streden. 537
ipu ohne Naht, und überhaupt ohne Zufammenfügung zu erhal
ten, aus der unaufgefchnitten abgejogenen und gegerbten Haut
von Hammelfüßen zu bilden, Defgleichen find Walzen ganz aus
Leder gemadyt werden, dur Aufliefen und Zufammenprefien
von ledernen Scheiben auf eine eiferne Achſe, und Abdreben des
Ganzen. Man wennt diefe oberen Walzen gewöhnlich Drau de
walzen, weil fie darch Gewichte auf die Riffelwalzen niederge
drüdt werden. Diefe Gewichte hängen an den Stängelhen k,k‘,
von welchen jenes allein auf die Walze e, dieſes auf die zwei Wal⸗
jen a und c gemeinfchaftlich wirft. Erfteres wird zu dieſem Be
hufe von einer C »förmigen Klammer i getragen, deren oberer Ha⸗
en die Walze e umfaßt; letzteres von einem meilingenen Sattel
h, der auf a und c ruht. Statt der Gewichte laſſen fich mit
Vortheil hölzerne Federn anbringen. Ein auf der untern Flaͤche
mit Tuch befleidetes Bretchen (ein Pugdeckel) g liegt Hof
vermöge feined eigenen Gewichtes auf den Drudwalzen, uud
reift alle an denfelben hängen bleibenden Baumwollfaſern ab;
ähnliche Bretchen, oder auch Bürften, werden zu diefem Behufe
unter den Riffelwalgen b, d, £, angebracht, und durch gewum
dene Drabtfedern gegen diefelben hinauf gedrüdt. Statt der Der
delg findet man wohl auch leichte hölzerne, mit Tuch überzogene
Walzen. |
Wenn man das Strecken eined Bandes fo Iange fortfeßen
wollte, bis die beabfichtigte parallele Lage ber Faſern erreicht
wäre; fo würde e8 bald, wegen feiner zu fehr verminderten Dide,
die Operation nicht mehr aushalten koͤnnen, ohne abzureißen.
Man hilft fich hiergegen auf eine fehr einfache Art dadurch, daß
man vor jeder Stredung mehrere Bänder zufammen legt, und
vereinigt durch die Walzen geben läßt. Diefe Verfahrungsart iſt
e8, weidhe dad Dupliren genannt wird. Sie iſt eine getzene
Nachahmung deilen, was gefchehen würde, wenn man etwas
Baumwolle mit den Fingern aus einander zöge, und die ausgezo⸗
genen Theile immer wieder auf einander legte, um fie von Meuen
auszuziehen, bis die Kafern ganz gleich liegen. Das Dupfiren
gewährt überdieß noch den Vortheil, daß ungleich dicke Stellen
der Bänder ſich verlieren, indem Häufig dünnere neben Diderg
538 Baummolkipinnerei. .
zu liegen fommen, und durch einander gegenfeitig ausgeglichen
werden.
Die Strede (engl. Drawing frame, franzöf. Banc d’eti-
rage), von welcher Fig. ı, Taf. ı4, einen Durchfchnitt, Fig. 2
aber die Anficht von rückwaͤrts darftellt, bedarf nach dem Geſag⸗
ten feiner großen Erklärung mehr. Die Buchftaben e,f,g,i,k, bh’
haben bier die nähmliche Bedeutung, wie in Sig. 3; 1,1, find die
Gewichte der Drudwalzen. Jede Riffelwalze ift, wie man in
Big. a an ffieht, in der Mitte mit einem dünnern, glatten Halfe
verfehen, wodurch fie gleichfam in zwei zufammenhängende Walzen
abgetheilt wird. Das Nähmliche gilt von den Druckwalzen (e,e,
ig. 2). Auf den dünnern Hals in der Mitte der Druckwalzen
drüden die Klammer i und der Sattel h (Big. 3). Die Baum⸗
wollenbänder werden in den (&. 521) erwähnten blechernen Kan⸗
nem oder Weidenförben von der Krage gebracht, und in gewiller
Anzahl, 3. B. ſechs, bei A (Big. ı) vor die Strede hingeftellt.
Dan ninmt drei®änder und leitet fie zufammen zwifchen die eine
Hälfte der Walzen a, b (Fig. 3); und drei andere, welche neben
jenen auf der zweiten Abtheilung zwifchen die Walzen geſteckt
werden. Zur Zuleitung der Bänder nach den Walzen hin dient
ein gefrümmtes Blech s, und eine breite eiferne Gabel ı (Big- 1).
Wenn die zwei dreifachen Bänder durch alle Walzenpaare gegan⸗
gen, und von denfelben ausgeftredt find, laufen fie hinter den
legten Walzen (e, f, Sig. 3) in fehräger Richtung zufammen, ver-
einigen fic) beim Durchgange durch einen meſſingenen Zrichter m
(Fig. ı) zu einem einzigen Bande; und diefes wird von zwei glat«
ten gufeifernen Walzen, n, o (Big. ı, 2) mit gleichförmiger
Gefhwindigfeit herausgezogen, worauf e8 in eine untergefehte
Kanne oder einen Korb fällt. Die Umfangsgefchwindigfeit der
Zugwalzen n, o, macht man gern um etwas weniges größer ale
jene der legten Strediwalgen, fo, daß das Band auf feinem Wege
Durd) den Trichter ftetö Leicht gefpannt bleibt. Vier Stredwerfe
find gewöhnlich in einem Geftelle neben einander angebracht, und
werden gleichzeitig durch einen gemeinfchaftlichen Mechanismus in
Bewegung gefegt. Alm unnöthige Transportirung der mit Bän-
dern angefüllten Kannen oder Körbe, von einer Seite der Mafchine
auf die andere, zu vermeiden, flellt man dieſe Stredwerfe fo,
Strecke. 539
daß das erſte und dritte ihre vordere Seite dort haben, wo ſich
die hintere Seite des zweiten und vierten befindet. Bei dieſer
Anordnung werden die hinter einer Strede angefüllten Kannen
fogleich vor die naͤchſte gefchoben, und die Bänder können hier
obne allen Zeitverluft fogleich aufs Neue duplirt und geſtreckt wer:
den. Die Welle y (Fig. 2), von weldyer aus die ganze Mafchine
Ta Gang gefeßt wird, erhält ihre Umdrehung von der Dampfmas
fchine oder dem Waflertade mittelft eines endlofen Riemens und
Der Rolle a. Die gleiche Rolle z, welche loſe auf ber Achfe ſteckt,
und fich folglich ohne diefelbe dreht, iſt die Keerrolle; d.h. auf
fie wird der Riemen mitteljt eines dazu angebrachten Hebel hin⸗
über gefchoben, wenn man die Mafchine ftill ftehen Taffen will.
Auf y befinden fich vier Rollen wie x, wovon jede ein Strediwerf
in Bewegung fest, indem von x ein Riemen w auf die Rolle u
läuft. Wegen der verfehrten Stellung der Streden, welche auch
eine verkehrte Drehung von u nöthig macht, iſt der Riemen der
erften und ber dritten Strecke ungefreuzt, jener der zweiten und
vierten aber gefreust. Jede Strede befist neben der Rolle u eine
Leerrolle.v, damit man eine jede einzeln ftehen laffen fann, ins
deſſen die übrigen fortgehen. Die Achfe der Rolle u ift die ver-
Tängerte Achfe der binterften Riffelwalze £_ Sie trägt außerdem
noch eine Peine Role q, welche mittelft des Riemens r und der
Holle p (f. auch Fig. 1) die untere Zugwalze o in Bewegung fept.
Die obere Walze, n, liegt mit ihrem ganzen Gewichte auf jener,
und dreht fich bloß vermöge der Reibung mit. Das Näderwerf,
durch welches die Bewegung von der hinterfien Niffelwalze auf
die mittlere und vordere übertragen wird, fieht man in Fig. 2,
und deutlicher in Sig. 4, welche Tegtere Zeichnung man fich auf
Big. 3 gelegt denfen Fann, fo zwar, daß die Räder b, d, f, auf
die eben fo bezeichneten Riffelwalzen zu liegen fommen, an wel-
chen fie befeftigt find. Das Rad f von 20 Zähnen greift in ein
Abzähniged Zwiſchenrad 3 ein, an deſſen Achfe fich zwei Fleinere
Räder ,- 2 mit 26, und ı mit a2 Zähnen, befinden. Won a wird
das Rad d der mittlern, und von ı das Rad b der vordern Rif:
felwalze in Bewegung gefeßt; erftered hat 27, letzteres 40 Zähne,
Hieraus läßt fich Leicht aben: daß für jede Umdrehung von. b
die Walze d fehr nahe 15, und die Walze f 4 Umdrehungen me:
530 Baummwollfpinnerei.
Trommel, und folglich diefer felbft, mit; anderfeitö dreht eö durch
das Zwifchenrad p’ ein Rad x um, deſſen Achfe auch in Fig. 2
mit x bezeichnet ift. Eben diefe Achfe von x trägt, näher gegen
die Mitte der Mafchine hin, ein fehr breites Rad, weldes in
Fig. 3 durch den Fleineren, punftirten Kreis vorgeftellt wird, und
in das gleichzeitig da8 Rad v der Walze v (ig. 2), und die zwei
Raͤder o, o der zwei unteren, geriffelten Stredwalzen o (Big. 2)
eingreifen. Wie man fieht, ift das Rad der zweiten Riffelwalze
fleiner al& jenes der erften, durch welches Mittel eben die un⸗
gleiche Sefchwindigfeit beider entſteht. Won der Trommel h aus
wird mittelft der Rolle w’ und des Riemens 8’ (Big. 2) der große
Läufer 1/7 umgetrieben ; der erwähnte Riemen ift doppelt gefreuzt,
and wird von der Rolle t/, unter welcher er Durchgeht, gefpannt.
Die Bewegung der die Baumwolle einführenden Riffelwalzen e
(Fig. 2) gefchieht auf diefelbe Weife, wie bei Sig. ı (f. S. 520)
mittelft des an der Fleinen Trommel befindlichen Kegelrades b’,
deö gleichen Rades c’ an der fchrägen Achfe d’, des Betriebes e
eben diefer Achfe, und des Nades f! an der untern Riffelwalze.
Vorn (Big. 3) hat jede Riffelwalge ein Getriebe, fo, daß die
obere diefer Walzen fi mitdrehen muß. Die Walze b endlich
wird vermittelt ihres Rades x’ von einem hinten an der untern
Riffelwalze befindlichen Rade v’ (Fig. 2) durch das größere Zwi-
ſchenrad w’ in Bewegung gefebt. Die Umfangsgefchwindigfeit
von b muß eben fo groß feyn, als jene der Riffelwalzen e, da⸗
mit erfiere genau fo viel Watte abwidelt, als Ieptere verlangen.
Die nachftehende Tafel enthält die zweckmaͤßigſten Gefchwin-
digfeiten der an der Mafchine vorfommenden Walzen, welche je:
doch, wie fchon gefagt, nicht für alle Fälle ganz unveränderlich
find, indem man fie durch Wechfeln der Betriebe e/ (Fig. 2) und
m’ (Fig. 3) nad) Befchaffenheit der Baumwolle in einem gewiflen
Grade-modifiziren muß. Die in der Tafel angezeigten Gefchwin:
digkeiten werden erhalten, wenn man die Rolle a’ im Verhältuiffe
‚3: 2 größer macht, ald y, und den Rädern und Getrieben fol:
gende Zähne-Anzahlen gibt: m’ 18; n‘ 50; feinem Getriebe 18;
hı98; x 24; ‚dem daran befindlichen breiten Rade 37, dem
Rade o der erſten Riffelwalze 36; jenem ber zweiten 21; vAs;
b’/ und ce’ 54; e/ 10; f? 63.
Kratzmaſchinen. 431
— — — 6 — —— — — — — — — ——
Benennung
der Theile.
Zromml f . .138 109.90 |130
Trommel h . ; 14 43.96 4.38
Lafer vo. 6.25 | 19.62 | 5
Läufer Wo . . 3.5 11 470
Riffelwalene . 1.169] 3.664] 0.696
Erfte Stredwalze o N 3.14 68.71
Zweite » 1.169] 3.664 | 114.52
Walze . . 2.5 ”.85 | 54.66
Die Wirkung der Täufer h’ und ı/ wird, wenn man ihre Ges
Ihwindigfeiten mit einander, fo wie mit jener der großen Trom⸗
mel vergleicht, und auf die Richtung ihrer Zähne Rüdficht nimmt,
ganz flar. Die von der großen Trommel den Riffehwalzen abge⸗
nommene Baumwolle bleibt zuerſt an den ihre entgegenftehenden
Zähnen des großen Läuferd hängen, weil diefer wegen feiner ger
ringen Ulnfangögefchwindigfeit (98 Zoll in der Minute) gegen die
Trommel faft als ruhend angefehen werden fann, und wird alfo
bier das erfte Mahl gefragt. Der Eleine Läufer kaͤmmt, vermöge
feiner 53 Mahl größeren Geſchwindigkeit (5170 Zoll in einer Mi⸗
nute) die Baumwolle aus den Zähnen des großen Läufers wieder
heraus, überläßt fie aber, da er doch, verglichen mit der Trom⸗
mel, fid) nur langfam dreht, neuerdings der letztern, mit welcher
fie, unter befländiger Wiederhohlung diefes Vorganges, allmaͤh⸗
lich nad) den Dedeln hin fortfchreitet, um dort zum zweiten Mahle
gefragt zu werden. Man fieht Hieraus, wie wefentlich die Läufer
zur Vervollfommnung und Befchleunigung der Arbeit beitragen.
Bei dem Pupen der Kragmafchine (S. 526) wird der Fleine Läufee
jedes Mahl mit der großen Trommel zugleidy gereinigt; der große
Läufer erfordert feine andere Neiniguug als die Fleine Trommel.
Die Bänder, in welche die Baumwolle durch das Kragen
verwandelt wird, find der Urſprung des durch Die weitere Beardei⸗
tung zu erzeugenden Gefpinnfted, und felbit ſchon gleichſam als
34 *
552 Baumwollſpinnerei.
ein ſehr grober, lockerer, noch ungedrehter Baden zu betrachten,
Wenn man im Stande feyn fol, planmäßig auf die Erzeugung
eines Gefpinnftes von vorbeftimmter Seinheit hin zu arbeiten, ſo
muß man die Beinheit diefer Bänder, d.h. ihr Gewicht bei einer
gewiffen Länge, fennen, und beliebig voraus feflzufeen im Stande
feyn. Hierzu gelangt der Fabrikant auf folgende Art.
Bei den VBorfragen mit Trommeln (Taf. 13, Sig ı, S. 515)
wird eine abgewogene Menge Baumwolle auf das Zuführtuch a
ausgebreitet, und wenn diefe den Weg durch die. Mafchine zurück
gelegt hat, fo wird Die daraus gebildete Watte von der Trommel
n abgenommen; ihre Länge und ihr Gewicht find nun zugleich bes
Fannt. Durch Vermehrung oder Verminderung der auf das Zus
führtuch gelegten Baumwoll - Portionen ift man im Stande, die
Watte dicker oder dünner, folglich fchwerer oder leichter, zu er⸗
halten. Wenn die Vorfrage mit den auf der Wattenmafchine
. (Batteur etaleur, ©. 505) verfertigten Watten von beftimmtem
Gewichte bei ebenfalld befannter Länge verfehen wird : ſo laͤßt ſich
aus der Gefchwindigfeit der Riffelwalzen leicht finden, wie groß
die Länge (und folglid, dad Gewicht) der in gewiſſer Zeit einges
führten Baumwolle ifl. Die Umfangdgefchwindigfeit Der Walzen
u (Big. 4, 5, Taf. 13), welche dad davon erzeugte Band aus der
Mafchine hervorziehen, Täßt finden, wie groß in eben der Zeit die
Länge des heraudgeichafften Bandes ift, folglich bis zu welchem
Grade das befannte Gewicht Baumwolle ausgedehnt worben ift.
Diefelbe Berechnung gilt für die Feinfragen, da fich die Seinheit
der ihnen vorgelegten Watten leicht ergibt, wenn man die Anzahl
der durch die Capping = Mafchinen (©. 523) vereinigten Bänder,
und deren Feinheit berüdfichtigt. Die Beinheit der legten Bänder
hängt alfo, wie man ſieht, ‚von der Größe der Auflage, welche
auf eine Abtheilung des Zuführtuches bei der Wattenmafchine
(©. 509) gemacht worden ift, ab; und durch Vermehrung oder
Verminderung jener Auflage hat man e8 in feiner Gewalt, Bän«
der von geringerer oder größerer Feinheit darzuſtellen. Bei allen
diefen Kechnungen muß man, um möglichft genau zu verfahren,
auch die aus der Erfahrung befannte Größe des Abfalles in An⸗
flag bringen, welchen die Baumwolle während des Krapens
leidet.
Kratzmaſchinen. 535
- Bur Erläuterung ded Geſagten fol bei der oben zuletzt be⸗
fhriebenen Krage (Taf. 13, Big. 2, 3) die unter gegebenen Um:
ftänden refulticende Seinheit des Bandes berechnet werden. Es
wird dabei vorausgefeht, daß alle Theile der Mafchine die in
der Tafel (&. 531) bemerften Geſchwindigkeiten, befigen; daß die
Mafchine eine Doppelfarde von 36 Zoll Breite fey; und daß man
fie mit Matten von der zweiten Flackmaſchine (Batteur etaleur)
verſehe, welche bei 30 Fuß ‘Länge und 36 Zoll Breite 5 Pfund
wiegen (S. 5rı), Im einer Minute legt die Oberfläche der Rife
felwalzen e einen Weg von 2.55 Zoll zurück; ben fp Tang iſt alfp
dad in einer Minute der großen Trommel £ zugeführte und: von
derfelben bearbeitete Stüd der Watte. Um diefe letztere ganz
Aufznarbeiten, find ı4ı Minuten oder 3 Stunden und 2ı Minus
ten erforderlih. In dieſer Zeit macht der Umkreis der Walzen
a, v, eine Bewegung von 141 > 429.08 Zoll, d. i. 5042 Fuß,
und liefert alfo ein eben fo langes Band, welches 5 Pfund, oder,
wenn man 6 Prozent Abfall berechnet, 4 Pfund 22.4 Loth wiegt.
Auf ein Pfund würden alfo 1072 Fuß diefes Bandes gehen. Nach
der für die Gefpinnfte eingeführten englifchen Bezeichnungs - Mer
thode müßte ein foldhes Band beiläufig die Nummer 5 (genau
0.357) erhalten. Die Stredung der Baumwolle zu diefer Seinheit
geht allmählich. auf folgende Weife vor ieh. In den 141 Min:
ten, welche die Riffelwalzen e brauchen, um die Jo Buß lange
Watte hinein zu ziehen, macht die Fleine Trommel h 617.58 Um:
gänge, und der Kamm i löfet von ihrer Oberfläche eine dünne
Watte von 2262 Zuß Länge ab. Das erfie Paar der Streckwal⸗
jen verwandelt, durch feine etwas fchnellere Bewegung, diefe
Watte mit Hülfe des Trichters n, in ein Band von 2535 Fuß.
Dad zweite Paar der Streckwalzen verlängert dieſes Band auf
4930 Fuß, indem feine Umfangsgefchwindigkeit in dieſem Ver⸗
hältniſſe größer iſt Die geringe (nur 112 Fuß oder „7 betragende)
Verlängerung, welche zwiſchen dem zweiten Stredwalzen-Paare-
und den Zylindern v, u, noch Etatt findet, dient bloß, um das
Band hier fortwährend gefpannt zu erhalten. |
Der Abfall, welchen die Baumwolle beim Kraben erleidet,
befteht zum Theil aus den nach der erften Operation noch zurüd:
gebliebenen Unreinigfeiten, hauptfächlich aber aus Fürzeren Faſern,
€
ru
554 » Baummwollfpinnerei.
welche theils fchon in ihr enthalten waren, theils erft dem Kraßen
ſelbſt (wobei immer eine gewiffe Menge Baumwolle von den Zaͤh⸗
nen zerriffen wird) Die Entitehung verdanfen. Er zerfällt in
Srommel-Abfall, welcher aus der großen Trommel und dem
Fleinen Läufer ausgefämmt wird; Dedel-Abfall, den man
beim Putzen der Dedel erhält; und Staub, d. h. jene Baum:
wollfafern, welche am Boden des Kaftens der Mafchine fi ſam⸗
men, und durch die Thuͤr d (Xaf. ı3, Big. 2) herausgenommen
werden, Mon einer und derfelben Kratze ift der Trommel⸗Abfall
länger und reiner als der Dedel-Abfall; der Staub ift am reinften,
aber am fürzeften. Die Abfälle der Feinkratze find durchaus rei⸗
ner (aber gerade nieht länger) als jene der Vorkratze. Dedel und
Krommel-Abfall werden von beiden Kragen zufammengeworfen;
den Staub unterfcheidet man in reinen (von ber Beinfrage) und
gemifchten (von der Vorfrage). Der reine Staub, der Deckel⸗
und Trommel:Abfall werden, theil® allein, theild mit einander,
oder mit wenig langer Baumwolle vermiiht (z.B. ; Staub, +
Dedel:Abfall, z gute Wolle) zu groben Sarnen (Nr. 8 bis ı=2)
verfponnen; in geringerer Dienge (zu + oder z) der guten Baum
wolle zugefegt, laſſen fie fich felbft noch auf Befpinnfte von Nr. 30 '
verarbeiten. Nach Verfchiedenheit der Baumwolle und der Güte
der Mafchinen ift die Größe des Abfalls beim Kragen mehr oder
minder bedeutend. Sie fann von 3 bis zu 12 Prozent betragen.
Mac) den im Großen gemachten Erfahrungen fteigt bei egyptifcher
Baumwolle (Mafo) der Abfall beim zweimahligen Kragen -im
Durchſchnitte auf 9 bi6 10 Prozent der rohen Baumwolle; und
wenn daher dieſe bei der erften Operation ſchon 5 Prozent verlo-
ren hat (©. 513), fo beträgt dad Gewicht des Bandes aus einem
Zentner roher Baumwolle 85 bis 86 Pfund. Won dem Werlufte
beim Srapen find ungefähr ; = Trommel⸗Abfall, z Dedel= Abfall
und — Staub.
| Dritte Dperation
Das Dupliren und Streden,
Die Bänder, wie fie durch das Kragen erhalten werden,
find außerordentlich zart und Ioder; aber die Faſern find darin
noch nicht vpllfommen parallel mit einander, wie fie es Doch beim
Dupliren und Strecken. 535
Spinnen ſeyn ſollen, Es muß daher dem Spinnen noch eine
Operation vorausgehen, welche die moͤglichſt gleiche Lage aller
Baummwollfafern in den Bändern herbeiführt. Das Dupliren und
Streden erfüllt diefe Abfiht, und zwar auf eine eben fo einfache
als fichere Art. Das Mittel dazu find Stredwalzen, deren
Einrichtung hier näher angegeben werden muß, da Diefelben bei
allen noch folgenden Mafchinen gebraucht werden, und ein Bei⸗
fpiel von ihrer Anwendung auch ſchon bei der S. 527 beſchriebenen
Kratze vorgekommen iſt.
Wenn in Fig. 3 (Taf. 14) a und b die Durchſchnitte zweier
auf einander liegenden Walzen bezeichnen, welche mit einem ans
gemeſſenen Drucke fich berühren, und in Berührung mit einanber
fich nad der von den Pfeilen angegebenen Richtung um ihre Achfe
drehen; fo werden diefe Walzen ein ihnen bei C dargebothenes
Baumwollenband fallen, zwifchen fich hinein ziehen, und binten
wieder heraus laſſen, ohne dasfelbe übrigens zu verändern. Die
Länge des in einer gewillen Zeit durchgehenden Stuͤckes wird gleich
feyn dem Wege, weichen irgend ein am Umfreife angenommener
Punkt in eben diefer Zeit zurüdigelegt hat, d. h. gleich dem Um⸗
fange einer der Walzen, multipliziert mit der Anzahl der vellbrach-
ten Umdrehungen. Das Nähmliche gilt von dem Durchgange de
Bandes zwifchen einem zweiten Walzenpaare c, d, und einem drit⸗
ten, e, f. Daher fommt das angenommene Band unverändert
fo aus dem dritten Paare hervor, wie es bei in das erfte hinein-
gegangen ift; voraudgefest, daß die Umfangsgefchwindigfeit
aller Walzen die nähmliche if. Nimmt man aber die Umfangs:
gefchwindigfeit von c und d größer an, als jene von a und b;
fo liefert das zuerfi genannte Walzenpaar eine größere Länge Band
als das andere empfängt und ihm zuführt. Der Erfolg kann un⸗
ter diefen Umftänden fein anderer ſeyn, als eine angemeflene Stres
dung oder Verlängerung des Bandes innerhalb des Raumes zwi⸗
fchen a,b ımd c, d, und eine Annäherung der an einander vorbei
gleitenden- Fafern zur geraden, parallelen Lage. Auf gleiche Weife
kann die Streckung wiederhohlt werden, wenn man den Walzen
e, f eine größere Umfangsgeſchwindigkeit gibt, ald.c und d be»
figen. Die Vergrößerung der Umfangsgefchiwindigfeit fann übri-
gend entweder durch Vergrößerung des Durchmeſſers, oder durch
550 F Baumwollſpinnerei.
Vermehrung der Umdrehungen in einerlei Zeit, oder endlich durch
beide Mittel zugleich, hervorgebracht werden. Man richtet ed in
ber Negel fo ein, daß die Stredung hauptfächlich zwifchen dem
zweiten und dritten Walzenpaare Statt findet, zwifchen dem er-
ften und zweiten aber geringer und nur vorbereitend ift. Übrigens
hat, wie man fieht, die Gefchwindigfeit der mittleren Walzen auf
die Größe der Stredung feinen Einylaß, wenn die Geſchwindig⸗
Feit der erſten und dritten Walze feitgefegt if. Die Walzen a, b
und c,d behalten gegen einander ſtets unveränderlich den nähmli⸗
chen Stand, laſſen fich aber mit ihrem Geftelle von dem dritten
Paare, e,f, mehr.oder weniger entfernen, je nachdem es die
Länge der Baumwolle erfordert, Der Abftand der Mittelpunfte
von bund d; oder ihrer Berührungslinien mit den oberen Walzen,
Mt ein für ale Mahl fo berechnet, daß er die Länge der Baum⸗
wollfofern übertrifft, und alfo diefe Faſern niemahls in Gefahr
fommen, dadurch zerriffen zu werden, daß das zweite Walzenpaar
fie faßt, während das erfte fie noch Halt. Zwiſchen d und £, wo
Die größte Stredung gefchieht, muß die Entfernung fo gering fegn,
als e8 ohne jene Gefahr des Zerreißens thunlich ift; denn hier
durch wird die Sleichförmigfeit der Streddung befördert. Man
denfe fi) nur den Abftand von d nach f fehr groß, fo wird man
einfehen, daß ein hier dDurchgehendes Band hauptfächlich in der
Mitte ſich dehnen, ja vielleicht abreißen müßte; wogegen die Stre⸗
dung deſto gleichförmiger erfolgt, je fürzer das auf ein Mahl der
Operation unterworfene Stud ift, je näher fih alfo die Walzen
ftehen. Die unteren Walzen, b,d,f, macht man von Eifen,
und verfieht fie, damit Die Baumwolle feiter von ihnen gefaßt
wird, mit regelmäßigen Rauhigkeiten, nähmlich feinen dreiedigen
Einferbungen oder Riffeln, welche mit der Achfe parallel lau⸗
fen. Die oberen Walzen, a, c, e, find ebenfalls von Eifen (wohl
auch von Holz), ‚aber glatt, und mit einem doppelten Überzuge
verfehen, der ihnen einen gewiflen Grad von Weichhe': und Ela-
ftizität gibt. Man leimt oder Meiftert nähmlich zuerft auf das
Eiſen unmittelbar eine Hülle von grobem Tuch auf, und zieht über
dieſe eine zufanımengeleimte oder auch genähte Nöhre von Leber,
weiche nur an den Enden feftgeleimt wird, damit fie ihre Weich.
heit behält. Es ift vorgefchlagen worden, den Lederüberzug, um _
Dapliren und Strecken. 537
ihn ohne Naht, und überhaupt ohne Zufammenfügung zu erhal⸗
ten, aus ber unaufgefchnitten abgezogenen und gegerbten Haut
von Hammelfüßen zu bilden, Deßgleichen find Walzen ganz aus
Leder gemacht worden, durch Auffteden und Zuſammenpreſſen
von ledernen Scheiben auf eine eiferne Achfe, und Abdrehen des
Ganzen. Man nennt diefe oberen Walzen gewöhnlih Druds
walzen, weil fie durch Gewichte auf die Riffelwalzen niederge-
Drüdt werden. Diefe Gewichte hingen an den Stängelden k,k‘, '
von welchen jenes allein auf die Walze e, dieſes auf die zwei Wal⸗
zen a und ec gemeinfchaftlich wirft. Erſteres wird zu dieſem Bes
Hufe von einer C»förhigen Klammer i getragen, Deren oberer Ha⸗
fen die Walze e umfaßt; letzteres von einem meffingenen Sattel
h, der auf a und o ruht. ‚Statt der Gewichte laſſen fich mit
Bortbeil hölzerne Bedern anbringen. Ein auf der untern Flaͤche
mit Tuch befleidetes Bretchen (ein Putzdechel) g liegt bloß
vermöge feined eigenen Gewichtes auf den Drudwalzen, und
reift alle an denfelben hängen bleibenden Baumwollfafern ab;
ähnliche Bretchen, oder auch Bürften, werden zu diefem Behufe
unter den Riffelmalgen b, d, £f, angebraht, und durch gewun—
bene Drahtfedern gegen diefelben hinauf gedrüdt. Statt der Der
del’g findet man wohl auch leichte hölgerne, mit Tuch übergogene
Walzen. |
Wenn man dad Streden eines Bandes fo Tanne fertſehen
wollte, bis die beabſi ichtigte parallele Lage der Faſern erreicht
waͤre; ſo wuͤrde es bald, wegen feiner zu ſehr verminderten Dicke,
die Dperation nicht mehr aushalten fönnen, ohne abzureißen.
Man hilft ſich hiergegen auf eine fehr einfache Art dadurch, daß
man vor jeder Streckung mehrere Bänder zufammen legt, und
vereinigt durch die Walzen gehen läßt. Diefe Verfahrungsart ift
ed, welche dad Dupliren genannt wird. Sie ift eine getzene
Nachahmung deifen, was gefchehen würde, wenn man etwas
Baumwolle mit den Fingern aus einander zöge, und die ausgezo⸗
genen Theile immer wieder auf einander legte, um fie von Meuen
audjuziehen, bis die Faſern ganz gleich liegen. Das Dupliren
gewährt überdieß noch den Bortheil, daß ungleih die Stellen
der Bänder fi verlieren, indem häufig dinnere neben didere
538 | Baummolkfpinnerei. .
zu liegen fommen, und durch einander gegenfeitig ausgeglichen
werden. |
Die Strede (engl. Drawing frame, fran;öf. Banc d’eti-
rage), von welcher Fig. ı, Taf. ı4, einen Durchſchnitt, Big. 2
aber die Anficht von rüdwärtd darftellt, bedarf nach dem Gefag-
ten feiner großen Erflärung mehr. Die Buchflaben e,f,g,i,k,k’
haben hier die nähmliche Bedeutung, wie in Fig. 3; 1,1, find Die
Gewichte der Drudwalzen. Jede. Riffelwalze ift, wie man im
Sig. a an £fieht, in der Mitte mit einem dünnern, glatten Halfe
verfehen, wodurch fie gleichfam in zwei zufammenhängende Walzen
abgetbeilt wird. Das Nähmliche gilt von den Druckwalzen (e,e,
Fig. 2). Auf den Dünnern Hals in der Mitte der Drucdwalzen
drücken die Klammer i und der Sattel h (Fig. 3). Die Baum:
wollenbänder werden in den (&. 521) erwähnten blechernen Kan
new oder Weidenförben von der Kratze gebracht, und in gewifler
Anzahl, 3. ©. ſechs, bei A (Fig. 1) vor bie Strede hingeftellt.
Dan nimmt drei®änder und leitet fie zufammen zwifchen die eine
Hälfte der Walzen a, b (Fig. 3); und drei andere, welche neben
jenen auf der zweiten Abtheilung zwifchen die Walzen geftedt
werden. Zur Zuleitung der Bänder nach den Walzen hin dient
ein gefrümmted Blech s, und eine breite eiferne Gabel t (Big. 1).
Wenn die zwei dreifachen Bänder durch alle Walzenpaare gegan⸗
gen, und von denfelben ausgeſtreckt find, laufen fie hinter den
legten Walzen (e, f, ig. 3) in fchräger Richtung zufammen, ver-
einigen fi) beim Durchgange durch einen meflingenen Zrichter m
(Fig. ı) zu einem einzigen Bande; und biefes wird von zwei glat
ten gufeifernen Walzen, n, o (Big. », 2) mit gleichförmiger
Geſchwindigkeit heraudgezogen, worauf ed in eine untergefehte
Kanne oder einen Korb fält. Die Umfangsgefchwindigfeit der
Zugiwalzen n, o, macht man gern um etiwad weniges größer als
jene der legten Stredwalzen, fo, daß das Band auf feinem Wege
durch den Trichter ftetö leicht gefpannt bleibt. Vier Stredwerfe
find gewöhnlich in einem Geftelle neben einander angebracht, und
werden gleichzeitig durch einen gemeinfchaftlichen Mechanismus in
Bewegung gefept. Um unnöthige Transportirung der mit Bän-
dern angefüllten Kaunen oder Körbe, von einer Seite der Mafchine
auf die andere, zu vermeiden, ſtellt man diefe Stredwerfe fo,
Strede. 530:
Daß das erfte und dritte ihre vordere Seite dort haben, wo ſich
die hintere Seite de zweiten und vierten befindet. Bei diefer
Anordnung werden die hinter einer Strede angefüllten Kannen
ſogleich vor die nächfte gefchoben, und die Bänder fönnen hier
ohne allen Zeitverluft fogleich aufs Neue duplirt und geſtreckt wer⸗
den. Die Welle y (Big. 2), von weldyer aus die ganze Mafchine
In Bang gefept wird, erhält ihre Umdrehung von der Dampfmas
fchine oder dem Waſſerrade mittelft eines endlofen Riemens und
der Rolle a’. Die gleiche Rolle z, welche Iofe auf der Achfe fteckt,
und ſich folglich ohne Diefelbe dreht, .ift Die Leerrolle; d.h. auf
fie wird der Riemen mittelft eined dazu angebrachten Hebels hin⸗
über gefchoben, wenn man die Mafchine fill ſtehen laſſen will.
Auf y befinden fich vier Rollen wie x, wovon jede ein Stredwerf
in Bewegung feht, indem von x ein Niemen w auf die Rolle u
läuft. Wegen der verfehrten Stellung der Streden, welche. auch
eine verfehrte Drehung von u nöthig macht, iſt der Riemen der
erſten und der dritten Strecke ungefreuzt, jener der zweiten und
vierten aber gefreust. Jede Strecke befigt neben der Rolle u eine
Leerrolle.v, damit man eine jede einzeln ftehen laffen fann, ins
deſſen die übrigen fortgehen. Die Achfe der Rolle u iſt die vers
Tängerte Achfe der Binterften NRiffelwalze £ ie trägt außerdem
noch eine Pleine Rolle q, welche mittelft des Riemens r und der
Rolle p (ſ. auch Fig. ı) die untere Zugwalze o in Bewegung ſetzt.
Die obere Walze, n, liegt mit ihrem ganzen Gewichte auf jener,
und dreht fich bloß vermöge der Reibung mit. Das Näderwerf,
durch welches die Bewegung von der hinterſten Niffelwalze auf
die mittlere und vordere übertragen wird, fieht man in Fig. 2,
und deutlicher in Fig. 4, welche Teßtere Zeichnung man fi auf
Sig. 3 gelegt denfen kann, fo zwar, daß die Räder b, d, f, auf
die eben fo bezeichneten Riffelwalzen zu liegen fommen, an wels
chen fie befeftigt find. Das Rad f von 20 Zähnen greift in ein
AAzähniges Swifchenrad 3 ein, an deflen Achfe fich zwei Fleinere
Näder,-2 mit 26, und ı mit aa Zähnen, befinden. Won 2 wird
dad Rad d der mittlern, und von 1 das Mad b der vordern Rif-
felmalze in Bewegung gefeßt; erftereö hat 27 , legteres 40 Zähne,
Hieraus Täßt ſich Leicht laut daß für jede Umdrehung von. b
die Walze d fehr nahe 15, und die Walze f 4 Umdrehungen me:
549 Baummwollipinnerei.
chen muß: Die Drudwalzen werden bloß yermittelft der Reibung
an den Riffelwalzen von legteren umgedreht. : Nun beträgt der
Durchmeffer der Walzen b und d ı2 Linien, jener von f ı5 Li⸗
nien ; mithin verhalten fich die Umfangsgefchwindigfeiten der drei
Walzennaare der Reihe nach wie ı, ı7, 5. Jeder Zall des
Baummollbandes wird demnach zwifchen Dem eriten und zweiten
Balzenpaare auf ı3 Zoll, und zwifchen dem zweiten und dritten
ferner auf 5 Zoll verlängert; und wenn ein Band durch alle vier
Streden gegangen iſt, fo hat feine Länge auf dad 5 < 5 x
6 >< 5 — basfache fich vermehrt. Je weiter die Streckung ges
trieben wird, deſto vollfommener Fann der Dadurch beabfichtigte
Zweck, nähnlid die Parallel: Legung der Faſern erreicht were
den. Die Zeinheit des nach dem legten Streden zum Borfcheine
kommenden Bandes hängt, bei gleicher urfprünglicher Feinheit
and gleicher Stredung, von der Anzahl Bänder ab, welche beim
Dupliren vereinigt worden find. Die Stredung Täßt fih, indem
- man die Räder in Fig. 4 zum Theil durch andere, mit verfchieder
nen Zähne» Anzahlen, erfegt, vermehren oder vermindern. Hierin
liegt eines der Mittel, die Seinheit ded Befpinnites nad) Erfor⸗
derniß in einem gewillen Grade abzuändern. Denn wenn die
folgende Behandlung fich gleich bleibt, liefert natürlich das feir
nere Band ein feinered Garn. Man läßt z. B. für gröbere Num⸗
mern ſechs Bänder gemeinfchaftlich durch die erfte Strede gehen,
wo fie zu einem einzigen Bande vereinigt werden; ſechs folche
‚Bänder bilden wieder Ein Band in der zweiten Strede; diefes
nimmt man beim dritten Streden abermahls fechöfach; und das
Band endlich, welches hieraus entfteht, geht fünffach Durch die
letzte Strecke. Durch dieſes Verfahren find in dem zulegt erhal
tenen Bande 6 < 6 6 x 5 —= ı080 urfprünglidhe Baͤn⸗
ber vereinigt. Die Seinheit des Bandes ift unter diefer Voraus:
fegung nicht vermehrt, fondern im Gegentheile. vermindert wor:
den. Denn durdy das Streden hat man das Band 625 Mahl
länger, und folglich eben fo viel Mahl feiner gemacht; durch das
Dnupliren ifl es 1080 Mahl gröber geworden: — verhaͤlt ſich
Die urfprüngliche Feinheit zur jetzigen wien u = u h wenn
z. B. (nad ©. 533) 1073 Fuß des von der — gelieferten
.
Erftes Spinnen. 541
Bandes, ein Pfund wiegen, fo gehen von dem aus der letzten
Strecke kommenden Bande nur 620 Fuß auf das Pfund, was
ungefähr der Keinheitö- Nummer ; entfprechen würde.
Zur Bedienung aller vier Strecken find zwei Perfonen hins
reichend, von welchen auf jeder Seite des Geftelles eine fich be:
findet, um die Kannen oder Körbe auszuwechfeln, und die aus:
gehenden Bänder anzuſtücken. Bei diefer Tegtern Arbeit muß
darauf Nüdficht genommen werden, daß, um feine merklich dicke⸗
ren Stellen hervorzubringen, die Zufammenfügungen nicht von
mehreren Bändern neben einander zu liegen fommen. Man läßt
die Teßte oder hinterfie Stredwalze (deren Umfang 47.2 Linien
beträgt) ungefähr ı50 Umdrehungen in einer Minute machen;
daher kann eine jede Strede in zwölf Stunden 35000 Fuß Band
Tiefern. |
Der Abfall, welchen bie Baummolle bein Strecken leidet,
ift ganz unbeträchtlih. Er befteht aus jenen Safern, welche an
den Stredwalzen hängen bleiben, und fi zum Theil in der Tuch«
befleidung der Pupdedel (3. 537) fammeln. Man wirft diefen
Abgang unter den gemiichten Staub der Aragmafchinen (©. 534).
Wenn durch Behler in den Walzen oder durch Verſaͤumung des
Anſtückens der ausgegangenen Bänder, merflid ungleiche Stel»
len in dem geſtreckten Bande entftehen, fo werden diefelben aus⸗
gebrochen, und diefe heile auf der Wattenmafchine (©. 505)
mit der rohen Baunnvolle vom Neuen bearbeitet.
Bierte Dpyeration.
Das erfie Spinnen.
Die geftredten Bänder würden feine bedeutende DVerfeine-
rung durch Ausziehen ohne abzureißen ertragen, wenn man nicht
die Vorficht brauchte, die Faſern derfelben durch “eine gelinde
Drehung einander näher zu bringen, und fo den Zufammenhang
des Ganzen zu verftärfen. Diefe Drehung fol fchlechterdings -
nur fo weit gehen, daß fie den genannten Zwed erfüllt, und darf
dem Auseinanderziehen der Faſern in der Richtung ihrer Länge
durchaus fein Hinderniß in den Weg legen. Die Vereinigung des
Ausziehend und Drehens ift, was den eigentlichen Spinnprozeß
überhaupt Farafterifirt, und mit diefer vierten Operation beginnt
Zn. AT nn m — —
542 Baumwollſpinnerei.
alſo wirklich ſchon die Bildung des Fadens. Weil jedoch ein
ploͤtzliches Ausziehen bis zu der gewünfchten endlichen Feinheit
nicht thunlich iſt, ſo wird es bei der Baumwoll⸗Maſchinenſpin⸗
nerei drei Mahl wiederhohlt, und nach jedem Ausziehen dem Ge⸗
ſpinnſte ein neuer Theil der Drehung gegeben, bis dasſelbe zu⸗
letzt jenen Grad von Feinheit und Drehung beſitzt, welcher ſeiner
Beſtimmung angemeſſen iſt.
Beim erſten Spinnen iſt die Drehung im Verhaͤltniſſe
zur Dehnung unbedeutend, weil die Feſtigkeit des noch groben
Bandes nur in geringem Grade jener Nachhuͤlfe bedarf, um die
bei der nächften Operation beabfichtigte Verlängerung auszuhalten.
I. Die Mafchine, welche ehemahls allgemein zus Verrich-
tung des erfien Spinnend gebraucht wurde, und noch jegt in
manchen Spinnereien ſich findet, ift die Flaſchenmaſchine,
Kannenmafchine oder Laternenbant (engl. Can roving
frame, franzöf. Boudinoir oder banc à lanternes), wovon auf
Zaf. ı4 Fig. 5 den Duchfchnitt, und Fig. 6 die Anficht von der
hintern Seite zeigt. Im Allgemeinen gleicht diefe Vorrichtung
fehr der unter der vorigen Operation befchriebenen Strede, von
welcher fie ſich wefentlich nur durch die Zugabe eines Mechanis-
mus zum Drehen der Bänder unterjcheidet. Sie befteht aus zwei
Paar Streckwalzen, aund b, zwifchen welchen die Bänder auf
die (©. 535) erflärte Weife eine Verlängerung, und alfo Ver«
feinerung erleiden; c find die Bürften zur Reinigung der Riffel⸗
walzen; d ift dad Gewicht der Drudwalzen. Die Pugdedel über
den Druckwalzen find in der Zeichnung nicht angegeben, dürfen
aber nicht fehlen. Auch bier bejteht jede Walze, wie man in
Fig. 6 fieht, aus zwei Abtheilungen, zwifchen welchen ein düns
nerer, glatter Hals bleibt. Die Umfangsgefhwindigfeit des Hin
tern oder zweiten Walzenpaares ift 3, 4 bis 5 Mahl größer, ald
jene des vordern oder eriten, je nach dem Beinheitögrade des zu
erzeugenden Geſpinnſtes. Man fann übrigens auch drei Walzen
paare, flatt zwei, anbringen. Rei der Bearbeitung auf diefem
Stredwerfe wird noch eine Duplirung vorgenommen. Man leis
tet naͤhmlich aus den vor der Mafchine ftehenden Kannen e (Fig. 5)
zwei Bänder gemeinfchaftlih zwilchen die Walzen, wo fie durd)
den Drucf in eines vereinigt werden. Beim Austritte aus den
Raternenbanf. 543
Streckwalzen fällt das verfeinerte Band nicht wieder in eine unber
wegliche Kanne, fondern in eine Begelförmige blecherne Büuͤchſe
(Kanne, Flafche oder Laterne) g, welche fich um ihre Achfe dreht,
und oben mit einem hinreichend weiten Trichter £ verfehen ift. Die
nöthige Unterftügung während ihrer Drehung erhalten diefe Büch-
fen nnten durch einen Zapfen, auf welchem fie ſtehen; oben durch
ein Loch, in welchem der Hals des Trichters Täuft. Eine ſolche
Mafchine enthält in der Regel vier Streden, jede mit zwei Later-
nen, wie Big. 6, im Ganzen alfo acht Zaternen. Jede der letz⸗
tern ift mit einer an Gewinden beweglichen Thür verfehen, h, Fig.
6b, welche durch einen darüber geftedten Ring i verfchloffen ge⸗
halten wird, aber leicht geöffnet werben fann, wenn man jenen
Ring ganz an das dünnere Ende von g hinauf fchiebt.
Die Bewegung, welche der hintern Niffelwalze durch eine
Kiemenrolle m (ig. 5und 6) mitgetheilt wird, überträgt ein eins
faches Näderwerf auf die vordere. Das entgegengefegte Ende
der Hintern Walze trägt nähmlich ein gezahnted Rad o. Dieſes
greift in ein Zwifchenrad q ein, an deſſen Achfe fich ferner noch
ein Rad, r, befindet; und dieſes endlich wirft unmittelbar durch
feinen Eingriff auf dad Rad p an der vordern oder erſten Riffel-
walze. Iſt der Durchmeſſer der zweiten Riffelwalze das ı:fache
von dem der eriten (z. B. jener 18, diefer ı2.Linien), fo fann
man, für eine vierfache Stredung,. dem Rade o 24, q 36, r 18,
p 33 Zähne geben. Durch Wechslung der Räder fann die
Stredung vermehrt oder vermindert werden. Don der mit m
verbundenen Nolle 1 werden mittelft einer Schnur ohne Ende
die Laternen in Umlauf gefegt. Hülfsrollen n, n, leiten das
bei die Schnur in jene Richtung, welche fie haben muß, um
über die Rollen k der Laternen zu gehen.
Andem das duplirte und geftredte Baumwollband durch
den Trichter £ in die Laterne gelangt, wird es durch die Bes
wegung der legtern fchwach zufammen gedreht, und legt fi)
dann, von der Zentrifugal- Kraft nach auswärts getrieben, in
. einer Schraubenlinie rings an der Wand herum. Sit eine Las
terne voll; fo öffnet man ihre Thür, nimmt dad grobe und
lockere Gefpinnft heraus, und transportirt ed zu einer Ma:
fhine, wo dasfelbe auf Spulen gewidelt wird, um in diefer
.
5h4 Baummwollfpinnerei.
Geftalt in der Folge dem zweiten Spinnen unterzogen zu
werden.
Die Vorrichtung zum Anffpulen ift fehr einfach. Sie be—
ſteht aus einer mittelft einer Kurbel umgedrehten großen Walze,
und zwei oder mehreren Spulen, welche, auf einem Drahte ſteckend,
mit ihren vorfpringenden Kränzen oder Scheiben den Umfreis der
Walze berühren. Die Spulen ruhen nur mittelft ihred eigenen
Gewichtes auf der Walze; aber die davon entfiehende Reibung
reicht Hin, bei der Umdrehung der Walze die Spulen mit großer
Geſchwindigkeit mitzudrehen. Mit der Achfe der Walze parallel
ift neben derfelben ein horizontaler Stab angebracht, über wel
hen, zwifchen paarweife ftehenden Stiften duch, dad Gefpinuft
auf die Spulen geleitet wird. Die Hand des Arbeiterd, welcher
die Walze dreht, oder eine mit Der letztern verbundene mechanifche
Vorrichtung, ſchiebt den Stab, und alfo die Fäden, langfam
um fo viel hin und ber, ald Die Länge der Spulen beträgt; fo
daß letztere an allen Stellen gleichförmig mit dem fich aufwideln:
den groben Faden bededit werden. Sind die Spulen ganz; ange⸗
fünt, fo nimmt man fie von dem Drahte ab, und bringt neue an
ihre Stelle.
Der Gebrauch der Laternenbanf führt mehrere Nachtheile
und Unbequemlichfeiten mit fih. Hierzu gehört hHauptfächlich die
Nothwendigkeit des Auffpulens, welches nicht nur als abgefons
derte Operation feine eigene Zeit in Anfpruch nimmt, fondern
überdieß das aͤußerſt Todere Vorgeipinnft der Gefahr ausfest,
beim Herausnehmen aus den Laternen und beim Transporte bes
[hädigt zu werden. Diefem legtern Umftande kann indeflen da=
durch zum Theil abgeholfen. werden, daß man nicht die Laternen
an und für ſich mit der Mafchine verbindet, fondern fie nur, ohne
Rolle, Zapfen und Trichter, in einen Rahmen oder ein von Stan⸗
gen zufammengefebtes Gehäufe ftellt, welches mit dem Trichter
verfehen ift, und auf diefelbe Weife umgedreht wird, wie fonft
die Laternen ſelbſt. Bei diefer Anordnung werden die angefüllten
Laternen herausgenommen, und fammt dem unangetafteten Ju⸗
halte zum Auffpulen gebracht. Ein weiterer Fehler der Laternen
befteht in der Unficherheit, welcher die Drehung des Darin erzeug-
ten Vorgefpinnftes unterliegt Indem naͤhmlich durch die Flieh⸗
%
Srobfpiudelbanf. 545
froft dad Baumwollband fi) an dem innern Umfreife der Laterne
herum legt, erleidet e8 durch eben diefe Kraft einen gewiſſen Zug,
der es zu verlängern ſtrebt, Da es noch nicht hinreichend gedreht
it, um diefem Zuge zu widerfichen. Wenn diefe Wirfung fih
ſtets gleich bliebe, fo wäre fie von feinem Nachtheile; allein da
bei der Anbäufung des Geſpinnſtes in der Laterne, dasſelbe fi
mehr dem Mittelpunfte nähert, wo jene ausdehnende Wirkung
ſich vermindert, und endlich ganz aufhört, fo wird es hier noth:
wendig flärfer gedreht. Die Folge von diefen Unregelmäßigfei-
ten iſt, daß der Inhalt einer Laterne nie weder durchaus gleich
fein, nody durchaus gleich ftarf gedreht erfcheint : Umſtaͤnde,
welche ihren fchädlichen Einfluß auf die Gleichheit des durch die
weitere Verarbeitung entſtehenden Garnes äußern.
U, Die angeführten Nachtheile find Urſache gewefen, daß
man den Gebrauch der Laternenhänfe fchon fehr häufig verlaifen,
und dafür andere, zwar weit weniger einfache, aber ungemein
vollfommenere, Mafchinen eingeführt hat, welche das von ihnen
aus den Bändern erzeugte Vorgefpinnfi fogleich mit der größten
Kegelmäßigkeit, und ohne es auszusiehen, auf Spulen wideln.
Hierdurch wird die Arbtit des Aufipulens erfpart, und dad Ges
fpinnft durchaus von gleicher Feinheit und Drehung hergeftellt. -
Diefe Mafchinen find die fo genannten Spindelbänfe (engl.
spindle roving frames, bobbin and fly frames, franzöf. Bancs
à broches), weldye mau inöbefondere Srobfpindelbänfe
. (Slabbing frames, Bancs à broches en gros) nennt, um fie
von den ganz ähnlich gebauten Beinfpindelbänfen zu unterfcheis
den, auf welchen das zweite Spinnen vorgenommen wird.
. Die Einrichtung der Spindelbänfe ift feit ihrer erften Eins
führung verfchiedentlich abgeändert worden, obfchon das Wefents
liche ihres Baues ftetd unverändert geblieben iſt Fig. 7 auf
Taf. 14 zeigt im Aufriffe von der vordern Seite eine für fehr zweck⸗
mäßig anerfannte Konſtruktion der Grobfpindelbanf. Fig. 8, ders
felben Zafel, ift ein Ducchfchnitt, in welchem nur diejenigen
Zheile angegeben find, deren Lage gegen einander die Fig. 7 allein
nicht vollkommen deutlich machen fann. Als die vordere Seite
ift hier jene betrachtet, auf welcher die Baumwolle eingeführt wird.
Die von der Strecke (dritte Operation) kommenden, mit
Technol. Encyelop, 1. Vd. 5
546 Baummwollfpinnerei.
Bändern angefüllten Kannen oder Körbe werden bei B, Fig. 8,
in einer mit der Länge der Mafchine, parallelen Reihe aufgeſtellt.
Das Band einer jeden Kanne (oder, wenn ed nöthig feheint, die
Bänder von zwei, auch drei Kannen vereinigt) leitet man über
ein fehräged Bret f aufwärts, und durch eine eiferne Gabel e
zwifchen drei Paar Stredwalzen, von welchen das erfte mit a,
b, bezeichnet ift. Im Big. 7 it, der Vereinfachung wegen, der
größte Theil diefer Walzen und der dazu gehörigen Theile wegge-
laffen. Nachdem durch die Stredwalzen die Bänder gehörig aus»
gedehnt und verfeinert worden find, Taufen fie hinten abwärts,
nach den Spindeln i bin, wo fie Die Drehung erhalten, und fich
um die Spulen h aufwideln. Die gegenwärtige Mafchine ift
auf 3o Spindeln eingerichtet, und bearbeitet eben fo viele Baͤn⸗
der auf ein Mahl; zuweilen beträgt diefe Zahl nur 24. Auch
von den Spindeln find in Fig. 7 nur einige angezeigt, um die
Verwirrung der Zeichnung zu vermeiden.
Was die Einrichtung des Streckwerkes betrifft, fo ift Darüber
alles oben (8.535 ff.) Geſagte zu Rathe zu ziehen, fo weit es auf
die VBefchaffenheit und Wirkung des Walzen Bezug hat. Das
Geſtell dieſes Theiled der Mafchine ift eine gußeiferne (oder hoͤl⸗
zerne) Banf A, auf welcher neun Träger c (Fig. 7) für die Wal-
zen errichtet find. Die Riffelwalzen a (Fig. 10, Taf. 14) find
zu vier Stück aus dem Ganzen verfertigt, und werden durch et⸗
was duͤnnere, glatte Hälfe z von einander getrennt. Sieben
folche Abtheilungen zu vier, und eine Abtheilung zu zwei Walzen
bilden zufammen die 3o Riffelwalzen, aus welchen die ganze Reihe
befteht. Die Zufammenfügung (Kuppelung) der Abtheilun-
gen in ein Ganzes gefchieht mittelft vieredfiger Löcher x, und eben
folcher Zapfen y (Big. 10) indem man den Zapfen der einen Ab-
theilung feft in das Loch der anftoßenden ft. Die Drudwalzen
b find paarweile aus dem Ganzen verfertigt, und auf den Hals
w (ig. 10), welcher jedes Paar verbindet, drückt wie in Fig. 2
(Taf. 14) der Sattel eines Gewichtes. Diefe Gewichte g, g,
Fig. 7, 8, find auf die ſchon (S. 537) befchriebene Weife ange:
bracht, A find die Putzdeckel der Drudwalzen ; eben folche fönnen
auch unter den Riffelwalzen vorhanden feyn.
Die Befchaffenheit und Wirfung der Spindeln i erfennt man
Grobfpindelbanf. 547
am beiten aus dem Durchfchnitte Fig. 11, Taf. 14. - Sie find
von Eifen, von oben an bis nad) a* zylindeifh, von bier bis zu
dem in eine abgerundete Spike ausgehenden verftählten untern
Ende Ponifh. Auf diefem koniſchen Theile ift eine Nolle k mit
zwei Schnurläufen feſt aufgeftedt, durch welche die Spindel in
Umlauf gefegt wird. Auf den zylindeifchen Theil ift die hölgerne
Spule h gefchoben, welche fid) darauf, wie man fpäter fehen
wird, leicht muß bewegen laffen. Mit der Spule ift eine andere
zweirinnige Rolle q, mittelft eines durchgeſteckten Stiftes r ver
bunden, fo daß diefe Verbindung jederzeit augenblicklich aufges
hoben, und die Spule von der Spindel abgenommen werden
fann. Das obere Ende der leptern trägt eine In diefem Balle
wegzunehmende Babel a t, welche bei v ein Furzes trichterförmis
ges Rohr befigt. Ein Arm diefer Gabel bildet ein oben und unten
offened Rohr s u; der andere, t, iſt nurvorhanden, um jenem
dad Gleichgewicht zu halten. In Big. 8 find, um Verwirrung
zu vermeiden, die Gabeln der zwei bier fidhtbaren Spindeln weg:
gelaſſen, und in dig. 7 ift aus dem nähmlichen Grunde nur eine
einzige gezeichnet. Übrigens erfeunt man durch die Vergleichung
diefer beiden Figuren, Daß die Spindeln in zwei Reihen abgetheilt
find, in welchen fie abwechfelnd ftehen, fo, daß jede Spindel
der bintern Reihe zwifchen zwei der vordern Reihe ſich befindet.
Die Abficht dieſer Anordnung iſt Erfparung von Raum, da die
Mafchine bedeutend Tänger feyn müßte, wenn die Spindeln in
eingr. einzigen Neihe neben einander Platz haben follten. Wenn
man fich die Spindeln und die Spulen (welche beide in ihrer Bes
wegung von einander unabhängig find) gleichzeitig und nach der
nähmlichen Richtung in Umdrehung begriffen denft, fo findet ihre
Wirkung auf folgende Weife Statt. Dad von den Stredwalzen
gehörig ausgedehnte Band tritt Durch) die Öffnung des Trichters v
ein, geht aber fogleich Durch ein Loch in der Seitenwand desſel⸗
ben wieder heraus, läuft durch das Rohr u s der Gabel herab,
und wendet ſich endlich auf. die Spule. Diefer Weg iſt in Sig. 1.
durch eine punftirte Linie angezeigt. Die Umdrehung der Spin:
dei bewirkt unter den angeführten Umftänden die Drehung des
Bandes zu einem groben Faden; und die Gabel s t, oder eigent-
lich das Rohe a derfelben, führt diefen Faden um die Spule herum,
35 *
548 Baumwollfpinnerei.
Wäre die Bewegung der Spule an Schnelligkeit jener der Spin⸗
del gleih, d. 5. machten Spule und Spindel in gleicher Zeit
gleich viel Umdrehungen; fo wiirde ſich die ganze Wirkung auf
das Zufammendrehen befchränfen. Allein die Spule eilt der Ga⸗
bel etwas voraus, d. h. macht in gegebener Zeit um eine gewiſſe
Anzahl Umdrehungen mehr ald die Spindel, und hierdurch wird
die almähliche und fortdauernde Aufwicklung des Fadens auf die
Spule bewirft. Geſetzt die Spule mache 40 Umläufe, während
die Spindel nur Jo vollbringt; fo werden 30 Umdrehungen der
Spule dur dad Nachfolgen der Gabel für das Aufwideln uns
wirffam, und der Baden wird fi in der That nur 10 Mahl.um
die Spule herumlegen, weil der Erfolg für das Aufwideln gerade
fo ift, als hätte die Spindel fill geftauden, und die Spule 40 —
30 = ı0 Umdrehungen gemacht. Die 30 Umläufe der Spindel
haben nur dazu gedient, dem aufgewidelten Faden die ihm nö»
thige Drehung zu geben.
Einrichtung und Wirfung der Spindeln ift, wie man aus
dem Vorſtehenden erjieht, im Wefentlihen genau diefelbe, wie
der Spindel an einem Flachsſpinnrade; mit dem Unterfchiede, daß
beim Spinnrade das Aufwideln nicht fortwährend , fondern in
. Abfägen gefchieht, jedes Mahldann, wann ein Stüd Faden von
gewiller Länge auögezogen und gedreht ifl. Bei der Spindelbanf
find jedoch einige Umftände zu beobachten, welche die Verrichtung
des Aufwickelns fchwieriger, und den dazu.erforderlichen Mecha-
nismus Fomplizirter machen. E8 ift zuerft zu bemerfen, daß durch
die Umwidlung des Fadens der Durchmeffer der Spule zunimmt,
und daher eine Umdrehung derfelben eine defto größere Länge auf:
widelt, je mehr fie fich ſchon mit Gefpinnft angefült hat. Wollte
‚man unter diefen Umftänden die Bewegung der Spule unverän-
dert laffen, fo würde die vermehrte Gefhwindigfeit des Aufs
widelns nothwendig eine mit ihr im Verhältniffe ſtehende Ausdeh⸗
nung oder gdr dad Abreißen des Fadens zur Folge haben, da das
Material desſelben (nähmlich dad Baumwollband) von den Stred-
walzen ſtets mit gleicher Gefchwindigfeit nachgeliefert wird. Es
ift darum erforderlich, die Gefhwindigfeit der Spule (d. h. die
Anzahl ihrer Umdrehungen in gewiſſer Zeit) in eben dem Verhaͤlt⸗
niffe abnehmen zu laſſen, wie ihr Durchmeifer zunimmt, damit
Srobfpindelbanf. 549
die Umfangdgefhwindigfeit ſtets dieſelbe bleibt. Kerner ift, um
eine regelmäßige Vertheilung bes Fadens auf der Spule, und
eine eben fo regelmäßige Vergrößerung der lebtern, zu bewir-
fen, nöthig, daß nicht zwei nach einander folgende Umwindungen
über. einander zu liegen kommen, fondern genau und eng Win:
dung an Windung fich lege. Diefen Zwed erreicht man durch
Auf- und Niederfchieben der Spule längs‘ der Spindel, wobei
die Bewegung in jeder Nichtung gerade fo viel beträgt, als die
Länge der Spule. Diefe Schiebung muß mit der Drehung Tang-
ſamer werden, weil fie bei jeder Umdrehung gleich viel, naͤhm⸗
lich eben fo viel, als der Durchmeſſer ded Fadens, betragen muß.
Das eben Gefagte wird durch ein Beifpiel deutlicher werden. An-
genommen, die Stredwalzen lieferten in zehn Sefunden 45 Zoll
Baden, und diefe Länge fol 30 Drehungen erhalten. Die
Spindel muß, unter diefer Vorausfegung, 30 Umläufe in zehn
Sefunden mahen, und die Spule fich mit folher Gefchwin-
digfeit bewegen, daß in zehn Sekunden gerade 45 Zoll aufge⸗
widelt werden. Iſt nun der Durchmeffer der Spule 5. B. 1 Zoll,
ihre Umkreis folglich nahe 4: Zoll, fo find Hierzu 10 Umdehun:
gen erforderlich, um welche die Spule mehr machen muß als die
Spindel. Die wirflihe Gefchwindigkeit der Spule wird alfo
3o + 10 = 40 Umläufe in zehn Sekunden betragen. Iſt
durch fortgefeßtes Aufwickeln der Durchmeſſer der Spule auf 3
Zoll geftiegen, fo nimmt fie bei jeder Umdrehung 9 Zoll Baden,
und folglich bei 5 Umläufen 45 Zoll auf. Ihre Geſchwindigkeit
darf daher gegenwärtig nur mehr 3o + 5 = 35 Umläufe in zehn
Sekunden feyn. Allgemein verhält fich der überſchuß an Umdre—
bungen, welchen die Spule vor der Spindel voraus hat, umge-
Pehrt wie der Durchmeiler der Spule. Die Gefchwindigfeit der, '
Spule muß ſich gleich bleiben, fo lange legtere im Hinaufgehen
oder Herabfinten begriffen ift, und muß fich ändern im Augen»
blicke, wo diefe Bewegung wechfelt, weil dann eine neue Reihe
von Umwindungen mit größerem Durchmeiler beginnt. Wenn
3. B. 3o Umwindungen des Fadens neben einander auf der Spule
Plap haben, fo muß im erften der oben angenommenen Fälle in
3o im zweiten in bo Sekunden die Spule ein Te ihren gerad«
an Weg (auf oder ab) vollenden.
550 Braumwollſpinnerei.
Die Bewegung der Streckwalzen, der Spindeln und Spu⸗
len wird auf folgende Weiſe hervor gebracht. Eine Welle c’
(Big. 7 und 8), welche durch die ganze Mafchine der Länge nach
reiht, und mit einem Schwungrade d’ verfehen ift, wird vonder
Betriebswelle der Spinnerei aus durch einen Riemen in Umdre⸗
bung gefeßt , der auf Die Rolle a’ läuft; b/.ift die loſe Rolle (Leer⸗
rolle), auf welche diefer Riemen hinübergefchoben wird, wenn
man die Mafchine ftehen Laffen will. Innerhalb der Rolle a‘,
aber. außerhalb des Geftelles, "trägt die Welle c’ ein Zahnrad b*
von 50 Zähnen, welches mittelft des Zwifchenrades c! das Rad
d? an der verlängerten Achfe der hinterften Riffelwalze (m?, Fig.
8) umdreht. Dieſes Rad d? hat gewöhnlich 54 Zähne; es wird
aber auögewechfelt, wenn man den Säden mehr oder weniger Dre⸗
bung geben will; denn wenn die Spindeln mit unveränderter Ges
fhwindigfeit umlaufen, fo drehen fie das Gefpinnft deſto ſtaͤrker,
je weniger ihnen die Riffelwalzen davon in einer gegebenen Zeit
zuführen. Auf der nähmlichen Achfe mit d? ifl ein Getrieb e? von
32 Zähnen angebracht, und diefed greift in ein 72zaͤhniges Rad
f? ein. Innerhalb des Geftelles ift auf die Achfe von f? ein aus⸗
zuwechfelndes Getrieb ge geſteckt. Diefes Betrieb, welchem man
gewöhnlich 24 bis 28 Zähne gibt, regulirt die Streckung, und
durch dieſe die Feinheit des erzeugten Fadens. Es greift in ein
4Brähniges Rad h? am Ende der vordern Riffelwalze (a, Fig. 8)
ein. Das entgegengefehte Ende der nähmlichen Walze (oder, eis
gentlicher zu reden, Walzenreihe) trägt ein mit 26 Zähnen verfe-
henes Getrieb 1?, welches mittelft des breiten Zwifchenrades kt
das 22zaͤhnige Getrieb ie der mittlern Riffelwalze in Bewegung
fest. Da der Durchmeffer aller Riffelwalzen gleich ift (nähmlich
12 Linien), fo verhalten fih, bei den angegebenen Zähne» An«
zahlen ded Näderwerkes, wenn man für g? 24 Zähne febt, ihre
‚Umfangsgefchwindigfeiten wie ı: 1.18: 4.5, und das geftredite
Band hat 4+ Mahl die anfängliche Länge. Sind von dem Bande,
welches die Strede geliefert hat, und dad hier verarbeitet wird,
620 Fuß auf das Pfund gegangen, fo wiegen nun von dem er-
zeugten erften Vorgefpinnftfaden 2790 Fuß ein Pfund, was faft
der Feinheits Nummer & entfpricht. Das letzte Paar der Rif⸗
Seehizsnicihmf. 551
felısal;en unadr ctma go Umterhungen im vıncr Ziaute, und I»
fert daderch 282.6 Zell des grüredıen Bandes
Die Spindeln i (fig. 7, 8) Reben wir ihrem ann Ende
in Pfaunen 1, welche auf einer unbeweglichen Leite oder Bauk
befeilige jmd. Zur Abhaltung des Stanbes und der Baumwel:
fafern von dem Ohle iR dirfe Bank mir hölzernen Deckeln a wir:
ſehes, im welden fi, gerade uber den Pfannen, Löcher zum
Durcygange der Spmdeln befinden. In Fig. 7 ind von den acht
Dedeln n, weldye ‚ufammen die ganze Länge der Bank m einneb⸗
mei, uur jwei angegeben, um tie Pfannen ſelbſt ſichtbar zu ma:
dien. Der zylindriſche Theil einer jeden Spindel geht durch vi:
nen wieflingenen Ring o, und alle 30 Ringe, deren Mfnungen
genau ſenkrecht über den Pfannen 1 ſeyn müſſen, find an der
Spulenbanf p befeſtigt. Legtere führt diefen Nahmen, werl
fie beftimmt ift, nicht nur mittelſt der erwähnten Ringe die Dpin⸗
dein im ihrer geraden Stellung zu erhalten, fondern zugleich die
‚ auf jenen Ringen ruhenden Spulen längs den Spindeln zu heben
und zu fenfen, wozu die zwei an ihr befeſtigten verzahnten Stan⸗
gen m?, m? dienen, wie fpäter erflärt wird. Um die Umdrehung
der Spindeln bervorzubringen ‚ befinden fich auf der Hauptwelle
c’ zwei Rollen e‘, £’, jede mit vier Schnurläufen von gleichem
Duschmefler. Ron jeder diefer Rollen wird die Hälfte der Spin:
dein in Bewegung gefept, mittel einer Schnur, welche, nach«
dem fie die Rollen k der Spindeln umfaßt bat, vier Mahl die
Rolle der Welle c/ umfchlingt. Zwei Leitungdrollen h‘, jede mit
vier Schnurläufen , und zwei andere, i‘, mit einem einzigen
Schnurlaufe, welche ſich von jenen unabhängig auf den nähmli-
chen Achfen drehen, dienen, den erwähnten Schnüren Die gehö⸗
rige Richtung zu geben, und fie zu fpannen. Man fieht in dem
Grundriſſe Fig. ı, Taf. ı5, den Weg angezeigt, welchen bie
beiden Schnüre um die Rollen der Spindeln nehmen. Letztere
find durch Die Kreife vorgeftellt, und mit Nummern in eben dee
Drdnung bezeichnet, nach welcher fie von den Schnüren umfaßt
werden, Die exfte Schnur, ı, gebt nach der Ordnung über Die
Rolley 2, 3, 4; dann zum zweiten Mahle über die Rolle a,
welche aus diefem Grunde auch mit 5 bezeichnet ift, u. f. f. Über
die Role 34 (d. i. über den zweiten Schnurlauf der Mole 16)
552 | Baummollfpinteret.
fehrt fie zurud, und ihre Enden » und 25 find vereinigt, nadh-
dem fie vier Mahl den Weg um die Rollen h’, und e’ oder f’
(Big. 7, Zafı 14) gemacht haben. Die zweite Schnur, deren
eintretendes und herausfommendes Ende mit 1’ und 24° bezeichnet
find, fest auf gleiche Weife Die zweite Hälfte der Spindeln in Bes
wegung, indem die mit einem Striche bezeichneten Zahlen die
Ordnung anzeigen, nach welcher die Rollen von diefer Schnur
umfchfungen werden. Die Spindeln laufen in einer Minute bei
300 Mahl um; ed kommen mithin nahe auf drei Zoll des Ges
fpinnftes zwei Umdrehungen.
Die Umdrehung der Spulen ift, obwohl fie ebenfalls von
ber Welle c/ (Big. 7, Taf. a4) ausgeht, doch von jener der Spin«
dein unabhängig, und von derfelben, wie fihon gejagt, darin.
verfchieden, daß fie mit abnehmender Geſchwindigkeit vor fich geht.
Das Mittel, diefen letztern Zweck zu erreichen, ift der von Holz
oder verzinntem Eifenblech verfertigte abgeftugte Kegel k’, der
mit der Achfe c’ zugleich fich dreht, aber dabei die Faͤhigkeit bat,
fich längs derfelben zu verfchieben. Die Art, wie diefes bewirkt
wird, zeigt der Durchfchnitt Fig. 5 auf Taf. 15. Hier ift nähm-
lich qꝛ eine von dem großen bis zu dem Fleinen Boden des Kegels
ſich erſtreckende Stange, und p* ein auf der Achfe c’ mitteljt einer
Schraube befeftigter gabelartiger Führer, welcher den Kegel mit«
telft eben jener Stange nöthigt, der Umdrehung von c’ zu fols
gen. Im großen Boden des Kegels befindet ſich eine Offnung,
durch die man zu dem Führer gelangt. Der Heine Boden trägt
außerhalb einen mit einer Rinne verfehenen Anſatz 0°; diefen ums
faßt das gabelförmige Ende einer Stange q’ (Big. 7, Taf. 14),
mittelft welcher der Kegel fortgefchoben wird. Gerade unter dem
Kegel befindet fich eine vertifale zylindrifche Säule p’, auf wel-
cher der Kloben 0° zweier Leitungsrollen 1/ beweglich ſteckt. Eine
neben dem Kloben ftehende Stange r* verhindert deffen Drehung,
ohne ihm die Fähigkeit zu rauben, längs p/ fich zu verfchieben.
Das Gewicht des Klobens und der Rollen reicht hin, den endlos
fen Riemen n‘ zu ſpannen, welcher von den Kegel k’/ unter den
Mollen 1’ durch, und auf die Meine Trommel m’ au der Achfe s*
läuft. Eine Rolle 1? mit vier innen oder Schnurläufen ftedit
mittelft eine® Rohres auf diefer Achſe, und laͤßt ſich Tängs derſel⸗
Grobfpintelbenf. 553
ben auf ur eb fehichen,, ohne jemahls aufinbiren, ihrer Umtre:
Suns u felgen. Tre Achte beſtzt zu dieſem Vehufe eine lange
Gurde, umd das Tumere des Robred eine entipredhende Zunge
sder Leite. Ferner befindet ſich an dem Rohre, unterhalb der
Role, bei w?, eine rund herum gehente Rinne, in weldye das ga:
befformige Ende eines an der Spulenbanf p befefligten Armed wie
v: (Gig. 8) eingreift. Bei der auf und wiederfteigenden Bewe⸗
gung jener Bank nimmt demnach der da8 Rohr umfarfende Arm
die Rolle ı* mit fi, welche daher im gleichem Maße mit den
Spulen h und deren Rollen q fid) hebt und fenft. Dieß iſt noth⸗
wendig, weil von der Rolle t* aus mittelft zweier endlofer Schnüre
die Spulen in Umdrehung gefept werden. Big. 2 auf Taf. ı5
zeigt im Grundriffe die Anordnung der erwähnten Schnüre, wo:
bei die Rollen q der Spulen wieder, wie oben jene der Spindeln,
mit Nummern bezeichnet find, um den Gang der Schnüre anzu-
jeigen. Bon der Rolle t? aus läuft die erſte Schnur, den Punlt ı
als ihren Anfang betrachtet, nach der Ordnung über die Rollen
2, 3, 4 und 5, zum zweiten Mahle auf 3, welche daher auch
mit 6 bemerft ift; ferner über die Rollen, 8, 9, u. |. f. ime
mer nach der Richtung der Pfeile. Wenn diefe Schnur über die
tolle 32 heraus fommt, geht fie, wie Die Zahlen 23 und 24 an:
jeigen, zum zweiten Mahle über t?, umfchlingt noch die Rolle
s5 (30), und kehrt endlich bei ab auf t* zuruͤck, wo fich ihr Ende
mit dem Anfange bei ı vereinigt. Die zweite Schnur, welche
beftimmt ift, die andere Hälfte der Spulen in Umtrieb zu fepen,
geht von dem Punkte 2’ auf des Rolle t? aus, umfchlingt zuerſt
die Spulenrolle 2, Fehrt fogleich auf t* zuruͤck, umfchlingt dier
felbe, wie 3° und 4’ anzeigen, zum zweiten Mahle, Läuft fo-
dann über 5° und nach der Ordnung der mit einem Striche be:
zeichneten Zahlen über alle anderen Spulenrollen ihrer Hälfte,
und gelangt zuletzt von 24’ wieder nach 25° auf t?, wo fich ihr
Ende an den Anfangspunft 1’ anfchließt. Die Rollen w*, w*,
(Taf. 14, Sig. 7), welche ſich anf ihren an der Spulenbanf p
befeftigten Trägern den Rollen der Spulen nach Erforderniß nd»
bern Jaſſen, dienen zur Spannung der Schnuͤre.
Der fchwierigfte Theil des Mechanismus ift die Vorrichtung,
wodurch die nun erflärte drehende Bewegung der Spulen allmaͤh⸗
554° Baummwollfpinnerei,
lich verzögert, und das den Tegteren eigenthämliche,, gleichfalls
verzögerte, Auf: und Niederfteigen längs den Spindeln hervor-
gebracht wird. Die vertifale Rolle L/ befigt auf ihrer linfen Seite
eine etwas größere Scheibe g’ mit vollfommen ebener, aber nicht
zu glatter Fläche. An diefer Scheibe reibt ſich eine Fleinere, ho⸗
rizontale Scheibe x’, deren Umkreis zu diefem Behufe mit einem
Lederftreifen: befleidet if. Das untere Ende von der Achfe y? der
Scheibe x’ fteht in einer Pfanne, welche mit dem Arme v’ des
großen Winfelhebeld ı/ vw’ fo verbunden ijt, daß fie immer hori⸗
zoutal bleibt, welche Lage auch der genannte Hebelarm anneh⸗
men mag. Oben wird die Achte y? duch ein ringförmiges La:
ger gehalten, welches der feſtſtehende Arm x? mit feinem gabel-
förnigen Ende umfaßt. Auf der entgegengefepten Seite trägt
Diefer. Arm eine Rolle y/, über welche eine am Lager der Achfe y*
befeftigte, mit dem Gewichte 2’ befchwerte Schnur gelegt iſt. Das
Gewicht preßt folcher Geftalt die Scheibe x’ feft gegen die Släche
von g‘, um den Grad der Reibung hervorzubringen, welcher nö-
thig ift, damit die Umdrehung von g’ eine ununterbrochene Dre
Hung von x’ zur Kolge habe. Ein Getrieb w‘, deilen Länge we-
nigftens gleich feyn muß dem Halbmeſſer der Scheibe g’, befindet
fi) auf dem untern Theile der Welle y?. Es hat 22 Zähne, und
gueift in ein 6azähniged horizontales Rad z*. : Auf der obern
Släche des leptern ift das koniſche Getrieb a? befeftigt, welches
zur Veränderung der Geſchwindigkeit gewechjelt werden Fann, _
gewöhnlid) aber 28 bis 30 Zähne befigt. Won diefem Getriebe
wird das Kegelrad b? umgedreht, welches Bo Zähne hat, und
deffen Welle c? il. Diefe Welle trägt am entgegengefebten Ende
ein fechözähniges Betrieb d’, welches in das im Baue einem
Trillinge gleichende Rad f? an der langen Welle e? eingreift. Dan
fieht in Sig. 9 (Taf. 14) das Rad E im Durchſchnitte, nebft dem
Betriebe d!. In diefer Zeichnung ift zu bemerfen, daß der Um⸗
freid des Rades eine offene, von Zähnen entblößte Stelle g’
hat. Wenn bei der Bewegung des Rades und Getriebes neben
letzteres diefe Öffnung zu ftehen kommt, fo wendet es ſich um den
legten Zahn: herum, tritt in das Innere des verzahnten Kreifes
(wie die Punftirung anzeigt), und dreht nun, nach der naͤhmli⸗
chen Richtung ſich fortbewegeyd, das Rad fi verfehrt, Dieß Dauert
Grriiuunteibenf. 355
fo lange, biö abermafl3 tie Cifuuung g’ sehen ta Gemish feat,
worauf ſich Dadielhe zum mu: Deu Learn Zafın Zurier Erte beram
'wendet,, ımd wörter auf Deus äußere Imlwiht eungeeift. Dürfe
Ausrduung bewuft, deſ bei userinteruer Bewegung von d’ md
allen damit ;uiammmrubänzenten Theile, Dad Kar min ſtiner
Welle eꝰ abwedrielat cine Ulmtrefung vedieß, und cine imiB uascht.
Damit diefer Erfelg einıreıe, muß tie Dehie c? Dei Getriched ſich
feitwärts verfchichen fünmen, ohne Def der Eimgriif zuikhen a?
und b’ aufhört. Ban’bewuft Birfeö Daturd), Def man dad Ende
der genannten Nıhfe, zumächit b, im cime Gulle aber ein Lager i?
fiedt, worin fie füdh Dechen faun, diefer Gulfe aber als abwärte-
gehende Verlängerung ein ſenkrechtes Rohr gibt, weiches auf den
Zapfen des fonifchen Betriebes a’ gefledt wird. Fig- 4 auf Ze
fel 15 zeigt Diefe Einrichtung nmadı größerem Maffiabe und im
Durchſchnitte. Dad zweite Lager der Achſe, zunihft d’, muß
ebenfalls eine Beweglichkeit nady der Seite befipen. Wenn dem
nach das Betrieb d* durch die Offuung des Rades P heraus oder
hinein fidy ſchiebt, fo macht feine Achſe c* eine entiprechende
Meine ZBinfelbewegung um den Zapfen von a’, mittelſt deö Roh⸗
red von i’; a’ amd b* bleiben daher vollflommen im Eingriffe mit
einander.
Die oben befchriebene abwechfelnde Drehung bed Rades LP
dient, um das Heben und Senken der Spulen zu bewirken. Die
Achfe e* befigt zu diefem Behufe zwei Getriebe n*, nt, welche in
die Zahnflangen m*, m, der Spulenbanf p eingreifen, und hier«
durch die Ieptere, fammt den darauf ruhenden Spulen, abwechs
feind heben und fenfen. Das Gewicht der Spulenbank und aller
derfelben zugehörigen Theile ift durch zwei Gegengewichte m,
deren bein! (Fig. 8) am Geftelle befeftigte Schnüre über die Rol⸗
Ien 0*, o*, o* laufen, aufgewogen; fo, daß die Bewegung mit
gleicher Leichtigfeit fowohl auf: al& abwärts erfolgt. Die oberen
zwei von den drei erwähnten Rollen eines jeden Gewichtes find
am Geftelle feſt; die untere, über welche die Schnur. zuerfl Läuft,
iſt mit Der Era verbimden, ſteigt und ſinkt alſo auch mit
derſelben.
So lange die Friktlons. Scheibe x’ in der naͤhmlichen Höhe
bleibt, alfo von Dem nähmlichen Areifo der Scheibe g/ ihre Bewe⸗
546 | Baummwollfpinnerei.
Bändern angefüllten Kannen oder Körbe werden bei BD, Fig. 8,
in einer mit der Länge der Mafchine, parallelen Reihe aufgeſtellt.
Das Band einer jeden Kanne (oder, wenn. ed nöthig fcheint, die
Bänder von zwei, auch drei Kannen vereinigt) leitet man über
ein fchräged Bret f aufwärts, und durch eine eiferne Gabel e
zwifchen drei Paar Stredwalzen, von welchen das erfte mit a,
b, bezeichnet if. In Fig. 7 ift, der Vereinfachung wegen, der
größte Theil Diefer Walzen und der. dazu gehörigen Theile wegges
laffen. Nachdem durch die Stredwalzen die Bänder gehörig aus⸗
gedehnt und verfeinert worden find, laufen fie hinten abwärts,
nach den Spindeln i hin, wo fie die Drehung erhalten, und fich
um die Spulen h aufwideln. Die gegenwärtige Mafchine iſt
auf 3o Spindeln eingerichtet, und bearbeitet eben fo viele Baͤn⸗
des auf ein Mahl; zuweilen beträgt dieſe Zahl nur 24. Auch
von den Spindeln find in Fig. 7 nur einige angezeigt, um die
Verwirrung der Zeichnung zu vermeiden.
Was die Einrichtung des Streckwerkes betrifft, fo ift darüber
alles oben (8.535 ff.) Sefagte zu Rathe zu ziehen, fo weit ed auf
die Befchaffenheit und Wirkung der Walzen Bezug hat. Das
Geſtell dieſes Theiles der Mafchine ift eine gußeiferne (oder hoͤl⸗
zerne) Banf A, auf welcher neun Träger ce (Fig. 7) für die Wal:
zen errichtet find. Die Riffelwalzen a (Fig. 10, Taf. 14) find
zu vier Stud aus dem Ganzen verfertigt, und werben durch et
was dünnere, glatte Hälfe z oon einander getrennt. Sieben
folche Abtheilungen zu vier, und eine Abtheilung zu zwei Walzen
bilden zufammen die 3o Riffelwalzen, aus welchen die ganze Reihe
befteht. Die Bufammenfügung (Ruppelung) der Abtheilun⸗
gen in ein Ganzes gefchieht mittelft vierediger Löcher x, und eben
folcher Zapfen y (Sig. 10) indem man den Zapfen der. einen Ab⸗
theilung feit in das Loch der anftoßenden ſteckt. Die Drudwalzen
b find paarweife aus dem Ganzen verfertigt, und auf den Hals
w (Fig. 10), welcher jedes Paar verbindet, drückt wie in Fig. 2
(Taf. 14) der Sattel eined Gewichtes. Diefe Gewichte g, g,
Fig. 7, 8, find auf die ſchon (S. 537) befchriebene Weife ange:
bracht, d find die Pugdedel der Drudwalzen ; eben folche fönnen
auch unter den Niffelwalzen vorhanden feyn.
Die Befchaffenheit und Wirfung der Spindeln i erfennt man
Grobfpindelbanf. 547
am beften aus dem Durchſchnitte Big. ı1, Taf. 14. - Gie- find
von Eifen, von oben an bis nach a* zylindriſch, von hier bis zu
dem in eine abgerundete Spike audgehenden verftählten untern
Ende koniſch. Auf diefem. Fonifchen Theile ift eine Rolle k mit
zwei Schnurläufen feft aufgeftedt, durch welche die Spindel in
Umlauf gefebt wird. Auf den zylindrifchen Theil ift die hölzerne
Spule h gefchoben, welche fih darauf, wie man fpäter fehen
wird, leicht muß bewegen laſſen. Mit der Spule ift eine andere
zweirinnige Rolle q, mittelft eines durchgeftedten Stiftes r vers
bunden, fo daß dieſe Verbindung jederzeit augenblicklich aufges
boben, und die Spule von der Spindel abgenommen werden
fann. Das obere Ende der lebtern trägt eine An diefem Falle
wegzunehmende Gabel s t, welche bei v ein kurzes trichterförmi-
ges Rohr befigt. Ein Arm diefer Gabel bildet ein oben und unten
offened Rohr s u; der andere, t, ift nur vorhanden, um jenen
das Gleichgewicht zu halten. In Fig. 8 find, um Verwirrung
zu vermeiden, die Gabeln der zwei hier fihtbaren Spindeln weg-
gelailen ,. und in Sig. 7 ift aus dem nähmlichen Grunde nur eine
einzige gezeichnet. Übrigens erfennt man durch die Vergleichung
Diefer beiden Figuren, daß die Spindeln in zwei Reihen abgetheilt
find, in welchen fie abwechfelnd ftehen, fo, daß jede Spindel
der hintern Reihe zwifchen zwei der vordern Reihe fich befindet.
Die Abficht diefer Anordnung ift Erfparung von Raum, da die
Mafchine bedeutend Tänger feyn müßte, wenn die Spindeln in
eingr. einzigen Reihe neben einander Platz haben follten. Wenn
man fich die Spindeln und die Spulen (welche beide in ihrer Be:
wegung von einander unabhängig find) gleichzeitig und nach der
nähmlichen Richtung in Umdrehung begriffen denft, fo findet ihre
Wirfung auf folgende Weife Statt. Das von den Stredwalzen
gehörig ausgedehnte Band tritt Durch die Öffnung des Trichters v
ein, gebt aber fogleich durch ein Loch in der Seitenwand desſel⸗
ben wieder heraus, läuft durch das Rohr u s der Gabel herab,
und wendet ſich endlich auf die Spule. Diefer Weg ift in Big. 11
durch eine punftiete Linie angezeigt. Die Umdrehung der Spin:
del bewirkt unter den angeführten Umfländen die Drehung des.
Bandes zu einem groben Faden; und die Gabel s t, oder eigent-
lich das Rohr s derfelben, führt dieſen Faden um die Spule herum.
35 *
548 Baummollfpinnerei.
Wäre die Bewegung ber Spule an Schnelligkeit jener der Spin
del glei, d. 5. machten Spule und Spindel in gleicher Zeit
gleich viel Umdrehungen; fo wiirde ſich die ganze Wirkung auf
das Zufammendrehen befchränfen. Allein die Spule eilt der Ga⸗
bel etwas voraus, d. h. macht in gegebener Zeit um eine gewiſſe
Anzahl Umdrehungen mehr als die Spindel, und hierdurch wird
die allmähliche und fortdauernde Aufwidlung des Fadens auf die
Spule bewirkt. Gefegt die Spule mache 40 Umläufe, während
die Spindel nur 3o vollbringt; fo werden Jo Umdrehungen der
Spule durch das Nachfolgen der Gabel für das Aufwideln un
wirffam, und der Faden wird fich in der That nur 10 Mahl.um
die Spule berumlegen, weil der Erfolg für das Aufwickeln gerade
fo ift, als hätte Die Spindel ftill geflauden, und die Spule 40 —
30 = 10 Umdrehungen gemadht. Die 3o Umläufe der Spindel
haben nur dazu gedient, dem aufgewidelten Faden die ihm nö«
thige Drehung zu geben.
Einrichtung und Wirkung der Spindeln ift, wie man aus
dem Vorſtehenden erfieht, im Wefentlichen genau diefelbe, wie
der Spindel an einem Blachöfpinnrade; mit dem Unterfchiede, daß
beim Spinnrade das Aufwideln nicht fortwährend , fondern in
- Abfäpen gefchieht, jedes Mahldann, wann ein Stüd Baden von
gewiller Länge ausgezogen und gedreht ifl. Bei der Spindelbanf
find jedoch einige Umftände zu beobachten, welche die Verrichtung
des Aufwickelns ſchwieriger, und den dazu erforderlichen Mecha⸗
nismus Fomplizirter machen. Es ift zuerft zu bemerken, daß durch
die Umwidlung des Fadens der Durchmeffer der Spule zunimmt,
and daher eine Umdrehung derfelben eine defto größere Länge auf:
widelt, je mehr fie fich ſchon mit Gefpinnft angefüllt Hat. Wollte
‚man unter diefen Umfländen die Bewegung der Spule unverän:
bert Iaffen, fo würde die vermehrte Gefchwindigfeit des Auf:
widelns nothwendig eine mit ihr im Verhaͤltniſſe ftehende Ausdeh⸗
nung oder gar dad Abreißen des Fadens zur Folge haben, da das
Material desfelben (nähmlich das Baumwollband) von den Stred-
walzen ſtets mit gleicher Gefchwindigfeit nachgeliefert wird. Es
ift darum erforderlich, die Gefchwindigfeit der Spule (d. h. die
Anzahl ihrer Umdrehungen in gewiller Zeit) in eben dem Verhaͤlt⸗
niffe abnehmen zu laffen, wie ihr Durchmeifer zunimmt, damit
Grobſpindelbank. 549
die Umfangsgeſchwindigkeit ſtets dieſelbe bleibt. Ferner iſt, um
eine regelmäßige Vertheilung bes Fadens auf der Spule, und
eine eben fo regelmäßige Vergrößerung der legtern, zu bewir-
fen, nöthig, ‚daß nicht zwei nach einander folgende Umwindungen
über. einander zu liegen fommen, fondern genau und eng Win-
dung an Windung fich lege. Diefen Zwed erreicht man durch
Auf» und Niederfchieben der Spule längs‘ der Spindel, wobei
die Bewegung in jeder Richtung gerade fo viel beträgt, als die
Länge der Spule. Diefe Schiebung muß mit der Drehung Tang-
famer werden, weil fie bei jeder Umdrehung gleidy viel, nähm-
lich eben fo viel, alö der Durchmeifer des Fadens, betragen muß.
Das eben Geſagte wird durch ein Beifpiel deutlicher werden. An-
genommen, die Stredwalzen lieferten in zehn Gefunden 45 Zoll
Faden , und diefe Länge foll 30 Drehungen erhalten. Die
Spindel muß, unter diefer Vorausfegung, 3o Umläufe in zehn
Sefunden madhen, und die Spule fi) mit folder Gefchwin-
digfeit bewegen, daß in zehn Sefunden gerade 45 Zoll aufge:
wicelt werden. Iſt nun der Durchmeſſer der Spule 5. B. 17 Zoll,
ihr Umfreis folglich nahe 4: Zoll, fo find hierzu 10 Umd*ehuns
gen erforderlich, um welche die Spule mehr machen muß als die
Spindel. Die wirflihe Gefchwindigfeit der Spule wird alfo
30 + 10 = 40 Umläufe in zehn Sekunden betragen. Iſt
Durch fortgefeptes Aufwiceln der Durchmeffer der Spule auf 3
Zoll geftiegen, fo nimmt fie bei jeder Umdrehung g Zoll Faden,
und folglich bei 5 Umläufen 45 300 auf. Ihre Gefchwindigfeit
darf daher gegenwärtig nur mehr 30 + 5 — 35 Umläufe in zehn
Sekunden feyn. Allgemein verhält fich der Überfchuß an Umdres
hungen, welchen die Spule vor der Spindel voraus hat, umge-
Pehrt wie der Durchmeſſer der Spule. Die Gefchwindigfeit der,
Spule muß fich gleich bleiben, fo lange letztere im Hinaufgehen
oder Herabfinfen begriffen ift, und muß fich ändern im Augen»
blicke, wo diefe Bewegung wechfelt, weil dann eine neue Reihe
von Umwindungen mit größerem Durchmeffer beginnt... Wenn
3. B. 3o Ummwindungen des Fadens neben einander auf der Spule
Plab haben, fo muß im erſten der oben angenommenen Bälle in
30 im zweiten in 60 Sekunden die Spule ein Mahl Dee gerad«
Iinigen Weg (auf oder ab) vollenden.
550 | Baumwollfpinnerei.
Die Bewegung der Stredwalzen, der Spindeln und Spu⸗
Ien wird auf folgende Weife hervor gebracht. Eine Welle c’
(Fig. 7 und 8), welche durch die ganze Mafchine der Länge nach
reicht, und mit einem Schwungrade d’ verfehen ift, wird von ber
Betriebswelle der Spinnerei aus durch einen Riemen in Umdre:
hung geſetzt, der auf die Rolle a’ läuft; b/ ift die loſe Rolle (Leer⸗
rolle), auf welche diefer Riemen hinübergefchoben wird, wenn
man die Mafchine ftehen laſſen will. Innerhalb der Rolle a,
aber. außerhalb des Geftelles, "trägt Die Welle c‘ ein Zahnrad b*
von 50 ‚Zähnen, welches mittelft des Zwifchenrades c* dad Rad
d? an der verlängerten Achſe der hinterften Riffelwalze (m?, Fig.
8) umdreht. Diefes Rad d? hat gewöhnlich 54 Zähne; es wird
aber ausgewechfelt, wenn manden Faͤden mehr oder weniger Dre:
hung geben will; denn wenn die Spindeln mit unveränderter Ges
fhwindigfeit umlaufen, fo Drehen fie das Geſpinnſt defto flärken,
je weniger ihnen die Riffelwalzen davon in einer gegebenen Zeit
zuführen. Auf der nähmlichen Achfe mit d? ift ein Getrieb e: von
32 Zähnen angebracht, und diefes greift in ein 723ähniges Rab
f ein. Innerhalb des Geſtelles ift auf die Achfe von f? ein aus⸗
zuwechjelnde8 Getrieb g* geſteckt. Diefes Getrieb, welchem man
gewöhnlich 24 bis 28 Zähne gibt, regulirt die Stredung, und
Durch diefe die Feinheit des erzeugten Fadens. Es greift in ein
48zähniged Rad h? am Ende der vordern Riffelmalze (a, Fig. 8)
ein. Das entgegengefegte Ende der nähmlichen Walze (oder, ei⸗
gentlicher zu reden, Walzenreihe) trägt ein mit 26 Zähnen verfe-
henes Getrieb 1?, welches mittelft des breiten Zwifchenrades ke
das 22zähnige Getrieb i? der mittlern Riffehvalze in Bewegung
ſetzt. Da der Durchmeffer aller Riffelwalgen gleich ift (nähmlich
ı2 Linien), fo verhalten fi, ‚bei den angegebenen Zähne» An«
zahlen des Raͤderwerkes, wenn man für g* 24 Zähne febt, ihre
‚Umfangsgefchwindigfeiten wie ı: 1.18: 4.5, und das geftredte
“ Band hat 4+ Mahl die anfängliche Ränge. Sind von dem Bande,
welches die Strede geliefert hat, und das bier verarbeitet wird,
620 Fuß auf dad Pfund gegangen, fo wiegen nun von dem er:
zeugten erften Borgefpinnftfaden 2790 Fuß ein Pfund, was faft
der Beinheitö Nummer % entipriht. Dad letzte Paar der Rife
Grobfpindelbanf. 551
felwalzen macht etwa yo Umdrehungen in einer Minute, 'und lie
fert dadurch 282.6 Zoll des geftredften Bandes.
Die Spindeln i (Fig. 7, 8) ftehen mit ihrem untern Ende
in Pfannen 1, welche auf einer umbeweglichen Leifte oder Bank m
befeſtigt find. Zur Abhaltung des Staubes und der Baumwoll:
fafern von dem Hhle ift diefe Bank mit hölzernen Deckeln n ver:
fehen, in welchen fi, gerade über den Pfannen, Löcher zum
Durchgange der Spindeln befinden. In Sig. 7 find von den acht
Dedelnn, welche zufammen die ganze Länge der Banf m einnehe
men, nur zwei angegeben, um die Pfannen felbft fihtbar zu ma⸗
den. Der zylindeifche Theil einer jeden Spindel geht durch ei⸗
nen meflingenen Ring o, und alle 3o Ringe, deren Öffnungen
genau fenfrecht über den Pfannen 1 feyn müffen, find an der
Spulenbanf p befefligt. Lebtere führt diefen Nahmen, weil
fie beftimmt ift, nicht nur mittelft der erwähnten Ringe die Spin⸗
deln in ihrer geraden Stellung zu erhalten, fondern zugleich die
auf jenen Ringen ruhenden Spulen längs den Spindeln zu heben
und zu fenfeu, wozu die zwei an ihr befeftigten verzahften Stans
gen m?, m? dienen, wie fpäter erflärt wird. Um die Umdrehung
der Spindeln hervorzubringen „ befinden ſich auf der Hauptwelle
c* zwei Rollen e“, £, jede mit vier Schnurläufen von gleichem
Duschmefler. Bon jeder diefer Rollen wird die Hälfte der Spin:
deln in Bewegung gefebt, mittelft einer Schnur, welche, nach⸗
dem fie die Rollen k der Spindeln umfaßt hat, vier Mahl die
Rolle der Welle c’ umfchlingt. Zwei Leitungsrollen h/, jede mit
vier Schnurläufen, und zwei andere, i/, mit einem einzigen
Schnurlaufe, welche fi von jenen unabhängig auf den naͤhmli⸗
hen Achfen drehen, dienen, den erwähnten Schnüren die gehö-
rige Richtung zu geben, und fie zu fpannen. Man fieht in dem
Srundriffe Fig. ı, Taf. ı5, den Weg angezeigt, welchen die
beiden Schnüre um die Rollen der Spindeln nehmen. Leptere
find durch die Kreife vorgeftellt, und mit Nummern in eben der.
Ordnung bezeichnet, nad) welcher fie von den Schnüren umfaßt
werden, Die erſte Schnur, ı, geht nach der Ordnung ber Die
Rollen 2, 3, 4; dann zum zweiten Mahle über die Rolle 2,
welche aus diefem Grunde auch mit 5 bezeichnet ift, u. f. f. Über
Die Rolle 34 (d. i. über den ziyeiten Schnurlauf der Rolle 16)
552 Baumwollſpinnerei.
kehrt fie zuruͤck, und ihre Enden » und 25 find vereinigt, nach-
dem fie vier Mahl den Weg um die Rollen h’, und « oder f
(Big. 7, Taft 14) gemacht haben. Die zweite Schnur, deren
eintretendes und herausfommendes Ende mit 1’ und 24/ bezeichnet
find, feßt auf gleiche Weife die zweite Hälfte der Spindeln in Bes
wegung, indem die mit einem Striche bezeichneten Zahlen die
Drdnung anzeigen, nach welcher die Rollen von diefer Schnur
umfchfungen werden. Die Spindeln laufen in einer Minute bei
300 Mahl um; es kommen mithin nahe auf drei Zoll des Ge-
fpinnftes zwei Umdrehungen.
Die Umdrehung der Spulen ift, obwohl fie ebenfalls von
ber Welle c’ (Big. 7, Taf. 14) auögeht, doch von jener der Spin⸗
dein unabhängig, und von derfelben, wie fchon gefagt, darin.
verfchieden, dag fie mit abnehmender Gefchwindigfeit vor fich geht.
Das Mittel, diefen letztern Zwed zu erreichen, ift der von Holz
oder verzinntem Eifenblech verfertigte abgeftuste Kegel k’, der
mit der Achfe c’ zugleich fich dreht, aber dabei die Faͤhigkeit hat,
fi laͤngs derfelben zu verfchieben. Die Art, wie diefed bewirkt
wird, zeigt dee Durchfchnitt Fig. 5 auf Taf. 15. Hier ift nähm-
lich q? eine von dem großen bis zu dem Fleinen Boden des Kegel
ſich erfireddende Stange, und p* ein auf der Achfe mittelſt einer
Schraube befeftigter gabelartiger Führer, welcher den Kegel mit«
telft eben jener Stange nöthigt, der Umdrehung von c’ zu fol-
gen. Im großen Boden des Kegeld befindet ſich eine Öffnung,
durch Die man zu dem Führer gelangt. Der Pleine Boden trägt
außerhalb einen mit einer Rinne verfehenen Anfag 0°; diefen ums
faßt das gabelförmige Ende einer Stange q’ (Big. 7, Taf. 14),
mittelft welcher der Kegel fortgefchoben wird. Gerade unter dem
Kegel befindet fich eine vertifale zylindrifche Säule p‘, auf wel-
cher der Kloben o zweier Leitungsrollen 1/ beweglich ſteckt. Eine
neben dem Kloben fiehende Stange r* verhindert deflen Drehung,
Hhne ihm die Bähigfeit zu rauben, laͤngs p‘ ſich zu verfchieben.
Das Gewicht des Klobens und der Rollen reicht hin, den endlor
fen Riemen n‘ zu fpannen, weldyer von dem Kegel k’/ unter den
Rollen 1/ durch, und auf die Feine Trommel m’ au der Achfe s*
läuft. Eine Rolle t* mit vier Rinnen oder Schnurläufen fledt
mittelft eines Rohres auf diefer Achfe, und läßt fich längs derſel⸗
Grobſpindelbank. | 553
ben auf und ab fchieben, ohne jemahls anfjuhören, ihrer Umdre⸗
hung zu folgen. Die Achſe befigt zu diefem Behufe eine lange
Zurche, und das Innere des Rohres eine entfprechende Zunge
oder Leifte. Ferner befindet fih an dem Rohre, unterhalb der
Rolle, bei u?, eine rund herum gehende Rinne, in welche das ga-
belförmige Ende eines an der Spulenbanf p befeftigten Armed wie
v: (ig. 8) eingreift. Bei der auf und niederfleigenden Bewe⸗
gung jener Bank nimmt demnach der dad Rohr umfaflende Arm
die Rolle 1? mit fih, welche daher in gleichem Maße mit den
Spnulen h und deren Rollen q ſich hebt und fenft. Dieß ift noth⸗
wendig, weil von der Rolle t? aus mittelft zweier.endlofer Schnüre
die Spulen in Umdrehung gefept werden. Fig. 2 auf Taf. ı5
zeigt im Grundeiffe die Anordnung der erwähnten Schnüre, wo⸗
bei die Rollen q der Spulen wieder, wie oben jene der Spindeln,
mit Nummern bezeichnet find, um den Gang der Schnüre anzu:
jeigen. Bon der Rolle t? aus Läuft die erfte Schnur, den Punkt ı
als ihren Anfang betrachtet, nach der Ordnung über die Rollen
2, 3, Aund 5, zum zweiten Mahle auf 3, welche daher auch
mit 6 bemerkt ift; ferner über die Rollen, 8, 9, u. f. f. im⸗
mer nach der Richtung der Pfeile. Wenn diefe Schnur über die
Rolle 22 heraus kommt, geht fie, wie die Zahlen 23 und 34 an-
jeigen, zum zweiten Mahle über t?, umfchlingt noch die Rolle.
35 (20), und fehrt endlich bei a6 auf r? zurüch, wo fich ihre Ende
mit dem Anfange bei s vereinigt. Die zweite Schnur, welche
beftimmt ift, die andere Hälfte der Spulen in Umtrieb zu fegen,
geht von dem Punfte 2’ auf des Rolle t? aus, umfchlingt zuerft
die Spulenrolle 2°, Fehrt fogleich auf t? zuruͤck, umfchlingt dier
felbe, wie 3° und 4 anzeigen, zum zweiten Mahle, läuft fo:
dann über 5° und nad der Ordnung der mit einem Striche be⸗
zeichneten Zahlen über alle anderen Spulenrollen ihrer Hälfte,
und gelangt zuleht von 24’ wieder nach 25’ auft*, wo fich ihr
Ende an den Anfangspunft 1’ anfchließt. Die Rollen w?, w*,
(Taf. 14, Big. 7), welche ſich anf ihren an der Spulenbanf p
befeftigten Trägern den Rollen der Spulen nad) Erforderniß naͤ⸗
hern Yaffen, dienen zur Spannung der Schnüre.
Der fchwierigfte Theil des Mechanismus ift die Vorrichtung;
wodurch die nun erflärte drehende Bewegung der Spulen allmaͤh⸗
554 Baummollipinnerei,
lich verzögert, und das den Tegteren eigenthämliche,, gleichfalls
verzögerte, Auf- und Niederfteigen längs den Spindelu bervor-
gebracht wird. Die vertifale Rolle f’ befipt auf ihrer linfen Seite
eine etwas größere Scheibe g’ mit vollfommen ebener, aber nicht
zu glatter Fläche. An diefer Scheibe reibt ſich eine Fleinere, ho⸗
rizontale Scheibe x’, deren Umkreis zu diefem Behufe mit einem
Lederftreifen. befleidet iſt. Das untere Ende von der Achfe y? der
Scheibe x’ fieht in einer Pfanne, welche mit dem Arme v’ des
großen Winfelhebeld t/ v’ fo verbunden tjt, daß fie immer hori⸗
‚zontal bleibt, welche Lage auch der genannte Hebelarm anneh⸗
men mag. Oben wird die Achfe y? durch ein ringförmiges La:
ger gehalten, welches der feftitehende Arm x? mit feinem gabel-
förnigen Ende umfaßt. Auf der entgegengefepten Seite trägt
dieſer Arm eine Rolle y’, über welche eine am Lager der Achſe y*
befeftigte, mit dem Gewichte z’/ befchwerte Schnur gelegt ift. Das
Gewicht preßt folcher Geftalt die Scheibe x’ feft gegen die Fläche
von g‘, um den Grad der Reibung hervorzubringen, weicher nö-
thig ift, damit die Umdrehung von g’ eine ununterbrochene Dre⸗
Hung von x’ zur Folge habe. Ein Getrieb w/, deſſen Länge we-
nigftens gleich feyn muß dem Halbmeſſer der Scheibe g‘, befindet
fi) auf dem untern Theile der Welle y?. Es bat a2 Zähne, und
gueift in ein 6azähniges horizontale Rad z*. Auf der obern
Flaͤche des letztern ift das fonifche Getrieb a? befeftigt, welches
jur Veränderung der ‚Gefchwindigfeit gewechfelt werden faun, _
gewöhnlich aber 28 bis 30 Zähne beſitzt. Von diefem Getriebe
wird dad Kegelrad b? umgedreht, welches Bo Zähne hat, und
deflen Welle c? iſt. Diefe Welle trägt am entgegengefeßten Ende
ein ſechszaͤhniges Betrieb d?, welches in das im Baue einem
Zrillinge gleichende Rad f? an der langen Welle e? eingreift. Man
Sieht in Sig. 9 (Taf. 14) das Rad fr im Durchfchnitte, nebft dem
Betriebe d’. In diefer Zeichnung ift zu bemerfen, daß der Um⸗
freid des Rades eine offene, von Zähnen entblößte Stelle g*
hat. Wenn bei der Bewegung des Rades und Getriebes neben
Iegtereß diefe Öffnung zu ftehen Fommt, fo wendet es fich um den
legten Zahn- herum, tritt in bad Innere des verzahnten Kreiſes
(wie die Punftirung anzeigt), und dreht nun, nach der nähmlis
hen Richtung ſich fortberuegend, daß Rad f? verkehrt, Dieß dauert
. ‚Grobfpindelban. 555
ſo lange, bis abermahls die Öffnung g* neben das Getrieb fommt,
worauf fich dadfelbe nun um den legten Zahn diefer Seite herum
-wendet, und wieder auf dem dußern Umfreife eingreift. Diefe
Anordnung bewirkt, daß bei unveränderter Bewegung von d’ und
allen Damit zufammenhängenden Theilen, dad Rad f? mit feiner
Welle e? abwechfelnd eine Umdrehung rechts, und eine links macht.
Damit diefer Erfolg eintrete, muß die Achfe c? des Getriebes fich
feitwärtö verfchieben fönnen, ohne daß der Eingriff zwifchen a
und b! aufhört. Man’bewirft diefes Dadurch, daß man das Ende
der genannten Achfe, zunächft be, in eine Hülfe oder ein Lager i®
fledt, worin fie fich drehen fann, diefer Hülfe aber als abwärtd«
gehende Verlängerung ein fenfrechted Rohr gibt, welches auf den
Zapfen des Fonifchen Betriebes a® gefledt wird. Fig. A auf Tas
fel 15 zeigt diefe Einrichtung nad) größerem Maßftabe und im
Durchſchnitte. Das zweite Lager der Achſe, zunaͤchſt de, muß
ebenfalls eine Beweglichkeit nach der Seite befigen. Wenn dem-
nad) dad Getrieb de durch die Öffnung des Rades f? heraus oder
hinein ſich ſchiebt, fo macht feine Achfe .c? eine entfprechende
Heine Winfelbewegung um den Zapfen von a®, mittelft ded Roh⸗
red von 1°; a° und b? bleiben daher vollfommen im Eingriffe mit
einander.
Die oben befchriebene abwechfelnde Drehung des Rades f
dient, um das Heben und Senken der Spulen zu bewirken. Die
Achfe e* befigt.zu diefem Behufe zwei Getriebe n?, n?, welche in
die Zahnflangen m?, m?, der Spulenbanf p eingreifen, und hier⸗
durch die letztere, ſammt den darauf ruhenden Spulen, abwech⸗
felnd heben und fenfen. Das Gewicht der Spulenbanf und aller
derfelben zugehörigen Theile ift durch zwei Gegengewichte mt,
deren bein+ (Big. 8) am Geftelle befeftigte Schnüre über die Rol⸗
Ien 0*, o*, o* Taufen, aufgewogen ; fo, daß die Bewegung mit
gleicher Leichtigfeit ſowohl auf: ald abwärts erfolgte. Die oberen
zwei von den drei erwähnten Rollen eines jeden Gewichtes find
am Geftelle feſt; die untere, über welche die Schnur. zuerft Täuft,
ift mit Der EIERN verbumden, ſteigt und ſinkt alſo auch mit
derſelben.
So lange die Friktions Scheibe x’ in der nähmlichen Höhe
bleibt, alfo von dem näbmlichen Kreiſe der Scheibe g ihre Bewer
556 . Baumwollſpinnerei.
gung nimmt, iſt auch die auf und nieder ſteigende Bewegung der
Spulenbank gleihförmig. Wenn aber jene Scheibe x’ in die Höhe
geht, fo, daß fie einen kleinern Kreis auf der Fläche von g’ be:
rührt, fo muß ihre Bewegung in entfprehendem Maße langfamer
werden. Diefes ift das Mittel, die Schiebung der Spulen zu
verzögern. Es ift aber gezeigt worden (&. 549), daß auch die
Umdrehung der Spulen in einem angemeflenen Grade eine Verzö-
gerung erfahren muß. Hierzu dient der fchon oben (&. 552) be-
fehriebene Kegel k’,.der, wenn der Riemen n‘’ allmählich auf im-
mer kleinere Durchmeffer desſelben zu liegen fonımt, die Rollen q
der Spulen mit abnehmender Sefchwindigfeit umtreibt, da er felbft
mit der Achfe c/ gleihförmig ſchnell ſich bewegt. Um diefe Ver:
änderung zu bewirken, wird der Kegel längs feiner Achfe fortge⸗
fhoben, indeß der auf ihm liegende Riemen fortwährend in der
nähmlichen vertifalen Ebene bleibt, und durch das Gewicht des
Klobens o! gefpannt wird. Zur Verfchiebung des Kegels dient
folgender Mechanismus, den man am beſten mit Beihilfe der
Figuren 5, 6 (Anficht von oben) und 7, Taf. ı5, kennen lernt.
Eine lange gußeiferne Platte m’, welche zwei horizontal von ihr
ausgehende Doden 0°, o®! trägt, ift auf der vordern vertifalen
Fläche der Banf A befeftigt. Durch die erwähnten beiden Doden
geht frei eine zylindrifche Stange n?, welche in Fig. 7, Taf. 15,
weggelaffen ift, damit man die hinter derfelben Tiegenden Theile
deutlich fehen fan. Auf diefer Stange befindet fich eine Art Ga⸗
bel p? p?, in welcher die auszuwechſelnde Zahnftange q? befeftigt
if. Die Zähne diefer Stange ftehen ungleich weit von einander,
und find fo geordnet, daß jeder Zahn der untern Seite. zwifchen zwei |
Zähnen der obern Seite fich befindet. Ihre Anzahl hängt von
der Anzahl Umwindungen des Gefpinnftes ab, welche zur Anfül-
lung einer Spule erforderlich find; fie beträgt in dem meiften-
Bällen 20 oder a2. Die Stange n? ift in den Doden o° verfchicb-
bar, wie die Gabel p? der Zahnflange auf der Stange n? und
längs der Släche von m!, wo zwei Lappen u?, u? angebracht find,
um die Gabel in ihrer geraden Richtung zu erhalten. Auf der
"Platte m? befinden fich die Drehungspunfte der zwei Sperrhafen
w®, x’, von welchen der obere durch feine eigene Schwere, der
untere durch ein Gegengewicht y’ gegen die Zahnſtange gedrüdt,
Grobſpindelbank. 557
und zwifchen. bie Zähne berfelben einzufallen genöthigt wird. Man
fieht in Zig. 6, Zaf. 16, bei vꝰ den Zapfen des Sperrhafend we
allein, weil der Hafen, um Undeutlichkeit zu vermeiden, wegge⸗
laſſen iſt. Eine Stoßftange 1°, auf welcher fid) oben, bei s’, ein
Stift befindet, geht hinter der Zahnſtange, zwifchen dieſer und
der Platte m? hinauf, und hat die Beſtimmung, nad) Erforder-
niß einen oder den andern der beiden Sperrhafen auszuheben:
den obern, indem das obere Ende der Stange felbft dagegen ftößt;
der untern mittelft des eben erwähnten Stiftes s’. Nie find das
ber-beide Sperrhafen zugleich ausgehoben, fondern entweder der
untere oder der obere hält die Zahnſtange feit, indem er fich gegen
einen ihrer Zähne ftämmt. Die vertifale Bewegung aufs ober
abwärts, welche die Stange 1? erhalten muß, um das Audheben
der Sperrhafen zu bewirken, wird ihr von der Spulenbank p ge⸗
geben, indem an diefer ein horizontaler Arm v? (Fig. 8, Taf. ı4)
befeftigt ijt, der jene Stange umfaßt. Auf der Stoßftange find
zwei Ringe h? und k®, jeder mittelft einer Schraube, befeftigt.
Wenn die Spulenbanf im Hinaufgehen begriffen ift, ſo ftößt am
- Ende diefer Bewegung der Arm v? gegen den Ring h’, hebt die
©tange 3? Daran empor, und entfernt alfo den Sperrhafen we
(Gig. 7, Taf. 15) von dem Zahne der Stange q’, vor welchem
er eben liegt. Beim Herabgehen der Spulenbanf aber begegnet
v2, wenn die Bewegung in diefer Richtung beinahe beendigt ift,
dem Ringe k?, zieht mittelft deöfelben die Stange l2 etwas herab,
und bewirft fomit die Entfernung des Hakens x? (Fig. 7, Taf. ı5)
von der Stange q’. Jedes Mahl, wenn einer der Hafen ausge⸗
hoben wird, erhält die Zahnftange Die Freiheit, fi um ein Fleis
ned Stüd in der Richtung des Pfeiles (Fig. 7, Taf. 25) fortzur
bewegen; fo weit nähmlich, daß der andere Sperrhafen an dem
nächften ihm begegnenden Zahne anſteht. Man wird nun die
Urfache begreifen, warum die Zähne an der obern und untern
Seite der Stange q’ nicht einander gegenüber, fondern abwech«
felnd ſtehen. |
Bon der Zahuftange aus wird auf folgende Art die Schies
bung des Kegeld k’ und die Hebung der Achſe ye, diefe wie-jene
in immer Pleiner werdenden Abfäßen, hervorgebracht. Ein gro«
Ber vechtwinfliger Hebel t/ v’/, der feinen Drehungspunft bei p*
558 Baummwollfpinnerei,
hat, befigt am obern Ende feined Tangen Armes t’ einen Tänglichen
Einfchnitt, durch welchen ein an der Zahnflange q* befindlicher
Stift r? geht (Big. 9,6,7, Taf. 15); fo zwar, daß der Hebel der
Bewegung der Zahnftange folgen muß. Das Ende des kurzen
Sebelarmes trägt, wie fchon erwähnt worden ift, die Pfanne der
Achfe y*; Daher wird, in dem Maße, wie die Zahnſtange vorrüct,
die Zriftions:Scheibe x’ gehoben, und dem Mittelpunfte von g
‚genähert, folglich ihre Umdrehung und die Schiebung der Spulen
langſamer gemacht. Auf der zylindrifchen Stange n? ift ferner,
mittelft Des Rohres 2° (Big. 7, Taf. 15) umd einer Schraube, das
mit einem langen Einfchnitte verfehene Stud s/ 8/ befeftigt. Eine
Gabel u u, welche mittelft ber Schraubenmutter a* in dem Aus⸗
fehnitte feftgeftellt ift, umfaßt den Arm t des Winfelhebeld; und
ein auf der Fläche von s eingenieteted Rohr r’ ift beftimmt, die
Ziehſtauge q’/ des Kegeld k’ (Big. 7, Taf. 14) aufzunehmen. Ein
Gewicht f*, deflen Schnur b* an der zylindrifchen Stange n?
feſtgemacht ift, ftrebt diefe Stange beftändig iu der Richtung des
Pfeiles fort zu ziehen. Diefer Anordnung gemäß wird durch die
Stange n?, jedes Mahl, wenn die Stoßftange 1? einen der Sperr-
haken auöhebt, der Kegel k’, der Hebel tr’ v‘, und. von diefem die
Bahnftange q?, in Bewegung gefeht. Es ift offenbar, daß man
die Bewegung des Kegeld größer oder Pleiner machen faun ‚-in«
dem man die Gabel u u weiter oben oder unten in dem Ausfchnitte
von, s’ befeſtigt. Die Anzahl der Zähne an der Stange q? iſt fo
berechnet, daß die Spulen gerade voll find, wenn der legte Zahn
vor den Sperrhafen gelangt ift, und von demfelben ausgelaijen
wird. Alsdann gleitet die Zahnſtange, von nichts mehr aufgehal-
ten, durch den Zug des Gewichtes f* plöglich und weit fort, und
bringt, durch diefe Bewegung felbit, die Mafchine zum Stillſte⸗
ben, wozu folgende Vorrichtung angebracht iſt. Ein rechtwinffis
ger Hebel, der feinen Drehungspunft in g* hat, befindet ſich auf
der Geitenfläche der Banf A, und befipt am Ende feines horizon»
talen Armes eine Rolle d*, über welche die Schnur b* des Ge⸗
wichtes f* gelegt iſt. Das Ende des fenfrechten Armes ift gabel-
förmig, und umfaßt die lange und dünne Stange k*, an deren
entgegengefeßtem Ende ber Trichter 1° befeftigt if. Durch diefen
Trichter Täuft der die. Mafchine in Bewegung fegende Riemen auf
Grobfpindelbanf. 5509
die Rolle a’ hinab. Mit dem Winfelhebel ift bei h* eine andere
Stange c* verbunden, welche mit einem bei e* befindlichen Eins
fhnitte auf der Docke 0? liegt, und hierdurch den Hebel g*, dem
Gewichte ft zum Zroß, in feiner aufrechten Stellung erhält. Im
dem Augenblide-nun, wo, wie oben erwähnt, die Zahnflange qP:
frei wird, flößt beim fchnellen Vorwärtögehen derfelben der Arm
p? ihrer Gabel gegen die untere, abgefchrägte Seite von e*, hebt
diefe Stange empor, und macht fomit den Hebel Z* frei, deffen
ſenkrechter Arm durch den Zug des Gewichtes ſich neigt, die
Stange .k* an dem auf ihr befefligten Ringe i* vor fich her treibt,
und alfo mittelft des Trichters 1° den Riemen auf die Iofe Rolle b’
binuber fchiebt. Daß man auch zu jeder andern beliebigen Zeit
die Mafchine kann zum: Stillftiehen bringen, bloß indem man
die Stange k’ mit der Hand fchiebt, ift ohne einzus
ſehen.
Man wird nach dem Bisherigen die Wirkung Spindel⸗
bank voͤllig überſehen können. Es erübrigen nur noch einige nach⸗
traͤgliche Bemerkungen über den Kegel k/, die Zahnſtange q*, und
die Sefchwindigfeit der Arbeit.
Wenn.man den Durchmeſſer der leeren Spulen fennt, sub
weiß, wie viele Umdrehungen fie in gegebener Zeit machen müffen,
um das von den Stredwalzen und Spindeln gelieferte Gefpinnft
richtig aufzuwickeln; fo laͤßt fi, indem man die Durchmeifer der
‚ Rollen q und t?, fo wie der Trommel m’ (Big. 7, Taf. ı4) be
sädfichtigt,, leicht der Durchmeffer finden, welchen der Kegel zur
Hervorbringung jener Anzahl von Umdrehungen haben muß. Dies
ſes ift der Durchmeifer für die größere Grundfläche. Der Durch⸗
meffer der Fleinern ergibt fich auf diefelbe Weife, wenn der Durch⸗
meſſer der Spulen vor der legten Umwidlung, alfo auch die jegt
in einer gewiffen Zeit nöthige Anzahl von Umdrehungen, befannt
iſt. Die Länge des Kegels tft willfürlich, darf aber nicht zu flein
genommen werden,-damit er nicht zu fpikig ausfalle, und der:
Riemen möglihft vollfommen die Oberfläche in feiner ganzen Breite
. berühre. Es fommt nun darauf an, die Größe des Raumes zu
beftimmen, um welchen der Kegel nach jeder vollendeten Umwin⸗
dung (oder eigentlich Reihe von Ummwindungen) des Gefpinnftes
um die Spule fortgefchoben werden muß, weil hiervon die Stel⸗
560 Baumwollſpinnerei.
lung der Zähne an der Stange q! abhängt. Es unterliegt feinem
Anftande, diefen Raum für alle auf einander folgenden Verſchie⸗
bangen duch Rechnung zu fiuden, und darnach die Verzahnung
der Stange einzurichten; man wird aber folgendes bequemere
Verfahren vorziehen. Wenn aus der Länge des Kegels die Länge
der Zahnflange gefunden ift, fo nimmt man legtere zum Halbmeſ⸗
fer, um aus dem Punfte a (Fig. 8, Zaf. ı5) einen Viertelfreis
be zu beichreiben; theilt diefen in fo viel gleiche Theile, als Zähne
auf der Stange erforderlich find; trägt von a nad) d den Durch⸗
meſſer einer vollen Spule auf, und zieht aus d gerade Linien nach
allen Zheilungspunften des Bogens. Die Durchſchnitte dieſer
Linien mit a c geben die Stellen für die Zähne auf der Stange.
Die Anzahl der Zähne ift gleich jener der Umwindungen, durch
welche die Spule angefüllt wird ; "daher muß man für feineres Ge
fpinnft eine. Zahnftange mit mehr Zähnen einſetzen.
Eine Grobfpindelbanf von der hier befchriebenen Einrichtung
„liefert von jeder Spindel des Tages (in zwölf Stunden) 6 bis 6%
Pfund Vorgefpinnft, von der Beinheit Ar. 5 bis ı (d. 5. wovon
bei 3oon Fuß auf das Pfund gehen). Eine Perfon kann über
‘wei Spindelbänfe die Aufficht führen, die abreißenden Fäden er⸗
gänzen, und die voll gewordenen Spulen gegen leere .umtaufchen.
Der Abfall bei dieſer Mafchine befteht in den von abgerillenen
Faͤden weggenomnienen Stüden, und wird fo wie jener der Stre⸗
den (&. 541) verivendet.
Man bat der Spindelbanf eine Einrichtung zu — ver⸗
ſucht, wodurch der Mechanismus zur Verzoͤgerung der Spulen⸗
bewegung erſpart werden Fönnte. Das Weſentliche hiervon iſt an
der in Fig. 12, Taf. 15 gezeichneten Spindel ‚angegeben. Die
Spindel a wird mittelft des an ihr befindlichen Eonifchen Getriebes
b umgedreht. Sie trägt oben einen Rahmen c c, und über dies
fem, auf dem Bogen d d, einen Trichter e, durch welchen der
von den Stredwalzen Fommende Baden herein läuft, um auf die
horizontal liegende Spule f zu gelangen. Die Achfe der legtern
ftedt in langen fenfrechten Spalten des Rahmens c c, worin fie
fih, wenn ihr Durchmeſſer zunimmt, ‚heben fann. Die Spule
ſelbſt ruht auf dem Umkreiſe einer Walze g, deren über den Rab:
men o hinaudragende Achſe an ihren Enden zwei Fonifche Räder,
Srobfpindelbanf. 561
hund i, trägt. Unter dem Rahmen ift ein doppelt verzahntes
Rad k 1 Iofe auf die Spindel geftedt. In die obere, Fonifche
Verzahnung 1 desfelben greifen h und i ein; mittelft der untern,
k, empfängt das Rad eine Drehung, welche unabhängig von je:
ner der Spindel, nad) der nähmlichen Seite hin gerichtet, aber
langſamer ift. Wäre dieſe Bewegung des Rades kl nicht, fo
würden alle angegebenen Theile mit der Spindel, und mit eben
der Sefhwindigfeit, wie diefelbe, umlaufen; der durch e eintres
tende Faden würde bloß gedreht werden. Durch den Eingriff,
weldyer dem Rade k 1 feine eigenthümliche Bewegung gibt, wird
aber dieſes Rad gegen die Spindel etwas zurüdgehalten, während
das an der Walze g befefligte Rad h mit unverminderter Schnel⸗
ligfeit im Kreife berumgeht. Die Folge davon ijt, daß h, und
folglich die Walze, ſich mit entfprechender Sefchwindigfeit um die
Horizontale Achfe dreht. Das Rad i ift an der Achfe von g nicht
feft, fondern ftedt nur Iofe darauf, weil es genöthigt ift, fich
nach entgegengefepter Richtung zu drehen. Die Reibung der
Walze g an der darauf liegenden (allenfalls noch befchwerten)
Spule £ dreht Ieptere um; und da diefe Bewegung am Umfreife
mitgetheilt wird, fo gefchieht die Aufwiclung jtets mit gleichför«
miger Öefchwindigfeit, der Durchmeſſer der Spule mag immerhin
zunehmen. Um die fonft gewöhnliche Schiebung der Spule zu
erfegen, muß noch oben auf dem Rahmen c c eine Vorrichtung
angebracht werden, welde den durch den Trichter e gefommenen
Faden längs der Spule hin und ber führt. Es if überflüffig,
diefelbe zu befchreiben. Sie ift nicht einfach, und macht, da fie
fi gleich dem Räderwerfe hi kl bei jeder Spindel wiederhohlt,
die ganze Mafchine fo fomplizirt, Daß die Einrichtung der Spin
delbänfe mit vertifal ftehenden Spulen wohl immer den Vorzug
behalten wird. Das Nähmliche gilt in Bezug auf einen andern
Rerfuh, den man gemacht hat, nähmlich die, ebenfalls durch
Reibung von einer Walze umgedrehten, horizontalen Spulen ganz
von den Spindeln zu trennen, leßteren die Geſtalt eines Rohres
zu geben, durch welches der Faden läuft, und fie während ihrer
Umdrehung zugleich vor den Walzen hin und her zu fchieben. Be⸗
achtenswerth fcheint Dagegen der Vorfchlag zu feyn, die Drehung
Technol. Encyclop. L Bd. 36
4
562 Baumwollfpinnerei,
ohne Spindeln, durch einen fich ſchnell bewegenden Riemen ohne
Ende zu bewirken, zwiſchen deſſen einander faft berührenden Thei⸗
len die geſtreckten Bänder durchgehen.
Fünfte Dperation.
Das zweite Spinnen.
Die loderen, wenig gedrebten, faft fingerdiden Faͤden,
welche durch das erfte Spinnen auf den Laternen oder Grob⸗
fpindelbänfen erzeugt find, werden bei diefer Operation durch wei«
tere Verfeinerung und ftärfere Drehung in grobe Fäden, beiläufig
yon der Dide des Bindfadens, verwandelt, welche man gewöhns
ih Borgefpinnft, und daher die Operation felbft das Vor⸗
fpinnen nennt. Es ift hier die Bemerfung zu machen, daß die
Drehung beim zweiten Spinnen nicht in derfelben Richtung Statt
findet, wie dad erſte Mahl, fondern daß die zweite Drehung der
erften entgegengefeßt ift, mithin der Faden zuerft aufgedreht, und
dann wieder fefter, aber verfehrt, zufammengedreht wird. Der
Gebrauch hat diefed Verfahren eingeführt; obfchon fich Feine halt«
bare Urſache dafiir angeben läßt, und es vielmehr zweckwidrig
ſcheint, eine Arbeit zu verrichten, die man dann ohne Nußen wies
der zerftört. Würde man fchon beim erften Spinnen den Fäden
die Drehung. nach jener Seite geben, nach welcher fie beim zwei⸗
ten Spinnen bewirkt wird, fo brauchte man hier nur das Feh⸗
ende nachzutragen, wobei eine wirflihe Erfparing an Kraft,
oder ein Gewinn an Schnelligfeit der Arbeit, Statt fände.
Die Mafchinen, welche man zum zweiten Spinnen anwen-
det, find verfchieden. In vielen Babrifen bedient man ſich noch
der ehemahls allgemein in Bebrauch gewefenen Borfpinnmar
fhinen (engl. Stretcher oder Billy, franzöf. Machine a filer
en gros, on en doux, Mull-jenny en gros); in anderen ift zu
diefem Behufe eine etwas. veränderte Spindelbanf (Bein-
fpindelbanf, engl. Jack frame, franzöf. Banc à broches en
fin) eingeführt.
I) Die gewoͤhnliche Borfpinnmafdine (au Gro b⸗
ſtuhl genannt) gleicht in ihrer Einrichtung, bis auf einige geringe
Unterſchiede, der zum dritten Spinnen oder Feinſpinnen üblichen
Mulemaſchine, deren Beſchreibung man unten (S.573) findet. Die
@
Vorſpinnmaſchine. 563
mit den groben Faͤden der Laternen oder Srobfpindelbanf anger
fülten Spulen werden oben im bintern Theile des Geftelled in
zwei Reihen über einander aufgeftedt; diefe Faͤden gehen zuerft,
fo wie auf der Spindelbanf, durch drei Paar Stredwalzen, und
beim Austritte aus denfelben nach den Spindeln bin. Leptere
haben Feine Spulen, fondern wiceln den Baden um fich felbit auf,
nachdem fie ihn zufammengedreht haben. Sie flehen in einer mit
den Stredwalzen parallelen Reihe, auf einem Wagen, der fich
während der Umdrehung der Stredwalzen allmählich auf ungefähr
fünf Fuß von denfelben entfernt. Die Sefchwindigfeit, mit wel»
cher dieſe Bewegung gefchieht, übertrifft ein wenig die Umfangs⸗
gefchwindigfeit des letzten Stredwalzen- Paares; ſo zwar, daß der
Wagen hierdurd) einen bei fünf Fuß Tangen Baden, welchen er von
den Walzen erhält, etwa noch um vier Zoll verlängert. Wenn
der Wagen am Ende feines Weges angekommen ift, fo wird er
wieder gegen die, augenblicklich. fill fiehenden, Walzen hinein
geführt, welche nun die Faͤden um fi) aufwideln. Auf diefe
Weiſe wird fortwährend mit dem Spinnen (d. i. Ausziehen und
Drehen) und mit dem Aufwickeln abgewechfelt. Wenn die Spin«
deln ganz angefült find, fchiebt man die muffartigen Garnwidel
von denfelben herab, und ftedt fie auf andere, hölzerne, Spindeln,
oder blecherne Röhrchen, mit welchen fie auf die Feinſpinnma⸗
fhine, zum dritten Spinnen, gebracht werden. Bon den gerif⸗
felten Walzen ded Streckwerkes haben die erſten zwei neun Linien
Durchmeſſer und 45 Niffeln, die dritte 12 Linien Durchmeſſer
und bo Riffeln. Bei einer Umdrehung der erſten Walze macht
Die zweite etwa ı-;, die dritte 3, 4, auch wohl (wenn man feiner
fpinnen will) mehr Umdrehungen. Die Faͤden werden demnach
auf da 4« bis Sfache, und darüber verlängert. Die Vorfpinns
mafchinen haben im Allgemeinen halb. fo viel Spindeln als die
Mulemafchinen zum Feinſpinnen, bei gleicher Länge; weil die
Spindeln, wegen der größern Dide des Fadens größer, und weis
ter von einander entfernt feyn müffen. Am gewöhnlichfien beträgt
die Anzahl der Spindeln go oder 108. Hierin, ferner in der
‚geringern Stredung der Faͤden bei der Worfpinnmafchine, und
endlich in dem Umftande, daß die Drehung mit der Streckung
zugleich aufhört (während fie bei den en etwas
| 36 *
50% Baumwollſpinnerei.
1
länger dauert), Tiegen die Haupt-Unterſchiede zwifchen den Vor⸗
und Seinfpinnmafchinen.
I) Die Feinſpindelbank, welde, wie erwähnt, be=
reits häufig an die Stelle der Vorfpinnmafchine getreten ift, ftimme
mit der oben ausführlich befchriebenen Grobfpindelbanf faft in allen
Hauptpunkten überein. Die bemerfenswerthen Unterfchiede, welche
man mit Hülfe der Zeichnungen Fig. 7 und 8 auf Taf. 14 leicht
verftehen wird, Taffen fich in folgende Punkte zufammenfaffen :
2) Im obern Xheile des Geftelles ift ein Rahmen ange⸗
bracht, in welchem die mit dem dien Vorgefpinnfte angefüllten
Spulen der Srobfpindelbanf, auf hölzernen Spindeln ſteckend, in
zwei über einander befindlichen Reihen aufgeftellt werden, fo, daß
ihre Fäden, um nach den Streckwalzen zu gelangen, etwas fchräg
abwärts Iaufen müffen. Dagegen fehlt das fchräge Bret f.
3) Stredwalzen find in jeder Reihe nur halb fo viel vorhan-
den, ald Spindeln find; fo daß zwifchen jedem Walzenpaare zwei
Fäden durchgehen. Weil aber die Fäden, wenn fie immer die
naͤhmliche Stelle der Walzen berühren, mit der Zeit NRinnen in '
die Drucdwalzen eindrüden, und dann nicht mehr hinreichend
ſtark gefaßt werden; fo hat man eine Veranflaltung getroffen,
wodurch die Gabeln e, welche den Fäden bei ihrem Eintritte zur
Leitung dienen, langfam hin und her gefchoben werden. Zu die⸗
ſem Behufe verfieht man das linke Ende der vorbern Riffelwalze a,
außerhalb des Getriebe 1, mit einigen Schraubengängen,, und
läßt diefe in ein horizontaled Rad von 100 Zähnen eingreifen.
Auf der obern Fläche diefes Rades fleht außerhalb des Mittel:
punftes ein Stift, der ald Kurbelmarze dient, um mittelft einer
angehängten Meinen Ziehftange bie Leifte, auf welcher ſich die oben
erwähnten Gabeln befinden, laͤngs den Walzen bin und her zu
führen. Zuweilen bringt man ein boppeltes Stredwerf, naͤhm⸗
lich zwei Mahl drei Walzenpaare, an, um eine größere Verfeines
rung des Fadens zu bewirfen.
3) Die Spulen find Feiner, nähmlid nur b oder 7 Zoll
lang, und in größerer Anzahl (48 bis 60) vorhanden. Die Spin-
dein find im Verhältniffe Fürzer.
4) Die Rollen k der Spindeln find nicht größer als jene q
der Spulen. Die Trommel m’ ift größer. Die Folge davon ift,
Keinfpindelbanf. 563
daß die Spulen langſamet umlaufen, als die Spindeln, und
zwar, weil hier das Auſwickeln des Geſpinnſtes nicht auf dieſelbe
Weiſe wie bei der Grobſpindelbank vor ſich geht. Bei der Be⸗
ſchreibung der letztern iſt ( S. 548) gefagt worden, daß die Spu⸗
len den Faden um ſich aufwickeln, vermöge eines Überfchuffes von
Sefchwindigfeit, den fie vor den Spindeln voraus haben. Der
Zwed fann aber auch auf dem entgegengefepten Wege, nähmlich
dadurch erreicht werden, daß man die Spule hinter der Spindel
zurücdbleiben läßt. In der That, wenn z. B. die Spindel 3o
Umläufe macht, während die Spule nur 20 Mahl um ihre Achfe
fich dreht ; fo ift der Erfolg gerade fo, als wenn die Spule ftill-
geftanden wäre, und die Spindel Jo — 20, d. i. so Umgänge
gemacht hätte: es wickelt ſich nähmlich der durch Die Gabel der
Spindel berumgeführte Baden zehn Mahl auf die Spule. Die
Urfache von diefer Abänderung des Aufwidlungs = Prozefles ift
durch die Betrachfung gegeben, daß, bei der zur flärfern Drehung
des Fadens nöthigen größern Schnelligfeit der Spindeln auf der
Feinbank, die Geſchwindigkeit der Spulen gar zu groß ausfallen,
und daher unnöthigen Kraftverluft mit ſich führen müßte, wenn
man die Einrichtung der Grobbank in Diefem Punkte auch hier bei»
behielte. e
6) Die Gefchwindigfeit, mit welcher die Spulen umlaufen,
muß zunehmen, wenn ihr Durchmeifer zunimmt, damit fie um we⸗
siiger gegen die Spindeln zurücd bleiben. Wenn etwa (um das
&.549 angenommene Beifpiel wieder zu wählen) ein Stüd Faden
von 45 Zoll Länge 3o Drebungen erhalten folte, fo müßte zu
diefem Behufe die Spindel ebenfalld 3o Umläufe machen. Die
Spule hingegen müßte, wenn ihr Umkreis 4 Zoll betrüge, um
10, und wenn er auf 9 Zoll gewachfen wäre, um 5 Umdrehungen
weniger vollbringen: im erjtern Falle alfo 20, im lestern 25;
Überhaupt verhält fich hier der Überfchuß an Umdrehungen, wel:
chen die Spindel vor der Spule voraus hat, umgefehrt wie Der
Durchmefler oder Umfreid der Spule. Man erreicht diefe Ber
fhleunigung der Spulen durch Umkehrung des Kegels h’, der bei
der Feinbanf feine größere Bafis dort hat, wo in der Grobbanf
die Heinere fich befindet, und alfo dergeftalt gefhoben wird, daß
ber Riemen n’ almählid, dem dickern Ende fich nähert.
566 Braunmwollſpinnerei.
6) Spindeln und Spulen laufen nad) einerlei Richtung
nam, wie bei der Grobbanf, aber nicht nach der nähmlichen wie
dort; weil die Drehung des Fadens nad) der entgegengefehten
Seite geihieht (8.562). Man erhält diefen Erfolg durch ver-
Schrte Umdrehung des Kegeld k’ und feiner Achfe.
7) Die Schiebung der Spulen längs den Spindeln muß
zwar ebenfalls mit dem Wachen des Durchmeflers der Spule lang⸗
famer werden, aus dem (&. 549) erflärten Grunde; allein fie ift
überhaupt fchon weniger fchnell, weil dad Geſpinnſt feiner if.
Man maht darum die Getriebe n?, n?, welche die Spulenbanf
an ihren Zahnflangen m* heben und fenfen, von geringerem
Durchmefler, gibt aud dem Getriebe w’/ nur ı2, dem Rade =*
Dagegen 70, und dem auszuwechfelnden Fonifchen Getriebe a® 22
bis 26 Zähne. oo.
8) An der Stelle des 5o zähnigen Rades b? ift ein 24 zaͤh⸗
niges ©etrieb angebracht, welches bewirkt, daß, die gleihe Ges
ſchwindigkeit der Achfe e· vorausgeſetzt, die Stredwalzen ſich im
Verhaͤltniſſe 24 : 50 langfamer drehen, und alfo in ber Minute
ftatt 382.6 Zoll nur 1353 Zoll Faden liefern. Auf diefe Länge
kommen bei 350 Umdrehungen, mithin auf 3 ZoU des Fadens
5: Umdrehungen. Die auf der Srobbanf (©. 552) dem Faden
gegebene fchwache Drehung ift Durch die Stredung fo ausgedehnt
worden, daß fie in gar Feine Betrachtung mehr kommt, und die
entgegengefeste Drehung, welche dem Geſpinnſte jest erteilt wird,
nicht merflich vermindert. In der That, Da die Stredung durch
die Walzen ungefähr auf das Fuͤnffache fleigt (mehr oder weniger,
je nachdem e8 die Feinheit des zu erzeugenden Garne verlangt),
drei Zoll des Fadens alfo auf 16 Zoll verlängert worden find, fo
ift faum * einer Umdrehung auf einem Zoll Ränge übrig geblieben;
wogegen die neue Drehung faft vierzehn Mahl fo viel beträgt.
Der von der Seinfpindelbanf gelieferte Faden ift ungefähr
von der Seinheitö-Nummer 42, wenn er von der Grobbanf mit der
(©. 550) angezeigten Seinheit gefommen ift. Das Erzengniß kann
des Tages gegen 1 Pfund von jeder Spindel betragen. Eine
Derfon beforgt zwei Spindelbänfe. Der Abfall hier, fo wie bei
den gewöhnlichen Worfpinnmafchinen (&. 562), befteht in den
Stücken der von felbft abreißenden Fäden und derjenigen, welche
Water » Spinnmafchine. 367
der aufſehende Arbeiter, wenn er ſehr ungleiche Stellen darin be⸗
merkt, abreißt; ferner in den an den Streckwalzen haͤngen blei⸗
benden Baumwollfaſern. Er wird der rohen Baumwolle bei der
Bearbeitung auf der Putzmaſchine (dem Batteur ‚plucheur,
©. 500) zugemifcht.
Sechste Dyeration.
Das dritte Spinnen.
Diefe Operation, welde gewöhnlich das Feinſpinnen
genannt wird, vollendet die Erzeugung des Garnfadens, indem
das von der Vorfpiunmafchine (©. 562) oder der Feinfpindelbanf
(8.564) gelieferte Vorgefpinnft noch ferner zu dem erforderlichen
Grade auögedehnt, und zugleich fo flarf, als es nöthig iſt, ge⸗
dreht wird. Es find zwei Hauptarten von Spinnmafchinen (Bein
fpinnmafdhinen, Feinſtühle, engl. Spinning machines,
franzöf. Machines a filer en fin) hierzu gebraäuchlich, welche ſich
durch die Art, wie der gefponnene Baden aufgewidelt wird, von
einander unterfcheiden: nähmlich die Watermafchine und die
Mulemafchine. Erftere hat nur in einzelnen, fpäter anzuge⸗
benden Fällen den Vorzug; die größte Zahl der Spinnmafchinen,
welche in den Fabriken gefunden werden, befteht in Mulema-
fchinen. Die Befchreibung der einfacheren Watermafchine fol
jedoch den Anfang machen.
I) Die Bater:Spinnmafchine, Droffelmafdine,
(engl. Water spinning frame, Throstle, franzöf. Continue) hat
nach der jegt allgemein gebräuchlichen Bauart folgende Einrich⸗
tung, welche auf Taf. 15, Big. q, im fenfrechten Durchfchnitte
abgebildet ifl. Die hier gezeichnete Mafchine iſt eine doppelte,
d.h. eine folche, welche zu beiden langen Seiten des Gejtelles
eine Reihe Spindeln, fammt allen dazu gehörigen Theilen, befigt.
Die mit dem Vorgefpinnfte von der Seinfpindelbanf oder der Mule:
Rorfpinnmafchine angefüllten Spulen oder Spindeln find bei a, a,
in zwei Reihen aufgeftellt. b, c, d, find drei Paar Stredwalzen,
ducch welche der durchgehende Faden auf die ſchon befannte Art
zum erforderlichen Grade verfeinert wird. Beim Austritte aus den
vorderfien Walzen Täuft jeder Baden durch einen Drabtring e,
ber ihm die fenfrechte" Richtung nach der Spindel £ g bin gibt,
568 . | Baummollfpinnerei.
Die Spindeln, welche das Zufammendrehen und Aufwideln des
von den Walzen ihnen zugeführten Fadens gleichzeitig und ohne
Unterbrechung verrichten (daher die franzöfifche Benennung Con-
tinue), find entweder von Stahl, oder von Eifen und am untern
Ende verftählt. Sie ftehen bei g in Pfannen, gehen bei v durch
einen Ring, der fie in ihrer Richtung erhält, und Drehen fich mit
außerordentlicher Schnelligfeit um ihre Achſe. Die Spule h,
welche den gefponnenen Faden aufnehmen fol, ſteckt Iofe auf der
Spindel, und ruht, unabhängig von der Umdrehung der legtern,
auf einer blechernen Schiene (der Blechbank, Spulenbank)l.
Ganz oben ift auf die Spindel eine aus Eifendrabt beftehende
Gabelik feftgeftedt oder feftgefchraubt, welche bei f ein kurzes,
an der Seite mit einem Röchelchen verfehenes Rohr bildet. Der
Baden tritt durch diefes Rohr fenfrecht ein, gebt durch das Geis
tenloch heraus, und endlich durch das zu einem Ringe gebogene
Ende ded Armes oder Flügels i auf die Spule. Durch den Um:
lauf der Spindel wird die Drehung des Fadens zwiſchen £ und den
Walzen d bewirft. Das Aufwinden gefchieht auf folgende Weife.
Da die Spule mit der Spindel feine andere Verbindung hat, als
jene durch‘ den Saden, fo würde fie ohne diefen ganz unbewegt
bleiben. Der Faden aber zieht die Spule nach fich, fo, daß dies
felbe der Bewegung der Gabel und der Spindel folgen muß. Wenn
man fich vorftellt, daß der Baden von den Walzen d feitgehalten
werde, und daher vollfommen gefpannt fey ; fo wird man einfe-
hen, Daß die Zufammendrehung desfelben der einzige Erfolg ſeyn
fann. Dun höre aber einen Augenblid die Spannung auf, indem
3.8. die Walzen d ein etwa zolllanges Stüdchen Baden vorwärte
führen. Die Schwere der Spule und ihre Reibung an der Blech»
banf 1 (welche man durch zwifchengelegtes Leder abfichtlich ver-
ftärft) wird unter diefer Vorausſetzung Urfache feyn, daß diefelbe
fo lange zurüd und in Ruhe bleibt, bis das erwähnte Stüdchen
Faden duch das Herumlaufen des Flügels i aufgewidelt, und -
die alte Spannung wieder hergeftelt iſt. Nun gefchieht aber die
Nachlieferung des Fadens durch die Stredwalzen nicht ſprung⸗
weife, Zoll für Zoll, fondern mit einer gewiflen Sefchwindigfeit
fortwährend; Daher tritt auch ein fortwährendes Zurüdbleiben der
Spule gegen die Spindel ein, welches gerade fo groß iſt, Daß der
Moater-Spinnmafchine. ' 5 69
gelieferte Faden während des Zuſammendrehens zugleich aufgewi-
delt wird. Diefer Vorgang beim Spinnen ift im Wefentlichen
derfelbe, wie bei der Beinfpindelbanf (&. 564), und wird nur
dadnrch vereinfacht, daß das Zurücdhleiben fich felbft nach dem
Durchmeiler der Spule durch die Spannung des Fadens regulirt.
Bei der Spindelbanf ift die Anwendung dieſes Mitteld darum un»
möglich, weil das dort erzeugte Vorgeſpinnſt wegen feiner gerin
gen Drehung nicht Feftigfeit genug hat, um eine Spannung zu
ertragen. Daher wird ed nothwendig, der Spule eine unabhaͤn⸗
gige Bewegung zu geben. Das Aufr und Niederfieigen der Spu⸗
Ien längs der Spindeln, welches zur gleichmäßigen Bertheilung
des Fadens nothwendig ift, und genau fo viel betragen muß, als
die Laͤnge der Spule, wird nicht immer durch den nähmlichen Me⸗
chaniomus bewirkt: der in der Zeichnung angegebene erfüllt feinen
Zwed auf folgende Weife. Jede Spulenbant 1 ift an einem Bal-
fen m; befefligt, und diefer, ber fi) an den Enden bed Geſtelles
in fenfrechten Salzen fchiebt, ift Durch eine Stange n mit einem
um o beweglichen, gleicharmigen Hebel verbunden. An der Stange
p hängt von diefem Hebel ein Gewicht r herab ; eine andere Stange,
q, verbindet den großen Hebel o mit einem kleinern, st, auf
welchen bei t von unten eine hersförmige Scheibe u wirft. Bei
der Umdrehung von u muß der Arm t, den dad Gewicht r immer⸗
während gegen die Scheibe preßt, abwechfelnd fteigen und finfen;
hierdurch werden auch, wie man beim erften Blicke auf die Zeich-
nung erfennt, die Blechbaͤnke 1, und mit ihnen die Spulen h auf:
und ab gefchoben, fo zwar, daß die Spulen der einen Seite ſtei⸗
gen, wenn die der andern ſinken. Streng genommen follte, wie
bei der Spindelbauk (©. 549), dieſe Schiebung bei fortgefeßter
Umwidlung langfamer werden; allein bei der Beinheit des Fadens
wird dieſer Umftand, der die Mafchine zufammengefegt machen
würde, ohne Nachtheil vernachläßigt; und der Erfolg ift Fein an⸗
derer, als daß die Windungen des Fadens immer weiter und
weiter aus einander fallen,. je mehr der Durchmeſſer der Spule
zunimmt,
Die Bewegung der ganzen Mafchine geht von der Achfe einer
horizontalen Walze y aus, von welcher mittelft endlofer Riemen,
xx, die Spindeln in Umlauf gebracht werden. Jede Spindel
570 | Baummollipinnerei.
hat eine Fleine Rolle w an ihrem untern Theile, und einen eigenen
Kiemen, der diefe Rolle und die Walze y umfchlingt. Die Ries
men alle jind nicht ftraff, fondern hängen etwas in fchräger Rich⸗
tung herab, fo daß fie nur Durch ihr eigenes Gewicht gefpannt
werden. SIede Spindel kann daher, wenn ihe Saden reißt, Leicht
einzeln zum Stiliftehen gebracht werden, indem man fie feithält,
und den Riemen auf ihrer Rolle unthätig fchleifen läßt. Man
fieht in Sig. vo, welche die Endanficht der Spinnmafchine vorftellt,
die Art, wie die Bewegung von der Walze y auf die Stred’wal-
zen und die Hersfcheibe u fortgepflangt wird. z ift hier die Rolle,
von welcher mittelft des Riemens a’ die Walze ihre Umdrehung
empfängt. Innerhalb diefer Rolle befindet fi) auf der Achſe der
Walze ein Getrieb, welches in das verzahnte Rad b’ eingreift;
und Diefes befigt wieder ein Getrieb c’, von welchem die beiden
Raͤder d’, e“, umgedreht werden. Letztere pflanzen die Bewegung
auf f’ und g’ fort, wozu, um die Richtung gehörig abzuändern,
zwiſchen e“ und g’/ dad Rab h’ mit hilft. Wenn die Mafchine
einfach ift, d. h. nur auf Einer Seite des Geſtells eine Reihe
Spindeln hat, fo wird das Rad f’ oder g’, welches dann ein Res
gelrad if, durch den Eingriff eines Fonifchen Getriebes umgedreht,
deſſen fchräg liegende Achfe unten mit einem zweiten Kegelrade
verſehen ift, und mittelft desfelben durch ein Fegelfötmiges Getrieb
an der Achfe von z die Bewegung erhält. Die Näder f’ und g’
befinden fi) an den vorderften Niffelwalzen d der Stredwerfe
(ig. 9). An eben diefen Walzen befindet fich hinter dem Rade f’
und g’ ein Betrieb von 12 Zähnen, weldyes in ein Zwifchenrad
von 33 Zähnen eingreift. Die Achfe dieſes letztern befigt ein 16⸗
zähniges Getrieb, und feßt durch dasfelbe ein 3a zähniged Rad an
der mittlern Riffelwalze (c, Fig. 9) in Umdrehung. Die mittlere
Walze trägt am entgegengefesten Ende der Diafchine ein ı 2zAhni:
ges Setrieb, welche8 in ein bloß zur Abänderung der Richtung
beſtimmtes Zwiſchenrad von beliebiger Größe eingreift, und durch
Dasfelbe auf ein Rad von 18 Zähnen an der hintern Riffelwalze (b)
wirft. Die Umlaufsgefchwindigfeiten der drei Riffelwalzen ver-
halten fich, diefer Anordnung zu Folge, wie 1: 12: 8; und da
ihr Durchmeifer gleich ift (naͤhmlich ein Zoll), fo findet eine Ver:
Jöngerung des Vorgefpinnftes auf Das Achtfache Statt. Wenn
Dater-Spinumafchine, 57
demnach 5. B. das Vorgeſpinuſt (wie &. 566) son der Feinheits⸗
Nummer 4: war, fo ift das fertige Garn von Nr. 4 >< 8, d. i.
Ar. 36. Zudem man Vorgeſpinnſt von verfchiedener Feinheit an⸗
wendet, erhält man aud, Garne von verfchiedenen Nummern.
Dan kann aber auch aus demfelben Borgefpinnfte verfchiedene
Garne erzeugen, indem man die Stredung durch Anbringung anz
derer Räder au den Walzen verändert. Um den Einfluß dieſes
Berfaprens zu erfennen, feße man z. B. an die Stelle ded 1 WBzaͤh⸗
nigen Rades der hinterfien Walze ein Rad mit 16 Zähnen; und
men wird finden, daß daun die Stredung nur mehr auf bad 75
fache leigt, mithin die Nummer des Gefpinnfted = 4 x =
82 ausfällt. Die Stredung bei den Watermaſchinen ift außeror-
deutlich verfchieden; fie erreicht manchmahl nur dad Wierfache,
ofthingegen das 10», ı2 = biß ı5fache.
Die fchiebende Bewegung der Spulen wird hervorgebracht,
indem ein koniſches Getrieb an der Achſe von beund 0’ in ein
kleines Kegelrad einer vertifalen Achfe eingreift, und letztere mit
telft einiger Schranbengänge i/ das Rad k’ (Big. 10) der Herz⸗
fheibe u (Fig. 9) in langfame Umdrehung fept.
Die Rolle z (Big. 10) macht beiläufig 600 Umdrehungen
in einer Minute; und da der Durchmefler der Walze y (Big. 9)
dad Sechöfache vom Durchmefler der Spindelrollen w beträgt,
fo fommen 3600 Umläufe der Spindeln auf eine Minute. Der
Grad Der Drehung, welcher hierdurch dem Gefpinnfte ertheilt
wird, Hängt, bei gleicher Schnelligkeit der Spindeln, ab von der °
Geſchwindigkeit, mit welcher die Stredwalzen den Baden lie-
fern ; denn je fehneller dieſes gefchieht, deſto ſchneller widelt fich
der Faden auf, umd deflo weniger Drehungen fommen auf eine
beftimmte Länge deöfelben. Wenn ;. 8. die vorderften Streckwal⸗
jen, d, 24 Mahl in der Minute fich umdrehen, alfo in biefer
Zeit 75 Zoll Faden hergeben, auf welche fich die 3600 Umdre⸗
Dungen der Spindeln vertheilen; fo fommen 48 Drehungen auf
einen Zoll Länge. Durch Weränderung des Raderwerkes ber
Sig. 10, oder durch Aufſtecken größerer oder Mleinerer Rollen auf
die Spindeln, fann das Verhältniß zwifchen der Gefchwindigfeit
diefer letztern und der Stredwalzen, mithin die Drehung des
Geſpinnſtes, nach Erforderniß mobifiziet werben.
5722 Baummollfpinnerei.
Man baut zuweilen Watermafchinen mit horizontal liegen»
den Spindeln. Eine folhe, und zwar ebenfalls Doppelte, zeigt
Fig. 11 auf Taf. 15, welche nach dem Vorausgegangenen leicht
verfländlich feyn wird. a, a, find wieder die mit dem Borges
fpinnfte angefüllten Spindeln; b, c, d die Stredwalen; fg
die Spindeln; w die Rollen derfelben ; ‚u die Slügel; h die Spu⸗
len. Lebtere empfangen die hin und ber gehende Schiebung von
der Herzfcheibe u mittelit des Mebeld o, der Stange m m, und
der mit Diefer verbundenen Gabeln x. Jede folche Gabel, von
welcher die Spule an einem rollenartigen Fortſatze umfaßt wird,
befteht aus zwei fchwachen Stahlfedern, welche durch eine Schraube
fo zufammengepreßt werden , daß fie der zwiſchen ihnen einges
klemmten Spule in gewiflem Grade die Umdrehung erfchweren,
und fomit die Reibung an der Blechbanf 1 in Fig. 9 (S. 568)
erfegen. Die Bewegung der Spindeln wird mittelft endlofer
Schnüre von den zwei Walzen y, z hervorgebracht.
Die Zahl der Spindeln an den Watermaſchinen ift verſchie⸗
den, und beträgt 48, bo, oder noch. mehr in jeder Reihe. Das
Geſtell ift für eine Mafchine, welche bo Spindeln in der Reihe
enthält, za. Fuß lang. Die Strediwalzen find durch diefe ganze
Länge, wie bei der Spindelbanf (S. 546) zufammengefuppelt,
fo, daß jede Reihe derfelben als ein Ganzes fich dreht. Bei den
ältern Mafchinen waren je vier und vier Walzen aus dem Ganzen
verfertigt,, und jede dieſer Abtheilungen wurde für ſich durch ihr
eigened Näderwerf in Gang gefest. Diefe Anordnung hatte dem
Vortheil, daß man jede folche Abtheilung einzeln, ohne Störung
ber übrigen, abftellen (d. 5. ftill fiehen laſſen) Fonnte, um die
Slügel von den Spindeln Toszumachen, die vollen Spulen herab⸗
zunehmen, und die Slügel wieder aufjufegen; wogegen nad) der
jegt gebräuchlichen Einrichtung die ganze Reihe der Spindeln un:
thätig bleibt , bis alle Spulen gewechfelt find. Ungeachtet dieſes
. Umftandes bat die neuere Bauart allgemein den Vorzug erhalten,
da fie wegen ihrer viel größern Einfachheit wohlfeiler ift, und eine
bedeutende Erfparung an bewegender Araft gewährt. Die Druck⸗
walzen find, wie bei der Spindelbanf, paarweıfe aus Einem Stüde
gemacht. Sene der vorderften Reihe, Durch welche die Fäden ge=
gen die Spindeln herauslaufen, werden durch ungefähr 10 oder
Mule : Spinnmafdine. 573
12 Pfund ſchwere Gewichte auf ihre Riffelmalgen niedergehalten :
die Gewichte, weldye den Druck gemeinfchaftlich auf die mittlere
und hintere Reihe ausüben, betragen höchitend ı Pfund. Bei
den befferen Mafchinen iſt gewöhnlich cine Vorrichtung anges
bracht, welche die zwifchen die Streckwalzen eintretenden Vorge⸗
fpinnft= Säden langſam bin und ber leitet, damit Feine Rinnen in
den Drudwalzen entfiehen. Hiervon ift fchon bei der Spindel:
banf (&. 564) die Rede geweien; und bei der Mule » Beinfpinn=
mafchine wird diefe Anordnung wieder befchrieben werden. |
Zur Bedienung von 96 oder 120 Water» Spindeln ift eine
Perfon nöthig, welche die abreißenden Faͤden anfnüpft (oder eis
gentlich bloß durch Zufammendrüden der Enden mit den Bingern
ergänzt), die leer gewordenen Vorgefpinnft: Spulen oder Spin»
dein gegen volle, und die angefüllten Beinfpulen gegen leere aud⸗
wechfelt. Der Ertrag ift in ı2 Stunden von einer Spindel ı*
bis 2a Schneller (3640 bis 4850 Fuß) Garn von der Feinheites
Nummer 3o, weniger von feineren, mehr von gröberen Nums
mern, weil die Drehung der Spindeln und folglic) der Streck⸗
walzen ohne Gefahr des Abreißens deito fchneller fenn fann, je
ftärfer der Faden ifl.
Die Watermafchinen werden durchaus nur zur Erzeugung
von flarf gedrehtem Garne, und höchſtens bis zur Beinheitd-Nums
mer bo oder Bo gebraucht, weil ein fchwach gedrehter oder fehr
feiner Baden die nöthige Spannung beim Aufwickeln nicht er
trägt. Das Watergarn wird übrigens als Kettengarn für
einige Zeuge, und als Naͤhgarn, feiner größern Seftigfeit wegen,
fehr gefchäpt. In allen Faͤllen aber, wo die Schnelligfeit der
Erzeugung für wichtiger gehalten wird, als die erwähnte Eigen⸗
fchaft, bedient man fich der Mule»- Mafchinen; fo zwar, daß im
Durchfchnitte gerechnet wohl faum der- swanzigite Theil alles er-
zeugten Baumwollengarnes Watergarn, das Übrige hingegen
Mulegarn if. Zu dem legtern gehört auch daB zuweilen fo ges
nannte Mittelgarn (Medio twist), welches nichts als ein
feftgedrehtes GSefpinnft von Mulemafchinen ift.
IM Das Prinzip der Mulemaſchine (engl. Mule spin-
ning frame, Mule jenny, franzöf. Mull-jenny en fin) iſt bes
reits (S. 562) angegeben worden, ald von der Vorfpinnmafchine
574 Baummollfpinnerei.
die Rede war. Wie man aus dem bort Gefagten erfieht, beſteht
der Haupt=Unterfchied von den Watermafchinen darin, daß das
Spinnen und Aufwideln nicht gleichzeitig und ununterbrochen ge=
fhieht, fondern immer ein Stück Faden von gewiffer Länge (etwa
5 Fuß) gefponnen, dann dasfelbe aufgewidelt, hierauf ein neues
ſolches Stüd gefponnen, und fo abwechfelnd fortgefahren wird.
Die Mulemafchinen haben 100, ı20, 180, 216, 300,
336, ja fogar 396 bis 500 Spindeln, und fpinnen folglich eine
gleiche Anzahl Fäden. Mafchinen unter 300 Spindeln find ges
woͤhnlich einfach; d. 5. der Bewegungs : Mechanismus ift an einem
Ende angebracht, und die Spindeln bilden eine ununterbrochene
Reihe. Weil aber diefe Anordnung bei größerer Anzahl der Spin⸗
deln die Bewegung und die Überficht erfchwert, fo macht man
Maſchinen mit 300 und mehr Spindeln doppelt; d. 5. man theilt
fie durch den Bewegungs: Mechanismus > der nahe in der Mitte
angebracht wird, in zwei etwas ungleiche Haͤlften, von wel;
. hen die linfe ungefähr 7, und die rechte 7 der Spindeln ent
hält. Die Urfache diefer ungleichen Abtheilung wird fpäter bes
rührt werben.
Die Zeichnung auf Taf. ib iſt der Aufriß einer doppelten
Mulemafchine von der vordern Seite, d. h. derjenigen, auf wel⸗
cher der Spinner ſteht. Fig. » auf Taf. 17 zeigt dieſelbe in einem
auf Die Vorderfläche fenfrechten Durchſchnitte; Fig. ı, Taf. 19,
ftellt den mittlern Theil im Grundriffe vor.
Die Mafchine befteht aus zwei großen Haupttheilen, einem
feftitehenden und einem beweglichen. Erfterer enthält in einem
zweckmaͤßigen Geftelle das Stredwerf und den größten Theil des
Bewegungd: Mechanismus; der zweite iſt der fo genannte Was
gen, auf welchem fi) der Reft ded Bewegungs» Mechanismys
und die Spindeln befinden.
Das Geftell des unbeweglichen Theiles beſteht aus zwei
fenfrechten Seitenwänden , und einigen Swifchenflüßen , von
welchen die horizontale Banf a, als die Grundlage des Stred:
werfed, getragen wird. b, c, d (Big. ı, Taf. ı7 und ı9) find
die drei Reihen von eifernen Riffelwalzen, von welchen man auf
Zaf. ı6 nur die vorderfie, d, ſehen kann; e, f, g (Big. 1,
Taf. 17) die ebenfalls eifernen, mit Zuch und Leder beffeideten
Mule Spinnmaſchine. 525
Drudwalzen;.h (Taf. 16, und Fig. ı, Taf, 17) die hölzernen,
mit Tuch überzogenen Pugwalzen (f. S. 537), welche man mit
Kreide einreiben kann, damit diefe fich den Druckwalzen mittheilt,
und das Anhängen der Baumwolle an diefelben erfchwert. Die
Kiffelwalzen find zu 6 und 6 Stüd aus dem Ganzen verfertigt,
und an den Enden mittelft vierediger Löcher und Zapfen zuſam⸗
mengefegt (|. S. 546). Ron den dinneren und glatten
Haͤlſen, welche die einzelnen Walzen von einander abfon-
dern, ift abwechfelnd einer fürzer und einer länger. Die Größe
diefer Walzen und die Anzahl der Niffeln auf denfelben ift
(S. 563) angegeben. Die Drudwalzen beftehen zu zwei und
zwei aus einem Stüde ; eben fo die Pugwalzen h, welche,
ohne Zapfen zu befigen, 'auf den mittleren und vorderen Druck⸗
walzen nur vermöge ihres eigenen Gewichtes ruhen. Man
wird die Einrichtung des Strediwerfes noch deutlicher aus dem
nach größerem Maßſtabe gezeichneten Durchfchnitte, Fig. 2, Taf.
18, entnehmen fönnen, in welchem die Buchflaben a, b, c, d,
e, f, g, h, die ſchon befannte Bedeutung haben. Die auf der
Banf a fiehenden eifernen Träger ı dienen zur Unterflüßung ber
Kiffelwalzen, welche mit ihren Hälfen in vierediigen Einfchnitten _
(Stangen) j, k, l, Sig. 3, Taf. 18, liegen. Ein foldyer
Träger, wie ihn die eben genannte Zeichnung im Aufriffe und
Grundriſſe vorftellt, befteht aus zwei Iheilen: einem unbeweglich
auf der Banfa befeftigten, welcher die Stange 1 für die vorderfte
Kiffelwalze enthält, und einem beweglichen, der mit den Eins
fchnitten j und kverfehen ift. Der bewegliche Theil (den man in
Fig. A, Taf. 18, abgefondert fieht), ſchiebt fich mittelft eines
dreiedigen Salzes auf dem unbeweglichen vors und rückwaͤrts,
und wird mittelft einer Schraube m (Fig. 3) an der geeigneten
Stelle feftgehalten. Man hat es hierdurch in feiner Macht, die
Entfernung zwifchen der mittlern und vordern Rlffelwalze nad)
der Länge der Baumwolle zu reguliren.
Dben auf die Hälfe der Riffelwalzen fommen Dedel n (Taf.
ı6, und Fig. 2, Taf. ı8) zu liegen, welche, gleich den Trägern
i, aus zwei aufeinander verfchiebbaren Theilen beftehen, die nad
der Stellung der Walzen gerichtet werden. Dieſe Dedel’haben
an ihren Seiten herab fenfrechte Einfchnitte, in welchen fie die
576 Baummollfpinnerei.
Zapfen der Druckwalzen e, f, g aufnehmen, fo, daß diefe wohl
auf und ab beweglich bleiben, aber weder links noch rechts, we⸗
der vor⸗ noch rückwaͤrts ausweichen fönnen. Drei und drei Dedel
(wovon der dritte immer feinen Plag über einem der Träger i hat
(f. Taf. ı6) find hinten Durch eine Leifte v verbunden, welche an ihren
Enden Zapfen befigt, womit fie in Löchern der Träger (f. u. Fig.
3, af. ı8) ſteckt. Hierdurch laſſen fih die drei vereinigten
Dedel wie an einem Gewinde aufheben, und von den Riffelwal⸗
zen entfernen, wenn die Mafchine gereinigt werden foll.
Auf den Zapfen der bintern und mittleren Druckwalze (d, e,
f, $ig. 2, Taf. ı8) liegt ein meflingener Sattel o, und auf
dieſen ftügt fich mit feinem bintern hafenförmigen Ende ein ans
deres Meflingftück (dee Reiter) p, welches mit dem vordern
Ende auf dem Halfe der vorderften Drudwalze, g, ruht. Von
dem Reiter geht ein Stängelchen q herab, welches unten von dem
Hebel 8 angezogen wird. Diefer Hebel, der feinen Stützpunkt
in dem Hhre eine vorn an der Banf a befefligten Lappens x hat,
ift Hinten mit dem Gewichte t befchwert, welches fomit alle drei
Drudwalzen zugleich (jedoch die vordere am flärfften) gegen ihre
Riffelwalzen herabdrüdt. Hinter den Dedeln n liegt in den Ga⸗
bein x der Träger (f. aud) Fig. 3, Taf. 18) eine hölzerne Stange
w, auf welcher, jeder Rıffelwalze gegenüber, ein Drahtoͤhr ſteht,
um den Vorgefpinnftfaden nach den Walzen hin zu leiten. Diefe
Stange nimmt natürlich die ganze Länge der Mafchine zu beiden
Seiten ded Bewegungs: Mechanismus ein; in der Mitte find die
beiden Stangen, wie man in Big. ı, Taf. 19 fieht, durch eine
dünne, zwei Mahl gebogene Eifenftange y y verbunden.
Die Spulen oder die Spindeln, auf welchen ſich das von
der Seinfpindelbanf, oder der Vorfpinnmafchine fommende Vor:
gefpinnft befindet, find bei a‘, a’, a’ (Taf. 16, Fig. ı, Taf. ı7)
reihenweife in einem aus drei Abtheilungen beftehenden Gerüfte z
aufgeftedt. Die von denfelben durch den Zug der Stredwalzen
allmaͤhlich fich abwidelnden Säden gehen über horizontale Eifen-
Drähte b’ durch die Drahtringe der Stange w (Big. ı, Taf. 17,
Fig. 2, Taf. ı8) nah den Stredwalzen hin. Die Anzahl der
Spulen ift fo groß als jene der an der Mafchine befindlichen Spin»
deln, und zwei Mahl fo groß als jene der Riffelwalzen einer Reihe,
rules Spinnmafdhine. 571
weil zwei Fäden zwifchen jedem Paare der Stredwalzen neben
einander durchgehen.
Den mittlern Theil der Mafchine, in welchem fi ih der Bes
wegungs «- Mechanismus befindet, und durd welchen, wie oben
erwähnt, das Ganze in zwei etwas ungleiche Hälften getheilt
wird, zeigt Fig. 1, Taf. ı9, im Orundeiffe, und Big. ı, Taf.
18 im Aufrijfe von der Seite A der erftern Zeichnung. Hier ift c’
ein großes gußeifernes oder hoͤlzernes Rad, deffen Umfreis rins
nenförmig ausgehöhlt ift, um eine Schnur ohne Ende, d’, aufzu⸗
nehmen. An dem linfen Ende der Achfe dieſes Rades befindet fich
eine Kurbel e’, welche, wenn man will, zur Bewegung der Ma⸗
fhine beim Spinnen, immer aber zum Aufwiceln der gefponne-
nen Fäden auf die Spindeln, dient. Rechts von dem Rade c/
trägt die Achfe zwei Rollen, f, g‘, von welchen die erftere Darauf
befeftigt, die zweite aber nur lofe aufgeftedt if. Die Trieb-
rolle f’ dient, um der Mafchine, mittelft eines von der Betriebs⸗
welle der Spinnerei fommenden Riemens r’, die -Bewegung zu
geben; auf die Leerrolle g’ wird diefer Riemen hinüber ge:
fhoben, wenn es erforderlich ift, die Mafchine von der bewegen-
den Kraft unabhängig zu machen. Ein 4Bzähniged Kegelrad h’,
welches fich ferner an der Achſe von c’ und f’ befindet, greift in
Das ebenfalls Fonifche, 54zaͤhnige Rad r’ der fchräg liegenden eifers
sıon Welle k’ ein. Das untere Ende diefer Welle trägt ein drit-
te8 Kegeltad, 7, von 35 Zähnen, und von diefem wird ein vier
tes, m, weldyes 52 Zähne hat, umgedreht. Das Rad i’ muß,
wie foäter erbellet, abiwechfelnd in und außer Eingriff mit dem
Made h’ gefept werden; die Welle k’ Tiegt zu diefem Behufe mit
ihrem untern Ende in einer unbeweglichen Pfanne 5’, und mit dem
obern in einem Träger n‘, der um 0/ fich drehen läßt, und alfo er
laubt, das Radi von h’ zuentfernen, oder es demſelben zu nähern.
Auf Taf. 16, wo das Schwungrad c’ nebſt den dazu gehörigen Their
len weggelaflen ift, fieht man nur das untere Ende der abgefchnitte-
nen Welle k’, mit dem Rade 1’, und das Rad MR Man wird, in
Bezug auf Dad nun Folgende, diefe Zeihnung mit jenen auf Taf.
18 und 19 vergleichen müffen. Die Achfe p’ des Rades m’ gibt
unmittelbar rechts und Iinf& der vordern Reihe d der Niffelwalzen
Die Bewegung. Auf ihr befindet fih ein Getrieb r’ von 24 Zaͤh⸗
Zyamol. Encycloy. 1. Bd. 37
5728 Baumwollſpinnerei.
nen, welches in ein 9ozaͤhniges Rad — eingreift; und die Achſe
dieſes letztern trägt an jedem Ende ein Getrieb v. Diefe Ge-
triebe, welche gewechfelt werden Finnen, haben deſto weniger
Zähne, je feiner man fpinnen will, je größer alfo die Stredung -
des Vorgefpinnftes ausfallen fol. Zur Erzeugung der Garne
von Nr. 36 bis 50 erhalten fie 20 oder 21 Zähne. Sie fegen die
hinteren Riffelwalzen b beider Seiten in Bewegung, indem fie in
die an diefen Walzen befindlichen, 4azähnigen Räder u‘ eingrei=
fen. Auf Taf. 16 fieht man, wie die Umdrehung der mittleren
Riffelwalzen am linken Ende der Dafchine hervorgebracht wird.
An diefem Ende trägt nähmlich die hintere Riffelmalze ein =554h=
niged Getrieb v’, welches mittelft des breiten Zwifchenrades w‘
das anzähnige Betrieb y’ an der mittlern Riffelwalze in Bewe⸗
gung ſetzt. Die nähmlihe Verzahnung ift am rechten Ende der
Mafchine für die andere Hälfte der Stredwalzen angebracht. Au⸗
Berhalb des Getriebes v’ ift an der Achfe desfelben eine Schraube
ohne Ende, x’, angebracht, welche in ein mit 33 Zähnen vers
ſehenes horigontales Mad 2’ eingreift. Auf der obern Släche Dies
feö Iegtern fteht, außer dem Mittelpunfte, ein Stift, der als die
Warze einer Kurbel wirkt, und mittelft einer kurzen, an ihm haͤn⸗
genden Biehftange, die hölzerne Leifte w (Big. ı, Taf. 17; Fig. 2,
Taf. 18) hinter. den Stredwalzen hin und ber führt. Diefe Bes
wegung, welche nur wenige Linien beträgt, muß bewirken, daß
die Vorgefpinnft» Faͤden nicht ſtets am nähmlichen Orte zwifchen
. den Walzen durchgehen, weil, wenn das legtere der Ball wäre,
die Leberbefleidung der Drudwalzen bald Rinnen erhalten würde,
Da (wie Big. ı, Taf. 19, zeigt) Die Leiften w der beiden Hälften
der Mafchine durch die eiferne Klammer y vereinigt find, fo iſt
die angegebene Bewegungd Vorrichtung auf der rechten Seite
nicht nothwendig. Big. 4, Taf. 17, iſt die Anſicht diefes Fleinen
Mechanismus und der Verzahnung v/ w‘ y’ von der Seite und
im Grundriſſe.
Bon demagweiten Haupttheile der Mulemaſchine, naͤhm⸗
lich dem Wagen, enthaͤlt die Zeichnung auf Taf. 16 die vordere
Anſicht, Fig. ꝛ, Taf. 17, einen Durchſchnitt, und Big. ı, Taf. 16,
einen andern Durchſchnitt. Fig. 2 auf Taf. 17 iſt die Endanficht
des Wagens von der linfen Seite. -
!.
s ‘
Mule s Spinnmajchine. 570
Der Wagen befteht aus zwei gußeifernen Seitenwänden wie
at (Big. 2, Taf. 17), und mehreren ebenfalld gußeifernen Zwi⸗
fhenftüden wie f? (Fig. ı, Taf. 17), welche ſaͤmmtlich an die
Breter b?, c?, d?, e?, befeitigt find. Oben ift er mit Bretern k*
(Big. ı, Taf. 17) bededt. Cr läuft mittelft feiner gußeifernen
Räder, deren Umkreis rinnenartig geftaltet ift, auf ebenfalls guß⸗
eifernen Geleifen 12, welche auf dem Bußboden des Spinnfales
fefl liegen. Um ihn bei feiner Bewegung immerfort mit fich felbft
parallel zu erhalten, find an den zwei Enden ded Wagens in den
eifernen Kloben m? (Taf. ı6, und Fig. 2, Taf. 17) die horizons
talen Rollen (Kreugrollen) o?, o? angebracht, von welchen,
da fie ſich in entgegengefegter Richtung drehen müſſen, die eine
auf der gemeinfchaftlichen Achfe befefligt, die andere aber nur loſe
aufgeftedt if. Zwei Schnüre, die ſich in der Mitte der Länge
durchkreuzen, umfchlingen diefe Rollen, um den angegebenen
Zwed zu erfüllen. Das eine Ende einer jeden Schnur ift rück
wärtd (unter dem Spulengerüfte z, ig. ı, Taf. 17) an einem
Fuß deö Geſtelles, und vorn an einem auf dem Fußboden ſtehen⸗
ben Pflode, den der Wagen beifeiner Entfernung von den Streck⸗
walzen nicht erreicht, feit gemacht. Die Anordnung wird aus dem
fehr verfleinerten Srundrilfe, Fig. 2, Taf. ı9, deutlich. Hier
bezeichnet B die Gegend, in welcher. fi) die Streckwalzen befin«
den ; die Bewegung ded Wagens findet vonB nad) C, und zurid,,
‚Statt. 0? find die Kreugrollen. Die erfte Schnur geht von dem
Befeftigungspunfte ı am Geftelle aus, laͤuft bei 2 über die Rolle,
nach 3, bei 4 über die zweite Holle, und ift bei 5 an ihrem Pflode
feit gemacht. Der Weg der zweiten Schnur ift durch 17, 2/, 34,
4', 5° angedeutet; ihre Befefligungspunfte find 17 am Fuße des
Geſtelles ‚ und 5° an dem zweiten Pflocke.
Die Spindeln flehen auf dem Wagen in einem Rahmen, der
aus zwei Durch Pfeiler y? verbundenen Querleiften x?, x? befteht,
und fich mehr oder weniger fchräg ftellen läßt. Die untere Quer:
leifte enthält die meilingenen Pfannen für die Spindeln b’; an
der obern find Meflingftreifen befeftigt, in welchen fich Löcher zum
Durchgange der Spindeln befinden. Die Spindeln felbft find von
Stahl, vollkommen gerade, rund gedreht, und müſſen fich alle
genau in Einer fehrägen Ebene befinden. An jeder ftedt eine Fleine
37 *
«Ss
580 | Baumwollſpinnerei.
hölzerne oder gußeiſerne Rolle g?. Sie find in Abtheilungen von
24 Stüd gefondert, und die erwähnten Rollen werden fo in vers
fchiedener Höhe. aufgefchoben, daß nur zwei Rollen in der naͤhm⸗
lichen Abtheilung einander gegenüber ftehen (f. Taf. 16). Ein
Feiner meifingener Anopf h?, welchen jede Spindel unter der obern
Querleifte des Rahmens ‘x? befigt, verhindert da8 Herausgehen
derfelben aus der Pfanne, während der Bewegung oder beim Ab-
nehmen des aufgewictelten Garnes.
‚oe! find Trommeln, welche in einer der Stellung der Spin⸗
deln angemeflenen geneigten Lage auf dem Wagen ftehen, oben
einen doppelten Schnurlauf befigen, und die Bewegung, welche
fie von dem Schwungrade c’ aud erhalten, den Spindeln mitthei=
len. Sur jede Abtheilung von 24 Spindeln ift eine folche Trom⸗
mel vorhanden: eine Mafchine von 336 Spindeln befigt demnach
ihrer vierzehn. Die gefreuzte endlofe Schnur d’ des Schwung-
rades e KFig.ı, Taf. ı8) umfchlingt eine Rolle es. (f. auch Fig. ı,
Taf. 19), ‚welche fich vorn am mittlern Theile des feftftehenden
Geſtelles der Mafchine befindet. Auf der nähmlichen Achfe mit e®
ift eine Fleinere Rolle h? angebracht; und dieſer gegenüber ſteht
die hinten am Geftelle befindliche Rolle i?. Mitten auf dem Wa⸗
gen wird man die mit drei Schnurläufen verfehene horizontale
Rolle ke (Taf. 16; Fig. a, Taf. ı7 und ı8) bemerken, welche
in einer Linie mit den Zrommeln c? flieht. Endlich befinden fich
links und rechts am Wagen Die Leitungörollen o? (Taf. 16; Fig.
3, af. 17), welche einerlei fchräge Lage mit den Trommeln co?
haben. Eine flarfe Schnur ohne Ende verbindet num alle diefe
Rollen auf folgende Art. Wenn man fie fi) von dem höchften
Punfte der Rolle h? (Fig. 1, Taf. 18) ausgehend denft, fo laͤuft
fie, wie die punftiete Linie n? anzeigt, zuerft auf den unterften
Schnurlauf der Rolle k’ des Wagens, wendet fi) hierauf unter
einem rechten Winkel gegen die linfe Seite, umfchlingt die Rin⸗
nen aller auf diefer Hälfte des Wagens fiehenden Trommeln c*,
fehrt über die Leitungsrolle 0° am linfen Ende des Wagens auf
die Rolle ke zurüd, deren oberfte Rinne fie nun umfaßt, geht
über die zue Spannung veritelbare Rolle i?, und gelangt endlich
in der Linie p? wieder aufh?, wo fi) ihr Ende mit dem Anfange
vereinigt. Es laͤßt fich Leicht eine Vorrichtung anbringen, um
Mule » Spinnmafcine. 581
diefe Schnur mittelft eines Gewichtes, welches z. B. auf die Rolle
i® wirft, fortwährend gehörig zu fpannen, wodurch alle Aufficht
in Betreff diefes wichtigen Punktes erfpart wird. Den Trommeln
c? auf der rechten Hälfte des Wagens wird die Bewegung durch
eine befondere Schnur ohne Ende gegeben, welche von der mitte
lern Rinne der Rolle k? auögeht. Die Umdrehung der Spindeln
erfolgt Durch dünne Schnüre, deren fich zwölf auf jeder Trommel
c? befinden müffen, indem jede folche Schnur zugleich die Trom⸗
mel und die zwei gleich hoch ſtehenden Nollen zweier zu ihrer Ab»
theilung gehörigen Spindeln umfchlingt. Es ift Mar, daß die
Zrommeln, und folglich die Spindeln, fortfahren muͤſſen, fich zu dre⸗
ben, fo lange das Schwungrad c’ gedreht wird, der Wagen mag
ruhig ſtehen, oder fich auf feiner Bahn fortbewegen.
Wenn man fi den Wagen auf dem Punfte fiehend deuft,
von wo er audgeht, fo berührt das hintere Bret d? die Streben
@ (Big. ı, Taf. 17), und die Spigen der Spindeln befinden ſich
gerade vor den Stredwalzen. Diefe Iegtern fangen nun an fi)
zu drehen, und liefern den Baden, der Durch die Spindeln vor:
Iäufig einen Theil feiner Drehung empfängt; der Wagen geht zu-
gleich von den Walzen zurüd', mit einer etwas größern Gefchwin«
digfeit, als jene ift, mit welcher der Umkreis der vorderen Streck⸗
walzen fich bewegt, damit der Baden noch während des Auszuges
eine geringe Verlängerung erfährt, melche (da' fie hauptfächlich
die dickern, weniger gedrebten Stellen trifft) zur Gleichheit des .
GSefpinnfted beiträgt. Wenn der Wagen am Ziele feines Lanfes
angefommen- (oder, wie man fagt, ein Auszug vollendet) ift,
hören die Stredwalzen auf, fich zu bewegen; die Spindeln aber
fahren fort umzulaufen, bis der num nicht mehr verlängerte Fa⸗
den den nöthigen Nachtrag an Drehung erhalten Hat. Dann bes
wirft mau die Zurüdführung des Wagens nach den Walzen hin,
und das Aufwideln der gefponnenen Fäden. Dieß ift die Reihe
von Bewegungen, welche an der Mafchine vorfommen. Es ift
gezeigt worden, wie Die Drehung der Sıredwalzen und der Spin⸗
deln hervorgebracht wird. Den noch nicht befchriebenen, zur Zühz |
rung ded Wagens beftimmten Theil des Mechanismus, fo wie
Denjenigen, welcher im gehörigen Augenblide die Bewegung der
Stredwalzen und dann der ganzen Mafchine hemmt, Ternt man
582 Baummwollfpinnerei,
aus den. Zeichnungen, Zaf. 16, Taf. 10 Fig. ı, und Taf. 19
Sig. ı Fennen. |
Die Achſe p’ des Rades m’, welche die vordern Riffelwal⸗
zen von beiden Hälften der Mafchine mit einander vereinigt, trägt
ein ©etrieb q/ von 16 Zähnen, welches das gozähnige Mad s? in
Bewegung fept. Die Achſe dieſes Nades dreht fich in zwei Trä-
gern u? und v’, von welchen der erfters unbeweglich an der Banf
a des Geſtelles befeftigt iſt, der zweite aber auf einer Achfe w’ fo
ſich drehen Täßt, daß ed möglicdy wird, das Rad s? mit feinem
©etriebe q’ nad) Erforderniß in oder außer Eingriff zu fegen. Dies
fer nähmliche Träger v? ift unterhalb der Drehungsachſe w? feft
mit einem Hebel x! verbunden, welcher durch das an feinem vor⸗
dern Ende befindliche Gewicht y? das Rad es! außer Eingriff zu
ziehen ſtrebt. Die Achfe dieſes Rades trägt eine hölzerne Rolle
‚z’, und diefer gegenüber, am vordern Ende des Geſtelles, ift eine
andere, eben fo große Rolle q* angebracht. Ein Seil r? (Fig. ı,
Taf. 18) umfaßt diefe beiden Rollen, und ift mit feinen Enden
an die aufrechtftehende Eifenftange s? mitten am Wagen (f. auch
Taf. ı6) feſt gemacht. Man flieht, daß bei diefer Anorbnung,
wenn dad Schwungrad c/ nach der Richtung feines Pfeiles gedreht
wird, und das Rad s® mit dem Getriebe q’ im Eingriff ift, der
auf feinen eifernen ©eleifen fehr leicht bewegliche Wagen mittelft
des Seiles r? fo Tange von den Walzen entfernt werden muß, bis
er ein Hinderniß findet, welches feinem Laufe ein Ziel feßt. Die»
fes Hinderniß ift ein gebogenes Eifenftük 1? (Big. ı, Taf. 18
und ı9) unterhalb der Rolle q? am vordern Ende des Geftelles,
gegen welches die Vorderſeite des Wagens ftößt. In eben diefem
Augenblide hebt der Wagen den um a’ beweglichen gebogenen
Hebel w* auf, deffen anderes Ende d® daher niedergeht, und den
ſich dagegen flügenden Zapfen f? frei läßt. Diefer Zapfen ift in
einem Schlitze des Stängelchens g’ befeftigt, und letzteres bei
dem Punkte j° mit dem um 1° beweglichen, winfelförmigen Hebel
5? verbunden. &o lange der Hebel w? d’ (Fig. ı, Taf. ı8) die
in der Zeichnung vorgeftellte Lage behält, wobei das hafenartige
Ende feined kurzen Armes d*’ fid) an den Zapfen f? lehnt, kann
bie Stange g? ſich nicht bewegen. In dem Augenblicde aber, wo
durch die von dem Wagen bewirkte Aufhebung des Armes w*,
Mule : Spinnmafcine, 583
dad Ende de hinab geht, und £? frei wird, fchiebt der Hebel j*
Die Stange g’ vorwärts, fowohl durch feine eigene Schwere,
welche ihn in die fenfrechte Lage nöthigt, ald durch jene des Ge⸗
wichtes y?, welches mittelft des Hebels x? den horizontalen Arm
von 5? aufbebt. Es ift eben das Gewicht y? am Hebel x?, welches
zu gleicher Zeit den beweglichen Träger v? des Rades a’ um die
Achſe w* dreht, und hierdurch das genannte Rad von. dem: Ge⸗
triebe q’ entfernt. Der Wagen wird fomit nicht nur durch das
unüberwindlihe Hinderniß t?, welchen er am Ende des Auszuges
begegnet, fondern auch dadurch zum Stillfiehen gebracht, daß
die Urſache feiner Bewegung (nähmlich der Eingriff zwifchen q‘
und s’) aufhört. .
Dad Vorwärtögehen der Stange g? hemmt die Bewegung
ber Stredwalzen, indem es auf folgende Weife das Rad 1’ der
Achſe k’ außer Eingriff mit Dem Rade h‘ bringt. Der gabelför-
mige Zräger n‘, in welchem das obere Ende der fchrägen Welle
K’ liegt, dreht ſich mit feinem vertifalen Schafte m? in zwei ring⸗
förmigen Lagern 0%, 0‘. Der erwähnte Schaft ift unten mit eis
nem Pleinen horizontalen Hebel (einer Kurbel) 0‘ ne, Big. ı,
Taf. 19, verfehen, und diefer Durch eine kurze Ziehſtange p? mit
der Stange g? zufammen gehängt. Man fieht, daß, wenn lep-
tere in der Richtung des Pfeiles (Big. ı, Taf. ı8 und 19) ſich
bewegt, mittelft der Ziehftange p? die Kurbeln? 0’ ein wenig ge»
dreht, und folglich der Träger n’ mit dem Nabe i’ von dem Rade
h‘ entfernt werden muß. Da diefe Bewegung im nähmlichen
Augenblide erfolgt, wo der Wagen bei t? angefommen iſt, und
Durch die vorher befchriebene Ausldfung das Rad s* außer Ein»
griff fest; fo ftehen der Wagen und die Strediwalzen zugleich ftil.
Die Drehung des Fadens ift aber jebt noch nicht vollendet,
weil ed das Ausziehen erfchweren oder unmöglich machen würde,
wenn man dem Geſpinnſte fchon während der Bewegung ded War
gend feine ganze Drehung geben wollte. Die Spindeln müffen
daher noch einige Zeit fortfahren fich zu drehen; und man regus
lit diefe Dareindrehung ein für ale Mahl, fo lange Garn
von derfelben Nummer und zu derfelben Beftimmung (Kette oder
Eintrag) gefponnen wird. Die Vorrichtung, welche hierzu dient,
beißt der Zähler, weil fie dem Schwungrade c’ (und folglich
584 Baummollfpinnerei.
den Spindeln) nur eine feftgefegte Anzahl von Umdrehungen er
laubt, dann aber, wenn diefe vollbracht ift, die Mafchine ganz
zum Stillſtehen bringt. Die Einrichtung des Zähler kann ver⸗
ſchieden feyn; zwei Arten derfelben zu befchreiben,- wird hinrei⸗
hend feyn, um von diefem finnreihen Mechanismus und feiner
Wirfung einen vollftändigen Begriff zu geben.
Bon dererften Art, welche mit der hier befchriebenen Spinn⸗
mafchine verbunden ift, fieht man einige Theile in Gig. ı, Taf.
ı8 und 19. Big. 3, Taf. 17, gibt eine Anficht des Ganzen von
der Seite der Stredwalzen ber. Die Schraube ohne Ende, t?,
welche fich auf der Achfe des Schwungrades c’, an der der Kurs
bel e/ entgegengefegten Seite, befindet, greift in ein gezahntes
Rad u? ein, und fchiebt bei jeder ihrer eigenen Umdrehungen
einen Zahn desfelben fort. Da die Drehung des Sarnfadens bei -
einem Umgange diefed Rades vollendet feyn muß, fo muß man
für die verfchiedenen Garn » Nummern verfchiedene Mäder mit uns
gleichen Zähne» Anzahlen vorräthig haben, von denen man nach
Bedürfniß eines aufſteckt. Am Ende der Achfe des Rades u? iſt
ein Lappen v* befefligt, der, wenn das Mad feine Umdrehung
vollbracht hat, von unten gegen den Hebel a* ftößt, und ihn auf⸗
hebt. Der Riemenleiter e*, mit feinem Trichter, durch welchen
der endlofe Riemen r? r? (Fig. ı, Taf. ı8) auf die Triebrolle £
läuft, dreht fid) unten um den Punft fr, und wird durch das Ges
wicht b*, deflen Schnur auf der Rolle g* liegt, nad) der Seite des
Rades u? hin gezogen. So lange fi) Alles in der Lage befindet,
welche Fig. 3, Taf. 17, angibt, ift das Gewicht unwirffam, weil
ein Zahn des mit e* verbundenen Hebeld a* gegen ein feites Hin⸗
derniß b* fich ſtaͤmmt. In dem Augenblide aber, wo durch v?
der erwähnte Hebel aufgehoben wird, gleitet der Zahn deſſelben
über b* weg, und das Gewicht h* zieht plöglich den Niemenleiter
e? fo weit nach fi, bis ein zweiter längerer Zahn o* des Hebels
an b* anfteht. Die Yolge davon ift, daß der Riemen auf die
Leerrolle g’ hinüber gezogen wird, das Schwungrad c’ alfo fill
fteßt, und die Spindeln des Wagens nicht ferner mehr umdreht.
Etatt des Gewichtes h*? kann eine ftarfe Feder angebracht fenn.
Da die Nothwendigfeit, an die Stelle von u? eine ziemliche
Anzahl von Rädern vorräthig zu Haben, und das Wechfeln dieſes
®
Y
Mule⸗Spinnmaſchine. 585
Nades einige Unbeqguemlichfeit verurfacht; fo empfiehlt ſich fol-
gende Einrichtung des. Zählers, von der auf Taf. 19, Fig. 3 die
Anficht von der Seite der Streckwalzen her, und Fig. 4 die An
fiht von der der Kurbel des Schwungrades entgegen gefegten
Seite (A, Fig. 3) vorftellt. Mehrere Theile, welche bereits von
‚gekommen find, bedürfen feiner Erklärung mehr, wie die Leer-
solle g‘, der Hebel a*, das Hinderniß b* für Die Bewegung des⸗
felben, der Riemenleiter e*, dad Gewicht h* und feine Rolle g*:
Statt der Schraube one Ende an der Achſe des Schwungrades
ift ein einzelner Zahn m*, und flatt des Nades u? (Big. I, Taf.
37) ein Rad mit 20 bid 3o fehrägen Zähnen (ein Speer: Rad)
p* angebracht. Lebteres befindet fih auf einer Heinen Meſſing⸗
platte, welche fich un einen Stift a’ Drehen kann, von der Ger
der z* aber getragen wird. Diefe Veranftaltung trägt eigentlich
zum Wefen des Mechanismus nichts bei, fondern Dient nur um
eine Beſchaͤdigung des Rades zu verhindern, wenn die Achfe des
Schwungrades verfehrt gedreht wird. Denn in diefem Falle gibt
die. Feder z* nad), und dad Rad pe mit feiner Platte a! weicht
dem Zahne m+ aus. Wenn, wie ed in der Ordnung ift, die Bes
wegung des Schwungrades nach jener Richtung vor ſich geht,
welche in Sig. 4 durch den Pfeil bei c° angezeigt ift; fo fchiebt
der Zahn m* bei jedem Umgange des Schwungrades einen Zahn
des Sperre Rades p* fort; aber hierdurch wird Feine ununterbros. -
chene Bewegung bed Sperr-Rades bewirft; deun da von der
Achfe des letztern an einem Baden das Gewichtchen q* herab:
hängt, fo ehrt der fortgeftoßene Zahn des Rades augenblicklich
wieder zurüd, wenn der Zahn m* der Schwungrads = Achfe vor:
über gegangen ifl. Dem Zuge ded Gewichtes q* wird dadurch
eine Örenze gefept, daß ſich auf der Hinterfläche des Nades ein
Stift befindet (in ig. 4 fieht man ihn durch einen Fleinen punk⸗
tirtem Kreid angezeigt), der ſich gegen den Kopf der Platte oder
des Traͤgers a° fügt, In dem Augenblide, wo fich durch Die
(8.582, 583) befchriebene Auslöfung die Stange g? in der Rich⸗
tung des Pfeiles verfchiebt, wirkt fie auf den mittelft deö kleinen
Armes v* mit ihe verbundenen zweiarmigen Hebel w*, und
durch Diefen auf den Pleinen Winkelhebel w* x*, von dem t*
die Drehungsachſe if, Der Arm x* diefes Hebels Drüdt das
*
586 Baunwollſpinnerei.
hintere Ende eines Langen Hebels s* nieder, und hebt alſo das
vordere, ſammt dem daran befindlichen fenfrechten Drabte r* auf.
Diefer Draht ift oben rechtwinflig gebogen, und bildet fo einen
Haken, der bisher den Sperrfegel b° in jener Lage erhalten bat,
welche Big. 4 angibt. Durch das Emporfteigen des Drabtes wird
der Sperrfegel frei, der, da fein vordexer Arm viel fchwerer ift,
ſogleich zwifchen die Zähne von p* einfällt. Nun beginnt eine
Bewegung des eben genannten Rades in ber Richtung des Pfeiles,
weil nicht mehr, wie früher, die durch m* fortgerüdten Zähne
zurüdfehren können. Diefe Bewegung, bei welcher der Faden
des Gewichtes q* fi aufwindet, muß fo lange dauern, bi6 das
Schwungrad die zur Dareindrebung (&. 583) erforderliche
Anzahl von Umläufen gemacht hat, und muß dann von felbft aufs
hören, nachdem fie in feinem Balle eine ganze Umdrehung von p*
betragen hat. Man bewirkt diefen Erfolg auf. nachflehende ein-
fache Weife. Bei jedem Zahne ift in das Rad p* ein Loch gebohrt;
man fieht diefe Löcher in Fig. 4 durch flarfe Punfte angedeutet.
In eines derfelben ſteckt oder fhraubt man einen Stift feft, der in
Fig. 3 mit n* bezeichnet, und in Fig. 4 durch ein eines Ringel⸗
chen in der Reihe der erwähnten flarfen Punkte ausgebrüdt ift.
Wenn die Bewegung eine gewifle Zeit gedauert hat, fo begegnet
dieſer Stift einem Hebel y*, druͤckt denfelben nieder, und bewirkt
hierdurch, Daß das entgegengefeßte Ende von y* den Hebel a* aufe
hebt, fo wie man oben (&. 584) gefehen hat, daß es bei der Ein⸗
richtung Fig. 3, Taf. ı7, der Lappen vꝛ thut. Der Erfolg if
derfelbe, nähmlich die Verfchiebung des Riemens auf die Leerrolle,
und das augenblidliche Stillftehen der Mafchine. Dadurch, daß
man den Stift auf dem Sperr⸗Rade gleich anfangs in ein Loch
ſteckt, welches mehr oder weniger weit von dem Hebel y* entfernt
tft, bewirft man, daß das Schwungrad mehr eder weniger Um⸗
drehungen zwifchen dem Stillftehen des Wagens und jenem der
Spindeln vollbringt, mithin die Dareindrehung des Geſpinnſtes
ſtaͤrker oder fchwächer ausfällt.
Wenn die erwähnte Hemmung ber Maſchine durch die Ver⸗
ſchiebung des Riemens erfolgt, und hierdurch das Spinnen eines
Auszuges beendigt iſt, ſchreitet der Spinner ſogleich zum Aufwi⸗
ckeln der geſponnenen Faͤden auf die Spindeln. Hierzu beſitzt der
Mule⸗Spinnmaſchine. 587
Wagen eine eigene Vorrichtung, welche nun befchrieben werben
"muß (f. Zaf. 16, und Fig. 1, 2, Zaf.ı7). Vorn am Wagen
laͤuft, der ganzen Länge nach, ſowohl links als rechts, etwas über
der halben Höhe des oben hervorragenden Theiles der Spindeln,
ein umzudrehendes Eifenftängelchen d5 hin, welches durch mehrere
Stüßen e' getragen wird. An jedem Ende der zwei Stangen d’
befinder fich ein Arm g’; und zwifchen diefen Armen ift, mit der
Stange felbft parallel, ein Eifendraht (der Einwind- oder Aufr
fhlagdraht) f? gefpannt. Um diefen Draht zu unterftägen,
find an mehreren Punften zwifchen den geraden Armen g’ an⸗
dere, gefrümmte und dünne Arme, h’, auf der Stange d’ anges
bracht. Die eben genannte Stange befißt ferner dort, wo ber
Spinner vor dem Wagen fteht, einen hölzernen Griff, an wel⸗
chem fie leicht gehandhabt werden fann. Diefe Bewegung findet
auf der linken Abtheilung der Mafchine Statt; um fie auf die
rechte hinüber fortzupflanzgen, dient eine Vorrichtung, die han
mit einem Storchfchnabel vergleichen fönnte. Die zwei in ber
Mitte der Mafchine befindlichen Arme g° find nähmlich über die
Stange d’ hinaus verlängert, und durch Gewinde mit zwei fenfs
sechten Stangen 5° vereinigt, welche ihrerfeitö unten auf gleiche
Weiſe mit zwei von einer horizontalen Achfe k? ausgehenden Ars
men 1? zufammenhängen. Mittelft der befchriebenen Vorrichtung
wird dad Aufwicdeln der Faͤden folgender Maßen bewirkt. So
lange das Ausziehen und Drehen dauert, machen die Fäden mit
den Spindeln einen ftumpfen Winkel, und gleiten Daher bei der
Umdrehung der Spindeln beftändig über Die runden und glatten
Spitzen derfelben wieder herab, ohne fich aufwideln zu koͤnnen.
Wenn aber dad Spinnen vollendet ift, fo faßt der Spinner den
Wagen mit der Iinfen Hand, und führt ihn, während er mit der
Rechten an der Kurbel e’ (Big. ı, Taf. 28) dad Schwungrad c/,
und durch diefes die Spindeln, umdreht, gegen die Stredwalzen
zuruͤck hinein; zugleich bewegt er mittelft des Handgriffes der
Stange d’ den Auffchlagdraht £5 dergeftalt, daß derſelbe alle
Faͤden zugleich niederdrüdt, und in eine gegen die Spindeln un⸗
gefähr fenfrechte Richtung bringt (f. die punktirte Linie ys Big. ı,
Zaf. 17). Damit jedoch diefe Bewegung des Auffchlagdrahtes
ohne Beihädigung der Baden möglich werde, ift eö nöthig, vorher
588 Baumwollfpinnerei.
das Schwungrad ein wenig nad) entgegengefegter Nichtung zu
dreben, damit die Faͤden fich etwas von den Spindeln abwideln,
und fchlaff werden. Die Stelle, auf welchen die Fäden fi aufs
wiceln follen, fo, daß die ganze Spindel ein Fegelförmiges Anſe⸗
ben erhält (f. Sig. ı, 2, Taf. 27), wird durch mehr oder weniger
tiefes Hinabdrüden des Auffchlagdrahtes beſtimmt. Diefer Draht
allein ift jedoch nicht hinlänglich, da fich immer einige fchlaff haͤn⸗
gende Häden finden, welche er nicht erreichen kann, ohne die übri-
gen abzureißen. Man bringt deßhalb unter den Fäden einen Ge⸗
gendrabt 1° an (f. Fig. ı, 2, Taf. 17), der von fehr leichten Ge⸗
wichten m’ mittelft der gebogenen, um o° ſich drehenden Arme
n° in einer durch die Winkelſtücke pe begrenzten Höhe erhalten wird.
Diefer Drabt, welcher einem ſchwachen Drude nachgibt, bringt
alle Faͤden, indem er fie etwas fpannt, mäßig in die Höhe, und in
den Wirkungsfreis des Auffchlagdrahtes ff. Lepterer wird erit
wieder aufgehoben, wenn der Wagen ganz ange bei den Streck⸗
walzen angefommen iſt.
In diefem Augenblicke beginnt ein neuer Auszug ; die Streck⸗
walzen müflen wieder anfangen fich zu drehen, und der Wagen
feinen vorigen Gang zu machen. Diefe Bewegungen bewirkt der
Wagen felbfl. Indem er nähmlich, vor den Stredwalzen ange»
langt, gegen den Hebel j? (Fig. ı, Taf. ı8) flößt, drückt der
horizontale Arm des legtern den Hebel x? hinab, hebt das Gewicht
y?, und bringt dad Rad s* wieder zum Eingriffe mit-feinem Ges
teiebe q’ (Big. ı, Taf. 19), wodurch die Bewegung ded Wagens
eingeleitet wird. Die von dem Hebel j* zurüdigegogene Stange g?
dreht -mittelft p? und n? den Träger n‘ des Rades i’ gegen dad
Mad h’ hin, und flellt auch hier den Eingriff wieder her. Zus
gleich geht der fchiverere Arm w? des Hebels w* d? hinab, und
ber Hafen bei d? legt fichh wieder vor den Zapfen f? der Stange
8°; fo, daß vermittelft diefer Sperrung alle Theile in der neu
angenommenen Lage bleiben, bis der Wagen wieder feinen Weg
vollendet hat. Mit dem Hebel j* zugleich wird auch ein anderer
Hebel, q’, von dem Wagen geftoßen. Diefer Hebel, der feinen
Drebungspunft in v5 hat, fchiebt mittelft der Stange s’, und des
winfelförmigen Hebels d* 1* den Riemenleiter e* über die Trieb»
solle £/, wodurch die Bewegung wirklich ihren Anfang nimmt, Um
Drule » Spinnmafdine, 589
die Geſtalt und Wirkung des zulept erwähnten Hebeld volllommen
zu erfennen, nehme man die Fig. 3, Taf. 17, zu Hulfe. ie iſt
der Ort, wo der Hebel in die Stange s’ eingehangen ift; k* fein
Drehungspunft; 1* das Ende, weldyes unmittelbar auf den Ries
menleiter wirft, durch deflen Berfchiebung das Gewicht h* ein
wenig hebt, und den Hebel a* in die von der Zeichnung angege:
bene Lage bringt. Bei der in Fig. 3, 4, Taf. 19 abgebildeten .
Einrichtung des Zaͤhlers wird durch das Zurücgehen der Stange
tze (wach der dem Pfeile entgegen gefehrten Richtung), mittelft
der Hebel ut, w* x* und s*, auch der Draht rt herabgezogen,
der den Sperrfegel b’ aus feinem Rade p* aushebt.
Auf die befchriebene Weife wird ein Auszug nad) dem andern
gefponnen und anfgewidelt, bis die Spindeln voll find; dann
fehreitet man zum Abnehmen des Barnes. Bevor dieſes jedoch
gefchieht, fchiebt man die Garnwickel auf den Spindeln nur etwas
in die Höhe, und windet unter denfelben, durch Niederdrüden
des Aufichlagdrahtes, einige Mahl den Baden herum, um für
das Bortfpinnen einen Anfang des Fadens auf den Spindeln,
zu haben.
Nachdem im Vorhergehenden die Zähne: Anzahlen aller an
der Spinnmafchine befindlichen Mäder und Getriebe angegeben
worden find, ift e& leicht, die Dehnung und Drehung zu beredys
nen, welche dad verarbeitete Vorgefpinnft erhält; alfo, wenn des
legtern Feinheit gegeben ift, die Nummer des fertigen Garnes
auszumitteln. Dad Verhaͤltniß der Gefchwindigfeiten zwifchen
den drei Neihen der Riffelwalzen iſt (für die Getriebe t/ 2ı Zähne
gefegt) wie ı : 1:72; da aber der Durchmeſſer der hintern und
mittleren Walze 9 Linien, jener der vordern ı2 Linien beträgt, fo
fleigt die Stredung auf das 7: >< 12 oder 10 fache. Iſt num
z. ©. das Vorgefpinnft von der Beinheit Nr. 4, fo wird das Seins
gefpinnft Nr. 40. Durch die Auswechölung der Getriebe t/ wird bie
Feinheit innerhalb gewifler Grenzen regulirt. Getriebe mit 20 Zaͤh⸗
nen an die Stelle gefeßt, geben z. B., wenn alles Übrige unverändert
bleibt, Nr. 42, da dann die Stredung =ı0: flatt 10 wird. Bei einer
Umdrehung des Schwungradesc’ macht Die vordere Riffelwalze fehr
nahe 0.6 einer Umdrehung, und liefert hierdurch einen 22.6 Linien
langen Baden, wozu bei zehnfacher Stredung 2.26 Linien des Vor⸗
590 | Baumwollſpinnerei.
geſpinnſtes verbraucht werden. Die Durchmeſſer des Schwungra⸗
deö c’, der Rollen e’,h?, der Trommeln auf dem Wagen und der
Meinen Rollen an den Spindeln find fo befchaffen, daß letztere
während einem LUmgange ded Schwungrades 66 Umdrehungen
machen. Die Rolle 2°, welche den Wagen führt, macht, wäh-
vend das Schwungrad ein Mahl umgeht, 0.107 einer Umdrehung,
und führt, da ihr Durchmeifer 6 Zoll beträgt, den Wagen mittelft
des Geiles r? um 24.1 Linien fort. Der von den Streckwalzen
gelieferte, 22.6 Linien lange, Baden wird alfo durch die Bewe⸗
gung ded Wagens auf 24.ı Linien, d. i. um ı: Linien, verlän-
gert. Da die Länge des Auszuges 5 Fuß beträgt; fo hat der Wa⸗
gen nach 3o Umdrehungen des Schwungrades feinen Weg voll
bracht, und der 5 Buß lange Faden (von dem 564 Zoll durch die
Walzen, und 35 Zoll durd den Wagen gebildet find) ift durch
das gleichzeitige Umlaufen der Spindeln ı980 Mahl gedreht wors
den, fo, daß 33 Drehungen auf einen Zoll fommen. Die Darein⸗
drehung, welche der Faden nun, nachdem der Wagen ftill ftebt,
noch erhält, wird nad) feiner Feinheit und dem Zwede, wozu das
Garn verwendet werden fol, regulirt. Sie kann 5. ©. für Ket-
tengarn von Pr. 40 bid 50 ungefähr 6 oder 8 Umdrehungen des
Schwungrades, d. i. 396 biß 528 Umläufe der Spindel für den
ganzen Auszug, mithin 7 bis q Drehungen auf einen Zoll des
Fadens, betragen. Das fertige Garn ift hiernach in der Länge
eined Zolles 40 bis 4a Mahl gedreht. Der Zähler muß diefer
Veftimmung gemäß eingerichtet feyn, nähmlicdy das Rad u? in
Fig. 3, Taf. ı7, muß 36 bis 38 Zähne befigen. Bei der in Big.4,
Taf. 19 abgebildeten Konftruftion (S. 585) aber wird man den
Stift in das Rad p* fo einfteden, daß er den Hebel y* nieders
drückt, wenn gerade 6 oder 8 Zähne ded genannten Sperr⸗
Rades von dem Zahne m! an der SchwungradssXchfe fortgefcho«
ben worden find. |
‚Zur Bedienung einer Spinnmafchine find außer dem Spin«
ner, welcher das Zurüdführen des Wagens und das Aufivideln
verrichtet, ein Paar Kınder notbwendig, welche die abreißenden
Fäden anfnüpfen, oder eigentlich nur die Enden aufheben und mit
den Fingern zufammendrüden, worauf fie fich durch die Drehung
von felbft vereinigen. Ein Spinner beforgt zwei Mafchinen, die
Mule ⸗Spinnmaſchine. 591
gegen einander geſtellt ſind; ſo, daß er ſich nur auf dem Platze,
wo er ſteht, umkehren darf, um ſich in der gehoͤrigen Stellung
gegen die zweite Maſchine zu befinden. Bei den doppelten Ma⸗
ſchinen iſt deßhalb die (S. 574) erwähnte Abtheilung in zwei uns
gleiche Haͤlften getroffen. Der Arbeiter hat hier die Kurbel einer
jeden Maſchine zur rechten Hand; bei den einfachen Maſchinen
hingegen, wo der Bewegungs-Mechanismus am Ende ſich beſin⸗
det, muß die Kurbel der einen Maſchine mit der linken Hand ge⸗
dreht werden. Der Wagen einer Maſchine geht heraus, uud
fpinnt, während jener der andern hineingeführt wird, um die ge⸗
ſponnenen Faͤden aufzuwideln.
Die Menge des von einer Spiunmaſchine in gegebener Zeit
erzeugten Garnes haͤngt unmittelbar von der Anzahl der Spindeln,
und von der Zeit ab, welche zur Bildung und zum Aufwickeln
eines Auszuges erforderlich iſt. Mittelbar haben eine Menge Um⸗
ſtaͤnde darauf Einfluß. Die Geſchicklichkeit des Spinners kann
hierbei ſehr viel thun. Nicht weniger weſentlich iſt die Güte der
Mafchine, welche deſto forgfältiger gebaut feyn, und in allen
heilen deſto fanfter fich bewegen muß, je feiner fie fpinnen fol.
Durch ſchlecht gebaute Mafchinen, bei welchen z. B. die Verzah⸗
nungen nicht vollfommen find, die Spindeln in ihren Lagern
ſchlottern, oder nicht gerade find, reißen zu viele Fäden ab, wos
durch das Gefpinnft an der Güte leidet, und Zeit verloren geht.
Se beiler die Baumwolle iſt, und je.näher man durch die Vorbes
reitungs-Arbeiten der nothwendigen Bedingung einer volllommen
parallelen Lage aller Faſern gefommen iſt; defto leichter, und alſo
auch ſchneller, geht dad Spinnen vor fih. Wärme und Feuchtig⸗
feit oder Trockenheit der Luft haben ebenfalls ihren Einfluß. Bei
feinen Sarnforten geht dad Spinnen natürlich langſamer als bei
groben, weil legtere eher, ohne zu reißen, eine fchnelle Bewe⸗
gung des Wagens aushalten. Die Menge des Erzeugniſſes wächft
nicht in gleichem Verhaͤltniſſe mit der Anzahl dee Spindeln, weil
die Schwierigkeit der Aufficht mit der Menge der Bäden zunimmt.
Man darf im Durchfchnitte annehmen, daß bei Mafchinen mit 180
bis 216 Spindeln jede Spindel in ı3 Stunden 2 Schneller (jeden
zn 2427 W. Buß Länge) von mittelfeinen Nummern liefert. Doch
wird das Erzeugniß oft noch bedeutend höher getrieben; und e6
502 | Baumwollſpinnerei.
fpinnt z. B. ein geſchickter, fleißiger Spinner mit zwei guten Ma⸗
ſchinen, jede vun 180 Spindeln, in 12 Stunden vor Garn Nr. 80
bis 40 wohl 1000 Schneller; von Nr. 40 bis 50, 930 Schnel⸗
ler; von Nr. 50 bis 60, 850 Schneller; von Nr. 60 bis 70,
80 Schneller. Der Wagen einer jeden Mafchine muß hierzu 87
his 112 Mahl in einer Stunde ausziehen, und eben fo oft aufs
‚wideln; fo, daß für beide Bewegungen zufammengenommen bei
den gröberen Sarnen nur etwa eine halbe Minute geftattet ift.
Sechzehn Feinfpinnmafchinen von 180 Spindeln jede, und auf Garn
Mr. 40 eingerichtet, verfpinnen gewöhnlich die Baumwolle, welche
zwei Vorfpinnmafchinen, jede von go Spindeln, eine Grobſpin⸗
delbank von 3o Spindeln, acht Feinfragen und acht Vorkragen,
jede von 18 Zoll Breite, vorbereiten.
Drer Abfall beim Beinfpinnen, welcher hauptfächlich aus ben
Stucken der abgeriffenen Fäden befteht, ift nach Befchaffenheit der
Spinnmafchinen, der Gefchicklichfeit des Spinnerd, und der Bein-
heit des Garnes Außerft verfchieden. Er beträgt 3, 4 ober 5
Prozent beiden Nummern von mittlerer Beinheit; bei fehr feinen
Sefpinnften fann er bis auf den dritten Theil oder darüber fleigen.
Man benupt die Sadenftüde, da fie zu feſt gedreht find, um wies
der verarbeitet zu werden, entweder ftatt eined Lappens zum Pu⸗
gen der Mafchinen, oder verfauft fie an Dedenmacer. Die
Baumwolle, welthe ſich an die Stredwalzen rund herum an-
hängt, wird auf der Pußmafchine oder Wattenmafchine zugemifcht.
Im Durchſchnitte erhält man, aus der in den öfterreichifchen
Spinnereien fehr häufig verarbeiteten ägyptifchen Baumwolle, die
benugbaren Abfälle mit eingerechnet, Bo Pfund Garn Nr. 40 von
100 Pfund roher Wolle.
Die Einrichtung der Mulemafchinen, welche im Vorherge⸗
henden nach einem neuen und vollfommenen Mufter befchrieben
ift, hat unter den Händen der damit umgebenden Mechaniker man«
cherlei Abänderungen erlitten, jedoch öfter in Hinficht auf Neben
theile ald auf wefentliche Punkte. Obfchon es nun zwar nicht an⸗
geht, hier dieſe Modififationen zu.befchreiben, fo koͤnnen doch einige
Bemerkungen nicht umgangen werden.
Wenn ed fi) um das Spinnen fehr feiner Garne (5. ©.
Mr.-8o bis 100, und darüber) handelt, fo.ift es fehr zweckmaͤßig,
Mules Spinnmafdine. 503
den Wagen, während .die Faͤden den Reſt ihrer Drehung (die
Dareindrebung, ©. 583) erhalten, nicht ftill fiehen, fondern mit-
telft einer eigenen Vorrichtung noch, aber nur langfam, um 6
bis 7 Zoll hinaus gehen zu laflen. Die hierbei Statt findende .
©tredung trifft vorzüglich die dickſten Stellen, welde weniger
zufammengedrebt find, und vermehrt daher die Gleichheit des Ge⸗
ſpinnſtes. Man trennt wohl auch, zu gleichem Behufe, die Dre⸗
bung in drei Perioden. Zuerſt bewegt fich der Wagen langfam
auf 3: Fuß heraus, während die Stredwaljen und die Spindeln
in Umlauf find; hierauf ftehen die Walzen ftil, aber die Spin-
dein dreben ſich mit vergrößerter Sefchwindigfeit fort, und der
Wagen maht noch einen Weg von 8 bis g Zoll; endlich bleibt
auch der Wagen ſtehen, und nur die Spindeln bleiben noch kurze
Zeit in Bewegung, um die Drehung zu vollenden. Die Befchleu-
nigung der Spindeln in der zweiten und dritten Periode, welche
feinen andern Zwed hat, ald an Zeit zu erfparen, wird durd den
Zähler (&. 583) bewirkt, der den bewegenden Riemen im ge=
hörigen Zeitpunfte auf die Leerrolle, und dafür einen zweiten Ries
men, der bisher auf feiner Leerrolle lag, auf eine Fleinere Trieb⸗
tolle der Schwungrads⸗Achſe ſchiebt. Zulegi fommen beide Rie⸗
men auf ihre Leerrollen, und die Mafchine ruht nun gänzlich.
Man bat ferner Mulemafchinen fo eingerichtet, Daß fie ganz
Durch Waller oder Dampf in Bewegung gefept werden, und auch
das Hineinführen des Wagens, fo wie das Senken und Heben
des Auffchlagdrahtes, ohne Beihülfe des Spinners gefchieht.
Allein im Allgemeinen iſt diefe Konftruftion nicht vortheilhaft gefun«
den worden.
Verſchiedene Vorrichtungen find erdacht worden, um das
Ausheben des Rades s?’, in dem Augenblide, wo der Wagen ſtill⸗
fiehen und zurüdgehen foll, zu erfparen. Eine. der einfachiten
und fchönften ift folgende. Man denke fi in Big. ı, Taf. ı8,
flatt des Seiles r? eine gleichfalls über die Rollen z’, q? gefpannte
Vaucanſon ſche Bandfette, deren Enden bei 8? nicht an dem War
gen :befeftigt, fondern nur mit einauder vereinigt find. Diefe
Kette bleibt beftändig in Bewegung, weil dad Rad s’ immer in
Eingriff ift mit dem Getriebe, von dem ed umgedreht wird. Auf
dem Wagen fteht fenfrecht eine verzahnte Stange, deren oberes
Technol. Encyclop. 1. Bd. 38
594 Baumwollfpinnerei.
Ende mitteljt eines Stiftes in eine Öffnung der Kette eingreift;
wodurch der Wagen mit fortgezogen wird. An der Achfe d’ des
Auffchlagdrahtes (Fig. ı, Taf. 17) befindet fich ein Segment eines
Getriebes, deſſen Zähne in die Zähne der Stange eingreifen. So—
bald nun der Auffchlagdraht niedergedrüdt wird, zieht jenes Ge⸗
trieb die Zahnftange herab, und macht mithin den Wagen von der
Kette ˖ los, fo, daß er ſtehen bleibt, und hineingeführt werden
ann. Iſt das Aufwicdeln vollendet, der Wagen bei den Streck⸗
walzen angefommen, und wird nun der Auffchlagdraht fich felbit
überlaffen, fo fteigt, indem er fi ch hebt, auch die Zahnſtange wie⸗
der empor, faßt die Kette an dem erſten ihr begegnenden Gliede,
und wird wieder von ihr fortgezogen. Man kann dieſe Vorrich⸗
tung an beiden Enden des Wagens anbringen, wenn die Mafchine
eine einfache ift. Es Faun auch der untere Theil des Geiles r? um
eine am Wagen befindliche Rolle gefchlungen feyn, an deren Achfe
ein Sperr⸗Rad ſteckt. So lange der Auffchlagdraht die Lage be-
hält, welche er während des Auszuges hat, Liegt ein Sperrfegel
in den Zähnen jenes Sperr⸗Rades, verbindet die Rolle feft mit
ihrer Achfe und macht fie unbeweglich; fo, daß das Seil den Wa⸗
gen mit fi) fortführt. Die Bewegung des Auffchlagdrahtes beim
Anfange des Aufwidelnd hebt den Sperrfegel aus; und die Rolle
dreht fich nun frei auf ihrer Achfe, ohne auf den Wagen zu wirken,
welcher daher ohne Anftand, der Bewegung des Seiles entgegen,
bineingeführt werde kann.
Siebente PN
Das Hafpeln oder Weifen.
Die von den Spindeln der Mulemafchine abgenommenen
und auf andere, hölzerne Spindeln geitedten Garnwidel, oder
Die angefüllten Spulen der Batermafchine, werden in einem eiges
nen Lofale der Fabrik gehafpelt, d. h. mittelft eines Hafpels
(einer Weife) in Strehne verwandelt. Diefe Arbeit iſt fehr ein-
fach, erfordert aber Aufmerffamkeit und Geduld, um das Abreis
Ben der Fäden möglichfi zu vermeiden. Der Hafpel, deffen man
ſich bedient, und auf welchem 20 bis 50 Strehne aus eben fo vier
len Spindeln oder Spulen zugleich gebildet werden, wird durch
biefelbe Kraft in Bewegung geſetzt, welche alle übrigen Mafchinen
-
Haſpeln. 595
der Spinnerei treibt. Seine Einrichtung iſt den Baumwollſpin⸗
nereien nicht eigenthümlich,, fondern-auch in den. Wollfpinnereien
üblich; man wird fie im Artilel Hafpel befchrieben finden. Durch
den Schlag eines Hammers an eine Glocke wied von dem Haſpel
ſelbſt angezeigt, wann die feſtgeſetzte Anzahl Faͤden aufgewickelt
iſt. Der Strehn wird durch Unterbinden mit einem Faden in meh⸗
rere Gebinde (Unterbaͤnde, Wiedel) getrennt, deren jedes die
gleiche Faͤden⸗Anzahl beſitzen muß.
Die Laͤnge der Strehne, die man gewöhnlicher Shnel
ler nennt, und die Anzahl der Faͤden in deufelben, ift in verfchies
denen Ländern verfchieden angenommen. In den.englifchen und
deutfchen Spinnereien gilt allgemein folgende Anordnung. Der
Haſpel bat einen Umkreis von 15 englifchen Vards oder 54 engl.
Zoll, was eben fo viel ift, als 5a Zoll oder ı3 Ellen öfterreichi-
fhen Maßes. Jeder Strehn- oder Schneller befteht auß 560 Unt=
windungen oder Fäden, und bat mithin eine Länge von 2620
englifche Zuß, 3437 Wiener Fuß oder 980 Wiener Ellen. Jedes
Mahl nach Bo Umwindungen wird dad Garn unterbunden, und
fomit der Schneller in 7 Gebinde, jedes von Bo Faͤden, abgetheilt.
In Frankreich ift nach dem gegenwärtig beſtehenden Gebrauche der
Umfang des Hafpels, alfo die Länge eines Fadens, gleich 1428*
Millimeter (54.33 Wiener Zoll), und der Schneller enthält 10
Gebinde, jedes von 70 Faͤden, im Ganzen alfo 700 Fäden, welche
ı Kilometer (1000 Meter) oder 3163 Wiener Buß (= 1283.38.
Ellen) betragen.
Achte Dpyeration.
Das Sortiren.
Die Forderungen, welche man an ein gutes Baumwollens
garn ftellt, find: daß es feft, glatt und rund, durchaus gleich
die, ohne Knoten und dünnere Stellen fey, und weder einen
flärfern noch einen ſchwaͤchern Grad von Drehung befige, als die
Verwendung, wozu es beftimmt ift, verlangt. In legterer Hin⸗
ficht iſt das Kettengarn (dab zur Kette der Zeuge beitimmte
Geſpinnſt) von dem Einfhlaggarne oder Schußgarne
(dem zum Einſchlage, Eintrage, Einfchufle angewendeten) vers
fehieden ; indem das einer größern Feſtigkeit bedürftige Kettengarn.
z j 38 *
596 Baumwollfpinnerei.
eine bedeutend flärfere Drehung erhält. Stark gedreht ift auch
dasjenige Garn, weldyed gezwirnt und als Räh:, Stick⸗ oder
Strickgarn verwendet wird (f. Zwirn). Kettengarn wird auf
. Water: und Mule-Mafchinen, Einteaggars nur auf Mulemaſchi⸗
nen gefponnen.
Die Sortirung, welche in deu Baumwollfpinneseien die auf
das Hafpeln folgende Arbeit ausmacht, bezieht fich nicht anf die
Unterfuchung der oben genannten Eigenſchaften, von weldyen die
Güte des Geſpinnſtes abhängt;. fondern auf die Beflimmung der
Feinheit, in welcher Hinficht die Garne mit Nummern be
zeichnet werden. Die Nummer eined Garnes druͤckt auf eine ganz
jwedmäßige Art die Beinheit aus, indem fie dad Gewicht. des Bas
dens bei einer feflgefegten Tänge angibt. Üderall wo (wie in
England und Deutichland) die Weifumg nach englifchen Schnellern
(&. 595) eingeführt ift, beflimmt man durch die Nummern die
Anzahl von Schnellern, welche auf ein englifches Pfund (Sehr
nahe 0.8 Pfund, oder genaw 25.9 Loth, Wiener Gewicht) geht.
Baumwollengarn Nr. so ift alfo.folcheg, wovon ein q80 Ellen
oder 2427 Fuß langer Faden den vierzigfien Theil eines englifchen
Pfundes wiegt. In Branfreih drüdt die Nummer aus, wie
viele Schneller (jeder von 1000 Meter Länge, S. 595) zuſam⸗
men ein halbes Kilogramm (28.56 öfterr. Loth). wiegen. Eine
englifhe Nummer muß man Demnach durch 1.18 dividiren, um
die derfelben Feinheit entiprechende franzöfifche zu finden. Ein
Garn von doppelt oder drei Mahl fo hoher Nummer ift zwei Mahl,
drei Mahl fo fein, d. h. enthält auf gleicher Länge nur die Hälfte,
das Drittel, an Baumwolle. Garne unter Nt. 8 oder 10 werden
felten gefponnen. - Aufwärts hat die Seinheit ihre Grenze in der
Schwierigfeit der Erzeugung. Garne über Nr. 200 werden felten
verarbeitet, und find faft nur als eine Seltenheit anzufehen. Das
feinfte in England bisher erzeugte Sefpinnft war Nr. 350, wovon
ein Baden, deifen Gewicht ein Wiener Pfund beträgt, beinahe
45 deutfche Meilen lang iſt. Won .den Nummern über ao fom:
men im Handel immer nur die geraden vor, und alle ungeraden
(3. B. 2ı, 23, 25, u. ſ. w.) bleiben aus, weil der Unterfchied
zwifchen zwei und ſelbſt mehreren auf einander folgenden Num⸗
mern (befonders bei etwas größerer Beinheit) fo gering ift, daß fie
- Sortiren. 597
unbemerfhar bei der Verarbeitung mit einander vermengt ſeyn
fönnen, eine ganz genaue Sortirung alfo ohne Nugen wäre.
Der Fabrikant muß im Stande feyn, mit feinen Mafchinen
"nah Willkür ein Sefpinnft von voraus beftimmter Seinheit zu er⸗
zeugen; wozu die Mittel bei der VBefchreibung der einzelnen Ope⸗
tationen augegeben worden find. Am größten muß die Sorgfalt
bei der Feinſpinnmaſchine feyn, weil für die hier gemachten Abe
weichungen feine Nachhülfe in einer folgenden Operation möglich
if. Man muß alfo befonders darauf fehen , daß die Stredung
auf der Feinfpinnmafchine genau im gehörigen Grade Statt findet.
Ale Riffelwalzen einer Reihe müflen mit größter Genauigkeit von
einerlei Durchmeſſer feyn, weil fonft verfchiedene Nummern ent-
Reben. Dad Vorgefpinnft muß für eine angenommene Stredung
unverändert gleiche Seinheit behalten. Es iſt darum nöthig, Dad _
ſelbe öfter zu wägen, befonders aber das Feingeſpinnſt felbit wie⸗
derhohlt zu unterfuchen, ob es die verlangte Nummer bat, und
im Berneinungsfalle die nöthigen Abänderungen entweder in der
Erzeugung des Vorgeſpinnſtes, oder in der Stredung auf dem
Beinftuhle zu treffen. Wegen mancherlei praftifcher Hindernifle
ift jedoch bie Bier zu erreichende Genauigkeit einer gewillen Bes
fhränfung unterworfen. Nicht wohl zu vermeidende Abweichuns
gen von dem beabfichtigten Feinheitögrade betragen indeflen bei
guten Mäfchinen und forgfältiger Aufficht nur hoͤchſtend „, aufs
und abwärts; fo Daß man z. B. bei den für Nr. 40 getroffenen
Einrihtungen auch Nr. 38 und 42 erhält. Garne von fo gerin-
gem Unterfchiede Sönnen noch mit einander verpadt, und als einer⸗
lei Nummer in den Handel gebracht werden.
Um ſich von der Feinheits⸗Rummer der erzeugten Geſpinnſte
in beflimmte Kenntniß zu fegen, fchlägt man in den Fabriken ver⸗
fhiedene Wege ein. Der einfachfte und ficherfte ifl, entweder ald
Probe eine gewiſſe, feſtgeſetzte Anzahl Schneller zufammen zu
wägen, oder zu fuchen, wie viele Schneller auf irgend ein beſtimm⸗
tes Gewicht gehen, und in beiden Fällen aus einer zu diefem Be⸗
hufe berechneten Tafel nach dem erhaltenen Refultate die Nummer
zu entnehmen. Man farın aber auch einen einzigen Schneller auf
einer genauen Wage abwägen, und aus feinem Gewichte Die Num⸗
mer für die ganze Garn »Parthie herleiten, wozu ebenfalls eine
508 Bauntwollfpinnerei.
Tafel fehe bequem if. Mau finder eine folhe Barntafel
(Bombykometer), welhe für jede Nummer das Gewicht
eines Schnellers in Wiener Granen angibt, im dritten Bande der
Sahrbücher des k. k. polytechnifchen Inftitutes in Wien (&. 349).
Ein Schneller wiegt z. B. von Nr. 10 622.08 Gran; von Nr.36
172.8, von Nr.g0 by.ı2, von Nr. i160 41.47, von N. 240 25.9,
von Nr. 300 20.73 Gran. Endlich kann man auch mittelft einer
Beigerwage, ganz ohne Gewichte, die Nummer eined einzelnen
Schnellerd unmittelbar ausfindig machen. Dieſes ift der Gall bei
den gewöhnlichen Sarn=BSortirwagen, von weldhen man aus
bem Folgenden einen Begriff erhält.
Es fey (Fig. 5, Taf. 19) cab ein Hebel, der fih um den
Punft a dreft, und a d ein mit demfelben am Drehungspunfte
verbundener Arm. Der Hebel werde durch ein auf dem Arneca
angebradhtes Gewicht in einer folchen Lage erhalten, daß ad fenfs
recht ſteht. Wird nun bei b eine Laft angehängt, fo gelangt z. B.
der Hebel in die Lage b’ac’, und der Arm a d nimmt die Stel
Iung ad’an. Es läßt fich zeigen, daß die Größe des Winfels,
um welchen die drei Hebelarme bei verfchiedenen Belaftungen von
b von ihrer urfprünglichen Stellung abweichen, in geradem Ver:
Bältniffe mit der Größe der Belaftung fteht. Es ift daher moͤg⸗
lich, auf dem Bogen d d’ d’ eine Eintheilung oder Skale anzus
bringen, auf welcher der Arm a d als Zeiger Dad Gewicht irgend
einer bei b angehängten Laft anzeigt. Dieß ift das Prinzip aller
Zeigerwagen, und der Garnwagen indbefondere, bei welchen letz⸗
tern nur auf der Sfale jtatt der Gewichte die entfprechenden Bein»
heits- Nummern angefept find. Fig. 5 auf Taf. 17 zeigt die ge⸗
wöhnliche Seftalt einer Garn-Sortirwage. Das Geftell derſelben
befteht aus einer Säule ab, an welcher mittelft der Schenkel g d
und ge der Wiertelfreis c d befeftigt if. In g befindet fich der
Drehungspunft des leichten gleicharmigen Hebels fh, an welchem
das mittelft einer Schraube zu befefligende Laufgewichtchen e ver⸗
fhiebbar if. Won g aus geht zugleich der dritte Arm gk, der
mit g f durch den Bogen fk verbunden ift, um mehr Feſtigkeit
zu erhalten. Die hinter dem Bogen cd herabgehende Verlaͤnge⸗
zung von g k ift bei 1 nach vorwärts umgebogen, und trägt hier
einen Zeiger für die Eintheilung des Bogend, auf welcher Die
Sortirwage. 599
Nummern angegeben find. An. dem Ende h des Hebels fg h
hängt eine leichte Wagfchale i, in welche ein Schneller des zu
wnterfuchenden Garnes gelegt wird. Wenn die Schale leer ift,
fo lebt, vermöge der zweckmäßigen Anbringung des Gewichtes e,
der Arnı g k fenfrecht. Wenn man aber einen Schneller in die
Wagſchale i legt, fo wird der Hebel fh deflo mehr der horizonta⸗
Ien Lage genähert, je größer das Gewicht des Schneller ift; und
die dem legtern zugehörige Seinheite-Nummer wird jedes Mahl
durch die Stellung des Zeigerd lauf der Skale des Bogens c d
angezeigt. Diefe Sfale wird fehr, einfach auf folgende. Weile
fonftruirt. Geſetzt, die Wage fol für Garne von Nr. 10 bis Nr. bo
beftimmt feyn; und der Raum, welchen der Zeiger beim Auflegen
eines Schneller von Nr. 10 durchläuft, fey Ip. Diefe Bewegung
des Zeigers ift durch ein Gewicht von — Pfund. bewirft worden.
Da fi nun die Bewegungen des Zeigerd gerade wie Die ange:
bängten Gewichte verhalten, fo müſſen die dDurchlaufenen Räume
für die Nummern nı, 1a, 13, 14 ..... 66,58, 60, zu dem
Raume 1p fich verhalten, wie , uyTsız ++» -- re qu
ſich verhält. Weträgt 5. B. die ganze Länge ded Bogens Ip ı8
Zol oder 216 Linien, fo erhält man, diefe Zahl —75 gefebt, und
hieraus nach einander die Werthe von —, 2... Fr, 75 berech⸗
net, für nachfolgende Nummern die beigefeßten Entfernungen von
dem Punkte J an: |
-
Nr. Linien. Mr. Linten. Pr. Linien.
000 Baumwollſpinuerei.
Man erſieht hieraus, daß die Anzeigen der Wage bei niedrigen
Nummern genauer und zuverlaͤßiger ſind, ald bei hohen; und daß
ed darum nicht wohl augeht, eine Wage für alle Garne, von den
gröbften bis zu den feinften, ohne Veränderung brauchbar zu ma⸗
chen. Man kann indeffen zwei oder mehrere Sfalen für eine Wage
verfertigen, nach Bedürfniß cıne oder die andere davon auf dem
Bogen cd befefligen, und durch zwedmäßige Verſchiebung des
Gewichtes e die Empfindlichkeit der Wage gehörig regnliren. Zwei
Senkbleie find bei n und o angebracht, um die vertifale Stellung
der Wage zu erfennen, die man ka dreier Schrauben wiem,m,
hervorbringt.
Man hat Sarnwagen verfertigt, deren Konftruftion von der
fo eben befchriebenen ganz und gar abweicht, und mit jener der
gewöhnlichen Schnellwagen übereinftimmt. Der Garnftrehn
(Schneller) deſſen Nummer man erfahren will, wird an dem fürs
zern Arme ded Wagbalfens aufgehängt; auf dem langen Arme ift
ein Gegengewicht verfchiebbar, welches duch feine Stelle beim
Sleihgewicht der Wage unmittelbar die Feinheits Nummer aus
gibt, Diefe Einrichtung fcheint weniger bequem zu feyn.
Neunte Operation.
Die Verpackung.
Man macht aus den Baummwollgarnen, um fie in den
Handel zu bringen, Päde von 5 ober 10 englifchen (4 oder 8
öftereeichifchen) Pfunden ; indem man mehrere Schneller zufams
menlegt und gleich einem einzigen Strehne zufammendreht. Der
Pal wird gewöhnlich an vier Stellen mit einer Schnur gebunden,
und hierzu vorläufig flarf zufammengepreßt.. Es gibt in den Fa⸗
brifen verfchiedene Arten von Preflen, um diefes Zuſammendruͤ⸗
cken zu bewirken. Eine, die fehr häufig angewendet wird, ift auf
Zaf. ı7, in Big, 6 abgebildet. Der Raum, in welchen der
Garnpack gelegt wird, ift durch zwei Seitenbreter a, b, einen
Boden f, und einen Dedel ce, begrenzt, an beiden Enden aber
offen. Jede der Seitenwände befigt vier fenfrechte Einfchnitte
(ſ. Sig. 7), und der Boden vier, diefen Einfchnitten entfprechende
fhmale Rinnen, damit die zum Zufammenbinden beflimmten
Schnüre (ſ. g g, Fig. 6) eingelegt werben fönnen, bevor man die
Berpadung. 601
. einen Pad ausmachenden Strehne zwifchen den Wänden a, b über
einander fchichtet. Der Dedel c befteht aus fünf eifernen Span⸗
gen (ſ. die Anficht von oben, Big. 8), welche bei d um Gewinde
fich drehen, bei e mittelft Ringen und eines durch letztere geſteck⸗
ten Eifenftängelchene während des Preſſens feſt niedergehalten
werden, und zwifchen ſich hinlänglichen Raum zum Zuſammenbin⸗
den der Schnüre laſſen. Das Preſſen felbft gefchiebt, indem man
mittelft der Kurbel h einer Winde (die ganz der gewöhnlichen
Wagenwinde gleicht) den Boden f empor hebt. Iſt ein Pad ges
preßt und gebunden, fo werden die Spangen des Dedels geöffnet;
der Pad wird heraus genommen, und ein neuer auf diefelbe Weife
verfertigt.
Man hat, um den Druck hervorzubringen, ftatt der ge:
zahnten Stange, in welche ein Getrieb eingreift, in manchen
Sabrifen SHebelpreilen, die fchnell und bequem zu behandeln
find. In der neueſten Zeit ift auch die Bramab’fche hydrauli⸗
ſche Preffe zu diefem Behufe in Anwendung gefommen. Dian
darf fih, um von der Art ihres Gebrauches in diefem alle
einen Begriff zu erhalten, nur vorftellen, daß der Boden f in
Figur 6, Tafel 17, die bewegliche untere Platte einer fol
hen Preile ſey. Die übrige Einrichtung bleibt gänzlicd unver
ändert. x ö
Sehr ausführliche und genaue Zeichnungen der vorzüglich«
ſten zur Baummwollfpinnerei gehörigen Mafchinen, nahmentlich
der beiden Schlagmafchinen (Batteurs), der Kragmafchine, der
Mafchinen zum Schleifen der Kragen, der Strede, der Grob:
und Sein:Spindelbanf, der Mulemafchine, einer Zwirnmafchine,
des Heſpels und der hydrauliſchen Packpreſſe, findet man in
folgendem, böchft ſchaͤtzbaren Werfe: Nouveau systeme com-
plet de Filature de Coton usite en Angleterre et importe
en France par la compagnie etablie a Ourscamp pres Com-
piègne. Publie par Le Blanc. Precede d’un texte de-
seriptif par Molard, jeune. Paris et Bruxelles, ı828.
K. K.
—
602 Baummollzeuge.
Baummwollzeuge.
Die große Leichtigkeit, mit welcher fich die Baumwolle durd)
Maſchinen zu feinem und ſchoͤnem Garne fpinnen läßt, und die
davon herrührende Wohlfeilheit dieſes Gefpinnftes, ift die vorzüg⸗
lichfte Urfache von der in der neuern Zeit eingetretenen Vermeh⸗
* zung der Baummwollzeuge gewefen. Die Befchaffenheit, und fo=
gar der Nahme von vielen diefer Zeuge weifet unwiderfprechlich
nach, daß fie dem Beftreben ihr Entftehen verdanfen, die verfchie-
denften leinenen, wollenen und feidenen Stoffe durch wohlfeilere
Surrogate zu erfeben; und dieſes Beftreben ift mit dem ungwei-
dentigften Erfolge gefrönt worden, ungeachtet ihm die geringere
Dauerbaftigfeit und (verglichen mit Seidenzeugen) die mindere
Schönheit der Baumwollſtoffe im Wege ftand.
Als Gegenftand eines ungeheuer ausgedehnten Verbrauches,
und allen Willfürlichfeiten der Mode unterworfen, haben. die
Baumwollzeuge eine Mannigfaltigfeit des Außern und der Benen-
nungen fi) angeeignet, die ed unmoͤglich macht, alle.im Laufe
der Zeit zum Vorfcheine gefommenen Arten derfelben aufzuführen.
Wenn man indeilen betrachtet, daß zuweilen mehrere verfchiedene
Nahmen für ein. und das nähmliche Gewebe, oder fir geringe,
unmwefentliche Abänderungen deöfelben gebraucht werden; fo ver-
liert jene Mannigfaltigfeit etwas von ihrer anfcheinenden Uner-
ſchoͤpflichkeit: und man findet, daß wenigftens die wefentlichen
Verfchiedenheiten, welche in einer eigenthümlichen Befchaffenheit
des Gewebes gegründet find, fich ziemlich Teicht überfehen laſſen.
Hiernach zerfallen nähmlich die Baummwollzeuge in: I) glatte ; II) ge⸗
Föperte; III) gemufterte; und IV) fammtartige.
I) Slatte Zeuge. Bekanntlich nennt man bei allen Ges
weben jene parallel liegenden Faͤden, weldye nad) der Länge der
Stüde laufen, die Kette (den Zettel oder Anfhweif); Eine
trag, Einfhlag oder &infhuß hingegen die nach der Quere,
rechtwinflid mit der Kette, durchgehenden Fäden. Die Fäden
der Kette find auf dem Webſtuhle in einer Ebene neben einander
liegend ausgefpannt, und dad Weben befteht in dem Durchziehen
des Eintrages nach einer beitimmten Regel, von welcher die Be:
Ichaffenheit des entftehenden Zeuges abhängt. Bei allen im eigent:
Baumwollzeuge. 605
lichen Sinne bes Wortes fo genannten glatten Stoffen geht jeder
Eintragfaden fo durch die Kette, daß er die Hälfte ‚der letztern
über, und die Hälfte unter fich hat. Die baumwollenen Zeuge,
welche in diefe Klaffe gehören, führen nach den Abftufungen ihrer
Zeinheit, und nach anderen Verfchiedenheiten, vielerlei Nahmen.
Es find vorzüglich folgende:
Kattun, die gröbfte Art der im gewöhnlichen Gebrauche
vorkommenden glatten Baumwollzeuge, welche meiſt aus Garnen
von den Feinheits⸗Nummern ı6 bis 24, höchſtens 30, gewebt,
und zuweilen auch Kitay und Baumwollen-Leinwand ges
nannt wird. Se nachdem dad Gewebe mehr oder weniger dicht
werden foll, gibt man ihm eine größere oder Fleinere Anzahl von
SKettenfäden auf einer beftimmten Breite; bei Garn Nr. 20 beträgt
dieſe Zahl gewöhnlich 1600 bis 1800 in der Elle (54 bis bo auf
einem Zoll). Der Nanking ift ein dichter Kattun, wozu Ges
fpinnfte von Nr. 20 bis ab genommen werden. Das Eigenthänts-
Tiche dieſes Stoffes befteht in feiner braungelben Farbe, welche
bei dem in Europa durch Faͤrben nachgeahmten Nanking gewöhn-
lich viel minder ſchoͤn und dauerhaft ift, als bei dem echten oftin-
difchen und chinefifchen,, der aus natürlidy gelber Baumwolle
(©. 483) verfertigt wird. Man erzeugt einen dem Nanfıng an
Seftigfeit gleichen, aber meift etwas feinern Zeug, von verfchiedes
nen anderen Farben, unter dem Nahmen Nankinet.
Kammertuch heißen die in der Feinheit auf den Kattun
folgenden Gewebe, aus Sarnen Nr. 30 bis Jo, mit ı800 bis
2000 Kettenfäden in der Breite einer Elle. Was feit einigen
Jahren unter dem. Nahmen Wolltaffet (Baumwolltafs
fet) verfertigt wird, ift nichts als ſehr dichtes und feſtes Kam-
mertuch.
Perkal ift ein feiner und fehr dicht gewebter Zeug aus Ge⸗
fpinnften von Nr. bo bis 120. Die geöbfte Gattung, and Nr.6o,
enthält gewöhnlich 2400 Fäden in der Elle; bei den feinen Sorten
fleigt diefe Zahl auf 4000 und manchmahl darüber, Kaliko, aus
Bern Nr. 4o bis 60 gewebt, fbeht hinfichtlich der Feinheit zwi-
ſchen Kammertuch und Perfal. Sehr dichte und feine Perfale
führen - zuweilen den Nahmen Kambrik. Sind in der Kette
bes Perkals in Pleineren oder größeren Abitänden dickere oder dop⸗
604 Baumwollzeuge.
pelte Faͤden angebracht, ſe entſteht der fo genannte Schnü ae.
Perkal.
Der Muſſelin (is dem auch der Muffelinet gehört)
unterfcheidet fich von den Perfal dadurch, daß er lockerer gearbeis
tet ift, d. 5. auf gleichem Raume weniger Faͤden enthält. Man
macht ihn übrigens aus Sarnen von den Nummern bo bi go
oder 100. Der gröbfte enthält etwa 2600, der feinfte 3200 Fa-
den in der Ellenbreite. Der Jaconet ift nichts .ald Muſſelin
(mit 2400 bis aBoo Fäden in der Elle), der gewöhnlich farbig
geftreift oder gegittert (quadrillirt) gewebt wird. Muſſelin, wel:
her fih an Dichtigfeit dem Perfal nähert , beißt Batt iſt⸗
Muffelin.
Feiner ald Muffelin, aber eben fo etwas locker gewebt, ift
der Vapeur, wozu man Geſpinnſt von Nr. ı20 au bis Nr. 200
und darüber verarbeitet. In einer Bapeur» Kette von Nr. 120
find gewöhnlich 3000 Fäden auf der Elle enthalten. Der feinfte
Vapeur, aus Nr. 220 bi6 240, welcher wohl auch Zephyr ge⸗
nannt wird, enthält bis 4800 Faͤden auf der Ele. Schnüre
chen⸗Vapeur wird wie ber SchmücchensPerfal hervorgebracht.
Drgandin heißt ein dem Vapeur an Feinheit gleichendes
Gewebe, weldyes aber noch lockerer ift; fo, daß die ziemlich weit
aus einander ftehenden Fäden gleichfam ein feined Bitter mit klei⸗
nen und regelmäßigen vieredigen Öffnungen bilden. Die Kette
enthält daher z. B. wenu fie aus Garn von Nr. ı20 befteht,
nur etwa 2700 Käden in der Elle.
Den bisher genannten glatten Baunwollzeugen reihen fich
einige andere an, welche ganz oder theilweife aus gefärbtem Garne
von verfchiedener FSeinheit erzeugt werden. Hierzu gehört die
mannigfaltig geftreifte oder geflammte, fehr dicht gewebte, eng»
liſche oder fchottifche Leinwand zu FBrauenfleidern; der
ebenfalls mit farbigen Streifen verfehene, aber weniger dichte
Haircord, verfchiedene, meift vielfarbig gewürfelte, Hals» und
Sacktü ch er, ꝛc.
Im Äußern von den leinwandartigen Zeugen ganz verſchie⸗
den, in der Verfihlingung der Fäden aber denfelben gleich, if
der Rips (Rib5), welcher wie aus lauter neben einander liegen»
den Schnürchen beftehend,, oder fein gerippt erfcheint (daher der
Baummpllzeuge. 605
Nahme, vom Englifhen Rib, eine Rippe). Die Kette dieſes
Stoffes ift zweis oder dreifach gezwirntes Garn (am beiten Water-
garn), z. B. von Nr. 30; der Eintrag ift feiner, und die Faͤden
deöfelben liegen fo dicht an einander, daß fie die Kette ganz bede⸗
den. Zur Kette, welche die Schnüre oder Rippen bildet, nimmt
man wohl auch Doppelte, nicht zufammengedrehte, oder, bei einer
fhlechtern Sorte des Zeuges, fehr grobe einfache Fäden.
Eine eigenthümlihe Werbindungsart der Zäden findet bei
dem Tull (der baumwollenen Gaze) Statt, welche übrigens
ebenfalld noch zu den glatten Zeugen (nach dem oben von denfel-
ben aufgeſtellten Begriffe) gerechnet werden muß. Diefer Stoff,
von welchen die feinften Sorten aus Sarnen von Nr. 100 bid 180
verfertigt werden, iſt mehr oder weniger großlöcherig, d. h. die
Ketten: und Eintragfäden liegen fo. weit von einander entfernt,
daß regelmäßige viereckige Öffnungen entfiehen. Um jedoch einem
fo lockern Gewebe mehr Beſtaͤndigkeit und Haltbarkeit zu geben,
ift eine eigene Verfchlingung der Kette angebracht. Zu zwei und
. zwei liegen die Kettenfäden ganz nahe an einander: ein Baden
von jedem folchen Paare Täuft unter, der andere über dem Eins
trage fort; aber jedes Mahl zwifchen zwei Eintragfäden kreuzen
fi) die beiden Kettenfäden dergeftalt, daß der links liegende auf
die rechte Seite, und der rechts befindliche auf die linfe Seite
übergeht, zugleich aber derjenige Baden, welcher ſich unter dem
Eintrage befindet, bei jeder Kreuzung der obere iſt. Hierdurch
wird der Eintrag an der gehörigen Stelle zwifchen der Kette feft
gehalten, und dem Verfchieben der Fäden vorgebeugt... Im Art.
Weberei wird über die. Befchaffenheit und Verfertigung diefer
befondern Art von Gewebe ausführlich die Rede feyn.
U) Seföperte oder croifirte Zeuge. Das Wefen
der geföperten Zeuge beſteht befanntlich darin, daß jeder Faden
des Einfchuffes die Kette in zwei ungleiche Theile abfondert, indem
er mit regelmäßiger Abwechslung Einen Baden derfelben z. B.
unter, und zwei, drei oder mehr darauf folgende Faͤden über ſich
liegen läßt. Die vorzüglichftien baummollenen Stoffe diefer
Klaffe find : —
Der Eroife, ein aus mittelfeinen Sarnforten (Nr. 40 bis
60) gewebter Zeug, der theils weiß verbraucht, theild gefärbt
606 Baumwollzeuge.
oder gedruckt zu Umhaͤngtuͤchern angewendet wird; der Dichtere
und feftere Drill; der baummwollene Merinos; der Kö—
per⸗-Nankin oder geföperte Nanfinet; der Satin (auch
Jeanet, Oriental und engliſches Leder genannt), ſehr
dicht, und ſtaͤrker gekoͤpert als die vorigen, daher dem Atlas aͤhn⸗
lich; der Baumwollbaft, den man aus verfchiedenfarbigen
Garne gewürfelt (quadrillirt) weht, und auf Kleider verwendet.
Berner gehören hierher der Wallis und der Barchent. Erſte⸗
zer ift der Länge nach aus ganz ſchmalen oder auch breiteren
Streifen zufammengefegt, welche alle geföpert find, jedoch fo,
daß in einer Hälfte der Streifen von der Kette, und in der ans
dern Hälfte: vom Eintrage der größere Theil fihtbar iſt. Als Folge
davon unterfcheiden fich diefe Streifen nicht nur ſehr deutlich Durch
dad Anfehen ; fondern, da die. Kette bedeutend gröber ift ald der
Eintrag, To fpringen auch alle Streifen flärfer auf jener Seite
hervor, wo mehr von der Kette in ihnen fichtbar il. Der Bars
dent ift gleichförmig über die ganze Flaͤche geföpert, aber jene
Seite desfelben, auf welchem der größere Theil des groben Eintra⸗
ges frei liegt, wird nach dem Weben Durch Auffragen rauh und
haarig gemacht. Diefer Zeug wird gewöhnlicher mit einer Kette
von Leinengarn erzeugt, wovon unter den Leinenzeugen die Rede
iſt. Mit dem Nahmen Baumwolle Molton bezeichnet man
gefärbten Barchent.
UN Gemuſterte oder fagonnirte Baummollzeuge
gibt es von fehr verfchiedener Art. Man hat folche, die weiß und
mit weißen Defleins verfehen find, z. B. Muifelin mit Croifes
Streifen, den Damaflartig gewebten baummwollenen Tiſch—
zeug (Baummwoll: Damaft) u.f.w. Gewöhnlicher aber
werden farbige Blumen u. dgl. in. weißen Perfal, Muflelin (Ja⸗
eonet), Vapeur oder Tull eingewebt, und diefe Stoffe auf Kleider,
Tücher, zc. verwendet. Man bedient ſich hierzu zweier verfchiede«
nen Mittel, von welchen nach Wefchaffenheit der Umftände das
zweckmaͤßigſte gewählt wird, nähmlich einer zweiten, farbigen
Kette, für den Deflein, oder eined zweiten, farbigen Einſchuſſes.
In Tepterem alle entftehen die fo genannten brofchirten
Stoffe. Immer werden die zwifchen den Beſtandtheilen des
Deſſeins auf der Ruͤckſeite frei liegenden Theile der farbigen Fäden
Baummwollzeuge. 607
ausgefchnitten, wenn fie eine etwas bedeutende Länge "haben.
Auch durchbrochene und gegitterte Stoffe (Perfal, Vapeur und
Zul), fo wie eine Art Stiderei mit Zwirn erzeugt man auf dem.
Webſtuhle, oft mit fehr großem Aufiwande von Kunft. Su den
geftiditen Arbeiten gehören die unter dem Nahmen Spenal.(ale:
Spenal:Perfal, Spenal:Bapeur ıc.) befannten Zeuge,
und das feinfte Erzeugniß diefer Art, der fo genaunte Princeffe
Stoff, mit einem Grunde von Perfal oder :Muflelin. Doc
find diefe Fabrikate mehr als andere der Mode unterworfen, welche
fie ſchon jeßt wieder etwas außer Gebrauch gefebt hat.
Eine ganz eigenthümliche Art von. gemuftertem Zeug ift der
Piqué. Diefer Stoff gewährt das Anfehen zweier auf einander
liegender glatter (leinwandartiger) Gewebe, welche an einzelnen,
nach einer gewillen Negel geordneten Punften fo mit: einander
vereinigt find, als wären fie mit der Nadel abgenäht oder gefteppt
(daher der Nahme, vom Branzöfifchen piquer, fleppen). Die
Anordnung diefer Vereinigungs= Punfte, welche die Napdelftiche
. vorftelen, bringt dad Mufter oder den Deflein hervor, der bei
den feineren Sorten gewöhnlich in Fleinen verfchobenen Vierecken
(Rauten) befteht, öfter ‚aber auch Streifen oder andere Figuren
bildet. Zur WVerfertigung des Pique find, da er, wie gefagt,
in der That aus zwei Geweben beftcht, zwei Ketten und ein zwei:
facher Eintrag. nothwendig. Die Kette und der Eintrag des un-
tern Gewebes (des Futters) find gröber, als jene des obern, auf
weichem der Deſſein zum Vorfcheine fommt; oft nimmt man fogar
viererlei Garn, nähmlich zu jeder Kette und jedem Eintrage an-
dered. Gewöhnlich werden die beilern Sorten des Pique aus
Gefpinnften von den Feinheits Nummern 50 bis 100 und darüber
erzeugt; zur Kette wählt man gerne Watergarn. Man bat foger
nannten rauhen Pigne, bei welchem der Einfchuß des untern
Gewebes oder Futters ſehr grob it, und der auf diefer Seite
gleich dem Barchent aufgefragt und rauh gemacht wird.
IV) Die fammtartigen Zeuge aus Baumwolle find der
Manchefter und der Baumwollfammt (Wollfammt).
Dbfchon beide im Anfehen einander aͤhnlich find, indem fie aus
einem glatten oder (bei den befferen Gattungen) geföperten Ges
webe befteben, auf welchem ein Flor von kurzem, aber dicht ſtehen⸗
N
608 Baumwollzeuge.
dem Haar ſich befindet ; fo weichen fie doch in ihrer Verfertigungs⸗
art und innerlichen Befchaffenbeit wefentlich von einander ab.
Der Manchefter, von dem man’ verfchiedene Sorten durch Die Nah⸗
men Thickſet, Velvet, Velvetin und Velvetet unterfchei=
det, wird durch eine einzige Kette, und durch einen einfachen
Eintrag gebildet. Der legtere vereinigt zum Theil die Kettenfäden,
um das leinwandartige oder geföperte Grundgewebe zu bilden;
und zum Theil laͤuſt er auf eine folche Art durch die Kette, daß
lauter parallele, nad) der Länge gehende Streifen entftchen, in
welchen der Einfchuß über zwei oder drei (und zwar in jedem Strei⸗
fen über den nähmlichen zwei oder drei) Kettenfäden frei liegt.
Diefe frei liegenden Theile des Einfchuffed werden nach dem We⸗
beu aufgefchnitten, wodurd, das fammtartige Haar entfteht. Zus
weilen webt man den Mancheſter and) mit zweierlei Eintrag, naͤhm⸗
lich einem etwad geöberen zum Grunde, und einem feinen zum
- &Sammt ; der legtere wird Pohl ıfranzöfifch poil, das Haar) ge:
nannt. Die Kette foll Watergarn feyn, und ift immer bedeutend
gröber ald der Eintrag.
Der Banmwollſammt ift feiner als der Manchefter, und
wird, gleich dem feidenen Sammt, aus einer doppelten Kette und
einfachem Eintrage verfertigt. Bon den zwei Ketten bildet die
eine mit dem Eintrage das Orundgewebe; die andere (ebenfalls
Pohl oder poil genannt) erzeugt durch das Verfahren beim We-
ben Reihen von aufrechtftehenden Maſchen, welche nach der Quere
des Zeuges gehen, und, wenn fie aufgefchnitten werden, den
Slor oder Sammt darftellen.
| Manchefter und Baumwollſammt bleiben zuweilen auch ganz
oder zum Theile (z. B. ſtreifenweiſe) unaufgeſchnitten.
Was die Verfertigung der baumwollenen Zeuge betrifft, ſo
iſt der eigentliche Ort, dieſelbe zu beſchreiben, in dem Artikel We⸗
berei, der die in ſo vielen Rückſichten, ja in allen weſentlichen
Punkten, übereinſtimmenden Methoden, nad) welchen Zeuge aus
den verfchiedenften Materialien erzeugt werden, zur Erleichterung
der Überficht zufammenfaßt. Es bleibt Hier nur übrig, einen .
furzen Abriß der Baumwollweberei insbefondere zu geben, und die
Appretur der baumwollenen Zeuge zu befchreiben.
Nachdem das zur Kette und zum Eintrage beftimmte Garn
+
Baumwollzeuge. 609
ausgewählt iſt, werden beide einigen Vorarbeiten unterzogen, wos
durch man fie in die zum Verweben nöthige Form bringt. Das
Kettengarn, wozu man in einzelnen Faͤllen Watergefpinnft, ges
wöhnlich aber feitered und beiferes Mulegefpinnft anwendet,
wird zuerfi, um der Reibung beim Weben mehr zu widerftehen,
geleimet, naͤhmlich durch Leimwailer (aus ı Pfund Tiſchlerleim
und 7 bis 8 Maß Wailer bereitet) gezogen, audgewunden, und
wieder getrocknet. Sodann wird es gefpult, d. h. die Strehne
werden mittelft des Spulrades oder einer Spulmafchine (ſ. Spul⸗
rad und Spulmafchine) auf Spulen gewidelt. Eine gewille
Anzahl diefer leptern wird nun reihenweife auf Eiſendraͤhte in ein
Geſtell (die Scherlatte, dad Schweifgeſtell) geftedt;
man nimmt die Faͤden von allen Spulen zufammen, und widelt
fie mit einander fo oft um einen großen, fenkrecht ftehenden Ha⸗
fpel (den Scherrahbmen, Schweifrahmen), daß die ge-
wünfchte Länge und Bäden-Anzahl der Kette gebildet wird. Far⸗
bige Säden, welche in der Kette enthalten feyn follen, erhält man
nach Erforderniß, indem Spulen mit farbigen Garne an die ges '
hörigen Stellen der Scherlatte gefteddt werden. Diefe Operation,
welche das Scheren oder Schweifen beißt, ift bei Gelegen⸗
beit der Bandfabrifation (S. 425, 426) befchrieben wor⸗
den, und wird ausführlicher ins Art. Weberei erflärt. Die
Kette hat nun die Geftalt, welche fie befigen muß, um verwebt zu
werden; indem fie eine beftinimte Dienge gleich langer, mit einan⸗
der parallel liegender Faͤden darſtellt. Sie wird um eine Walze
(den Kertenbaum oder Garnbaum) gewidelt (aufge:
baumt), und mit diefer auf den Webftuhl gebracht, wo ſtets
ein Theil derfelben in horizontaler oder faſt horizontaler Ebene
auögefpannt bleibt: Hier gefchieht; nach Maßgabe der Verarbeis
lung, dad Schlichten der Kette, weldes im Beſtreichen mit
Mehl» oder Staͤrkekleiſter (Schlichte) beſteht, und zum Zwecke
hat, den durch das Leimen ſchon etwas ſteif und hart gemachten
Faden einen dünnen Überzug zu geben, der fie noch beſſer vor
dem Abreiben fchügt: In der neuieften Zeit hat man Angefangen,
das Schlichten, mit der ganzen Kette auf ein Mahl, vor dem
Aufbäumen mittelft einer Maſchine zu berrichten, welche manche
mahl zugleich die Stelle des Scherrahmene erfebt (ſ. Weberei),
Sechnol. Encyclop. 1. Vd. 3g
610 Baummollzeuge,
Andy eine Vorrichtung tft angegeben worden, wodurd die Kette
auf dem Webftuhle von felbft fich fchlichtet.
Das ;um Emtrage der baummwollenen Zeuge beflimnite Garn
iſt gewöhnlich wenigftens etwas, und bei manchen Stoffen ſehr
bedeutend, feiner ald die Kette. Es iſt immer Mulegeſpinnſt, und
wird zu dieſem Behufe eigens mit geringerer Drehung, und meift
aus etwas fchlechterer Baumwolle, ald das Kettengarn gefpon-
nen. Die einzige Vorbereitung des Eintraggarnes befleht im:
Auffpulen, d. 5. im Aufwideln auf Peine Spulen, weldye
in die Schüge (dad Schiffchen) des Webftuhles eingelegt
werden.
Die Webftühle, deren man fich zur Erzeugung baumwolle-
ner Zeuge bedient, find nach Befchaffenheit diefer lebteren unge
mein von einander verfchieden, und flimmen mit jenen für leinene,
wollene und feidene Zeuge im Wefentlicdhen überein, daher man
ihre Befchreibung im Artifel Weberei finden wird. Der Stuhl
zu den glatten Zeugen insbefondere hat die größte Ähnlichkeit mit
dem Leinweberftuhle. Ofter werden foldhe Stühle durch Waſſer
oder Dampfmafchinen getrieben (Webemafchinen, felbitwe-
bende Stühle). Um Deffeins bervorzubringen , bedient man
ſich am häufigften der Trommeln, und, wenn das Mufter in der
Länge fehr ausgedehnt ijt, der Jacquard-Mafchine. Die Schnell-
ſchützen find in der Baumwollweberei fat allgemein eingeführt.
Wo zweis oder mehrerlei Eintrag von verfchiedener Feinheit oder
verfchiedener Farbe zu einem Stoffe erforderlich ift, wird natür-
Tich mit zwei oder mehreren Schügen gewebt. Stickerei wird mite
telft eines fo genannten Nadelftabes erzeugt, d. h. eine® an der
Lade des Webftuhles angebrachten horisontalen, verfchiebbaren
‚Stabes, welcher mit abwärts fiehenden Eifendrähten (Nadeln)
befegt ift. Durch diefe Nadeln, welche am untern Ende mit einem
Loche oder Ohre verfehen find, Taufen die zur Hervorbringung des
geftidten Mufters beflimmten Zwirnfäden, welche im hintern Theile
des Stuhles auf eine befondere Walze gewidelt find.
Die Baumwollzeuge werden theild weiß verbraucht, theils,
wenn fie nicht ſchon aus gefärbten Garne gewebt find, nach dem
Weben gefärbt, oder auch bedrudt. In allen Fällen müffen fie
‚ einigen vorläufigen Operationen unterzogen werden, welche zur
Baummollzeuge. 611
Abficht Haben, das Gewebe glätter zu machen, alle Unreinigkeiten
daraus zu entfernen , und demfelben den erforderlichen Grad dee
Weiße zu geben. Diefe Operationen find dad Sengen, Ents
fhlihten und Bleihen. Das Sengen, welches mit den
allermeiften Baummollftoffen, namentlich mit den glatten Zeus
gen, als Perfal, Diuffelin, Vapeur, Organdin, Zul, ferner
mit dem Manchefter, u. f. w. vorgenommen wird, beftebt in dem
Wegbrennen der von den Fäden emporflehenden Haͤrchen, welche
den Stoffen ein rauhes und gröberes Anfehen geben. Man vers
richtet es, indem man den Zeug mit gehöriger Schnelligkeit über
dunfelglühendes Metall, oder über eine rauch und rußfreie
Flamme wegzieht. Hierzu find eigene Sengmafdinen bes
flimmt (f. diefen Artifel). Die gefengten Stoffe werden, um
den Leim und die Schlichte aus ihnen zu entfernen, einige Tage
lang in Waffer eingeweicht, und dann in anderem reinem Waſſer
anögewafchen. Anı beften iſt eö, bei dieſem Auswafchen die Wir⸗
fung einer wie die Zuchwalfen gebauten Walfmühle oder einer
Prätfhmafchine (f. diefen Artikel) zu Hülfe zu nehmen, wos
bei durch den Schlag von Hammerartigen Hölzern oder durch Wal⸗
zen die Meinigung befördert wird. Das nun folgende Bleichen
ift eine chemifche Operation, Durch welche der färbende Beſtand⸗
theil des Baumwollfaſer zerftört oder verändert , und den Stoffen
eine vollfommene Weiße gegeben wird. In einem eigenen Artifel
(Bleihfunft) werden die hierzu dienlichen Verfahrungsarten
befchrieben. Die fo genannte chemifche Bleiche oder Kunftbleiche
mittelft Chlor ift für Baumwolle faft ausfchließlich in Anwendimg.
Die volltommenfie Bleiche ift nur dann erforderlich, wenn die be: -
bandelten Zeuge weiß verbraucht oder mit hellen und zarten Far⸗
ben gefärbt oder bedrudt werden follen; in den übrigen Faͤllen iſt
die Höchfte Weiße nicht notwendige Bedingung.
” Das Färben wird befonders mit Kattun, Kammertuch, Per⸗
kal, unchtem Nanfing, Nanfinet, Rips, Zul, Croife, Bars
ent, Pique und Mancheiter vorgenommen, mit denjenigen Mite
teln und Handgriffen, welche unter Färberei und den davon
abhängenden Artifeln angegeben werden. Dad Druden der baum
wollenen Zeuge (vorzüglich Kattun, Kammertuh, Kalifo, Per⸗
tal, Muſſelin, Rips, Eroije, Pique und Maucheſter) ift, gleich
3g *
612 Baummollzeuge.
dem Bleichen und Färben, der Gegenſtand eines eigenen ausge⸗
dehnten und wichtigen Fabrikationszweiges (f. Kattundru-
derei).
Sowohl die bloß gebleichten als die gefärbten und gedrud's
ten glatten Baumwollzeuge erhalten, um fie zur Kaufmanns
waare zu machen, gewöhnlich noch eine Zurichtung, welche ihnen
etwas Steifigkeit, Glanz, und ein dichteres Anfehen gibt. Man
benegt fie mit Waffer, in welchem Stärfe zerrührt worden ift,
oder auch mit reinem Waffer, und laͤßt fie zwifchen den Walzen
einer Ralander (f. dieſen Artikel) durchgehen, von welchen wer
nigftend eine aus Metall verfertigt, ſehr glatt polist, und ges
heigt feyn muß. Statt der Kalander bedient man fid) off einer
Mange, und zuweilen einer Slättmafchine, wobei der
Zeug mit einem glatten Stide Glas oder Seuerftein überrieben
wird. Die Befchreibung diefer Mafchinen kommt ebenfalls in
eigenen Artifeln vor, da fie der Baumwollzeugfabrikation nicht
ausichließlich zugehören.
Zur Appretur des Perfald und der feineren Kammertücher
ift folgende Mafchine fehr zweckmaͤßig Der Zeug wird um eine
hoͤlzerne, mit grober Leinwand überzogene Walze gewickelt. Ges
gabe und zwar einen Buß hoch über diefer Walze ift ein zu hei⸗
gender hohler metallener, auf der Oberfläche fein polirter Zylin⸗
ber angebracht, der fich nicht dreht, fondern unbeweglich Tiegt;
ein zweiter folcher Zylinder befindet ſich neben der Zeugwalge, wies
ber einen Fuß von derfelben, aber in horizontaler Richtung, ent:
fernt. Endlich Tiegt in gleicher Höhe mit dem erften metallenen
Bylinder noch eine hölzerne Walze, welche den Zeug aufzunch-
men beſtimmt it, und daher der Yufnehmer heißen mag. Ein
Stuck grober Reinwand, welches mit einem feiner Enden an dem
Aufnehmer hefeftigt ift, gebt unter dem zmeiten Metallzylinder
weg, läuft dann ſchraͤg hinauf, über den erften metallenen Zylin⸗
der, und ift mit dem auf der Zeugwalze aufgewidelten Stoffe
mittelft Stecknadeln verbunden. Wenn daher der Aufnehmer
an einer Kurbel umgedreht wird, fo zieht er mittelft jener Lein-
wand den zu appretirenden Zeug, der feinen Weg in Berührung
mit den geheigten Zylindern zurüdlegt, am ſich. Zwei Arbeiter
fpannen den Zeug an den Leiſten der Breite nach aus, banıit er
Baumwollzeuge. 613
ohne Falten auf den erſten Zylinder gelangt; dann geht derſelbe,
fo ausgebreitet, unter dem zweiten Zylinder durch, und rollt ſich
um den Aufnehmer herum. Durch die Anbringung zweier geheiß-
ten Zylinder bewirft man, daß beide Seiten des Stoffes zugleich
appretirt werden. So vorbereitet, wird der Perkal noch zwi⸗
fchen zwei großen, durch Näderwerf bewegten Walzen durchgezos
gen, welche ihm vollfommene Glätte und Glanz geben. Dann
legt man ihn zufammen, und preßt die Stüde in einer gewöhnlis
chen Schraubenpreife.
Die Zurihtung der Muffeline gefchieht, indem man fie mit
Stärfwaffer durchnäßt, von dem Überfluffe desſelben durch Preſ⸗
fen (ohne Zufammendrehen) befreit, auf fleinernen Zifchen mit
den Händen fchlägt, und endlich zum Troduen ausfpannt. Zu
diefem Audfpannen dienen zwei Walzen, an welche man die Zeugs
flüde mit ihren Enden befeſtigt, und in deren Zwifchenraum die
Leiften von einer Art Zangen gefaßt und feftgehalten werden.
Jede der Zangen befteht aus zwei hohlen, etwa 20 Zoll lan»
gen, 3 Zoll breiten, und 12 Zoll dien Holflüden, welde an
einer langen Seite durdy Gewinde vereinigt find, und fich alfo
gleich einer Charnier-Dofe auffchlagen Iaffen. Eine Schraube,
welche fi in der Mitte befindet, preßt die beiden Stüde ſtark
zuſammen, fo, daß fie die dazwifchen gelegten Leiften des Zeu⸗
ges feſthalten. Zwifchen den zwei oben erwähnten Walzen if
auf jeder Seite eine Reihe folcher Zangen, fo lang als das
aufgefpannte Zeugfiüd, und mit den Gewinden nad auswärts
gefehrt, angebracht. Die einzelnen Zangen einer jeden Reihe
berühren ſich mit ihten Enden, fo, daß feine Stelle der Leiften
uneingeklemmt bleibt. Die Zangen der einen Reihe ftehen feft,
die der andern find in horizontaler Richtung mittelft ftarfer höl-
zerner Schrauben beweglich, und fönnen alfo in beliebigen Ah⸗
fand von der erſten Reihe gebracht werden. Wenn nun die
eine Leifte des Zeuges zwifchen die feſtſtehenden, und dann auch
zwifchen die beweglichen Zangen eingeflemmt worden ift, fo
entfernt man die legtern allmählich von den erfteren, in dem
Maße ald es nöthig ift, damit die Faͤden des Eintraged und
der Kette vollfommen andgefpannt werden, und eine gerade
Richtung annehmen. Diefe Arbeit muß fehr behende vollzogen
614 Baumwollzeuge.
— damit der Muſſelin nicht trocken werde, bevor er ganz
ausgelpannt ift.
An England ift die befchriebene Worrichtung allgemein ge»
braͤuchlich, und ihre Zwedmäßigfeit unterliegt feinem Zweifel;
aber fie erfordert, wenn viele Waare appretist werden muß,
einer fehr beträchtlihen Raum. In dieſer Hinficht verdient
eine von Peel und Ainsworth erdachte Abänderung erwähnt
gu werden, mittelft welcher in verbältnißmäßig Fleinem Raume
binnen 48 Stunden 2000 Stud Muffelin aufgefpannt und ge=
trodinet werden können. Die zwet Reihen der Zangen find,
ftatt in geraden Linien von der Länge der ©tüde einander gegen-
über zu ſtehen, in einer Spirallinie auf zwei ſenkrechten paral=
lelen Rädern von ı= bi6 18 Fuß Durchmefler angebracht. Wenn
dieſe Räder umgedreht werden, man den Zeug zwifchen dieſel⸗
ben Bineinleitet, und die Zangen, zwifchen welche feine Leiften
zu liegen fommen, nad einander fchließt, fo ift zulegt der Zeug
in einer Spirale ausgefpannt, deren erfte und Fleinfte Windung
zunächit die horizontale Achfe der Räder - umgibt, indeß die Ichte,
welche die größte ift, am Umfreife endet. Die einzelnen Win⸗
dungen müflen wenigftens 3: bis 4 Zoll weit von einander ab-
ſtehen, damit Hinlänglih Raum bleibt, um die Schrauben au⸗
zuziehen, durch welche die Zangen gefchloffen werden. Die Ri:
der haben breite Arme oder Speichen, auf welchen die Zangen
mit der gehörigen Feftigfeit angebracht werden fünnen. Eines
derfelben drebt fich auf einem unveränderlichen Punfte, das an⸗
dere kann längs der Achfe verfchoben, und alfo von jenem in
die Entfernung gebracht werden, welche der Breite des Stoffes
angemeflen iſt. Zwei Arbeiter feben die Räder in Umdrehung,
und machen die Leilten in den Zangen feft; zwei andere drehen
die Schrauben um, durdy welche die Zangen zur Spannung des.
Zeuges zurüdgezogen werden. Wenn der Muffelin getrodnet ift,
fo öffnen zwei Arbeiter die Zangen nach der Reihe, und drehen
die Räder verfehrt, wodurch der Zeug von felbft auf eine Tafel
herabfaͤllt. Man nimmt ihn von hier weg, legt die Stüde zu⸗
fammen und preßt fie.
8. 8.
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