Skip to main content

Full text of "Texte und Untersuchungen zur Geschichte der altchristlichen Literatur"

See other formats


W4HHRmBR8v9nl^^^^$i^> 


TEXTE  UND  UNTERSUCHUNGEN 


ZUR  GESCHICHTE  DER 


ALTCHRISTLICHEN  LITERATUR 


HERAUSGEGEBEN 


VON" 


OSCAR  von  GEBHARDT  und  ADOLF  HARMGK 


ELFTER  BAND 


7^m, 


LEIPZIG 
J.  C.  HINßlCHS'SCHE  BUCHHANDLUNG 

1894 


Digitized  by  the  Internet  Archive 

in  2011  with  funding  from 

University  of  Toronto 


http://www.archive.org/details/texteunduntersuc11akad 


INHALT  DES  ELFTEN  BANDES. 

Heft  I:  Das  Kerygina  Petri  kritisch  untersucht  von   Ernst   von  Dobschütz. 
YII,  162  S.    1893. 

Heft  2:  Acta  SS.  Nerei   et  Achillei.    Text  und  Untersuchung  von  Privat- 
docent  Lic.  Dr.  Hans  Achelis.    IV,  70  S.    1893. 

Heft  3:  Das  lndulgenz-Edict  des  römischen  Bischofs  Kailist.  Kritisch  unter- 
sucht und  reconstruiert  von  Lic.  Ernst  Rolffs.     VIII,  139  S.     1893. 

Heft  4:  Textkritische   Studien    zum  Neuen  Testament.     Von   Privatdocent 
Wilhelm  Bousset.    VIII,  144  S.    1S94. 


DAS 


KERYGMA  PETRI 


KRITISCH  UNTERSUCHT 


ERNST  VON  DOBSCHÜTZ 


LEIPZIG 

J.  C.  HINRICHS'SCHE  BUCHHANDLUNG 

1893 


Verlag  der  J.  C.  HINRICHS'scken  Buchhandlung  in  Leipzig. 

Texte  nnd  Untersuchungen  zur  Geschichte  der 

Altchristlichen  Literatur 

herausgegeben  von  Oscar  Ton  (rebhardt  und  Adolf  Harnack. 

I— III.  IV  1/2.  V— VIII.  IX  1/2.  X  1.  XI  12.    M.  221  — 

I,  1/2.  Die  Überlieferung  der  griechischen  Apologeten  des  zweiten  Jahrhunderts  in 
der  alten  Kirche  und  im  Mittelalter,   von  Adolf  Harnack.    VIII,  300  S.  1882. 

M.  9  — 

I,  3.  Die  Altercatio  Simonis  Iudaei  et  Theophili  Christiani  nebst  Untersuchungen 
über  die  antijüdische  Polemik  in  der  alten  Kirche,  von  Adolf  Harnack. 

Die  Acta  Archelai  und  das  Diatessaron  Tatians,  von  Adolf  Harnack. 

Zur  handschriftlichen  Überlieferung  der  griechischen  Apologeten.  I.  Der 
Arethascodex,  Paris.   Gr.  451,  von  Oscar  v.  Gebhardt.  III,  196  S.  1883.  M.  6  — 

I,  4.     Die  Evangelien  des  Matthäus    und  des  Marcus  aus   dem  Codex  purpureus 

Rossanensis,  herausgegeben  von  Oscar  v.  Gebhardt. 
Der   angebliche  Evangeliencommentar  des  Theophilus  von  Antiochien,  von 
Adolf  Harnack.    LIV,  176  S.    1883.  M.  7.50 

II,  1/2.  Lehre   der   zwölf  Apostel,    nebst   Untersuchungen  zur  ältesten  Geschichte 

der  Kirchenverfassung  und  des  Kirchenrechts  von  Adolf  Harnack.    Nebst 
einem  Anhang:  Ein  übersehenes  Fragment  der  Jtöazn  in  alter  lateinischer 
Übersetzung.    Mitgetheilt  von  Oscar  v.  Gebhardt.  70  u.  294  S.  1884.  M.  10  — 
(II,  1/2.  einzeln  nur  in  anastatischem  Druck  (1893)  käuflich.) 

II,  3.  Die  Offenbarung  Johannis,  eine  jüdische  Apokalypse  in  christlicher  Be- 
arbeitung, von  Eberh.  Vischer.    Mit  Nachwort  von  Adolf  Harnack.  137  S.  1886. 

M.  5  — 

II,  4  Des  heil.  Eustathius,  Erzbisehofs  von  Antiochien,  Beurtheilung  des  Origenes 
betr.  die  Auffassung  der  Wahrsagerin  1.  Könige  [Sam  J  28  und  die  dies- 
bezügliche Homilie  des  Origenes,  aus  der  Münchener  Hds.  331  ergänzt 
und  verbessert,  mit  kritischen  und  exegetischen  Anmerkungen  von  Alb. 
Jahn.    XXVH,  75  S.    1886.  (Einzelpreis  M.  4.50) ;  M.  3.50 

II,  5.  Die  Quellen  der  sogenannten  apostolischen  Kirchenordnung,  nebst  einer 
Untersuchung  über  den  Ursprung  des  Lectorats  und  der  anderen  niederen 
Weihen,  von  Adolf  Harnack.    106  S.    1886.  M.  4  — 

III,  1/2.  Leontius  v.  Byzanz  und  die  gleichnamigen  Schriftsteller  der  griechischen 
Kirche  von  Friedr.  Loofs.  1.  Buch:  Das  Leben  und  die  polem.  Werke  des 
Leontius  v.  Byzanz.    VIII,  317  S.    1887.  M.  10  — 

III,  3/4.  Aphrahat's  des  persischen  Weisen   Homilien,  aus   dem  Syrischen  übersetzt 

und  erläutert  von  Georg  Bert. 
Die  Akten  des  Karpus,  des  Papylus  und  der  Agathonike.    Eine  Urkunde  aus 
der  Zeit  Marc  Aureis,  von  Adolf  Harnack.    LH,  466  S.    1888.  M.  16  — 

IV.  Die  griechischen  Apologeten. 

1.  Tatiani  oratio  ad  Graecos.    Recens.  Ed.  Schwartz.   X,  105  S.    1888.       M.  2.40 

2.  Athenagorae  libellus  pro  Christianis.    Oratio  de  resurrectione  cadaverum. 

Recens.  Ed.  Schwartz.    XXX,  143  S.    1891.  M.  3.60 

3.  Die  Apologie  des  Aristides  von  Lic.  Edgar  Hennecke.     Erscheint  demnächst. 

4.  Theophili  libri  tres  ad  Autolycum  II,  III.    Recens.  Ed.  Schwartz.    ]  j    Vorbe- 

5.  Iustini  martyris   apologia  et   dialogus  cum  Tryphone  Iudaeo.     }  __.•*.„„_ 

Recens.  0.  de  Gebhardt  et  A.  Harnack.  j  reilunS- 

Diese  Ausgaben  der  Griechischen  Apologeten  sind  nur  mit  kurzem 
sprachlichen  Commentar  und  Registern  versehen  und  sollen  zum  Gebrauch 
bei  Vorlesungen  oder  in  Seminaren  dienen ,  weshalb  auch  deren  Preise 
möglichst  niedrig  gestellt  wurden. 

Fortsetzung  auf  Seite  III  des  Umschlags. 


DA  8 


KERYGMA  PETRI 


KRITISCH  UNTERSUCHT 


ERNST  von  DOBSCHÜTZ 


-Hm 


LEIPZIG 

J.  C.  HINRICHS'SCHE  BÜCHHANDLUNG 
1893 


SEP    3  0    1957 


A  eXCÜfHCAMGN  erfA\j/AMeN 


Petrus. 
(Acta  Petri  b.  Isid.  Peius.) 


DEB  HOCHWÜRDIGEX 


THEOLOGISCHEN  FAKULTÄT  IN  BERLIN 


ALS  EIN  BESCHEIDENES  ZEICHEN 


EHRFURCHTSVOLLER  DANKBARKEIT 


GEWIDMET. 


V  o  r  w  o  r  t. 

Die  vorliegende  Arbeit  ward  begonnen,  als  die  pseudopetri- 
nische  Literatur  noch  ein  ziemlich  braches  Feld  war.  Gelegent- 
lich nur  war  mir  das  Interessante,  was  die  hier  behandelten 
Fragmente  bieten,  aufgefallen,  und  von  meinem  Lehrer,  Herrn 
Prof.  Harnack ,  ermuntert ,  ging  ich  daran ,  sie  gründlicher  zu 
untersuchen.  Während  der  Arbeit  wuchs  mein  Interesse  daran. 
Ob  aber  auch  andere  gleiches  dafür  empfinden  würden,  musste 
mir  sehr  zweifelhaft  sein.  Doch  kaum  war  meine  Arbeit  fertig, 
da  erschien  schon  die  Untersuchung  von  Prof.  Zahn  in  seiner 
Kanonsgeschichte,  und  zugleich  wurde  durch  den  glücklichen 
Fund  von  Akhmim  die  ganze  pseudopetrinische  Literatur  Gegen- 
stand allgemeinsten  Interesses.  Freilich  war  es  gut,  dass  ich  diese 
neuen  Hilfsmittel  noch  vor  Fertigstellung  des  Druckes  benutzen 
konnte,  aber  die  Arbeit  ward  so  nicht  grade  erleichtert  und  es 
sind  auch  einige  Unebenheiten  dadurch  entstanden.  Die  ganze 
Fülle  der  neusten  Literatur  habe  ich  nicht  benutzt.  Ich  stütze 
mich  wesentlich  auf  Harnacks  Untersuchungen  und  rnuss  bekennen, 
dass  mir  dessen  Resultate,  soweit  ich  sie  übernommen  habe,  auch 
durch  Zahns  Gegenbeweise  nicht  erschüttert  worden  sind,  so  wert- 
voll manches  von  Zahn  Beigebrachte  ist.  An  mir  wäre  es  nun 
vielleicht  gewesen,  die  Forderung  Harnacks  zu  erfüllen,  die  fünf 
alten  Schriften,  die  den  Namen  des  Petrus  tragen,  einer  zusammen- 
hängenden Untersuchung  zu  unterziehen.    Ich  habe   diese  Auf- 


ßQ 
,T  3 


VI  Vorwort. 

gäbe  von  mir  abweisen  müssen,  weil  ich  sie  bei  dem  vorliegen- 
den Material  für  unausführbar  halte.  Ich  habe  mich  auf  die 
Fragmente  des  Kerygrna  Petri  beschränkt.  Diese  waren  zwar 
schon  des  öfteren  zusammengestellt;  aber  mir  schien  es  noch  an 
der  gründlichen  kritischen  Sonderimg  zu  fehlen,  und  sie  ver- 
dienten es  auch,  eingehender  beleuchtet  zu  werden.  Ich  hoffe, 
man  wird  wenigstens  einiges  Neue  in  der  Erklärung  finden.  Be- 
sonders wichtig  und  wertvoll  ist  das  im  Excurs  zum  erstenmal 
untersuchte  Fragment  zur  Chronologie  des  Lebens  Jesu,  bei  dessen 
Bearbeitung  mich  die  Herren  Proff.  Harnack  und  Mommsen  durch 
ihre  gütige  Unterstützung  zu  grossem  Danke  verpflichtet  haben. 
Die  Nachträge  sind  etwas  sehr  umfangreich  geworden;  ich  bitte 
das  damit  entschuldigen  zu  wollen,  dass  sich  mir  noch  während 
des  Druckes,  der  sich  etwas  lang  hinzog,  wertvolles  Material  an- 
häufte. Trotz  des  geringen  Umfanges  der  Schrift  glaubte  ich 
doch  durch  die  beigefügten  Register  den  Gebrauch  derselben  er- 
leichtern zu  sollen.  Das  Verzeichnis  der  Bibelstellen  bezieht 
sich  auf  solche,  welche,  zur  Erklärung  herbeigezogen,  selbst 
irgend  welche  Erklärung  dabei  finden. 

Für  alle  Anregung  und  Förderung  von  Seiten  meiner  Lehrer, 
für  das  Wohlwollen,  welches  mir  die  hiesige  hoch  würdige  Fa- 
kultät sonderlich  beim  Abschlüsse  meiner  Universitätsstudien  er- 
wiesen hat,  glaubte  ich  meinen  Dank  in  der  Widmung  nieder- 
legen zu  sollen,  umsomehr  als  nur  ihre  Anerkennung  mir  den 
Mut  gab,  mit  dieser  Arbeit  an  die  Öffentlichkeit  zu  treten. 

Berlin,  Juni  1893. 

Ernst  von  Dobschütz. 


Inhalt. 

Seite 
§    1.     Einleitung:  Von  den  Pseudopetrinischen  Schriften  und   dem 

Kerygma  Petri  insbesondere 1 

§    2.     Die  Bedeutung  des  Titels 15 

§    3.     Herstellung  des  Textes  (und  Übersetzung)       .         18 

§    4.     Erklärung  der  Fragmente 27 

§    5.     Resultate:  Zeit,  Ort  und  Charakter  der  Schrift 64 

Zweifelhafte  Fragmente 80 

§    6.    Die  Doctrina  Petri  des  Origenes 82 

?;    7.    Die  6i6aoxcc?.lcc  tistqov  bei  den  späteren  griechischen  Vätern  105 

§   8.    Paulusworte 123 

§   9.     Die  Praedicatio  Pauli 127 

§  10.     Die  Praedicatio  (?)  Petri  et  Pauli 131 

Excurs:  Ein  Beitrag  zur  Chronologie  des  Lebens  Jesu       130 

Register 151 

Nachträge  und  Verbesserungen 160 


§  1. 

Einleitung. 

Von  den  Pseudopetrinischen  Schriften  und 
dem  Kerygma  Petri  insbesondere. 

Bei  der  einzigartigen  Stellung,  welche  Petrus  —  nach  dem 
Urteil  der  nachapostolischen  und  altkatholischen  Christenheit  — 
im  Kreise  der  Apostel  einnahm,  erwartet  man  einen  grossen 
Teil  der  apostolisch-kanonischen  Lehrschriften  auf  seine  Autorität 
zurückgeführt  zu  finden.  Der  Kanon  der  Grosskirche  bietet 
jedoch  nur  zwei  kleine  Briefe  unter  dem  Namen  des  Petrus. 
Wie  der  Herr  selbst  nichts  Schriftliches  hinterliess,  so  lag  auch 
die  Bedeutung  seiner  Apostel  in  der  mündlichen  Verkündigung 
des  Heiles,  nicht  in  Schriftstellerei,  und  zumal  Petrus  war  ein 
Mann  der  That,  nicht  der  Feder.  In  gewisser  Weise  scheint  die 
Kirche  dies  in  richtigem  Bewusstsein  behalten  und  gewürdigt 
zu  haben.  —  Allerdings  sind  diese  beiden  Briefe  nur  ein  kleiner 
Ausschnitt  aus  einer  grossen  Literatur,  welche  sich,  wie  nicht 
anders  zu  erwarten  war,  bald  an  den  Namen  des  Petrus  an- 
geschlossen hatte  und  dadurch  zeitweilig  hohe  Bedeutung,  ja 
kanonisches  Ansehen  erlangte,  bis  die  Kirche  sie  allmählich 
ausschied,  ein  Prozess,  der  für  die  übrigbleibenden  Schriftchen 
wohl  ein  günstiges  Urteil  zu  erwecken  geeignet  wäre,  wenn  man 
dabei  als  die  leitenden  Gesichtspunkte  historisch-kritische  voraus- 
setzen dürfte  und  nicht  vielmehr  an  dogmatische  denken  müsste, 
bei  einer  Zeit,  welche  historisch-philologische  Studien  (z.  B.  der 
Theodote  und  Artemoniten)  als  Symptome  der  Haeresie  be- 
trachtete. 

Eusebius   erwähnt    in    seiner  Kirchen geschichte  (III,  3,  2) 

Texte  u.  Untersuchungen  XI.  1.  1 


2  v.  Dobschütz,  Das  Kerygina  Petri. 

nach     den    beiden    Petrusbriefen1)    folgende     pseudopetrinische 
Schriften: 

zo  ...  zcöv  ejcLXSxXr)(ievcov  avzov  jiQccc-acov 

xal  zo  xaz    avzov  covofiaöfztvov  svayytXiov 

zö  zs  lsyötusvov  avzov  xrjovytua 

xal  zr\v  xaZovpevr/v  äüi07\dXvkpiv. 

Von  allen  diesen  behauptet  er  zu  wissen,  dass  sie  nicht 
unter  den  als  katholisch  anerkannten  Schriften  überliefert  seien, 
da  weder  ein  Kirchenschriftsteller  der  Vorzeit  noch  einer  seiner 
Gegenwart  je  Zeugnisse  aus  ihnen  entlehnt  habe2). 

Hieronymus  (de  vir.  ill.  1)  fügt  dieser  Liste  noch  als 
fünftes  Stück  das  „iudicium  Petri"  bei  und  verwirft  alle  als 
„apocrypha". 

Ebenso  bezeichnet  Nicephorus  Callisti  (f  c.  1356)  in  seiner 
Kirchengeschichte  (II,  46  cf.  Credner,  Geschichte  des  Kanons 
p.  256)  sie  alle  als  vöda  xal  xaQtyyoajiza.  Er  selbst  verrät 
aber  in  nichts  eigene  Kenntnis  der  Schriften,  indem  sich  viel- 
mehr seine  aus  den  vier  petrinischen  Schriften,  den  Paulusakten, 
dem  Hirten  des  Hermas,  dem  Barnabasbrief  und  den  Apostel- 
lehren bestehende  Liste  als  freie  in  Ausdruck  und  Stellung  leicht 
variierende  Reproduktion  von  Eus.  H.E.  III,  3,  2  und  25,  4 
erweist. 

Wenn  Eusebius  nicht  von  dem  dogmatischen  Standpunkte  seiner 
Zeit  aus  ovyyo?/6&ai  {/aQzvoiaiG  in  praegnantem  Sinne  verstand 
—  was  allerdings  durch  die  unmittelbar  folgende  Bemerkung, 
er  wolle  im  Verlauf  seiner  Geschichtserzählung  den  Gebrauch 
{XQtjG&ai)  der  Antilegomenen  bei  den  Kirchenschriftstellern  an- 
merken, sehr  wahrscheinlich  wird,  zumal  er  selbst  dabei  auch 
zwei  unserer  Schriften  erwähnt  (VI,  12,  2;   14,  1)   —   so  müsste 


1)  Von  diesen  gilt  ihm  aber  auch  nur  einer  als  echt  (fzöv?]v  (xlav 
yvrjaiuv  syvtuv  smozoh'jV),  der  andere  (fSQOfikvrj  avzov  ötvztQU  (was 
freilich  die  Echtheit  nicht  unbedingt  ausschliesst),  als  unkanonisch  (ovx 
ivöidd-ijseov),  aber  nützlich  zu  lesen  (yor/aifxov). 

2)  Eus.  H.  E.  III,  3,  2:  oiö'  oXwa  iv  xa&ohxaio  i'afiev  nagaSfSofxeva, 
ort  {itfxt  ().(>yaicov  fxyzt  zojv  xa&  i][iüo  zia  lxxXt]OiaazLxba  ovyyfjcupevo 
zala  t's  avzwv  avvtyQ^aazo  /uayzvolaio.  Katholisch  ist  hier  natürlich 
soviel  als  „zum  Kanon  der  Grosskirche  gehörig".  Bei  der  LA.  xcc&o?jxolo 
■wäre  an  die  nachher  als  ixxlrjataazixol  ovyyQCupeio  bezeichneten  Männer 
zu  denken. 


§  1.     Einleitung.  3 

man  ihm  einen  kaum  begreiflichen  Irrtum  oder  eine  unerhörte 
Verdrehung  des  Thatbestandes  schuld  geben.  Denn  die  Geschichte 
der  einzelnen  Schriften  zeigt,  dass  dieselben  —  in  verschiedener 
Weise  —  zu  Zeiten  nicht  nur  von  einzelnen  Kirchenlehrern,  son- 
dern von  ganzen  Kirchen  als  autoritativ  anerkannt  worden  sind. 
Am    günstigsten    steht    die    Petrus-Apokalypse;    waren 
doch   überhaupt  Apokalypsen    wohl    die  frühesten  schriftlichen 
Autoritäten  der  alten  Kirche  neben  dem  Alten  Testament,  bei 
denen   es   auch  auf  die  Person  des  Verfassers  nicht  so  sehr  an- 
kam.    Für  Rom  ist  sie  bezeugt  im  Kanon  Muratorianus,  der  sie 
neben    der  Apok.  Joh.    anerkennt,    allerdings    mit   dem    Zusatz: 
quam  quidam   ex  nostris  legi  in  ecclesia  nolunt.     In  dem  Catal. 
Ciarom.  hat  sie  ihre  Stelle  am  Schluss  gefunden,  nach  den  cath. 
Briefen,  dem  Barn.-Br.,  der  Apok.  Job.,  den  Act.  Ap.,  dem  Pastor 
und  den  meist  sehr  geschätzten  Paulusakten,  ohne  dass  in  dieser 
Reihe  irgendwo   ein  Einschnitt  angezeigt  wäre.     Clem.   AI.   hat 
sie  nach  Eus.  H.E.  VI,  14,  1  in  den  Hypotyposen  kommentiert, 
Method.  Tyr.  nennt  vermutlich   ebendiese   Schrift   ein  ß-EOJtvev- 
oxov   jQafif/a    (Symp.   II,  6    nach  Hilgfd.   Nov.  Test.  extr.  can. 
rec.  IV  p.  71).    Macarius  Magnes  erhärtet  ihren  Wert  durch  den 
Nachweis  der  Übereinstimmung  mit  den  prophetischen  und  evan- 
gelischen  Schriften   (Hilgfd.  ibd.),    und    noch   Sozomenos   (H.E. 
VII,  19)  erzählt,  dass  sie  in  Palästina  jährlich  einmal  vorgelesen 
werde.    Er  selbst  weiss  es  freilich  schon  nicht  mehr  anders,  als 
dass  sie  von  den   Alten  schlechthin  für   ein  vo&ov  erklärt  sei. 
Das  stimmt  dann  zu  den  Urteilen  des  Eusebius  und  Hieronymus 
und   dem  Verzeichnis   der  60  Bücher,   wo   sie   an  zweiter  Stelle 
unter  den   NTlichen  Apokryphen  steht   (Westcott,  hist.   of  the 
canon  p.  559;    Zahn,   Gesch.  des  Kanons  II,  1  p.  292).     Sie  hat 
das    Schicksal    ihrer    Gattung    geteilt,    das    zeitweilig    auch    die 
Johannesapokalypse  getroffen  hat,  von  einer  des  Enthusiasmus 
entleerten,  sich  immer  mehr  hinter  ein  System  greifbarer  Auto- 
ritäten   und   Garantieen  zurückziehenden   Kirche    als    ein   Werk 
des  Geistes  der  Unordnung  ausgestossen  zu  werden  l). 


1)  Um  so  wunderbarer  ist  es,  dass  das  Grab  eines  Mönches  aus  ver- 
hältnismässig später  Zeit  uns  dies  längst  verloren  geglaubte  altchristliche 
Kleinod  wiedergeschenkt  hat,  —  ein  starker  Ansporn,  weiter  zu  spüren 
und  die  Hoffnung  hochzuhalten,  dass  wir  noch  viel  mehr  bekommen  werden. 
Dem  kann  man  sich  freilich,    nun  da  wir  Fragmente  dieser  vielgenannten 

1* 


4  v.  Dobsckütz,  Das  Kerygma  Petri. 

Das  Petrus-Evangelium  erhält  sich  ungefähr  eben  so 
lange,  doch  nur  in  entlegenen  Teilen  der  Grosskirche  und  wird 
anderwärts  frühzeitig  als  haeretisch  beanstandet.  Justin  hat,  wie 
jetzt  feststeht,  dasselbe  unter  den  äxofiwqfiovEVficcTa  rcöv  ajto- 
oxölcov  benutzt  (Dial.  106).  Es  liegt  teilweise  den  Zusätzen  zu 
Grunde,  welche  der  noch  nicht  kanonisierte  Text  der  andern 
vier  Evangelien  im  2.  Jahrhundert  im  Abendland  erhalten  hat 
(cod.  D,  bobb.,  sangerm.,  al.).  Und  wie  es  der  in  Syrien  oder  Cilicien 
lebende  Verfasser  der  sog.  apostolischen  Didascalia  (Grundschrift 
von  Const.  Ap.  I — Vi)  benutzt,  so  fand  es  Serapion  (c.  190)  bei 
cilicischen  Gemeinden  in  Gebrauch  (Eus.  H.E.  VI,  12);  aber  wie 
schon  er  den  doketischen  Charakter  desselben  beanstandete,  so 
verhielt  sich  auch  Orig.  (in  Matth.  X,  17)  ablehnend  dagegen, 
und  sowohl  von  Eusebius,  der  es  —  im  Unterschied  von  der 
zu  den  vö&a  gestellten  Apok.  —  unter  die  haeretischen  Pseud- 
epigraphen  setzt  (III,  25),  als  von  Hieron.  und  dem  decr.  Gelas. 
wird  es  unter  die  Apocryphen  verwiesen.  Dabei  war  das  eigen- 
tümliche, dass  die  Grosskirche  selbst  ein  Petrus-Evangelium  zu 
besitzen  wünschte  und  dies  auch  vorgab,  indem  sie  das  Marcus- 
Evang.  auf  petrinische  Autorität  zurückführte.  Durch  ein  Miss- 
verständnis auf  Grund  dieser  Combination  ist  vielleicht  die 
Behauptung  des  Irenaeus  (adv.  Haer.  III,  11,  7)  entstanden,  die 
Doketen  hätten  das  Marcus-Evang.  benutzt;  wir  hätten  dafür 
dann  das  Petr.-Evang.  einzusetzen. 

Die  Petrus-Acten,  deren  man  wohl  mehrere  (ebionitische, 
gnostische,  katholische)  zu  unterscheiden  hat,  waren  sehr  ver- 
breitet, hatten  jedoch  wohl  kaum  in  der  Kirche  je  kanonisches 
Ansehen,  während  die  uns  leider  ganz  verlorenen  Paulus- Acten 
dieses  genossen  (Catal.  Ciarom.  —  Eus.  H.E.  III,  3,  5;  25,  4). 
Die  mannigfachen,  weit  zerstreuten  Legendenzüge  über  Petrus 
(z.  B.  Clem.  AI.  Strom.  III,  6,  52;  VII,  11,  63;  —  Petri  Massigkeit: 
Greg.  Naz.  or.  XIV,  4  [p.  259]  und  carm.  [MPG  37,  720];  Rec. 
Clem.  VII,  6.)  werden  allerdings  meist  ohne  Quellenangabe   ein- 


Schrift kennen,  nicht  verschliessen,  dass  jene  Väter,  mögen  ihre  Gründe 
gewesen  sein  welche  sie  wollen,  recht  daran  gethan  haben,  solche  Produkte 
des  urchristlichen  Geistes  aus  dem  Kanon  auszuschliessen. —  Näher  auf  diese 
Fragmente  und  die  des  gleich  zu  besprechenden  Petrus-Evang.  einzugehen, 
ist  hier  nicht  am  Platz ;  es  sei  verwiesen  auf  die  gründlichen  Erörterungen. 
Harnacks  in  Text,  und  Unters.  IX,  2.    Leipzig,  1893.    2.  Aufl.  I 


§  1.     Einleitung.  5 

geführt,  gehen  aber  doch  wohl  grösstenteils  auf  eine  der  ver- 
schiedenen Bearbeitungen  der  Acta  zurück.  Nur  Isid.  Peius. 
citiert  einmal  (lib.  II,  ep.  99  ad  Aphrod.h  xcc&ojö  jtezQoo  o  xoqv- 
<paioö  xov  yoQov  ev  xalö  tavxov  jtqcc^oi  oagcoG  6?]?.oh  Acta 
werden  übrigens  sowohl  die  jisq'ioöoi  jttxQöv  des  Clemens  als 
die  des  Leucius  genannt. 

Das  Judicium  Petri  wird  zuerst  von  Hieronymus  (1.  c.) 
genannt;  sonst  findet  es  sich  nur  noch  bei  Rufin  (exp.  symb. 
apost.  c.  38)  in  jener  dunkeln  Stelle:  in  novo  testamento  libellus 
qui  dicitur  Pastoris  sive  Hermatis  qui  appellatur  duo  viae  vel 
iudicium  secundum  Petrum.  Zunächst  rnuss  hier  mit  Nolte  für 
Hermatis  oder  Hermetis  (2  cocld.  bei  Baluze)  Hermae  et  is 
gelesen  und  so  unsere  Schrift  vom  Hirten  des  Hermas  streng 
unterschieden  werden.  Gewöhnlich  folgert  man  nun  aus  der  Be- 
zeichnung duo  viae,  hier  sei  die  sonst  ötöayi]  xmv  öodöexcc  ajio- 
oxolmv  genannte  Schrift  gemeint,  und  stützt  diese  Behauptung 
durch  den  Hinweis  auf  den  39.  Festbrief  des  Athanasius,  den 
Rufin  hier  ausgeschrieben  haben  soll.  Jedoch  weicht  Rufin  auch 
in  der  Reihenfolge  von  jenem  ab,  und  es  ist  nicht  ausgeschlossen, 
dass  er  absichtlich  die  ihm  aus  Eusebius'  Kirchengeschichte 
allerdings  bekannte  Didache  ausliess  (wie  im  A.T.  das  Buch 
Esther)  und  ein  anderes  Buch  anfügte  (wie  dort  die  Bücher  der 
Maccabaeer).  —  Grabe  hat  vermutet,  der  Titel  „iudicium"  sei 
entstanden  durch  ein  Versehen  des  Rufin,  der  xgfta,  das  Siegel 
für  xr/gvyf/a,  als  xQifia  gelesen  habe.  Da  jedoch  Hieronymus 
schon  vor  Rufin  das  iudicium  erwähnt  —  u.  zw.  neben  der 
praedicatio  — ,  andrerseits  Rufin  durch  die  Zusammenstellung 
mit  duo  viae  und  den  abweichenden  Titel1)  eigene  Kenntnis  der 
Schrift  bethätigt,  so  müsste  man  schon  beiden  Autoren  unab- 
hängig von  einander  denselben  Fehler  zutrauen,  wenn  man  jener 
scharfsinnigen,  von  vielen  gutgeheissenen  Conjektur  des  gelehrten 
Mannes  beistimmen  wollte.  Auffallend  bleibt  immerhin  das  gänz- 
liche Schweigen  des  Eusebius,  wenn  man  unsere  Schrift  nicht 
unter  den  öiöayal  x&v  ajtooxö?.cov  mit  einbegriffen  denken  will, 
wogegen  immer  spricht,  dass  sich  der  Titel  „iudicium  Petri"  aus 

1)  Die  gewöhnliche  LA.  ist  allerdings  auch  hier  Petri,  aber  Cod. 
Sangerm.  bietet  secundum  Petrum  und  für  die  Ursprünglichkeit  dieser 
auch  an  und  für  sich  wahrscheinlichen  LA.  tritt  auch  cod.  Reg.  mit 
secundum  Petri  ein  fcf.  Zahn,  Gesch.  d.  Kan.  II,  1  p.  243). 


6  v.  Dobschütz,  Das  Kerygma  Petri. 

keiner  der  uns  bekannten  Recensionen  befriedigend  erklären  lässt. 
Es  liegt  somit,  da  nur  Hieron.  und  Rufin  des  „iudicium  Petri" 
Erwähnung  thun,  nahe,  anzunehmen,  dass  dies  lateinisch  abge- 
fasst  war;  ja  man  möchte  versucht  sein,  die  Grabesche  Hypothese 
dahin  umzubilden,  dass  jenes  Versehen  schon  auf  einen  alten 
lateinischen  Übersetzer  des  xrjQvyf/a  jiixqov  zurückgehe.  Doch 
fehlt  zunächst  von  der  Existenz  einer  solchen  lateinischen  Be- 
arbeitung jede  weitere  Spur J).  Wir  werden  uns  daher  hier 
bescheiden  müssen,  etwas  sicheres  über  diese  rätselhafte  Schrift 
auszusagen. 

So  bleibt  uns  von  den  petrinischen  Pseudepigraphen  des 
Eusebius  noch  das  xrjQvyfia  jtezQov,  dessen  Untersuchung  diese 
Arbeit  gewidmet  sein  soll.  — 

In  der  Neuzeit  ist  dieser  Schrift  m.  W.  zum  erstenmal  bei 
Dodwell,  dissertationes  in  Irenaeum  (Oxon.  1689,  p.  440  sqq.) 
Aufmerksamkeit  geschenkt  worden,  doch  nur  mit  Berücksich- 
tigung der  Stelle  bei  Origenes  in  Joh.  tom.  XIV  (s.  u.  Fragm. 
III  und  IV),  dagegen  unter  Hinzuziehung  der  Pseudoclementinen, 
besonders  des  Briefes  des  Petrus  an  den  Jakobus.  Hierdurch  hat 
es  Dodwell,  der  die  Fragmente  bei  Clemens  Alex,  nicht  kannte, 
oder  doch  nicht  berücksichtigte,  veranlasst,  dass  ihm  folgend 
alle  Späteren  den  Verfasser  unserer  Schrift  von  vornherein  als 
Judenchristen  ansahen,  auch  nachdem  Grabe  in  seinem  Spici- 
legiurn  Patrum  (1700)  I  p.  55  sqq.  zum  erstenmal  die  Fragmente 
ziemlich  vollständig  zusammengestellt  hatte.  Aus  den  kurzen 
Erwähnungen  und  Besprechungen  der  Schrift  bei  Du  Pin, 
Fabricius,  Mill  (Prolegg.  zum  N.T.  1707,  p.  16),  Ceillier,  Cave, 
Lardner,  von  Coelln  (Art.  Clementinen  in  Ersch  und  Grubers 
Encycl.),  Mayerhoff  (Petrinische  Schriften,  1835),  Reuss  (Gesch. 
der  h.  Schriften  N.T.s),  Schriemann  (Clementinen)  sind  besonders 
hervorzuheben:  Kleuker,  Apokryphen  des  N.T.s  (1798)  p.  267sqq., 
der  zum  erstenmal  den  heidenchristlichen  Standpunkt  des  Ver- 
fassers erkennt,  freilich  —  seiner  Zeit  gemäss  —  nicht  ohne  auch 
Tendenz  darin  zu  finden;  —  Credner,   der  in  seinen  Beiträgen 


1)  Eine  solche  liegt  auch  kaum  bei  Ambr.  in  Hexaem.  V,  6.  (I  p.  85) 
vor,  wie  Zahn,  Gesch.  des  Kan.  II,  2,  2  p.  829  A.  anzunehmen  geneigt  ist. 
Denn  iudicium  Petri  kann  hier  nur  das  von  Petrus  bei  der  Erwählung 
des  Stephanus  (Act.  6,  5  sq.)  bewiesene  richtige  Urteil  über  seine  Person 
bezeichnen. 


§  1.    Einleitung.  7 

zur  Einleitung  in  die  Biblischen  Schriften  (1832)  I  p.  348  sqq. 
(cf.  Gesch.  des  Kanons,  herausg.  von  Volkmar  [1860]  p.  73.  387) 
eine  Textrecension  giebt;  —  Schwegler,  in  dessen  nachaposto- 
lischem  Zeitalter  (1836)  II  p.  30  man  eine  Zusammenstellung 
der  älteren  Ansichten  findet;  —  und  vor  allem  Bleek,  der  in 
seinem  Aufsatz  „über  die  Entstehung  und  Zusammensetzung  der 
uns  in  8  Büchern  erhaltenen  Sammlung  Sibyllinischer  Orakel" 
im  1.  Bande  der  von  Schleiermacher,  De  Wette  und  Lücke 
herausgegebenen  Theologischen  Zeitschrift  (1819)  p.  144  die  „sog. 
Predigt  des  Petrus"  mit  feinem  Blick  zuerst  richtig  charakteri- 
siert als  „eine  apokryphische  Schrift,  die  nach  den  erhaltenen 
Fragmenten  einen  tiefdenkenden  alexandrinischen  Heiden- 
christen muss  zum  Verfasser  gehabt  haben  und  deren  Verlust 
gar  sehr  zu  bedauern  ist".  Lange  Zeit  hindurch  ist  dies  treff- 
liche, sachliche  Urteil  unbeachtet  geblieben  vor  den  grossen 
Constructionen  der  Tendenzkritik,  in  denen  auch  unser  Kerygma 
Petri  —  bei  verschiedenen  an  sehr  verschiedenen  Stellen  —  seinen 
Platz  fand,  bis  Hilgenfeld  sich  das  Verdienst  erwarb,  neben  vielen 
anderen  altchristlicheu  Urkunden  in  seinem  JNovuru  Testamentum 
extra  canonem  receptum  (fasc.  IV  [ed.  II,  1884]  p.  51 — 65)  auch 
unsere  Fragmente  aufs  neue  zu  sammeln,  zu  ordnen,  mit  treff- 
lichen Adnotationes  auszustatten  und  dabei  die  Scheidung  zwi- 
schen unserer  Schrift  und  den  ähnlich  betitelten  judenchristlichen 
energisch  zu  vollziehen.  Die  Fragmente  bieten  aber  soviel  In- 
teressantes, dass  es  sich  auch  hiernach  noch  lohnen  dürfte,  die- 
selben einer  erneuten  Prüfung  zu  unterziehen,  um  ihnen  womöglich 
noch  etwas  bestimmter  ihren  Platz  innerhalb  der  altchristlichen 
Literatur  anzuweisen,  wozu  im  folgenden  ein  Versuch  gemacht 
werden  soll J). 


1)  Speziell  die  kanonsgeschichtliche  Stellung  unserer  Schrift  ist  neuer- 
dings von  Zahn  (Gesch.  des  Kanons  I  p.  199  sq.)  behandelt.  Ein  ihm 
wesentlich  folgender  Aufsatz  über  das  N.T.  des  Clem.  AI.  von  Dr.  Eickhoff 
im  Schleswiger  Schulprogramm  von  1890  bereichert  uns  nur  mit  dem 
Fündlein  eines  ., Privatkanon"  des  Clem.  AI.  im  Unterschied  von  dem  offi- 
ziellen alexandrinischen  Kirchenkanon.  Über  die  neueste  Behandlung  des 
K.P.  von  Robinson  in  den  Texts  and  Studies  I,  1  s.  u.  p.  80.  —  Erst 
nach  Vollendung  dieser  Arbeit  kam  mir  die  eingehende  Besprechung  des 
K.P.  und  der  dazu  gerechneten  Fragmente  bei  Zahn,  Gesch.  d.  Kan.  U,  2,  2, 
bes.   Beil.  X,  4    u.   7  zur  Hand,  welche   teilweise    die    hier    vorgetragenen 


g  v.  Dobschütz,  Das  Kerygma  Petri. 

Wie  bei  den  anderen  Pseudopetrinen  trifft  auch  bei  dem 
K.P.  Eusebius'  Behauptung,  kein  Kirchenschriftsteller  habe  Zeug- 
nisse aus  ihm  benutzt,  durchaus  rieht  zu.  Denn  Clemens  Alex, 
allein  nennt  es  7mal  mit  vollem  Titel  und  benutzt  es  8  weitere  Male. 
Die  Einführungsformel  lautet  3mal:  ev  xm  oiäxQOv  xrjQvyfiaxL 
(Strom.  I,  29,  182;  VI,  6,  48;  [VI,  5,  42]);  sonst  coö  jttxQoa  kv 
xijgvyfiaxi  (ecl.  proph.  58),  wobei  das  auffällige  Fehlen  des 
Artikels  sich  wohl  am  ehesten  als  genaue  Wiedergabe  des  ste- 
reotypen Titels  xijQvytia  erklären  lässt;  —  oder  o  jttxgoo  Iv  x<p 
x?]Qvy(jaxi  .  .  .  Xtysi  (cprjöl  —  jtqooüjtsv:  Strom.  VI,  5,  39;  15, 
128;  II,  15,  68).  Andere  Formeln  sind:  cprjölv  6  jtsxQod  (VI,  5, 
43);  —  jrtxQoo  i-Jiig)£Q£i  (VI,  5,  39;  15,  128),  —  jiQooejcifptQei 
(5,  41),  —  ijcoiöSL  (ibd.),  —  öiaoarprjoei  ijncptgcov  (5,  40)  und 
einmal  (?)  sigr/xai  (6,  48).  So  wenig  wie  jene  erste  die  Autor- 
schaft des  Petrus  behauptet,  so  gut  können  die  folgenden  von 
einer  in  dem  Kerygma  aufgezeichneten  Rede  des  Petrus  ver- 
standen werden  (cf.  Strom.  VI,  6,  48:  o  xvqloö  Iv  xm  üiexqov 
xrjQvyiiaxi  yypi',  —  8,  63:  o  jctxgoö  ev  xalö  jr  gageüi  .  .  .  <pr)Gi). 
Sie  lassen  höchstens  den  Schluss  zu,  dass  Clemens  an  der 
Geschichtlichkeit  des  Erzählten  nicht  gezweifelt  habe.  Einmal 
aber  braucht  er  die  Formel  6  nexQoö  ygdcpei  (Strom.  VI,  7,  58) 
und  zeigt  damit,  dass  er  in  der  That  die  Schrift  für  ein  Werk 
des  Apostels  hielt  und  sie  darum  als  echte  Quelle  für  die  aposto- 
lische Geschichte  und  Lehre  benutzte.  Ja  wenn  wir  damit  seinen 
Gebrauch  z.  B.  des  ersten  Petrusbriefes  vergleichen,  den  er  nur 
2mal  mit  der  Formel  6  xtxgoo  ev  x\i  £Jctöxo2.7j  citiert  und  noch 
13mal  sicher   benutzt1),   so  werden  wir  kaum  einen  merklichen 


Resultate  bestätigt,  deren  Abweichungen  ich  jedoch  nur  anmerkungsweise 
berücksichtigen  konnte. 

1)  Strom.  111,  18, 110;  IV,  20, 131.  —  An  den  anderen  Stellen  braucht 
er  die  Kinführungsformeln:  ö  [xaxÜQioo  TtkXQoa  ovx  oxvtl  Xty£iv  (Frgrn. 
b.  Nie.  Call.  [Zahn.  Suppl.  Clem.  p.  36]);  —  6  9-avfiuoioG  nixQOO  (pijoiv 
(Strom.  III.  11,  75);  —  6  TttxQOO  (ptjoiv  (Paed.  I,  6,44;  III,  11,  74;  12,  85; 
Strom.  I  V,  7,  17;  Exe.  e  Theod.  12);  —  o  Tiixpoo  Uyet  (Strom.  IV,  7,  48);  — 
Petrus  inquit  (adumbr.  [Zahn  p.  79]);  —  tfnjal  (sei.  ö  tcLxqoö:  Paed.  III. 
11,  74);  —  (pyol  (sei.  b  Ticaöccywybo? :  Paed.  III,  11,  66);  —  xeexte  xbv 
dnbaxoXov  (cxc.  e  Theod.  12);  —  xo  siQij/xivov  uyicoa  (Paed.  III,  11,  53).  — 
Dazu  kommen  noch  Stellen,  wo  Clem.  AI.  teils  mit  q>r\ai  (Subj.  unbestimmt: 
Paed.  HI,  12,  91;  Strom.  II,  15,  64),  teils  mit  xaxu  xbv  clnooxoXov  (Strom. 
IV,  26, 166),  teils  mit  ?/  yQU(pi)  (Strom.  111,  6,  49)  oder  ohne  Formel  (Prot.  59; 


§  1.     Einleitung.  9 

Unterschied  in  der  Wertschätzung  finden.  Ebensowenig  im  Ver- 
gleiche mit  der  lukanischen  Apostelgeschichte,  die  Clemens  llmal 
citiert  und  noch  "mal  benutzt ').  Allerdings  erwähnt  Eusebius 
(H.E.  VI,  14,  1)  das  K.P.  nicht  unter  den  von  Clemens  in  den 
Hypotyposen  commentierten  Schriften.  Doch  seine  Ausdrucks- 
weise an  dieser  Stelle  ist  möglichst  ungenau;  er  empfindet  dies 
selbst,  indem  er  einen  —  doch  an  sich  sehr  bestimmten  —  Be- 
griff: jtäoa  ?}  £vöiafr?/X06  yQ<x<p?)  commentiert,  aber  auch  dies 
hinwiederum  mit  ganz  unbestimmten,  das  einzelne  nur  beispiels- 
weise anführenden  AVorten  2).  Man  sieht  hier  recht  deutlich,  wie 
schwer  es  einem  Manne  wie  Eusebius  wurde,  yon  dem  Stand- 
punkte seiner  Zeit  aus  den  früherer  Generationen  richtig  zu 
erfassen  und  wiederzugeben.  Wir  dürfen  daher  hier  keinesfalls 
eine  vollständige  Liste  erwarten  und  würden  es  ganz  erklärlich 
finden,  wenn  sich  unter  der  Ungenauigkeit  eine  gewisse  Absicht 
verbärge,  Schriften,  die  mit  der  Zeit  ihre  Stellung  verloren 
hatten  oder  ganz  verschollen  waren,  mit  Schweigen  zu  übergehen, 
während  andrerseits  zugleich  früher  nicht  kanonische  Schriften 
darunter  mit  einbegriffen  werden  konnten  —  wie  denn  rao  Xouiao 
Tca&olixäö  ijiLOxolao  ohne  Zweifel  für  Eusebius'  Zeit  den  Jakobus- 
brief einsehliesst,  dessen  Nichtenthaltensein  in  den  Hypotyposen 
aber  mit  vollem  Recht  aus  der  ausdrücklichen  Xamhaitmachung 
des   Judasbriefes    gefolgert    und    durch   den    Bestand    der   Ad- 


Paed.  II,  10,  110;  Strom.  T.  27.  173;  II,  15,  65;  IV,  17,  10S;  18,  113;  quis 
div.  salv.  38)  Worte  anführt,  die  nicht  mit  Sicherheit  auf  den  1.  Petr.-Br. 
zurückgeführt  werden  können  (1.  Petr.  1,  24;  2,  9  sq.  22.  24;  4,  S;  5,  5). 

1)  Warum  wir  grade  diese  Schrift  zum  Vergleiche  heranziehen,  wird 
weiter  unten  erhellen.  —  Sie  heisst  ■Koä&iG  Strom.  I,  23,  153  sq. ;  VI,  S,  63; 
—  ^oäcsia  xä>v  änoox6"/.ü)v:  Paed.  II,  1,  16;  Strom.  1,  11,  50;  IS,  S9; 
19,  91;  V,  11,  76;  VI,  18.  165.  —  Dieser  Titel,  unter  dem  die  Schrift  über- 
haupt im  Kanon  auftritt,  besagt  in  keiner  Weise  ihre  Einzigartigkeit  als 
Apostelgeschichte.  —  Einmal  sagt  Clem.  AI.  auch:  o  /.ovhüg  h>  rata  tiqc'c- 
cf(7<  zur  ÜtiootÖIov  cfaoftrtjuovehi  (Strom.  V,  12,  s3).  Ohne  Nennung 
der  Schrift  sagt  er:  ol  dwötxa  t/.tyov  .  .  .  ol  ccnöoro/.ot  eifaoav  (Paed.  II, 
7,  56)  und  <pr\ol  (sei.  b  -/qigxog,  Strom.  1,  19,  92).  Auf  die  Apostelgesch. 
bezieht  er  sich  auch  Strom.  II,  13,  56;  III,  6,49;  VI,  12,  101;  15,  124  und 
vielleicht  VI,  6,  49. 

2)  Eus.  H.E.  VI,  14,  1:  cv  6h  xulg  vnozvTtoiaeai,  gweXovza  thi-iv. 
xuarjo  x"tG  ivöia&yxov  ypacptjo  (batst  fitj/iivao  7i£7ioirjxai  6it]y?]o£iG,  [ttjöb 
xao  dvxu.eyou.ivaG  naQekd-ütv,  trjv 'lovöa  X&ya>  xal  zäo  Xoataa  xa&oXixaa 
IniGxol.uG,  xrjv  xe  Baovüßa  xal  xt,v  111-xqov  Xsyo/itvrjv  änoxdXvipiv. 


|Q  v.  Dobschütz,  Das  Kerygma  Petri. 

umbrationes  und  das  Zeugnis  Cassiodors  (inst.  div.  lect.  c.  8)  gestützt 
wird  (cf.  Weiss,  Einleitung  §  9,  5  no.  4). 

Clemens  ist  aber  nicht  der  erste,  der  das  K.P.  benutzt.  — 
Er  bringt  Strom.  II,  15,  67  sq.  mehrere  Erklärungen  der  drei 
Parallelglieder  in  Ps.  1,  1  bei:  1)  aus  Barn.  X,  10  mit  dem  Ab- 
schluss:  xavxa  ytev  6  BagväßaG;  2)  daran  anschliessend  mit  der 
Formel:  ax?'/xoa  d  eycoys  Gog)Ov  xä  xoiavxa  dvdgoG  ...  3)  ein- 
geleitet durch:  exegoG  de  xvgicoxegov  eleyev  .  .  .  Am  Schlüsse 
dieser  Erklärung,  deren  letzten  Teil  Clemens  auch  Paed.  III,  11,  78 
mit  oide  äjieixöxwG  .  .  .  jrgootijioi  xio  av  anführt,  findet  sich 
v.  2a  desselben  Psalm  es  mit  dem  Zusatz:  o  jtexgoo  sv  xm  xr\- 
gvy^iaxi  vöfiov  xal  loyov  xov  xvgiov  jigoGtijcev.  Darauf  greift 
Clemens  mit  der  Formel:  öoxel  de  xal  allcoG  xqicöv  ajioöoyj/v 
afiagxiaö  xgoxcov  öiöaöxeiv  o  voyLodixrio  auf  v.  1  zurück.  Es 
scheint  daher  angezeigt,  schon  dem  exegoO  die  Benutzung  des 
K.P.  zuzusprechen.  Wer  dieser  sei,  ist  leider  wohl  kaum  mehr 
auszumachen;  jedenfalls  weist  das  Praeteritum  in  eine  frühere 
Zeit:  er  wird  also  der  Zahl  der  von  Clem.  AI.  öfter  erwähnten 
jcgeGßvx egoi  angehören,  zu  denen  sicher  auch  Pantaenus  zu 
zählen  ist. 

Auf  dieselbe  Zeit  führt  uns  eine  Notiz  bei  Clemens'  Schüler 
Origenes  (in  evang.  Joh.  tom.  XIII,  17),  der  den  Gebrauch  des 
K.P.  durch  Heracleon  bezeugt.  Dieser  war  nach  Clem.  AI. 
Strom.  IV,  9,  73  o  xrjo  ovalevxlvov  Oyolijö  öoxiftcoxaxoG  und 
zwar  gehörte  er  nach  Hipp,  refut.  VI,  35  mit  Ptolemaeus  zur 
italischen  Schule  Valentins.  Orig.  (tom.  in  evang.  Joh.  U,  8) 
nennt  ihn  xov  ovalevxlvov  leyb[ievov  eivcci  yvolgifiov  ?]oa- 
xXtcova.  Zwar  bezeichnet  yvc6oituoG  nicht  nur  den  vertrauten 
Freund,  sondern  auch  den  direkten  Schüler;  dennoch  wird  man 
auf  Grund  hiervon  gegen  Epiph.  Haer.  XXXVI,  2  Heracleon  für 
einen  jüngeren  Zeitgenossen  des  Valentin  halten  und  seine 
Schriften  c.  150 — 160  ansetzen  dürfen;  was  vorzüglich  auch 
durch  Hipp,  refut.  VI,  29:  ovalevxlvoG  xo'tvvv  xal  r/gaxZewv 
xal  jixoleyaToG  xal  üiaoa  rj  xovxmv  Gyoh)  und  die  hiernach  zu 
verstehende,  in  der  lateinischen  Übersetzung  nicht  mehr  ganz 
deutliche  älteste  Erwähnung  bei  Iren.  adv.  haer.  II,  4,  1:  ipsius 
[Valentini]  Ptolemaei  et  Heracleonis  et  relicpuis  omnibus  (?)  qui 
eadem  opinantur,  gestützt  wird. 

Origenes  selbst  lehnt  es  ab,  weiter  auf  das  K.  P.  einzugehen; 


§  1.     Einleitung.  11 

er  erklärt,  es  müsse  erst  festgestellt  werden,  ob  das  Buch  echt, 
gefälscht  oder  durch  Vermischung  echter  Bestandteile  mit  haere- 
tischen   Zusätzen   entstanden  sei 1).     Er  jedenfalls  hält    es   nicht 


1)  Dies  scheint  die  Meinung  seiner  verschieden  gedeuteten  Worte: 
tSexä'Qovtua  xal  ttsqI  xov  ßißXlov  nöxeQÖv  noxs  yvrjGiöv  iaxiv  ri  vöQ-ov 
>}  uixxöv  zu  sein.  Ob  man  darin  gradezu  3  Klassen  der  Kanonicität  er- 
blicken darf,  mag  dahingestellt  bleiben.  Unrichtig  ist  es  jedenfalls,  yvr\- 
oioo  und  vöd-oa  statt  auf  die  Herkunft  auf  den  Inhalt  zu  beziehen.  Dass 
dies  durch  die  bestimmte  Ablehnung  der  Abfassung  durch  den  Apostel  an 
der  gleich  zu  besprechenden  Stelle  de  princ.  prooem.  §  8  gefordert  sei, 
ist  nicht  gesagt,  selbst  wenn  an  beiden  Stellen  die  gleiche  Schrift  gemeint 
ist.  Denn  die  Beurteilung  ist  beidemal  überhaupt  eine  ganz  verschiedene; 
sodann  schliesst  Origenes  an  letzterer  Stelle  überhaupt  die  Abfassung 
durch  einen  Träger  des  Gottesgeistes  aus,  also  auch  ein  yv^aiov  des  In- 
haltes. —  yvt'jOioo  und  vö&oa  werden  —  wenigstens  bei  Eusebius  —  von 
den  Schriften  bezüglich  ihrer  Herkunft,  nicht  bezüglich  des  Inhaltes  ge- 
braucht (vergl.  auch  Stephanus  Thesaurus  s.  v.  vo9-sio/j.ai)  und  haben  die 
Beziehung  auf  die  Kanonicität,  wo  diese  ihnen  überhaupt  beigelegt  werden 
kann,  eben  nur  vermöge  jener  Bedeutung.  So  ist  yvt'jOioa  synonym  zu 
btuo).oyoij.i£voo  (z.  B.  III,  3,  4  [Dindorf  p.  84  Z.  32 sq.],  wo  xal  tiuqcc 
näoiv  bixoXoyovfiivij  nur  nach  Eusebius'  Principien  den  Traditionsbeweis 
für  das  zuvor  behauptete  yvlfiioo  geben  soll:  echt  und  als  solches  auch 
bei  allen  anerkannt).  Dass  sich  aber  o/xoXoyovfxtvoo  zunächst  auf  die 
Echtheit  bezieht  —  und  nicht  direkt  auf  die  Kanonicität  — ,  zeigt  der 
Gebrauch  vom  Clemensbriefe  Eus.  H.E.  111,16  (Dind.  104,  22) ;  38,1  (132,7) 
und  besonders  von  der  Apokalypse  III,  25  (116,  ö.  19),  deren  Doppelstellung 
in  der  ersten  und  zweiten  Klasse  des  Kanons  eben  durch  das  Urteil  über 
den  Verfasser  bedingt  ist;  —  ferner  die  Zusammenstellung  von  ävcifMpi- 
Xsxxoo  wfxo/.oyrjxcu  III,  24,  17  (115,  22)  vergl.  mit  ovös  .  .  .  .  iv  üvafx- 
(piXexxoto  IH,  3,  5  (85,  7 sq.);  —  desgl.  die  Äusserung  über  den  Hirten  III, 
3,  6  (85,  13),  den  Eusebius  nicht  zu  den  bfioXoyovfJeva  rechnen  kann,  um 
deren  willen,  von  welchen  er  uvxiXiXexxai,  was  sich  nur  auf  die  Abfassung 
durch  den  apostolischen  Hermas  beziehen  kann;  —  vor  allem  aber  die 
Gleichung:  ähföTjO  =  anXaoxoo  =  dvojfJLoXoyrmtvoa  III,  25,  6  (116,  25).  — 
Ebenso  ist  vöQ-oo  synonym  zu  ävxiXeyö/iiEvoo,  und  beide  beziehen  sich  auf 
die  Echtheit,  was  III,  3,  5  (85,  5):  wo  fi?j  TiavXov  oiaav  dvxiXeyeo&ai 
unwidersprechlich  beweist,  wodurch  auch  dem  oben  angeführten  äva(z<pi- 
Xezxoo  seine  Bedeutung  gesichert  wird.  Ebenso  deutlich  ergiebt  sich  der 
Unterschied  zwischen  zvöiü&rjxoo  und  avxiXfy6[A.tvoo  III,  25,  6  (116,  26  sq.), 
wo  die  zweite  Klasse  bestimmt  wird  als  nicht  zum  Kanon  gehörig,  ja 
sogar  dem  Widerspruch  (sei.  gegen  die  Echtheit)  unterliegend,  aber  doch 
weithin  bekannt.  Immerhin  besteht  zwischen  vö&oo  und  dvnXeyöfxevoo 
ein  —  stellenweise  bis  zur  Gegensätzlichkeit  gesteigerter  (III,  31,  6)  —  Unter- 
schied, ebenso  wie  zwischen  yvi'jOioo  und  bfioXoyovfxevoa:  jene  bezeichnen 


\2  v.  Dobschütz,  Das  Kerygrna  Petri. 

für  echt,  ja  er  versteht  dies  so,  dass  dadurch  auch  die  historische 
Glaubwürdigkeit  iu  Abrede  gestellt  wird  (cptQSiv  avrov  coO  üti- 
tqov  öiöä<-avTOG).  Man  könnte  sogar  die  persönliche  Bekannt- 
schaft des  Origenes  mit  dem  K.P.  in  Zweifel  ziehen  (Mayerhoff). 
Diese  Erscheinung  ist  bei  dem  Schüler  des  Clem.  AI.  allerdings 
sehr  auffallend,  hat  aber  ihre  Parallelen,  z.  B.  an  der  Beurteilung 
des  Dialogs  zwischen  Jason  und  Papiscus  bei  Clem.  AI.  und  Orig. 
(Harnack,  T.  u.  U.  I,  1,  124).  Zu  dieser  Veränderung  mag  viel 
beigetragen  haben  der  grosse  Nutzen,  den  insbesondere  die 
Gnostiker  aus  dieser  Schrift  und  ähnlichen  zogen,  wie  sich  denn 
um  jene  Zeit  überhaupt  der  Kanon  auch  zu  Alexandrien  fester 
abgrenzte.  Besonders  beachtenswert  ist  es,  wie  Origenes  in  Ver- 
bindung mit  dem  K.P.  auch  die  kanonische  Apost.-Gesch.  citiert. 
welche  ihm  sichtlich  auch  unbecuieni  ist,  weil  sie  die  aus  dem 
K.P.  geschöpfte  Ansicht  Heracleons  zu  bestätigen  scheint,   ein 

die  Echtheit  resp.  Unechtheit  ihrer  Thatsächlichkeit  nach,  diese  nach  Seiten 
der  Anerkennung  derselben  in  der  Tradition.  Von  hier  aus  wird  sich  auch 
die  Frage,  ob  Euseb.H.  E.III,  25  drei  oder  vier  Klassen  zu  unterscheiden  seien, 
dahin  beantworten  lassen,  dass  die  vö&a  allerdings  zu  den  dvvi?.eyö/ueva 
gehören  —  sonst  wäre  das  aal  §  4  (Dind.  116  Z.  13 )  und  der  Abschluss 
§  5  nicht  zu  verstehen;  dass  aber  die  unvermittelt  eingeführte  neue  Be- 
zeichnung doch  insofern  einen  Abschnitt  markiert,  als  Eusebius  selbst  über 
die  folgenden  ungünstiger  urteilte,  resp.  deren  Unechtheit  für  ausgemacht 
hielt,  während  er  die  früheren  (lauter  katholische  Briefe,  welche  ihm  nach 
VI,  14,  1  bereits  als  ganzes  zusammengehören)  nur  wegen  des  Wider- 
spruches in  der  Tradition  vom  Kanon  der  Homologumenen,  dem  die  beiden 
anderen  epistolae  catholicae  unwidersprechlich  angehören ,  aussondert. 
Dagegen  spricht  nicht  das  scheinbar  ungünstige  Urteil  über  die  Acta  Pauli 
und  Hermas  (III.  3,  5  und  6),  da  Eusebius  hier  nur  referiert,  ohne  seine 
eigne  Meinung  kund  zu  thun,  während  diese  c.  25  so  sehr  über  die  Tra- 
dition überwiegt,  dass  er  den  3,  5  gemeldeten  Widerspruch  gegen  den 
Hebr.-Br.  ganz  vergessen  zu  haben  scheint,  ebenso  wie  andrerseits  den  als 
ävcofzo/.oyTjixtvT]  71o.qv.  nüoiv  III,  38,  1  (132,  7)  bezeichneten  1.  Clem.-Br.  — 
Dass  vo&oa  in  diesem  Sinne  —  von  der  Herkunft  —  jedenfalls  schon  bei 
den  Alten  verstanden  worden  ist,  zeigt  die  Wiedergabe  desselben  z.  B.  bei 
Hier.de  vir.  ill.  1:  secunda  Petri  .  .  .  eius  negatur;  —  2:  ab  alio  quodam 
sub  nomine  eius  edita  asseritur;  dazu  vergl.  das  falsata  des  Didymus. 
Auch  schon  bei  Clem.  AI.  findet  sich  vöd-oo  mit  xpevdwvvvoo  synonym 
gebraucht  (opp.  yvrjOioo  quis  div.  salv.  19)  und  Amphil.  führt  durch  sein 
Bild  von  den  Münzen  mit  der  falschen  Aufschrift  auf  das  gleiche.  —  Ganz 
gesichert  endlich  wäre  die  Deutung  der  Worte  bei  Origenes  in  unserem 
Sinne,  grade  wenn  man  de  princ.  praef.  S  als  authentische  Erklärung 
dazu  fassen  könnte. 


§  1.     Einleitung.  13 

Dilemma,  aus  welchem  er  sich  durch  einen  pathetischen  Recurs 
auf  ein  Herrenwort  herauswindet. 

In  der  Vorrede  zu  seinem  grossen  Werke  jcegl  aQ%oöv  (praef.  S) 
erwähnt  Origenes  ein  „libellus  qui  Petri  doctrina  inscribitur". 
Gewöhnlich  erklärt  man  dies  für  identisch  mit  unserem  K.P. 
In  der  That  entspricht  die  Beurteilung  desselben  fast  ganz  der 
Heracleon  gegenüber  abgegebenen:  es  ist  kein  liber  ecclesiasticus 
(d.  h.  kanonisch),  auch  nicht  von  Petrus  oder  einem  anderen 
Träger  des  Gottesgeistes  geschrieben.  Immerhin  aber  ist  Origenes 
geneigt,  den  Gebrauch  der  Schrift  zuzugeben,  eine  etwas  mildere 
Form  des  Urteils  als  in  jenem  ersten  Falle.  Doctrina  könnte 
eine  freie  Übersetzung  Rufins  für  xiJQvyfia  sein,  wozu  es  sich 
wie  der  Gattungsbegriff  zur  Species  verhält  (s.  u.  §  2).  Jedoch 
hat  Rufin  sowohl  an  anderen  Stellen  dieser  Schrift,  als  auch  z.  B. 
in  den  Recogn.  Clem.  den  Terminus  ..praedicatio"  für  y./'jQvyfia. 
Daher  wird  der  Titel  wohl  schon  bei  Orig.  6iou.Gxa.Ua  üttxQöv 
gelautet  haben  und  es  liegt  nahe,  da  sich  im  Griechischen  der 
Wechsel  des  Titels  nicht  recht  erklären  lässt,  diese  Schrift  mit 
der  bei  späteren  Griechen  wie  Greg.  Naz.  (resp.  Elias  Cret.  iu 
seinem  Commentar  zu  Gregors  Reden)  und  Leontius  Byz.  er- 
wähnten öidaoxaÄia  jrtzQov  zusammenzufassen  und  dem  x?]Qvylua 
Jiixgov  gegenüberzustellen.  Für  die  Identificierung  beider  spricht 
allerdings  das  Schweigen  des  Eusebius  über  eine  weitere  ihm  aus 
Origenes  bekannte  pseudopetrinische  Schrift.  Aber  dies  argu- 
mentum e  silentio  darf  umsoweniger  geltend  gemacht  werden, 
als  man  dagegen  auf  den  Plural  xcuv  ajioörölcov  cd  Xsyofisvat 
öiöayal  (Eus. -H.  E.  III,  25,  4)  verweisen  kann,  worunter  vielleicht 
ein  mehrere  Apostellehren  umfassendes  Sammelwerk  verstanden 
sein  könnte  (cf.  Zahn,  Forschungen  III,  2S4  sq.).  Auf  alle  Fälle 
werden  wir  —  die  Möglichkeit  der  Identität  der  doctrina  mit 
dem  K.P.  offen  lassend  —  bei  der  Unsicherheit  der  Entscheidung 
gut  thun,  die  Fragmente  beider  säuberlich  zu  scheiden. 

Noch  viel  weniger  erwiesen  ist  die  Identität  unseres  K.P.  mit 
einer  in  der  pseudocypriani sehen  Schrift  de  rebaptismate  —  welche 
vielfach  dem  Ursinus  Afer  beigelegt  wird  x)  —  erwähnten  prae- 


1)  Nach  Zahn,  Gesch.  d.  Kan.  II,  2,  2  p.  SSI  A.  2  ein  africanischer 
Bischof  Ursinus  zur  Zeit  des  Cyprian  u.  zw.  aus  der  Zahl  der  Gegner;  — 
auffallend  nur.  dass  sich  ein  solcher,  der  doch  nicht  ohne  Bedeutung  hätte 
sein  können,  unter  den  zahlreichen  Personalien  bei  Cyprian  nirgends  findet! 


14  v.  Dobschütz,  Das  Kerygma  Petri. 

dicatio  Pauli,  was  allerdings  Rigaltius  gleich  in  Petri  umänderte, 
doch  wie  es  scheint  ohne  jede  Beglaubigung.  Man  beruft  sich 
für  diese  Conibination  gewöhnlich  auf  Clem.  AI.  Strom.  VI,  5, 
42  sq.,  wo  es  heisst,  dass  die  Gleichartigkeit  der  göttlichen  Er- 
ziehung der  Heiden  mit  der  Israels  zeigen  werde  jcqoo  rm  JitTQOV 
y.f/ovyf/aTL  6  ujiöoxoXoo  Xtycov  jiavZoo.  Man  hat  sich  an  diesen 
Worten  viel  herumgequält;  es  wird  gestritten,  ob  xrjQvyna  jistqov 
hier  die  von  Clem.  AI.  oft  genannte  Schrift  oder  die  mündliche 
Verkündigung  des  Apostels  bezeichne,  ob  ,,jcqoöu  mit  „in",  „bei" 
oder  „ausser"  zu  übersetzen  sei  und  ob  endlich  die  folgenden 
Worte  dem  Clem.  AI.  angehören  oder  paulinisch  sein  wollen. 
Das  nächstliegende  ist  jedenfalls  anzunehmen,  dass  Clem.  AI.  nach 
einer  Gedankenreihe,  auf  die  ihn  ein  dem  K.P.  entnommenes 
Wort  (VI,  5,  41)  geführt  hat,  hierfür  auch  ein  Zeugnis  eines 
anderen  Apostels  beibringen  will  und  deshalb  aus  einer  uns  ver- 
lorenen Schrift  ein  Dictum  des  Paulus  anführt.  Sonst  müsste 
man  schon,  unter  Berufung  auf  die  seltsame  Stellung  des  jtavXoo 
hinter  Xiyet  dies  für  eine  spätere  u.  zw.  unrichtige  Glosse  zu 
6  ajtoözoZoo  erklären  und  hierunter  den  im  K.P.  redenden  Apostel, 
nämlich  Petrus,  verstehen,  eine  Gewaltsamkeit,  zu  welcher  kein 
Grund  vorliegt.  Wenn  man  jiqoO  mit  praeter  „neben"  übersetzt, 
so  liegt  darin  richtig  die  Trennung  beider  Schriften  ausgesprochen 
und  nur  durch  Künstelei  kann  man  darin  einen  Hinweis  auf 
zwei  Teile  derselben  Schrift  finden.  Man  ist  allerdings  darin 
bestärkt  worden  durch  jene  Schrift  de  rebaptismate ,  deren  Ver- 
fasser bei  Erwähnung  der  praedicatio  Pauli  erzählt,  dass  diese 
Schrift  Petrus  und  Paulus  sich  erst  zu  Rom  habe  kennen  lernen 
lassen.  Wenn  man  nun  aber  hieraus  und  aus  einer  Notiz  bei 
Lact.  div.  inst.  IV,  21  über  die  praedicatio  Petri  et  Pauli  zu  Rom 
gefolgert  hat,  unsere  Schrift  habe  in  drei  Teilen  erst  die  Predigt 
des  Petrus,  dann  die  des  Paulus,  endlich  die  Begegnung  und 
gemeinsame  Predigt  zu  Rom  geschildert  —  was  natürlich  ein 
hervorragendes  Glied  in  jenen  Constructionen  der  altchristlichen 
Literaturgeschichte  zu  bilden  geeignet  war  und  sich  z.  B.  bei 
Credner  direkt  als  Begutachtung  der  paulinischen  Lehre  durch 
Petrus  darstellte  — ,  so  ist  dies  wohl  eine  geistreiche  Conibi- 
nation, entbehrt  aber  jeder  wissenschaftlichen  Begründung.  Die 
praedicatio  Pauli  scheint  vielmehr  nach  Pseudocyprian,  wenn 
auch  auf  die  Beurteilung   dieses   einzigen  Zeugen  wegen   ihrer 


§  2.    Die  Bedeutung  des  Titels.  15 

feindseligen  Tendenz  nicht  viel  zu  geben  und  z.  B.  die  Behauptung 
der  Abfassung  im  haeretischen  Interesse  als  polemische  anzu- 
zweifeln ist,  eine  selbständige,  viel  von  Haeretikern  —  wir  wissen 
leider  nicht  genau  welchen  —  benutzte  spätere  Schrift  gewesen 
zu  sein,  die  mit  dem  K.P.  des  Clem.  AI.  nichts  zu  thun  hat.  — 
Ob  das  bei  Clem.  AI.  aufbehaltene  Pauluswort  ihr  oder  einer 
anderen  Schrift  angehörte,  niuss  dahingestellt  bleiben.  —  Die 
von  Lactantius  bewahrten  Worte  einer  „praedicatioPetri  et  Pauli  (?)" 
werden  aber,  einer  scharfsinnigen  Vermutung  Grabes  zufolge, 
wahrscheinlich  einer  Apokalypse  zuzuweisen  sein. 

Endlich  kann  es  wohl  als  nunmehr  allgemein  anerkannte 
Thatsache  hingestellt  werden,  dass  unser  K.P.  mit  den  in  den 
Pseudoclementinen  erwähnten  x?jQvytuara  jitrQov  nicht  mehr 
als  den  Namen  gemein  hat.  Wenn  jene  Schrift,  als  deren  Aus- 
zug sich  die  Homilien  geben,  überhaupt  je  existiert  bat,  so  war 
es  ein  judenchristliches  Machwerk,  über  das  wir  gar  keine  Kennt- 
nis mehr  haben.  Denn  die  jcsqioöol  und  jcgägsig  sind  spätere 
Recensionen.  Selbst  das  dürfte  noch  zuviel  behauptet  sein,  dass 
unser  K.P.  eine  heidenchristliche  Parallele  zu  jener  Schrift  sein 
wolle,  wie  denn  ein  Vergleich  der  Anfügung  der  jieQio6ot(jcQä§eio) 
an  die  xtjQvyfiara  der  Judenchristen  mit  der  Erweiterung  der 
lukanischen  jtga^io  durch  das  xi/Qvy^a  jctzgov  als  tq'lxoo  loyoo 
in  sich  haltlos  ist  (Hilgenfeld  1.  c.  p.  55).  Ebenso  wenig  begründet 
ist  aber  auch  die  neuerdings  von  Zahn  Gesch.  d.  Kan.  II,  2.  2. 
p.  822  behauptete  umgekehrte  polemische  Rückbeziehung  der 
judenchristlichen  xr^vyiiaxa  auf  unser  K.P. 


§  2. 
Die  Bedeutung  des  Titels. 

Durch  die  im  vorigen  gewonnenen  Erkenntnisse  und  die 
Ablehnung  der  Notizen  des  Pseudocyprian  und  Lactantius  sind 
wir  genötigt,  den  grössten  Teil  des  Materials,  auf  Grund 
dessen  man  gewöhnlich  Charakter  und  Anlage  unserer  Schrift 
bestimmt  hat,  bei  Seite  zu  lassen.  Die  wenigen  Stellen  bei 
Clem.  AI.  und  eine  Notiz  bei  Origenes  über  Heracleon  sind, 
wie  wir  sahen,   die  einzig  sicheren  Bezeugungen  derselben,  und 


16  v.  Dobschütz,  Das  Kerygma  Petri. 

diese  geben  uns  zunächst  nur  als  sicher  den  Titel  xrjgvyfia 
jitrQov  an  die  Hand.  Wenn  wir  versuchen,  uns  hiernach  eine 
Vorstellung  von  der  Schrift  zu  bilden,  so  haben  wir  zunächst 
nach  der  Bedeutung  von  yr/gvyfia  zu  fragen. 

y.r/Qvooo)  und  xJ}(nyy(ia,  in  der  Antike  vom  Heroldsruf  ge- 
braucht, bezeichnet  bei  den  LXX  (=  Xlp)  lauten  Ruf  (Prov.  9, 3), 
obrigkeitliche  Botschaft  (Jon.  3,  5;  2.  Chron.  30,  5),  prophetische 
Rede  (Jon.  3,  2).  Ina  Neuen  Test,  wird  es  gebraucht  von  der 
Predigt  des  Täufers  (absolut:  Matth.  3,  1;  ßdjtriOfia  [itxavoiao: 
Mc.  1,  4;  Lk.  3,  3),  von  der  des  Herrn  selbst  (Matth.  11,  1; 
Marc.  1,  38  sq.;  1. Petr.  3,  19;  cf.  Barn.  5,  8;  Clem.  Hom.  XI,  33) 
und  demnächst  von  den  Aposteln  (Marc.  3, 14;  16,20;  Rom.  10,  15; 
1.  Cor.  9,  27).  Meist  steht  es  hier  absolut,  sonst  mit  dem  Objekt 
svayytXiov,  seltener  inhaltlich  bestimmt  ßaoiZtiav  &sov,  [ittavoiav, 
XQigtÖv.  Paulus,  der  xijQvyfia  oft  ohne  nähere  Bestimmung  ge- 
braucht (1.  Cor.  1,  21;  15,  14;  cf.  2.  Tim.  4,  17;  Tit.  1,  3),  unter- 
scheidet dies  von  seinem  Xöyoo  (1.  Cor.  2,  4).  Damit  ist  y.i'jQvyfia 
deutlich  als  die  grandlegende,  das  Heil  anbietende  Predigt  der 
Mission  bestimmt  im  Unterschied  von  der  vertieften  Belehrung 
der  bekehrten  und  geförderten  Christen.  Dieser  Gebrauch  bleibt 
auch  in  der  nachapostolischen  Literatur  neben  der  Beziehung 
auf  die  prophetische  Verkündigung  (Clem.  Rom.  I,  17,  1;  Barn. 
6,  13;  Just.  Di.  36.  39.  76;  cf.  jtqox?/qv6öco  Ap.  I,  31  u.  ö.;  Iren. 
I,  10,  3  u.  a.  St.),  —  auf  die  Busspredigt  (Clem.  Rom.  I,  7,  6  sq.; 
0,  4;  Clem.  Hom.  XI,  35);  —  auf  lauten  Ruf  im  allgemeinen 
(Clem.  Rom.  I,  1,  2)  —  als  wichtigster  und  häufigster  bestehen 
(Clem.  Rom.  I,  42,  4;  cf.  5,  6;  Barn.  8,  3;  Herrn.  Sim.VIII,  3,  2; 
IX,  15,  4;  16,  4  sq.;  17,  1;  25,  2;  meist  absolut  (Act.  Joh.  Proch., 
ed.  Zahn  p.  3)  oder  mit  ygiörov  z.  B.  noch  bei  Eus.  Caes.  bei 
Äthan,  ep.  de  decr.  Syn.  Nie.  [Hahn  Bibl.  der  Syrnb.  p.  188]). 
In  den  Clem.  Hom.  ist  der  Begriff  schon  etwas  umgeändert, 
sofern  der  Ton  meist  auf  dem  Lehrinhalt  liegt  (ep.  Petri  ad 
Jac.  2;  Hom.  XVII,  19;  XI,  35)  und  vielfach  der  Plural  ge- 
braucht wird  (ep.  Petri  ad.  Jac.  1  sqq.  u.  ö).  In  der  altkatho- 
lischen Periode  ist  dann  diese  Umbildung,  welche  mit  der  Um- 
setzung des  Apostelbegriffs  in  den  von  Lehrern  der  Wahrheit 
und  christlichen  Gnosis  Hand  in  Hand  geht,  vollendet  (Tat. 
or.  42;  Iren.  I,  9,  2;  10,  2;  HI,  3,  3;  vergl.  seine  Schrift  do  ejcl- 
6eis,tv  xov  äjcooTohy.ov  y.?jQvyfxaroo  b.  Eus.  H.E.  V,  26,  1.   — 


§  2.    Die  Bedeutung  des  Titels.  17 

Hipp,  bei  Eus.  H.E.V,  28,  3;  Tert.  adv.  Prax.  2  u.s.w.1).  Später 
entwickelt  sich  der  Sprachgebrauch  weiter  dahin,  dass  x/jQvyfia, 
inhaltlich  bestimmt  und  besonders  im  Plural  gebraucht,  einzelne 
Lehrsätze  bezeichnet.  Dabei  erhält  sich  aber  eine  Reminiscenz 
an  die  alte  Bedeutung  „ Missionspredigt",  insofern  xrjgvyfia  nach 
Basil.  M.  de  spir.  s.  27,  66  im  Unterschied  von  dem  als  Geheimlehre 
behandelten,  nur  im  Mysterium  ausgesprochenen  d6ytua  die  öffent- 
liche Glaubenslehre  oder  einen  Satz  derselben  bezeichnet  (in 
diesem  Sinne  synonym  zu  jiiötiO:  Greg.  Naz.  or.  XXVIII,  5  1, 
p.  499).  Der  beiden  übergeordnete  Begriff  ist  nach  Eulog.  Alex. 
(bei  Photius  bibl.  230  p.  S33)  öidayfiaza.  Dieser  Schriftsteller 
bestimmt  auch  xfjgvyfiara  näher  als  das,  was  sio  Xoyov  evroÄcöv 
xal  ftsiov  (ptßov  ovvrrjQriöLv  ävacptQSTCU  (Ethik).  Dazu  tritt 
dann  nach  Rufin  (exp.  symb.  ap.  25)  als  Hauptmoment  die  Ver- 
kündigung der  evangelischen  Geschichte.  —  Für  die  eigentliche 
Missionspredigt  bewahrte  die  spätere  Zeit  den  im  2s. T.  und  bei 
den  älteren  Vätern  neben  x?]qvoosiv  herlaufenden  Ausdruck 
tvayyeXiueo&ai  (Barn.  S,  3;  14,  9;  Clem.  Rom.  I,  42,  1.  3:  Polyk. 
ad  Phil.  6,  3.  —  cf.  evayyeXiortjo  Eus.  H.E.  V,  10,  2).  —  Diese 
ganze  Entwicklung  ist  in  sich  so  klar  und  weist  so  deutlich  auf 
die  Alttestamentlichen  Anknüpfungen  hin,  dass  es  völlig  über- 
flüssig erscheint  mit  Dodwell  (Diss.  in  Iren.  VI,  §  10  p.  339  sq.) 
zur  Erklärung  des  christlichen  Terminus  x?jqvoöeiv  auf  die 
Terminologie  des  Mysterienkultus  zurückzugehen,  wenn  diese 
auch  bei  dem  liturgischen  Gebrauche  von  xrjQvoGtiv  von  Ein- 
fluss  gewesen  sein  mag. 

Gemäss  dieser  kurz  skizzierten  Entwicklungslinie  werden 
wir  bei  einer  Schrift,  deren  Ursprung  der  äusseren  Bezeugung 
nach  spätestens  in  die  zweite  Generation  vor  Clem.  AI.  zu  setzen 
ist,  den  Titel  xt/Qvyfia  nicht  anders  als  von  der  Darstellung  der 


1)  Eus.  H.E.  IV.  8,  2  gehört  TtuQÜdooio  toi-  uTiooxoliy.ov  xijgvy- 
[xuxoo  wohl  dem  Eusebius  und  nicht  dem  Hegesipp  an,  der  nach  altem 
Sprachgebrauch  weit  richtiger  von  OQ&ba  ?.6yoa  spricht  (IV,  22,  2)  und 
X7]Qiaaco  von  Vorschriften  gebraucht  (ibd.  3).  Clem.  AI.  Strom.  I,  1,  4 
kennt  neben  dem  mündlichen  auch  ein  schriftliches  z/jQvy/na,  worunter 
er  seine  eigne  Arbeit  zu  verstehen  scheint.  Wenn  er  ebendaselbst  von 
der  xrjQV/aiztj  e-iiozrjjUT]  eine  dyye?uxt]  unterscheidet,  so  muss  dies  die 
ausserordentliche  {tiojo)  durch  Engel  vermittelte  Verkündigung  bedeuten 
(cf.  quis  div.  salv.  3). 

Texte  u.  Untersuchungen  XI,  1.  9 


lg  v-  Dobschütz,  Das  Kerygma  Petri. 

Missionspredigt  verstehen  können.  Ob  diese  nun  aber  nur  in 
Form  einer  Rede,  oder  mit  historischer  Umrahmung  geschehen 
sei,,  lässt  sich  dem  Titel  nicht  entnehmen,  ist  vielmehr  erst  nach 
Untersuchung  der  Fragmente  zu  erörtern  1). 

§  3. 
Herstellung  des  Textes. 

Da,  wie  gesagt,  bisher  uns  jedes  Einteilungsprincip  fehlt, 
erscheint  es  am  zweckmässigsten,  die  Fragmente  nach  der  Reihen- 
folge bei  Clemens  Alex,  zu  ordnen,  indem  jedoch  gleichartiges 
zusammenzustellen  erlaubt  sein  wird. 

I. 

a)  Strom.  1,29, 182:  (sv  de  xcö  jctxoov  xrjgvyf/axi  tvgoio  av) 
vöfiov  xal  Xöyov  xbv  xvqiov    jcQooayoQsvöfisvov.) 

b)  Strom.  II,  15,  68:  6  JttxQoö  (tv  xm  xr/Qvy/zaxi)  vbfiov 
xal  löyov  xbv  xvqiov  (jcQooüJiev^) 

c)  Ecl.  proph.  58:  voftoo  xal  XbyoO  (avxoü  o  öooxt/Q  Xeyexai, 
wo)  üttXQOG  (ev  xr/Qvyfiaxi.) 

Die  gemeinsamen  Stichworte  sind  vofioo  und  löyo6\  c)  weicht 
sonst  ab,  da  Clem.  hier  nur  an  vöfioo  Interesse  hat.  a)  und  b) 
dagegen  stimmen  weit  mehr  überein,  was  um  so  bedeutsamer 
wäre,  wenn  b)  einem  Gewährsmanne  des  Clem.  angehörte  (s.o.  §  1). 
Das  gemeinsame  jiQoöayoQtvtiv  weist  über  die  schriftstellerische 
Autorschaft  hinaus  auf  eine  Rede,  und  zwar  nicht  nur  die  schrift- 
liche Conception  einer  solchen,  sondern  den  historischen  Bericht 
davon,  da  sonst  das  Praeteritum  unerklärt  bliebe.  Es  kann  eine 
Anrede  des  Petrus  an  den  Herrn  mit  den  Worten  vöfioo  und 
Xoyoo  gemeint  sein.  Der  Text  ist  hier  somit  nicht  mehr  genau 
zu  bestimmen. 

II. 

a)  Strom.  VI,  5,  39:  (jüxqoo  sv  xw  xtjQvynaxL  Itytr  yivü- 
oxhxt   ovv   Öxl  siö  #£Oö  loxiv,  o6  CLQ%t)v  Jiävxcov  IjtohjGtv  xal 


1)  Die  Möglichkeit,  bei  clem  Titel  xrjQvyfia  an  eine  geschichtliche 
Darstellung  der  Missionswirksamkeit  zu  denken,  belegt  Aphraates  Hom.  XX 
p.  320:  „die  Predigt  der  12  Apostel  bezeugt:  Act  11,26",  während  derselbe 
Hom.  XII,  6  p.  192  mit:  „die  Geschichte  der  12  Apostel  berichtet  uns 
hierüber"  sich  wohl  auf  Act.  19,  3  bezieht. 


§  3.     Herstellung  des  Textes.  19 

xtXovo  sgovolav  iyjcov  —  (xal  •)  o  dooaxoo  oo  xd  jtdvxa  oga, 
dycoQrjzoö  oo  xd  jcävxa  %coqsi,  avsüiiösr\o  ov  xa  Jtdvxa  sm- 
ötexat  xal  6c  ov  soxiv,  dxaxdX?]jtxoo,  dsvaoo ,  dcp&agxoG, 
ajioiTjxoö  oo  xd  jzdvxa  sjzoitjösv  Xöyop  övvdfismG  avxov  (xijo 
yicoOTLxrjö  ygacpijo  xovxsoxi  xov  vlov.) 

b)  Strom.  VI,  7,  58:  sio  (ydg  xo~  ovxi)  eoxlv  6  &soo  oo  dgyijv 
xcöv  ajtdvxwv  ejcoirjosv  (tur]vv(ov  xov  jtgmxöyovov  vlov  o  Jtsxgoo 
ygdysi  ovvelo  dxgißwo  xo '  sv  dgyj]  snoupsv  6  &s6o  xov 
ovgavov  xal  xtjv  ytjv.) 

ö.divvaoa  B.\gfä.,dävvaroa  Potter.  — 6sq.  Grabe  conj.  zrt  yva>arixTi  ygacpfj. 


ygdqsi  in  b),  welches  auf  die  Vorstellung  hinweist,  dass  Petrus 
auch  Autor  der  schriftlichen  Conception  sei,  verträgt  sich  mit 
Xiysi  in  a),  welches  auf  eine  dem  Petrus  in  den  Mund  gelegte 
Rede  führt.  Das  Fehlen  einer  Anrede  und  die  Partikel  ovv 
zeigen,  dass  dies  Stück  nicht  den  Anfang  derselben  gebildet 
haben  kann.  Durch  a)  wird  es  klar,  dass  b)  mit  £jrot?/G£i'schliesst: 
die  Beziehung  der  dgyj}  auf  den  Sohn  ist  wohl  erst  von  Clem. 
AI.  hier  hineingelesen  worden.  Da  b)  von  Clem.  ziemlich  frei 
citiert  ist,  so  ist  der  LA.  elo  d-söo  soxiv  vor  sio  soxiv  6  &soo 
der  Vorzug  zu  geben,  —  alles  natürlich  unter  der  Voraussetzung, 
dass  beide  Stellen  identisch  sind;  b)  könnte  ja  ebensogut  auch 
ein  zweites  Fragment  sein,  da  ein  solcher  Hauptsatz  in  einer 
Schrift  sehr  wohl  zweimal  vorkommen  kann.  —  Mit  Recht  hat 
Hilgenfeld  das  xal  in  a)  als  Überleitung  zu  einem  zweiten  Citat 
gefasst  und  aus  dem  Text  des  K.P.  ausgeschieden.  Ob  beide 
sich  an  einander  anschlössen,  oder  ob  xal  eine  Auslassung  mar- 
kiert, muss  dahingestellt  bleiben.  Wohl  sicher  sind  dem  Citat 
abzusprechen  die  beiden  Zusätze  in  a),  obwohl  einige  dasselbe 
bis  yga<prjo  ausdehnen.  Sehr  ansprechend  ist  Grabes  Conjektur 
für  den  Text  des  Clem.  AI.  xr\  yvcooxixij  ygacpjj  zu  lesen  im 
Sinne  von  „d.  h.  nach  gnostischem  Schriftverstand",  cf.  Barn.  6,  9. 

III. 

a)  Clem.  AI.  Strom.  VI,  5,  39  sq.:  (sixa  sjcicpsgsr}  xovxov  xov 
&sov  osßsod-s,  (ii)  xaxd  xovo  sXXrjvao  ....  oxi  dyvo'ia  (psgofisvoi 
xal  firj  sjtioxdiisvoi  xov  &sov  (coö  tj/islö  xaxd  xr\v  yvmoiv  x))v 
xsXsiav),  a)v  sömxsv  avxolo  tsovolav  sio  ygroiv,  {logcpwOavxsG 

2* 


20  v.  Dobschütz,  Das  Kerygma  Petri. 

£,vXa  xal  XS&ovG,  yaXxov  xal  o'iötjqov,  ygvGov  xal  agyvgov,  — 
xrjG  vXrjG  avxcöv  xal  ygrjGEmG  —  xd  öovXa  xr/G  vjidgBscoG 
dvaGx?jGavx£G ,  Oeßovzai  xal  d  öiömxEV  avxoZG  eIg  ßgcoGiv  o 
&eöo,  jiBXELva  xov  a£QoG  xal  trjG  &alccGGf]G  xa  vrjxxd  xal  xr\G 
yrjG  xa  kgjiExd  xal  xa  &r]gia  Gvv  xxtjvsGi  XExgajiööotG  xov 
dygov,  yaXäG  xs  xal  /ivG,  alXovgovG  xs  xal  xvvaG  xal  jci&t'jxovo 
xal  xa  idia  ßgcokuaxa  ßgmxolG  &vfiaxa  ftvovGiv  xal  vexgcc  vs- 
xgoiG  jtgooptgovxeG  coö  DeolG  ayagiGxovGi  xcö  &£(5  öiä  xovxmv 
dgvovfisvoi  avxöv  dvai. 

b)  Orig.  in  Ev.  Jon.  tom.  XIII,  17:  (cptgsiv  avxov  (Heracleon) 
a?ö  jcixgov  diöa^avxoG)  fit]  öelv  xa&  EXXrjvaG  jtgoGxvvElv  xc 
xrjG  vXt]G  jigdyfiaxa  dxoÖEyofiEvovG  xal  XaxgsvovxaG  gvXoiG 
xal  XifroiG. 


4.  wv  .  .  igovoiav  verbesserte  Potter:    rjv  .  .  igovoiao  die  andern  Edit. 
6.  ztjO  v).rja:  x)\v  vkrjv  conj.  Potter;  rrja  ßovXrja  conj.  Hilgfd. 
6.  rrja  vTtÜQ§£(i)0:  Potter  conj.  zfi  bnäg^si  oder  xal  xrfi  vtcÜq&wg. 
11.  ßQcaxola  verbesserte  Potter:  ßQorola  die  andern  Edit. 


Orig.  (b)  schöpft  aus  abgeleiteter  Quelle  mit  merklichem  Wider- 
willen gegen  die  Schrift;  daher  ist  auf  seine  nicht  nur  stark 
gekürzte,  sondern  vielfach  sehr  abweichende  Wiedergabe  kein 
Gewicht  zu  legen.  Clem.  (a)  hat  nur  anfangs  durch  zwischen- 
gestreute Exegese  das  Citat  verwirrt;  wir  haben  diese  ganz  weg- 
gelassen: die  kleinen  Abänderungen  in  den  Wiederholungen  des 
ersten  Satzes  sind  ganz  unbedeutend  und  nur  durch  den  Zu- 
sammenhang der  Exegese  bedingt.  Im  Hauptstück  ist  nur  coG  — 
xsltiav  als  Zusatz  des  Clem.  auszuscheiden,  da  diese  Bemerkung 
in  der  Petrusrede  hier  ganz  zur  Unzeit  käme.  Clem.  hat  allerdings 
dadurch  einigen  Schaden  angerichtet,  dass  der  folgende  Satz,  um 
ihn  enger  daran  anzuschliessen,  Veränderungen  erlitten  hat. 
Potter  scheint  aber  die  richtigen  Emendationen  gefunden  zu 
haben.  Es  ist  zu  construieren:  otßovxai  xavxa  cor  .  .  i^ovGiav 
töooxe,  ftogcpmGavxEG  .  .  .,  dvaGxrjGavxEG  .  .  .;  durch  die  Um- 
stellung der  Glieder,  wie  sie  sich  im  Texte  findet,  ist  die  zeitlich 
richtige  Reihenfolge  derselben  erzielt:  das  Götterbild  fertigen, 
es  aufstellen  und  anbeten.  —  Die  grösste  Schwierigkeit  liegt  in 
den  Worten  xiJG  vXt]G  avxcöv  xal  ygt'jGEooG.  Wegen  der  auf- 
fallenden Zusammenstellung  hat  man  ßovXtJG  lesen  wollen,  jedoch 
mit  Unrecht,  da  vXt]  grade  das  einzige  durch  b)  sicher  gestützte 


§  3.    Herstellung  des  Textes.  21 

Stichwort  ist.  Wenn  nicht  Verderbnis  der  ganzen  Stelle  anzu- 
nehmen ist,  scheinen  die  Worte  als  Gen.  attrib.  zu  dem  Ganzen 
der  vorhergenannten  Dinge  bezogen  werden  zu  müssen  in  dem 
Sinne  von:  was  alles  ihres  Stoffes  (d.  h.  gleichen  Stoffes  mit 
ihnen)  und  ihres  Gebrauches  (d.  h.  ihnen  zum  Gebrauche  ge- 
geben) ist,  —  oder  man  müsste  öovXa  mit  zwei  Genitiven  con- 
struiert  sein  lassen,  deren  einer  dem  Dat.  obj.,  der  andere  der 
Zweckbestimmung  entspräche:  a  dovZevsc  vXi]  xal  ygi)o£L  sie 
vjiag§iv.  Die  Potterschen  Conjekturen  helfen  nicht  weiter;  sehr 
gut  dagegen  ist  der  scharf  zugespitzte  Gegensatz,  der  durch  die 
Conjektur  ßgcoxoiö  für  ßgoxolö  erzielt  wird. 

IV. 

a)  Clem.  AI.  Strom.  VI,  5,  41:  (sjtoiosi  jialiv  codi  noiö")  (i?]6s 
Tiara  lovda'iovG  oeßeo&s'  xal  yag  exelvoi,  (lovoi  oiöfievoi  xov 
dsov  yivcoöxsiv,  ovx  IjtioxavxaL  Xaxgtvovxso  ayytXoio  xal 
agyayyiXoiO,  firjvl  xal  osX?}v7],  xal  aar  p)  OeXrjvr]  (pavyj,  oaßßaxov 
ovx  ayovoiv  xo  Xeyofisvov  Jigcöxov  ovde  veoftyjviav  ayovoiv 
ovxe  aCv[ia  ovxe  eogxi)v  ovxe  {ueyaXtjv  ?)tuegav. 

b)  Orig.  1.  c:  fitjxe  xaxä  iovöalovo  oeßeiv  xo  &elov,  ejieijieg 
xal  avxol,  tu6voi  olotuevoi  ejcloxao&ai  &eov,  ayvoovoiv  avxov 
Xaxgevovxeo  dyyeXoiO  xal  ftfjvl  xal  oeX?]v?j. 

Wie  III  an  II,  so  schliesst  sich  wohl  dies  Fragment  unmittel- 
bar an  III  an.  Von  b)  gilt  das  zu  III  bemerkte  auch  hier. 
Clemens  hat  das  Citat  in  klarem  Text  erhalten.  Nur  bei  ovxe 
schwanken  die  LA.  der  Editoren  zwischen'  ovrs  und  ovde,  was 
dem  Sinne  nach  wenig  ausmacht. 

V. 
Strom.  VI,  5,  41:  (eixa  rov  xoXo<pojva  rov  C,?/xoi\uevov  jiqog- 
ejtupigef)  moxe  xa\  vfieio  oolcoo  xal  öixaicoo  fiavdävovxeo  a 
xagadiöofiev  vfilv ,  g)vXcc06eo&e ,  xaivo3o  rov  xheov  öiä  rov  ygi- 
oxov  Geßoftevoc  evgofiev  yag  ev  xalö  ygacpalo  xa&mö  c  xvgioo 
Xeyei'  löov  diciTi&fjiKii  vftlv  xaiviiv  öia&rjxyv  ovx  <-»&  di8&£ftriv 
xolö  Ttuxqüoiv  vfiätv  tv  ÖQei  xa>QXtß-  veav  vfüv  öie&exo,  xa  yag 
eXXi]voov  xal  iovöaiow  JiaXaia,  vfietO  6h  ol  xaivcöo  avxov  xglxcp 
yevei  oeßöfievoi  ygioxiavol. 
Sylburg  conj.  r\yüiv  und  ij/xsTg. 


Potter,  Credner  u.  a.  schliessen  das  Citat  mit  ycogf'jß;  in  den 


22  v-  Dobschütz,  Das  Kerygma  Petri. 

folgenden  Worten  expliciere  Clemens  seine  Vorlage.  Wenn  man 
aber  v/iiv  und  vfielö  liest,  das  zu  ändern  gar  kein  Grund  vor- 
liegt, so  fügen  sich  die  Worte  am  besten  in  eine  Rede  des  Petrus. 


VI. 

Strom.  VI,  5,  43:  (öiä  xovxo  cprjoiv  o  jiexqoo  elgrjxevai  xov 
xvqlov  xolö  ajtoöxoXoiO')  eäv  fiev  ovv  xiq  {hsZrjöy  xov  löoa?)Z 
[lExavorjOad  öia  xov  6v6tuaxoö  fiov  Jtiöxeveiv  huil  xov  &ebv, 
a<ps&r)öovx<XL  avxcp  cd  afiagxlai.  fiexa  [de?]  öcodexa  ex?]  egek&exe 
eio  xov  xöofiov,  fi?j  xio  elzi?y  ovx  r]xovoay.ev. 

fieravorjGaa  emend    Sylb.  Grabe:  /j.£Tavofjoai  edit.  —  Credn.  add.  xal; 
Hilgfd.  conj.  maxevwv. 


Die  Editoren  haben  zur  Vermeidung  der  beiden  Infinitive, 
deren  Aneinanderreihung  in  dieser  Weise  ungriechisch  ist,  ver- 
schiedenes conjiciert.  Die  oben  recipierte  Sylburgsche  Emendation 
erscheint  als  die  beste  (cf.  Acta  Phil,  in  Hell.  14  [Tisch,  act. 
apocr.  p.  llJO]  jcioxevoeiö  fiexavotjOao).  —  Hilgfd.  liest  ohne  Be- 
gründung sie  xov  &eov.  —  ftexä  ömöexa  ex?]  wurde  meist  sinnlos 
zum  vorigen  gezogen  (so  auch  noch  bei  Resch,  Agrapha  T.  u.  U. 
V,  4,  426);  den  richtigen  Zusammenhang  hat  schon  Cave  erkannt. 
Der  zweite  Satz  schliesst  sich  freilich  mit  einem  auffallenden 
Asyndeton  an  den  ersten  an.  Wenn  zwischen  beiden  nicht 
etwas  ausgefallen,  resp.  von  Clemens  absichtlich  fortgelassen  ist, 
scheint  [iev  im  ersten  Satz  notwendig  ein  de  im  zweiten  zu 
fordern  und  es  ist  nicht  unwahrscheinlich,  dass  dieses  vor  Öoj- 
öexa  durch  ein  Versehen  ausfiel. 


VII. 

Strom.  VI,  6,  48:  (avxixa  ev  xä>  jtexoov  xrjgvyfiaxi  o  xvqloo 
(p?]6i  jiqoö  xovö  {/a&?]xäö  fiexa  xr]v  dvaöxaöiv)  e^eXe^dfi?]v 
vfiäo  dcööexa  (ia&?]xdö  xglvaö  ä^iovO  efiov  —  ovo  o  xvqloö 
?)del?]oev  —  xal  djioöxolovö  xlöxovö  ?]y?]od(ievo6  elvai,  üiefijicov 
ejtl  xov  xoöfiov  evayyeXioaoO-ai  xovo  xaxd  x?)v  olxov(iev?]v 
ävftocüjcovö  yivcooxeiv,  oxi  eiö  freoö  eöxiv  öiä  xr]0  (xov  xqlöxov) 
jtioxeojo  lfi?]6  ö?]Xovvxaö  xd  y.ellovxa,  oüimo  ol  axovöavxeö 
xal  Jtioxevöavxeo  öw&coöiv,  ol  de  fi?)  jtioxevoavxeö  axovöavxeö 


§  3.    Herstellung  des  Textes.  23 

fiaQrvQ?jö(aotv  ovx  s%ovteö  cuioXojiav  dxslv   ovx  y)xovöa(i£v. 

(ri  ovv  .  .  .  .) 

1  sq.:    b  xvqioö  fiexa  t?jv  dvdozaaiv  nooo   (rj/.täa)   zova  fxa&Tjvda  i(fr\ 
Hilgfd. 

7.  i[/.7]6:  tfj.(pav<j)G  conj.  Potter;  k$TjO  conj.  Hilgfd. 

8.  xal  itiaxsvaavxea  fehlt  b.  Hilgfd.  wohl  nur  aus  Versehen. 

9.  [x.UQTVQ?i&ä>oiv  conj.  Hilgfd. 


Wahrscheinlich  sind  die  einleitenden  Worte  des  Clem.  AI. 
teilweise  dem  K.P.  entnommen,  aber  wir  können  noch  nicht 
näher  bestimmen,  ob  sie  einer  Rede  des  Petrus  (so  Hilgenfeld) 
oder  der  historischen  Umrahmung  einer  solchen  angehören 
oder  auch  nur  die  aus  dem  Zusammenhange  der  Schrift  ersicht- 
liche Situation  wiedergeben.  —  Sicher  gehört  dem  K.P.  der  als 
Herrenwort  eingeführte  Satz  issktsaiiqv  —  g//oüan;  hier  schliessen 
Potter,  Credner,  Resch  (1.  c.  p.  393)  u.  a.  bereits  das  Citat.  Bei 
den  sachlichen  Berührungen  der  folgenden  Sätze  mit  Fragm. 
II  und  VI  liegt  es  aber  nahe,  auch  diese  noch  dem  K.P.  zuzu- 
sprechen, zumal  xi  ovv  als  passendster  Ansatz  des  Clem.  AI.  zur 
Erklärung  des  Citates  erscheint.  Da  sich  nun  ovo  o  xvqioö  u.s.w. 
nicht  recht  in  die  Herrenrede  fügen  will,  andrerseits  das  folgende 
als  solche  charakterisiert  wird,  nicht  so  sehr  durch  die  sachliche 
Übereinstimmung  mit  dem  Herrenworte  in  Fragm.  VI,  als  viel- 
mehr dadurch,  dass  die  Pointe  des  mit  o  xvqioö  (prjöi  einge- 
leiteten Citates  sich  erst  in  den  letzten  Sätzen  findet,  so  muss 
man  einiges  aus  der  Herrenrede  aussondern.  Gewöhnlich  wird 
ovo  o  xvqioö  ri&£Zr)08v  xal  oljiootoXovö  ,  jiiötovö  t]y?]OcctUEVoo, 
üvai  als  Zusatz  des  Clemens  gefasst,  der  dadurch  den  Begriff 
öoaSsxa  [ictfrrjzäo  habe  erläutern  und  so  zugleich  in  den  Missions- 
befehl überführen  wollen.  Ebensogut  kann  man  aber  auch  xal 
ajtoöxoXovö  jcioxovö  ?]y?]Oalu£i'oo  üvai  als  Parallelglied  zu  XQivad 
aZJLOvö  efiov  in  die  Herrenrede  hineinziehen  und  nur  ovo  o  xv- 
qioö ?]&tfo]öev  ausscheiden.  Als  Einschub  des  Clem.  AI.  wird 
sich  dies  allerdings  nicht  erklären  lassen;  im  Munde  des  Petrus 
aber  Hesse  es  sich  allenfalls  als  bescheidene  Einschränkung  des 
ja  auch  ihm  geltenden  Lobes  über  die  Jünger  begreifen.  —  Dass 
die  letzten  Sätze  der  Herrenrede  angehören,  wird  vollends  klar 
dadurch,  dass  sich  die  in  den  Worten  diä  rijg  rov  yQiöxov 
xiöxswö   kfirjö    enthaltene  Schwierigkeit   hebt,    wenn    man   nur 


24  v.  Dobschütz,  Das  Kerygma  Petri. 

xov  xqlOtov  als  eine  in  den  Text  gedrungene  Glosse  zu  dem 
ursprünglichen  6ia  x?/G  jclözecoG  £(i?jö  der  Herrenrede  (cf. 
Fragm.  VI  und  Herren worte  wie  Act.  26,  18:  Jtioxsi  xtq  slo  i(i£', 
Apok.  Petri  3:  sjtl  xovo  jcioxovO  fiov)  fasst.  Weder  Potters 
noch  Hilgenfelds  Conjekturen  befriedigen;  auch  die  Conjektur 
{/agxvQij&öjGi  für  fiagxvg?'jöa)Oi  erscheint  als  völlig  überflüssig. 

VIII. 

Strom.  VI,  6,  48:  (jcäoaio  ö'  aveofrev  xato  ipv%aiö  ägrjxai 
xalö  loyixa~io')  00a  ev  ayvo'ta  xio  vfio3v  IjtolrjGsv  [irj  sldcoö 
6a<pco6  xov  &s6v,  eav  ejiiyvovö  (itxavotjöq,  xccvxa  avxm  acps- 
d-fjGExai  xa  afjaoxtjftaxa. 

Ist  diese  Stelle  auch  nicht  ausdrücklich  als  Citat  aus  dem 
K.P.  angeführt,  so  legt  doch  der  Zusammenhang  es  nahe,  sie 
darauf  zurückzuführen,  und  der  Inhalt  bestätigt  die  Zugehörig- 
keit zum  K.P.  Die  Stellen  Act.  3,  17.  19  und  17,  30,  auf  welche 
sie  Potter  zurückführt,  sind  zwar  verwandt,  aber  nicht  die  Grund- 
lage für  dies  ausdrückliche  Citat.  Bemerkenswert  ist  die  Ein- 
führung durch  slgijxai,  während  unmittelbar  darauf  durch  (prjöi 
als  Gottesspruch  charakterisiert  Deut.  30,  15.  19  folgt.  Die  Be- 
ziehung auf  das  Kerygma  im  Hades  ist  wohl  von  Clem.  AI.  an 
das  Citat  herangetragen. 

IX. 

Strom.  VI,  15,  148:  (ÖQ-sv  xal  o  nixgoG  sv  reo  xrjgvy/iaxi 
7i£Qi  xmv  aüiooxblcov  liycov  (prjölv)  rjfiElö  6h  ävaxxvt-avxsö 
xäö  ßißXovG  aö  sixofiEV  xcöv  Jigocprjxäiv,  a  [iev  öiä  jiagaßoXmv , 
a  de  öi  alviyftaxmv ,  a  öh  av&svxixäJG  xal  avxotegsl  xov  %gi- 
gxov  ir/oovv  ovofia^övxwv ,  evgofisv  xal  xr\v  jiagovGiav  avxov 
xal  xov  -fravaxov  xal  xov  Gxavgov  xal  xaG  loiüiaG  xoXaGsiG 
jtaöao  öoaö  hnoirfiav  avxw  ol  iovöaloi,  xal  x?)v  eyegGiv  xal 
xi\v  slo  ovgavovG  aväkr/ipiv  jcgo  xov  hgoGoXvua  xgi&ijvai, 
xaß-mG  lyiygajtxo  xavxa  xavxa,  a  eöei  avxov  xa&üv  xal  (lex 
avxov  ix  söxai.  xavxa  ovv  ijiiyvovxsG  IjiLGxevGa^v  xqj  &eq) 
öia.  xojv  yeyoafifavmv  da  avxov. 

XQi&f/vcu:    xTio&rjvcu    ms.   editt. ;     hj<p&fjvac    s.    aXw&rjvai    conj.    Potter, 
xu&uiQtQ-TtVui  conj.  Hervet.  —  iyiyQunxo'  xavxa  Creclner. 


Der  bisher  recipierte  Text  Jtgö  xov  ItgoGoXvfia  xxiG&ijvat 
bietet  unüberwindliche  Schwierigkeiten,  da  die  Deutung  auf  das 


§  3.     Herstellung  des  Testes.  25 

neue  oder  himmlische  Jerusalem  ohne  jeden  Anhalt  im  Texte 
ist.  Die  früheren  Conjekturen  sind  zu  willkürlich;  doch  weisen 
sie  auf  das  rechte  hin,  indem  sie  zum  Gegenstand  der  Weissagung 
ein  Widerfahrnis  Jerusalems  machen,  das  auf  Jesu  Tod  folgt, 
wie  dies  schon  durch  [ist'  avvov  a  eovai  gefordert  wird.  Unsere 
Emendation  kommt  in  der  Sache  damit  überein,  hat  aber  den 
Vorzug  sich  graphisch  leichter  erklären  zu  lassen  und  zugleich 
das  Faktum  der  Zerstörung  Jerusalems  mit  den  Lebensthat- 
sachen  Christi  in  innere  Verbindung  zu  setzen.  Für  die  Bedeu- 
tung von  xqIvsg&cu  vergl.  Jes.  66,  16  und  bes.  Clem.  Rom.  I,  11,  1. 
Der  Anachronismus  einer  solchen  Aussage  im  Munde  des  Petrus 
hat  in  der  Literatur  jener  Zeit  nichts  befremdliches.  —  Potter  u.  a. 
fassen  xa&mö  iytyQajtro  als  Einführung  eines  Citates  und  Grabe 
hat  dabei  mit  Recht  auf  l.Petr.  1,  11  hingewiesen.  Aber  so  wenig 
wahrscheinlich  es  an  sich  ist,  dass  der  erste  Petrusbrief  hier  als 
YQacpr]  citiert  sei,  so  wenig  weist  eytygaxro  etwa  auf  ein  ver- 
lorenes ATliches  Apokryphon.  In  Citationsformeln  pflegen  keine 
Praeterita  zu  stehen  (cf.  Clem.  Rom.  I,  42,  5:  kx  yag  örj  jcollcöv 
'/qovcov  syiyQajito  xeql  Lni6x6jia>v  xal  öiaxövcov,  ovtojO 
yäg  jiov  Xtyei  t/  ygacp?']  [Jes.  60,  17]).  Das  Plusquamperf.  ist 
dagegen  sehr  wohl  begreiflich  in  der  Rede  des  Petrus,  wenn 
man  das  folgende  als  Subjekt  dazu  fasst.  Dabei  ist  eine  An- 
lehnung an  1.  Petr.  1,  11  nicht  ausgeschlossen. 

X. 

Strom.  VI,  15, 128:  (xal  fisr'  oliya  exicptgei  näXiv,  &sia  jiqo- 
vola  rao  jiQo^rjzdao  yeysvijo&ai  Jiccgiörao  coös')  iyvcoxa^sr 
yag  ort  o  &eog  avxa  jigoaera^ev  ovtcog,  xal  ovöhv  arep 
ygacpijö  Xsyofisv. 

Nach  Clem.  AI.  reihte  sich  dies  Citat  nach  wenigen  Zwischen- 
sätzen an  das  vorige  an.  Es  ist  in  sich  klar  und  der  Text 
genügt,  ohne  dass  man  mit  Sylburg  oVrcoö  in  ovxwo  zu  korri- 
gieren brauchte. 

Dies  ist  alles,  was  wir  mit  Sicherheit  dem  Text  des  K.P. 
zuweisen  können.  Zur  Verdeutlichung  unserer  Auffassung  des- 
selben folge  zunächst  eine  Übersetzung,  ehe  wir  zu  einer  sach- 
lichen Besprechung  der  Einzelheiten  und  damit  zur  genaueren 
Besprechung  des  Charakters  und  der  Zeit  der  Schrift  fortschreiten. 


26  v.  Dobscliütz,  Das  Kerygina  Petri. 

I.  Petrus  redete  den  Herren  mit  „Gesetz"  und  „Wort"  an. 
IL  Erkennet  also,  dass  ein  Gott  existiert,  der  den  Anfang 
von  allem  gemacht  hat,  und  so  auch  des  Endes  mächtig  ist  .  .  . 
der  Unsichtbare,  der  alles  sieht,  der  Unfassliche,  der  alles  fasst, 
der  Bedürfnislose,  dessen  alles  bedarf  und  durch  dessen  Ver- 
anstaltung alles  da  ist,  der  Unbegreifliche,  Ewige,  Unvergäng- 
liche, Ungeschaffene,  der  alles  geschaffen  hat  durch  sein  All- 
niachts  -  Wort. 

III.  Diesen  Gott  verehrt,  nicht  nach  der  Heiden  Weise;  denn 
von  Unwissenheit  verführt  und  ohne  Gott  zu  verstehen,  verehren 
sie  das,  worüber  er  ihnen  zum  Gebrauche  Gewalt  verlieh,  indem 
sie  Holz  und  Stein,  Erz  und  Eisen,  Gold  und  Silber,  was  doch 
alles  Stoff  ist  wie  sie  und  zu  ihrem  Gebrauche  dient,  Gestalt 
geben  und,  was  zu  ihrer  Lebensexistenz  dienen  sollte,  (als  Götzen) 
aufstellen;  und,  was  Gott  ihnen  zur  Speise  gegeben,  Vögel  der 
Luft  und  des  Meeres  Fische  und  des  Landes  Kriechtiere  und 
das  Wild  samt  den  Vierfüsslern  des  Feldes,  Katzen  und  Mäuse, 
Kater  und  Hunde  und  Affen,  kurz  ihre  eigenen  Esswaaren, 
Essbaren  opfern  sie's  als  Opfer  und,  indem  sie  Totes  Toten  als 
Göttern  darbringen,  entziehen  sie  Gotte  den  Dank  und  leugnen 
damit,  dass  er  existiert. 

IV.  Verehrt  ihn  auch  nicht  nach  der  Juden  Weise;  denn 
auch  jene,  welche  allein  Gott  zu  kennen  meinen,  verstehen  ihn 
nicht,  indem  sie  Engeln  und  Erzengeln,  dem  Monate  und  Monde 
dienen;  und  (nämlich)  wenn  der  Mond  nicht  scheint,  feiern  sie 
den  sogenannten  ersten  Sabbath  nicht,  noch  feiern  sie  Neumond 
noch  Passah,  noch  das  (Laubhütten-) fest,  noch  den  grossen 
(Versöhnungs-)tag. 

V.  So  bewahrt  denn  auch  ihr,  indem  ihr's  heilig  und  gerecht 
lernt,  was  wir  euch  überliefern,  indem  ihr  auf  neue  Weise  Gott 
durch  Christum  verehret.  Denn  wir  finden  in  den  Schriften,  wie 
der  Herr  sagt:  „Siehe  ich  gebe  euch  einen  neuen  Bund,  nicht 
wie  ich  ihn  euern  Vätern  auf  dem  Berge  Horeb  gegeben  habe." 
Einen  neuen  hat  er  euch  gegeben,  denn  die  der  Heiden  und 
Juden  sind  veraltet.  Ihr  aber  seid  Christen  und  verehrt  ihn  als 
solche  auf  neue  Weise,  als  ein  drittes  Geschlecht. 

VI.  Der  Herr  sprach  zu  den  Aposteln:  „Wenn  nun  einer 
aus  Israel  Busse  thun  und  durch  meinen  Namen  zum  Glauben 
an  Gott  kommen  will,  so  sollen  ihm  die  Sünden  erlassen  werden.  — 


§  4.    Erklärung  der  Fragmente.  27 

Nach  zwölf  Jahren  (aber)  gehet  aus  in  die  Welt,  damit  nicht 
jemand  spreche:    »Wir  haben's  nicht  gehört." 

VII.  (Der  Herr  sprach  nach  der  Auferstehung  zu  den  Jün- 
gern:) „Ich  habe  euch  zwölf  Jünger  auserwählt,  da  ich  euch  für 
meiner  würdig  hielt  —  welche  der  Herr  wollte  —  und  glaubte, 
ihr  wäret  treue  Apostel,  indem  ich  euch  aussende  über  die  Welt 
hin,  das  Evangelium  den  Menschen  der  ganzen  bewohnten  Erde 
zu  predigen,  damit  sie  erkennen,  dass  ein  Gott  ist,  indem  ihr 
durch  den  Glauben  an  mich  das  Zukünftige  offenbart,  damit  die, 
welche  es  hören  und  Glauben  fassen,  gerettet  werden,  die  aber, 
welche  nicht  glauben,  in  ihrem  Hören  Zeugnis  ablegen,  ohne 
die  Entschuldigung  zu  haben,  sagen  zu  können:  „Wir  haben's 
nicht  gehört." 

VIII.  Was  immer  einer  von  euch  in  Unwissenheit  gethan 
hat,  da  er  Gott  nicht  genau  kannte,  so  werden  ihm,  wenn  er  ihn 
erkennt  und  Busse  thut,  alle  Sünden  erlassen  werden. 

IX.  Wir  aber  schlugen  die  Bücher  auf,  die  wir  besassen, 
von  den  Propheten,  welche  teils  in  Gleichnissen,  teils  in  Rätseln, 
teils  deutlich  und  wörtlich  Jesum  Christum  nennen,  und  fanden 
sowohl  seine  Ankunft  als  seinen  Tod  und  sein  Kreuz  und  alle 
die  übrigen  Martern,  die  ihm  die  Juden  anthaten,  und  seine 
Auferweckung  und  Aufnahme  in  den  Himmel  vor  Vollziehung 
des  Gerichtes  über  Jerusalem,  wie  alles  das,  was  er  leiden 
musste  und  was  nach  ihm  sein  werde,  aufgeschrieben  war.  Da 
wir  nun  dieses  erkannten,  wurden  wir  gläubig  zu  Gott  durch 
das  auf  ihn  hin  geschriebene. 

X.  Denn  wir  erkannten,  dass  Gott  dies  wirklich  angeordnet 
hatte,  und  nichts  sagen  wir  ohne  Schrift(zeugnis). 

§4. 
Erklärung  der  Fragmente. 

Nunmehr  wird  es  am  Platze  sein,  die  einzelnen  Fragmente 
einer  eingehenden  Prüfung  zu  unterwerfen,  indem  wir  sie  teils 
aus  sich  heraus,  teils  aus  analogen  Stücken  anderer  Schriften 
der  altchristlichen  Literatur  zu  verstehen  suchen. 

ad  I.  Wenn  wir  in  diesen  Fragmenten  den  Herrn  als  Zoyoö 
bezeichnet   finden,  so   fragt  es  sich,  in  welchem  Sinne   dies  zu 


28  v.  Dobschütz,  Das  Kerygma  Petri. 

verstehen  ist.  In  dem  philosophischen  Systeme  eines  Griechen, 
wie  z.  B.  Piatos,  wird  man  nicht  zweifeln,  diesen  Begriff  meta- 
physisch zu  fassen.  Ebenso  steht  es  bei  dem  alexandrinischen 
Juden  Philo1),  bei  welchem  sich  die  griechische  Philosophie  ver- 
mählt mit  Betrachtungen,  welche  sich  ansatzweise  schon  in  der 
ATlichen  Chokma  finden  und  von  hier  auch  in  die  rabbinische 
Schrifttheologie  übergegangen  sind.  Wenn  aber  die  ältesten 
Christen  ihren  Herren  so  bezeichneten,  so  liegt  der  Gedanke  an 
metaphysische  Spekulation  fern.  Jedenfalls  sucht  man  ihn  ver- 
geblich bei  dem  Verfasser  des  4.  Evangeliums,  dem  der  Logos- 
begriff, woher  auch  immer  er  ihn  geschöpft  haben  mag,  nur 
dazu  dienen  sollte,  die  in  der  geschichtlichen  Person  Jesu 
gegebene  volle  Gottesoffenbarung  zu  bezeichnen.  Dieser  Unter- 
schied lässt  sich  am  deutlichsten  durch  die  beiden  deutschen 
Worte  „Vernunft"  und  „Wort"  kennzeichnen,  die  beide  in  dem 
griechischen  Xöyoö  beschlossen  liegen.  Im  letzteren  Sinn  ist 
dasselbe  von  Christo  gebraucht  bei  Johannes  (Ev.  1, 1. 14;  I.  Ep. 
1,  1;  cf.  Apok.  19,  13)  und  ebenso  noch  bei  Ignatius  (ad  Magn. 
VIII,  2;  cf.  ad  Eph.  3:  jkxtqog  yvc6[irj).  Die  Gnostiker  dagegen 
greifen  ganz  auf  den  metaphysischen  Begriff  zurück  und  kom- 
men hierdurch  bis  zu  einer  Trennung  von  Logos  und  Christus, 
oder  doch  wenigstens  dem  geschichtlichen  Jesus.  Ahnlich  ist  es 
bei  den  Apologeten,,  wenn  schon  die  Hellenisierung  hier  nicht 
so  akut  ist.  Sie  halten  die  Identität  des  Logos  mit  Christus  fest, 
aber  dessen  geschichtliche  Person  ist  auch  für  sie  von  geringer 
—  um  nicht  zu  sagen,  keiner  —  Bedeutung.  In  dieser  philo- 
sophisch-kosmologischen  Ausprägung  spielt  der  Begriff  auch  bei 
Clem.  AI.  eine  grosse  Bolle.  Es  ist  daher  wohl  begreiflich,  dass 
dieser  das  angeblich  petrinische  Zeugnis  hierfür  dreimal  erwähnt. 
Dennoch  scheint  der  Gebrauch  des  Begriffes  in  unseren  Frag- 
menten mehr  dem  johanneischen  als  dem  apologetischen  nahe 
zu  kommen.  Wenigstens  ist  in  Fragment  II,  wo  allerdings  eine 
kosmologische  Beziehung  vorliegt,  wenn  man  von  den  Ein- 
tragungen des  Clem.  AI.  absieht,  Xoyoö  sichtlich  unpersönlich 
gebraucht.  —  Die  Verbindung  von  Xoyoo  und  vöfioo  hat  auch 
ihre  Analogie  schon  bei  Plato,  der  das  Wesen  der  slfiaQfisvrj  als 
Xoyov  ci'CÖLOv  xal  vopov  aidiov  bezeichnet  (cf.  Diels  Doxogr.  graec. 


1)  Grossmann,  Quaestioues  Philoneae  II. 


§  4.     Erklärung  der  Fragmente.  29 

p.  323)  und  bei  Philo,  der  den  XoyoG  &£Gtu6o  votuoo  &e~ioG,  vofioG 
aCÖLoo  &eov  rov  alcoviov,  vöftoö  ov  cp&ccQTÖo  nennt 1).  Für  die 
christliche  Ausdrucksweise  mag  jedoch  vor  allem  Jes.  2,  3,  worauf 
Clem.  Alex.  (ecl.  proph.  58,  cf.  Protr.  I,  2)  selbst  führt,  von  Be- 
deutung geworden  sein.  Hier  ist  besonders  zu  vergleichen  Herrn. 
Sim.  VIII,  3,  2:  6  de  vöfioG  ovtog  vloo  rfrsov  Igxl  xt/qvx&eIg 
hg  rä  jtägara  xr\G  yrJG.  Da  wir  den  Text  des  K.P.  nicht  genau 
kennen,  lässt  sich  über  ein  Abhängigkeitsverhältnis  hier  kaum 
etwas  aussagen:  bei  Hermas  kommt  der  Satz  etwas  gezwungen, 
doch  ist  das  nach  seiner  Art  nicht  ungewöhnlich.  Es  scheint 
überhaupt  sehr  zweifelhaft,  ob  man  bei  einer  so  allgemeinen 
Berührung  ein  schriftstellerisches  Abhängigkeitsverhältnis  an- 
nehmen darf,  zumal  sich  die  Bezeichnung  v6[ioG  für  Christus 
auch  sonst  öfter  findet:  besonders  in  den  gnostisierenden  Joh.- 
Acten  des  Leucius:  6  rcov  al&eoicov  vofioG  (p.  247,  6  ed.  Zahn) 
und  6  xfi  ßvfriG&eiGri  iv  apofiia  [tyv/j]]  avx\  vöfiov  lavrov  dei^aG, 
wobei  die  doppelte  —  kosmologische  und  religiös-ethische  — 
Fassung  von  vöfioG  deutlich  ist,  deren  erstere  sich  auf  der  Linie 
Plato-Philo  bewegt,  während  die  letztere  mit  unserem  Fragin., 
Hermas  (1.  c),  den  Stellen  bei  den  Apologeten  (cf.  Just.  Di.  11  no  6. 
14;  43)  und  bei  Clem.  AI.  selbst  (Strom.  VII,  3,  16)  zusammen- 
stimmt. Die  Verbindung  von  löyoG  und  vöpoo,  aber  ohne  die 
specielle  Beziehung  auf  die  Person  Christi  findet  sich  öfter,  z.  B. 
Athenag.  Suppl.  31;  de  resurr.  24;  cf.  Clem.  AI.  Protr.  X,  95.  108; 
Paed.  II,  1,  6. 

ad  IL  „Voraussetzung  des  in  der  Heidenkirche  sich  bildenden 
Dogmas  ist  ein  nur  in  dürftigen  Grundzügen  feststehendes,  sonst 
aber  höchst  bildsames  Kerygma  von  dem  einen  Gott  und  von 
Christus"  2).  Bei' jenem  herrscht  der  Gedanke  der  Weltschöpfung, 
bei  diesem  meist  der  des  Endgerichtes  vor3).  Schon  frühzeitig 
bildet  sich  dann  auch  eine  fast  stereotype  Formel  negativer 
Attribute  für  Gott  aus,  die  sich  zum  Teil  schon  bei  Philo  und  der 


1)  Grossmann  1.  c.  p.  57.  Auch  Gott  heisst  bei  Philo  vöfxoa  leg. 
all.  III.  73). 

2)  Harnack  D.G.2  I,  67.  —  cf.  Ign.  ad  Magn.  VIII,  2;  Altere.  Sim.  et 
Theoph.  I,  6;  —  Clem.  Hom.  II.  12  cf.  XVI,  2,  12;  —  Tert.  Apol.  18;  — 
Acta  mart.  Just.  c.  2  (Otto  II,  270):  ijyoi/xsQ-a  eva  xovzov  iS  ccQ'/rjo  -noirjTrjv 
xal  ÖTjfuovpyov  rfja  neco^a  y.xiatoja. 

3)  cf.  II  Clem.  I,  1  und  dazu  Harnack,  Patr.  Apost.  Opera  I,  2  p.  140. 


30  v.  Dobschütz,  Das  Kerygma  Petri. 

jüdischen  Sibylle  finden1).  Hermas  beginnt  die  Gebote:  jcqcoxov 
jilöTsvöov  oxi  slo  söxiv  o  dsoö,  6  xa  nävxa  xxloaö  xal  xaxaq- 
xiöaö  xal  xoLTjoaö  elö  xö  eivai  xa  nävxa  xal  xävxa  ycoQcöv, 
[tövoö  de  axcoQTjxoO  cor2).  Unserem  Fragment  gleichen  beson- 
ders die  Formeln  der  Apologeten  Aristides 3),  Tatian  (or.  4)  und 
Athenagoras  (suppl.  10).  Bei  diesem  tritt  auch  der  Gedanke  der 
Vermittlung  des  Logos  bei  der  Schöpfung,  wie  er,  auf  Ps.  33,  6 

1)  Für  Philo  cf.  Grossmann  1.  c.  T,  p.  14 sqq.:  ävsmdsrja;  neQiexovxoo, 
ov  %£Qieyojxhov.  —  Wohl  aus  vorchristl.  Zeit  stammt  das  bei  Theoph.  ad 
Autol.  II,  36  aufbewahrte  Prooemium  vv.  7 sqq.: 

sia  9edo  oo  fxövoa  ccq%£i    vntQfzeye&Tjo  dyevtjxoo 
navToy.QÜt(t)Q  doQaxoa    boüv  fiövoa  avxba  anavxa. 

Später,  jedoch  wohl  auch  jüdischen  Ursprungs  sind  die  Verse  (VIII,  375  sqq.): 
UQ%rjv  xal  xskoa  oLSa,     ba  ovquvov  exxioa  xal  yjjv, 
fxovvoa  yao  9-eoo  el/xi    xal  ovx  sgxi  &ebo  akkoa, 

und  390: 

ov  %QyC,o)  9-voItjo,     ov  onovöfjo  vfxsxeQtjtpiv. 

2)  Herrn.  Mand.  I,  1 ;  cf.  Acta  Petri  et  Pauli  58  (Lipsius  p.  204) ;  Acta 
Carpi  etc.  16  (T.  u.  U.  III,  4,  445);  Altere.  Sim.  c.  Theoph.  I,  4;  Theoph. 
ad  Aut.  1,  3;  Iren.  adv.  Haer.  II,  1,  2;  Arnob.  et  Serap.  confl.  543;  Aug. 
altere,  c.  Pasc.  Arian.,  ep.  238,  3  [MPL  33,  1039];  —  ähnlich,  doch  etwas 
anders  gewendet:  Melito  de  aninia  et  corp.  frg.  XIII  (Otto  IX,  419);  wieder 
anders  Tert.  Apol.  17. 

3)  Arist.  Apol.  c.  1  (ed.  Harris  p.  35):  Now  I  say,  tfaat  God  is  not 
begotten,  not  made.  a  constant  nature,  without  beginning  and  without 
end;  immortale  complete  and  incomprehensible.  And  in  saying  that  He  is 
complete,  I  mean  this,  that  there  is  no  deficiency  in  Hirn,  and  He  Stands 
in  need  of  nought,  but  everything  stands  in  need  of  Hirn.  And  in  saying, 
that  He  is  without  beginning,  I  mean  this,  that  everything  which  has  a 
beginning,  has  also  an  end,  and  that,  which  has  an  end  is  dissoluble. 
Dieser  letzte  Gedanke,  verbunden  mit  dem  ersten  unseres  Fragm.,  ist  des- 
halb hochinteressant,  weil  derselbe  zeigt,  wie  auch  diese  metaphysischen 
Spekulationen  letztlich  teleologisch  orientiert  waren.  Nur  bei  einem  Wesen 
von  schlechthiniger  Aseität  und  Erhabenheit  über  alle  sinnlichen  Schran- 
ken konnte  man  gewiss  sein,  dass  es  auch  seiner  selbst  und  der  Welt  so 
mächtig  sein  werde,  um  dieselbe  dem  Ziele,  wonach  man  sich  sehnte,  zu- 
führen zu  können.  Während  nun  aber  der  moderne  reflectierende  Philosoph 
zu  jenen  Sätzen  als  zu  postulierenden  Voraussetzungen  zurückschreitet, 
ging  das  Denken  der  Antike  von  ihnen  als  dem  unumstösslich  gewissen 
aus,  wodurch  leicht  die  teleologische  Wertung  der  Voraussetzungen  ver- 
dunkelt wird.  —  Die  Schlussfolgerung  von  dem  Anfang  auf  das  Ende  war 
der  alten  Philosophie  geläufig,  z.  B.  Cicero,  Cato  major  de  sen.  21,  78.  — 
Philo,  quis  rer.  div.  haer.  c.  24.  —  Eustathius  c.  Arian.  bei  Leontius  IsqÜ 
A,  8  (Lequien,  Joh.  Dam.  II,  314).  —  Mart.  Barth.  4  (Tisch,  p.  248). 


§  4.     Erklärung  der  Fragmente.  31 

ruhend,  besonders  im  Prolog  des  Joh.-Evang.  Gestalt  gewonnen 
hat,  deutlich  hervor  in  der  späteren  durch  die  griech.  Philosophie 
und  besonders  Philo  bestimmten  Form,  während  —  wie  wir 
sahen  —  im  K.P.  diese  auch  nach  diesem  Fragment  noch  unaus- 
gebildet  erscheint,  sofern  XSyoö  hier  unpersönlich  zu  fassen  ist. 
Zu  Xoyoo  övväfiscoG  avrov  kann  man  Hebr.  1,  3  vergleichen  !); 
ganz  anders  sind  schon  die  Tatianschen  Formeln,  obwohl  sie 
vielleicht  auf  Grund  unseres  Fragmentes  gebildet  sein  könnten 2). 
Dass  die  Speculation  des  Clem.  Alex,  über  zrjv  agy^v  unserem 
Fragment  ferngelegen  hat,  ist  schon  oben  besprochen  worden. 
Die  grosse  Mannigfaltigkeit  in  allen  diesen  ähnlich  klingenden 
Formeln  spricht  dafür,  dass  sie  wohl  meist,  ohne  von  einander 
abhängig  zu  sein,  ihre  gemeinsame  Quelle  in  der  durch  ein  Zu- 
sammenfliessen  des  christlichen  Monotheismus  mit  griechischer 
und  jüdischer  Natur-  und  Religionsphilosophie  eigentümlich 
gestalteten  Ausprägung  des  Gottesbewusstseins  der  damaligen 
Christenheit  haben. 

ad  III.  Dass  die  Christen  der  alten  Zeit  den  heidnischen 
Götzendienst  als  lächerliche  Verirrung  beurteilt  haben  (im  An- 
schluss  zu  ATliche  Ausführungen  wie  Jes.  40,  19  sq.;  44,  12  sqq.; 
Sap.  13,  11  sqq.;  15,  7  sqq.),  bezeugt  uns  Celsus  (bei  Orig.  c.  Cels. 
111,  19):  xal  tyfjoiys  tjfiäö  rcöv  tuev  alyvjtrlcov  xarayeXäv  xairoi 

jtoXXä  xal  ov  yavXa  jcagsyövrcov  alvlyfiara svrj&stö  6'  tivat 

(irjösv    osiuv6r£Qoi>    rgccycov  xal    xvvcov    rcöv   üzcxq     alyvjirioiö 

1)  Wenn  man  hier  und  in  unserem  Fragm.  den  Genitiv  nach  hebrä- 
ischer Weise  als  Umschreibung  des  Adjectivs  fassen  darf,  so  käme  noch 
besonders  Sap.  Sal.  18,  15  in  Betracht:  6  navxodvvafxöo  aov  Xoyoo*  eine 
Stelle,  die  überhaupt  für  die  Entwicklung  der  Logosidee  im  Alexandrinisinus 
von  grossem  Interesse  ist,  weil  hier  dasselbe  vom  Logos  ausgesagt  wird, 
was  Ex.  11,  4;  12,  12  u.  ö.  nach  Grundtext  wie  LXX  von  Jahve  selbst 
praediciert  ist. 

2)  Unserer  Stelle  am  nächsten  steht  Tat.  or.16,14  löyu»  &eov  öviäftewo, 
vom  Exorcismus  gebraucht,  wobei  man  schwanken  kann,  ob  darunter  das 
vom  Exorcisten  ausgesprochene  Wort,  oder  speciell  Christus,  der  dabei 
genannt  wird,  zu  verstehen  sei.  Ist  jenes  an  sich  wahrscheinlicher,  so  führen 
auf  dieses  die  Formeln  in  c.  5,  wo  Tatian  seine  Logoslehre  breit  entwickelt: 
6  Xöyoo  TiQoe?.9-u)v  Ix  zija  xov  tiuzqoö  övvÜ/liscdo  .  .  .  ovv  uvzai  diu  ).o- 
yixrjo  övvdfxtojo  xal  avzoo  b  Xöyoo,  bo  r)v  iv  avzüi,  ovvtozrjas  .  .  .  Stoo 
riv  iv  o.Qxf],  zr\v  6h  uq/jiv  "hoyov  övvafiiv  7taQeiXTj<pcc(xev  —  cf.  Altere.  Jas. 
et  Papisc,  nach  Hier  Quaest.  hebr.  in  Genes,  p.  3,  und  dazu  Harnack, 
T.  u.  U.  1,  3,  130—134. 


g2  v.  Dobschütz,  Das  Kerygma  Petri. 

doäyovraG  kv  ralG  jisqI  rov  IrjGov  6ir]y?]G£Giv.  Hiermit  spielt 
Celsus  sicherlich  auf  eine  oder  mehrere  christliche  Schriften  an, 
in  denen  er  den  ägyptischen  Tierdienst  —  aus  apologetischen 
Gründen  —  etwas  verächtlich  erwähnt  gefunden  hatte.  Aus  der 
uns  bekannten  älteren  Literatur  kommen  hierbei  ausser  unserem 
Fragment  vornehmlich  nur  die  betreffenden  Stellen  in  der 
Aristides-Apol.  c.  12  und  der  doch  wohl  ziemlich  alten  Haupt- 
quelle der  Ps.- Clementinen  in  Betracht 1).  Bei  jener  differieren 
die  beiden  Recensionen  stark: 

Syr.:  Now  because  the  Egyp-  Griech.:  alyvnrioi  6h  aßeXrs- 
tians  are  more  ignorant  than  qcotsqoi  xal  ä<poovtGr£Qoi  rov- 
the  rest  of  the  peoples,  these  rcav  bvreG  yslgov  jiävrcov  rcöv 
and  the  like  gods  did  not  suffice  h&vwv  ejtXav?]&7]Gav  . . .  oirivsG 
them,  but  they  also  put  the  name  iirfi  ev  rovroiG  aoxsGfrtvrsG  rj 
of  God  on  the  beasts,  which  rolG  XoucoiG  GeßäouaGi  rcöv 
are  merely  soulless,  for  some  e&vcövxalraaXoyaCoöajtaQsto- 
men  among  them  worship  the  r/yayov  &eovö  eivcu,  riveG  yäo 
sheep,  and  others  the  calf;  and  avrcöv  eGsßaGd-rjGav  jcgoßarov, 
some  of  them  the  pig  and  others  rivho  6h  rgayov,  trsooi  6h 
the  shadfish;  and  some  of  them  fiooyov  xal  rov  yolgov ,  dXXoi 
the  crocodile  and  the  hawk  and  6h  rov  xoqaxa  xal  rov  Uoaxa 
the  cormorant  and  the  kite  xal  rov  yvjca  xal  rov  aerov 
and  the  vulture  and  the  eagle  xal  aXXoL  rov  xqox66uXov, 
and  the  crow;  some  of  them  rtvho  6h  rov  diXovQov  xal  rov 
worship  the  cat  and  others  the     xvva  xal  rov  Xvxov  xal    rov 


1)  Die  Stellen  in  den  Sibyllinen  (Prooem.  II,  21  sqq.;  Lib.  III,  29  sqq.), 
seien  sie  nun  jüdischen  oder  christlichen  Ursprungs,  hätte  Celsus  gewiss 
nicht  zu  den  Schriften  tcsqI  rov  lr\aov  gerechnet.  Iust.  (Ap.  I,  24;  a?J.a>v 
d'/j.ayov  xal  dtvdoa  osßofxävcov  xal  Ttoxafiova  xal  ixxa  xal  aiXovQOVG  xal 
xQOxoöd/.ovo  xal  xüv  dXöywv  Z,wcov  xd  noXXa)  nennt  die  Ägypter  nicht 
speciell.  Athenagoras  (Suppl.  1:  ol  de  Alyvnxioi  xal  alXovQOvo  xal  xqoxo- 
öei'/.ova  xal  o<peia  xal  daniöaa  xal  xvvaa  d-sovo  voßiu,ovai,  cf.  14), 
Theoph.  (ad  Aut.  I,  10:  xl  /not  Xoinov  xaxaXiyeiv  xb  nXrj&oo  dtv  atßovxai 
Quxdv  Alyvnxioi  £Q7iex<jJv  xs  xal  xzrjvwv  xal  &)]qI<ov  xal  nsztivcSv  xal  evvöoüjv 
vrjxxoJv,  zu  6e  xal  noöövinxoa  xal  ))yovo  aloxvvrjO;)  und  Clem.  AI.  (Protr. 
II,  39 sq.,  der  den  Spiess  dahin  umkehrt,  dass  er  den  Tierkult  einerseits 
weniger  anstössig  findet  als  den  Dienst  unzüchtiger  Götter,  andrerseits  aber 
den  —  wie  er  behauptet  —  sich  über  die  Ägypter  belustigenden  Griechen 
selbst  Tierkult  nachweist)  haben  wohl  Celsus  bei  seiner  Polemik  noch 
nicht  vorgelegen. 


§  4.     Erklärung  der  Fragmeute. 


33 


fish  Shibbuta;  some  of  them  the     jri&tjxop  xal  top  öqccxovto.  xal 
dog  and  some  of  them  the  ser-     xt)p  dojclöa  xal  aXXoi  ro  xgo- 
pent  and  some  the  asp  and  others     fivop  xal  rö  gxoqoÖop  xal  axav- 
the  lion  and  others  garlic  and     &aö  xal  xa  Xouid  xriöfiara. 
onions    and   thorns    and   others 
the  leopard  and  the  like. 

Die  clementinischen  Recogn.  (V, 20)  und  Homil.  (X,  16)  stimmen 
dagegen  hier  fast  wörtlich  überein: 

denique  veteres  Aegyptiorum,  avrixa  yovp  xmv  alyvxruop 
qui  de  coelesti  cursu  et  astrorum  vficöv  ol  agy^yärat  ol  xsqI  fis- 
natura  rationem  sibi  visi  sunt  rscoQoXoyLaöavyovvTSOxalrdöv 
reperisse,obsidentesensuseorum  o.gtqojv  rao  tpvGsiG  ötaxQipsip 
daemone  omnibus  nihilominus  ljcayyeXX6tuspot  vjio  xaxtJG 
contumeliis  nomen  incommuni-  airotG  tPÖoyi\uovG//ö  vjtovoiaG 
cabile  subjecerunt.  Nani  alii  jraG)j  avro (sei.  roövoiia)  äzifdct 
eorum  bovem,  qui  Apis  dicitur,  ogop  ro  xaz  avrovG  vjceßaXop. 
colendum  tradidere,  alii  hircum,  ol  tuev  yäg  avxmv  Jtaotdooav 
alii  cattas,  nonnulli  ibim,  quidam  ßovv  top  Xsy6[i£POP  '4jcip  g£- 
serpentem,    piscem    quoque    et     ßsip,  ol  ös  zoayop,  ol  de  aiXov- 

caepasetcloacas,  crepitus  ventris,     qop ol  de  cxptp,   aXXa. 

pro  numinibus  habendos  esse  xal  lyfrvp  xal  XQO[i[iva  xal 
docuerunt  et  alia  innumerabilia  yaöTQ&v  jcvsv flava  xal  oyezovG 
quae  pudet  etiam  nominare  1).       xal    aX  'ymv    £,a>a>p    fieXr]    xal 

aXXoio  fivoioiG  jtäpv   äloxQolö 

axoxt'j^aGip. 
Beide  Schriften  haben  mit  unserem  Fragmente  vieles  gemein- 
sam,  und  doch  stellen  sich  alle  drei  als  so  wesentlich  unterschieden 
dar,  dass  wir  kaum  eine  direkte  Verwandtschaft  zu  behaupten 
wagen,  zumal  wenn  wir  noch  die  auf  S.  32  Anm.  zusammengestellten 
Aufzählungen  bedenken,  welche  sich  noch  leicht,  auch  aus  Pro- 
fanschriftstellern (z.  B.  Juvenal  sat.  XV,  1),  vermehren  Hessen. 
Es  ist  hier  ähnlich  wie  bei  Fragm.  II:  ein  gewisser  Vorstellungs- 
kreis ist  Allgemeingut  der  Zeit  und,  je  nachdem  der  einzelne 
Schriftsteller  das  Kaleidoskop  schüttelt,  gestaltet  sich  das  Bild 
etwas  anders.    Unser  Fragment,  soviel  kann  man  vielleicht  sagen, 


1)  Bezüglich  des  unsichern  Schlusses  dürfte  der  griech.  Text  den  Vorzug 
verdienen;  besonders  cü.oyu  l,ü>cc  ist  stehende  Bezeichnung  für  den  Tierkult. 
ol  öh  l'ßiv  dürfte  im  griech.  Text  nur  per  homoeoteleuton  ausgefallen  sein. 
Texte  u.  Untersuchungen  XI,  1.  3 


34  v.  Dobschütz,  Das  Kerygma  Petri. 

macht  den  andern  gegenüber  den  Eindruck  des  schlichten,  mehr 
in  grossen  Zügen  vorzeichnenden,  ohne  dass  man  es  darum  zur 
Grundlage  für  die  andern  machen  könnte.  Während  jene  den 
Tierdienst  speciell  den  Aegyptern  verweisen  (cf.  Celsus).  nennt 
unser  Fragment  den  allgemeinen  Begriff  tZkr/vsö,  der  hier  wohl 
religiöse  Färbung  hat  (=  Heiden).  Man  kann  hierin  vielleicht 
eine  Hindeutung  auf  aegyptischen  Ursprung  unserer  Schrift,  die 
G.  Salrnon  (Dict.  of  christ.  biogr.  von  Smith  und  Wace,  IV,  329  sq.) 
etwas  kühn  schon  in  der  Erwähnung  von  alXovgoi  erblickt,  finden: 
während  der  aegyptische  Christ  den  ihm  vor  Augen  liegenden 
Tierdienst  allen  Heiden  zuerkannte,  specialisierte  der  gebildete 
athenische  Philosoph  Aristides  den  heidnischen  Cultus  in  die 
drei  Arten:  chaldäisch,  griechisch,  aegyptisch.  Celsus  hatte  wohl 
vor  allem  eben  die  Arist.  Apol.  im  Auge,  in  der  allein  sich  die 
von  ihm  genannten  xgä/oi  xal  xvv&o  finden;  wenn  in  dieser 
über  Götterbilder,  worauf  Celsus  auch  anspielt  (Orig.  c.Cels.  III,  42: 
naQaßäZlcov  xao  avd  Qcojrivao  xov  hfiov  oaQxao  '/qvoüJ  xal 
agyvgcp  xcu  lid-cp  öxi  avxai  exeivmv  <p&aQx6r£Qai),  nicht  so 
detailliert  gehandelt  wird  wie  in  unserem  Fragment,  so  beweist 
das  nicht  die  Benutzung  des  K.P.  durch  Celsus.  Jedenfalls  bietet 
unser  Fragment  nichts,  worauf  sich  die  Worte  des  Celsus  (Orig. 
1.  c.  III,  22)  beziehen  könnten:  Iv  xrö  xa&  rjficöv  Xöyco  öiooxov- 
qovö  xal  TjQaxXta  xal  aoxXrjjitov  xal  öiovvoov  ovojjcc&i  .  .  . 
xal  (frjoiv  ovx  ävtyeo&ai.  (Av  ?](ta6  xovxovo  vofti&iv  frtovo,  öri 
av$QomoL  ijoav ,  während  dieselben  zur  Arist.  Apol.  sehr  gut 
passen.  Denn  auch  vtxga  vsxqoiG  in  unserem  Fragment  lässt 
sich  kaum  als  dritte  Cultusart  (Totenverehrung)  hierherziehen 
(Potter  z.  St.);  es  ist  vielmehr  zusammenfassende  Bezeichnung 
für  den  ganzen  heidnischen  Götzendienst  (cf.  Did.  6,  3;  Act. 
Carpi  etc.  12).  —  Zum  ganzen  Fragment  ist  zu  vergleichen 
Tat.  or.  c.  4  und  9  sq.,  sowie  Just.  Ap.  I  besonders  c.  9  und  24, 
doch  ohne  dass  hier  eine  direkte  Benutzung  unseres  K.P.  ange- 
nommen werden  müsste;  dies  ist  auch  kaum  der  Fall  bei  der 
epist.  ad  Diogn.  c.  2,  wo  zwar  die  gleichen  Stoffe  aufgezählt 
werden,  doch  in  anderer  Reihenfolge  und  anstatt  des  Goldes 
(das  erst  §  7  unvermittelt  auftritt)  öorQaxov;  auch  die  anderen 
Anklänge  im  einzelnen  besagen  nichts:  elö  xtjv  XQTjOiv  rp.lv 
(2,  2,  cf.  4,  2)  —  ov  (pfraQTt/G  vlrfi  xavxa  xävxa;  .  .  .  Ix  xr/o 
avxfjö  vlrjO  (2,  3)  —   elö    xt)v   {iOQ<pi)v   xovxayv   exxvjcojfttjvai 


§  4.     Erklärung  der  Fragmente.  35 

(2,  3)  —  dazu  itrj  xaxct  xd  avxd  lovöaioio  (3,  1;  cf.  K.P.frg.  IV) — 
olofievoi  (3,  4  sq. ;  cf.  K.P.frg.  IV).  —  Zu  (/?}  ijtioxdfitroi  xov 
&s6v  vergl.  Anton,  ep.  ad  comm.  Asiae:  d-Q?joxeiav  öh  xi]v  yiegi 
xov  &eov  ovx  hjiioxctöd-E.  —  Die  Ausführung  unseres  Fragmentes 
erinnert  sehr  an  Rom.  1,  21  sqq.  (vergl.  bes.  auch  die  Betonung 
der  Undankbarkeit);  nur  besteht  der  wesentliche  Unterschied, 
dass  Paulus  das  yvöi'xso,  unser  Verfasser  die  ayvoia  der  Heiden 
betont,  —  beides  an  sich  berechtigte  Anschauungsformen,  doch 
jene  ungleich  tiefer  vom  religiösen  Princip  aus  urteilend  und 
daher  auch  die  ayvoia  als  Schuld  erfassend,  diese  bei  dem 
empirischen  Thatbestand  stehen  bleibend  und  ihn  in  gewisser 
Weise  entschuldigend.  Dies  ist,  nach  aussen  geübt,  gewiss  be- 
rechtigt, ja  von  der  christlichen  Liebe  gefordert  (Luk.  23,  34), 
aber  in  der  Missionspraxis  geübt,  kommt  es  doch  einer  Ab- 
schwächung  der  sittlichen  Empfindung  sehr  nahe. 

ad  IV.  Die  Gleichstellung  der  Juden  und  Heiden  hinsichtlich 
des  Verhältnisses  zu  Gott  und  seiner  Offenbarung  begegnet  uns 
schon  sehr  früh  in  der  altchristlichen  Literatur.  In  gewisser 
Weise  hat  schon  Paulus  solche  Gedankengänge  angeregt.  —  obwohl 
er  doch  immer  den  historischen  Vorzug  Israels  bezüglich  der 
Erwählung  betont  (Rom.  9—11;  Eph.  1,  3—14;  2,  11  sqq.),  — 
indem  er  das  Christentum  als  ein  schlechthin  neues  für  beide 
Teile,  die  gleicherweise  im  argen  liegen  und  darum  gleiches 
Heilsbedürfnis  haben,  zu  begreifen  sucht  (besonders  Rom.  1 — 3; 
Eph.  2,  14  sqq.).  Darüber  hinaus  geht  schon  das  Johannesevan- 
gelium, in  welchem  die  Juden  als  solche  (ol  lovöaloi)  die  Christus- 
feinde sind,  deren  Anspruch  auf  Abrahamssohnschaft  abgewiesen 
und  in  den  Vorwurf  der  Teufelskindschaft  umgesetzt  wird  (c.  8, 
39-  47),  während  die  tXXrjvsö  als  für  das  Heil  empfänglich  und 
darnach  suchend  erscheinen  (12,  20  sqq.:  vergl.  auch  c.  4  die 
Samaritaner) l).  Der  Apokalyptiker  nennt  die  Juden  daher  (2,  9; 
3,  9):  ol  ktyovxeo  lovöalovö  slvai  tavxovo  xat  ovx  äoiv  aD.ct 
Ovvaycoyri  xov  Oaxavä  (cf.  Ps.  Ign.  ad  Trall.  X:  iptvÖoiovdcüoi, 
Ap.  Const.  II,  60  (üidasc):    ol  f/dxrjv  Xsyoiavot   iovöaioi).     Der 


1)  Wie  bei  Johannes,  so  sind  auch  im  Petrus-Evang.  „die  Juden"  eine 
dem  Verfasser  wie  seinen  Lesern  abgeschlossen  gegenüberstehende  Grösse 
und  noch  deutlicher  als  dort  wird  alle  Schuld  auf  sie  gewälzt,  so  sehr, 
dass  Pilatus  an  Jesu  Verurteilung  unschuldig,  dagegen  Herodes  als  der 
Richter  erscheint. 

3* 


36  v.  Dobschütz,  Das  Kerygma  Petri. 

Verfasser  des  Barnabasbrief'es  nennt  sie  verächtlich  sxaivot  und 
behauptet,  dass  sie  den  Gottesbund  schon  im  Moment  des 
Empfanges  verloren  hätten  (4,  8;  14;  cf.  16  o/söor  ydg  coO  ra 
efrvr/  acpitQcooav  avxov  kv  xcö  vawi),  während  der  Verfasser  der 
Didache  sogar  ohne  weiteres  das  vjcoxQixai  der  Herrensprüche 
(Mt.  6,  5.  16)  auf  das  ganze  Judenvolk  bezieht  (c.  8,  1.  2).  Im 
sog.  2.  Clem.-Brief  heissen  sie:  „die  sich  einbilden  Gott  zu  haben" 
(ol  öoxovvxeo  v/uv  xov  &eov  2, 3) 1).  In  der  Apok.  Pauli  (Tischendorf 
p.  66  sq.)  sind  sie  ol  dosßslo  xul  jiaoäcßQovzo'  lovöcüoi  und  ol 
yoioxoxxSvoi ,  ähnlich  bei  Orig.  hom.  in  Lev.  X  und  überhaupt 
in  der  späteren  Literatur,  z.  B.  Ps.-Ign.  ad  Heronem  2;  ad  Trall.Xl; 
Act.  Pilati:  lovöcüoi  jiaodvofioi  (Tisch,  act.  apocr.  p.  304,  306, 314). 
Neben  vielen  Gnostikern,  welche  eine  derartige  Stellung  zum 
Judentum  einnehmen,  ist  hier  noch  besonders  Marcion  zu  nennen, 
der,  auf  Grund  jener  paulmischen  Gedanken  das  Christentum  als 
das  einzigartig  neue  erfassend,  den  Judengott,  von  dem  das 
Gesetz  kommt,  als  das  böse  Princip  behandelt;  ähnlich  heisst  es 
in  den  leucianischen  Joh.  Acten  (Zahn  p.  220):  ol  avotuoi  xai 
vjto  dvöfiov  o<pecoO  vofiofrexovfievoi  lovöcüoi.  Der  Diognetbrief 
nennt  die  jüdische  Religion  r?]v  xmv  lovöaicov  öuoiöaifioviav 
(c.  1)  und  sagt  von  ihrem  Gottesdienst  (c.  3):  ofioioxoojccoö  xi)v 
d-Qt]Oxuav  JTQOödyovoiv  (sei.  als  die  Heiden),  indem  er  ihnen 
den  Unsinn  der  Opfer  als  einer  Gabe  an  den  bedürfnislosen  Gott, 
die  törichte  Ängstlichkeit  in  bezug  auf  die  Speisen,  den  Aber- 
glauben betreffs  der  Sabbathheiligung,  die  Prahlerei  mit  der 
Beschneidung  und  ihre  Verstellung  beim  Fasten  und  der  Keu- 
mondsfeier  vorhält.  Auch  Aristides  in  seiner  Apol.  c.  14  sagt: 
jiao6tuoioi  sloi  zoio  td-vzGiv,  xdv  lyyi^eiv  jccoo  xr\  dXrjfrsla  öo- 
xcöoiv,  indem  er  ihnen  besonders  ihren  wiederholten  Abfall  zum 
Heidentum,  die  Verwerfung  und  Tötung  der  Propheten  und  zuletzt 
Christi  selber  zum  Vorwurf  macht.  Hiervon  weicht  freilich  die 
syrische  ßecension  wiederum  stark  ab,  indem  sie  den  Juden 
zwar  die  wahre  Erkenntnis  des  Monotheismus  zuspricht,  aber 
sagt:  „Ihr  Dienst  gilt  Engeln  und  nicht  Gott,  indem  sie  Sabbathe 


1)  Bei  Hennas  fehlt  eigentümlicher  Weise  jede  Beziehung  auf  das 
Juden volk.  Er  hat  die  Trias:  ölzaioi,  t&vt],  änooräxui  (Vis.  I,  4,  2)  oder 
öixaioi,  e&vj],  afiaQZtoXoi  (Sim.  IV,  3  sq.).  Durch  Sim.  VIII,  6,4;  IX,  19, 1 
wird  es  aber  verboten,  bei  v.tiogxÜxui  im  Sinne  des  Bam.-Br.  an  die  Juden 
zu  denken. 


§  4.    Erklärung  der  Fragmente.  37 

und  Neumonde  und  das  Passah  und  das  grosse  Fasten  und  Fasten 
und  Beschneidung  und  Speisereinheit  beobachten".  Es  ist  nicht 
unsere  Sache,  das  schwierige  Problem  des  Verhältnisses  der  drei 
Recensionen  der  Arist.  Apol.  zu  erörtern.  Im  Hinblick  auf  die 
nahen  Berührungen  der  syr.  Rec.  mit  unserem  K.P.  könnte  man 
an  dieser  Stelle  fast  versucht  sein  zu  glauben,  dass  die  ausge- 
führtere  Darstellung  derselben  aus  letzterem  in  die  Apologie 
hineininterpoliert  sei.  Jedoch  liegt  ein  starker  Beweis  für  die 
Ursprünglichkeit  des  Syrers  grade  für  diese  Stelle  darin  vor, 
dass  Celsus  in  seiner  Schrift,  als  deren  wahrscheinlichste  Quelle 
wir  bereits  die  Arist.  Apol.  erkannten,  deutlich  die  Voraussetzung 
bezeugt,  dass  die  Juden  Engelcult  haben  ]).  Ist  demnach  hier 
die  griechische  Recension  nur  eine  matte  Abschwächung  zu  den 
landläufigen  Vorwürfen,  und  dagegen  die  syrische  ursprünglich, 
so  tritt  aufs  neue  an  uns  die  Frage  nach  der  Verwandtschaft  der 
Arist.  Apol.  mit  dem  K.P.  heran.  Die  Berührungen  sind  auf- 
fallend2), aber  daneben  finden  sich  auch  beträchtliche  Abwei- 
chungen. Schon  generell  gesteht  das  K.P.  den  Juden  doch  nur 
die  gleiche  allgemeine  unbewusste  Beziehung  zu  dem  einen  Gott 
zu,  welche  den  Heiden  eignet.  Bezüglich  des  Cultus  speciell  aber 
differieren   die   Urteile   darin,   dass  Aristides   diesen   an   sich  als 


1)  Orig.  c.  Cels.  I,  26:  ?.tyojv  avrova  Geßeiv  dyye/.ovG  xal  yoi]teia 
nooGxeiG&ai  fjG  b  fxcü'vaija  ccvroTa  ysyovsv  icyyqvr^o.  Origenes  fragt  mit 
Recht  dabei,  wo  Celsus  in  den  mosaischen  Schriften  gefunden  habe,  dass 
der  Gesetzgeber  befohlen  habe  Engel  anzubeten.  Davon,  dass  Celsus 
Grund  für  seine  Aussage  in  christlichen  Schriften  finden  konnte,  schweigt 
Origenes.  Hat  er  keine  solchen  (und  somit  auch  nicht  das  K.P.)  gekannt 
oder  hat  er  sie  verläugnet? 

2)  Herr  Prof.  Zahn  machte  mich  mündlich  darauf  aufmerksam ,  dass 
auch  der  Syrer  ein  Wort  für  Passah  biete,  welches  genau  dem  l'iQv^a 
unseres  Fragm.  entspreche.  Gesch.  d.  Kan.  II,  2,  2  p.  823  hat  derselbe 
demnach  die  Stelle  folgendermassen  ins  Griechische  zurückübersetzt: 
xrjQovwiG  oc'ßßata  xal  vovfi7]iiao  xal  atyfta  xal  ijfxtQav  /j.syä/.rlv  xal 
vtjGzsiav  xal  nsQiroßtjv  xal  xad-agöztjra  ßgcoßdrcDv  icf.  dazu  die  Anni.). 
So  ansprechend  aber  auch  die  Conjektur  rjfxsQuv  (stell)  für  vrjGtsiav  (sa'u) 
ist,  so  ist  die  damit  erzielte  Annäherung  an  das  K.P.  doch  nicht  berechtigt, 
so  lange  man  mit  dem  gegebenen  Text  auskommt.  Dies  ist  aber  der  Fall, 
da  vrjGTsla  eine  gebräuchliche  Bezeichnung  für  den  grossen  Versöhnungs- 
tag (also  dem  Sinn  nach  =  rjfitQa  [.leyü/.yf)  ist  (cf.  Schürer,  Gesch.  des  jüd. 
Volkes  I,  239  A.  22)  und  der  Zusatz  ߣyü).r]  eben  dazu  dient,  den  be- 
stimmten Begriff  von  dem  allgemeinen  zu  unterscheiden. 


38  v.  Dobschütz,  Das  Kerygma  Petri. 

Engeldienst  rügt,  das  K.P.  dagegen  den  Engelcult  neben  einen 
Gestirndienst  stellt  und  mit  diesem  —  nicht  etwa  den  im  Gesetz 
vorgeschriebenen  Zeitencultus  selbst  —  sondern  nur  die  Art  der 
Ausübung,  resp.  Nichtausübung  desselben  in  Verbindung  bringt. 
Diese  eigentümlich  feine  Nüancierung  der  Beurteilung  des  jüdi- 
schen Ceremonials  fordert  zu  ihrem  Verständnis,  dass  wir  etwas 
weiter  zurückgreifen.  ■ — 

Die  alte  Kirche  hatte  ja  hierin  eins  der  schwierigsten  Pro- 
bleme zu  lösen.  Stand  sie,  wie  wir  sahen,  dem  Judentum  mit 
grösster  Feindschaft  gegenüber,  sodass  sie  auch  im  Cultus  nichts 
mit  ihm  gemein  haben  wollte,  so  erkannte  sie  doch  andrerseits 
das  heilige  Buch  Israels,  aus  dem  dieses  seine  Cultusformen 
geschöpft  zu  haben  behauptete,  unbedingt  auch  für  sich  als 
bindende  göttliche  Autorität  an  —  wie  wir  dies  grade  bei  unserem 
Verfasser  zu  Fragm.  IX  sehen  werden.  Dieser  Widerspruch  er- 
forderte irgendwelche  theoretische  Lösung.  Dieselbe  ist  ver- 
schieden versucht  worden.  Teils  knüpfte  man  an  Herrenwoite 
wie  Mc.  7,  13  (cf.  8):  dxvQovvxeo  xov  Xöyov  rov  &sov  xr[  üiaqa- 
ööou  zwv  avdQWjiov  an  und  schied  so  zwischen  dem  gött- 
lichen und  darum  giltigen  Gesetz  und  der  falschen  Weiter-  und 
Umbildung  desselben  im  Pharisäismus,  welche  man  verwarf. 
Doch  die  Christenheit,  welche  uranfänglich  noch  in  Israel  ge- 
standen und  sich  an  dessen  Cultus  beteiligt  hatte,  wofür  man 
sich  auf  Herrensprüche  wie  Mt.  5,  17  (wozu  freilich  v.  18  sq. 
wohl  nur  eine  aus  judaistischem  Interesse  hervorgegangene  ver- 
schärfende Deutung  ist)  berufen  konnte,  gab,  als  sie  sich  durch 
die  Aufnahme  der  Heiden  von  dem  Verbände  des  Judentums 
losmachte,  auch  solche  Teile  des  Ceremonials  auf,  welche  unzwei- 
felhaft dem  Gesetze  als  solchem  angehörten.  So  kam  man  mit 
jener  Deutung  nicht  aus.  Wollte  man  aber  doch  das  Gesetz  als 
ganzes  festhalten,  so  war  dies  nur  möglich  durch  eine  —  ja 
schon  von  den  hellenistischen  Juden  selbst  vorgezeichnete  — 
spiritualistische  Umdeutung  desselben,  sei  es  dass  man  dabei 
die  im  jüdischen  Cultus  bestehende  realistische  Anwendung  als 
berechtigten  Typus  gelten  Hess  (Hebr.-Br.),  sei  es  dass  man  eben 
hierin  die  Gottwidrigkeit  und  Verschuldung  des  Israel  nach  dem 
Fleische  erkennen  zu  müssen  glaubte  (Barn.-Br.). 

Hatte  aber  jene  erste  Auffassung  noch  im  Bereiche  des  Juden- 
tums festgehalten,  so  barg  diese  die  Gefahr  in  sich,  dass  je  mehr 


§  4.     Erklärung  der  Fragmente.  39 

sich  ein  christlicher  Cultus  iu  festen  Formen  ausbildete,  was  auf 
die  Dauer  unvermeidlich  war,  umsomehr  auch  das  principiell 
überwundene  Gesetz  trotz  oder  gerade  aus  der  Höhe  seiner  spiri- 
tualistischen  Deutung  einen  gewaltig  realistischen  Einfluss  auf 
die  Gestaltung  des  christlichen  Gottesdienstes  und  im  Zusammen- 
hang damit  der  christlichen  Gemeinde-  und  Kirch enverfassung 
erlangte,  erst  noch  schüchtern  in  der  Form  der  Analogie  heran- 
gezogen (cf.  I.  Gern.  c.  43),  dann  immer  mehr  als  göttliche  For- 
derung an  die  Christenheit  geltend  gemacht,  bis  zur  völligen 
Übernahme  des  Priester-  und  Opferbegriffs,  wobei  es  nur  noch 
Willkür  heissen  kann,  wenn  einzelnes  fortgelassen  oder  weg- 
spiritualisiert  wurde.  —  So  darf  es  denn  nicht  Wunder  nehmen 
dass  Paulus,  der  grosse  Heidenapostel,  der  zuerst  principiell  und 
mit  voller  Klarheit  die  Scheidung  zwischen  der  neuen  und  der 
alten  Religion  vollzog,  sich  mit  keiner  dieser  beiden  Erklärungen 
begnügte,  sondern  eine  viel  radikalere  Stellung  zum  v6j.ioo  als 
solchem  einnahm.  Zwar  hat  er  auch  jene  beiden  Gedanken- 
reihen: xaxa  xi]v  jmxqccÖooiv  xöjv  avDgcojicov  ist  ihm  die 
judaistische  Lehre  (Col.  2,  8),  wobei  beachtenswert  ist,  dass  er 
v.  16  neben  ßgcöoio  auch  jcöoio  nennt,  was  so  aus  dem  A.T. 
schwer  zu  belegen  ist.  Andrerseits  bezeichnet  er  den  gesetz- 
lichen Cultus  als  oxia  xcöv  fi£/.Xövx<ov  (Col.  2,  17  ganz  analog 
der  Anschauung  des  Hebr.-Br.).  Über  beides  aber  führt  eine  dritte 
Vorstellungsreihe  hinaus.  Wenn  er  Rom.  5,  20  sagt:  v6tuoO  de 
jiaQeiorild-sv,  so  gewinnt  dies  erst  konkrete  Gestalt  dadurch, 
dass  er  Gal.  3,  19,  sich  eine  verbreitete  jüdische  Meinung,  die 
schon  bei  den  LXX  Deut.  33,  2  und  Ps.  67,  IS  angebahnt  ist, 
aneignend  und  dieselbe  zu  Ungunsten  des  Gesetzes  umbiegend 
(was  ihm  nach  auch  Act.  7, 53  und  Hebr.  2,  2  geschehen  ist),  das 
Gesetz  statt  auf  Gott,  auf  untergeordnete  engelische  Mächte 
zurückführt.  Hiermit  geht  parallel  die  Wertung  des  Gesetzes, 
wonach  das  jcagaxrjQElod-at  rjftSQaö  xal  (ifjvao  xal  xaiQOvO  xal 
tviavxovö  ein  dovXsveiv  xolo  oxorytloio  xov  xööfiov  ist  (Gal. 
4,  9;  cf.  v.  3;  Col.  2,  8;  20  und  dazu  Ritschi,  Rechtf.  und  Vers.3  II, 
249 — 255,  sowie  die  Comm.  z.  d.  St.).  Sind  unter  diesen  „Welt- 
elementen", wie  es  der  Zusammenhang  fordert,  geistige  Wesen 
verstanden,  welche  in  irgendwelcher  Verbindung  mit  -den  Sternen 
gedacht  sind,  so  liegt  es  nahe,  diese  mit  den  Gesetzesengeln  zu 
kombinieren.     Und  in  der  That,  wenn  auch  Gal.  4.  9  die  oxoiyßa 


4Q  v.  Dobschütz,  Das  Kerygrna  Petri. 

nicht  so  sehr  als  die  Urheber  des  Gesetzes  wie  als  diejenigen  in 
Betracht  kommen,  auf  welche  die  Ausübung  desselben  hinzielt 
(so  schon  richtig  Theodoret  zu  Col.  2,  8:  axo  yag  rßiov  xal 
osX?]v7]0  rjfitQai  xcä  vvxxsg),  so  macht  es  doch  das  Bild  von  den 
lüilxQOXOi  (Gal.4,2sq.)  wahrscheinlich,  dass  Paulus  hier  die  Oxor/sTa 
auch  als  Urheber  des  Gesetzes  betrachtet  hat.  Fraglich  jedoch 
erscheint  es,  ob  die  gleiche  Identification  auch  Col.  2,  18  ange- 
wendet werden  darf,  wie  schon  Theodoret  ad.  1.  thut:  ol  xm 
vöjjco  Gvi'i/yoQoivztö  xal  xovö  ayyilovo  ötßeiv  avzolo  siöTj- 
yovvxo,  öia  xovxcov  XtyovxtG  ötööö&ai  xbv  vo[iov.  Denn  hier 
tritt  der  Engeldienst  sichtlich  als  ein  neues,  weiteres  Moment 
neben  die  Gesetzesbeobachtung,  ohne  dass  etwas  nötigte  zwischen 
beiden  eine  derartige  Brücke  zu  schlagen.  Vielmehr  deutet  sich 
in  dem  Ausdruck  xajitivoyQOOvv?/  die  andere  Begründung  des 
Engelcultus  an,  dass  man  Gott  selbst  über  menschliche  Anbetung 
und  Verehrung  erhaben  dachte.  So  hat  also  Paulus  einerseits 
den  jüdischen  Gesetzescultus,  weil  von  untergeordneten  Elementar- 
mächten  vorgeschrieben,  auch  als  diesen  geltend  und  darum  jedes 
religiösen  Wertes  bar  erklärt,  andrerseits  daneben  noch  einen 
speciellen  Engelcultus  bei  Juden  resp.  Judaisten  gekannt.  — 

Diese  etwas  weit  ausholende  Erörterung  war  nötig  um  das 
charakteristische  in  der  Beurteilung  des  jüdischen  Cultus  bei 
Arist.  und  in  unserem  K.P.  recht  zu  würdigen.  Beide  ruhen,  wie 
wir  nun  sehen,  auf  paulinischer  Grundlage1).  Aber  während 
Aristides  sich  die  paulinisehe  Auffassung  in  ihrer  ganzen  Schroff- 
heit angeeignet  hat,  wonach  die  Gesetzesbeobachtung  an  sich 
Engeldienst  ist,  bewegt  sich  das  K.P.  in  einer  anderen  Richtung, 
indem  es  den  Engeldienst  von  der  Gesetzesbeobachtung  trennt. 
Wie  der  Verfasser  nun  freilich  sich  jenen  begründet  dachte, 
darüber  erhalten  wir  keinen  Aufschluss.  Doch  genügt  es,  die 
grosse  Bedeutung,  welche  der  Engelglaube  für  die  damaligen 
Juden  gehabt  haben  muss,  als  Erklärung  herbeizuziehen.  Nur 
vermutungsweise    sei    ausserdem    darauf    hingewiesen,    dass    die 


1)  Freilich,  nicht  so  wie  Zahn  (Gesch.  d.  Kan.  II,  2,  2  p.  823)  will  — 
unter  Voraussetzung  der  Hofmannschen  Erklärung  von  Col.  2,  18  (&Q7]0- 
xela  tojv  dyysXmv  Gen.  subj.)  —  dass  beide  das  gleiche  Missverständnis 
dieser  Stelle  teilten,  was  dann  freilich  nicht  wohl  zufällig  sein  könnte 
und  daher  der  beste  Beweis  für  die  Abhängigkeit  des  Aristides  vom 
K.P.  wäre. 


§  4.    Erklärung  der  Fragmente.  41 

symbolische  Abbildung  der  Cherubim  im  Allerheiligsteii  der  Stifts- 
hütte (Ex.  25,  18  sqq.)  und  des  Tempels  (1.  Kön.  6,  23  sqq.  u.  ö.) 
bei  dem  sonst  bildlosen  Cultus  solche  Vorstellungen  in  einem 
Heiden  zu  erwecken  geeignet  war.  Nach  dem  K.P.  und  Arist. 
ist  dieser  Vorwurf  der  Eugelverehrung  übrigens  m.  W.  den  Juden 
nicht  mehr  g-eruacht  worden.  Schon  Justin  hat  ihn  nicht  mehr 
und  mit  vollem  Grunde,  wenn  anders  Ap.  I,  6  Ausdruck  christ- 
licher Engelverehrung  ist  *);  cf.  Athen,  suppl.  X,  24.  Auch  Hermas 
hat  schon  eine  ganz  ausgebildete  christliche  Angelologie,  so  dass 
das  K.P.  hierin  ursprünglicher  erscheint,  während  es  auf  einer 
Stufe  steht  mit  Apok.  19,  10;  22,  8  sq.,  wo  deutlich  und  wohl 
in  bewusstem  Gegensatz  zu  jüdischen  Apokalypsen  die  christliche 
Verwerfung  der  jtgoöxvvrjOiö  vor  Engeln  ausgesprochen  ist2).  — 
Was  aber  den  Vorwurf  des  Gestirndienstes  anlangt,  den  unser 
Verfasser  den  Juden  macht,  so  ist  derselbe  nicht  so  zu  verstehen, 
als  würde  durch  die  Gesetzesbeobachtung  an  sich  etwa  den 
geistigen  Mächten,  welche  mit  den  Sternen  verbunden  gedacht 
wurden,  Verehrung  zu  teil,  weil  von  ihnen  das  Gesetz  stamme 
(so  die  paulinische  Auffassung).  Vielmehr  erblickt  unser  Ver- 
fasser nur  in  einer  von  dem  Gesetz  gar  nicht  verlangten 
abergläubischen  Rücksichtnahme  auf  die  Gestirne  (vornehmlich 
den  Mond)  bei  Erfüllung  des  gesetzlich  vorgeschriebenen  Zeiten- 
cultus3)  eine  verwerfliche  Verehrung  eben  dieser  Wesen.  Wir 
haben  also  hier  eine  auf  dem  Grunde  der  paulinischen  An- 
schauung sich  aufbauende,  aber  davon  zu  jener  ersten  durch 
Mc.  7,  13  bestimmten  Linie  zurücklenkende  Theorie  vor  uns, 
welche  uns  zeigt,  wie  schwer  es  war,  die  grossen  paulinischen 
Gedanken,  welche  in  religiöser  Urkraft  entworfen,  aber  freilich 
nicht  zu   einem   in   sich   widerspruchsfreien  Systeme    ausgebaut 


1)  Diese  eigentümliche,  viel  gequälte  Stelle  mit  ihrer  Tetras  göttlicher 
Wesen  erklärt  sich  unter  Vergleichung  von  1.  Tim.  5,  21,  cf.  Luc.  9,  2(3 
einer-  und  Matth.  28,  19  andrerseits  vielleicht  am  leichtesten  als  eine 
späte  Verschmelzung  zweier  trinitarischer  Formeln,  welche  ihrem  Inhalte 
nach  ursprünglich  ziemlich  identisch  gewesen  sein  mögen,  sofern  nvsvfxa  — 
nvsvfMüxa  (Apok.;  Hebr.  1, 14)  und  uyyel.oi  auf  einer  Linie  stehen —  vergl. 
auch  Ps.-Ign.  ad  Heronem  7;  ad  Trall.  5. 

2)  Beide  Stellen  gehören  z.  B.  auch  nach  Vischer  zu  den  christlichen 
Interpolationen. 

3)  Es  ist  hierbei  sehr  zu  beachten,  dass  nur  von  den  Zeiten,  aber  gar 
nicht  von  Fasten,  Beschneidung  und  Speiseordnung  die  Rede  ist  (anders  Arist.) 


42  v.  Dobschütz,  Das  Kerygma  Petri. 

waren,  festzuhalten.  Das  konnte  in  seiner  Weise  nur  Marcion, 
indem  er  denselben  die  (von  Paulus  jedoch  entschieden  behaup- 
tete) religiöse  Autorität  des  A.T.s  opferte,  nicht  nur  bezüglich 
des  Gesetzes,  sondern  auch  hinsichtlich  der  Verheissung.  Beides 
war  ja  untrennbar.  Die  Kirche  hätte  sonst  wohl  auch  gerne 
jenes  preisgegeben,  aber  diese  konnte  und  wollte  sie  nicht  missen; 
denn  darauf  beruhte  ja  ihr  ganzer  Weissagungsbeweis  (vergl.  zu 
Fragm.  IX).  So  musste  sie  jenes  mit  in  Kauf  nehmen  und  sie 
hat  dann  bald  aus  der  Not  eine  Tugend  zu  machen  gewusst. 

Dies  alles  sollte  dazu  dienen,  den  Unterschied  in  der  Auf- 
fassung des  K.  P.  und  der  Arist.  Apol.  ins  rechte  Licht  zu  stellen. 
Ist  derselbe  nun  auch  als  ein  beträchtlicher  erkannt,  so  würde 
dies  nicht  hindern,  dass  bezüglich  der  Form  doch  eine  Ver- 
wandtschaft bestünde.  Jedoch  lässt  sich  dies  wieder  nicht  aus 
der  einzelnen  Stelle  erweisen. 

Wie  die  ganze  Auffassung  unseres  Fragmentes,  so  ist  m.  W. 
auch  speciell  seine  Darstellung  der  Beziehung  der  Festfeiern  auf 
das  Mondlicht  in  der  christlichen  Literatur  einzigartig  ')  und  hat 
auch  in  der  jüdischen  Tradition  keinen  rechten  Anhalt.  Dass 
allerdings  der  Mond  bei  der  Festsetzung  der  Feiertage  eine 
grosse  Rolle  spielte,  da  ja  die  ganze  Jahreseinteilung  auf  Mond- 
monaten ruhte,  ist  klar  und  wird  bestätigt  durch  Sir.  43,  6  sqq. 2). 
Gewöhnlich  fasst  man  freilich  kav  [ir}  osh]vrj  <pavfi  auf:  sie 
feiern  immer  nicht  zu  der  Zeit,  wo  der  Mond  (regelmässig)  nicht 
scheint.  Diese  Deutung  passt  auch  zu  rov/ij/via,  sofern  es  fin- 
den Griechen,  der  darunter  die  Conjunctur  des  Mondes  mit  der 
Sonne  verstand,  bemerkenswert  war,  dass  die  Juden  erst  das 
Sichtbarwerden  des  Mondes  als  voi\urjvla  rechneten.  Es  dürfte 
aber  der  ganzen  Stelle  mehr  entsprechen,  zu  übersetzen:  wenn 
vorkommenden  Falls   der  Mond   (wegen  besonderer  Witterungs- 


1)  Epist.  ad  Diogn.  c.  4  wird  umgekehrt  das  Widersinnige  in  der 
Herabziehung  der  göttlichen  Stern-  und  Zeitordnung  in  die  niedere  Sphäre 
menschlicher  Gefühlstriebe  wie  Freude  und  Lust  gesehen. 

2)  Das  Buch  der  Jubilaeen  (c.  6)  zeigt,  dass  auch  unter  den  Juden 
die  Nachteile  dieser  Kalenderrechnung  lebhaft  empfunden  wurden  und 
daher  manche  auf  Einführung  des  vollen  Sonnenjahres  von  3G4  Tagen 
drangen,  was  zumeist  cultisch  begründet  wird:  die  Sabbathe,  Neumonde, 
Feste  und  Jubeljahre  sollen  nicht  von  ihrem  rechtmässigen  Platze  fort- 
gerückt werden. 


§  4.    Erklärung  der  Fragmente.  43 

Verhältnisse)  nicht  sichtbar  wird  (während  dies  der  Zeit  nach 
zu  erwarten  wäre).  Dass  nun  um  dieses  gewiss  öfter  eintretenden 
Ereignisses  willen  die  Feste  ausgesetzt  oder  verschoben  worden 
wären,  ist  allerdings  weder  überliefert,  noch  auch  nach  der 
ganzen  Gesetzgebung  denkbar;  aber  einmal  wissen  wir  von  dem 
an  erster  Stelle  genannten  Oaßßarov  xqcözov  überhaupt  nichts 
Genaues  (s.  u.),  und  sodann  berichtet  die  Mischna  von  einer 
Sitte,  welche  immerhin  zu  diesen  Angaben  geführt  haben  könnte  i). 
Bevor  nämlich  Hillel  IL  (z.  Zeit  Constantins  des  Grossen)  den 
jetzigen  jüdischen  Kalender  ausarbeitete,  wurden  die  Monate  stets 
empirisch  bestimmt,  indem  das  am  30.  eines  jeden  Monats  (oder 
wenigstens  der  den  Festen  vorangehenden  Monate)  zu  Jerusalem 
(später  Jabne)  versammelte  Synedrium  oder  eine  Commission  des- 
selben diesen  Tag  für  den  Neumond  erklärte  (das  üJliptt  aussprach), 
wenn  zwei  zuverlässige  Zeugen  die  Mondsichel  gesehen  hatten, 
während  sonst  erst  der  folgende  Tag  gefeiert  wurde.  Diese  durch 
Feuerzeichen  und  Eilboten  im  ganzen  Lande  verkündete  Be- 
stimmung übte  dann  auch  ihren  Einfluss  auf  die  Feier  der 
anderen  Feste,  so  dass  unser  Verfasser  in  gewissem  Sinne  Recht 
hätte,  auch  diese  von  dem  (paivsLV  des  Mondes  abhängig  sein 
zu  lassen.  Die  ausserpalästinensischen  Juden  feierten  allerdings, 
da  sie  die  Neumondsbestimmung  nicht  immer  rechtzeitig  genug 
erfahren  konnten,  die  wichtigeren  Feste  zur  Vorsorge  in  der 
Regel  an  zwei  aufeinander  folgenden  Tagen  2).  Also  würde  unsere 
Stelle,  wenn  wir  sie  richtig  erklärt  haben,  bei  unserem  Verfasser 
Kenntnis    palästinensischer   Zustände    voraussetzen,    welche    bei 


1)  Mischna  tract.  Rosch  haschana;  Maimonides,  Kiddusch  hachodesch; 
cf.  Ideler,  Handbuch  der  Chronol.  I,  152;  R.E.2  IV,  545  sq.;  VI,  493 sq.; 
Schürer,  Gesch.  des  jüd.  Volkes  I,  626  sq. 

2)  Zahn  hat  in  der  Erklärung  des  Petr.-Evang.  (Zeitschrift  für  kirchl. 
Theologie  1893,  S.  16)  gegen  Hamacks  Auffassung  von  v.  58,  wonach  der- 
selbe eine  neue  Erzählung  einleitet  und  diese  auf  den  8.  Tag  des  Festes 
verlegt,  eingewandt,  r\v  de  könne  nur  rückweisende  Kraft  haben,  schliesse 
also  das  vorige  ab  und  zeige,  dass  der  Verfasser  unter  ätpfia  irrigerweise 
ein  zweitägiges  Fest  verstanden  habe.  Schwierigkeiten  stehen  gegen 
Schwierigkeiten  und  die  Entscheidung  ist  schwer.  Sollte  aber  Zahn  Recht 
haben,  so  dürfte  man  sich  mit  der  Constatierung  des  Irrtums  des  Verfassers 
über  das  Passahfest  doch  nicht  genügen  lassen,  sondern  müsste  nach  einer 
Erklärung  für  denselben  suchen  und  eine  solche  scheint  vielleicht  in  der 
oben  genannten  Sitte  der  Diasporajuden  gefunden  werden  zu  können. 


44  v.  Dobschütz,  Das  Kerygraa  Petri. 

einem  Alexandriner  auch  durchaus  denkbar  ist.  Es  ist  aber  auch 
wohl  möglich,  dass  das  von  ihm  berichtete  eine  aller  thatsäch- 
lichen  Begründung  entbehrende  Angabe  ist,  wie  deren  ja  zu 
jener  Zeit  über  jüdische  Riten  viele  in  Umlauf  waren.  — 

Die  Erklärung  von  oaßßarov  xo  Xsyotusvov  jiqcöxov  ist  ver- 
zweifelt schwierig  und  erhält  von  Luk.  6,  1:  oaßßarov  ötvrtQÖ- 
xqooxov  so  wenig  Licht,  dass  sie  vielmehr  dazu  dienen  müsste, 
diese  Stelle,  deren  Erklärung  sich  die  neueren  Exegeten  meist 
entziehen,  indem  sie  die  Frage  auf  die  Textkritik1)  abschieben, 
zu  deuten.  Dies  erreicht  am  besten  Credner,  nach  welchem 
üiqwtov  den  Sabbath  als  einen  ins  Mondlicht  fallenden  bezeichnet, 
welche  man  besonders  heilig  gehalten  habe,  darnach  öevrtgo- 
jiqotov  den  nicht  ins  Mondlicht  fallenden,  minder  heiligen,  was 
zu  Luk.  6,  1  sehr  gut  passt.  Dieser  Erklärung  stehen  aber  ge- 
wichtige Bedenken  gegenüber,  besonders  dies,  dass  der  articulierte 
Singular  auf  einen  bestimmten  Tag  hinweist.  Hier  bietet  sich 
das  rabbinische  bTttH  rQTE  (cf.  oaßßarov  (isjälov  Mari  Polyc.  8, 1) 
für  den  Sabbath  vor  Passah  dar,  wenn  man  jcgcöroO  =  bl"tt  zu 
setzen  wagt2).  Nun  bietet  freilich  die  Reihenfolge  Schwierig- 
keiten, da  doch  der  als  hochheilig  gefeierte  Sabbath  vor  Passah  vor 
aCvfia  zu  gehören  scheint;  doch  könnte  man  sagen,  dass  der  Ver- 
fasser (oder  ein  Abschreiber,  wenn  nicht  gar  Clem.  AI.)  durch 
die  gewöhnliche  Reihenfolge:  Sabbathe,  Neumonde,  Feste  (I.  Macc. 
10,  34;  [Col.  2,  16]  u.  ö.;  dagegen  Just.  Di.  8,  8:  Sabbath,  Feste, 
Neumonde)  zu  dieser  Stellung  veranlasst  wurde.  Hiernach  könnte 
Luk.  6,  1  der  Sabbath  nach  der  Passahoctave  gemeint  sein  (cf. 
Eustathius,  vita  Eutych.  95:  dEvreoojiQolr?]  xvQUXxfi  =  Sonntag 
nach  Ostern),  wobei  nur  die  bei  Lukas  sonst  seltene  genaue  Zeit- 
bestimmung auffällig  ist.    Ganz  befriedigt  auch  diese  Erklärung 


1)  Das  Wort  ist  im  ganzen  gut  bezeugt.  Es  fehlt  bei  sBL  it.6  cop. 
aeth.  etc.  Tisch,  hält  es  fest;  WH  dagegen  betrachten  es  als  zum  occid. 
Texte  gehörig  und  neigen  auch  zu  der  jetzt  meist  acceptierten  Meyerschen 
Erklärung,  das  Unwort  als  aus  Zusammenziehung  einer  doppelten  Glosse 
entstanden  zu  denken,  wobei  man  sich  aber  mit  Unrecht  auf  KT  Min.: 
öevc&QCü  71Q(Öto)  beruft,  da  dies  wohl  nur  aus  jenem  verderbt  ist. 

2)  Die  Beziehung  auf  den  V"n;n  rato  einer  Jahrwoche  (Wieseler)  ist 
etwas  künstlich.  Die  Bezeichnung  JT'OK'ia  rat-  für  den  Sabbath  nach  Laub- 
hütten, an  welchem  der  Cyklus  der  Paraschenvorlesung  aufs  neue  begann, 
wäre  vielleicht  durch  aüßßaxov  tiqiütov  wiedergegeben,  ist  aber  erst  für 
spätere  Zeit  nachweisbar. 


§  4.    Erklärung  der  Fragmente.  45 

nicht;  es  ist  nicht  unwahrscheinlich,  class  es  hiermit  wie  mit  der 
Angabe  über  den  Mondschein  überhaupt  seine  besondere  Be- 
wandtnis hat,  welche  sich  unserer  Kontrole  entzieht.  —  toQTt'j 
entspricht  wohl  dem  hebr.  unn,  welches  das  Laubhüttenfest 
bezeichnet1).  Andere  fassen  es  als  SPIS?,  worunter  man  nach 
Joseph.  Ant.  III,  10,  6  zu  seiner  Zeit  die  Pentekoste  verstand; 
es  ist  jedoch  wahrscheinlicher,  dass  unser  Verfasser  diese,  welche 
z.  B.  in  den  geschichtlichen  Büchern  des  A.T.s  nur  2.  Chron.  8,  13 
und  bei  Ezechiel  gar  nicht  erwähnt  ist,  ausgelassen  habe,  als 
das  so  wichtige  Laubhüttenfest2).  Allerdings  ergiebt  sich  nun 
keine  chronologische  Reihe,  wenn  wir  dann  f/sydZrj  Tjfiega  = 
Sil  Ü72"!*1  auf  den  grossen  Versöhnungstag  beziehen;  aber  die 
Andersartigkeit  dieses  Festes  erklärt  die  Stellung  vollkommen. 
Die  Herbeiziehung  von  Jes.  1,  13  Kipr  snp,  LXX:  r/ftagav  fis- 
yäXrjv  hat  insofern  keinen  Wert,  als  dort  zunächst  nichts  auf 
einen  bestimmten  Festtag  deutet;  man  scheint  jedoch  nach  Just. 
Ap.  I,  37:  fisydXijv  ?jhuigav  vqoxüao  zu  jener  Zeit  die  Stelle 
vom  grossen  Versöhnungstage  verstanden  zu  haben,  was  unserer 
Deutung  zur  Bestätigung  dient3). 

ad  V.  Nachdem  Fragment  III  und  IV  den  heidnischen  wie 
den  jüdischen  Cultus  als  verkehrt,  obwohl  doch  im  Grunde  dem- 
selben einen  Gott  geltend,  dargestellt  haben,  weist  Fragment  V 
auf  den  allein  richtigen  im  Christentum  gegebenen  Gottesdienst 
hin.  Dass  es  sich  an  Fragm.  IV  unmittelbar  angeschlossen  habe, 
folgt  aus  der  Einführung  bei  Clem.  AI.  nicht;  vielmehr  lässt  xai 
nach  coGve  einen  Zwischengedanken  vermissen,  den  wir  leider 
nicht  mehr  kennen.  — ■  Die  Termini  tuav&aveiv  und  jiagadidövai 
von  der  christlichen  Lehre  sind  durchaus  paulinisch  (1.  Cor.  14, 
31.  35;  Rom.  16,  17;  —  Rom.  6,  17;  1.  Cor.  11,  2);  hier  sind 
sie  in  direkte  Beziehung  zu  otßso&ai  xbv  d-sov  gesetzt.  Dies 
erscheint  nach  unseren  Fragmenten  als  ein  Centralbegriff  des  K.P. 


1)  1.  Kön.  8,  2.  65;  Ez.  45,  25;  2.  Chron.  7,  8;  5,  3;  —  Jes.  30,  29  steht 
es  auch  für  Passah,  dies  ist  aber  hier  durch  u'C,viiu  unzweideutig  bezeichnet. 

2)  „Das  Herbstfest  ist  das  Fest  y.uz  tJo//, r,  weil  es  ursprünglich  die 
einzige  Panegyris  war",  Sniend  zu  Ezech.  45,  25. 

3)  Was  unter  tj  ?jtua<ja  xvqlov  i]  fisydkij,  Protev.  Jak.  c.  1  und  2 
(Tischendorf  p.  2  sq.,  4  sq.j  zu  verstehen  sei,  ist  nicht  ganz  deutlich;  es 
scheint  darunter  der  Sabbath  gemeint  zu  sein,  jedenfalls  nicht  der  Ver- 
söhnungstas. 


46  v.  Dobschütz,  Das  Kerygma  Petri. 

Dabei  fällt  eine  Umsetzung  desselben  gegenüber  dem  früheren 
Sprachgebrauch  auf:  oißsiv  und  oäßtG&at  —  bei  den  Classikern 
seit  Homer  ziemlich  unterschiedslos  gebraucht,  verwandt  mit 
G£tuv6o  und  severus,  wohl  auch  mit  osvod  [und  vielleicht  gleicher 
Wurzel  mit  (poßoö,  indem  ö  und  <p  auf  ein  verlorenes  f  hin- 
weisen (cf.  lat.  se,  griech.  t,  otps,  g?«)?]  —  bezeichnet  eine  Be- 
stimmtheit des  Gefühls,  welche  durch  die  Beziehung  des  Menschen 
auf  Gott,  resp.  die  Götter,  und  göttliche  Dinge  hervorgerufen 
wird,  ist  demnach  der  treffendste  Terminus  für  die  innere  Reli- 
giosität und  tritt  als  solcher  in  Parallele  zu  cpoßstG&cu  (Plato, 
legg.  7  p.  798  B)  wie  zu  rifiäv  (Plato,  legg.  5  p.  729  C;  Porph. 
vita  Plot.  LXIII,  5).  In  abgeleiteter  Weise  wird  es  dann  auch 
von  der  Scheu  vor  einem  zu  vollbringenden  Thun  synonym  zu 
aldetofrai  gebraucht  (z.  B.  Moschus  4,  10).  In  jenem  ursprüng- 
lichen Sinne  gebrauchen  es  die  LXX  zur  Wiedergabe  des  hebr. 
X1%  wofür  meist  <poßeZ6&ai  steht.  Im  N.T.  findet  es  sich  über- 
haupt nur  Mt.  15,  9;  Mc.  7,  7  in  der  Wiedergabe  der  Stelle 
Jes.  29,  13  und  in  der  A.G.  des  Lukas,  u.  zw.  hier  zumeist  oeßö- 
fievoi  (abs.  oder  mit  xbv  -Osov)  wie  cpoßovfievoi  von  den  sich 
zur  Synagoge  haltenden,  den  einen  wahren  Gott  Israels  ver- 
ehrenden Heiden  (Proselyten:  13,  43  oeßofisroi  jtQOOrjXvroi,  cf. 
13,  50;  16,  14;  17,  4.  17;  18,  7).  Die  ursprüngliche  Bedeutung 
des  Wortes  weist  noch  am  deutlichsten  das  Compositum  &so- 
üsßrjC  (Joh.  9,  31)  und  davon  &eootߣia  (1.  Tim.  2,  10)  auf,  wäh- 
rend die  —  im  N.T.  besonders  den  Pastoralbriefen  (daneben  nur 
noch  Act.  und  2.  Petr.)  eigenen  —  Composita  svösßtjO,  evösßeia, 
evosßeiv  sowie  deren  weit  häufigere  Contraria  aotßt)o,  aötßHa 
und  aoeßüv  mehr  eine  sittliche  Tugend  (resp.  Untugend)  mit 
deren  Auswirkung  bezeichnen.  Freilich  war  jene  innere  Religio- 
sität für  den  Griechen  nicht  denkbar  ohne  ihre  Ausübung  in 
cultischen  Formen.  Daraus  erklärt  sich  die  Umdeutung  des 
Begriffs  Gtßsod-ai  auf  die  cultische  Form  der  Gottesverehrimg, 
die  sonst  durch  ZatQevsLV  oder  ftoriöxtvELV  bezeichnet  wird '). 
So  ist  otßeGfrai  in  unseren  Fragmenten  gefasst,  was  allerdings 
vorbereitet  ist  durch  einen  Gebrauch  des  Wortes  wie  er  Act.  18,13 


1)  Der  ursprüngliche  Unterschied  zwischen  oeßeiv  und  ÜQTjozeia  ist 
noch  deutlich  ep.  ad  Diogn.  3,  2  zu  erkennen,  während  hier  &soaeßscv  die 
allgemeine  Bezeichnung  der  Religion  ist. 


§  4.     Erklärung  der  Fragmente.  47 

vorliegt,  wie  denn  Act.  17,  23  auch  svotßeiv  einen  cultischen 
Anstrich  gewinnt.  Paulus  gebraucht  dafür  dem  ursprünglichen 
Sprachgebrauch  angemessener  G£ßa£okucu  Rom.  1,  25,  cf.  Gtßaöfia 
Act.  17,  23;  2.  Thess.  2,  4.  Der  Gebrauch  unseres  K.P.  wird  in 
der  späteren  Kirchensprache  ganz  allgemein,  indem  oe'ßeo&ai 
vornehmlich  als  Synonymon  zu  jtQoöxvvüv  erscheint  (Mart.  Polyc. 
17,  2;  Just.  Ap.  I,  6;  Act.  Just.  4;  Greg.  Naz.  Or.  39:  MPG  36. 
341;  Hesych.  s.  v.).  Wenn  nun  dieser  Begriff  in  solcher  Fassung 
als  ein  Centralbegriff  unserer  Fragmente  erscheint,  so  müssen 
wir  sagen,  dass  damit  allerdings  der  religiöse  Charakter  des 
Christentums  völlig  gewahrt  ist  im  Unterschied  von  der  teils 
rationalisierenden  teils  moralisierenden  Betrachtungsweise  der 
Apologeten.  Dennoch  springt  der  Unterschied  in  die  Augen  von 
der  Auffassung  des  Christentums  bei  Paulus  und  Johannes,  wie 
sie  sich  ausspricht  in  den  Begriffscomplexen  jiioxlo  —  öry.caoovv?] 
(ag)£OiO  uiiagriojv)  —  Mitteilung  des  Geistes  —  vlodeoia  einer- 
seits, yväJOLö  und  C,corj  andrerseits.  Bezeichnen  diese  das  Christen- 
tum seinem  innersten  religiösen  Wesen  nach,  so  haben  wir  es 
hier  mit  dem  die  Religion  „darstellenden  Handeln"  zu  thun. 
Von  diesem  ist  bei  Paulus  wenig  die  Rede  (Xargsla  Rom.  12,  1; 
laTQtvuv  Phil.  3,  3;  —  oft  im  Hebr.-Br.),  ebenso  bei  Johannes 
(jigooxvrsiv  bes.  c.  4;  —  sehr  viel  in  der  Apok.).  Dagegen 
kommt  dem  Gedanken  unseres  K.P.  sehr  nahe  die  Betonung 
der  &Q?i<jy.£ia  Jak.  1,  26  sq.,  auch  was  die  inhaltliche  Bestim- 
mung dieses  „Gottesdienstes"  betrifft.  Zwar  über  die  Art.  wie 
das  0£ß£G&ai  stattfinden  soll,  giebt  unser  Fragment  nicht  viel 
Aufschluss.  Es  bietet  nur  die  Bestimmung:  öia  rov  '/qiotov. 
Dass  Christus  Vermittler,  sei  es  initiatorisch,  sei  es  beständig, 
aller  christlichen  Gottesverehrung  ist,  ist  ein  echt  christlicher 
Gedanke,  der  jedoch  später  mehr  und  mehr  zurücktrat,  je  mehr 
man  sich  gewöhnte,  den  Herren  selbst  ausschliesslich  als  Objekt 
der  Verehrung   anzusehen  !).     Wir   werden    uns    nun   aber  wohl 


1)  cf.  Harnack  DG  I.  153  sq.  Die  alte  Auffassung  spricht  sich  noch 
deutlich  aus  Const.  Ap.  (=  Didasc.)  II,  28:  otdh  yaQ  xol  navxoy.QU.xoQi 
&uö  tcqoos/.&üv  sgxiv  suv  fiTj  diä  -/qioxov.  cf.  Eus.  H. E.  VIT,  17 :  \y.exeloai 
diu  -/Qiaxov  xbv  inl  nüvxwv  9t6v;  —  Mart.  Polyc.  bei  Eus.  H.E.IV,  15,  35, 
wo  Christi  Stellung  als  aQ/iSQtvo  erklärend  hinzutritt.  —  NTliche  Belege 
finden  sich  Rom  5,  2.  11;  —  Rom.  1,  8;  7,  25;  16,  27;  Col.  3,  17;  — 
Hebr.  7,  25;   13,  15    21;  —  1.  Petr.  2,  5;  4,  11 ;  —  dazu  1.  Clem.  61,  3; 


48  v.  Dobschütz,  Das  Kerygma  Petri. 

kaum  über  den  Sinn  des  Verfassers  täuschen,  wenn  wir  die 
Formel  öia  xov  ygiöxov  umschreiben  durch  xäö  Ivxolao  xov 
XQiozov  (xaö  öiä  xSv  djcoovoXcov)  cpvXaGOovxso  xal  oolcoo  xal 
öixalcoö  ^cövxeö1):  der  christliche  Gottesdienst  unterscheidet  sich 
eben  von  dem  der  vir]  geltenden  und  mit  den  Mitteln  derselben 
vollzogenen  heidnischen,  wie  von  dem  abergläubisch  untergeord- 
neten Wesen  dargebrachten  jüdischen  als  der  höhere  geistige 
dadurch,  dass  er  sittlicher  Art  ist,  weswegen  der  Autor  ad  Diogn. 
(6,  4)  sagen  kann:  aöoaxoö  avxcöv  r\  &eo6tßeia  {tivu.  Hat  unser 
Verfasser,  was  wahrscheinlich  ist,  die  Art  des  christlichen  Gottes- 
dienstes näher  ausgeführt,  so  ist  dies  gewiss  in  der  Weise  von 
Did.  1 — 6  und  Barn.  18  —  21  geschehen,  womit  auch  die  herrliche 
Darstellung  des  christlichen  Lebens  bei  Aristides  (Apol.  c.  15) 
nahe  verwandt  ist;  an  die  Didache  erinnert  auch  die  Einführung 
als  jcctQüdooiG  xcöv  äjcoöxolcov.  — 

Wichtig  ist  in  diesem  Fragment  ferner  die  bestimmte  Weise, 
in  der  die  absolute  Neuheit  des  Christentums,  die  gleich  massige 
Abrogation  der  beiden  alten  Culte  zu  gunsten  dieses  neuen  dritten 
betont  ist.  Das  Schriftcitat  (Jer.  31,  31  sq.)  giebt  unser  Verfasser 
mit  grosser  Freiheit,  zeigt  sich  dabei  aber  als  einen  sehr  schrift- 
kundigen Mann:  er  giebt  nur  das,  worauf  es  ankommt,  und 
setzt  den  Gottesspruch,  der  eine  Verheissung  enthielt,  in  eine 
praesentische  Ankündigung  um,  woraus  man  wohl  folgern  darf, 
dass  er  unter  xvqiog  Christum  denkt.  Die  Ersetzung  von  oixoo 
hgovoalrju  und  oixoö  iovöa  durch  v[ilv  ergab  sich  von  selbst, 
da  die  Stelle  gegen  Israel  gewendet  werden  sollte.  Auffallend 
ist  nur  die  an  die  Stelle  der  Ausführung  von  Aegypten  getretene 


64.  —  öia  xov  ovö/uazoo  xov  vlov  xal  xov  nvsvpuxoo  xov  äyiov  auch  bei 
Just.  Ap.  I,  65,  ähnlich  Apost.  Const.  VI,  14,  wo  die  Formel  ausgebildet 
ist  zu  öiä  li/oov  -/qioxov  xov  xvolov  i]iJ.ujv  iv  tü>  navayla)  nvsvfxaxi;  — 
recht  deutlich  ist  die  Fortbildung  Cypr.  ep.  XI,  5:  primo  ipsum  Dominum 
rogare,  tunc  deinde  per  ipsum  Deo  patri  satisfacere  debemus. 

1)  ooioo  und  ölxcuoo  finden  sich  so  schon  bei  Plato  vielfach  ver- 
bunden, der  auch  (Gorg.  p.  507  B)  den  Unterschied  dahin  bestimmt,  dass 
jenes  die  religiöse,  dieses  die  ethische  Normalität  bezeichnet.  Die  LXX 
brauchen  diese  Synonyma  mehrfach  zur  Wiedergabe  verschiedener  hebr. 
Wörter  (Dt.  9,  5;  Ps.  144  [145],  17).  Die  Zusammenstellung  findet  sich 
dann  in  den  Apokr.  (z.  B.  Sap.  9,  3)  und  im  N.T.  Luk.  1,  75;  Eph.  4,  24; 
1.  Thess.  2,  10;  Tit.  1,  8  und  ist  besonders  den  Apologeten  geläufig,  cf.  z.  B. 
Theoph.  ad  Aut.  I,  7;  II,  16.  —  II.  Clem.  5,  6. 


§  4.     Erklärung  der  Fragmente.  49 

Näherbestiinmung  iv  OQti  ycogriß,  da  der  Verfasser  die  Stelle  ja 
auch  gegen  die  Heiden  wendet.  Sie  lässt  sich  nur  als  unwillkür- 
liche Reininiscenz  des  frei  citierenden  Schriftstellers  erklären,  der 
sich  entsann,  dass  eine  Zeit-  oder  Ortsangabe  hierher  gehöre, 
aber  nicht  die  der  Stelle  eigene,  sondern  eine  aus  1.  Kön.  8,  9 
(cf.  2.  Chr.  5,  10)  stammende  fand.  Die  Bezeichnung  des  ATlichen 
Gesetzes  als  o  ev  yojgrjß  na^-aido  vdfioo  (cf.  ajto  oqovo  oivä 
Gal.  4,  24)  findet  sich  sonst  noch  bei  Justin.  Di.  11,  hier  vielleicht 
unserem  K.P.  entnommen.  Die  gleiche  Stelle  wird  im  engsten 
Anschluss  an  die  LXX  auch  Hebr.  8,  8  sq.  citiert;  man  hat 
hieraus  die  Benutzung  des  Hebr.-Briefes  in  unserem  Fragment 
wahrscheinlich  machen  wollen;  aber  abgesehen  davon,  dass  dies 
mit  dem  Hebr.-Br.  in  Aeyei  für  cpjjai  (LXX;  dagegen  cod.  FA 
auch  Xtyei)  übereinstimmt,  verhält  es  sich  ebenso  frei  gegen  die 
LXX  wie  gegen  den  Hebr.-Br.,  und  zeigt  in  jenem  Zusatz  eigene 
Kenntnis  des  A.T.s  auf  das  deutlichste.  Dass  beide  am  Schluss 
das  Stichwort  xaivt'j1)  hervorheben,  ist  ganz  natürlich  und  be- 
weist keine  Abhängigkeit.  Die  Ausfährung  des  K.P.  ist  in  vieler 
Hinsicht  schlichter;  freilich,  die  Übertragung  der  Bundesidee 
auf  die  Heiden  und  die  Benennung  der  Christen  als  drittes 
Geschlecht  weist  auf  spätere  Zeit.  —  Die  Neuheit  des  Christen- 
tums ist  besonders  im  Joh.-Ev.  (c.  4 )  durchgeführt;  zu  vergleichen 
sind  ferner  Barn.  5,  7;  7,  5;  2,  6;  15,  7;  16.  8;  —  ep.  ad  Diogn. 
c.  1:  xcuvov  rovzo  ytvoo;  —  Ign.  ad  Eph.  20  cf.  19;  ad  Magn. 
9,  1.  —  Apol.  Arist,  rec,  syr.  c.  16;  —  Acta  Pauli  et  Theclae 
c.  14;  —  Act.  Pil.  16,  7  (Tisch,  p.  284);  Just,  Ap.  I,  61,  1  u.  ö. 
Auch  von  den  Heiden  wird,  freilich  in  anderem  Sinne,  die  Neu- 
heit anerkannt;  Sueton.  Nero  16:  superstitio  nova  et  malefica 
(cf.  Act.  Joh.  Proch.  ed.  Zahn  p.  45  Z.  5),  während  Celsus  einer- 
seits zwar  die  xccivözrjö  des  (id&qfia  in  Abrede  stellt  (1,4;  2,5; 
4,  14),  andrerseits  jedoch  auf  das  „nicht  weit  her"  verächtlich 
hinweist  (1,  26).    —    Die  Gegenüberstellung  der  Christen  einer-. 


1)  Das  K.P.  hat  dafür  an  zweiter  Stelle  väoo,  beide  als  Gegensatz 
rtaXaiöo.  Jener  Wechsel  hat  nichts  zu  bedeuten.  Wollte  man  die  her- 
kömmliche Unterscheidung  (vloo  zeitlich,  xaivoo  sachlich)  hier  anwenden, 
so  ergäbe  sich  ein  ganz  schiefer  Gedanke.  Wie  wenig  man  aber  über- 
haupt jenen  Unterschied  pressen  darf,  zeigt  Eph.  4,  23  sq.:  dvccreovo&cci  .  .  . 
xal  ivövoaoQ-ai  xbv  xaivbv  av&otoTior  verglichen  mit  Col.  3,10:  ivävaa/isvoi 
xbv  viov  [ävS-ocoTiov]  xbv  dvaxaivovfisvov. 

Texte  u.  Untersuchungen  XI,  l.  4 


50  v.  Dobsckütz,  Das  Kerygma  Petii. 

der  Juden  und  Heiden  andrerseits  ist  ein  seit  dem  paulinischen 
Röm.-Br.  in  allen  Variationen  durchgeführtes  Thema.  Was  dabei 
Allegorie  leisten  kann,  zeigt  z.  B.  Hippolyts  Auslegung  der 
Susannageschichte  (Lagarde  p.  147).  Zu  xq'ixov  ytvoö  vergl.  Arist. 
Apol.  2  (rec.  graec.) 1).  Tert.  Scorp.  X;  ad  nat.  1,  8  als  heidnische 
Bezeichnung  der  Christen;  Ps.-Cypr.  de  pasch,  comp.  17  (Hartel  III, 
265;  7),  vielleicht  auch  Test.  XII  patr.  Levi  8.  Der  Name  xQiöxiavoi 
ist,  wo  immer  er  auch  entstanden  sein  mag,  uralt  in  der  Heiden- 
kirche (Act,  11,  26:  26,  28;  1.  Petr.  4,  16;  Apol.  Arist.;  Ign. ; 
Tac  Ann.  15,  44;  Just,  Di.  64;  das  Schreiben  der  Juden  an 
Domitian  in  den  Act.  Joh.  c.  3  (Tisch,  p.  266 sqq.):  B,ivov  ovofia 
~/Qi<jziavöv  (cf.  ibd.  §tvov  ocal  xcuvov  ed-voo).  Es  ist  dies  nur 
zu  betonen  gegenüber  der  Behauptung  einer  judenchristlichen 
Herkunft  des  K.P. 

ad  VI.  Hat  das  vorige  Fragment  uns  die  völlige  Gleich- 
stellung der  Juden  und  Heiden  bezüglich  des  Christentums-  ge- 
zeigt, so  giebt  dieses  nun  willkommenen  Aufschluss  darüber,  wie 
man  sich  damit  die  doch  nicht  wegzuläugnende  Thatsache  der 
historischen  Praerogative  Israels  vermittelte.  —  Vergl.  dazu  be- 
sonders Act.  13,  46,  wo  die  nach  dem  Verfasser  die  gesamte 
paulinische  Missionswirksamkeit  begleitende  Norm  am  deut- 
lichsten ausgesprochen  ist.  —  Es  ist  ein  Stück  Herrenrede,  ge- 
richtet an  die  Jünger  (s.  auch  zu  Fragm.  VII).  Für  Israel  soll 
zunächst  die  Möglichkeit  der  Sündenvergebung  offen  gehalten 
werden.  Als  Bedingung  dafür  wird  der  Glaube  an  Gott  gefordert, 
der  ein  Act  freien  Willens  {dsXrjoij)  ist.  Schon  diese  Auffassung 
des  Glaubens  als  Bedingung  bezeichnet  den  Unterschied  von  der 
paulinischen  Pistologie.  Nicht  die  vertrauensvolle  Hingabe  an 
Gott  und  seine  Gnadenzusage,  welche  die  Gewissheit  der  Sünden- 
vergebung schon  in  sich  trägt,  ist  es,  was  unser  Verfasser  unter 
TtlöTLö  versteht.  Diese  höchste  Auffassung  der  Jiiöxiö  als  fiducia 
scheint  in  der  alten  Kirche  Privateigentum  des  grossen  Heiden- 
apostels geblieben  zu  sein.  Mit  allen  andern  NTlichen  Schrift- 
stellern, insonderheit  auch  Johannes,  teilt  unser  Verfasser  den 
Begriff  der  ji'lGxlO,  wonach  dieselbe  die  zustimmende  Anerkennung 


1)  Wenn  die  syr.  Rec,  welche  eine  Vierteilung  der  Menschheit  ein- 
führt, ursprünglich  ist,  so  würde  dies  nur  das  Abhängigkeitsverhältnis  des 
Aristides  vorn  K.P.  um  einen  Grad  fraglicher  machen. 


§  4.     Erklärung  der  Fragmente.  51 

(asseusus)  des  auf  theoretischem  Wege  erkannten  (notitia)  be- 
zeichnet. Daher  findet  sich  neben  jciörevsiv  slo  xov  dsöv  (in 
unserem  Fragin.)  jcioxsvhv  top  frsm,  auf  die  Autorität  Gottes 
hin  etwas  für  wahr  halten  (Fragin.  IX),  und  das  ebendort  damit 
verbundene  küiiyvövxm  erscheint  durchaus  als  der  übergeordnete 
Begriff.  Auf  die  yvcöoio  Gottes  (Fragin.  II)  und  der  göttlichen 
Heilsveranstaltung  (Pragm.  X)  kommt  es  an;  dazu  verhält  sich 
die  jtiüTiG  wie  ein  untergeordnetes,  selbstverständliches  Moment. 
Nur  darin  könnte  man  vielleicht  eine  Nachwirkung  paulinischer 
Gedanken  erblicken,  dass  dies  Moment  grade  an  den  Stellen,  wo 
es  sich  um  Sündenvergebung  handelt,  etwas  schärfer  hervortritt.  — 
Über  die  Beziehung  zu  der  Fassung  des  Begriffs  in  1.  Cor.  13,  2 
(Mt.  17,  20)  s.  zu  Fragm.  VII.  —  Auch  die  Formel  jtiörsveiv  ela 
&s6v  dcd  ygiörov  oder  6i  dv6tuazo6  ygiörov  ist  unpaulinisch ; 
sie  findet  sich  im  N.T.  nur  1.  Petr.  1.  21.  —  Am  stärksten  ist  der 
Unterschied  von  der  paulmischen  Lehre  markiert  durch  die  Ein- 
fügung des  Begriffes  der  (lerdvoia,  der  —  wie  bei  Johannes 
ganz  —  bei  Paulus  im  religiösen  Sinne  fehlt,  indem  er  an  den 
wenigen  Stellen,  wo  er  sich  bei  ihm  überhaupt  findet  (Rom.  2,  4; 
2.  Cor.  7,  9  sq.;  12,  21:  [2.  Tim.  2,  25]),  den  ursprünglichen  rein 
moralischen  Sinn  hat,  wie  es  denn  auch  ganz  gegen  die  pauli- 
nische  Psychologie  Verstössen  würde,  einer  Umänderung  des  vovo 
unmittelbar  religiöse  Bedeutung  beizulegen.  Der  Gebrauch  des 
Begriffs  in  unserem  Fragm.  schliesst  sich  an  den  in  den  ATlichen 
Apokryphen  üblichen  an,  wo  [izxävoia  im  sittlich  religiösen 
Sinne  eine  centrale  und  habituelle  Abkehr  von  der  bisherigen 
Lebensweise  bezeichnet  (cf.  Cremer,  bibl.  theol.  Wörterbuch  s.  v.). 
Dies  hängt  zusammen  mit  dem  in  dieser  Literatur  herrschenden 
Moralismus.  Denn  wenn  auch  alle  sittlichen  Acte  in  engstem 
Zusammenhang  mit  der  Religiosität  stehen  u.  zw.  zumeist  so, 
dass  sie  in  derselben  begründet  sind,  so  berechtigt  dies  doch 
nicht,  sie  zu  konstitutiven  Momenten  der  Religion  zu  machen, 
wie  dies  hier  geschieht.  Doch  ist  diese  Auffassung  auch  in  einen 
Teil  unserer  NTlichen  Schriften  übergegangen,  besonders  in  die 
lukanischen.  Bei  dem  Täufer  freilich  ist  fierdvoia  die  treffendste 
Charakteristik  seiner  noch  nicht  das  religiöse  Heilsgut  bringenden, 
sondern  nur  die  sittliche  Vorbereitung  dafür  schaffenden  Wirk- 
samkeit; und  Jesu  an  diese  anknüpfende,  sogleich  aber  positiv 
darüber  hinausführende  Anfangspredigt  ist  trefflich   zusammen- 

4* 


52  v.  Dobschütz,   Das  Kerygina  Petri. 

gefasst  Mc.  1,  15:  fitravoelze  xal  moxtvtxt.  Dagegen  ist  im 
weiteren  die  Formulierung  gewiss  vielfach  auf  Rechnung  der 
Evangelisten  zu  setzen,  cf.  Luk.  5,  32  c.  Mt.  9,  13;  Mc.  2,  17;  — 
Luk.  24,  47;  -  Act.  2,  35;  3,  19;  —  17,  30;  26,  20  im  Munde 
des  Paulus!  —  ganz  in  religiösem  Sinne  zu  nehmen  ist  fiexccvoia 
Act.  5,  31  und  11,  18,  wo  dieselbe  als  Gottesgabe  erscheint 
(cf.  I.  Clem.  7,  4)  und  20,  21,  wo  //  eio  freov  fiexävoia  xai  xioxio 
eio  xbv  xvqiov  i](iä>v  irjoovv  yQioxöv  ganz  gleichgesetzt  werden; 
anders  Hebr.  6,  1,  wo  man  fiexävoia  äjcö  vexQcöv  egycov  als 
sittliche  Voraussetzung  der  jiioxio  eio  &eov  fassen  kann,  wie 
denn  der  sittliche  Begriff  12,  17  klar  zu  Tage  liegt,  während  6,  6 
jene  eigentümliche  Übergangsstufe  zwischen  sittlicher  und  reli- 
giöser Wertung  bezeichnet,  auf  welcher  die  später  so  viel  dis- 
cutierte  Frage  nach  der  Wiederholungsmöglichkeit  der  Busse 
(cf.  schon  Hermas)  erst  zu  einer  so  schwierigen  wurde.  Auch 
in  der  Apok.  Joh.  hat  das  Wort  diese  zwiefache  Bedeutung: 
ethisch  ist  es  in  den  sicher  christlichen  Sendschreiben  (2,  5.  16. 
21  sq. ;  3,  3.  19),  dagegen  bezeichnet  es  religiös  den  als  Abwen- 
dung vom  Götzendienst  (kultisch)  und  der  Unsittlichkeit  des 
Heidentums  (ethisch)  beschriebenen  Religionswechsel  (zum  Chri- 
stentum oder  Judentum  (?)  hin:  9,  20  sq.;  16,  9.  11).  In  unserem 
Fragm.  müssen  wir  nun  auch  diese  religiös-sittliche  Bedeutung 
constatieren,  wonach  [lexavoelv  den  Übergang  von  einer  Religion 
zur  anderen  bezeichnet  u.  zw.  mit  der  näheren  Bestimmtheit, 
dass  sich  der  Umschwung  wesentlich  auf  intellectuellem  Gebiete 
vollzieht  (s.  zu  Fragm.  VIII),  ein  echt  griechischer  Gedanke,  den 
aber  Paulus,  in  richtigerer  Würdigung  des  empirischen  Ver- 
hältnisses, durch  seine  Lehre  von  der  occqs  in  ihrem  Widerstreit 
mit  dem  vovö  bereits  überwunden  hatte. 

Der  Übergang  zur  Heiden  weit  wird  durch  einen  ausdrück- 
lichen Befehl  des  Herren  motiviert,  der  die  anscheinend  singulare 
Notiz  enthält,  nach  zwölf  Jahren  sollten  die  Jünger,  Israel  ver- 
lassend, in  die  Heidenwelt  ausziehen.  Die  Aussendungsbefehle  der 
kanonischen  Evangelien  wissen  hiervon  nichts,  auch  die  Erzäh- 
lung der  lukanischen  A.G.  lässt  sich  kaum  damit  vereinigen.  In 
der  ausserkanonischen  Tradition  aber  giebt  es  mehrere  Zeugnisse 
für  diese  Vorstellung  *) :  so  bei  Apollonius,  dem  Antimontanisten 


1)  Resch,  Agrapha.  T.  u.  U.  V,  4,  426  sq. 


£  4.     Erklärung  der  Fragmente.  53 

(Eus.  H.E.  V,  IS,  14):    coo   ex   jcagadiotcoo    xov   ocoti/qcc   cpi]OL 

JlQ00T£Ta%6VCU    XOlO    CCVTOV    CLjlOOxÖloiO     £Jtl     dcöÖSXCl     STSOl     fit) 

ycoQiO&F/i'ca  T/jo  i£Qovoah']tu.  Hier  klingt  Act.  1,  4  au,  vermischt 
mit  der  Tradition  der  zwölf  Jahre.  Da  Eusebius  sagt  coo  ex  jtaga- 
öooecoo,  so  ist  gewiss,  dass  er  selbst  das  K.P.  als  Quelle  nicht 
kannte ;  er  würde  sonst  nicht,  wie  in  ähnlichen  Fällen,  versäumt 
haben,  die  Quelle,  wenn  sie  auch  nicht  genannt  war,  von  sich 
aus  anzugeben.  Auch  die  Benutzung  des  K.P.  durch  Apollonius 
ist  höchst  fraglich;  der  von  Eusebius  gebotene  Text  (besonders 
die  Form  hgovoaXT/u)  spricht  sogar  dagegen.  —  Ein  anderes 
unabhängiges  Zeugnis  bieten  die  Acta  Petri  cum  Simone  c.  5 
(ed.  Lipsius  p.  49) :  adimpletis  XII  annis,  quod  (Zahn  liest  quot) 
illi  (Petro)  praeceperat,  Dominus  Christus  ostendit  illi  visionem 
talem  (sei.  nach  Rom  zu  eilen).  Die  ersten  Worte  können  nur 
als  Anspielung  auf  einen  (nach  Zahn  in  dem  verlorenen  Anfangs- 
teil berichteten?)  bestimmten  Befehl  des  Herren,  zwölf  Jahre  in 
Jerusalem  zu  bleiben,  verstanden  werden.  Ist  dieser  als  allein  an 
Petrus  gerichtet  gedacht,  so  möchte  das  ursprünglicher  sein  als 
die  Vorstellung  des  K.P.  Auch  in  der  späteren  Chronologie  des 
Lebens  Petri  lässt  diese  Tradition  sich  nachweisen;  wenn  man 
seinen  Tod  auf  das  Jahr  67  ansetzte,  so  rechnete  man  25  Jahre 
römischen  Bistums  und  12  Jahre  Aufenthalt  in  Jerusalem  nach 
Christi  Himmelfahrt  (an.  30.  cf.  Hier,  de  vir.  ill.  1).  Auf  ähnlichem 
Umwege  ergiebt  sich  dieselbe  Chronologie  für  alle  Apostel  aus 
folgenden  Daten:  nach  den  Act.  Job.  Proch.  (Zahn  p.  3  sq.)  zogen 
die  Jünger  auf  Veranlassung  des  Petrus,  der  sich  dabei  auf  einen 
Herrenbefehl  berief,  aus  Jerusalem  kurze  Zeit  nach  Marias  Tode 
aus.  Dieser  aber  wird  in  das  11.  Jahr  nach  dem  Tode  Christi 
gesetzt  (Hippol.  Theb.  bei  Basnage,  thes.  mon.  III,  1,  27,  29,  35); 
also  wieder  12  Jahre  Aufenthalt  der  Jünger.  —  Eine  andere 
Gestalt  hat  die  Tradition  in  gnostischen  Kreisen  angenommen. 
Nach  der  Pistis  Sophia  verweilte  Jesus  nach  der  Auferstehung 
11  Jahre  bei  den  Jüngern;  das  12.  Jahr  eben  schildert  jene 
Schrift.  Das  gleiche  wird  gemeint  sein  im  Papyrus  Bruce  *),  wo 
von  den  Jüngern  gerühmt  wird,  dass  sie  Jesu  12  Jahre  gefolgt 


1)  Diese  Notiz  verdanke  ich  einer  freundlichen  Mitteilung  des  H. 
Dr.  C.  Schmidt;  vergl.  jetzt:  Gnostische  Schriften  in  koptischer  Sprache  aus 
dem  Codex  Brucianus  herausgegeben  u.s.w.  von  Dr.  phil.  C.Schmidt.  Leipzig, 
1892.  Texte  u.  Unters.  VIII,  1.  2.  IL  Buch  Jeu  P  57  (S.  196)  und  dazu  S.  439  sq. 


54  v.  Dobschütz,  Das  Kerygma  Petri. 

seien  und  alle  Gebote  gehalten  hätten.  Hier  ist  die  gewiss 
ursprünglichere  Fassung  der  Tradition,  wie  sie  im  K.P.  vorliegt, 
kombiniert  mit  der  gnostischen  Vorstellung  eines  längeren  Ver- 
weilens  Jesu  auf  Erden  nach  der  Auferstehung  (18  Monate: 
Valentin  [Iren.  I,  3,  2]  und  die  Ophiten  [Iren.  I,  30,  14];  545  Tage 
Asc.  Jes.  9,  11  [Dillm.  p.  43]),  welches  man  brauchte,  um  Raum 
für  die  Geheimlehre  zu  gewinnen 1).  Repraesentiert  nun  auch 
unser  K.P.  eine  sehr  alte  Gestalt  der  Tradition,  so  ist  dies  doch 
kein  Beweis  dafür,  dass  die  ganze  Tradition  von  ihm  abhängt. 
Wie  unsicher  dieselbe  aber  überhaupt  ist,  zeigt  deutlich  die 
Parallele  in  dem  pseudoclementinischen  Schriftenkreise,  wo  eine 
7jährige  Wartezeit  vorausgesetzt  wird2). 

ad  VII.  Dies  Fragment  handelt  gleichfalls  von  den  Aposteln 
und  zwar  zunächst  von  ihrer  Erwählung ,  auf  die  der  Herr  zu- 
rückblickt, und  dann  von  ihrer  Aussendung. 

Die  ixXoyr/  der  12  Jünger  ist  eine  historisch  feststehende 
Thatsache  und  es  ist  Hyperkritik,  dieselbe  läugnen  zu  wollen3). 
Sie  wird  von  den  Synoptikern  als  historischer  Vorgang  erzählt 
(Mc.  3,  16  sqq.;  Lk.  6,  13  sqq.;  Mt.  10,  2  sq.)  und  bei  Johannes 
wird  öfter  darauf  zurückgeblickt  (6,  70;  13,  18;  15,  16.  19);  vergl. 
auch  Evang.  Ebion.  bei  Epiph.  Haer.  XXX  (Hügfd.  Nov.  Test, 
extr.  can.  IV,  33).  Auch  in  unserem  Fragm.  ist  lediglich  die 
historische  Erwählung  der  Zwölfe  gemeint.  Der  Aorist  erklärt 
sich  aus  der  Situation  (nach  der  Auferstehung)  und  weist  nicht 
auf  eine  vorzeitliche  Erwählung,  wie  sie  allerdings  bei  Ephr.  Syr. 
(evang.  conc.  exp.  ed.  Mos.  p.  50)  cf.  Mt.  25,  34;  Eph.  1,  4  und 


1)  Über  ein  auch  in  diese  Reihe  gehörendes  Fragment  s.  den  Excurs. 

2)  Rec.  I,  43;  IX,  29.  Diese  Tradition  hängt  vielleicht  mit  einer 
symbolischen  Deutung  der  je  7jährigen  Dienstzeit  Jakobs  um  seine  beiden 
Frauen  zusammen  (Just.  Di.  134),  wenn  nicht  einfach  die  Wochenidee 
wirksam  war,  während  bei  der  12- Jahrtradition  neben  der  Jahres-  resp. 
Monatsidee  sicherlich  auch  die  Beziehung  auf  die  12  Stämme  Israels 
mitspielt  (Bam.  8,  3;  Ev.  Ebion.).  Über  die  Bedeutung  der  Zahlen  12  und  7 
in  den  verschiedenen  Religionen  vergl.  Dupuis,  origine  de  tous  les  cultes 
1,  38  sq. 

3)  Seufert,  Ursprung  und  Bedeutung  des  Apostolates  in  der  christl. 
Kirche  18^7.  —  Mit  obigem  soll  freilich  nicht  gesagt  sein,  dass  wir  auch 
alle  12  Namen  sicher  kennen.  Dagegen  sprechen  schon  die  Differenzen  in 
den  kanon.  Evang.,  mehr  noch  das  frühzeitige  Aufkommen  so  abweichender 
Kataloge  wie  der  der  apost.  Kirchenordnurig  (T.  u.  U.  II  p.  225). 


fj  4.     Erklärung  der  Fragnieute.  55 

bei  manchen  Gnostikern  behauptet  wird  1).  Ein  eigentümliches 
Zeugnis  für  die  Macht  der  Tradition  von  den  Zwölfen  ist  es,  dass 
diese  Zahl  hier  auch  nach  der  Auferstehung  bleibt;  wie  der  Verf. 
sich  dieselbe  gedacht  hat,  ist  nicht  mehr  festzustellen;  möglich 
wäre  es,  dass  er  die  Ersetzung  des  Judas  durch  einen  anderen 
voraussetzte;  auch  ist  zu  bedenken,  dass  die  Worte  der  Herren- 
rede angehören  und  mit  „euch  als  12  Jünger"  übersetzt,  kein 
Urteil  über  den  faktischen  Bestand  der  12-Zahl  enthalten.  Man 
könnte  sogar  meinen,  dass  die  etwas  unsichere  Textüberlieferung 
durch  Auslassung  eines  Herrenwortes  über  den  Ausfall  des  einen 
(Joh.  6,  70)  und  vielleicht  sogar  die  Anordnung  einer  Ergänzung 
entstanden  sei.  Aber  diese  künstliche  Hilfskonstruktion  ist  un- 
nötig, da  sich  die  12-Zahl  ohne  Reflexion  auf  Judas  auch  ander- 
wärts findet.  —  Indem  das  Fragm.  sehr  entschieden  die  Würdig- 
keit der  Jünger  betont,  tritt  es  in  die  Reihe  der  Zeugnisse. 
welche  —  in  scharfem  Gegensatz  zu  der  wohl  älteren,  auf  Mc.  2, 17 
(cf.  Luk.  5,  8)  ruhenden,  am  schroffsten  Barn.  5, 9  ausgesprochenen 
Vorstellung  —  die  Herrenjünger  in  jeder  Weise  verherrlichen. 
Auch  hier  ist  jedoch  unser  Fragment  relativ  alt;  es  bezieht  sich 
nur  auf  die  sittliche  Beschaffenheit  und  weiss  noch  nichts  von 
den  wunderhaften  Übertreibungen  der  späteren2).  Eigenartig  ist 
allerdings,  dass  die  Würdigkeit  als  Grund  der  Erwählung  voraus- 
gesetzt ist,  während  gewöhnlich  nur  auf  die  Zeit  der  eigentlichen 
Jüngerschaft  reflectiert  wird.  Verwandt  sind  Stellen  wie  das 
Fragment  des  Hebr.-Ev.  bei  Eus.  Theoph.  syr.  ed.  Lee  p.  234 3) 
und  Clem.  Recogn.  1,  51,  nur  dass  hier  die  specielle  Beziehung 
auf  die  Zwölfe  fehlt.  —  Zu  a§,ioö  £[iov  cf.  Mt.  10,  37  sqq.  — 
Wichtig  ist  die  Scheidung  und  Xebeneinanderstellung  der  Termini 
ftad-rjral  und  djioozoXoi,  jener  das  Verhältnis  zum  Herren,  dieser 
das  Berufsverhältnis  zur  Welt  bezeichnend.  Auch  dies  spricht 
für  ein  relativ  hohes  Alter,  da  später  (infolge  der  paulinischen 
Ausdrucksweise?)  eben  die  12  iiaü-7/rai  als  die  ajcooxoXot  bezeichnet 


1)  Resch,  Agrapha.  T.  u.  U.  V,  4  p.  299  sq. 

2)  Z.B.  Recogn.  Clem.  8,  5,  wo  es  von  Petrus  heisst:  homo  dei  est, 
plenus  totius  scientiae,  quem  ne  graeca  quidem  latet  eruditio,  quia  spiritu 
dei  repletus  est,  quem  nihil  latet.  —  Mart.  Barth.  2  (Tisch,  act.  apocr.  245  . 

3)  Resch,  Agrapha  p.  393;  Handmann,  Hebr.-Ev.  T.  u.  D.  V,  3  p.  96  sqq. 
Act.  mart.  Just.  2  (Otto  II  p.  270]  würde  auch  hierher  gehören,  wenn  dort 
nicht  statt  fiLÖüoy.a/.oo  xu/.wv  i-iu&rjxiöv  zu  lesen  wäre  jxa^rjßäxojv. 


56  v-  Dobschütz,  Das  Kerygma  Petri. 

werden  (so  schon  Lukas,  cf.  Evang.  Ebion.).  —  Die  Bezeichnung 
jtiGxÖG  für  Anitsträger  ist  ganz  allgemein  (1.  Cor.  4,  2;  besonders 
oft  von  Nuin.  12, 7  herübergenomrnen :  Hebr.  3,  2;  Clem.  Rom.  1, 43 
cf.  42,  3;  Just.  Di.  46  u.  ö.  —  jiigtov  ?}ytlG&cu  mit  Beziehung 
auf  die  öiaxovia  1.  Tim.  1,  12;  von  den  (iad-tjxcu  speciell  jttGxol 
XoyiG&tvxeG  vjc  avxov:  ep.  ad  Diogn.  app.  c.  11,  2).  —  Dass  hier 
die  Apostel  gleich  über  die  Welt  hin  ausgesendet  werden,  wider- 
spricht dem  vorigen  Fragment  nicht,  da  auch  dort  Weltmission 
in  Aussicht  genommen  wird;  dabei  ist  zu  beachten,  dass  dort 
slo  xov  xooftov,  hier  sjcI  xov  xÖGfiov  steht:  jenes  scheint  den 
Gegensatz  zu  Israel  in  sich  zu  schliessen,  von  welchem  hierin 
nichts  liegt.  Dies  macht  es  wahrscheinlich,  dass  Fragm.  VII 
dem  vorigen  vorangegangen  ist.  —  olxovfievfj  ist  ein  sowohl  bei 
den  LXX  als  im  N.T.  gebräuchlicher  Ausdruck.  Die  ungriechische 
Construktion  svayyeXl^eo&ai  xiva  rindet  sich  bei  Paulus,  Lukas 
und  1.  Petr.  1,  12.  —  Als  Inhalt  der  Predigt  wird  ungefähr  das- 
jenige angegeben,  was  wir  in  Fragm.  II  aus  Petri  Munde 
hörten:  die  Erkenntnis  des  einen  Gottes,  öiä  xrjG  jiigtsooo  t{i?/G 
kann  man  zu  yivcoGxeiv  ziehen  (cf.  Fragm.  VI:  öia  xov  ovo- 
fiaxöo  [iov  tiiOxevuv  lütt  xov  d-eov),  oder  —  und  das  ist  der 
Stellung  entsprechender—  zu  dr/Xovvxao:  Der  Glaube  an  Christum 
ist  Quelle  und  Mittel  für  die  Erkenntnis  der  Zukunft,  d.  h.  des 
Gerichtes  und  der  darauf  folgenden  Herrlichkeit  des  Gottesreiches. 
Unter  üi'iGxlg  ist  hier  natürlich  jene  charismatische  Kraft  des 
zuversichtlichen  Fürwahrhaltens  der  göttlichen  Verheissung  ge- 
meint, welcher  es  ein  leichtes  ist,  Bäume  zu  entwurzeln  (Luk.  17,6), 
Berge  zu  versetzen  (Matth.  17,  20)  und  die  darum  auch  den 
Schleier  von  den  göttlichen  Mysterien  wegzuziehen  im  stände  ist 
(1.  Cor.  13,  2,  wo  Paulus  in  einer  Reihe  jiQoq>?]xeia,  [ivGxrjQia, 
yvcoGiG,  üt'iGxiG  nennt).  Diese  Mysterien  der  Zukunft  des  Reiches 
Christi  waren  ja  ein  Hauptgegenstand  der  Beschäftigung  für  die 
alte  Christenheit,  in  dem  Masse,  dass  Joh.  16,  13  dvayyeXtl  xä 
EQXOfisva  als  die  spezifische  Function  des  Geistes  erscheint. 
Jedoch  ist  es  nicht  ursprünglich,  wenn  das  ganze  Kerygma  in 
der  Weise,  wie  es  in  unserem  Fragm.  geschieht,  auf  Eschatologie 
reduciert  wird.  Nicht  die  Predigt  vom  Kreuz  und  der  darin 
offenbaren  göttlichen  Gnade,  sondern  die  Schrecken  des  Gerichtes 
und  die  Freuden  der  künftigen  Herrlichkeit  —  das  verstand  man 
damals   unter  xä  idliovxa  —  sind  es,   wodurch   die  Welt  zum 


?;  4.     Erklärung  der  Fragmente.  57 

Glauben  an  Christum  bewogen  und  damit  allerdings  auch  gerettet 
werden  soll.  Die  Verbindung  der  ji'loxlo  mit  dem  sichtlich 
eschatologisch  gefassten,  dem  auf  das  göttliche  Gericht  hinwei- 
senden ftaQTVQtjOcoOL  gegenüberstehenden  ocöCso&ai  ist  so  der 
paulinischen  Denkweise  auch  durchaus  fremd,  welche  zwar  die 
endliche  Errettung  auch  stark  betont,  besonders  als  Gegenstand 
der  sIji'ig  (Rom.  S,  24),  aber  in  und  mit  der  jiloxio  ein  gegen- 
wärtiges Heilsgut  zu  besitzen  sich  bewusst  ist  (Rom.  5,  1).  Im 
Ausdruck  erinnert  jedoch  auch  hier  manches  an  Paulus:  ovx 
ajtoXoyiav  v/jllv  cf.  Rom.  1,  20;  2,  1;  zu  dem  Gedanken  der 
Unentschuldbarkeit  vergl.  Joh.  15,  22  sqq.  Bemerkenswert  ist, 
wie  in  unserem  Fragrn.  (cf  auch  Fragrn.  VI)  das  Streben  darauf 
hinausgeht,  die  eigne  Verantwortlichkeit  des  Menschen  zu  betonen. 
Dies  geschieht  in  sehr  ähnlicher  Weise  act.  Thoni.  2S:  ovx  tyet  xio 
löyov  axoXoylao  titXXoiv  jra(f  avxov  XQiveö&aL,  coö  //?}  axovöaö' 
oi  yäg  xrjgvxsö  avxov  uo  xa  xtooaga  xliiiaxa  xtjo  olxov/ievqö 
xrjQvooovoiv.  tutxayi'cöxE  ovv  xdi  jcioxsvoaxe  ....  Hier  sind 
die  Anklänge  so  gehäuft,  dass  man  vielleicht  nicht  mit  Unrecht 
Abhängigkeit  von  dem  K.P.  annehmen  dürfte.  An  den  Schluss 
unseres  Fragm.  erinnert  auch  Theoph.  ad  Aut.  I,  14:  ojiojo  ij 
tf/fiäoxvQa  näoiv,  üiqog  xo  tu?}  dsibiv  xivuo  oxi  ovx  rjxovOafiev 
ovös  syvmpsv,  nur  freilich  mit  dem  bedeutungsvollen,  die  spätere 
Entwicklung  bekundenden  Gedankenunterschied,  dass  damit  nicht 
auf  die  apostolische  Predigt  reflectiert  wird,  sondern  auf  die 
universelle  Heils  Vorbereitung  durch  den  —  göttlich  gewollten  und 
vorgesehenen  ■ —  Diebstahl  der  Philosophen  an  den  ATlichen 
Propheten. 

ad  VIII.  Zwar  wird  Fragm.  IV  auch  von  den  Juden  gesagt, 
dass  sie  oiofisvoi  xov  &söv  yivcooxtiv  ovx  hmGxavxcu,  aber  es 
ist  doch  bedeutend  wahrscheinlicher,  dass  diese  Verheissung  der 
Sündenvergebung  hier  an  Heiden  gerichtet  sein  soll.  Als  Be- 
dingung für  die  Sündenvergebung  ist  die  fizzccvoia  bezeichnet 
(s.  zu  Fragm.  VI),  hier  näher  bestimmt  als  der  Umschwung  von 
der  ayvoia  zu  der  IjilyvmGio  Gottes.  Wenn  allerdings  auch 
yivcooxeiv  in  der  ältesten  christlichen  Literatur  einen  ethisch  ge- 
färbten Sinn  hat,  so  bleibt  diese  Erklärung  der  (tsxavoia  doch 
sehr  eigenartig  und  weist  eine  bereits  veränderte  christliche 
Denkweise  auf  (cf.  Herrn.  Mand.  IV,  2,  2:  (texavoia  ovvsoio  koxiv 
fisyaXi]),  welche  sich  mit  der  spätjüdischen  nahe  berührt  (cf.Test  XII 


58  v-  Dobschütz,  Das  Kerygina  Petri. 

patr.  Gad  5).  Aus  der  Verbindung  der  ijtiyvoJOiö  Gottes  mit  der 
(isravwa  kann  für  jene  nur  gefolgert  werden,  dass  darunter  die 
Erkenntnis  des  fordernden  Willens  Gottes  gemeint  ist.  Nehmen 
wir  hinzu,  was  wir  aus  Fragm.  II  über  die  yvmöiG  Gottes  erkannten, 
so  finden  wir,  dass  dieselbe  unserem  Verfasser  teils  eine  speku- 
lative, teils  eine  gesetzliche  ist.  Was  wir  als  das  wesentliche 
der  christlichen  Gotteserkenntnis  zu  schätzen  gewohnt  sind,  die 
Erkenntnis  der  Gnade  Gottes,  fehlt  hier.  Das  hängt  aber  innig 
zusammen  mit  der  mangelhaften  Wertung  der  Sünde.  Alle  vor 
der  Taufe  begangenen  Sünden  werden  als  Unwissenheitssünden 
beurteilt.  So  denkt  mit  unserem  Verfasser  fast  die  ganze  alte  Chri- 
stenheit; cf.  Act.  17,  30;  1.  Petr.  1,  14;  1.  Tim.  1,  13;  Apol. 
Arist.  17  (rec.  Syr.);  act.  Joh.  Leuc.  (Zahn  p.  241  sq.);  act.  Thom. 
38.  55  sq.;  altere.  Simonis  et  Theoph.  VIII,  36;  Herrn.  Mand.  IV, 
1,5;  Sim.  V,  7,  3  sqq.;  Tert,  de  pud.  10;  Clem.  AI.  Protr.  X,  100. 
Auf  das  gleiche  kommt  es  hinaus,  wenn  Ign.  (ad  Eph.  19)  den 
Anbruch  der  christlichen  Zeit  als  ayvoia  xa&ijotfrr]  charakterisiert; 
wenn  die  Taufe  als  (poirioiwö  gilt,  der  der  avayx?/  und  der 
ayvoia  entnimmt  (Just.  Ap.  I,  61);  und  wenn  noch  Tert.  (Ap.  39) 
die  Christen  beschreibt:  qui  de  uno  utero  ignorantiae  eiusdem  ad 
unam  lucem  expaverint  veritatis  (cf.  de  bapt.  1). 

ad  IX  und  X.  Diese  Fragmente  geben  einen  interessanten 
Beitrag  zur  Geschichte  des  Weissagungsbeweises  in  der  Heiden- 
kirche, welche  bekanntlich  das  ihr  vom  Judentum  her  überkom- 
mene A.T.  sich  bald  so  sehr  als  ihre  Autorität  aneignete  (so  schon 
Paulus  Rom.  4,  23 sqq.;  1.  Cor.  10,  6  sqq.),  dass  sie  es  jenem 
abzusprechen  wagte  (ßarn.-Br.),  weswegen  es  grundfalsch  war, 
wenn  man  auf  Grund  unserer  beiden  Fragmente  den  judenchrist- 
lichen Charakter  des  K.P.  beweisen  zu  können  meinte1).  Dass 
die  Fragmente  als  Teile  einer  Rede  an  Heidenchristen  zu  denken 
sind,  zeigt  schon  das  feindliche  oi  lovöaloi.  Zunächst  ist  zwar 
nur  von  den  Aposteln  die  Rede,  welche  ihren  Glauben  durch  die 
heiligen  Schriften  erlangt  haben  sollen;  aber  dies  wird,  wie 
Fragm.  X  besagt,  nur  betont,  weil  das  gleiche  auch  weiterhin 
bei  der  Mission  unter  den  Heiden  gelten  soll.  Man  kann  zwar 
noch  ein  Bewusstsein  davon  spüren,  dass  diese  doch  noch  keine 
eigene  Schriftkenntnis  haben  können;  aber  es  wird  ihnen  zugemutet, 


1)  Z.B.  Credner,  Gesch.  des  Kanon  p.  28. 


§  4.     Erklärung  der  Fragmente.  59 

den  Aposteln  die  Schriftgemässheit  ihrer  Predigt  aufs  Wort  zu 
glauben,  und  eben  in  dieser,  welche  ja  freilich  bei  der  Juden- 
mission von  eminenter  Bedeutung  gewesen  war  (cf.  z.  B.  Act. 
3.  22  sqq.;  17,11),  erblickt  unser  Verfasser  auch  das  wirksamste 
Motiv  zur  Bekehrung  der  Heiden.  Es  scheint  dies  in  unserer 
Schrift  einfach  noch  in  Form  eines  religiösen  Postulates  vorge- 
tragen worden  zu  sein.  Die  theoretische  Subconstruktion  dazu 
haben  erst  die  Apologeten  geleistet,  indem  sie  mit  erstaunlicher 
Gelehrsamkeit  und  grossem  Fleisse  in  chronologischen  Deduktionen 
den  Beweis  für  das  hohe  Alter  und  die  Priorität  ihrer  ATlichen 
Gewährsmänner  vor  den  gefeiertsten  Autoritäten  der  klassischen 
AVeit  zu  erbringen  sich  bemühten.  —  Übrigens  ist  die  Schrift- 
erkenntnis in  unserem  Fragin.  nicht  so  sehr  Grund,  als  nur  Mittel 
des  Glaubens.  In  der  Übereinstimmung  von  Weissagung  und 
evangelischer  Geschichte  wird  eine  Bestätigung  (ovzcoo)  für  die 
göttliche  Anordnung  beider  gesehen.  So  darf  man  auch  den 
Aorist  smöTivOctfisv  nicht  dahin  pressen,  als  sei  damit  gesagt, 
dass  die  Jünger  überhaupt  erst  nach  der  Auferstehung  oder 
Himmelfahrt  durch  Schriftstudium  zum  Glauben  gekommen  seien. 
Dies  besagt  ja  auch  nicht  die  ganz  ähnliche  Bemerkung  Joh.  2,  22 
(cf.  14,  29),  wo  nur  zur  Schrift  noch  das  Herrenwort  hinzutritt: 
denn  nach  der  Darstellung  des  Johannes  (2,  11;  6,  68  sq. ;  16,  30) 
kann  es  sich  für  die  Jünger  nur  um  den  Eintritt  einer  Glaubens- 
mehrung oder  -Stärkung  handeln.  So  wird  es  auch  in  unserem 
Fragment  gemeint  sein  l).  —  Quellen  des  Weissagungsbeweises 
sind  die  ßißXoi  rcöv  JiQOcpqrcöv,  d.  h.  das  ganze  alte  Testament 
(Clem.  R.  I,  43,  1;  II,  14,  2;  2.  Petr.  3,  2;  Can.  Mur.  77  sq.: 
Just.  Ap.  I,  67;  bes.  36).  Der  Titel  nQOtyrfiai  scheint  auf  die 
ATlichen  beschränkt  zu  sein;  in  der  eschatologischen  Stelle 
(Fragm.  VII)  fehlt  er  wenigstens.  —  Sehr  interessant  ist  die 
Unterscheidung  einer  dreifachen  Art  der  Weissagung:  parabolisch, 
aenigmatisch,  deutlich  oder  wörtlich.  Dies  weist  auf  eine  schon 
ziemlich  ausgebildete  exegetische  Methode,  wie  sie  sich  wohl 
zuerst  in  Alexandrien,  dem  Sitze  der  philonischen  Allegorese. 
auch    in   christlichen  Kreisen    ausgebildet  haben  wird.     Dorthin 


1)  Anders  freilich  steht  es  Theoph.  ad  Aut.  I,  14,  welche  Stelle  sich 
♦wie    ein  Beispiel    zu    der  Regel   unseres  Fragmentes    ausnimmt.     Theoph. 
selbst  war  ungläubig,  aber  nun  glaubt  er  ntid-uQ'/jHv  9ecö,  nachdem  er  sich 
in  die  göttlichen  Schriften  der  heiligen  Propheten  vertieft  hat. 


ßQ  v.  Dobschütz,  Das  Kerygrna  Petri. 

weist  auch  der  Kanon  der  orientalischen  Schule  Valentins  be- 
züglich der  Herrensprüche  (Clem.  AI.  exe.  e  Theod.  66):  o  öcqx?)q 
xovo  ajtoörolovö  eöiöaoxev,  xd  [iev  jcgmxa  xvjcixäö  xal  fivCxi- 
xeoö,  xd  de  vöxega  jtagaßoXixcöö  xcä  yviyfievwö,  xd  de  tq'ltcc 
öcupcoö  xal  yvfivaJö  xard  fiovao  Hier  ist  die  Herrenlehre  also 
als  dreistufig  gedacht;  jzagaßohxcoö  xal  ijviyfievaxj  bilden  zu- 
sammen die  zweite  Stufe;  damit  sind  aber  beide  nicht  als  iden- 
tisch gesetzt:  jenes  bezieht  sich  mehr  auf  Bilder,  dies  auf  dunkle 
Anspielungen,  in  denen  einen  tieferen  Sinn  zu  finden  man  damals 
für  grosse  und  wertvolle  Erkenntnis  hielt  (z.B.  ev  dgyjj  Gen.  1,1).— 
Bei  Clem.  AI.  cpuis  div.  salv.  5  und  20  sind  sie  allerdings  fast 
gleichbedeutend.  Just.  (Di.  90,  4)  sagt:  oöa  eljiov  .  .  .  ol  jego- 
cpfjzat  .  .  .  Jiagaßolaio  xal  xvjioiö  djiexdZvipav;  Iren.  (adv. 
haer.  II,  22,  1):  in  parabolis  et  allegoriis  prophetae  .  .  .  plurima 
dixerunt.  Zu  avxoXe^ei  cf.  Just.  Ap.  I,  33.  Ganz  andersartig  ist 
die  spätere  Unterscheidung  einer  Weissagung  <5iä  xvjigjv  und 
einer  öid  grjfidxmv  (Chrys.  syn.  scr.  s.  MPG  56  p.  316).  —  Die 
Formel:  xov  ygioxov  Irfiovv  ovofid^eiv  kann  verschieden  auf- 
gefasst  werden.  Das  nächstliegende  ist  xov  ygiöxöv  als  Objekt 
(=  Messias)  und  dazu  itjöovv  als  Praedicatsnomen  zu  fassen, 
wie  es  z.  B.  in  der  u.  St.  sehr  nahestehenden  Stelle  Act.  19,  28 
sich  verhält  (cf.  Asc.  Jes.  9,  5;  10,  7  l);  Orig.  c.  Cels.  IV,  52; 
Just.  Ap  1, 46).  Jedoch  wenn  auch  der  Mosaische  Josua  und  dann 
der  Hohepriester  bei  Sacharja  den  Jesusnamen  tragen,  worauf 
avxole^el  sich  beziehen  könnte  (cf.  Just.  Di.  115),  so  ist  doch 
n  ygtoxoo  damals  kaum  noch  so  als  Bezeichnung  des  Messias 
gebräuchlich  und  Fragm.  V  zeigt  deutlich,  dass  es  bereits  Eigen- 
name ist.  So  müssen  wir  xov  ygiöxov  Irfiovv  als  die  schon  aus- 
gebildete solenne  Namensform  betrachten 2).  Dieser  Jesus  Christus 
ist  in  den  heiligen  Schriften  genannt,  d.  h.  auf  ihn  beziehen  sich 
alle  jene  verschiedenartigen  Weissagungen.  Als  Inhalt  derselben 
sind  nun  alle  die  Stücke  aus  dem  Leben  Jesu  namhaft  gemacht, 


1)  Dominus  Christus,  qui  vocanclus  est  in  mundo  Iesus.  —  Die  von 
Dillmann  gegen  die  Echtheit  dieser  Sätze  angeführten  Stellen  VIII,  25; 
IX,  13.  26  genügen  nicht,  jene  als  additamenta  spuria  zu  erweisen. 

2)  Clem.  Rom.  I  u.  JT,  Barn.,  Did.  haben    lr\aova  yQiaröa  besonders 
in  der  Formel  b  xvgioa  rjficüv  fyoovo  %qiot6o,  so  auch  Arist.  Apol.  neben* 
yniozöo,  während  der  Syrer  vielleicht  b]oova  6  -/Qiaxoo  oder  6  xQLOxbrt 

ITjGOVO   las. 


§  4.     Erklärung  der  Fragmeute.  61 

die  später  in  die  Glaubensregel  aufgenommen  wurden.  Sie  finden 
sich  so  namentlich  bei  Justin  (Ap.  I,  21.  31.  46  l),  bei  welchem 
der  Weissagungsbeweis  überhaupt  am  charakteristischsten  aus- 
gebildet ist  (vergi.  auch  sein  Bekenntnis  in  den  act.  mark  Just. 
Otto  II  p.  270);  —  im  Can.  Mur.  (v.  20 sqq.:  nativitas.  passio. 
resurrectio,  conservatio  cum  discipulis.  geminus  adventus);  in  der 
Asc.  Jes.  (III,  13  sqq.  [Dillmann  p.  13~  I,  wo  sich  unter  der  sehr 
viel  weiter  ausgedehnten  Aufzählung  wichtiger  Lebensmomente 
Jesu  auch  ..cruciatus  quoque  quibus  filii  Israelis  eum  excruciaturi 
essent"  findet;  zu  der  Verbindung  des  Leidens  und  Kreuzestodes 
Christi  speziell  mit  den  Juden  als  Urhebern  vergl.  die  von  Zahn 
in  der  Zeitschr.  für  kirchliche  Theologie  1S93  S.  167  Anna.  1 
und  16S  Anm.  3  gesammelten  Stellen  und  dazu  noch  Arist.  ApoL  2: 
he  was  pierced  by  the  Jews2);  acta  Joh.  (syr.  ed.  Wright):  the 
Jews  crucified  him:  Apok.  Petri  syr.  (ms.  Sachau  187)  nach  Bratke. 
die  arabisch-aethiopische  Petrus-Apokalypse  in  Hilgenfelds  Zeit- 
schrift 1S93  Heft  4  S  471  sq.:  „Jesus  der  Messias,  der  Sohn  des 
lebendigen  Gottes,  ist  gekommen  and  es  haben  ihn  gekreuzigt 
die  bösen  Juden  in  Jerusalem" ;  Antilogia  (noch  unediert.  citiert 
bei  Harris,  Arist.  Apol.    p.  56  :    xogevöoficu    üiqoö    zovo   ifiovo 

1  Hier  fehlt  koatal  ao/.cloeia  ganz,  doch  cf.  Ap.  I,  3S  no.  5;  nagovaia 
I,  52.  sonst  nieist  yeyswrja9at;  ävaXtjtp&rjvat  Di.  32,  sonst  meist  c.veo/eo&ai. 
Dass    unser  Fragment    nur    von    der    mzQOVOia,    nicht    von    der   yswijdiO, 

welche  sonst  im  AYeissagungsbeweis,  wie  in  der  Glaubensregel  eine  so 
grosse  Rolle  spielt,  redet,  ist  gewiss  ein  Zeichen  hohen  Alters.  Ahnlich 
Ignatius  ad  Philad.  9,  2  tzuqovglu,  nä&OG,  dväazccoio .  doch  anderwärt- 
auch  yewrjoia  ad  Magn.  11)  und  xozexÖG  ad  Eph.  19  .  —  Ganz  anders 
stellt  sich  später  dies  Moment,  z.B.  in  der  Syn.  scr.  s.  des  Chrysostomus 
(1.  c),  wo  es  ausdrücklich  heisst:  ov  neol  xTtG  TzccQOvolao  uöror.  dXXa  y.v.\ 
rrfot  cov  eue/./.e  na^ayevoftevoa  ngdcixeiv  y.cd  ntol  xov  xöxov  xal  ti^qI 
xfjG  yevvrjGtvjG  xal  tisqI  xov  gxuvqov  u.  s.  w.  —  cf.  Act.  Joh.  Proch.  ed. 
Zahn  p.  S7  .  wobei  dreierlei  zu  beachten  ist.  die  Voranstellung  von  xa  neoi 
xol  viov  xov  #fof-  neben  der  mit  bßoiwG  angeschlossenen  Aufzählung 
der  einzelnen  Momente  (ähnlich  wie  in  unserem  Fragm.  ,  die  auch  hier 
sich  findende  Abweichung  im  Ausdruck  von  den  Symbolen,  und  die  That- 
sache,  dass  hier  der  "Weissagungsbeweis  nur  bei  einer  Judenbekehrung  aus- 
drücklich vorgetragen  wird,  —  wennschon  Joh.  auch  sonst  seine  diduay.u- 
).iu  bei  den  heiligen  Schriften  anhebt,  ohne  dass  dies  weiter  ausgeführt 
wird,  ein  Zeichen,  dass  der  Weissagungsbeweis  schon  etwas  von  seiner  Be- 
deutung verloren  hatte. 

2  A2  add:  and  was  nailed  on  the  cross  by  the  Jews;  beim  Griechen 
fehlt  beides. 


ß2  v-  Dobschütz,  Das  Kerygrna  Petri. 

iovöaiovo  xal  Jtoirjöa)  avxovö  Iva  ot  ozavQoJoojoi  (im  Munde 
des  Teufels);  ep.  Pilati  in  acta  Petri  et  Pauli  42;  Apok.  Pauli 
(Tisch,  p.  66);  Mart.  Barth.  6  (Tisch,  act.  apocr.  p.  252);  vielleicht 
gehört  hierher  auch  ein  Fragment  Melitos  bei  Anast.  Sin.  Viae 
dux  c.  12  p.  97:  o  &so6  jctjiov&ev  vüio  öe^iäö  iöQa?]?Jxiöoo.  — 
Dass  in  unserem  Frag  in,  noch  keine  Formel  vorliegt,  zeigt 
eben  jenes  xoXäouo,  welches  für  den  Weissagungsbeweis  charak- 
teristisch, für  eine  regula  fidei  ohne  Belang  war.  Im  Vergleich 
zu  dem  ältesten  römischen  Symbol  (Harnack  und  Gebhardt,  Patr. 
apost.  opp.  I,  2,  p.  115)  ist  ausser  dem  Fehlen  der  Geburt  von 
der  Jungfrau  noch  beachtenswert,  dass  hier  ftavaxoö  ausdrück- 
lich genannt,  dagegen  ixdcpt]  ausgelassen  ist.  Wie  dies  1.  Cor.  15,4 
ohne  den  Zusatz  xccxä  xdo  ygaqxxö  steht  und  Act.  13,  29  erst 
dem  coö  sxsXeöav  jtccvxa  xu  jceql  avxov  yt'/Qafiiitva  als  etwas 
darüber  hinausgehendes  folgt,  so  fehlt  es  bei  Ignatius  und  Justin 
ganz.  Es  scheint,  dass  man  für  diesen  Zug  keinen  rechten 
Weissagungsbeweis  zu  führen  wusste.  Im  Unterschied  von  dem 
römischen  Symbol  bietet  unser  Fragment  ferner  die  älteren  Termini 
eysQOiö  und  dvdhjjpto  und  lässt,  das  ist  sehr  auffallend,  jede 
Beziehung  auf  die  Wiederkunft  und  das  Gericht  aus.  An  dessen 
Stelle  tritt  jene  —  neben  dem  Ausdruck  ol  lovöaloi  den  juden- 
feindlichen Standpunkt  des  Verfassers  charakterisierende  Hin- 
weisung auf  das  Gericht  über  Jerusalem.  So  wichtig  also  auch 
die  eschatologischen  Gedanken  waren  (Fragm.  VII),  so  scheinen 
sie  doch  unserem  Verfasser  schon  in  eine  fernere  Perspektive 
entrückt  zu  sein.  Die  ursprünglich  als  unmittelbar  bevorstehend 
gedachte  Parusie  war  nicht  erfolgt,  und  dies  hatte  die  Hoffnung 
sehr  abgekühlt  (cf.  2.  Petr.  3,  8  sqq.).  Hatte  man  aber  Herren- 
worte wie  Mc.  9,  1  =  Mt.  16,  28  =  Lk.  9,  27,  cf.  Joh.  21,  22  und 
wollte  diesen  doch  gerecht  werden,  so  musste  man  eben,  in  die 
Geschichte  zurückblickend,  wenigstens  Vorläufer  der  Parusie  zu 
gewinnen  suchen.  Da  war  denn  kein  Ereignis  geeigneter  als 
Praeludium  des  Weltgerichtes  zu  gelten,  als  jene  entsetzliche 
Katastrophe  über  Jerusalem,  die  ja  auch  für  die  Christenheit 
Epoche  gemacht  hatte.  Was  Wunder,  wenn  unser  Verfasser  auch 
diese,  die  so  mit  der  Heilsgeschichte  aufs  innigste  verknüpft  war,  in 
den  Weissagungsbeweis  hineinzog?  Der  Meister  dieses  Beweises, 
Justin,  ist  ihm  hierin  gefolgt  und  hat,  was  hier  nur  angedeutet 
war,  sorgsam  ausgeführt  (Ap.  I,  47;  Di.  40,  6).   Das  Petrus- Evang 


§  4.     Erklärung  der  Fragmente.  63 

aber  lässt  gar  die  Juden  selbst  schon  bei  Jesu  Tode  die  Er- 
wägung anstellen,  dass  das  nun  unfraglich  nahende  Ende  Jeru- 
salems als  Gericht  über  ihre  Sünden  zu  betrachten  sei  (v.  25: 
oval  xalo  ccfiaoriacö  r/tuo5v  ?]yyioei>  ?/  xqioig  xcu  xo  rtXoa  Ieqov- 
oaXrjfi,  ein  Ausdruck,  der  unsere  Conjektur  p.  31  vollkommen 
bestätigt).  Aus  diesem  Evang.  stammen  wohl  die  ähnlichen 
Zusätze  zu  Luk.  23,  48,  die  sich  im  Syr.  Cur.,  im  Cod.  Sängerin. 
(g1)  und  bei  Tatian  (nach  Ephr.  Comm.  z.  Diatessaron  p.  296 
[Mösinger]  venerunt,  ait,  iudicia  dirutionis  Hierosolymorum)  finden. 
Auch  noch  Eusebius  bewegt  sich  gern  in  diesen  geschichts- 
philosophischen  Erwägungen  (H.E.  II,  6,  8;  III,  5,  3),  während 
Hegesipp  einen  Zusammenhang  zwischen  dem  Ende  Jerusalems 
und  dem  Tode  des  Jakobus  hergestellt  hat,  indem  er  den  Bericht 
darüber  in  charakteristischer  Kürze  schliesst  mit  den  Worten 
xai  zv&vo  Oveojiaoiavdo  jioZiooxei  avxovo  (b.  Eus.  H.E.  II,  23, 18) 
die  gleichen  Betrachtungen  bei  Josephus  (Arch.  Jud.  XX,  9,  1 
b.  Eus.  H.E.  II,  23,  20  und  die  Stellen  über  ihn  bei  Origenes) 
unterliegen  jedoch  stark  dem  Verdachte,  von  christlicher  Hand 
interpoliert  zu  sein  (vergl.  Schürer,  Gesch.  d.jüd.Volkes  1, 486  sqq.). — 
Eine  —  wie  es  scheint  —  ausserchristliche  Parallele  zu  der  in 
unserem  Fragm.  vorliegenden  Beurteilung  der  Zerstörung  Jerusalems 
bietet  aber  in  der  That  jener  hochinteressante  Brief  des  Mara 
bär  Serapion  an  seinen  Sohn  (Cureton,  spicil.  syr.  p.  73),  ge- 
wöhnlich in  das  8.  Jahrzehnt  des  ersten  Jahrhunderts  gesetzt, 
richtiger  aber  wohl  der  Zeit  des  Partherkrieges  unter  Lucius 
Verus  (162  — 165)  zuzuweisen,  wozu  schon  der  erste  Herausgeber 
am  meisten  neigte,  dessen  Identificierung  des  Adressaten  mit  dem 
antiochenischen  Bischof  Serapion,  dem  Nachfolger  des  Maximinus, 
(c.  190  cf.  Hier,  de  vir.  ill.  12)  jedoch  sehr  zweifelhaft  ist.  Die 
Stelle  lautet  nach  Cureton's  englischer  Übersetzung:  „Was  für 
Vorteil  erlangten  die  Athener  durch  die  Ermordung  des  Socrates, 
wofür  sie  Vergeltung  empfingen  in  Gestalt  von  Hungersnot  und 
Seuche?  Oder  das  Volk  von  Samos  durch  die  Verbrennung  des 
Pythagoras,  da  ja  [dafür]  in  einer  Stunde  ihr  Land  gänzlich  mit 
Sand  bedeckt  ward?  Oder  die  Juden  durch  den  Tod  ihres 
weisen  Königs,  da  ja  von  eben  dieser  Zeit  an  ihr  Königtum 
von  ihnen  genommen  ward?  Denn  mit  Gerechtigkeit  schaffte 
Gott  Vergeltung  der  Weisheit  dieser  drei.  Denn  die  Athener 
starben  Hungers  und  die  Saniier  wurden  rettungslos  von  der  See 


04  v.  Dobschütz,  Das  Kerygina  Petri. 

überwältigt  und  die  Juden,  verstört  und  vertrieben  von  ihrem 
eigenen  Königreich,  siud  zerstreut  durch  alle  Länder.  Socrates 
ist  nicht  gestorben  um  Piatos  willen,  auch  uicht  Pythagoras  um 
der  Junostatue  willen,  noch  der  weise  König  um  der  Gesetze 
willen,  die  er  verkündete."  Der  letzte  Satz  ist  nicht  recht  klar, 
will  aber  wohl  nur  die  Grösse  der  Schuld  hervorheben  und  diese 
ganz  den  betreifenden  Völkern  aufbürden,  indem  er  mit  höchster 
Ironie  als  die  einzig  denkbare  Schuld  der  Männer  grade  dasjenige 
nennt,  was  als  ihr  grösstes  Verdienst  anzusehen  ist:  wollte  man 
Socrates  —  meint  er  —  Schuld  beimessen,  für  die  er  mit  Recht 
den  Tod  erlitt,  so  könnte  man  sie  nur  darin  suchen,  dass  er 
einen  Schüler  wie  Plato  hatte;  und  das  wird  doch  niemand 
behaupten  wollen,  dass  Socrates  um  Piatos  willen  gestorben 
sei  —  u.  s.  f.  —  Noch  klarer  freilich  wird  der  Satz,  wenn  man 
„ist  nicht  gestorben"  als  negativen  Ausdruck  des  Fortlebens  fasst 
und  die  mit  „wegen"  angereihten  Glieder  ergänzt  zu  „weil  er 
in  .  .  .  fortlebt"  (Prof.  Harnack),  freilich  eine  starke  Breviloquenz ! 
Entscheiden  Hesse  sich  die  Frage  nur,  wenn  wir  die  Anspielung 
auf  die  Junostatue  verstehen  könnten.  Wurde  mit  einer  solchen 
des  Pythagoras  Tod  in  Zusammenhang  gebracht  oder  ist  dieselbe 
gar  als  eine  auf  Junos  Befehl  dem  Pythagoras  gesetzte  zu  denken? 
Wir  weissen  nichts  davon.  —  Die  eigentümliche  Bezeichnung 
Christi  als  „der  weise  König"  findet  sich  sonst  m.  W.  nicht 
(cf.  Pror.  20,  26)  und  ist  wohl  als  Combination  der  beiden  ge- 
läufigen Bezeichnungen  Christi  mit  GOfpia  (Prov.  8.  —  Just.  Di. 
61no.3;  62no.l3;  100no.l5;  126,  l)undmit/9atf«A£i5ö(Ps.  23,  7sq  ; 
Just.  Ap.  I,  51;  Di.  29,  86  no.  12  u.  ö.)  zu  erklären. 

§  5. 

Resultate. 

Zeit,  Ort  und  Charakter  der  Schrift. 

Nach  dieser  Besprechung  des  einzelnen  erübrigt  es  noch, 
die  Resultate  der  Untersuchung  zusammenzufassen,  um  den  Cha- 
rakter und  die  Zeit  der  Schrift  einigermassen  zu  bestimmen. 

Die  Schrift  selbst  bietet  wenig  sichere  Anhaltspunkte  für 
eine  zeitliche  Fixierung.    Abgesehen  von  der  äusseren  Bezeugung, 


§  5.    Resultate.  65 

welche  uns  vor  die  Mitte  des  zweiten  Jahrhunderts  weist,  ergiebt 
sich  aus  der  Schrift  mir  der  terminus  a  quo,  nämlich  die 
Zerstörung  Jerusalems.  Innerhalb  dieser  Grenzen  lässt  sich 
nur  eine  relative  Zeitbestimmung  aus  dem  Gedankengehalt  ge- 
winnen. 

Die  Auffassung  des  Christentums  ist  eine  relativ  ursprüngliche. 
Die  Abweichungen  von  der  urchristlichen  resp.  paulinischen  Dar- 
stellungsweise können  zumeist  als  Gemeingut  der  heidenchrist- 
lichen Kirche  schon  für  die  unmittelbar  nachapostolische  Zeit 
betrachtet  werden.  Einiges  weist  speciell  auf  die  alexandrinische 
Ausbildung  der  christlichen  Denkart,  was  damit  übereinstimmt, 
dass  die  Geschichte  der  Schrift  und  einige  Selbstaussagen  den- 
selben alexandrinischen  Ursprung  erkennen  lassen.  Ein  naiver 
Gnosticismus  durchzieht  die  Schrift,  ohne  dass  der  Verfasser  sich 
gedrungen  fühlte,  gegen  hervorgetretene  Irrlehren  zu  protestieren. 
Sowreit  wir  aus  den  späi'lichen  Fragmenten  ersehen  können,  ist 
die  Theologie  desselben  ihren  Grundzügen  nach  folgende: 

Grunddogma  ist  die  Einheit  Gottes  des  Schöpfers,  der  wesent- 
lich als  der  Absolute  gedacht  ist.  Kund  geworden  ist  dies  durch 
den  auf  Erden  erschienenen  Logos,  Jesus  Christus,  den  Herren. 
Dadurch  ist  ein  von  Heiden  und  Juden  sich  gleichmässig  unter- 
scheidendes Geschlecht  der  Christen  entstanden,  welches  in  der 
Erfüllung  der  von  Christo  gegebenen,  durch  die  Apostel  über- 
mittelten Sittengebote  dem  vou  ihm  erkannten  Gott  den  einzig 
wahren  Gottesdienst  leistet  und  sich  so  der  endlichen  Errettung 
getröstet,  da  Gott  auf  Grund  ihrer  freiwilligen  Umkehr  die  früher 
begangenen  Sünden  als  in  Unwissenheit  geschehen  vergiebt ]). 
Das  Christentum  ist  eine  via  öiafr?]*?/,  was  nichts  wesentlich 
anderes  bedeutet  als  xairoo  voiioö;  höchster  vo{uoo  dabei  ist  — 
das  ist  in  seiner  Weise  ein  erhebender  urchristlicher  Gedanke  —  die 
Person  des  Herren  selbst.  Als  Heilsgut  erscheint  zunächst  die 
yvcoöio;  der  gewöhnliche  Correlatbegriff  hierzu  Ca»)  aionioo 
fehlt  in  den  Fragmenten  ganz.     Dafür  ündet  sich  einmal  —  doch 


1)  Auf  Sünden,  die  im  Christenstande  begangen  würden,  wird  nicht 
reflektiert.  Es  ist  ein  Moralismus .  der  bei  aller  Gewissenhaftigkeit  sitt- 
lichen Strebens  die  Tiefe  des  sittlichen  Ernstes  eines  Paulus  nicht  von 
weitem  erreicht  und  ebensowenig  der  principiellen  Leugnung  der  Sünde 
im  Christen,  wie  sie  die  johanneische  Theologie  bei  stärkster  Anerkennung 
des  empirischen  Vorhandenseins  festhält,  an  die  Seite  gestellt  werden  darf. 
Texte  u.  Untersuchungen  XI,  1.  5 


66  v.  Dobschütz,  Das  Kerygma  Petri. 

ohne  Beziehung  auf  die  Gnosis  —  der  eschatologische,  sonst  aber 
unbestimmt  gelassene  Begriff  ocoCso&ai. 

Eine  abgeschlossene  Sammlung  prophetischer  Schriften  (d.  h. 
das  alte  Testament)  ist  —  neben  dem  Herren  wort  —  höchste 
Autorität  und  dient  durch  die  darin  enthaltene  Weissagung  auf 
Christum  unter  Voraussetzung  einer  praestabilierten  Harmonie 
als  Beweis  für  dessen  Messianität.  Die  hierbei  angewendete 
Methode  der  Exegese  weist  auf  eine  spätere  Zeit;  im  Barn.-Brief 
z.  B.  wird  eine  solche  in  dieser  Fixierung  noch  vermisst. 

Mit  diesem  theologischen  Gedankenkreise  steht  nun  unsere 
Schrift  der  ganzen  apologetischen  Literaturgattung  überaus  nahe. 
Dabei  aber  lässt  sich  beobachten,  dass  die  Berührungen  immer 
mehr  abnehmen,  je  später  die  Schriften  sind,  die  wir  zum  Ver- 
gleiche heranziehen  *).  Bei  Athenagoras  und  Theophilus  war  fast 
nichts  von  greifbarer  Verwandtschaft  zu  finden.  Bei  Justin  und 
Tatian  dagegen  waren  die  Anklänge  recht  stark,  ja  man  könnte 
bei  ihnen  die  Kenntnis  unserer  Schrift  annehmen.  Andrerseits 
macht  sich  deutlich  die  jene  von  unserem  K.P.  trennende  und 
dasselbe  einer  viel  früheren  Zeit  zuweisende  Umbildung  des  christ- 
lichen Denkens  ins  philosophische  hinein  geltend.  Und  so  erscheint 
denn  das  K.P.  auch  gegenüber  der  ältesten  uns  erhaltenen  Apo- 
logie, welche  Aristides  dem  Antoninus  Pius  wohl  bald  zu  Anfang 
seiner  Regierung  einreichte,  so  vielfältig  auch  grade  hier  die 
Beziehungen  zwischen  beiden  Schriften  sind,  als  ursprünglicher 
und  naiver.  Hieraus  ergiebt  sich  für  Zeit  und  Charakter  des 
K.P.  die  wichtige  Erkenntnis,  dass  dasselbe  den  Übergang 
von  der  altchristlichen  zur  apologetischen  Literatur 
bezeichnet. 

Dieser  Satz  erhält  seine  Bestätigung  auch  von  der  negativen 
Seite.  Wenn  wir  nämlich  unsere  Fragmente  mit  den  ignatianischen 
Briefen  vergleichen,  so  finden  wir  fast  gar  keine  Berührungen; 
das  gleiche  gilt  ungefähr  von  dem  (ersten)  Clem.-Brief.  Diese 
Schriften  bezeichnen  eben  eine  ganz  andere,  neben  der  apologe- 
tischen herlaufende  und  von  der  apostolischen  Literatur  gleich 
zu  der  altkatholisch-episcopalen  Schriftstellerei  eines  Irenaeus  u.  a. 


1  Hiergegen  sprechen  auch  nicht  die  unzweifelhaft  vorhandenen  — 
wenn  auch  nicht  zur  Annahme  einer  Benutzung  nötigenden  — Berührungen 
zwischen  dem  K.P.  und  der  epist.  ad  Diogn.,  da  diese  Schrift  aller  Wahr- 
scheinlichkeit nach  früher  anzusetzen  ist,  als  zu  geschehen  pflegt. 


§  5.     Resultate.  67 

hinüberfahrende  Linie.  —  Was  aber  die  anderen  Schriften  jener 
Übergangsperiode  anlangt,  so  sind  mit  der  Clemenspredigt  (dein 
sog.  IL  Clem.-Br.)  und  in  noch  stärkerem  Masse  mit  dem  Hirten 
des  Hermas,  der  in  seiner  apokalyptischen  Form  und  seinem 
volksmässig  unentwickelten  Lehrgehalt  schwer  einer  solchen 
dogmengeschichtlichen  Linie  einzugliedern  ist,  mannigfache  An- 
klänge, doch  meist  allgemeiner  Natur,  wahrzunehmen.  In  einigen 
Punkten  dürfte  das  K.P.  älter  sein  als  der  Hirt.  Dagegen  ist 
es  allem  Anschein  nach  später  als  der  gleichfalls  alexandrinische 
Barnabasbrief,  der  freilich  wohl  in  sehr  frühe  Zeit  (unter 
Vespasian?)  anzusetzen  ist. 

Hiernach  ergiebt  sich  als  relative  Zeitbestimmung  —  denn 
mehr  vermögen  solche  Vergleiche  nicht  zu  leisten  —  ungefähr 
die  mittlere  Zeit  zwischen  80  und  140  p.  Chr.  n.,  also  rund  das 
erste  Viertel  des  zweiten  Jahrhunderts  ]). 


]  Zahns  Ansatz  in  die  Jahre  90—100  weicht  hiervon  ja  nicht  viel 
ab,  ist  aber  doch  wohl  etwas  zu  früh.  Eine  Nötigung  hierzu  liegt  für  uns 
nicht  vor,  da  wir  die  Benutzung  durch  Ignatius  nicht  anerkennen  können 
3.  u.  S.  83  ,  die  durch  Hermas  aber  auch  zugegeben,  uns  dies  bei  unserem 
von  dem  Zahnschen  abweichenden  Ansätze  (130 — 140j  doch  nicht  so  weit 
hinabführen  würde.  Andrerseits  spricht  gegen  einen  so  frühen  Ansatz  der 
Umstand,  dass  manche  Vorstellungen  in  unseren  Fragmenten  eine  längere 
Entwicklungszeit  vorauszusetzen  scheinen.  Dahin  gehören  auch  die  jo- 
hanneischen  Gedanken,  welche  in  denselben  zu  konstatieren  sind.  Denn 
wenn  diese  auch  nicht  dem  Evang.  entnommen  sein  sollten,  sondern  einer 
johanneischen  Theologie,  welche  es  vor  und  neben  dem  Evangelium  gegeben 
haben  muss,  ja  aus  der  dieses  erst  herausgewachsen  ist,  so  weist  doch  ihre 
eigenartige  Verschmelzung  mit  paulinischem  Gedankengut  auf  spätere 
Zeit.  —  Wenn  aber  Zahn  annimmt,  das  K.  P.  sei  auf  Grund  von  2.  Petr.  1,  15 
bald  nach  dem  Tode  des  Apostels  entstanden,  so  ist  einmal  nicht  aus- 
gemacht, dass  jene  Stelle  als  Hinweis  auf  ein  später  zu  veröffentlichendes 
Werk  verstanden  werden  muss  oder  auch  nur  damals  verstanden  worden 
ist,  andrerseits  können  wir  nicht  zugeben,  dass  das  K.P.  seinem  Titel  nach 
Anspruch  auf  petrinische  Herkunft  macht,  wenn  dies  auch  bald  so  ver- 
standen wurde.  Dazu  kommt,  dass  die  Priorität  des  2.  Petr.-Briefes  min- 
destens starken  Zweifeln  unterliegt,  so  dass  man  das  Verhältnis  auch 
umkehren  und  2.  Petr.  1,  15  eine  Anspielung  auf  das  K.P.  finden  könnte, 
wobei  unser  zweiter  Gegengrund  in  Wegfall  käme.  Doch  ist  dies  auch 
nicht  eben  wahrscheinlich.  Endlich  aber  würde  grade  solche  Pseudepi- 
graphie,  welche  an  derartige  Notizen  anknüpft,  um  scheinbare  Mängel  zu 
ersetzen,  immer  eine  gewisse  Entfernung  von  der  historischen  Persönlich- 
keit des  angeblichen  Verfassers  voraussetzen,  wenn  anders  sie  als  harmlos 

5* 


68  v.  Dobschütz,  Das  Kerygma  Petri. 

Dazu  stimmt  endlich  die  Benutzung  der  neutestamentlichen 
Schriften,  von  denen  nichts  citiert  wird  oder  auch  nur  als 
autoritätsmässig  bestimmend  durchscheint.  Doch  lassen  sich  Ge- 
dankenreihen der  paulmischen  Briefe  ziemlich  sicher  nachweisen, 
verbunden  mit  einem  eigentümlichen  Einschlag  aus  den  im  vierten 
Evangelium  fixierten  Vorstellungen,  ohne  dass  eine  direkte  Be- 
nutzung des  letzteren  ersichtlich  wäre.  Während  die  Kenntnis 
des  1.  Petr.-Briefes  wahrscheinlich  gemacht  werden  kann  —  das 
ist  für  die  Frage  nach  dem  Zusammenhang  der  Pseudopetrinen 
überhaupt  bedeutsam  — ,  ist  die  Benutzung  des  Hebr. -Brief es 
höchst  zweifelhaft. 

Das  K.P.  bot  auch  evangelische  Stoffe.  Die  sich  hier 
findenden  Abweichungen  von  der  kanonischen  Tradition  nötigen 
nicht    auf    ein    Apokryphon    zurückzugehen1);    Benutzung    des 


begriffen  werden  sollte.  Wenigstens  stempelt  beispielsweise  die  Pastoral- 
briefe in.  E.  keine  Hypothese  so  sehr  zu  Fälschungen,  als  die,  nach  welcher 
Timotheus  und  Titus  selbst  dieselben  auf  Grund  paulinischer  Billets  ver- 
fasst  haben  sollen. 

1)  Der  neue  Fund  legt  es  allerdings  nahe,  daran  zu  denken,  dass  im 
Kerygma  Petri  das  Evangelium  Petri  benutzt  sein  möchte,  um  so  mehr, 
wenn  sich  ein  Zusammenhang  aller  5  petrinischen  Schriften,  wie  ihn 
HarnackT.  u.  U.  IX,  22  p.  87  sq.  andeutungsweise  herzustellen  sucht,  erweisen 
Hesse.  Jedoch  was  er  dort  an  Übereinstimmungen  genannt  hat,  ist  auch  alles, 
was  man  bei  genauer  Prüfung  des  K.P.  und  des  Evang.  Petr.  aufführen 
kann.  Dass  Petrus  im  Evang.  (59  cf.  2(3 ;  60),  in  der  Apok.  (5)  wie  im  Ke- 
rygma (IX;  X  cf  YII)  von  sich  in  der  ersten  Person  Pluralis  (die  anderen 
Jünger  rniteinschliessend)  redet,  ist  in  pseudopetrinischen  Schriften  wohl 
nur  natürlich.  Dass  auch  nach  der  Auferstehung  von  den  „Zwölfen"  die 
Rede  ist  (v.  50),  ist  in  der  altchristlichen  Literatur  weit  verbreitet  (s.  z. 
Fragm.  VII,  S.  55).  Was  das  Verhältnis  zum  Marcus-Schluss  betrifft ,  so 
spräche  dies,  falls  sich  Harnacks  Behauptung  hinsichtlich  des  Evang.  Petr. 
und  die  von  uns  vorgetragene  Hypothese  bezüglich  des  K.P.  beiderseits 
bestätigen  sollten,  grade  gegen  eine  Combination  beider  Schriften;  denn 
das  K.P.  wäre  eben  nicht  nötig  gewesen,  wenn  im  Petr.-Evang.  der  Marcus- 
Schluss  noch  erhalten  war.  Auffallend  mag  ja  die  Übereinstimmung  in 
dem  Ausdruck  Ioqüi]).  für  lovöaloi  erscheinen.  Doch  findet  sich  dieser  im 
Petr.-Evang.  nur  an  zwei  Stellen  vv.  7  und  11,  während  sonst  6  mal  lovöaloi 
steht.  Allerdings  entspricht  dem  loQarjX  an  zweiter  Stelle  in  den  kano- 
nischen Evangelien  lovöaliov  (Marc.  15,  26;  Matth.  27,  37;  Luk.  23,  38; 
Joh.  19, 19);  aber  wie  hier  Marc.  15,  32;  Matth.  27,  42  unmittelbar  ßccaikeva 
ianat'j).  folgt  (vergl.  auch  Joh.  1,  50),  so  ist  vollends  im  Petr.-Evang.  die 
Conformation    nach    dem  schon  vorausgehenden  v.  7   auch   für  v.  11    sehr 


§  5.    Resultate.  69 

Hebraeerevangeliums  ist  unwahrscheinlich.  Dagegen  lassen  andere 
Stellen  mit  ziemlicher  Bestimmtheit  auf  die  Benutzung  unseres 
Marcusevangeliums  schliessen  ]).  Wir  sehen  ab  von  Einzelheiten, 
wie  dass  (pvZaooeöfrai  in  activer  Bedeutung  sich  nur  Mc.  10,  20 
findet  (Mt,  und  Lk.  haben  das  Activ);  dass  nur  Marcus  aCvf/cc 
ohne  weiteres  für  das  Passahfest  setzt  (14,  1),  was  weder  bei  den 
LXX  noch  bei  Mt.  und  Lk.,  wohl  aber  bei  Philo  vorkommt2); 
dass  Christi  Predigt  eine  öiÖayj)  y.aivi]  genannt  wird  (1,  27);  — 
auch  die  Form  UQoööXvna  kann  man  hierherziehen,  sofern  sie 
wenigstens  gegen  das  Hebr.-Evang.  spricht 3).  Wichtiger  ist  schon 
der  Nachdruck,  mit  welchem  die  Formel  elö  &e6o  auch  im 
Marc.-Evang.  geltend  gemacht  wird  (2,  7;  10,  18;  12,  29,  immer 
im  Unterschied  von  Mt.  und  Lk.) 4).  Auch  dass  die  Aufzählung 
der  Bauptmomente  des  Lebens  Jesu  mit  jiagovoia  und  nicht  mit 


naheliegend.  Endlich  kann  der  gemeinsame  Aegyptiscke  Ursprung  nichts 
beweisen.  So  kommen  wir  zu  dem  Resultat,  dass  sich  nach  dem  vorlie- 
liegenden  Material  die  Frage  nach  dem  Zusammenhang  von  K.P.  und 
E >~ang.  Petri  nicht  entscheiden  lässt. 

1)  Dieses  scheint  überhaupt  in  der  ältesten  Zeit  mehr  benutzt  worden 
zu  sein,  als  man  bisher,  besonders  auf  Matth.  und  Lukas  achtend,  annahm. 
Von  dem  grössten  Interesse  aber  ist  es,  zu  sehen,  dass  grade  die  pseudo- 
petrinische  Literatur  von  demselben  ausgiebigen  Gebrauch  gemacht  hat. 
Für  das  Petr.-Evang.  wenigstens  scheint  mir  dieser  erwiesen  (vergl.  Harnack 
in  seiner  Ausgabe  desselben  T.  u.  U.  IX,  T-  p.  2.  32  f.  79.  —  Was  p.  79 
Anm.  dagegen  gesagt  ist,  ist  eine  allzuvorsichtige  Restriction). 

2)  Bei  den  LXX  steht  stets  r\  hoQxrj  xtöv  dt,vfX(ov.  Ex.  23.  15;  34,17; 
Lev.  23,  G;  Dt.  16,  16;  2.  Chron.  8,  13;  30,  13.  21;  Esr.  0,  22.  Im  N.T.  steht 
tOQzrj  x&v  üZpyaav  (Luk.  22, 1)  oder  ij/uzqcu  x(öv  uC,v(jlo)v  (Act.  12.  3;  20,  6), 
auch  //  ijf.i£Qu  xüv  d'QvfXüJV  (Luk.  22,  7)  und  xTj  tiqüjt/j  rj/xf^a  xöjv  äZ,v/Lia)v 
(Marc.  14,  12)  cf.  xs?.evxcüa  7]tu£Qa  x<öv  ul,v(.iwv  Ev.  Petr.  58,  wonach  dann 
Matth.  26.  17:  t;T  ngcotg  tcüc  atpvuov,  cf.  tiqo  [tiüo  xcür  u^v/ucüp,  xfjo 
eooxtJG  avxüiv  Ev.  Petr.  5  zu  verstehen  ist,  ohne  mit  dem  Sprachgebrauch 
unseres  Fragmentes  zusammenzugehören. 

3)  Mc.  hat  nur  diese  Form,  Mt.  unter  12  Malen  nur  23,  37  IsQOvocü.ijfx, 
Lk.  letztere  Form  27mal,  die  andere  5mal;  Act.  jene  40rnal,  diese  6mal 
sicher.  Paulus  schwankt.  Joh.  hat  nur  \sQooö).vua\  dagegen  haben  Hebr. 
und  Apok.,  ferner  Ev.  Hebr.  und  Ev.  Petr.  (v.  20;  25;  31)  nur  hpovoalr/fx. 

4)  Ein  eigentümlicher  Zufall  ist  es,  wenn  nicht  etwa  die  Beobachtung 
dieses  Zuges  des  Evangeliums  dazu  geführt  hat,  dass  der  Sage  nach  Marcus 
bei  seinem  Eintritt  in  Alexandria  durch  den  Ausruf  „unus  Deus".  den 
er  von  dem  Schuster  (späteren  Bischof)  Anianus  hört,  die  erste  Anknüpfung 
für  seine  Missionspredigt  findet  (Acta  SS.  ad  25.  Apr.,  Martyrium  p.  350  sq.). 


7Q  v.  Dobschütz,  Das  Kerygnia  Petri. 

yhvvr/OiO  beginnt,  ist  ein  starker  Hinweis  auf  das  Marc.-Evang., 
welches  im  Unterschied  von  Mt.  und  Lk.,  die  mit  der  Geburt 
anfangen,  seinen  Bericht  mit  dem  ersten  öffentlichen  Auftreten 
Jesu  anhebt,  —  gewiss  die  ältere  Form  der  evangelischen  Tra- 
dition. Evident  wird  die  Sache  erst,  indem  das  Marc.-Evang.  uns 
eine  noch  unerklärte  Schwierigkeit  löst.  Wir  hatten  Fragm.  VII 
mit  dem  Zusatz  ovo  o  y.vQioo  ifötfo/öev  nichts  Rechtes  anzu- 
fangen gewusst.  Unter  den  synoptischen  Parallelberichten  über 
die  Jünger-Wahl  beschreibt  nun  Marc.  3,  13  sqq.  dieselbe  so,  dass 
der  Herr  aus  der  grossen  Schar  seiner  Jünger  herbeigerufen 
habe  ovo  rj&sZsv  avroo  .  .  .  v.ai  IjioirjOsv  doiösxa.  Was  ist 
wahrscheinlicher,  als  dass  dieser  markierte  Zusatz  in  unser  K.P. 
übergegangen  ist,  wobei  er  freilich  durch  die  Veränderung  des 
Zusammenhanges  seine  Bedeutung  verloren  hat?  Hiergegen  ist 
nicht  geltend  zu  machen,  dass  sowohl  exltyeo&at  als  der  Begriff 
cbroGro/oö  an  dieser  Stelle  bei  Marcus  fehlen;  denn  beide  kennt 
Marcus  (13,  20;  6,  30),  und  von  dem  letzteren  ist  es  sehr  wahr- 
scheinlich, dass  er  sehr  zeitig  auch  an  unserer  Stelle  in  das 
Marc.-Evang.  gekommen  ist,  wenn  der  Zusatz  ovo  xal  djroOro- 
Äovo  roröuaoev  nicht  sogar  ursprünglich  ist  (WH  nach  i<BC*J). 
Im  übrigen  verhält  sich  unsere  Stelle  zu  Marcus  ganz  gleich  wie 
die  Inkanische  Bearbeitung.  Beide  fügen  dem  Marcustext  die 
Termini  einer  späteren  Zeit  hinzu,  nur  dass  freilich  das  K.P. 
seinerseits  wieder  noch  spätere  Züge  hat  als  Lukas.  Eine  Be- 
nutzung des  Luk.-Evang.  neben  dem  Marc.-Evang.  ist  nicht  ganz 
ausgeschlossen,  aber  kaum  anzunehmen,  wie  denn  auch  keine 
ersichtlichen  Beziehungen  zwischen  dem  K.P.  und  der  lukanischen 
Apostelgeschichte  bestehen  1). 


1)  Man  könnte  darauf  verweisen,  dass  sich  in  der  lukanischen  A.G. 
dieselben  alten  Formeln  für  Auferstehung  und  Himmelfahrt  finden  (3,  15; 
5,  30;  —  1,  2.  11.  22);  aber  doch  nur  neben  anderen.  Man  könnte  ferner 
zu  Fragm.  VII:  Act.  3,  17  und  17,  30  vergleichen;  —  zu  xovo  zarte 
ztjv  ofeovfievTjv  dv9-Qojjiova  (Fragm.  VIII):  Act.  24,  5;  —  zu  Fragm.  VI: 
Act.  5,  31  und  zum  Begriff  der  fiexavoia  überhaupt  Act.  2,  38  und  11,  18; 
endlich  zu  Fragm.  V:  Act.  3,  25.  Aber  alle  diese  Stellen  sind  einmal 
viel  zu  allgemein,  um  etwas  beweisen  zu  können;  andrerseits  belehrt 
eine  genaue  Vergleichung  bei  fast  jeder  über  deutlich  erkennbare  Unter- 
schiede. Das  hat  jedenfalls  die  luk.  A.G.  vor  dem  K.P.  voraus,  dass  sie 
die  Beziehungen  des  Evangeliums  zu  Israel  viel  deutlicher  berücksich- 
tigt;  doch  lässt  sich  daraus  nichts  für  die  zeitliche  Priorität  schliessen.  — 


§  5.    Resultate.  71 

Halten  wir  nun  dieses  Verhältnis  des  K.P.  zum  Marc-  Evans. 
im  Auge  und  prüfen  dabei  die  Tradition  über  Marcus  und  sein 
Evangelium!  Darin  ist  diese  von  Anfang  an  einstimmig,  dass 
dasselbe  in  unmittelbarem  Verhältnis  zu  den  petrinischen  Lehr- 
vorträgen (ötöaoxaXiai)  steht  (Papias  als  Tradition  des  Pres- 
byters [Johannes  oder  Aristion]  bei  Eus.  H.E.  III,  39;  Tert.  c. 
Marc.  IV,  5:  Hier,  de  vir.  ill.  l)1);  und  während  darunter  allge- 
mein das  römische  xr'jnvyua  Petri  verstanden  wird,  schwankt  man 
nur,  ob  die  Aufzeichnung  nach  Petri  Tod  (Iren.  adv.  haer.  III,  I  | 
oder  vor  demselben  geschehen  sei,  wobei  man  Petrus  anfangs  rein 
passiv  denkt  (Clem.  AI.  Hyp.  VI  bei  Eus.  H.E.  VI,  14  cf  II,  15  als 
jiaQc'cöooio  xä)V  ävexa&ev  jiQtößvrtQcov,  cf.  adumbr.  in  I.  Petr.  . 
sehr  bald  aber  von  einer  ausdrückliehen  Anerkennung  des  Evan- 
geliums durch  ihn  zu  erzählen  weiss,  welche  auf  einer  ausdrück- 
lichen Offenbarung  des  heiligen  Geistes  ruhen  sollte,  also  wohl 
noch  vor  Abfassung  der  Schrift  zu  denken  ist  (Eus.  H.E.  II,  15; 
Hier.  cat.  8).  So  spricht  denn  Epiphanius  (Haer.  51,  6)  gradezu 
von  einem  Auftrag  des  Petrus  an  Marcus,  das  Evangelium  abzu- 
fassen, womit  übereinstimmt,  dass  Origenes  schon  es  aus  Tradition 


Diese  Erörterung  war  besonders  nötig  wegen  einer  Hypothese  Bertholdts 
(bist,  krit,  Einleitung  in  sämtliche  kanonische  und  apokryphische  Schriften 
des  A.  und  N.  Test.  [Erlangen,  1813]  III  p.  1331  sq.;  wiederholt  von  Kuinoel, 
Conim.  in  lihros  N.T.  historicos  [Lips.,  1827J  IV  p.  XVII  sq.),  dass  für  den 
ersten  Teil  der  luk.  A.G.  Quelle  gewesen  sei  eine  ursprünglich  aramäisch 
(syrochaldäisch)  geschriebene  Schrift  unter  dem  Titel  ss-;-  "nass  oder 
"yi  sr:-:s  =  xfavy/ia  TCixoov,  auf  deren  stark  verunstaltete  spätere  Über- 
arbeitung mau  die  Stellen  bei  Eus.  und  Hier,  deutete.  Volkmar,  der  ]'ene 
Hypothese  wieder  aufgenommen  und  dahin  umgeändert  hat,  dass  das  K.P. 
(die  erste  Apostelgeschichte  überhaupt,  die  des  Apostels  Petrus)  eine  feind- 
selige Ergänzung  des  Evangeliums  im  schroff  judaistisch-antipaulinischen 
Sinne  war  (Religion  Jesu  [Leipzig,  1S57]  p.  279  und  2S2  sqq.),  lässt  wohl- 
weislich jede  Beziehung  auf  unsere  Fragmente  fort. 

1)  In  diese  Reihe  gehört  nach  herkömmlicher  Deutung  (vgl.  Weiss, 
Einleitung  p.  45  no.  5)  auch  die  Stelle  Just.  Di.  106.  Doch  sowohl  die  L.A. 
iv  xolo  tX7to(ivi](tov£Vnaoiv  avcov  als  die  Beziehung  dieses  avxov  ist  min- 
destens sehr  zweifelhaft  und  es  muss  schon  nach  der  ganzen  oben  gege- 
benen Entwicklung  der  Tradition  sehr  fraglich  erscheinen,  ob  eine  solche 
Benennung  des  Marcus-Evang.  zu  jener  Zeit  denkbar  ist.  —  Durch  die 
Auffindung  eines  Teiles  des  Petrus-Evangeliums,  welcher  die  auffallendsten 
Parallelen  zu  den  evangelischen  Berichten  Justins  enthält,  ist  diese  Frage 
nunmehr  gelöst,  s.  Harnack,  Texte  u.  Unters.  IX,  22  p.  37  sqq. 


72  v-  Dobschütz,  Das  Kerygma  Petri. 

wissen  will,  class  Marcus  unter  Anleitung  des  Petrus  geschrieben 
habe  (in  Matth.  exeg.  I,  1;  Eus.  H.E.  VI,  25),  woraus  später  ein 
Dictat  des  Petrus  ward  (Hier,  ad  Hedib.  (ep.  CXX)  c.  11;  [Äthan.] 
Syn.  scr.  s.  c.  76  (opp.  IV  p.  155);  Niceph.  Call.  H.E.  II,  43). 
Mit  dieser  römischen  Tradition  wird  bald  eine  zweite  verbunden, 
welche  den  Marcus  zum  Apostel  Aegyptens  und  ersten  Bischof 
von  Alexandrien  macht  (Eus.  Chron.  ad  ann.  VIII  imp.  Ner.; 
Ps.  Hipp,  de  LXX  apost. ;  Hier,  ad  Pammachium  et  Marcell.  ep. 
XCVI1,  4;  Johannis  über  dorm.  Mariae  [Tisch.,  Apoc.  apocr.  p.  99]). 
Dabei  verbindet  schon  Eusebius  das  in  Aegypten  gepredigte 
Evangelium  (den  alten  formalen  Begriff  missdeutend)  mit  dem 
zu  Rom  verfassten  schriftlichen  Evangelium  (H.E.  II,  16;  cf.  Hier, 
catal.  8;  Äthan.  Syn.  1.  c).  Während  aber  meist  die  Reise  nach 
Alexandrien  nach  den  römischen  Aufenthalt  gesetzt  und  auf 
einen  Auftrag  des  Petrus  zurückgeführt  wird  (Epiph.  Haer.  51,  6), 
lässt  Niceph.  (H.E.  II,  43,  cf.  15)  —  wohl  aus  Missverständnis  der 
Stelle  bei  Epiph.,  der  von  der  ccQyj)  rov  evayysXlov  bei  Marcus 
sagt,  sie  beginne  mit  dem  1 5.  Jahre  des  Tiberius  —  den  Marcus 
schon  unter  Tiberius  nach  Aegypten  kommen,  wie  denn  auch  in 
den  acta  Barnabae  auctore  Marco  (Tisch.,  acta  apocr.  p.  73)  ohne 
Bezugnahme  auf  den  römischen  Aufenthalt  des  Marcus  seine 
Übersiedelung  nach  Aegypten  als  gleich  auf  die  Wirksamkeit 
mit  Barnabas  in  Cypern  folgend  gedacht  ist.  —  Der  römische 
Ursprung  des  Marc-Evang.,  der  auch  aus  inneren  Gründen  wahr- 
scheinlich gemacht  werden  kann,  ist  dann  in  zahlreichen  Unter- 
schriften der  Codices  des  Evangeliums  bezeugt,  während  andere 
(wohl  in  Anlehnung  an  Eusebius)  von  der  Verkündigung  des- 
selben in  Alexandrien  und  Umgegend  reden  und  eine  dritte 
Kategorie  endlich  seine  Abfassung  nach  Aegypten  verlegt  (wobei 
die  Armenier  sogar  die  Abfassung  in  aegyptischer  Sprache  be- 
haupten). Die  letztere  Tradition  findet  sich  dann  ausdrücklich 
bezeugt  bei  Chrysostomus  hom.  I  in  Matth.  (opp.  VII  p.  7).  Um 
beide  Traditionen  zu  vereinigen,  hat  R.  Simon  (Kritische  Schriften 
über  das  Neue  Test.,  übers,  von  Cramer  [1776]  I,  171)  vorge- 
schlagen, zwei  Ausgaben  des  Evangeliums,  eine  römische  und 
eine  alexandrinische,  anzunehmen,  und  Lardner  (Works,  ed.  Kippis 
Lond.  1838.  V  p.  328  [?  cf.  Güder  in  RE2  IX,  299])  und  Michaelis 
(Einleitung  II,  917)  sind  ihm  gefolgt  (vergl.  dagegen  schon 
Eichhorn,  Einleitung  I,  550),   während  Wahl  (Magazin  für  alte 


§  5.    Resultate.  73 

Literatur,  3.Liefg.  Halle  1790)  unter  Voraussetzung  der  Unechtheit 
der  römischen  Tradition  dem  Evangelium  alexandrinischen  Ur- 
sprung, koptische  Sprache  und  ein  nahes  Verhältnis  zum  Aegypter- 
Evang.,  das  eine  Bearbeitung  desselben  sein  soll,  vindiciert.  — 
Diese  Hypothesen  sind  nun  gewiss  willkürlich;  aber  etwas 
mag  doch  an  der  alexandrinischen  Tradition,  welche  in  der  Be- 
rufung des  alexandrinischen  Gnostikers  Basilides  auf  Glaukias, 
den  Hermeneuten  des  Petrus  (Clem.  AI.  Strom.  VII,  17,  106),  ein 
altes,  gut  bezeugtes  Seitenstück  hat,  wahr  sein,  wenn  es  auch 
nur  das  wäre,  dass  das  Marc.-Evang.  sich  als  erstes  schriftliches 
Evangelium  zu  Alexandrien  eingebürgert  hätte.  Nun  ist  das 
Marc.-Evang.  nach  den  besten  Zeugen  scheinbar  ohne  rechten 
Abschluss.  Sei  es,  dass  der  Verfasser  nicht  weiter  berichten 
wollte,  sei  es,  dass  er  an  der  Fortsetzung  verhindert  wurde,  oder 
dass  der  echte  Schluss  etwa  bald  verloren  ging:  jedenfalls 
empfand  man  frühzeitig  das  Bedürfnis,  den  vermissten  Schluss 
zu  ergänzen,  wie  noch  die  zwei  uns  erhaltenen  Versuche  zeigen, 
welche  beide  von  dem  im  Auftrage  des  Herren  durch  die  Apostel 
vollzogenen  Kerygma  handeln,  wobei  der  kürzere  (s.u.  S.  77 sq.) 
von  ol  xsql  ütixQov  spricht.  Dabei  ging  der  Zug  jener  Zeit, 
welche  immer  mehr  die  Wirksamkeit  der  Apostel  als  unmittel- 
bare Fortsetzung  des  Werkes  des  Herren  selbst,  mit  gleicher 
heilsgeschichtlicher  Bedeutung  —  daher  gleicherweise  in  den 
Weissagungsbeweis  und  das  Kerygma  aufgenommen  —  zu  be- 
trachten sich  gewöhnte,  ganz  dahin,  die  Geschichte  ihres  Wirkens 
dem  Evangelium  als  ösvzzgoö  Xoyoo  zur  Seite  zu  stellen,  wie  es 
schon  Lukas  that,  und  wie  es  besonders  gnostische  Schriften 
zeigen.  Sollte  es  nun  zuviel  behauptet  sein,  dass  in  den  ersten 
Decennien  des  zweiten  Jahrhunderts  ein  Christ  zu  Alexan- 
drien das  Bedürfnis  nach  Ergänzung  des  Marc.-Evang.  gefühlt 
und,  vielleicht  schon  der  Tradition  über  Marcus  als  Hermeneuten 
des  Petrus  folgend,  als  ösvtsqoo  XoyoO  zum  Marc.-Evang. 
ein  „Kerygma  Petri"  geschrieben  habe?  Dass  er  dabei  die 
Ausführung  des  Missionsbefehls  des  Herren,  wie  es  scheint,  ganz 
an  die  Person  des  Petrus  1)  geknüpft  hat,  ist  sehr  bemerkens- 
wert,  doch   zu  jener  Zeit  wohl  erklärlich.     War  doch  vielleicht 


1)  Allerdings  ist  zu  beachten,  dass  Petrus  meist,  sich  und  die  anderen 
Apostel  zusammenfassend  (Fragm.  V ;  IX ;  X),  von  sich  im  Plural  redet. 


74  v.  Dobschütz,  Das  Kerygraa  Petri. 

Petrus  der  einzige  der  Zwölfe,  der  in  die  westliche  Heidenwelt 
gekommen  war  ]),  und  von  hier  aus  setzte  sich  seine  Beurteilung 
frühzeitig  in  die  des  Heideumissionar.s  xar  ls°7/iv  um~)-  —  Oh 
der  Verfasser  dabei  sein  Werk  unter  den  Namen  des  Marcus  ge- 
stellt habe,  können  wir  nicht  sagen.  Sehr  bald  ward  jedenfalls 
der  Autorname,  wenn  ein  solcher  dabei  stand,  verdrängt  durch 
die  bei  Clem.  AI.  deutlich  zu  tage  tretende  Auffassung,  als  besage 


1)  cf  Clem.  ep.  ad  Jak.  1:  o  xTta  övoetoo  xb  Gxoxeivöregov  xov  xöo- 
(mov  /xiqoo  wo  nüvxtov  iaavtöxeQoa  (fcuzloai  ze/.evo&eiG;  ganz  ähnlich  er- 
örtert —  vielleicht  im  Anschluss  hieran  (?)  —  Eusebius  die  Suche  H.E.  11, 
14,  6:  xov  xuQxtQov  xal  fieyav  xwv  utiogxÖj.cuv,  xov  aQexrjo  evsxa  xcüv 
XoiTtöiv  andvtwv  nooijyogov,  rctxQOv  inl  xr]v  qojjuijv  .  .  .  ■/stQaytoyH,  oo  .  .  . 
x>)y  itoXwifjiTjxov  f'iJTTOoiuv  xov  voi)iov  (pioxbo  tc  chaxo/.cüv  xoio  y.axu  övoiv 
ty.o/u'li-v,  ifwo  uvxb  xal  'f.öyov  vjv/wv  oiox>)qiov,  xb  arjQvyfj.cc  x^a  töiv 
oxquvvjv  ßaoiXelao  evayyeXit,6fievoo.  —  Einen  anderen  Weg,  die  Bedeu- 
tung des  Petrus  zu  erklären,  schlägt  im  Anschluss  an  Weizsäcker  (ap.  Zeit- 
alter p.  11  sqq.)  Harnack  (D.G.2  I,  137)  ein:  Petrus  wurde  im  Kerygma  der 
Gemeinden  als  erster  Zeuge  der  Auferstehung  genannt. 

l'  Dies  kann  uns,  die  wir  gewohnt  sind  als  den  Heidenapostel  speciell 
Paulus  zu  betrachten,  auffallend  erscheinen,  und  man  ist  dabei  vielfach 
geneigt  in  solchen  Fällen  auf  „judenchristlich"  zu  erkennen.  Aber  dieser 
Begriif,  der  überhaupt  viel  Verwirrung  angerichtet  hat,  ist  auch  hier  gar 
nicht  am  Platze.  Es  ist  vielmehr  ein  clem  sich  auf  heidenchristlichem 
Boden  zur  altkatholischen  Kirche  entwickelnden  Christentum  gemeinsames 
Gut,  dass  man  —  auf  Grund  der  geschichtlichen  Erinnerung  an  die  „Zwölf", 
welche  des  Herren  nächste  Umgebung  und  ständiges  Gefolge  bildeten,  — 
sich  eine  Fiction  von  einem  12-Apostel-Collegium  bildete,  welches  —  immer 
gemeinsam  funktionierend  —  zugleich  Missionar,  Lehrer,  Leiter  und  Gesetz- 
geber der  Kirche  war.  Hierbei  liess  sich  natürlich  die  Person  des  Apostels 
Paulus  nicht  unterbringen,  und  meistens  reflektierte  man  auch  gar  nicht 
auf  ihn  —  erst  spät  und  vereinzelt  findet  sich  der  Gedanke,  er  sei  zur  Er- 
gänzung der  Zwölf  berufen:  Carm.  adv.  Marc.  III,  232;  (Epiph.  Haer.XX,  4  ?); 
>onst  steht  er  als  6  änöoxol.oo,  worin  sich  wiederum  eine  richtige  Erinne- 
rung an  die  ursprüngliche  Bedeutung  dieses  dem  Paulus  vor  den  Zwölfen 
zukommenden  Titels  erhalten  hat,  neben  den  andern  — ;  so  kommt  es, 
dass  was  geschichtlich  nur  von  Paulus  gilt,  in  der  Tradition  von  diesem 
losgelöst  und  auf  die  Zwölf- Apostel  übertragen  wird.  Diese  aber  hatten  in 
Petrus  schon  zu  Lebzeiten  des  Herren  ihren  Sprecher  und  Führer.  Dazu 
kommt  dann  noch,  dass  —  wohl  in  richtiger  historischer  Erinnerung  — 
von  alters  her  Petrus  und  Paulus  zusammen  genannt  werden  als  die  Mis- 
sionare des  Westens  (I.  Clem.  R.  5;  üion.  Cor.  bei  Eus.  H.E.  II,  25  u.  a.). 
Eine  Combination  dieser  beiden  Linien,  durch  welche  notwendig  Paulus 
ganz  abgestossen  werden  musste,  mag  jene  nach  allen  Richtungen  hin 
einzige  Stellung  des  Petrus  begründet  haben. 


§  5.    Resultate.  75 

der  Titel  peti-inische  Abfassung  der  Schrift.  Aber  auch  diese 
hohe  Autorität  nutzte  der  Schrift  nichts,  ja  schadete  ihr  vielleicht 
(vergl.  Harnacks  Ausführungen  zur  Geschichte  des  Pastor  Hermae, 
Patr.  Apost.  opp.  III  p.  LVII).  —  Als  specifisch  alexandrinische 
Apostelgeschichte  mit  ausgeprägt  alexandrinischer  religionsphilo- 
sophischer Denkweise  erlangte  sie  kaum  weitere  Verbreitung  *) 
und  ähnlich,  wie  es  der  Apok.  Petri  erging,  die  noch  bei  Clem. 
AI.  in  höchstem  Ansehen,  allmählich  wohl  durch  den  2.Petr.-Brief 
verdrängt  wurde,  so  niusste  unser  K.P.,  dem  schon  bei  Clem.  AI. 
die  lukanische  Apostel-Geschichte  zur  seite  stand,  unter  dem  über- 
wiegenden Einfiuss  des  römischen  Kanons,  der  sich  schon  zur 
Zeit  des  Origenes  auch  in  Alexandrien  durchsetzte,  dieser  Rivaliu 
weichen,  und  verschwand  bald  ganz  aus  der  Literatur,  schon 
von  Origenes  kaum  gekannt,  sicherlich  verworfen,  so  dass  auch 
kaum  zu  hoffen  ist,  dass  es  gelingen  werde  die  Schrift  noch 
einmal  ganz  aufzufinden,  es  müsste  uns  denn  dies  Glück  durch 
eine  uralte  Übersetzung  zu  teil  werden2). 

Eine  Vermutung  aber  legt  sich  hier  noch  nahe,  wenn  wir 
uns  der  anderen  beiden  Versuche,  dem  Marc.-Evang.  einen  Schluss 
zu  geben,  erinnern.  Sollte  nicht  vielleicht  einer  derselben  dazu 
gedient  haben,  den  erst  durch  die  Abstossung  des  öevregoG  Xoyoö 
wieder  fühlbar  gewordenen  Mangel  zu  ergänzen  und  demgemäss 
auch  in  einer  inneren  Beziehung  zu  dem  K.P.  stehen?  Die  Be- 
jahung dieser  Frage  bezüglich  des  recipierten  längeren  Schlusses, 
liegt  um  so  näher,  seit  die  grossen  englischen  Textkritiker  in 
ihrer  meisterhaften  Erörterung  der  ganzen  kritischen  Frage  des 
Marcus-Schlusses3)  überzeugend  nachgewiesen  haben,  dass  wir  es 


1)  Heracleou,  der  Schüler  Valentins  und  Genosse  des  sich  schon  durch 
seinen  Namen  als  Aegypter  ausweisenden  Ptolemaeus  hatte  gewiss  Bezie- 
hungen nach  Aegypten,  und  wenn  wir  eine  Benutzung  des  K.P.  durch 
Justin  und  Tatian  annehmen  müssen,  so  lässt  sich  deren  Bekanntschaft 
mit  der  Schrift  hei  ihren  grossen  Reisen  im  Orient  leicht  verstehen,  wenn 
nicht  eben  Heracleon  die  Vermittlung  herstellte. 

2)  Eine  syrisch  erhaltene  „Predigt  des  Simon  Kepha  in  Rom" 
Cureton  ancient  syriac  documents,  p.  35—41),  auch  arabisch  und  aethiopisch 
erhalten  (cf.  Zotenberg,  catal.  des  mscr.  ethiop.  p.  53.  56)  ist  nach  Lipsius 
(Apokr.  Apostgesch.  II,  206  sq.,  323;  ders.  in  Smith,  Dict.  of  ehr.  biogr.  I,  20) 
eine  durch  Eus.  H.E.  beeinflusste,  also  sehr  späte  Bearbeitung  der  gnosti- 
schen  Tigä&iG  TittQov. 

3)  Westcott  and  Hort,  the  new  testament,  II  Appendix  p.  28—51. 


7ß  v.  Dobschütz,  Das  Kerygrna  Petri. 

bei  diesem  nicht  mit  einer  ad  hoc  gefertigten  Ergänzung,  sondern 
mit  einem  Fragment  aus  dem  Eingange  einer  Erzählung  zu  thun 
haben,  die  mit  der  Auferstehung  anhob,  wobei  jedoch  unserem 
Fragment  bereits  eine  längere  Erzählung  vorausgegangen  war. 
Die  Zeit  der  Erzählung  bestimmen  sie  als  die  der  allgemeinen 
Annahme  der  kanonischen  Evangelien  vorausgehende,  —  womit 
in  gewisser  Weise  Resch  zusammentrifft,  der  in  der  Zeitschrift 
für  kirchl.  Wissenschaft  und  kirchl.  Leben  1889,  I  p.  25  sqq.  nach- 
zuweisen sucht,  dass  der  Marcus-Schluss  auf  vorkanonischer  Quelle 
ruhe,  welche  schon  Paulus  benutzt  haben  soll.  —  So  verlockend 
es  hier  nun  auch  wäre,  die  Combination  mit  unserem  K.P.  zu 
vollziehen  l),  so  geht  dies  doch  aus  folgenden  Gründen  nicht 
wohl  an:  1)  Der  Marc.-Schluss  wahrt  bei  den  Erscheinungen  des 
Auferstandenen  die  richtige  11-Zahl  der  Jünger,  während  das  K.P. 
(Fragm.  VII,  cf.  p.  55)  durch  die  Macht  der  12-Jünger-Tradition 
verleitet,  die  12-Zahl  auch  hier  beibehält.     2)  Der  Marc.-Schluss 


1)  Dies  hat  in  der  That  Zahn  in  seiner  neuesten  Untersuchung  über 
die  Marc-Schlüsse  (Gesch.  d.  Kan.  II,  2,  2  p.  910-938)  gethan.  Nach  ihm 
stellt  sich  die  Sache  so  dar,  dass  Mc.  16,  9 — 13  allerdings  nur  eine  Com- 
pilation  aus  Luk.  und  Joh.  sind,  dagegen  vv.  14 — 20  aus  einer  alten  Quelle 
stammen.  Dieser  gehört  auch  der  bei  Hier.  dial.  c.  Pelag.  II,  15  erhaltene 
Zusatz  zu  v.  14  an,  welcher  entweder  ursprünglich  auch  dem  Marc.-Schluss 
angehörte,  oder  aus  dessen  eigener  Quelle  hineininterpoliert  wurde.  Auf 
dieser  Quelle  ruht  dann  wahrscheinlich  auch  Act.  Pil.  c.  14  (vergl  hierüber 
Tischendorf,  de  evang.  apocr.  origine  et  usu  [1S51]  p.  133 sq.),  wo  der  — 
in  sehr  verschiedener  Form:  Mambre,  Mamilch  u.  a.  überlieferte  —  Name 
des  Berges  nach  Tert.  Ap.  21  auch  ursprünglich  sein  soll.  —  Wäre  nun 
wirklich  diese  Quelle  das  K.P.,  so  hätten  wir  ja  ein  höchst  wertvolles 
Zeugnis  aus  recht  früher  Zeit,  das  zugleich  viel  wichtigen  Stoff  bietet, 
doch  sind  die  oben  dagegen  aufgeführten  Gründe  m.  E.  zu  stark.  —  Auch 
darin  scheint  Zahn  keinen  glücklichen  Schritt  über  Westcott-Hort  hinaus 
gethan  zu  haben,  dass  er,  um  doch  für  einen  Teil  des  als  unecht  verwor- 
fenen Schlusses  die  kanonische  Grundlage  zu  retten,  denselben  zerlegt  und 
sich  für  die  erste  Hälfte  mit  der  Berufung  auf  Luk.  und  Joh.  begnügt. 
Die  Stärke  des  Beweises  der  Engländer  für  die  Herkunft  von  vv.  9 — 20  aus 
einer  schriftlichen  Quelle  liegt  in  den  ersten  Sätzen,  in  deren  Unzuläng- 
lichkeit und  Unbegreiflichkeit  als  Fortsetzung  von  vv.  1 — 8.  In  der  That, 
es  müsste  ein  sehr  ungeschickter  Compilator  gewesen  sein,  der  trotz  eigener 
Einschaltungen  keinen  besseren  Übergang  von  v.  8  zu  vv.  14 — 20  herzu- 
stellen im  stände  war.  Daher  niuss  jeder  Versuch,  die  Geschichte  dieses 
Fragmentes  zu  erforschen,  von  der  Würdigung  der  vv.  9 — 20  als  eines 
Ganzen  ausgehen. 


§  5.    Resultate.  77 

legt  bei  dem  Kerygina  den  grössten  Wert  auf  die  begleitenden 
und  bestätigenden  Wunder  und  Zeichen,  während  unser  K.P.  nach 
Fragm.  IX  und  X  die  Beglaubigimg  der  Predigt  allein  in  ihrer 
Schriftgemässheit  zu  erblicken  scheint.  3)  Auch  die  Formel  des 
Marc-Schlusses:  6  jriorzvoao  y.ai  ßajirio&uo  Gcodi/Osrcu,  o  Ö£ 
aTHöTTjOaG  y.Qi&?JG8Tai  entspricht  nicht  der  parallelen  Formel  des 
K.P.  in  Fragm.  VII,  wo  nur  von  dxovsiv,  jugtsvsiv  (dazu  /jera- 
voüv  Fragm.  VI  und  VIII),  nicht  aber  vom  ßdjcriGfxa  die  Rede 
ist l).  In  allen  diesen  Beziehungen  kommt  dem  Marc.-Schluss  ein 
viel  näheres  Verhältnis  zur  lukanischen  A.G.  und  auch  dem  K.P. 
gegenüber  eine  grössere  Ursprünglichkeit  zu,  indem  sich  grade 
durch  diese  Vergleichung  wieder  der —  sozusagen  —  alexandrinisch- 
gnostische  Charakter  des  K.P.  zeigt.  Anders  stellt  sich  die  Sache 
bezüglich  des  kürzeren  Schlusses,  über  dessen  Geschichte  freilich 
trotz  Westcott-Hort's  und  Zahns  Untersuchungen  immer  noch 
grosses  Dunkel  liegt2).     Jedenfalls  aber  haben  wir   es  hier  mit 


1)  Der  im  N.T.  seltene,  iu  unseren  Fragm.  fehlende  Ausdruck  aiuozetv 
findet  sich  2rual  im  Marc.-Schluss,  v.  11  und  v.  16  (ein  neuer  Beweis  der 
Einheit)  und  ausser  Rom.  3,  3;  2.  Tim.  2,  13;  1.  Petr.  2,  7  besonders  bei  Lukas. 

2  Derselbe  liegt  in  zwei  Gestalten  vor:  die  bei  Tisch,  und  WH.  ab- 
gedruckte findet  sich  bei  L  (Saec.  VIII).  274  (Saec.  X)  in  mg.,  Syr.  Heracl. 
in  mg.  (hier  nach  Zahn  vielleicht  aus  den  drei  im  J.  616  aus  dem  Antonius- 
kloster zu  Alexandra  bezogenen  Handschriften  stammend  cf.  WH,  II  Introd. 
§  119.  215);  —  die  andere  bieten  cod.  T  (Saec.  VIII  vel  IX  cf.  Gregory 
Proleg.  zu  Tisch.  N.T.  ed.  VIII,  2  p.  445)  und  damit  nahe  verwandt  579 
(Saec.  XIII),  k  (Saec.  V),  memph.  (Hunt.  17  in  mg.)  und  aeth.  Die  letztere 
scheint  nach  der  äusseren  Bezeugung  den  Vorzug  zu  verdienen.  Innere 
Gründe  freilich  machen  dies  zweifelhaft,  da  die  erste  die  schwierigere  ist. 
<I>'  bietet  den  Übergang  dar.  sofern  hier  die  2  Verba  unvermittelt  neben 
einander  stehen.  Ist  nun  t<füvi]  hier  eingedrungen,  oder  ist  ein  xal  darnach 
ausgefallen?  Letzteres  scheint  doch  das  wahrscheinlichere,  da  leicht  das 
folgende  xal  als  Bindeglied  für  die  beiden  Verba  gefasst  werden  konnte.  — 
Ein  deutliches  Bild  von  dem  Verhältnis  der  Zeugen  zu  gewinnen  ist  dop- 
pelt schwer,  weil  man  soviel  mit  Marginalien  zu  rechnen  hat  und  von  hier 
die  Schlüsse  auf  die  Archetypen  stets  sehr  unsicher  sind.  Verfehlt  scheint 
mir  z.  B.  in  dieser  Hinsicht  Zahns  Ausführung  über  MS.  Hunt.  17,  dessen 
Archetyp  —  um  den  immerhin  auffallenden  AViderspruch  zwischen  v.  8b 
ovSevl  ovösv  ehtov  und  App.  navza  .  .  ittfyyftXav  zu  beseitigen,  was  z.B. 
in  k  durch  Auslassung  des  ganzen  v.  8  geschieht  —  den  Appendix  zwischen 
v.  8a  und  8b  gehabt  haben  soll,  —  wahrlich  keine  Verbesserung  des  Ge- 
dankengangs! In  der  That  besagt  auch  m.  E.  die  Cbergangsformel:  These 
again  are  reckoned  (added)  to  theni:  and  after  these  things  .  .  .  were  afraid. 


78  v.  Dobschütz,  Das  Kerygma  Petri. 

einem  ad  hoc  gefertigten  Abschluss  zu  thun,  der  den  sich  empfind- 
lich fühlbar  machenden  Mangel  des  Evangeliums  ersetzen  sollte. 
Dabei  weist  die  handschriftliche  Bezeugung  (eine  patristische  fehlt 
leider  ganz)  auf  verhältnismässig  sehr  hohes  Alter,  während  der 
rhetorische  Stil  der  Sätze  selbst  nicht  rät,  allzuweit  hinaufzugehen. 
Die  eigentümliche  Diction  derselben,  die  von  der  neutestament- 
lichen  ziemlich  absticht1),  findet  auch  im  K.P.  keinen  Anhalt. 
Dennoch  wäre  es  nicht  ohne  weiteres  abzuweisen,  dass  jenes 
Bedürfnis  nach  einem  Schlüsse  sich  eben  damals  herausgestellt 
habe,  als  man  das  K.P.  von  dem  Marc.-Evang.  abstiess,  wobei 
ja  eine  innere  Beziehung  nicht  notwendig  statthaben  musste, 
wenn  man  nur  den  alexandrinischeri  Ursprung  u.  zw.  ungefähr 
zur  Zeit  des  Origenes  nachweisen  könnte!  Wahrscheinlich  ist  er 
allerdings  (cf.  Zahn:  spätestens  im  Anfang  des  4.  Jahrhunderts  in 


welche  sich  am  Rande  nach  dem  Appendix  findet,  das  grade  Gegenteil 
und  hat  den  gleichen  Wert  wie  die  Formel  eaxiv  de  xal  xaixa  (pc-QÖ/nevu 
tuexa  xo'  tcpoßovvxu  yaQ  in  L  und  '¥  heim  Übergang  zu  vv.  9 — 20.  —  Das 
höchst  seltsame  coptische  Fragment  auf  dem  letzten  Blatt  des  cod.  Askew. 
der  Pistis  Sophia  stellt  ein  wunderbares  Gemisch  dar.  Bringt  die  erste 
Wortgruppe  eine  ganz  eigentümliche  Darstellung  der  apostolischen  Missions- 
wirksamkeit, welche  mit  ihrem  grossartigen  Schematismus  ebensoweit  von 
der  geschichtlichen  Wirklichkeit  absteht,  als  zugleich  eine  Zeit  voraussetzt, 
wo  sich  die  Speziallegenden  noch  nicht  ausgebildet  hatten  —  obwohl  sich 
vielleicht  in  diesen  Nachwirkungen  dieser  Auffassung  nachweisen  Hessen  — , 
so  scheint  der  zweite  Teil  ganz  auf  Mc.  16,  20  zu  ruhen,  weswegen  man 
das  ganze  als  Paraphrase  dieses  Verses  betrachten  zu  müssen  geglaubt  hat. 
Die  letzten  Worte  aber  erinnern  auffallend  an  den  kürzeren  Appendix  und 
was  dazwischen  steht,  klingt  mit  jener  Nebeneinanderstellung  von  Israel 
und  der  Welt  (es  scheint,  als  sei  der  Genitiv  nur  aus  Versehen  zum  2.  Wort 
gestellt  worden)  und  mit  der  Phrase  tlo  fiaQxipiov  nüoiv  xola  küveoiv  an 
Fragm.  VI  und  VII  unseres  K.P.  an  (doch  vergl.  besonders  auch  Mt.  24,  14; 
zu  tvuyyü.iov  x7ta  ßuoiXtlao  Mt.  4,  23;  9,  35).  Leider  ist  aber  das  Frag- 
ment, das  Westcott  und  Hort  wohl  nicht  mit  Unrecht  als  Teil  einer  apo- 
kryphen Apostelgeschichte  betrachten  (Zahn:  Homilie  oder  Apologie)  zu 
gering,  um  irgend  welche  Folgerungen  für  jene  mutmasslich  zu  Grunde 
liegenden  Schriften  daraus  zu  ziehen. 

1)  iSayyä/J.eiv  findet  sich  im  N.T.  nur  1.  Petr.  2,  9;  alwvioo  owxijyicc 
Hebr.  5,  9;  —  iqanoaxü./.eiv  nur  bei  Paulus  und  Lukas;  —  avvxöfxma  nur 
Act,  24,4;  —  dvoio,  auch  bei  Profanschriftstellern  seltener,  fehlt  im  N.T. 
und  auch  bei  den  LXX  und  den  Apokryphen,  welche  wie  Mt.  und  Luk. 
das  üblichere  Wort  im  Plural:  and  c.vaxo'/.üv  xal  (t'tuo)  dvGfiüv  gebrauchen; 
dagegen  findet  sich  övaia  I.  Clem.  5,  6  sq.  und  Ign.  ad  Rom.  2,  2.  Wichtiger 
aber  ist  der  ganze  Tenor :  the  last  phrase  is  slightly  rhetorical  (WH.,  App.  p.  44). 


§  5.    Resultate.  79 

Aegypten),  aber  sicheres  lässt  sich  nicht  behaupten  und  so  kann 
auch  die  nicht  eben  sehr  häufige  Formel  01  jisq)  jtirQOv,  welche 
ja  vielleicht  eine  Anspielung  auf  das  yJjgvyua  jrtrgov  enthält, 
nichts  beweisen,  da  sie  zuletzt  auch  aus  Luk.  24,  9 — 12  abgezogen 
sein  könnte  (WH). 


Dürfen  wir  nun  auf  der  Hypothese,  dass  das  Kerygma  Petri 
ursprünglich  zum  ötvTtQoö  XoyoO  des  Marc.-Evang.  bestimmt  war, 
weitere  Schlüsse  bauen,  so  liesse  sich  zur  Reconstruction  desselben 
noch  folgendes  bemerken:  An  das  icpoßovvro  yäg,  womit  unser 
Marc.-Evang.  schliesst,  reihte  sich  wohl  zunächst,  wennschon 
nicht  unmittelbar,  Fragm.  VII  an.  Dabei  zeigt  sich,  dass  die 
Einleitung  bei  Clem.  AI.  wahrscheinlich  nicht  dem  Text,  sondern 
der  Situation  entnommen  ist.  welche  am  Anfange  der  Schrift 
geschildert  gewesen  sein  muss.  An  den  allgemeinen  Aussendungs- 
befehl mag  sich  dann  eine  Weisung  angeschlossen  haben,  zu- 
nächst in  Jerusalem  oder  Palaestina  zu  bleiben  (vielleicht  mit 
ähnlichen  Worten  wie  bei  Apollonius:  fiij  ycogi^tod-ai  djio  Ieqo- 
oolvficov),  deren  Schluss  in  Fragm.  VI  erhalten  ist.  Diese  Herren- 
rede, bei  einer  Erscheinung  des  Auferstandenen,  welche  das 
Evangelium  abgeschlossen  haben  würde,  ist  hier  Einleitung  des 
zweiten  Teils  geworden,  ähnlich  wie  bei  Lukas  der  resummie- 
rende Schluss  des  Evangeliums  ausgeführt  als  Einleitung  zur  A.G. 
wiederkehrt.  Was  darauf  gefolgt  ist,  vermögen  wir  nicht  zu 
sagen.  Die  anderen  Fragmente  geben  sich  alle  als  Stücke  aus 
petrinischen  Reden.  Dass  aber  das  Ganze  eine  zusammenhängende 
Rede  gewesen  sei,  lässt  sich  nicht  behaupten,  und  so  ist  auch 
ein  Versuch  der  Gruppierung  vergebens,  abgesehen  von  den 
Stücken,  deren  Zusammenhang  Clem.  AI.  selbst  angiebt:  Fragm. 
II — V,  wobei  II  wegen  oiv  nicht  die  Rede  eingeleitet  haben  kann 
und  V  auch  kaum  unmittelbar  auf  IV  folgte;  IX — X.  auch  hier 
mit  fehlendem  Zwischenglied.  —  Alle  weiteren  Behauptungen 
wären  ohne  Begründung,  da  wir  den  Charakter  der  Schrift  doch 
nicht  genau  genug  kennen.  Wenn  man  sich  freilich  streng  an 
die  Fragmente  hält,  welche  meist  Redeteile  enthalten,  so  ist  man 
versucht  den  Charakter  des  Ganzen  als  den  einer  apologetischen 
Rede  zu  bestimmen.  Allein  dieser  Schluss  ist  ebenso  unberechtigt, 
wie  wenn  man  die  lukanische  A.G.  nach  der  Stephanusrede,  welche 


80  v-  Dobschütz,  Das  Kerygma  Petri. 

bedeutend  umfangreicher  ist  als  unsere  nur  c.  65  Stichen  (den 
Stichos  zu  36  Buchstaben  gerechnet)  unifassenden  Fragmente,  als 
eine  grosse  Rede  bestimmen  wollte.  Über  den  Umfang  der  Schrift 
lasst  sich  leider,  da  jede  Stichenangabe  fehlt,  garnichts  sagen. 
Ist  aber  unsere  Hypothese  richtig,  so  müsste  der  Charakter  der 
Schrift  ein  historisch-referierender  gewesen  sein.  Dies  schliesst  na- 
türlich eine  apologetische  Tendenz  so  wenig  aus,  als  bei  anderen 
urchristlichen  Geschichtserzählungen,  z.  B.  eben  der  lukanischen 
A.  G.,  ein  rein  historisches  Interesse  angenommen  werden  darf. 
Die  apologetische  Tendenz  tritt  hier  nur  eben  noch  nicht  frei 
und  in  selbständiger  Form  heraus,  sondern  birgt  sich  im  Ge- 
wände geschichtlicher  Darstellung. 


Zweifelhafte  Fragmente. 

Der  Wunsch,  die  überaus  wenigen  Fragmente  unseres  Ke- 
rvgma  Petri  etwas  zu  vermehren,  hat  die  Gelehrten  veranlasst, 
manches  unter  dieselben  aufzunehmen,  was  wir  als  unsicher  bei- 
seite lassen  mussten.  Wir  lassen  diese  Stücke  nunmehr  folgen, 
indem  wir  bei  ihrer  Besprechung  stets  die  Möglichkeit  im  Auge 
behalten,  dass  sie  dennoch  dem  K.P.  zuzuweisen  seien. 

Wir  sehen  dabei  ab  von  dem  grossartigen  Versuch  einer 
Reconstruction  des  K.P.,  den  Robinson  neuerdings  gemacht  hat. ') 
Seine  Voraussetzungen,  dass  das  K.P.  als  gemeinsame  Quelle  der 
Arist.  Apol.,  dem  dh]0?]o  Xoyoö  des  Celsus,  dem  Brief  an  Diognet 
und  den  Sibyllinen  zu  gründe  liege  und  aus  diesen  wiederher- 
zustellen sei,  haben  sich  uns  bei  der  Untersuchung  der  in  den  echten 
Fragmenten  enthaltenen  Parallelen  als  unhaltbar  erwiesen,  sofern 
die  Berührungen  einmal  zu  allgemeiner  Art,  andrerseits  ungenau 
sind.  Bezüglich  des  Celsus  traten  wir  Harris'  Ansicht  bei,  dass 
seine  Quelle  die  Arist.  Apol.  selbst  sei.  So  können  wir  die  von 
Robinson  dem  K.P.  zuerkannten  Stücke: 

1  i  Bezeichnung  Gottes   als   jcavroy.QärcoQ  (und  aytvvijtoo); 

2)  Gott  schuf  „Himmel  und  Erde  und  alles  was  darinnen  ist"; 


1    Texts    and  Studies  I,  1.  1891:    Harris,    the    Apology    of  Aristides; 
Appendix  von  Robinson  p.  86 — 99. 


Zweifelhafte  Fragmente.  81 

3)  u.  zw.  dies  „dem  Menschen  zu  gut"  und  „ihm  untergeben"; 

4)  Torheit  der  Heiden,  Gott  zu  bewachen; 

5)  Gott  braucht  keine  Opfer; 

6)  Gott  giebt,  recht  von  ihm  zu  reden; 

7)  Beziehung  auf  Beschneidung   und  Essen  bei  den  Juden; 

8)  Die  Christen  halten  die  Welt  aufrecht; 

9)  Gottes  Gebote  sind  in  ihren  Herzen; 

10)  Begründete  Verwerfung  der  Anbetung  von  Feuer,  Wasser 
und  anderen  Elementen; 

11)  Gottähnlichkeit  besteht  in  Wohlthätigkeit i),  — 
welche  alle,  abgesehen  von  Nr.  7  (s.  zu  Fragin.  IV)  wohl  in  das 
K.P.  passen  würden,  nur  als  unbegründet  ansehen ;  — desgleichen  die 
Fortsetzung  des  Fragm.  VII  über  xl  ovv  hinaus  mit  den  Worten 
xi  ovv;  ovyl  xal  Iv  ädy  ?)  avxrj  ytyovtv  oixovofiia\  —  und  die 
Herbeiziehung  von  Strom.  VI,  15,  127:  oxav  xio  xov  vlöv  xov 
&eov  xov  xd  jrävxa  ji£jcoi?jx6xoo  oäoxcc  dv£ih](pöxa  xal  Iv 
p')TQa  Jtaodtvov  xvo(fOQ?/0tvxa  (xaß-6  yeytvqxcu  xö  alofrfjxöv 
avrov  Gaoxiov)  dxoXovfrcoo  de  xado  yiyore  xovxo  jtEjtov&öxa 
xal  avEOxaiitvov,  6  fisv  Xtyti,  ot  öh  dxovovöiv'1). —  Man  könnte 
auf  Grund  dieser  Theorie  noch  viel  weiter  gehen,  und  dem  K.P. 
z.  B.  eine  Recension  der  beiden  Wege,  die  sehr  wohl  hinein- 
passen würde  (s.  zu  Fragm.  V),  zusprechen,  was  eventuell  auf  die 
Rufinstelle  neues  Licht  würfe.  Doch  das  alles  sind  unsichere 
Vermutungen. 

Wir  haben  es  hier  mit  den  Fragmenten  der  ..doctrina  Petri'- 
bei  Origenes  und  der  ,.didaöxalia  jitxoov"  bei  späteren  Griechen 
zu  thun,  welche  meist  zu  dem  Keiwgma  Petri  hinzugezogen 
werden.  Erst  in  zweiter  Linie  kommen  daneben  auch  die  dem 
Paulus    zugeschriebenen    Fragmente   in   betracht.    deren   Nicht- 


1)  Robinson  erklärt  sieb  sehr  entschieden  gegen  die  Identifizierung 
der  Didascalia  Petri  mit  dem  K.P.  Wenn  er  sich  aber  dafür  besonders 
darauf  beruft,  dass  die  bestrittenen  Fragmente  keine  Bestätigung  durch 
die  Arist.  Apol.  finden,  so  fällt  dieser  Beweis  allerdings  hin.  wenn  er  selbst 
für  das  K.P.  aus  der  Arist.  Apol.  c.  14  rec.  syr.)  und  der  ep.  ad  Diogn. 
c.  10  ein  Stück  (nämlich  Nr.  11)  konstruiert,  welches  sich  in  jener  Didas- 
calia Petri  (Fragm.  XV,  s.  u.  p.  110)  findet 

2)  Diese  Stelle,  welche  besonders  durch  die  Formeln  des  Aristides 
über  die  Geburt  von  einer  israelitischen  Jungfrau  gestüt/.t  wird,  gehört 
schon  deshalb  wohl  nicht  dem  K.i'.  an.  weil  dieses  nach  Fragm.  IX  nicht 
von  der  übernatürlichen  yevtnjoiO,  sondern  von  der  TtaQOvaia  Christi  spricht. 

Texte  u.  Untersuchungen  XI,  1.  G 


g2  v.  Dobschütz,  Das  Kerygma  Petri. 

Zugehörigkeit  zum  Kerygma  Petri   wohl  als    erwiesen  angesehen 
Averden  darf  (s.  o.  §  1,  p.  13  —  15). 

§  6. 
Die  doctrina  Petri  des  Origenes. 

XL 

Orig.  de  princ.  praef.  8:  Si  vero  quis  velit  nobis  proferre  ex 
Mo  libello  qui  Petri  doctrina  appellatur,  tibi  Salvator  videtur  ad 
discipulos  dicere: 

non  sura  daemoniuni  incorporeum. 

ov/c  d(i\  öaijiöviov  äooJluaTOi>. 

„Ich  bin  kein  körperloses  Geistwesen". 

Diese  evangelische  Überlieferung,  welche  wohl  mit  Luk.  24, 
36  —  39  parallel  ist,  finden  wir  wieder  bei  Ign.  ad  Smyrn.  3  und  — 
nach  dem  Zeugnis  des  Hier,  (in  Jes.  lib.  XVIII  prol.;  de  vir.  ill.  16)  — 
im  Hebr.-Evang.  Es  fragt  sich  nun,  ob  unter  diesen  drei  Zeugen 
ein  Abhängigkeitsverhältnis  besteht.  Nach  Hier,  de  vir.  ill.  16 
soll  allerdings  Ignatius  sein  testimonium  de  evangelio,  quod 
nuper  a  nie  translatum  est  (d.  i.  das  Hebr.-Evang.),  haben.  Bei 
Ignatius  findet  sich  davon  nichts,  es  ist  unsicher,  ob  er  eitleren 
will.  Dazu  kommt,  dass  Eusebius  (HE.  III,  36,  11),  der  das 
Hebr.-Evang.  kannte,  zu  der  Ignatius-Stelle  bekennt:  ovx  olö 
ojtöfrsv  Qtjtolo  ovyy.tygtjTai,  was  bei  ihm  nicht  nur  ein  momen- 
tanes Verlassensein  vom  Gedächtnis  bedeutet.  Ferner  führt  Origenes 
den  terminus  technicus  öaifiönov  aocouaxov  aus  der  doctrina 
Petri  ausdrücklich  mit  der  Bemerkung  an,  dass  er  sich  in  keiner 
anderen  normativen  christlichen  Schrift  finde,  was  bei  seiner 
Kenntnis  und  Beurteilung  des  Hebr.-Evang.  entschieden  mit  der 
Angabe  des  Hier,  streitet.  Wenn  dieser  aber  doch  in  etwas  Recht 
haben  soll,  so  muss  man  annehmen,  dass  die  Stelle  in  die  ihm 
bekannte  Recension  des  Hebr.-Evangeliums  (er  hatte  eine  Copie 
aus  Beroea)  eingedrungen  war  (Lightfoot  zu  Ign.  ad  Smyrn.  3); 
ja  man  kann  aus  der  Stelle,  wo  Hieronymus  unabhängig  von 
Ignatius  auf  die  Stelle  zu  sprechen  kommt  (in  Jes.  lib.  XVIII  prol.), 
schliessen,  dass  das  Hebr.-Evang.  des  Hieronymus  den  Ausdruck 
daipöviov  aocouaxov  nicht  im  Munde  des  Herren,  sondern  an  der 
Stelle  des  jcvtvjia  in  Luk. 24, 37  enthielt  (Zahn,  Ignatius  p.  ßOOsqq)* 


§  ü.    Die  doctrina  Petri  des  Origenes.  g3 

So  ist  die  Abhängigkeit  der  doctrina  Petri  vom  Hebr.-Evang. 
hier  auszuschliessen.  Ob  das  umgekehrte  Verhältnis  statt  hat, 
d.  h.  ob  jene  anzunehmende  Interpolation  in  dem  Hebr.-Evang. 
aus  der  doctrina  Petri  geschöpft  war,  ist  in  keiner  Weise  fest- 
zustellen, ja  gradezu  unwahrscheinlich. 

Was  Ignatius  betrifft,  so  hat  man  aus  der  eigentümlichen 
Einführung  der  Erzählung  durch  xat  özs  statt  6te  yan  folgern 
wollen,  dass  er  nicht  aus  der  mündlichen  evangelischen  Tradition, 
sondern  aus  einer  schriftlichen  Quelle  schöpfe  (Zahn,  1.  c;  Patr. 
apost.  opp.  II,  85).  Diese  könnte  die  doctrina  Petri  sein,  deren 
Abfassungszeit  dann  allerdings  spätestens  etliche  Jahre  vor  13S 
angesetzt  werden  rnüsste1);  doch  ist  nicht  nur  dieses,  sondern 
überhaupt  die  Annahme  einer  schriftlichen  Quelle  für  Ignatius 
nicht  genügend  sichergestellt  und  zu  seiner  Zeit  liegt  der  Ge- 
danke an  mündliche  Tradition  viel  näher.  —  Das  umgekehrte 
Verhältnis  anzunehmen;  liegt  vollends  kein  Grund  vor.  So  bleiben 
diese  beiden  selbständigen  Quellen,  welche  aus  der  mündlichen 
Überlieferung  geschöpft  haben  werden.  —  Vielleicht  ist  daiiiöviov 
docofiarov  auch  nur  Übersetzungsvariante  zu  jcvevfia  odgxa  ovx 
lyov,  ITÖS  1b  p«  rr.-\  (Resch,  Agrapha  T.  u.  U.  V,  4,  411  sqq.). 
Dagegen  spricht  freilich,  dass  öaiitoviov  bei  den  LXX  nie  für 
im  steht;  doch  setzt  cod.  D  Luk.  10,  20  öaifioviov  für  jtvsvfia 
ein  und  erweist  so  die  Synonymität  der  beiden  Wörter.  Der 
Terminus  dömiiaxoo  ist  bei  Gnostikern  und  Apologeten  geläufig 
i  Act.  Joh.  Leuc.  [Zahn  p.  219];  Papyrus  Bruce  p.  106  Ocöfta  doo'j- 
liarov,  p  111  3tvsv/iara  c:oc6tuara  [opp.:  xvevfiaza  roijQct  p.  110]; 
p.  113 -);  Ign.  ad  Smyrn.  2  [wohl  schon  durch  das  folgende  Citat 
beeinflusst;  cf.  Ps.-Ign.  ad  Trall.  9;  ad  Polyc.  3];  Clein.  AI.  exe. 
e  Theod.  11.  14;  Tat.  or.  25:  Just,  Ap.  I.  63;  II,  7;  Di.  1.  2:  Eus. 
de  mart.  Pal.  11,  12:  aoctQxoo  xal  docofiazoo).  —  Die  Stelle  könnte 
im  K.P.  gestanden  haben,  avo  sie  alsdann  wohl  noch  vor  Fragm. 
VII   zu   stellen  wäre  als  Darstellung  der  ersten  Begegnung  des 


1)  So  nach  der  von  Harnack  (die  Zeit  des  Ignatius  und  die  Chronol. 
der  antioch.  Bischöfe,  1878)  gegebenen  Zeitbestimmung,  wobei  sich  an  unserem 
Ansatz  des  K.P.  nichts  ändert.  Hält  man  freilich  das  traditionelle  Jahr 
für  Ignatius  fest,  so  musa  man  über  115  hinaufgehen,  —  daher  Zahns  Da- 
tierung des  K.P.  auf  90—100. 

2)  Freundliche  Mitteilung  des  Herren  Dr.  Schmidt.  Vergl.  jetzt  Texte 
und  Unters.  Vin,  1.  2.    S.  305.  308.  307.  309. 

6* 


g4  v.  Dobschütz,  Das  Kerygma  Petri. 

Auferstandenen  mit  den  Jüngern.  An  unseren  Ausführungen  über 
das  K.P.  würde  sich  nichts  wesentliches  ändern  müssen,  ausser 
dass  dadurch  die  direkte  Bekanntschaft  des  Origenes  mit  der 
Schrift  erwiesen  wäre. 

Anhangsweise  möge  hier  ein  seiner  Quelle  nach  nicht  näher 
bestimmtes,  auch  bei  Origenes  aufbehaltenes  Fragment  folgen, 
auf  welches  Harnack  in  seinem  Artikel  über  die  Apostellehre 
(RE2  XVII,  671)  hingewiesen  hat1),  und  welches  nunmehr  auch 
Zahn  (Geschichte  des  Kanons  I,  363  no.  2)  hierherzuziehen  ge- 
neigt ist  —  vergl.  noch  Resch,  Agrapha,  p.  435. 

XII. 

Orig.  hom.  X  in  Lev.  (Delarue  II,  246):  Sed  est  et  alia  adhuc 
religiosa  (sei.  jejunandi ratio),  cuius  laus  quorundam  (sie!)  aposto- 
loriim  literis  praedicatur j  invenimus  enim  in  quodam  libello  ab 
apostolis  dictum:  beatus  est,  qui  etiam  jejunat  pro  eo,  ut  alat 
pauperem.  Huius  jejuniv/m  valde  aeeeptwm  est  apud  deum  et 
revera  digne  satis ;  imitatur  enim  illum,  qui  anirnam  suam  posuit 
pro  fratribus  suis. 

„Selig  ist,  wer  auch  mit  dem  Zwecke  fastet,  den  Armen  zu 
ernähren." 

Dies  eigenaz'tige  kleine  Fragment  ist  von  Origenes  mit  so 
unbestimmten  Worten  eingeführt,  dass  es  schwer  seheint,  es  einer 
bestimmten  Schrift  zuzuweisen.  Früher  konnte  man  wohl  an  die 
Apostellehre  denken,  aber  die  Auffindung  der  Didache  durch 
Bryennius  (veröffentlicht  18S3)  hat  gezeigt,  dass  diese  nichts  dem 
Fragmente  ähnliches  bietet.  Dass  man  es  unter  die  vielleicht  dem 
Kerygma  Petri  zugehörigen  Stücke  stellen  kann,  ist  zunächst 
veranlasst  durch  den  Ausdruck  „praedicatur"  in  den  Einfüh- 
rungsworten bei  Origenes.  Eine  Bestätigung  dieser  Combination 
scheint  es  zu  sein,  dass  Origenes  von  „quidam  apostoli11  spricht, 
während  —  wie  wir  sahen  (s.  o.  p.  73  no.  1)  —  im  Kerygma  Petri 
meist  Petrus  von  sich  —  vielleicht  im  Namen  seiner  Mitapostel  — 
im  Plural  spricht.  Endlich  würde  es  auch  zu  der  von  Origenes 
an  anderer  Stelle  (in  Ev.  Joh.  tom.  XIII,  17,  cf.  p.  11  no.  1) 
abgegebenen  Beurteilung  des  K.P.  passen,  wenn  er  hier  mit  dem 

1  Einem  gütigen  Hinweis  darauf  von  Seiten  des  Herren  Prof.  Harnack 
verdanke  ich  auch  die  Anregung,  dasselbe  hier  aufzunehmen. 


§  0.     Die  cloctrina  Petri  des  Origenes.  S5 

Titel  so  eigenartig  zurückhält  und  ihn  zweimal  so  umständlich 
mit  quidam  umschreibt.  Diese  Übereinstimmung  erhellt  noch 
deutlicher,  wenn  man  de  princ.  praef.  S  (cf.  p.  13  und  Fragm.  XI) 
herbeizieht,  wo  die  doctrina  Petri  zwar  als  autoritativ  abgelehnt, 
aber  doch  ihre  Benutzung  zugestanden  wird.  —  eine  Beurteilung 
der  doctrina,  welche  in  der  Mitte  stehen  würde  zwischen  der 
sehr  schroffen  Äusserung  in  der  Polemik  gegen  Heracleon,  bei 
welcher  Origenes  von  dem  K.P.  gar  nichts  wissen  will,  und  dem 
eigenen  Gebrauche  der  nur  nicht  mit  ihrem  echten  Titel  genannten 
Schrift  an  unserer  Stelle.  Dass  Origenes  zu  einer  so  verschieden- 
artigen Beurteilung  ein  und  derselben  Schrift  fähig  war,  zeigt 
sich  am  Hirten  des  Hermas,  den  er  einmal  als  ygaip/j  (in  Matth. 
comm.  tom.  XIV,  Del.  III,  644),  ein  andermal  als  quidam  Hber 
citiert  (in  Ezech.  1,  1  sq.  hom.  1,  Del.  III,  358),  während  er  meist 
dazu  bemerkt,  dass  er  nicht  allgemein  angenommen  sei. 

So  wahrscheinlich  nach  alle  dem  die  Zugehörigkeit  unseres 
Fragmentes  zum  K.P.  ist,  so  kann  die  Frage  doch  erst  entschieden 
werden,  wenn  wir  die  übrige  Literatur  auf  die  Verbreitung  des 
darin  enthaltenen ,  jedenfalls  höchst  originellen  Gedankens  hin 
untersucht  haben  werden. 

Zunächst  begegnet  uns  da  der  soeben  genannte  Hirt  des 
Hermas,  welcher  in  der  berühmten  Sim.  V  unter  den  Anweisungen 
zu  einem  geistlichen  Fasten  auch  folgendes  Stück  bringt  (3,  7: 
Patr.  apost.  opp.  III,  146  sqq.):  h>  Ixdvij  xfj  'i^tga  i)  vi/GxsveiG 
fiijdsv  yevö7]  et  (itj  agxov  xal  vÖcoq'  xal  Ix  vmv  sösOfidrcov 
oov  wv  sfteXXeö  rgatyeiv  ov^rjcpioaG  xi\v  jioooxrjxa  rrjo  6a- 
xavrjö  Ixdvrfi  r/Jö  t]tut'gaG  r/G  'ifieXXso  jzoiüv,  öcoGstG  avxo 
yj'lQa  7]  ogrpavcö  rj  vöTSQOVfisvm  xal  ovxod  xajrsivopgov/jGeiG 
h'*  ix  xi]G  rajnLi'orpQOGvvrjG  oov  6  dXr^mO  £tujih'jO)j  xf/v  tav- 
xov  tpvyjjv  xal  ev^tjxai  vjceg  oov  jcgoo  xbv  xigiov.  (8)  lav  ovv 
ovxoj  xsXtGyG  xi)v  vi]Gxdav  oio  Goi  ai'sxeiZäfir/v,  ioxai  ?/  Svoia 
oov  öexxr]  jtagd  xm  frecö  xal  tyygacpoo  soxat  ?j  vrfixda  avxtj, 
xal  ?/  Xtixovgyla  ovxcog  ioya^oiitry]  xaX))  xal  IXagä  loxt  xal 
evjtgÖGÖtxxoG  xcö  xvglco.  (9l  xavxa  ovxoi  xrjg?']G£iG  ov  iure. 
xäJv  xtxvoov  oov  xal  oXov  xov  otxov  oov  xi'igi'iGaG  Je  avrd 
iiaxagioG  tO]j'  xal  ooot  av  axovoavxeo  avxd  xrjgrjGoDOi  f/a- 
xö.giot  hoovxai,  xal  ooa  av  alxt'iGoivxai  ziagä  xov  xvgioc 
?j]ipovxai.  Dass  hier  mit  dem  Hauptgedanken  unseres  Frag- 
mentes   ein   enger  Zusammenhang    besteht,    leuchtet    ein.     Man 


>5()  v.  Dobschütz,  Das  Kerygma  Petri. 

könnte  versucht  sein,  zu  glauben,  Origenes  habe  den  Hermas 
benutzt;  aber  abgesehen  davon,  dass  Origenes  ein  libellus  qui 
Pastoris  dicitur  .  .  .,  quem  Hermas  conscripsit  (de  princ.  I,  3,  3; 
Del.  1,61)  nicht  wohl  als  „libellus  quorundam  apostolorum"  ein- 
geführt haben  würde,  ist  auch  die  knappe  Fassung  des  Maka- 
rismus  bei  Origenes  weit  ursprünglicher  als  die  breite  Ausführung 
bei  Hermas.  Man  wird  daher  gut  thun,  das  Verhältnis  umzu- 
kehren und  anzunehmen,  dass  die  von  Origenes  citierte  Schrift 
auch  bei  Hermas  benutzt  ist. 

Aber  ist  überhaupt  ein  schriftstellerisches  Abhängigkeits- 
verhältnis vorhanden?  Dagegen  scheint  entschieden  zu  sprechen, 
was  Aristides  in  seiner  Apologie  (c.  15  rec.  syr.)  schreibt:  „Wenn 
einer  unter  ihnen  arm  oder  bedürftig  ist,  und  sie  haben  nicht 
Überfluss  am  notwendigen,  so  fasten  sie  zwei  oder  drei  Tage, 
um  der  Notdurft  mit  der  ihnen  nötigen  Nahrung  aufhelfen  zu 
können."  Denn  hier  ist  derselbe  Gedanke,  der  mit  Jes.  58,  7: 
öiditovjtTt  jtzivcövTi  xov  aQxov  Oov  (cf.  Barn.  3,  3)  wohl  ver- 
wandt, aber  doch  eigenartig  und  neu  ist,  vom  Apologeten  als 
allgemein  geltende  Sitte  geschildert.  Ist  es  da  zu  verwundern, 
dass  er  in  verschiedenen  von  einander  unabhängigen  Schriften 
erwähnt  wird?  Doch  —  Sitten  haben  ihren  Ursprung,  und  oft 
grade  in  autoritativen  Worten;  zudem  kann  man  aus  einer  solchen 
apologetischen  Darstellung  keineswegs  immer  auf  wirkliche  All- 
gemeinheit schliessen.  Denn  in  vielen  Fällen  geben  diese  Schil- 
derungen sicherlich  nur  allgemein  anerkannte  autoritative  Gebote 
als  erfüllte,  obwohl  zumeist  nur  von  einem  Streben  nach  Er- 
füllung hätte  geredet  werden  können,  wie  denn  Aristides  (Apol. 
c.  15)  ehrlich  genug  sagt:  zovö  ty&QovG  evsQysrtlv  öTiovöä^ovOi 
und  die  ganze  Schilderung  schliesst:  Das  ist,  o  König,  die  Vor- 
schrift des  Gesetzes  der  Christen  und  das  ist  ihr  Wandel 
(c.  16  init.).  Dass  es  so  ist,  zeigt  sich  daran,  dass  Aristides  seine 
Darstellung  christlichen  Lebens  im  engsten  Anschlüsse  an  ATliche 
Gebote  wie  Jes.  58,  6  sq.,  an  Herrenworte  wie  die  der  Bergpredigt 
und  besonders  an  die  Lehren  der  Didache  giebt.  Wir  werden 
daher  kaum  irren,  wenn  wir  seine  Angabe  über  das  christliche 
Fasten  eben  von  dem  bei  Origenes  erhaltenen  Makarismus  her- 
leiten; und  weiterhin  wird  es  wahrscheinlich,  dass  auch  die 
anderen  Sätze  des  Aristides,  besonders  sowTeit  sie  sich  nicht 
anderweitig   belegen   lassen,   sich   teilweise  in  dieser  oder  jener 


§  6.     Die  doctrina  Petri  des  Origenes.  87 

Form  in  der  gleichen  Schrift  fanden,  d.  h.  dass  diese  eine  Re- 
cension  der  „Beiden  Wege"  oder  etwas  derartiges  war  oder  ent- 
hielt, —  eine  Annahme,  auf  die  wir  auch  bezüglich  des  Kerygma 
Petri  schon  oben  (p.  48  u.  81)  geführt  wurden. 

Von  hier  aus  lässt  sich  also  gegen  die  Benutzung  des  Maka- 
rismus  bei  Hermas  nichts  einwenden.  Dagegen  wird  das  schrift- 
stellerische Abhängigkeitsverhältnis  desselben  durchaus  bestätigt 
durch  die  unserer  Stelle  vorangehenden  Worte:  ovvxsXtOaö  ra 
ysyQafifiava.  Diese  fasst  man  entweder  als  sprichwörtliche  Redens- 
art für  das  dem  einzelnen  unabhängig  von  seiner  Willkür  ge- 
setzte Mass  der  Pflicht J)  —  ein  nicht  genügend  zu  erweisender 
Sprachgebrauch  — ;  oder  man  bezieht  dieselben  auf  die  biblischen. 
d.  h.  ATlichen  Gebote  im  allgemeinen  im  Sinne  von  al  tvroXcä 
rov  freov 2),  wobei  jedoch  die  Berufung  auf  I.  Clem.  13, 1  ebenso 
wie  die  auf  IL  Clem.  19,  1  hinfällig  ist,  —  jene,  weil  ro  ysyQaa- 
[livov  nichts  anderes  ist  als  Citationsformel  (cf.  3,  1),  indem  Clem. 
Rom.  es  liebt,  eine  solche  durch  Xsysi  nochmals  aufzunehmen 
(cf.  42,  5);  diese,  weil  hier  rolo  y&yQa^f/tvoiö  entweder  auf  die 
verlesene,  also  geschriebene  Predigt  des  Homileten,  oder  auf  den 
verlesenen  Textabschnitt  zurückgeht.  Die  nächstliegende  Erklä- 
rung unserer  Stelle  ist,  xa  ysyQafifitra  auf  die  unmittelbar  vor- 
hergegangenen Gebote  des  Hirten  zu  beziehen.  Wenn  nun  auch 
freilich  oft  von  Aufschreiben  der  Gebote  die  Rede  ist,  so  ist  es 
doch  ein  starkes  Versehen,  wenn  Hermas  hier  den  Engel  so  aus 
der  Rolle  fallen  lässt,  dass  er  sich  auf  seine  eigenen,  eben  ge- 
sprochenen Worte  als  auf  geschriebene  bezieht. 3)    Dasselbe  wird 


1)  Zahn,  Hirt  des  Herrnas  p.  176  sq.  no.  6  im  Anschluss  an  Hofnianns 
Erklärung  von  1.  Cor.  4,  6. 

2)  Harnack  zu  Sim.  V,  3,  3;  Patr.  apost.  opp.  III,  147. 

3)  Auch  Sim.  IX,  33,  1  nimmt  obiger  Stelle  nicht  ihre  Eigenheit,  ob- 
wohl auch  hier  das  supra  scripta  sich  auf  die  vorangehende  Rede  des 
Hirten  mitbeziehen  muss  (ostendi  et  locutus  sum);  dieser  Abschluss  trägt 
aber  überhaupt  etwas  Gewaltsames  an  sich  und  erklärt  sich  als  Rückweis 
auf  Sim.  IX,  1,1.  —  Auch  sonst  finden  sich  in  der  Apokalyptik  ähnliche 
Stellen,  z.  B.  Assumptio  Mosis  c.  10  (Fritzsche  p.  721):  custodi  verba  haec 
et  hunc  librum,  wobei  letzteres,  da  nichts  im  vorhergehenden  genannt  ist. 
worauf  es  sich  sonst  beziehen  könnte,  von  den  verba,  die,  soeben  gesprochen, 
dem  Schriftsteller  nun  doch  schon  geschrieben  vorliegen,  zu  verstehen  sein 
wird,  cf.  c.  11  (p.  723):  et  cum  audisset  Jesus  verba  Moysi  tarn  (?)  scripta 
in  sua  scriptum  omnia  [quam  (?)]  quae  praedixerat.  —  Auch  Apok.  Joh.  10,  1 


gg  v.  Dobschütz,  Das  Kerygrna  Petri. 

jedoch  völlig  begreiflich,  wenn  man  annimmt,  dass  Hermas  selbst 
an  dieser  Stelle  von  einer  schriftlichen  Quelle  abhängig  war. 
Dabei  ist  ein  doppeltes  möglich:  das  Part,  Aor.  öWTsXtöaö  kann 
in  gewöhnlicher  Weise  als  Praeteritum  aufgelöst  werden,  —  dann 
inuss  sich  rä  ysyQCciJutva  auf  das  vorausgehende  beziehen  und 
dies  der  benutzten  Schrift  angehört  haben;  —  oder  man  fasst 
nur  die  initiatorische  Bedeutung  des  Aor.  ins  Auge  und  nimmt 
ihn  als  Explication  des  vorausgehenden  ovrm  de  xott'josio,  wobei 
ysyQafifteva  sich  auf  den  Makarismus  selbst  beziehen  könnte. 
Ersteres  ist  schon  wegen  des  Plurals  wahrscheinlicher,  und  dass 
es  wohl  möglich  ist,  lehrt  eine  Vergleichung  der  Hermasstelle 
mit  der  Homilie  des  Origenes,  wobei  zu  beachten  ist,  dass  der 
in  dieser  vorliegende  Makarismus  selbst  durch  sein  „etiam" 
darauf  hinweist,  dass  ihm  in  der  Quelle  andere  Sätze  über  das 
Fasten  vorausgegangen  sein  müssen. 

Herrn.  Sim.  V,  3,  6:  ovtojo  ovv  Orig.  in  Lev.  hom.  X:  Vis  tibi 
rf.  vZägeiö  ti)v  vrjotelav  ravrr/v,  adhuc  ostendam  quäle  te  oportet 
j$v  (isXXsiö  rriQBiv'  jtqcötov  jejunare  jejunium?  jejuna  ab 
jtavrcov  rpvZagat  djid  üiavxoö  omni  peccato,  nullum  cibum 
Qrjfiaroö  jcorr/Qov  xal  jtäötjO  sumas  rnalitiae,  nullas  capias 
ejtid-vfiiaö  jiovrjQäo  xal  xa&a-  epulas  voluptatis,  nullo  vino 
Qioöv  oov  tTjv  xagölav  äjtö  luxuriae  concalescas;  jejuna  a 
jtävToivxwv  fiaraiooiiCLTcov  rov  nialis  actibus,  abstine  a  malis 
almvoö  tovtov.   iav  ravza  cpv-     sermonibus,  contine  te  a  cogita- 


lässt  sich  tjjts).).ov  ypüffsiv  doch,  nur  aus  der  Vorstellung  heraus  befrie- 
digend erklären,  dass  der  Seher  für  gewöhnlich  alles,  was  er  hört  und 
sieht,  beständig  mit  seiner  schriftlichen  Aufzeichnung  begleitet.  Dass  dies 
nur  hier  in  der  Form  des  Verbotes  zum  Vorschein  kommt,  ist  leicht  be- 
greiflich, da  der  Ausnahmefall  dazu  dienen  soll,  das  grossartig  geheimnis- 
volle der  Sieben-Donner-Stimme  recht  eindringlich  zu  machen.  Von  hier 
aus  werden  aber  auch  die  anderen  Stellen,  wo  ypdxpov  vorkommt  (1,11.19; 
2,  1.  s.  12.  1--;  :;,  1.  7.  14;  14,  13;  19,  9;  21,  5),  von  simultanem  Schreiben 
zu  verstehen  sein.  —  Der  ewige  Streit  der  Ausleger,  wie  sich  Vision  und 
schriftliche  Conception  zu  einander  verhalten,  wird  eben  wohl  nur  in  der 
Anerkennung  zur  Ruhe  kommen  können,  dass  beide  in  eins  fallen,  d.  h. 
dann  freilich,  dass  jene  nur  schriftstellerische  Form  ist,  wie  denn  jene 
Vorstellung  gleichzeitigen  Schauens  und  Schreibens  in  Wirklichkeit  nicht 
zu  vollziehen  ist;  —  womit  jedoch  nicht  geläugnet  werden  soll,  dass  in 
jener  enthusiastischen  Zeit  in  der  That  ekstatische  Visionen  vorkamen  und 
solche  auch  diesen  Schriften  zugrunde  liegen. 


§  6.     Die  doctrina  Petri  des  Origenes.  S9 

Zä^yjö,    lorat   ooi  avtrj   ?]   vi]-     tionibus  pessirnis,   noli   contin- 
otda  xsZdct  ....  gere    panes    furtivos   perversae 

doctrinae,  non  concupiscas  falla- 
ces  philosophiae  cibos,  qui  te  a 
veritate  seducant.  Tale  jejuniurn 
Deo  placet  .... 
und  sodann  nach  den  oben  ausgehobenen  Stellen: 
eav    ovv    ovreo    rsZtO)]G    xi]v     huius  jejunium  valde  accep- 
v?jOTslav  cöa  c>oi  evsxsikdfiTjv,     tum  est  apud  deuni  et  revera 
eörai  q&voict  oov  ösxt?)  naget     digne  satis;  iniitatur  enini  illum, 
reo   d-eeö   xetl   tyygctcpoo    eorai     qui    animam    suam   posuit   pro 
t]  vr\6xüa  avrt]  xcä  >/  Zeirovg-     fratribus  suis. 
yia  ovxeoG  egyaZofssv?]  xaXrj  xal 
l Zaget    iörc    xal    svjtgooöex- 
roo  reo  xvgicp. 

Hier  sind  mannigfache  Übereinstimmungen  nicht  zu  ver- 
kennen !).  In  den  ersten  Sätzen  schmückt  Origenes  weiter  aus, 
auch  führt  er  das  Bild  strenger  durch.  Umgekehrt  gefällt  sich 
im  Schlusssatz  Hermas  in  einer  etwas  breiteren  Ausführung.  So 
muss  wahrscheinlich  — ■  der  Ausdruck  im  Einzelnen  ist  schwer 
zu  bestimmen  —  das  Citat  bis  satis  ausgedehnt  werden.  Der 
darauffolgende  Satz  mit  seiner  Anspielung  auf  Joh.  15,  13  (cf. 
1.  Joh.  3,  16)  dürfte  dagegen  Zuthat  des  Origenes  sein,  der  hier- 
durch die  Gottwohlgefälligkeit  erklären  will,  ebenso  wie  Hermas 
den  Segen  solchen  Fastens  durch  den  Hinweis  auf  die  Umsetzung 
des  Fastens  in  Sättigung  und  dieser  in  Gebet  begreiflich  zu 
machen  sucht.  Diesen  Gedanken 2)  entwickelt  er  noch  ausführ- 
licher Sim.  IL  während  er  urngekehrt  Vis.  III,  9,  6  die  Reichen 
warnt,  durch  Kargheit  bei  den  Armen  Hunger  und  durch  diesen 


1)  Sehr  beachtenswert  ist  es  auch,  dass  der  etwas  unmotivierte  Aus- 
druck bei  Herinas:  tv  ixeivjj  xy  rjfiSQa  y  vrjareieio  dadurch  mehr  Licht 
empfängt,  dass  bei  Origenes  zwischen  die  oben  ausgehobenen  Stellen  einige 
Bemerkungen  über  die  von  ihm  als  erziehlich  gebilligten  regelmässigen 
Fastenzeiten  (quadragesimae  dies,  quarta  et  sexta  septimanae  dies)  zwischen- 
eingeschoben sind. 

2)  Angedeutet  ist  der  Gedanke  schon  von  Paulus  II.  Cor.  9.  12;  er 
findet  sich  dann  öfter,  z.  B.  Ap.  Const.  (=  Didasc.)  IV,  3  und  in  der  latei- 
nischen Übersetzung  von  Sir.  29,  12  bei  Cypr.  de  opere  et  eleem.  5;  cf. 
testim.  3, 1:  conclude  eleemosynam  in  corde  pauperis  (iv  xola  zccftHOio  auv 
et  haec  pro  te  exorabit  (iSt?.8ircü  oe)  ab  omni  malo. 


9f)  v.  Dobschütz,  Das  Kerygma  Petri. 

das  Emporsteigen  der  OTSvay/iol  zum  Herren  hervorzurufen. 
Diese  Stellen  sind  übrigens  für  Hermas'  Schriftstellern  charak- 
teristisch, und  da  dies  nicht  nur  für  unser  Fragment,  sondern 
überhaupt  für  die  Beziehung  des  Hirten  zum  Kerygma  Petri  von 
Bedeutung  ist.  so  wird  es  gestattet  sein,  einen  Augenblick  hierbei 
zu  verweilen. 

Der  Mann,  der  nur  einmal  in  seinem  ganzen  Buche  citiert 
(Vis.  II,  3,  4:  Eldat  et  Modat),  hat,  wie  eine  abermalige  genaue 
Untersuchung  wahrscheinlich  ergeben  würde,  viel  mehr  schrift- 
liches Material  benutzt,  als  man  denken  sollte.  Das  ist  nicht 
so  gemeint,  als  könnte  man  von  ,, Abschreibern"  und  „künst- 
licher Nachahmung"  sprechen.  Bei  einem  Manne  aus  dem  Volke, 
der  —  wie  er  selbst  sagt  (Vis.  II,  1,  4)  —  im  schnellen  Lesen  nicht 
beschlagen  war,  dem  auch  das  Schreiben  ein  so  wichtiges,  weil 
schwieriges  Geschäft  war,  dass  er  in  seiner  naiven  Art  wieder- 
holt viel  Aufhebens  von  dieser  seiner  Thätigkeit  macht;  der 
überhaupt  so  volkstümlich,  drastisch,  naiv  erzählt,  ist  die  Vor- 
stellung einer  gelehrten  literarischen  Thätigkeit.  die  für  jene  Zeit 
garnicht  so  allgemein  angewendet  werden  darf,  ganz  unpassend, 
während  andrerseits  der  Faktor  des  Gedächtnisses  nicht  hoch 
genug  anzuschlagen  ist 1).  Woher  hatte  er  nun  aber  die  Kenntnis 
so  zahlreicher  Schriften?  Abgesehen  davon,  dass  er  doch  selbst 
auch  lesen  konnte,  dürften  wir  gewiss  nicht  irren  —  wir  wissen 
ja  leider  von  dem  inneren  Leben  der  Gemeinden  jener  Zeit  so 
wenig!  —  wenn  wir  annehmen,  dass  damals  ein  viel  grösserer 
Kreis  christlicher  Schriften  als  der,  welcher  nachher  zum  Kanon 
erhoben  wurde,  wenn  auch  nicht  bei  den  Sonntagsgottesdiensten, 
so  doch  in  den  wochentäglichen  Versammlungen  der  Gemeinde 
und  daneben  vielleicht  auch  in  konventikelartigen  Zusammen- 
künften   einzelner    Gemeindeglieder    zur    Vorlesung    gelangte2). 


1)  Vergl.  Zahn's  treffliche  Ausführungen:  Hirt  des  Hermas  p.  391  —  395. 

2)  Solche  Konventikel  sind  wohl  die  schon  von  Paulus  vielfach  er- 
wähnten Hau^gemeinden.  Gemeindeversammlungen  an  allen  Wochentagen 
mit  dem  speciellen  Zweck  der  Schriftlesung  und  des  Gebetes  sind  noch  für 
spätere  Zeit  in  Rom  bezeugt  durch  die  Can.  Hipp  XXI,  217  [AchelisT.  u.  IT. 
VI,  4,  122J :  congregentur  quotidie  in  ecclesia  presbyteri  et  [v7io]6iäaovoi  et 
uvayvwarai  ornnisque  populus  tempore  gallicinii,  vacentque  orationi, 
psalmis  et  lectioni  scripturarum  cum  orationibus.  XXVI,  226  (p.  125):  si 
est  in  ecclesia  conventus  propter  verbum  Dei,  singuli  quique  cum  festina- 


§  6.     Die  doctrina  Petii  des  Origenes.  91 

Herinas  behielt  diese  treulich  im  Gedächtnis  und  bei  seiner  eigenen 
schriftstellerischen  Thätigkeit  flössen  ihm  Ausdrücke,  ja  oft  ganze 
Gedankenreihen  derselben  in  die  Feder  und  verbanden  sich  hier 
mit  Worten  anderer  Schriften  (z.  B.  des  Jak.-Briefes  nach  Zahn 
1.  c.  396—409  und  vielfach  der  Didache)  und  vor  allem  mit  ge- 
wissen stereotypen  Phrasen  und  Gedanken,  die  ihm  selbst  eigen 
sind,  so  enge,  dass  der  Sprachcharakter  des  Ganzen  als  ein  ein- 
heitlicher erscheint,  und  es  schwer  sein  wird,  die  einzelnen  Be- 
nutzungen alle  wieder  herauszuschälen.  —  Dies  zeigt  am  besten 
eine  Analyse  der  uns  beschäftigenden  Stelle  des  Hirten  Sim.  \  .  3: 
Wie  unermüdlich  wiederholt  Hermas  die  auch  hier  den  Eingang 
bildende  Erklärung  seiner  Unfähigkeit  zum  Verständnis  der 
Parabeln  mit  der  bald  scheltenden,  bald  begütigenden  Antwort 
des  Engels!  wie  oft  bringt  er  die  Versicherung  des  Hirten,  er 
werde  mit  ihm  sein!  v.  6  dagegen  schliesst  er  sich,  wie  wir  sahen, 
wahrscheinlich  an  die  Schrift  an,  welche  den  Makarismus  ent- 
hielt. Dieser  selbst  ist  bei  ihm  fast  unkenntlich  gemacht.  Für 
..jejunat  pro  eo  ut  alat  pauperem"  bringt  er  eine  in  einem  ge- 
wissen kaufmännischen  Tone  gehaltene  genaue  Anweisung,  und 
anstatt  ütsvrjö  setzt  er  seine  Lieblingsausdrücke  yj'jQa  ij  oQ<pavcö 
)]  vOTeQOVßtvcp  ein1).  Der  Gedanke,  dass  Menschen  oder  ihre 
einzelnen  Thaten  bei  Gott  angeschrieben  werden,  ist  ihm  geläufig 


tione  properent  ....  inprimis  si  aliquis  literas  novit ;  tanto  plus  lucrabitur, 
si  audit  quod  non  noverat.  Nach  den  letzten  Worten  muss  auch  in  dieser 
späteren  Zeit  noch  die  Zahl  der  vorzulesenden  Schriften  eine  so  beträcht- 
liche gewesen  sein,  dtiss  man  mit  den  kanonischen  kaum  auskommen 
dürfte.  Auch  Hermas  selbst  erhält  ja  Vis.  II,  4,  3  Befehl,  eine  ihm  von  der 
Kirche  übergebene  Schrift  (d.  h.  wohl  sein  eignes  Buch  oder  einen  Teil 
desselben)  fxexa  xajv  noeojiziocov  xcüv  ■jiQÖiGxay.kviav  xijo  ezx/.rjoiao  zu 
lesen,  also  doch  wohl  in  einer  Gemeindeversammlung  oder  einem  Gemeinde- 
ratsconvent.  Auf  Privatconventikel  ist  wohl  auch  die  avvaymy^  avÖQtiiv 
ötxaUov  (Mand.  XI,  9.  13.  14)  zu  deuten. 

1)  cf.  Mand.  VIII,  10:  yjiQuio  vn^QitHv,  ogtpavovG  xal  vgt£qov[aevovg 
iiti<fxs7tT£0&at;  Sim.  I,  8:  yjjQao  xal  OQq>avovo  tTCioxinrto&s  xal  /<>/  Ttaga- 
ß?.hxexe  avtova.  Wie  hier  iTiioyJrcxeo&e  an  Jak.  1.  27  erinnert,  so  der 
Schluss  an  Arist.  Apol.  c.  IG:  yjjQccv  ovy  vnsQOQtiiaiv,  oQfpavbv  ov  Xvnovaiv. 
Auch  anderes  in  Mand.  VIII,  10  erinnert  an  dies  Capitel  bei  Arist.,  resp. 
an  die  —  vielleicht  im  K.P.  zu  suchende  —  Quelle  hierfür.  —  vgxsqov- 
ixevoa  scheint  dagegen  speciell  dem  Hermas  eigen  zu  sein,  der  es  gern 
einfügt,  cf.  Vis.  IH,  9,  2.  4.  6;  Mand.  VIII,  10;  Sim.  IX.  27,  2;  besonders 
Mand.  II,  4:  tiüoiv  ioxt govfievoiG  didov  an/.oJo  cf.  Did.  1,  5  (Jak.  1,5?  . 


Q2  v.  Dobschütz,  Das  Kerygma  Petri. 

(Vis.  I,  3,  2;  Mand.VIII,  6;  Sim.V,  3,  2;  IX,  24,  4).  Sehr  häufig  ist 
die  Hinzunahme  zunächst  der  Familie  des  Hermas  (Vis.  I,  3,  1; 
II,  2, 3 sq.;  3, 1 ;  Mand.  XII,  3, 6;  Sim.  VII, 6);  dann  die  abschliessende 
"Verallgemeinerung  mit  öooi  a.v  oder  jiuG  oö  av  (cf.  Mand. XII,  3, 1; 
Sim.  VII,  7  u.  a.  St.).  Die  Verwendung  des  Part.  Aor.  von  axovsiv 
in  ähnlicher  Weise  wie  hier  ist  bei  Hermas  gleichfalls  sehr  üblich, 
ein  Zug,  der  sehr  an  Fragm.  VII  des  K.P.  erinnert1).  Endlich 
gehört  auch  der  Schlusssatz  zu  diesen  Phrasen  des  Hermas  (cf. 
Sim.  VI,  3,  6).  Dazwischen  kommen  nun  immer  Stücke  jenes  ver- 
wischten Makarismus.  Makarismen  finden  sich  auch  öfter  bei 
Hermas,  so  unserem  ähnlich  Sim. VI,  1 ;  Mand.VIII,  9;  in  knapperer 
Form  Vis.  II,  2,  7;  3,  3;  Sim.  II,  10.  Besonders  die  beiden  letzt- 
genannten sind  ganz  den  Makarismen  der  Bergpredigt  nachge- 
bildet. Dass  dies  in  damaliger  Zeit  nicht  ungewöhnlich  war, 
zeigen  die  vielen  Makarismen  in  den  Acta  Pauli  et  Theclae  (zu- 
sammengestellt bei  Resch,  Agrapha,  T.  u.  U.  V,  4,  433  sqq.).  Ob 
jene  von  Hermas  stammen,  oder  aus  älteren  Schriften  entlehnt 
sind,  wird  sich  schwerlich  feststellen  lassen.  —  Durch  diese  Ein- 
sicht in  die  schriftstellerische  Arbeit  des  Hermas  treten  nun 
auch  die  Stellen,  bei  welchen  wir  bisher  wohl  Berührungen, 
nicht  aber  Abhängigkeit  von  dem  K.P.  konstatieren  konnten,  in 
ein  neues  Licht.  So  werden  wir  jetzt  Mand.  I,  1,  wenn  wir  den 
Satz:  o  zä  jtccvza  xziöaO  xal  djtaQziöaö  als  Phrase  des  Hermas 
(cf.  Sim.  V,  5,  2)  kennen  lernen  und  jtoirjöao  ex  zov  fi>)  ovzoö 
siö  zo  slvai  za  jiävza  ganz  ähnlich  Vis.  I,  1,  6  wiederfinden,  in 
dem  übrigbleibenden  slö  ioziv  6  &e6ö  .  .  .  jiävza  %cqqc5v,  (lovoo 
de  a/cÖQtjzoö  cov  weit  eher  eine  Reminiscenz  an  Fragm.  II  des 
K.P.  erkennen,  während  wir  nunmehr  auch  geneigter  sein  werden, 
Sim.  VIII,  3,  2  auf  Fragm.  I  zurückzuführen. 

Wie  diese  Beobachtungen  von  der  Voraussetzung    getragen 


1  Doch  ist  dieser  Sprachgebrauch  in  der  altchristlichen  Literatur 
überhaupt  sehr  verbreitet.  Man  kann  darin,  wenn  man  an  das  paulinische 
nioTLG  t|  äxofjo  denkt,  einen  Hinweis  darauf  erkennen,  welchen  Wert  die 
alte  Christenheit  auf  das  verbum  praedicaturn  legte.  Ja  bei  Hermas  scheint 
es  oft,  als  ob  er  mit  dem  axovsiv  eine  fast  magische  Wirkung  verbunden 
denke,  —  eine  Vorstellung,  die  zwar  der  Form  nach  grundfalsch  ist,  dennoch 
aber  auf  der  richtigen  christlichen  Empfindung  beruht,  dass  eben  die 
Predigt  und  dementsprechend  das  Hören  die  Vehikel  für  die  immer  in 
gewissem  Grade  enthusiastische  Wirkung  des  Geistes  Gottes  sind. 


§  6.    Die  doctrina  Petri  des  Origenes.  93 

sind,  dass  unser  Fragment  zum  K.P.  gehört,  so  stützen  sie  auch 
wiederum  diese  Behauptung  und  machen  es  eben  damit  immer 
wahrscheinlicher,  dass  doctrina  und  x/jgvyfta  doch  identisch 
sind.  Bedenkt  man.  dass  Origenes  an  unserer  Stelle  die  Schrift 
ohne  Titelangabe  nur  durch  das  Verbum  praedicatur  charak- 
terisiert, während  er  in  Joh.  Ev.  toin.  XIII,  17,  wo  er  den  Titel 
y.tjovyua  richtig  bringt,  das  Verbum  6i6a6X£LV  braucht,  so  wird 
man  sich  zuletzt  nicht  wundern  dürfen,  wenn  er  an  eiuer  anderen 
Stelle  (de  princ.  praef.  8)  auch  einmal  den  Titel  doctrina  giebt. 
Liegen  doch  beide  —  wie  wir  sahen  —  nicht  so  weit  auseinander 
( besonders  für  die  spätere  Zeit),  und  spricht  doch  z.  B.  auch 
Hermas,  der  (Sim.  IX,  25,  2)  x?]gv06£iv  und  öiödoxeiv  säuberlich 
scheidet,  Sim.  IX,  15,  4  von  dxöoxoXoi  uud  6i6a6xa/.oi  xov 
xrjQvytiaroo. 

Doch  ehe  wir  uns  definitiv  entscheiden,  müssen  wir  noch 
einmal  anhalten.  Mit  den  genannten  drei  Stellen  ist  nämlich 
die  Zahl  derer,  wo  sich  der  im  Makarismus  wohl  gruudleglich 
ausgesprochene  Gedanke,  wenn  auch  in  mannigfacher  Variation, 
findet,  noch  nicht  erschöpft.  Harnack  zu  Herrn.  Sim.  V,  3.  7 
(Patr.  Ap.  opp.  III  p.  149)  hat  schon  auf  Test.  XII  Patriarch.. 
Joseph.  3  und  Const.  App.  V,  1  hingewiesen.  Dazu  kommen 
noch  die  beiden  parallelen  Stellen  Ap.  Const.  V,  20  und  Ps.-Ign. 
ad  Phil.  13.  Wie  hängen  diese  Stellen  mit  dem  Makarismus 
zusammen?  und  lässt  sich  aus  ihnen  vielleicht  ein  Hinweis  auf 
die  denselben  enthaltende  Quelle  gewinnen? 

Die  erste  Stelle  ist  Test.  XII.  patr.,  Joseph,  c.  3  (ed.  Sinker 
p.  188):  eya)  ovv  kfivrjöxoiiijv  Xöyovo  jratsQcov  [jcaxQoo]  fiov 
[laxwß]  xal  rio£QyötutvoG  elo  xo  rauieiov.  jiQO0£vy6f{7]v  xi-Qiro 
xal  ev/jOT£vo)'  Ir  xoio  ijixa.  exeoiv  exeivoiG,  xal  £rpaivou7]v  reo 
aiyvjzxiop  coa  ev  XQvrpfj  diäyoiv  •  oxi  oi  öid  [rov]  &söv  vrfixeviovxtö 
xov  jcqogcÖjiov  x))v  yj'cniv  [jrQ06]Zatul:Jco'0v6iv.  Idv  6h  «jrfd;" 
(c.  ORP:  C  ajraölö)]  [?])  ftoi  [6  xvqloo  ftov  R:  om.  COP]  oivov, 
ovx  tjtivov  xal  xqi?/U£Qi£cov  [om.  0]  sZa/ißavov  fiov  xt)v  6iaixav 
(R:  xQotpijv)  xal  l6i6ovv  avxrjv  jt8Vi]Gi  xal  ao&evovoi.  xal  ojq- 
fl-Qi£ov  jtqoO  xvoiov  xxl.  So  wie  sie  lauten,  besagen  diese  Sätze. 
dass  Joseph  die  sieben  Jahre  (welche,  ist  nicht  gesagt)  gefastet 
habe  —  ohne  sein  üppiges  Aussehen  zu  verlieren  —  und  auch 
den  ihm  von  seinem  Herren  abgebundenen  (d.  h.  aus  dem  Schlauche 
nach    bestimmtem    Mass    zugeteilten"?]    Wein    nicht    getrunken 


94  v.  Dobschütz,  Das  Kerygtna  Petri. 

habe,  vielmehr  seine  Portion  immer  drei  Tage  lang  angesammelt  (?) 
und  dann  den  Armen  und  Kranken  gegeben  habe.  Dies  unter- 
scheidet sich  freilich  von  dem  Gedanken  des  Makarismus  darin, 
dass  die  Zuwendung  an  die  Armen  nicht  eigentlich  als  Zweck 
des  Fastens  erscheint,  sondern  nur  das  Mittel  ist,  die  Speisen,  die 
er  ohne  Wissen  seines  Herren  sich  versagt,  bei  Seite  zu  schaffen. 
Dennoch  liegt  die  Reflexion  hierauf  überhaupt  und  speciell  diese 
Art  nicht  so  nahe  (cf.  Dan.  \,  8 — 16,  wonach  die  Erzählung  z.  t. 
gebildet  sein  mag),  dass  man  nicht  doch  einen  Zusammenhang 
mit  dem  Gedanken  des  Makarismus  annehmen  möchte.  —  Für 
unseren  Zweck  ist  allerdings  hiermit  solange  nichts  gewonnen, 
als  man  nicht  ein  sicheres  Urteil  über  die  ganze  Schrift,  der  die 
Stelle  entnommen  ist,  hat.  Doch  dürfen  wir  wohl  die  Ansicht, 
dass  in  den  Testamenta  XII  patriarcharum  eine  christlich  über- 
arbeitete jüdische  Schrift  vorliegt,  als  die  neuerdings  sich  bahn- 
brechende zur  Grundlage  unserer  Untersuchung  machen  r).     Ge- 


1)  Diese  schon  von  Grabe  ausgesprochene  Ansicht  wurde  lange  Zeit 
gänzlich  ignoriert  und  man  stritt  sich  um  Juden-  und  heidenchristlich 
(besonders  Nitzsch,  Ritschi,  Kayser,  Vorstmann,  Sinkev).  Nachdem  aber 
Harnack  wieder  jene  These  aufgenommen,  hat  Schnapp  (die  Test,  der 
12  Patr.  Halle  1884)  die  Quellenscheidung  durchzuführen  unternommen 
und  mit  Modificationen  hat  dem  Schürer  (Gesch.  des  jüd.  Volkes.  II, 
662 — G'J)  zugestimmt.  Schnapp  hat  in  seiner  verdienstvollen  Arbeit  grosse 
Zurückhaltung  bewährt;  er  scheidet  meist  nur  zusammenhängende  Stücke 
aus  und  lässt  die  Identität  der  Interpolatoren  (nur  zwei  Klassen  unter- 
scheidet er  bestimmt,  jüdische  und  christliche)  auf  sich  beruhen.  So  gewiss 
dies  an  sich  methodisch  unanfechtbar  ist,  so  scheint  man  doch  hier  noch 
etwas  weiter  gehen  zu  müssen.  Wir  haben  nachgrade  aus  den  ersten 
vier  Jahrhunderten  eine  solche  Zahl  derartig  interpolierter  Schriften,  dass 
man  sich  dem  Eindruck  nicht  entziehen  kann,  dass  es  dazumal  eine  eigene 
Literatengattung  gab,  die  sich  mit  solchen  Arbeiten  befasste  und  dazu 
eine  eigene  —  u.  zw.  eine  in  ihrer  Weise  sehr  hohe  —  Technik  ausge- 
bildet hatte.  Das  klassische  Beispiel  dafür  sind  wohl  die  Apostolischen 
Constitutionen  und  Pseudoignatianischen  Briefe,  welche  —  wie  Harnack, 
Texte  und  Unters.  II,  1  p.  241— 68  nachgewiesen  hat  —  einer  Feder  ent- 
stammen, für  uns  um  so  wichtiger,  weil  wir  hier  das  seltene  Glück  haben 
zugleich  die  Vorlagen,  welche  der  Fälscher  bearbeitete,  zu  besitzen  und 
daran  sein  Verfahren  kontrollieren  zu  können.  Wollte  nun  jemand,  der 
sein  Auge  an  dem  Studium  dieser  Fabricate  geschärft  hat,  damit  einmal 
an  die  Untersuchung  der  Test.  XII  Patr.  herantreten ,  so  scheint  es  —  da 
die  literarischen  Bedingungen  im  1.  und  2.  Jahrhundert  wesentlich  die 
gleichen  waren  wie  im  4.  —  unzweifelhaft,  dass  ihm  auch  hier  eine  noch 


§  6.    Die  doctrina  Petri  des  Origenes.  95 

hörte  nun  freilich  unsere  Stelle  hier  zu  dem  jüdischen  Grund- 
stock, so  wäre  dadurch  dem  Makarismus  oder  doch  der  denselben 
enthaltenden  von  Origenes  citierten  apostolischen  Schrift  die 
Originalität  entzogen  und  alle  weitere  Untersuchung  erschiene  als 
unfruchtbar.  Aber  wie  es  an  sich  unwahrscheinlich  ist,  dass  der 
Gedanke  der  jüdischen  Grundschrift  angehört,  so  lässt  sich  auch 
mit  einiger  Sicherheit  zeigen,  dass  er  erst  später  eingebracht  ist. 
Schon  Sinker  und  Schnapp  haben  erwiesen,  dass  im  Test.  Jos., 
wie  es  uns  jetzt  vorliegt,  zwei  ganz  verschiedene,  einander  aus- 
schliessende  Teile  aneinandergereiht  sind;  der  Markstein  liegt  in 
c.  10.     Im  Gegensatz   zu  Schnapp   müssen   wir  nun  den  zweiten 


feinere  Scheidung  möglich  sein  werde,  als  Schnapp  zu  geben  gewagt  hat. 
Denn  dass  man  hier  nicht  nur  mit  Ausscheidung  runder  Stücke  aus- 
kommt, —  wie  anderwärts,  z.  B.  in  der  Asc.  Jes  ,  wo  che  vortreffliche 
Uuellenscheidung  Dillmans  durch  von  Gebhardts  Fund  so  glänzend  bestä- 
tigt worden  ist,  —  giebt  Schnapp  wiederholt  selbst  zu.  Freilich  würde 
man  einen  solchen  Versuch  wohl  ,, subjektiv"  schelten.  Aber  abgesehen 
davon,  dass  ausser  dem  genannten  Beispiel  auch  Krawutzky's  Recon- 
struktion  der  Didache,  welche  alsbald  in  Bryennius'  Entdeckung  den 
schlagenden  Beweis  ihrer  Richtigkeit  fand,  Möglichkeit  wie  Berechtigung 
solchen  Verfahrens  gezeigt  hat,  so  ist  einmal  nichts  „subjektiv",  was  auf 
wirklicher  Einsicht  in  die  innere  Struktur  einer  Schrift  beruht  —  die 
naturgemäss  bei  solcher  Arbeit  mitunterlaufenden  Fehler  können  ja  dann 
von  anderen  verbessert  werden,  es  giebt  hier  eben  keine  mathematische 
Gewissheit  und  aller  wissenschaftliche  Fortschritt  beruht  auf  sich  gegen- 
seitig corrigierenden  Fehlern!  —  andrerseits  scheint  es,  dass  grade  hier 
auch  ein  wichtiges  Hilfsmittel  für  äussere  Kritik  in  der  armenischen  Über- 
setzung erhalten  ist,  falls  sich  zeigen  lässt,  dass  diese  auf  einer  früheren, 
nicht  interpolierten  Recension  ruht.  So  erscheint  es  nach  den  wenigen 
von  Sinker  (Test.  XII  patr.  App.  [1S79]  26  sq.)  veröffentlichten  Fragmenten, 
worin  nicht  nur  die  berühmte  Paulusstelle,  sondern  auch  alle  anderen 
christlichen  Sätze  fehlen  (anders  freilich  als  nach  Schnapps  Ausscheidung). 
Demgegenüber  dürfte  Sinkers  Urteil:  ,,there  occurs  also  occasionally  not 
a  trifling  amount  af  abridgment."  (p.  24)  doch  wohl  umzukehren  sein. 
Auch  die  Reihenfolge  der  Testamente  weicht  ab  und  scheint  bei  dem  Arm. 
ursprünglicher,  da  seine  auffallende  Ordnung  mit  den  bei  einigen  ange- 
merkten Todesjahren  übereinstimmt,  während  der  Grieche  die  übliche  An- 
ordnung nach  den  Patriarchennamen  hat.  —  Mit  Hilfe  dieser  Übersetzung 
und  einer  neuen  Textesconstruction  muss  unter  Berücksichtigung  nicht  nur 
des  Zusammenhanges,  sondern  der  soi'gfältig  zu  erforschenden  Gedanken- 
welt und  des  Sprachgebrauches  der  verschiedenen  Quellen  eine  ins  einzelne 
gehende  Quellenscheidung  möglich  sein. 


96  v.  Dobschütz,   Das  Kerygrna  Petri. 

für  ursprünglich  halten  ]).  Damit  fällt  aber  die  Echtheit  unserer 
Stelle,  welche  dem  ersten  angehört,  von  selbst  hin.  Dieser  ganze 
erste  Teil  erscheint  als  christlich  schon  durch  die  leitende  Idee 
jcsql  gg><pqoovv?jG,  was  an  manchen  Stellen  durch  ayvela  erklärt 
wird  (cf.  Rub.  4  £(pvZa!-sv  tavrov  ajco  jiäorjo  yvrcuxoG  und  dazu 
u.  Anm.  1),  ein  dem  Judentum  völlig  fremdes  Ideal  (cf.  Rub.  4: 
tooG  6  xvqiog  öc6)j  vtulp  Gv^vynv;  Lev.  9:  laße  .  .  Gsavxm  yvvalxa 
tri  vioo  <bv;  Aphr.  Hom.  XVIII:  Unterweisung  vom  jungfräu- 
lichen Leben  und  von  der  Heiligkeit  gegen  die  Juden;  — 
vergl.  auch  die  äusserst  feine  Charakterisierung  des  Juden  Raphael 
nach  dieser  Seite  hin  in  Kingsley's  Hypatia  c.  17).  Dass  aber 
der  jüdische  Verfasser  der  Grundschrift  den  Gedanken,  auf  den 
es  uns  hier  ankommt,  in  der  That  nicht  kennt,  ergiebt  sich 
deutlich  Test.  Sebul.  7,  wo  Mitteilsamkeit  dem  Dürftigen  gegen- 
über gefordert  wird;  für  den  Fall  aber,  dass  man  selbst  augen- 
blicklich nichts  zu  geben  habe,  nur  Sympathie  sv  GnläyyvoiG 
verlangt  wird.    Wie  viel  energischer  ist  doch  hier  der  christliche 


1)  Einen  ausführlichen  Beweis  hierfür  wird  man  an  dieser  Stelle 
weniger  erwarten  als  bei  Schnapp,  wo  man  den  für  das  Gegenteil  gänzlich 
vermisst.  Arm.  überschreibt  das  ganze  Testament:  concerning  envy,  tisqI 
(f&övov.  Mag  dies  auch  nicht  echt,  sondern  aus  c.  1  entnommen  sein,  so 
zeigt  es  doch,  dass  Arm.  den  ersten  Teil  mit  dem  auf  diesem  allein  be- 
ruhenden Titel  tibqI  oaxpQoovvrjO  nicht  gekannt  hat,  während  es  sich  wohl 
mit  dem  zweiten  Teile  verträgt.  Dieser  lässt  sich  vollkommen  als  Fort- 
setzung des  in  c.  1  begonnenen  Gedankens  begreifen,  sei  es,  dass  er  sich 
an  c.  1  fin.  anschloss  oder  —  wahrscheinlicher,  da  die  Aufzählung  c.  1 
nicht  durchaus  auf  Joseph  passt,  —  an  ovx  £7t/.avtj&?]v  sv  zfi  d?.>]&eia  xvqiov 
(Sinker  187,  1)  sich  anreihte,  wonach  das  oi  ädslyoi  ßov  des  Anfangs  des 
zweiten  Teils  (c.  10)  stehen  geblieben  ist,  indem  der  Redaktor  daran  erst 
eine  rhetorische  Aufzählung  und  sodann  nach  seiner  Weise  eine  geschicht- 
liche Exemplification  knüpfte  (c.  2  —  9),  die  sich  in  ihrer  von  rhetorischen 
Fragen  und  Nutzanwendungen  durchzogenen  Art  beträchtlich  von  den 
anderen  historischen  Abschnitten  der  Testamente  unterscheidet.  Auch  die 
Kürze  der  daran  angeknüpften  moralischen  Ermahnung  in  c.  10  sticht  von 
der  sonstigen  Art  ab,  während  c.  17  und  18  dem  zweiten  Teile  einen  regel- 
rechten Abschluss  geben. 

Das  einzige,  was  man  für  die  Echtheit  des  ersten  Teiles  anführen 
könnte,  dass  die  demselben  eigene  Anschauung  auch  Rub.  4  sich  findet,  wo 
auch  die  ihm  eigentümliche  Bezeichnung  des  Weibes  als  rj  alyvnxia  (2.  Teil 
ij  fie/icpla)  vorkommt,  schlägt  in  einen  Beweis  gegen  dieselbe  um,  da  sich 
die  geschichtliche  Bemerkung  über  Joseph  Rub.  4  (Sinker  132,  13—18) 
deutlich  als  exemplificierender  Einschub  des  Redaktors  erweist. 


§  6.     Die  doctrina  Petri  des  Origenes.  97 

Gedanke,  der  eine  Sympathie  der  That,  ein  Hungerleiden  zur 
Sättigung  des  Nächsten  verlangt!  Viel  weiter  führt  uns  freilich 
diese  Erkenntnis,  dass  der  Gedanke  in  Jos.  c.  3  betreffs  des  Fastens 
dem  christlichen  Interpolator  angehört ,  auch  nicht.  Denn  wir 
wissen  weder  über  dessen  Zeit l)  noch  über  seine  Quellen  etwas 
sicheres.  Dass  sich  Iren.  Fragm.  XVII  (Stieren  I  p.  836)  auf  sein 
Werk  und  überhaupt  auf  die  Testamenta  XII  patriarcharum  zurück- 
bezieht, ist  mindestens  sehr  zweifelhaft;  ebensogut  könnte  diese 
Stelle  den  Anlass  zu  den  Interpolationen  gegeben  haben,  und 
Origenes,  der  die  Testamenta  XII  patriarcharum  zum  erstenmal 
nennt  (in  Jos.  hom.  XV,  6,  de  la  Rue  II,  435),  citiert  eine  sicher- 
lich jüdische  Stelle  daraus.  Was  aber  die  Quellen  anlangt,  so 
weist  die  Christologie  des  Interpolators,  falls  man  bei  den  mannig- 
fach zerstreuten,  durch  die  Einarbeitung  in  die  jüdische  Vorlage 
oft  auf  einen  ganz  schiefen  Gedanken  führenden  Aussagen  über- 
haupt von  einer  solchen  reden  kann,  eher  auf  die  ignatianische 
als  auf  die  apologetische  Linie;  ebendahin  gehört  auch  die  Hoch- 
schätzung der  Ehelosigkeit.  Die  einzigen  Stellen,  wo  Gedanken 
des  K.P.  gestreift  werden,  sind  Lev.  16:  avÖQa  ävaxcuvoxoiovvza 

röfiov jtQOGayoQevöszs  cf.  Fragm.  I  und  V;    6i    avxov 

sotai  xa.  ayia  vficöv  eQrjfta  cf.  Fragm.  IX.  Nur  Lev.  18  findet 
sich  eine  Beziehung  auf  die  yvcööio  xvqiov;  sonst  fehlen  alle 
charakteristischen  Anschauungen  des  K.P.,  besonders  auch  die 
Betonung  des  Monotheismus.  Da  nun  aber  an  der  fraglichen 
Stelle  Jos.  c.  3  das  in  dem  Zusammenhang  nicht  recht  motivierte 
tqi?](1£qi£cov  auf  eine  Vorstellung  führt,  wie  die  des  Aristides: 
„Sie  fasten  zwei  oder  drei  Tage",  so  ist  es  sehr  wahrscheinlich, 
dass  überhaupt  der  Makarismus  und  somit  die  von  Origenes  ge- 
nannte Schrift  nicht  unmittelbar  vorgelegen  haben,  also  für  das 
Verhältnis  derselben  zu  unserem  K.P.  keinerlei  Folgerungen  aus 
diesen  Beobachtungen  zu  ziehen  sind. 

Die  drei  anderen  oben  genannten  Stellen  gehören  dem  Kreise 
der  Apost.  Const.  an.     Auch  hier  ist  die  Untersuchung  durch  das 


1)  Auch  die  Zeit  der  Grundschrift  ist  unsicher;  die  auf  Jerusalems 
Zerstörung  hinweisenden  Stellen  sind  wohl  alle  christlichen  Ursprungs. 
Die  (sicher  der  Grundschrift  angehörige)  Bezeichnung  des  mittelländischen 
Meeres  als  i]  &u).aoou  lufxvtao  (RP:  dßvelaa)  weist  vielleicht  auf  die 
nach  Jerusalems  Zerstörung  beginnende  Blüthezeit  Jamnias,  des  Sitzes  der 
Gesetzesgelehrsamkeit,  hin. 

Texte  u.  Untersuchungen  XI,  l.  7 


98  v-  Dobschütz,  Das  Kerygma  Petri. 

Vorhandensein  der  verschiedenen  Recensionen  erschwert.  Ps.-Ign. 
ad  PhiL  7:  xsxQa6a  xal  jcaQaGxsvrjv  vtjgxevexe  jitvrjOLV  tjit- 
yoQr/yovvxsg  xr)v  jieQtGOelav  kann  ganz  ausser  Betracht  bleiben; 
denn  es  ist  nur  Parallele  zu  Ap.  Const.  V,  20:  fiexa  6h  xrjv 
Ißöoiiaöa  xrfi  vqozdaG  xccGav  xi.xQO.6a  xal  jtaQaoxevf/v  jcqoG- 
xaöOOfisv  vfilv  v?jOx£V£iv  xal  xfjv  uibQiGGuav  vfimv  x?/G  vrjGxdaG 
jiivrfiiv  ijiiyoQriyi.lv,  von  hier  durch  den  identischen  Interpolator 
in  die  spätere  Fälschung  übernommen,  sei  es  als  sein  eigenes, 
sei  es  als  aus  der  Grundschrift  der  Didascalia  entlehntes  Gut. 
Freilich  findet  sich  der  ganze  Abschnitt  an  der  letztgenannten 
Stelle  in  der  syrischen  Didascalia  nicht  (de  Lagarde  in  Bunsens 
Anal.  Antenic.  II  p.  321  vergl.  mit  189).  Man  müsste  also,  da 
hier  in  der  That  etwas  über  das  in  der  ganzen  Kirche  übliche 
Fasten  am  Mittwoch  und  Freitag  vermisst  wird,  annehmen,  dass 
der  Syrer  an  dieser  Stelle  einen  Mangel  habe  und  uns  in  den 
griechischen  Constitutionen  das  ursprüngliche,  wennschon  stark 
überarbeitet,  erhalten  sei.  Da  aber  in  den  übrigen  Fastenbestim- 
mungen dieses  Buches  ein  ganz  anderer  Gedanke  bezüglich  des 
Zweckes  massgebend  ist,  nämlich  Trauer  und  Fürbitte  für  das 
ungläubige  Israel  (c.  12—14:  oxav  vrjGxsvsxs  jtQoöEvysod-s  jceqI 
xcqv  ajtoXXvfitvojv;  c.  15:  6iä  xovo  a6sX(povG  jtoieixs  avxo; 
c.  16  fin;  c.  19:  ösr/Q-ivxiö  vjcIq  xijo  xov  Zaov  äjccoZelao  .  .  . 
6£?/&rjX£  xov  &eov  l7CL0xQa<p?jvaL  xov  löQarjl  .  .  .),  andererseits 
die  Vorschrift  xexQa6a  xal  jcaQaoxsvrjv  zu  fasten  dem  Interpolator, 
der  ja  auch  das  siebente  Buch  bearbeitete,  aus  der  Didache 
bekannt  sein  musste,  so  ist  es  doch  fast  wahrscheinlicher,  dass 
er  diese  Bestimmung  hinzugefügt  hat,  um  eine  ihm  auffallende 
Lücke  in  der  Fastenordnung  seiner  Vorlage  damit  auszufüllen. 
Woher  hat  er  dann  aber  den  Gedanken,  die  jtSQLGOda  des  Fastens 
den  Armen  zukommen  zu  lassen?  Die  Didache  bietet  davon 
nichts  und  auch  im  siebenten  Buch  hat  er  ihn  nicht  eingebracht! 
Etwas  ähnliches  findet  sich  aber  in  unserem  fünften  Buche 
c.  1,  u.  zw.  hier  auf  Grund  der  Didascalia.  Es  ist  da  von  der 
Pflicht  der  Hilfeleistung  gegenüber  den  Märtyrern  die  Rede; 
dabei  heisst  es  (de  Lagarde  1.  c.  301  cf.  157):  äxavxsö  oi  TtiGxol 
6ia  xov  tjtioxojcov  vficüv  sx  zoiv  vjtaQyovxwv  vftcöv  6iaxovrj- 
Gaxs  xdiG  fiaQxvQovGiv.  d  6h  ovx  lyu  xiG,  vr/GxtvGaG  xo  xr\G 
tjtitQaG,  xovxo  ixxa^axo)  xolo  a6sX(fjolG.  d  6e  xiG  sv  jceQiovoia 
vjcagxsi  xaxcc  avaloyiav  xrjö  6vvä(i£coG  avxov  6iaxovdxai  avxolG 


§  6.     Die  doctrina  Petri  des  Origenes.  99 

7]  ajtavza  xov  ßlov  avzov  äxodörco  Qvöaod-ac  avrovo  ex  rov 
ösöficorrjQiov.  Hier  hat  also  der  Gedanke  des  Makarisuius  die 
ganz  eigentümliche  Wendung  auf  die  Märtyrer  bekommen,  welche 
Gott  noch  in  ganz  anderer  Weise  vertreten  als  sonst  die  Armen; 
denn  ayysXoo  rov  xvq'lov  ?}  freöo  sjilyeioö  XoyiCtG&m  v/ziv  (sei. 
[mxqtvö  äyioo).  In  noch  grelleres  Licht  tritt  dies  bei  dem 
Redaktor  in  den  Ap.  Const.,  der  ausdrücklich  auf  die  Armen 
reflektiert,  ihnen  aber  die  als  ayioi  schlechthin  bezeichneten  Mär- 
tyrer weit  voranstellt  und  ebenso  die  diesen  geleistete  Unter- 
stützung der  Gabe  an  den  Dürftigen.  Bei  aller  die  Wandelung 
christlicher  Anschauung  bezeugenden  Modifikation  aber  geht 
der  Gedanke  doch  gewiss  auf  den  Makarismus  bei  Origenes 
zurück.  Er  ist  aber  so  anders  gewendet  als  der  bei  Ps.-Ign.  und 
Ap.  Const.  V,  20,  dass  der  Interpolator  dort  ihn  nicht  wohl 
hierher  haben  kann.  Bezüglich  dieses  späten  c.  350 — 60  in  Syrien 
oder  Palästina  schreibenden  Fälschers  wäre  nun  freilich  die  Be- 
kanntschaft mit  den  Homilien  des  Origenes  selbst  in  Rechnung 
zu  ziehen.  Ja  man  wird  darin  bestärkt  durch  die  Beobachtung, 
dass  die  eigentümliche  Verbindung,  in  welche  der  Redaktor  den 
Gedanken  des  Makarismus  mit  der  Fastenordnung  der  beiden 
Wochentage  gebracht  und  ihn  dadurch  in  seiner  sittlichen  Be- 
deutung schon  gewaltig  abgeschwächt  hat,  aus  eben  jener  Honiilie 
erklärt  werden  kann,  in  welcher  kurz  vor  unserer  Stelle  die  Sätze 
stehen:  habemus  enim  quadragesimae  dies  jejuniis  consecratos, 
habemus  quartam  et  sextam  septimanae  dies,  quibus  solemniter 
jejunamus.  Hierdurch  könnte  der  Redaktor  auf  seine  Combination 
geführt  sein.  Aber  ist  nicht  die  Verbindung  bei  Origenes  selbst 
schon  durch  eine  Vorlage  bestimmt?  Wir  glaubten  bei  einem 
Vergleiche  mit  Hermas  eine  solche  schon  in  den  vorausgehenden 
Sätzen  finden  zu  müssen  (p.  88  sq.).  Nun  hat  aber  auch  Hermas 
an  der  Stelle  Sim.  V,  3  den  an  sich  nichts  bedeutenden  Aus- 
druck: hv  exe'ivi]  xr\  t](i£Qa  >}  v?]6teveiö,  und  dabei  muss  man 
sich  erinnern,  dass  die  ganze  Similitudo  von  einem  dies  stationis 
ausging  (c.  1,  1  sq.),  worunter  man  in  der  abendländischen  Kirche 
nach  Tertullian  (de  jejunio  adv.  psych.  2:  stationes  quae  et  ipsae 
suos  quidem  dies  habeant  quartae  feriae  et  sextae;  cf.  c.  10)  eben 
den  vierten  und  sechsten  Wochentag  verstand.  Wenn  wir  dazu 
noch  Didasc.  Ap.  V,  1  lesen:  vrfixEVöa.6  to  t?]6  >]tUEQa6  (wozu 
Const.  Ap.  V,  1  den  Zusatz  xal  fiEQioao  macht),  so  wird  es  wahr- 


-jqq  v.  Dobschütz,  Das  Kerygma  Petri. 

scheinlich,  dass  schon  die  genieinsame  Quelle  aller  dieser  Stellen 
etwas  über  bestimmte  Fasttage  enthielt.  Was  aber  war  diese  Quelle  ? 

Leider  können  wir  auch  hier  nicht  auf  festem  Fundamente 
aufbauen.  Das  Verhältnis  der  Ap.  Const.  zur  Didascalia  ist 
gründlich  untersucht,  nicht  so  aber  die  Quellen  dieser  selbst. 
Man  hat  die  Didache  dafür  ausgegeben,  aber  diese  genügt  auf 
keinen  Fall:  es  müsste  also  mindestens  eine  Schrift  verwandten 
Inhaltes  gewesen  sein.  Wenn  wir  uns  nun  wieder  des  Aus- 
druckes bei  Origenes  entsinnen :  quorundam  apostolorum  literae ; 
in  quodam  libello  ab  apostolis  dictum,  so  scheint  das  nunmehr 
fast  auf  einen  Titel  wie  öiöayjj,  diöaöxaXia,  öiara^iO  xcöv  düio- 
otoXcov  und  eine  jener  kirchenrechtlichen  Schriften  hinzuweisen, 
welche  im  zweiten  und  dritten  Jahrhundert  ziemlich  zahlreich 
und  mehr  oder  weniger  untereinander  verwandt,  aufgekommen 
sein  müssen.  In  der  That  hat  diese  Combination  sehr  vieles  für 
sich  und  nichts  durchschlagendes  ist  dagegen  anzuführen.  Es 
müsste  somit  die  oben  ausgesprochene  Vermutung  der  Zugehörig- 
keit des  Fragmentes  zum  Kerygma  Petri  fallen  gelassen  und 
dafür  eine  neue  —  ganz  unbekannte  —  kirchenrechtliche  Quellen- 
schrift eingeschoben  werden.  Vielleicht  giebt  noch  einmal  der 
syrische  Octateuch,  aus  dem  bisher  nur  weniges  bekannt  ist  (de 
Lagarde  1.  c.  38  sq.),  die  Lösung  an  die  Hand! 

Doch  eins  ist  nicht  zu  übersehen!  Die  sechs  ersten  Bücher 
der  Apost.  Const.  gehören  zwar  in  gewisser  Weise  zusammen, 
sofern  sie  die  Didascalia  zur  gemeinsamen  Quelle  haben.  Diese 
selbst  aber  umfasst  so  verschiedene  Materien  und  bringt  diese 
teilweise  so  lose  aneinandergereiht  vor,  dass  für  ihre  verschie- 
denen Bücher  resp.  Unterabteilungen  wohl  verschiedene  Quellen 
anzunehmen  sein  dürften.  Ruht  das  erste  Buch  wesentlich  auf 
der  Bergpredigt  und  den  sog.  Haustafeln,  so  scheinen  für  das 
zweite  Buch  ausser  den  Pastoralbriefen  besonders  die  echten 
Ignatiusbriefe  den  Stoff  geliefert  zu  haben  *).  In  dem  für  uns 
in  betracht  kommenden   5.  Buche,    das  übrigens  in  c.  10  einen 


1)  Hier  scheint  in  c.  7—11  eine  Quelle  vorzuliegen,  welche  eine  zweite 
e  nach  der  Taufe  noch  nicht  kennt:  6  6h  a/uaQxi'joao  fiexa  xo  ßdnxiGfxu 
ovxoa  ela  yttvvuv  r/ör/  xaxaxexQixai;  die  Gemeinde  soll  hei  der  Excom- 
munication  eines  Gliedes  für  sich  selbst  erkennen  oxi  ufxaQXwv  c\n6?J.vxui. 
Der  Redaktor  freilich  weiss  nachher  viel  von  der  ufjjLvoi.a  und  der  Not- 
wendigkeit fxexavoovvxaa  *""';l'"nifl"    -"  »«" 


§  6.    Die  doctrina  Petri  des  Origenes.  101 

mit  ötct  xovxo  nur  schlecht  verdeckten  Riss  aufweist,  finden  sich 
nun  aber  auch  einige  nicht  unwesentliche  Berührungen  mit  dem 
Kerygma  Petri:  c.  15  (p.  316)  wird,  nachdem  von  den  Heiden 
gesagt  ist:  ovöejioxe  lyvcov  xbv  d-sov  xal  xolo  ädcöXoio  sX.axosvov 
(cf.  K.P.  Fragm.  III)  fortgefahren:  oxs  de  ?]Xdsv  o  xvqcoo  fjficöv 
elo  xhv  xööfiov  xal  iölöagsv  vfiao,  exiöxevöaxe  vfxslo  ol  xioxev- 
oavxeo  sio  avxov  6xi  ei 6  d-eoo  eoxiv  xcu  jtäXiv  jtioxsvovoiv 
ol  a§ioi  ay_QL  jcXrjgcoß-ij  6  ccgid-fibo  xcov  OcoCofizvcov.  Diese  in 
der  Didascalia  sonst  nicht  vorkommende  Betonung  des  Mono- 
theismus erinnert  in  der  ganzen  Art,  wie  sie  hier  vorgetragen 
wird,  sehr  an  Fragm.  II  und  VII  und  an  das  letztere  klingt  auch 
dieses  ol  agioi  hier  an.  Dazu  kommt  c.  7:  Jtsgl  (isv  yag  xrjo 
ix  jiccQ&svov  ysväosojo  avxov  xcu  xrjo  jtagovoiao  xcu  xov  siä&ovo 
ediöay&rjfisv  öiä  xcov  ygacpcöv  avxov  xcov  ayicov  coO  ol  JiQocpijxai 
jcavxa  jtgorjyyEiXav  xal  jiQOElxav  jisql  xr\0  JtaQovoiao  avxov 
xal  xavxa  jtdvxa  sjcXrjQco&r]  xal  ißsßaico&r]  ev  xalo  xaQÖiaio 
j'lficöv.  Hier  ist  es  besonders  die  Stellung  von  yevsoiO  vor 
Tiagovoia,  die  auffällt  und  zu  der  Vermutung  führt,  dass  die 
Ausführung  sich  auf  einer  Quelle  aufbaut,  in  welcher  yeveöio 
nicht  genannt  war,  das  aber  der  spätere  Redaktor  unter  keinen 
Umständen  missen  konnte  und  daher  an  die  Spitze  stellte,  ein 
Hinweis  auf  K.P.  Fragm.  IX.  Beweisen  können  diese  Stellen 
freilich  nichts.  Wir  werden  daher  nicht  darüber  hinauskommen, 
die  Frage,  ob  unser  Fragment  einer  anderen  kirchlichen  Ver- 
ordnungsschrift oder  unserem  K.P.  angehört,  offen  zu  lassen. 
Da  aber  doch  auch  vieles  für  das  letztere  spricht,  besonders  was 
sich  uns  aus  Aristides  und  Hermas  ergab,  während  bezüglich  der 
letztgenannten  Stellen  wenigstens  auch  die  Möglichkeit  einer 
direkten  oder  vermittelten  Kenntnis  der  K.P.  behauptet  werden 
musste,  so  werden  wir  die  Aufgabe  haben,  die  sich  eventuell 
daraus  ergebenden  Folgerungen  für  die  Geschichte  des  K.P.  dar- 
zulegen. 

Über  den  Orient  ist  nicht  viel  zu  sagen.  Dass  Aristides  das 
K.P.  kannte,  war  ohnedies  wahrscheinlich  und  wird  hier  nur  be- 
stätigt. Von  den  Test.  XII  patr.  wissen  wir,  wie  schon  bemerkt, 
fast  nichts.  Sollte  wirklich  Irenaeus  schon  die  christliche  Über- 
arbeitung kennen,  so  müsste  diese  allerdings  ziemlich  alt  sein 
und  würde  ein  neues  Zeugnis  für  das  hohe  Alter  unserer  Schrift 
bieten,  doch  ohne  dass  wir  unseren  Ansatz  zu  verändern  brauchten. 


102  v.  Dobschütz,  Das  Kerygma  Petri. 

Durch  die  Didascalia  ist  nicht  sowohl  die  zeitliche  als  die  räum- 
liche Verbreitung  unserer  Schrift  bestimmt.  Sie  müsste  nämlich 
ungefähr  zur  Zeit  des  Origenes  auch  ausserhalb  Alexanclriens, 
in  Kleinasien  bekannt  gewesen  sein.  Freilich  erklärte  sich  dann 
ihr  plötzliches  Verschwinden  noch  viel  weniger,  und  man  würde 
gut  thun,  zwischen  ihr  und  der  Didascalia  ein  Zwischenglied 
einzuschieben.  Dies  ist  auf  alle  Fälle  nötig  für  Pseudoignatius; 
denn  wie  sollte  nach  Eusebius  in  Syrien  oder  Palästina  die 
Kenntnis  dieser  Schrift  denkbar  sein? 

Anders  im  Abendland!  Fanden  wir  bisher  das  K.P.  nur  durch 
Vermittlung  des  AegyptersHeracleon  und  vielleicht  auch  selbständig 
durch  Justin  und  Tatian  in  Rom  bekannt,  so  müssten  wir  jetzt 
in  weit  früherer  Zeit  (c.  135)  eine  Vertrautheit  einfacher  römi- 
scher Christen  mit  der  Schrift  konstatieren.  In  der  Behauptung 
alexandrinischen  Ursprunges  brauchte  das  freilich  nicht  irre  zu 
machen:  dieser  ist  zu  deutlich  angezeigt.  Vielmehr,  hatte  Ale- 
xandrien  von  Rom  aus  —  soviel  werden  wir  der  Tradition  glauben 
dürfen  —  das  Marcus-Evangelium  bekommen,  so  gab  es  dafür 
das  K.P.  zurück.  So  könnte  es  denn  auch  unsere  Hypothese 
eines  Zusammenhanges  des  K.P.  mit  dem  Marc.-Evang.  stützen, 
wenn  wir  sehen,  wie  dieser  grade  auch  die  Verbreitung  des  K.P. 
bis  Rom  bewirkt  hat.  Dass  dieser  Zusammenhang  in  Rom  auch 
bestanden  hat,  das  beweist  uns  wiederum  der  Hirt  des  Hermas, 
bei  dem  sich,  wenn  überhaupt  Spuren  eines  Synoptikers,  so  die 
des  Marc.-Evang.  vorfinden  (Zahn,  Hirt  des  Hermas  p.  453 — 464 
und  Harnack,  Patr.  apost.  opp.  III  proleg.  p.  LXXIV).  Über  die 
weitere  Geschichte  des  K.P.  im  Occident  fehlen  bis  jetzt  alle 
Nachrichten  *).     Von  einer  kanonischen  Geltung  desselben  kann 


1)  Bei  Tertullian  findet  sich  allerdings  eine  Stelle,  welche  hierher  zu 
gehören  scheint:  de  jejunio  adv.  psych,  c.  13:  bene  autem,  quod  et  epi- 
scopi  universae  plebi  mandare  jejunia  adsolent,  non  dico  de  industria  stipiurn 
conferendarurn ,  ut  vestrae  capturae  est,  sed  interdum  et  ex  aliqua  sollici- 
tudinis  ecclesiasticae  causa.  Diese  durch  ihren  spöttischen  Ton  nicht  eben 
sehr  durchsichtige  Stelle  scheint  doch  besagen  zu  wollen,  dass  bei  den 
Antimon tanisten  von  seiten  der  Bischöfe  zuweilen  Fasten  für  die  ganze 
Gemeinde  angeordnet  wurden,  nicht  nur  zu  dem  Zwecke  Gemeindeabgaben 
zusammenzubringen,  sondern  auch  um  besonderer  kirchlicher  Beunruhigungen 
(wohl  durch  Verfolgung)  willen.  Das  erstere  erscheint  dabei  als  das  ge- 
wöhnliche. Aus  Tert.  Apol.  c.  39  wissen  wir,  dass  modicam  unusquisque 
stipem  menstrua  die,  vel  cum  velit,  et  si  modo  velit,  et  si  modo  possit, 


§  6.    Die  doctrina  Petri  des  Origenes.  103 

nicht  die  Rede  sein,  denn  zur  Zeit  des  Herraas  ist  der  Begriff 
eines  Neutestamentlichen  Kanons  noch  nicht  vorhanden,  und  das 
erste  Document  über  den  römischen  Kanon,  das  sog.  Fragrnen- 
tum  Muratorianum,  lässt  uns  über  die  petrinische  Literatur  fast 
ganz  im  Stich.  Mag  man  auf  den  abrupten  Anfang  oder  die 
schwierigen  Verse  71  sqq.  oder  den  Charakter  des  ganzen  hin- 
weisen, der  einigen  als  lose  Aneinanderreihung  mehrerer  Frag- 
mente erscheint,  immer  wird  man  die  Erwähnung  z.  B.  des  ersten 
Petrus-Briefes  vermissen.  Ob  etwa  im  Zusammenhange  mit  diesem 
auch  unser  K.P.  genannt  war,  muss  dahin  stehen,  oder  sollte 
man  vielleicht  in  dem  noch  nicht  recht  erklärten  ersten  Satz- 
fragment: quibus  tarnen  interfuit,  et  ita  posuit,  —  was,  auf  das 
Marc.-Evang.  bezogen,  eine  wenn  auch  mit  der  sinnigen  Aus- 
legung von  Marc.  14,  51  sq.  (s.  Olshausen,  Weiss  u.  a.  z.  St.)  zu 
kombinierende  —  so  doch  in  der  Tradition  bis  auf  Epiph.  Haer. 
51,  6  singulare  Anschauung  von  Marcus  ergäbe,  daher  schon 
mehrfach  auf  Petrus  teils  als  Urheber  des  Marc.-Evang.  (Laurent), 
teils  als  Verfasser  des  1.  Briefes  (Weiss,  Einl.  p.  81  no.  2  unter 
Berufung  auf  l.Petr.  5, 1;  1,  3. 18  sq.;  2,  21 — 24)  bezogen  worden 
ist  —  eine  Hinweisung  auf  den  öevregoo  Xöyoö  des  Marc.-Evang., 


apponit.  Nach  de  jej.  13  scheint  es  aber  öfter  vorgekommen  zu  sein,  dass 
Bischöfe  —  vielleicht  in  armen  Gemeinden,  welchen  durch  besondere  Um- 
stände, reisende  Brüder,  viele  Kranke  und  Arbeitsunfähige,  Loskauf  von 
Gefangenen,  besondere  Opfer  auferlegt  waren  —  um  die  nötigen  Geld-  und 
Lebensmittel  zusammenzubringen,  die  Gemeinde  aufforderten,  zu  fasten 
und  das  so  ersparte  zu  dem  betreffenden  Zwecke  zu  verwenden.  Die 
"Worte  „ut  vestrae  capturae  est"  sind  wohl  nur  eine  jener  bei  Tert.  so 
häufigen  höhnischen  Glossen  und  wollen  hier  den  verhassten  Bischöfen  der 
Psychiker  insinuieren,  sie  machten  aus  dem  Fasten  ihrer  Gemeinde  eine 
Erwerbsquelle  (captura  ist  immer  der  aus  niederem,  unsittlichem  Geschäfte 
erlangte  Gewinn),  was  nur  darauf  führt,  dass  auch  hier,  wie  gewöhnlich, 
der  Bischof  die  Gemeindespenden  empfing  —  natürlich  zur  Verteilung  an 
die  Armen  u.  s.  w.  Die  Stelle  ist  ein  wichtiger  Beleg  dafür,  dass,  was  der 
Makarismus  aussagt,  was  Hermas  und  die  Ap.  Const.  fordern,  in  Wirk- 
lichkeit u.  zw.  gemeindeweise  ausgeführt  wurde.  Für  die  Geschichte  des 
K.P.  aber  kann  sie  darum  nicht  in  Betracht  kommen,  weil  es  viel  näher 
liegt,  den  Anlass  zu  der  Sitte  im  Hirten  des  Hermas  zu  suchen,  der 
nach  Tert.  selbst  (de  orat.  16;  de  pudic.  10.  20)  noch  zu  seiner  Zeit  in 
vielen  Gemeinden  Nordafricas,  früher  wohl  überall,  mit  der  lateinischen 
Bibel  zusammenhing,  obwohl  Tert.  als  Montanist  ihn  pastor  moechorum 
schilt. 


104  v-  Dobschütz,  Das  Kerygma  Petri. 

d.  h.  das  von  dem  Petrusscliüler  Marcus  aufgezeichnete  x^Qvy/ia 
7C8TQOV  erblicken  dürfen?  — 

Noch  viel  unsicherer  als  das  eben  besprochene  Fragment  ist 
dasjenige,  welches  wir  nunmehr  folgen  lassen,  weil  es  auch  unter 
des  Petrus  Namen  geht  und  eventuell  die  im  vorigen  angerührte 
Frage  nach  der  Geschichte  des  K.P.  im  Abendland  aufhellen 
würde.  Zahn  (Gesch.  des  NTlichen  Kanons  I,  308  no.  2)  hat 
darauf  aufmerksam  gemacht. 

XIII. 

Optat.  de  schism.  Donat.  I,  5  (ed.  Dupin  p.  5;  MPL.  XI,  895): 
cum  in  epistola  Petri  apostoli  legerimus :  nolite  per  opinionem  *) 
iudicare  fratres  vestros. 

„Richtet  eure  Brüder  nicht  nach  (blossem)  Gerücht." 
Dieser  Satz  findet  sich  in  keinem  der  beiden  kanonischen 
Petrus-Briefe,  überhaupt  in  keiner  kanonischen  Schrift,  da  man 
die  Verweisung  auf  Jak.  4,  11  bei  aller  Ähnlichkeit  doch  nicht 
für  genügend  wird  halten  können.  Viel  näher  liegt  da  schon 
Joh.  7,  24;  aber  kann  per  opinionem  Übersetzung  von  xax  btpiv 
sein?  Am  nächsten  berührt  sich  der  Gedanke  mit  Jes.  11,  3, 
aber  hier  ist  er  von  dem  Messias  ausgesagt  und  nicht  impera- 
tivisch  gewendet.  Mag  nun  auch  Optatus  grosses  in  falschen 
Citaten  leisten,  so  muss  doch  dies  Citat,  da  es  in  keiner  bekannten 
Schrift  untergebracht  werden  kann,  einer  verlorenen  zugewiesen 
werden.  Natürlich  kann  dies  nicht  mit  Bestimmtheit  geschehen; 
aber  vorschlagsweise  möchten  wir  daran  erinnern,  dass  es  in  das 
Kerygma  Petri2)  recht  wohl  hinein  passte,  zumal  wenn  dieses 
eine  Recension  der  „beiden  Wege"  enthielt;  denn  in  diesen 
spielt  das  „rechte  Gericht"  und  „nicht  Person  ansehen"  eine 
grosse  Rolle  (Did.  4,  3;  Barn.  9,  11;  Const.  Ap.  VII,  10;  Ap. 
K.O.  13;  Apol.  Arist.  15  3). 

1)  ms.  Sangall.:  pro  opinione. 

2)  Das  epistola  Petri  würde  auch  hierbei  als  eine  Verwechslung  dem 
Optatus  zur  Last  fallen.  Denn,  dass  das  K.P.  etwa  gar  —  nach  Analogie 
von  Act.  15,  23  sqq.  —  einen  Brief  des  Petrus  enthalten  haben  sollte,  ist 
eine  zu  gewagte  Vermutung. 

3)  Ein  paralleler  Gedanke  findet  sich  auch  bei  Tat.  or.  32:  ovöh  zoia 
TiQooiövxuo    rjfüv   uTto    oyjifxuxoo   XQivotusv,    nur    dass  hier  von  aussen- 


§  i.    Die  6t6uaxa).La  nexQOv  bei  den  späteren  griechischen  Vätern.     105 

Wenn  man  dies  Fragment  zum  K.P.  hinzunehmen  will,  so 
ist  dann  auch  mit  Bestimmtheit  eine  Geschichte  desselben  für 
das  Abendland  zu  postulieren  und  zwar  vielleicht,  oder  sogar 
wahrscheinlich,  in  einer  lateinischen  Übersetzung,  wobei  dann 
das,  was  wir  oben  (p.  6)  über  den  Ursprung  des  Titels  Judicium 
Petri  ausführten,  eine  unerwartete  Beleuchtung  empfangen  würde. 

§  7. 

Die  didaoy.alia  tibtqov 
bei  den  späteren  griechischen  Vätern. 

Aus  der  Periode  des  Clem.  AI.  und  Origenes,  auf  die  wir 
durch  die  Überlief erung  der  Fragmente  (von  dem  unsicheren 
Fragm.  XIII  abgesehen)  bisher  beschränkt  waren,  werden  wir 
durch  die  nun  folgenden  in  eine  weit  spätere  Zeit  versetzt. 
Dieselben  sind  geschöpft  teils  aus  Gregor  von  Nazianz'  Schriften 
(f  390),  teils  aus  der  bisher  unter  dem  Titel  „Sacra  Parallela" 
unter  den  Werken  des  Johannes  von  Damascus  bekannten  Schrift, 
in  welcher  neuerdings  Loofs  in  vorzüglicher  Untersuchung ')  ein 
dreiteiliges  Werk  des  Leontius  von  Byzanz  (f  um  543)  mit  dem 
Gesamttitel  lsqcc  oder  hcXoyal  erkannt  hat.  Dass  die  Quelle  beider 
die  gleiche  ist,  zeigt  die  Identität  des  zweiten  Fragmentes. 

Gregor  citiert  an  beiden  Stellen  einfach:  jittgoo  kiyu.  Dazu 
bemerkt  in  dem  einen  Fall  sein  Commentator  Elias  von  Creta: 
ro  6  tS,fjö  sv  ri]  öiöaoxalia  jcstqov  xstrai.  Zur  anderen  Stelle 
haben  wir  einen  Commentator  von  Nicetas,  der  sagt:  sön  6s 
V  lQÜGi(i  £y-  r?lG  oxzaßißXov  ro5v  ajiooxohxcov  öiarasscov  (al. 
öiöayfiätcov).  Diese  Bemerkung,  weit  entfernt  uns  über  die  Quelle 
Gregors  aufzuklären,  verwickelt  uns  nur  in  um  so  grössere 
Schwierigkeiten.  In  den  Apost.  Const.,  an  welche  der  Ausdruck 
des  Nicetas  doch  zunächst  denken  lässt,  findet  sich  das  betreffende 
Fragment  nicht.  Man  könnte  nun  wieder  an  den  schon  mehrfach 
im  Verlauf  dieser  Untersuchung  als  Lückenbüsser  herangezogenen 

stehenden,  in  unserem  Fragm.  von  äde/.yoi,   d.  h.  Gemeindegliedern,   die 
Rede  ist. 

1)  Loofs,  Leontius  von  Byzanz  (in  Texte  und  Unters.  III,  1  u.  2,  1887) ; 
ders.,  über  die  urspr.  Form  der  Sacra  Parallela  (Osterprogr.  der  Univ.  Halle- 
Wittenberg,  1892). 


106  v.  Dobschütz,  Das  Kerygma  Petri. 

syrisch en  Octateuch  appellieren,  oder  man  könnte,  da  die  Ein- 
teilung in  acht  Bücher  hiernach  öfter  gebraucht  worden  zu  sein 
scheint,  noch  einen  anderen  Octateuch  postulieren,  der  unter 
Voraussetzung  der  LA.  öiöayfiazcov  bei  Nicetas  als  eine  Samm- 
lung verschiedener  apostolischer  Didascalien  zu  bestimmen  wäre, 
wobei  auch  der  eigentümliche  Plural  in  der  Bezeichnung  der 
Didache  bei  Eusebius  (H.E.  III,  25) !)  in  Anspruch  genommen 
und  endlich  das  zuerst  von  Cotelerius  (patr.  apost.  opp.  1,  197) 
aus  einem  Cod.  Reg.  num.  1789  herausgegebene  Fragment:  xsql 
rtjö  hjtupavsiaG  rov  xvqiov  ex  xgjv  ajtoürohxwv  didcc/ftarmv2) 
herbeigezogen  werden  könnte  (Zahn,  Forschungen  III,  284  sqq.). 
Der  Sache  nach  käme  dann  dieser  Titel  (wobei  die  andere  LA. 
des  Nicetas  als  auf  Verwechslung  mit  dem  bekannteren  Consti- 
tutionen-Octateuch  beruhend  zu  erklären  wäre)  mit  dem  Titel  bei 
Elias  Cret.  überein,  nur  dass  dieser  den  Specialtitel  eines  Buches, 
jener  den  Namen  des  Gesamtwerkes  nannten.  —  Mehr  Wahr- 
scheinlichkeit aber  hat  die  Annahme,  dass  der  späte  Commen- 
tator  ohne  genaue  Kenntnis  der  Quelle  Gregors  seine  Angabe 
einfach  aus  der  Erwägung  heraus  machte,  dass  ein  apostolisches 
Wort,  wenn  nicht  im  Kanon  nachweisbar,  nur  in  den  Constitu- 
tionen gesucht  werden  könne.  Demnach  muss  diese  Angabe  des 
Nicetas  ganz  ausser  betracht  bleiben. 

Die  grösste  Schwierigkeit  macht  aber  Leontius,  weil  bei  ihm  in 
den  verschiedenen  Handschriften  sich  die  stärksten  Variationen  des 
Titels  finden 3).    V  und  R  bieten  je  zwei,  H  und  K  je  ein  Fragment. 


1)  Der  Plural  öida%ai  findet  sich  ausserdem  in  dem  sog.  Verzeichnis 
der  60  Bücher  und  bei  Niceph.  Call.  H.E.  II,  46;  dagegen  haben  Äthan, 
ep.  fest.  39,  Stich.  Niceph.,  Zonaras,  Blastares  den  Singular.  Von  Lateinern 
nennt  der  Verf.  von  de  aleatoribus  die  Schrift  doctrinae,  Rufin  in  der 
Übersetzung  des  Eusebius  (!)  doctrina. 

2)  cf.  Grabe  Spicil.  I,  54;  Hilgenfeld,  N.T.  extr.  can.  IV,  81. 

3)  Leider  war  es  mir  nicht  möglich,  über  mehr  als  4  von  den  10  be- 
kannten Handschriften  des  Werkes  nähere  Kunde  zu  erlangen.  Es  sind 
dies  1)  Vat.  graec.  1236  chart.  Saec.  XV  (V)  abgedruckt  bei  Lequien,  Joh. 
Damasc.  opp.  II  (1712);  2)  Vat.  graec.  1553  Saec.  XII— XIII  (K)  abgedruckt 
bei  Mai,  script.  vet.  nova  coli.  I  und  VII  (1825.  1833);  3)  Cod.  Rupef.,  jetzt 
Phillipps  1450  membr.  Saec.  XII  (R),  woraus  Lequien  1.  c.  nach  Mitteilungen 
Harduins  sehr  ungenügende  Fragmente  bekannt  gemacht  hatte.  Da  sich 
die  Handschrift  jetzt  auf  der  Kgl.  Bibliothek  zu  Berlin  befindet,  war  es 
mir  möglich,   dieselbe  am  18.  Juli  1891  selbst  einzusehen;    4)  Cod.  Hieros. 


§  7.    Die  öiöaoxaXiu  nexQov  bei  den  späteren  griechischen  Vätern.     107 

Bei  V  lautet  der  Titel  einmal:  Ix  t//ö  diöaöxaXiaö  üttxgov,  das 
andere  mal  nur  xov  jttxgov.  —  R  dagegen  hat  an  jener  Stelle  ex 
rtjO  l)  xov  dyiov  jisxqov,  an  der  zweiten  dagegen  ex  xr\o  xov  ayiov 
jttxgov  öidaoxaXiao.  —  H  hat  nun  aber  dort  ex  xov  öiöaoxaXov 
üiixQov  und  K  hat  hier  die  bedeutsame  Variante:  Ix  xijo  xov  ayiov 
jttxoov  aXssccvÖQ£iaö  öiöaöxaXiaö.  Ist  dieser  Codex  hiermit  im 
Rechte,  dann  hätten  freilich  die  Fragmente  mit  dem  Kerygma  Petri 
so  wenig  wie  mit  der  doctrina  Petri  des  Origenes  das  mindeste  ge- 
mein; sie  würden  der  Literatur  des  vierten  Jahrhunderts  zugehören! 
Man  kann  sich  nun  dieses  Zeugen  sehr  leicht  entledigen,  indem 
man  darauf  hinweist,  dass  nicht  viel  vorher  in  der  nämlichen 
Handschrift  (Mai  p.  85)  ein  Fragment  mit  der  Überschrift:  xov 
ayiov  jizxqov  hniOxönov  aXe^avögeiaö  xal  fiägxvQoö  ix  xov  p) 
jiQovJiaQXSiv  xrjv  ipv/fiv  xov  6a>[iaxo6  voraufgeht,  aus  dem  das 
äXegavöoeiaö  sehr  wohl  in  unser  Fragm.  eingedrungen  sein 
könnte.  Aber  abgesehen  davon,  dass  dann  noch  eine  genauere 
Conformation  zu  erwarten  wäre,  ist  die  Sache  darum  nicht  so 
einfach  zu  nehmen,  weil  die  LA.  von  K  unterstützt  wird  durch 
diejenige  in  H,  welche,  wenn  man  sie  nicht  auch  als  einen  sinn- 
losen Schreibfehler  beiseite  schieben  will,  jedenfalls  auf  einen 
anderen  Petrus  als  den  Apostel  führt.  Nun  wird  aber  Petrus 
von  Alexandrien  —  darunter  kann  nur  der  in  der  Verfolgung 
des  Maximinus  311  als  Märtyrer  gestorbene  erste  alexandrinische 
Bischof  dieses  Namens  gemeint  sein,  von  dem  ein  Xoyoö  jisqi 
fisxavoiaö  in  14  canones  und  Fragmente  dogmatischen  Inhaltes 
erhalten  sind,  eine  öiöaöxaXia  freilich  nirgends  bezeugt  ist  — 
von  Eusebius  (H.E.  VIII,  13,  7)  avxrjo  aXegavdgeiaö  sjtiöxojcoo, 
&Eiov  xl  XQWa  didttöxaXwv  x/jö  Iv  yoioxcö  ftsoöeßeiao  ge- 
nannt; Philippus  von  Sida  führt  ihn  in  seiner  berühmten  Liste 
der  alexandrinischen  Katecheten  (bei  Dodwell,  Dissert.  in  Iren. 
Oxon.  1689  p.  48)   mit  auf  und  in   dem  Martyrium  von  Anast. 


S.  Sepulchr.  15  Saec.  XI  (H),  dessen  Kenntnis  ich  den  freundlichen  Mit- 
teilungen des  Herrn  Dr.  Achelis  verdanke.  —  Die  angewendeten  Siegel  sind 
die  von  Loofs  eingeführten. 

1)  Dieses  vt/o  ist  wie  meist  in  den  mit  roter  Tinte  geschriebenen 
Titeln  dieser  Handschrift  abgekürzt  und  über  ix  gestellt.  Daher  erklärt 
sich  wohl  die  Auslassung  desselben  bei  Cotelerius,  der  in  einer  Note  zu 
Apost.  Const.  III,  13  (ed.  Cler.  169S  I,  285)  den  Text  des  Fragmentes  zuerst 
griechisch  herausgab  unter  dem  Titel:  ix  xov  ayiov  neroov. 


K)8  v.  Dobschütz,  Das  Kerygma  Petri. 

Bibl.  (bei  MPG  18,  460)  heisst  er  doctor  dulcissimus.  Es  wird 
sich  zunächst  fragen,  ob  die  Art  der  Citation  bei  Greg.  Naz. 
nicht  auch  auf  einen  anderen  Petrus  als  den  Apostel  führt.  Wo 
dieser  bei  ihm  erwähnt  ist,  ist  ihm  entweder  ein  Attributuni 
ornans  gegeben  wie  6  rifiKozatoG  x&v  ftafry/Tcöv  (ed.Maur.  I,  372), 
fta&r/rcov  ccxqoö  (11,791),  rö  zijö  sxxXijoiaa  apiGfia  (1, 235)  u.  a., 
oder  er  erscheint  in  Begleitung  anderer  Apostel  oder  doch  sonst 
durch  den  Zusammenhang  irgendwie  näher  bestimmt.  Ausser 
ihm  kommt  noch  Petrus  II.  von  Alexandrien,  der  Nachfolger  des 
Athanasius,  bei  Greg.  Naz.  vor  und  zwar  wird  dieser  charakte- 
risiert als  6  veoö  jcetQoo  (I,  620),  avrdo  6  ßgaßeixi  rcöv  uioi- 
fitvcov  (II,  719),  während  er  II,  727  durch  die  ganze  Situation 
der  Schilderung  bestimmt  ist.  Endlich  findet  sich  jtttQqy  allein 
in  der  Überschrift  der  epist.  242  (11,  196).  Sonst  sind  unsere 
beiden  Stellen  die  einzigen,  wo  jtixQoö  absolut  und  ohne  jede 
Näherbestimmung  im  Zusammenhange  vorkommt.  Dies  macht 
es  möglich,  an  einen  anderen  als  den  Apostel  zu  denken,  aber 
doch  auch  grade  wieder  unwahrscheinlich,  da  eben  ein  solcher 
näher  hätte  bezeichnet  werden  müssen.  Das  Praeclicat  d-av^a- 
oicorara  besagt  nichts,  da  es  ebensowohl  von  kanonischen  als 
von  kirchlichen  Schriften  gebraucht  werden  kann.  Aus  jiov 
freilich  ist  zu  schliessen,  dass  Gregor  frei  citiert,  und  dabei  wäre 
es  möglich,  dass  ihm  selbst  momentan  die  Bedeutung  des  „Petrus" 
unklar  gewesen  wäre.  Elias  Cret.  denkt  wohl,  wie  Nicetas  be- 
stimmt, an  den  Apostel;  wenn  die  Schrift  nur  den  Titel  öiöcc- 
oxaXia  JtizQov  führte,  war  dies  auch  in  späterer  Zeit  kaum  anders 
möglich.  —  So  gewinnen  wir  denn  von  hier  aus  keinen  sicheren 
Anhaltspunkt,  ebensowenig  aus  der  Vergleichung  der  spärlichen 
und  z.  T.  angezweifelten  Fragmente  des  Petr.  Alex.,  welche  sich 
bei  Gallandi  Bd.  IV,  dann  bei  Routh,  Rel.  sacr.  IV  und  bei  MPG 
Bd.  18  zusammengestellt  finden  (cf.  Gass  in  RE2  11,  543  sqq.  und 
WBright  in  Smith  Dict.  IV,  334).  Sowohl  die  Canones  als  die 
dogmatischen  Fragmente  bewegen  sich  in  ganz  anderen  Gebieten, 
so  dass  dieser  Mangel  an  Übereinstimmung  nicht  befremden  kann. 
So  müssen  wir  uns  von  dieser  einleitenden  Erörterung  zur 
Betrachtung  der  Fragmente  selbst  wenden,  ohne  eine  feste 
Stellung  bezüglich  der  Autorfrage  gewonnen  zu  haben,  —  mit 
der  Hoffnung,  in  ihnen  selbst  neue  Gesichtspimkte  zur  Lösung 
des  Problems  zu  finden. 


§  7.    Die  diöaoxa/.ia  tisxqov  bei  den  späteren  griechischen  Vätern.     109 

XIV. 

a)  Greg.  Xaz.  ep.  20  ad  Caes.  fratrem  (II,  19):  xdftvovöa  yaQ 
tyvyj)  syyvo  tozi  &tov  (<p?]Oi  jiov  &ai\uaGicozaza  Xtycov  6  jttzgoo). 

b)  id.  or.  17,  c.  5  (I,  321):  xatuvovöa  rpv%?}  syyvo  iözi  freov. 
Dazu  Elias  Cret.  (MPG  36,  395):  (zo  d5  tt-tjö  iv  ry  ÖLÖaoxcü.ia 

rtizQov  xtlzaf)  xa/ivovöa  (yag  tprpi)  ipvyj)  (rovriön  xaxojca- 
frovüc'c  ze  xal  zolö  xtQiozazixolG  Gcfiyyof/t'v?/)  tyylCtt  iiäX- 
Xov  d-tm. 

„Eine  bedrückte  Seele  ist  Gott  nahe." 

Dies  ist  ein  schönes,  kerniges  Dictum,  dem  sich  das  Wort 
des  an  solchen  Sprüchen  überhaupt  reichen  Ignatius  vergleichen 
lässt  (ad  Smyrn.  4,  2):  eyyxG  (.layalriao  iyyvG  freov,  kueza§v  ß-rj- 
gicov  (isragv  d-eov.  Ahnlich  ist  der  von  Didyni.  (in  Ps.  88,  8) 
und  Origenes  (Hom.  in  Jes.  20,  3)  als  Herrenspruch  aus  schrift- 
licher Quelle  angeführte  Satz:  6  tyyvo  [tov  tyyvö  zov  jzvqÖg, 
o  de  (MXXQav  uji  efiov  fiaxodv  ajco  zrjG  ßaöü.elaö  r).  Der  Aus- 
druck xccfivovöa  ipv%i}  erinnert  an  Herrn.  Mand.  VIII,  10;  xa- 
fivovzao  tyv/ji,  doch  kann  daraus  nicht  im  geringsten  ein  Ab- 
hängigkeitsverhältnis gefolgert  werden.  Der  Spruch  würde  in  das 
K.P.  wohl  passen,  seine  Stelle  aber  wäre  ihm  kaum  anzuweisen, 
da  jeder  Zusammenhang  fehlt.  —  Andrerseits  gewinnt  derselbe 
einen  sehr  passenden  Hintergrund,  wenn  man  sich  denselben  — 
ähnlich  wie  bei  Ignatius  —  im  Munde  des  die  schwerste  Verfol- 
gungszeit leidend  miterlebenden  alexandrinischen  Bischofs  denkt 2). 

1)  Vergl.  Resch.  Agrapha,  T.  u.  U.  V,  4  p.  98,  142,  auch  439. 

2j  Zahn  sucht  (Gesch.  d.  Kan.  II,  2,  2  p.  830  A.  1)  den  Spruch  aus 
einer  Situation  im  Leben  des  Petrus  zu  erklären  und  wird  durch  den  Zu- 
sammenhang in  or.  17  auf  Mt.  14,  30  geführt:  xo  rov  tcszqov  Tiäoyovaiv 
imxa/.eaafxivov  xtjv  oüjttjoiccv  iv  xcy  /ut/j.tiv  xaxaöveo&ai  xal  ixä/.'/.öv  xi 
xgooycDQovot  &£uj  öicc  xb  d?.yetv  xal  rov  eveoyexrjv  olxeiovvxai  diu 
rfjG  &).i\p£a>a,  ineidt]  xäfxvovoa  xx)..,  xal  xb  xQVfeElv  tmoxotyti  ttqog  tov 
dovvui  dvvä/iiEvov.  Da  nun  Greg.  Naz.  auch  an  der  anderen  Stelle  nach 
dem  Citat  fortfährt:  xal  Ttavxl  6ia<pvy6vxi  xivövvov  n/.eicvv  olxeitoaco 
Tieol  xbv  TieoiGOJoavza,  so  glaubt  er  diesen  Satz  zu  dem  Citat  hinzuneh- 
men zu  müssen.  Doch  der  einzige  Anklang  des  Wortes  olxeiova&ai,  der 
in  dem  Sprachgebrauch  Gregors  begründet  ist,  berechtigt  hierzu  nicht; 
ebensogut  könnte  man  den  kurzen  Satz,  der  an  der  anderen  Stelle  folgt, 
hinzuziehen.  In  Wirklichkeit  beweist  einer  gegen  den  anderen  und  Elias 
Cret.  spricht  gegen  beide,  da  er  nur  bis  Ö-foJ  erklärt.  Damit  fällt  aber 
auch  die  Beziehung  auf  Mt.  14,  30,  wozu  auch  der  Ausdruck  xd/ivsiv  nicht 
recht  passt. 


HO  v.  Dobscbütz,  Das  Kerygrna  Petri. 

XV.1) 

a)  Leontius,  Isqcc  (Lequien  II,  475:  litt,  s,  titl.  8  [V];  R  fol. 
167:  litt,  b,  titl. 44;  H  fol.  284,  a,  1):  (ex  x/jo  didaoxaXLcto  jctxQov) 
jiXovoioö  ixelvoo  loxtv  6  xoX-  Reich  ist  der,  welcher  sich  vieler 
lovö  eXecov  xcu,  6  xaxa  &eov  erbarmt  und  in  Nachahmung 
filtu?/OLP  ejtiöidovo  8$  cor  e%u.  Gottes  giebt  von  dem,  was  er 
&eoG  yag  jtavxa  näöiv  eöcoxev  hat.  Denn  Gott  hat  alles  allen 
ex  xcov  avxov  xxiGyctxcov.  övve-  gegeben  aus  den  von  ihm  ge- 
T£  örj  jiXovöloi,  öxi  öiaxovüv  schaffenen  (Gütern).  So  merket 
otpeiXexs  Xaßovxso  jtXeiova  cov  denn  ihr  Reichen,  dass  ihr 
avxol  /q/j^ste.  yä&sxs  öxi  hxs-  Dienstleistungen  thun  müsst, 
qoio  Xsijcei  xä  vy.lv  jczqhjösv-  da  ihr  mehr  empfangen  habt, 
ovtcc  aioyvv&7]xs  xaxeyovxea  als  ihr  selbst  bedürfet.  Lernet, 
xä  aX.XoxQia.  {iifir'Gaöd-E  ioo-  dass  anderen  mangelt,  was  ihr 
tijtü  &tov  xcu  ovöuo  taxai  übrig  habt;  schämt  euch,  frein- 
xtvrjö.  des    Gut    zu    behalten.     Ahmt 

Gottes  Billigkeit  nach,  und  nie- 
mand wird  mehr  arm  sein. 

b)  Greg.  Naz.  or.  14  (al.  16;  ed.  Maur.  I,  274):  (iva  (irj  dxov- 
co[ihv  ütixQov  XJyovxoo')  al6yvv&?]xe  ol  xaxtyovxso  xa  aX.XöxQia 
xcu  {iitu/jGao&£  loöxrjxa  freov  xcu  ovöeiö  loxai  jctvrjö. 

2)  Über  die  Überschrift  s.  o.  p.  107. 

3)  VH:  n?.ovawa  äaxiv  iy.elvoo.  5)  VH:  imöovG. 

6)  Ttdvxu  nuGLV  c.  H  (MPG,   Hilgenfd.);     navxünaoiv:  Y  (Lequien); 
Ttavxa  I  Tiäoiv:  R.  13)  RH  oni.  rä. 


Dies  Fragment  entbält  eine  Predigt  an  die  Reichen,  welche 
sich  durch  ihre  eindringliche,  knappe  Art  in  ähnlicher  Weise 
auszeichnet  wie  das  vorige  Fragment.  Um  den  Inhalt  desselben 
richtig  zu  würdigen  und  womöglich  auch  eine  Zeitbestimmung 
daraus  zu  gewinnen,  müssen  wir  uns  in  kurzen  Zügen  die  Ent- 
wicklung vergegenwärtigen,  welche  die  Beurteilung  des  irdischen 
Gutes  in  den  ersten  Jahrhunderten  der  christlichen  Kirche  ge- 
nommen hat. 

Bei  Jesus  Christus,  dem  Herren,  finden  wir  —  nach  über- 
einstimmenden Zeugnissen  —  die  Stellung,  dass  er  zwar  die 
grosse  Gefahr,  die  der  Reichtum  dem  Menschen  bringt,  indem 
er  ihn  in  irdische  Sorgen  verwickelt  und  von  himmlischen  abzieht, 

1)  Vergl.  dazu  auch  Rescb,  1.  c.  p.  131. 


§  7.    Die  öiduoxu'/.ia  tcstqov  bei  den  späteren  griechischen  Vätern.     \\\ 

durchschauend,  darauf  dringt,  nicht  sowohl  irdische  als  himm- 
lische Schätze  zu  sammeln  (Mt.  6,  19  sqq.),  und  dass  er  insofern 
grössere  Empfänglichkeit  bei  den  Armen  voraussetzt  (Mt.  11,  5; 
cf.  19,  23  sqq.),  dass  er  aber  dabei  doch  nur  die  Gesinnung  im 
Auge  hat J).  In  dieser  Bahn  gehen  auch  die  apostolischen  Aus- 
sagen weiter.  Bei  Paulus  ergiebt  es  sich  schon  als  eine  Conse- 
quenz  seines  Principes  1.  Cor.  7,  20  (cf.  Rom.  14,  14),  dass  er 
das  irdische  Gut  als  solches  nicht  verwerfen  und  von  dem  Be- 
kehrten nicht  etwa  ein  Abthun  desselben  fordern  kann;  ja 
1.  Cor.  13,  3  stellt  er  ausdrücklich  den  Unwert  einer  solchen 
Entäusserung  an  sich  fest.  Dabei  fordert  er  freilich  eine  völlige 
innerliche  Loslösung  vom  Besitze  (1.  Cor.  7,  31),  indem  er  wieder- 
holt den  geringen  Wert  alles  irdischen  Gutes  den  jireviiarixä 
gegenüber  betont 2).  Die  gleiche  Anschauung  bieten  die  Pastoral- 
Briefe  (besonders  1.  Tim.  6,  17  sqq.)  und  der  Hebraeer- Brief. 
Auch  Johannes,  der  im  Evang.  gar  nicht  auf  diese  Frage  kommt 
(so  wenig  wie  1.  u.  2.  Petr.  und  Judas,  ein  Zeichen,  dass  sie  für 
viele  Gemeinden  ohne  Bedeutung  war),  zeigt  doch  —  abgesehen 
davon,  dass  er  das  Wunder  zu  Cana  erzählt,  welches  allem  Enkra- 
tismus  ins  Gesicht  schlägt  —  in  den  Briefen  die  gleiche  Auf- 
fassung: er  verwirft  I,  1,  16  die  aiaCovla  toi-  ßlov,  d.  h.  das 
Grossthun   mit  dem   Vermögen    und    fordert   nur   thätige    Hilfe 


1)  Wenn  Mt.  5,  3  zw  7tv£v\uazi  im  Munde  des  Herren  nicht  ursprüng- 
lich sein  sollte,  so  ist  doch  damit  die  richtige  Exegese  seines  Gedankens 
gegeben  (cf.  11,  25).  Wie  es  Christo  nur  auf  die  Gesinnung  ankommt, 
zeigt  Mc.  12,  41  sqq.  —  Mt.  19,  21  ist  als  seelsorgerliche  Massregel  in  einem 
einzelnen  Falle  zu  betrachten ,  ähnlich  Mc.  6,  8  sqq. ,  was  an  die  Apostel 
speciell  gerichtet  ist.  Auch  aus  Mt.  13,  44.  46  ist  nicht  die  Forderung  des 
Verzichtes  auf  irdischen  Besitz  abzuleiten.  Ja  Mt.  26,  10  sqq.;  Mc.  14,  6  sq. ; 
Joh.  12,  7  sq.  billigt  der  Herr  —  gegen  seiner  Jünger  Ansicht  —  sogar  eine 
Art  religiös  motivierter  Verschwendung. 

2)  Rom.  15,  27;  1.  Cor.  9,  11;  2.  Cor.  6,  10;  Philem.  19.  Besonders 
wichtig  ist  die  Collektenangelegenheit,  bei  welcher  sich  zeigt,  dass  Paulus  den 
Besitz  der  Gemeinden  resp.  ihrer  einzelnen  Glieder,  vollkommen  anerkennt; 
er  verwahrt  sich  dagegen,  dass  die  Collekte  den  Corinthern  ihr  Vermögen 
entziehen  solle  (2.  Cor.  8,  13  sqq.)  und  will  nur  freie  Liebesthätigkeit ,  die 
er  allerdings  durch  mannigfache  Motive  anzustacheln  sucht  (1.  Cor.  16,lsqq.  . 
Geiz  und  Wucher  verwirft  er  natürlich  (Col.  3,  6;  Eph.  5,  3.  5;  cf.  1.  Tim. 
3,  4.  9),  ebenso  wie  er  das  lieblose  Verhalten  der  Reichen  bei  den  Agapen 
tadelt  (l.Cor.  11,  21).  Immer  aber  setzt  er  Privatbesitz  als  zurechtbestehend 
voraus  (2.  Thess.  3,  12;  Eph.  4,  28;  Gal.  6,  6). 


112  v*  Dobschütz,  Das  Kerygma  Petri. 

gegenüber  den  Armen  (I,  3, 17)  und  reisenden  Brüdern  (III,  5  sqq.). 
Ebensowenig  ist  in  der  Apok.  ein  Wesensunterscliied  zwischen 
Armen  und  Reichen  an  sich  gemacht,  wenn  sie  zusammen  als 
Ausdruck  der  Gesamtheit  der  Tieranbeter  erscheinen  (13,  16), 
während  es  allerdings  2,  9  scheint,  als  sei  gegenüber  dem  geist- 
lich zu  verstehenden  jilovoioo  (cf.  3,  17)  die  jzxmxüa  neben 
ihXiipiO  Moment  besonderen  göttlichen  Wohlgefallens.  —  Diese 
letztere  Anschauung  —  über  deren  Gründe  und  Herkunft  aus 
missverstandenen  Herrenworten  unter  Einwirkung  dualistischer 
Zeitan schauungen  hier  nicht  gehandelt  werden  kann  —  findet 
sich  dann  in  der  That  bei  Jacobus,  welcher  die  Reichen  als 
solche  —  innerhalb  wie  ausserhalb  der  Gemeinde  —  als  schlechte 
behandelt  (1,  10;  2,  1 — 7;  5,  1  —  G);  und  besonders  bei  Lukas, 
der  sowohl  im  Evang.  ganz  eigentümliche  Züge  dieser  Art  ein- 
getragen hat1),  als  noch  vielmehr  in  der  Apostelgeschichte  ein 
—  von  der  Darstellung  seiner  Quellen  noch  deutlich  zu  schei- 
dendes —  Bild  der  Urgemeinde  nach  seinem  Ideal  gezeichnet 
hat. 2)  Diese  Tendenz  ist  dann  in  der  ersten  Hälfte  des  zweiten 
Jahrhunderts  die  herrschende:  xa  xoöfiixa  xavxa  coö  aXXoxgia 
t)yeZ6d-ai  ist  eine  der  Hauptforderungen  des  sog.  II.  Clem.-Briefes 
(c.  5,  6);  ist  ja  doch  das  Verlassen  der  jraQoixia  xov  xoOfzov 
(cf.  I.  Clem.  inscr.)  der  wesentliche  Wille  Gottes  an  den  Christen; 
daher  die  syxQccxeut  seine  Haupttugend  (4,  3);  die  aöixoi  sind 
die  jtZovxovvxeö,  die  Knechte  Gottes  sind  in  Dürftigkeit  (20,  1). 
Ebenso  steht  es  bei  Hermas.     In  seiner  ersten  Similitudo  macht 


1)  So  schon  in  der  Kindkeitsgeschichte  die  Züge  der  Ärmlichkeit,  die 
bei  Mt.  ganz  fehlen,  (2,  7);  die  Verschärfung  des  Gebotes  an  die  Jünger 
(9,  3;  cf.  10,  4;  22,  35);  die  Verstärkung  der  Seligpreisung  der  Armen  (rd> 
nvevfiari  fehlt)  durch  ein  Wehe  über  die  Reichen  schlechthin  (G,  20.  24; 
cf.  16, 19 — 31),  wo  keine  sittlichen  Züge  eingetragen  werden  dürfen.  12, 16  sqq. ; 
1,  53.  —  4, 18;  7,  22  =  Mt.  11,  5  —  14,  12  sq.  —  f/a/xcovä  zrja  ccöixicto  (16, 
9.  11 1  —  dann  besonders  die  Verallgemeinerung  der  Vorschrift  18,  22  = 
Mt.  19,  21  in  Luk.  12,  33,  cf.  14,  33,  womit  dann  gradezu  communistische 
Gedanken  zusammenhängen  3,  11;  19,  8  sq. ;  dazu  in  8,  3  eine  positive 
Illustration  aus  Jesu  eigenem  Leben  in  seinem  Jüngerkreis.  —  12,  14  sq. 
dagegen  hält  sich  auf  der  sonstigen  Linie  der  Polemik  gegen  Ungenüg- 
samkeit. 

2)  cf.  2,  44 sq.;  4,  32.  34  sq.;  —  dagegen  4,  36  sq.;  5,  1—11;  6,  1  und 
für  die  antiochenische  Gemeinde  11,  29;  —  dazu  19,  19  die  Verbrennung 
der  Bücher  mit  der  wohlgefällig  berichteten  Angabe  des  hohen  Wertes; 
8,  18  sqq.  die  Zurückweisung  Simons  und  seines  Geldes. 


§  7.    Die  öiöciGxahla  tiszqov  bei  den  späteren  griechischen  Vätern.    H3 

er  es  au  dem  Bilde  eines  Fremdlings  klar,  der  in  fremdem  Lande 
keinen  Besitz  erwerben  darf,  weil  er  immer  gewärtig  sein  muss, 
von  dem  Herren  des  Landes  (mag  liier  an  den  römischen  Kaiser 
oder  besser  an  den  Teufel  gedacht  sein)  ausgewiesen  zu  werden, 
weil  er  dessen  Gesetzen  nicht  gehorchen  kann  und  will.  Alle 
irdischen  Güter  sind  aXXoxQia  (3),  und  ccXXotqicov  «Jixtö&cu  und 
sjci&vfisZP  ist  verboten  (11  — wohl  Anspielung  auf  das  10.  Gebot); 
darum  ist  die  ejxQavEia  eine  der  wichtigsten  Tugenden  (Mand.  VIII,  3), 
die  jtoXvreXsia  xov  jtXovxov  eine  der  schlimmsten  Sünden 
(ibid.  XII,  2,  l).1)  Die  Reichen  können  zwar  jiioxol  sein,  aber 
dies  besagt  für  Hermas  nicht  mehr  als  für  uns  der  Christenname, 
der  auch  Namenschristen  umfasst;  seine  Formel  ist  jctöxol  — 
jtXovxfioavrto  de  (Sim.VIII,  9,  1;  Mand.  X.  1,  4).  Solche  Reiche 
vergleicht  er  Disteln  und  Dornen  (Sim.  IX,  20,  1).  Ja  die  Reichen, 
die  yavQuövztO  iv  reo  jtXovxco  avxcöv  (Vis.  I,  1,  8;  III,  9,  6), 
sind  schlimmer  noch  als  die  ^ujitcpvfj^utvoi  jigay^axtkuG  xoXXalü, 
weil  sie  mit  den  Heiden  liebäugelnd  (Sim.  VIII,  9,  1),  sich  von 
der  christlichen  Bruderschaft  absondern,  um  durch  die  Bettelei 
nicht  behelligt  zu  werden  (IX,  20,  1).  Zwar  giebt  es  für  sie  noch 
eine  kurze  Bussfrist;  aber  es  ist  schwer  für  sie  umzukehren,  und 
—  wie  Hermas  an  sich  selbst  erfahren  hat  —  nur  wenn  der  Herr 
ihnen  ihren  Reichtum  beschneidet,  ist  wirklich  Rettung  denkbar 
(Vis.  III,  6,  5  sq.).  —  Aber  so  bestimmt  diese  Sätze  lauten,  so 
hat  doch  ebenderselbe  Hermas  einen  Ansatz  dazu  gemacht,  eine 
ganz  andersartige  Beurteilung  des  Reichtums  zu  gewinnen.  Zwar, 
der  Reiche  ist  unfruchtbar  an  sich:  davon  geht  Sim.  II:  „von 
der  Ulme  und  dem  Weinstock *  aus;  aber  er  hat  in  seinem 
Reichtum  ein  Mittel,  durch  Unterstützung  des  Armen  dessen  für- 
bittende Kraft  für  sich  zu  gewinnen.  Es  kommt  also  für  ihu 
nur  darauf  an,  diese  Bedeutung  des  irdischen  Gutes  zu  erkennen: 

(MXXCCQIOI    Ot  E%OVT£Ö    XCU  GVVLtVXtG  OXl    JtCCQU  XOV  XVQIOV  JcXoVxl- 

L,ovxca  (Sim.  II,  10);  eIö  xovxo  yä(>  ejcXovtlöev  vfiäö  o  öeoji6x?]0, 
Iva  xavxao  xao  öiaxoviao  teXeötjte  avxco  (Sim.  1,  9). 2)  —  Mit 

1)  So  erscheinen  auch  ol  ti/.ovtovvtio  xal  reo  tt?.ovtco  avxaiv  nsnoi- 
ÜOTto  in  der  Petrus- Apok.  (§  30)  mitten  unter  Sündern  allerschlimmster 
Art  und  furchtbar  bestraft. 

2)  Diesen  Gedanken  parallel  laufend,  aber  von  weit  untergeordnetem 
ethischen  Werte  sind  die  Betrachtungen,  die  Hermas  Vis.  III,  9,  2—6  pro- 
duciert:    Überfluss    an    Speisen    schadet   dem  Körper   ebenso    wie   Mangel 

Texte  u.  Untersuchungen  XI,  1.  8 


114  v.  Dobschütz,  Das  Kerygrna  Petri. 

diesen  Gedanken  hat  Hermas  durchgeschlagen;  das  zeigt  die  bald 
darauf  erfolgende  Ausscheidung  alles  erklärten  Enkratismus  aus 
der  Kirche,  wobei  allerdings  der  Gegensatz  des  in  jener  Ge- 
dankenreihe zum  Durchbruch  kommenden  monarchischen  Gottes- 
begriffes gegen  den  mit  dem  Enkratismus  notwendig  verbundenen 
Dualismus  wesentlich  mitgewirkt  haben  mag  (Tatian).  Das  Haupt- 
motiv war  aber  doch  wohl  die  immer  stärker  sich  vordrängende 
Verweltlichung  des  Christentums.  —  Das  zeigt  sich  am  deut- 
lichsten bei  der  ein  halbes  Jahrhundert  später  in  Clemens'  Alex. 
Schrift  xio  6  ow^ofisvoo  jiXovoioO  unternommenen  Erneuerung 
des  Versuches,  systematisch  eine  andere  Stellung  zum  irdischen 
Gute  zu  gewinnen.  Clem.  AI.  erklärt  hier  das  irdische  Gut  aus- 
drücklich als  ein  döiacpogov  (c.  15).  Zwar  nennt  er  es  —  das  mag 
eine  Nachwirkung  der  anderen  Auffassung  sein  —  ein  aXlotQLOv, 
aber  in  ganz  anderem  Sinne,  nämlich  als  ein  nicht  das  eigenste 
Ich  des  Menschen  angehendes,  seine  sittliche  Person  nicht  be- 
rührendes —  opp.  ro  jtvEvfia  als  xo  lÖiov  c.  19,  cf.  37.  Darum 
tadelt  er  es  ausdrücklich,  dasselbe  wegzuwerfen  (c.  12;  27)  *), 
indem  er  es  ablehnt,  dass  der  Arme  an  sich  Gotte  wohlgefälliger 
sei  als  der  Reiche  (c.  12),  und  darauf  hinweist,  dass  der  Reiche 
oft  von  Gott  in  seine  Lage  hineingeboren  sei  (c.  26).  Vielmehr 
sucht  er  den  Reichtum  nicht  nur  als  sehr  nützlich  (c.  14:  yjQ'l' 
tuara  XQrjöifia  .  .  .  xcu  elo  xgrjöiv  rolo  av&QcöjtoiG  vxo  xov 
frsov  jcaQEOxsvaö flava) ,  sondern  sogar  in  gewisser  Weise  als 
notwendig  zur  Erfüllung  der  Herrengebote  (c.  13)  zu  erweisen. 
Abgesehen  von  dieser  letzten  rhetorisch  überschwänglichen  Wen- 
dung und  manchen  Einzelheiten  seiner  Ausführung  steht  Clemens 
hiermit  materiell  ganz  auf  dem  schon  von  dem  Herren  selbst 
eingenommenen  Standpunkt,  die  Beurteilung  nicht  nach  sach- 
lichen, dinglichen,  sondern  nach  den  ethischen  Massstäben  der 
inneren  persönlichen  Beteiligung  zu  vollziehen  (cf.  Matth.  15,  11 


daran;  darum  ist  ein  Ausgleich  nötig,  auch  im  Interesse  der  Reichen,  — 
ein  so  trivialer  Gedanke,  dass  Hermas  selbst  sich  gedrungen  fühlt,  einen 
Ausblick  auf  das  jüngste  Gericht  beizufügen. 

1)  Sehr  hübsch  ist  diese  Anschauung  zum  Ausdruck  gebracht  in  der 
von  Zahn,  Act.  Job.  p.  285  den  leucianischen  Joh.-Acten  zugewiesenen 
Legende  von  den  zwei  ihr  ganzes  Vermögen  in  Gestalt  zweier  Edelsteine 
zertrümmernden  Schülern  des  Philosophen  Kraton,  denen  der  Apostel  ener- 
gisch entgegentritt. 


§   i.    Die  öiöuoxcO.ia.  nizQOv  bei  den  späteren  griechischen  Vätern.   ^5 

=  Mc.  7,  15),  der  freilich  bald  von  der  Christenheit  teilweise 
aufgegeben  worden  war.  Formell  aber  unterscheidet  sich  die 
Position  des  Clemens  von  jener  originalen  so  sehr,  wie  der  naive 
Ausdruck  ursprünglich  religiöser  Anschauung  von  einer  mit 
polemischen  und  politischen  Rücksichten  gebildeten  Theorie. 
Vor  allem  jener  anderen  strengen,  wenn  auch  nicht  ursprünglich 
altchristlichen  Betrachtungsweise  gegenüber  zeigt  sich  die  starke 
Verweltlichung  des  Gedankens  darin,  dass  aus  der  ganzen  Aus- 
führung des  Clemens  sich  als  leitender  Zweckgedanke  der 
Wunsch  ergiebt,  den  Reichen  den  Beitritt  zur  christlichen  Ge- 
meinde zu  erleichtern,  indem  er  ihnen  zunächst  zeigt,  dass  sie 
als  solche  nicht  an  ihrem  Heile  zu  verzweifeln  brauchen  (3  —26), 
und  sodann,  wie  sie  es  nun  anfangen  müssen,  um  dasselbe  zu 
erreichen  (27 — 41).  Dabei  stösst  uns  vor  allem  die  gewaltsame 
Unideutung  der  Herrenworte  ab  (c.  11:  Mc.  10.  21  =  ra  ööy^iaxa 
xeqI  yo/jfiäzcov  eB,OQiOai  zfjo  ipvyj/ö),  wobei  er  sogar  den  Jüngern 
eine  Ahnung  dieses  bildlichen  Verständnisses  insinuiert  (c.  20), 
und  dann  am  Schluss  die  Ausführungen  über  die  bei  Menschen 
zu  suchende  Hilfe  (c.  41),  was  freilich  nur  eine  Fortbildung  der 
Gedanken  des  Hermas  ist. 

Dies  sind  die  wichtigsten  Momente  der  in  Frage  stehenden 
Entwicklung.  Lässt  sich  daraufhin  nun  unser  Fragment  ge- 
schichtlich einreihen?  —  Eine  Theorie  über  den  Reichtum  im 
Sinne  des  Clemens  enthält  dasselbe  freilich  nicht.  Aber  mehrere 
Züge  in  der  Anschauung  desselben  führen  darauf,  es  später  als 
Hermas  anzusetzen.  Zunächst  kommt  da  in  Betracht  der  Begriff 
alloxQiov,  welcher  hier  im  Unterschiede  von  der  älteren  Be- 
trachtungsweise (Lk.  16,  12;  Act.  7,  6;  Hebr.  11,  9;  IL  Clem.  5,  6. 
Herrn.  Sim.  I,  3;  11)  und  von  der  philosophischen  des  Clem.  AI. 
das  dem  Bruder  gehörige  Gut  bezeichnet,  was  Act.  4,  32  durch 
verneintes  16100  ausgedrückt  ist  (cf.  1.  Cor.  11,  21;  Did.  4,  8; 
Barn.  19,  8;  cf.  1.  Clem.  2,  6).  Damit  hängt  zusammen,  dass 
in  laßövrso  das  irdische  Gut  als  Gottesgabe  erscheint.  Endlich 
setzt  der  erste  Satz  fast  den  Gedanken  des  Clem.  AI.  voraus, 
dass  zu  geistlichem  Reichtum  auch  ein  gewisses  Mass  von 
irdischen  Gütern  gehört.  Wer  nichts  hat,  kann  nicht  eXsav 
td.  h.  thätiges  Erbarmen  üben)  und  darum  auch  nicht  uilovoioo 
(im  geistlichen  Verstände)  sein.  Auch  im  Vergleich  mit  anderen 
Schriften  ergiebt  sich   diese  Posteriorität.     Die   Mahnung,    Gott 


Hg  v.  Dobschütz,  Das  Kerygina  Petri. 

nachzuahmen,  findet  sich  in  gleicher  Hinsicht  Eph.  5,  1;  be- 
merkenswert aber  ist  der  Unterschied  in  der  Begründung:  hier 
die  Liebe  Gottes  in  Christo,  die  specifisch  religiöse  Betrachtungs- 
weise, in  unserem  Fragment  die  natürliche  der  Vernunft  zu- 
gängliche Erweisung  der  göttlichen  looxt/G,  eine  starke  Ab- 
schwächung  der  intensiv  christlichen  Anschauung,  die  sich  viel 
deutlicher  noch  im  Brief  an  Diognet  (c.  10)  erhalten  hat,  welcher 
sich  überhaupt  durch  ursprüngliche  religiöse  Wärme  und  wunder- 
bar tiefe  Erfassung  sowohl  der  johannei^chen  als  auch  der 
paulinischen  Gedanken  auszeichnet 1).  Auch  wenn  wir  die  ersten 
beiden  Sätze  unseres  Fragmentes  vergleichen  mit  dem  Gedanken 
Herrn.  Mand.  II,  4,  der  ebenso  Did.  1,  5  und  daraus  verkürzt 
Ap.  Const.  VII,  1  wiederkehrt:  jtäoi  yäg  freist  diöoö&ai  6  Jtaxi/Q 
ix  xcov  löicov  öcoQt/fidtcov  {ya.QKJna.xcov  Did.),  so  machen  jene 
mehr  den  Eindruck  einer  Paraphrase.  Der  Eindruck  wird  ver- 
stärkt, wenn  wir  hinzunehmen,  dass  in  unserem  Fragment  dabei 
von  Überfluss  die  Rede  ist,  während  sich  sonst  durch  die  ganze 
ältere  Literatur,  besonders  in  Verbindung  mit  dem  vorigen  Ge- 
danken, der  Satz  hindurchzieht:  ix.  xcov  xöjtcov  oov  cov  o  Üeoo 
ölöooiv  oot  (Herrn.  Mand.  II,  4),  cf.  ovxcoo  xontcovxao  Act.  20,  35; 
Eph.  4,  28  oder  Ig  oixslcov  Jtövow  Ap.  Const.  VII,  1;  cf.  Ap. 
K.O.  12  (ix  xov  Iöqcötoo  oov  xal  ex  xov  jiovov  xcov  yeiqcov  oov 
cf.  Ap.  Const.  [—  Didasc]  V,  1  u.  ö.)  oder  edv  ey?]0  öid  xcov 
Xsiqojp  oov  (Did.  4,  6;  Barn.  19,  10;  Ap.  K.O.  13;  Aphr.  Hom. 
XIX  p.  315)  zu  geben.  Durch  alle  diese  mannigfachen  Varia- 
tionen geht  derselbe  an  die  Zustände  der  altchristlichen  Gemein- 
den erinnernde  Ton,  während  unser  Fragment  auf  die  Zeiten  der 
Einbürgerung  des  Christentums  in  der  Welt  hinweist.  —  Aus  der 
Übereinstimmung  aller  dieser  Beobachtungen,  die  jede  für  sich 
allerdings  nichts  beweisen  würden,  scheint  es  sich  mit  einer  ge- 
wissen Wahrscheinlichkeit  zu  ergeben,  dass  dies  Fragment  später 
ist  als  zum  wenigsten  der  Hirte  des  Hermas,  ja  vielleicht  von 
diesem  teilweise  abhängig  2).     Ist  dies  aber  richtig,  so  kann  aller- 

1)  Umgekehrt  ist  die  Vorstellung  des  dnofxi/xHa&ai  &töv  bei  Clern.  AI., 
quis  div.  salv.  32,  wo  es  von  dem  empfangenden  ausgesagt  ist  mit  Rück- 
beziehung auf  Mt.  25,  34  sqq.  —  Ohne  diese  specielle  Beziehung  findet  sich 
uiurjzctl  &£Ov  auch  Ign.  ad  Eph.  1,  1;  ad  Trall.  1. 

2)  Die  Kenntnis  und  Benutzung  des  Hirten  des  Hermas  ist  c.  300  in 
Alexandrien  bei  einem  dortigen  Katecheten   selbstverständlich,     cf.  Äthan. 


§  7.    Die  didaaaa/.lcc  tcsxqov  bei  den  späteren  griechischen  Vätern.     \Y1 

dings  die  Didascalia  Petri,  welcher  es  angehört,  kaum  noch  mit 
dem  Kerygma  Petri,  welches  deutlich  seine  Priorität  zu  Hermas 
erkennen  Hess,  identificiert  werden.  Da  die  Theorie  des  Clem. 
AI.  nicht  als  Voraussetzung  des  Fragmentes  zu  erweisen  ist,  so 
bliebe  immer  noch  die  Möglichkeit,  an  eine  vororigenianische 
Schrift  unter  dem  Namen  des  Apostels  Petrus  zu  denken,  deren 
Charakter  im  Unterschied  von  dem  Kerygma  Petri  (d.  h.  der 
Darstellung  der  Missionspredigt)  nach  dem  Inhalt  des  Fragmentes 
in  Übereinstimmung  mit  dem  Titel  öiöaO'/M).La  als  derjenige  inner- 
gemeindlicher Belehrung  bestimmt  werden  könnte,  —  im  Unter- 
schied von  den  späteren  Didascalien  freilich  mehr  moralischen 
als  kirchenrechtlichen  Inhaltes.  Wenn  man  aber  die  Stelle  des 
Origenes,  wo  er  von  doctrina  Petri  spricht,  wie  oben  wahrschein- 
lich gemacht  worden  ist,  auf  das  Kerygma  Petri  zu  beziehen 
hat,  so  nötigt  nichts,  bei  dem  zweiten  Jahrhundert  stehen  zu 
bleiben.  Was  man  dafür  anführen  könnte,  der  Gebrauch  des 
Wortes  diaxov&Zv  in  dem  ursprünglichen  Sinne  von  jeder  christ- 
lichen Liebesthätigkeit  (woraus  sich  erst  später  der  amtliche  Be- 
griff entwickelt),  verschlägt  nichts,  da  dieser  Gebrauch  sich  noch 
über  Hermas  hinaus  bis  in  späte  Zeit  erhält  *).  Eine  Theorie 
nach  Art  des  Clem.  AI.  aber  ist  in  einem  solchen  kurzen,  sicht- 
lich einer  praktisch  abgezweckten  Rede  angehörenden  Fragmente 
nicht  zu  erwarten.  Dazu  kommt  endlich,  dass  wir  in  den  wenigen 
erhaltenen  Fragmenten  des  Petrus  Alex.,  an  den  nun  nur  noch 
gedacht  werden  kann,  in  dem  12.  Canon  seiner  epist.  canonica 
(MPG  18,  500)  eine  ähnliche  Wertung  des  Reichtums  und  ana- 
loge sittliche  Anschauungen  finden:  Das  irdische  Gut  ist  ein 
geeignetes  Mittel  sich  von  heidnischen  Belästigungen  loszukaufen. 
Man  wählt  von  zwei  Übeln  das  kleinere,  wenn  man,  statt  es  auf 


ep.  39,  wo  der  Pastor  zu  den  nicht  kanonischer),  aber  für  den  katechetischen 
Unterricht  ausgezeichneten  Büchern  gezählt  wird.  —  Auf  den  Gebrauch 
des  Hermas  von  ßwtrjfti  (Sim.  II,  7;  10)  wird  auch  das  gvvets  zurück- 
gehen, ohne  dass  man  auf  den  andersartigen  Gebrauch  in  Ps.  40  (41),  2 
zurückzugreifen  brauchte. 

1)  Absolut  wie  hier  findet  sich  öiaxovüv  noch  1.  Petr.  4, 11;  in  gleicher 
Bedeutung  mit  Dat.  Obj.  Kom.  15,  25;  Heb.  6,  10.  Ebenso  steht  öiuxovia 
meist  von  freiwilliger  Wohlthätigkeit  (1.  Cor.  16,  15;  Ap.  2,  19),  besonders 
von  der  Collecte  für  die  jerusalemische  Gemeinde  Act.  11,  29;  Rom.  15,31; 
2.  Cor.  8,  4;  9,  1.  12  sq.  .  —  Aus  späterer  Zeit  Herrn.  Mand.  II,  6;  Sim.  I,  9; 
II.  7;  —  Act.  Joh.  Proch.  150,  6. 


118  v.  Dobschütz,  Das  Kerygma  Petri. 

die  Möglichkeit  der  Verläugnung  ankommen  zu  lassen,  den  Ver- 
lust des  Geldes  auf  sich  nimmt  und  durch  dessen  freiwillige 
Hingabe  ein  Bekenntnis  seines  Gottesdienstes  ablegt.  —  Nach 
alledem  scheint  die  von  Leontius  cod.  K  (cf.  H)  dargereichte  Zu- 
weisung der  Fragmente  an  Petr.  Alex,  auch  mit  inneren  Gründen 
bestätigt  zu  sein,  wenn  auch  zugegeben  werden  muss,  dass  dies 
Urteil  sich  wesentlich  auf  subjektive  Beobachtungen  stützt,  aus 
denen  sich  eine  Evidenz  nicht  erzielen  lässt. 

XVI. 
Leontius  lega  (Lequien  II,  336:  litt,  a,  titl.  12  [V];  R  fol.  236: 
litt,  x,  titl.  27;  K:  litt,  a,  titl.  11  [Mai  VII  p.  961)]):  (ex  xrjo 
xov  aylov  ütixgov  [aXto,avÖQ£iaö]  öiöaGxaXlaO') 
xäXaö  eyco-  ovös  s/iv/jo&qv,  öxi  Ich  Unglückseliger!  ich  bedach- 
o  frsdö  vovv  oqö.  xal  ipv/jjö  te  nicht  einmal,  dass  Gott  die 
iüiixrjQü  (pmvrjv.  övveyvcov  eio  Gesinnung  anschaut  und  auf  die 
afiaQxiav  üiqoo  sf/avxov  Xeycov  •  Stimme  der  Seele  achtet.  Ich 
eXer/fimv  eöxlv  6  &eoö  xal  ave§e-  willigte  in  die  Sünde,  indem  ich 
xal  fiov,  xal  firj  jtXr/yelo  jcaga-  zu  mir  sprach:  Gott  ist  ja  barm- 
XQijfia  ovx  tJtavoätu?ji>,  aXXä  herzig  und  wird  sich  meiner  an- 
fiaXXov  xaxe<pQovi)Oa  Ovyyvco-  nehmen.  Und  da  ich  nicht  als- 
firjo  xal  eöajtav?]oa  &eov  fia-  bald  geschlagen  ward,  so  hörte 
XQO&t\ulav.  ich  nicht  auf,  sondern  verach- 
tete mehr  und  mehr  die  Verzei- 
hung und  missbrauchte  Gottes 
Langmut. 

2)  über  die  Überschrift  s.  o.  p.  107. 

6  sq.)  K:  frtirrjQsZ  st.  oqü  und  st.  tmxrjQH:  dxovsi,  wohl  Correktur, 
weil  letzteres  zu  <pojvr)  zu  gehören  schien. 

6)  avviyvmv —  l.tycov  c.  RK:  V  (Lequien,  Hilgfd.)  oweQycüv  b  sx&qoo 
Ttooo  a(xaQxiav  tiquo  i/iavrdv  ?.eysi. 

9)  (Jiov  c.  VRK:  Hilgenfeld  conjiciert  in  Verbindung  mit  der  vorigen 
LA.  richtig  oov,  aber  grade  dass  Y  auch  fxov  hat,  ist  der  stärkste  Beweis 
für  die  Ursprünglichkeit  der  von  uns  bevorzugten  LA.  von  RK. 

10)  ovx  c.  RK  (MPG,  Hilgfd):  ov  Lequien  (nach  V  oder  Druckfehler? ). 


Wenn   man    bei    diesem  Fragment   an    den  Apostel  Petrus 
denkt,    so   ergiebt    sich   von   selbst   die  Verleugnungsgeschichte 

1)  Hieraus  entnommen  findet  sich  das  Fragrn.  auch  unter  den  Werken 
des  Petr.  Alex,  bei  Routh,  Rel.  sacr.2  IV,  82  und  bei  MPG  18  p.  522. 


§  7.  Die  öiöaoxa)Ja  itzxqov  bei  den  späteren  griechischen  Vätern.     H9 

als  der  natürliche  geschichtliche  Hintergrund  desselben  ').  Eine 
derartige  Selbstanklage  im  Munde  des  Apostelfürsten  hat  auch 
an  sich  nichts  befremdliches  zu  einer  Zeit,  wo  man  die  so  hoch 
gefeierten  Patriarchen  grossenteils  ihre  Testamente  mit  dem  Be- 
kenntnis einer  der  schwersten  Sünden  anheben  liess,  um  daran 
"Warnung  und  Vermahnung  zu  knüpfen.  Ein  solcher  didaktischer 
Zweck  ist  auch  wohl  in  unserem  Fragmente  vorhanden;  sieht 
man  sich  dasselbe  aber  einmal  näher  an,  so  findet  man,  dass  es 
zu  der  vorausgesetzten  Situation  eigentlich  gar  nicht  passt.  Schon 
xaXaö  ist  bei  einem  Rückblick  auf  die  Verleugnung  befremdlich, 
zumal  es  das  törichte  seines  Handelns  ist,  was  der  Redende  im 
folgenden  beklagt.  Und  was  soll  die  Bezugnahme  auf  Gottes 
herzenkündigende  Allwissenheit  bei  der  Verleugnung  Petri,  die 
doch  gewisslich  eine  Sünde  offenbarster  That  war?  Endlich  wäre 
eine  derartige  psychologische  Reflexion,  wie  sie  hier  der  Redende 
anstellt,  so  wenig  sie  zu  den  evangelischen  Berichten  jener  Ge- 
schichte passt,  so  ungeschickt  als  möglich,  da  dadurch  die  halb 
unbewusste  Schwachheitssünde,  welche  erst  beim  Hahnenschrei 
dem  Jünger  in  ihrer  ganzen  furchtbaren  Grösse  aufgeht,  als  mit 
bewusster  Überlegung  geschehen  dargestellt  und  dadurch  unge- 
heuer verschärft  worden  wäre.  So  ist  auch  bei  diesem  Fragment 
kein  Grund  an  den  Apostel  Petrus  zu  denken  und ,  wenn  wir 
bei  dem  vorigen  es  für  wahrscheinlich  befunden  haben,  dass  es 
Petrus  von  Alexandrien  angehörte,  so  werden  wir  auch  hier 
keinen  Anstand  nehmen,  es  diesem  zuzueignen.  Freilich  fehlt  uns 
dann  jede  geschichtliche  Beziehung,  aber  wir  verlieren  damit  nichts, 
als  was  wir  selbst  erst  an  das  Fragment  herangetragen  haben. 
Auch  Vermutungen  sind  kaum  fruchtbar,  da  wir  von  Petrus 
Alex,  selbst  zu  wenig  wissen  und  auch  gar  nicht  ahnen  können, 
ob  er  dies  von  sich  ausgesagt,  oder  einem  anderen  in  den  Mund 
gelegt  hat.  —  Zu  gründe  liegt  dem  Fragment  wohl  die  Stelle 
Sirach  5,  4  sqq. :  (irj  slxyö'  ^y.agxov,  xal  xi  tuoi  syevsxo;  6  jag 
xvgioo  söxi  [iaxQÖfrvfioG.  jisgl  s^i/.aGfiov  kuf)  acpoßoG  yivov  jcgoo- 
&sZvcu  afiagxiav  h(p  atuagxiaiO,  xal  (i?)  etjrijG'  6  oixxtgfioo  avxov 
jtolvö'  xb  jcl/j&oö  xo3v  afiaoxicöv  tuov  £c,i?.dosxai.    tleoo  yag  xal 


1)  Bei  dieser  Auffassung  will  Zahn  (Gesch.  des  Kan.  II,  2,  2  p.  830  A.  1) 
auch  den  Namen  der  Magd,  welche  Petrus  zur  Verleugnung  veranlasste, 
Ballila  (Caesarius  Dial.  III,  178  bei  Gallandi  VI,  134)  dem  K.P.  zusprechen 


120  v-  Dobschütz,  Das  Kerygma  Petri. 

ogyrj  JictQ  ccvTcö  (c.  AI.  Epkr.:  Vat.  avxov)  xal  Im  afiaQxm- 
'/.ovo  xaxaxavou  o  &i\udo  avxov.  Von  dieser  ATlichen  Stelle 
unterscheidet  es  sich  aber  einmal  dadurch,  dass  alle  Gedanken 
in  die  Rede  des  betreffenden  hineingenommen  sind,  —  wenn  wir 
annehmen  dürfen,  dass  der  Sprechende  mit  sich  selbst  exempli- 
fiziert, eine  sehr  wirkungsvolle  Art  der  Ermahnung;  —  zum 
andern  aber  dadurch,  dass  der  Ausblick  auf  die  ogy?)  wegbleibt, 
und  als  der  Gipfel  der  Sünde  der  Missbrauch  der  göttlichen 
Langmut  erscheint,  durch  welche  die  Menschen  sich  zur  Busse 
leiten  lassen  sollten  (Rom.  2.  4)  —  gewiss  ein  echt  christlicher 
Gedanke.  Vergl.  dazu  Herrn.  Sim.  IX,  32,  5:  clementiam  eius 
calcare  nolite;  ähnlich  spricht  Tert.  de  pudic.  10  von  „de  pa- 
tientia  ludere".  Man  kann  auch  Ps.  Sal.  III,  4  zum  Vergleiche 
heranziehen:  ovx  oliyoiorjott,  ölxaioo  Jtai6sv6tuero0  vjco  xvqiov; 
ausführlich  wird  die  jtaiöeia  des  Gerechten  Ps.  Sal.  XIII  behan- 
delt und  in  feiner  Weise  von  der  xaxaoxgocprj  xcöv  afianxwkcöv 
unterschieden.  —  Auffallend  ist  die  Construktion  von  övyyivco- 
oxblv  mit  sio.  Vielleicht  darf  man  dabei  auch  nicht  so,  wie  wir 
in  unserer  Übersetzung  gethan,  das  Moment  des  Willens  betonen, 
sondern  nach  Gvyyvcövat  tavxco  (was  hier  durch  jiqoö  efiavxov 
bei  Xsycov  ersetzt  wäre)  ovyyivcooxEiv  von  dem  sich  bewusst 
sein  (sio  in  Hinsicht  auf  etwas)  fassen  und  übersetzen:  „ich  ge- 
stand die  Sündhaftigkeit  meines  Thuns  ein,  eben  damit  dass  ich 
zu  mir  sprach".  Dies  hätte  den  Vorteil,  dass  man  dann  övyyvcofif] 
im  folgenden  in  derselben  Bedeutung  fassen  könnte:  „ich  ver- 
achtete meine  bessere  Einsicht".  Doch  lässt  sich  der  Sprach- 
gebrauch nicht  belegen.  Noch  seltsamer  wird  die  Auffassung, 
wenn  man  die  LA.  des  Vat.  bevorzugt,  wo  von  einer  synergisti- 
schen Thätigkeit  des  Teufels  (dieser  muss  unter  dem  ty&oÖG  ver- 
standen werden  cf.  Lk.  10,  19;  Mt.  13,  39)  die  Rede  ist;  doch 
auch  diese  Vorstellung  ist  alt,  sie  findet  sich  z.  B.  Test.  XII 
patr. ,  Dan  c  1:  xo  yäg  jcvsvfia  xov  £?'jZov  xal  xiffi  alatpvüao 
s/.eye  (iof  xalye  ov  vloo  avxov.  xal  tv  xo5v  jcvtvfiäzwv  xov 
js/.iag  ovvfjnyei  fioi  Xtycov  laße  xo  £,i(poo  xovxo  xal  Iv 
c.vxcö  aveXs  xov  icoörjq)  xal  ayajtijoei  os  6  jrax/'/g  oov  axo- 
fravovxoo  avxov.  Hier  zeigt  sich  noch  deutlich  die  Herkunft 
derselben  aus  Gen.  3.  Wie  dieselbe  an  unserer  Stelle  eingedrun- 
gen ist,  ist  schwer  zu  erklären,  und  aus  diesem  Grunde  könnte 
man  glauben  sie  vorziehen  zu  müssen,  wenn  nicht  das  gewichtige 


§   i.   Die  öiöaGy.u'/.ia  nixQOv  bei  den  späteren  griechischen  Vätern.     121 

Zeugnis  zweier  älterer  Handschriften  und  das  fiov  im  Vat.  selber 
die  andere  LA.  unanfechtbar  machten.  Wahrscheinlich  stammt 
jene  von  einem  Schreiber,  dem  diese  Vorstellung  geläufig  war, 
während  er  mit  dem  schwierigen  Gwiypmv  do  nichts  anzufangen 
wusste. 

So  hat  diese  Erörterung  der  Fragmente  die  aus  der  Tradition 
nicht  mit  absoluter  Sicherheit  zu  erweisende  Annahme,  dass  die- 
selben einer  Schrift  des  alexandrinischen  Bischofs  Petrus  (f  311) 
angehörten,  durch  innere  Wahrscheinlichkeit  ziemlich  zur  Evidenz 
erhoben.  Von  dieser  Schrift  können  wir  freilich  weiter  nichts 
aussagen,  als  dass  sie  den  Titel  öiöaoxakla  führte  *),  moralischen 
Inhaltes  war  und  im  4.  Jahrhundert  Gregor  von  Nazianz,  im  6. 
dem  vielbelesenen  Leontius  bekannt  war,  und  später  noch  dem 
Commentator  Gregors,  Elias  von  Creta 2).  Es  wäre  sehr  interessant 
noch  weitere  Spuren  von  derselben  aufzufinden3). 

Vielleicht  ist  eine  solche  in  dem  folgenden  Fragment  zu  suchen. 


1)  Man  könnte  eben  um  dieses  Titels  willen  an  der  von  uns  vorge- 
schlagenen Coinbination  Anstoss  nehmen  und  es  für  ein  zu  seltsames  Spiel 
des  Zufalles  erklären,  wenn  es  in  Alexandrien  neben  einer  öiöaaxaXltt 
x£tqov  dnoorö/.ov,  die  jedenfalls  noch  um  230  mit  Achtung  gelesen 
wurde,  seit  c.  300  eine  öidaGxaUa  tcsxqov  imaxonov  gegeben  hätte,  die 
sich  ebenfalls  hohen  Ansehens  erfreute.  Aber  von  einem  Nebeneinander 
ist  gar  nicht  die  Rede,  da  eben  die  eine  nur  bis  c.  230  nachweisbar  ist, 
die  andere  nicht  vor  c.  300  verfasst  sein  kann.  Diese  70  Jahre  bilden  aber 
grade  die  Zeit,  wo  mit  einer  energischen  Abgrenzung  des  Kanons  ein 
grosser  Teil  des  alten  Schrifttums  beiseite  gelegt  und  damit  der  Vergessen- 
heit und  dem  Verderben  preisgegeben  wurde,  so  dass  sich  hier  wie  zu 
keiner  anderen  Zeit  das  Verschwinden  des  Alten  und  Auftauchen  von  Neuem 
leicht  erklärt. 

2)  Elias  Cret.  nahm  teil  an  dem  2.  Conc.  von  Nicaea  7S7;  —  wegen 
der  Berufungen  auf  Basilius  tXüyiotoo  und  Gregorius  (1.  Hälfte  des  10.  Jahrh.) 
wird  jedoch  die  Echtheit  des  ihm  zugeschriebenen  Commentars  bezweifelt 
und  derselbe  in  das  11.  Jahrh.  gesetzt,  cf.  Edm.  Venables  in  Smith  Dict.  II.  88. 

3)  Angemerkt  sei  nur,  dass  wenn  man  die  Zugehörigkeit  der  Frag- 
mente der  Didascalia  zum  K.P.  festhalten  will,  sich  dadurch  an  der  Ge- 
schichte desselben  im  Orient,  wie  sie  oben  dargelegt  ist,  nichts  ändern 
würde.  Die  Cappadocier  waren  bekanntlich  fleissige  Benutzer  des  Origenes, 
und  ebenso  gehört  Leontius  zu  den  Origenisten  Palaestinas,  gegen  welche 
sich  Justinians  Edikt  vom  J.  543  richtete.  Es  würde  sich  alsdann  nur 
ergeben,  dass  Origenes  einen  viel  ergiebigeren  Gebrauch  von  dem  K.P. 
gemacht  hätte,  als  man  nach  seinen  Auslassungen  darüber  für  wahrschein- 
lich halten  sollte. 


122  v.  Dobschütz,  Das  Kerygma  Petri. 

XVII.1) 

Oecum.  cornin.  ad  Jacob.  V,  16  (opp.  II,  478):  (xal  yivezai 
sv  ijfilv  rö  rov  fiaxaQlov  jttrQov)  sio  oixoöoficöv  xal  slö 
y.a&aiQcov  ovötv  ojg)tX/jö£V  ?]  xojcovö. 

„Wenn  einer  aufbaut  und  einer  niederreisst,  so  schafft  das 
nichts  als  Mühen." 

Dieser  Spruch,  dessen  Zugehörigkeit  zu  einer  bekannten 
Schrift  in  keiner  Weise  angedeutet  ist,  findet  sich  Jes.  Sir.  31,  28: 
HO  olxoöojj-cjv  xal  Eiö  xa&aiQcov  xi  cog)sZi]Oev  (AI.:  Vat.  ccxpt- 
h]öav)  üiltiov  r\  xojcovö;  und  zwar  in  einer  Reihe  ganz  gleich- 
artiger Sentenzen,  sodass  seine  Ursprünglichkeit  an  dieser  Stelle 
verbürgt  ist.  Dass  er  aber  von  Oecunienius  als  Petruswort  citiert 
wird,  kann  auf  verschiedene  Weise  erklärt  werden.  Einmal  kann 
es  einfache  Verwechslung  sein,  wie  solche  bei  späteren  Schrift- 
stellern vielfach  vorkommt,  hier  noch  unterstützt  durch  den  Be- 
griff der  olxoöofit]  im  1.  Petr.-Br.  Sodann  könnte  man  daran 
denken,  dass  die  alttestamentlichen  Apokryphen  vielfach  unter 
und  nach  den  deutero-kanonischen  Schriften  des  N.T.s  standen 
(Iren,  nach  Eus.  H.E.  V,  8;  cf.  V,  26;  dem.  Alex,  nach  Eus.  H.E. 
VI,  13,  6  und  noch  Äthan,  ep.  fest.  39).  Waren  hier  —  wie  z.  B. 
bei  dem  Archetypus  der  jüngeren  Barnabashandschriften  —  einige 
Blätter  ausgefallen,  so  konnte  es  kommen,  dass  sich  Jesus  Sirach 
titellos  an  die  Petrusschriften  anschloss  und  versehentlich  auch 
unter  diesem  Namen  citiert  wurde.  Doch  mit  diesen  beiden  Fällen 
darf  nur  gerechnet  werden,  wenn  alle  anderen  Erklärungen  ver- 
sagen. Bei  der  hohen  Wertschätzung  der  alttestamentlichen 
Chokmaliteratur  in  der  alten  Kirche  sowohl  der  nachapostolischen 
wie  der  altkatholischen  Zeit  —  welche  sich  in  den  häufigen  Cita- 
ten  aus  derselben  bekundet  und  begründet  ist  in  einer  gewissen 
Geistesverwandtschaft  der  alten  Christenheit  mit  jener  trotz  der 
Fülle  edeler  Religiosität  und  Lebensweisheit  doch  nicht  über  eine 
gewisse  Utilitätsmoral  hinauskommenden  Richtung  des  gesetz- 
lichen Judentums  der  griechischen  Zeit  —  ist  es  ganz  natürlich, 
dass  auch  ganze  Sätze  einfach  von  dort  übernommen  wurden. 
So  mag  auch  unser  Fragment  in  einer  christlichen  Schrift  unter 


1)  cf.  Resch,    Agrapha  p.  440.    Mit  welcher  Begründung  hier  ela  b 
oixoöofiäiv  und  ho  b  xu&atQwv  gelesen  wird,  ist  nicht  gesagt. 


§  8.     Paulusworte.  123 

dem  Namen  des  Petrus  gestanden  haben.  Wir  können  dabei  an 
das  Kerygma  resp.  die  Doctrina  des  Origenes  denken  1).  Da  aber 
deren  Kenntnis,  wenn  nicht  durch  Origenes  vermittelt,  in  so 
später  Zeit  nicht  mehr  sehr  wahrscheinlich  ist,  ebensowenig  wie 
die  vieler  anderer  Pseudopetrinen  und  Pseudepigraphen  der 
älteren  Zeit  überhaupt,  so  liegt  es  nahe,  auch  hier  an  die  Dida- 
scalia  des  Petrus  von  Alexandrien  zu  denken,  welche,  wie  wir 
sahen,  grade  in  späterer  Zeit  mehrfach  benutzt  worden  zu  sein 
scheint.  Hierfür  lassen  sich  denn  auch  mehrere  Gründe  geltend 
machen.  Auch  die  anderen  drei  Fragmente  waren  teilweise  nur 
mit  rov  jctTQov  citiert  (XIV,  a;  XV,  b;  XVI  cod.  V);  dabei  lässt 
(laxccQioO  grade  an  einen  Märtyrer  denken,  während  man  für  den 
Apostel  nach  der  Sitte  jener  Zeit  einen  volltönenderen  Titel  er- 
warten sollte.  In  Kürze  und  Praecision  ist  der  Satz  dem  in 
Fragm.  XIV  ähnlich,  und  die  Benutzung  der  Schrift  Jesus  Sirachs 
war  schon  in  Fragm.  XVI  ersichtlich.  Nach  alledem  kann  man 
wohl  die  Zusammengehörigkeit  dieses  Fragmentes  mit  den  vorigen 
drei  als  sehr  wahrscheinlich  behaupten. 

§  8. 
Paulusworte. 

Clem.  Alex,  citiert  in  Verbindung  mit  dem  Kerygma  Petri 
zwei  Paulusworte,  welche  aber,  wie  wir  sahen  (s.  o.  p.  14  sq.) 
dem  Kerygma  Petri  selbst  nicht  angehört  haben.  Weil  sie  jedoch 
unter  dessen  Fragmente  aufgenommen  zu  werden  pflegen,  wollen 
auch  wir  sie  der  Vollständigkeit  halber  hier  kurz  besprechen. 


1)  Unter  Voraussetzung  dieser  Annahme  hat  Zahn  (Gesch.  des  Kan.  II, 
2,  2  p.  827  A.  1)  durch  eine  geistvolle  Conibination  mit  Gal.  2,  18  auch 
für  diesen  Spruch  eine  geschichtliche  Situation  zu  gewinnen  gesucht  und 
behauptet,  das  K.P.  habe  auch  Reminiscenzen  des  Petrus  an  die  Antiochia- 
scene  enthalten.  Aber  auch  abgesehen  von  der  Unsicherheit  der  Voraus- 
setzung, ist  diese  Combination  unwahrscheinlich;  die  der  ganzen  nach- 
apostolischen Auffassung  vom  Apostolat,  wie  sie  Luk.  und  unser  K.P. 
vertreten,  so  widersprechende  Episode  wird  von  der  ältesten  Christenheit 
völlig  ignoriert,  bis  der  gnostische  Kampf  oder  richtiger  Marcions  anti- 
judaistische  Polemik  auch  die  Grosskirche  nötigte,  apologetisch  dazu  Stellung 
zu  nehmen  (Tert.  adv.  Marc.  IV,  3;  V,  3;  —  Iren.  adv.  haer.  III,  12,  15;  — 
Cypr.  ep.  LXXT,  3,  überall  mit  polemischen  Spitzen  gegen  verschiedene 
Seiten,  sonst  aber  lieber  übergangen). 


[24  v-  Dobschütz,  Das  Kerygina  Petri. 

XVIII. 

Clein.  AI.  Strom.  VI.  5.  42  sq.:  (öfjXcoöei  jtqoo  reo  jctxoov 
xijQvyfiari  o  ajiöoxoXoo  Xtyoiv  jcavXoO') 

läßtxt  xal  xäo  tXXrjvixcco  ßi-  Nehmet  auch  die  griechischen 
ßXovö'  IjriyvcoTS  oißvXXav  ooo  Bücher  zur  Hand:  erkennt,  wie 
örjXol  tva  &eov  xal  xa  (isXXov-  die  Sibylle  einen  Gott  und,  was 
xa  tosofrai'  xal  xov  voxaontjv  künftig  sein  wird,  offenbart;  und 
Xaßövxeo  äväyvoixe  xal  svqtj-  nehmt  den  Hystaspes  vor  und 
oexs  xoX/.rö  xtjAaiytOxegov  xal  lest,  und  ihr  werdet  finden,  dass 
oag:toxiQoi>  yeyQa^fitvov  xov  hier  noch  mit  weit  schärferem 
vlov  xov  deov  xal  xaihmo  jea-  Fernblick  und  weit  deutlicher 
gavat-tv  rroit}ooroi  reo  yoiöxcö  vom  Sohne  Gottes  geschrieben 
rtoV.ol  ßaoü.uo  inoovvxto  av-  steht;  und  wie  viele  Könige  ge- 
rov  xal  xovo  cfooovvxao  xo  gen  den  Messias  Aufruhr  machen 
ovo pLa  avxov  xal  xoio  jiioxoio  werden,  aus  Hass  gegen  ihn  und 
avxov  xal  xt)v  vrroitovi/v  xal  die,  welche  seinen  Namen  tragen, 
x/)v  Jiaoovoiav  aixov.  und  seine  Gläubigen;   und  von 

seiner  Leidensgeduld  und  seiner 
Zukunft. 

Dies  Fragment  enthält  eine  interessante  Ausdehnung  der 
Quellen  des  Weissagungsbeweises  über  den  ATlichen  Schriften- 
kreis hinaus,  dessen  Erwähnung  im  vorigen  durch  xal  voraus- 
gesetzt ist,  auf  die  vermeintlich  heidnischen  Prophezeiungen  der 
Sibylle  und  des  Hystaspes.  Die  Erwähnung  der  Sibylle  gehört 
zu  den  ältesten  christlichen  (cf.  Herrn.  Vis.  II,  4,  1;  Just.  Ap.  I, 
20,  44:  Athen,  suppl.  30;  Theoph.  ad  Autol.  H,  36),  womit  aber 
nicht  gesagt  ist,  dass  unserem  Verfasser  schon  ein  christliches 
Werk  vorlag.  Vielmehr  scheint  die  Inhaltsangabe:  „Monotheis- 
mus und  Zukünftiges"  in  ihrer  Unbestimmtheit  auf  ein  jüdisches 
Machwerk  hinzuweisen,  deren  wir  ja  einige  unter  dem  Namen 
der  Sibylle  kennen.  Die  Christen  nahmen  diese  anfangs  in  gutem 
Glauben  auf,  und  fanden  genug  darin,  was  sie  ihren  Zwecken 
dienstbar  machen  konnten.  Erst  später,  als  man,  die  Art  der 
Weissagung  immer  mehr  verkennend,  alle  Einzelheiten  der  christ- 
lichen Geschichte  und  Theologie  handgreiflich  darin  nachweisen 
zu  müssen  glaubte,  schritt  man  dazu  fort,  selbst  zu  corrigieren 
und  zu  producieren,  und  nahm  dann  diese  eigenen  Fabricate  mit 
einer  uns  jetzt  unverständlichen  Nai'vetät   als  überkommen  hin. 


§  8.    Paulusworte.  125 

Schwieriger  ist  die  Frage  nach  dem  Ursprung  bezüglich  des 
Hystaspes,  einem  dem  Vater  des  Darius,  Schüler  Zoroasters  und 
der  Brahmauen l)  untergeschobenen  Buche ,  welches  nur  noch 
Just.  Ap.  I,  20;  44  und  Lact.  inst.  div.  VII,  15;  18  erwähnt  ist. 
Aus  der  letztgenannten  Stelle  scheint  hervorzugehen,  dass  das 
Buch  nicht  christlichen  Ursprunges  war  2).  Damit  streitet  aber 
unser  Fragment,  welches  behauptet,  dass  Hystaspes  weit  leuch- 
tender und  deutlicher  (sei.  nicht  als  das  Alte  Testament,  wohl 
aber  als  die  jüdische  Sibylle)  von  dem  Sohne  Gottes  u.  s.  w.  ge- 
handelt habe.  Das  führt  auf  den  Unterschied  zwischen  einer 
jüdischen  Sibylle  und  dem  christlichen  Hystaspes.  Mau  wird 
auch  den  Notizen  unseres  Fragmentes  nicht  gerecht,  wenn  man 
darin  nur  jüdische  Messiaserwartungen  findet.  Um  dies  mit  der 
Stelle  bei  Lactantius  auszugleichen,  werden  wir  daher  annehmen 
müssen,  dass  eine  jüdische  Schrift,  wie  in  so  vielen  Fällen,  christ- 
liche Interpolationen  erhielt.  Dies  wird  auch  wahrscheinlich 
durch  die  Angabe  des  Inhaltes  der  Weissagung,  wenn  man  dabei 
voraussetzen  darf,  dass  das  Referat  sich  genau  an  den  Ausdruck 
in  der  Schrift  hält.  Als  Inhalt  wird  nämlich  ausser  der  Be- 
schreibung des  Gottessohnes  genauer  bezeichnet,  dass  viele  Könige 
dem  Messias  mit  Waffengewalt  Widerstand  leisten  werden.  Das 
ist  nicht  der  christliche  Ausdruck  für  das  Leiden  Christi  und 
seiner  Gläubigen,  sondern  entspricht  der  jüdischen  Vorstellung 
eines  weltlichen  Messiasreiches,  das  die  widerstrebenden  Mächte 
sich  unterwerfen  sollte.  Auch  die  Bezeichnung  der  Anhänger 
des  Messias  als  oi  cpooovvreö  xo  6vo[ia  avrov  dürfte  jüdisch 
sein,  obwohl  sie  sehr  bald  in  den  christlichen  Sprachschatz  hin- 
übergenommen wurde.  Dagegen  ist  wohl  christlich  das,  wenn 
auch  in  jüdischen  Schriften  vorkommende,  so  doch  hier  an  sich 
überflüssige  und  nur  als  speeifisch  christliche  Bezeichnung  zu 
erklärende  rovG  Jtiorovo  avrov,  wovon  nur  zweifelhaft  ist,  ob 
es  neben  jenem  zu  f/idovvrso  oder  für  sich  zu  ytjQay.y.ivov  ge- 
hört (im  Sinne  von  diseipuli  eius  Asc.  Jes.  3).  Noch  deutlicher 
erweist  sich  die  Hand  des  christlichen  Uberarbeiters  in  vjio- 
ftovtjv  und   jiaQOvoLav  avrov.     Je  nachdem  man  roco  jiiorovo 


1)  Amniianus  Marcellinus  XXIII,  6  (saec.  IV)  und  Agathias  VI,  2-4  (c.  504). 

2)  Schürer,   Gesch.  des  jüd.  Volkes  II  p.  808  sq.,   wo  man   auch  das 
ganze  Material  trefflich  zusammengestellt  findet. 


12(3  v.  Dobschütz,  Das  Kerygma  Petii. 

catov  verschieden  bezieht,  wird  man  vjcofiov/j  vom  Leiden  Christi 
oder  von  dem  seiner  Gläubigen  verstehen;  jcagovoia  ist  jeden- 
falls der  zweite  Advent  Christi.  Dies  stimmt  zu  der  ersten  Aus- 
sage nur,  sofern  eben  der  christliche  Redaktor  die  jtaQära^io 
auf  das  Leiden  Christi  umdeutete,  was  jedoch  kaum  ursprüng- 
lich ist.  —  Das  ganze  Fragment  mit  seiner  Berufung  auf  heid- 
nische Prophetie  gehört  wohl  keiner  sehr  frühen  Zeit  an:  es 
mag  etwa  gleichzeitig  mit  Justin  sein.  Es  giebt  sich,  wie  wir 
sahen,  äusserlich  nicht  als  Teil  des  K.P.;  auch  innerlich  stimmt 
es  nicht  wohl  zu  demselben.  Zwar  sind  die  Propheten,  von 
deren  Büchern  Fragm.  IX  handelt  und  die  Fragm.  X  schlechtweg 
als  Y(>a(p?]  bezeichnet,  nicht  genannt;  aber  es  scheint  unzweifel- 
haft, dass  damit  nur  die  jüdischen  heiligen  Schriften  gemeint 
sein  können,  die  von  Anfang  an  in  der  christlichen  Gemeinde 
als  göttliche  recipiert  waren.  Dies  sind  oi  JiQO<pr/rcu;  damit  ist 
heidnische  Prophetie,  wenigstens  in  der  Gleichstellung,  wie  sie 
unser  Fragment  bietet,  ausgeschlossen;  denn,  wenn  auch  das  K.P. 
Judentum  und  Heidentum  dem  Christentum  gegenüber  ziemlich 
auf  eine  Stufe  stellt,  so  gilt  das,  wie  wir  sahen,  eben  doch  nur 
von  dem  damaligen  in  Menschensatzungen  wandelnden,  aber- 
gläubigen Judentum,  nicht  von  der  göttlichen  Offenbarung  in 
demselben.  Was  für  einer  Schrift  unser  Fragment  angehört,  ist 
schwer  zu  sagen,  da  Clem.  Alex,  keinen  Titel  angiebt;  es  mögen 
die  berühmten  jiga^Eiö  jtavXov  gewesen  sein  (Zahn,  Gesch.  des 
Kan.  II,  2,  2  p.  879),  vielleicht  aber  auch  ein  xt/gvyfia  jtaiXov. 

XIX. 

Clem.  AI.  Strom.  VI,  5,  43:  {slra  kvl  Xoyop  jtvvfrävsrai  tffiwv) 
oXoo  de  6  x6otuoO  xal  rä  sv  Die  ganze  Welt  und  was  dar- 
re? xoöficp,  rivoö;  ovxl  rov  innen  ist,  wessen  ist  es?  ist  es 
freov;  nicht  Gottes? 

Dieses  unmittelbar  auf  das  vorige  folgende  Citat  gehört  wohl 
derselben  Schrift  an.  In  einfacher  und  klarer  Weise  ist  hier 
die  monotheistische  Auffassung  der  absoluten  Weltbeherrschung 
Gottes  ausgesprochen.  Gnostischer  Einfluss  ist  nicht  zu  spüren; 
es  hält  sich  ganz  in  der  Bahn  der  allgemeinen  christlichen  Denk- 
weise. Sonst  ist  dem  Fragmentchen  nicht  viel  zu  entnehmen, 
man  müsste  denn  darin  eine  polemische  Spitze  gegen  die  jüdische 


§  9.    Praedicatio  Pauli.  127 

Trennung  reiner  und  unreiner  Tiere  u.  s.  w.  finden  wollen  (cf. 
1.  Cor.  10,  26).  Mit  Sicherheit  lässt  sich  aber  auch  dieses  nicht 
behaupten,  da  der  Zusammenhang  ganz  fehlt. 

§9. 

Praedicatio  Pauli. 

XX. 

Pseudo-Cyprian,  de  rebaptismate  c.  17  (Hartel,  III,  90):  Est 
autem  adulterini  huius ,  immo  internecini  buptismafis ,  si  qui 
alius  auctor,  tum  etiam  quidam  ab  eisdem  ipsis  haereticis  propter 
hunc  eundem  errorem  conßctus  Über,  qui  inscribitur  Paulli  prae- 
dicatio, in  quo  libro  contra  omnes  scripturas  et  de  peccato  proprio 
confitentem  iure  nies  Christum,  qui  solus  omnino  nihil  deliquit, 
et  ad  accipienduui  Joannis  baptisma  paene  invitum  a  matre  sua 
Maria  esse  compulsum,  item  cum  baptizaretur,  ignein  super  aquam 
esse  visum  quod  in  evangelio  nullo  est  scriptum,  et  post  tanta 
tempora  Petrurn  et  Pauluni  post  conlationem  evangelü  in  Hieru- 
salem  et  mutuam  cogitationem  et  alter  cationem  et  verum  agenda- 
rum  dispositionem  postremo  in  Urbe  quasi  tunc  primum  invicem 
sibi  esse  cognitos  et  quaedam  alia  huiuscemodi  absurde  ac  tur- 
pdtev  conficta,  quae  omnia  in  illum   librum   invenies  congesta. 

4)  Rigaltius  conj.  Petri.  11)  Rigaltius  om.  cogitationem  et. 


„Christus  legt  ein  Bekenntnis  seiner  Sünden  ab"; 

„er  wird  von   seiner  Mutter  fast   widerwillig   zur  Übernahme 

der  Johannistaufe  angetrieben"; 
„bei  seiner  Taufe  zeigt  sich  Feuer  über  dem  Wasser"; 
„Petrus  und  Paulus  lernten  sich  zu  Rom  kennen"; 
„und  anderes  mehr". 

In  diesem  Fragment  liegt  wirklich  ein  Citat  aus  einer  Praedi- 
catio Pauli  vor  1),  welche  der  Verfasser  des  Tractates  de  rebaptis- 


1)  Zahn  (Gesch.  d.  Kan.  II,  2,  2  p.  881)  hält  diese  für  identisch  mit 
den  Ttpdceio  Ttuv/.ov,  unter  welchen  Titel  er  überhaupt  sehr  viele  ver- 
schiedene Überlieferungen  zusammenfasst,  gedeckt  durch  die  hohe  Stichen- 
zahl (3560)  im  Catal.  Clar.  Die  Vereinigung  ist  aber  doch  sehr  zweifelhaft 
und  das  Urteil  Ps.Cypr.'s  über  die  Praed.  Pauli  schliesst  den  Gedanken 
an  die  berühmten  Paulusacten  fast  aus. 


-[28  v.  Dobschütz,  Das  Kerygma  Petri. 

mate  bei  den  Sektierern,  gegen  welche  er  kämpft,  in  Gebrauch 
fand.  Dass  dieselbe  auch  von  ihnen  verfasst  sei,  ist  wohl  eine 
übereifrige  Behauptung  des  Polemikers.  Was  für  eine  Sekte  es 
war,  lässt  sich  nicht  mit  Bestimmtheit  sagen,  da  die  als  Kenn- 
zeichen angegebene  Feuertaufe,  d.  h.  eine  wohl  durch  mecha- 
nische Künste  bewirkte  Feuererscheinung  bei  jeder  Taufe  auf 
Grund  der  sinnlich  verstandenen  Stelle  Matth.  3,  11  (cf.  Luk. 
3,  16)  nirgends  bezeugt  ist *).  Ein  Analogon  dazu  ist  die  Feuer- 
zeichnung der  Ohren  bei  einigen  Gnostikern,  von  der  schon 
Heracleon  (Clem.  AI.  exe.  e  proph.  25)  spricht,  und  die  Hippolyt 
speciell  den  Carpocratianern  vorwirft  (Refut.  VII,  32),  wobei  er 
auch  von  xtyvai  fjayixal  spricht  (cf.  Epiph.  Haer.  27,  3  und  7); 
von  magischen  Künsten  des  Anaxilaus  ist  sonst  besonders  bei 
den  Marcosiern  die  Rede  (Iren.  I,  13,  1  sq.),  aber  I,  21,  wo  Iren, 
ausführlich  deren  mannigfache  Taufriten  beschreibt,  schweigt  er 
von  solcher  Feuertaufe.  Sollte  vielleicht  an  die  Anthropiani  bei 
Cypr.  ep.  73,  c.  4  gedacht  werden  können? 

Hinsichtlich  des  Inhaltes  der  Schrift  sind  zweierlei  Stoffe 
zu  unterscheiden,  evangelische  und  apostolische  Geschichte,  jene 
wohl  in  Paulusreden  gehörig,  diese  als  historische  Einkleidung 
anzusehen.  Beide  stehen,  wie  der  Verfasser  von  de  rebaptismate 
bemerkt,  im  Gegensatz  zur  kanonischen  Überlieferung2),  lassen 
sich  aber  alle  aus  der  ausserkanonischen  Tradition  in  gewisser 
Weise  belegen. 

Zu  der  evangelischen  Taufgeschichte  ist  das  Hebr.-Evang. 
heranzuziehen,  worin  es  nach  Hieronymus  adv.  Pelag.  III,  2  hiess: 


1)  Auch  die  Feuertaufe  in  dem  gnostiseken  Ritual  der  Pistis  Sophia 
und  der  Bücher  Jeu  ist  etwas  anderes,  als  die  hier  gemeinte.  Wir  können 
uns  allerdings  von  beiden  keine  rechte  Vorstellung  machen.  Handelt  es 
sich  aber  bei  der  von  Pseudocyprian  bekämpften  Sekte  um  eine  Feuer- 
erscheinung bei  der  Wassertaufe,  so  ist  die  Feuertaufe  nach  den  koptischen 
Schriften  ein  von  der  Wassertaufe  getrennter,  auf  diese  folgender  Act,  bei 
welchem  allerdings  auch  zunächst  eine  magische  Feuererscheinung  („ein 
Zeichen  in  dem  Feuer  dieses  duftenden  Räucherwerkes")  von  Bedeutung  ist. 
das  Hauptmoment  aber  die  Besiegelung  auf  der  Stirn  ist.  Vergl.  Codex 
Brucianus  P.  64  sq.  (Texte  und  Unters.  VIII,  1.  2  S.  202  und  dazu  S.  505  sqq. 

2)  Der  Verfasser  hat  mehrfach  den  Inhalt  dieser  kanonischen  Über- 
lieferung zwischen  die  das  Kerygma  Pauli  beschreibenden  Sätze  eingeschoben 
und  so  grosse  Verwirrung  bezüglich  des  Inhaltes  desselben  angerichtet.  Das 
verschiedenartige  ist  oben  durch  die  Schrift  kenntlich  gemacht. 


§  9.     Praedicatio  Pauli.  129 

„Ecce  mater  domini  et  fratres  eius  dicebant  ei:  Ioannes  baptista 
baptizat  in  remissionem  peccatorum;  eamus  et  baptizemur  ab  eo. 
Dixit  autem  eis:  quid  peccavi,  ut  vadam  et  baptizer  ab  eo?  nisi 
forte  hoc  ipsum  quod  dixi  ignorantia  est."  Es  ist  wobl  anzu- 
nehmen, dass  der  Verfasser  der  Praedicatio  Pauli  dies  Evange- 
liuni benutzt  hat.  Dabei  fasste  er  das  letzte  Wort  Jesu,  welches 
ursprünglich  gewiss  nur  seine  Demut  hervorheben  sollte,  als 
Sündenbekenntnis,  während  die  anfängliche  Ablehnung  der  Auf- 
forderung der  Verwandten  (cf.  Joh.  7,  1  sqq.)  als  ein  „paene 
invitus  compulsus  est"  sich  darstellte  —  wenn  nicht  etwa  der 
Verfasser  sich  ganz  an  das  Hebr.-Evang.  anschloss  und  jene  Ver- 
schärfungen als  böswillige  Missdeutungen  seinem  Bestreiter  zur 
Last  fallen. 

Die  Feuererscheinung  bei  der  Taufe  ferner  ist  nach  Epiph. 
Haer.  XXX,  13  berichtet  in  dem  Evangelium  der  gnostischen 
Ebioniten,  welches  von  dem  Hebr.-Evang.  zu  unterscheiden  und 
wahrscheinlich  mit  dem  Evangelium  secundum  duodecim  (apo- 
stolos) *)  zu  kombinieren  ist.  Da  Hieronymus  (1.  c.)  von  seinem 
Hebr.-Evang.  sagt,  es  heisse  secundum  apostolos,  so  liegt  es  nahe, 
auch  die  erste  Erzählung  über  die  Taufe  dem  Ebioniten-Evange- 
lium  zuzuweisen.  Jedoch  abgesehen  davon,  dass  Hieronymus  dies 
sonst  nicht  zu  kennen  scheint,  lässt  der  Text  des  Ebion.-Evang. 
bei  Epiph.  (1.  c):  rov  Xaov  ßanxiGdtvxoG,  t)2.&£  xccl  Irjoovo  xal 
ißaxTio&rj  vjto  rov  icoavvov  kaum  Raum  für  eine  derartige 
Erzählung,    welche    zu    berichten   Epiphanius   auch   schwerlich 


1)  So  nach  Hier.  adv.  Pel.  III,  2;  —  Orig.  hom.  I  in  Luk.  stellt  es 
mit  gnostisierenden  Evangelien  zusammen  und  ihm  folgend  Ambros.  coinm. 
in  Luk.  prooem.;  —  Hier.  comm.  super  Matth.  prooem.;  —  Philippus  Sidetes, 
Fragm.  e  Cod.  Barocc.  cf.  T.  u.  U.  V,  2,  169;  —  Theophylakt  in  Evang.  Luk. 
prooem.  —  Der  Titel  schwankt  sehr;  es  lassen  sich  3  Hauptfonnen  unter- 
scheiden: evayytXiov  xaxa.  xoio  Sa>6exa  (xwv  öojöexa)  Philippus  und  Theoph. 
—  evangelium  juxta  duodecim  apostolos  (duodecim  apostolorum)  Rufin  in 
der  Übers,  des  Origenes;  Ambros.  und  Hier.  comm.  in  Matth.  —  endlich 
evangelium  apostolorum  Hier.  adv.  Pel.  HI,  2.  —  Da,  wie  man  wohl  an- 
nehmen darf,  die  beiden  Griechen  auf  das  Original  des  Origenes  zurück- 
gehen, so  wird  die  erste  Fassung  evayyiliov  xaxa.  xova  öa>öexa  die  ursprüng- 
liche sein.  Die  Lateiner  setzten  dann  apostolos  hinzu  und  Hier,  endlich 
liess  duodecim  einmal  ganz  ausfallen,  —  eine  Entwicklung,  welche  ebenso 
wichtig  für  die  Geschichte  des  Apostelbegriffs  als  beachtenswert  für  den 
Titel  der  Didache  ist,  bei  welchem  man  nunmehr  nicht  öcüöexa,  sondern 
eher  cctiogxo/.cdv  als  späteren  Zusatz  beanstanden  wird. 

Texte  u.  Untersuchungen  XI,  l.  9 


130  v>  Dobschütz,  Das  Kerygma  Petri. 

unterlassen  haben  würde.  Der  Irrtum  des  Hieronyrnus  kann 
daher  nur  den  Titel  secundum  apostolos  betreffen.  Da  es  aber 
unwahrscheinlich  ist,  dass  der  Verfasser  der  Praedicatio  Pauli 
immittelbar  hintereinander  aus  zwei  verschiedenen  Hebraeer- 
Evangelien  geschöpft  haben  sollte,  so  wird  man  annehmen  dürfen, 
dass  sich  die  Feuererscheinung  bei  Jesu  Taufe  auch  in  dem 
eigentlichen  Hebr.-Evang.  fand,  umsomehr  als  das  gnostische 
Ebion.-Evang.  wohl  auf  jenem  ruht. 

Die  Feuererscheinung  bei  der  Taufe  Jesu  ist  mehrfach  be- 
zeugt, in  zwei  verschiedenen  Variationen1):  Nach  dem  Ebion.- 
Evang.  stellt  sie  sich  dar  als  eine  himmlische  Lichterscheinung 
nach  dem  Aufsteigen  Jesu  aus  dem  Wasser,  welche  die  Gegen- 
wart Gottes  versinnbildet  (cf.  Juvencus,  hist.  evang.  I,  391:  sur- 
genti  manifesta  Dei  praesentia  claret;  —  die  syrische  Tradition 
bei  Severus  Alex,  de  ritibus  bapt.  p.  24:  quo  tempore  adscenclit 
ab  aquis,  sol  inclinavit  radios  suos.  —  Petrus  Comestor,  hist. 
evang.  c.  134).  Im  Unterschiede  hiervon  hat  Justin  eine  Tra- 
dition, dass  bei  dem  Herabsteigen  Jesu  ins  Wasser  im  Wasser 
ein  Licht  aufgeleuchtet  sei,  was  nur  die  göttliche  Herrlichkeit 
Jesu  selbst  darstellen  kann  (Dial.  88:  xal  jivq  ävyty&rj  Iv  rrö 
logöavy;  —  zum  Ausdruck  vergl.  8  no  2;  61  no  10;  ep.  Clem.  ad 
Jac.  7;  Iren.  I,  7,  1;  Lk.  12,  49)  -).  Hierzu  sind  zu  vergleichen: 
cod.  Sangerm.  (g1):  lumen  magnum  fulgebat  de  aqua,  und  cod. 
Vercell.  (a):  lumen  ingens  circumfulsit  de  aqua  (circum  leitet 
hier  schon  zu  der  anderen  Vorstellung  über:  jcsQitZcciiips  rov 
zojiov  cpcoo  [ii'ya  Evang.-Ebion.).  Mit  diesen  Handschriften  der 
alten  lateinischen  Übersetzung  bestimmt  unser  Fragment  die  Zeit 
allgemein:  cum  Iesus  baptizaretur.  Daher  ist  die  Frage,  welchem 
Traditionszweig  es  angehört,  nicht  genau  zu  entscheiden.  Der 
Ausdruck  super  aquam  esse  visum  (cf.  Ephr.  Syr.  ev.  conc.  exp. 
p.   43:    lumine    super    aquas    exorto)   führt    aber  auf  die    erst- 


1)  Vergl.  hierzu  Resch,  Agrapha,  Texte  und  Unters.  V,  4,  357  sqq.; 
465  sq. ;  —  Usener,  relig.-geschichtl.  Untersuchungen  I:  das  Weihnachtsfest 
(Bonn  1889)  p.  59  sqq. 

2)  Parallel  hierzu  ist  die  Erzählung  des  Protevang.  Jak.  c.  19  (Tischen- 
dorf p.  3Usq.),  wonach  unmittelbar  vor  der  Geburt  Jesu  in  der  Höhle  ein 
grosses  Licht  aufgeleuchtet  sei.  Auch  hierbei  zeigt  sich  die  Fortentwicklung 
der  christlichen  Verkündigung,  welche  Bedeutung  und  Züge,  die  ursprünglich 
der  Taufgeschichte  eigneten,  auf  die  Geburtsgeschichte  zurücktrug. 


§  10.    Praedicatio  (?)  Petri  et  Pauli.  131 

genannte  Auffassung,  so  dass  sich  die  Abhängigkeit  vom  Hebr.- 
Evang.  durchaus  bestätigt.  Eine  dritte  zwischen  den  beiden  ge- 
nannten stehende  Darstellung  geben  Ephr.  Syr.  (Hyinn.  XIV.  4S 
und  I,  18)  und  die  Taufliturgie  des  Severus  p.  88,  welche  die 
Lichterscheinung  ebenso  deutlich  nach  dem  Aufsteigen  setzen  als 
sie  dieselbe  eng  mit  der  Person  Jesu  verknüpfen. 

Die  weitere  Angabe  betrifft  die  Wirksamkeit  des  Apostels 
Paulus,  der  darnach  erst  zu  Rom  mit  Petrus  in  Berührung  ge- 
kommen sein  soll.  Das  streitet  allerdings  mit  der  in  der  luk. 
A.Gr.  fixierten,  meist  verbreiteten  und  durch  die  paulinischen  Briefe 
als  allein  geschichtlich  bestätigten  Tradition  eines  mehrmaligen 
Zusammentreffens  des  Paulus  mit  Petrus  zu  Jerusalem  und  An- 
tiochien.  Jedoch  könnte  grade  der  Galaterbrief  Anlass  zu  der 
abweichenden  Tradition  gegeben  haben,  sofern  Petrus  hier  nur 
2,  7  sq.,  wo  von  ihm  als  einem  entfernten  gesprochen  wird. 
Petrus;  sonst,  wo  von  einem  Verkehr  zwischen  Paulus  und  ihm 
die  Rede  ist,  immer  Kephas  genannt  wird,  unter  welchem  Xamen 
man  ja  frühzeitig  im  Unterschied  von  Petrus  teils  einen  anderen 
der  Zwölf-Jünger  (Apost.  Kirchenordnung),  teils  einen  der  70  Jünger 
verstand.  Übrigens  fragt  es  sich,  ob  die  Praedicatio  Pauli  die 
Begegnung  zwischen  Petrus  und  Paulus  zu  Rom  wirklich  als 
erstes  Ersehen  darstellte,  oder  nur  in  der  Weise  der  Acta  Petri 
et  Pauli  c.  24  sq.  (Lipsius  p.  1S9.  cf.  Martyr.  Petri  et  Pauli  c.  3 
p.  121  sq.),  wo  von  früheren  Begegnungen  nichts  gesagt  ist.  diese 
aber  auch  nicht  ausgeschlossen  sind. 


§  10. 

Praedicatio  (?)  Petri  et  Pauli. 

XXI. 

Lact,  instit.  div.  IV,  21.  Futura  aperuit  Ulis  omnia  quae 
Petrus  et  Paulus  Romae  praedicaverunt  et  ea  praedicatio  in 
memariam  scripta  permansit,  in  qua  cum  multa  alia  mira,  tum 
etiam  hoc  futurum  esse  dixerunt  ut  post  breve  tempus  immitte- 
ret  deus  regem,  qui  expugnaret  Iudaeos  et  civitates  eorum  solo 
adaequaret,  ipsos  autem  fame  sitique  confectos  obsideret;  tum 
fore  ut  corporibus  suorum  vescerentur  et  consumerent  se  invicem; 

9* 


[32  v-  Dobschütz,  Das  Kerygma  Petri. 

postremo  ut  capti  veuirent  in  manus  hostium  et  in  conspectu  suo 
vexari  acerbissime  conjuges  suas  cerner ent,  violari  ac  prostitui 
virgines,  diripi  pueros,  allidi  parvulos,  omnia  denique  igni  ferro- 
qne  vastari,  captivos  in  perpetunni  terris  suis  exterininari  eo  quod 
exultaverint  super  amantissimum  et  probatissimum  Dei  filium. 

„Ausser  vielem  anderen  wunderbaren  predigten  Petrus  und 
Paulus  zu  Rom:  Gott  werde  nach  kurzer  Zeit  einen  König  senden, 
welcher  die  Juden  mit  Vernichtungskrieg  überziehen,  ihre  Städte 
dem  Erdboden  gleichmachen,  und  sie  selbst  belagern  würde, 
indem  er  sie  durch  Hunger  und  Durst  aufriebe.  Dann  würden 
sie  sich  von  den  Leibern  der  ihrigen  nähren  und  sich  unter 
einander  aufzehren;  endlich  würden  sie  gefangen  in  der  Feinde 
Hände  kommen  und  sehen  müssen,  wie  vor  ihren  Augen  ihre 
Weiber  auf  das  bitterste  misshandelt,  ihre  Jungfrauen  verletzt 
und  geschändet,  die  Knaben  zerfleischt,  die  Säuglinge  (an  Felsen) 
zerschellt  würden;  endlich  würde  alles  mit  Feuer  und  Schwert 
verwüstet,  und  sie  als  Gefangene  auf  ewig  aus  ihrem  Lande  ver- 
bannt werden,  darum  dass  sie  (höhnisch)  frohlockt  hätten  über 
den  (geschmähten)  geliebtesten  Sohn  Gottes,  an  welchem  er 
Wohlgefallen  hat," 

Das  Stück  steht  bei  Lactantius  im  Zusammenhang  mit  dem 
Bericht  über  die  Himmelfahrtsgeschichte  und  die  auf  Befehl  des 
Herren  durch  die  Jünger  vollzogene  praedicatio  evangelii,  welche 
begleitet  war  von  bestätigenden  Wundern,  u.  a.  der  prophetischen 
Ankündigung  der  Zukunft.  Fasst  man  es  als  Teil  einer  Prae- 
dicatio Petri  et  Pauli,  so  wird  vorausgesetzt,  dass  Lactantius  mit 
dem  Worte  praedicatio  den  Titel  der  Schrift  nennen  wolle.  Dies 
ist  jedoch  nicht  nur  unsicher,  sondern  unwahrscheinlich,  da  der 
Ausdruck  durch  das  vorausgehende  praedicaverunt  an  die  Hand 
gegeben  war  l).  Der  Inhalt  des  Fragmentes  ist  nicht  kerygrna- 
tisch,  sondern  apokalyptisch;  denn,  wenn  auch  nach  Fragm.  VII 
örjlovv  rä  /Jt/J.ovra  zum  Kerygma  gehört,  so  bezieht  sich  dies 
doch  auf  allgemeine  eschatologische  Dinge,  nicht  auf  historische 


1)  Auch  Zahn  Gesch.  d.  Kan.  II,  2,  2  p.  884)  giebt  zu,  dass  Lact, 
keinen  Titel  nenne,  lässt  sich  aber  durch  den  Ausdruck  praedicatio  an 
Ps.-Cypr.  erinnern  und  weist  daher  auch  unser  Stück  den  tiqÜ&io  naiXov 
zu,  was  hier  so  wenig  begründet  ist  wie  dort.  Die  einander  stützenden 
und  ergänzenden  Beweise  für  die  Zahnsche  Construktion  der  Acta  Pauli 
sind  ebensoviel  Gegenbeweise,  sobald  einer  hinfällig  wird. 


§  10.    Praedicatio  (?)  Petri  et  Pauli.  133 

Thatsachen,  die  ein  einzelnes  Volk  betreffen:  das  ist  eben  das 
charakteristische  der  Apokalypsen.  Wenn  nun  auch  unser  histo- 
risches K.P.  nach  Analogie  der  lukanischen  A.G.  (20,  29  sq.)  apoka- 
lyptische Stellen  enthalten  haben  könnte,  und  wenn  auch  der 
Judenhass  dieses  Fragmentes,  der  ohne  ein  Zeichen  der  Teil- 
nahme in  ATlicher  Härte  das  gerechte  Gericht  Gottes  über  das 
verworfene  Volk  der  Christusmörder  ausmalt,  der  Stellung  des 
K.P.  zu  dem  Judenvolke  ungefähr  entspräche,  so  ist  doch  die 
Zugehörigkeit  des  Fragmentes  zu  dem  K.P.,  welches  die  Zer- 
störung Jerusalems  voraussetzt  (Fragm.  IX),  dadurch  ausge- 
schlossen, dass  dasselbe,  wenn  es  sich  auch  als  vaticinium  post 
eventum  erweist,  doch  die  historische  Situation  der  Prophetie 
richtig  wahrt  („post  breve  tempus").  In  was  für  eine  Schrift 
dasselbe  gehört,  ist  nicht  auszumachen.  Die  uns  erhaltenen 
Fragmente  einer  Apok.  Petri  sind  nicht  so  sehr  historischen  als 
eschatologischen  Inhaltes.  Wir  haben  auch  Kunde  von  ver- 
schiedenen Apokalypsen  unter  dem  Namen  des  Paulus  "(Epiph. 
Haer.  XXXVIII,  2;  Aug.  tract.  98  in  Joh.  u.  a.),  wie  denn  die  alte 
Christenheit  sehr  reich  an  Apokalypsen  gewesen  sein  muss. 

Die  sich  vielfach  an  ATliche  Stellen1)  anlehnende  Darstellung 
folgt  der  Geschichte  des  jüdischen  Krieges,  wie  wir  dieselbe  aus 
Josephus  kennen.  Nur  in  dem  Satz:  „in  perpetuum  terris  suis 
exterminari"  könnte  man  eine  Anspielung  auf  das  Verbot  Hadrians 
(an.  135)  sehen.  Dann  würde  die  Schrift  nach  diesem  Termin 
anzusetzen  sein. 

Die  Schlussworte  sind  wohl  eine  Wiedergabe  der  griechi- 
schen Formel  o  vloö  o  ayajttjroö  (oder  yyajttjfiivoo) 2)  Iv  <p 
qvöoxqösv  cf.  Mt.  3,  17;  17,  5.  So  nahe  es  liegt,  amantissiuium 
dem   folgenden  probatissimum    zu    conformieren,    so   haben  wir 


1)  Jer.  19,  9;  —  Jes.  13,  16;  Ps.  136,  9.  —  Auch  die  Stelle  Baruch 
2,  3,  woselbst  Dt.  28, 53  aufgenommen  ist,  bezieht  sich  wohl  auf  den  Krieg 
des  Jahres  70.  —  Sehr  auffallende  Übereinstimmungen  finden  sich  auch 
mit  der  Assumptio  Mosis  (-4  a.  Cbr.  ?)  und  noch  mehr  mit  den  christlichen 
Zusätzen  zur  Esra-Apokalypse  (XV,  52  sqq.  Fritzsche  64S  sq.) ,  wobei  aber 
die  Abhängigkeit  auch  auf  Seiten  der  letzteren  sein  könnte. 

2)  Dies  ist  jedenfalls  die  nächstliegende  Rückübersetzung,  wennschon 
sich  Descensus  Christi  ad  iuferos  (Tischendorf,  Evang.  apocr.  p.  394)  aman- 
tissimus  Dei  filius  als  Wiedergabe  von  o  /aovoyePTja  vloo  xov  &sov  (ibd. 
326)  findet.  9 


134  v-  Dobsckütz,  Das  Kerygma  Petri. 

doch  jene  spätlateinische  Form  für  amandissimuni  beibehalten  zu 
müssen  geglaubt,  weil  diese  dem  griechischen  Adj.  verbale  ent- 
spricht, mit  welchem  gemeinsam  es  in  die  Bedeutung  des  Part, 
perf.  pass.  hinüberspielt,  während  das  folgende  Part.  perf.  pass. 
das  griechische  Verb,  finit.  im  Aorist  wiedergiebt.  Die  gleiche 
Nebeneinanderstellung  findet  sich  Phil.  4,  1  (Clar.  Amiat.  Fuld. 
cf.  Rönsch,  Itala  und  Vulg.  p.  456):  fratres  mei  dilectissimi  et 
desiderantissimi.  Diese  lateinische  Wiedergabe  könnte  die  Ansicht 
derjenigen  Exegeten  zu  bestätigen  scheinen,  welche  in  dem  Artikel 
vor  ayccjiijToö  eine  superlativische  Verstärkung  des  Begriffs  er- 
blicken (cf.  Gen.  22,  2.  16  nach  der  Vetus  Latina  bei  Ambr. 
de  Abr.  I,  34;  Aug.  de  unit.  eccl.  IX,  344),  aber  der  Superlativ 
findet  sich  im  lateinischen  auch,  wo  im  griechischen  der  Artikel 
fehlt  (Am.  5,  11  vulg.;  Phil.  4,  1  Clar.  Amiat.  Fuld.  —  andere 
Beispiele  bei  Rönsch,  1.  c.  415  s.  v.  carissimus  und  dilectissimus). 

Hiermit  sind  auch  die  zweifelhaften  Fragmente  erschöpft. 
Die  Untersuchung  derselben  hat  im  wesentlichen  bestätigt,  was 
wir  in  §  1  aus  der  Tradition  erschliessen  zu  können  glaubten. 
Unentschieden  haben  wir  nur  die  Frage  bezüglich  der  in  §  6 
zusammengestellten  Fragmente  lassen  müssen,  und  auch  hier  mit 
dem  Unterschied,  dass  die  Zugehörigkeit  von  Fragm.  XI  zum 
K.P.  als  höchst  wahrscheinlich,  die  von  Fragm.  XII  als  möglich 
und  die  von  Fragm.  XIII  als  sehr  zweifelhaft  bezeichnet  werden 
musste.  Die  4  Fragmente  des  §  7  gehören  aller  Wahrschein- 
lichkeit nach  dem  Bischof  Petrus  von  Alexandrien  an,  und  was 
in  §§  8 — 10  folgt,  erweist  sich  auch  durch  innere  Gründe  als 
dem  K.P.  fremd.  Freilich  vermögen  wir  über  die  Quellen  dieser 
Fragmente  fast  nichts  zu  sagen.  Das  ist  schmerzlich;  aber  das 
Eingeständnis  der  Unzulänglichkeit  unseres  Wissens  ist  zuweilen 
wichtiger  als  unbegründete  Vermutungen.  Wie  weit  man  in  der 
Identification  solcher  nur  fragmentarisch  erhaltenen  Quellen  gehen 
will,  hängt  zumeist  ab  von  dem  Urteil,  welches  man  sich  über 
die  literarische  Productivität  einer  Zeit  gebildet  hat.  Es  mag 
sein,  dass  diese  bezüglich  der  ersten  christlichen  Jahrhunderte 
oft  überschätzt  wird;  aber  man  darf  sie  wohl  auch  nicht  zu 
gering  anschlagen.  Die  seltsamen  Traditionsfragmente,  welche 
sich  zahlreich  in  späten  Zeiten,  die,  ohne  eigne  Productivität, 
von  dem  Erbe  der  Vergangenheit  lebten,  %iden,  oft  wider  alles 


§  10.    Praedicatio  (?)  Petri  et  Pauli.  135 

Vermuten1),  zeugen  von  einer  reichen,  im  Meer  der  Vergessenheit 
untergegangenen  literarischen  Welt.  —  Im  Interesse  der  Sicher- 
heit der  Resultate  wird  man  daher  stets  gut  thun,  bei  Fragmenten, 
welche  nicht  durch  einen  bestimmten  Titel  oder  durch  evidente 
Zusammenstimmung  des  Inhaltes  als  zusammengehörig  gekenn- 
zeichnet sind,  sein  Urteil  in  suspenso  zu  lassen  —  wennschon 
mit  dem  Wunsche,  dass  die  Zukunft  durch  reichliche  Vermehrung 
des  Materials  nicht  nur  neuen  Stoff  für  weitere  Hypothesen, 
sondern  auch  gewisse  Grundlagen  für  sichere  Erkenntnisse  ge- 
währen möge! 


1)  Als  ein  Beispiel  aus  vielen  seien  die  drei  apokryphen  Namen  erwähnt, 
welche  sich  in  zwei  Minuskeln  (Rom.  Vat.  Reg.  Gr.  179  [Ac40  P46]  Saec.  XI 
und  Yen.  Marc.  11  [Ac  96  P  109]  Saec.  XIII  vel  XIV)  als  Zusatz  zu  2  Tim.  4,  19 
finden. 


Excurs. 

Ein  Beitrag  zur  Chronologie  des  Lebens  Jesu. 

Bei  der  Zusammenstellung  der  auf  eine  Zwölfjahrtradition 
für  das  Leben  Christi  resp.  seiner  Jünger  bezüglichen  Angaben 
musste  oben  (S.  53  sq.)  ein  Fragment  übergangen  werden,  weil 
dasselbe  wegen  der  Fülle  des  Interessanten  und  Schwierigen, 
was  es  bietet,  eine  gesonderte  Behandlung  verlangt  und  verdient. 
Dasselbe  entstammt  einer  alten  Handschrift  des  Klosters  Bobbio, 
dessen  fleissigen  Mönchen  wir  die  Erhaltung  so  vieler  wichtiger 
Quellen  für  die  älteste  Kirchengeschichte  verdanken.  Jetzt  ist 
die  Ambrosiana  in  Mailand  so  glücklich,  die  literarischen 
Schätze  aus  der  Stiftung  Columbans  in  sich  zu  bergen.  Die 
betreffende  Handschrift,  welche  in  das  9.  Jahrh.  datiert  wird, 
trägt  dort  die  Signatur:  H.  150.  Inf.  (früher  70.  Lit.  S)  und 
enthält  eine  Sammlung  chronologischer,  zumeist  auf  die  Oster- 
berechnung zielender  Schriften  und  Fragmente 1).  Der  durch 
seine  zahlreichen  Publicationen  so  hochverdiente  Muratori  hat 
uns  auch  mit  dem  Inhalte  dieser  Handschrift  bekannt  gemacht  in 
seinen  Anecdota  sacra  Bd.  III  p.  109—212  (Patavii  1713),  wovon 
sich  ein  Abdruck  auch  in  Migne  Patrologia  Latina  Tom.  129 
p.  1274 — 1372  findet.  Doch  ist  es  sehr  wahrscheinlich,  dass  unser 
kleines  Fragment  hier  völlig  verborgen  geblieben  wäre  —  welcher 
Theologe  wollte  und  könnte  auch  nur  alle  jene  Foliobände 
durchwälzen!  —  wenn  nicht  der  enorme  Sammelfleiss  eines  Routh 


1)  Beschrieben  ist  die  Handschrift  von  Reifferscheid,  S.B.  der  Wiener 
Akademie  1871  p.  555  und  von  Bi\  Krusch,  Studien  zur  christl.  mittelalter- 
lichen Chronologie,  Leipzig  1880  p.  206—209,  der  daraus  den  84jährigen 
Ostercyclus  ediert  hat.  Beide  übergehen  unser  kleines  Fragment  mit 
Schweigen.  Neuerdings  hat  Herr  Professor  Mommsen  daraus  Victorius 
Aquitanus  herausgegeben. 


Excurs.  137 

dasselbe  aufgegriffen  und  in  seinen  Reliquiae  sacrae  (2.  Ausg.  II 
p.  178)  wieder  bekannt  gemacht  hätte.  Von  hier  aus  ist  es  nun 
wohl  hin  und  wieder  beachtet  worden  (z.  B.  Rösch,  zum  Geburts- 
jahr Jesu,  Jahrb.  für  deutsche  Theol.  XI,  1S66  p.  1 — 48,  bes.  9  sq.), 
aber  noch  nie  in  seiner  grossen  Bedeutung  erkannt.  Auf  diese 
wurde  erst  Herr  Professor  Harnack  aufmerksam  und  hatte  die 
Güte  mich  mit  der  Untersuchung  zu  betrauen,  freilich  eine  Auf- 
gabe, die  einen  geschulten  Chronologen  erforderte,  und  die  ich 
nur  aufnehmen  kann  im  Vertrauen  auf  die  von  den  Herren 
Professoren  Mommsen  und  Harnack  mir  gütigst  gewährte  Hilfe. 
Das  Fragment,  welches  fol.  137b  steht '),  lautet : 
In  commentariis  uictorini  inter  plurima  Itec  etiam  scripta 
reperimus  inuenimus  in  membranis  alexandi  (sie!)  epi  qui  fuit  in 
hyerusale  (sie!)  <mod  transcripsit  manu  sua  de  exemplaribus  aposto- 
lorum  itsi  VIII  kl  ianr  natus  est  dns  nrt  ihs  jToö  sulpitio  et  cauie- 
rino  consulis  et  baptizatus  est  VI II  id  iaiir  ualeriano  et  asiatico 
cons.  passus  est  X.  kl  apl  nerone  III  et  ualerio  •  mesala  cohss 
resurrexit  .  VIII  kl  apl  coiisss  (!)  supra  scriptis  ascendit  in  celos 
Unon  maias  post  dies  XL.  conss  supra  scriptis.  iohannis  baptista 
nascitur  VIII  kl.  iul  et  circumeiditur  hl.  iul  ad  mariam  uero  |] 
fol.  138a  locutus  est  angelos  (sie!)  VIII  k  apl  sexto  iam  con- 
ceptionis  mense":  elisabeth  habere  dicens  ex  quo  supputatur 
eodem  die  dum  fuisse  coneeptum  quo  et  resurrexit.     Amen. 


1)  Über  die  Verbindung,  in  welcher  das  Fragment  mit  dem  Voraus- 
gebenden und  Nacbfolgenden  steht,  kann  man  aus  dem  Abdruck  bei 
Muratori  kein  sicheres  Urteil  gewinnen.  Es  scheint,  als  sei  diese  Stelle 
der  Handschrift  vom  Schreiber  zur  Ablagerung  von  allerlei  Miscellen  be- 
nutzt worden.  Voraus  geht  die  bei  Kruschl.  c.  236—40  abgedruckte  Oster- 
tafel  des  S4j ährigen  Cyclus  mit  einem  Appendix  [nulluni  sane  perrnaneat 
—  dummodo  oinnes  unanimes  ipsum  diem  paschae  in  unum  convenientes 
celebremus],  welcher  sich  im  sog.  Prologus  Coloniensis  iKrusch  p.  35)  als 
c.  1-4  findet.  Von  diesem  Stück  ist  unser  Fragment  scharf  abgetrennt  durch 
die  rote  Unterschrift:  exjriicit  traetatus  de  ratione  paschae  hoc  e  de  duo- 
deeimo  k  apl  "  Auf  das  Fragment  folgt  in  roter  Schrift  eine  Aufzählung 
der  Wochentage:  dies  dvminica,  dies  seeunda  u.  s.  w„  dann  der  Brief  Isidors 
Domino  et  filio  sisehuto  ■  csidorus.  —  Der  obige  Text  ist  genau  nach  der 
Handschrift  mit  allen  Fehlern  wiedergegeben  auf  Grund  einer  mir  durch 
meinen  Freund  Herren  cand.  rev.  min.  Förster  freundlichst  besorgten  Colla- 
tion  und  zweier  anderer  Abschriften  von  den  Herren  Prof.  Dr.  Nie.  Müller 
und  Dr.  Hülsen,  die  ich  der  Güte  des  Herren  Professors  Mommsen  ver- 
danke. —  Die  schräg  gedruckten  Buchstaben  sind  im  Original  rot. 


138  v-  Dobschütz,  Das  Kerygrna  Petri. 

Die  z.  T.  falsch  geschriebenen  Consulangaben  sind  schon  von 
Muratori  richtig  gestellt  worden. 

1)  Geburtsjahr  :        Q.    Sulpitio    Carnerino     et    C.    Poppaeo 

Sabino  Coss.  =    9  p.  Chr.  n. 

2)  Taufjahr        :        Valerio  Asiatico   IL   et   M.   Juno   Silano 

Coss.  =  46  p.  Chr.  n. 

3)  Todesjahr      :       Nerone  III.  et  M.  Valerio  Messala  Coss. 

=  58  p.  Chr.  n. 

Drei  eigenartige  und  scheinbar  singulare  Ansätze  für  das 
Leben  Jesu! 

Doch  so  einzigartig,  wie  sie  scheinen,  sind  diese  Angaben 
nicht.  Wir  besitzen  noch  zwei  Zeugnisse,  welche  auf  das  Gleiche 
hinauskommen,  nur  dass  durch  Abstossung  einzelner  Glieder  das 
bedeutsame  und  auffallende  verringert  ist. 

Auf  die  erste  Stelle  machte  mich  Herr  Professor  Mommsen 
gütigst  aufmerksam.  Sie  findet  sich  in  der  Chronographie  des 
Syncellus  (ed.  Dindorf  p.  597)  und  lautet: 

Jesus  Christus  wurde  geboren  lv  BrjfrlEEji  jioIel  xrjö  Iov- 
öaiaG  Tiara  xo  (iy  Ixoö  xr\6  Avyovoxov  Pcofiaicov  xaioaooö 
ßaoüdaö  lv  vjtatsla  JEovljiixiov  xal  Magivov  (sie!)  xal 
ratov  nonJirfiov  coO  sv  dxQißtOi  xal  jtalaiolö  avxi- 
ygäffOLO  fp&QExai.  xavxa  ovx  dcpy  havrwv  OvvxExdxafiEV,  all 
ex  xcöv  jiaoadöoEOJV  xov  (laxaoiov  djtoOrölov  xal  aQ%iEjuöx6jtov 
^PcofitjO    'ijcjiolvx  ov    xal   lEQoiiänxcooö,    Avviavov    xs    xov 

oOLoyxdxov  (iova%ox    xal  Magifiov   xov  ayiojxdxov  fio- 

va%ov  xal  <piloG<>(fov ,    itdoxvQoö  xal  of/oloyt/xoi    xal  f/syalov 
öiöaOxdlov  xfjö  txxlijolaG. 

Hier  ist  zunächst  zu  beachten,  dass  die  Angabe:  coö  ev  uxql- 
ßtöi  xal  JialaiolO  dvxiyodc/joiö  (ptQExaL  in  gewisser  Beziehung 
steht  zu  den  Eingangsworten  unseres  Fragmentes,  welches  sich 
auf  Traditionsinstanzen  hohen  Alters  und  Wertes  beruft.  Es 
will  geschöpft  sein  aus  Commentaren  (?)  Victorins;  hierunter 
kann  nur  Victorin  von  Pettau  (f  c.  304)  verstanden  sein,  von 
welchem  mehrere  Schriften,  darunter  Commentare  zum  Evang. 
Matth.  und  zur  Apokalypse,  bezeugt  sind.  Als  ein  hervorragendes 
Glied  in  der  Kette  der  Tradition  ist  er  schon  dadurch  gekenn- 
zeichnet, dass  von  ihm  berichtet  wird,  er  sei  des  Griechischen 
besser  noch  als   des  Lateinischen  mächtig  gewesen  *).     Victorin 

1)  Hier,  de  vir.  111.  74:  non  aeque  latine  ut  graece  noverat. 


Excurs.  139 

selbst  soll  seine  Angaben  aus  Büchern  des  Bischofs  Alexander 
von  Jerusalem  —  u.  zw.,  wie  behauptet  wird,  aus  Pergamenten, 
welche  dieser  mit  eigener  Hand  beschrieben  habe  —  genommen 
haben.  Alexander  wird  aber  in  der  That  als  Begründer  der  Biblio- 
thek von  Jerusalem  genannt  (Eus.  H.E.  VI,  20).  Als  seine  Quelle 
hinwiederum  sind  angegeben  exemplaria  apostolorum,  d.  h. 
Originalaufzeichnungen  der  Apostel,  welche  man  für  alle  wich- 
tigeren Data  der  Tradition  vorhanden  und  um  so  länger  erhalten 
glaubte,  als  man  selber  sich  mehr  und  mehr  von  jener  Zeit  ent- 
fernte. Letztlich  hat  diese  Angabe  den  gleichen  Wert  Avie  die 
Zurückführung  mancher  Traditionen  bei  den  Rabbinen  auf  Moses 
oder  die  grosse  Synagoge:  es  soll  dadurch  das  höchstmögliche 
Alter  angedeutet  werden.  Hat  nun  auch  bei  allen  diesen  Instanzen 
die  Sage  gewiss  etwas  mitgearbeitet  (z.  B.  manibus  suis;  exem- 
plaria apostolorum),  so  haben  dieselben  doch,  wie  gezeigt,  einzeln 
und  kombiniert,  die  grösste  Wahrscheinlichkeit  für  sich. 

Bei  Syncellus  sind  an  Stelle  derselben  freilich  andere  ge- 
nannt (s.  darüber  unten);  die  axgißtiö  xal  jcaXaiol  ävtr/gacpoc 
jedoch,  welche  schon  in  der  Quelle  des  Syncellus  erwähnt  gewesen 
sein  müssen,  erinnern  sehr  an  die  exemplaria  apostolorum. 

Dazu  kommt  die  Übereinstimmung  in  den  Consulnamen, 
wobei  auch  die  LA.  des  Syncellus:  Sovljtudov  xal  Maglvov, 
welche  Goar  und  Dindorf  ohne  handschriftliche  Grundlage  in 
das  richtigere  SovXjtixiov  Kaf/eglvov  xal  ratov  FFojiJiaiov  um- 
setzen, mit  der  LA.  unseres  Fragmentes :  Sulpitio  et  Camerino  in 
offenbarem  Zusammenhange  steht ').  Von  grossem  Werte  ist  es, 
dass  Syncellus  auch  den  Namen  des  zweiten  Consuls  nennt.  In 
unserem  Fragmente  ist  dieser  bei  dem  ersten  und  zweiten  Datum 
deswegen  ausgefallen,  weil  der  Doppelname  des  ersten  in  späterer 
Zeit,  als  man  in  den  Fasten  nur  einfache  Namen  zu  führen  ge- 
wohnt war,  als  zwei  Namen  aufgefasst  wurde.  Dass  aber  auch 
die  Quelle  unseres  Fragmentes  je  zwei  Consuln  mit  vollem  Namen 
bot,  zeigt  sich  noch  an  dem  dritten  Datum  desselben.     Allerdings 


1)  Wahrscheinlich  war  schon  in  der  gemeinsamen  Vorlage  das  richtige 
KAMAPINOY  oder  KAMMAPIXOY  (oder  KAMEPIXOY)  durch  Ditto- 
graphie  der  beiden  ersten  Buchstaben  verderbt,  woraus  sich  ebensogut  die 
Auflösung  in  KAI  KAMAPINOY  nebst  Abstossung  der  folgenden  Namen, 
als  das  durch  irrige  Verbesserung  der  Dittographie  entstandene  KAI 
MAPINOY  erklärt. 


140  v<  Dobschütz.  Das  Kerygnia  Petri. 

ist  bei  Syncellus  der  Name  des  zweiten  Consuls  nicht  ganz  richtig; 
die  Verwechslung  des  C.  Poppaeus  Sabinus  mit  Cn.  Pompeius  findet 
sich  aber  öfter,  z.  B.  auch  als  Variante  Plin.  hist.  nat.  VII,  48. 

Wenn  sich  ferner  bei  Syncellus,  der  im  übrigen  die  damals 
allgemein  recipierte  Ansetzung  des  Lebens  Jesu  auf  33  Jahre  hat, 
p.  607  für  das  Todesjahr  Christi  die  Bestimmung  Iv  vjcazeia 
NeqcovoO  zo  zqizov  xal  BaX&oiov  MsvöaXa  findet,  so 
ergiebt  sich  hier  wieder  deutlich  die  Übereinstimmung  mit  unserem 
Fragment;  ja  noch  mehr:  nur  hier  und  bei  Syncellus  findet  sich 
der  zweite  Consul  mit  diesem  übrigens  richtigen  Doppelnamen 
bezeichnet,  welchen  Tacitus  Anrj.  XIII,  34  belegt,  während  Idatius 
und  alle  anderen  Messala  Corvino  oder  nur  Messala  haben  — 
ein  Zeichen  vorzüglicher  alter  Überlieferung.  Dass  Syncellus 
dieses  Datum  bei  seiner  Chronologie  des  Lebens  Jesu  aufgenom- 
men hat,  zeigt  nur,  dass  ihm  selbst  die  chronologischen  Werte 
der  Consulate  nicht  mehr  klar  waren  1).  —  Das  Taufjahr  findet 
sich  bei  Syncellus  nicht. 

Die  zweite  Stelle  findet  sich  bei  Epiphanius  Haer.  LI,  gegen 
dieAloger  c.  29:  evo/jxaiitv  yäg  xal  IficpsQOfisvov  jtov  zolo  Xöyoio 
zovzolo  ytygafiiitvov,  özt  ex  zov  &£ov  XoyoO  rov  6-eov  lytvvi'i'Jtj 
jcsqI  to  zeooaQaxoozov  srotf  Avyovözov,  ojcsq  XsXrjfre  zov  ygd- 
ipavza  //  z/jo  6iä  rov  ßijza  tprjpov  ajiaXttrp&dGrjG  xal  rov  fiv 
fiovov  Jiaoafiefitvr/xozoG ,  tu  exobjös  f.iöva  tzi].  reo  yäg  ztGGa- 
QaxoöTcö  öevztoco  ezei  Avyovözov  iyevv/'j&r/.  gxxGxei  öh  özi 
jiqo  ösxaövo  xaXavdtöv  lovXimv  r)  iovvicov  —  ovx  lym  Xtyeiv 
—  Iv  vjtaztia  SovXtclx'lov  xal  Kafi^aQivov  Btzztop  IloftJir/'iavfö 
ijiazoio.  zovzo  Öl  ioxöjirjoa,  ozi  oi  eijiovztö  zr/v  rjtutQav  ziJG 
ovXXri^toio  xal  ojG  tvt/yyeXiGazo  6  raßgirjX  zi)v  jiaod-tvov 
iljtav  zr\v  vjiövoiav  zä>v  ztväiv  Xsyovzmv  Iv  jiaoaöoGu ,   wo 


1)  Die  Erklärung,  dass  Syncellus  eine  Consulliste  gebraucht  habe, 
worin  —  nach  Art  des  Cassiodor  —  alle  Namen  um  mehrere  Jahre  verschoben 
waren,  sodass  die  Angaben  für  ihn  andere  als  die  von  uns  nach  den  gewöhn- 
lichen Fasten  angenommenen  Werte  hätten  und  mit  den  traditionellen  Jahren 
übereinstimmten,  wird  durch  den  Nachweis,  dass  diese  Angaben  mit  einer 
Berechnung  zusammenhängen,  deren  Motive  bei  unserem  Fragment  noch 
deutlich  erkennbar  sind  (s.  u.  i,  hinfällig.  Der  Selbstwiderspruch  des  Syncellus, 
in  welchen  er  sich  durch  Aufnahme  dieser  Data  in  seine  abweichende 
Chronologie  des  Lebens  Jesu  setzt,  wird  um  so  erklärlicher,  wenn  er,  wie 
er  selbst  behauptet,  seine  Angaben  ohne  Prüfung  ihres  chronologischen 
Wertes  einfach  aus  seiner  Quelle  übernommen  hat. 


Exeurs.  14  j 

oxt  6ia  tjcra  (iTjvmv  iyei'vt]^?/.  evgijxafiev  yäg  djco  xovxov  tov 

STOOXÖOCOV  [?]    tCOG   tVÖ£XCCX?jG   Tüßi   "/.(XL  JIQO   OXXCO  UÖcüV  'ictWOVCt- 

QicoVf  6t£  ahjfrcöö  xa  9-soqpavia  sysvsTO  xal  syevvTj&Tj,  Itixcc 
(irjvmv  ynoiov  xaxä  xov  oshjnaxov  Sgofiov  Jtana  ^fitgao  rä;- 
oagao.   mors  ovv  d  tvooio  Iv  xaQaöijfisicoöEöl  xov  ysyoaftfisva, 

fi>)  ötpaXXov  jteqI  xijp  sidt/Oiv  xco  ydo  bvxt  t  ysvvrjGiö  tov 
Xqlgxov  t)  ßeßaia  Tvßl  evÖExazy  koxL  xivlo  dt  <paor  dexa 
(ifjvaö  £V£XViiovr}{h)  Jtagd  i)uhoa.G  iö'  xal  oioao  oxxco  coo  tlvat 
tvvia  (lijvao  xal  rj/iEQaß  ötxaji£VX£  xal  (öoao  TtGGaoao  '). 

Diese  ganze  Stelle  ist  eine  der  schwierigsten  und  textkritisch 
verderbtesten.  Durch  Zuziehung  des  Cod.  Ven.  Marc.  125  hat 
Dindorf  den  Text  der  älteren  Ausgaben  schon  etwas  verbessert; 
so  wird  der  erste  Satz  erst  durch  hymvr\Q-r\  abgerundet.  Die 
Hauptschwierigkeiten  aber  sind  geblieben:  die  beiden  Consul- 
namen  in  verschiedenem  Casus  mit  ev  xsTtaxüa  vorher  und  xma- 
xoio  nachher  können  nur  als  Confusion  zweier  verschiedener 
Angaben   betrachtet    werden;    —    völlig    entstellt   und    nirgends 

1)  Der  Text  ist  gegeben  im  -wesentlichen  nach  der  Ausgabe  Dindorfs 
(II  p.  494;  vergl.  dazu  die  Varianten  III  p.  734)  unter  Vergleichung  der 
Ausgaben  des  Oporinus  (Basil.  1544,  p.  196),  Petavius  (Paris.  1622,  I 
p.  450  sq.)  und  (Dehler  iBerol.  1860,  II,  98  sqq.).  Die  wichtigste  Handschrift 
cod.  Ven.  Marc.  125,  auf  welcher  Dindorfs  Ausgabe  hauptsächlich  ruht,  hatte 
Herr  Professor  Schwartz  die  Güte  für  mich  abermals  nachzusehen,  wobei  sich 
zwar  ziemlich  viele  kleine  Ungenauigkeiten  in  der  von  Dindorf  benutzten 
Collation,  leider  aber  keine  LA.  ergaben,  welche  der  entsetzlichen  Verderbtheit 
des  Textes  aufzuhelfen  geeignet  wären.    Bemerkenswerte  Varianten  sind: 

1.  svQTjxafxsv  c.  V  ::  Dind.  jjvQ^xafisv,  B.  Opor.,  Pet.,  Oehl.  evQlaxo/Ltev. 

2.  ix  —  eyervr'j&>j  c.  V  (Dind.)  ::  B  (Opor.)  Sri  6  tov  &eov  dyewijzoa 

?.6yoo  ex  tov  9-eov;  —  Oehl.:  b  tov  &eov  iyswq&r]  "t.öyoG  ix  r.  #. 

5.  enolrjoe  c.  V  (Dind.)  ::  al.  tnoitjoav. 

8.  aovXmxlov  xal  xafifiaQivov  nach  V  (aaovXitixlov  xal  xau.iiuQivov, 
nicht  xa/ifiagiov,  wie  Dindorf  angiebt)  ::  B  (Opor.,  Pet.,  Oehl.) 
oovknixiov  xa/x/iaQivov,  Dind.  govXtcixIov  xaiirjQlvov. 

8.  ßeTTeio  c.  V  ::  B  ßrjTTSoj.  Oehl.  coni.  noTtnaiov  avöv  eövGaTO. 
13.  TtQonöawv  c.  V  (Dind.)  ::  B  (Opor.,  Pet.)  tiqotiÖgcjvog;  Pet.  adnotat: 
suspectus  hie  mihi  locus  videtur.  Oehl.  will  mit  Cornar.  tcqo 
tcigojvog  lesen  und  übersetzt:  ab  eo  tempore  (quo  illi  coneeptum 
esse  J.  Chr.  statuuntj  eius  anni  qui  Pisonis  (quo  eum  natum  esse 
constat)  praecedit  usque  ad  XI  Tybi  etc. 

17.  tj  yevvijoia  tov  -/qigtov  ?j  ßeßaia  edd.  ::  V  rj  ßeßaia  yevvTjGia  tov 

yy  (Dind.  sagt  fälschlich:  om  ?/  ßeßaia). 

18.  <puGi  c.  V  ::  edd.  (puGiv  coG. 


142  v-  Dobschütz,   Das  Kerygma  Petri. 

nachweisbar  ist  der  Narne  des  zweiten  Consuls,  resp.  der  beiden 
als  Consulpaar  gedachten  Vettius  und  Pornpeianus;  der  letztere 
ist  wohl  wie  bei  Syncellus  aus  Poppaeus  entstellt.  Bei  den  ersten 
Namen  ist  zu  beachten,  dass  cod.  Ven  Marc.  125  oaovXjnxiov 
xal  xafi/tccQivov  bietet;  dies  xal  scheint  der  gemeinsamen  Quelle 
bereits  augehört  zu  haben  (vergl.  Syncellus).  Eigentlich  hat  man 
es  hier  mit  zwei  Consulpaaren  zu  thun,  die  jedoch  auf  eines  zu 
reducieren  sind.  Denn  dass  bei  dem  zweiten  an  Suffecti  zu  denken 
wäre,  ist  dadurch  ausgeschlossen,  dass  in  Pornpeianus  der  Name 
des  zweiten  Consuls  vom  ersten  Paare  steckt;  allerdings  gab  es 
grade  im  J.  9  p.  Chr.  n.  Suffecti,  diese  aber  hiessen  nach  den 
capitolinischen  Fasten:  M.  Papius  Mutilus,  Q.  Poppaeus  Secundus. 
Ferner  fehlt  dem  mit  päüxei  eingeleiteten  Satze  das  Praedicat; 
wie  er  lautet,  scheint  tysvv/j&r/  aus  dem  vorigen  ergänzt  werden 
zu  müssen;  dies  collidiert  aber  zu  stark  mit  dem  Sinne,  als  dass 
es  annehmbar  wäre.  Vielleicht  hat  Petavius  Recht,  der  aus  dem 
folgenden  övlltjtyiG  ein  ovv£fo'/<p&'r}  ergänzt.  Ebensowenig  ist 
bisher  das  rätselhafte  jtqoxÖocov  (V)  oder  jiqojioöcqvoö  (B)  auf- 
geklärt. Wenn  einige  dafür  „ante  Pisonem"  setzen,  so  ist  das 
nur  eine  kühne  Conjektur,  welche  zum  Zusammenhange  gar 
nicht  passt;  und  Petavius'  Vorschlag:  am)  rcöv  jiqo  öexaövo 
xaXavömv  lovlicov  djco  rtjö  xov  tjcicpl  xö'  zu  lesen,  ist  auch 
recht  willkürlich.  Sollte  nicht  in  dem  unerklärlichen  jcqojioöcov 
ein  Latinismus,  eine  Form  von  proponere,  propositio  stecken,  was 
auf  das  eben  angegebene  Datum  zurückzubeziehen  wäre?  Eine 
Bezeichnung  des  Datums  muss  auf  alle  Fälle  darin  gesucht  werden; 
um  so  auffallender  ist  die  masculine  (oder  neutrische)  Form,  zu 
der  vielleicht  xaigov  ergänzt  werden  muss.  Oder  ist  es  aus 
jtqoöcojiov  verschrieben?  Aber  mag  sich  der  Text  auch  verhalten 
wie  er  will,  der  Sinn  der  Stelle  ist  doch  wohl  der,  dass  Epi- 
phanius  irgendwo,  ob  bei  den  Alogern,  von  denen  dieses  ganze 
Capitel  handelt,  oder  bei  den  Valentinianern,  welche  er  unmittel- 
bar zuvor  widerlegt,  oder  sonstwo  bei  Katholikern,  wie  es  nach 
dem  letzten  Teil  seiner  Ausführung  scheint,  gefunden  hat,  dass 
Christus  im  40.  Jahre  des  Augustus  am  21.  Mai *)  des  Jahres  9 


1)  Nur  dieses  Datum  passt  zu  der  Angabe  betreffs  der  7  Monate;  es 
sind  grade  8  Wochen  später  als  der  übliche  Termin  (25.  März),  von  wo  aus 
der  25.  Dec.  nach  der  üblichen  Annahme  von  9  Monaten  berechnet  wurde. 


Excurs.  143 

unserer  Zeitrechnung  empfangen  sei,  und  dass  er  sich  diesen  Ansatz 
des  Tages  der  Verkündigung  durch  eine  Tradition  zu  erklären 
sucht,  nach  welcher  die  Empfängniszeit  bei  Jesus  auf  nur  7  Monate 
veranschlagt  wurde.  Dies  kommt  für  uns  nicht  in  Betracht,  da  die 
Tao-esdaten  unseres  Fragmentes  anderer  Art  sind.  Das  Jahr  9 
selbst  lässt  Epiphanius  unerklärt,  oder  vielleicht  verschleiert  er 
auch  die  in  seinem  Ansatz  gegebenen  Fingerzeige.  Auf  Grund  der 
Angabe,  dass  Jesus  im  40.  Jahr  des  Augustus  geboren  sei,  kommt 
nämlich  Herr  Professor  Mommsen  zu  der  Vermutung:  „Ich  habe 
daran  gedacht,  dass  eine  Confusion  der  vulgären  Zählung  der 
Augustusjahre  und  der  aegyptischen  dabei  mitspielen  kann;  das 
Jahr  9  n.  Chr.  ist  nach  aegyptischer  Zählung  Augustus  3S39.1* 
Doch  er  selbst  verwirft  diese  Erklärung:  „Weder  kommt  das 
genau  aus,  noch  ist  es  glaublich,  dass  man  das  bloss  aus  dem 
Tiberiusjahr  und  der  Lebensdauer  berechnete  Geburtsjahr  in  dieser 
seltsamen  Weise  umgewandelt  haben  soll." 

So  bleibt  von  dem  Zeugnis  des  Epiphanius  nur  die  Consul- 
angabe  für  das  Geburtsjahr  als  wertvoll  für  die  Beurteilung 
unseres  Fragmentes  und  negativ  vielleicht  dies,  dass  Epiphanius 
noch  eine  andere  Tagesangabe  damit  vereinigt,  woraus  erhellt,  dass 
diese  nicht  ursprünglich  mit  der  Tradition  zusammengehörte. 

Wie  ist  nun  aber  diese  Tradition  selbst  zu  erklären?  Man 
kann  sich  zwiefach  dazu  stellen.  Der  Historiker  wird  zunächst 
nach  der  Bedeutung  der  Consulnamen  fragen.  Dieselben  sind  zwar 
anscheinend  sehr  entstellt,  aber,  wie  mir  Herr  Prof.  Mommsen 
versichert,  ist  dies  in  den  Handschriften  späterer  Zeit  so  allge- 
mein, dass  man  darauf  kein  Gewicht  legen  darf;  dagegen  ist  zu 
beachten,  dass  überall  noch  die  Doppelnamen  der  Consuln  er- 
scheinen, welche  sich  in  den  Fasti  sehr  bald  abgeschliffen  haben, 
und  dass  der  zweite  Consul  des  Jahres  58  richtig,  aber  gegen 
die  sonstigen  Listen  den  Namen  Valerius  Messala  führt.  Diese 
Argumente  sind  so  stark,   dass  Herr  Prof.  Mommsen  daraufhin 


Epiph.,  der  den  6.  Jan.  als  Geburtstag  ansah,  mag  dadurch  ins  Schwanken 
über  Juni  und  Juli  gekommen  sein;  vielleicht  hat  aber  bei  dem  Juli  noch 
etwas  anderes  mitgewirkt,  eine  Erinnerung  an  das  (in  unserem  Fragment 
auch  angegebene)  Datum  der  Geburt  Johannis,  was  Epiphanius  im  Gedächtnis 
verwechselte.  Es  wäre  dies  wichtig,  sofern  es  zeigte,  dass  in  der  Quelle 
des  Epiphanius  noch  mehr  Data  enthalten  waren,  als  er  wiederzugeben 
für  gut  fand.     Auch  Sync.  p.  590  gedenkt  der  Empfängnis  Johannis. 


144  v-  Dobschütz.  Das  Kerygma  Petri. 

urteilen  zu  müssen  glaubt,  dass  wir  es  in  dem  Fragment  mit 
einer  allerdings  von  späterer  Hand  mit  den  späteren  Tagesdaten 
durchsetzten,  bezüglich  der  Jahresdaten  aber  in  die  älteste  Zeit 
hinaufgehenden  Chronologie  des  Lebens  Jesu  zu  thun  haben, 
welche  noch  von  Lukas  und  der  durch  diesen  begründeten  christ- 
lichen Chronologie  gänzlich  unabhängig  ist,  wobei  zuzugeben 
sei,  dass  die  lukanische  grössere  Wahrscheinlichkeit  für  sich  habe. 

In  der  That  lassen  sich  aus  dem  zweiten  Jahrhundert  mehrere 
Beispiele  solcher  Traditionen  beibringen,  welche  scheinbar  unsere 
kanonische  Überlieferung  ausschliessen  und  sie  auch  auf  den 
Wert  von  Hypothesen  reducieren,  so  z.  B.  der  Apostelkatalog 
der  Apostolischen  Kirchen-Ordnung.  Jedoch  bleibt  es  noch  zu 
untersuchen,  ob  nicht  grade  diese  in  viel  grösserem  Masse  als 
die  kanonische  Tradition  auf  dogmatischen  Erwägungen  und 
exegetischen  Spitzfindigkeiten  ruhen,  wie  sie  gegen  Ende  des 
zweiten  Jahrhunderts  auch  in  der  Grosskirche  als  traditions- 
bildend erscheinen  (z.  B.  Canon  Mural),  sicherlich  aber  schon 
viel  früher  in  einzelnen  Kreisen,  besonders  den  gnostischen, 
wirksam  waren.  Diesen  Weg  der  Erklärung  wird  auch  unserem 
Fragment  gegenüber  der  Theologe  betreten  müssen,  und  ver- 
suchen zu  zeigen,  wie  solche  historische  Angaben  aus  speculativen 
Gedanken  entstanden  sind. 

Hier  kann  man  nun  freilich  wieder  sehr  verschiedene  Bahnen 
einschlagen.  Es  sind  die  drei  Factoren  vorhanden:  die  Geburt 
im  Jahre  9,  die  Taufe  im  Jahre  46,  der  Tod  im  Jahre  58.  Es 
kommt  darauf  an,  in  welches  Verhältnis  man  dieselben  setzt. 
Beruht  jedes  Datum  auf  einer  selbständigen  Berechnung  oder 
hängen  sie  unter  einander  zusammen? 

Die  Zahl  46  des  Taufjahres  verführt  dazu,  an  Joh.  2,  20  zu 
denken,  aus  welcher  Stelle  bekanntlich  etliche  zur  Zeit  Augustins 
ein  Lebensalter  Jesu  Christi  von  46  Jahren  folgerten  (Aug.  de 
doctr.  ehr.  II,  28).  In  der  That  ist  es  bei  Johannes  das  Jahr  des 
Amtsantrittes  resp.  der  Taufe,  worauf  diese  Bezeichnung  fällt. 
Aber  das  Zusammentreffen  ist  doch  nur  scheinbar,  denn  nach 
dem  oben  ausgeführten  ist  es  kaum  denkbar,  dass  diese  Datierung 
erst  auf  Grund  unserer  dionysianischen  Aera  erdacht  sein  sollte. 
Auch  daran  ist  kaum  zu  denken,  dass  das  Jahr  46  vermöge  der 
gleich  zu  besprechenden  50-Jahr-Tradition  von  dem  in  alter  Zeit 
vielfach  angenommenen  Geburtsjahr  4 — 2  vor  unserer  Zeitrechnung 


Excurs.  145 

aus  berechnet  worden  sei;  denn  es  tritt  ja  als  Tauf-  und  nicht  als 
Todesjahr  auf.  Fällt  so  für  dieses  mittlere  Datum  irgendwelche 
Wahrscheinlichkeit  einer  selbständigen  Berechnung  fort,  während 
eine  solche  für  das  Todesjahr  58  überhaupt  nicht  ersichtlich  ist, 
so  leuchtet  um  so  mehr  ein,  dass  die  Relationen  zwischen  den 
drei  Daten  (9 — 58  beinah  =  50,  46 — 58  =  12  Jahre)  nicht  zu- 
fällige sind.  Es  ist  daher  von  vornherein  anzunehmen,  dass  von 
dem  Geburtsjahr  aus  das  Todesjahr  berechnet  und  von  hier  durch 
Rückzählung  das  Taufjahr  gewonnen  wurde. 

Zunächst  handelt  es  sich  also  um  das  Jahr  9  nach  unserer 
Zeitrechnung  als  Geburtsjahr  des  Herren.  Dies  findet  sich  bei 
allen  unseren  drei  Zeugen,  ja  noch  mehr.  „Wo  Syncellus  den 
Hippolyt  citiert,  ist  er  von  Annianus  [c.  412]  abhängig"  (Geizer, 
Julius  Africanus  II,  1,  188)  und  dieser  wiederum  benutzt  nach 
Unger  (Chronol.  des  Manetho.  Berlin  1867  S.  38)  den  Panodorus 
(395 — 408),  doch  nur  in  der  Profangeschichte.  Während  nun 
Panodorus  die  Weltaera  auf  das  Jahr  5492  vor  unserer  Zeit- 
rechnung bestimmte,  ging  Annianus  von  dem  gleichen  Punkte 
aus,  setzte  aber  die  Geburt  Jesu  5501,  also  9  Jahre  später.  Ideler 
(Handbuch  der  Chronol.  II,  453),  dem  Wieseler  (RE2  I,  196)  folgt, 
glaubt  diesen  Ansatz  daraus  erklären  zu  können,  dass  Annianus 
auf  den  alexandriuischen  Ostercyclus  Rücksicht  nahm.  Sollte 
Christus  an  der  Luna  XIV.  das  Passahlamm  gegessen,  an  der 
Lima  XV.  gestorben  und  am  Tage  der  Incarnation  (25.  März) 
auferstanden  sein,  so  musste  dies  das  J.  42  u.  Z.  sein,  auf  welches 
alle  diese  Merkmale  passen.  Da  Annianus  aber  das  Leben  Christi 
auf  33  Jahre  berechnete,  so  kam  er  rückwärts  auf  das  Jahr  9. 
Diese  ganze  Idelersche  Argumentation  ist  nun  durch  den  Nach- 
weis, dass  Epiphanius  schon  dies  Jahr  kennt,  und  dass  das  Jahr  9 
grade  in  Verbindung  mit  einem  anderen  Todesjahr  als  33  u.  Z. 
vorkommt,  hinfällig  geworden.  Wir  müssen  annehmen,  dass 
Annianus  schon  von  einer  Tradition  abhängig  ist.  Über  diese 
erhalten  wir  vielleicht  Aufschluss,  wenn  wir  die  Geschichte  der 
Annianischen  Aera  weiter  verfolgen.  Dieselbe  ist  benutzt  von  den 
byzantinischen  Chronographen  Maximus,  Syncellus,  Theophanes, 
ja  sie  muss  lange  Zeit  im  Orient  die  gebräuchlichste  gewesen 
sein,  wie  sie  denn  noch  heute  von  den  Aethiopischen  Christen 
benutzt  wird.  Ein  Beispiel  ihres  Gebrauches  im  Occident  hat 
Ideler  nachgewiesen  in  der  Fortsetzung  des  Breviarium  Eutropii 

Texte  u.  Untersuchungen  XI,  l.  \(j 


146  v.  Dobschütz,  Das  Kerygma  Petri. 

(Historia  miscella  bei  Muratori,  Script,  rer.  Ital.  I),  wo  der  Re- 
gierungsantritt des  Kaisers  Heraclius  auf  602  (statt  610)  angesetzt 
wird.  Für  uns  sind  jedoch  am  wichtigsten  die  beiden  (auch  von 
Ideler  nachgewiesenen)  Stellen  in  der  vita  Euthymii  (Cotelerius, 
eccl.  gr.  inonum.  [Paris,  1681]  II  p.  293)  und  vita  Sabae  per  Cyrill. 
Scythopol.  (1.  c.  III  p.  353  sq.),  welche  in  einer  auf  Abhängigkeit 
(untereinander  oder  von  gemeinsamer  Quelle)  führenden  auffälligen 
Weise  fast  wörtlich  übereinstimmend  die  Annianische  Chronologie 
auf  IjtJiöXvxoö  ts  o  JiaXaioö  xcu  yvcoQipoG  rcöv  djcoOtöXcov  xcu 
tjiicpävioo  o  rtjö  xvjcqicdv  ccqzisqevo  xcu  t'jQco  6  <piZ6öo<poG  xcu 
ofiokoyr/Tijö  zurückführen.  Was  hier  den  Epiphanius  anlangt, 
so  sahen  wir  bereits,  dass  die  beiden  Biographen  in  gewisser 
Weise  Recht  haben,  sofern  Epiphanius  eine  solche  Chronologie 
erwähnt;  aber  er  macht  sie  doch  keineswegs  zu  der  seinigen. 
Auf  Hippolyt  bezieht  sich  auch  Syncellus  (a.  a.  0.)  neben  Annianus 
und  Maximus.  Es  scheint  daher  fast,  als  habe  sich  Annianus 
selbst  auf  diesen  schon  berufen.  Thatsächlich  aber  hatte,  soviel 
wir  wissen,  Hippolyt  eine  ganz  andere  Chronologie.  Es  muss 
daher  entweder  angenommen  werden,  dass  —  ähnlich  wie  es  bei 
Epiphanius  geschah  —  eine  von  Hippolyt  erwähnte  Chronologie 
auf  ihn  selbst  zurückgeführt  wurde,  in  welchem  Falle  dieselbe 
also  noch  älter  als  Hippolyt  sein  müsste;  oder  aber  man  muss 
in  Hippolyt  nur  den  Meister  der  Chronologie  sehen,  auf  dessen 
Ansehen  sich  jedes  chronologische  Machwerk  zurückzuführen 
suchte.  Dann  bliebe  noch  als  Urheber  dieser  Chronologie  jener 
Philosoph  und  Bekenner  Hero  übrig,  der  uns  aber  ebenso  rätsel- 
haft ist,  wie  die  auf  ihn  zurückgeführte  Zeitbestimmung1).     Es 


1)  Cotelerius,  Monuin.  eccl.  graec.  II  p.  G40  glaubt  den  hier  angeführten 
Philosophen  Hero  mit  jenem  Maximus  Cynicus  aus  Alexandrien  identificieren 
zu  können,  der,  nachdem  er  angeblich  um  des  Glaubens  willen  verbannt 
worden  war,  zu  Gregor.  Naz.  nach  Byzanz  kam  und  sich  so  bei  ihm  einzu- 
schmeicheln wusste,  dass  Gregor  in  seiner  Gegenwart  eine  Lobrede  auf  ihn 
hielt,  die  noch  jetzt  unter  dem  Titel  ela  rjQäiva  xov  (fiXöootpov  erhalten 
und  als  or.  25  (al.  23)  in  den  Ausgaben  der  Wei-ke  Gregors  zu  finden  ist. 
Nachher  zeigte  er  sich  jedoch  als  einen  falschen  Freund,  indem  er  in  hinter- 
listigster Weise  Gregors  Absetzung  herbeiführte,  um  selbst  dessen  Stuhl 
einzunehmen  (abgesetzt  381).  Sicher  geht  jene  Lobrede  auf  Maximus; 
streitig  aber  ist,  ob  dieser  auch  den  Namen  Hero  führte  (so  z.  B.  Tillemont 
Art.  L1X  p.  443.  712)  oder  ob  ein  anderer  Name  an  Stelle  des  ursprüng- 
lichen   gesetzt    wurde,    entweder    von    Gregor    selbst    (Billius)    oder    von 


Excurs.  1 47 

muss  also  sein  Bewenden  dabei  haben,  dass  dieselbe,  dem  Epi- 
phanius  schon  bekannt,  möglicherweise  schon  von  Hippolyt 
erwähnt,  in  ziemlich  alte  Zeit  zurückverfolgt  werden  kann.  Wie 
man  aber  auf  dieselbe  gekommen  ist,  wird  sich  kaum  noch  nach- 
weisen lassen.  Denn  es  ist  doch  wohl  zu  kühn,  anzunehmen, 
dass  Lukas  selbst  den  Anlass  dazu  gegeben  habe.  Ist  es  näm- 
lich richtig,  dass  Herodes  schon  i.  J.  4  ante  Chr.  n.  starb,  der 
Census  unter  Quirinus  aber  nicht  vor  6  post  Chr.  n.  vorgenommen 
sein  kann,  so  ist  damit  eine  ungelöste  Antinomie  in  die  Chrono- 
logie des  Lebens  Jesu  von  Lukas  selbst  eingetragen,  der  aller- 
dings seinerseits  wohl  das  letztere  Datum  nach  dem  ersten  zu 
verschob;  es  konnte  aber  wohl  jemand,  der  mit  den  römischen 
Fasten  vertraut  war,  von  dem  richtigen  Termin  des  letzten  Datums 
ausgehen  und  so  ungefähr  auf  das  Jahr  9  kommen.  Doch  ist 
diese  Combination  nicht  eben  sehr  wahrscheinlich. 

Betrachten  wir  nun  das  Jahr  9  als  gegeben,  so  kommen  wir, 


Abschreibern  (Hier,  de  vir.  ill.  117).  Letztere  beiden  Möglichkeiten  verdienen 
vor  der  Annahme  der  Doppelnamigkeit  des  Maximus  entschieden  den  Vorzug. 
Es  wäre  unerklärlich,  dass  nirgends  von  dem  andern  Namen  des  Mannes 
die  Rede  ist,  und  vor  allem,  dass  Hieronymus,  der  mit  Gregor  von  Constan- 
tinopel  her  bekannt  war,  davon  ganz  schweigt  und  eine  andere  Erklärung 
giebt.  Dafür,  dass  Gregor  selbst  den  Namen  des  Mannes,  den  er  inzwischen 
anders  zu  beurteilen  gelernt  hatte,  verändert  habe,  Hesse  sich  als  klassi- 
sches Analogen  aus  der  neueren  Literatur  Klopstocks  Ode:  „Heinrich  der 
Vogler"  namhaft  machen,  die  ursprünglich  Friedrich  dem  Grossen  galt. 
Auch  hier  aber  wird  das  anderslautende  Zeugnis  des  Hieronymus  schwer- 
wiegender sein,  als  dass  man  es  bei  Seite  lassen  könnte.  Der  so  an  die 
Stelle  des  Maximus  getretene  Hero  philosophus  mag  eine  historische  Person 
sein.  Weiter  wissen  wir  aber  nichts  von  ihm;  denn  alles,  was  wir  von  ihm 
bei  Gregor  lesen,  gehört  dem  Kleide  des  Maximus  an,  in  welches  jener  nur 
hineingeschlüpft  ist.  Smith  und  Wace,  Dict.  of  Christ,  biogr.  111  p.  5  zählen 
noch  8  Männer  des  Namens  auf,  von  denen  jedoch  nur  wenige  in  Betracht 
kommen  könnten,  wollte  man  versuchen,  diejenige  Persönlichkeit,  an  welche 
bei  der  Namensänderung  gedacht  war,  zu  erraten.  Am  hervorragendsten 
ist  noch  der  Schüler  des  Ignatius,  dritter  Bischof  Antiochiens,  der  durch 
die  Pseudoignatianen  zu  Ehren  gekommen  ist.  „Philosoph  und  Bekenner" 
passte  auch  vielleicht  auf  die  von  Eusebius  (H.E.  VI,  4  und  41)  erwähnten 
beiden  Alexandriner,  deren  ersterer  Schüler  des  Origenes  war;  doch  dürften 
diese  zu  den  /.tÜQTvyi-o  zählen.  —  Ist  so  die  ganze  Persönlichkeit  des 
Hero  philosophus  in  mystisches  Dunkel  gehüllt,  so  kann  auch  der  Berufung 
auf  ihn  als  Chronologen  kein  Wert  beigelegt  werden.  Das  braucht  aber 
betreffs  der  anderen  Autoritäten  nicht  misstrauisch  zu  machen. 

LO 


148  v-  Dobschütz,  Das  Kerygma  Petri. 

wie  wir  sahen,  zu  dem  Todesjahr  58  durch  einfache  Addition  von 
beinahe  50  Jahren.  Dass  diese  Combination  richtig  ist,  dafür 
bürgt  uns  Irenaeus,  welcher  (adv.  haer.  II,  22)  unter  Berufung 
auf  die  Tradition  der  Presbyter,  dass  Jesus  aetateni  seniorem 
erreicht  habe,  und  unter  Bezugnahme  auf  Job.  8,  57  für  Jesus 
eine  Lebensdauer  von  50  Jahren  behauptet.  Bei  dieser  Combi- 
nation sind  die  Motive  der  Entstehung  noch  deutlich  nachzuweisen. 
Es  war  zunächst  ein  speculatives:  Jesus,  die  Anakephalaiose  der 
Menschheit,  musste  auch  das  Menschenleben  in  allen  seinen  zeit- 
lichen Stadien  durchgemacht  haben.  So  ist  es  Irenaeus  überliefert. 
Dazu  kam  dann  die  Stelle  Joh.  8,  57,  welcher  man  gerecht  werden 
wollte,  wie  noch  später  Chrysostomus  aus  ebenderselben  unter 
Voraussetzung  einer  anderen  Lesart  auf  ein  Lebensalter  von 
40  Jahren  für  Christus  schloss  (Opp.  VIII  p.  371).  Irenaeus  erst 
scheint  beide  Motive  zusammengefasst  und  damit  das  Resultat 
zur  Gewissheit  erhoben  zu  haben.  Auf  ihn  geht  also  dies  Moment 
zurück,  das  aber  merkwürdigerweise  ausser  in  unserem  Fragment 
keinen  Anklang  gefunden  zu  haben  scheint l). 

Die  dritte  Combination  endlich,  um  derentwillen  das  Fragment 
hier  eigentlich  behandelt  wird,  ist  die,  dass  das  öffentliche 
Wirken  Jesu  auf  12  Jahre  geschätzt  wurde,  wodurch  man  von 
58  aus  rückwärts  46  als  Taufjahr  gewann.  Genau  lässt  sich  dies 
durch  kein  Analogon  belegen,  aber  die  oben  (S.  52  sqq.)  ge- 
gebene Entwicklung  hat  gezeigt,  wie  von  einem  Herren  wort  an 
Petrus,  das  dann  auf  alle  Apostel  ausgedehnt  wurde,  ausgehend, 
die  12- Jahr-Tradition  sich  Bahn  brach  und  mehr  und  mehr  in 
das  Leben  des  Herren  ( zunächst  des  Auferstandenen)  hineingezogen 
wurde.  Dies  geschah  zwar  zuerst  und  zumeist  in  gnostischen 
Kreisen.  Wie  nahe  es  aber  der  Kirche  lag,  diese  Fortbildung 
der  Tradition  zu  übernehmen,  zeigt  die  Erörterung  des  Irenaeus 
an  der  eben  angeführten  Stelle  (II.  22).  Er  polemisiert  gegen 
die  gnostische  Behauptung,  Jesus  habe  nur  ein  Jahr  öffentlich 
gelehrt  und  sei  im  12.  Monat  gestorben.  Dies  stammt  aus  einer 
Spekulation  über  das  angenehme  Jahr  des  Herren  mit  seinen 
12  Monaten.     Wenn  nun  auch  die  Katholiker   mit  Irenaeus   die 


1     Erst  neuerdings  hat   E.  von  Bunsen   in   Hidden   wisdom   of  Christ 
[Lond.  1865]  II  p.  401  sqq.  dies  wieder  aufgenommen. 


Excurs.  149 

buchstäbliche  Fassung  verwarfen,  so  war  ihnen  doch  eine  alle- 
gorische Urndeutung  nicht  zuwider  und  da  sie,  jernehr  der  Ge- 
danke der  Geheimtradition  auch  bei  ihnen  sich  geltend  machte, 
eine  längere  Lehrzeit  Jesu  durchaus  brauchen  konnten,  so  lag 
nichts  näher  als  aus  den   12  Monaten  Jahre  zu  machen. 

Aus  diesen  drei  Momenten  scheint  sich  unser  Fragment 
einigermassen  erklären  zu  lassen.  Die  Combination  derselben, 
welche  sich  sonst  nirgends  findet,  macht  dasselbe  zu  einem  so 
eigentümlichen.  Wann  kann  diese  nun  vollzogen  sein?  Der 
Widerspruch  mit  aller  anderen  christlichen  Chronologie,  der  darin 
vorliegt,  scheint  ja  in  allerälteste  Zeit  zu  weisen,  als  noch  nichts 
traditionell  fixiert  war;  andrerseits  sahen  wir,  dass  der  2.  Punkt 
Irenaeus  vorauszusetzen  scheint.  Bedenkt  man  dazu,  dass  Irenaeus 
nur  die  runde  Zahl  50  nennt,  so  ist  es  wohl  denkbar,  dass  ur- 
sprünglich nur  das  Jahr  9,  das  —  wie  gezeigt  —  vielleicht  schon 
vor  Hippolyt  bestimmt  war,  und  dazu  die  Periodenzahlen  50 
und  12  zusammengestellt  waren  und  erst  später,  als  man  sich 
den  Widerspruch  nicht  klar  machte,  die  bestimmten  Consulangaben 
eingesetzt  wurden.  Doch  sahen  wir,  dass  eben  diese  Consul- 
angaben ein  ziemlich  hohes  Alter  verlangen.  Dies  aber  führt 
endlich  dazu,  an  der  Hand  der  Tradition,  auf  welche  das  Fragment 
selbst  sich  beruft,  bis  in  die  Nähe  des  Irenaeus  zurückzugehen: 
Alexander  von  Jerusalem,  der  Stifter  der  Bibliothek. 
Es  ist  kein  Grund  vorhanden  zu  bestreiten,  dass  der  Grundstock 
des  Fragmentes  auf  diesen  zurückgeht,  der  selbst  wieder  aus 
Tradition  geschöpft  haben  mag  (exemplaria  apostolorum).  Welchen 
Anteil  Hero  daran  hat,  vermögen  wir  nicht  zu  bestimmen, 
ebensowenig,  welche  Geschichte  dasselbe  durchgemacht  hat.  Die 
verschiedenen  Zeugnisse  lassen  auf  eine  ziemliche  Verbreitung 
schliessen:  Hippolyt  ['?],  Epiphanius,  Annianus,  Maximus, 
Syncellus,  [Theophanes,  Cyrillus  Scythopolitanus  (als  autor  der 
vita  Sabae),  autor  vitae  Euthymii;  bei  den  3  letztgenannten  sowie 
dem  Verfasser  der  historia  miscella  ist  es  ungewiss,  ob  sie  die 
ganze  Berechnung  oder  nur  die  darauf  ruhende  Annianische  Aera 
kannten],  ferner  im  Abendlande  Victorin  von  Pettau  und 
endlich  der  Mönch  des  Klosters  Bobbio,  der  das  Fragment 
seiner  Handschrift  einreihte.  Jedenfalls  müssen  wir  ihm  hierfür 
sehr  dankbar  sein;  denn  es  ist  von  dem  grössten  Interesse  für 


J50  v-  Dobschütz,  Das  Kerygma  Petri. 

uns,  nicht  nur  an  sich,  sondern  vornehmlich  indem  es  aufs  neue 
zeigt,  wie  frei  sich  die  Tradition  früher  entwickelt  hat,  wie  die- 
selbe dabei  durchaus  von  speculativen  und  exegetischen  Motiven 
geleitet  war,  wie  aber  doch  im  Laufe  der  Zeit  diese  willkür- 
lichen Traditionsgebilde  mehr  und  mehr  beiseite  geschoben  worden 
sind,  um  den  ältesten  und  besten  Platz  zu  machen. 


Übersicht  über  die  Fragmente. 


I.     Clem.  AI.  Strom.  I,  29,  182.  §    3:    S.     18.     §  4:   S.  27. 

II,  15,  68. 
ecl.  proph.  58. 
II.     Clem.  AI.  Strom.  VI,  5,  39.  „        S.     18.       „       S.  29. 

VI,  7,  58. 

III.  Clem.  AI.  Strom.  VI,  5,  39 sq.  „        S.     19.       „       S.  31. 

Orig.  in  Bv.  Joh.  tom.  XIII,  17. 

IV.  Clem.  AI.  Strom.  VI,  5,  41.  ,.        S.     21.      „       S.  35. 

Orig.  in  Ev.  Joh.  tom.  XIII,  17. 
V.     Clem.  AI.  Strom    VI,  5,  41. 
VI.     Clem.  AI.  Strom.  VI,  5,  43. 
VII.      Clem.  AI.  Strom.  VI,  ü,  48. 
VIII.      Clem.  AI.  Strom.  VI,  6,  48. 
IX.     Clem.  AI.  Strom.  VI,  15,  128. 
X.      Clem.  AI.  Strom.  VI,  15,  128. 
Zweifelhafte  Fragmente: 
XI.     Orig.  de  princ.  praef.  8.  §    6: 

XII.      Orig.  hom.  X  in  Lev.  „ 

XIII.  Optat.  de  schism.  Donat.  I,  5.  ,, 

XIV.  Greg.  Naz.  ep.  20  ad  Caes.  fratrem.       §    7: 

—       —    orat.  17  c.  5. 
XV.      Leontius  iepcc  (Sacra  Parallela).  „        S.  HO. 

Greg.  Naz.  or.  14. 
XVI.     Leontius  Uqcc  (Sacra  Parallela).  .,        S.  118. 

XVII.     Oecum.  comm.  ad  Jak.  V,  16.  „        S.  122. 

XVIII.     Clem.  AI.  Strom.  VI,  5,  42.  §    8:    S.  124. 

XIX.     Clem.  AI.  Strom.  VI,  5,  42.  „       S.  126 

XX.     Ps.-Cypr.  de  rebapt.  c.  17.  §    9:    S.  127. 

XXL     Lact.  inst.  div.  IV,  21.  §  10:    S.  131. 


s. 

21.     „ 

S.  45. 

s. 

22.     ., 

S.  50. 

s. 

22.      ,, 

S.  5L 

s. 

24.      „ 

S.  57. 

s. 

s. 

24.  \ 
25./" 

S.  58. 

s. 

82. 

s. 

84. 

s. 

L04. 

s. 

109. 

Wortregister. 


[  ]    bezeichnet  nicht  zum  K.P.  gehöriges;      (  )    deutet  Rückübersetzung  aus 
dem  lateinischen  an. 


ayyekoa            Fragm.  IV. 

avxoXe&l          F 

agm.  IX. 

ayvoiu 

III.  VIII. 

c'«f9aQioa 

IT. 

uyQÖa                     , 

III. 

d(pir)fj.L 

VI.  VIII. 

ayo)                         , 

IV  (bis). 

ay^aQinxiui 

Hi- 

(äöthföo               , 

XIII.) 

d%u>Qrjxoo 

ll. 

dsvaoa                   , 

II. 

[ßaatXsva 

XVIIL] 

ut,v(ia                     , 

IV. 

ßißXoa 

IX.  [XVIIL] 

tlrjQ                            , 

III. 

ßQÖjßd 

HL 

aiXovQoa                , 

III. 

ßQÜJOtO 

III. 

ai'viy/ia                   , 

IX. 

ßQwxoa 

III. 

\ulaxvvofiai           , 

XV.] 

yaXij 

„        HL 

dxaxäXijnxoa        , 

II. 

ysvoa 

v. 

dxovü)                     , 

VI.  VII  (ter). 

yv 

III. 

[dXXöxQioo 

XV.] 

ynejaxw 

II.  IV.  VII.  X 

dfxciQZ)i/ua              , 

VIII. 

yvojOLO 

III. 

aficcQTia                 , 

VI    [XVI.  | 

[yvwoxixoa 

„        IL] 

\ävuyiva>GX'j)         , 

XVIII] 

yQucpn 

„        [IL]  V. 

dvdXrjif.ua                , 

IX. 

yQÜ<fuj 

IX  (bis).  X. 

dvanxvaaw            , 

IX. 

[XVIIL] 

dvemöerja 

II. 

{öaifxöviov 

„        XI.) 

[dvtyw                     , 

XVI.] 

{öanavdto 

XVI.] 

UVÜQWllOO                  , 

VII. 

östo 

IX. 

dvioxrjfjLi                 , 

III. 

dr]X6u> 

VII.  [XVIIL] 

u^ioa                      , 

VII. 

dta&rixt] 

v. 

dÖQUXOO                        , 

IL 

[diaxovscu 

XV.] 

a7tolrjxoo                , 

II. 

dtaxid-rjf/i 

v. 

dnoXoylu               , 

VII. 

Ö'lÖOJjJLl 

III.  [XV.] 

anöaxoXoa 

VII. 

dixalwa 

v. 

liQyvQoa                 , 

III. 

(do£a  =  opinio 

XIII.) 

upveofiat               , 

III. 

öovXov 

„     III. 

aQxn 

II. 

ÖVVttfXLO 

IL 

(In/ryytXoa              , 

IV. 

düjösxa 

VI.  VII. 

(doiöfjiaxoa            , 

XI.) 

\iyyva 

XIV.] 

UX£Q                                  , 

x. 

eye  goto 

ix. 

av&tvxixdia          , 

IX. 

sia  &eöa 

„      IL  VII.  [XVIIL] 

Wortregister. 

153 

fXflVOO 

Fragm.  IV.  [XIV.] 

[XOTIOG 

Fragm.  XVIL] 

exXsyu) 

VII. 

xöofxoo 

VI.  VII.  [XIX.] 

\e?~£su) 

XV.] 

XQIVUJ 

VII.  IX.  XIII. 

[iXei'jficav 

„        XVI.] 

XX  1]V1] 

III. 

eXhjvea 

IV.  V. 

[xxlof/.a 

XV.] 

[hXXrjvixöo 

XVIII.] 

xvQioa 

I.  V.  VII. 

igeQxo/xtu 

VI. 

xvwv 

111. 

i^ovoia 

II.  III. 

[Xafxßävio 

XV.  XVIIL] 

hoQxi'j 

IV. 

XaxQevu) 

IV. 

iniyivwaxvj 

„    VIII.  IX.  [X VIII.] 

Xtyöfxevoo 

IV. 

entöeo/jitti 

IL 

Xeyw 

V.  VI.  VII.  X. 

\i-7iidi6u)[Ai. 

XV.] 

[Xeitko 

„        XV.] 

snioxa/uai 

III.  IV. 

Xld-oa 

„     III. 

[eTHTTjQSCO 

XVI.] 

Xoyoo 

I.  IL 

FQTieröp 

III. 

Xninöa 

IX. 

[exeooa 

XV.] 

Ha&i]Xi)o 

.,    >   VII. 

exoa 

„     vi. 

(/urcxaQioa 

XII.) 

£vayyeXiZ,(o 

VII. 

[ßttXQO&VfltU 

XVI.] 

eiplöxco 

„      V.  IX.  [XVIIL] 

[uäXXov 

XVI.] 

t"/Ü> 

„     II.VII.  IX.  [XV.] 

uav&dvo) 

„        V.  [XV.] 

qyelo&ai 

VII. 

(ACCQXVQSU) 

VII. 

tjftSQa  fxeyäh] 

IV. 

fxsyao 

IV. 

9-üXaooa 

III. 

fisXXovxa 

VII.  [XVIIL] 

9-üvatoo 

„      ix. 

fxtxavoea) 

VI.  VIII. 

&eXa> 

VI.  VII. 

m» 

IV. 

&eöo 

II-X.  [XIV— 

[(/.i/j.£0(xai 

„        XV.] 

XVI.  XVIII  sq.] 

[fiifiqOiO 

XV.] 

&801 

„     III. 

[^iifxvrjGXO) 

XVI.] 

&TjQia 

III. 

[fiiasco 

XVIIL] 

&i)(ia 

III. 

fXOVOO 

IV. 

&V0) 

III. 

/bl0Q<p6(O 

III. 

lälOG 

III. 

(XVO 

III. 

IÖOV 

v. 

VeXQOO 

III. 

iSQOo6?.rfta 

IX. 

vsoixrjviu 

IV. 

ITjOOVO 

ix. 

vrjxxoa 

HL 

[looxrja 

XV.] 

(vtjOtevo) 

XII.) 

tOQarjX 

v. 

VOflOO 

„     I. 

iovöaloi 

IV.  V.  IX. 

[vova 

„        XVI.] 

xa&aiQEU) 

V.  [VIII.] 

i^vXov 

III. 

[xad-cüo 

XVIL] 

oiöa 

VIII. 

xcuvoo 

„      v. 

[olxodofzeo) 

XVIL] 

xaivdta 

v. 

olxovßevt] 

VII. 

[xÜfJLVto 

XIV.] 

ol'o/xai 

IV. 

[xaxatpQovbU) 

„        XVI.] 

\oXoG 

XIX.] 

[xarexw 

XV.] 

ovo /J.a 

VI.  [XVIIL]. 

xoXaoio 

..        IX. 

ovo/xd^o) 

„      ix. 

154 


v.  Dobschütz,  Das  Kerygma  Petri. 


6vXÜ)G 

Fragm.  X. 

ofßo/nat 

Fragm.  IIL  IV.  V 

OTt(I)G 

VII. 

(jt).rjvf] 

IV. 

OQtXVJ 

II.  [XVI 

1 

[alßvUu 

XVIIL] 

OQOG 

v. 

GlÖlJQOG 

HL 

OGt(i)G 

v. 

oxavQÖa 

IX. 

OVQCCVOO 

..         IX. 

[ovyyivojoxco 

XVI.] 

[6<p£Ü.ea> 

XV.] 

\ovyyvo)/bU] 

XVI.] 

nuXatöa 

v. 

\ovvimii 

XV.] 

naQußoXi) 

IX. 

owC,i» 

VII. 

nuQudid(i)fxi 

.,      v. 

[xäXtto 

XVI.] 

{nuQÜxa^io 

XVIII.] 

[xeleioo 

.,    III.] 

[naQayjiijfta 

„        XVI.) 

xD.oa 

IL 

riuQOvaiu 

IX.  [XVIIL] 

xtxQanodoo 

III. 

näo/w 

IX. 

[xTjlavyrjO 

XVIIL] 

naxi]Q 

v. 

(XQi(fO) 

XIII.) 

[navofiai 

XVI.] 

xqixov  y&.voo 

v. 

nifinu) 

„         VII. 

[v'ioa 

IL  XVIIL 

nevt/a 

.,        (XII.)  [XV.] 

vkrj 

IIL 

[nzQiootiuj 

XV.] 

vnaQqio 

III. 

ntxtivd 

III. 

[imofjtovtj 

XVIIL] 

Tllr}?]XOG 

in. 

[vaxdontjG 

XVIIL] 

niorevoj 

VI.  VII. 

IX. 

(paivo) 

IV. 

nioxia 

VII. 

(plQOfjlCU 

IIL 

niGxöo 

VII.  [XVIIL] 

\<pO()(o) 

XVIIL] 

\nktlov 

XV.] 

[<fior)'i 

XVI.] 

\n).i)aa(i) 

XVI.] 

yaXxöa 

III. 

[nXovaioa 

„        XV.] 

[XQfc™ 

XV.] 

7l0lt(O 

IL  VIII. 

IX. 

yQTjGlG 

IIL 

- 

[XVIIL] 

'/QlGXiaVOl 

V. 

\no).vo 

XV.  XVIII  ] 

XQIGXOO 

[VII.]  IX. 

n^O(pr'jTTjO 

IX  (bis). 

[XVIIL] 

7lQOGXCCOG(l> 

„      x. 

■/(ivoöa 

HL 

7lQ0O(fbQ(t> 

III. 

XWQto) 

IL 

71Q(ÖX0G 

IV. 

ywQt'jß 

v. 

aüßßaxov 

IV. 

[xpvxn 

XIV.  XVI 

[otKftaxeQov 

XVIIL] 

üjoxe 

IV. 

aa<f(jJo 

„        VIII. 

[(ocpsXtü) 

XVIL] 

Bibelstellen. 


Deut,  33,  2  S.    39.  Act.  17,  30  S.  24. 

Psalm  67,  18  S.    39.                           19.  28  S.  60. 

Jes.  1,  13  S.     45.  Rom.  1,  21  sqq.  S.  35. 

2,  3  S.    29.                            5,  1  S.  57. 

11.  3  S.  104.                            5,  20  S.  39. 

58,  6  sq.  S.    86.  1.  Cor.  10,  26  S.  127. 

Jer.  31,  31  sq.  S.    48  sq.                      13,2  S.  51;  56. 

Sir.  5,  4  sqq.  S.  119  sq.                       15,4  S.  62. 

29,   12  S.    89  A.  2.  2.  Cor.  9,  12  S.  89  A.  2. 

31,  28  S    122.  Gal.  2,  7  sq.  S.  131. 

43.  6  sqq.  S.    42                              2,  18  S.  123  A.  1. 

Sap.  Sal  18,  15  S.    31  A.  1.                   3,  19  S.  39. 

Matth.  :>,  17  sqq.  S.     3S.                              4.  3.  9  S.  39  sq. 

14,  30  S.  109  A.  2.  Eph    5,  1  S.  116. 

28,  19  S.     41  A.  1.  Col.  2,  8.  20  S.  39  sq. 

Marc  3,  13  sqq.  S.     70.                                2,   17  sq.  S.  39  sq. 

7,  8.  13  S.     38.  41.  1.  Tim.  5,  21  S.  41  A.  1. 

9,  1  S.     62.  Hebr.  1,  3.  S.  31. 

16.  9  sqq.  S.     73.  75  sqq.                2,  2  S.  39. 

Luk.  6.   1  S.     44.                             6,  1  S.  52. 

9,  26  S.     41  A.  1.                    6,  6  S.  52. 

24,  36—39  S.    82  sq.                       8,  8  sq.  S.  49. 

Job.  2,  20  S.  144.                           12,  17  S.  52. 

2,  22  S.     59.  Jak.  1,  26  sq.  S.  47. 

7,  24  S.  104.                             4,  11  S.  104. 

8,  57  S.  148.  1.  Petr.  1,  11  S.  25. 
16,  13  S.    56.                            1,  12  S.  56. 

Act.  1,  4  S.    53.                            1,  21.  S.  51. 

3,  17.  19  S.     24.  2.  Petr.  1.  15  S.  67  A.  1. 
7,  53  S.    39.  Apok.  2,  9  S.  112. 

13,  29  S.    62.                          10,  4  S.  87  A.  3. 

13,  46  S.     50.  19,  10;  22,  8  sq.     S.  41. 


Namen-  nnd  Sachregister. 


Acta  Joh.  Leuc. 

S.  29;  36;  58;  83;  114  A.  1. 

Acta  Joh.  Proch. 

S.  49;  53;  61  A.  1. 

Acta  Thoinae 

S.  57  sq. 

Absolutes  Wesen  Gottes 

S.  29  sq.;  65;  126. 

Aegyptischer  Ursprung  des  K.P. 

S.  34;  44;  65;  73;  102. 

Alexander  von  Jerusalem 

S.  139;  149. 

Annianus 

S.  138;  145  sq. 

Apokryphen  des  A.T.s 

S.  51;  122. 

Apologeten 

S.  28  sqq.;  48  A.  1;  59;  66. 

Apollonius 

S.  52  sq.;  79. 

Apostelbegriff 

S.  16;  55;  74  A.  2;  123  A.  1. 

Apostolische  Constitutionen 

S.  93;  94  A.  1;  97  sqq.;  105;  116. 

Aristides 

S.  30;   32;   34;   36  sqq.;  40  sqq.; 

48sq.;  50A.1;66;  80sq.;86. 

Ascensio  Jesaiae 

S.  60  A.  1. 

Assumptio  Mosis 

S.  87  A.  3. 

Athanasius,  39.  Festbrief 

S.  5. 

Athenagoras 

S.  29;  30 sq.;  32  A.  1;  41;  66. 

Barnabas-Brief 

S.  36;  38;  48  sq.;  55;  66  sq. 

„Beide  Wege" 

S.  48;  81;  87;  104. 

Celsus 

S.  31  sq.;  34;  37;  49;  80. 

Ceremonialgesetz 

S.  38. 

Christus  als  vofioa 

S.  28 sq.;  65. 

„        als  Mittler  der  Gottesverehrung 

S.  47  A.  1. 

Chronologie  des  Lebens  Jesu 

S.  136-50. 

Clemens  Alexandrinus 

S.  8  sq.;  14;  17  A.  1;  32  A.  1;  60. 

Clem.  AI.  quis  div.  salv. 

S.  114  sq.;  116  A.  1. 

Clem.  Rom.  ep.  I 

S.  25;  39;  66. 

„       „    II 

S.  36;  67;  112. 

Codex  Brucianus 

S.  53;  83;  128  A.  1. 

Credner 

S.  2;  6  sq.;  14;  44;  58. 

Didache 

S.  5;  36;  48;  91;  106;  116. 

Didascalia  apost. 

S.  4;  97—102. 

Diognet-Brief 

S.  34;  36;42A.  1;46A.  l;48sq.; 

66  A.  1;  80;  116. 

Söyfxa 

S.  17. 

Dodwell 

S.  6;  17. 

Namen-  und  Sachregister. 


157 


Ebioniten-Evangeliuru 

S.  54;  129  sq. 

Einheit  Gottes 

S.  29  sq.;  65;  101;  124. 

Elias  Cretensis 

S.  105  sq.;  109;  121  A.  2. 

Engelcultus  hei  den  Juden 

S.  36  sqq. 

Epiphanius 

S.  10;  71  sq.;  128sq.;  140sqq.;  146. 

Eschatologie 

S.  56  sq.;  62 sq.;  133. 

Eusebius 

S.  lsq.;  4;  5;  9;  12  A.  [111,25]; 

13;  ITA.  1;  63;  72;  82. 

Evang.  secundum  duodecim  [apostolos] 

S.  129  A.  1. 

Exegetische  Methode 

S.  59 sq.;  66. 

Fasten 

S.  84  sqq. 

Fasttage 

S.  99  sq. 

Festberechnung  bei  den  Juden 

S.  42  sq. 

Feuererscheinung  bei  Jesu  Taufe 

S.  129  sq. 

Feuertaufe  der  Gnostiker 

S.  128. 

Geburt  Jesu 

S.  61  A.  1;  69  sq.;  Sl  A.  2. 

Geburtsjahr  Jesu 

S.  138.  143.  145  sqq. 

Genieindefasten  in  der  africanischenKirche 

S.  102  A.  1. 

Gestirndienst  bei  den  Juden 

S.  41. 

yvt'joioa  und  vö&oo 

S.  11  A.  1. 

yvüoio 

S.  51;  58;  65;  77. 

Gottesdienst,  christlicher  sittlich 

S.  47  sq. 

Götzendienst 

S.  31  sq. 

Grabe 

S.  5;  6;  15. 

Gregorius  Nazianzenus 

S.  13;  17;  105  sqq.;  121;  146  A.l. 

Hebraeer-Brief 

S.  38  sq.;  49;  68;  111. 

„       -Evangelium 

S.  55;  69;  82  sq.;  128  sq. 

Hegesipp 

S.  17  A.  1 ;  63. 

Heidnischer  Cultus 

S.  31  sqq. 

Heidnische  Prophetie 

S.  124  sqq. 

Heracleon 

S.  10;  75  A.  1;  102;  128. 

Hermas 

S.  5;   29;  36  A.  1;   52;  57;  67; 

75;  85;  87—92;  99;  102;  109; 

112  sq.;  116. 

Hero  philosophus 

S.  146  A.  1 ;  149. 

Hieronymus 

S.  2;  5  sq. 

Hippolyt 

S.  10;  50;  128;  145  sq. 

Hystaspes 

S.   124  sqq. 

Ignatius 

S.  61  A.  1;  66;  82 sq.;  109. 

Johannes-Evangelium 

S.  28;  31;  35;  47;  49;  51;  68;  111. 

Josephus 

S.  63;  133. 

Irenaeus 

S.  4;  10;  60;  66;  97;   148  sq. 

lsidor  Peius. 

S.  5. 

Judenfeindliche  Stimmung  der  alten  Chri- 

stenheit 

S.  35  sq.;  61  sq. 

Judicium  Petri 

S.  2;  5  sq.;  105. 

158 


v.  Dobschütz,  Das  Kerygwa  Petri. 


Justin 


Klassen  der  Kanonicität 

Lactantius 

Lateinische  Übersetzung  des  K.P. 

Legenden  über  Petrus 

Leontius  von  Byzanz 

Literatur  zum  K.  P. 

?.6yoo 

Lukas,  Apostel-Geschichte 

„       Evangelium 

„        Chronologie 
Mara  bar  Serapion,  Brief 
Marcion 

M  arcus-E  vangeliu  m 
Marcus-Schlüsse 
Märtyrer 
fitzävoiu 

Muratorischer  Kanon 
Neuheit  des  Christentums 
Neumondsberechnung   bei    den   Juden 
Nicephorus  Callisti 

VOftOO 

Origenes 

Paulus 

Paulus-Acten 
Petrus  Alexandrinus 
Petrus-Acten 

„     -Apokalypse 

„     -Briefe 

„     -Evangelium 

Petrus  der  Heidenapostel 

Petri  Verleugnung 

Philo 

niozio 

Pistis  Sophia 

Presbyter  bei  Clem.  AI. 

Prophetische  Schriften 

Psalmen  Salomons 

Pseudo-CleuH'iitineii 

Pseudo-Cyprian  de  rebaptismate 


S.  4;  32  A.  1;  34;  41  (Apol.  I,  6); 

45;    49;    GO;    61  sq.;   00;    71 

A.  1;  75  A.  1;  102;  130. 
S.  11.  A.  1. 
S.  14;  131  sq. 
S.  G;  105. 
S.  4;  119  A.  1. 

S.  13;  105  sq.;  110;  118;  121  A.  3. 
S.  G  sq 

S.  27  sq.;  30  sq. 
S.  9  A.  1;  12;  52;  70  A.  1;   75; 

79  sq.;  112  A  2;  131;  133. 
S.  70;  112  A.  1. 
S.  144;  147. 
S.  03  sq. 

S.  36;  42;  123  A.  1. 
S.  4;  69  sqq.;  102. 
S.  68  A.  1;  73;  75  sqq. 
S.  98  sq. 
S.  51  sq.;  57. 
S.  3;  61;  103  sq.;  144. 
S.  48. 
S.  42  sq. 
S.  2.  72. 

S.  28 sq.;  39;  65. 
S.  10  sqq.;    37  A.  1;    82;    84  sq.; 

88  sq.;  99;  121  A.3;  129  A.l. 
S.  35;  39  sq  ;  47;  50  sqq.;  05  A.l; 

68;74A.2;lll;123sqq.;131. 
S.  4;  120;  127  A.l;  132  A.  1. 
S.  107  sq.;  117  sq.;  119;  121;  L23. 
S.  4  sq.;  53. 

S.  3;  24;  Gl;  68;  75;  113 A.l;  133. 
S.  Lsq.;  8  A.  1 ;  68;  122. 
S.  4;  35  A.  1;  43  A.  2;  02  sq.; 

68  A. 1;  71 A.  1. 
S.  74. 
S.  HS  sq. 
S.  28  sqq. 
8.  17;  50 sq.;  50. 
S.  53;  128  A.  1. 
S.  in. 

S.  59;  66;  126. 
S.  120. 

S.  15;  32sq.;  54. 
S.  13  sqq.;  127  sqq. 


Namen-  und  Sachregister.  159 


Quirinius,  Census 

S. 

147. 

Reichtum,  Beurteilung  i 

in  der  alten  Kirche 

S. 

110  sqq. 

Rufin 

S. 

5  sq.;  13;  17;  81. 

O&ßeod-at 

s. 

45  sq. 

Sibylle 

s. 

30A.1;  32A.1;  80; 

124. 

Sündenbewusstsein 

s. 

58;  65. 

Sündenvergebung 

s. 

57. 

Syncellus 

s. 

138  sqq.;  145. 

Tatian 

s. 

30  sq.;    34;  6G;   75  A 
104  A.  3;  114. 

.  1;   102; 

Taufe  Jesu 

s. 

128  sqq.;  138;  144  sq. 

Taufsymbol,  römisches 

s. 

62. 

Teleologische  Orientierung 

s. 

30  A.  3. 

Tertullian  de  jej.  adv. 

psych. 

s. 

102  A.  1. 

Testamenta  XII  patriarcharum 

s. 

50;  93—97;  120. 

Theologie  des  K.P. 

s. 

65  sq. 

Theophylus 

s. 

32  A.  1;  57;  59  A.  1; 

66. 

Todesjahr  Jesu 

s. 

138;  145. 

Totenverehrung 

s. 

34. 

Unwissenheitssünden 

s. 

35;  58. 

Ursinus  Afer 

s. 

13. 

Victorin  von  Pettau 

s. 

138;  149. 

Weissagungsbeweis 

s. 

42;  58  sq.;  124  sq. 

Zeitencultus 

s. 

41. 

Zerstörung  Jerusalems 

s. 

25;  62 sqq.;  65;  133. 

Zwölf- Jahr-Tradition 

s. 

52  sqq. ;  136 ;  148  sq. 

Zwölf-Jünger 

s. 

54  sq.;  74  A.  2. 

Nachträge  und  Verbesserungen. 


S.  11  Anm.  1   Z.  17  sq.:   st.  xul  tkxqu  tcüoiv  b/xo/.oyovixtvj]  lies:  xul 

71UQCC   ZOLO   71Ü.7ML   TCQSOßvXtQOlG    0)fZOXoyt]fxh?]. 

S.  17  Anru.  1  füge  hinzu:  Iren.  adv.  baer.  III,  3,  4  hat  xtjQvaaeir 
(von  Polycarp  gesagt)  nur  die  abgeschwächte  Bedeutung:  „öffentlich  be- 
haupten". 

S.  24  Fragm.  IX  lies:  Strom.  VI,  15,  138  st.  148. 

S.  43  zu  Anm.  2:  Was  Zahn  behauptet  und  wir  oben  zu  erklären 
suchten,  dass  nämlich  das  jüdische  Passah  von  Christen  für  ein  zweitägiges 
Fest  gehalten  worden  sei,  scheint  sich  als  thatsächlich  zu  bestätigen  durch 
die  LA.  des  Codex  Basil.  A.N.  IV,  5  [Ac  4  P  4].  welcher  Act.  20,  6  bietet: 
/xtxu  xua  ovo  i](xtQaa  x<5v  ut,v/xojv.  Die  Handschrift  ist  zwar  sehr  jung 
(Saec.  XIV — XVI),  aber  doch  sehr  beachtenswert.  Auf  ihre  Bedeutung  für 
die  fälschlich  dem  Euthalius  beigelegten  sog.  vnoQ-ioeiG  aus  der  Synopsis 
scripturae  sacrae  des  Pseudo-Athanasius  habe  ich  schon  im  „Centralblatt 
für  Bibliothekswesen"  X.  Jahrg.,  2.  Heft,  Febr.  1893  S.  70  hingewiesen. 
Neuerdings  habe  ich  Act.  20  und  die  beiden  Thess.-Brr.  daraus  verglichen 
und  dabei  beobachtet,  dass  die  für  so  späte  Zeit  unglaublich  freie  Art, 
mit  welcher  der  Text  behandelt  ist,  sehr  an  Codex  Dact  und  E act 
erinnert.  Einige  Beispiele  zum  Belege:  eigenartige  Umstellungen  sind 
I.  Thess.  1,  10:  unb  xüfi  ao/o/Ltbvrja  OQyija  —  2,  19:  tcuqovoiu  uvxov  — 
3,  6:  uy  vfiiöv  nqba  ijfxüa  —  3,  9:  uvxunodovvai  xä  üei»  —  4,  8: 
xb  nvevfia  xb  uyior  avxov  —  II.  Thess.  2,  6:  iv  zaJ  xuiocö  suvxov;  —  Zusätze 
finden  sich  1.  Thess.  2,  17:  xul  ov  xuqöiu  —  4,  15:  nuQOvaluv  xov 
Quvüxov  —  5,  8:  TjfitQuo  viol  ovxsa  u.  a.  m.  Speciell  Act.  20  ist 
folgendes  bemerkenswert:  Ausser  dem  oben  angeführten  v.  ü  sind  ohne 
weitere  Bezeugung  (nach  Tisch,  ed.  crit.  VIII.  maior)  v.  10:  <poßHO&e  st. 
ttoijrßtio&s  —  14:  awsßaksv  >){iäo  st.  r\yüiv,  eine  ganz  ungriechischc 
Wendung  (cf.  e:  convenisset  nos)  —  v.  15:  sta  xijv  oüfiov  —  v.  16: 
sla  xtjv  tcfeoov  —  v.  19:  SovXsveiv  —  v.  24:  xvqiov  itjoov  '/qigxov 
—  v.  35:  üo&eveoxtQOJV  st.  uod-evovvxcDV.  —  Im  Vergleich  zu  Cod. 
Cantabr.  und  Oxon. :  v.  3:  m.  pr.  uyeoSui  cf.  E  (st.  uvüyso&ai  [m.  sec.])  — 
v.  8:  oi  r\ntv  Gvvrj&poiGfitvoi  (st.  ovvrjy/xtvoi;  E  lässt  das  Wort  ganz 
aus!)  —  v.  5  u.  13:  7iQOG£?.&6vxeo  cf.  u.  a.  E  —  v.  1:  sta  /nuxeöovluv 
(om.  xrjv)  cf.  u.  a.  E  —  v.  21:  eia  S-söv  (om.  xbv)  cf.  u.  a.  E  -  v.  26  u. 
31  ist  wohl  von  erster  Hand  ifxajv  zugesetzt;  cf.  dort  E,  hier  DE  —  v.  30: 
i'.vxäiv  st.  havxwv  cf.  u.  a.  DE  —  v.  15:  rj]  tQ/ßfitvrj  cf.  D  min.  —  v.  24 
nu()b).aßov  cf.  D  min.   —  Endlich  zu  v.  35:    {ivijfxovfveiv   xs    xbv   ).öyov 


Nachträge  und  Verbesserungen.  161 

cf.  LP  al.  —  Nach  alledem  scheint  es  mir  höchstwahrscheinlich,  dass  cod. 
Ac  4  einen,  wenn  auch  mit  der  Zeit  verwilderten,  so  doch  noch  sehr 
wertvollen  occidentalischen  Text  darstellt,  und  somit  die  obige  LA.  alle 
Beachtung  verdient.  —  Um  sie  aber  zur  sicheren  Stütze  der  Zahnschen 
Behauptung  zu  erheben,  müsste  sie  doch  nicht  so  vereinzelt  stehen,  — 
und  dürfte  endlich  nicht  Marc.  14,  1  zu  lesen  sein:  t\v  de  rö  rcccoya  xal 
tu  u^vua  (xexu  ovo  ?jf/.6Qaa;  denn  es  ist  nicht  unwahrscheinlich,  dass  nur 
die  Erinnerung  hieran  den  Einschub  Act.  20.  6  veranlasst  hat  (vergl.  auch : 
fj.txu  6h  xao  ovo  fjtutQtiG  Joh.  4,  43). 

S.  77  Anm.  2  Z.  4  v.  u.:  statt:  durch  Auslassung  des  ganzen  v.  S  lies: 
durch  Auslassung  der  Worte  xal  oiSevl  ovöev  ttiov  in  v.  8  (vergl.  das 
Facsimile  in  Wordsworth,  Sanday  and  White,  old-latin  biblical  texts  [Oxf. 
1886]  II). 

S.  87  Anm.  3  zu  Assumptio  Mosis  c.  11  bemerke:  Das  in  der  Hand- 
schrift fehlende  quam  hat  Fritzsche  mit  Merx  zugefügt.  Prof.  v.  Gebhardt 
schlägt  vor,  es  vor  omnia  zu  setzen.  Volkmar  will  tarn  [dicta  quam] 
scripta  lesen  und  Hilgenfeld  übersetzt  einfach  ovtid.  Sollte  tarn  nicht  ein- 
fach für  tarn  verschrieben  sein  und  der  Zusatz  bedeuten,  dass  die  damals 
gesprochenen  Worte  nunmehr  (d.  h.  zur  Zeit  des  Schriftstellers)  aufge- 
zeichnet vorliegen?  —  eine  Deutung,  bei  welcher  allerdings  die  Stelle  für 
den  Zweck  unserer  obigen  Beweisführung  verloren  ginge. 

S.  89  Anm.  2  füge  hinzu:  Aphraates  Hom.  XIX  (von  der  Unterstützung 
des  Armen)  T.  u.  U.  III.  4,  317:  Von  dem  Dürftigen  empfängt  auch  der 
Almosenspender  etwas  ....  wenn  er  empfängt,  preist  der  Arme  den 
Herren  beider. 

Zu  S.  64:  Cureton  erklärt  wie  Prof.  Harnack:  the  „wise  king"-,  who, 
although  put  to  death,  still  lived  in  the  „wise  laws  which  he  pro- 
mulgated"  (p.  XIII)  und  fasst  die  Statue  der  Juno  als  die  auf  Befehl  des 
Delphischen  Orakels  dem  Pythagoras  von  den  Römern  gesetzte  auf  (p.  101). 
Besser  ist  folgende  Erklärung,  welche  ich  der  Güte  des  Herren  Geh.  Rat 
Prof.  Zeller  verdanke.  „Die  statua  .Tunonis  des  Syrers  scheint  aus  der 
Angabe  zu  stammen,  die  sich  nach  Porphyr  v.  Pyth.  3  bei  Duris  (um 
280  v.  Chr.)  fand,  dass  Pythagoras'  Sohn  Arimnestos  in  den  Heretempel  ein 
ehernes  Weihgeschenk  gestiftet  habe;  nur  dass  dies  auf  Pyth.  selbst  über- 
tragen und  aus  dem  aiä&rjfia  (einer  Tafel  mit  Figui-en  oder  dergleichen) 
ein  Bild  der  Göttin  gemacht  wurde.  Wenn  in  der  Stiftung  eines  solchen 
hier  ein  besonderes  Verdienst  des  Pyth.  gefunden  wird,  bestätigt  dies 
allerdings  den  nichtchristlichen  Ursprung  der  Vorlage  des  Syrers.  Dass 
Pyth.  mit  seinen  Schülern  im  Feuer  umgekommen  sei,  sagen  einige  spätere 
Schriftsteller  seit  Plutarch  [Sto.  rep.  37,  :!.  S.  1051.  Athenag.  Suppl.  c.  31. 
Hippol.  Refut.  I,  2  g.  E.  Arnob.  adv.  gent,  I,  40.  Schob  in  Plat.  S.  420  Bk. 
und  eine  Angabe  b.  Tzetz.  Chil.  XI,  80  ff.  vergl.  Zeller,  Phil.  d.  Griechen*  1, 1 
S.  332  Anm.  1];  für  die  Verlegung  dieses  Vorfalls  von  Kroton  nach  Samos 
[seine  Heimat  und  ohne  Zweifel  auch  sein  Geburtsoi-t,  Zeller  a.  a.  O.  296] 
ist  nur  die  Flüchtigkeit  des  Verfassers  verantwortlich  zu  machen."  Dass 
Texte  u.  Untersuchungen  XI,  l.  \\ 


162  v-  Dobschütz,  Das  Kerygma  Petri. 

wir  es  mit  einer  überarbeiteten  Schrift  zu  thun  haben,  zeigt  die  eigen- 
tümliche Mischung  einer  allgemein-philosophischen,  stoisch  gefärbten  Moral, 
welche  das  gleichmütige  Ertragen  des  von  der  Zeit  Gebrachten  als  höchste 
Lebensweisheit  hinstellt  —  so  würde  ein  Christ  schwerlich  geschrieben 
haben  —  mit  Anklängen  an  die  ATliche  Weisheitslehre,  aber  auch  an  NTliche 
Worte.  Die  Kenntnis  einer  so  singulären  Notiz,  wie  die  des  nicht  eben 
sehr  bekannten  Duris  lässt  auf  einen  vollkommen  griechisch  durchgebildeten 
Mann  schliessen,  wenn  auch  Syrien  als  seine  Heimat  anzusehen  ist.  Bei 
der  Annahme,  dass  also  eine  heidnisch-griechische  Schrift  um  ihrer  erbau- 
lichen Gedanken  willen  von  einem  christlichen  Syrer  in  der  freien  Weise, 
wie  wir  sie  bei  diesen  Übersetzern  gewohnt  sind,  übersetzt,  resp.  über- 
arbeitet wurde,  erklärt  sich  auch  das  Unklare  des  der  konkreten  Züge 
durchaus  nicht  entbehrenden  geschichtlichen  Hintergrundes. 

S.  105  Z.  13  v.  u.  lies  st.  Commentator:  Commentar. 

Zu  S.  110  sqq. :  Erst  nachträglich  bin  ich  auf  die  Abhandlung  Hallers : 
„Das  Eigentum  im  Glauben  und  Leben  der  nachapostolischen  Kirche"  in 
den  Studien  und  Kritiken  von  1S91  Heft  3  S.  478—563  aufmerksam  geworden. 
Dort  hat  die  hier  nur  kurz  zu  skizzierende  Frage  eine  gründliche  Erörterung- 
erfahren.  Aber  die  Bedeutung  der  zweiten  Gedankenreihe  bei  Hermas,  worin 
er  sich  als  Vorläufer  des  Clem.  AI.  giebt,  ist  m.  E.  nicht  genug  gewürdigt. 
Wertvoll  war  mir  der  Hinweis  darauf,  wie  Barnabas  Fasten  und  Wohl- 
thätigkeit  verknüpft  (S.  515).  Es  ist  charakteristisch  für  die  Eigenart  des 
Barn.,  dass  er  das  jüdische  Fasten  für  ganz  verkehrt  hält  und  durch  Wohl- 
thätigkeit  ersetzt,  während  die  Bedeutung  unseres  Fragm.  XII  darin  liegt, 
dass  das  Fasten  selbst  zur  Wohlthätigkeit  gemacht  wird.  —  Der  Anschauung 
des  Clem.  AI.  über  den  Reichtum  entspricht  auch  Aphraates  Hom.  VII,  10: 
..Der  Reiche,  der  zur  Armut  gekommen  ist,  soll  nicht  sprechen,  alle  Reichen 
sollen  mir  gleich  sein;  denn  wenn  seine  Bitte  erhört  würde,  wer  sollte 
dann  seinen  Mangel  ersetzen?" 

S.  13S  Z.  5  lies  st.  Juno:  Junio. 


Druck  von  August  Pries  in  Leipzig. 


Verlag  der  J.  C.  HINRICHS'schen  Buchhandlung  in  Leipzig. 

Texte  nnd  Untersuchungen  zur  Geschichte  der 

Altchristlichen  Literatur 

herausgegeben  von  Oscar  Ton  Grebliardt  und  Adolf  Harnack. 

Band  I— IV  auf  Seite  II  des  Umschlags. 

V,  l.  Der  pseudocyprianische  Tractat  de  aleatoribus,  die  älteste  lateinische  christ- 
liche Schrift,  ein  Werk  des  römischen  Bischofs  Victor  I.  (saec.  IL),  von 
Adolf  Harnack.    V,  135  S.    1888.  M.  4.50 

V,  2.    Die  Abfassungszeit  der  Schriften  Tertullians  von  Ernst  Noeldechen. 

Neue  Fragmente  des  Papias,  Hegesippus  u.  Pierius  in  bisher  unbekannten 
Excerpten  aus  der  Kirchengeschichte  des  Philippus  Sidetes  von  C.  de  Boor. 
184  S.    1888.  M.  6  — 

V,  3.  Das  Hebräerevangelium,  ein  Beitrag  zur  Geschichte  und  Kritik  des  hebräischen 
Matthäus  von  Rud.  Handmann.    III.  142  S.    1888.  M.  4.50 

V,  4.  Agrapha.  Aussercanonische  Evangelienfragmente,  gesammelt  u.  untersucht 
von  Alfred  Resch.  —  Anhang:  Das  Evangelienfragment  von  Fajjum  von 
Adolf  Harnack.    XII,  520  S.    1889.  M.  17  — 

VI,  1.  Die  Textüberlieferung  der  Bücher  des  Origenes  gegen  Celsus  in  den  Hand- 
schriften dieses  Werkes  und  der  Philokalia.  Prolegomena  zu  einer 
kritischen  Ausgabe  von  Paul  Kötschau.  VII,  157  S.  u.  1  Tafel.  1889.  M.  5.50 
VI,  2.  Der  Paulinismus  des  Irenaeus.  Eine  kirchen-  und  dogmengeschichtliche  Unter- 
suchung über  das  Verhältnis  des  Irenaeus  zu  der  Paulinischen  Briefsammlung 
und  Theologie  von  Jons.  Werner.    V,  218  S.    1889.  M.  7  — 

VI,  3.    Die  gnostischen  Quellen  Hippolyts  in  seiner  Hauptschrift  gegen  die  Häretiker 

von    Hans  Staehelin. 
Sieben  neue  Bruchstücke  der  Syllogismen  des  Apelles.  —  Die  Gwynn'schen 
Cajus-  und  Hippolytus-Fragmente.    Zwei  Abhandlungen  von  Adolf  Harnack. 

III,  133  S.     1890.  M.  4.50 
VI,  4.    Die  ältesten  Quellen  des  orientalischen  Kirchenrechts.    1.  Buch: 

Die  Canones  Hippolyti  von  Hans  Achelis.    VIII,  295  S.    1891.  M.  9.50 

VII,  1.    Die  Johannes-Apokalypse.    Textkritische  Untersuchungen  u.  Textherstellung 

von  Bernh.  Weiss.    VI,  225  S.    1891.  M.  7  — 

VII,  2.    UeberdasgnostiseheBuchPistis-Sophia. — Brodu. Wasser:  die eucharistischen 
Elemente  bei  Justin.  2  Untersuchgn  von  Adolf  Harnack.  IV,  144  S.  1890.  M.  4.50 
VH,  3/4.  Apollinarios  von  Laodicea.    Sein  Leben  u.   seine  Schriften.    Nebst  e.  An- 
hang: Apollinarii  Laodiceni  quae  supersunt  dogmatica.    Von  Jobs.  Dräseke. 
XIV,  494  S.     1892.  M.  16  — 

VIII,  1/2.  Gnostische  Schriften  in  koptischer  Sprache  aus  dem  Codex  Brucianus  heraus- 
gegeben, übersetzt  u.  bearbeitet  von  Carl  Schmidt.  XII,  692  S.  1893.    M.  22  — 
VIII,  3.    Die  katholischen  Briefe.    Textkritische  Untersuchungen  und  Textherstellung 
von  Bernh.  Weiss.    VI,  230  S.    1892.  M.  7.50 

VIII,  4.  Die  griechische  Übersetzung  des  Apologeticus  Tertullians.  —  Medicinisches 
aus  der  ältesten  Kirchengeschichte.  —  Zwei  Abhandlungen  von  Adolf 
Harnack.    IH,  152  S.     1892.  M.  5  — 

IX,  l.    Untersuchungen   über   die  Edessenisehe  Chronik.    Mit  dem  syrischen  Text 
und  einer  Übersetzung  herausgegeben  von  Ludwig  Hallier.    VI,  170  S. 
Die  Apologie  des  Aristides.    Aus  dem  Syrischen  übersetzt  und  mit  Beiträgen 
zur  Textvergleichung  und  Anmerkungen  herausgegeben  von  Richard  Raabe. 

IV,  97  S.   1892.  M.  8.50 
IX,  2.    Bruchstücke  des  Evangeliums  und  der  Apokalypse  des  Petrus   von  Adolf 

Harnack.    Zweite  verbesserte  und  erweiterte  Auflage.  VIII  u.  98  S.  M.  2  — 

IX,  3/4.  Die  Apostelgeschichte.    Textkritische  Untersuchungen  und  Textherstellung 

von  Bernh.  Weiss.  Befindet  sich  im  Druck. 

X.  Aussercanonische    Paralleltexte  zu  den  Evangelien  gesammelt  u.  untersucht 

von  Alfred  Resch. 

1.  Textkritische  u  quellenkritische  Grundlegungen.  VII,  160  S.  1893.  M.  5  — 
XI,  1.    Das  Kerygma  Petri.    Kritisch  untersucht  von  Ernst  von  Dobschütz.  VI  u.  162  S. 

M.  5  — 

XI,  2.    Acta  SS.  Nerei  et  Achillei.    Text  u.  Untersuchung  von  Hans  Achelis.    70  S. 

1893.  M.  3  — 

XI.  3.    Das  Bussedict  des  römischen  Bischofs  Kaliist  von  Rolffs. 

Befindet  sich  im  Druck. 


TEXTE  UND  UNTERSUCHUNGEN 

ZUR  GESCHICHTE  DER 

ALTCHRISTLICHEN  LITERATUR 

HERAUSGEGEBEN  VON 

OSCAE  von  &EBHAEDT  und  ADOLF  HAMACK 


XI.  BAND    HEFT  1 

DAS 

KERYGMA   PETRI 

KRITISCH  I'STERSÜCHT 

VON 

ERNST  von  DOBSCHÜTZ 


LEIPZIG 

J.  C.  HINRICHS'SCHE  BUCHHANDLUNG 
1893 


ACTA 


SS.  NEREI  ET  ACHILLEI 


TEXT  OD  OTEBSUCHOG 

VON 

Lic.  Dr.  HANS  ACHELIS 

PPaVATDOCEXTEX  DER  THEOLOGIE  ZU  GÖTTTNGEN 


&§w 


LEIPZIG 

J.  C.  HINRICHS'SCHE  BÜCHHANDLUNG 

1S93 


Verlag  der  J.  C.  HINRICHS'schen  Buchhandlung  in  Leipzig. 

Texte  und  Untersuchungen  zur  Geschichte  der 

Altchristlichen  Literatur 

herausgegeben  von  Oscar  Ton  Crebhardt  und  Adolf  Harnack. 

I-m.  IV  1/2.  V— VIII.  IX  1/2.  X  1.  XI  2.    M.  216  — 

I,  1/2.  Die  Überlieferung  der  griechischen  Apologeten  des  zweiten  Jahrhunderts  in 
der  alten  Kirche  und  im  Mittelalter,  von  Adolf  Harnack.    VIII,  300  S.  1882. 

H.  9  — 

I,  3.     Die  Altercatio  Simonis  Iudaei  et  Theophili  Christiani  nebst  Untersuchungen 
über  die  antijüdische  Polemik  in  der  alten  Kirche,  von  Adolf  Harnack. 
Die  Acta  Archelai  und  das  Diatessaron  Tatians,  von  Adolf  Harnack. 
Zur  handschriftlichen;  Überlieferung    der  griechischen    Apologeten.    I.    Der 
Arethascodex,  Paris.   Gr.  451,  von  Oscar  v.  Gebhardt.  III,  196  S.  1883.  M.  6  — 

I,  4.     Die  Evangelien  des  Matthäus   und  des  Marcus  aus   dem  Codex  purpureus 

Rossanensis,  herausgegeben  von  Oscar  v.  Gebhardt. 
Der   angebliche  Evangeliencommentar  des  Theophilus  von  Antiochien,  von 
Adolf  Harnack.    LIV,  176  S.     1883.  M.  7.50 

II,  1/2.  Lehre   der   zwölf  Apostel,    nebst   Untersuchungen  zur  ältesten  Geschichte 

der  Kirchenverfassung  und  des  Kirchenrechts  von   Adolf  Harnack.    Nebst 

einem  Anhang:  Ein  übersehenes  Fragment  der  Jrfaxn  in  alter  lateinischer 

Übersetzung.    Mitgetheilt  von  Oscar  v.  Gebhardt.  70  u.  294  S.  1884.  M.  10  — 

(II,  1/2.  einzeln  nur  in  anastatischem  Druck  (1893)  käuflich.) 

II,  3.  Die  Offenbarung  Johannis ,  eine  jüdische  Apokalypse  in  christlicher  Be- 
arbeitung, von  Eberh.  Vischer.    Mit  Nachwort  von  Adolf  Harnack.  137  S.  1886. 

M.  5  — 

II,  4.  Des  heil.  Eustathius,  Erzbischofs  von  Antiochien,  Beurtheilung  des  Origenes 
betr.  die  Auffassung  der  Wahrsagerin  1.  Könige  [Sam  ]  28  und  die  dies- 
bezügliche Homilie  des  Origenes,  aus  der  Münchener  Hds.  331  ergänzt 
und  verbessert,  mit  kritischen  und  exegetischen  Anmerkungen  von  Alb. 
Jahn.    XXTII,  75  S.    1886.  (Einzelpreis  M.  4.50) ;  M.  3.50 

II,  fr.     Die  Quellen    der   sogenannten    apostolischen  Kirchenordnung,   nebst  einer 

Untersuchung  über  den  Ursprung  des  Lectorats  und  der  anderen  niederen 
Weihen,  von  Adolf  Harnack.  *  106  S.    1886.  M.  4  — 

III,  1/2.  Leontius  v.  Byzanz  und  die  gleichnamigen  Schriftsteller  der  griechischen 
Kirche  von  Friedr.  Loofs.  1.  Buch:  Das  Leben  und  die  polem.  Werke  des 
Leontius  v.  Byzanz.    VIII,  317  S.    1887.  M.  10  — 

III,  3,4.  Aphrahat's  des  persischen  Weisen  Homilien,  aus  dem  Syrischen  übersetzt 

und  erläutert  von  Georg  Bert. 
Die  Akten  des  Karpus,  des  Papylus  und  der  Agathonike.    Eine  Urkunde  aus 
der  Zeit  Marc  Aureis,  von  Adolf  Harnack.    LH,  466  S.    1888.  M.  16  — 

IV.  Die  griechischen  Apologeten. 

1.  Tatiani  oratio  ad  Graecos.    Recens.  Ed.  Schwartz.    X,  105  S.    1888.       M.  2.40 

2.  Athenagorae  libellus  pro  Christianis.    Oratio  de  resurrectione  cadaverum. 

Recens.  Ed.  Schwartz.    XXX,  143  S.    1891.  M.  3.60 

3.  Die  Apologie  des  Aristides  von  Lic.  Edgar  Hennecke.     Erscheint  demnächst. 

4.  Theophili  libri  tres  ad  Autolycum  II,  III.    Recens.  Ed.  Schwartz.     |  jnVorbe- 

5.  Iustini  martyris   apologia  et  dialogus  cum  Tryphone  Iudaeo.     /  -Ii*n_„ 

Recens.  0.  de  Gebhardt  et  A.  Harnack.  J  lellull&- 

Diese  Ausgaben  der  Griechischen  Apologeten  sind  nur  mit  kurzem 
sprachlichen  Commentar  und  Registern  versehen  und  sollen  zum  Gebrauch 
bei  Vorlesungen  oder  in  Seminaren  dienen,  weshalb  auch  deren  Preise 
möglichst  niedrig  gestellt  wurden. 

Fortsetzung  auf  Seite  III  des  Umschlags. 


ACTA 


SS,  NEREI  ET  ACHILLEI 


TEXT   UND   r>~TER$ITHUX<T 


Vi  »N 


Lic.  Dr.  HANS  ACHELIS 


FRIVATDOi  ENTEN   DER   THEOLOGIE   ZC    GÖTTINGEN. 


¥& 


LEIPZIG 

J.  C.  HINRICHS'SCHE  BUCHHANDLUNG 

1S93. 


Die  Nereus-Achilleus-Akten  erzählen  das  Leiden  der  Flavia 
Domitüla  und  ihrer  Kämmerer  Nereus  und  Aehilleus.  Sie  wür- 
den schon  deswegen  eine  Untersuchung  auf  ihre  Quellen  und 
ihren  historischen  Wert  hin  rechtfertigen. 

Sie  enthalten  ferner  eine  Reihe  topographischer  Notizen  über 
Römische  Cöineterien,  und  berichten  von  der  Verehrung  mancher 
Römischer  und  mittelitalischer  Heiligen ,  zählen  somit  zu  den 
Quellen  der  Katakomben-  und  Martyrologienforschung.  Auch 
wenn  die  historische  Untersuchung  mit  negativem  Resultate  ab- 
schliessen  müsste,  würde  dieser  Umstand  den  Akten  ihren  Wert 
sichern. 

Dass  sie  endlich  für  die  apokryphe  Petrus-Paulus-Literatur 
durch  ihre  daher  entnommenen  Stoffe  von  Bedeutung  sind,  hat 
noch  jüngst  R.  A.  Lipsius  in  seinem  grossen  Werke  gezeigt. 

Der  lateinische  Text  der  Akten  ist  längst  bekannt  und 
mehrfach  gedruckt;  den  griechischen  Originaltext  in  Vatikanischen 
Handschriften  wiedergefunden  zu  haben,  ist  das  Verdienst  Al- 
brecht Wirth's.  Seine  Ausgabe  kann  ich  ihm  nicht  zum  Ver- 
dienste anrechnen.  Wenn  ich  bemerke,  dass  er  einige  20  Wörter 
seiner  Handschriften  nicht  zum  Abdruck  bringt,  dass  seine  An- 
gaben über  die  Lesarten  derselben  in  ausserordentlich  vielen 
Fällen  falsch  und  irreführend  sind,  dass  seine  Quellenuntersuchung 
jedes  Haltes  entbehrt,  dürfte  eine  neue  Ausgabe  und  LTntersuchung 
berechtigt  erscheinen. 

Göttingen,  im  Mai   1S93. 

Hans  Achelis. 


V  =  cod.  Vatic.  866. 

C  =  cod.  Vatic.   12S6  (Caraffae). 

W  =  Acta  SS.  Nerei  et  Achillei    graece   edidit  Albrecht  Wirth. 

Lipsiae  1S90. 
lat.  =  AA  SS  Maj.  III  6  ff. 

Die  Paragraphenzählung  ist  die  der  Bollandisten. 
Die  Anmerkimgen  nehmen  öfter  stillschweigend  auf  falsche 
Angaben   Wirth's  Bezug. 


Mrtvi  Maut)  iß' . 

MAPTYPION  TOY  ATIOY  NIIPEOY 
KAI  AXIAAEOY. 

Evl6yi]oov.  | 

292 bi  Tovg  %(av  v.alliviviov  [laoxiQiov  a&lovg  ygctcpfj  naoadovvai    5 

7CQodT^ov/n£voi  ndoav  onovd^v  xi&£[.i£&a  xov  öieysioai  ndvxag 
xovg  ivxvyydvovxag  elg  öo^oloylav  &£ov  v.ai  aivov,  xx\v  avögsiav 
avxcov  v.ai  xb  v.ccqxeqixov  Ö-av[.id£ovx£g  vai  xov  no&ov,  ov  nobg 
xov  &£Öv  iv.ev.x^vxo.  Ildvxtov  ydg  xdiv  oqio/hspcüv  10g  nao£Qyo- 
fievtov  neQKpQOvovvxeg  viai  xdüv  aiioviwv  v.ai  dd-avdxtov  artev-  10 
öovxeg  s/tixvxsiv  dya&cöv,  noo&C\ucog  ngbg  ndoav  aiv.iav  xai 
nav  eiöog  d-avdxov  vtceq  Xqioxov  eavxoig  enedidovv  v.ai  xd 
xrjg  viv.rjg  S7ti(pEQ6f.uvoi  xoonaia  f.iex  £vcpQOGvvrtg  Ttgbg  xov  eav- 
xtöv  ßaoiXea  vai  vvqiov  STtooevovxo,  xov  nodov^iivov  avxolg 
xilovg  STiixvyxdvovxsg,  2.  ITgbg  olxndofiriv  de  xtov  onevdovxcov  15 
doeoai  -frew  Xdßo}(xev  vnoyQa(.i}.ibv  Jof.i£xil?Mv  xrjr  £iy£V£Gtdxt]v 
-nagdävov,  xr\v  dvexptdv  Jo/.i£xiavov  xov  ßaoiliwg.  Avxr\  dx£v  ovo 
£vvovxovg  vovßiv.ovlaolovg,  Niqoaa  vaiAyrt.Xia  dvof.iaCo{ievovg, 
ov07i£Q  6  (.lav.dqiog  TLlxQog  6  In'w/.onog  vai  dnööio'kog  ßanxi- 
oag  xqi  Xqigtü)  noooi\yay£v.  Ovxoi  ös  d-£aod/.i£voi  xi\v  vvgiav  20 
avxiov  fn£xd  ndor\g  S7iitu£l£iag  voof.iov/nevr}v  vai  cooai'CofievrjV 
Tzogcpioq  x£  xal  XQv<Jovcp£Giv  svdvf.iaoiv  liyovoiv  irgog  avxr\v 
,Et  xooavxyi  onovdfi  v.ai  zmiuteia  xrtv  ipvy^v  v.ax£vöof.i£ig 
bot]  xb  oioi-ia,  %va  xov  vlbv  xov  vndxov  ^4vQt]liavbr,  av&otonov 
^vr^Tov,  avöga  kr(iprp  i]övvov  xov  vlbv  xov  d d-avdxov  ßaoilitog     25 

2  VCW  stets  Nsqeov  —  4  V  EvXöyrjOOv,  fehlt  W  —  20  V  zu,  fehlt 
W  —  21  W  ßsP  unäariq  —  23  V  xux^y.öafirjq  —  24  Y  ÄvQeU.iavoi- ,  W 
AvQeXiavov;  lat.  Aurelianum,  vgl.  895  u.  s.  w.  —  25  V  &v7]tov. 
Texte  u.  Untersuchungen  XI,  2.  1 


9  Achelis,   Acta  Nerei  et  Achillei. 

vvfj.q)iov  XTTJoao&ai,  bozig  d&avaoiav  ooi  yagitoiievog  ovöercoze  w  p- 18 
zeXog  zji  ev\ngeneiq  xai  zfj  yagf.ioovrrj  e/iiziÜrjOiv.1  Vf.  292 

l47to/.Qi&£loa  de  /loiteziXXa  einev  ,TIoia  övvazat  eivai 
y.geizzcov  ayanrfiig  zov  e%eiv  dvdga  xai  zexvo7ioifjoai,  öi  wv 
5  fi  vozegaia  yXv/.vziqg  dvvrj&eiri  Tzgooßrjrai,  aioze  zrp>  zov  yevovg 
d^iav  yai  zrjv  zov  ovo/nazog  Ltvtyiiqv  iii]  e§aXeicp&fjvai;  Mezd 
de  zovzo  örcolöv  ioziv  oxoXibv  zz\v  TQv<pi]v  zavziqv  xazaXelipai 
y.ai  zf-j  ^öiztjzt  zavzijg  zrjg  Liortg  (jMtj)  ev  dnoXavoei  yeveod-ai, 
aXX,    üjgtieq  0  f.ri]  yevvrfteig  ev  zovzoj  zoj  ßiio  tiiqde  zovzo  &ea- 

10  odtievog  zä  zegizvd  zavza  fii)  no&rjoai'.  3.  Tlgög  zavza  Nr^gerg 
dnoY.gi&eig  enzev  ,2v  zr(v  iiev  rfivzrfca  tnag  oziytirjg  dsiooelg, 
71600t  de  y.ivdvvoz  dt  oXov  zov  ygovov  snaxoXovd-ovaiv ,  ov 
y.azavoelg.  Tlgwzov  luv  ydg  zrtg  bXo/.Xrjgiag  zijg  iiezd  oov  yev- 
vr^eiorjg  anwXeoag  zb  bvoua  zijg  nagd-evov  ywrj  Y.Xzi&eioa  y.al 

15  ovv.ezi  nag&evog,  y.al  1)  iii]  oidenoze  y.azade£aiievi]  zr\v  eXev- 
Üegiav  oov  rzagd  zivog  Y.vQLsvd-rjvat,  Liiqde  vre  avzwv  ziov  yo- 
vecov  oov  t-evov  av&gionov  xvgievovza  zov  oiouazog  oov  noieig, 
oozig  yaÜ-dneg  evzeXei  &ega/iaividi  001  ygcoitevog  y.eXevei  tiiqd* 
bXtog  Zivi  oe  ovvzvyydveiv ,    ov  yvcogiiitp,  ov  7zXr\oiov,  ovyi  yo- 

20  vevoiv,  ov  zolg  uezd  oov  dvaze&Qauiiemig,  ov  zoig  ovoiv  00t 
tttizrideioig'  ei  de  zovzo  vnorczevoei ,  ev&etog  /.tayai,  ovyocpav- 
ziai  /.ai  udoziyeg.  Aombv  y.ivdvvevei  Xoyog,  /ivdvvevei  bgaoig, 
y.ivdvvevei  ay.orj,  "/.ai  et  zi  ff  av  ev  ay.ay.icc  diangdBf],  novijgaig 
ivzoipiaig  zovzo  vnoßdXXezai1.    ]Anoy.gi&eioa  JoiieziXXa  einev 

25  ,Oiöa  zrjv  inqzega  zoiavza  nenov-d-viav.    ZtjXozv\/imv  ydg,  avzijV  Vf.  29  .1 
6  nazYiQ  iiov   erzi  nXeiozovg  ygovovg  vßgeotv  avii]v  e^e&Xißev 
(ir[Zoi  ye  aga  yayCo  zoiovzo  (xeXXco  vnotüveiv;1 

IJgog    zavza   lAyiXXeig   einev    ,ndvzeg    av$ga)7TOi    ngiv   1] 
ngbg    ya/iiov    zaTg   {.iviqozev-d-eioaig   avzolg   owacpd-i\vaij    zavei- 

30  vöcpgovag   yai    ngaozüzoig    eivat    vnoy.givovzai    eavzovg,    (xerd 

de  zr)v  ziov   yducov    e/.7iXi]gwoiv  zd  xr^g   inoygioetog  ava/.a\Xv-  w  p.  1 
Wavzeg,  onoioi  av  vndgyoioiv  cpavegwg  eavzoig  enLÖeiyvvovow. 


3  V  divcivrai  —  4  V  xqüxzov  —  7  V  tQvcprjv,  W  tQOtpijv  —  V  xutet- 
s.vxpui  —  8  W  Ttjq  TjövztjTog  —  lat.  et  vitae  ipsins  suavitate  non  "perfrui, 
W  utj)  —  9  W  xovxov  —  14  V  änö/.soaq,  W  dnoleaaaa  —  V  x).rj- 
&sioa,  W  xlrjfhjog  —  18  V  oov,  W  001  —  19  V  ovyxvy%üveiv  —  V 
01/   oi,   W  ov  xoiq  —  21  V  fici%£   —    25  V  havxtfv.  W  avxrjv   —    26  V 

vßQSOlV. 


Achelis,  Acta  Nerei  et  Achillei.  3 

Kai  edv  /iiiv  nöovoi  V7tdo%ovoiv,  zag  naidio/.ag  dyanwGtv  y.al 
zavzaig  7iyoog)&ei0ovzai,  e/.elvat  de  rag  xvQiag  avziöv  ej-oväe- 
vüjoat,  dvx  oidevbg  avzdg  e'yovoiv  y.al  edv  doyitiaoovGtv  zavzag 
fTziuurfiai,  ev&etag  e/.elvoi  /.ist  ooy^g  y.al  dhaZoviag  zavzag 
du/.dr/.woiv,  y.al  zovzo  ov  liovov  Xoyotg,  a)J.a  y.al  {.tdozit-L  n\e-  J 
ovaloiGi,  y.al  y  noXXd/.ig  nag  evaeßovg  Lirtzgbg  vßgiGir/.bv 
Koyov  (.töXig  vnevey/.ai  dvvrftelaa  yoov&oig  y.al  Xay.zlaig  zvnzo- 
l.ievr\  y.al  jit-r)  ßovloftEvrj  vnoyegti.  4.  Egzw  de  ozt,  ovze  nogvog 
imagyei  ovze  irjXozvnsi,  aXXa  uuiJ.ov  ilagbg  y.al  y.o?.ay.ivaV 
i'd(otuev  ovv,  ei  doy.el,  nolat  Gv/.iq>OQal  zfj  yvvaiY.1  enay.n).ov-  10 
■frovoiv.  —  vXXrft&evzog  ydg  zov  ßgecpovg  ev  zft  y.oilia  vv/.za 
Aal  yf-iegav  zb  ßdgog  /.texd  ßiag  ßaozaLeL'  e£  ov  ßdgovg  ylvezai 
aG^evrjg,  ioyy.io(.ievr^  ayooog,  fio?ug  zolg  noolv  avzolg  ßadlteiv 
loyvovoa'  ßgioiidzajv  de  zwv  r]dewv  drjdiav  vno(.iivoioa,  ßgw- 
uaoi  de  zolg  ßXaßegolg  /.idk'Aov  y.exgrpaL,  b&ev  no?J.dy.ig  ov(.i-  15 
ßalvei  ij  zrj  negiooela  zox  aifiazog  zd  evdbg  ey.cpt.oyovoüai  r} 
293  a  2  r-fi  ayav  ei.iq?oqrioei  ocpodgo  zdzwg  dkyelv  rj  xrt  vnegßaXXovöQ 
$rßözr\ZL  ovGcpiyyea&ai,  r}  zoj  ndyei  zov  Xinovg  oxevovG&ai'  ei; 
wv  dcpog/Liwv  sv  zolg  evdo&ev  xrtg  yaozgbg  f.ivozyoloig  zov  dr- 
y-Qionov  ovXlrjCp&evzog  alzlac  yivovzai,  y.al  Gvfißaivet  zb  zi/.zo-  20 
/tievov  ßgecpog  rj  ndgezov  r]  y.vgzbg  y.exvcpwg  ngoek&elv.  TeXog 
de  sv  avzft  xft  yevvrjoei  no'k'kdy.ig  zrjg  ev-9-elag  ngoodov  naga- 
zganev  ov  fiovov  zolg  zwv  yvvaiv.wv  oqp&ahuolg  zd  xgvnzd  zwv 
$r]keiwv  (pavegovvzai,  d/./.d  y.al  dvdgdoiv  dyvwozoig  did  zeyyx(v 
lazQiy.yv  dnoyviiivovvzai,  ha  iie?>ridbv  zd  ßgecpog  evdov  y.bxpwoiv  25 
y.al  ovzwg  avzb  ngoaydywoiv,  bneg  zr\v  Idlav  {.irpega  ngb  zov 
yevvrftx^ai  ocpayidtei,  ev  o)  xal  avzb  rroo  zov  zftg  yevrrjaewg 
agBaoS-ai  dnoocpdzzezai.  r'Oze  de  y.al  exzbg  ßiag  yevvnföij,  ovf.i- 
ßaivei  rj  ozoaßbv  tj  ßcoßbv  j'  nXr.oeg  zoavudzav  i]  (.tezu  dai- 
(.tovog  avzb  yerviqd-i-vaL ,  b&ev  dvdyy.rj  uälJ.ov  ngozeoov  Xoinbv  30 
tniZrßrpai  et-oQv.iGirjV  rJTreo  zooqov1.    5.  Idnoyoi&elg  de  N^oevg 


3  V  dvS-  —  ').  6  V  7ileovuC,oioi  —  7  V  in^vsyy.ai,  W  vmeqevkyxai  — 
K  V  Öxl  von  erster  Hand  am  Rande  —  9  V  l/MQÜiq  —  10  V  ei'öo/xtr.  W 
l'dm/iev  —  12  V  Tj/nepa,  W  rj/tttiav  —  V  ov  ßdoog  —  13  V  oyxoßtvrjv  — 
V  avxoiq,  W  uvzfjq  —  16  V  ivioq,  erster  Hand  am  Rande:  'rf;  W  ivrog 
—  18  V  Xelnov,  W  Utiovq  —  21  V  ndgaixov,  W  nuQÜ'/.vxov  —  22.  23 
W  naQuz(jci7T£iGT]Q  —  24  V  (hjXlarv,  W  ^rjXscuv  —  28  V  uQ^xai,  W  ugqu- 
o&ai  —  29  V  7i).r)Q£iq,  W  ji?j'jqij  —  31  V  sl'neQ. 

1* 


4  Achelis,  Acta  Nerei  et  Achillei. 

eitcev  |  ,'£2  rcöoov  /.layaola  ioxlv  iq  dyia  nao&EVBia,  fjrig  ix  na-  w  p.  20 
ocov  xiov   avayxidv  zovxiov  dXXoxgia  vndgyEi,   nodt]xy]  de  ioxiv 
&£<7)  y.al  dyyiXoig  ineoaoxog,  7Jv7t£Q  6  y.xr\Gd[.i£vog  o/.wiog  xov 
tieov   xvyydvEi,   6   de  xijv  xov  &eov  6/.ioioxrjxa  /nrj  l'ycov  evexev 

5  xovxov  avxx\v  ovx  eyei,  dioxi  xijv  bXoyXxiQiav  dnwXEGEv  y.al  xi]v 
diacp&ogdv  evqsv.  Tr^v  (,iev  ovv  d(.iaoxiav  dvvaxai  yvvij  did 
/tiexavoiag  dnaXEixpai,  xx\v  de  oXoxXiqQiav  xrjg  nagdsveiag  avxrjg 
dvayaivioai  advvaxov.  Oval  nöot]  (.aooict  ya&£Oxr\y£v  xu)  aXXo- 
xqioj  dsXr^iaxi  eavxtjv  d^eXeiv  |  y.a&vnoxdg'ai,  oval  ooov  oyödou  V  f.  2  3 

10  /.idzaiov  xvyxdvei  xov  f.ir\  y.axavoijoai,  bxi  dvva(xevx\  xig  fiexa 
%aoäg  yal  alveostog  ayyeXtov  y.al  av&qtonwv  xijv  xrjg  nao&eveiag 
dvxdf.ienpiv  dvxiXaßuv  y.al  ox£qjdvio  dö^rjg  y.axay.oo[iiofrrjvai 
/.texd  y.kavd-jiiov  xat  (.texavoiag  ovyxwgrjoiv  vneg  xrjg  (iidvoeiog 
avxrjg  eniQrjxeiv Tldoa  xo'ivvv  dyuoovvrj  did  xivog  dvdyxrjg 

15  i]  -d-eXrj/j-axog  arcoßXrjd-eloa  dvvaxai  did  (.texavoiag  sig  xd  oixela 
/Liszoa  yal  eig  xijv  lölav  do^av  enavaydf.iipai,  (tovrj  de  rj  naq- 
Üevela  dnoßXrjd-eloa  eig  xijv  löiav  xdt-iv  enavaoxQerpai  ov  dv- 
vaxai. Tijv  (.tevxoi  a^iaQxiav  avxrjg  did  fxexavoiag  dnoßdXXtod-ai 
dvvaxai,  avxijv  de  xijv  oXoxXrjQiav  xrjg  naqd-eveiag,  xad-cbg  tiqo- 

20  eiQfjyarxev,  vnoGxqexpai  advvaxov  xal  qj&doai  sig  xd  xrjg  dyiio- 
ovvrjg  avxrjg  (.lexoa'  ndvxa  xoiyaqovv  xd  dnoßaXX6f.ieva  dvvavxai 
dvay.aivio&rjvat,  /novrj  rj  TtaoSevüa  d.Ttag~  a7toXeo9-elaa  dvaxai- 
vio&rjvai  ov  divaxai'  sl  ydo  x.al  xijv  ovyycoQrjoiv  did  f.iexavoiag 
dnoXa/LißdvEi,  ov  (.livxoi  ys  dvvaxai  xal  sig  xovxo  qj&doai,  iva 

25  naqSevog  yevrjxai,  y.a-d-dneq  eyxio&rj,  ev  6'ocp  dneßaXev  xijv  6X0- 
xXiqQiav,  iv  fj  €y€vvrj-d"rj.  6.  IJdw  ovv  qpiXrj  yvr^oia  xcp  -9-£w  yal 
naxol  df.ia  zqj  vuo  xal  xcp  dyicp  nvsv/iiaxi  ^  nag&EVEia  yad-t- 
oxrjxsv.  Kaita7iEQ  ydo  ßaoiXlaoiqg  tcqogiotcov  naowv  ywai/Mv 
xcöv  sv  EvyEVEia  xal  dt-ico/iiaoiv  V7iao%ovoiöv  ngoxi^iaxai,  ovxcog 

30  r\  nagd-EVEia  naotov  xiov  doeziov  v7T£QX£ixai,  ioöxe  dsvxsgov  xo- 
tcov  (.lEtd  xovg  /.idoxvoag  xax£%uv  avtrjv,  woxs  f.i£xa£v  xwv  Xoi- 
niov  doExiov  nQ(öxiqv  avxriv  vTtdoyEiv.    JovXevovgiv  ydo  \  avxfj  v  f. 
rcäaai  al  dgsxai,  xal  logtteq  ßaoiXloor]  -/.ovßiy.ovXaQiai,  otTfog 

1.  2  VW  nävzoiv  —  10  V  xov,  W  xb  —  VW  Svväftsvög  zig,  lat. 
ij ntic  poterai  —  12  V  ävvdfisiipiv  zwischen  r  und  a  Rasur  eines  Buchstaben 
-  W  xaraxoofi'rj&Tjvcu  —  13  V  fj.nöaeo)q,  fxidvascjq  Gebhardt,  D.  Litztg. 
1891,  1305  —  14  Nach  sm^Tsiv  lat.  necesse  habebit  —  18  V  ftsxavlaq  — 
26  yvrjoia  V  v  erster  Hand  über  der  Zeile  —  33  V  xovßixovlaQia,  lat.  cubi- 
culariae  suae,  W  xovßixovXaQicu. 


Achelis,  Acta  Nerei  et  Achillei.  5 

w  1».  21  avzf  |  vizaxovovoiv.  TLagenszai  avzf  nlazig,  iqjanXovzai  avzfj 
iXnig,  ao '71 duez ai  aizrjv  dyäniq  xal  näoai  6/uov  al  zw  ßaoiXel 
tcTjv  ovgavwv  7TaoiGzäj.ievaL,  v7iof.iovr  v.agxegla  ovozaoig  xoofiov 
v.azaygovijGig  aygvnvla  iXer]/.ioovvri  Inodoyi]  avögeia  yviooig  dXrj- 
■Lreia.  Jläocti  zolwv  al  dgezal  al  ovojnaod-elGai  olxeiovvzai  5 
avzfj  -/.ai  ovv  avzalg  o/noGxrjVog  zwv  dyyeXwv  v.a&tozazai,  zrjg 
zov  nagadeiGov  zgvcpfg  iv  dnoXavoei  yivof-ievri  v.al  zfg  evwde- 
Gzäzrtg  ixelv^g  6ocpgrtGewg  xogevvviievrj'  zryv  zi}g  aliovlov  Ltoijg 
LitJoiv  iv  avzfj  xaieyovGa  zov  Xoltzov  ovv.  iv  ozvyvozrjzi,  dXXä 
Ttavzoze  iv  dyaXXidoei  xal  xaQ{(  "h  ipt'X7]  ioziv  zov  alwviov  10 
nXovzov  ä/i€Qiftvtog  xev.zr^ievrf .  7.  3Enl  zovzoig  aTiov.gid-elg 
]A%iXXevg  elnev  ,Tauza  aneg  6  ddeXcpog  {.tov  v.a^vne^ivrjaev 
iv.  noXXwv  oXiya  zvyxävovoiv.  "Qoneg  yag  ix  noza/nov  iieylozov 
aevatog  geovzog  ev  Bsoziov  vdazog  iav  Xdßoig,  oijiielov  f.iev  zov 
nXrj&ovg  zijg  a(.uzgiag  avzov  v.azeyoig,  avzov  de  zov  vöazog  zb  15 
/.iszgov  a7Taoi&i.irtGai  ov  övvaoac  ovzwg  ovze  zftg  d'töiov  tioifi 
ixeivrtg  zrjg  (.isXXovoijg  zryv  yagav  (xal)  änöXavotv  Xöyog  (Q/itrj- 
vevoai  ig~agv.au  El  öoxel  de,  f.irjde  zovzo  nagsX&io/uev  zw  Xöyw, 
ozi  xal  iv  zovzip  zw  v.6of.up  7]  nag'reveia  ovv.  anoXXei  zrtv  iXsv- 
Üegiav  avzffi.  Ov  yäg  tpoßelzai  dvögiv.rp>  avöddeiav,  ov%  vno-  20 
zezav.zai  dvögl  diaqpdsigovzi  avzrjv,  zw  gvnovvzi  zr)v  xad-agäv, 
zip  anoGifgayit.ovzi  zrv  ioq)gayiG(.ievrjv,  zw  ügavovzi  zrp>  Gipav, 

f.  294  a  1  zip  aiy(.iaXcoziLovzL  zitv  iXev&egav  \  xal  evyevlöa,  zvyv  naget  zov 
&£Ov  yeva/LUVtjv,  xal  avzip  xal  zölg  dyyeXo ig  avzov  ovGav  yvqolav. 
Ovzog  de  öia  zr^g  avzov  doeXyeiag  noul  avzitv  dovXrp,  xal  25 
f.ieza  zavza  nävza  e'vöov  zwv  zov  ol'xov  avzoi  xoiyiov  v.aSäneg 
iv  lölcc  ipvXaxfj  v.aziyei  xexXeto/neviqv,  7Tgooxvvr\&z(vai  avzryv 
naga  zivog  ov  Gvyywgel,  ■9,ea-9,rivai  avzrjv  vnb  zwv  yovewv 
xwXvei,   zrtv  zgorpevovaav   avzrjv    naiölaxr^v  xal   zovg  yelzovag 

2  V  avzfj,  W  avzrjv  —  3  Nach  nuQiordfxsvai  W:  (dgezal),  was  aber 
auch  im  lat.  fehlt  —  6  V  ofiöaxivoo.  —  TW  TQo<pfj<;  —  8  W  nach  xr)v: 
(6s)  —  14  VW  devväwg  —  14  V  sv  §sotiv,  W  s'va  ^saxtjv  —  17  W  (xal) 
—  19  V  dnöXXr],  W  dnoXXvsi  —  20  V  ovx  —  21  V  xw  Qvnovv;  lat.  qui 
coinqirinat  mundam,  W  xm  qitcovvxi  —  23  V  alxßcO.(oxi'C,ovxi  —  24  W 
ysvofisvrjv  —  xal  avx<5  bis  avxov  fehlt  W  —  25  V  savxrjv  —  29  xgoepsv- 
ovaav  V  steht  das  zweite  0,  das  Ende  des  vorhergehenden  v,  und  der 
Anfang  des  folgenden  v  auf  Rasur.  Da  über  sv  neben  dem  sp.  acutus  ein 
durchstrichener  sp.  gravis  steht,  stand  schwerlich  ursprünglich  xQO(psv- 
aaaav  (W). 


6  Achelis,  Acta  Nerei  et  Achillei. 

■/.aburcto  lyßgovg  drto  nagayXrJGEwg  y.al  ovvxvyiag  cltzovJ.eui, 
ovSe  vr\n'iovg  avxtj  Gvvxvyxdvsiv  iXsv^Eguog  vnocpeoet,  vcpogw- 
/iievog  iva  /.ir)  dia  xovxcov  ol  xavxr\g  yovsig  ETCiyvwGovxaL  aoixEg 
STrufieQSi  vßQEig  %f>  eavxov  yvvaiy.i.  Toiavxa  xoiyagovv  j  elglv  w  p.  22 
5  xov  TTQwrjV  ev  xfj  nag&Evo)  xpEvÖEig  y.oXay.Eiag  löyrjY.ÖTög.  M^ 
ovv  ipEvdrj  xavxa  xvyyävovGLV  ansg  el'grjy.a;  Ovyl  (.läXXov  y.al 
txXe'uo  y.ayd  luv  vjisfxvr^oa  eX&loev  sy.xsXeoat  i]  avdgixr]  V7i£grj- 
(paveLct;  **A$v(.ieI  öi  yccl  6  xov  #eov  ayysXog  etil  xovxoig  o  xft 
nctod-EvEict    ETtioxaxaiv,    bxi  xavxr\v   acp    Eavxijg    anoßaXXEG&ai 

10  TKXQhywQrpEv,  /nsd*1  r]g  iy£vvrjd-r]  xal  id-rjXaGEv  xov  (.irjxgojov 
/uaKöv,  /lie&'  r\g  lyiXaGEv  y.ai  E/.XavGEv,  oxi  xr\v  dyiav  xavzyv 
oXoyX^glav,  rjvnEg  naget  xov  y.xiGxov  ysvauivrjv  sdtt-axo,  iy. 
xov  olxeiov  avxrjg  xioglov  änoßXrjd-rjvaL  n£iioLr\y.£v  y.al  xr)v 
xavxr\g   iySgEvovoav    diaq?dogdv   ev    xqj   xdnq)    avxrjg  EnLßrjvaL 

15  ovvEyß)gx\GEv.     El;  ov   ydg  yEvvrj&E'iGa  xov  Lr)v  rjg^axo,  ey.e~ige  r\ 
oXo/.Xrigia   avxrjg   Ölelieivev    1)    ös  xavxr\g  svavila  diaqi&oga  it 
Lir[d£7ioxE  avxij  TcgooEyyioaoa  e/.eIoe  avx   avxrjg  EiGrjx^.    Oifxai 
da  xal  xoiavxd  xiva  xov  |  Enioxaxovvxa  xfj  nag&Evsicc  ayysXov  v  f.  294 
y.al  vßgioxiy.wg   E~kiyyovxa   regog  xrjv  dnoßaXXof.iEvr]v  xrjv  nag- 

20  d-EVELav  Xiystv.  8.  ,Ein£,  avSoionE,  xi  ge  r]  nag&svEia  r)dixr]GEv 
rj  Eßlaif.)£v,  iva  xavx^v  ano  Gov  arcoßäXrjg  y.al  Eig  xov  xouov 
avxrjg  xr\v  xavxrjg  a'x&gav  ävzEiGciBrjg;  aOxk  ex  yaoxgog  xrjg  orjg 
f.irjxgdg  ngorj?^d-£g,  (XExd  gov  EyEvvrj&r^  /liexcc  gov  E&y\XaGEv,  (.isxä 
gov  nävxoxE  r\v  y.al  ix,  xijg  ovvovoiag    gov    ovöeuoxe  an£0xr\, 

25  /llexcc  gov  axlavosv  y.lavSfibv  v^inoxrpög  gov,  (.iexo.  gov  £xi$r\- 
vr]d-t]  y.al  dv£xgdq?ri,  voGovvxog  xov  ow/itaxög  gov  Gvv£v6or\G£v  gol 
y.al  ev  xalg  oxEroyiogiaig  xrjg  dod-EVEiag  gov  GvvEGxsvoxwgrftr] 
Goi,  (.lExd  gov  vnvcoGEv,  f.i£xct  gov  iygr^/ogrjGSV,  dviGxay.£vr\g  gov 
GvvavEGxt]  gol,  £vdi6vG/.of.i£vrjg  gov  GWEÖvd-rj  gol,  y.oG/iiovfXEvrig 

30  gov  GvvE/.oG/uio&rj  001,  (^Exa  gov  n£gi£7idx£L,  (.LExa  oov  sx.a9£-   . 
Usxo,  (.lExd  oov  ETiELvaoEv,  [uxcc  gov  ExgiqjiqoEv,  f.i£xa  gov  yga/ii- 


3  V  aittQ  —  4  V  vßQiq,  aber  lat.  quas  exercet  in  muliere  injurias, 
W  vßQSiq  —  7  "VW  (vgl  Judex  graecus')  tjd-tjGev  —  12  V  y8va/xtvT]q,  W 
yevofxävrj  —  14  V  tavrrjg,  W  ravry;  vgl-  z-  16.  22  —  15  V  ixa  —  ixtioe  W: 
hie  magis  placet  ixtlvr]  —  22  V  iyyaorQoq,  lat.  de  utero,  W  ix  yaatQÖq  — 
26  V  voaovoxoq  —  28  uviaxafiivrjq,  V  hinter  zweitem  a  Rasur  von  2  Buch- 
staben, wohl  fis  —  29  V  GvvaveotT]  001,  W  avvsoxrjaiv  —  V  ivdeövGxofxt- 
vrjq,  W  (vgl.  , Index  graecus')  ivövGxofxevyq  —  30  W  avvexoGfxrj&rj. 


Achelis,  Acta  Nerei  et  Achillei.  7 

iiaxa  {.ieiidd-x]Y.ev,  iiexd  oov  ygajtt/naxixrjv  enaidevirr^  iiexä  oov 
v.ax  r^rftii] ,  uexd  oov  8{5an%iG&r\,  f.iexd  oov  xov  ßanxio/iiaxog 
ducpiavedv{rr{,  iiexd  oov  owuaxog  Y.al  aiiiaxog  xov  Xgioxov 
/nexiXaßev,  fiexd  oov  elg  xoig  nveifiaxiYOvg  yd/novg  xov  Xgioxov 
/.cd  xr{g  e/.Y.Xrjoiag  eXr^Xvd-ev,    ev&a  6  fraXa^og  ex  xi(.iicov  uag-    5 

W  p.  23  yagixcov  vr/.oöof.ixixai  did  xrtg  xiov  |  Xoyioawv  Y.atragöxrpog, 
box  ig  Y.atf  fjftegav  e.7ii/.ooi.ieixai  xal  av%dvei.  3Ex  xovxcov  de 
xiov  yd/iicov  v.aS-'  e/.doxrjv  r/iiegav  dneigov  7xXr[i)-og  naidiov 
yevvaxai'  naxr^g  ydg  xiov  yevrcouevcov  vndgxei  Xgioxbg  Y.al 
(.ii\xrjQ  i)  ixTuXrjaia,   b  de  Ü-dXaiiog  ovxog  ovdenoxe  ovoxeXXexai,  10 

f.  2\>i  b  1  looneo  ovde  1)  fn^xrjg  Y.al  vvf.iqjiq  exY.Xr^oia  evdidwot'  |  ev  de  xit 
xov  Xgioiov  oviurXoY.fi  avtdvei  /näXXov  r[  nagd-eveia  x\neg 
cpvyadevexat,  Y.al  ev  tut  toy.io  xrjg  e/.Y.lrtoiag  nXeordtei  vt  0X0- 
xAijo/a  t]7reg  o/iiixgvvexai.  Tavxrjg  xd  x60f.ua  diacpogcov  f.iac- 
yagixwv  rroXvxeXiov  avyalg  aTzaoxgdnxovoiv,  ex  de  xov  oxo/.iaxog  15 
avxrjg  xd  xov  vöf.iov  Tcgoeg%exai  (.isXiggvxa  gyj/iiaxa  Y.al  alcoviov 
Ctortg  xalg  nag&evoig  enayyeXfiaxa.  £2  (.laxagia  xal  dyia  nag- 
d-eveia,  ij  f-iexgi  xov  vvv  uexa^v  df.iagxwXiov  avd-gconcov  ev  yjt 
indgyovoa,  oiovg  Y.al  vvv  enaivovg  001  ngoodysiv  aBiov  xft 
fieXXovot]  /neza£v  dyyeXcov  \.texerceixa  ev  ovgavdlg  evqHqiielod-ai,  20 
nöoov  xLf.acoxega  dndoiqg  nagegxof.ievr]g  ßaoiXeiag  xvyxdvetg, 
nooov  ev  xoouuoxega  ndorig  diavyeiag  Xiircov  noXvxaXiov,  eyovoa 
{.lexd  oov  vea.viOY.ov  cogaioxaxov  Xgioxbv  xov  v'iöv  xov  ndvxcov 
ßaoiXecog  xal  d-eov  diddr\ua  7tegixei(.ievov  xfi  xavöctv7i~L  ^a~ 
oxgdrcxcov  XaiirrgoxrjxL  vneg  naoav  ercovgdviov  dvva/mv,  xal  o  25 
Xa/Lingbg  de  Y.al  negiq)avr]g  ovxog  xjXioq  dovXog  xal  oixexiqg  xrjg 
rcagd-eveiag  xvyxdver  el  ovv  xoi  olxexov  xoiavxrj  cogaioxrjg  xvy- 
xdvsi,  r[  xov  deOTtöxov  bnoia  Xoitzov  Y.ad-eoxiqYev;  avxr]  f.iexd 
oov  ndvxoxe  eoxio,  ij  dyia  rcagSavaia,  f.iexd  xiov  dyliov  oe  nav- 
rtov  enavanavovoa  ev  xfj  alwvia  nagaY^oei  Y.al  nvevi.iaxiY.iog  30 
ovv  ool  7iagaf.ievovoa  dyyiXwv  ovvevq?gavd-eir\  /.al  ovvayaXXia- 
od-eixi  001.  Nvv  ovv  eniXe^ai  oneg  ßoiXei,  rj  xov  aitavaxov 
vv^icfiov  fiexd  xrtg  alcoviov  xaQd?  xj  äv&gionov  üvrjxov,   ovxivoq 


10  ixxkrjoia  V  zweites  x  über  der  Zeile  —  Nach  GvoxzXXsxai.  lat. 
quin  pater  Christus  sponsus  esse  non  cessat  —  12  V  flheo,  W  ?J7t£0  — 
14  V  einsQ,  W  TJneo  —  16  V  litliovTa  —  30  V  naoaxXi^aei,  W  (vgl. 
, Index  graecus')  TKxoaxxrjoei  —  31  V  dyyskmv,  lat.  inter  angelos .  ^r 
cyytXuj. 


g  Achelis,  Acta  Nerei  et  Achillei. 

f[  yaga  diacpfreioezat1.  9.  Tavxa  y.ai  "reget  nXeloza  zovzoig 
o\f.ioia  Nrjgeov  y.ai  '^4yiXXeov  diet;e?>&övztov,  Jo(.uzikla  r]  aoefco-  v  f.  29 
xdxrj  Tiao&ivog  cxTzo/.Qi&eloa  einev  ,El'fre  ix.  TtaXai  r]  xov  ireov 
inlyvcooig  avxr^  nqög  f.ie  iXr\Xv\rev,  iva  f.n\ze  bvof.ia  vv(.iq?i]g  ngoo- 
5  elaßov,  x,ai  el  Tjdvvri/iirjv  avev  y.a/.iäzov  zov  vtecpaiatov  zovzov 
iuikaßeo&ai,  y.ai  v.a&cog  ßanzio&eioa  zr]v  ztuv  eldcöltov  |  la-  w  p.  2 
zQi'iav  v.axe)u7zov,  ovzcog  oly.odo^irjd-eToa  v.ai  xrtv  oaov.r/.r)v  ißöe- 
Av£d/.ir}v  ovvovotav,  7z?>r)v  of.ia)g  iv  o>  zb  ozö/iia  v/.uov  6  &ebg 
dirjvoi^&v    zov    y£QÖrjaa(    xr]v  \pvyx]v   /nov,    elg    avzöv   tcigxevw 

10  bxi  yviagioai  v/.uv  eyei  '/.cd  xrtv    avxov  ßovkrjv,    07Viog   dvvYi&tu 
dt    tfxiüv  otceq  diä  zov  no&ov  avzov  i7iid-v/.tov/-i£v  iynXr^oiöoat1'. 
Töze  Jl  Nrjoevg  xai  ^yilXevg  inoQev&rßav  ngbg  zov  ayiov  Kh't~  ^^ffc 
(.tevxa  xai  einov  avzco'    ,Ei  xai  naoa  1)  do£a  oov  iv  xt~>  '/.vgico 
r^Lwv  Irjoov  Xgioxcp  vndgyei  iozijoiy/iuvr]   y.ai   ovx.   it;   äv&oco- 

15  nivov,  aXl  iv.  dsiov  d^iiöfxazog  iy/.avyäaai,  nkr)v  ofACog  yivio- 
oy.ofxev  KXr^ievza  zov  vnazov  ddeXcpbv  zov  naxgög  oov  yevöf-ievov, 
zovzov  de  jj  döelqfTj  IJXavxiXXa  naidia  r)(.iag  vndgyovxag 
wvroazo.  "Oxs  ovv  naoa  xov  /naxagiov  Tlexgov  zov  dnooxbXov 
zov  xrjg  ttorjg  Xoyov  y.axrjyr^eloa  nioxevaaoa  ißanxlod-rj,    y.ai 

20  r)f.iäg  ovv  avzfj  a/tia  zrjg   d-vyazgdg  avzr)g  z/o/neziXXag  zw  dylcp 
ßanziof-iati  xa^iegcooev.     'Ev  avzuj   de  zw  ygovio  xai  6  fiaxd- 
Qiog  üexgog  o   dnooxoXog  xqi  zov  (.laonoiov   azecpdvq)  v.oo/ui- 
o&eig  ngbg  Xgioxbv  enogevS^i],    woavxwg  |[  y.ai  TLXavxiXXa   zb  c  p.  8 
yijlvov  oto[.ia  xaxaXinovoa  xtov  evdev  fiiezeozrj.     Jof.iexiXXa  de 

25  ri  &vyazr]Q   avxrjg  ^4vgt]Xiavbv  zov   iXXovoxgiov   e/.ivrjö\zevoazo'  v  f.  295 
uy.ovoaaa  de  löyov  naoa  rrtg  r^itezegag  (.iezQi6zr\zog,  ovtcbq  y,ai 
rijueig  ix.  zov  oz6f.iazog  zov  dnoozolov  fie/nad^rjy.a/.iev,  ozi  nag- 
&evog,    ei  dia  zov  zov  d-eov  tzo&ov  iv  r?j  nao&evtiq  dta/iievei, 
avzbv  zov  Xqlgzov  y.azat;iovzai  vv/nqjiov  y.zr'fiao&ai,  iietf  ov  eig 

30  aiojvag    ev   %aoü    y.ai    d6£rj    ovvevcpQavürfiexai ,    ini&vuel   vvv 


1  V  n/.voxa.  —  3  V  el'9-oiQ,  lat.  Utinam,  W  sl'd-e  —  5  W  TjSvvdfitjv 
—  6  V  inüctßeoöcu  —  7  VW  xarsksmov  —  V  cbxoöofxrj^oa  —  10  V 
Tj/xlv,  lat.  vobis,  W  v/uiv  —  14.  15  C  uv&Qwnlvcüv ,  lat.  humana  (digni- 
tate)  —  15  C  iyxavxdoai  —  17  V  ffl.ovt?]J.?.cc  —  C  natösiä,  lat.  nos 
in  famulos  coinparavit  —  20  C  Jo/nnü.Xag,  so  immer  —  22.  23  V  xoa- 
fiiad-sTq,  CW  y.oopri&tiq  —  23  V  ID.ovrt).Xa  —  25  VCW  AvQtlutvbv  — 
27  CW  ix  xov,  V  ex  —  28  VC  öiafxsvovaa,  W:  immo  öia/tsvsc,  longo  enim 
verborum  cireuitu  involutus  scriptor  in  anacoluthum  ineidit. 


Achelis,  Acta  Nerei  et  Acliillei.  9 

zr{v   zr^g  nagif-eveiag  nag    vfiwv   ev%r\v   öeSaa&ai   y.ai  öia  z^g 
yeigbg  vluov  tfj  tov  ivövfiaTog  nEuißolfi  xad-ieQto&ijvai,*. 

IJgdg  ocg  6  /xay.agiog  IÜ.r^nfi  anoy.gi&Etg  einev     ,Kaiobg 

koinbv   tnioiri,    yad-iog   ogw,    iv  (>j    y.ai   rt    iiir}    y.ai   ^    iy.Eiviqg 

TsXaliooig  öiu  ritg  tmod-ioetog  zavzr^g  iv  zw  ßgaßsio)  tov  /nag-    5 

Vi'i  ™giov  JtEQanü&rj.     'Ensiör,    öi    ngÖGzay^ia    tov   y.v\giov  |  fjfiaiv 

Mt  io2S  'Irjoov   XgiGiov    vnagysi    tov    (.tri    (poßslG&at    r^iüg    unb    tcov 

uTroy.TtvvövTcov  to  ocoiia,    tov  &V7jtov  av&gtonov  y.aTaleixpofxEv 

Act  sls  y.ai  ro)  agx^yo)  Trtg  Lioi\g    näotj  onovöft  ay.olov&riGai  aycoviao- 

ue&cc'.  Tote  Toivvv  6  ceytog  ÄAtj/urjcj  ngbg  Jo(.ietiI)mv  sX&wv  10 
iv  T(p  Trjg  nagöevelag  zäy(.iaTi  y.ctiriiocoOEv  avzrjv.  10.  Oia  ds 
/.ai  TiEgi  ti]v  JoliezDJ.uv  ivEÖEi^aTo  Avgrjuavbg  6  TavT-qv 
uvrlGTEioa/.t£vog,  pay.gbv  av  eirj  zov  anavTa  y.aTa  tu^lv  ygayeiv, 
eni  de  tu  twv  ngayiictTiov  teKt[  (.ieteX^u>(xev.  ^Hit^outo  toivvv 
Jo(.ietluvov  tov  ßaoilea,  iva  iav  tov  ftvoai  nagaiTrLor{Tui,  zft  15 
z7(g  IIovTiavrjg  vz\oov  vnoY.£?o$ai  avTiv  i^ogla,  l'ocog  dwq&fi 
diu   Trjg  ToiavzTjg  i^ogiag  tijv  rrjg   ayiag  nagd-evov    ipvyj)v  ex 

I  f.  295  a  2  TOV      ngOY.EljAEVOV      av\TtJQ     GY.OnOV      LlETUGTgitpai.        TüVTOV      OVV 

c  p.  io  ysyovoTog  y.ai  iv  ti]  ig'ogta  Trjg  TlovTtavrg  |  viqoov  yevouEv^g 
c  folgt  afaf^  ||  %^a  JSrigeov  y.ai  l4yt?JJov,  Evgov  i/.slGE  ovo  cpag/.ia/.ovg  20 
iv  ig~ogia.  vnugyovTag  (.ta&ipug  yevofievovg  ~i/iitovog  tov  f.iäyov, 
ujv  6  iiiv  Eig  iy.akelzo  Woigiog,  o  öi  ezegog  ITgloy.og,  ociziveg 
xolg  (.luyiy.olg  or^tsioig  avzcZv  zoig  zrp>  vr^oov  nagoiy.ovvzag 
cc7ionlavü)VT£g  inolrtoav  lliuova  tov  iiäyov  uvtl  tov  viov  tov 
&£Ov  osßao&rjvai  te  y.ai  /iiOT£v&rtvai,  xai  ÜETgov  öi  tov  unö-  25 
GTohov  iy&gov  avTiov  anEY.akovv.  L^vd-iOTa^ieviov  öi  avTiov 
NriQEOv  y.al  ]Ayi?JJov  {.liyiOTOv  nXrjöog  Xaov  vnrgysv  ey.eIoe  ol 
iy.öiy.ovvreg  avzoig.  Einov  öi  ngbg  Tovg  oyXovg  Nrjgsvg  y.ai 
IdyiXXEig'  ,rivtüOY.£T£  Mdgy.sXlov  tov  viov  Magy.ov  tov  Trjg 
n6?.£wg(Pwlur]g  iTccigyov,1   Ol  öi  einov  ,Kai  Tig  ioTiv  o  tovtov  30 


2  ivdvfiazog  V  zwischen  v  und  6  Rasur  eines  Buchst.  —  xa&iSQio- 
&rjvai  V  zwischen  s  und  q  Rasur  von  2  Buchst.  —  3  C  eine  —  4  Nach 
e/urj  lat.  et  vestra  —  8  VCW  unoxtevövziov  —  12  VC  iveöel^azo  —  VC 
AvQshavbq,  W  AvQtkliavöq  —  13  C  to  —  14  C  xazEX&w/xev  —  15  C  do- 
(iiziavov  —  15  C  to,  vgl.  Z.  7.  13  —  15  zr/v  statt  t#  VC  —  16  CW  nach 
vTioztio&ca:  noiijGy  —  C  tgoplav,  W  nach  e^opt«:  (xal)  —  17  VC 
rfjq  —  18  W  avxq  —  22  V  <Pqovqioq,  lat.  Furhis,  W:  emendanduni  puto 
<Povqioq  —  V  oaoivsq  —  26  VW  avzov  urt.  —  Zweites  aiztüv  fehlt  W. 


IQ  Achelis,  Acta  Nerei  et  Achillei. 

fit]  yivtoov.u)v( ;  IJgbg  ovg  a7io/.giSivzeg  elnov  ,Tovzov  zrv  fiag- 
zvgiav  arco dlxeods  negi  ~ifuovog  v.ai  IJezgov;'  Ol  de  emov 
,c0  xoiovxqt  noooiönii)  fii]  nioievwv  fieyag  dcfgiov  xvyyavei1. 
Nrjoavg  y.ai  IdyjXXeig  ngbg  avxoig  einov  ,E7tioyexe  ovv  Xombv 
5  fiiy.gov  xrtg  oojxrjglag  ifiwv  rpgovxi'Covxeg  vai  ev.  xi\g  xovxiov  di- 
daytjg  eavxovg  nagendgaxe,  tcog  ygdfifiaxa  ngbg  avxbv  dnn- 
oxeiXtofisv  y.ai  dvxiygdipt]  r^filv  xd  xe  negi  xov  \  fiavaglov  flexgor  W  p.  2 
xov  wiooiöXov,  tuoccvxiog  de  xd  negi  ~ifuovog  xov  fiayov.  Tijg 
de    enioxoXrtg   fjfiaiv    yevofievrtg   eniXe^aods    sva    i§  vfitov    xov 

10  0 weiXovxa   avxrjv  nqbg  avxbv  dnoxofiioai,  evtomov  de  nav\ziov  v  f.  29. 
vfuov  ävayvcood-rjvca  avztjv  tcoo  xov  dnoozaXx\vai  evXoyov  ygi- 
voftev ,    iva    y.dxsTvog  ävziyoäcptov   fiiqdev   nagaXeiifiei   dia    xwv 
ygaftfidxcov  eS,t]yovfievog.1    ^Ageozbv  de  xovio  xolg  naoiv  xaze- 
q?dvtj  v.ai  dfia  xolg  xtov  ayltov  ygdfifiaoiv  idiov  avSgionov  ane- 

15  oxaltjvaoiv.    11.  Tb  de  xr]g  enioxoXrjg  txpog  7iegielyev  ovziog' 

,Nr]Q€vg  y.al  AyiXXevg  601X01  ^Irjoov  Xgioxov  zip  adekcpifi 
r^uiov  y.ai  ovfifia&rjzfj  oioziqgia  alcoviog.  3Ev  xfj  egyaoia  xrjg 
Ilovxiavrjg  vi]Oov  e£ogto&evzeg  dia  xb  bvofia  xov  xvgiov  t)fiwv 
^lijöov    Xgiozov   yaguv    fieyloiiqv    zovzo    Tjyovfied-a,    aXXd    xi\v 

20  xotavxrjv  r^uov  ^agäv  oiaivovoiv  Oovgiog  v.ai  JlgioKog  01  ftaÜrj- 
xai  —ifiiovog  xov  fiayov,  oiciveg  dia  zä  fiayr/.d  avxoiv  eniztjdev- 
ftaia  ev&dde  e!-a)giod-f]Gav.  Aeyovoiv  ydg  ozi  2if.uov  avaiziog 
V7ir\gyev  y.ai  fiazrjv  avzbv  Tlezgog  b  dnöozoXoq  e^ovdeviooer, 
odsv   y.ai    ndvxag    oyedbv  zovg    ev&äde  nagor/.ovvzag  eneioav 

25  ovxiog  negi  2i/.iu>vog  qogovelv.  cHfie7g  de  naoiv  diaf.iagxvgof.uvoi 
ov  diaXetnoftev  xov  fix\xi  avzolg  mozeveiv,  ngbg  de  tzloxiooiv 
xtov  nag  rjftcov  Xeyofievwv  eni  xb  zrigvfiezegag fieyaXocpvtag,  xifitcö- 
xaxe,  yaxecpvyafiev  irgöoiorcov,  boztg  di  oiysiiov  vftaiv  ygafiftazior 
dwt'ßfl  avzoig  neloat,  bnoiay)  zov  2tfitoi>og  yeyovev  twij.  Maöij- 

30  i\g  ydg  zovzov  yevöfievog  ndoag  avxov  xdg  ngd^eig  dieyvwg,  bd-tv 
övotoTioifiEv  xov  GTieiöai  xd  negi  zovzov  ygdipai  vfiag,  oniog 
dvvij&cooiv  01  in    avztZv  nXavcofievoi   zijg   andzrjg   avitov  Xv- 

1  W  yiyvu>ax(i)v  —  5  V  rjficöv,  W  vfiüv.  —  9  V  iniXs^aa&ai ,  lat. 
eligite,  W:  reponendum  videtur  imkt§ao9e  —  11  V  tvkoyov,  W  (vgl. 
p.  40)    evXoyot    —   12    V    ävilygacpov   —   V   naQaXvxpu   —    17    V   oqiü 

aliovioq,  lat.  salutem  aetemam,  W  TtaitQi  (sie) aulwvioq  intereiderit 

tota  linea  necesse  est  —  20  V  oeialvovoiv  —  VW  <PgovQtoq,  lat.  Fu- 
rhis  —  24  V  Ttävxa  —  28  W  xaz£<pvyofisv,  doch  vgl.  p.  40  —  31  V  Svgoj- 
novfxev,  W:  övaeunov  xovfxtv  propono  öij  inccirovfxev. 


Achelis.  Acta  Nerei  et  Achillei.  11 

295  b  2  TQ(x)&i]vai.     'H  xdoig  rov   v.vqiov   iqfitöv  'lijaov  Xqigxov    s'ono  \ 
fisrd  oot'. 

dsg~äfiivog   ös  xd  nagcc  xiov    dylcov   yQaf.tf.iara   dvxtyQaqjsi 

c  p.  i  ovtchq'      12.  ,Mdo/.s?J~.og    öovXog    ^Irfiov    Xqigxov    xolg    dyioig 

Gjj0]Ft  ^4l°Xoyt]xaTg  Nrjoioj  v.ai  idxikleq).  |[  l4vayvoig  rä  trag?  vfiajv  |    5 

w  p.  27  oxaXsvxa   ftoi    yodufiaxa    xaQag   inX^QW^r^1 ,    yvoig  öi    avrwv 

eÖQalovg  y.ai  dftsrav.ivijrovg  vfidg  ipvxjj   v.ai  ocofiari   sv  rjj  slg 

XQiorbv   nioisi   vndoyovrag   v.ai   avÖQSiiog  vnso   rrtg   aXvjdslag 

dyiovLLouevovg.     TTsQi  ös  ob    ysyQagjrtv.ars   evs/.sv  Siftcovog  rov 

fidyov  %va  eniorsi/.co  vfj.lv,    bnoia   1]   rovrov   ysyovsv  La)rt,    sv.  10 

fisQOig  rivd  rtuv  avrov  nsnQayfievcov  öii]yovfiai,  ira  öi  öXiyiov 

rtov   nsQL   avrov  Xeyofisviov  rb  näv    v.ardöx\).ov  ysvrjrai.     ^Eyio 

roivvv  rovrov  fta&)]rrtg  vnrjgxov,  dsiooiov  ös  avrov  Xiav  novrtobv, 

naiöov.rovov  rs  v.ai  rpaofiav.öv ,    v.Xinr^v   v.ai  y6r<ra,  v.arsXinor 

avrov  v.ai  nooosv.oXXrfi^v  ro>  v.voioj  fiov  Tleroo)  rvj  fiav.aQiio-  15 

raroj    anoorohij.     3Ev    reo    otv   —iuiora   fidyov    rbv    dnooroXor 

anov.aXeh'  v.ai  nQog  fiioog  avrov   rbv  Xabv  rdv  cPwfiaiwv  öis- 

ysiQSiv,  sv  fiia  sv  a   ronco  b  —ificov  r([>  Tltroio  öisudxsro,  vlbg 

jc  7l2 ff.  fiovoysvtjg   XhQCiS    rivbg    vsv.Qog    sni    v.Xivrg    eg~£/.ouuero,    rj  ös 

rovrov  fitjrr^  fisrd  nXsiorov  b%Xov  dv.oXovirovoa  d-otp'coösig  v.ai  20 
bövvTqodg   (ptovug  nQoGscpSQSv.     cO   ds  TIsrQog    slnsv    rzQog   rbv 
).abv  rbv  nsniarsvv.öra  rot  —ificovi'  ,]Toooeyyioax£  xrj  v.Xivrg  v.ai 
rbv  syv.ofii-öasvov  vs/.obv  v.azaydysxe,  v.ai  st  rig  avrov  dvaoxrj- 
oei,   rovrov  ^  niorig  dXr^^g  vnaQXSiv  dayslXsi  nioxsvd^ijvai'. 
Tovxo  ös  rov  Xaov   nsnoirf/.örog  slnsv  nobg  avrovg  o  —ifitov  25 
jEdv  aQriiog  rovrov  dvaorrjaco,  dnov.revvsrs  rbv  Tlsroov1;  *Ano- 
296a  1  v.Qi\d-6vzsg   ös  dnavrsg  sinov   ,Zcovra  avrov  v.aiofitv1.     Tors  b 
-ificov  rolg  öaiftovag    snivalsodusvog  zfj  fiayr/.fj   avrov    Ti%V7t 
TjQ^aro  noisiodai  oaXeveo&ai  rov  rsirvecorog  rb  owua,  onsQ  ot 
oyXoi  Üsaadfievoi   ijo£avro  v.QaLsiv  snaivovg  rv>  Uifitovi  jtqog-  30 
dyovrsg,    rt[)    ös    Tlsrov)    änwXsiav    v.arayjr^iLÖfisvoi.      Tors 
TLsruog    fisrd    ßlag    noirfiag    avrovg    oiyyßai   slnsv   nQog  rbv 
Xaov   ,JEdv  Lr,  XaXx\adrio,  nsQinarr^odrto,  fisraXdßt]  rQoqjrjg  v.ai 

11  V  avrov,  W  aitü  —  14  V  xazi).vnov ,  W  xaxi'/.emov  —  17  VW 
xov  (statt  x(öv)  —  17.  18  V  öteyeiQstv  —  18  iv  fiiä,  lai  subito  —  22  lat. 
,Accedite  ad  feretrunr,  W:  xijv  y.kivtjv  —  26  V  aTtoxxevexe,  W  dnoxxe- 
veTxf  —  29  V  noiüoSui,  lat.  coepit  agere  ut  moveretur  corpus.  W  TioitZv 
xal  &atia  —  30  V  ijogavio  das  v  über  der  Zeile. 


12  Achelis,  Acta  Nerei  et  Achillei. 

anooxgarprixio  elg  xbv  oi/.ov  avxov '  el  dexovxo /ni]  noix\or^  yrwoxbv 
vlüv  eozio  bxi  nXavaoöe  vnb  xov  Stfiütvog*.  Ilgbg  de  xavxa 
anev.giÜt]  nag  o  Xabg  /tuet  (ftovfj  Xeyiov  ,Eäv  fix]  noiiqor]  zovxo, 
xr^v  ygi'oiv,  7]v  v.axd  oov  e&exo,  avxbg  %va  nd&oi'.  0  de  —tf.aoi' 
5  ngoonoiTjod/nevog  eavxov  d-vLiio&evxa  |  cpvyelv  rjßovXqOri,  ot  de  Wp.  2 
byXoi  xovxov  y.gaxr\oavxeg  eSovfrevovvxeg  y.ai  breidiuovxeg  nagt- 
(fvXaxxov  avxov.  Toxe  6  IJexgog  e/.xelvag  xäg  yelgag  elg  xov 
ovgavbv  einev  ,Kvgte  'Irjoov  Xgioxe  6  evxeiXdf.ievog  7cjf.üv 
xolg  001g  j.ia&rjxaig  nogev&ijvai    elg    xov    -/.oouov  ccnavxa    y.ai  Mc  ifi, 

10  ■/.Tjovg'ai  xb  evayyeXiov  ndorj  xfj  y.xioei   y.ai  ev  xo)  ovöfxaxl  oov  Mt  io8 
dccifiovta  aneXaoai,    doöevelg  Üeganevoat  yai  vexgovg  eyeigai, 
avxbg  avdoxrtoov  xbv  nalöa  xoixov,  iva  nag  6   byXog  ovxog  yvo>, 
bxt  ob  ei  &ebg  (.lövog  y.ai  ov/.  eoxiv  exegog  tcXt^v  oov,  6  ovv  xw 
aXQavxq)   oov    naxgi  y.ai  xto   navayioj  nveviiaxi  tcov  y.ai  ßaoi- 

15  Xevwv  etg  xobg  aliovag  xtov  aicoviov.  a.(irp>1.    Idvaoxag  de  b  natg 
ngooe/.vv^oev   x(jj    nixo^   Xeyiov'     ,Eidov  \  xbv    xvgiov    *Ir]Oovv  v  f.  29 
Xgtoxbv    xeXevovxa    xolg   dyyeXoig    y.ai    Xeyovxa'     „Kaxä   xr)v 
aiXTßiv  xov  cplXov  (iov  Ilexgov  änodod-tfxw  6  ogqpavbg  /.ai  ftovo-  Lc  715 
yevi)g  xq  yjtga  xrj  /.irjxgi   avxov.1,     Toxe   nag   6  Xabg   lilcc  opcorrj 

20  exgat-av  Xeyovxeg'  ,Eig  3-ebg  ev  ovgavij}  y.ai  eni  yrjg,  ov  tlexgog 
Y.rjQvooEL.'  'O  de  ^Ificov  [lexauogqxüoag  eavxov  eig  xecpaXijv 
■/.wog  riQg~axo  yevyeiv  01  ovv  byXoi  ygarrjOavxeg  avxov  iqßovXr^- 
örjoav  eig  nvg  i/.ißdXai,  b  de  Tlexgog  eXvxgcooaxo  avxov 
ix  /neoov  xov   byXov    Xeyiov     ,cO    diddoxaXog  rjiwv  y.al  xaiTrr 

25  ytjxrjg  Xgiotbg  b  dXrjtiivbg  d-ebg  erofiod-ex^oev  fif-tlv,  iva  xolgLc,6t7 
dnodidovoiv  fj/ilv  xayd  dya&d  dnodiaooi-iev.'  13.  Mexa  de^Pe^ 
xb  Xvxgiod-ijvai  vnb  Tlexgov  xbv  ^if.icova  iqX&ev  ngog  fte  vopi-  1  Th  5 
oag  (.li]  yivtooy.eiv  [ie  xl  yeyovev.  Tldvv  dyguoxaiov  xvva,  ov 
/.texcc  ßiag  ev   dXvoei  oidriga  dede/.ievov   y.axelyev,   xovxov  ev  xfj 

30  eioödiij  xov  ol'y.ov  (.iov  dei}i\vai  nenoirf/.ev  elncov  ^'Idiofxev 
dgxicog,  eav  b  Tlexgog  dvirid-fj  ev&dde  eloeXüelv'.  Mexa  ovv 
itiav  wgav  £X$wv   b  Ilexgog  xb  or^tielov  xov  oxavgov  noiiqoag 


5  W  eßovtfSt]  —  7  V  0  über  der  Zeile  —  10  VW  xx^jou  —  12  V 
dvüozrjoov,  lat.  excita,  W  (vgl.  ,Index  graecus')  ävÜQxrjOov  —  21.  22  xe- 
<paXr/v  xvvöq,  lat.  capnt  caninum  —  22.  23  Nach  ■tjßovXrj^aav  V  avxov, 
durch  darübergesetzte  Punkte  getilgt;  W  avxov  —  23  W  iftßaXsiv,  doch 
vgl.  p.  40  —  26  V  dnoöoowfisv,  W  dnodwaajfzsv  —  28  W  ytyvwaxeiv  — 
W  nach  ytyovtv:    xal). 


Achelis,  Acta  Nerei  et  Achillei.  13 

t'lvosv  xbv  xvva  /.al  Xsysi  avxijj'  ]'Ans'L&£  y.ai  eins  xo>  Sif.i(ovim 
*Anöaxa  kv.  xfjg  vrcovQyiag  ziov  öai/.i6viov  y.ai  xov  nXaväv  xbv 
Aao'j',  öi  ov  Xgioxbg  xb  l'öiov  aif.ia  s^sxeevj  Tocavxa  ovv 
&av(.idoia  syo)  &eaoäf.isvog  ögof.iaicog  ngbg  xbv  üsxgov  rjX&ov 
y.ai  xolg  yovaotv  avxov  ngooy.v)uvöov  {.isvog  slg  xbv  or/.öv  (xov  5 
avxbv  vnsös^d(.ii]v ,  xbv  ös  —iuiova  /.isxa  axifilag  aneßako^riv. 
.'  p.  29  cO  öi  xvtov  stixoxs  [  Tcgciog  ysvd(.ievog  rcdoiv  TXooosoaLvsv,  fiovov 
296  bi  ös  xbv  SifAtova  |  •/.axeöiio'/.sv  y.azaßaktov  ös  avxbv  y.ai  (.islXtov 
avxbv  onagdoosiv,  ÖQOfxaiog  dnsl&iov  6  TJsxgog  s'/.gaLsv  Xsyiov' 
,'Ev  xuj  ovo/tiaxi,  xov  xvgiov  (xov  ^Itjoov  Xgiozov  suixqstcio  ooi  10 
xov  firj  7roii]Oai  ö^yfict  sv  xivi  /.isgsi  xov  ocü(.iaxog  avxov1.  O 
ös  xvtov  ovösvbg  avxov  (usXovg  axpaod-at  ^övvrfty],  /novov  ös  xd 
ifudxia  xolg  ötjy/uaoiv  y.axsyoxpsv,  tüoxs  xb  dnav  f-isgog  xov  oc6/na- 
xog  avxov  yv(.ivto&i]vai.  Iläg  ös  6  '6%log  (y.ai)  (.idlioxa  oi  nalöeg 
afia  xov  v.vvbg  bniodsv  avxov  v.aisöuov.ov,  siog  ov  /.isxa  oövq-  15 
(.twv  y.ad-dusg  Xvxov  e'Bw  x^g  nolsiog  y.ai  xtöv  xsiyscov  avxbv 
sg~sßaXov.  14.  Mij  vnoqosgiov  ös  xi]v  aloyvvtjv  xovxov  xov  öoa- 
/.laxog  l-iiyQi  svbg  yoovov  dcpavrig  ysyovtv ,  voxsgov  ös  svqs&ti 
/.isxa  Negcovog  xov  y.aioagog  y.ai  övrjyrtoaxo  avxuj  dnavxa  xd 
ysvdfxsva.  Ilovyobg  ös  6  Nsgiov  xvyydviov  novrtgbv  qtilov  xfj  20 
savxov  qjilia  avviCsv^sv. 

JMsxd  ös  xavxa  lögod^ij  6  y.vgiog  xuj  dnooxohio  IJsxgu)  sv 
ooduaxt  ?Jyiov  ,Xsgcov  y.ai  2lfi(ov  nXrtgsig  öai/iöviov  vudgyov- 
xeg  y.axd  oov  /.islszwoiv.  Mr]  ovv  yoßtj-9-fig  avxovg'  sycb  ydg 
slf.il  fisxd  oov  y.a\  öiooio  ooi  xi]v  ovvagoiv  xov  öovkov  (.iov  25 
Ilavlov  xov  dnooxoXov,  ooxig  sv  xfj  avgiov  r^usga  slg  xr^v  'Piu- 
(.iyjv  sloeltvoszai.  Msxd  ös  /.i^vag  L  d/na  avxw  nölsf.iov  (.texte 
xov  Sificovog  sSszs,  (.iszd  ös  xb  viy.r[oav  i/uäg  avxbv  y.ai  slg  xbv 
aörjv  yaxsviyy.ai  btiov  ngög  f.is  sXsvoso&s  oi  ovo  vr/.iqzal  xftg 
7rldvTqg.'     Tfj  ydq  £<gi\g  ^(.isocc  6  Ilavlog  xr\v  c Pcofiiqv  y.axs^aßsv.  30 

1  V  Xsyei,  W  shtsv  —  3  V  dt'  d>v,  lat.  j>ro  quo,  W  öi  öv  —  4  V  #«r- 
fidaia,  lat.  mirabilia,  W  d-aifiara  —  6  W  [lex'  —  7  W  ysvoftsvog  —  V 
TiQOGtyaiQsv,  lat.  orn/nibus  blandus  effeetus,  W  p.  29  ngoae/aipsv,  p.  40 
7iQOOtaaivev  —  8  VW  xaTaXwßwv,  lat.  quem  cum  misisset  subtus  sc,  xaxa- 
ßalwv  oder  xäxa)  ßaXwv  Gebhardt  aaO.  —  W  [6h]  —  9  W  hinter  öqo- 
/xcüoq:  (de)  —  10  V  o?],  Wcf;  r\  statt  oi  auch  1830,  1530  statt  avxoi  eben- 
falls aiTr],  aber  mit  dein  Punkte  über  r\  —  14  W  (xccl)  —  17  W  fehlt 
xov  —  20  W  ysvoftsvcc  —  23  V  7tXi]QStg,  la,t.pleni,  W  (vgl.  Judex  graecus') 
?SjQSig  —  30  Nach  7i\ävr\q,  lat.   Quod  et  factum  est. 


14  Achelis.  Acta  Nerei  et  Achillei. 

Quo  de  xgönit)  avxovg  e&edouvxo  y.al  ncZg  fiexu  C'  tii]\vag  ovX-  x  lim 
Xoyov  eoyov  jj.exd  xov  ~/(.ia)vog,  negixxbv  rjyrjod/irjv  xov  ygdxpai 
diu  xb  nagövxag  v/tiäg  xoig  vf.iexe.qoig  6<p&aXLioig  ndvxa  ired- 
oao&ai'  y.al  6  uyiog  ydg  yLivog  xfj  lEXXrp>idi  yXcooorj  unuv  xb 
5  toc  iiagxvgiov  ctvxcov  vcpog  ovyyguipdpevog  xalg  xrtg  uvaxoXrtg 
exxkijffiaig  e^ene/nyliev. 

15.  ||  Ilegl   de  TlexgüjvlXXug  x^g  -9-vyaxgbg  Ilexgov  xov  [xu-  C  nach 
v.uguoidzov   unoozoXov   egwxrtodvziov  vfiwy   bnola  xccvxiqg  eg~o-    '  ** 
öog  |  yeyovev,  ngoirvf.aog  di    oXiyov  egw.    'YLtslg  enlaxaoize  bxi  w  p.  30 

10  xo>    ireXr^azi  Tlexgov   xov   dnooxoXov   fj   IJexgwviXXa  -/.XivTJgrig 
yeyovev   (xif-ivr^ixai    de   eyio  oxi  xcci  viuov  7cug6vxtov  xal  exegiov 
nXeioxiov  uvxov  f.iai)-r>ziüv  6  Tizog  elnev  xio  dnooxbXa)'  ,Tldvxü)v 
uo&evovvziov   nagu  Gov    tatfieviov   diu  xl  xr^v  üexgioviXXuv  na-  ' 
guXvxr/.rjv  xelo&ui  na\\guywg elg1;  cO  de  unooxoXog  elnev  f'Oxi  c  p.  2 

15  ovxiog   avxij   ovfxtpegei.    c'Iva    de  fii)    voiilarjg  ddvvaxelv  fie  xi\v 
vyieiav  ctvxfj  dwgeioirai  Xeyei  avxfy  ,,TIezgaiviXXu  dvdoxa,  dia-  Lc  439 
y.övrfiov   r}f.ilv.il     lH   de  naguygrjua   dveoiri  ^7^9  yMt  dirjy.ovei 
y.axu   xov  xov    anooxöXov    Xoyov.      Trjg  ovv  vnovgyiag  nXrjOio- 
freiGrtg  ey.eXevoev  uvxrjv  ndXiv  elg  xi]v  yXivr^v  avxijg  vnoozgexpai, 

20  eig  i\v  ev  xip  (pößctj  xov  &eov  bXö/.Xrjgog  die'/iieivev  /.teygi  xov 
xijg  Lo)rtg  avxf^g  xeXovg'  ov  /lwvov  de  avxrt  oio&ijvai  /.ax^iwirij, 
uXXu  y.al  exegoig  nXeiozoig  aixia  owxrjglag  yeyovev  diu  xiuv 
evytov  atxfjg  nXeiozoig  e/.  nu&cov  nor/.LXiov  luoaf.ievi],  ytiuv 
de  xo>  xuXXei  coguioTccxr^g  avvrg  vnugyovorig  OXdy.yog  6  y.outig  | 

25  ngbg    avxiv   fiezu  azguziioziov   nuguyeyovev    ßovX6{xevog  avxrtv  V  f.  297  i 
ngbg  ydßöv  y.oivioviav  eniondoaodui.    CH  de  IlexgoJviXXa  ngbg 
uvxbv  einev  ||  ,Tivog   evey.ev  ngbg  y.6grp>  uonlov  /.texu  oxgaxov  c  p. 3 
IvönXov    naguyeyovag;   El    ovv   ov(.ißiöv    f.ie  Xrtipeo&ai  ßovXei, 
noirtoov  eX&elv  ngbg  /.ie  [xexu  xgixr^v  fj/ueguv  evyevidag  yvval/.ug 

30  /.cd  nugd-evovg  oeiivdg,  bniog  ovv  alxuig  e'X&io  elg  xbv  oitöv 
oov1.  TaJv  ovv  xguöv  r^iegiov  xrtv  ngodeo/itiav  xovxov  ydgiv  rjcr]- 
ouxo    tj    uyiu  nag&evog,   ivu  vqaxeict  xal  ngooevyuig  xbv  &ebv 

1  V  avzoiq  ifrtäoavzo,  lat.  se  viderunt  —  V  fir'/vag,  lat.  menses,  W 
(vgl.  p.  8  f.)  rjixtQaq  —  4  V  am  Rande  otj/i  =  ot]/nei(ozeov  —  7  de  fehlt 
C  —  V  stets  riezQOii?.?Mg,  C  stets  TltzQovrj'/J.uq  —  13  V  iw/xtvot  —  16  V 
vylav,  von  erster  Hand  am  Rande  si,  zwischen  1  und  a  einzuschieben;  C 
vysiav  —  W  (Xeyst  aizTr  —  18  C  teizovQyiaq,  lat.  ministerio  —  20 
VW  eiq  t'tv,  C  ewq  oi-,  lat.  At  ubi  —  VCW  b).ox).^Q(oq  —  22  VC  o<o- 
xrjQiuq  —  24  V  y.difxt^q  —  27  VC  uonXov,  W  uvotcXov. 


Achelis,  Acta  Nerei  et  Achillei.  15 

eni  nkeiov  s§iks(6inj%ai,  oncog  avzrtv  uf.aof.iov  naga?.dßrp  eyovoa 
fistf  eavzfjg  zitv  dyiav  nagd-evov  Wykty.ovZav  z"x\v  ev  zijj  q>oßo) 
zov  -9-eov  ovv&r^doaoav  avzf.  Tfj  ovv  zgizrt  rjfieocc  eX&wv 
ngbg  avzrjv  6  äyiog  NLy.ou^drjg  6  ngeoßvzegog  zrjV  legovgyiav 
zcov  dsltav  zov  Xgiozov  ftvozi]ouov  it-ezeXeoev.  fH  de  leget  nag-  5 
üivog,   z\vi/.a    zb  zov  Xqiozov   dwgov    edeh~azo ,  eni  zi]g  xlivtjg 

Cf.ieavzrtv  dvaxkivaoa  zo  nvevfia  iw  J|  y.vgioj  anedozo.     Tovzov  de 
ovfißeßrj/.özog    al  ovvel&ovoai  evyevldeg  y.ai  nag&evoi  did  zbv 

r*°lf?  (&Xdy.v.ov  *ty  zaiTrtg  y.rjdeiav  dnezeXeoav,  ||    |  16.  (0  ovv  OXd/.y.og 

p.  3i  uezaßakwv  zijv  yvolfirjv  einev  ngbgzitv  Oi]).L/.ovXav  ,Ev  ev.  zcov  10 
ovo  eniXe^ai-  i]  oifißioq  fiov  yevov  rjf  Üvoov  zo~ig  Üeolg.1,  Tlgög 
ov  1)  dyia  <l>)]\iy.ovXa  dnoy.giÜeioa  einev  ,0vze  ovußiög  oov 
eoofiai,  xö>  yäg  Xgiozoj  fiov  y.a&iegcofiai'  ovze  zolg  eidtokoLg 
oov  &vco,  xgiozLavr^  ydg  vndg%iol.  Toze  6  OXdy./.og  nagedwxev 
civtyjv   z(p   ßiy.agui)   y.ai    enoiiqGev   avziv   ev  o/.ozeivozdzcp  ano-  15 

»7  a2  y.leio&r^vai  oiyyjfiazL  y.ai  fie%gi  C  qftegcov  aoizov  dictfiei\vai. 
u4\  de  ziöv  qwXaxtov  ovCvyoi  eXeyov  avziy  ,Jid  zi  ÜeXeig  xer- 
y.(ög  dno&avelv ;  fiäXXov  neio&rni  rtfiiv  y.ai  Xdße  avöga  nXovoiov 
y.ai  evyevfj,  vewzegor,  wgaioiazov,  zt~  zov  y.oftrnog  ag~ia  xoofiov- 
fievov,  dvvdoiiqv  xou  (piXov  zov  ßaoiXecog  vndgxovza1'  Tavva  de  20 
i]  &}]?ux.ovla  nag'  avztuv  dy.ovoaoa  ovdefxiav  ano/.gtoiv  avzalg 
iöiöov  ei  f.u)  zovzo  fiövov  ,Xgioziaviq  eiftt,  zi[)  Xgiozo)  evvfi- 
(pevd^r^v,  y.ai  naget-  avzov  ezegq>  ov  ovvacp&riOOfiaL.1  Hlezä  de 
zag  l'  rffiegag  e/.ßlr^eJaa  ex  zrjg  cpgovgäg  dni]ve%^  ngbg  zag 
nagSevovg  zftg  Beozrjg,  y.d/.el  de  ndXiv  enzd  rifiegag  dnezeXtoev  25 
dvev  zgoqirjg  fj.rtö3  blcog  dvaoxo/uevrt  ex  zcov  ^eigiov  avzCov  fteza- 
Äaßeiv  zgoepffi.  31ezd  de  zavza  dvagziq&eloa  ev  zw  uvzvyi 
ey.galev  ).eyovoa'  l^Agziiog  i^g^durjV  d-edoaG&ai  zbv  noürnöv 
fiov  Xgiovov,  ev  ip  6  no&og  fiov  eozr^giyfievog  vndgyei.1  'EXeyov 
ovv  ngbg  avzrtv  dnavzeg  ol  nageoziozeg  y.ai  avzoi  oi  ozge-  30 
ßXovvzeg  avztfv  3L4gvrtoat  zov  eivai  ygioziavi)  y.ai  aye&^at].1 
OrJ.r/.ovXa  de  ev.oaC.ev  leyovoa'  ?Eyto  nvy.  dgvovfiac  zbv  noii\- 


2  VC  4>iXiy.ov).av,  lat.  Felicula  —  4  VC  avr'tv.  lat.  ad  ><n,(.  W  atTOtc 
—  VCW  stets  Nixödtifxoq,  lat.  stets  Nicomedes  vgl.  unten  Abschnitt  III  — 
7  VC  uvaxUvuou,  W  dvaxXLvaq  —  8  Nach  evysvtöeQ:  yvvaly.se;  einzuschieben? 
Vgl.  1429  —  12  V  ovv  statt  ov  —  13  V  oldoV/.oiq  —  17  lat.  uxores  eustodum, 
W  <fv).axü>v  avtyVyot  —  V  uvzt'j.  lat.  ei,  W  Avxij  —  25  \W  Baorag  —  27  ev 
T}7  uvxvyi  lat.  im  eculeo  —  28  tx.gaZ>ev,  t,  auf  Rasur  V. 


16  Achelis,  Acta  Nerei  et  Achillei. 

Gavxd  fis,  ooxig  di  ifis  oifog  /.ai  yolrjv  ercoTio&rj,  dxdv&aig  Mat.  I 
SGXsopavaj&i]  y.al  oxavoco  ngooiqliu&r].'  ^Eni  xavxjj  ovv  xft  bfio- 
loyia.  naQ&dojxev  xo)  y.vq(u)  xb  uvsvfia,  y.axsvsySslGa  de  anb 
xov  §v?.ov  soolapr]  slg  vnovofiov.  17.  '0  ovv  ayiog  Nixofuqdrjg 
5  o  nosGßvxsoog  di  ano/.alv\pEtog  fxrjvv&elg,  nov  xb  Gojfia  avxrjg 
V7ir}Q%£v,  Kctd-QaiwQ  sv  vvyxI  naoaysvbfisvog  dvsiXaxo  avxb  y.ai 
ßaXtov  sv  yltoGooy.öfiq)  d/itjyaysv  ev  xtp  xellicp  aixov  \  sßaofMp  v  f.  29 
fiiXiq)  ansypvxi  anb  xov  aoxeog  'Piofiiqg  ev  xfj  odqj  xfj  snovo- 
fiatofisvrj  l^QÖsalzivrj,    ymxsI    avxijv  s&aipsv,    sv  a>  xönq)  xaq~  \\  p. 

10  nocpOQOvoiv  al  TCQOGsvyal  fisyoi  xrjg  orjfzsQOv. 

TIsQifjl^av  ovv  eig  xa  coxa  OXä~/.y.ov  xovxo  nsnoirf^svai 
Nixo^irjör^  xov  TcqsoßvxsQov,  boxig  y.azsGy.evaOEv  avxbv  x^arij- 
&ijvai  xai  ngbg  xb  &voai  xolg  eldu'iloig  y.axE7isiysGd,ai.  cO  ös 
ayiog  7robg  xovg  '/.axiyovxug  avxbv  eleyev    *Ey<o  ov  ■d-vto  et  fit) 

15  fiovqt  zw  naviodwäuo)  &s<7j  xa>  ßaoiXsvovxi  sv  xolg  ovgavolg, 
ovyl  ös  xolg  dipvyoig  Xi&oig,  ovgtieq  sv  xolg  vaolg  v.a$äneQ  sv 
(pvXay.fi  syysyXsiGfisvovg  naqacpvXdxxEXE.'-  Tavxa  ovv  avxov  v.ai 
szsoa  nXsloxa  Xsyovxog,  xalg  fioXvßöivaig  ocpalgaig  svxovcog 
ösgofisvog  fisx>   siorjviqg   nqbg  y.vqiov   sk~edrj[.ir}oev'  xb   ös  oaifia 

20  avxov  sv  xm  TlßsQi  noxafuj)  Qicprivai  ngooszat-EV.  Kltqoiy.bg 
ös  xig  xov  avxov  nQEößvxsQov  ovöfiaxi  ^lovoxog  dvsXofiEvog  xb 
otd/na  avxov  y.al  sv  ylcoGooybfuo  ßaXwv  durjyayev  xal  xaxs&sxo 
sv  T(p  7tr]7zaQUi)  avxov  7iXtjgiov  xiov  xslysiav  'Paj/urjg  sv  xfj  böcji 
xfj  S7iovof.iaCof.isvr]  NovfiEvxdvy,  sv  <[)  xÖ7iip  o'i  x(p  &eu>  tiqogev- 

25  yofisvoi  STiLXvyyävovGLV  anEQ  alxoivxai  xfj  nosoßsia  xov  fido- 
xvgog,  boxig  öia  xb  bvofia  xov  "/.vqiov  r^aov  'IrjGov  Xqigxov  sv 
xo>  fiagxvQio)  sxsksioj&rj  xov  twvxog  v.al  ßaoilsvovxog  afia  xCj 
ayQavxoj  avxov  nuxoi  y.ai  xüt  navayioj  nvsvfiaxi  vvv  y,ai  slg 
xovg  auovag  xwv  alioviov.   afirjv. 

30  Avxiyoafpov   sniGxoXr^g  nqog  WläqysXXov  xov  vlbv  Mccqy.ov 

xov  STtdoyov  'Pcourjg. 


4  VW  NixöÖTjfiog,  lat.  Xicomedes  —  7  VW  kvöexazo),  lat.  septimo, 
vgl.  Martyrologium  Hieronyraianura  im  cod.  Bernensis  289  (AA  SS  October 
XIII  p.  XVI):  Romae  via  Ardiadina  miliario  VII  Feliculi  —  9  V  'Aqösu- 
zIvt],  W  'AqÖ£u  xivi  —  11  V  <PXäxxov  zweites  x  später  hinzugefügt  —  12 
V  Nix6öt]fxov,  lat.  Nicomedem  —  zbv  fehlt  W  —  17  V  7iaQa(pv?.ätisz8 
drittes  z  auf  Rasur  —  18  V  GipeQouq,  W  oipvQaig  —  24  VW  Novfxevzävrc 
—  24   01  fehlt  W. 


Achelis,  Acta  Nerei  et  Achillei.  17 

laaohi59  j_g^      .Evxvyiog  (EvivyriQ),   Biy.xcogllvog  y.al  Mägcov  dovXoi 

pj»  b  2  y[<naov  Xgiozov  Magy.eW.cr)  xw  ayannpitj  i]faov  ev  y.vgi«)  yaigeiv. 
TtZv  ygafiftäxcov  oov  y.axalaßövxiov  ngbg  xovg  dyiovg  fidgxvgag 
Xrtoea  Y.al  L4yiX?.ea,  Xomov  Tiagel&ovocu  r^iegai  vny\gyov  ?,', 
arp  ov  xov  fiagxvgiov  f^uotrrfiav.  CH  ydg  Olavla  Jofiezü.Xa  5 
rt  l'/.'/.oiGzgia,  fiäXlov  de  ygioziuvr/.cozdzr]  nag3  avxcuv  diday&eToa 
pp.  5  nioieveiv  j[  elg  xov  y.vgiov  rifuov  I'qaovv  Xgiaibv  y.ai  xr^v  nag- 

w  p.  33  9-evelav  afiefimov  diag?vkdxxeiv  y^tgrjliavbv  tov  \  xavxx\g  bgfia- 
azbv  dnenefixpazo  fii}  ßovXoftevxi  avzm  ovvacpdfjvai,  baxig 
inoirfiev  avzr\v  vneg  xov  ovöfiuzoq  tov  Xgiozov  iv  zavzt]  xjt  10 
vtfocu  igogiafrtjvai.  lO  de  avzbg  ^4igrjXiavbg  y.azaXaßojv  za 
evzavSa  r(g£azo  ziuv  dyiiav  Xrjgeov  y.ai  Idyilleov  zr^v  \pvxx\v 
vnooyeoei  dcogtov  vnovod-eveiv  voftiLcov  di  avzwv  zi)v  yvwfirtv 
xijg  nag&evov  fiezaxivelv.  Ol  de  ayioi  xcc  dcuga  avxov  dniaoä- 
fievoi  y.ai  fiä).Xov  xi\g  zlofieTiXlag  tx\v  ipvyriv  iv  zfj  ngbg  &ebv  15 
niozei  Gn]Qil~avT£g  ßaodvovg  nag*  avxov  ßagvxdxag  vnofieivavxeg 
iv  Tagga/.ivrj  dnrjveyd-rjoav  yal  nagedofr^oav  Mef.if.iio)  'Poirpo) 
xtp  vndxtp,  bang  iv  t/~  avxij  yfj  avxovg  avagxrpag  y.ai  (p).oyl 
c  v-SvTtoY.aiiov  y.axeneiyev  avxovg  9voai  xolg  eldcoloig.  ||  Ol  de  ayioi 
ngbg  avxov  el.eyov  ,IIaga  xov  fta/.aglov  Ilexgov  xov  dnoöxo-  20 
/.ov  ßanxiod-evxag  y.al  xxjv  elg  Xgioxöv  nloxiv  nag  avxov  di- 
dayd-evxag  ddvvaxov  ioziv  i]fiäg  eldojlotg  imftvoai.'  Tavxa 
atzwv   Xeyovxcov   iy.ekevoev  6  vnaxog  xag  y.eq?a?udg  avxwv  dno- 

.  298ai  zur]d-r{vai.     Tcx  de  xovxwv  ocofiaza  did  vvy.zbg  \  xleipag  Sne/.iw- 

00g  (AvöniY.iog),  6  y.al  fiad^rjzrtg  avxwv  yevöfievog,  oly.exrtg  de  25 
zifg  dylag  nag&erov  JofiexlXXag,  ßaXcov  iv  Tzloiagi'qj  dniqyayev 
ev  cPc6fni]  y.al  iv  Ttgoaoxeup  xrjg  zlofiexilXag  iv  xft  dfifitodei 
y.gvnxij  ToiTovg  y.aTe&axptv  iv  tTj  odqj  Tft  dvofiaLofievi]  Ldtgdea- 
TiVTft,  arteyovxog  anb  xiov  xeiyeiov  cPojfir\g  ortiiEiov  evbg  qfiiüeiag, 
eyyioxa  xov  fivr^taxog,  iv  oj  exeS^  Tlexgcorllla  rt  zov  dnoazö-  30 


1  VC  stets  Evziyioq,  lat.  stets  Eutyclies  —  V  Br/.vwQivoq  —  5  V 
<P).aviu  hinter  1  Rasur  eines  Buchstabens,  C  <P?.aßia,  W  <P/.aovia  —  8  V 
AvqsXXiccvÖv,  CW  AvQsfaavov  —  11  V  AvQt/Juavöq,  CW  AvQtXiavöq  — 
16  VCAV  ßuQvtäxovq  —  17  VCW  MsfAicp  —  18.  19  dvaQti'jGaq  bis  vnoxcümv 
VC,  W  stösst  es  aus  —  18  y.al  (p  V  auf  Rasur  —  19  avxovq  fehlt  W  — 
20.  21  xov  ünoozoXov  fehlt  W  —  21  V  ßanxia&ivtsq  —  21.  22.  V  ötöccy- 
9-ivreq  —  24.  25  VC  Snexiüjaoq,  lat.  Auspicius  —  27  Zweites  iv  fehlt  C 
—  28.  29  VC  AQÖmxivri,  W  'AqSsu  Zivi 

Texte  u.  Untersuchungen  XI,  2.  2 


18  Achelis,  Acta  Nerei  et  Achillei. 

Xov  Tlezgov  d^LydztjQ.     Tavza  ftfielg  naga  —ne/.iwoov  (/Lvgtzl- 
v.iov)    dirjyovfievov    fiefia-d-i'y/.afi&v   xov   xa  ||  owftaxa   xwv  ayiwvCv.i 
ovoxeiXavzog.  j|  (H  ovv  vfiexega  dydnrj  onovdaiwg  xa  negi  rjfiwv  c Ms^ 
fuegtfivriOf]   /.ai   xoiovxov  xivci  ngog  rßtag  ozeikj]  xov  ovvafievov 
5  v.ai  fj/Liäg  negi  xrtg  orjg  vyieiag  v.ai  oe  negi  r^iiuv  ev  evq>goovvrt 
noirpai.1     19.  Je^dfievog  ovv  xa  yodj.if.iaxa  xavxa  6  JMdgv.eXkog 
idiov    avxov   ddeXqjbv  Jldgv.ov  xovvofia  dnioxeikev  iv  xjj  avxfj 
vtjOoj,  |  boxig  nenoir(v.ev  fiexd  xwv  Xgioxov  xovxwv  bfioXoyrpwv  w  v.  34 
eviavoialov  xgorov,  iv  vozegw  de  ngog  xov  Mdgv.ek'kov  enava- 

10  Xvoag  xavxa  avxw  dnrjyyeilev  ,Mexd  xb  fiagxvgr^oat  xovg  fia- 
v.ugiwxäxovg  Nr\gea  v.ai  Ayjkkea  rjywviCexo  Avgzfkiavög,  bntag 
xrtv  xxkg  Jof.iexikl.ag  qp&doei  ovveoiv.  Toxe  eggefrr]  avxu)  naga 
xivog  xb  vnegßdhkovoav  eoyr^/.evai  dydnrtv  q  JofiexiVka  fiexd 
Etxvyjov    (Evxv%ovg),    Biv.xwgivov   v.ai  Mdgwvog,    rtoneg    eiyev 

15  iitxd  xwv  idlwv  avxrg  evvovywv  Nygeov  v.ai  Ayjkleov,  xwv  av- 
xrtv    dida^dvzwv  neniGzevvevat  xw    XgioxCo,     Qg   ovv  r^vovoev 
xavxa  b  Avgrjkiavbg  dgofialwg  ngog  xov  dgyovxa  Negova  na- 
guylvexai  /.ai  xovxoig  lavxco  fjx^oaxo,  wg  edv  xov  di;Gai  anag-  Vf.  29* 
vrtoovxai,   vnb   xrtv   löiav  avxov  e§ovoiav  enovxai  **.okaotix\o6- 

20  fteroi,  vofiiCwv  di  avxiov  xrtv  yvwftqv  xrtg  nagSevov  fiexaoxgexpai. 
Kai  iv  xa  dvdgelwg  diangdzzeo&ai  zovg  dyiovg,  ov  fir{v  de  xai 
xwv  ßaodvwv  xov  Avgrfkiavov  fir^  deikavdgr'ioavxag ,  -/.axrjyayev 
avxovg  ev.  xftg  vrfiov  /.ai  v.a&dneg  idlovg  dovlovg  ev  xoiig  eav- 
xov  ngoaozeiotg  /.ai?   %va  an    dXXrjXwv  öieywgiGevy  Eviv%iov 

25  (Evzvyjt)  fiev  dnb  ei;  v.ai  dev.dxov  fiiXlov  xov  aoxeog  odqp  Nov- 
fievxdvT],  Bc/.xwg~ivov  de  dnb  e^rp.oGxov  fiüdov  6dä>  ~akagla 
/.ai  Mdgwva  dnb  exaxooxov  xgia/.oGxov  fiikiov  ev  xtj  ccvxfj  odq) 
—akagla,  e/.e'kevoev  xe  avxovg  xitv  yf{v  oxanxeiv  öi  okr^g  xrtg 
Tjftegag,    xij   eonega   de  Brjgbv   agxov  eo&leiv.    l4'kly   6  navzo- 

30  dvvaiiog  &ebg  dedw/.ev  avxolg  ydgiv  iv  xolg  zrjg  i-evixelag  xönoic, 

1  V  Snsiaöaov,  C  Stisxiojoov,  lat.  Auspicio  —  4  V  xslXrj,  W  arskn 

—  5  V  vysiaq,   aber  14i  6  ist  das  ursprüngliche  vylav  in  vyielav  korrigiert 

—  7  V  xovvo/jlu  —  8  V  lat.  wie  oben,  W  yQiaxiavwv  statt  Xqigzov,  fehlt 
b(xo7.oyt]X(»v  —  9  V  iviv.vGia.iov  —  11  V  AvQeXXiavoq,  W  AvQeXiuvoq  — 
12  W  GvvaivsGtv  —  13.  14  lat.  cwn  Eutychete —  14  V  tjgtisq  — 17  V  AvqeX- 
Xiavoq,  W  Aioehavög  —  17  VW  Negova  —  21  V  6e  —  22  V  AvgsXXia- 
voi,  W  AvQe'/.iavov  —  24  lat.  Eutychen  —  25.  26  VW  Novfxtvvävq  — 
29.  30  W  nävxa  öwafievoq  —  30  V  aizfjq  —  V  iv  zolq  zfjg  gsvixslaq 
xÖTtoiq,  vor  xöitoiq  ein  durchstrichenes  yügiv,  lat.  in  locis  peregriwis,  W 
zijg  tiGefitlaq  iv  xönoiq    u'/J.ozQioig  . 


Achelis,  Acta  Nerei  et  Achillei.  19 

wate  top  f.iiv  Eviiyiov  (EvtvyiL)  tov  tov  tönov  öiotxrjtriv  vidi' 
tynvta  vnb  nvev(.iaTog  äy.ad-dgvov  ivoyXov(.ievov  läod-cu ,  Bi- 
yxwgivov  di  tov  tov  xonov  oi/.orouov  Tgiet^  nagdXvTov  bvta 
■/.cd  ix  trjg  xXivqg  [irt  driotdfieiov  diä  ngooevy^g  avtov  inoir^- 

Wp.35fffc   uyiij,    wöavtwg  de  xctl  j  6  Muowv  vooov  vdeglag  xdf.ivovta    5 
tov  /.ovgdxoga  trtg  nohewg  ^euteitmedrig')  llitgwoaTo. 

20.  TIo/./.ol  ovv  Üeaaäf.uvoL  td  &ai[idoia  tulta  iniatevoav 
ta  Xgiotw  y.ai  yeyovötwv  ngeoßvtegwv  tov  neuiatevxota  Xabv 
inXrftvvav,  Tote  6  navtote  ßao/.aivwv  r^uwv  tr^v  dXvnov  Cwtjv 
diaßoXog  inXr^gwoev  &i[iov  tov  vovv  tov  AvgiqXiavov  /.ai  i^ane-  10 
ateiXev  rovg  ocpelXovtag  avtovg  diaqpogoig  ßaadvoig  dno/teivai, 
b&ev  ovveßri  tov  /.liv  Evtvyiov  {Evti-yi,)  iv  f.ieort  tft  bdcp  tooov- 

298b  i  tov  tvq>^rjvaL  i/.eXevoev,  uiygig  oi  to  7ivei\ua  \  dnedoto'  ovtivog 
tb  aw^ia  e/Xexpev  6  Xabg  rav  ygtOTiavwv  /.ai  fieTa  [.leydXrjg 
Ti/Lifjg  iv  /.ivr^ielw  &ef.ievoi  i7iegdvwd-£v  iv  «i)  tov  Xqiotov  15 
bvö[iaTi  e/.'/.Xrßiav  or/odofi^aav.  Tov  de  Bl/.twqivov  ev  ai>Tw 
tu)  Tontp  tw  enovo/.iaLo/iuvip  KoTiXiag,  evd-a  tu  oCbfueva  xai 
d-eacpwdrj  vdaTa  ßgvovoiv,  iv  avtolg  irti  xeqpaXriv  diu  tgtwv 
wgwv  xQaTrjd^ilvai  i/eXeioev  y.ai  ndXiv  dvay.gef.ivdi1,  wote  sni 
toelg  r}/.ieoag  vnoj-ieivaL  avtov  ti)v  ßdaavov  TavTr\v  vnig  tov  20 
ovö/LtaTog  tov  Xqiotov,  /.ai  ovTwg  ngbg  xvgiov  /.teTeoTTj.  3E/.e- 
Xevoev  di  o  udvgijXiuvbg  to  ow/na  avTOv  aTacfov  /.lelvai'  '/.ai  iv 
tu)  (.ilav  rtlaegav  y.e~io&aL  to  owua  uvtov  aTacpov  iv  totiw  eno- 
voua^of.ievw  KoTiXiag  6  rw^  ygiOTiarwv  Xabg  tov  totcov  tov 
enovof.iaL.o{.tevov  ^(.iiTegvov  iX^ovteg  Xa&galwg  e/.Xeipav  tb  25 
Ti(.uov  avTOv  Xelxpavov  y.ai  ev  rw  Idlw  avTwv  totvci)  ujiiqyayov 
/.a/elae  avTo  {.UTa  {.teydXr^g  Tturjg  t?;  boia  Taqjfj  nagedw/.av. 
'QoavTwg  oi  /.ai  tov  Mdg wva  unooT&iXag  tov  cpiXov  aiToi 
ovbjiiaTi  Tovg/.iov  i/.eXevoev  Xl&w  ßagiTUT^)  naTay&rjvai.     Ov 

1  lat.  Eutychcs  —  1.  2  Y  wie  oben,  lat.  conductoris  loci  filiam  a  dia- 
bolo  liberavit,  W  xov  toticcq'/ov  vlöv  xuy.öjq  l'yovru  {xal)  vnö  —  5  V 
vösgiaq  —  6  VW  xbv  xovquxoqu  xT,g  Ttö/.twq,  lat.  procuratorem  civitatis 
Septempcdae  —  8  lat.  et  facti  presbyteri  —  9  V  in'/.r^rjvav  —  V  10  Alpe /.- 
z.iavov,  W  AvQshavov  —  10.  11  V  i^unöaxeiXtv  —  12  W  ovvsßrj  (otkoq)  — 
12  lat.  Eutychen  —  16  V  oixoSö/iOjaav  —  17  V  Koxrj?üaq,  W  KoxiXiuq  — 
19  V  wqüjv,  W  oqwv  —  19  V  avaxQtfAvuv,  W  dvuy.Qf/xvävai  —  20  V  xr\v 
ßaoccvcov  xavxrjv,  W  xrjv  ßaoärwv  xcdrrtv  Ti/n(OQiav)  —  22  V  Aigs/Mavög, 
W  AvQsXiavöq  —  24  V  Koxü.uq,  W  Koxüiaq  —  W  Xabq  (dnb)  —  W 
fehlt  zweites  xov  —  28  lat.  misso  ....   Turgio. 

2* 


2(J  Achelis,  Acta  Nerei  et  Achillei. 

/liijv  aXXa  v.al  ezeqov  ßaovzeoov  )ü&ov,  ov  eßöof.n'lv.ovTa  avögeg 
/.lezcc  ßlag  iv.ovcpiCov,  elg  zbv  ojfuov  ccvtov  erzid-evzeg,  avzbg  stzl  ovo 
(liXia  ojötceq  i).aq>od  dyvga  ißäazaLev  v.al  iv  avzoj  tiJj  totzo) 
eß-ETO,  sv  o)  ev^ao&ai  elco&ei.  Kai  tovtov  ysyovorog  nag  6 
5  zfJQ  ycooag  Xabg  &avf.iaLovz£g  iniozEvaav  toj  Xqigzcu,  [vod  tov] 
v.al  eßa7iZLG$rtGav.  Il£QLffid-£v  ovv  xolvvv  elg  zag  dv.odg  tov 
jLvor^iavov  tovto  nenoirjv.evai  IMägiova  v.al  7zaQi.dcov.ev  avxbv 
Tut  £7zizQ6uq)  av\zov.  Toze  naoaXaßcov  avzbv  6  inixgoTZog  tov  Vf.  298b 
jLvgr^iavov   nagayor^ia   dnev.zeivev  aiTov.  \  Kai  ovzcog  6  labg  W  p.  36 

10  iv.v.okdipavTeg  tov  ?.l9ov,  bvneg  iv  Tolg  lölotg  cof.ioig  z\v  im- 
cf£(i6f.ievog,  iv  avTto  zb  tI(.ilov  uvtov  une&evTO  ocdf.ia  v.al  vneg- 
dvto  iv  toj  tov  Xqiotov  6v6f.iaTL  iv.vj.rfiiav  avzco  v.a9i£Qtoo~av, 
iv  fj  nageyovzaL  yaoio/naTa  la/ncxTcov  /ueyQi  zr^g  ori/negov  r^ieoag.1 

21.  c^g  ovv  ||  ^qzv  ndvzag  Tovg  ay'iovg  tov  Xqiotov  iv,  Trjg  c°^-9| 

15  oifxßov'/Jag  Trjg  zJof.ieTiXlag,  6  ^4vQr{liavbg  elnev  ngbg  ~  ovl- 
niv.iov  v.al  —eoßi'liavbv  tovg  la/iinQozdzovg  ll.hovGZQiovg'  ,Fi- 
vcoov.co  vfiäg  eoyrf/.evat  evyevidag  boiuaoTag  v,a\  Trjg  Jo\.iezi)Xag 
ovvßr^.aocioag,  Myco  dz)  tijv  EvcpQOOVviqv  xal  Oeodtogav,  zorg 
oocfcoTaTag  naQd-evovg.    c'0/ncog  nagaivco  v/iiag,  ote  (xeTaoTeiXco 

20  iv.  rr]g  vipov  elg  tvrv  Ka/urtavtav  tz\v  z/ojuezikXav,  avzai  ngbg 
avTT\v  y^dgiv  tov  imovJ.xpao&at,  due?,evoovzai,  bncog  tov  XoyiG- 
(.ibv  avTrjg  ngbg  tI]v  s[irp>  yvcö^v  fieTaneloovaiv.  e'Oze  de  fueze- 
ozdhri  iv.  %T\g  Hovziavr^g  vijoov  iv  Taggav.lvrj,  i]).&ov  ngbg  av- 
tt^v  Evcpgoo~vvrt  te   v.al  Qeodwga  v.al  i^g^avzo  Tegneodai  iv  toj 

25  dfia'  v.al  iv  to?  ovvagiozäv  iv.elvag  ?)  <Jo/.i£Ti?^lcc  Talg  vz\oxelaig 

v.al  Talg  Tzgooevyalg  ioyölaZev.    Kai  ?.eyov\oiv  avzfjiv.elvai'  ]idgTi  c  p.  n 
.ort  r^ielg  iad-iouev  v.al  dvöodöLv  ovveLevyd-rjiiev ,   ov  dvvd[.ie&a 


2  (xeza  ßlug  lat.  //./•  ml  troehleam  —  5  V  vq?  a>v,  W  rw  Xqioxoj  .  .  ,v<p 
wv  xr)..,  lat.  credidit  Christo  et  baptizatus  est  —  7  V  AvqeX/.luvov ,  V\T 
AvgsXiavov  —  9  V  AvqsXkiccvov,  W  AvQekiavov  —  12  W  fehlt  ixx?.rjalav 

—  V  amü,   W  airo   —   13  V  iv  ?j,   W  ev&cc,   lat.  in  qua  —  14  C  tjqb 

—  15  V  AvQeXXtavdq,   CW  AvQe/.iavög   —    C  eins  6t   —    17  V  ioyvzevai 
-  V  r?jq  Jofiezl?.?.j]Q,    C  ztjq  Aofxirl/J.ag,    W  zy  AofA£ZL/.Xu  —  18  V    ovv- 

ttv'/.uGaGaq  —  19  VW  ooqxoTcczovc,  C  ao(p(oxüraq  —  21  V  änekevoovzai, 
CW  ine/.svaovzai  —  22  V  (xezantlaovaiv,  CW  fxezaneiocjoiv  —  VW 
ös,  C  ovv  —  23  V  iv  TeQQUxrjvrj ,  C  elq  Tfpocodvrjv  —  24  W  fehlt  ze  — 
C  7]Q§azo  —  24.  25  W  zionto&ai'  iv  w  u.(xa  xal  zw  y.zX.,  lat.  invicem 
habnerunt  gavdiwn  magnum.  Interea  ad  eonmvium  dum  venissent  pran- 
dentibus  Ulis  etc.  —  27  uvöqÜgi  C. 


/ 


Achelis,  Acta  Nerei  et  Achillei.  21 

oeßeiv  zbv  &aövl ;  Ilgbg  zavza  JoiieziXXa   dnoKQLd-eToa  einev 
'Ev   og(ij   r/eze  evyeveozdzovg  avdoag,    edv  d-eX^oovoiv  vfiag  ex. 
xov  nöitov   avxcdv  xiveg  dyevelg  diayiogioai,    önwg  avxol  vfiag 
St. 299 ai  Xdßwoiv  |  ov/.tßiovg,  i]deiog  y.axadeyeo&e1 ;  Ai  de  dnexgl&roav 

,3Jr)   yevoixo   fi/näg  xi  xoiovxov   vno{.teivail.     Jo/.iexlXXa   einev    5 

,'Qoavzcog   x.dyib  eycov  piyav  vxd   d-av/.iaoxbv  vv/iicpiov  ovdaiaog 

Mti9s,1  öiv^oof-ua   hegiij   dvdgl  ovvacfd-r]vai.     Avxbg  ydg  enr^yyeiXaxo 

zeug  did  zö  ovoita  avxov  yvXaxxovoaig  xr]v  nagd-eveiav  aiie[.inxog 

Mt  n,  elvat  vificplog  vxd  dtogxxiaod-ai  avxalg  Uory  zr)v  auSviov,  oozig 

w  p.  37  vwplovg   dveßXexpev  \  ,    Xengovg  exdß-agev ,    vexgoig    dvrjyeigev.  10 

Tavxa   zd    orjiela  inolrjoev,    iva   ndoiv   deib]  neu  ndvxeg  eig 

C  p.  12  avzbv  nioxevocooiv.'    22.  Aeyei  avxj]  ||  Oeodowa'  ,'AdeXcpov  eyio 

vecoxegov,  ov  aixr)  e'yvcog,  bvo/iia  'Hgiodr^v  aXXd  ngb  evbg  zov- 

zov  ygovov  ni^gcooig  xeov  öcp&aXjiiwv  avxoj  enr]X&ev.    Tovxov  ev 

zep  xov  &eov  oov  6v6j.iazi  edv  ytoxlorjg,  niGxeioo/iiev  xolg  naga  15 

oov  elgrxisvoig.'     Kai  y  Eixpgoovvrj  einev  ,-v  /.iev  zbv  adeXcpov 

oov  xvcpXbv  ev  lPcö/in]  vxaeXineg,  eytu  de  evxav&a  eyco  d-vyaxgiov 

zrjg    &Qaxpct}.ievrjg   tue,    rtxig  ev  aggioozla   eßtoßtofhi'    ax.or)v  ftsv 

nXx\geoxdxy\v  eyei,    eftovr)    de   vxd  Xöyog   dneoxrtoav  an    avxTtg.' 

Kai.  zavxa  elnovoa  exeXevoev  avxi)v  dy9rjvai.    Toze  zlof.texiXXa  20 

vnoaxgcooaoa  eavxr]v  eig  ngooevyi)v  enl  Ivxcvdg  togag  nagexaXec 

zbv  &ebv  fiexd  dax.gvwv  vneg  avzrjg'  dvaoiüoa  de  et-ezeivev  zag 

X^gag  avxrjg   eig  zbv  ovgavbv  vxd  einev  ,Kvgie  Irfiov  Xgioze 

Mt  28=0  b  elnwv  „(istf  vfitov  eltul  ndoag  zag  r\f.iegag  ecog  zrjg  övvzeXeiag 

c  p.  13  zov  altovog",  de'tSov  dXrj&rj  indgyeiv  zrtv  vneg  \\  oov  [lagzigiar  25 

ftov.1     Kai  (.tezd  zb  elnelv  zavza  zb  on]f.ie~iov  zov  ozavgov  icotr- 

Vf.  299  a  2  oa\oa    en     avzl]    elixev    ,'Ev    ovn/itazi  zov    vxgiov  t]f.uZv    Jrjoov 

Xgiozov   e'Xdj]   enl  oe  i)    evegyeia  zwv  yelXeiöv  oov  v.al  avoiB]] 

Lc  iM  zb  oibfia  oov  6  dvotg~ag  zb  ozoi.ia  Zayagiov  zov  ngocprtzov  y.v- 

giog.'     'Eni  zavzij    tij  cpiovjj    zrjg  dyiag  Jo(.ieziXXag  dvev.gag'av  30 

r]  xogri  Xeyovow    ,A?.rt^r)g  vrzdgyei  b  öeog  oov,  Jo/^uzlXXa,  vxd 


1  C  ÜQoq  ravzag  —  2  CW  Q-e'/.rjG(OGiv  —  3  C  ivyevtiq,  lai  üjnobiles 

—  11  Ttäoiv  bis  y.ui  fehlt  C  —  12  C  thotsvgoxji  —  13  VC  avxri  —  13  W 
nach  ovofxct:  xovtov  —  13.  11  V  xovxov  von  erster  Hand  am  Rande,  hinter 
tvbq  einzufügen,   C  nach  -/qovov,  bei  W  fehlt  es;    lat.  ante  istum  annuni 

—  17  V  xaxsXataq,  CW  xuxü.uieq  —  IS  ev  uqq.  iß.  fehlt  C,  lat.  in  aegri- 
1 inline  tn uta  facta  est  —  21  C  avxtjv,  lat.  se  —  22  vnhp  avzrjg  fehlt  C  — 
22  C  egreive  —  28  V  ävv$aq,  C  dvoi&t,  W  clvoiSn  —  29.  30  C  fehlt  xv- 
pioq  —  30  C  ivexQtcSev. 


22  Achelis,  Acta  Nerei  et  Acbillei. 

/nay.dgtoi  ol  TxioxsvovxEg  did  gov  xoj  XgiGxol  zijj  vujj  zox  irsov 
xov  Uovxog1.  Tore  vneoxgtüoav  eccvxäg  d(.i(p6xsgai  sig  zovg 
nodag  avzijg  ~/.al  niozeioaoai  zw  Xgiozqj  y.a&i6Qw$rloav.  ^4%&eig 
de  y.al  6  ddsXcpbg  zftg  Osoötogag  nrtgbg  tov  öid  ngooEiy^g  xrtg 
5  Jof.iExiXXag  aveßlexptv.  (Oftorpvywg  ovv  avdgeg  neu  yvvaiy.Eg 
ol  ovveXd-ovzeg  ix  zr\g  noXetog  löbvzsg  zu  Savfiaoia  zctvzcc 
intozEvoav  zqj  Xgiozü  y.al  ißanxio^^aav,  b^io^ifxadbv  dovXoi  c  p.  u 
y.al  iXsvdEgoi,  v.cti  yiyovEv  6  oi/.og,  iv  ip  Kaxsfisvov,  y.a-9-dnEg 
iy.y.Xrfiia. 

10  23.  'Qg  ovv  nagayiyovsv  6  ^4vgi]liavbg  /.isxd  zcov  bgfiaoxcbv  | 

Evgjgoovvrjg  ze  y.al  Oeodcogag  syovxeg  fietf  eavxiov  bgyava  xgia,  w  p.  38 
ixiXevaev  cijoaval  iv  /.tia  r^iega  xguov  nagSivwv  yd/novg  eazeXeiv. 
c£lg  ovv  elöov  zec  &av/.idaia  xavxa  —ovXnr/.iog  ze  y.al  SsgßiXiavog, 
afxa  y.al  d/.ovoavxEg  zd  grftivxa  ze  y.al  ysyovöxa,  inloxevoccv.  Ovg 

13  6  ^4cQ7qliavbg  naga/.aXeiv  ijot-azo,  bnoyg  zovg  ydf.iovg  sv  zio  dfia 
l/.xeXioioOLv.  Ol  de  dno/.gi&evzeg  ziaov  avxur  ,4ög  dot-av  zoj 
■9-eco,  ovzivog  xi]v  6vvaf.iiv  iv  zcß  cpiozio&evzi  zvq>Xqj  bgoJ(.iev  xal 
zr\v  aXaXov  tydsyyofisvqv  &eojgovu£v'.  lO  de  ^ivQtjXiavdg  (ii) 
ngoooyiov  zolg  nag    avziov  Xsyo/nevoig  s/JXsvgev  zttv  Jo(.iexiXXav 

20  än:oy.X£io9rjvai  iv  xqj   y.oiztovi   avzov,    omog  dj.ie\oi(.iviog  avxtjv  Vf. 299b 
ßtdorj[\cai.     Kai  f.iszd  zov  öeinvov  ngoßXij&ivxwv  züv  bgydvtov  c  p.  15 
rjot-azo  AvgrJ.iavbg  Lisza^v  ziov  ogyoifievcov  zsgnofxevog  doysi- 
o&ai  y.azd  zb  e&og  xä)v  yd/ncoi'.    TIdvxcov  ovv  azovqodvziov  avzbg 
djzavoztog  zooovzov  logy^oazo   inl  ovo    vvxirn]f.i£ga ,   fiixQ1?  ov 

25  dzovrjOag  ig'envevoev.  Kai  zovzo  löbvzeg  ndvzsg  inioxevoav  xq~i 
XgiGzqp.  24.  cO  öi  ddsX(pbg  zov  avzov  ^4vgy\Xiavov  zovvo/.ia 
ytov^ovotog  rzrfiazo  zov  ßaoiXia  Tga'i'avbv,  bnojg  navzag  zov 
tivöidöai  owtoörjorj,  zovg  öi  avziXiyovzag  öiacpogoig  avzovg 
ßaodvoig  aig  av  ßovXrjd-^  dnoyzEivrj.    "O&ev  yiyovsv  bncog  zov 

30  —ovX7iiy.tov  y.al  ^egßiXiavbv  zij}  iudgxqi  zi]g  noXsiog  ovb/xazt 
Idviavqt  nagadwarj.    cO  öi   l'nagxog  f.ta$d;v  y^giGZLavovg   ysyo- 

3  VC  wie  oben,  lat.  credentes  mysteriis  Christ i  conseeratae  sunt,  W 
imaxevoKv  xü>  Xq.  (xal)  xa&.  —  10.  15.  18  V  AvQt/.huvöq,  CW  AvQsfaa- 
vöq  —  11  W  EvcpQoavvaq  —  12  CW  lassen  TjßSQa  weg,  lat.  uno  die  — 
15  W  iv  xw  .  .  .  a/xu  —  19  V(?)  C(?)  W  ngoo'ywv  —  C  ixeksvae  — 
21  V  zov  deinvov,  C  xov  öünvov  —  22  Nach  TjQgaxo  Wo  —  V  Avqe).- 
l.iavoq,  CW  Ai(>e?uav6q  —  25  C  igenvsvoe  —  26  V  Avos?.Xiavov,  CW 
AvqsXiuvov  —  27  V  stets  Aovl,ovqioq  —  27.  28  CW  nävxaq  TiQoq  xb  &. 
—  29  VC  oiq,  W  alq  —  31  VC  Avtuvw. 


Achelis,  Acta  Nerei  et  Achillei.  23 

vavai    Y.ai    uit    &ekrfiavTag    -3-voai    zoig    sldaj?.oig   zovg    avzcüv 

c  p.  ig  av%ivag  vrzoxXlvai   nagavzd  \\  !-tcpei   (zai)  xdg  XEcpahdg  avziöv 

dnozi-irft^vai  BxiXevosv.  c£2vzivojv  zd  xiuia  otottaxa  olygioziavoi 

iv  zoig  idioig  avzüv  ngoaozeloig  {.lEzd  /nsya?^  zt/ni^g  dni&evzo 

iv  xij   6 dop   zjt   irzr/wgia  6vof.iato(.iivrl  ytazlvrj    dnexovzog  drzb    5 

zov    dözeog  'PcufMjg   (.iDua    ovo,    iv  co    xotzoj    Y.agnocpogovvzai 

at  dvvdfieig  zov  fiagxvglov  avzcdv  iiiygt  T1]?  or^isgov  fjiiigag. 

25.   Kai  f.iEza  xavxa  i/Togev&7]  6  ylovg~ovoiog  nobg  zag  rzag- 

w  p.  39  Sevovg  zov  Xgiozov  iv  vfj  zwv  Tagga/.ivrtoiojv  noXei,  \  cfiziveg 

iir}  ßovh&etoai  zo~ig  eldcoloig  Svaidaai,  dq?s?^.6luevog  ndvza  xd  10 
vndgyovza  alzaXg  iv  avxop  zco  Y.otztovi,  bnov  i\uvovoai  zov  y.v- 
V  f.  299  b  2  qiov  öujyov,  ivani/XeiGav  y.ai  ov\zojg  7TVQ  ßlri&i]vca  ngooezat-ev. 
*Ev  alXy  de  r^iiga  ilfrtov  b  (.lay.dgiog  Kaiadgiog  6  öidy.ovog 
svqev  zd  zcov  dyiiov  aioftaxa  dß?*aßij  iv  /mqdsvi  cpXoyiod-ivza' 
c  p.  17  in  bxpiv  xslfisvai  xal  ||  ngoaev/o^evai  ovzwg  ngbg  xvgiov  clrze-  15 
ör^irjoav.  c£}vzivtov  zu.  ziuia  Xeixpava  6  ayiog  Kaiaagiog  iv 
?mqvccyu  xaivrj  oiivgvloag  v/zb  yfjv  Y.aze&ezo  iv  Xgiozop  Irpov 
zw  Y.vgiu)  y/utuv,  fy  näoct  <5o|a,  zi/nrj,  y.gdzog,  LiEyalcoovvn]  ze  Y.ai 
uEyakoTzge/TEia  ovv  zco  dvdgyco  Ttazgi  Y.ai  zco  aytoj  xal  Cwo- 
noico   nvevuazi,    vvv  Y.ai  dei  Y.ai  eig  zovg  auovag  xiov  auovcov.  20 

d(A7Jv. 


Die  lateinische  Übersetzung. 

AASSMaj.  PrologUS 

III  6  f.  ' 

Xisi  studia  catholicorani  securitatis  suae  somno  quiescerent, 
nulla  posset  ratione  impietas  haereseos  limites  invadere  pietatis,  ad  25 
evigilandum  nos  stiniulis  suis  exulcerans.    Et  tarnen  segni  quadani 
evigilantia  ac  fastidiosa  cura  strenuis  et  sollicitis  obviantes,  negli- 
gimus  agnos,  quos  pro  certo  de  ovili  amittimus,  luporum  morsi- 

1  VC  ecturwv,  W  avzwv  —  2  V  vnox/üvai,  C  vnoxXZvai  ngood^aq, 
W  vnoxklvaq  —  V  nv.Quvxa,  CW  TtuQavxlxa  —  5  V  iiii%ü)Qia<z,  C  mi- 
ywQiwq  —  TW  Aaxiva  —  C  U7te/6vz<i)v  —  6  VC  tfjg  statt  zov  —  C 
(xi).I(üv  övwv  —  7  C  av^rjusQOv  —  9  VC  zfj  —  9  VC  TsQQaxiviaicov  -— 
VC  r/luveg  —  12  C  ovzoj  —  14  C  svqs  —  15  CW  tu  en  öipiv  —  VC 
xtifxevai,  W  xttfxevu  —  CW  ovxco  —  17  VC  xaivw  —  V  aix^Qvrjaaq  CW 
a[MiQvrjaaq. 


24  Achelis,  Acta  Nerei  et  Achillei. 

bus  devorandos.  Unde  juxta  eoruni  sollicitudinem,  qui  ante  nos 
fuerunt  orthodoxorum,  provinciae  nostrae  martyria  aliquanta 
colligens  de  graeco  transtuli  in  latinum;  dans  exemplum  hoc 
diversarum  provinciarum  studiosis,  ut  sicut  nos  in  nostra,  ita 
5  illi  in  suis  provinciis  transferant  consummata  martyria;  ut  populi 
excolentes  et  venerantes  eos,  quos  pro  nomine  domini  nostri  Jesu 
Christi  passos  agnoscunt,  sciant  quo  studio  belli,  victoriarum  triura- 
phos  portantes,  ad  regem  ovantes  et  laetantes  pervenire  meruerunt. 
Das  folgende  Primum  itaque  etc.  ist  dem  Griechischen  ITobg 
oi/.odo(.ri]v  da  115   v.zk  parallel. 


I. 

Die  vorliegende  Ausgabe  beruht,  wie  die  AWirth's,  we- 
sentlich auf  dem  Vaticanus  866,  wo  die  Akten  des  Nereus  und 
Achilleus  sich  fol.  292a — 299b  finden.  Die  Handschrift,  perg., 
in  folio,  stammt  nach  Wirth  p.  14  aus  dem  Ende  des  elften, 
vielleicht  richtiger  dem  zwölften  Jahrhundert.  Eine  Beschrei- 
bung dieser  viel  umfassenden,  oft  benutzten,  aber  noch  keines- 
wegs ausgeschöpften  *■)  Handschrift  würde  zu  weit  führen.  Über 
einige  Eigentümlichkeiten  des  Schreibers  sei  folgendes  bemerkt. 
Jotacismen  sind  sehr  bäufig.  Die  Fälle,  wo  r\  statt  /,  i  statt  rj, 
r\  oder  t  statt  ei,  v  statt  i  gesetzt  ist,  wo  cu  und  e,  o  und  w 
gegenseitig  verwechselt  werden,  sind  schwer  zu  zählen;  ich  habe 
sie  stets  stillschweigend  korrigiert,  die  Lesart  der  Handschrift 
angeführt  nur  in  den  Fällen,  wo  die  Wortform  durch  den 
Schreibfehler  zweifelhaft  wird.  Ebenso  bin  ich  bei  dem  seltener 
begegnenden  Versehen  v  statt  ot  verfahren.  Die  übrigen  Ver- 
wechslungen der  Vokale  habe  ich  namhaft  gemacht,  weil  sie 
nur  einzeln  begegnen;  so  v  statt  ei  27  10J2,  «  statt  i  6o0  195, 
ei  statt  £  329,  i  statt  oi  41S  und  ot  statt  i  922>  v  statt  r\  810 
2017.18  und  7]  statt  v  105  199,  io  statt  ot  87  und  oi  statt  to  191C, 
ov  statt  o  1512,  oi  statt  si  1513,  ^  statt  oi  1310  1830,  o  statt  s  19, 0. 
Ov  und  co  wird  nicht  verwechselt;  ich  halte  mich  daher  z.B.  nicht 
für  berechtigt  212  und  2112  an  Stelle  des  ind.  fut.  den  conj.  aor.  zu 
setzen  (vgl  33).    Der  Schreiber  ist  sich  übrigens  seiner  vielen  Ver- 

1)  VgL  Wirth  p.  14. 


Achelis,  Acta  Nerei  et  Achillei.  25 

wechslungen  bewusst.  In  vielen  Fällen  bat  er  seinen  Fehler  dadurch 
korrigiert,  dass  er  über  den  falschen  Vokal  einen  Punkt  setzte;  wo 
er  i  und/;  verwechselte,  auch  wohl  einen  Doppelpunkt.  Dass  es  der 
erste  Schreiber  ist,  der  korrigierte,  ist  —  abgesehen  davon,  dass 
diese  Punkte  mit  gleicher  Dinte  geschrieben  sind,  —  auch  daraus 
deutlich,  dass  er  seine  selteneren  Fehler  verhältnismässig  häufiger 
bemerkt  als  seine  gewöhnlichen;  und  es  ist  charakteristisch,  dass 
er  auch  nicht  selten  seinen  Correkturpunkt  an  falscher  Stelle  an- 
bringt. Im  Übrigen  schrieb  er  sorgfältig  und  hatte  —  soweit 
ein  Urteil  möglich  ist  —  einen  guten  Text  vor  sich;  Versehen 
sind  nicht  häufig,  sie  erklären  und  verbessern  sich  meist  leicht. 
Bei  dieser  Sachlage  glaubte  ich  manche  Eigentümlichkeiten  be- 
wahren zu  müssen,  da  sie  mir  nicht  zufällig  scheinen.  Die  mehrfach 
angewandte  Form  iy£vdtur]v  524  612  137.  20  stützt  die  verein- 
zelten xctTScpvyccfisv  102S,  s^ßä/Mi  1223;  auch  r[ßovh]$t]  125  ist 
wohl  beabsichtigt  (vgl.  12,2),  der  aorist  8Y.o<Jf.tlo9rtv  statt  i/.oGf.mjd'riv 
ist,  da  er  4,2  630  822  begegnet,  auch  schwerlich  korrupt.  Diese 
und  andere  Beobachtungen  führten  mich  dazu,  dem  Texte  der 
Handschrift  gegenüber  möglichst  konservativ  zu  verfahren,  auf 
die  Gefahr  hin,  dass  vielleicht  eine  neue  Handschrift  an  der  Aus- 
gabe Vieles  zu  ändern  hat;  zur  Zeit,  wo  wir  lediglich  auf  Vat. 
866  angewiesen  sind,  scheint  mir  kein  anderes  Verfahren  berech- 
tigt. Der  Verfasser  schrieb,  wie  wir  sehen  werden,  unter  Ver- 
hältnissen, für  die  uns  bis  jetzt  die  Parallelen  mangeln;  auch  des- 
wegen scheint  es  mir  geboten,  seinen  Text,  abgesehen  von  seinen 
stets  wiederkehrenden  orthographischen  Regellosigkeiten,  hinzu- 
nehmen, wie  er  ist,  und  die  Lust,  ihn  durchzukorrigieren ,  zu 
unterdrücken.  Eine  Ausnahme  habe  ich  nur  bei  der  Orthogra- 
phie der  Namen  eintreten  lassen.  Zwar  schreibe  ich  JofxsxikXa 
mit  Vat,  weil  es  mir  durch  Jofietiavög  gerechtfertigt  erscheint, 
aber  Negevg,  Avq eXXictvng  (seltener  Avgsliavog),  Il£TQOvi/.?*a, 
wie  stets  geschrieben  wird,  ändere  ich  in  Nr^evg,  AvqrtXiav6g, 
IJ6tqiüviX?m}  letzteres  nach  Analogie  von  IJeTgcor^-iovog  und 
ITsTQCüviog1).  Es  handelt  sich  hier  um  bekannte  Namen,  die 
eine  feste  Schreibung  besitzen;  und  ich  glaubte  zu  diesen  Correc- 


1)  Dass  unser  Autor  Petronilla  für  eine  leibliche  Tochter  des  Petrus 
hält,  und  ihren  Namen  sich  demgemäss  von  ütXQoq  herleitet,  kann  daran 
m.  E.  nichts  ändern.    Er  erfand  den  Namen  ja  nicht. 


26  Achelis,  Acta  Nerei  et  Achillei. 

turen  berechtigt  zu  sein,  weil  überhaupt  die  Namen  im  Vat.  am 
schlechtesten  erhalten  sind. *) 

Die  zweite  Handschrift  der  Akten  ist  der  Vatic.  1286  (frühere 
Nummer  61),  chart.,  klein  8°  (=C);  vom  Cardinal  Antonio  Caraffa, 
dem  Nepoten  Pauls  IV  (1555 — 59)  wurde  er  der  Vatikanischen 
Bibliothek  geschenkt.  Schon  durch  sein  Alter  (saec.  XV  nach 
Wirth,  vielleicht  erst  saec.  XVI)  steht  er  an  Wert  hinter  dem 
Vat.  866  zurück;  er  enthält  als  einzigen  Inhalt  nur  etwa  den  drit- 
ten Teil  der  Akten. 

Er  beginnt  mit  der  Eingangsformel  des  Marcellusbriefes : 
llccov.s'k'kog  öovlog  '/.  X.  xolg  ayloig  6f.to?.oy7jTaJg  NrjQEqt  xai 
^AyüJ.iti)  114  f.  lässt  aber  dann  die  ganze  Erzählung  von  dem 
Rencontre  des  Petrus  mit  Simon  Magus  fort,  also  eben  den  Teil 
des  Briefes,  welcher  der  Bitte  des  Nereus  und  Achilleus  1029ff 
entsprach.  C  giebt  diesen  Brief  nicht,  sondern  beginnt  mit  der 
Petronillageschichte  147 — 159.  Hier  werden  Felicula  und  Nico- 
medes  erwähnt,  um  an  die  Erwähnung  nachher  das  Martyrium 
auch  dieser  Beiden  knüpfen  zu  können;  C  giebt  dem  wieder  nicht 
Folge:  er  lässt  auch  diesen  Teil  des  Briefes  aus.  Der  Brief  des 
Eutyches  und  Genossen  wird  fast  vollständig  gegeben  17t — 183. 
Wir  erfahren  also  von  dem  vor  30  Tagen  geschehenen  Tod  und 
Begräbnis  des  Nereus  und  Achilleus;  der  Briefschluss  aber  mit 
der  Bitte  an  Marcellus,  einen  Vertrauten  nach  der  Insel  Pontia 
zu  schicken,  wird  wieder  fortgelassen,  sodass  der  Leser  von  C  auch 
das  Folgende  noch  von  Eutyches  und  Genossen  berichtet  meint. 
Hier  wird  aber  an  den  Anfang  der  Erzählung  zurückgegriffen. 
Nereus  und  Achilleus  gehen  zum  Bischof  Clemens,  und  bitten 
ihn,  Domitilla  die  Jungfrauenweihe  zu  erteilen,  was  dann  ge- 
schieht. Aurelian  veranlasst  daraufhin  Domitian.  Domitilla  mit 
Genossen  nach  Pontia  zu  verbannen  812 — 920.  Sehr  geschickt 
wird  der  unvollendete  Satz  an  2014  angeknüpft,  wo  eben  der 
Verfasser  der  Akten  selbst   nach  seinen  vielen  Einschüben  den 


1)  Mehrere  Namen  sind,  wie  es  scheint,  geradezu  geändert  worden.  Der 
Grieche  schreibt  durchweg  Evrvyjog,  NixöÖTjfxog,  ^Tteziwoog,  der  Lateiner 
Eutyches,  Nicomedes,  Auspicius.  Und  in  einem  Falle,  bei  Nicomedes,  hat 
der  Lateiner  nachweislich  Recht  (vgl.  Abschnitt  III).  Die  archäologische 
Untersuchung  macht  es  ferner  fraglich,  ob  nicht  SovfollxiOQ,  wie  Grieche 
und  Lateiner  schreiben,  in  Simplicins  zu  bessern  ist. 


Achelis,  Acta  Nerei  et  Aehillei.  27 

ersten  Faden  wieder  aufnimmt,  und  nun  die  letzten  Ereignisse 
der  Akten  bis  zum  Schluss  erzählt. 

Es  kann  hiernach  nicht  zweifelhaft  sein,  dass  wir  in  V  und 
nicht  in  C  die  ursprüngliche  Gestalt  der  Akten  haben;  das  be- 
weist auch  der  Lateiner.  C  ist  ein  Auszug,  der  aus  dem  reichen 
Inhalt  der  Akten  nur  den  Teil,  der  Petronilla,  Nereus-Achilleus, 
Domitilla  umfasst,  auszieht;  er  hat  seine  Parallelen  in  einigen 
lateinischen  Handschriften.1) 

Wirth  ist  anderer  Ansicht:  er  führt  auch  C  als  selbständigen 
und  zum  Teil  besseren  Zeugen  für  den  Text  auf,  und  nach 
seinem  Apparat  wird  man  sich  nicht  anders  entscheiden  können. 
Nach  meiner  Collation  glaube  ich  den  Nachweis  führen  zu  können, 
dass  C  aus  V  hergestellt  ist. 

C  hat  von  vornherein  etwas  Bestechendes.  Er  ist  prächtig 
ausgestattet,  elegant  und  klar  geschrieben;  sein  Schreiber  hat 
sich  Mühe  gegeben,  alle  die  kleinen  Fehler  seiner  Vorlage  zu 
verbessern.  Er  bemerkt  es  fast  in  jedem  Falle,  wenn  V  e  und  ai, 
rt  und  <,  co  und  o  verwechselt,  wenn  er  statt  f l  :  i  oder  rh  v  für 
/,  rt  oder  01  geschrieben  hat.  Er  hat  Consequenz  in  der  Schreib- 
weise hergestellt,  was  besonders  bei  den  Namen  zu  bemerken 
ist:  ^4vg£?uav6g,  ^Jojuiziavog,  Jonix'O.Xa.  (-cxg),  yiovBovgiog,  Tle- 
xgovr^J.a,  TIlaixDJ.a,  TeQoa/.lvr:.  Aber  dass  diese  Schreibung 
in  allen  Fällen  besser  ist  als  die  von  Y,  wird  Niemand  behaup- 
ten. C's  Auslassungen  erklären  sich  öfter  aus  seiner  Auszugs- 
arbeit, so  812  tote,  14;  de,  2014  cog  ovv ,  ebendaher  stammt  das 
de  2015.  Ein  Schreibfehler  wie  ey/.av/.dcTai  statt  lyv.avyäoai  8l5 
steht  vereinzelt.  Seine  abweichenden  Lesarten  lassen  sich  aber 
doch  alle  entweder  als  selbstverständliche,  oder  als  unnötige  bzw 
falsche  Correcturen  von  Y  auffassen. 

Zu  den  ersteren  rechne  ich  die  Einsetzung  des  zov  in  i/.  .  .  . 
ozojuazog  tov  anoorolov  827,  die  Correctur  von  navxcov  aod-£- 
vovvrcov  nccQct  aov  icoiievco  in  Icousvcov  1413,  von  ßanvioSivTsg 
und  ötdayßevTsg  bei  folgendem  yjuag  in  ßanziod-ivrag  und  öi- 
dax&ivT<xg  17.M  f,  von  rag  oocpcoxäxovg  nact&&vovg  in  oocpcozdzag 
2019;   endlich  von  vtaxivq  in  Aaxivrt  235. 

Eine  andre  Anzahl  von  Correcturen  sind  Willkürlichkeiten, 
meist  der  Art,  dass  man  kaum  versucht  ist,  sie  vorzuziehen.    So 


1)  Vgl.  unten  S.  31  Mombritius  und  die  des  Bosio  von  Nicomedes. 


28  Achelis,  Acta  Nerei  et  Achillei. 

stattet  xd  xO.j]  {usxsX&cofisv:  s.x.  x.xaxsX&miusv9[i,  statt  vjiovq- 
yiag :  XstzovQyiaq  141S,  statt  avxai  jcgoq  avxtjv  .  .  .  ansksvöov- 
xcu  :  a.  n.  a.  sjtsXsioovxcu  2021 ,  statt  de  :  ovv  2022,  statt  jiyoq 
xavxa  :  x.  xavxaq  21ls  statt  dvs'xQctssv  :  svsxga^sv  2130,  statt 
jrapavra :  Jtagavxixa  232 ,  statt  orjfisQov  :  av&?]tusQov  23-,  auch 
in  dem  Satze  23t  :jff  Eatodgioq  .  .  .  eijper  t«  .  .  .  Ocofiaxa  dßXaßrj 
sv  fir/öevi  cpXoyiG&s'vxa  sjü  'otpiv  xsitusvat  xai  JtQoosvyof/svai  (sc. 
Domitilla  und  Genossinnen)  ovxcoq  JtQoq  xvqiov  düis&i'mrfiav  ist 
es  keine  Verbesserung,  wenn  C  statt  der  Interpunktion  vor  Iji 
oipiv  ein  dl  einschiebt.  Offenbar  ist  C  im  Nachteil,  wenn  er  814 
statt  ovx  ig  av&Qcojclvov,  dXX*  sx  &siov  dt-ico^axoq  :  dv&Qco- 
jilvcov  schreibt,  oder  statt  jtaiöia  f/fiäq  covtfoaxo  :  Jtaiösuc  817 
oder  statt  A.  vjrodxgcoöaöa  sccvxqv  slq  ütQOOsvy/jv  :  avxrjv  2121, 
was  sofort  den  zweiten  Fehler,  die  Auslassung  von  vjcsq  avx?jq 
21-22  nach  sich  zieht. 

Aber  noch  häufiger  sind  kleine,  feine  Änderungen  der  Vor- 
lage, die  der  Reflexion  entsprungen  sind.  Sie  tragen  zuweilen 
Züge  in  den  Text  ein,  die  dem  Verfasser  der  Akten  nicht  zuzu- 
trauen sind.  Man  wird  zunächst  geneigt  sein,  C  xoöfirj&eiq  822 
für  besser  zu  halten  als  xoöfJiö&siqY;  aber  vgl.  4, 2  630.  Ebenso 
2022  fisxajcslocooiv  C  statt  [isxajisioovoiv  nach  ojtcoq,  und  212 
frsXrjöcoGLv  C  statt  &sX?]6ovöiv  V  nach  sdv\  aber  sdv  mit  fol- 
gendem ind.  fut.  steht  auch  33.  V  schreibt  1419ff  sxsXsvösv 
avxrjv  jtäXiv  slq  xr/v  xXlvrjv  avxfjq  vxoOxgsipai,  eiq  ?}v  sv  xco  cpoßco 
xov  &EOV  oXöxXrjQoq  6is\usivsv  pLsyoi  xov  xfjq  ^corjq  avxijq  xsXovq. 
Wenn  C  slq  r\v  in  scoqov  verwandelt,  so  will  er  den  Zusammen- 
hang prägnanter  gestalten;  dass  er  dies  aber  nicht  im  Sinne  des 
Autors  thut,  zeigt  das  folgende  ov  fiovov  ös  avxr/  Om&rftai  xaxfj- 
Sioi&rj,  dXXd  xai  xxX.  Das  sv  vor  jtQoaGxslco  1727  lässt  C  aus- 
fallen wegen  des  vorhergehenden  sv  'Poif/?]  und  des  folgenden 
sv  xfi  dfiftcöösi  xQVJtxtj;  ^sxsöxdXi]  sv  Tsgoaxlv?]  wird  in  tiq 
TsQQaxivr/v  2023  verwandelt.  Die  Änderung  von  r/Q^avxo  tsq- 
jtsod-at  2024  in  rjQ$axo  würde  Beifall  verdienen,  wenn  nicht  der 
Lateiner  incicem  habuerunt  (jaudium  rnagnum  zeigte,  dass  es  doch 
eben  eine  Änderung  des  ursprünglichen  Wortlautes  ist;  die  Cor- 
rectur  dysvslq  in  svysvslq  2l3  scheint  überlegt;  dem  Urheber 
erschien  es  unpassend,  Aurelian  —  selbst  im  Vergleich  mit  Chri- 
stus —  als  dysvtjq  zu  bezeichnen;  aber  der  Lateiner  schreibt 
((jaobiles.     'Ev   aQQwOxia   sßcoßco&?]    ist    in    der    That    bei    dem 


Aclielis,  Acta  Nerei  et  Achillei.  29 

folgenden  axoijv  fisv  jch/Qeorärrjv  hyei,  (pmvi)  de  xal  löyog  äjte- 
6z?]öav  cm  avTTJg  ein  Pleonasmus  21,  bf;  als  solcher  ist  er  auch 
von  C  empfunden,  wenn  er  die  Worte  auslässt,  aber  der  Lateiner 
übersetzt  es  in  aegritadine  muta  facta  est.  Der  Verfasser  der 
Akten  liebt  es,  den  Infinitiv  mit  rov  an  das  Hauptverbum  zu 
hängen,  913  ändert  C  [iaxoov  av  slij  rov  .  .  .  ygäyaiv  in  ro, 
915  rov  &vöai  7iaoairi}öi]rai  in  ro,  2227ff  rov  ftvöiaöai  ovvco- 
fhj<J%  in  jigög  ro.  In  dem  Satze  2129  6  avoi^ag  ro  orofia  Za- 
yaglov  rov  JiQO(frjrov  xvgiog  scheint  xvgiog  nachzuhinken,  C 
lässt  es  fort;  wenn  er  bei  av  fiicc  pfleget  22i2  das  letzte  Wort 
fallen  lässt,  so  will  er  vielleicht  den  Gegensatz  zu  dem  folgenden 
roicöv  schärfen. 

Ich  habe  hier,  wie  ich  hoffe,  das  gesammte  Material  hin- 
gestellt, das  zu  Gunsten  von  C  aufgeführt  werden  könnte,  und 
ich  glaube,  dass  keine  Variante  auf  eine  von  V  abweichende 
Vorlage  bezogen  werden  muss.  Dem  steht  aber  ein  nicht  gering- 
fügiges Material  gegenüber,  das  C  von  den  Fehlern  und  Zufällig- 
keiten V's  abhängig  zeigt.  Wo  so  viele  Schreibfehler  zu  kor- 
rigieren sind,  wie  bei  V  vorliegen,  bleiben  natürlich  eine  An- 
zahl stehen,  welche  die  Vorlage  verraten;  in  der  That  hat  auch 
C  seine  sämtlichen  Jotacismen  mit  V  gemeinsam.  Ich  notiere 
9,;  jisoecod-fj,  914  tfriüaro,  152  <Pifaxovkav,  1729  ?][tvö£oyg, 
234ff  TCQoaorloig  (1727  ist  dasselbe  richtig  korrigiert),  239  Teg- 
gaxiviGiojv.  1410  xXiv?]g?]g  giebt  V  xZ?]vr/glg,  C  korrigiert  xli- 
v?jQig,  behält  also  den  zweiten  Jotacismus  und  die  falsche  Be- 
tonung; man  weiss,  wie  leicht  der  zweite  Fehler  in  demselben 
Worte  unkorrigiert  bleibt.  Dem  stehen,  soweit  ich  sehe,  nur 
zwei  Fälle  gegenüber,  wo  C  Schreibfehler  bietet,  die  er  bei  V 
nicht  fand,  1722  siööXoig,  23JS  /.teyakoovvtj.  Auf  der  letzten 
Seite  von  V  übersieht  C  noch  drei  Genusfehler  (sonst,  soviel  ich 
bemerke,  keinen),  er  schreibt  mit  V  2229  ßaoävoig  oig,  236  ajto 
rr\g  aoreog  Pcofirjg,  2317  av  Xagvaxi  xaivco.  Vollends  verräte- 
risch sind  eine  Anzahl  verunglückter  Correcturen.  9X  4  ff  giebt 
V  (abgesehen  von  Jotacismen)  yrtjoaro  .  .  .  iva  .  .  .  r?)v  rijg 
novriavfjg  vrjöov  vjtoxalG&ai  avrijv  asogia,  wo  r?}v  offenbar 
für  rfj  verschrieben  ist.  C  bemerkt  den  Fehler,  korrigiert  aber 
an  der  falschen  Stelle  a§ogiav  statt  l^ogia,  und  fügt  ausserdem, 
da  ihm  die  Construction  hart  erscheint,  hinter  vjioxeTO&ai  ein 
ütoirjOi]  ein;  beides  nicht  zum  Vorteil  des  Textes.     14t6  schrieb 


30  Achelis,  Acta  Nerei  et  Achillei. 

V  zuerst  vylav,  fügte  aber  selbst  am  Rande  bei  w,  C  missversteht 
oder  übersieht  die  Correctur,  und  schreibt  vysiav.  Bei  jcqo  tvoq 
XQOVOV  2113  schreibt  V  am  Rande  xovxov,  das  er  nach  kvoq  ein- 
zufügen auffordert;  C  nimmt  es  in  den  Text  auf,  aber  hinter 
Xqovov.  222 1  hat  V  ftexd  xov  öeljivov,  der  Sprachgebrauch 
fi£ta  cum  genit.=post  ist  nachweisbar;  xov  düjcvov  aber  ist  bei 
einem  guten  Kenner  des  Griechischen,  wie  es  der  Schreiber  von 
C  war,  nur  als  zu  gründliche  Correctur  seiner  Vorlage  zu  er- 
klären. 2128  V  dvoi^aq,  verführt  durch  das  bald  folgende  o  avoi- 
£ac;  C  korrigiert  ävoigcu,  während  schon  wegen  des  parallelen 
sZ&rj  vielmehr  droit-?]  zu  lesen  ist.  Der  Satz  23,  ff  (o  ejtaQXoq) 
xovq  avxmv  avx&'aq  vitoxlivai  xagavxd  £i<pei  rdq  xscpaXdq 
avxmv  djiox[iri&?)vai  IxiXsvötv  V  macht  eine  Correctur  notwen- 
dig; nach  ^icpEL  scheint  xai  ausgefallen  zu  sein;  wenn  aber  C  nach 
vüioxllvai  ein  jigoöd^aq  einschiebt,  so  ist  das  eine  nicht  eben 
gelungene  Änderung  von  V.  Bei  dxt&svxo  Iv  xjj  oöcö  xfj  zjii- 
XcoQiaq  orofHx^ofJEV?]  Aaxivi]  234f  ist  entweder  xrjq  emxcogiaq 
oder  XTJ  ejtixcoQict  zu  lesen;  auf  xrj  hjiixoDQimq  C  aber  kann  man 
nur  von  dem  Fehler  V's  aus  kommen.  Wenn  V  fortfährt:  djct- 
Xovxoq  düio  .  .  .  Pcofirjq  fiiXia  ovo,  so  darf  man  bei  dem  Grie- 
chisch dieser  Akten  die  Auslassung  des  Subjekts  wohl  nicht  be- 
anstanden (vgl.  1729);  dxey.övxcov  [iiZicov  övcöv  zeigt,  dass  C 
Anstoss  nahm,  aber  nicht  glücklich  in  der  Correctur  war. 

Ich  glaube  alle  Varianten  von  Wichtigkeit  aufgeführt  zu 
haben.  Auch  wenn  ich  diese  oder  jene  übersehen  haben  sollte, 
scheint  mir  der  Beweis  schwer  anfechtbar,  dass  der  Schreiber 
von  C  auf  Grund  von  V  seine  Verbesserungen'  herstellte.  Die 
sekundäre  Textgestalt,  die  C  bietet,  kann  also  weiteres  Interesse 
nicht  beanspruchen.  Die  elegante  Ausstattung  lässt  vermuten, 
dass  dieser  Auszug  zu  erbaulichem  Zwecke,  für  eine  hochgestellte 
Persönlichkeit  (vielleicht  erst  den  Cardinal  Caraffa  selbst?)  her- 
gestellt wurde.  V  befand  sich  damals  schon  in  der  Vaticana, 
das  zeigt  wohl  seine  Nummer.  Im  Vatikan  wird  auch  der  Aus- 
zug geschrieben  sein  für  eine  Persönlichkeit,  die  sich  gerade  für 
die  Römischen  Helden  der  Akten,  Petronilla,  Domitilla,  Nereus 
und  Achilleus  interessierte. 

Um  so  wichtiger  ist  die  Frage  nach  dem  Wert  der  latei- 
nischen Übersetzung.  Dass  sie  wirklich  eine  Übersetzung  des 
Griechen  ist,  daran  kann  kein  Zweifel  sein.     Der  Lateiner  sagt 


Achelis,  Acta  Nerei  et  Achillei.  31 

ausdrücklich  in  seinem  Prolog,  den  er  an  die  Stelle  des  ursprüng- 
lichen setzt:  de  graeco  transtidi  in  latinum. *)  Während  wir  den 
griechischen  Text  auf  Grund  nur  einer  Handschrift  herstellen 
können,  sind  solche  des  Lateiners  überaus  häutig.  Die  Bollan- 
tisten  legen  ihrer  Ausgabe  (Maj.  III  p.  6ff)  zwölf  zu  Grunde, 
und  nennen  ausserdem  noch  eine  Reihe  von  Bibliotheken,  in 
denen  sich  Handschriften  des  lateinischen  Textes  finden. 

Den  grösstenTeil  der  Acta  gab  schon  Mombritius2)  heraus, 
aber  nicht  zusammenhängend,  sondern  in  Stücke  zerschnitten,  je 
bei  den  Heiligen,  die  er  in  seinem  Werke  etwa  in  alphabetischer 
Folge  aufführt. 

Bd  I  fol23Sb— 239a  §  21—25  der  Bollandistenausgabe,  Passio 
sanctarum  virginum  martyrum  Domitillae  Euphrosijnae  et  Theo- 
dorae,  et  sanctorum  Sulpilii  et  Serviliani  martyrum. 

Bd  I  f  239a — 240b  §  1 — 11  Relatio  exilü  sanctae  Domi- 
tillae virginis  praedicati  a  Nereo  et  Achilleo  martyribus  in  Pon- 
tiana  insida,  ubi  dicta  virgo  exularit. 

Bd  H  f  150  b  — 160  a  §  18—20  Incipit  Passio  S  Nerei  et 
Achillei  Eutychis   Victorini  et  Moronis  Mar[tyrum], 

Bd  II  f  201  ab  §  15 — 17  J/arcellus  ad  Nereum  et  Achillenm 
De  depositione  sanctae  Petronülae  virginis  et  de  passione  sanc- 
tae Feliculae  virginis  et  martyris.  Et  de  passione  sancti  Nicome- 
dis  presbyteri  et  martyris. 

§  12 — 14  fehlen  also  noch  in  dieser  Ausgabe. 

Der  Text  des  Surius,  De  probatis  sanctorum  historiis  Bd  III 
173— 179 3)  ist  so  verschieden,  dass  man  hie  und  da  glauben 
könnte,  es  liege  eine  andre  Übersetzung  vor.  Nach  bekannter 
Manier  hat  auch  hier  der  Herausgeber  den  ihm  vorliegenden 
Text  korrigiert;  dictio  plerumque  in  gratiam  lectoris  nonnihil  ex- 
polita  est  per  F.  Laurent.  Surium  sagt  er  selbst  in  der  Vor- 
rede zu  unsern  Akten. 

Mit  Recht  sind  die  Bollandisten  hierüber  aufgebracht,  und 
stellen  dem  gegenüber  ihren  Grundsatz  quam  nos  damus  stylo 
genuino  (a  a  O),     Ihre  Ausgabe  habe  ich  zu  Grunde  gelegt. 


1)  Wer  mehr  Beweise  wünscht,  findet  sie  bei  Wirth  p.  15.  10. 

2)  Das  Exemplar  der  Berliner  Kgl.  Bibliothek,    welches  ich  benutze, 
trägt  auf  dem  neuen  Einband  beider  Bände  die  Jahreszahl  1-497. 

3)  Ich  benutze  die  erste  Ausgabe  Coloniae  Agrippinae  1570 — 75. 


32  Achelis,  Acta  Nerei  et  Achillei. 

Der  Übersetzer  schrieb,  wie  er  in  seiner  Vorrede  sagt,  zu 
erbaulichem  Zwecke.  Er  wünscht  seinem  Werke  eine  möglichst 
weite  Verbreitung  in  seiner  Provinz,  und  hofft,  auf  diese  Weise 
dem  drohenden  Einfluss  der  Häretiker  begegnen  zu  können.  So 
kommt  es,  dass  er  sich  nicht  Wort  für  Wort  an  seine  Vorlage 
hält,  sondern  einen  möglichst  lesbaren  Text  zu  gestalten  sucht. 
Es  kommt  ihm  nicht  darauf  an,  Ausdrücke  nach  Gutdünken  zu 
ändern,  ganze  Sätze,  die  ihm  zu  breit  scheinen,  fortzulassen,  und 
andrerseits,  wo  ihm  der  Text  zu  farblos  scheint,  frische  Lichter 
aufzusetzen.  119  6  fcaxccQiog  IlexQog  o  tTÜGxoüiog  xal  cbroöro- 
Xog  fügt  er  et  sanctissimus  hinzu,  o  tJtiöxojiog  xal  bleibt  un- 
übersetzt,  zu  apostolus  wird  Dei  gesetzt.  121  p.sxa  Jiäorjc,  sjci- 
psXsiag  xoopovfttvr/v  giebt  er  durch  gemmis  ornari.  125  xov 
vlov  xov  a&avaxov  ßaoilicog  übersetzt  er  filium  Dei,  immor- 
talem  regem,  22  xiXog  .  .  .  ijtixifrrjGiv  durch  finem  permitteret 
et  terminum  evenire.  53  ff  empfindet  er,  dass  die  dort  aufgezählte 
Tugendreihe  nicht  vollständig  ist,  er  fügt  misen'cordia,  dann  pro- 
hitas,  tolerantia  hinzu,  und  die  Weiterführung  des  Griechen 
jcäoai  xoivvv  al  dgexal  al  6vo[ia6&£l6ai  ergänzt  er  durch  seinen 
Zusatz  et  quae  non  sunt  enumeratae.  Von  der  Freude  des  zu- 
künftigen Lebens  sagt  der  Grieche  5)Cff  ovxs  .  .  .  Xoyog  Igfitpsv- 
öcu  i!-aQX£l,  der  Lateiner  versichert  ausserdem  nulla  cogitatio 
mvenire,  nulla  disputatio  comprehendere.  Ebendort  fügt  er  einen 
längeren  Excurs  über  die  Freuden  des  Paradieses  hinzu,  wo  das 
ewige  Leben  ,mit  der  Nase  aufgesogen  wird'.  Ahnliche  Aus- 
malungen des  im  Griechen  Gesagten  7n  nach  evöiöcooi  und  21G 
ojöavxcog  xxl.  Ausgelassen  ist  dagegen  z.  B.  der  Satz  102  (  f 
o&sv  —  (pQovtlv,  die  Charakterisierung  des  Teufels  199  o  jcavxoxt  — 
C^cofjv,  206_s  jcEQifj/Ld-ev  —  avxov.  Bei  der  Exorcisation  der 
Domitilla  21,7_3(l  vermisste  der  Lateiner  die  Prägnanz;  er  schreibt 
///  nomine  domini  mei  J  C  loquere;  auch  die  ersten  Worte  des 
geheilten  Mädchens  sind  stark  geändert.  Es  ist  leicht,  noch  mehr 
Beispiele  für  das  Verfahren  des  Übersetzers  anzuführen;  zur 
Charakterisierung  mag  dies  genügen.  Es  genügt  um  zu  beweisen, 
dass  die  Benutzung  des  Lateiners  bei  der  Herstellung  des  Textes 
nur  mit  grösster  Vorsicht  geschehen  darf.  Im  Apparate  habe 
ich  nur  da  den  Lateiner  angeführt,  wo  er  imstande  ist,  den 
schwankenden  Text  zu  stützen  oder  auf  Fehler  desselben  auf- 
merksam zu  machen;  alle  die  ungezählten  Fälle,  wo  er  sich  seiner 


Achelis,  Acta  Nerei  et  Achillei.  33 

Vorlage  gegenüber  frei  benimmt,  lasse  ich  ungenannt.  Ein 
Urteil  über  den  Wert  des  griechischen  Textes  ist  vom  La- 
teiner aus  schwer  möglich;  es  fehlen  nicht  die  Fälle,  wo  der 
Grieche  durch  ihn  zu  korrigieren  ist,  wenn  auch  einige  neue 
Fragen  entstehen,  die  ungelöst  zu  lassen  sind.  124  ist  mit  dem 
Lateiner  Aurelianum,  nicht  AvQt/foavov  zu  lesen;  922  1020  ist  Fu- 
/v'/'.v,  nicht  <f>QovQioq  das  ursprüngliche;  das  coemeterium  Feliculae 
befand  sich,  wie  cod.  Bernensis  289  des  Martyrölogium  Hierony- 
miannm  beweist,  septimo,  nicht  tvöexätcp  fiiXicp  der  Ardeatina  167; 
der  154  164  1612  genannte  Märtyrer  der  via  Nomentana  heisst, 
wie  unten  die  archäologische  Untersuchung  darthun  wird,  Nico- 
medes,  nicht  J\'ixööt]luoc,  196  ist  der  Name  der  Stadt  des  Maro, 
Septempeda  —  wahrscheinlich  richtig  —  erhalten.  Aber  wie 
heisst  der  Sklave  der  Domitilla,  der  Nereus  und  Achill eus  be- 
gräbt, Auspieius  oder  J£jTtxic5üo<z  1724  18t ,  und  wie  heisst  der 
Märtyrer  beiNomentum,  Eutyches  oder EvTv%ioq  17,  1814.24  191>12? 
Auch  hier  ist  die  Verschiedenheit  der  Namen  durchgehend. 

IL 

Die  Akten  des  Nereus  und  Achilleus  haben  einen  viel  rei- 
cheren Inhalt,  als  der  Titel  verspricht.  Nicht  nur  das  Marty- 
rium der  Titelhelden,  sondern  nach  diesem  das  des  Eutyches, 
Victorinus  und  Maro,  des  Sulpicius  und  Servilianus,  der  Domi- 
tilla, Euphrosyne  und  Theodora  wird  hier  berichtet;  eingeschoben 
wird  in  diese  Erzählungen,  die  sich  auf  die  Zeit  vom  fünfzehnten 
Jahre  Domitians  bis  in  die  erste  Zeit  Trajans  erstrecken,  ein 
Bericht  über  Kämpfe  des  Petrus  mit  Simon  Magus,  den  Tod  der 
Petronilla,  das  Martyrium  der  Felicula  und  des  Nicomedes  aus 
Neronischer  Zeit.  Die  Art,  wie  der  Verfasser  diesen  bunten  Stoff 
gruppiert,  scheint  mir  charakteristisch  zu  sein.  Ein  vorläufiges 
Urteil  über  den  Wert  der  Akten  und  die  Beschaffenheit  ihrer 
Quellen  glaube  ich  am  ersten  zu  ermöglichen  durch  eine  kurze 
Recapitnlation  des  Inhalts. 

Die  Akten  beginnen  mit  der  Erzählung  von  der  christlichen 
Jungfrau  Domitilla.  Sie  ist  eine  Nichte  des  Kaisers  Domitian  117 
und  andrerseits  des  Consuls  Flavius  Clemens  816ff,  und  ist  zu- 
sammen mit  ihrer  Mutter  Plautilla  noch  von  Petrus  selbst  ge- 
tauft worden.  Da  die  Erzählung  an  die  Vorgänge  des  Jahres  95 
Texte  u.  Untersuchungen  XI,  8.  o 


34  Achelis,  Acta  Nerei  et  Achillei. 

(nach  Eusebius)  anknüpft,  ist  Doruitilla  mindestens  gegen  dreissig 
Jahre  alt  gedacht,  wenn  der  Autor  überhaupt  eine  derartige 
Rechnung  anstellte.  Sie  hat  zwei  christliche  Kammerdiener, 
Eunuchen,  Nereus  und  Achilleus,  die  von  ihrer  Mutter  als  Knaben 
gekauft,  und  wie  ihre  Herrin  durch  Petrus  Christen  geworden 
waren.  Jetzt  sieht  Domitilla  ihrer  Ehe  mit  Aurelian,  dem  Sohne 
des  Consuls,  entgegen.  Aber  in  langen  Zwiegesprächen  gelingt  es 
den  Kämmerern,  ihre  Herrin  durch  krasse  Schilderung  der  Be- 
schwerden des  Ehestandes  und  Verherrlichung  der  Jungfräulich- 
keit zu  bewegen,  dass  sie  ihren  Bräutigam  verlässt,  und  den 
Wunsch  ausspricht,  sich  als  Jungfrau  weihen  zu  lassen.  Denn 
—  so  wird  ihr  gesagt  —  die  Jungfräulichkeit  macht  gottähnlich, 
sie  ist  allen  Tugenden  überlegen,  die  ihr  von  selbst  nachfolgen, 
sie  gewährt  den  Platz  neben  den  Märtyrern,  und  befähigt  dazu, 
Christus  selbst  als  Bräutigam  zu  umfassen.  Nereus  und  Achilleus 
gehen  zum  Bischof  Clemens1),  einem  Vetter  der  Domitilla,  und 
tragen  ihm  den  Wunsch  ihrer  Herrin  vor.  Clemens  sieht  zwar 
seinen  und  der  Domitilla  Tod  voraus,  reicht  ihr  aber  den  Schleier. 
Der  so  um  seine  Braut  betrogene  Aurelian  bittet  den  Kaiser, 
Domitilla  mit  ihren  Eunuchen  als  Christen  nach  der  Insel  Pontia 
zu  verbannen.  Dort  treffen  sie  auf  zwei  andere  Verbannte,  Furius 
und  Priscus,  Schüler  des  Simon  Magus,  denen  es  gelungen  war, 
die  ganze  Insel  von  Christus  und  Petrus  abwendig  zu  machen. 
Xereus  und  Achilleus  nehmen  sofort  den  Kampf  auf,  und  sie 
erlangen  von  der  Bevölkerung  der  Insel  die  Zusage,  dass  man 
dem  Urteil  des  Marcellus,  des  Sohnes  des  Stadtpräfekten  Marcus, 
über  Simon  Magus  beipflichten  werde.  Sie  schreiben  demnach 
einen  Brief  an  Marcellus,  in  dem  sie  ihn  um  sein  Votum  er- 
suchen. 

Die  Antwort  des  Marcellus  schliesst  sich  sofort  an.  Er  sei 
vor  Andern  fähig,  über  Simon  Magus  zu  berichten;  er  selbst 
sei  ja  dessen  Schüler  gewesen;  da  er  ihn  aber  bald  als  ganz 
verdorbenen  Menschen,  Knabenschänder,  Giftmischer,  Dieb  und 
Zauberer  erkannt  habe,  sei  er  zu  Petrus  übergegangen.  Er 
wolle  einige  Züge  aus  Simons  Leben  mitteilen.    Er  erzählt  dann 


1)  Clemens  wird  übrigens  nur  in  der  lateinischen  Übersetzung  aus- 
drücklieb als  Bischof  bezeichnet.  Da  er  aber  die  Weihe  der  Domitilla 
vornimmt  910f,  ist  deutlich,  dass  auch  der  Grieche  den  ,Biscbof'  Clemens 
meint. 


Achelis,  Acta  Nerei  et  Achillei.  35 

eine  Episode  aus  dem  Römischen  Streit  des  Petrus  mit  Simon, 
die  Geschichte  von  der  Auferweckimg  des  Jünglings.  Simon 
habe  mit  Hülfe  der  Dämonen  zu  bewirken  vermocht,  dass  der 
Leichnam  sich  regte,  aber  Petrus  erst  habe  ihn  dann  wirklich 
lebendig  gemacht.  Das  anfangs  durch  Simons  Kunststück  dü- 
pirte  Volk  habe  nun  Petrus  zugejauchzt,  und  Simon,  der  sich 
sofort  in  einen  Hundskopf  verwandelte,  gemäss  der  vorherigen 
Abmachung  verbrennen  wollen;  aber  Petrus  habe  ihn  befreit. 
Simon  habe  gleich  darauf  noch  einen  Versuch  gemacht,  Petrus 
zu  schädigen.  Er  habe  einen  ausserordentlich  wilden  Hund  an 
seine  —  des  Marcellus  —  Hausthüre  gebunden.  Petrus  habe 
den  Hund  mit  dem  Kreuzeszeichen  zahm  gemacht;  er  selbst  sei 
darauf  Petrus  zu  Füssen  gefallen,  und  habe  ihn  in  sein  Haus 
geführt.  Der  Hund,  sonst  gegen  Jedermann  zahm,  sei  Simon 
nachgesprungen,  um  ihn  zu  zerreissen.  Mit  Mühe  habe  ihm 
Petrus  zum  zweiten  Mal  das  Leben  gerettet,  und  dem  Hund  be- 
fohlen, Simon  nicht  zu  verletzen.  Aber  die  Kleider  wenigstens 
habe  der  Hund  ihm  vom  Leibe  gerissen,  und  nackt  sei  Simon 
wie  ein  Wolf  aus  der  Stadt  geflohen,  verfolgt  von  dem  Volke, 
besonders  der  Jugend.  Ein  ganzes  Jahr  lang  habe  er  sich  aus 
Scham  verborgen  gehalten,  dann  aber  in  Kaiser  Nero  einen  wür- 
digen Freund  gefunden,  der  auch  auf  seine  Pläne  gegen  Petrus 
einging.  Im  Traume  sei  dies  dem  Petrus  vom  Herrn  mitgeteilt 
worden:  er  solle  sich  vor  den  Plänen  der  Beiden  nicht  fürchten, 
morgen  werde  auch  Paulus  ihm  zu  Hülfe  kommen.  Nach  sieben 
Monaten  würden  sie  Beide  noch  einen  Kampf  mit  Simon  haben, 
ihn  besiegen,  dann  aber  selbst  das  Leben  lassen.  Über  die 
Einzelheiten  des  Wiedersehens  zwischen  Petrus  und  Paulus  und 
deren  Kampf  mit  Simon  könne  er  —  Marcellus  —  schweigen. 
Nereus  und  Achilleus  hätten  das  mit  eigenen  Augen  gesehen, 
und  ausserdem  habe  dies  Linus  in  griechischer  Sprache  für  die 
Kirchen  des  Ostens  beschrieben. 

Aber  auf  ihre  Frage  nach  dem  Tode  der  Petrustochter  Pe- 
tronilla  wolle  er  kurz  Auskunft  geben.  (Thatsächlich  hatten 
Nereus  und  Achilleus  garnicht  danach  gefragt;  die  Erzählung 
darüber  hängt  auch  in  keiner  Weise  mit  dem  Zweck  ihrer  An- 
frage zusammen.)  Sie  sei  bekanntlich  nach  dem  Willen  des 
Petrus  paralytisch  gewesen;  und  Nereus  und  Achilleus  wären 
ja  zugegen  gewesen,  wie  Petrus  sie  einst,  durch  Titus  veranlagt. 

3* 


36  Achelis,  Acta  Nerei  et  Achillei. 

auf  kurze  Zeit  gesund  gemacht,  aber  dann  wieder  ins  Bett  ge- 
schickt hätte.  Da  sie  ausserordentlich  schön  gewesen,  habe  sie 
eines  Tages  der  Comes  Flaccus  mit  militärischer  Begleitung  auf- 
gesucht und  zur  Ehe  begehrt.  Petronilla  habe  ihn  auf  das  Un- 
passende seiner  Begleitung  aufmerksam  gemacht;  in  drei  Tagen 
solle  er  ihr  edle  Frauen  und  züchtige  Jungfrauen  schicken;  mit 
diesen  werde  sie  dann  in  sein  Haus  ziehen.  In  Wahrheit  habe 
sie  aber  ihren  Tod  an  diesem  dritten  Tage  vorausgesehen,  und 
sich  mit  ihrer  Milchschwester  Felicula  darauf  vorbereitet.  Am 
dritten  Tage  habe  ihr  der  Presbyter  Nicomedes  die  Mysterien 
gereicht,  dann  sei  sie  verschieden.  Die  von  Flaccus  zu  so  ganz 
anderm  Zwecke  geschickten  Frauen  haben  sie  begraben. 

Flaccus  habe  sofort  der  Felicula  einen  Heiratsantrag  ge- 
macht. Da  sie  ihn  ausschlug,  sei  sie  durch  den  Vicarius  sieben 
Tage  ohne  Nahrung  in  finsterem  Gefängnis  eingesperrt  worden, 
dann  noch  weitere  sieben  Tage  bei  den  Vestalinnen.  Endlich 
habe  man  sie  auf  die  Folter  gehängt,  und  nach  standhaftem 
Martyrium  ihren  Leichnam  in  die  Cloake  geworfen.  Der  schon 
bei  Petronillas  Tode  erwähnte  Nicomedes  erfährt  im  Traume, 
wo  sich  die  Leiche  befindet,  nachts  holt  er  sie,  legt  sie  in  einen 
Sarkophag  und  setzt  sie  bei.  Er  wählt  dazu  einen  von  Rom 
7  m.p.  entfernten  Ort,  denn  dort  befindet  sich  seine  Siedelei. 
Aber  damit  ist  sein  eigenes  Schicksal  besiegelt.  Flaccus  hört 
von  seiner  That  und  lässt  ihn  festnehmen.  Auch  er  soll  opfern, 
weigert  sich,  wird  getötet  und  in  den  Tiber  geworfen.  Ein  ihm 
zugeteilter  Kleriker,  nomine  et  oj)ere  Jushis,  zieht  den  Toten  heraus, 
legt  ihn  in  einen  Sarkophag,  und  setzt  ihn  in  seinem  Gärtchen 
nahe  den  Mauern  Roms  an  der  via  Nomentana  bei. 

Diese  drei,  Petronilla,  Felicula  und  Nicomedes  sind  also 
nach  den  Angaben  des  Autors  Persönlichkeiten  der  apostolischen 
Zeit  (der  Zeitpunkt  ihres  Todes  wird  freilich  nicht  bezeichnet)1); 

1)  Da  Nereus  und  Achilleus  bis  zum  Jahre  95  doch  wohl  in  Rom 
lebend  gedacht  sind,  könnte  man  daraus,  dass  ihnen  hier  unbekannte  Dinge 
erzählt  werden,  schliessen.  dass  dies  eben  Ereignisse  jüngster  Zeit  sind. 
Ein  solcher  Schluss  setzt  aber  mehr  Überlegung  bei  dem  Autor  der  Akten 
voraus,  als  er  besitzt.  So  bleibt  es  denn  das  Nächstliegende,  den  Tod  der 
Petrustochter  und  ihrer  Genossen,  der  zugleich  mit  Ereignissen  aus  dem 
Leben  des  Petrus  von  Marcellus  berichtet  wird,  auch  nahe  an  die  Zeit  des 
Petrus  heranzurücken. 


Achelis,  Acta  Nerei  et  Achillei.  37 

der  Bericht  von  ihnen  bildet  in  unsrer  Erzählung  aus  dem  letzten 
Lustruin  des  ersten  Jahrhunderts  einen  Einschub,  der  von  Mar- 
cellus  an  Nereus  und  Achilleus  nach  Pontia  geschrieben  wird. 
Der  Brief  sollte  da  nach  der  Absicht  des  Nereus  und  Achilleus 
praktische  Dienste  thun,  um  das  von  Furius  und  Priscus  ver- 
führte Volk  wieder  zu  Christus  zurückzubringen.  Aber  das  hat 
der  Autor  am  Schluss  des  Briefes  längst  vergessen:  Eutyches, 
Victorinus  und  Maro,  die  wie  die  meisten  Personen  unsrer  Akten 
ex  machina  auftreten,  berichten  in  einem  Briefe  an  Marcellus 
von  dem  Tode  des  Nereus  und  Achilleus.  Schon  dreissig  Tage 
vor  Ankunft  des  Marcellusbriefes  hätte  Aurelian  die  Beiden 
nach  Terracina  bringen  lassen,  nachdem  ein  Versuch,  sie  durch 
Geschenke  zur  Begünstigung  seiner  Pläne  bei  Domitilla  zu  ver- 
leiten, misslungen  war.  Dort  seien  sie  nach  langen  Qualen  durch 
den  Consul  Memmius  Rufus  mit  dem  Schwerte  hingerichtet 
worden.  Ein  Sklave  der  Domitilla,  Speciosus,  habe  den  Trans- 
port ihrer  Leichen  nach  der  sandigen  Krypta,  1 V2  m.p.  von  Rom 
an  der  via  Ardeatina,  wo  Domitilla  ihr  Landgut  habe,  besorgt. 
Ebendort,  wird  nebenbei  erwähnt,  sei  der  Gedächtnisbau  der 
Petronilla,  was  wir  vorher  noch  nicht  erfahren  hatten. 

Nun  kommen  Eutyches,-  Victorinus  und  Maro  selbst  an  die 
Reihe.  Damit  ein  Gewährsmann  ihr  Martyrium  berichten  könne, 
hatten  sie  am  Schluss  ihres  Berichtes  Marcellus  bitten  müssen, 
Jemanden  zu  ihnen  zu  schicken.  Er  fertigt  sofort  seinen  Bruder 
Marcus  ab,  der  ein  Jahr  lang  mit  den  Heiligen  verlebt,  und  nach 
seiner  Rückkehr  Folgendes  berichtet. 

Aurelian  habe  seine  Bemühungen  um  Domitilla  fortgesetzt. 
Da  wurde  ihm  gesagt,  dass  diese  sich  von  Eutyches,  Victorinus 
und  Maro  noch  mehr  beeinflussen  lasse,  als  früher  von  Nereus 
und  Achilleus.  Auch  hier  noch  bleibt  es  unklar,  welche  Stellung 
diese  drei  Männer  einnehmen,  was  sie  nach  Pontia  und  in  Be- 
ziehung zu  Domitilla  gebracht  hat.  Aurelian  erwirkt  sich  bei 
Kaiser  Nerva  (der  Verfasser  weiss  also,  dass  Domitian  im  Jahre 
nach  der  Verbannung  der  Domitilla  starb),  die  drei  Männer  als 
seine  Sklaven  zu  behandeln,  falls  sie  das  Opfer  verweigerten. 
Das  geschieht;  und  Eutyches  wird  au  die  via  Nomentana  16  m.p. 
von  Rom  transportiert,  Victorinus  ins  Sabin ergebirge  an  die 
aquae  Cutiliae,  Maro  nach  Septempeda  in  Picenum.  An  diesen, 
auch  von  einander   weit   entfernten  Orten  hat  nämlich  Aurelian 


38  Achelis,  Acta  Nerei  et  Achillei. 

Landgüter.  Sie  müssen  dort  hart  arbeiten,  wissen  sich  aber  bald 
beliebt  zu  machen;  Eutyches  heilt  den  Sohn  des  Verwalters  von 
einem  Dämon,  Victorinus  den  Ökonomen  von  einer  Lähmung, 
Maro  den  Curator  der  Stadt  Septempeda  von  der  Wassersucht. 
Viel  Volks  wird  gläubig.  Aber  Aurelian  befiehlt  sie  zu  töten. 
Eutyches  wird  mitten  auf  der  Strasse  totgeschlagen,  Victorinus 
drei  Stunden  lang  mit  dem  Kopfe  nach  unten  über  die  übel- 
riechenden Schwefelquellen  der  aquae  Cutiliae  gehalten,  dann 
noch  drei  Tage  lang  aufgehängt.  Maro  soll  mit  einem  gewaltigen 
Felsblock  erdrückt  werden;  aber  den  mächtigen  Stein,  den 
70  Männer  mit  Mühe  heben  konnten,  trägt  er  wie  leichte  Spreu 
zwei  Meilen  vor  die  Stadt,  an  den  Ort,  wo  er  zu  beten  pflegte; 
Turcius,  der  Freund  des  Aurelian,  schlägt  ihn  nieder.  Kaum 
haben  die  Drei  ihr  Martyrium  bestanden,  so  erscheint  an  ihren 
Leichen  das  bis  dahin  latente  Volk  der  Christen,  um  sie  zu  be- 
erdigen und  auf  ihren  Gräbern  Kirchen  zu  bauen:  dem  Eutyches 
also  16  m.p.  der  via  Komentana  mitten  auf  der  Strasse;  Victo- 
rinus wird  von  Cutiliae  nach  dem  nahen  Amiternum  gebracht; 
Maro's  Grab  wird  in  dem  von  ihm  getragenen  Felsen,  zwei 
Meilen  von  Septempeda,  ausgehöhlt  und  darauf  die  Kirche  ge- 
setzt, ,in  der  Heilungs wunder  geschehen  bis  an  den  heutigen 
Tag'. 

Soweit  der  Bericht  des  Marcus  an  seinen  Bruder  Marcellus, 
bei  dem  sich  der  Leser  vergebens  fragt,  wie  er  es  bewerkstelligt 
habe,  an  diesen  drei  weit  entfernten  Orten  das  Martyrium  der 
Drei  als  stummer  Zeuge  zu  erleben. 

Nun  wird  nach  den  drei  grossen  Einschüben,  die  uns  in 
den  Briefen  des  Marcellus,  des  Eutyches  und  Genossen,  und  in 
dem  Bericht  des  Marcus  von  Petrus  und  Simon,  Petronilla,  Feli- 
cula  und  Nicomedes,  von  Nereus  und  Achilleus,  von  Eutyches, 
Victorinus  und  Maro  Kunde  geben,  der  erste  Faden  wieder  auf- 
genommen. Aurelian  macht  den  letzten  Versuch,  Domitilla 
sich  geneigt  zu  machen.  Er  beredet  die  herrlichen  Edelleute 
Sulpicius  und  Servilianus,  ihre  Bräute  Euphrosyne  und  Theo- 
dora  nach  Terracina  zu  schicken;  dort  sollten  diese  mit  Domi- 
tilla, ihrer  Milchschwester,  zusammentreffen,  und  sie  zur  Heirat 
ermuntern.  Domitilla  verlässt  also  Pontia  und  trifft  mit  ihren 
Gespielinnen  am  Strande  von  Terracina  zusammen;  aber  während 
diese  essen,  fastet  und  betet  sie.    Als  die  Beiden  beginnen,  ihrem 


Achelis,  Acta  Nerei  et  Achillei.  39 

Auftrage  gemäss  zu  reden,  verweist  Domitilla  auf  ihren  wahren 
Bräutigam,  Christus,  dem  sie  treu  bleiben  müsse.  Da  sie  die 
Wunder  desselben  erwähnt,  erklären  sich  Euphrosyne  und  Theo- 
dora  bereit,  ihr  zu  glauben  und  zu  folgen,  wenn  sie  Wunder 
aufzuzeigen  vermöchte.  Domitilla  heilt  nun  dort  in  Terracina 
das  stumme  Töchterchen  der  Amme  der  Euphrosyne,  und  ebenso 
den  blinden  Bruder  der  Theodora,  Herodes  224  ff,  von  dem  eben 
vorher  21,  -  hervorgehoben  war,  dass  er  sich  in  dem  Gl  m.p.  ent- 
fernten Rom  befinde.  Euphrosyne  und  Theodora  sind  überzeugt 
und  erhalten  sofort  (von  wem?)  die  Taufe  bezw.  den  Schleier 
(xad-itQio&riGav).  Auch  viel  Volk  aus  Terracina  glaubt  und  wird 
getauft,  ,und  das  Haus,  in  dem  sie  verweilten,  wurde  wie  eine 
Kirche'. 

Aurelian  hat  einen  andern  Ausgang  erwartet.  Er  erscheint 
mit  Sulpicius  und  Servilian  in  Terracina.  Sie  haben  drei  Orgelu 
mitgebracht,  und  wollen  zusammen  Hochzeit  halten.  Aber  Sul- 
picius und  Servilian  lassen  sich  durch  die  eben  geschehenen 
Wunder  bekehren,  und  Aurelian  allein  giebt  sich  der  Freude 
des  Tanzes  hin.  Er  tanzt  drei  Tage  und  Nächte,  bis  er  tot  hin- 
fällt.    Wieder  glaubt  alles  Volk. 

Sein  Bruder  Luxurius  führt  die  Geschichte  zu  Ende.  Er 
holt  sich  die  Einwilligung  Trajans,  Sulpicius  und  Servilian  werden 
dem  Präfekten  der  Stadt  Anianus  übergeben  und  hingerichtet. 
Ihre  Körper  werden  am  zweiten  Meilenstein  der  via  Latina  be- 
stattet, ,wo  die  Kräfte  ihres  Martyriums  Fracht  bringen  bis  an 
den  heutigen  Tag'.  Domitilla  war  schon  von  Aurelian  mit 
Euphrosyne  und  Theodora  in  sein  Schlafgemach  in  Terracina 
eingeschlossen  worden;  Luxurius  lässt  sie  dort  mit  dem  Hause 
verbrennen.  Der  Diakon  Cäsarius  findet  am  folgenden  Tage 
ihre  Leichen  unversehrt,  und  begräbt  sie  in  einem  neuen  Sarko- 
phage in  Terracina. 

III. 

Mag  auch  die  Combination  dieser  verschiedenen  Martyrien 
eine  künstliche  sein,  und  mag  die  Fabel  dieser  Acta  von  Un- 
wahrscheinlich keiten  und  Unmöglichkeiten  strotzen,  mindestens 
die  Namen  seiner  dreizehn  Märtyrer  (Petronilla  eingerechnet)  hat 
unser  Autor  nicht  erfunden.     Sie  sind  wohl  ohne  Ausnahme  der 


40  Achelis,  Acta  Nerei  et  Achillei. 

Römischen  bezw.  mittelitalisclien  Tradition  entnommen,  und  bei 
den  meisten  sind  wir  noch  imstande,  anderweitige  deutliche 
Spuren,  wo  nicht  ihres  Lebens,  so  doch  ihrer  Verehrung  nach- 
zuweisen. Neben  den  geringen  für  uns  verwertbaren  historischen 
Notizen  steht  hier  ein  bedeutendes  archäologisches  Material  zur 
Verfügung,  das  wir  kurz  durchmustern.1) 

Zu  Ehren  der  Petronilla  wurde  nach  390  unter  Siricius 
(384 — 398)  die  bedeutende  dreischiffige  Basilika  in  der  nach 
Domitilla  oder  Nereus  und  Achilleus  benannten  Katakombe  er- 
baut, in  welcher  Gregor  der  Grosse  seine  28.  Homilie  über  den 
Hauptmann  von  Kapernaum  Joh.  4  hielt.2)  Durch  ein  Erdbeben 
(vielleicht  das  von  897)  zerstört,  wurde  sie  1854  und  1873  aus- 
gegraben —  eins  der  denkwürdigsten  Monumente,  welches  wir 
der  modernen  Katakombenforschung  verdanken. 

Aus  der  Basilika  führt  ein  Gang  in  ein  dicht  hinter  der 
Apsis  gelegenes  cubiculum  aus  dem  vierten  Jahrhundert.  Auf 
einem  zur  Hälfte  zerstörten  Arkosolgemälde,  das  noch  dem  Ende 
des  vierten  oder  dem  Anfange  des  fünften  Jahrhunderts  angehört, 
sehen  wir  die  hier  bestattete  Matrone  als  Orans  in  Dalmatica 
und  Schleier  dargestellt.     Sie  ist  durch  die  Inschrift 

VENERAN 
DA  DEP 
VII-IDVS-IA 
NVARI 

AS 

bezeichnet.  Ihr  zur  Linken  sind  Reste  von  Blumen  zu  erkennen. 
Zur  Rechten  steht  die  jugendliche  Petronilla,  die  Rechte  zu  der 
Verstorbenen  erhoben,  die  Linke  auf  eine  geöffnete  capsa  mit 
Buchrollen  gesenkt,  über  der  noch  ein  geöffnetes  Diptychon  oder 
codex  angebracht  ist.  Zu  beiden  Seiten  des  unverschleierten 
Hauptes  steht  ihr  Name 


1'  Ich  führe  hier  die  Märtyrer  in  der  Reihenfolge  auf,  in  der  ihre 
Passionen  in  den  Akten  sich  folgen. 

2)  So  wohl  mit  Recht  de  Rossi,  Bullettino  1874  p.  14;  der  älteren  An- 
sicht zufolge  wurde  sie  in  der  Kirche  des  Nereus  und  Achilleus  bei  den 
Caracallathermen  gehalten;  vgl.  z.  B.  Lipsius  Apokryphe  Apostelgeschichten 
II  1  S.  1U7. 


Achelis,  Acta  Nerei  et  Achillei.  41 

PETR  0 

NEL  LA 

MAßT  l) 

Man  pflegt  diese  Scerie,  die  iu  den  Katakomben  nicht  ohne  Pa- 
rallelen ist,  als  Einführung  der  Verstorbenen  durch  Petronilla 
ins  Paradies  zu  deuten. 

Das  wichtigste  monumentale  Zeugnis  für  Petronilla  aber  ist 
ihr  Sarkophag,  der  zwar  nicht  mehr  vorhanden,  aber  immerhin 
genügend  bekannt  ist.  Er  hatte  bis  zur  fränkischen  Zeit  in  der 
Basilika  gestanden;  sein  Platz  dort  lässt  sich  nicht  mehr  mit 
Sicherheit  nachweisen.  Nach  dem  Zeugnis  des  über  pontiticalis 
hatte  Stephan  II  (752 — 757)  die  Absicht,  ihn  nach  dem  Vatican 
zu  transportieren,  und  unterzog  zu  diesem  Zwecke  das  alte  kaiser- 
liche Mausoleum  im  Vatikan  einem  Umbau.2)  Sein  Bruder  und 
Nachfolger  Paul  I  (757 — 767)  führte  den  Plan  aus.  Im  Jahre 
1474  wurde  der  Sarkophag  gelegentlich  einer  Restauration  unter 
dem  Altar  der  Petronilla  wiedergefunden,  aber  der  Neubau  der 
Peterskirche  ward  ihm  zum  Verderben.  Anfangs  des  16.  Jahr- 
hunderts fiel  das  Mausoleum,  der  Sarkophag  stand  zuerst  in  der 
Sakristei,  dann  in  einer  Kapelle  del  crocifisso,  aber  nach  1574 
scheint  er  untergegangen  zu  sein.  Nur  die  Reliquien  wurden 
1606  in  dem  Petronillaaltar  der  neuen  Kirche  geborgen.  Pietro 
Sabino  hat  indessen  in  seinem  handschriftlichen  Nachlass  die 
Nachricht  bewahrt,  dass  der  Sarkophag  die  Inschrift 

AVRELIAE   PETRONILLAE  FILIAE  DVL 
CISSIMAE  || 
trug,  und  de  Rossi  hat  diesen  Nachlass  in  der  Marciana  wieder- 
gefunden. 3) 

Also  Aurelia  Petronilla  ist  der  Name  unsrer  Heiligen, 
und  de  Rossi  macht  mit  Recht  darauf  aufrnei'ksam,  dass  das  Cog- 
nomen  Petro,  wovon  Petronilla  abzuleiten  ist,  in  der  Familie  der 
Flavier  vorkommt.4)     So   ist  es  immerhin  möglich,   dass  Petro- 


1)  Nach  de  Rossi,  Bullettino  1875  p.  35  f  begegnet  es  nicht  selten,  dass 
der  Titel  martyr  verehrten  Personen  aus  Irrtum  beigelegt  wird.  —  Vgl. 
Bull.  1875  und  Tafel  I.  II,  auch  Kraus  Realen cyklopädie  II  p.  607. 

2)  Vgl.  de  Rossi,  Bullettino  1S78  p.  139  ff. 

3)  Vgl.  Bullettino  1865  p.  46  f. 

4)  Bullettino  1865  p.  22.  46.  Der  Stammvater  der  Flavierfamilie,  der 
Grossvater  Vespasians,  hiess  T.  Flavius  Petro. 


42  Achelis,  Acta  Nerei  et  Achillei. 

nilla  eine  Verwandte  des  flavischen  Kaiserhauses  war,  dessen 
christliche  Mitglieder  in  der  an  die  Basilika  grenzenden  Region 
der  Katakombe  bestattet  sind,  obwohl  zu  betonen  ist,  dass  wir 
gar  keinen  Anhaltspunkt  besitzen  l),  wann  Petronilla  lebte,  und 
demnach  ihre  Verwandtschaft  mit  den  Flaviern  eine,  allerdings 
ansprechende,  Vermutung  bleibt. 

Wenn  aber  unsre  Akten,  den  Petrus-Paulus- Akten  folgend, 
Petronilla  zu  einer  leiblichen  Tochter  des  Petrus  machen,  so 
liegt  hier  eine  volkstümliche  Combination  der  ähnlichen  Namen 
vor,  zu  der  möglicher  Weise  die  Sarkophaginschrift  Anlass 
gegeben  hat,  in  der  jedenfalls  ein  historischer  Zug  vergebens 
gesucht  wird. 

Das  167' ff.  erwähnte  Cömeterium  der  Felicula  7  m.p.  der 
via  Ardeatina  ist  bis  jetzt  nicht  konstatiert  worden;  auch  E. 
Stevenson,  der  beste  Kenner  der  suburbikarischen  Katakomben, 
hat  vergebens  danach  gesucht  2J. 

Für  den  , Presbyter'  Nicomedes  aber  besitzen  wir  monu- 
mentale Zeugnisse,  durch  die  wir  wenigstens  imstande  sind, 
zwischen  den  beiden  durch  Griechen  und  Lateiner  dargebotenen 
Namensformen  Nix6d?]tuog  und  Nicomedes  zu  entscheiden.  Die 
Katakombe,  in  der  ihn  sein  Kleriker  Justus  in  seinem  Gärtchen 
an  den  Mauern  Roms  bei  der  via  Nomentana  16->3  ff.  begrub, 
und  die  damit  verbundene  Kirche,  ,in  der  die  zu  Gott  Betenden 
durch  die  Intervention  des  Märtyrers  erlangen  was  sie  bitten* 
16J4  ff.,  ist  .auch  sonst  bekannt.  Bonifacius  V.  (619 — 625)  und 
Hadrian  I.  (772 — 795)  Hessen  sie  restaurieren3),  die  Itinerarien 
des  siebenten  Jahrhunderts  erwähnen  sie  als  zur  Rechten  der 
via  Nomentana  gelegen4),  ein  codex  Vallicellanus  der  Akten  des 
Nicomedes  (Auszug  aus  unsern  Akten )  berichtet  schon  von  ihrem 
Verfall."')  Das  Coemeterium  ist  vielleicht  von  Bosio  am  14  Dezember 


1)  Aber  das  Christentum  der  Petronilla  steht  durch  das  angeführte 
archäologische  Material  fester  als  V.  Schultze,  Ztschr.  f.  KG  1879  S.  17.'! 
angiebt. 

2)  Kraus,  Kealencyklopädie  II  117. 

3)  Liber  pontificalis  ed.  Duchesne  I  321  und  511.  Die  Weihung  durch 
Bonifaz  V.  fand  am  1  Juni  statt,  wie  die  Martyrologien  seit  dem  Hiero- 
nymianum  parvum  und  das  Sacramentarium  Gregorianum  (Liturgia  Ro- 
mana vetus  ed.  L.  A.  Muratori  174S  II  col.  95)  noch  berichten. 

4    de  Rossi,  Roma  sotterranea  I  178  ff. 
5)  Bosio,  Roma  sotterranea   1632  \>.  114  f. 


Achelis,  Acta  Nerei  et  Achillei.  43 

1(301  dicht  vor  der  Porta  Pia  in  der  Villa  Patrizi  wiedergefunden 
worden;  über  neuere  Ausgrabungen  an  dieser  Stelle  berichtet 
de  Rossi,  Bullettino  1S65  p.  49 — 54. 

Ausserdem  hat  aber  eine  alte  Kirche  in  Rom  den  Namen 
des  Nicomedes  geführt.  Die  Beschlüsse  des  ersten  Römischen 
Conzils  unter  Symmachus  von  499  unterschreiben 

Sepicianus  (resp.  Sebastianus)  presbyter  tituli  Nicomedis 
und  Genesms  presbyter  tituli  Nicomedis  x) 

und  in  dem  Evangelienambo  von  S.  Lorenzo  fuori  ist  unter  andern 
eine  Grabplatte  verwandt 

hie  p  OSITVS  EST  ■  VICTOR  ■  PRAESP  ^    TITVLI 
NICOME  dis 
XII  •  KAL  •  DECEMB  ■ 

Sie  soll  noch  dem  fünften  Jahrhundert  angehören. 2)  Über 
Lage  und  Geschichte  der  Kirche  ist  sonst  m.  W.  nichts  bekannt. 

Mombritius  unterscheidet  in  der  Inhaltsangabe  seines  Buches 
zwei  Heilige  dieses  Namens: 
Nicomedes  murtyr  fo  CLX 
Nicomedes  alter  presbyter  et  martyr  require  in  saneta  Petronzla 

Diese  erste  Passio  —  m.  W.  sonst  nirgends  gedruckt  —  ist 
aber  ein  spätestes  Machwerk,  auf  Grund  des  §  17  der  lateinischen 
Übersetzung  unserer  Akten  angefertigt,  wie  die  wörtliche  Über- 
einstimmung des  Schlusses  beweist. 

Das  Gedächtnis  des  Nereus  und  Achilleus  hat  sich  eben- 
falls in  der  Katakombe  am  Tor  Marancia  erhalten,  wo  die  christ- 
lichen Flavier  und  Petronilla  bestattet  waren.  Die  einzige  histo- 
rische Urkunde  über  sie  ist  das  Elogium  des  Damasus,  das  aus 
dem  codex  Palatinus  schon  seit  Gruter  bekannt,  von  de  Rossi 
noch  in  einer  Anzahl  anderer  Handschriften  gefunden  wurde.3) 
Die  Ausgrabungen  des  Jahres  1873  förderten  auch  bedeutende 
Reste  des  Originals  ans  Licht4): 

1)  Mansi  VIII  230. 

2)  de  Rossi,  Bullettino  1865  p  50. 

3)  Inscriptiones  II  1  p.  31.  67.  101,  vgl.  p.  312. 

4  Die  Fragmente  der  rechten  Hälfte  bei  de  Rossi,  Bullettino  1874 
p.  20  (Kraus,  Roma  sotterranea2  p.  84);  das  Fragment  links  bei  M.  Armellini, 
Le  cbiese  di  Roma  1887  p.  734.  —  leb  habe  es  versäumt,  mir  eine  Abschrift 
des  Originals  zu  nehmen. 


44  Achelis,  Acta  Nerei  et  Achillei. 

Militiae  nomen  dederant  saevum  Q.  gerebant 
Officium  pariter  spectantes  juss  ATY  rannt 
Praeceptis  pndsante  metu  -senw'REPAR  ati 
Mira  fides  verum  subito  ^os^eREFVRORE  m 
5  Gonversi  fugiunt  ducis  impia  castr  ARELINQVVNT 
PRO iciunt  clypjeos  f aleras  tel  AQ  •  CRVENTA 
CONFEss*  gaudent  Christi  portar  ETRIVMFOS 
CREDITe^er  Darnasum  possü  quid  GLORIA  CFRISTI 

Die  Inschrift  ist  in  den  bekannten  Pkilocalianischen  Typen 
geschrieben;  doch  veranlassen  kleine  Differenzen  der  Schreibart 
de  Rossi1)  zu  der  Vermutung,  dass  das  von  Dainasus  herrührende 
Gedicht  erst  unter  Siricius  eingehauen  wurde,  was  mit  der  Grün- 
dungszeit der  Basilika  der  Petronilla,  in  der  es  sich  befindet, 
übereinstimmt. 

Damasus  wusste  demnach,  dass  Nereus  und  Achilleus  Sol- 
daten, und  zwar  Prätorianer  waren,  dass  sie  ihres  christlichen 
Glaubens  wegen  sich  zur  Desertion  genötigt  sahen,  und  demzu- 
folge Märtyrer  oder  Confessoren  wurden.  Mehr  ist  aus  diesem 
Elogium  nicht  zu  entnehmen,  und  auch  bei  diesen  Ergebnissen 
ist  es  geraten,  sich  des  charakteristischen 

Haec  audita  refert  Damasus,  probat  omnia  Christus 

der  Damasusinschrift  auf  Hippolytus  zu  erinnern.  Vor  allem  über 
den  Zeitpunkt  ihres  Martyriums  bleiben  wir  im  Unklaren;  dabei 
kann  auch  weder  eine  Combination  mit  unseren  Akten2),  noch 
mit  Rom.  1615,  wo  Paulus  Nereus  und  seine  Schwester  grüssen 
lässt,  nützen. 

Von  geringem  historischen  Werte  sind  die  beiden  Säulen- 
fragmente, welche  dem  Ciborium  der  Basilika  angehörten,  wie 
gross  auch  ihre  Bedeutung  für  die  christliche  Plastik  und  Archi- 
tektur sein  mag.  Das  grössere  Stück  zeigt  auf  erhöhtem 
Grunde  das  Martyrium  des  Achilleus,  wie  die  darüberstehende 
Inschrift 

ACILLEVS 

beweist.  Der  mit  Tunika,  Pallium  (?)  und  Schuhen  bekleidete  Mär- 
tyrer läuft  nach  links,  die  Arme  nach  dem  Verfolger  ausgestreckt. 


1)  Bullettino  1874  p.  20. 

2)  So  de  Rossi,  Bullettino  1874  p.  24  f. 


Achelis,  Acta  Nerei  et  Achillei.  45 

Dieser,   mit  gegürteter  Tunika,    Mantel   und   Kopfbedeckung   '.- 
bekleidet,  folgt  ihrn,  in  hocherhobener  Linken  (sie)  ein  Schwert 
schwingend.      Beide    überragt    ein    im    Hintergrunde   stehendes 
Kreuz,  dessen  Spitze  mit  einem  grossen  Kranze  gekrönt  ist. 

Auf  der  entsprechenden  Säule  war  ganz  symmetrisch  das 
Martyrium  des  Xereus  dargestellt,  wie  das  erhaltene  Fussstück 
erkennen  lässt.  *) 

Dass  Nereus  und  Achilleus  Prätorianer  waren,  hat  der  Ver- 
fertiger dieser  Reliefs  nicht  beachtet.  Aber  darin  stimmt  die 
bildliche  Darstellung  mit  den  Akten  überein.  dass  beide  Mär- 
tyrer durchs  Schwert  sterben  1723f.  Auch  berichten  ja  die 
Akten  ausdrücklich,  dass  beide  .auf  dem  Gute  der  Domitilla  in 
der  sandigen  Krypta  an  der  via  Ardeatina'  begraben  wurden: 
wenn  aber  die  nähere  Bestimmung  I730f  ,in  der  Xähe  (eyyiora) 
des  Gedächtnisbaues  (fivrjfia  .  in  dem  Petronilla,  die  Tochter  des 
Apostels  Petrus,  beigesetzt  ist'  sich,  wie  wahrscheinlich,  auf  die 
Basilika  bezieht,  so  kanu  hiermit  kaum  bewiesen  werden,  dass 
das  Grab  des  Xereus  und  Achilleus  sich  zu  des  Verfassers  Zeiten 
unter  dem  Altar  derselben  befand. 

Auch  die  Kirche  SS.  Xereo  ed  Achilleo  bei  den  Caracalla- 
thermen  ist  sehr  alt.  Aber  sie  führte  in  ältester  Zeit  den  Namen 
Fasciolae,  angeblich  nach  der  Binde,  die  Petrus  um  sein  durch 
die  Fesseln  geschundenes  Bein  gebunden  hatte,  und  bei  seiner 
Flucht  aus  dem  Gefängnis  an  dieser  Stelle  verlor. 2)  Als  solche 
begegnet  sie  auf  der  von  de  Rossi.  Inscr.  I  n.  262  mitgeteilten 
Grabschrift  eines  Lectors  aus  dem  Jahre  377,  und  noch  auf  den 
Unterschriften    der  Römischen   Synode    von  499. 3)     Unter    dem 


1  Abbildung  Bullettino  1S75  Tf.  IV,  das  grössere  Fragment  auch 
Fleury,  La  messe  II  p.  7,  Kraus,  Roma  sotterrauea2  p.  SO,  Realencyklopädie 
II  o77.  —  Joh.  Ficker.  Lateran  p.  49  f  macht  mit  Recht  auf  die  grosse  Ähn- 
lichkeit der  Darstellung  des  Paulus-Martyriums  auf  der  Sarkophagwand  im 
Lateran  n.  106  (Photographie  Parker  2903)  aufmerksam.  Trotzdem  kann 
ich  mich  nur  schwer  überzeugen,  dass  diese  so  roh  gearbeiteten  Ciborium- 
säulen  der  Petronillabasilika  noch  dem  Ende  des  vierten  Jahrhunderts  an- 
gehören sollen,  der  Zeit,  aus  der  viele  unserer  besten  Sarkophage  stammen. 
—  Demselben  Ciborium  gehörte  wohl  der  Arckitravre>t  mit  den  Buchstaben 
LKVS  an,  was  de  Rossi  zu  Nereus  et  _lc/>//LEVS  martyres  ergänzt 
(Bullettino  1879  p.  159). 

2  Vgl.  u.  A.  Lipsius.  Quellen  der  Römischen  Petrussage  p.  140. 
3)  Mansi  VIII  236  f. 


]r,  Achelis,  Acta  Nerei  et  Achillei. 

Namen  Nerei  et  Achillei  findet  man  sie  zuerst  auf  den  Unter- 
schriften der  Römischen  Synode  von  595.  *) 

Die  Bollandisten  erwähnen  noch  andere,  kürzere  Akten  des 
Nereus  und  Achilleus,  die  sich  handschriftlich  im  Archiv  von 
S.  Maria  Maggiore  in  Rom  und  der  Vallicellana  (Abschrift  der 
vorigen)  befinden  sollen.  In  der  Kirche  zu  Terracina,  wo  Domi- 
tilla,  Euphrosyne  und  Theodora,  und  Cäsarius  verehrt  wTerden, 
pflegte  man  diese  zu  verlesen.  Die  Bollandisten  drucken  sie 
nicht  ab,  weil  sie  sicherlich  nicht  alt  seien,  sondern  ganz  auf 
unsern  Akten  beruhten.  Sie  bilden  demnach  eine  Parallele  zu 
den  Nicomedesakten  des  Mombritius  und  dem  Codex  C  der 
griechischen  Version. 

Märtyrer  des  Namens  Eutyches  oder  Eutychius  sind  sehr 
viele  bekannt,  aber  m.  W.  keiner,  der  am  16.  Meilenstein  der 
via  Nomentana  als  der  angeblichen  Örtlichkeit  seines  Martyriums 
in  einer  alleinstehenden  Kapelle  verehrt  wird. 

Victor  in  us  galt  schon  im  fünften  Jahrhundert  als  der 
Heilige  von  Amiternum,  wo  ihn  die  Akten  1925ff  begraben 
sein  lassen;  und  sein  Andenken  ist  bis  auf  unsre  Zeit  dort  nicht 
untergegangen.  Der  Ort  5  m.p.  von  Aquila,  der  auf  den  Trüm- 
mern des  alten  Amiternum  liegt,  heisst  San  Vittorino.  Auch  ein 
altes  Monument  seiner  Verehrung  hat  sich  noch  hier  erhalten: 
ein  flach  ausgehöhlter  Sarkophag,  der  vielleicht  bestimmt  war, 
die  Reliquien  des  Victorinus  zu  bewahren.  Ein  sonst  unbe- 
kannter Bischof  Quodvultdeus  (wohl  von  Amiternum)  hat  ihn 
auf  eigene  Kosten  anfertigen  lassen,  wie  die  Inschrift  CIL  IX  4320 
besagt: 

IVBENTE  DEO  CRISTO  NOSTRO 
SANCTO  MARTVRI  VICTORINO 
QVODVVLDEVS    EPIS    DE    SVO    FECIT 

Marangoni  -)  bemerkt  die  Ähnlichkeit  der  Lettern  mit  denen 
der  Damasianischen  Inschriften;  nach  de  Rossi's  Urteil  (CIL) 
gehört  sie  dem  vierten  oder  fünften  Jahrhundert  an.  Unsere 
Akten  haben  also  in  diesem  Sarkophag  ein  mindestens  gleich- 
altriges   Zeugnis   der  Verehrung    des  Victorinus   in  Amiternum. 


1)  }laii>i  IX  1228;    vgl.  Duchenne   in  den  Melanges  cl'archeologie  et 
(Vhistoire  YII  (1887)  p.  225  f. 

2)  Acta  S.  Victorim  1740  p.  26. 


Achelis,  Acta  Nerei  et  Acliillei.  47 

Die  Inschrift,  welche  zu  Marangoni's  Zeit  (a.  a.  0.  p.  31)  im 
Paviment  der  Kirche  lag  CIL  IX  4319: 


QVIESCIT  •  BICTORINVS    PRB 

wird  sich  kaum  auf  den  Heiligen  beziehen,  und  aus  den  beiden 
Marmorschranken  des  sechsten  oder  siebenten  Jahrhunderts  (nach 
Marangoni),  die  dieser  p.  24  in  Kupferstich  mitteilt,  ist  für  unsern 
Zweck  nichts  zu  entnehmen.  Wenn  der  Abbildung  überhaupt 
zu  trauen  ist,  so  wird  hier  ein  Märtyrer  in  bischöflichem  Ornate 
dargestellt  und  sein  Tod  durchs  Schwert  bewirkt;  beides  wider- 
spricht der  alten  Überlieferung  über  den  Märtyrer  Victorinus. 

Auch  Maro's  Gedächtnis  hat  sich  am  130.  miliarius  der 
via  Salaria  in  Picenum  erhalten,  wohin  er  durch  unsre  Akten 
versetzt  wird.  Zwar  in  Septempeda  selbst,  wo  er  seine  letzten 
Wunder  vollbringt,  hat  er  dem  späteren  Bischof  Severinus 
weichen  müssen,  der  auch  der  jetzigen  Stadt  den  Namen  gab: 
San  Severino  delle  Marche.  Aber  dankenswert  sind  die  Nach- 
weise Marangoni's  (a.a.O.  p.  46ff».  der  vielleicht  nicht  zuviel  be- 
hauptet, dass  Maro  in  ganz  Picenum  als  „Apostel"  der  Provinz 
gilt  und  verehrt  wird.  Er  gilt  als  Patron  von  Urbisaglia,  in 
Tolentino  bewahrt  man  sein  Bild,  in  Collina  ist  ihm  ein  Altar 
errichtet,  wo  seine  Reliquien  verehrt  werden,  ebenso  in  Monte 
Leone;  an  allen  diesen  Orten  begeht  man  den  15  April 
als  das  Fest  des  Maro.  In  der  1153  geweihten  Cappuziner- 
kirche  San  Michele  in  Rieti  zeigt  man  seine  Reliquien  und  den 
grossen  Stein.  Marangoni  bemüht  sich  vor  Allem,  die  Berechtigung 
der  Ansprüche  von  Civita  nova  auf  den  Heiligen  nachzuweisen, 
und  zu  zeigen,  dass  jene  alte  Kirche,  die  sich  etwa  2  m.p.  vor 
der  Stadt,  nahe  dem  Meere  am  Flusse  Chienti  befindet,  die  von 
dem  Aktenschreiber  erwähnte  sei;  sie  enthalte  auch  die  echten 
Reliquien.  Und  es  ist  gewiss  beachtenswert,  dass  im  Mittelalter 
der  Hafen  von  Civita  nova  den  Namen  Castrum  Moronis  führte. 
Aber  Marangoni  thut  den  Akten  Gewalt  an;  sie  reden  von  einer 
Kirche  zwei  Meilen  von  Septempeda,  das  überdies  der  ange- 
gebenen Entfernung  130  m.p.  von  Rom  näher  kommt  als  Civita 
nova. 

Irgend  eine  historische  Überlieferung,  die  unabhängig  von 
dem  in  unsern  Akten  Gesagten  wäre,  hat  sich  nirgends  erhalten. 
Überall  in  Picenum  aber  wird  auf  den  Besitz  des  Heiligen  und 


48  Achelis,  Acta  Nerei  et  Achillei. 

seiner  Reliquien  reflektiert;  hier  und  da  auch  der  gewaltige  Stein- 
block, ,den  70  Männer  mit  Mühe  hoben',  vorgezeigt. 

Das  Coerneteriuni  des  Sulpicius  und  Servilianus,  in  wel- 
chem diese  ,auf  ihren  eigenen  Landgütern  am  zweiten  milliarius 
der  via  Latina'  beigesetzt  wurden  234  ff,  ist  auch  sonst  bekannt. 
Nach  dem  über  pontificalis  !)  hing  es  wohl  mit  einer  Reihe  an- 
derer Grabstätten  zusammen,  der  des  Gordian  und  Epimachus, 
des  Quartus  und  Quintus,  der  Sophia  und  des  Tertullinus.  Auch 
die  Nachricht,  dass  die  Stätte  viel  besucht  wurde,  ,wo  die 
Wunderkraft  ihres  Martyriums  Frucht  trägt  bis  zum  heutigen 
Tage'  23Gf,  wird  hierdurch  bestätigt;  das  Papstbuch  redet  aus- 
drücklich von  einer  , Basilika'  an  diesem  Orte.  Ob  das  Coeme- 
terium  wiedergefunden  wurde,  muss  zweifelhaft  bleiben.  Schon- 
Bosio  (p.  299)  grub  in  der  Gegend  und  glaubte  es  identifizieren 
zu  können;  noch  siegesgewisser  trat  Boldetti  auf. 2) 

Wichtiger  als  dies  ist  für  uns  die  Inschrift,  die  Bosio 
(p.  299)  in  einem  Garten  bei  der  Kirche  S.  Angelo  in  Borgo 
vecchio  sah: 

SIMPLICIVS  c/  MARTYR 
SERVILIANVS  ^  MARTYR 

Die  Inschrift  ist  seitdem  m.  W.  verschollen.  Über  ihre  Her- 
kunft ist  nie  etwas  bekannt  geworden;  nur  das  ist  mit  Sicher- 
heit zu  sagen,  dass,  falls  sie  aus  der  Katakombe  stammen  sollte, 
sie  wegen  des  zweimaligen  MARTYR  nicht  wohl  die  ursprüng- 
liche Grabinschrift  der  Beiden  gewesen  sein  kann. 

Wieder  taucht  hier  die  Frage  nach  dem  Namen  der  Per- 
sonen auf.  Die  Akten  nennen  den  ersten  stets  2ovAjtixioc  (Sul- 
pitius),  im  liber  pontificalis  und  auf  dieser  apokryphen  Inschrift 
steht  Simplicius.  Da  die  Namen  der  Akten  auch  sonst  verderbt 
sind  (s.  oben  S.  26  Anm.  1),  könnte  man  versucht  sein,  auch  hier 
zu  korrigieren.  Zu  einer  sicheren  Entscheidung  aber  scheint  mir 
das  archäologische  Material  nicht  auszureichen,  da  Grieche  und 
Lateiner  ihm  gemeinsam  gegenüberstehen. 


1)  Simili  modo  et  basilicam  saneti  Gordiani  atqtte  Epimaehi,  scu 
cymiteriu/m  ejusdem  ecelesiae,  Simplicii  et  Serviliani,  atque  Quarti  et 
Quinti  martyribus,  et  beatae  Sophiae,  una  cum  cimiterio  saneti  Tertullini 
foris  porta  Latina  noviter  renovavit.    Hadrian  I.    Duchesne  p.  509. 

2)  Osservazioni  sopra  i  ciniiteri  1720  p.  561  f. 


Achelis,  Acta  Nerei  et  Achillei.  49 

Bei  weitem  am  besten  sind  wir  über  Dom  itilla1)  unterrichtet. 
Aus  Eusebius'  Kirchengeschichte  III  184.  5  wissen  wir,  dass  im 
15.  Jahre  Domitians  Flavia Domitilla,  die  Schwestertochter  des 
Consuls  Flavius  Clemens,  ihres  christlichen  Glaubens  wegen  nach 
der  Insel  Pontia  verbannt  wurde.  Selbst  heidnische  Schriftsteller 
könnten  nicht  umhin,  das  zu  berichten.  In  seinem  Chronicon 
(Schöne  II  160)  erzählt  Eusebius  (wohl  nur)  dasselbe,  doch  macht 
er  hier  einen  seiner  Gewährsmänner  namhaft:  Brettius  (oder 
Bruttills),  von  dessen  Schrift  wir  aber  sonst  nichts  besitzen. 

Eine  mehrfach  widersprechende  Nachricht  giebt  Cassius  Dio 
LXVII  14  (und  Sueton.  Domitian.  15).  Im  Jahre  95  habe  Domi- 
tian  seinen  Verwandten,  den  Consul  Flavius  Clemens  unter  die 
Anklage  der  d&sÖT/jg  gestellt  und  hinrichten  lassen;  derselbe 
habe  nänilich  wie  manche  Andere  damals  Hinneigung  zu  jüdischen 
Sitten  gezeigt;  seine  Gemahlin,  Flavia  Domitilla,  sei  nach 
Pandateria  verbannt  worden. 

Wir  haben  also  zwei  Zweige  der  Überlieferung  über  Flavia 
Domitilla  zu  unterscheiden,  einen  christlichen,  den  Eusebius  re- 
präsentiert, und  einen  heidnischen,  den  Cassius  Dio  bietet.  Man 
hat  in  neuerer  Zeit  meist  angenommen,  dass  in  Bezug  auf  Domi- 
tilla auf  einer  Seite  ein  Fehler  vorliegt:  Domitilla  sei  entweder 
die  Gattin,  oder  die  Nichte  des  Consuls  Flavius  Clemens  gewesen, 
sie  sei  entweder  nach  Pontia  oder  nach  Pandateria,  der  Nachbar- 
insel, verbannt  worden.  Man  hat  darauf  hingewiesen,  dass 
Cassius  Dio  leicht  an  Stelle  der  grösseren  Insel  Pontia  (jetzt 
Ponza)  die  kleinere  Pandateria  (jetzt  Ventotene)  setzen  konnte, 
da  beide  öfter  Anverwandten  des  Kaiserhauses  zum  Exil  werden 
mussten2/,  andrerseits  sei  es  möglicherweise  schon  tendenziös, 
wenn  Eusebius  aus  der  Gattin  und  Mutter  zweier  Söhne  eine 
Jungfrau  mache.3;  Man  spricht  danach  geradezu  von  einer  histo- 
rischen und  einer  legendarischen  Flavia  Domitilla.  Aber  die 
,historische'  Domitilla  wird  auch  erst  auf  eklektischem  Wege 
gefunden;  sie  ist  nach  Dio   die  Gattin  des  Consuls   und  Mutter 


1)  Die  Schrift   von  Lais,  Sul  valore  storico    degli  atti  di  Domitilla, 
kenne  ich  nicht. 

2)  Lightfoot,  The  apostolic  fathers  I  S.  Clement  of  Rome  Bd.  1  1890 
p.  50. 

3)  Hasenclever,  Christliche  Proselyten  der  höheren  Stände  im  ersten 
Jahrhundert  in  Jb.  f.  prot.  Theol.  Bd.  8  1882  S.  234  ff. 

Texte  u.  Untersuchungen  XI,  2.  4 


50  Achelis,  Acta  Nerei  et  Achillei. 

seiner  einst  für  den  Thron  bestimmten  Söhne  gewesen,  andrer- 
seits nach  Euseb  nach  Pontia  verbannt  worden,  was  wegen 
Hieronyrnus  Vita  S.  Paulae  (ep.  108) l)  nicht  gut  zu  umgehen  ist. 
Man  hat  ein  weites  Feld  zu  Vermutungen,  wo  es  sich  um 
zwei  sich  widersprechende,  aber  keineswegs  sichere  Zeugen  handelt. 
Denn  den  (nach  Eusebs  Annahme)  heidnischen  Schriftsteller 
Brettius  kennen  wir  eben  nur  aus  dessen  Referat,  und  Dio  an 
diesem  Teile  nur  aus  dem  Auszuge  des  Johannes  Xiphilinos  aus 
dem  elften  Jahrhundert.  Natürlich  ist  es  möglich,  dass  lediglich 
ein  Irrthum,  vielleicht  auch  Tendenz,  auf  der  einen  Seite  die 
Divergenz  der  Überlieferung  verursacht  hat.  Aber  ist  es  wahr- 
scheinlich zu  machen?  Warum  soll  man  einen  doppelten  Fehler 
annehmen  bei  einer  Überlieferung,  die  sich  keinesAvegs  aus- 
schliesst?  Cassius  Dio  (a,  a.  0.)  sagt  ausdrücklich,  dass  ausser 
dem  Consul  Clemens  und  seiner  Gemahlin  noch  viele  Andere 
wegen  Hinneigung  zu  jüdischen  Sitten  verurteilt  wurden,  teils 
getötet,  teils  ihres  Vermögens  beraubt  wurden.2)  Euseb  und 
andrerseits  Dio  und  Sueton  berichten  über  dieselben  Ereignisse 
der  Regierung  Domitians  aus  verschiedenen  Gesichtspunkten: 
die  Geschichtsschreiber  der  Kaiserzeit  von  dem  Schicksal  des 
Consuls  und  seiner  Gattin,  der  Kirchenhistoriker  von  einer  un- 
berühniten  Nichte  desselben,  die  aber  Christin  war,  da  er  von  dem 
Christentum  des  Consuls  und  seiner  Gemahlin  wohl  nichts  Sicheres 
wusste.  Warum  soll  Flavius  Clemens  nicht  eine  Nichte  Domi- 
tilla  gehabt  haben,  die  nach  Pontia  verbannt  wurde,  während 
seine  Gattin  nach  Pandateria  ging?  Diese  Auffassung,  dass  es 
sich  um  zwei  Persönlichkeiten,  die  Fla  via  Domitilla  hiessen, 
handelte,  ist  die  traditionell  Römische.3)  Gefehlt  hat  man  auch 
auf  dieser  Seite  durch  die  Bestimmtheit  der  Behauptung.  Nach 
dem  Bestände  des  Materials  kann  man  nur  sagen,  dass  aus  dem 
Jahre  95  das  Christentum  und  Martyrium  einer  Verwandten  des 
Kaisers,  Flavia  Domitilla,  feststeht,  dass  die  Combination  der 
Quellen    es    nahe    legt,    zwischen    zwei   Märtyrinnen    desselben 


1)  Migne  PL  22  c.  882. 

2)  Vgl.  auch  Tacitus,  Agricola  45  Non  vidit  Agricola  .  ..tot  nobilissi- 
marum  feminarwm  exilia  et  fitgas. 

3)  Vgl.  z.  B.  de  Rossi ,  Bullettino  1875  p.  69—77  und  Tillemont  II  1 
(1695)  p.  224— 235,  dessen  Darstellung,  obwohl  sie  in  vielen  Einzelheiten 
korrigiert  ist,  ich  noch  immer  für  die  beste  halte. 


Achelis,  Acta  Nerei  et  Achillei.  51 

Namens,  der  Gattin  und  der  Nichte  des  Consuls  Flavius  Clemens, 
zu  unterscheiden,  dass  wenigstens  die  Gründe,  um  beide  zu  iden- 
tifizieren, nicht  ausreichen,  xluf  diese  Domitilla  oder  eine  dieser 
Domitillen  geht  nun  wahrscheinlich  in  irgend  einer  Weise  die 
Gründung  der  mehrfach  erwähnten  Domitillakatakoinbe  zurück, 
worauf  vor  allem  die  in  der  Nähe  gefundene  Inschrift  CIL  VI 
K1246  (vgl.  auch  948  und  8942)  hinweist.  Bei  den  Ausgrabungen 
Bosio's  und  de  Rossi's  hat  sich  indes  kein  Zeugnis  von  ihrem 
Begräbnis  an  dieser  Stätte  gefunden.  Auch  nicht  ein  Zeichen 
ihrer  Verehrung  ist  aus  dem  christlichen  Altertum  vorhanden; 
die  grosse  Basilika  in  der  Katakombe  baute  man  zu  Ehren  der 
Petronilla  bezw.  auch  des  Nereus  und  Achilleus;  viele  Jahr- 
hunderte hindurch  scheint  die  Römische  Gemeinde  das  Gedächtnis 
an  diese  Märtyrin  (oder  gar  Märtyrinnen)  aus  dem  Flavierhause 
vergessen  zu  haben. 


IV. 

Eine  besondere  Berücksichtigung  verdienen  die  Marty- 
rologien.  Mehr  als  irgend  eine  andere  Urkunde  sind  sie  im- 
stande, uns  über  die  Verehrung  der  Märtyrer  zu  unterrichten, 
und  für  Rom  und  Mittelitalien  fliessen  hier  die  Quellen  besonders 
reichlich.  Die  älteste  derselben  ist  die  Deposüio  martyrwm  des 
.Chronographen  vom  Jahre  354'  *),  ein  Verzeichnis  der  in  Rom 
um  diese  Zeit  gefeierten  Märtyrerfeste,  das  daher  von  Mommsen 
Feriale  ecrlesiae  Romanae  überschrieben  wird.  Dies  Verzeichnis 
umfasst  nicht  nur  Römer,  auch  die  berühmteren  Suburbicaner 
(aus  Ostia,  Porto,  Albano)  werden  genannt,  selbst  zwei  afri- 
kanische Tage  (Perpetua -Felicitas,  Cyprian)  begangen.  Da  ist 
es  in  hohem  Grade  beachtenswert,  dass  von  den  dreizehn  Mär- 
tyrern (mit  Petronilla)  unsrer  Akten  auch  nicht  ein  einziger  ge- 
nannt wird.  Eine  allgemeinere  kirchliche  Feier  wurde  also  um 
die  Mitte  des  vierten  Jahrhunderts  Keinem  von  ihnen  in  Rom 
zu  teil. 

Hundert  Jahre  weiter  führt  das  Martyrologium  Hie  ro- 
ll ymianum;  doch  ist  die  Benutzung  desselben  zur  Zeit  nur  bei 


1)  Neueste  Ausgabe  in  den  Monumenta  Germaniae  historica,  Auelores 

a/ntiquissimi  toin.  IX  Berlin  1892  p.  71  von  Mommsen. 

4* 


52  Achelis,  Acta  Nerei  et  Achillei. 

grösster  Vorsicht  gestattet.  Denn  wir  entbehren  hier  noch  den 
Rückhalt,  den  eine  gute  Ausgabe  dem  Forscher  giebt,  und  bei 
der  Fülle  von  Schwierigkeiten,  welche  der  Text  der  Handschriften 
dem  Nichteinge  weihten  bietet,  ist  eine  Kritik  und  Sichtung  im 
einzelnen  Falle  kaum  möglich,  solange  sie  nicht  von  berufener 
Seite  im  Ganzen  unternommen  ist.  Seit  längerer  Zeit  ist  Aus- 
gabe und  Quellenuntersuchung  von  Duchesne  und  de  Rossi  an- 
gekündigt; zur  Zeit  ist  nichts  Anderes  möglich,  als  den  Text, 
wie  ihn  Fiorentini1)  bietet,  mit  dem  der  als  besten  bezeichneten 
Handschrift,  des  Bernensis  289  saec.  VIII  oder  IX2),  zusammen- 
zustellen. 

Das  um  die  Mitte  des  fünften  Jahrhunderts,  vielleicht  unter 
Xystus  III  (432 — 440)  verfasste  pseudonyme  Martyrologium  ist 
aus  drei  Kalendern  zusammengearbeitet,  einem  Römischen,  einem 
Karthagischen  und  einem  syrischen.  Da  wir  den  Karthager  in 
einer  Gestalt  des  fünften  bis  sechsten  Jahrhunderts  seit  Mabillon 
und  den  Syrer  seit  Wright  in  einer  Handschrift  aus  dem  Jahre 
412  besitzen^,  so  ist  auch  eine  Rekonstruktion  des  dort  ver- 
arbeiteten Römischen  Kalenders  möglich,  eine  der  Arbeiten,  die 
de  Rossi  noch  einlösen  wird.  Bis  jetzt  steht  nur  fest,  dass  dieser 
Römische  Kalender  bis  auf  Bonifatius  I  (f  422)  regelmässig  fort- 
geführt war.4)  Schwierig  ist  die  Untersuchung  vor  allem  des- 
wegen, weil  auch  der  Compilator  in  Italien  schrieb,  und  durch 
manche  Nachträge  über  Römische  und  mittelitalische  Märtyrer- 
feste den  Römischen  Festkalender  ergänzt  hat.  Diese  beiden 
Hände,  die  des  Römischen  Kalenderschreibers  unter  Bonifaz  I 
und  des  Compilators  unter  Xystus  III ,  sind  für  uns  nicht  zu 
scheiden,  solange  nicht  de  Rossi  gesprochen  hat.  Bei  dem  ge- 
ringen Zeitabstand  zwischen  beiden  macht  dieser  Umstand  für 
unsre  Untersuchung  wenig  aus;  wir  dürfen  ohnehin  fast  an  keinem 
Punkte  mit  präcisen  Daten  arbeiten.     Hinderlicher  ist  es,  dass 

1)  Vetustius  occidentalis  ecclesiae  Martyrologium  D.  Hieronymo  .  .  . 
tributum  ed.  Fr.  M.  Florentinius  Lucae  1668. 

2)  AA  SS  October  XIII. 

3)  Der  Karthagische  Kalender  u.  A.  bei  E.  Egli,  Altchristliche  Studien  I 

1887  S.  108  fi';  der  syrische  ebendort  S.  5  ff. 

4)  Duchesne,  Les  sources  du  martyrologe  Hieronymien.  Melanges 
d'archeologie  et  d'histoire  Bd.  V  1885  p.  120—160.  —  Harnack,  Th.  Ltrztg. 

1888  S.  350—352.  —  K.  J.  Neumann,  Der  Römische  Staat  und  die  allgemeine 
Kirche  1  1890  S.  274  ff. 


Achelis,  Acta  Nerei  et  Achillei.  53 

nach  nach  der  Compilation  unter  Xystus  III  (in  der  Mitte  des 
fünften  Jahrhunderts)  der  Kalender  fort  und  fort  ergänzt  wurde. 
Hier  können  wir  nur  soweit  gehen,  wie  die  Confrontierung  der 
beiden  genannten  Texte  führt. 

Von  den  Persönlichkeiten  unsrer  Akten  werden  hier  sieben 
(bezw.  acht)  erwähnt:  Maro,  Caesarius,  Nereus-Achilleus,  Petronilla, 
Felicula,  Victorinus  (und  Niconiedes). 

15  April  (XVII  kal.  Maj.)  Fiorentini  p.  438  Piccino  in  Aureo 
Monte,  Moronis.  Messoris.  Mositis.  Procline.  Bernensis  p.  XI 
Picino  in  Aureo  Monte.  Moronis.  Messoris.   Proclinae.  Mosaetis. 

Übereinstimmend  mit  unsern  Akten  wird  die  Verehrung  des 
Maro  nach  Picenum  verlegt;  anstatt  des,  auch  in  den  Akten  nicht 
völlig  feststehenden,  Septempeda  wird  als  Lokal  der,  nicht  sicher 
nachweisbare,  Aureus  Mons1)  genannt.  Vor  allem  aber:  Maro 
befindet  sich  hier  in  ganz  andrer  Gesellschaft  als  in  den  Akten. 
Ich  will  nicht  entscheiden,  ob  die  auf  Moronis  folgenden  Worte 
Messoris  Proclinae  Mosaetis  sich  auf  Genossen  des  Maro,  eben- 
falls in  Aureus  Mons  verehrt,  beziehen,  ob  Maro  also  dort  allein, 
oder  mit  drei  Andern  gefeiert  wurde.  Von  Wichtigkeit  ist  schon 
das  negative  Resultat,  dass  Maro  mit  dem  Eutyches  der  via  No- 
mentana  und  dem  Victorinus  von  Amiternum  hier  nichts  zu 
schaffen  hat,  geschweige  denn  mit  Domitilla  und  ihrem  Exil 
auf  der  Insel  Pontia.  Ob  er,  wie  Marangoni  wollte,  dort  als 
einer  der  Apostel  der  Landschaft  galt,  sodass  vielleicht  in  den 
195ff  20j  ff  erwähnten  Wundern,  welche  die  Bekehrung  des 
Volkes  zur  Folge  hatten,  noch  eine  richtige  Erinnerung  steckte, 
ist  nicht  zu  entscheiden.  Abzuweisen  ist  es  deshalb  nicht;  die 
zweimalige  Erwähnung  dieser  Folge  der  Wunder,  die  bei  Eutyches 
und  Victorinus  nicht  eintritt,  könnte  dafür  sprechen. 

21  April  (XI  kal.  Maj.)  Fiorentini  p.  450  Et  in  Terracina 
Campaniae,  Natalis  S.  Cesarii.  Bernensis  p.  XI  Et  in  Terra- 
cina Campanie  sancti  Cesarii. 

Also  auch  der  .Diakon'  Caesarius,  dem  der  Aktenschreiber 
nur  die  nebensächliche  Rolle,  Domitilla  und  Genossinnen  zu  be- 
erdigen, zuschreibt,  lässt  sich  als  in  Terracina  verehrt  nachweisen; 
von  seinem  Diakonat  23l3  weiss  freilich  der  Kalender  nichts. 


1)  Ein  Ort  Moutoro  liegt  in  der  Nähe  von  Osimo  (Auxiinuni)  in  Pice- 
num, ein  andrer  Montorio  bei  Teramo. 


54  Achelis,  Acta  Nerei  et  Achillei. 

12  Mai  (IV  id.  Maj.)  Fiorentini  p.  525  Romae  Natalis  Sancto- 
rum  Nerei.  Achillei.  Bernensis  p.  XIII  Home  in  cimiterio  Pretex- 
tati  natale  Nerei  et  Achillei  fratrum. 

Brüder  nennen  sich  Nereus  und  Achilleus  auch  in  den 
Akten  512;  die  Damasusinschrift  sagt  nichts  darüber;  die  Be- 
merkung des  Bernensis  macht  es  wahrscheinlich,  dass  wirklich 
eine  Tradition,  die  sie  für  Brüder  hielt,  bestand. 

Ob  es  eiu  Zufall  ist,  dass  an  Stelle  des  coemeterium  Domi- 
tillae  das  c.  Praetextati  gesetzt  ist,  vermag  ich  nicht  zu  sagen. 

31  Mai  (prid.  kal.  Jun.)  Bernensis  p.  XV  am  Schluss  der 
ganzen  Reihe  Romae  Petronillae  virginis.  Wenn  Fiorentini 
p.  561  die  Tagesreihe  beginnt  mit  In  Aquileja  Natalis  S.  Pe- 
tronillae. Natalis  Sanctorum  Canti.  Cantiani  etcv  so  ist  aus  dem 
Vergleich  des  Bernensis  deutlich,  dass  die  Petronillanotiz  an 
falscher  Stelle  zwischen  Aquileja  und  seinen  Heiligen  Cantus, 
Cantianus  und  Genossen  eingedrungen  ist.  Dies  augenfällige  Ver- 
sehen zusammen  mit  dem  Umstand,  dass  die  Notiz  im  Bernensis 
am  Schluss  des  31  Mai  steht,  macht  die  Vermutung  de  Rossi's1), 
dass  Petronilla  überhaupt  erst  später  dem  Kalender  eingefügt 
sei,  wahrscheinlich. 

Die  volkstümliche  Legende,  welche  Petronilla  zur  Tochter 
des  Petrus  macht,  findet  sich  hier  noch  nicht. 

13  Juni  (id.  Jun.)  Fiorentini  p.  593  Romae  Feliculi.  Ber- 
nensis p.  XVI  Romae  via  Ardiadina  miliario   VII  Feliculi. 

Da  das  Martyrologium  und  die  Akten  gegenseitig  unabhängig 
sind,  konnten  wir  hier  eine  zweifelhafte  Lesart  des  Textes  her- 
stellen; nicht  IvötTcärco,  sondern  septimo  y.ülm  der  Ardeatina 
ist  Felicula  bestattet  167;  wieder  hat  der  Lateiner  Recht.  Aus 
der  genauen  Übereinstimmung  in  Angabe  der  Strasse  und  sogar 
des  miliarius  geht  hervor,  dass  Kalender  und  Akten  dieselbe 
Persönlichkeit  im  Auge  haben,  was  in  Zweifel  gezogen  werden 
könnte,  weil  diese  von  einer  Jungfrau  Felicula,  jener  anscheinend 
von  einem  Feliculus  redet.  Ob  hier  lediglich  ein  alter  Fehler 
in  der  handschriftlichen  Überlieferung  des  Martyrologiums  vor- 
liegt, kann  ich  nicht  entscheiden. 

24  Juli  (IX  kal.  Aug.)  Fiorentini  p.  678  In  Amiternina 
Gvmtate  miliar io  LXXXIII.  ab  urbe  Romana  via  Salutaria  Na- 


1)  Bullettino  1875  p.  35. 


Achelis,  Acta  Nerei  et  Achillei.  55 

talis  Sancti  Victorini.  Bernensis  p.  XIX  In  Amiternina  civitate 
milites  octoginta  tres.  Ab  urbe  Romana  Via  Salaria  natale 
Victor  iai. 

Jede  der  beiden  Versionen  enthält  einen  Fehler,  der  sich 
mit  Hülfe  der  andern  leicht  korrigiert.  Der  Bernensis  deutete 
das  als  ursprünglich  anzunehmende  mil.  LXXXIII  falsch  als 
83  milites,  die  Handschriften  des  Fiorentini  entstellten  den 
Namen  der  Via  Salaria.  Auch  die  erste  Correctur  ist  sicher, 
das  zeigt  schon  die  Construktion  des  Satzes,  und  die  angegebene 
Entfernung  von  Rom  ist  richtig;  der  miliarius  LXXXIII  ist  kurz 
hinter  Amiternum  gefunden  worden.1) 

Wie  schon  bei  Maro  liegt  auch  hier  bei  Victorinus  eine  ur- 
sprüngliche Tradition  vor,  die  ihn  nur  als  Märtyrer  von  Ami- 
ternum kennt,  von  seinem  Zusammenhange  mit  Eutyches,  Maro 
und  Domitilla,  seinem  Aufenthalt  in  Pontia  nichts  weiss. 

15  September  (XVII  kal.  Oct.)  Fiorentini  p.  832  Natalis 
Sancti  Nicomedi  martyris.  Die  Notiz  fehlt  im  Bernensis,  unter 
den  Handschriften  des  Fiorentini  auch  in  der  Antwerpener  und 
Corveyer.  Da  der  Charakter  und  die  Geschichte  des  Martyro- 
logiums  die  spätere  Einfügung  eines  Namens  wahrscheinlicher 
machen  als  eine  Auslassung,  dürfte  auch  Nicomedes  nicht  zu 
dem  ursprünglichen  Bestände  des  Hieronymianum  gehört  haben. 
Dass  er  Presbyter  gewesen,  wie  die  Akten  sagen,  weiss  auch 
dieser  Zusatz  noch  nicht. 

Die  Anzahl  der  im  Martyrologium  Hieronymianum  von  An- 
fang an  aufgeführten  Märtyrer  unsrer  Akten  reduziert  sich  —  nach 
unsrer  Zusammenstellung,  die  von  vornherein  auf  ein  abschliessen- 
des Urteil  verzichten  muss  —  auf  fünf  (bezw.  sechs):  Maro  in 
Aureus  Mons  im  Picenischen,  Caesarius  in  Terracina,  Nereus- 
Achilleus  und  Felicula  (bezw.  Feliculus)  in  Rom,  Victorinus  in 
Amiternum.  Zwei  Namen,  Petronilla  und  Nicomedes,  sind  — 
wie  es  scheint  —  im  Laufe  der  handschriftlichen  Überlieferung 
in    den   Kalender  eingedrungen;   Sulpicius  (Simplicius)  und  Ser- 


1)  Der  alte  Fehler  ist  nicht  ohne  Folgen  geblieben.  Schon  bald  haben 
die  so  entstandenen  83  Soldaten  den  Victorinus  vom  24  Juli  verdrängt. 
Ado  (ed.  Rosweyde  1645  p.  281)  schreibt  nur  Et  apud  Amiteminam  eiri- 
tatem  Militant  octoginta  triam,  und  ebenso  das  Martyrologium  Romanum 
(ed.  Baronius  1589  p.  323)  Amiterni  in  Vestinis  passio  sanctorum  militv/m 
octoginta  triam. 


56  Achelis,  Acta  Nerei  et  Achillei. 

vilianus,  Domitilla  mit  Euphrosyne  und  Theodora  und  endlich 
Eutyclies  sind  noch,  nicht  bekannt.  Schon  deswegen  ist  das  Re- 
sultat von  Wichtigkeit,  weil  es  uns  zeigt,  dass  unser  Autor  nicht 
auf  Grund  des  Hieronyniianum  arbeitete.  Ob  es  ihm  bekannt 
war  oder  nicht,  wird  sich  nicht  feststellen  lassen;  immerhin  ist 
zu  sagen,  dass  er  kein  Interesse  für  die  verschiedenen  Tage,  an 
denen  diese  Märtyrer  gefeiert  wurden,  zeigt;  auch  nicht  ein  ein- 
ziges Datum  wird  im  griechischen  Texte  der  Akten  genannt. 
Und  vor  allem  ist  festzustellen,  dass  der  Verfasser  seine  Kenntnis 
der  Katakomben  der  Domitilla,  der  Feücula,  des  Sulpicius  (Sim- 
plicius)  und  Servilianus,  und  des  Nicomedes  nicht  aus  dem  Mar- 
tyrologium  schöpfen  konnte,  und  dass  er  bei  Eutyches,  Victo- 
rinus  und  Maro  einer  volkstümlichen  Tradition  folgt,  die  er  eben- 
falls im  Martyrologium  nicht  fand. 

Auch  für  die  Bestimmung  der  Abfassungszeit  unsrer  Akten 
trägt  die  Untersuchung  des  Hieronymianum  aus.  Wenn  Keines 
der  hier  aufgeführten  Märtyrer  um  die  Mitte  des  vierten  Jahr- 
hunderts im  Feriale  der  Römischen  Kirche  gedacht  wurde,  ein 
Jahrhundert  später  im  Hieronymianum  sich  erst  die  Verehrung 
eines  Teils  derselben  durchgesetzt  hat,  zwei  weitere  in  der 
nächsten  Folgezeit  ihren  Weg  in  den  Kalender  fanden,  so  wird 
es  geraten  sein,  die  Abfassung  dieser  Akten  nicht  vor  der 
zweiten  Hälfte  des  fünften  Jahrhunderts  festzusetzen. 

Das  Parvum  Hieronymianum1),  der  um  das  Jahr  700 
hergestellte  Auszug  aus  dem  Hieronymianum,  hat  für  unsre  Unter- 
suchung wenig  Interesse.     Die  einschlägigen  Notizen  sind: 

15  April  Maronis.  Messoris  p.  1050 
7  Mai  S.  Domüülae  p.  1051 

12  Mai  Nerei  Achillei  p.  1051 

31  Mai  Petronittae  virginis  p.  1051 

15   September  S.  Nicomedis  Martyris  p.  1052. 

Das  Fehlen  einiger  Nummern  hat  nichts  zu  bedeuten,  da 
das  Martyrologium  ein  Auszug  ist;  die  Erwähnung  der  Petro- 
nilla  und  des  Nicomedes  zeigt,  dass  die  Einfügung  dieser  Namen 
im  Hieronymianum  eine  alte  ist;  und  der  Name  der  Domitilla, 
der  hier  zuerst  in  einem  Feriale  der  Römischen  Kirche  begegnet, 


1)  ed.  Fiorentini  a.  a.  O.  p.  1049  ff. 


Achelis,  Acta  Nerei  et  Achillei.  57 

beweist,    dass  in  der  Zeit  nach  Abfassung   unsrer  Akten  Rom 
sich  seiner  alten  Märtyrin  zu  erinnern  begann. 
Das  Martyrologiuni  Bedae1)  nennt  nur 

12  Mai  Romae  SS.  Nerei  et  Achillei 
31  Mai  Romae  Petronillae    Virginis 

13  Juni Romae  S.  Feliculae 

15  September  Xatale  S.  Nicomedis  Martyris. 

Ado  und  das  Martyrologium  Romanuin  können  für 
unsere  Untersuchung  keine  Resultate  ergeben.  Zum  15  April 
(Marc-,  Eutyches  und  Victor  inus),  20  April  (Sulpicius  und 
Servilianus),  7  Mai  (Domitilla),  12  Mai  (Kereus  und  Achilleus), 
31  Mai  (Petronilla) ,  13  Juni  (Felicula),  5  September  (Romae 
in  Suburbano . . .  nWo/vWepiscopi)2),  15  September  (Nicomedes) 
geben  sie  lediglich  einen  Auszug  aus  den  betreffenden  Passus 
unsrer  Akten,  und  zwar  aus  der  lateinischen  Übersetzung.3) 

V. 

Als  Quellen  kannte  und  benutzte  der  Verfasser  eine  umfang- 
reiche apokryphe  Litteratur;  das  ganze  Personal  des  ersten  Teiles 
der  Akten  ist  aus  apokryphen  Petrus-Paulus-Akten  entnommen. 
Das  ist  noch  festzustellen;  einen  bestimmten  Text,  der  dem  Ver- 
fasser als  Quelle  vorlag,  vermögen  wir  nicht  mehr  nachzuweisen. 
Marcellus,  hier  der  Sohn  des  Stadtpräfekten  Marcus,  ist  auch  in 
den  Actus   Vercellenses  ursprünglich  Schüler  des  Simon  Magus, 

1)  AA  SS  Martius  U  p.  V  ff. 

2)  Eigentümlich  ist  die  Ortsangabe  und  die  Confundierung  des  Anii- 
terners  mit  einem  gleichnamigen  Septempedaner  des  sechsten  Jahrhunderts, 
■welche  die  "Verlegung  seines  Festes  vom  24  Juli  auf  den  5  September  zur 
Folge  hatte;  durch  Baronius  (Martyrologium)  undMarangoni  p.  3  ff  scheinen 
die  Ursachen  dieser  Geschichte  von  Verwechslungen  nicht  völlig  aufgedeckt 
zu  sein;  aber  unsre  Untersuchung  "wird  dadurch  nicht  berührt. 

3)  Aus  Cassiodor,  De  Institut  tone  divinarum  literarum  32  (Migne 
PL  70  c.  1147)  hat  man  geschlossen,  dass  es  im  sechsten  Jahrhundert  eine 
Ausgabe  des  Martyrologium  Hieronymianum  mit  kurzen  Passionen  gegeben 
hat  (vgl.  Duchesne  a.  a.  0.).  Wir  besitzen  eine  solche  Redaktion  des  Hiero- 
nymianum nicht  mehr.  Harnack  warf  (a.  a.  0.)  die  Frage  auf,  ob  Ado 
vielleicht  Reste  dieser  Ausgabe  erhalten  habe.  Ohne  die  Berechtigung 
dieser  Frage  im  allgemeinen  bestreiten  zu  ■wollen,  muss  doch  festgehalten 
■werden,  dass  in  unserm  Falle  Ado  nur  einen  Auszug  aus  dem  lateinischen 
Texte  der  Nereus-Achilleus-Akten  bietet. 


58  Achelis,  Acta  Nerei  et  Achillei. 

gellt  auch  dort  zu  Petrus  über,  nachdem  jener  entlarvt  ist.1) 
Plautilla,  die  Veronika  des  Paulus2),  wird  hier  die  Mutter  der 
Domitilla  und  Schwester  des  Consul  Clemens.  Dass  Petronilla, 
die  paralytische  Tochter  des  Petrus,  in  apokryphen  Akten  der 
Manichäer  eine  Rolle  spielte,  wissen  wir  von  Augustin3);  eine 
Erzählung  darüber  ist  uns  nur  in  unsern  Akten  erhalten;  doch 
ist  auch  diese  schwerlich  von  unserrn  Verfasser  frei  erfunden, 
da  sie  an  die  Acta  Phüippi  anklingt.4)  Die  derselben  vorher- 
gehenden Bestandteile  des  Marcellusbriefes ,  also  der  ganze  apo- 
kryphe Stoff  der  Akten,  lässt  sich  in  ähnlicher  Form  wenigstens 
aufweisen;  die  Geschichte  von  der  Auferweckung  des  Jünglings 
findet  sich  in  ähnlicher  Gestalt  bei  Pseudo-  Hegesippus  und  in 
den  Actus  VerceUenses,  die  von  dem  redenden  Hunde  hat  eben- 
falls grosse  Ähnlichkeit  mit  der  in  den  Actus  VerceUenses  be- 
richteten. Auch  dass  gerade  Marcellus  dies  apokryphe  Material 
hier  beibringt,  muss  auffallen,  da  ,der  Name  des  Marcellus  häufig 
dem  lateinischen  Texte  der  passio  Petri  et  Paulo  Cum  veni'sset 
Paulus  Romam,  convenerunt  ad  eum  omnes  Judaei,  zuweilen  auch 
dem  als  besondere  Schrift  abgeschriebenen  Hegesippustexte  voran- 
gestellt ist'.5) 

Welche  Gestalt  diese  Quellen  hatten,  ob  sie  griechisch  oder 
lateinisch  waren,  lässt  sich  kaum  ermitteln,  da  es  den  Anschein 
hat,  als  ob  der  Verfasser  seine  Quellen  nicht  nur  ausgeschrieben, 
sondern  vielmehr  weitergebildet  und  combiniert  hat.6)  Furius  und 
Priscus  sind  als  Schüler  Simons  sonst  nicht  bekannt,  und  der 
Zug,  dass  diese  beiden  auf  der  Insel  Pontia  ihre  Petrus  feind- 
liche Thätigkeit  entfalten,  stand  wohl  kaum  in  einer  Quelle 
unsers  Autors;  das  erfand  er  selbst,  um  so  seine  Helden  mit  der 
Petrus -Paulus -Literatur  in  Verbindung  setzen  zu  können,  was 
dann  durch  die  briefliche  Anfrage  des  Nereus  und  Achilleus  bei 
Marcellus  geschieht. 

Die  sich  für  die  weiteren  Schicksale  des  Petrus  und  Paulus 


1)  Lipsius,  Apokryphe  Apostelgeschichten  II  1  S.  178  ff. 

2)  Lipsius  a.  a.  0.  S.  170  ff. 

3)  Contra  Adimantum  Manichaei  discipulum  17  Migne  PL  42  col.  161. 
Lipsius  a.  a.  0.  S.  203. 

4)  Tischendorf,  Appendix  zu  Apoc.  apocr.  S.  149,  Lipsius  a.  a.  0.  S.  204. 

5)  Lipsius  a.  a.  0.  S.  106  f. 

6)  Lipsius  a.  a.  0.  S.  206. 


Achelis,  Acta  Nerei  et  Achillei.  59 

interessierenden  Leser  verweist  er  ausdrücklich  auf  griechische 
Linusakten  an  die  Kirchen  des  Ostens.  Derselbe  Titel  ist 
noch  in  den  lateinischen  Linustexten  der  passio  Petri  sowohl  wie 
der  passio  Pauli  erhalten. l)  Aus  der  sehr  allgemeinen  Anführung 
lässt  sich  über  die  Gestalt  der  dem  Autor  vorliegenden  Linus- 
akten nichts  entnehmen;  es  kann  recht  wohl  unser  Linustext 
sein.2) 

Aber  mit  der  Petronillageschichte  hören  diese  Quellen  auf. 
Von  hier  an  arbeitet  der  Verfasser  weiter  mit  einer  Reihe  von 
Notizen,  die  er  vor  allem  aus  seiner  vorzüglichen  Lokalkenntnis 
schöpfte.  Wie  hier,  bei  dem  Feliculamartyrium  zuerst,  zu  Tage 
tritt,  besass  er  eine  Kenntnis  von  der  Stadt  und  von  Mittelitalien, 
wie  sie  sich  nicht  etwa  bei  kurzem  Besuche  erwerben  lässt. 

Er  kennt  eine  uns  unbekannte  Katakombe  der  Felicula  mit 
Memoria,  ihre  Lage  an  der  via  Ardeatina,  und  die  Entfernung 
von  der  Stadt.  Er  kennt  das  Coemeterium  des  Niconiedes,  weiss 
seine  Lage  zu  beschreiben;  ihm  ist  bekannt,  dass  man  dort  den 
Heiligen  verehrte.  Er  kennt  das  Coemeterium  des  Sulpicius  (Sim- 
plicius)  und  Servilianus  2  m.p.  via  Latina,  und  scheint  von  der 
dort  eingebauten  Basilika  zu  wissen.  Er  weiss  endlich,  dass  die 
Katakombe,  in  der  Nereus  und  Achilleus  begraben  sind  und  wo 
sich  die  Basilika  der  Petronilla  befindet,  auf  dem  Landgute  der 
Domitilla  errichtet  ist,  1J2  m.p.  von  der  Stadt  an  der  via  Ar- 
deatina. Wenn  er  ferner  Felicula  im  atrium  Vestae  eingesperrt 
sein  lässt  und  ihr  Leichnam  von  hier  aus  in  die  Cloake  geworfen 
wird,  so  scheint  dem  Verfasser  doch  bekannt  zu  sein,  dass  die 
cloaca  maxima  in  nächster  Nähe  des  atrium  Vestae  das  forum 
Romanum  schneidet. 

Er  weiss  ferner,  dass  am  16.  miliarius  der  via  Nomentana:i) 

1)  Lipsius  a.  a.  0.  S.  87.  89.  106. 

2)  Denn  nach  dem  griechischen  Originaltext  der  Akten  144  ff  ist  es  nicht 
nötig  anzunehmen,  dass  der  Verfasser  in  seinen  Linusakten  eine  ihn  völlig 
befriedigende  Erzählung  von  der  Ankunft  des  Paulus  in  Rom,  seinem  Zu- 
sammentreffen mit  Petrus,  und  ihren  sieben  Monate  später  stattfindenden 
Kämpfen  mit  Simon  gefunden  hätte.     Vgl.  Lipsius  II  1  S.  106  f. 

3)  XIV  m.p.  der  via  Nomentana  liegt  Nomentum,  XVIII  m.p.  bei  der 
Einmündung  in  die  via  Salaria  Eretum,  zwischen  beiden  die  aquae  Labanae 
(bagni  di  grotta  Marozza).  —  Meinem  Freunde  Otto  Cuntz,  der  sich  seit 
längerer  Zeit  mit  handschriftlichen  Studien  über  die  Itinerarien  beschäftigt, 
verdanke  ich  die  genauen  Angaben  hier  und  im  folgenden. 


60  Achelis,  Acta  Nerei  et  Achillei. 

eine  einsame  Kapelle  steht,  in  der  man  den  heiligen  Eutyches 
verehrt,  der  dort  mitten  auf  der  Strasse  seines  Glaubens  wegen 
zu  Tode  geschlagen  war.  Ihm  ist  die  (doch  sicherlich  volks- 
tümliche) Legende  von  dem  in  Amiternum  verehrten  Märtyrer 
Victorinus  bekannt,  der  einst  dadurch  zu  Tode  gebracht  wurde, 
dass  man  ihn  kopfüber  drei  Stunden  lang  in  dem  Schwefelqualm 
der  benachbarten  Aquae  Cutiliae  aufhängte;  nach  weiteren  drei- 
tägigen Qualen  blieb  sein  Leichnam  auf  Befehl  des  Tyrannen  auf 
offener  Strasse  liegen,  bis  ihn  die  Amiterner  sich  heimlich  an- 
eigneten. L^nd  die  Entfernung,  welche  er  für  die  Aquae  Cutiliae 
angiebt:  60  m.p.  von  der  Stadt  auf  der  via  Salaria,  ist  ziemlich 
genau;  nach  dem  itvnerßriwm  Antonini  sind  die  aquae  41  m.p. 
vom  hundertsten  Meilenstein  entfernt,  und  bei  Interocrium  (An- 
trodoco),  das  nach  dem  itinerarium  Antonini  6  m.p.  (7  m.p.  tabula 
Peutinger.)  hinter  Cutiliae  liegt,  ist  der  miliar.  LXVII  gefunden. 

Endlich  hat  er  2  m.p.  von  Septempeda  in  Picenum  auf  einem 
mächtigen  Felsblock,  den  seiner  Schätzung  nach  70  Männer  nicht 
heben  können,  eine  kleine  Kirche  stehen  sehen,  die  durch  Heilungs- 
wunder sich  eines  Rufes  in  der  Umgegend  erfreut.  Er  erzählt 
auch  die  Sage,  die  sich  an  diese  Kapelle  und  den  Felsen  knüpft. 
Den  heiligen  Maro,  den  Patron  von  Picenum,  hatte  die  Obrig- 
keit dadurch  martern  wollen,  dass  man  ihn  unter  diesen  Block 
legte.  Er  aber  habe  ihn  wie  leichte  Spreu  zwei  Meilen  vor  die 
Stadt  getragen,  an  den  Ort,  wo  er  zu  beten  pflegte.  Dort  wurde 
er  dann  getötet,  und  seine  Anhänger  höhlten  in  dem  Felsen  sein 
Grab,  und  bauten  eine  Kirche  darauf.  Allerdings  ist  die  Ent- 
fernung Septempedas  von  Rom,  130  m.p.  via  Salaria,  nicht  genau 
angegeben.  Den  nächsten  Weg  von  Rom  aus  bietet  nicht  die  via 
Salaria,  sondern  die  Flaminia,  und  für  diese  ist  der  miliarius  CXLI1 
erhalten;  die  Entfernung  mag  etwa  140  m.p.  betragen.  Auf  der 
via  Salaria  ist  der  Weg  noch  weiter,  ca.  160  m.p.;  bis  Asculum 
ist  die  genaue  Entfernung,  119  m.p.,  bekannt,  von  dort  bis 
Septempeda  sind  etwa  40  m.p.  zu  berechnen.  So  bleibt  es  be- 
achtenswert, dass  der  Käme  der  Stadt  nur  in  der  lateinischen 
L  bersetzung  der  Akten  erhalten  ist,  und  auch  im  Hieronymianum: 
Aureus  Mons,  nicht  Septempeda  als  Heimat  des  Maro  genannt  ist. 

Auch  bei  Domitilla  ist  die  Bekanntschaft  mit  einer  lokalen 
L  berlieferung  wenigstens  zu  mutmassen.  Die  historischen  Do- 
mitillen,  bezw.  die   historische  Domitilla,   verschwinden  für  uns 


Achelis,  Acta  Nerei  et  Achillei.  61 

in  Pontia  und  Pandateria.  Ob  sie  dort  gestorben  sind,  oder  nach 
dem  Tode  Domitians  nach  Rom  zurückkehren  durften,  wissen  wir 
nicht.  Die  Akten  lassen  ihre  Domitilla  nach  Terracina  kommen,  dort 
Wunder  verrichten  und  dadurch  das  Volk  bekehren,  dort  sterben 
und  begraben  sein.  Da  Terracina  als  nächste  Stadt  den  beiden 
öden  Inseln  gegenüberliegt,  wäre  es  möglich,  dass  sich  hier  von 
Alters  her  eine  Tradition  über  Domitilla  erhalten  hätte.  Die 
Wendung,  welche  der  Verfasser  seiner  Geschichte  giebt,  scheint 
auf  eine  Kenntnis  davon  hinzudeuten,  obwohl  das  Hieronymianum, 
das  zwar  Caesarius,  nicht  aber  Domitilla,  als  in  Terracina  verehrt 
bezeichnet,  diese  Beobachtung  mindestens  nicht  stützt. 

VI. 

Mit  allen  diesen  historischen  Daten,  Lokaltraditionen  und 
schriftlichen  Quellen  verfuhr  unser  Autor  wie  ein  Romanschreiber. 
Die  Akten  haben  ihre  direkten  Parallelen  in  modernen  katho- 
lischen Romanen,  als  deren  besten  einen  ich  Cardinal  Wisemau's 
Fabiola  nenne.  Nur  schreibt  man  im  19.  Jahrhundert  unendlich 
viel  besser  als  im  sechsten.  Unser  Autor  hat  recht  wenig  Mittel 
zur  Verfügung,  aus  seinem  reichen  Material  eine  anziehende  Er- 
zählung zusammenzustellen.  Es  kehren  immer  dieselben  scha- 
blonenhaften Züge  wieder,  vermittelst  deren  diese  bunte  Gesell- 
schaft von  Märtyrern  zu  einander  in  Beziehung  gesetzt  wird. 
Der  eigentliche  Motor  der  Erzählung  ist  die  Heiratslust  einiger 
vornehmen  Römer.  Sulpicius  (Simplicius)  und  Servilian  sind  mit 
Euphrosyne  und  Theodora  verlobt,  Aurelian  mit  Domitilla,  Flaccus 
wirbt  um  Petronilla  und  Felicula.  Dem  Verlangen  der  beiden 
letzteren,  das  an  dem  Glauben  der  Jungfrauen  Widerstand  findet 
und  dann  in  glühenden  Hass  umschlägt,  wird  das  ganze  Mär- 
tyrerpersonal der  Akten  geopfert.  Die  Frauen  werden  dadurch 
an  einander  gebunden,  dass  sie  Milchschwestern  sind;  so  kann 
denn  Felicula  der  Petronilla  folgen,  Euphrosyne  und  Theodora 
mit  Domitilla  sterben.  Viel  ist  von  Schülerverhältnissen  die 
Rede.  So  sind  Plautilla,  Nereus  und  Achilleus  Schüler  des  Petrus, 
Domitilla  des  Nereus  und  Achilleus,  ebenderselben  Speciosus 
(Auspicius),  Justus  ist  der  Cleriker  des  Nicomedes.  Nicomedes 
und  Caesarius  gehören  dem  Clerus  an,  wovon  die  ältere  Über- 
lieferung der  Martyrologien  nichts  weiss.    Auch  dass  Einer  den 


62  Achelis,  Acta  Nerei  et  Achillei. 

Andern  begräbt,  ist  eins  von  den  Mitteln,  einen  neuen  Faden 
anzuknüpfen.  So  kann  Xicomedes  an  Felicula  angeschlossen 
werden,  auf  die  Weise  kann  am  Schluss  auch  noch  Caesarius 
auftreten,  und  es  liegt  vielleicht  nur  an  unsrer  Unkenntnis  der 
Legenden  des  sechsten  Jahrhunderts,  dass  wir  Justus  und  Spe- 
ciosus  (Auspicius),  die  den  Xicomedes  bezw.  Xereus  und  Achil- 
leus  begraben,  nur  aus  den  Akten  kennen.  Das  Begräbnis  findet 
in  der  Regel  auf  einem  Landgute  statt :  ein  historischer  Zug,  der 
an  den  Ursprung  der  Katakomben  erinnert,  hier  aber  eine  auf- 
fallende Verallgemeinerung  erfährt.  Felicula  wird  im  xsXXiov 
des  Xicomedes,  dieser  selbst  in  seinem  oder  des  Justus  Gärtchen, 
Xereus  und  Achilleus  auf  dem  Prädium  der  Domitilla,  Sulpicius 
(Simplicius)  und  Servilian  auf  ihren  eigenen  Landgütern  bei- 
gesetzt, Eutyches,  Victorinus  und  Maro  sterben  auf  Gütern  des 
Aurelian.  Xur  für  die  Martyrien  selbst  hatte  der  Verfasser  ein 
reicheres  Repertoriuui;  die  Zwölf  sterben  fast  alle  unter  andern 
Martern.  Dass  seine  Angabe  in  einem  Falle,  bei  Xereus  und 
Achilleus.  mit  der  Römischen  Tradition,  wie  sie  uns  das  Relief 
bewahrt  hat,  übereinstimmt,  kann  nicht  beweisen,  dass  dem  Ver- 
fasser in  allen  Fällen  eine  Kunde  zur  Hand  war,  wie  dies  aller- 
dings bei  Victorinus  (und  Maro;  deutlich  ist. 

Die  Schablone  des  Aktenschreibers  ist  leicht  zu  erkennen. 
Er  versteht  es  recht  wenig,  seinen  Helden  die  Rolle,  welche 
ihnen  die  Geschichte  oder  doch  eine  ältere  Überlieferung  gegeben 
hatte,  zu  belassen,  und  sie  zugleich  als  handelnde  Personen  in 
seine  Acta  einzuführen.  Daher  denn  diese  gehäuften  Unwahr- 
scheinlichkeiten  und  Unmöglichkeiten.  Aus  den  Prätorianern 
Xereus  und  Achilleus  werden  nach  byzantinischem  Brauch  ver- 
schnittene Kammerdiener;  dieser  Zug,  sowie  alles  Andere,  was 
von  ihnen  erzählt  wird,  abgesehen  von  ihrer  Todesart,  gehört 
unserm  Autor,  und  somit  der  Dichtung  an.  Welche  Schwierig- 
keit zumal  ihr  Tod  in  Terracina  dem  Autor  macht,  sehen  wir 
daran,  dass  ihre  Leichen  durch  Speciosus  (Auspicius)  bei  Xacht 
zu  Schiff  in  die  Römische  Katakombe,  wo  sie  zu  Hause  sind, 
geschafft  werden  müssen.  Ihre  Xachfolger  im  Dienste  der  Do- 
mitilla (das  scheint  doch  die  Absicht  des  Autors  zu  sein)  werden 
dann  Eutyches,  Victorinus  und  Maro,  drei  mittelitalische  Lokal- 
heilige aus  Xomentum,  Amiternum  und  dem  Picenischen,  die 
sonst  weder  mit  einander  noch  mit  Domitilla  irgend  etwas  gemein 


Achelis,  Acta  Nerei  et  Achillei.  Q',\ 

haben.  Auch  hier  bestraft  sich  die  Willkür  des  Verfassers. 
Damit  sie  aus  der  Gesellschaft  der  Dornitilla  auf  der  Insel  Pontia 
an  die  Orte  ihres  Todes  kommen,  muss  Aurelian  drei  Landgüter 
eben  an  diesen  drei  Punkten  besitzen,  sie  dorthin  zur  Strafe  je 
einzeln  verbannen  und  töten  lassen. 

Der  Stammbaum  der  Flavier,  der  hier  gegeben  wird,  beruht 
wohl  lediglich  auf  der  Eusebius-Xotiz,  dass  Dornitilla  eine  Nichte 
des  Consuls  Clemens  gewesen  sei.  Mit  diesem  wird  der  ,Bischof l 
Clemens  nicht  identifiziert,  sondern  zu  dessen  Neffen  gemacht. 
Wenn  117  die  Bezeichnung  Domitillas  als  äveipia  Domitians 
wörtlich  zu  nehmen  ist,  hat  sich  unser  Verfasser  den  Consul 
Clemens,  die  Mutter  der  Dornitilla  und  den  Vater  des  Bischofs 
Clemens  als  Geschwister  Domitians  gedacht.  Dornitilla  erhält 
aus  den  Petrus-Paulus -Akten  eine  Mutter  Plautilla. 1)  Dass  diese 
mit  Dornitilla  und  Nereus  und  Achilleus  durch  Petrus  Christin 
wurde,  ist  ebenfalls  Combination  des  Verfassers.  Es  würde  auch 
schwer  zu  sagen  sein,  woher  der  Verfasser  historische  Nach- 
richten, die  uns  unbekannt  wären,  über  die  Flavier  erhalten 
haben  sollte.2) 

Die  Verwebung  der  Märtyrergeschichten  mit  der  Petrus- 
Simonsage  wird  auch  erst  von  unserm  Autor  eingeführt  sein.  Er 
musste  die  Verbannungszeit  der  Dornitilla  in  Pontia  irgendwie 
ausfüllen,  und  thut  dies  durch  die  Episode  aus  den  Petrus- 
Paulus-Akten  und  weiterhin  durch  die  Erzählungen  von  Petro- 
nilla,  Felicula  und  Nicomedes. 

Es  ist  nicht  mehr  möglich,  dem  Verfasser  an  allen  Punkten 
nachzurechnen;  das  erlaubt  unser  historisches  Material  nicht. 
V  enn  eine  solche  Nebenperson  wie  Caesarius  thatsächlich  ein 
Märtyrer  von  Terracina  ist,  ist  es  wohl  möglich,  dass  noch  dieser 
oder  jener  Name,  der  eine  oder  der  andere  kleine  Zug  bei  ver- 
mehrtem   Material    als    historisch    zu    bezeichnen    bleibt.      Die 


1)  Dass  Pomponia  Graecina,  die  Gattin  des  britannischen  Feldherrn 
Plautius,  eine  Tochter  Plautia  gehabt  habe,  und  dass  diese  die  Mutter  der 
Plautilla  gewesen  sei,  ist  eine  Doppelvermutung,  die  nicht  geeignet  sein 
dürfte,  die  Historizität  dieser  Plautilla  zu  stützen. 

2)  Lightfoot  (a.  a.  0.  p.  17),  Mommsen  (CIL  VI  n.  94$;  doch  vgl. 
auch  8942)  und  de  Rossi  (Bull.  1865  p.  21,  hiernach  öfter  abgedruckt)  ver- 
suchten Reconstructionen  des  Flavierstammbaunies ;  doch  verwertete  nur 
der  Letztere  die  Personen  der  Akten. 


64  Achelis,  Acta  Nerei  et  Achillei. 

jüngsten  und  schlechtesten  Akten  können  wertvolle  Notizen 
bewahrt  haben;  aber  zu  heben  sind  diese  Schätze  nur  vermittelst 
anderweitigen  guten  Materials,  nicht  durch  blosse  Behauptung. 
Das  gilt  wohl  auch  von  den  Zeitangaben  der  Martyrien  allen. 
Dem  Verfasser  waren  als  feste  Punkte  gegeben  für  Domitilla 
das  15.  Jahr  Dornitians,  für  Petronilla  (wenn  sie  eine  Tochter 
des  Petrus  sein  sollte)  etwa  die  Zeit  des  Nero;  so  kommt  er 
dazu,  Alles  was  er  erzählt,  auf  diese  Zeitpunkte  und  die  folgen- 
den Regierungen  Nervas  und  Trajans  zu  verlegen.1)  Ihn  an 
einem  Punkte  zu  widerlegen,  sind  wir  nicht  imstande,  obwohl 
es  z.  B.  als  mindestens  unwahrscheinlich  bezeichnet  werden  rnuss, 
dass  zu  Nervas  Zeit  in  so  weit  abgelegenen  Städten  Mittelitaliens 
Martyrien  vorgekommen  sein  sollen. 

Der  Zweck  dieses  schriftstellerischen  Verfahrens  ist  nicht 
schwer  zu  erkennen;  ich  meine,  er  lässt  sich  auch  noch  näher  be- 
stimmen, als  mit  der  allgemeinen  Auskunft  einer  erbaulichen 
Tendenz.  Unsere  Akten  führen  einen  falschen  Namen,  sie  sollten 
Acta  Domitillae2)  heissen;  denn  ihr  zu  Ehren  sind  sie  ge- 
schrieben. Die  von  Damasus  besungenen  Prätorianer  Nereus  und 
Achilleus  werden  ihre  Eunuchen  und  Kammerdiener;  nach  deren 
Tode  werden  Eutyches,  Victorinus  und  Maro  aus  der  Nähe  von 
N  Omentum,  aus  Amiternum  und  dem  Picenischen  hergeholt,  um 
an  deren  Stelle  zu  treten;  sie  Alle  sterben  in  ihrem  Dienst.  Des 
Apostels  Petrus  Tochter  Petronilla,  und  die  in  einer  suburbi- 
karischen  Katakombe  verehrte  Felicula  werden  ihre  Vorläufe- 
rinnen als  jungfräuliche  Märtyrinnen,  Sulpicius  (Simplicius)  und 
Servilian  aus  dem  Coemeterium  an  der  via  Latina  verdanken  ihr 
Christentum  nur  ihren  Wundern,  der  in  Terracina  gefeierte 
Caesarius  darf  sie  begraben.  Das  Alles  sind  —  wenn  man  will 
—  Verdrehungen  der  Geschichte,  aber  es  sind  flores  sparsi  in 
tumulum  Domitillae.    Dem  Verfasser  fehlte  die  Schöpfungskraft, 


1)  Der  Nereus  und  Achilleus  verurteilende  Consul  Mi/xfxioq  Poxxpoq 
wird  der  Consul  des  Jahres  97  L.  Verginius  Rufus  sein  (1717);  auch  den 
Präfekten  \Aviav6q  2231  hat  der  Aktenschreiber  schwerlich  aus  der  Luft 
gegriffen. 

2)  Im  Eingang  der  Akten  1]5  ff  bezeichnet  der  Autor  sein  Werk  auch 
unzweideutig  als  Domitillaakten:  ÜQoq  olxoöo(xi]v  öe  zcöv  GTtevöövzcov  uq[- 
aai  9-bo)  laßwfxev  vnoyQamibv  Jo/usrikkav  xt]v  svyeveazÜTtjv 
nccQ&evov,  xr\v  dverpitcv  dofxeriavov  zov  ßaoikiwc. 


Achelis,  Acta  Nerei  et  Achillei.  65 

seine  Phantasie  so  zu  befruchten,  um  aus  der  magern  Notiz  des 
Eusebius  eine  fesselnde  Erzählung  von   dem  Dulden  der  Domi- 
tilla  zu  gestalten;    darum   holte   er   sich  alle  die  Sterne  zweiten 
Ranges    herbei,    um    aus    diesem    Kranze    das   Leben   und    die 
Tugenden  der  Domitilla  heller  hervorstrahlen  zu  lassen.1)     Der 
Glanz    des    aufgewandten    Materials    soll    für    den    Mangel    an 
künstlerischer  Kraft  entschädigen.     Da  er  der  Überlieferung  des 
Euseb   folgt    und   Domitilla   eine    Nichte   des    Consuls  Clemens 
sein   lässt,    so   ist  sie  natürlich    eine    geweihte  Jungfrau;    denn 
nach  dem  Urteil   der  Zeit  ist  die  Jungfräulichkeit   nächst    dem 
Martyrium  die  höchste  Krone,  die  der  Mensch  auf  Erden  zu  er- 
langen vermag;   da   die  Geschichte  ihr  die   eine   zuerteilt  hatte, 
konnte  die  Legende  ihr   die  andere  nicht  vorenthalten.     So  wird 
denn  der  erste  Teil  der  Akten  durch  den  Mund  der  beiden  Sol- 
daten  ein  Hymnus  auf  die  Jungfräulichkeit  —  freilich  im  Ge- 
schmack   und    nach    der    Fähigkeit    des    sechsten   Jahrhunderts. 
Unser  Grieche  hatte  ein  lebendiges  Gefühl  für  das  Unrecht,  das 
die  Römische  Kirche  ihrer  ältesten  und  berühmtesten  Zeugin  an- 
that,  da  er  ihren  Namen  in  den  Diptychen  nicht  fand,  und  ihr 
Gedächtnis    nicht   gefeiert  sah.     Er  urteilte,  dass  sie   doch  min- 
destens dasselbe  Anrecht  darauf  habe,  wie  Nereus  und  Achilleus, 
Felicula  und  Nicomedes,  Maro  und  Victorinus.  die  im  Kalender 
seiner  Zeit  standen.     So  schuf  er  ihr  ein  Andenken   in   unsern 
Akten.     Und  obwohl  er  griechisch  schrieb,  hat  er  seinen  Zweck 
erreicht.     Aus  diesen  Akten  ging  der  Name  und  die  Geschichte 


1)  Dass  Petronilla  und  Nereus  und  Achilleus  in  der  Katakombe  der 
Domitilla  begraben  lagen  und  dort  verehrt  wurden,  wird  der  Akten- 
schreiber zum  Anlass  genommen  haben,  ihre  Martyrien  mit  dem  der  Do- 
mitilla in  seiner  Erzählung  zusammenzustellen  und  ihre  Lebensschicksale 
zu  verflechten;  diesem  Grundstock  fügte  er  dann  die  andern  Personen,  wohl 
nach  Gutdünken,  hinzu.  Denn  es  ist  öfter  zu  bemerken,  dass  unechte  Akten 
die  gemeinsame  Verehrung  mehrerer  Märtyrer  an  einem  Orte  benutzen,  sie 
auch  im  Leben  oder  wenigstens  in  der  Todesstunde  zusammenzuführen. 
Wie  andrerseits  auch  der  gemeinsame  Platz  im  Kalender  ein  Grund  war, 
mehreren  nicht  zusammengehörigen  Personen  eine  gemeinsame  Geschichte 
zu  geben,  hat  Joseph  Führer  in  seiner  ausgezeichneten  Untersuchung: 
Ein  Beitrag  zur  Lösung  der  Felicitasfrage  1890  unwiderleglich  bewiesen. 
Ein  weiteres  Beispiel  dafür  ist  die  Passio  sancti  Si.cti,  Law&ntii,  Ilippo- 
lyti,  in  der  die  Märtyrer  vom  30  Juli,  des  6,  10  und  13  August  zusammen- 
gefasst  werden. 

Teste  u.  Untersuchungen  XI,  2.  5 


66  Achelis,  Acta  Nerei  et  Achillei. 

der  Domitilla  in  die  Martyrologien  über,  und  wenn  ihrer  noch 
heute  im  Missale  Romanum  am  12  Mai,  am  Tage  desNereus 
und  Achilleus,  gedacht  wird,  so  ist  das  ihm  zu  danken. 

VII. 

Weit  schwerer  sind  Daten  für  die  Abfassungszeit  zu  ge- 
winnen. De  Rossi  setzt  die  Akten  ins  5. — 6.  Jahrhundert;  ich 
glaube,  dass  diese  Bestimmung  richtig  ist,  und  dass  man 
schwerlich  über  sie  hinauskommen  wird.  Einen  bestimmten 
terminus  a  quo  haben  wir  1730  in  der  Erwähnung  des  [ivrjfia 
der  Petronilla  in  der  Nereus- Achilleus -Katakombe;  denn  damit 
wird  die  Basilika  gemeint  sein,  die  nach  390  erbaut  wurde.  Die 
martyrologischeUntersuchung  schien  die  Abfassung  vor  der  zweiten 
Hälfte  des  fünften  Jahrhunderts  nicht  zuzulassen.  Dazu  setzen 
die  Akten  die  Christianisierung  Mittel -Italiens  voraus;  auch  in 
sehr  abgelegenen  Städten  und  an  der  Landstrasse  hat  man  den 
Märtyrern  Kirchen  und  Kapellen  erbaut,  wo  man  sie  verehrt 
und  ihrer  Wunder  gewärtig  ist.  Wenn  ich  mich  eher  für  das 
sechste  als  für  das  Ende  des  fünften  Jahrhunderts  als  Datum 
der  Akten  entscheiden  möchte,  so  geschieht  es,  weil  mir  die 
auffallende  Thatsache,  dass  diese  Akten  von  dreizehn  Römischen 
bezw.  mittelitalischen  Heiligen  bei  genauer  Lokalkenntnis  in 
griechischer  Sprache  erzählen,  im  Zeitalter  Justinians  und  Cas- 
siodors  verständlicher  ist  als  im  Jahrhundert  vorher. 

Denn  daran  scheint  mir  nicht  gezweifelt  werden  zu  dürfen, 
dass  unsere  Akten  ein  griechisches  Original  sind.  Wenigstens 
habe  ich  für  den  Beweis,  dass  sie  aus  dem  Lateinischen  übersetzt 
sind,  der  von  vornherein  alle  Wahrscheinlichkeit  für  sich  hätte, 
kein  Material  gefunden.  Die  lateinischen  Titel  xöiirjg,  ßixägiog. 
xovQazcof),  xovßixovXägiog  (xovßixovXctQia),  iXXovoTQiog  [IXXov- 
OTQia)  sind  in  der  späteren  Gräcität  nicht  selten,  Formen  wie 
ATrjQtov,  -tco,  slyiXXtov,  -im  (sonst  m.  W.  nur  -teoc,  -et), 
Namen  wie  oöog  jiQÖsarlva ,  Aaxlva ,  NovfiEvrdva ,  SaXaQia 
weisen  zwar  aufs  Lateinische,  aber  doch  nicht  auf  Übersetzung 
aus  dem  Lateinischen.  So  bleibt  nichts  übrig,  als  bei  dieser 
unerklärten  Thatsache  eines  griechischen  Originals  des  sechsten 
Jahrhunderts  aas  Rom  stehen  zu  bleiben.  Vielleicht  könnte  eine 
nähere  Untersuchung  des  so  wertvollen  und  umfangreichen  codex 


Achelis,  Acta  Nerei  et  Achillei.  67 

Vaticauus  866  hier  weiter  führen.  Es  wäre  darauf  hinzuweisen, 
dass  diese  Handschrift  eine  Reihe  von  griechischen  Martyrien 
Römischer  oder  in  Rom  verehrter  Märtyrer  enthält,  des  Bischofs 
Sylvester  I.  f.  195  b  1  Evoeßiog  6  IlaiKplXov  xzZ,  der  Agnes 
f.  209  b  2  jL^ßgÖGiog  öovXog  ygiozov  xalg  hQalg  jcagfrzvoig 
Y.T'- .  des  Kerykos  und  der  Julitta  f.  234  a  2  Tcö  ayajirjxm  äöeXtpm 
ßvvXsirovQym  .  .  .  Zcoolfico  xxX,  des  Johannes  und  Paulus 
f.  321  a  1  Ev  xalg  i^iqaig  Kcovoravxivov  xov  svosßsGxaxov, 
des  Laurentius  f.  358  a  1  lag  [ttyäZag  xal  vip?]Xo<pvelg,  sodass  es 
scheinen  könnte ,  als  ob  der  Compilator  der  Handschrift  oder 
ihres  Archetypus  für  Römische  Heilige  besonderes  Interesse  gezeigt 
hätte.  Aber  zunächst  wird  diese  Frage  in  der  Schwebe  gelassen 
werden  müssen.  Es  wird  am  nächsten  liegen,  einen  in  Rom 
ansässigen  Griechen  für  den  Verfasser  der  Akten  zu  halten; 
vielleicht  ist  dafür  auch  anzuführen,  dass  die  Stellung  des  Nereus 
und  Achilleus  als  svvovyoi  xovßtxovXaQioi  der  Domitilla  einem 
byzantinischen  Hofamte  entspricht. 

Schon  innerhalb  der  nächsten  Jahrhunderte  wurde  die 
lateinische  Übersetzung  hergestellt,  die  den  Akten  in  weiteren 
Kreisen  Anerkennung  schaffte,  und  daher  in  so  vielen  Hand- 
schriften erhalten  ist.  Die  Bollandisten  geben  von  einer  ihrer 
Handschriften  an,  dass  sie  ab  annis  octingentis  exaralus  sei;  ihre 
Vorrede  ist  von  1680  datiert;  auf  dieselbe  Zeit  etwa  als  äussersten 
Termin  führt  die  Benutzung  durch  Ado  (s.  oben  S.  57).  Da  der 
Verfasser  der  Version  an  die  Stelle  des  griechischen  Prologs 
einen  eigenen  lateinischen  gesetzt  hat,  sind  über  ihn  einige  An- 
gaben möglich.  Er  unternimmt  sein  wissenschaftliches  Werk 
zu  einem  praktischen  Zwecke.  Die  katholische  Kirche  ist  von 
Häretikern  umlagert,  und  er  klagt  über  die  Sorglosigkeit  der 
Hirten,  die  so  manches  Schaf  aus  ihrem  Stalle  verloren  gehen 
lasse.  Um  diesem  Abfall  zu  begegnen,  unternimmt  der  Verfasser 
seine  Übersetzung  l),  um  die  Berichte  von  den  Helden  der  Vorzeit 
seinen  Gemeinden  zugänglich  zu  machen;  und  er  hofft,  dass  auch 
die  Gelehrten  anderer  Provinzen  seinem  Beispiele  folgen  werden. 
Der  Verfasser   fühlt   sich  demnach    verpflichtet,    den  Verlusten, 


1)  Nach  den  Worten  provinciae  nostrae  martyria  aliquanta  colligens 

scheint  es,  als  ob  der  Verfasser  noch  andere  griechische  Akten  besässe  und 
übersetzt  hätte.  Er  schriebe  sich  sonst  ein  Verdienst  zu,  das  dem  ersten 
Autor  zukommt. 

5* 


68  Achelis,  Acta  Nerei  et  Achillei. 

welche  der  ,Schafstall'  der  katholischen  Kirche  durch  die  Häresie 
erleidet,  entgegenzuarbeiten;  es  scheint  fast,  als  oh  er  sich  damit 
als  Bischof  bezeichne.  In  diesem  Falle  hätten  wir  an  einen  des 
Griechischen  kundigen  Bischof  von  Terracina  zu  denken,  da  er 
Martyrien  provinciae  nostrae,  nämlich  der  Domitilla  und  Genossen 
behandelt.  Oder  aber,  der  Verfasser  ist  ein  Kleriker  und  strenuus 
der  Römischen  Kirche,  in  diesem  Falle  aber  schwerlich  ein  Papst. 
Denn  die  etwas  bescheiden  ausgesprochene  Hoffnung,  den  Ge- 
lehrten diver sarum  provinciarum  ein  Beispiel  zu  geben,  passt 
schlecht  zu  dem  Selbstgefühl  mittelalterlicher  Päpste.  Schon 
aus  diesem  Grunde  ist  die  Angabe  der  Handschrift  in  der  biblio- 
teca  Vittorio- Emmanuele  (Wirth  p.  14),  Gregor  der  Grosse  sei 
Verfasser  der  Übersetzung,  abzuweisen;  sie  erledigt  sich  ausser- 
dem dadurch,  dass  dieser  Öfter  seine  Unkenntnis  des  Griechischen 
beklagt.1)  Da  wir  das  Original  erst  dem  sechsten  Jahrhundert 
zuweisen,  die  Übersetzung  im  neunten  Jahrhundert  schon  aus- 
und  abgeschrieben  wird,  werden  die  die  Kirche  bedrohenden 
Häretiker  die  Langobarden  sein.2)  Unter  dieser  Voraussetzung 
würde  der  Zeitpunkt  der  Version  auf  die  Zeit  vor  der  Katholi- 
sierung  der  Langobarden  (Mitte  des  siebenten  Jahrhunderts)  zu 
präcisieren  sein,  sodass  die  griechischen  Akten  schon  bald  einen 
Übersetzer  gefunden  hätten. 


1)  Nos  nee  graece  novimus  ep.  1174  Migne  77  c.  1213,  qztamvis  grae- 
cae  linguae  nescius,  in  contentionc  tarnen  vestra  judex  reseeli  ep.  732  Migne 
a.  a.  0.  col.  889. 

2)  Unser  Übersetzer  ist  also  Vorläufer  oder  College  der  von  Usener 
(Jb.  pr.  Th.  1887  S.  240)  aufgeführten  Römischen  Übersetzer. 


Iudex  nomiiiiim. 


'Afilregvov  1925 
'Aviavoq  der  Stadtpräfekt  223  j 
AQÖeaxivu  bööq  1Ü9.  172s 
AvQtjharoq  I24.  825.  9i2-  178.  n.  18n. 

17-  22-   19lO-  22-   207.  9.  15.   2'_10.  15.  IS- 
22-   26 

Aiantxioq  s.  Snexicüooq 

W/iU.ivq  13.  is-  228.  5i2.  82.  l2.  920. 

27-  29-     104-    16-    Hj-    174.    12-    18h«    15 

Beoxa,  die  Jungfrauen  der  1525 
BixiwQivoq  17j.  I814.  2c-  192-  16 

Aofxexiavöq  der  Kaiser  117.  915 
JofiexlMa  116.  23.  24-  82.  20-  24-  Oi0. 

12-    1?5-    15-    26-   27-    18i2.    13-    2015.    i7. 
20-    25-    21).   5.    20-    30-    31-    225.   19 

Evxv/ioq  {Evxv/rjq)  17t.  18, 4. 24-  19x.  t2 
Ev(pgoavvrj  2018.  24-  2116  22n 

Zayaqlaq  (Luc.  1)  2129 

''HQcöÖTjq  Bruder  der  Theodora  21|3 

©todwpa  2018.  24-  2112.  224.  u 

^Iovaxoq  der  Cleriker  1621 

Kuioä.QLoq  der  Diakon  2313.  ^ 
Kaimav'ia  202o 
Kkrjfirjq  der  Consul  8I6 
Klrifiqq  der  selige  8i2.  93.  10 
KoxDuat  191T.  24 


Aaxlva  bööq  235 
Alvoq  144 

AoiSoigioq  Bruder  des  Aurelian  2227. 
238 

3/ß'o^fA;.o?  923.  114.  1630.  172.  186.  9 
MÜQxoq  der  Stadtpräfekt  929.  1630 
MÜQxoq  Bruder  des  Marcellus  187 
Müqcdv  17i-  1814.  27.  19,.  os-  20t. 
Mefi/jiioq  "Pol<foq  der  Consul  171T 

NeQOvaq  der  Kaiser  1817 
iYf^cwv  der  Kaiser  1319.  20.  23 
NrjQevq  U-  is-  2i0.  331.  82.  i2.  920.  27- 

28-    104-    16-    Hä-    1<4-    12-    iSn-    15 

Nixo/ntjöijq  (Nixöörjfioq)  der  Presbyter 

154.  164.  12 
Novfisvräva  bööq  1624.  I825 

Ilavloq  der  Apostel  1326.  30 
JJexQoq  der  Apostel  119.  818.  22.  925. 

102.  7.  23-  lllö-  18-  21-  26-  31-  32-  1-7  • 
1G-  18'  20-  23-  27-  31-  32-  134.  9.  22. 
14v    10-   1'20-   I81 

IltxQwvü.Xa  Tochter  des  Petrus  147. 

10-    13-    16-    26-    1730 

UXavxüJ.u  8,7.  23 
üovxiavt]  vijooq  9i6.  19.  10i8.  2023 
TlQtoxoq  Schüler    des  Simon  Magus 
922.  1020 

'Povyoq  s.  Mt/n/.uoq 
cP(t)fJ.aioi  lliT 

^Pcöfitj  930.  1326.  30.   168.  23.  3i-   1727. 
23-  21i7.  236 


70 


Index  nominum. 


—a).uQia  bööq  I826.  2s 

(SeTtrefxneÖa)  1% 

SsQßchccvög  2016.  2213.  30 

S/xcov  der  Magier  92,.  24-  102-  s-  21- 

22-    25-    29-    Hg-     16-    18-    22-    25-    28-   30- 
122-    4.    21  •    27-    13].  g.   §•   23-   28-    1^2 

HovXnbuoq  20,5.  2213.  30 
27iezi(öooQ    (Avonlxioq)   Sklave   der 
Doniitilla  1724.  18t 

TttQQaxlvt]  1717.  2023 
TuQQuy.iviyJioi  239 


TlßsQiq  Tcoxanöq  162o 
Ttzoq  Genosse  des  Petrus  1412 
TovQXioq  Freund  des  Aurelian  lfJ20 
TQa'iavoq  der  Kaiser  2227 

<I'/j?.lXOV?.U    152.    10-    12-    21-    32 

<PXdxxoq  der  Comes   1424-  159(2).  i4. 

16,i 

<P?.avta  /lo/Liezi?.?.u  175  s.  doptiiXku 
'PovQioq  Schüler    des  Simon  Magus 
922.  102n 


Nachträge  und  Berichtigungen. 


22g  lies  zaust-  statt  xavsi- 

35  öiexöixovoiv  statt  dtexöixcjoiv'? 

414    STtl^TJZSL    Statt    i7tlt,7]Z8LV ? 

730  lies  alcuvhp  statt  alojvlu  vgl.  716.  33 
73i  nach  TiccQainivovoa:  (f^t3)  einzufügen 
9  Z.  3  v.  u.    nach  VC  füge  ein:  zweites 

20n  ües  io/jjxevai  statt  tay^xivai 

21,;  lyovou  statt  lywv'i 


J.  C.  Hinrichs'sche  Buchhandlung  in  Leipzig. 

Neueste  Veröffentlichungen. 
Bruchstücke  des  Evangeliums  und  der  Apokalypse  des 

Petrus.  Facsimile- Ausgabe.  Nach  einer  Photographie  der  Hand- 
schriften in  Gizeh  in  Lichtdruck  herausgegeben  von  Oscar  von  ßeb- 
kardt.    10  Tafeln  und  52  S.  Text  l£.  12.50 

Kirchengeschichte  Deutschlands  von  Aii>ert  Hauck.  m.  Ten 

1.  Hälfte.    Konsolidierung  der  deutschen  Kirche.  (380  S.)  M.  7  — 

Die  Geschichte  des  Dominus  Man',    eines  Apostels  des  Orients. 

Aus  dem  Syrischen  übersetzt  und  untersucht  von  Richard  Raabe. 
(03  S.)  M.  2  - 

The  Sacred  Books  of  the  Old  Testament,  a  mticai  edition 

of  the  Hebrew  text,  printed  in  colors,  with  notes  by  eminent  biblical 
scholars  of  Europe  and  America,  edited  by  Paul  Hanpt,  Professor  in 
the  Johus  Hopkins  University  Baltimore  Md.    Part.  17: 

The  Book  of  Job.  Critical  edition  of  the  Hebrew  text  with  notes  by 
C.  Siegfried,  Professor  in  the  University  of  Jena.  English  trans- 
lation  of  the  Notes  by  E.  E.  Brünnow.  Professor  in  the  University 
of  Heidelberg.    Lex.  8<>  (50  S.)  eleg.  brosch.  M.  3.50 

Die  hervorragendsten  Vertreter  alttestamentlicher  Wissenschaft  der 
Alten  wie  der  Neuen  Welt  haben  die  verschiedenen  Bücher  übernommen 
und  stempeln  diese  neue  kritische  Textausgabe  der  heiligen  Bücher  des 
A.  T.  zu  einem  internationalen  Unternehmen  von  hoher  wissenschaft- 
licher Bedeutung.  Ihre  Mitarbeit  giebt  die  sicherste  Gewähr,  dass  die 
Durchführung  des  gross  angelegten  Planes  der  Aufgabe  selbst  voll 
entsprechen   wird.    Die  verschiedenen  Bestandteile  des  Textes  sind 

durch  Farben 

in  höchst  eigenartiger  Weise  unterschieden.  Die  äussere  Ausstattung 
ist  ebenso  ungewöhnlich  wie  vorzüglich.  Die  weiteren  Hefte  werden 
rasch  folgen. 

Die  ittttorktt  ber  ßirdje  an  ber  £öfung  bcr  f  totalen  /tage. 

Von  iWaxiiw  noit  üatlmiius.    I.  (Teil:   Die  feciale  ^rage.    (VIII  u.5\o5) 

m.  5—;  geb.  IH.  6 — 
(  ,,Vas  IDcrF  bietet  bei  roeitem  merfr,  als  ber  (Eitel  rerfpridjt;  benn  es 
ift  in  (einer  tnelfcittgen  i?elcurbtunq  bes  etnfd?Iagenben  (Scbietes  imb 
feiner  forgfältigcn  Siicf ficbtnabmc  auf  bie  gefcbid?tlidjc  (Jrntroirfelung  feiner 
Bearbeitung  tbatfäcblicb  3a  einem  t?anbbud?  ber  fokalen  ^raae  unb  3tr>ar 
3U  einem  gefebieft  unb  leidet  orientierenben  unb  febr  lebrrcidicugetporben." 

Scblcf.  §ettuug.     ^895.     Uo.  <$6. 
tüeitere  rwtreff liebe  23efprecbungen  brachten  neuerbings: 

Cb/riftltcbc  EDelt  1895  Ho.  22  von  Prof.  We\%  in  (Söttinacn.  —  £tttera= 
nfdjes  dentralblatt  1895  Uo.  25  con  W.  J\.  —  äbcoiog.  £ittcratiir3eitung 
1895  Ho.  \2  von  $v.  ZTaumann  in  Jranffurt. 

Der  smeite  (Schluß)  Ceti,  bit  Aufgabe  ber  Kirche  bebanbelub,  foli 
<£nbc  J805  erfdjetnen. 


OMÜCk.    Don  profeffor  Dr.  (L  f)ilin.  4.  Auflage.  (2<k<k  5.)  Vit  3—;  geb.  ITT.  n  — 

I.  Die  Kurtft  bes  llrbeitens. 
IL  (Epiftet. 

III.  IDie  es  möglid]  ift,  offne  3T|trignc ,   fclbft  in  beftänbigem  Kampfe 
mit  5d?Iecbten,  burd?  bie  IDelt  311  fommen. 

IV.  (Sute  (Semofntbeiten. 

V.  Die  Kinber  ber  IDelt  ftnb  flügcr  als  bie  Kinber  bes  Sidjts. 
VI.  Die  Kunft,  §eit  3U  rjaben. 
VII.  (SiücF. 

VIII.  IDas   bebeutet  ber  ITTenfdi,  mober  fornmt  er,   rootyn  gerjt  er,  mer 
rnofmt  über  ben  golbenen  Sternen? 

Die  Flaren,  rubigen,  edit  cr/riftlicr/cn  unb  ungemein  anregenben  2tus= 
fübfrungen  b/aben  bem  flehten  Bucbe  fdjon  viele  ^reunbe  ermorben.  Die 
regelmäßig  notmeubigeu,  ftarfen  Heubrurfe  finb  ber  erfreulid]fte  Bemeis 
bafür.    (Ein  fünfter  Druc?  bürfte  nod?  in  biefem  3a^re  erfdjetnen. 

Die  dwenannte  etl)ifd)e  ßetuegting  unb  bie  Sosiaibemofratte 

von  ij.  fiöl)lcr.    (48  S.)  HI.  —  60 

In  Kürze  werden  erscheinen: 

DaS    KerygiTia    Petri.    Kritische  Untersuchung  der  Fragmente.    Von 
Lic.  E.  yon  Dofoscliütz.  ca.  M.  4  — 

Üher  diese  urchristliche  Schrift  aus  dem  2.  Jahrhundert  gah  es  bis- 
her keine  erschöpfende  Untersuchung,  ebensowenig  eine  Sonderausgabe. 

Die  Apologie  deS  AHstideS  von  Lic.  Edgar  Hennecke.  ca.  M.  2  — 

Diese  Schrift  des  altchristlichen  Rhetors  (Marciauus)  Aristides  ist  in 
letzter  Zeit  in  den  Vordergrund  des  wissenschaftlichen  Interesses  ge- 
rückt worden.  Die  obige  Arbeit  besteht  in  einer  neuen  Rezension  und 
vollständigen-Rekonstruktion  des  griechischen  Textes.  Sie  bildet  gleich- 
zeitig das  dritte  Heft  der  Textausgaben  der  griechischen  Apologeten 
in  den  „Texten  und  Untersuchungen  zur  Geschichte  der  altchristlichen 
Literatur"  von  Ose.  von  Gebhardt  und  Ad.  Harnack  herausgegeben. 

Eine  deutsche  Übersetzung  nach  dem  unlängt  gefundenen  Syrischen 
Texte  erschien  1892  ebenfalls  in  unserem  Verlage  von  Richard  Raabe. 

Geschichte  der  Klöster  des  Athos.    Meist  ungedruckte  ur 

künden  mit  historischeu  Einleitungen  von  Studiendirektor  Ph.  Meyer- 
Erichsburg,  ca.  M.  6  — 

Das  Bussedict  des  römischen  Bischofs  Kaliist.    Erster 

Wiederherstellungs  versuch  dieses   ältesten  Bussedicts   eines    römischen 
Bischofs  von  Lic.  Rolffs.  ca.  M.  3  — 


Druck  von  August  Pries  in  Leipzig. 


Verlag  der  J.  C.  HINRICHS'schen  Buchhandlung  in  Leipzig. 

Texte  und  Untersuchungen  zur  Geschichte  der 

Altchristlichen  Literatur 

herausgegeben  von  Oscar  Ton  GeDliardt  und  Adolf  Harnack. 

Band  I— IV  auf  Seite  II  des  Umschlags. 

V,  l.  Der  pseudocyprianische  Tractat  de  aleatoribus,  die  älteste  lateinische  christ- 
liche Schrift,  ein  Werk  des  römischen  Bischofs  Victor  I.  (saec.  II.),  von 
Adolf  Harnack.    V,  135  S.     1888.  M.  4.50 

V,  2.    Die  Abfassnngszeit  der  Schriften  Tertullians  von  Ernst  Noeldechen. 

Neue  Fragmente  des  Papias,  Hegesippus  u.  Pierius  in  bisher  unbekannten 
Excerpten  aus  der  Kirchengeschichte  des  Philippus  Sidetes  von  C.  de  Boor. 
184  S.    1888.  M.  6  — 

V,  3.  Das  Hebräerevangelium,  ein  Beitrag  zur  Geschichte  und  Kritik  des  hebräischen 
Matthäus  von  Rud.  Handmann.     III.  142  S.     1888.  M.  4.50 

V,  4.  Agrapha.  Aussercanonische  Evangelienfragmente,  gesammelt  u.  untersucht 
von  Alfred  Resch.  —  Anhang:  Das  Evangelienfragment  von  Fajjum  von 
Adolf  Harnack.    XII,  520  S.    1889.  M.  17  — 

VI,  1.  Die  Textüberlieferung  der  Bücher  des  Origenes  gegen  Celsus  in  den  Hand- 
schriften dieses  Werkes  und  der  Philokalia.  Prolegomena  zu  einer 
kritischen  Ausgabe  von  Paul  Kötschau.  VII,  157  S.  u.  1  Tafel.  1889.  M.  5.5() 
VI,  2.  Der  Paulinismus  des  Irenaeus.  Eine  kirchen- und  dogmengeschichtliche  Unter- 
suchung über  das  Verhältnis  des  Irenaeus  zu  der  Paulinischen  Briefsammlung 
und  Theologie  von  Johs.  Werner.    V,  218  S.    1889.  M.  7  — 

VI,  3.    Die  gnostischen  Quellen  Hippolyts  in  seiner  Hauptschrift  gegen  die  Häretiker 
von    Hans  Staehelin. 
Sieben  neue  Bruchstücke  der  Syllogismen  des  Apelles.  —  Die  Gwynn'schen 
Caius-  und  Hippolytus-Fragmente.    Zwei  Abhandlungen  von  Adolf  Harnack. 

III,  133  S.     1890.     '  M.  4.50 
VI,  4.    Die  ältesten  Quellen  des  orientalischen  Kirchenrechts.    1.  Buch: 

Die  Canones  Hippolyti  von  Hans  Achelis.    VIII,  295  S.     1891.  M.  9.50 

VII,  1.  Die  Johannes-Apokalypse.  Textkritische  Untersuchungen  u.  Textherstellung 
von  Bernh.  Weiss.    Vi,  225  S.    1891.  M.  7  — 

VII,  2.    Ueber das gnostische  Buch Pistis-Sophia.  —  Brod  u. Wasser:  die  eucharistischen 
Elemente  bei  Justin.  2Untersuchgn  von  Adolf  Harnack.  IV,  144S.  1890.  M.  4  50 
VII,  3/4.  Apollinarios  von  Laodicea.     Sein  Leben  u.   seine  Schriften.    Nebst  e.  An- 
hang: Apollinarii  Laodiceni  quae  supersunt  dogmatica.    Von  Johs.  Dräseke. 
XIV,  494  S.     1892.  M.   16  — 

VIII,  1/2.  Gnostische  Schriften  in  koptischer  Sprache  aus  dem  Codex  Brucianus  heraus- 
gegeben, übersetzt  u.  bearbeitet  von  Carl  Schmidt.  XH,  692  S.  1893.    M.  22  — 
VIII,  3.    Die  katholischen  Briefe.    Textkritische  Untersuchungen  und  Textherstellung 
von  Bernh.  Weiss.    VI,  230  S.    1892.  M.  7.50 

VIII,  4.  Die  griechische  Übersetzung  des  Apologeticus  Tertullians.  —  Medicinisch.es 
aus  der  ältesten  Kirchengeschichte.  —  Zwei  Abhandlungen  von  Adolf 
Harnack.    III,  152  S.    1892.  M.  5  — 

IX,  1.    Untersuchungen    über    die  Edessenische  Chronik.    Mit   dem  syrischen  Text 
und  einer  Übersetzung  herausgegeben  von  Ludwig  Hallier.    VI,  170  S. 
Die  Apologie  des  Aristides.    Aus  dem  Syrischen  übersetzt  und  mit  Beiträgen 
zur  Textvergleichung  und  Anmerkungen  herausgegeben  von  Richard  Raabe. 

IV,  97  S.  1892.  M.  S.50 
IX,  2.    Bruchstücke  des  Evangeliums  und  der  Apokalypse  des  Petrus    von  Adolf 

Harnack.    Zweite  verbesserte  und  erweiterte  Auflage.  VIII  u.  98  S.  M.  2  — 

IX,  3/4.  Die  Apostelgeschichte.    Textkritische  Untersuchungen  und  Textherstellung 

von  Bernh.  Weiss.  Befindet  sich  im  Druck. 

X.        Aussercanoniscke    Paralleltexte  zu  den  Evangelien  gesammelt  u.  untersucht 

von  Alfred  Resch. 

1.  Textkritische  u.  quellenkritische  Grundlegungen.  VII,  160  S.  1893.  M.5  — 

XI,  1.    Das  Kerygma  Petri.    Kritisch  untersucht  von  Ernst  von  Dobschütz. 

Erscheint  demnächst. 
XI,  2.    Acta  SS.  Nerei  et  Achillei.    Text  u.  Untersuchung  von  Hans  Achelis.    70  S. 
1893.  M.  3  — 

XI,  3.    Das  Bussedict  des  römischen  Bischofs  Kaliist  von  Rolffs. 

Befindet  sich  im  Druck. 


TEXTE  UND  UNTERSUCHUNGEN 

ZUR  GESCHICHTE  DER 

ALTCHRISTLICHEN  LITERATUR 

HERAUSGEGEBEN  VON 

OSCAR  von  &EBHARDT  und  ADOLF  HAMACK 


XI.  BAND.    HEFT  2. 

ACTA 
k*  NEEEI  ET  ACHILLEI 

TEXT  UND  UNTERSUCHUNG 

VON 

HANS  ACHELIS 

DR.  PHIL. 


LEIPZIG 

J.  C.  HINRICHS'SCHE  BUCHHANDLUNG 

1893 


DAS 


INDULGENZ-EDICT 


DES 


KOMISCHEN  BISCHOFS  KALLIST 


KRITISCH  UNTERSUCHT  UND  RECONSTRUIERT 


VON 


Lic.  theol.  ERNST  ROLFFS 

MITGLIED   DES   PREDIGERSEMINARS   AUF   DER   ERICHSBURG 
(PROV.    HANNOVER) 


Öftw 


LEIPZIG 

J.  C.  HINRICHS'SCHE  BUCHHANDLUNG 
1893 


Verlag  der  J.  C.  HINRICHS'schen  Buchhandlung  in  Leipzig. 

Texte  und  Untersuchungen  zur  Geschichte  der 

Altchristlichen  Literatur 

herausgegeben  von  Oscar  von  Grebhardt  und  Adolf  Harnack. 

I— III.  IV  1/3.  V— IX.  X  1.  XI  1/3.    M.  238.50 

I,  1/2.  Die  Überlieferung  der  griechischen  Apologeten  des  zweiten  Jahrhunderts  in 
der  alten  Kirche  und  im  Mittelalter,  von  Adolf  Harnack.    VIII,  300  S.  1882. 

M.  9  — 

I,  3.  Die  Altercatio  Simonis  Iudaei  et  Theophili  Christiani  nebst  Untersuchungen 
über  die  antijüdisehe  Polemik  in  der  alten  Kirche,  von  Adolf  Harnack. 

Die  Acta  Archelai  und  das  Diatessaron  Tatians,  von  Adolf  Harnack. 

Zur  handschriftlichen  Überlieferung  der  griechischen  Apologeten.  I.  Der 
Arethascodex,  Paris.  Gr.  451,  von  Oscar  v.  Gebhardt.  III,  196  S.  1883.  M.  6  — 

I,  4.    Die  Evangelien  des  Matthäus   und  des  Marcus  aus   dem  Codex  purpureus 

Rossanensis,  herausgegeben  von  Oscar  v.  Gebhardt. 
Der  angebliche  Evangeliencommentar  des  Theophilus  von  Antiochien,  von 
Adolf  Harnack.    LIV,  176  S.    1883.  M.  7.50 

II,  1/2.  Lehre   der   zwölf  Apostel,    nebst   Untersuchungen  zur  ältesten  Geschichte 

der  Kirchenverfassung  und  des  Kirchenrechts  von  Adolf  Harnack.    Nebst 
einem  Anhang:  Ein  übersehenes  Fragment  der  Jotazi  in  alter  lateinischer 
Übersetzimg.    Mitgetheilt  von  Oscar  v.  Gebhardt.  70  u.  294  S.  1884.  M.  10  — 
(II,  1/2.  einzeln  nur  in  anastatischem  Druck  (1893)  käuflich.) 

II,  3.    Die  Offenbarung  Johannis,    eine  jüdische  Apokalypse   in    christlicher  Be- 

arbeitung, von  Eberh.  Vischer.    Mit  Nachwort  von  Adolf  Harnack.  137  S.  1886. 

M.  5  — 

II,  4.  Des  heil.  Eustathius,  Erzbischofs  von  Antiochien,  Beurtheilung  des  Origenes 
betr.  die  Auffassung  der  Wahrsagerin  1.  Könige  [Sam.]  28  und  die  dies- 
bezügliche Homilie  des  Origenes,  aus  der  Münchener  Hds.  331  ergänzt 
und  verbessert,  mit  kritischen  und  exegetischen  Anmerkungen  von  Alb. 
Jahn.   XXVII,  75  S.    1886.  (Einzelpreis  M.  4.50);  M.  3.50 

U,  5.  Die  Quellen  der  sogenannten  apostolischen  Kirchenordnung,  nebst  einer 
Untersuchung  über  den  Ursprung  des  Lectorats  und  der  anderen  niederen 
Weihen,  von  Adolf  Harnack.    106  S.    1886.  M.  4  — 

III,  1/2.  Leontius  v.  Byzanz  und  die  gleichnamigen  Schriftsteller  der  griechischen 
Kirche  von  Friedr.  Loofs.  l.  Buch:  Das  Leben  und  die  polem.  Werke  des 
Leontius  v.  Byzanz.    VIII,  317  S.    1887.  M.  10  — 

III,  3/4.  Aphrahat's  des  persischen  Weisen  Homilien,  aus  dem  Syrischen  übersetzt 

und  erläutert  von  Georg  Bert. 
Die  Akten  des  Karpus,  des  Papylus  und  der  Agathonike.    Eine  Urkunde  aus 
der  Zeit  Marc  Aureis,  von  Adolf  Harnack.    LH,  466  S.    1888.  M.  16  — 

IV,  Die  griechischen  Apologeten. 

1.  Tatiani  oratio  ad  Graecos.    Becens.  Ed.  Schwartz.   X,  105  S.    1888.       M.  2.40 

2.  Athenagorae  libellus  pro  Christianis.    Oratio  de  resurrectione  cadaverum. 

Recens.  Ed.  Schwartz.    XXX,  143  S.    1891.  M.  3.60 

3.  Die  Apologie  des  Aristides.    Recension  und  Reconstruction  des  Textes  von 

Lic.  Edgar  Hennecke.    XX,  64  S.    1893.  M.  3  — 

Partiepreis  M.  2  — 

4.  Theophili  libri  tres  ad  Autolycum.    Recens.  Ed.  Schwartz.  |  InVorbe- 
Iustini  martyris   apologia  et  dialogus  cum  Tryphone  Iudaeo.  <  reitung 

Recens.  0.  de  Gebhardt  et  A.  Harnack.  ) 

Diese  Ausgaben  der  Griechischen  Apologeten  sind  nur  mit  kurzem 
sprachlichen  Commentar  und  Registern  versehen  und  sollen  zum  Gebrauch 
bei  Vorlesungen  oder  in  Seminaren  dienen,  weshalb  auch  deren  Preise 
möglichst  niedrig  gestellt  wurden. 

Fortsetzung  auf  Seite  III  des  Umschlags. 


5. 


DAS 


INDULGENZ-EDICT 


DES 


RÖMISCHEN  BISCHOFS  KALLIST 


KRITISCH  UNTERSUCHT  UND  RECOXSTRUIERT 


VON 


Lic.  THEOL    ERNST  ROLFFS 

}nTiTLIED    I'ES   PRJEDIGEESEMINABS    AUF    DEB    ERICHSBERG 
(PROV.    HANNOVER) 


Q 


LEIPZIG 

J.  C.  HINRICHS'SCHE  BUCHHANDLUNG 
1893 


DEM 


PREDIGERSEMINAß  AUF  DER  ERICHSBURG 


IX 


TREUER  ANHÄNGLICHKEIT  UND  HERZLICHER  DANKBARKEIT 


GEWIDMET 


Vorwort. 

Die  vorliegende  Abhandlung,  mit  welcher  der  Verf.  bei  der 
theologischen  Facultät  zu  Berlin  die  Licentiatenwürde  erwarb, 
ist  aus  Untersuchungen  hervorgegangen,  die  in  erster  Linie  den 
Zweck  hatten,  den  eigenen  kritischen  Blick  und  das  historische 
Urteil  soweit  zu  üben,  wie  es  auch  für  den  in  das  praktische 
Amt  eintretenden  Theologen  unerlässlich  ist.  Dies  dürfte  viel- 
leicht einigermassen  zur  Entschuldigung  für  den  Mangel  an 
technischer  Schulung  dienen,  welcher  sich  besonders  bei  der 
durch  den  Stoff  geforderten  Untersuchung  rein  philologischer 
Fragen  bemerkbar  machen  wird. 

Wenn  ich  mir  das  Ziel  gesteckt  habe,  das  Indulgenz-Edict 
Kallists  zu  reconstruieren,  so  bin  ich  mir  wohl  bewusst,  dass 
dies  ein  Versuch  ist,  der  bei  dem  Stande  der  Quellen  immer 
nur  unvollkommen  gelingen  kann.  Denn  abgesehen  davon, 
dass  auch  die  Reifferscheidsche  Ausgabe  der  Werke  Tertullians 
(aufweiche  sich  bei  Citaten  aus  den  darin  enthaltenen  Schriften 
die  angegebenen  Seitenzahlen  beziehen)  weit  entfernt  ist,  einen 
in  allen  Beziehungen  brauchbaren  Text  zu  bieten,  ist  auch  die 
Art,  wie  Tertullian  über  die  Schrift  seines  Gegners  referiert, 
zu  ungenau  und  ungleichmässig,  um  eine  wirklich  sichere  Her- 
stellung des  Wortlautes  zu  ermöglichen.  Doch  wird  man  den 
Versuch,  durch  eine  Reconstruction  sich  ein  annähernd  getreues 
Bild  dieser  für  das  Verständnis  der  Entwicklung  der  ältesten 
Bussdisciplin  so  wichtigen  Schrift  Kallists  zu  verschaffen ,  auf 
jeden  Fall  unternehmen  müssen;  denn  jede  Untersuchung  über 
die  älteste  Bussdisciplin  begeht  einen  methodischen  Fehler, 
wenn  sie  sich  nicht  die  Frage  stellt,  ob  und  inwieweit  wir  den 


VI  Vorwort. 

Inhalt  der  Epoche  machenden  Verfügung  Kallists  ermitteln 
können;  so  lange  diese  Frage  unbeantwortet  ist,  rechnet  man 
mit  einer  Grösse,  von  der  man  nicht  festgestellt  hat,  ob  sie  be- 
kannt oder  unbekannt  ist.  Eine  sichere  Antwort  darauf  lässt 
sich  aber  nur  geben,  wenn  man  einen  Reconstructionsversuch 
unternimmt,  mag  derselbe  nun  ein  positives  oder  negatives  Re- 
sultat ergeben.  Diesen  Dienst  möchte  die  vorliegende  Abhand- 
lung leisten. 

In  den  Untersuchungen  über  die  Bussdisciplin,  die  ich  auf 
Grund  von  de  paenitentia  anstellen  musste,  um  eine  Grundlage 
für  die  Reconstruction  zu  gewinnen,  bin  ich  sehr  gefördert 
durch  Preuschens  Dissertation:  Tertullians  Schriften  de  paeni- 
tentia und  de  pudicitia  mit  Rücksicht  auf  die  Bussdisciplin  unter- 
sucht, Giessen  1890.  Wenn  ich  auch  in  manchen  Punkten 
darüber  hinausgegangen  bin  und  daher  der  Dissensus  wohl  mehr 
hervortritt  als  die  Übereinstimmung,  so  hat  sie  mir  doch  im 
wesentlichen  den  Gang  meiner  Untersuchung  vorgezeichnet. 

Schätzenswerte  Winke  über  den  sprachlichen  Charakter  der 
reconstruierten  Schrift  verdanke  ich  Herrn  Professor  von  Wila- 
movitz-Moellendorf  in  Göttingen.  Wenn  ich  mich  auch  im  all- 
gemeinen seiner  Ansicht  über  den  Charakter  der  Schriftstellerei 
Tertullians  nicht  anschliessen  kann,  vielmehr  mit  Nöldechen 
(Texte  u.  Unters.  V.  2.  p.  140  Anm.  3)  urteilen  muss,  „dass  die 
reinen  Kunstformen  prosaischer  Darstellung  dem  Autor  abgehen", 
dass  in  Tertullian  durchgehends  der  christliche  Polemiker  über 
den  römischen  Rhetor  triumphiert,  so  haben  mich  seine  An- 
deutungen doch  vor  übereilten  Urteilen  über  die  Sprache  des 
Edictes  bewahrt. 

Die  meiste  Anregung  und  Förderung  habe  ich  aber  von 
meinem  hoch  verehrten  Lehrer  Herrn  Professor  Harnack  er- 
fahren, welcher  durch  die  wohlwollende  Beurteilung  meiner 
ersten  Versuche  wissenschaftlicher  Forschung  mich  zu  weiterem 
Arbeiten  ermutigt,  mir  durch  freundliche  Beantwortung  meiner 
Fragen  die  Wege  gewiesen,  die  zum  Ziel  führen  konnten,  und 
mich  auf  wertvolles  Material  aufmerksam  gemacht  hat  (so  be- 
sonders auf  Origenes  und   den  Proverbien-Commentar  des  Hip- 


Vorwort.  YII 

polyt).  Ich  kann  ihm  aber  hierfür  nicht  danken,  ohne  zugleich 
mit  herzlichem  Dank  auszusprechen,  dass  seine  Anregungen  erst 
überhaupt  die  Lust  zu  wissenschaftlicher  Arbeit  in  mir  geweckt 
haben;  indem  ich  durch  ihn  eine  Geschichtsbetrachtung  kennen 
lernte,  die  bei  aller  kritischen  Schärfe  doch  mehr  giebt  als  sie 
nimmt,  die  nicht  armer,  sondern  reicher  macht,  habe  ich  das 
Misstrauen  gegen  die  Wissenschaftlichkeit  einer  christlichen  und 
den  Zweifel  an  der  Christlichkeit  einer  wissenschaftlichen  Theo- 
logie überwunden,  und  mit  der  Freude  an  der  Theologie  als 
Wissenschaft  habe  ich  die  Freudigkeit  zum  praktischen  Dienst 
in  der  Kirche  gewonnen,  die  aus  der  Überzeugung  entspringt, 
dass  „unser  Glaube  der  Sieg  ist,  der  die  Welt  überwindet". 
Hier,  wo  mir  die  Veröffentlichung  meiner  ersten  Arbeit  Anlass 
giebt,  für  das  Geringere  zu  danken,  kaun  ich  den  Dank  für  das 
Grössere  nicht  unterdrücken. 

Erichsburg,  im  August  1S93. 

Ernst  Rolffs. 


Inhaltsübersicht. 


Seite 

Einleitung 1  —  12 

I.    Inhalt  der  Schrift  de  pudicitia 13  —  10 

II.  Die  Verfügung  des  Kallist 19  —  02 

1.    Die  Verfügung  ihrem  Inhalt  nach 19  —  36 

_'.    Die  durch    den  Erlass  in    die  Busspraxis    eingeführte 

Neuerung 36  —  54 

3.  Die  Begründung  der  von  Kallist  in  Anspruch  genom- 
menen bischöflichen  Absolutionsgewalt 54  —  58 

4.  Die  Stellung  der  Märtyrer  in  der  Verfügung  Kallists  5S  —  62 

III.  Der  Beweis  für  die  Vergehbarkeit  der  Unzuchtsünden      .  62  —  98 

1.    Die  einzelnen  Argumente 62  —  92 

_'.    Der  Zusammenhang  zwischen  den  einzelnen  Argumenten  93  —  98 

IV.  Der  Zusammenhang  der  Schrift  für  die  Vergebbark eit  der 
Unzuchtsünden  mit  der  Verfügung  Kallists 99—102 

V.    Die  Reconstruction  der  Verfügung  Kallists 103 — 117 

VI.    Die  Sprache  der  reconstruierten  Schrift 118 — 123 

VII,    Die  Bezeugung  der  Schrift  Kallists 124—135 

VIII.    Der  Charakter  der  reconstruierten  Schrift 135 — 13S 


Einleitung. 

Tertullians  Schrift  de  pudicitia  ist  veranlasst  durch  ein 
bischöfliches  Edict,  in  welchem  denen,  die  in  Unzuchtsünden 
gefallen  waren,  unter  der  Bedingung  öffentlich  zu  leistender 
Busse  Vergebung  zugesichert  wurde.  Diesen  von  Tert.  als 
peremptorisches  Edict  bezeichneten  Erlass  hat  man  schon  sehr 
früh  einem  römischen  Bischof  zugeschrieben,  weil  katholische 
Schriftsteller  Tert.s  Ironie  nicht  verstehend  in  der  Bezeichnung: 
Pontifex  Maximus,  episcopus  episcoporum  die  offiziellen  Titel 
des  Papstes  schon  im  Anfang  des  3.  Jh.  bezeugt  fanden.  Das 
Edict  ist  daher  auch  von  ihnen  ebenso  sehr  in  seiner  Bedeutung 
überschätzt,  wie  es  von  den  älteren  protestantischen  Geschicht- 
schreibern unterschätzt  wurde.  Da  die  Schriftstellerei  Tert.s 
nun  zum  grössten  Teil  unter  den  Episkopat  Zephyrins  fällt,  so 
erkannte  man  auch  in  ihm  den  Verfasser  des  fraglichen  Ediktes. 
So  schon  Pamelius1),  der  dasselbe  in  das  J.  216  setzt;  ohne  die 
Bedeutung  des  Erlasses  irgendwie  zu  würdigen,  betont  er  im 
übrigen  nur,  dass  Tert.,  obwohl  als  Montanist  ein  Ketzer,  dem 
römischen  Bischof  die  ihm  zukommenden  ehrenden  Titel  nicht 
versagen  könne.  Baronius2)  beschränkt  sich  nicht  darauf,  aus 
diesen  Titeln  die  Macht  und  das  Ansehen  des  römischen  Bischofs 
festzustellen,  obgleich  dies  auch  für  ihn  das  wichtigste  ist, 
sondern  er  sucht  auch  den  Zweck  des  Erlasses  verständlich  zu 
machen,  durch  welchen  Zephyrin  nach  seiner  Ansicht  nichts 
absolut  Neues  verfügte,  sondern  nur  die  in  der  gesamten  ka- 
tholischen Kirche  von  jeher  herrschende  Busspraxis  gegen  die 
stets  wiederholten  Angriffe  der  Häretiker  sicher  stellte.     Rigal- 


1)  Jacobi  Pamelii  argumenta  et  adnotationes  in  Tert.  Opera.  Paris  1G35. 
In  der  „vita  Tert."  und  zu  de  pud.    S.  720. 

2)  Baronii  Annales  eccles.  ed.  Theiner.     Tom.  II.  1S64.     S.  216. 
Texte  u.  Untersuchungen  XI,  3.  1 


2  Rolffs,  Das  Indulgenz-Edict. 

tius1)  erkennt  wenigstens  die  Ironie  Tert.s  in  der  Bezeichnung 
des  Bischofs  als  Pont.  Max.,  dagegen  nimmt  er  an,  dass  der- 
selbe sich  den  Titel  episcopus  episcoporum  wirklich  beigelegt 
habe;  wen  er  für  den  betreffenden  Bischof  hält,  sagt  er  m.  W. 
nicht.  Der  erste,  welcher  der  Bedeutung  des  Edictes  wirklich 
gerecht  wird,  ist  Dionysius  Petavius2);  er  erkennt,  dass  dasselbe 
in  der  Geschichte  der  Bussdisciplin  Epoche  macht:  drei  Zeit- 
räume sind  in  der  Geschichte  der  kirchlichen  Disciplin  zu  unter- 
scheiden; in  dem  ersten  wurde  die  Disciplin  am  strengsten 
gehandhabt,  die  im  Aposteldecret  genannten  Sünden  des  Götzen- 
dienstes, der  Hurerei,  des  Mordes  fanden  überhaupt  keine  Ver- 
gebung; der  zweite  beginnt  mit  dem  Edict  Zephyrins,  welches 
die  strenge  Praxis  wenigstens  hinsichtlich  der  Unzuchtsünden 
mildert  und  dadurch  die  unter  Cyprian  zur  Herrschaft  kommende 
Praxis  anbahnt,  nach  welcher  allen  Sündern  Vergebung  gewährt 
wird,  aber  erst  nach  einer  früh  begonnenen  und  bis  zum  Tode 
dauernden  Busszeit;  in  der  dritten  Periode,  welche  mit  der  Be- 
freiung der  Kirche  beginnt,  wird  auch  eine  solche  nicht  mehr 
verlangt.  Diese  Perioden  beginnen  aber  durchaus  nicht  in  allen 
Landeskirchen  zu  gleicher  Zeit,  vielmehr  weichen  viele  Bischöfe 
erst  sehr  allmählich  von  der  alten  Strenge  ab;  „denn  es  war 
noch  nicht  durch  eine  allgemein  geltende  Verfügung,  durch  die 
alle  Kirchen  gebunden  waren,  diese  Praxis  festgestellt."  Bei 
dieser  Darstellung  ist  nicht  erkannt,  dass  auch  innerhalb  der 
ersten  Periode  sich  eine  Entwicklung  der  Bussdisciplin  vollzogen 
hat,  sondern  diejenige  Ausprägung  derselben,  welche  man  am 
Schluss  dieses  Zeitraumes  vorfindet,  wird  als  constant  angesehen, 
die  Dreizahl  der  unvergebbaren  Sünden  auf  das  Apostelconcil 
zurückgeführt;  es  ist  ausserdem  nicht  berücksichtigt,  dass  diese 
Sünden,  wie  Hermas  zeigt,  ausnahmsweise  auf  göttliche  Offen- 
barung hin  vergeben  werden  konnten,  also  die  Bedeutung  der 
unmittelbaren  Geisteswirkungen  für  die  älteste  Zeit  verkannt. 
Etwa  gleichzeitig  mit  Petavius  entwickelt  Albaspinus3)  eine  An- 


1)  Tert.  Opera  ed.  Rigaltius  Edit.  IL     Lutetiae  1641.     Observat.  ad 
Tert.     S.  121. 

2)  Petavii  aniniadversiones  in  Epipbanii  Panariuni.     Corp.  Haeresiol. 
III.  S.  CC  ff. 

3)  Gabrielis  Albaspini,  Aurelianensis  episcopi,  notae  in  quosdam  Tert. 
libros.    In  dem  S.  1.  citierten  Bde.    Pamelii  arg.  et  not.     S.  1013. 


Einleitung.  3 

sieht  über  das  Edict,  nach  welcher  dasselbe  auch  ein  Moment 
in  der  Entwicklung  der  Bussdisciplin  bedeutet;  die  Anschauung, 
welche  Tert.  in  de  paenitentia  von  der  Vergebbarkeit  der  Un- 
zuchtsünden entwickele,  sei  nicht  allgemein  gewesen;  vielmehr 
sei  Hurerei  und  Ehebruch  von  den  meisten  als  schwere,  unver- 
gebbare  Sünde  betrachtet;  Zephyrin  habe  den  Streit  darüber 
beendigt,  indem  er  die  Wiederaufnahme  der  Unzüchtigen  ver- 
fügt, um  sie  dem  erziehenden  Einfluss  der  Kirche  zu  erhalten. 
Das  falsche  dieser  Anschauung,  in  welcher  jedenfalls  der  eine 
Zweck  des  Erlasses,  Erziehung  schwerer  Sünder  durch  kirch- 
liche Zucht,  richtig  erkannt  ist,  hat  seinen  Grund  in  einem 
Missverständnis  von  de  paen.,  welches  die  folgende  Abhandlung 
zu  berichtigen  versuchen  wird.  Morinus1)  will  die  Ansicht  des 
Petavius  nicht  im  allgemeinen  gelten  lassen,  sondern  in  der  Weise 
soll  sich  die  Bussdisciplin  nur  in  einigen  kleineren  afrikanischen 
Kirchen,  wo  dies  durch  Cyprian  ep.  55  bezeugt  ist,  und  in  der 
Bätischen  Provinz  in  Spanien,  wofür  die  Beschlüsse  der  Synode 
von  Elvira  Zeugnis  ablegen,  entwickelt  haben;  für  Rom  und 
Karthago  glaubt  er  leicht  das  Gegenteil  beweisen  zu  können. 
Zephyrin  habe  zur  Abwehr  der  montanistischen  Häresie,  welche 
die  Absolutionsgewalt  der  Bischöfe  für  Fleischessünden  bestritt, 
die  Praxis  einiger  afrikanischer  und  spanischer  Bischöfe,  welche 
die  Unzüchtigen  aus  Gründen  der  Disciplin,  nicht  weil  sie  die 
bischöfliche  Vollmacht  dazu  leugneten,  nicht  wieder  aufnahmen, 
durch  sein  Edict  corrigiert.  In  demselben  liege  der  Grund 
dafür,  dass  in  den  Beschlüssen  von  Elvira  die  Sünden  der 
moechia  milder  behandelt  werden  als  Mord  und  Götzendienst. 
Den  Beweis,  dass  für  Rom  und  Karthago  das  Edict  keine  Be- 
deutunggehabt habe2),  bleibt  er  natürlich  schuldig;  denn  hierin 
liegt  gerade  das  durchaus  fehlerhafte  seiner  Auffassung  der 
Verhältnisse.  Die  Grundzüge  für  die  richtige ,  geschicht- 
liche Betrachtung  der  Entwicklung  der  Bussdisciplin,  finden 
sich  eben  bei  Petavius  und  seine  Anschauung  teilt  auch  der 
grosse  Gelehrte  Jacob  Sirmond  in  seiner  ..Historia  poenitentiae 


1)  Commentarius  historicus  de  diseiplina  in  adrninistratione  sacramenti 
poenitentiae.     1685.    S.  670  ff. 

2)  Was  er  Lib.  IX  c.  20  zu  diesem  Zweck  anführt,  kommt  auf  eine 
Misshandlung  des  Gedankeninhalts  von  de  pud.  und  auf  ein  Missverständnis 
von  de  paen.  hinaus. 

1* 


4  Rolffs,  Das  Indulgenz-Edict. 

publicae l)"  c.  I.  Die  andern  Darstellungen  katholischer  Historiker 
haben  alle  ihren  Grund  in  der  falschen,  dogmatischen  Vorausset- 
zung, dass  in  Rom  zu  keiner  Zeit  eine  durch  die  spätere  Entwick- 
lung als  falsch  erwiesene  Busspraxis  geübt  sein  könne.  Beson- 
ders deutlich  ist  dies  bei  dem  Cardinal  Orsi2),  welcher  behauptet, 
das  Edict  Zephyrins  wende  sich  gegen  die  von  Cyprian  ep.  55 
erwähnten  afrikanischen  Bischöfe,  welche  mit  der  Verweigerung 
der  Absolution  an  Unzüchtige  eine  unerhörte  Neuerung  ein- 
geführt hätten.  Er  giebt  dem  Erlass  also  nur  eine  Bedeutung 
für  Afrika;  daher  thut  er  später  noch  einen  weiteren  Schritt, 
indem  er  als  Verfasser  des  Edictes  einen  karthagischen  Bischof 
annimmt3),  da  er  meint,  de  pud.  21  nicht  auf  den  römischen 
Bischof  beziehen  zu  können.  Ihm  folgend  schreibt  Morcelli4) 
dasselbe  dem  karthagischen  Bischof  Cyrus  zu. 

Die  älteren  protestantischen  Kirchenhistoriker,  die  Ver- 
fasser der  Magdeburger  Centurien,  Basnage,  Gottfried  Arnold, 
Spanheim,  Mosheim  erwähnen  das  Edict  gar  nicht,  wahrschein- 
lich weil  sie  Terts  Ironie  in  der  Bezeichnung  des  römischen 
Bischofs  als  episcopus  episcoporum  nicht  verstanden  und  daher 
die  Thatsache,  dass  derselbe  als  Primas  des  Episkopates  all- 
gemein gültige  Verfügungen  erlassen  habe,  mit  ihrer  Auffassung 
der  ältesten  Kirchengeschichte,  wie  sie  sich  auf  Grund  aller 
übrigen  Quellen  festgeteilt  hatte,  nicht  in  Einklang  zu  bringen 
wussten.  Zuerst  ausdrücklich  erwähnt  ist  das  Edict  m.  W.  von 
Schröckh 5),  der  Zephyrin  für  den  Verfasser  hält,  über  die  Be- 
deutung der  Verfügung  sich  aber  nicht  weiter  auslässt;  nur 
findet  er  es  bemerkenswert,  dass  Tert.  gegen  einen  römischen 
Bischof  so  aufzutreten  wagt,  wie  er  es  in  de  pud.  thut.  Der 
erste,  welcher  das  Edict  bestimmt  in  einen  grösseren  geschicht- 
lichen   Zusammenhang    eingliedert,    ist  Gieseler0);   er  sieht  in 


1)  Abgedruckt  von  Barthold  Niemeier  in  seinem  Tractatus  theologicus 
de  disciplina  ecclesiastica  (Helmstedt  1703),  wo  Sirmonds  Ansicht  voll- 
ständig aufgenommen  ist. 

2)  Dissertatio  historica,  qua  ostenditur  catholicam  ecclesiam  tribus 
prioribus  saeculis  capitalium  criminum  reis  pacem  et  absolutionem  neuti- 
quam  denegasse.     Mailaud  1730.    S.  98  ff'. 

3)  Della  historia  ecclesiastica  1749.    S.  12. 

4)  Africa  christiana  1807.     S.  80.  81. 

5)  Christliche  Kirchengeschichte  III.     1772.     S.  390. 

6)  Lehrbuch  der  K.  G.     3.  Aufl.  1831,  4.  Aufl.  1S44.    S.  287. 


Einleitung.  5 

demselben  ein  bedeutendes  Moment  in  dem  Streit  über  die 
montanistischen  Unterscheidungslehren,  lässt  dagegen  seine 
Bedeutung  für  die  Entwicklung  der  Bussdisciplin  ausser  Acht. 
Als  Verfasser  nimmt  er  mit  Orsi  einen  Bischof  von  Karthago 
an,  weil  er  die  Bezeichnung  Pontifex  Maximus  auf  eine  an- 
gemasste,  nicht  auf  eine  wirkliche  Würde  beziehen  zu  müssen 
glaubt;  dieser  Grund  ist  natürlich  nicht  stichhaltig;  denn  auch 
für  einen  römischen  Bischof  war  eine  Primatstellung  gegen- 
über den  anderen  Bischöfen  in  jener  Zeit  doch  eine  angemasste 
Würde.  In  dem  Streit  zwischen  der  Grosskirche  und  dem  Mon- 
tanismus giebt  auch  Schwegler  *)  dem  Edict  eine  bedeutsame 
Stelle,  und  zwar  betont  er  mit  Recht,  dass  durch  dieses  Edict 
die  katholische  Kirche  sich  in  Gegensatz  setze  gegen  die 
montanistische  Gemeinde  der  Heiligen;  er  erkennt  damit  die 
Bedeutung  desselben  für  die  Entwicklung  des  Kirchenbegriffs. 
Nicht  so  klar  spricht  er  sich  über  den  Einfluss  desselben  auf 
die  Bussdisciplin  aus;  auch  hier  fixiert  er  richtig  den  doppelten 
Streitpunkt  zwischen  Kirche  und  Montanismus,  dass  nämlich 
einerseits  die  Vergebbarkeit  der  Unzuchtsünden,  andererseits 
die  Absolutionsgewalt  der  Bischöfe  controvers  war;  aber  er 
hat  nicht  erkannt,  wie  die  Kirche  vor  Zephyrin  sich  den  Fleisches- 
sünden gegenüber  stellte  und  wie  sie  das  Recht  der  Vergebung 
ausübte.  Dass  Zephyrin  das  Edict  erlassen  hat,  hält  auch  er 
für  ausgemacht;  er  setzt  es  dabei  in  die  ersten  Jahre  seines 
Episkopates  und  weicht  darin  nicht  bedeutend  von  Baur2)  ab, 
der  es  unentschieden  lässt ,  ob  Zephyrin  oder  sein  Vorgänger 
Victor  der  von  Tert.  gemeinte  Pontifex  Maximus  sei.  Baur 
geht  nun  auf  die  Bedeutung  des  Edictes  sehr  ausführlich  ein. 
Der  aus  der  eschatologischen  Stimmung  hervorgegangene  mon- 
tanistische Rigorismus  steht  im  Gegensatz  zu  der  laxeren  Sitt- 
lichkeit der  Grosskirche,  welche  den  Enthusiasmus  abgestreift 
hat  und  mit  der  Welt  einen  Compromiss  schliesst.  Es  ist  nicht 
zufällig,  dass  die  Bischöfe  die  schroffsten  Gegner  der  Mon- 
tanisten sind;  denn  der  Episkopat  ist  selbst  ein  wichtiges 
Moment  in  dem  Process  der  Verweltlichung  der  Kirche.  Indem 
der  Montanismus  gegen  diese  reagiert,  setzt  er  sich  in  Gegen- 


1)  Der  Montanismus  und  die  christliche  Kirche  1841.    S.  68.  233.  290. 

2)  Das  Christentum  und  die  christliche  Kirche  in  den  ersten  3  Jhh. 
1853.     S.  266  ff. 


q  Rolffs,  Das  Indulgenz-Edict. 

satz  zu  den  Bischöfen,  deren  Interesse  es  ist,  der  Kirche  eine 
sie  mit  der  Welt  verknüpfende  Verfassung  zu  geben.  Das 
Edict  des  römischen  Bischofs  bringt  dieses  Verhältnis  unzwei- 
deutig zum  Ausdruck,  indem  es  sich  mit  den  sittlichen  Grund- 
sätzen  der  Montanisten  in  geraden  Widerspruch  setzt.  „Zwischen 
der  Transcendenz  einer  sich  nie  realisierenden  Idee  (der  Kirche 
als  Gemeinde  der  Heiligen)  und  dem  Boden  der  empirischen 
Wirklichkeit,  auf  welchem  sie  sich  allein  zur  Realität  einer 
bestehenden  Kirche  verwirklichen  konute,  lag  als  das  erste  ver- 
mittelnde Moment  die  in  Hinsicht  der  Vergebung  der  Todsünden 
gemachte  Concession.  War  es  unmöglich,  dass  es  gar  keine 
Sünden  gab,  so  musste  es  doch  wenigstens  möglich  sein,  dass  sie 
vergeben  wurden.  Hiermit  war  zwar  die  reine  Idealität  der  Kirche 
verschwunden  aber  die  Idee  der  Kirche  war  praktisch  geworden." 
Von  grosser  Bedeutung  ist  es  auch,  dass  gerade  der  römische 
Bischof  die  Verweltlichung  des  Christentums  anbahnt;  denn  in 
der  römischen  Kirche  hat  sich  dieselbe  vollendet;  hier  sehen 
wir  sie  in  ihren  ersten  unschuldigen,  durch  die  Natur  der  Sache 
selbst  gerechtfertigten  Anfängen.  Das  Edict  des  römischen 
Bischofs  ist  „ein  Ablassprogramm  für  Unzuchtsünden,  das  an  der 
Spitze  der  ganzen  so  berüchtigten  Geschichte  der  römischen 
Ablasserteilung  steht."  Neben  dieser  dogmenhistorischen  Be- 
deutung des  Edictes  steht  seine  kirchenhistorische;  sie  ruht  in 
dem  entscheidenden  Einfluss,  den  das  Edict  auf  den  Streit 
zwischen  Montanismus  und  Grosskirche  gehabt  haben  wird. 
Baur  hat  einerseits  die  Bedeutung  der  bischöflichen  Verfügung 
für  die  Bussdisciplin,  andererseits  die  Bedeutung  dieser  letzteren 
für  die  Geschichte  der  Kirche  richtig  erkannt;  indem  durch  den 
Erlass  eine  geordnete  Busspraxis  angebahnt  wird,  wird  damit 
zugleich  dem  Enthusiasmus  der  Montanisten  ein  Damm  ent- 
gegengesetzt  und  ein  grosser  Schritt  zur  Einbürgerung  der 
Kirche  in  die  Welt  gethan.  Freilich  hat  er  dabei  die  Wichtig- 
keit des  Edictes  als  solchen  überschätzt,  indem  er  dasselbe  als 
entscheidenden  Factor  einer  Entwicklung  auffasst,  für  welche  es 
nur  als  Symptom  gelten  kann. 

Eine    andere   Auffassung  von   der  Bedeutung   des   Edictes 
für   die  Bussdisciplin  hat  Ritschi  !) ,   der   hinsichtlich   des  Ver- 


1)  Entstehung  der  altkatholischen  Kirche.     2.  Aufl.  1857. 


Einleitung.  7 

fassers  sich  der  herkömmlichen  Ansicht  anschliesst.  Er  sieht 
nämlich  im  Hirten  des  Hermas  und  in  Tert.s  katholischer  Schrift 
de  paenitentia  (c.  7)  die  Thatsache  bezeugt,  dass  schwere  Sünder 
d.  h.  hier  Unzüchtige  einmal  eine  Busse  leisten  konnten,  welche 
die  Wiederaufnahme  in  die  Kirche  zur  Folge  hatte  (S.  370.  71), 
und  erblickt  die  Neuerung  Zephyrins  darin,  dass  er  die  Be- 
schränkung der  Busse  für  Fleischessünden  auf  ein  einziges  Mal 
aufgehoben  habe  (S.  514).  Allein  dies  ist  in  dem  Erlass  gar 
nicht  ausgesprochen  und,  wie  sich  zeigen  wird,  sogar  ziemlich 
unwahrscheinlich.  Bestimmter  als  Baur  legt  er  dar,  welche 
Bedeutung  das  Edict  für  die  Entwicklung  der  Ansprüche  des 
Episkopates  hat;  es  bedeutet  einen  Fortschritt  insofern,  als 
neben  der  bisher  schon  anerkannten  Lehrauctorität  desselben 
jetzt  die  Ausübung  der  Schlüsselgewalt  aus  einer  umfassenderen 
Deutung  des  Begriffs  der  apostolischen  Succession  abgeleitet 
wurde  (517). 

Während  Lipsius1)  mit  Baur  die  kirchengeschichtliche 
Bedeutung  des  Edictes,  dessen  Abfassung  durch  Zephyrin  er 
etwa  in  das  J.  205  setzt,  in  der  damit  vollzogenen  definitiven 
Ausscheidung  der  Montanisten  aus  der  Kirche  sieht,  meint 
Hauck2);  nach  dessen  Ansicht  Montanisten  und  Katholiker 
schon  z.  Z.  der  Schrift  adv.  Praxeam  als  gesonderte  Gemein- 
schaften bestehen,  der  von  Tert.  als  Edict  mitgeteilte  Satz  sei 
aus  einem  Schreiben  Zephyrins  entnommen,  in  welchem  er  der 
karthagischen  Gemeinde  auf  ihre  Anfrage,  wie  man  sich  den 
Unzüchtigen  gegenüber  stellen  sollte,  wenn  man  auf  montanistisch 
gesinnte  Glieder  der  Gemeinde  Rücksicht  zu  nehmen  habe,  Ant- 
wort erteilt  habe,  indem  er  ihr  sein  im  Laufe  seines  Episko- 
pates erprobtes  Verfahren  gegen  die  Unzüchtigen  darstelle. 
Demgemäss  hat  die  Erklärung  des  römischen  Bischofs  nicht  im 
entferntesten  die  entscheidende  Bedeutung;  für  die  Entwicklung 
der  Bussdisciplin  und  des  Kirchenbegriffs,  auch  nicht  für  die 
Auseinandersetzung  zwischen  Kirche  und  Montanismus,  welche 
Baur  ihr  beilegt.  Wenn  diese  Auffassung  auch  im  wesentlichen 
nicht  haltbar  sein  dürfte,  so  regt  sie  doch  zu  der  Frage  an, 
ob    die   Verfügung    des    römischen    Bischofs  wirklich   als   per- 


1)  Chronologie  der  römischen  Bischöfe  1869.    S.  1<5. 

2)  Tertullians  Leben  und  Schriften  1877.     S.  390. 


8  Rolffs,  Das  Indulgenz-Edict. 

eraptorisclies  Edict  ergangen  ist  und  als  solches  betrachtet  sein 
will,  oder  ob  diese  Bezeichnung  nicht  auch  mit  zu  der  Ironie 
Tert.s  gehört.  Dass  es  sich  um  einen  wirklichen  Erlass  handelt, 
kann  freilich  nicht  in  Zweifel  gezogen  werden,  und  wenn 
Langen1)  glaubt,  ein  solcher  habe  überhaupt  .nicht  vorgelegen, 
sondern  Tert.  bringe  nur  das  von  dem  römischen  Bischof  still- 
schweigend gegen  die  Unzüchtigen  eingeschlagene  mildere  Ver- 
fahren unter  dieser  Form  zur  Darstellung,  so  dürfte  er  damit 
aus  den  Grenzen  einer  besonnenen  Kritik  der  Quellen  heraus- 
getreten sein. 

Bisher  ist  ein  Problem  unerwähnt  geblieben,  welches  der 
Forschung  durch  den  Bericht  Hippolyts  in  seinem  1850  ent- 
deckten Werk,  den  Philosophumena,  gestellt  ist.  Er  erzählt 
nämlich  von  dem  römischen  Bischof  Kailist:  Toiavra  o  yör\g 
roXfitjGag  övp£öT7jöaro  didaöxalslov  xara  rT/g  txxXrjoiag  ovrwg 
öiöai-ag  xal  oigcörog  rä  xqcq  rag  tjöovag  rolg  av&Qcojioiq 
ovyyroQüv  lüttvorjot,  Xeyoov  jiäoiv  vjc*  avxov  äcplaö&cu  a^agriag. 
Es  fragt  sich  nun,  wie  sich  das  Absolutionsedict  Zephyrins  zu 
dem  von  Kallist  gewährten  Ablass  verhält.  Dieser  Frage  ist 
Döllinger2)  zuerst  näher  getreten.  Als  Verteidiger  Kallists  gegen 
die  Anklagen  Hippolyts  stellt  er  die  Sachlage  so  dar,  als  ob 
Kallist  mit  seinem  allgemeinen  Ablass  nur  eine  Inconsequenz 
Zephyrins  beseitigt  habe;  dieser  habe  die  rigorose  Bussdisciplin, 
welche  bisher  in  der  Kirche  bestanden,  durch  sein  Edict  in  Be- 
ziehung auf  die  Unzuchtsünden  gemildert,  indem  er  die  Ehe- 
brecher nach  voraufgegangener  Busse  wieder  aufgenommen;  diese 
Massregel  erwies  sich  aber  als  eine  Halbheit  und  die  Ausdehnung 
der  Indulgenz  auf  alle  Sünden  durch  Kallist  sei  die  notwendige 
Folge  derselben  gewesen.  Der  Ansicht  Döllingers  folgt  Hage- 
mann15) in  allen  Punkten,  auch  darin,  dass  er  das  Edict  an  den 
Anfang  des  Episkopates  Zephyrins  setzt,  eine  Annahme,  welche 
notwendig  ist,  um  den  Fortschritt,  welchen  Kallist  über  seinen 
Vorgänger  hinaus  macht,  erklärlich  zu  finden.  Aber  diese  Dar- 
stellung ist  doch  kaum  haltbar;  denn  1.  ist  es  sehr  auffallend, 
dass  Hippolyt  den  Erlass  Zephyrins  gar  nicht  erwähnt,  für  den 

1)  Die  Geschichte  der  römischen  Kirche  bis  Leo  I. 

2)  Hippolytus  und  Kallistus  1853.     S.  126  ff. 

3)  Die  römische  Kirche  und  ihr  Einfluss  auf  Disciplin  und  Dogma  1864. 
S.  54  ff. 


Einleitung.  9 

er  auch,  wie  er  es  sonst  thut,  seinen  Gegner  Kaliist,  der  seines 
Vorgängers  geistig  überlegener  Berater  war,  verantwortlich 
machen  konnte.  2.  widerspricht  der  Ansicht,  dass  Kailist  für  alle 
Sünden  Vergebung  gewährt  habe,  die  Thatsache,  dass  noch  zur 
Zeit  Cyprians  die  Wiederaufnahme  von  Götzendienern  streitig  ist. 

Von  ähnlichen  Bedenken  ausgehend  hatte  De  Rossi  *)  schon 
1S66  den  Nachweis  zu  liefern  gesucht,  dass  Kaliist  der  Verfasser 
des  von  Tert.  bekämpften  Edictes  sein  müsse  und  dass  sich  der 
Bericht  Hippolyts  über  den  von  seinem  Rivalen  gewährten  Ab- 
lass  eben  auf  dieses  Edict  beziehe.  Dieser  Nachweis  hatte  aber 
wenig  Beachtung  gefunden,  bis  Harnack2)  mit  wesentlich  den- 
selben Argumenten  wie  De  Rossi,  welche  aber  durch  eine 
bessere  chronologische  Fixierung  der  Schriften  Tert.s  mehr  Halt 
bekamen,  die  Ansicht  des  italienischen  Forschers  nachdrücklich 
vertrat.  Unabhängig  hiervon  hat  auch  Jungmann3)  den  unge- 
nannten römischen  Bischof  in  de  pudicitia  mit  dem  von  Hippo- 
lyt  wegen  seiner  Laxheit  bekämpften  Kailist  identifiziert  unter 
Zustimmung  Funks 4).  Durch  Harnack  ist  die  Autorschaft 
Kallists  fast  zur  allgemeinen  Anerkennung  gebracht.  Bonwetsch5) 
hat  seine  frühere  Ansicht  darnach  corrigiert,  und  Nöldechen6) 
hat  durch  eine  erneute  Untersuchung  über  die  Abfassungszeit 
der  Schriften  Tert.s  das  von  Harnack  gefundene  Resultat  als 
richtig  erkannt  und  durch  Beibringung  vieler  Einzelzüge  sicher 
gestellt,  sodass  Preuschen")  in  seiner  Abhandlung  über  die  Buss- 
disciplin  die  Frage  als  entschieden  ansehen  konnte. 

Die  Gründe  zu  dieser  Annahme  liegen  einmal  in  den  oben 
erwähnten  Bedenken,  sodann  aber  in  der  Chronologie  der  Schriften 
Tert.s  und  dem  Berichte  Hippolyts  selbst.  Es  ist  erwiesen,  dass  die 
antikatholischen  Schriften  Tert.s  hinter  seine  antignostischen  zu 
setzen  sind  und  de  pudicitia  jedenfalls  an  das  Ende  seiner  schrift- 

1)  Bulletino  arch.  christ.  1866.     S.  26. 

2)  Zs.  für  Kirchengeschichte  II  1878.  S.  582.  Herzogs  R.E2  VIII.  420 
(Lapsi)  X  652. 

3)  Dissertationes   selectae  in  liistoriam  ecclesiasticam  I  1880.     S.  201. 

4)  Tüb.  Theol.  Quartalschr.  1884.  S.  268 (Zur  altchristlichen Bussdisciplin). 

5)  Die  Geschichte  des  Montanismus  18S1.    S.  42. 

6)  Texte  und  Unters.  V  1889:  Die  Abfassungszeit  der  Schriften  Tert.s. 
S.  132.  150. 

7)  Tert.s  Schriften  de  paenitentia  und  de  pudicitia  mit  Rücksicht  auf 
die  Bussdisciplin  untersucht.     Giessener  Dissertation.     1890. 


jQ  Rolfl's,  Das  Indulgenz-Edict. 

stellerischen  Laufbahn  gehört,  wo  die  älteren  katholischen  Ge- 
lehrten ihr  auch  von  jeher  ihren  Platz  angewiesen  haben;  zwischen 
dem  Edict  Zephyrins  und  der  Ablassverkündigung  Kallists  läge 
daher  höchstens  ein  Zwischenraum  von  fünf  Jahren,  welcher 
den  Fortschritt  in  der  Entwicklung  nicht  genügend  erklärt. 
Hippolyt  berichtet  aber  ferner  gar  nicht,  dass  Kailist  allen  Sün- 
dern Vergebung  gewährt,  sondern  er  erzählt  nur  von  seiner 
Nachsicht  gegen  ,.ra  jzqoc,  zäc  fjöoväq* ;  dies  können  aber  nur 
die  Fleischessünden  sein.  Er  berichtet  demnach  von  Kailist 
ganz  dasselbe,  was  Tert.  dem  ungenannten  Bischof  vorwirft; 
dieser  wird  also  mit  jenem  identisch  sein. 

Die  Frage  nach  dem  Verfasser  des  Edictes  ist  nicht  gleich- 
gültig für  die  Würdigung  der  Bedeutung  desselben;  denn  da 
das  Bild  Kallists  durch  Hippolyts  Bericht  für  uns  bestimmte  Züge 
bekommen  hat,  so  müssen  wir  bei  der  Beurteilung  des  Erlasses 
von  dieser  Persönlichkeit  ausgehen  und  ihn  im  Zusammenhang 
mit  seinen  übrigen  Massnahmen  betrachten.  Als  Bischof  einer 
von  Parteien  zerklüfteten  Gemeinde  war  er  darauf  bedacht,  die 
kirchliche  Einigkeit  möglichst  zu  wahren;  wie  er  durch  seine 
Glaubensformel  die  gemässigten  Monarchianer  mit  den  gemässig- 
ten Anhängern  der  Logoschristologie  in  der  römischen  Gemeinde 
zu  versöhnen  suchte  und  auch  wohl  wirklich  versöhnt  hat1),  so 
suchte  er  durch  sein  Indulgenzedict  seine  Gemeinde  möglichst 
auszudehnen  und  die  mit  derselben  concurrierenden  Gemeinden 
zu  sprengen;  auch  dies  scheint  ihm  bis  zu  einem  gewissen  Grade 
gelungen  zu  sein.2)  Ist  dies  der  kirchenpolitische  Zweck  des 
Edictes,  so  liegt  seine  kirchengeschichtliche  Bedeutung  in  der 
Ausscheidung  des  Montanismus,  dessen  Lebenskraft  erloschen 
war.  Diese  Ausscheidung  war  die  notwendige  Folge  der  darin 
vollzogenen  antimontanistischen  Umbildung  des  Kirchenbegriffs, 
und  diese  wird  durch  zwei  Punkte  bezeichnet:  1.  Aus  einer  Gemein- 
schaft der  Heiligen  wird  die  Kirche  zu  einer  Erziehungsanstalt 
zum  Heil.  2.  Die  Vorstellung  von  den  freien  Wirkungen  des  Gottes- 
geistes wird  vertauscht  mit  der  Idee  des  apostolischen  Amtes. 
Der  neue  Kirchenbegriff  bildet  die  Grundlage  für  eine  an  feste 
Regeln  gebundene  Bussdisciplin  und  damit  den  Ausgangspunkt  für 
die  Entwicklung  derselben  zu  dem  katholischen  Busssacrament. 

1)  s.  Hamack,  Dogmengeschichte  I  054  f. 

2)  ebenda  S.  308. 


Einleitung.  \  \ 

Über  die  Form  desEdictes  sind  die  verschiedensten  Ansichten 
zu  Tage  getreten.  Es  ist  nur  Rigaltius [  i,  welcher  in  dem  Satz : 
Ego  et  moechiae  et  fornicationis  delicta  paenitentia  functis  di- 
mitto,  eingeleitet  durch  die  Worte:  episcopus  episcoporum  edicit 
das  ganzeEdict  sieht.  Baronius2)  vermutet  darin  ausser  diesem  Satz 
Bestimmungen  über  die  Zulässigkeit  der  (successiven)  Bigamie 
und  eine  Berufung  auf  das  Beispiel  Christi  und  des  Paulus.  Mor- 
celli  scheint  den  von  Tert.  citierten  Satz  auf  dessen  Autorschaft 
zurückzuführen;  auch  Neander  glaubt  darin  nicht  die  originale 
Form  des  Erlasses  sehen  zu  dürfen.  Schwegler  (S.  290)  meint  in 
diesem  Satz  wenigstens  nicht  das  vollständige  Edict  vor  sich  zu 
haben.  Bonwetsch  (S.  110)  vermisst  darin  eine  Ausführung  Kal- 
lists,  in  welcher  er  sich  als  Nachfolger  der  Apostel  und  Verwalter 
der  kirchlichen  Absolutionsgewalt  dargestellt  habe.  Auch  Hauck 
(S.  390)  erkennt  in  dem  von  Tert.  überlieferten  Satz  das  einem 
längeren  Zusammenhange  entnommene  Stück  eines  von  dem 
römischen  Bischof  an  die  Karthagische  Gemeinde  gerichteten 
Schreibens.  Hagemann  (S.  54)  kommt  zu  der  Überzeugung, 
dass  derselbe  mit  seinem  Erlass  eine  dogmatische  Beoründuna- 
verbunden  habe,  die  in  Tert.s  Gegenschrift  uns  in  ihren  wesent- 
lichsten Stücken  erhalten  sei;  einen  Beweis  dafür  liefert  er  aber 
nicht  und  verfährt  bei  der  Ermittelung  der  angeblichen  Argu- 
niente  des  Bischofs  mit  solcher  Kritiklosigkeit,  dass  seine  Auf- 
stellungen wertlos  sind3).    Ebenso  hat  Preuschen  es  ohne  Beweis 

1)  Opera  Tert.  1744.     S.  555. 

2)  a.  a.  0.  S.  517.  518. 

3)  S.  55  schreibt  er:  „Wenn  dann  sofort  das  Edict  die  Bestimmung 
enthält:  aliqua  paenitentia  caret  venia,  nämlich  Idololatrie  und  Mord,  so 
behauptet  der  Papst  doch  andererseits,  dass  es  an  sich  in  seiner  Macht 
stehe,  auch  diese  Sünden  zu  vergeben,  wovon  er  aber  wegen  der  Verfolgung 
keinen  Gebrauch  machen  wollte."  Tert.  sagt  aber:  Sed  prius  decidam 
intercedentem  ex  diverso  responsionem  ad  eam  paenitentiae  speciem,  quam 
cum  maxime  definimus  venia  carere.  Si  enim,  inquiunt,  aliqua  paenitentia 
caret  venia,  iam  nee  in  totuni  agenda  tibi  est  etc.  etc.,  also  genau  das 
Gegenteil  von  dem,  was  H.  herauslesen  will.    Dasselbe  begegnet  ihm  noch 

einmal,   wo   er  schreibt:    „Ferner  gründet  er  seine  Lehre  — —  auf 

1  Joh.  1 7.  s  und  2  !  ff  —  Stellen,  welche  nach  der  Überzeugung  des 
Papstes  beweisen,  dass  wir  sündigen,  aber  auch  Verzeihung  erhalten  können 
—  und  auf  Hebr.  6  j.  4_s."  Man  lese  aber,  wie  Tert.  die  letztere  Stelle 
einführt:  „Disciplina  igitur  apostolorum  proprie  quidem  instruit  ac  de- 
terminat  principaliter  sanetitatis    omnis    erga  templum   dei  antistitem   ad 


12  Rolffs,  Das  Indulgenz-Edict. 

als  ausgemacht  angesehen,  dass  die  in  de  pud.  bekämpften  Argu- 
mente aus  dem  Edict  selbst  entnommen  sind,  und  hat  in  einem 
Excurs  eine  Reconstruction  desselben  zu  geben  versucht;  allein 
damit,  dass  er  die  einzelnen  Stellen,  in  welchen  Tert.  die  Gründe 
seiner  Gegner  citiert  oder  darüber  referiert,  einfach  in  der  Reihen- 
folge, wie  sie  in  de  pud.  erscheinen,  abdruckt,  ohne  irgendwie 
zu  versuchen,  die  Gedankenverbindung  herzustellen,  dürfte  doch 
kaum  wirklich  der  Versuch  einer  Reconstruction  gemacht  sein, 
und  wenn  man  kein  anderes  Resultat  erreichen  könnte,  so  müsste 
man  eingestehen,  dass  es  für  uns  unmöglich  sei,  ein  Bild  der 
von  Tert.  widerlegten  Schrift  zu  gewinnen.  Trotzdem  hält  nun 
Harnack1)  eine  Reconstruction  derselben  für  möglich;  er  hält  es 
freilich  noch  nicht  für  erwiesen,  dass  diese  Schrift  ein  Teil  des 
Edictes  gewesen  sei;  auch  steht  ihm  die  Verfasserschaft  Kallists 
für  dieselbe  noch  nicht  unbedingt  fest;  er  hält  es  vielmehr  für 
möglich,  dass  sie  von  einem  Anhänger  des  Bischofs  unter  seiner 
Approbation  zur  Verteidigung  des  Erlasses  geschrieben  sei.  Auch 
Nöldechen2)  nimmt  nicht  einen  motivierten  Erlass  an,  sondern 
hält  es  für  wahrscheinlich,  „dass  neben  dem  Edict  Kampfschriften 
ausgingen,  die  für  dasselbe  in  dessen  Verteidigung  sich  auslegten;" 
eine  römische  Schriftauslegung  erkennt  auch  er  an  mehreren 
Stellen.  —  Schwebende  Fragen  giebt  es  also  hauptsächlich  noch 
wegen  der  Form  des  Edictes3);  aber  auch  in  Bezug  auf  den 
Inhalt  und  die  Bedeutung  ist  im  einzelnen  vieles  noch  nicht  klar 
gestellt.  Zur  Lösung  der  bei  eingehenderer  Betrachtung  auf- 
tauchenden Probleme  möchte  die  folgende  Untersuchung  einen 
Beitrag  bieten. 


ubique  de  ecclesia  eradicandum  omne  sacrilegiura  pudicitiae  sine  ulla  re- 
stitutionis  mentione.  Yolo  tarnen  ex  redundantia  alicuius  etiam  comitis 
apostolorum  testimonium  superducere,  idoneurn  confirmandi  de  proxinio  iure 
disciplinam  magistrorum.  Exstat  enim  et  Bamabae  titulus  ad  Hebraeos 
folgt  Hebr.  6  t.  4_8.  Damit  dürfte  das  absprechende  Urteil  ge- 
nügend gerechtfertigt  sein. 

1)  Ztschr.  für  Tbeol.  und  Kirche,  1891.    Heft  II.  S.  119  ff. 

2)  Stud.  und  Krit.  1888.     S.  341. 

3)  s.  z.  B.  Müller,  Grundriss  der  Kirchengeschichte  1892.  Bd.  I.  S.  117 
Anm. :  Demnach  könnte  es  scheinen,  als  ob  die  persönliche  Zuspitzung  des 
Kallistischen  Anspruchs  in  c.  1  und  c.  21  auf  Tertullians  Rechnung  zu 
setzen  wäre. 


I.   Inhalt  der  Schrift  de  pudicitia. 

Der  Sittenlosigkeit  der  Zeit  entsprechend,  in  welcher  die 
Schadhaftigkeit  durch  die  Unzucht  vernichtet  zu  sein  scheint, 
hat  der  Pontifex  Maximus,  der  episcopus  episcoporum,  ein  Edict 
erlassen,  in  welchem  er  peremptorisch  verfügt:  „Ich  vergebe 
die  Sünden  des  Ehebruchs  und  der  Hurerei  denen,  die  Busse 
gethan  haben."  Damit  ist  der  Ruhm  der  Kirche,  die  unbefleckte 
Braut  Christi  zu  sein,  vernichtet,  und  die  Erlaubnis  zur  Wieder- 
holung der  Ehe,  durch  welche  man  angeblich  den  Fleisches- 
sünden vorbeugen  wollte,  hat  ihren  Zweck  verfehlt,    (c.  1.) 

Übrigens  sucht  man  diese  Massregel  zu  verteidigen,  indem 
man  aus  der  Schrift  nachweist,  dass  Gott  als  der  gütige  und 
barmherzige  auch  von  den  Menschen  Barmherzigkeit  für  die 
Sünder  fordere;  man  vergisst  dabei  nur,  dass  Gott  auch  der 
heilige  und  gerechte  ist,  welcher  gewissen  Sündern  die  Ver- 
gebung zu  verweigern  von  uns  verlangt,  indem  er  uns  zwischen 
lässlichen  und  Todsünden  zu  unterscheiden  anweist,    (c.  2.) 

Bevor  festgestellt  wird,  zu  welcher  Art  die  Fleischessünden 
gehören,  ist  einem  Einwand  der  Gegner  entgegenzutreten.  Sie 
sagen:  eine  Busse  ohne  Vergebung  kann  Gott  als  etwas  zweck- 
loses nicht  von  uns  fordern;  da  nun  aber  alle  Sünder  von  ihm 
zur  Busse  gerufen  werden,  so  müssen  auch  alle  Vergebung 
empfangen.  Dieser  Einwand  kann  nur  von  denen  erhoben 
werden,  welche  die  Gewalt  dem  Büssenden  zu  vergeben  wider- 
rechtlich für  sich  in  Anspruch  genommen  haben.  Wenn  die 
Gemeinde  auch  gewissen  Sündern  nicht  verzeihen  kann,  so  ist 
doch  bei  Gott  ihre  Busse  nicht  vergeblich,    (c.  3.) 

Die  Sünden  der  moechia  und  fornicatio,  unter  welchen 
Worten  alle  Fleischessünden  befasst  sind  von  der  bei  der  Kirche 
nicht  angemeldeten  Ehe  bis  zur  widernatürlichen  Unzucht  (c.  4  , 
sind  nun  dadurch  als  unvergebbar  gekennzeichnet,  dass  sie  im 


14  Rolffs,  Das  Indulgenz-Edict. 

Gesetz  mitten  zwischen  Götzendienst  und  Mord  eingeklemmt 
sind;  mit  dem  Götzendiener  und  Mörder  wird  auch  der  Ehe- 
brecher unwiderruflich  vom  Gesetz  verdammt;  erhält  er  aber 
Vergebung,  so  ist  es  consequent,  auch  den  beiden  andern  ihre 
Schuld  zu  verzeihen,    (c.  5.) 

Für  eine  besondere  Behandlung  der  Unzüchtigen  darf  man 
sich  nicht  auf  alttestamentliche  Stellen  berufen;  denn  Gesetz 
und  Propheten  gelten  nur  bis  auf  Johannes;  in  der  christlichen 
Zeit  ist  das  Gesetz  nur  in  der  sittlichen  Vertiefung  gültig? 
welche  ihm  Christus  gegeben  hat,  der,  nicht  aus  Fleischessamen 
gezeugt,  auch  nicht  wie  Adam  zum  lignum  incontinentiae, 
sondern  zum  lignum  tolerantiae  herangetreten  ist.    (c.  6.) 

Den  Ausgangspunkt  für  ihre  Argumentation  mögen  die 
Gegner  bei  den  Parabeln  des  Herrn  nehmen,  zu  deren  Inter- 
pretation sie  immerhin  die  Abbildungen  des  guten  Hirten  auf 
den  Abendmahlskelchen  verwenden  mögen.  Ihre  Auslegung, 
wonach  das  verlorene  Schaf  eigentlich  ein  Christ,  die  Herde 
das  Volk  der  Kirche,  der  gute  Hirte  Christus  sei,  wird  dadurch 
als  falsch  erwiesen,  dass  sie  das  historische  Verständnis  des 
Gleichnisses,  —  welches  gesprochen  ist,  um  das  Murren  der 
Pharisäer  über  den  Verkehr  Christi  mit  den  heidnischen  Zöllnern 
zu  strafen,  —  unmöglich  macht.  An  demselben  Irrtum  krankt 
die  Auslegung  der  Parabel  vom  verlorenen  Groschen,  mag  auch 
die  Deutung  des  Hauses  auf  die  Kirche  und  des  Lichtes  auf 
das  Wort  Gottes  viel  Bestechendes  haben.  Aber  wenn  auch 
die  Gleichnisse  nicht,  wie  es  doch  die  geschichtliche  Situation 
verlangt,  auf  die  Aufnahme  der  Heiden  in  die  christliche  Ge- 
meinde, sondern,  wie  die  Gegner  wollen,  auf  die  Wiederauf- 
nahme eines  gefallenen  Christen  zu  beziehen  wären,  so  wären 
doch  sicher  die  Unzüchtigen  davon  ausgeschlossen,  denn  sie 
sind  nicht  verirrt  oder  verloren,  sondern  tot.  Verloren  sind 
solche,  welche  sich  leichtsinnig  in  heidnisches  Leben  einlassen; 
bei  solchen  gilt  der  Grundsatz:  es  muss  wiedergesucht  und 
zurückgerufen  werden;  was  wiedergewonnen  werden  kann,  ist 
nur  verloren,  wenn  es  draussen  bleibt.  Wenn  die  Gegner  die 
Ez.  342  ff  über  die  pflichtvergessenen  Hirten  ausgesprochene 
Drohung  auf  die  Härte  der  Bischöfe  gegen  LTnzüchtige  beziehen, 
so  sind  sie  auch  damit  im  Irrtum;  denn  auch  hier  ist  von  ver- 
lorenen, nicht  von  toten  Schafen  die  Rede.    (c.  7.) 


I.    Inhalt  der  Schrift  de  pudicitia.  15 

Den  Fehler  so  vieler  Gleichniserklärer ,  sich  durch  alle- 
gorische Ausdeutung  der  Einzelheiten  das  Verständnis  des  Haupt- 
punktes zu  verschliessen ,  begehen  auch  die  Gegner  bei  der 
Auslegung  der  Parabel  vom  verlorenen  Sohn,  wenn  sie  in  dem 
älteren  der  beiden  Söhne  die  Juden  sehen  wollen,  weil  sie 
früher  von  Gott  erwählt,  den  Christen  um  die  Versöhnung  mit 
ihm  beneiden,  und  demgemäss  in  dem  jüngeren  einen  Christen 
abgebildet  finden.  Die  Züge  des  älteren  Sohnes  passen  so 
wenig  auf  den  Juden,  dass  man  eher  noch  die  umgekehrte 
Deutung  versuchen  könnte;  jede  Auslegung  führt  zu  falschen 
Resultaten,  die  nicht  von  dem  eigentlichen  Gegenstand  der 
Parabeln  ausgeht,    (c.  S.) 

Wenn  man  so  die  Gleichnisse  von  dem  zu  Grunde  liegenden 
Stoff  aus  interpretiert  und  einzelne  Züge  nicht  gewaltsam  presst, 
so  muss  man  alle  drei  Gleichnisse  in  Luc.  15  auf  die  Heiden 
deuten;  denn  die  Zöllner,  auf  welche  dieselben  nach  der  In- 
tention Christi  angewendet  werden  sollen,  waren  Heiden  und 
die  mit  ihnen  zusammengestellten  „Sünder"  ebenfalls.  Aber 
die  Deutung  des  Gleichnisses  vom  verlorenen  Sohn  auf  einen 
Christen  ist  auch  wegen  der  für  die  christliche  Sittenzucht  darin 
liegenden  Gefahr  abzulehnen.  Denn  wenn  der  jüngere  Sohn 
ein  Christ  ist,  welcher  das  vom  Vater  empfangene  Vermögen 
d.  h.  die  in  der  Taufe  mitgeteilten  Gnadengaben  vergeudet  in 
heidnischem  Leben  und  aus  dem  Dienst  des  Fürsten  der  Welt 
zurückkehrend  zum  Vater  Vergebung  findet,  so  können  auch 
Götzendiener  und  Abtrünnige  das  neue  Gewand,  die  Ausrüstung 
mit  dem  heil.  Geist,  und  den  Ring,  das  Zeichen  der  Rein- 
waschung empfangen.  Auf  die  Heiden  ist  daher  das  Gleichnis  zu 
deuten;  sie  haben  den  Schatz  ihrer  natürlichen  Gotteserkenntnis 
verschwendet,  und  um  ihrer  ersten  Aufnahme  willen  werden  sie 
von  den  Juden  beneidet,  welche  natürlich  nicht  zu  der  Wieder- 
aufnahme  eines  Christen  in  die  Gemeinde  scheel  sehen,    (c.  9.) 

Der  gegen  diese  Auslegung  erhobene  Einwand,  dass  die 
Heiden,  welche  ihr  sittliches  Verderben  nicht  erkannt  hätten, 
unmöglich  zur  Busse  aufgerufen  werden  könnten  und  dass  Gott 
doch  zuerst  den  Seinen  seine  Gnade  in  der  Busse  anbiete,  wird 
widerlegt  durch  die  Geschichte  des  Jonas  und  die  Predigt  des 
Täufers.  Mit  solcher  Erwägung  kommt  man  zu  der  Behaup- 
tung, dass  Gott,  der  gerechte  Richter,  lieber  die  Busse  als  den 


IQ  Rolfi's,  Das  Indulgenz-Edict. 

Tod  des  Sünders  will,  welcher  in  seiner  Selbstentscheidung 
den  Tod  der  Busse  vorgezogen  hat.  Freilich  würde  sich  diese 
Anschauung  aus  dem  „Hirten"  belegen  lassen;  aber  der  ist 
aus  dem  Kanon  gestrichen,  und  gegen  ihn  stehen  die  Schriften 
des  wahren  Hirten,  welcher  sich  über  die  Busse  Mt.  3S  unzwei- 
deutig ausspricht,    (c.   10.) 

Der  Verkehr  Jesu  mit  ehebrecherischen  Frauen  beweist 
nichts  für  das  Recht  der  Menschen,  Unzuchtsünden  zu  vergeben; 
denn  1.  ist  die  Macht  des  Herrn  nicht  ein  Recht  der  Gemeinde 
und  2  beginnt  die  christliche  Disciplin  erst  mit  der  Erkauf ung 
des  Fleisches  d.  h.  mit  dem  Leiden  Christi,    (c.  11.) 

Da  die  Gegner  die  Gebote  des  Parakleten  als  eines  dem 
Geist  der  Apostel  fremden  Geistes  verwerfen,  so  müssen  sie 
aus  den  apostolischen  Schriften  die  Yergebbarkeit  der  Fleisches- 
sünden nachweisen:  ein  aussichtsloses  Unternehmen,  da  man 
darthun  müsste,  dass  die  Apostel  von  dem  Beschluss  des  Apostel- 
concils,  wonach  Götzendienst,  Ehebruch,  Mord  in  der  Gemeinde 
nicht  geduldet  werden  soll,  später  abgewichen  seien,    (c.  12.) 

Dies  behaupten  die  Gegner  nun  auch,  indem  sie  sagen, 
Paulus  habe  den  Blutschänder,  welchen  er  nach  1  Cor.  5  dem 
Satan  übergeben,  nach  2  Cor.  2  wieder  in  die  Kirche  aufge- 
nommen. Allein  2  Cor.  2  kann  gar  nicht  von  dem  Blutschän- 
der die  Rede  sein.  Es  ist  ferner  ganz  falsch,  in  dem  Ausdruck: 
..ich  übergebe  ihn  dem  Satan  zum  Verderben  des  Fleisches" 
interitus  carnis  von  der  Kirchenbusse  zu  verstehen  und  „dem 
Satan  übergeben"  in  „aus  der  Gemeinde  ausschliessen"  umzu- 
deuten. Die  Berufung  dafür  auf  1  Tim.  120  und  2  Cor.  127  ist 
ganz  nichtig,  da  die  drei  Stellen  völlig  disparat  sind.  Auch  der 
Zusatz  „dass  der  Geist  bewahrt  werde  am  Tage  des  Herrn", 
beweist  nicht,  dass  unter  interitus  carnis  eine  Busse,  auf  die 
Vergebung  folgt,  zu  verstehen  sei,  denn  der  Geist  ist  der  heil. 
Geist  der  Gemeinde,    (c.  13.) 

Der  Sünder,  welcher  von  Paulus  2  Cor.  2  Vergebung  empfängt, 
kann  nicht  der  1  Cor.  5  bezeichnete  Blutschänder  sein,  sondern 
er  ist  einer  von  denen,  welchen  im  ersten  Brief  vorgeworfen 
wird,  dass  sie  sich  gegen  den  Apostel  aufgebläht  haben.  Es 
wird  nicht  die  über  den  Blutschänder  verhängte  damnatio, 
sondern  die  dem  inflatus  erteilte  castigatio  aufgehoben,  (c.  14.) 


I.   Inhalt  der  Schrift  de  pudicitia.  y\ 

Wenn  man  die  übrigen  Gedanken  des  zweiten  Corinther- 
briefes  herbeizieht,  so  ergiebt  sich  auch  daraus,  dass  Paulus  den 
Incest  nicht  vergeben  haben  kann;  denn  hier  wird  auf  das  be- 
stimmteste jede  Gemeinschaft  zwischen  Licht  und  Finsternis, 
rein  und  unrein  zurückgewiesen,  und  nach  diesem  Grundsatz 
muss  sowohl  die  Stelle  2  Cor.  25_11,  als  auch  2  Cor.  12  2l  er- 
klärt werden,     (c.  15.) 

Von  dieser  im  zweiten  Corintherbrief  unzweideutig  ausge- 
sprochenen Stellung  zu  den  Fleischessünden  weicht  der  Apostel 
in  keinem  seiner  andern  Briefe  ab.  Überall  wird  die  Reinheit 
des  Christen  betont,  welche  durch  keine  Unzucht  befleckt  werden 
darf,  so  besonders  im  ersten  Corintherbrief,  wo  selbst  die  Ehe 
nur  erlaubt  wird  um  der  Schwachheit  des  Fleisches  willen,  bei 
solchen  Grundsätzen  hat  der  Ehebruch  auf  keine  Nachsicht  zu 
rechnen,  (c.  16.)  Aber  auch  in  allen  übrigen  Briefen  des 
Apostels  wird  die  Unzucht  aufs  schärfste  verurteilt,  sodass 
Paulus  dieselbe  unmöglich  vergeben  haben  kann.    (c.  17.) 

Man  könnte  einwenden,  in  allen  beigebrachten  Stellen  sei 
zwar  das  Laster  der  Unzucht  verurteilt,  aber  damit  sei  dem 
Unzüchtigen  die  Vergebung  noch  nicht  abgeschnitten;  allein 
dagegen  steht  Prov.  6:V2,  und  wenn  man  behauptet,  diese  Stelle 
beziehe  sich  auf  die  Heiden,  so  lassen  sich  andere  beibringen 
wieJes.  52 „  Ps.  ltf.  26 4  f.  18  26  50lfiff.  1  Cor.  59  1  Tim.  5,, 
Eph.  57.  u  2  Thess.  36,  gegen  die  sich  dieser  Einwand  nicht 
erheben  lässt.  Diesen  Stellen  kann  man  auch  nicht  mit  der 
Behauptung  ausweichen,  bei  der  Verdammung  des  Sünders  sei 
gemäss  der  Güte  Gottes  seine  Wiederaufnahme  nach  erfolgter 
Busse  vorbehalten;  denn  1.  werden  niemals  die  Bedingungen  ge- 
nannt, unter  denen  jemand  verdammt  wird,  2.  gilt  die  Barm- 
herzigkeit Gottes,  welche  'lieber  die  Busse  als  den  Tod  des 
Sünders  will,  nicht  den  Getauften,  sondern  den  Heiden.  Nach 
der  Taufe  giebt  es  nur  noch  eine  Busse  für  leichtere  Sünden, 
die  vom  Bischof  vergeben  werden  können,  für  schwere  Sünden 
kann  nur  Gott  auf  wahre  Busse  hin  Vergebung  gewähren,  (c.  18.) 

Aber  weshalb  soll  man  Paulus  aus  sich  selbst  erklären, 
da  man  ihn  doch  durch  Johannes  interpretieren  kann!  Dieser 
scheint  freilich  den  Gegnern  Recht  zu  geben,  da  er  doch  offen- 
bar dem  hurerischen  Weibe  Apoc.  2  >o  eine  Frist  zur  Busse  ge- 
setzt hat.     Dagegen  ist  zu   sagen,  dass  vielmehr  die  deutliche 

Texte  u.  Untersuchungen  XI,  3.  2 


lg  Rolffs,  Das  Indulgenz-Edict. 

Meinung  des  Paulus  die  Grundlage  für  das  Verständnis  der 
weniger  klaren  Anschauung  des  Johannes  abgeben  muss.  Bei 
genauer  Exegese  findet  man  dann,  dass  es  sich  nicht  um  ein 
hurerisches,  sondern  um  ein  häretisches  Weib  handelt,  welches 
natürlich  nach  geleisteter  Busse  in  die  kirchliche  Gemeinschaft 
aufgenommen  werden  kann.  Wie  Johannes  über  die  Unzüch- 
tigen urteilt,  geht  aus  Apok.  217.8  22 14  hervor.  Das  Citat 
aus  dem  Brief  des  Johannes  1  Joh.  17,  welches  die  Gegner 
aus  dem  Zusammenhang  gerissen  anführen,  sagt  für  die  Ver- 
gebung schwerer  Sünden  nichts  aus,  sondern  hier  ist  die  von 
Johannes  selbst  festgestellte  Unterscheidung  von  Todsünden 
und  leichten  Übertretungen  der  Schlüssel  zum  Verständnis 
(1  Joh.  516);  nur  die  letzteren  sind  1  Joh.  1 7  ff.  gemeint,  (c.  19.) 

Den  Zeugnissen  der  Apostel  steht  das  eines  Apostelschülers, 
des  Barnabas,  zur  Seite,  welcher  Hebr.  ßl.  4_g  die  Möglich- 
keit der  zweiten  Busse  für  Todsünden  verneint,  weil  er  Lev.  13  12 
14  30  in  der  richtigen  Weise  auslegt,     (c.  20.) 

Aber  selbst  wenn  die  Apostel  Fleischessünden  erlassen,  so 
würde  daraus  nichts  folgen  für  das  Recht  des  Bischofs,  solche 
Sünden  zu  vergeben.  Es  ist  zu  unterscheiden  zwischen  apo- 
stolischer „disciplinau  und  apostolischer  „potestas".  Für  die 
erstere  gilt  der  Grundsatz  „non  communicandum  operibus  te- 
nebrarurn";  sie  allein  kann  von  den  Bischöfen  ausgeübt  werden; 
die  potestas  der  Apostel  besitzt  nur  der,  welcher  wie  sie  den 
heil.  Geist  hat.  Denn  nur  Gott  kann  Sünden  vergeben,  der 
Mensch  also  nur,  wenn  er  Träger  einer  Offenbarung  Gottes 
ist.  Wenn  daher  einer  Sünden  vergeben  will,  so  muss  er  sich 
auch  als  Prophet  ausweisen  können.  „Aber  die  Gemeinde  hat 
die  Gewalt,  Sünden  zu  vergeben'1,  wendet  man  ein;  freilich,  dies 
giebt  auch  der  Paraklet  zu ;  aber  er  sagt  zugleich,  dass  er  dieses 
Recht  nicht  zur  Anwendung  gebracht  wissen  will,  um  nicht 
noch  mehrere  zum  Sündigen  zu  verleiten.  Ausserdem  muss  der 
Bischof  erst  begründen,  warum  er  in  diesem  Fall  als  Vertreter 
der  Gemeinde  auftreten  kann.  Wenn  er  sich  dafür  auf  Mt.  16 18 
beruft,  so  verdreht  er  die  Meinung  des  Herrn,  welcher  das 
Recht  zu  binden  und  zu  lösen  auf  Petrus  persönlich  übertragen 
hat.  Dieses  Recht  hat  Petrus  ausgeübt  durch  Gründung  der 
ersten  Gemeinde,  Bestrafung  des  Ananias,  Heilung  des  Lahmen 
und   sein   Eintreten    für   die   Freiheit   der  Heiden   vom  Gesetz, 


I.    Inhalt  der  Schrift  de  pudicitia.  19 

nicht  aber  durch  Vergebung  von  Todsünden.  Für  die  bischöf- 
liche Kirche  folgt  aus  diesem  Recht  des  Petrus  gar  nichts, 
sondern  seine  Gewalt  haben  nur  die,  welche  wie  er  als  Apostel 
oder  Propheten  Träger  des  Geistes  Gottes  sind.  Die  Kirche 
wird  daher  zwar  Sünden  vergeben,  aber  die  Kirche,  welche 
identisch  ist  mit  dem  Geiste  Gottes,  nicht  die  Kirche  als 
numerus  episcoporum.    (c.  21.) 

Auch  den  Märtyrern  sprechen  die  Gegner  das  Recht  zu, 
Sünden  zu  vergeben,  aber  es  geht  nicht  an,  auf  sie  ein  Recht 
zu  übertragen,  welches  Gott  allein  besitzt.  Nur  Jesus,  der 
sündlose,  konnte  durch  sein  Leiden  für  die  Sünden  anderer 
genugthun;  der  Märtyrer  kann  durch  seinen  Tod  nur  die  eignen 
Sünden  sühnen.  Wenn  man  behauptet,  Christus  sei  durch 
seinen  Geist  in  den  Märtyrern,  so  mögen  sie  dies  durch  Zeichen 
beweisen,  wie  Christus  sich  auch  durch  solche  als  der  legitimierte, 
der  Sünden  vergeben  konnte.  Man  giebt  übrigens  damit,  dass 
man  von  den  Märtyrern  Verzeihung  für  die  Todsünder  erbittet, 
zu,  dass  solche  Sünden  nur  durch  das  Martyrium  gesühnt  werden 
können;  das  Martyrium  ist  die  zweite  Taufe,  die  Bluttaufe, 
durch  welche  allein  alle  Makel  abgewaschen  werden.  Will 
man  einem  Todsünder  verzeihen,  so  möge  man  den,  der  unter 
Folterqualen  wider  Willen  seinen  Glauben  verleugnet  hat,  wieder 
aufnehmen,  nicht  den,  der  leichtfertig  in  Wollust  mit  seiner 
Keuschheit  seinen  Christenstand  aufgab,     ic.  22). 


II.    Die  Verfügung  des  Kailist. 

1.  Die  Verfügung  ihrem  Inhalt  nach. 

Tertullian  bezeichnet  die  von  dem  römischen  Bischof  er- 
lassene Erklärung  als  „edictum  peremptorium".  Edicte  sind 
öffentlich  bekannt  gemachte  Verfügungen  der  magistratus 
populi  romani. ')  Zur  Zeit  der  römischen  Republik  und  im 
Beginn  der  Kaiserzeit  hatte  die  grösste  Bedeutung  das  Edict 
des  Prätors,  in  welchem  derselbe  die  Grundsätze  bekannt  machte, 
welche  er  bei  Handhabung  seiner  Jurisdiction   zu  befolgen  be- 


1)  vergl.  Sohrn,  Institutionen  S.  47. 


20  Rolfl's,  Das  Indulgenz-Edict. 

absichtigte.  Nachdem  aber  der  Kaiser  Hadrian  die  durch  die 
fortlaufenden  Edicte  gebildete  und  stetig  erweiterte  juristische 
Tradition  im  „edictum  perpetuum"  hatte  fixieren  lassen,  war 
das  Prätorenedict  belanglos  geworden,  und  Tert.  setzt  den  Er- 
lass  Kallists  deshalb  auch  nicht  in  Analogie  zu  diesem,  sondern 
zu  dem  Edict  des  Kaisers.  Die  kaiserlichen  Edicte  gingen  aus 
dem  Recht  der  Verfügung  hervor,  welches  den  Kaisern  gleich 
den  Magistraten  zustand.1)  Durch  seine  Edicte  in  Privatrechts- 
fragen machte  der  Kaiser  die  Grundsätze  bekannt,  nach  welchen 
er  in  solchen  Fällen  seine  Gewalt  zu  handhaben  beabsichtigte. 
Die  Form  solcher  kaiserlichen  Edicte  war  in  den  Grundzügen 
feststehend;  dem  Edict  wurde  der  Name  des  edicierenden 
Kaisers  mit  dem  vollen  Amtstitel  vorangeschickt:  Imperator 
Caesar  [Name  und  Titulatur]  .  .  .  dicit;  darauf  folgt  der  Tenor 
der  Bestimmungen,  in  welchem  der  Kaiser  immer  in  der  ersten 
Person  spricht,  indem  er  die  in  der  „lex"  gebräuchliche  dritte 
Person  des  Imperativs  vermeidet.2)  An  diese  Form  schliesst 
sich  nach  Tert.  der  Erlass  des  römischen  Bischofs  aufs  genaueste 
an:  Pontifex  [scilicet]  Maximus,  quod  est  episcopus  episcoporum, 
edicit:  Ego  et  moechiae  et  fornicationis  delicta  paenitentia 
functis  dimitto.  Die  Annahme  des  Rigaltius  (s.  S.  11),  dass  die 
Verfügung  Kallists  im  Wesentlichen  so  gelautet  habe,  kann 
heute  nicht  mehr  verteidigt  werden,  da  sich  der  römische  Bischof 
in  jener  Zeit  schwerlich  das  Prädikat  „episcopus  episcoporum" 
beigelegt  haben  kann;  wenigstens  bezeichnet  es  die  afrikanisch- 
numidische  Synode,  welche  256  unter  Cyprians  Vorsitz  in  der 
Ketzertauffrage  gegen  den  römischen  Bischof  Stephanus  Stellung 
nahm,  als  ein  bis  dahin  unerhörtes  Vorkommnis,  dass  ein 
Bischof  sich  eine  Stellung  über  den  andern  anmasst.3)  Es  ist 
nicht  mehr  fraglich,  dass  die  Einleitung  zu  dem  Satze  „Ego  et 
etc."  von  Tert.  herrührt  und  in  bitterster  Ironie  gemeint  ist. 
Die  genaue  Annäherung  an  die  Form  des  kaiserlichen  Edictes 
ist  also  nicht  auf  Rechnung  Kallists  zu  setzen,  und  es  wird  dann 
zweifelhaft,  ob  dieser  seinen  Erlass  überhaupt  als  „edictum14 
nach  Analogie  eines  kaiserlichen  Edicts  promulgiert  hat.    Viel- 


1)  Sohm,  a.  a.  0.  S.  74. 

2)  Kariowa,  Römische  Rechtsgeschichte  I.     S.  647,  Arno.  2. 

3)  neque  eniin  quisquam  nostrum  episcopum  se  episcoporum  constituit. 
Cypr.  Op.  ed.  Hartel  I.     S.  436. 


IL    Die  Verfügung  des  Kaliist.  21 

mehr  liegt  es  nahe  anzunehmen,  dass  Tert.  es  war,  der  dem 
Erlass  mit  der  Form  auch  den  Titel  eines  Edicts  beilegte. 
Freilich  mussten  ihm,  wenn  diese  Ironie  witzig  sein  sollte, 
durch  die  Form,  welche  Kaliist  seiner  Verfügung  gegeben,  An- 
knüpfungspunkte dafür  geboten  sein.  Ein  kaiserliches  Edict 
hatte  keine  Adresse,  da  es  sich  eben  an  die  Gesamtheit  der 
Reichsangehörigen  richtete;  eine  bestimmte  Adresse  fehlte  auch 
der  Kundgebung  Kallists;  dadurch  gerade  erhielt  sie  die  öku- 
menische Form,  die  Tert.  zu  seiner  giftigen  Parallele  reizte. 
Damit  ist  freilich  noch  nicht  gesagt,  dass  Kaliist  seinem  Erlass 
ökumenische  Bedeutung  zu  geben  beabsichtigte;  vielmehr  kann 
das  Fehlen  der  Adresse  auch  darin  seinen  Grund  haben,  dass 
die  Adressaten  sich  von  selbst  verstanden,  d.  h.  dass  Kallist 
seine  Kundgebung  nur  für  seine  Gemeinde  bestimmt  hatte. 

Es  ist  nun  beachtenswert,  dass  Tert.  von  einem  „edictum 
peremptorium"  spricht;  peremptorisch  ist  eine  Verfügung,  durch 
welche  jede  Debatte  abgeschnitten  und  dem  Gegner  jede  mög- 
liche Ausflucht  entzogen  wird,  d.  h.  gegen  welche  keinerlei 
Einsprache  erhoben  werden  kann.1)  Da  nun  jedes  kaiserliche 
Edict  seinem  Inhalt  nach  selbstverständlich  peremptorisch  war, 
so  kann  Tert.  durch  das  ausdrücklich  hervorgehobene  „et  cpridern 
peremptorium"  nur  etwas  über  die  Form  und  den  Ton  der 
bischöflichen  Verfügung  aussagen  wollen.  Der  Ton  der  kaiser- 
lichen Edicte  war  ein  bescheidener,  trotzdem  sie  einen  unwider- 
sprechlichen  Befehl  aussprachen;  der  Kaiser  sagt  placet,  arbitror, 
censeo  u.  dergl.2)  Diese  höfliche  Umschreibung  des  stricten 
Gebotes  scheint  Kallist  verschmäht  zu  haben.  Wenn  die  Ironie, 
welche  in  der  Bezeichnung  des  bischöflichen  Erlasses  als  edictum 
peremptorium  liegt,  wirklich  geistvoll  sein  soll,  so  muss  der 
Tenor  desselben  demjenigen  der  kaiserlichen  Edicte  ähnlich 
gewesen  sein,  dabei  muss  sich  der  Erlass  aber  noch  durch 
einen  mehr  kategorischen  Ton  ausgezeichnet  haben.  Dann 
setzt  Tert.  die  Geltung,  welche  der  Erlass  durch  seine  ein 
kaiserliches  Edict  im  Tone  überbietende  kategorische  Form 
beansprucht,   höhnisch  in  Widerspruch  zu  seiner  thatsäch- 

1)  Dig.  V,  1,  70:  quod  inde  hoc  noaien  sumpsit,  quod  peremeret  dis- 
ceptationem,  hoc  est  ultra  non  pateretur  adversarium  tergiversari  (ed. 
Mommsen,  p.  77). 

2)  Kariowa,  a.  a.  0. 


22  Rolffs,  Das  Indulgenz-Eclict. 

liehen  Bedeutung,  die  er  durch  eine  rücksichtslose  Polemik 
auf  ein  Minimum  herabzudrücken  sucht. 

Aus  den  Titeln,  welche  Tert.  in  den  einleitenden  Worten 
den  römischen  Bischof  sich  beilegen  lässt,  „Pontifex  Maximus, 
episcopus  episcoporum",  darf  geschlossen  werden,  dass  Kaliist 
in  seiner  Verfügung  auf  seine  Person  oder  vielmehr  auf  seine 
Stellung  einen  starken  Nachdruck  legt;  dann  werden  die  Be- 
zeichnungen erst  wirklich  ironisch,  wenn  dadurch  der  Wider- 
spruch zwischen  einer  angemassten  Würde  und  der  wirklichen, 
welche  sich  nach  Tert.s  schonungslosen  Angriffen  als  äusserst 
gering  darstellt,  ins  Licht  gesetzt  wird. 

Der  Satz,  in  welchem  Kaliist  seine  Verfügung  ausgesprochen 
hat,  ist  somit  nach  der  ironischen  Behandlung,  welche  Tert. 
ihm  widerfahren  lässt,  durch  ein  dreifaches  gekennzeichnet: 

1.  Er  nähert  sich  in  der  Form  dem  kaiserlichen  Edict. 

2.  Er  unterscheidet  sich  von  einem  solchen  durch  den  die 
höfliche  Einkleidung  verschmähenden,  kategorischen  Ton. 

3.  Es  ist  in  demselben  ein  starker  Nachdruck  auf  die 
Person  des  römischen  Bischofs  gelegt. 

Diese  drei  Kennzeichen  treffen  nun  auf  den  Satz  zu:  Ego 
et  moechiae  et  fornicationis  delicta  poenitentia  funetis  dimitto. 
Derselbe  weicht  von  der  Form  eines  kaiserlichen  Edictes  nur 
durch  die  knappere,  peremptorische  Fassung  ab  und  legt  durch 
die  gesperrte  Stellung  des  „ego",  welches  durch  die  Trennung 
von  dem  Prädikat  einen  starken  Ton  bekommt,  Nachdruck  auf 
die  Person  des  edicierenden  Bischofs.  Es  ist  also  anzunehmen, 
dass  Tert.  darin  den  Wortlaut  der  bischöflichen  Verfügung 
mitteilt.  Man  darf  darin  nicht  etwa  nur  die  kurze  Zusammen- 
fassung des  Hauptinhaltes  des  Erlasses  sehen  wollen,  die  ihre 
Form  von  Tert.  bekommen.  Denn  Tert.  musste,  damit  seine 
Leser  seine  Ironie  verstehen  konnten,  ihnen  den  Wortlaut  der 
Erklärung  Kallists  wenigstens  so  weit  mitteilen  als  er  mit  seinen 
höhnischen  Bemerkungen  Bezug  darauf  nehmen  wollte.  Auch 
den  Gegnern  gegenüber  wäre  der  Ironie  alle  Schärfe  genommen, 
wenn  sie  die  Worte,  welche  in  ihrer  pointierten  Fassung  Tert. 
Anlass  zu  seinem  Spott  gaben,  nicht  als  die  ihrigen  anzuer- 
kennen brauchten. 

Tert.  hat  also  den  Hauptsatz  der  Verfügung  Kallists  heraus- 
gegriffen, der  in   der  That  in   seiner  Form   einem  kaiserlichen 


II.    Die  Verfügung  des  Kaliist.  23 

Edict  ähnelte,  und  hat  denselben  mit  der  entsprechenden  Ein- 
leitung versehen  und  ihn  so  einem  kaiserlichen  Edicte  völlig 
conform  gestaltet.  Dadurch  war  ihm  die  erwünschte  Gelegenheit 
geboten,  die  Anmassung  des  römischen  Bischofs  zu  geissein, 
welcher  es  sich  herausnahm,  wie  der  Kaiser  dem  Reich  so  der 
Kirche  bindende  Vorschriften  zu  machen. 

Kailist  hat  seinen  Erlass  demnach  nicht  als  „edictuni"  bezeich- 
net und  ihn  auch  nicht  in  einer  dem  römischen Kaiseredict  analogen 
Form  abgefasst;  das  Kaiseredict  darf  also  nicht  als  der  Massstab 
gebraucht  werden,  nach  welchem  man  zu  urteilen  hat,  wenn  man 
über  die  Form  der  bischöflichen  Verfügung  etwas  feststellen  will. 

Der  Inhalt  derselben  lässt  sich  jetzt  einigermassen  genau  be- 
stimmen, nachdem  in  den  Worten:  „Ego  et  moechiae  et  forni- 
cationis  delicta  paenitentia  functis  dimitto"  der  j3atz  Kallists  er- 
kannt ist.  Dabei  sind  zunächst  drei  Begriffe  nach  ihrem  In- 
halt festzulegen:  1.  moechiae  et  fornicationis  delicta.  2.  paeni- 
tentia fungi.     3.  dimittere. 

Tert.  erklärt  ausdrücklich,  dass  er  unter  moechia  et  forni- 
catio  alle  Sünden  versteht,  welche  durch  Befleckung  des  Fleisches 
begangen  werden;  die  Worte  seien  gewählt,  weil  der  kirchliche 
Sprachgebrauch  es  so  verlange. *)  Diese  Erklärung  ist  auffal- 
lend, weil  er  in  seinen  früheren  Schriften  diesen  Sprachgebrauch 
nicht  beobachtet.  Er  gebraucht  vielmehr  sonst  dafür  immer 
adulterium  und  stuprum,  auch  da,  wo  er  durch  den  griechischen 
Text  des  N.  T.  auf  das  Wort  moechia,  resp.  moechari  hingewiesen 
wird  z.  B.  in  der  Übersetzung  von  Mattli  52s2)  5323).  ^n  der 
ersteren  Stelle  ist  fior/svco  mit  stuprare,  in  der  letzteren  mit 
adulterari  wiedergegeben,  und  jcogvsla  wird  hier  mit  adulterium 
übersetzt.  Es  ist  daraus  zu  schliessen,  dass  Tert.  adulterium 
und  stuprum  ganz  als  Synonyma  ansieht,  wie  ihm  auch  tuor/sla 
und  jioQväa  als  solche  gelten.  Das  spricht  er  auch  de  pud.  IV 
deutlich  aus,  indem  er  erklärt,  dass  es  keinen  Unterschied  macht, 


1)  Inprimis    quod   moechiam  et  fornicationem   nominamus,    usus   ex- 
postulat.    Habet  et  fides  quorundam  noniinum  familiaritatein    (de  pud.  c.  4). 

2)  Qui  viderit,  inquit,  niulierem  ad  concupiscendum,  iam  stupravit  eam 
in  corde  suo.     De  exh.  cast.  IX. 

3) qui  dimiserit  uxorem  suam  praeterquam  ex  causa  adulterii, 

facit  eam  adulterari,   et  qui  dimissam  a  viro  duxerit,   adulteratur  utique. 
De  monog.  IX. 


24  Rolffs,  Das  Indulgenz-Edict. 

wenn  er  für  moechia  und  fornicatio  stuprum  und  adulterium 
gebraucht;  alle  durch  diese  Ausdrücke  bezeichneten  Sünden 
gelten  ihm  völlig  gleich,  und  es  sind  nach  montanistischer 
Praxis  sowohl  die  bei  der  Kirche  nicht  vorher  angemeldeten 
Ehen,  als  auch  die  Laster  widernatürlicher  Unzucht  darunter 
befasst.  Dass  er  aber  in  der  vorliegenden  Schrift  nur  moechia 
und  fornicatio  gebrauchen  will,  hat  seinen  Grund  — ,  da  er  sich 
jedenfalls  durch  den  neutestamentlichen  Sprachgebrauch  nicht 
dazu  hat  bestimmen  lassen  — ,  in  der  Ausdrucksweise  seines 
Gegners,  und  es  ist  die  Frage,  ob  dieser  die  Begriffe  in  dem- 
selben Umfang  nimmt  wie  Tert.  Mor/tia  bedeutet  den  Ehebruch 
im  eigentlichen  Sinne  des  Wortes  d.  h.  den  geschlechtlichen 
Verkehr  eines  Mannes  mit  dem  Weibe  eines  andern  resp.  den 
geschlechtlichen  Umgang  eines  verheirateten  Mannes  mit  einem 
andern  Weibe.  Es  ist  in  dieser  Bedeutung  synonym  mit  adul- 
terium1). Das  lateinische  moechia  wird  demnach  dieselbe  Bedeu- 
tung haben.  —  Fornicatio  tritt  in  de  pud.  durchweg2)  als  Über- 
setzung von  jcoQVtia  auf3);  dies  bedeutet  aber  ?y  XC0Q^  (^txiag 
tzegov  yivonivr)  riGl  rf/g  sjtid-vfiiag  exjifa'/Qcoöig.4)  Das  latei- 
nische fornicatio  hat  freilich  meist  eine  engere  Bedeutung,  näm- 
lich die  der  „scorticonsuetudo",  also  des  Verkehrs  mit  bezahlten 
Dirnen ;"J)  allein  es  handelt  sich  bei  dieser  Verschiedenheit  in 
der  Bedeutung  beider  Ausdrücke  doch  nur  um  eine  so  feine 
Nuance,  dass  kein  wirklicher  Unterschied  vorliegt. 

In  der  Auffassung  Tert.s  scheint  der  Begriff  der  moechia 
dem  andern  übergeordnet  zu  sein,  da  er  pud.  VI  schreibt:  si 
ostendas,  de  quibus  patrociniis  exemplorum  praeceptorumque 
caelestium  soli  moechiae  et  in  ea  fornicationi  quoque  ianuam 
paenitentiae  expandas.  Allein  in  dem  Satz  Kallists  drückt  das 
doppelte  et  so  entschieden  eine  Coordination  beider  Begriffe  aus, 
dass  darnach  unmöglich  ein  solches  Verhältnis  zwischen  den- 
selben stattfinden  kann. 

In  der  Verfügung  Kallists  stehen  also  moechia  und  forni- 
catio den  griechischen  Ausdrücken  [loiyjiia  und  jtoQvsia  gleich; 

1)  Thesaur.  Gr.  ling.    Vol.  V.  p.  1140. 

2)  vergl.  auch  de  monog.  XI. 

3)  c.  17.  19.  u.  a. 

4)  Greg.  Nyss.  Epist.  can.  vol.  II  p.  118  s.  Thes.  gr.  ling.  vol.  VI.  p.  1494. 
'  'orcellini  III  p.  125  vergl.  scortum  V  p.  386  und  meretrix  IV  p.  105. 


IL    Die  Verfügung  des  Kaliist.  25 

darauf  lässt  sich  die  Vermutung  gründen,  dass  der  griechische 
Sprachgebrauch  von  Einfluss  auf  die  Ausdrucksweise  des  Er- 
lasses gewesen  ist. 

Es  ist  nun  die  Frage,  ob  Kaliist  mit  dem  Ausdruck  et  moechiae 
et  fornicationis  delicta  alle  Arten  von  Unzuchtsünden  umfassen 
will,  oder  ob  damit  doch  gewisse  Grenzen  auf  diesem  Gebiet 
gezogen,  ob  Unterschiede  zwischen  schweren  und  leichten  Formen 
der  Unzucht  angenommen  werden.  In  der  That  traut  Tert. 
selbst  seinem  Gegner  nicht  zu,  dass  er  allen  Unzüchtigen  ohne 
Ausnahme  Vergebung  in  seinem  Erlass  zusichern  will.  In 
cap.  6 ')  verlangt  er,  dass  die  Praxis,  Ehebrecher  allein  wieder  zur 
kirchlichen  Gemeinschaft  zuzulassen,  Götzendienern  und  Mördern 
aber  Vergebung  zu  versagen,  durch  das  Zeugnis  der  Schrift  als 
berechtigt  erwiesen  werde;  dabei  lehnt  er  aber  principiell  die 
Berufung  auf  alttestamentliche  Stellen  ab,  weil  das  alttestament- 
liche  Gesetz  mit  Johannes  seinem  Wortlaute  nach  abgethan  und 
nur  noch  in  der  ihm  durch  Christus  gegebenen  Verschärfung  gültig 
sei  (s.  S.  14).  Er  hält  dem  Kaliist  vor:  „Wenn  du  dich  auf 
das  A.  T.  stützen  willst,  so  musst  du  auch  Götzendiener  auf- 
nehmen, weil  das  abgefallene  Volk  auch  Verzeihung  erhalten, 
musst  den  Mörder  zur  kirchlichen  Gemeinschaft  wieder  zulassen, 
weil  auch  Ahab  und  David  der  begangene  Mord  vergeben  wurde; 
auch  die  Blutschande  wirst  du  vergeben  um  Loths  willen  und 
die  durch  Blutschande  erschwerte  Hurerei  um  Judas  willen  und 
die  durch  Prostitution  geschändete  Ehe  um  Hoseas  willen  und 
nicht  nur  die  successive,  sondern  auch  die  simultane  Polygamie  um 
unserer  Väter  willen."  2)  Darnach  meint  Tert.  jedenfalls,  dass 
Unzucht,  wie  sie  von  Loth,  Juda,  dem  Weibe  Hoseas  berichtet 
wTird,  sowie  auch  simultane  Polygamie  nicht  von  Kaliist  in  seinen 
Gnadenerlass  eingeschlossen  sei.  Dass  diese  Sünden  wirklich 
eine  von  den  übrigen  Fleischessünden  verschiedene  Behandlung 
erfahren    haben,    geht    aus    den    Beschlüssen    der  Synode    von 

1)  Den  Beweis,  dass  der  hier  angeredete  Gegner  Kaliist  ist,  s.  u,  III,  1.  c 

2)  Dabis  ergo  et  idololatrae  et  omni  apostatae  veniam  quia  et  populuin 
ipsum  totiens  reum  istorum  totiens  invenirnus  retro  restitutum.  Communicabis 
et  homicidae,  quia  et  Nabothae  sanguinem  Achab  deprecatione  delevit,  et 
David  Uriae  caedem  cum  causa  eius  moechia  confessione  purgavit.  Jam  et 
incesta  donabis  propter  Loth,  et  fornicationes  cum  incesto  propter  Judam, 
et  turpes  de  prostitutione  nuptias  propter  Osee,  et  non  tantum  frequentatas, 
verum  et  semel  plures  propter  patres  nostros.     p.  229,  7  ff. 


26  Rolffs,  Das  Indulgenz-Edict. 

Elvira  hervor. x)  Diese  Synode  wird  gewöhnlich  in  das  Jahr  305 
gesetzt;  ihre  Beschlüsse  repräsentieren  aber  eine  Stufe  in  der 
Entwicklung  der  Sittenzucht,  welche  die  römische  und  afrikanische 
Kirche  schon  zur  Zeit  Cyprians  übersclrritten  haben,  da  den 
Abgefallenen  noch  die  Wiederaufnahme  verweigert  wird.  Morinus 
wollte  deshalb  die  Synode  vor  205  setzen,  da  er  von  der  An- 
nahme ausging,  dass  die  Entwicklung  der  Sittenzucht  in  allen 
Kirchenprovinzen  gleichmässig  vor  sich  gegangen  sei.  Diese 
Annahme  ist  aber  irrig;  die  Entwicklung  der  Kirche  zu  einem 
Rechtsinstitut  mit  festen  Normen  auf  dem  Gebiet  der  Verfassung, 
des  Glaubens  und  der  Sittenzucht,  welche  in  Rom  am  schnellsten 
zum  Abschluss  kam,  ist  in  den  übrigen  Kirchen  rascher  oder 
langsamer  fortgeschritten,  je  nachdem  wie  dieselben  unter  dem 
Einfluss  der  römischen  standen.  So  hielt  die  Entwicklung  in 
Karthago  bei  dem  lebhaften  Verkehr,  welcher  zwischen  Italien 
und  Afrika  stattfand,  mit  der  in  Rom  ziemlich  gleichen  Schritt; 
die  spanischen  Kirchen  aber,  welche  in  einer  bei  weitem  nicht 
so  lebhaften  Berührung  mit  Rom  standen,  blieben  in  der  Ent- 
wicklung zurück,  und  so  kommt  es,  dass  wir  um  305  in  Spanien 
eine  Busspraxis  finden,  welche  in  Rom  und  Afrika  schon  seit 
250  überwunden  war.  Es  ist  nun  zulässig,  aus  der  spanischen 
Bussdisciplin  von  305  Schlüsse  zu  ziehen  für  die  römische  vor 
250,  da  wir  es  in  Spanien  sicher  nicht  mit  einer  ganz  spon- 
tanen Entwicklung  zu  thun  haben,  sondern  mit  einer  solchen, 
die  sich  unter  römisch-afrikanischem  Einfluss,  nur  langsamer,  voll- 
zogen hat.  Hier  finden  wir  nun,  dass  Blutschande  ausdrücklich 
von  der  Vergebung  ausgeschlossen  ist2);  wenn  Tert.  daher  der 
Ansicht  ist,  dass  sein  Gegner  die  Sünden  Loths  und  Judas  nicht 
vergeben  will,  so  wird  er  sich  dabei  auf  ein  so  festes  kirchliches 
Herkommen  stützen,  dass  es  auch  für  Kallist  notwendig  die 
Grenze  seiner  Gnade  bilden  muss.  Ebenso  hat  Tert.s  Voraus- 
setzung, dass  die  Gegenpartei  nicht  für  „turpes  de  prostitutione 
nuptiae"  Indulgenz  gewähren  werde,  ihre  Grundlage  in  der 
kirchlichen  Praxis;  die  Sünde  Hoseas  besteht  darin,  dass  er 
mit  einem  Weibe  in  ehelicher  Gemeinschaft  lebt,  die  mit  seinem 
Wissen  Hurerei  treibt;  einem  solchen  Manne  versagt  auch  die 

1)  Mansi,  Conciliorum  nova  et  ampliss.  coli.  II  p.  lff. 

2)  Can.  LXVI:    Si  quis  praevignam  suaui    duxerit  uxoreni,  eo  quod 
sit  incestus,  placuit,  nee  in  fine  dandam  esse  ei  communionem. 


II.    Die  Verfügung  des  Kailist.  27 

Synode  die  Wiederaufnahme  l)  und  fixiert  damit  doch  höchst 
wahrscheinlich  eine  kirchliche  Gewohnheit.  Die  simultane  Poly- 
gamie finde  ich  in  den  Can.  Elib.  nicht  berührt,  wahrscheinlich 
weil  sie  ausserhalb  aller  Discussion  stand;  Tert.  erwähnt  sie, 
weil  er  seinem  Gegner  dadurch  die  Berufung  auf  das  A.  T. 
abschneiden  will,  welche  die  Vergebung  der  Vielweiberei  in 
Rücksicht  auf  das  Beispiel  der  Patriarchen  als  notwendige  Con- 
sequenz  nach  sich  ziehen  müsste.  Man  wird  nicht  fehl  gehen 
in  der  Annahme,  dass  die  spanische  Praxis  auch  darin  mit  der 
römischen  übereinstimmt,  dass  sie  der  Päderastie  die  Vergebung 
versagt.2)  Fraglich  ist  allerdings,  ob  einige  andere  Be- 
stimmungen der  Synode  ein  allgemeines  kirchliches  Herkommen 
fixieren;  dahin  gehören  die  Canones  über  schwere  Kuppelei3), 
über  Ehebruch,  zu  welchem  Abtreibung  der  Leibesfrucht  als 
erschwerender  Umstand  hinzutritt4),  über  die  Frauen,  welche 
ihre  Männer  ohne  Grund  verlassen  und  sich  mit  andern  ver- 
mählt haben.5)  Diese  Bestimmungen  setzen  eine  Casuistik 
voraus,  welche  z.  Z.  Kallists  noch  nicht  vorhanden  gewesen  sein 
kann,  da  sie  durch  seinen  Erlass  erst  ins  Leben  gerufen  werden 
konnte. 6)    Also  man  darf  annehmen,  dass  Kaliist  unter  moechia 


1)  Can.  LXX. :  Si  cum  conscientia  mariti  uxor  fuerit  moechata,  placuit 
nee  in  fine  dandam  esse  communionem:  si  vero  eam  reliquerit,  post  decem 
annos  aeeipiat  communionem. 

2)  Can.  LXXI. :  Stupratoribus  puerorum  nee  in  fine  dandam  esse 
communionem. 

3)  Can.  XII.:  Mater  vel  parens  vel  quaelibet  fidelis,  si  lenocinium 
exercuerit,  eo  quod  alienum  vendiderit  corpus  vel  potius  suum,  placuit,  eas 
nee  in  fine  aeeipere  communionem.  Also  gewerbsmässige  Kuppler  und 
Dirnen,  welche  aus  der  Unzucht  ein  Gewerbe  machen,  bleiben  auf  immer 
von  der  Gemeinde  ausgeschlossen. 

4)  Can.  LXIII. :  Si  qua  mulier  per  adulterium,  absente  marito,  con- 
ceperit,  idque  post  facinus  oeeiderit,  placuit,  neque  in  fine  dandam  esse 
communionem,  eo  quod  geminaverit  scelus. 

5)  Can.  VIII.:  Item  feminae,  quae  nulla  praecedente  causa  reliquerint 
viros   suos   et  se   copulaverint  alteris,   nee  in  fine  aeeipiant  communionem. 

6)  Diese  Casuistik  ist  noch  weiter  ausgebildet  in  folgenden  Be- 
stimmungen, die  deshalb  hier  aber  füglich  unberücksichtigt  bleiben  können. 
XXXI :  Adolescentes  qui  post  fidem  lavacri  salutaris  fuerint  moechati,  cum 
duxerint  uxores,  acta  legitima  paenitentia,  placuit  ad  communionem  admitti. 
—  LXXI:  Si  qua  vidua  fuerit  moechata,  et  eundem  postea  habuerit  mari- 
tum,   post   quinquenni    tempus,    acta   legitima    paenitentia,    placuit,    eam 


28  Rolffs,  Das  Indulgenz-Edict. 

und  fornicatio  Ehebruch  und  Hurerei  in  ihrer  einfachen  Form 
versteht,  dass  er  aber  die  widernatürliche  Unzucht,  Blutschande 
und  Päderastie,  sowie  Ehebruch  und  Hurerei,  welche  unter 
erschwerenden  Uniständen  vorgekommen  waren,  —  Sünden, 
die  im  christlichen  Bewusstsein  seiner  Zeit  durch  ihre  Scheuss- 
lichkeit  aus  der  Kategorie  der  gewöhnlichen  Fleischessünden 
heraustraten  —  nicht  in  den  Begriff  mit  einschliessen  will. 

Zur  Erklärung  des  Begriffes  paenitentia  fungi  hat  man  einen 
einigermassen  sicheren  Ausgangspunkt  in  Tert.s  vormontanisti- 
scher Schrift  de  paenitentia,  wo  es  c.  5  (am  Anfang)  heisst: 
Iam  quidem  nullum  ignorantiae  praetextum  tibi  patrocinatur, 
quod  domino  agnito  praeceptisque  eius  admissis  denique  pae- 
nitentia delictorum  functus  rursus  te  in  delicta  restituis.1) 
Hiernach  lässt  sich  der  Begriff  wenigstens  für  die  Zeit  der  Ab- 
fassung von  de  paen.  sicher  bestimmen.  Es  ist  dann  zu  unter- 
suchen, ob  sich  in  de  pud.  die  Spuren  einer  veränderten  Be- 
deutung finden,  und  darnach  ist  die  erstere  zu  berichtigen. 
Um  den  christlichen  Begriff  der  paenitentia  zu  gewinnen,  geht 
Tert.  aus  von  dem,  was  die  Heiden  unter  paenitentia  verstehen; 
im  gewöhnlichen  Leben  bezeichnet  man  damit  das  Unlustgefühl, 
welches  eintritt,  wenn  man  eine  Ansicht,  die  man  gehegt,  als 
schlecht  erkennt  und  Anstoss  daran  nimmt.2)  Dieses  Unlust- 
gefühl, welches  die  Heiden  auch  über  gute  Handlungen  em- 
pfinden, wenn  dieselben  nicht  den  erwarteten  Erfolg  gehabt 
haben,  empfindet  der  Christ  nur  über  die  Sünde.  Die  Reue 
oder  Busse  ist  die  notwendige  Vorbedingung  für  das  Christ- 
werden, da  sie  allen  Schmutz,  mit  welchem  der  frühere  Irrtum 
und  die  Unwissenheit  das  Herz  verunreinigt  hat,  gründlich  und 
vollständig    entfernt   und    das  Herz   für    den  Einzug   des   heil. 


communioni  reccmciliari ;  si  alium  duxerit  relicto  illo,  nee  in  fine  dandam 
esse  communionem :  vel  si  fuerit  alle  fidelis,  quem  aeeepit,  communionein 
non  aeeipiat,  nisi  post  decem  annos,  acta  legitiina  paenitentia;  nisi  infir- 
mitas  coegerit  velocius  dare  communionem. 

1)  vergl.  c.  6:  quem  emendatiorem  nisi  timidiorem  et  ideirco  vera 
paenitentia  funetum? 

2)  Paenitentiam  hoc  genus  hominum  quod  et  ipsi  retro  fuimus,  caeci, 
sine  domini  lumine,  natura  tenus  norunt  passionem  animi  quandam  esse 
quae  veniat  de  offensa  sententiae  peioris.    c.  1. 


II.    Die  Verfügung  des  Kailist.  29 

Geistes  bereit  macht.1)  In  erster  Linie  wird  unter  paenitentia 
also  eine  Gesinnung  des  Herzens  verstanden,  welche  Gott  von 
dem  Menschen  verlangt  und  der  er  Leben  und  Seligkeit  zusagt; 
sie  rettet  den  Menschen  vom  Tode  und  ist  daher  Leben.2)  Diese 
Gesinnung  wird  als  etwas  dauerndes  angesehen;  in  ihr  rnuss 
unser  Leben  verlaufen,  wenn  wir  der  Früchte  der  göttlichen 
Gnade  dauernd  teilhaftig  sein  wollen.3)  In  der  oben  citierten 
Stelle,  wo  von  der  Busse  die  Rede  ist,  durch  die  der  Mensch 
zum  ersten  Mal  seinem  heidnischen  Leben  entsagt  und  in  den 
Christenstand  eintritt,  bedeutet  paenitentia  fungi  nichts  anderes 
als  sich  diese  Gesinnung  aneignen,  also  im  Schmerz  über  die 
begangene  Sünde  sich  stetig  von  ihr  abwenden.4)  Aber  der 
Ausdruck  kann  auch  noch  mehr  besagen,  nämlich  dann,  wenn 
es  sich  nicht  um  die  Busse  vor  der  Taufe,  sondern  um  die 
zweite  Busse  handelt.  Da  die  Bussgesinnung  eigentlich  das 
ganze  Leben  hindurch  dauern  soll,  so  ist  im  Princip  eine  zweite 
Busse  ausgeschlossen,  weil  der  Mensch,  der  einmal  den  Willen 
Gottes  und  die  Verwerflichkeit  der  Sünde  erkannt  hat,  nicht 
wieder  rückfällig  werden  dürfte.5)  Aber  er  ist  den  Versuchungen 
des  Teufels   ausgesetzt,   welcher   über  seine  Bekehrung  wütet, 


1)  Non  tacet  Ioannes:  Paenitentiaru  initote,   dicens,  iam  enini  salus 

nationibus  appropinquabit,  dominus  scilicet Cui  praeministrans  paeni- 

tentiam  destinabat  purgandis  mentibus  praepositam ,  uti  quicquid  error 
vetus  inquinasset,  quicquid  in  corde  bominis  ignorantia  contaminasset ,  id 
paenitentia  verrens  et  rodens  et  foras  abiciens  mundam  pectoris  domum 
superventuro  spiritui  sancto  paret,  quo  se  ille  cum  caelestibus  bonis  libens 
inferat  (c.  2). 

2) dicens  ad  populum:    paenitere   et  salvum  faciam  te;    et 

iterum:  vivo,  inquit,  dominus,  et  paenitentiam  malo  quam  mortem.     Ergo 

paenitentia  vita  est,  cum  praeponitur  morti.    Eam,  tu  peccator 

ita  invade,  ita  amplexare,  ut  naufragus  alicuius  tabulae  fidem  (c.  4). 

3)  Quod  igitur  deus  tantopere  commendat,  — summa  utique 

gravitate  et  aggredi  et  custodire  debemus,  ut  in  asseveratione  divinae 
gratiae  permanentes  in  fructu  quoque  eius  et  emolumento  proinde  per- 
severare  possimus  (c.  4).  quicquid  ergo  mediocritas  nostra  ad  paenitentiam 
semel  capessendam  et  perpetuo  continendam  suggerere  conata  est,  omnes 
quidem  deditos  domino  spectat  (c.  6). 

4)  paenitentia  fungi  ist  also  völlig  synonym  mit  paenitere,  paeniten- 
tiam suscipere,  p.  inire  (de  paen.  2),  p.  invadere  (ibid.).  Es  ist  ganz  gleich- 
bedeutend mit  dem  griechischen  „tuerai>oeTv". 

5)  s.  cap.  5. 


30  Rolffs,  Das  Indulgenz-Edict. 

und  kann  ihm  nicht  immer  widerstehen.  Deshalb  hat  Gott 
eine  zweite  Busse  zugelassen,  hat  sie  gleichsam  in  den  Vor- 
raum zmn  himmlischen  Heiligtum  gestellt,  damit  sie  den  An- 
klopfenden aufthue1).  Diese  zweite  Busse  muss  nun  aber  nicht 
nur  im  Gewissen  sich  kund  thun,  sondern  sie  muss  sich  durch 
einen  besonderen  Act  als  wahr  ausweisen;  das  geschieht  durch 
die  exomologesis.  In  derselben  bekennt  man  seine  Sünden 
dem  Herrn,  nicht  als  ob  sie  ihm  unbekannt  wären,  sondern 
durch  die  confessio  empfängt  er  eine  satisfactio;  denn  in  ihr 
tritt  die  Bussgesinnung  in  Erscheinung,  durch  welche  Gott 
besänftigt  wird.2) 

Es  darf  nicht  übersehen  werden,  dass  auch  hiernach  durch 
die  Bussgesinnung  die  Genugthuung  an  Gott  geleistet  wird. 
Preuschen  hat  die  Anschauung  Tert.s  missdeutet,  wenn  er  (S.  10) 
schreibt:  „Zweck  dieses  Bussactes  ist  vor  allem  die  Leistung, 
satisfactio.  —  Hier  wird  der  durch  die  Sünde  verletzten  Rechts- 
norm durch  eine  körperliche  Leistung  genügt,  die  mit  einer 
Entziehung  der  Bequemlichkeit  für  den  Pönitenten  verbunden 
ist."  Ein  doppelter  Fehler  liegt  dieser  irrtümlichen  Auffassung 
zu  Grunde:  1.  es  ist  der  Begriff  der  satisfactio  falsch  bestimmt; 
2.  die  entscheidende  Stelle  c.  9  ist  ohne  genügende  Rücksicht 
auf  die  von  Tert.  in  der  ganzen  Schrift  festgehaltene  Bedeutung 
des  Wortes  „paenitentia"  erklärt.  —  Der  Ausdruck  „satisfactio", 
dem  Preuschen  die  Bedeutung  einer  Sühne  für  Verletzung  der 
Rechtsnorm  unterschiebt,  gehört  lediglich  in  das  Obligationen- 
recht.    Er   bezeichnet   hier  bestimmte    Aufhebungsarten    einer 


1)  Itaque  observat  (seil,  diabolus),  oppugnat,  obsidefc,  si  qua  possit  aut 
oculos  coneupiscentia  carnali  ferire,  aut  animuni  illecebris  saecularibus 
irretire,  aut  fidem  terrenae  potestatis  forrnidine  evertere,  aut  a  via  certa 
perversis  traditionibus  detorquere;  non  scandalis,  non  tentationibus  deficit. 
Haec  igitur  veneria  eius  providens  deus,  clausa  licet  ignoscentiae  ianua  et 
intinetionis  sera  obstrueta,  ab  quid  adbuc  permisit  patere.  Collocavit  in 
vestibulo  paenitentiaro  seeundam,  quae  pulsantibus  patefaciat;  sed  iam  se- 
tnel,  quia  iam  seeundo  (c.  7). 

2)  Huius  igitur  paenitentiae  seeundae  et  unius,  quanto  in  arto  nego- 
tium est,  tanto  operosior  probatio  ut  non  sola  conscientia  praeferatur,  sed 

aliquo   etiam  actu  administretur.     Is  actus  — —   exomologesis  est, 

qua  delictum  domino  nostrum  confitemur,  non  quidem  ut  ignaro,  sed  qua- 
tenus  satisfactio  confessione  disponitur,  confessione  paenitentia  nascitur. 
paenitentia  deus  mitigatur  (c.  9). 


II.    Die  Verfügung  des  Kailist.  31 

Obligation  und  fällt  damit  unter  den  allgemeineren  Begriff  der 
„solutio^  l),  welcher  schlechthin  die  Aufhebung  einer  Obligation 
bezeichnet,  meistens  freilich  gemäss  der  am  häufigsten  vor- 
kommenden Aufhebungsart  ganz  bestimmt  die  „Zahlung"  be- 
deutet. Eine  satisfactio  erfolgt  nun  1.  durch  Hingabe  an 
Zahlungsstatt,  2.  durch  Novation,  3.  durch  Kompensation; 
sie  ist  also  die  Aufhebung  einer  Obligation,  bei  welcher  dem 
Gläubiger  ein  materieller  Ersatz  geleistet  wird.  So  gebraucht 
Tert.  das  Wort  auch  sonst,  wo  er  sich  dieses  Bildes  aus  dem 
Rechtsleben  bedient.2)  Wenn  er  also  hier  die  paenitentia  als 
eine  an  Gott  zu  leistende  satisfactio  bezeichnet,  so  ist  sein 
Gedanke:  der  Mensch  ist  Gott  gegenüber  verpflichtet,  seine 
Gebote  zu  halten;  diese  Verpflichtung  ist  nach  Analogie  von 
Matth.  18,24  a^s  zu  zahlende  Schuld  vorgestellt;  da  er  sie 
nicht  zahlen  kann,  so  giebt  er  Gott  seine  paenitentia  an  Zah- 
lungsstatt; diese  nimmt  Gott  also  als  Ersatz  für  die  ihm  in 
der  Erfüllung  seiner  Gebote  zu  leistende  Pflicht  an.  Es  wider- 
spricht dieser  Vorstellung  nicht  geradezu,  wenn  man  die  mit 
dem  Ausdruck  exomologesis  zusammengefassten  Bussübungen 
als    das  Äquivalent   ansieht,   welches   Gott   für    die  ihm   durch 


1)  Satisfactio  pro  solutione  est  Dig.  XLVI  T.  III  52,  s.  Windscheid, 
Lehrbuch  des  Pandektenrechts  §  341  ff. 

2)  Patientia  domini  in  Malcho  vulnerata  est.  Itaque  et  gladii  opera 
maledixit  in  posterum,  et  sanitatis  restitutione  ei,  quem  non  ipse  vexaverat, 
satisfecit.  de  patient.  III.  —  Cum  et  ipse  ieiunium  mandet  et  animam  con- 
quassatam  proprie  utique  cibi  angustiis  sacrificium  appellet,  quis  iam  dubi- 
tabit  omnium  erga  victum  macerationum  hanc  fuisse  rationem,  qua  rursus 
interdicto  cibo  et  observato  praecepto  primordiale  iam  delictum  expiaretur, 
ut  homo  per  eandem  materiam  causae  satis  deo  faciat,  per  quam  offende- 
rat,  id  est  per  cibi  interdictionem,  atque  ita  salutem  aemulo  modo  redac- 
cenderet  inedia  sicut  extinxerat  sagina,  pro  unico  inlicito  plura  licita  con- 
temnens?  de  ieiun.  III  (Reiff.  p  277,  25).  Hier  erfolgt  das  „satis  deo  facere" 
durch  Novation,  denn:  novatio  est  prioris  debiti  in  aliam  obligationem  vel 
civilem  vel  naturalem  transfusio  atque  translatio  hoc  est  cum  ex  praece- 
denti  causa  ita  nova  constituatur,  ut  prior  perematur.  Dig.  XXXXVI  cap.  2. 
lex.  1.  Die  von  Adam  nicht  erfüllte  Forderung  Gottes  wird  dadurch  er- 
füllt, dass  die  Verpflichtung  zum  Fasten,  in  welche  jene  umgewandelt  ist. 
beobachtet  wird.  Die  Beobachtung  des  von  Gott  geforderten  Fastens  ist 
die  satisfactio,  durch  die  seine  ursprüngliche  Forderung  an  Adam  getilgt 
wird,  s.  Windscheid  a.  a.  0. 


32  Rolffs.  Das  Indulgenz-Edict. 

treuen  Gehorsam  zu  zahlende  Schuld  annimmt.1)  Jedenfalls 
setzt  dies  aber  eine  sehr  hohe  Anschauung  von  dein  Wert 
dieser  Bussübungen  voraus,  und  da  bei  Tert.  die  confessio  als 
probatio  der  Bussgesinnung  dieser  untergeordnet  ist,  so  darf 
man  schon  von  vornherein  nicht  erwarten,  jene  Wertschätzung 
der  Bussübungen  bei  ihm  zu  finden.  —  Es  ergiebt  sich  nun 
aber  auch  aus  einer  Stelle,  die  Preuschen  übersehen  zu  haben 
scheint,  zweifellos,  dass  Tert.  in  der  Buss  gesinnung  das 
Äquivalent  sieht,  welches  der  Mensch  Gott  anstatt  der  ver- 
fallenen Schuld  bieten  kann.  Er  schreibt  cap  5:  Ita  qui  per 
delictorum  paenitentiam  instituerat  domino  satisfacere,  diabolo 
per  aliam  paenitentiae  paenitentiam  satisfaciet.  Hier  kann 
paenitentia  nur  das  Unlustgefühl  über  die  Sünde  bedeuten, 
wie  paenitentia  paenitentiae  das  Unlustgefühl  über  die  Busse 
bezeichnet;  durch  dieses  Reuegefühl  über  die  Sünde  erkennt 
der  Mensch  eben  an,  dass  er  sich  bei  seiner  Übertretung  des 
göttlichen  Gesetzes  von  einer  schlechten,  verwerflichen  Gesinnung 
hat  leiten  lassen,  und  giebt  damit  dem  göttlichen  Gesetz  seine 
Ehre  zurück;  dadurch  leistet  er  an  Gott  Genugthuung.2)  Das 
besagen  auch  die  Worte:  satisfactio  confessione  disponitur, 
confessione    paenitentia    nascitur,    paenitentia   deus    mitigatur. 


1)  Bei  Loofs,  Leitfaden  zum  Stud.  d.  Doginengesch.  2.  Aufl.  1890  findet 
sich  S.  121  die  Bemerkung:  „Schon  Tert.  legte  den  asket.  Leistungen, 
welche  die  Exhomologese  der  stantes  und  der  Gefallenen  begleiteten,  den 
Wert  einer  reconciliatorischen  Compensation  für  Gott  bei  und  nannte  sie 
daher  Opfer."  Dies  scheint  mir  im  Widerspruch  zu  stehen  mit  dem  von 
L.  S.  91  ausgesprochenen  Satz:  „Asketische  Leistungen,  die  nicht  obliga- 
torisch sind  (1.  Cor.  76  concilium  und  praeceptum  de  cor.  4),  sind  Opfer 
(sacrificia),  die  Gott  Wohlgefallen  (de  resurr.  8),  ad  demerendam  gratiam 
dei  dienen  (deieiun.  7);"  denn  die  Leistungen  der  Exhomologese  sind  doch  ob- 
ligatorisch; jedenfalls  darf  man  constatieren ,  dass  Tert.  diese  asketischen 
Leistungen  nie  direct  sacrificia  nennt.  Auf  sie  hat  er  den  Opferbegriff 
nicht  angewendet. 

2)  Die  von  Preuschen  für  seine  Ansicht  gedeuteten  Stellen  fallen 
dagegen  nicht  ins  Gewicht,  c.  7 :  habes  cui  satisfacias  beweist  nichts,  weil 
in  dem  Zusammenhang  gar  nicht  von  exomologesis  die  Rede  ist;  auch 
c.  9:  Intolerandum  scilicet  pudori  domino  offenso  satisfacere  ist  nicht  ge- 
sagt, dass  durch  die  exomologesis  die  Genugthuung  gegeben  wird,  sondern 
die  Scham,  welche  den  Menschen  an  der  exomologesis  hindert,  entzieht 
Gott  deshalb  die  Genugthuung,  weil  sie  die  Bussgesinnung  nicht  im  Buss- 
acte  zur  Vollendung  kommen  lässt. 


II.    Die  Verfügung  des  Kailist.  33 

Die  beiden  letzten  Sätze  sollen  hier  den  Gedanken  des  ersten 
entwickeln;  der  letzte  erklärt  nun,  dass  Gott  durch  die  Buss- 
gesinnung besänftigt  wird;  denn  das  allein  kann  paenitentia  be- 
deuten, da  ausdrücklich  zwischen  paenitentia  und  confessio  unter- 
schieden wird.  Freilich  sagt  Tert.:  die  Bussgesinnung  wird 
durch  die  confessio  geboren;  das  kann  aber  nur  heissen,  durch 
das  Bekennen  tritt  die  Bussgesinuung  ins  Leben,  wird  sie  wirk- 
lich lebendig  und  wirksam,  und  wie  dies  gemeint  ist,  ergiebt 
sich  aus  dem  Satz:  das  Bekennen  ist  die  Absicht  der  Genug- 
thuung, das  Verhehlen  des  Trotzes1).  Also  jede  Reue  ist  wirk- 
lich aufrichtig  und  bietet  Garantie  für  dauernde  Besserung, 
wenn  sie  zum  Bekenntnis  drängt;  denn  wer  seine  Sünden 
öffentlich  reumütig  bekennt,  der  sagt  ihnen  damit  ab ;  er  giebt, 
indem  er  sein  Unrecht  eingesteht,  dem  Genugthuung,  den  er 
beleidigt  hat.  So  wird  allerdings  die  Genugthuung  realisiert 
durch  die  confessio,  indem  durch  sie  die  Bussgesinnung,  durch 
welche  Gott  Genugthuung  empfängt,  allein  rein  zur  Vollendung 
kommt. 

Daher  ist  die  zweite  Busse  nur  vollständig,  wenn  sich  die 
Bussgesinnung  in  dem  Acte  der  exomologesis  als  echt  bewährt. 
Wo  Tert.  also  unter  paenitentia  die  zweite  Busse  versteht,  da 
denkt  er  immer  verbunden:  paenitentia  et  eius  ministerium  ex- 
omologesis. Die  letztere  besteht  nun  darin2),  dass  der  Sünder 
sich  demütigt  und  erniedrigt,  indem  er  sich  in  Sack  und  Asche 
setzt,  seine  Körperpflege  vernachlässigt,  seine  Gemütsstimmung 
durch  Betrachtung  seines  Fehltrittes  herabdrückt,  nur  Wasser 
und  Brot  geniesst,  unter  Gebet  häufig  fastet,  seufzt,  weint,  Tag 
und  Nacht  klagt  vor  Gott  und  um  die  Fürbitte  der  Brüder  bittet, 
besonders  sich  vor  den  Presbytern  niederwirft  und  vor  den  cari 
dei3)  kniet. 

1)  Confessio  enim  satisfactionis  consilium  est,  dissimulatio  con- 
tumaciae.    c.  8. 

2)  de  paen.  9  vergl.  de  pud.  5  (Schluss).     13. 

3)  Preuschen  (S.  10)  fasst  den  Begriff  zu  eng,  wenn  er  Märtyrer 
darunter  verstellt;  gewiss  sind  diese  mit  darunter  befasst,  aber  nicht  aus- 
schliesslich; Pr.  selbst  erkennt  (S.  26  Anm.  4),  dass  de  pud.  13  (pag.  243, 
25),  wo  Tert.  den  Act  der  Busse  geflissentlich  mit  grosser  Breite  schildert, 
auf  die  Vermutung  führen  könne,  dass  unter  cari  dei  die  Wittwen  ver- 
standen seien :  prosternis  in  medium  ante  viduas,  ante  presbyteros.  Viduae 
werden,  wie  Pr.  richtig  vermutet,  hier  für  die  abstinentes  überhaupt  stehen. 

Texte  u.  Untersuchungen  XI,  3.  3 


34  Rolffs,  Das  Indulgenz-Edict. 

Wenn  man  paenitentia  functus  in  dem  Erlass  Kallists  genau 
nach  dem  aus  de  paen.  dafür  gewonnenen  Begriff  deuten  dürfte, 
so  würde  Kaliist  als  Bedingung  für  seine  Vergebung  die  reue- 
volle, bussfertige  Gesinnung  und  ihre  Bewährung  im  Acte  der 
exomologesis  gesetzt  haben,  so  dass  die  erstere  Realgrund  für 
die  Gewährung  der  Vergebung,  die  letztere  der  Erkenntnisgrund 
für  die  Aufrichtigkeit  der  Bussgesinnung  wäre.  Aber  man  hat 
Grund  anzunehmen,  dass  sich  der  Begriff  der  paenitentia  hier 
verflacht  hat,  wenn  man  vielleicht  auch  in  der  Theorie  an  der 
von  Tert.  vertretenen  Anschauung  festhielt.  Denn  da  die  exomo- 
logesis ein  sehr  unsicheres  Erkenntnismittel  für  die  Aufrichtig- 
keit der  Bussgesinnung  war,  so  drängte  die  Entwicklung  not- 
wendig dahin,  dass  diese  in  ihrer  Bedeutung  verkürzt  wurde  und 
die  exomologesis,  wenn  nicht  als  einzige,  so  doch  als  die  ent- 
scheidende Bedingung,  als  Realgrund  der  Vergebung  in  Geltung 
trat.  Wie  viel  höher  nun  Kallist  und  seine  Gesinnungsgenossen 
den  Wert  des  Bussactes  schätzen  als  Tert.  in  de  paen.,  geht 
deutlich  aus  de  pud.  13  hervor.  Hier  wird  von  den  Katholikern 
der  Ausdruck  des  Paulus  aus  1  Cor.  5,  5  „interitus  carnis"  auf 
die  Basse  d.  h.  auf  die  exomologesis  gedeutet.  Tert.  sagt,  indem 
er  über  diese  Auslegung  referiert:  hie  iam  carnis  interitum  in 
officium  paenitentiae  interpretantur,  quod  videatur  ieiuniis  et 
sordibus  et  ineuria  omni  et  dedita  opera  malae  traetationis  carnem 
exterminando  satis  deo  facere,  ut  ex  hoc  etc.  Freilich  dürfte 
auch  hier  Preuschen  zu  viel  behaupten,  wenn  er  S.  28  sagt: 
„Die  Bedeutung  des  Bussactes  liegt  nach  der  hier  zum  Ausdruck 
gebrachten  Anschauung  in  der  Leistung  (satisfactio) ,  der  sich 
der  Sünder  unterzieht"1);  denn  darnach  könnte  es  scheinen,  als 
ob  sich  die  Ansicht  von  einer  satisfactorischen  Bedeutung  des 
Bussactes   schon   zu    einer   festen    dogmatischen  Theorie    aus- 


Cari  dei  sind  also  die,  welche  Gott  durch  Martyrium  oder  durch  ein  Ge- 
lübde der  Enthaltsamkeit  lieb  sind;  sicher  sind  auch  Geistesträger,  wie 
Propheten,  dazu  gerechnet,  wo  sie  noch  auftraten,  da  sie  ja  durch  ihre 
Gnadengabe  als  Geliebte  Gottes  sich  auswiesen. 

1)  Die  Stellen  aus  c.  9,  welche  Preuschen  citirt:  tarn  non  moechi  — 
sed  idololatrae  —  hac  parabola  patri  satisfacient  und  recordatur  patris,  satis- 
facto  redit,  sind  nicht  ganz  glücklich  gewählt  für  seine  Behauptung,  da  hier 
nach  dem  Zusammenhang,  in  welchem  es  sich  um  die  Deutung  des  Gleich- 
nisses vom  verlorenen  Sohn  handelt,  keine  Beziehung  auf  den  Bussact 
hineingelegt  werden  kann,  sondern  nur  eine  solche  auf  die  Bussgesinnung. 


IL    Die  Verfügung  des  Kaliist.  35 

geprägt  hätte.  Dies  ist  offenbar  noch  nicht  der  Fall;  vielmehr 
beweist  das  videtur  (in  der  directen  Rede  der  Katholiker),  dass 
man  das  satis  deo  facere  nur  als  Bild  gebraucht,  um  den  Wert 
der  exomologesis  einigermassen  zu  veranschaulichen,  ebenso  wie 
Tert.  in  de  paen.,  wenn  er  von  der  satisfactorischen  Bedeutung 
der  Bussgesinnung  spricht,  damit  nur  ein  juristisches  Schema 
zur  Veranschaulichung  in  die  theologische  Darstellung  einführt 
und  nicht  eine  fest  ausgeprägte  dogmatische  Theorie  darstellt. 
Aber  es  zeigt  doch,  wie  die  exomologesis  im  Wert  gestiegen 
ist,  wenn  dasselbe  Bild,  unter  welchem  Tert.  sich  die  Bedeutung 
der  Buss gesinnung  vorstellt,  von  Kallist  gebraucht  wird,  um  den 
Wert  des  Bussactes  bei  Gott  anschaulich  zu  machen.  Wenn 
also  Kallist  paenitentia  fungi  in  seinem  Erlass  als  Bedingung  für 
die  Vergebung  aufstellt,  so  macht  er  diese  damit  von  dem  Buss- 
act  mindestens  in  gleichem  Masse  abhängig  wie  von  der  Buss- 
gesinnung. 

Was  Kallist  mit  dimittere  ausgedrückt  hat,  lässt  sich  un- 
schwer durch  die  Synonyma  feststellen,  die  bei  Tert.  für  dieses 
Wort  eintreten.  Die  Termini,  welche  von  communicare  ge- 
bildet sind,  wie  communicationem  restituere  (c.  18),  aber  auch 
solche  wie  pacem  ecclesiasticam  reddere  (c.  22),  ecclesiam  reddere 
(c.  15),  und  vornehmlich  postliminium  ecclesiasticae  pacis,  was 
nach  Dig.  49  T.  15  1.  5,  1  als  „das  Rückkehrrecht  d.  h.  das 
Recht  des  aus  der  Gefangenschaft  zurückkehrenden,  in  seinen 
früheren  Besitzstand  wie  seine  früheren  Rechte  wieder  einzu- 
treten"1) zu  erklären  ist,  beweisen,  dass  dimittere  die  Wieder- 
zulassung des  Gefallenen  zur  kirchlichen  Gemeinschaft  bedeutet. 
Kallist  will  also  die  in  Fleischessünden  gefallenen  nach  ge- 
leisteter Busse  wieder  in  die  Gemeinde  aufnehmen.  Ob  dies 
durch  einen  feierlichen  Act  geschah,  sodass  dimittere  sollenne 
Bedeutung  hätte,  lässt  sich  nicht  feststellen. 

In  dem  von  Tert.  mitgeteilten  Satz  bestimmt  demnach 
Kallist:  Ich  gewähre  sowohl  denen,  welche  sich  des  wirklichen 
Ehebruchs,  als  auch  denen,  die  sich  der  gewöhnlichen  Unzucht 
schuldig  gemacht  haben,  unter  der  Bedingung,  dass  sie  Busse 
gethan   d.  h.  Reue  empfunden  und  sich  dem  Act  der  exonio- 


1)  s.  Preuschen  S.  27. 


36  Rolffs,  Das  Indulgenz-Edict. 

logesis    unterzogen    haben,   wieder  Anteil    an    der   kirchlichen 
Gemeinschaft.  l) 

2.   Die  durch  den  Erlass  in  die  Busspraxis  eingeführte 

Neuerung. 

Die  Verfügung  Kallists  wird  von  Tert.  als  unerhörte 
Neuerung  angegriffen,  durch  welche  die  Busspraxis  in  der  ein- 
schneidendsten und  verderblichsten  Weise  umgestaltet  werde; 
der  römische  Bischof  habe  aus  der  festgeschlossenen  Kette  der 
bisher  als  unvergebbar  geltenden  Sünden:  Götzendienst,  Ehe- 
bruch, Mord,  das  mittelste  Glied  herausgebrochen;  wider  alles 
kirchliche   Herkommen   habe    er    die    Unzuchtsünden   von    den 

1)  In  diesem  Satz  ist  keine  Bestimmung  darüber  getroffen,  ob  die 
Busse  mehr  als  ein  Mal  mit  Aussiebt  auf  Vergebung  geleistet  werden  kann. 
Da  diese  Frage  eigentlich  erst  auf  Grund  umfassenderer  Untersuchungen 
entschieden  werden  kann,  nach  der  Anordnung  der  Abhandlung  aber  hier 
besprochen  werden  müsste,  so  soll  unter  Voraussetzung  der  später  erst 
eingehender  zu  begründenden  Resultate  der  Erörterung  folgendes  bemerkt 
werden :  Nach  de  paen.  ist  ganz  bestimmt  eine  Wiederholung  der  exomo- 
logesis  ausgeschlossen :  Collocavit  in  vestibulo  paenitentiam  seeundam,  quae 
pulsantibus  patefaciat;  sed  iam  semel,  quia  iam  seeundo;  sed  amplius 
nunquam,  quia  proxime  frustra  (c.  VII).  Huius  igitur  paenitentiae  seeun- 
dae  et  unius  quanto  in  arto  negotium  est  tanto  operosior  probatio  (c.  IX); 
es  giebt  also  nach  der  Taufe  nur  eine  Busse.  Darin  hat  der  Erlass  Kallists 
scheinbar  keine  Änderung  hervorgebracht.  Denn  1.  Nach  Tert.  citiert 
Kailist  das  Wort  des  Hermas:  servo  enim  dei  una  paenitentiae  venia  in- 
dulgetur  (s.  S.  79).  2.  Nach  Can.  Elib.  VII  ist,  trotzdem  die  Vergebung  für 
Unzuchtsünden  gewährt  werden  kann,  die  Wiederaufnahme  Rückfälliger 
bestimmt  ausgeschlossen:  Si  quis  forte  fidelis  post  lapsum  moechiae  post 
tempora  constituta  aeeepta  paenitentia,  denuo  fuerit  fornicatus,  placuit,  nee 
in  fine  habere  eum  communionem.  3.  In  cap.  13  sagt  Tert.  direct  sich  an 
Kaliist  wendend:  tua  ovis  ne  rursus  de  grege  exiliat  (quasi  non  exinde 
iam  liceat  quod  nee  semel  lieuit)  ceteras  etiam  metu  comples  cum 
maxime  indulgens?  Darnach  scheint  wenigstens  Tert.  in  dem  Erlass  nur 
eine  einmalige  Gewährung  der  Vergebung  für  Fleischessünden  ausge- 
sprochen zu  finden.    4.  Ferner  ruft  er  cap.  10  Kallist  höhnend  zu:    si  qua 

te  carnis  vacillatio de  tenore  decusserit,  deus  bonus  est;  suis  non 

ethnicis,  sinum  subicit;  seeunda  te  paenitentia  excipiet.  Da  nun  nach  de 
paen.  IX  (paenitentiae  seeundae  et  unius)  die  „zweite  Busse"  immer  das 
Merkmal  der  Unwiederholbarkeit  trägt,  so  müsste  er  hier  ausdrücklich  be- 
merken, dass  nach  Kallist  ihr  dasselbe  fehle,  also  hätte  er  schreiben 
müssen:  seeunda  et  tertia  paenitentia  od.  ähnlich;  s.  auch  Loofs,  Dogmen- 
gesch.  §  29,  2  b  S.  178.   2.  Aufl.   Müller,  Kirchengesch.  I.  S.  120. 


II.    Die  Verfügung  des  Kallist.  37 

Sünden  getrennt,  mit  welchen  sie  durch  die  Schriftauctorität, 
durch  das  Gesetz  Gottes  untrennbar  verbunden  seien  (c.  5). 
Wenn  dieser  Vorwurf  eine  thatsächliche  Grundlage  hat,  wenn 
wirklich  der  Erlass  das  ganze  bisherige  Herkommen  umstösst, 
so  ist  es  recht  unwahrscheinlich,  dass  Kallist  seine  gewichtige 
Bestimmung  in  der  kurzen  kategorischen  Form  des  von  Tert, 
mitgeteilten  Satzes  proklamiert  und  sich  nicht  mit  der  bis- 
herigen Praxis  auseinandergesetzt  habe.  Um  Anhaltspunkte 
zu  gewinnen,  ob  der  Erlass  eine  Motivierung  gehabt  hat  und 
in  welcher  Richtung  sich  diese  bewegt  haben  muss,  hat  man 
zu  untersuchen,  was  die  bisher  geübte  Praxis  in  der  Buss- 
disciplin  gewesen  ist  und  welche  Punkte  derselben  nun  durch 
die  Verfügung'  Kallists  eine  Veränderung  erlitten  haben.  Dazu 
hat  die  Untersuchung  wieder  bei  de  paentientia  einzusetzen. 

Was  hier  nach  dem  kirchlichen  Sprachgebrauch  unter  der 
zweiten  Busse  verstanden  wird,  ist  oben  festgestellt:  die  in  der 
exomologesis  sich  bewährende  und  zur  Erscheinung  kommende 
bussfertige  Gesinnung.  Dieser  Busse  ist  nach  der  Anschauung 
Tert.s  die  Vergebung  sicher.  Es  erheben  sich  nun  aber  zwei 
Fragen:  1.  Können  alle  Sünden  durch  diese  Busse  gesühnt  werden? 
2.  Wodurch  empfängt  der  Sünder  die  Gewissheit  der  Vergebung? 

Principiell  hält  Tert.  an  dem  Satz  fest:  der  einmal  bekehrte 
Christ  kann  nicht  wieder  in  sein  früheres  heidnisches  Sünden- 
leben zurückfallen;  freilich  gestaltet  sich  die  Wirklichkeit  an- 
ders, da  der  Christ  fortwährend  den  Angriffen  des  Teufels  aus- 
gesetzt ist;  durch  diese  Angriffe  kommt  es,  dass  er  häufig 
wieder  in  Sünden  fällt;  solche  Angriffe  sind:  die  Verlockung 
durch  Augenlust  zu  fleischlichen  Begierden,  die  Gefangennahme 
des  Geistes  durch  heidnisch -weltliche  Lüste,  die  Versuchung  zur 
Verleugnung  durch  Schrecken  vor  drohender  Gefahr,  die  Ver- 
führung zur  Häresie. J)  Als  Heilmittel  für  die  Sünden,  in  welche 
der  Christ  durch  derartige  Angriffe  des  Teufels  gestürzt  wird, 
also  Fleischessünden,  Teilnahme  an  heidnischen  Vergnügungen, 
Verleugnung  in  der  Verfolgung,  Abfall  zur  Häresie,  hat  Gott 
die  zweite  Busse  eingesetzt.  Da  hier  die  schwersten  Sünden 
genannt  sind,  so  kann  man  mit  Sicherheit  behaupten,  dass  im 
Princip  alle  gleich  geachtet  sind,  dass  kein  Unterschied,  der 
sich  in  verschiedenen  Stufen  ausdrücken  könnte,   zwischen  be- 

1)  Itaque  observat  etc.    s.  S.  30  Anm.  1. 


38  Rolffs,  Das  Inclulgenz-Eclict. 

stimmten    Arten    stattfindet.     Alle   Sünden    können    vergeben 
werden,  falls  der  Mensch  Busse  thut. 

Es  fragt  sich  nun,  wodurch  der  Sünder  die  Gewissheit  der 
Vergebung  empfängt,  ob  sie  für  ihn  nur  ein  im  Glauben  an- 
zunehmendes Heilsgut  ist  oder  ob  sie  ihm  durch  feierliche 
Wiederaufnahme  in  die  Gemeinde  verbürgt  wird.  Das  letztere 
ist  die  gängige  Anschauung;  allein  Preuschen  betont  mit 
Recht,  dass  als  Subject  der  Vergebung  in  de  paen.  immer  nur 
Gott  gedacht  sei,  dass  von  einem  Absolutionsact,  durch  welchen 
die  Kirche  die  Sünder  wieder  in  ihre  Gemeinschaft  aufnehme, 
nirgends  geredet  werde.  Zwei  Stellen  pflegt  man  auf  einen 
solchen  zu  deuten,  einmal  den  Satz,  dass  Gott  die  zweite  Busse 
in  das  Vestibulum  gestellt  habe,  damit  sie  den  Anklopfenden 
öffne1),  sodann  die  Frage:  An  melius  est  damnatum  latere  quam 
palam  absolvi?2)  Zu  dem  Bilde  ist  zu  bemerken,  dass  die  Busse 
nicht  an  die  ianua  ecclesiae,  sondern  an  die  ianua  ignoscentiae 
gestellt  ist;  ob  diese  in  die  Kirche  oder  in  das  himmlische 
Heiligtum  führt,  ist  gar  nicht  gesagt,  und  es  hängt  eben  davon 
ab,  ob  „ignoscentia"  als  eine  That  Gottes  oder  als  eine  Handlung 
der  Gemeinde  anzusehen  ist,  welche  Gottes  Vergebung  dem 
Büssenden  vermittelt.  Was  man  also  aus  diesem  Bilde  zu  be- 
weisen sucht,  muss  erst  bewiesen  sein,  wenn  man  das  Bild  genau 


1)  Haec  igitur  veneria  eius  providens  deus,  clausa  licet  ignoscentiae 
ianua  et  intinctionis  sera  obstructa,  aliquid  adhuc  permisit  patere.  Collocavit 
in  vestibulo  paenitentiam  secundam,  quae  pulsantibus  patefaciat  (c.  VII). 

2)  Folgende  Sätze  mögen  den  Zusammenhang  andeuten,  in  welchem 
dieselbe  steht:    Plerosque  tarnen  hoc  opus  (confessionem  seil.),  ut  publica- 

tionem  sui  —  suft'ugere, praesumo,    pudoris    magis   memores    quam 

salutis; —  —  Nae  tu  vereeundia  bonus,  ad  delinquendum  expandens 

frontem,  ad  deprecandum  vero  subducens.  — Certe  periculum 

eius  tunc,  si  forte,  onerosum  est,  cum  penes  insultatores  in  risiloquio  con- 
sistit  —  —  —   —  ceterum    inter  fratres   atque   conservos,   ubi  communis 

spes ,    quia   communis    Spiritus  de  communi  domino  et  patre, 

quid  tu  hos  aliud  quam  te   opinaris?    Quid  consortes  casuum  tuorum    ut 

plausores    fugis? —    In   uno    et    altero    ecclesia    est,    ecclesia    vero 

Christus.     Ergo  cum  te  ad  fratrum  genua  protendis,    Christum  contreetas. 

Christum  exoras. —  —  Christus  patrem  deprecatur.    Facile  impetra- 

tur  semper,  quod  filius  postulat.  Grande  plane  emolumeutum  vereeundiae 
oecultatio  delicti  pollicetur.  Videlicet  si  quid  humanae  notitiae  subduxeri- 
mus,  proinde  et  deum  celabimus?  Adeone  existimatio  hominum  et  dei 
conscientia  comparantur?    An  etc.  (c.  10). 


II.    Die  Verfügung  des  Kallist.  39 

erklären  will.  —  Wenn  Tert.  fragt:  Ist  es  besser  verdammt  zu 
werden  und  verborgen  zu  bleiben  als  seine  Schuld  öffentlich 
zu  bekennen  und  losgesprochen  zu  werden?,  so  ist  auch  damit 
nur  gesagt,  dass  die  exomologesis  die  notwendige  Bedingung 
für  die  Erlangung  der  Absolution  ist;  ob  dieselbe  von  der 
Gemeinde  oder  von  Gott  erteilt  wird,  ist  nicht  damit  entschieden. 
Preuschen  hat  somit  ganz  recht,  wenn  er  behauptet,  dass  Tert. 
über  einen  Absolutionsact  schweigt;  wenn  er  aber  meint,  daraus 
nicht  den  Schluss  ziehen  zu  dürfen,  dass  eine  Wiederaufnahme 
in  die  Gemeinde  überhaupt  nicht  erfolgt  sei,  sondern  bei  einem 
non  liquet  stehen  bleiben  will1),  so  beruht  das  darauf,  dass  er 
c.  8  im  Zusammenhang  der  Schrift  falsch  gedeutet  hat.  Er 
meint  nämlich,  Tert.  wolle  in  diesem  Abschnitt  einer  die  zweite 
Busse  gänzlich  abweisenden  Richtung  der  karthagischen  Ge- 
meinde den  Beweis  liefern,  dass  Gott  auch  noch  der  wieder- 
holtem Busse  Vergebung  gewähre  (S.  7).  Dies  ist  nicht  richtig; 
c.  8  richtet  sich  nicht  an  solche,  welche  mit  theoretischen 
Gründen  die  Möglichkeit  der  zweiten  Busse  bestreiten,  sondern 
an  den  verzweifelnden  Sünder,  der  die  verzeihende  Gnade 
Gottes  nicht  glauben  kann;  dass  von  diesem  die  Rede  ist,  er- 
giebt  sich  schon  aus  dem  Schluss  von  cap.  7:  Verum  non 
statim  succidendus  ac  subruendus  est  animus  desperatione,  si 
secundae  quis  paenitentiae  debitor  fuerit.  —  ■  —  —  —  Offen- 
disti,  sed  reconciliari  adhuc  potes.  Habes  cui  satisfacias ,  et 
quidam  volentem.  Dass  hier  der  Sünder  angeredet  wird,  der  zur 
Busse  ermuntert  werden  soll,  ist  fraglos;  derselbe  ist  also  auch 
gemeint,  wenn  Tert.  c.  8  fortfährt:  Id  si  dubitas,  evolve  quae 
Spiritus  ecclesiis  dicat.  Aber  auch  im  Verlauf  des  Capitels  wird 
der  verzagende  Sünder  direct  angeredet  und  ermutigt  unter  Hin- 
weis auf  die  Stellen  der  Schrift,  wo  von  der  Freude  Gottes  über  die 
Bekehrung  eines  jeden  Sünders  die  Rede  ist  (wie  Luc.  1510):  Heus 
tu  peccator,  bono  animo  sis !  vides  ubi  de  tuo  reditu  gaudeatur. 
Ebenso  wird  das  Gleichnis  vom  verlorenen  Sohn  in  einer  direct 
an  den  Sünder  gerichteten  Ansprache  ausgelegt:  Is  (deus  seil.) 
ergo  te  filium  suum,  etsi  aeeeptum  ab  eo  prodegeris,  etsi  nudus 
redieris,  reeipiet,  quia  redisti,  magisque  de  regressu  tuo  quam 
de  alterius  sobrietate  laetabitur.    Tert.  will  also  in  diesem  Ab- 

1)  S.  11—14  a.  a.  0. 


40  Rolffs,  Das  Indulgenz-Edict. 

schnitt  den  Sünder  zur  Busse  antreiben,  indem  er  aus  dem 
Worte  Gottes  selbst  beweist,  dass  Gott  dieser  Busse  Vergebung 
gewährt.  Dieser  Beweis  hat  nur  dann  einen  verständlichen 
Zweck,  wenn  eine  Wiederaufnahme  m  die  Gemeinde  dieser 
Busse  nicht  notwendig  folgte;  sonst  müsste  Tert.  notwendig 
sich  auf  diese  Restitution  als  die  Bürgschaft  dafür,  dass  Gott 
dem  Sünder  verzeiht,  berufen.  Da  er  dies  in  einer  Aufführung, 
welche  erwiesenermassen  den  Zweck  verfolgt,  den  Sünder  zur 
Busse  zu  treiben,  nicht  thut,  so  beweist  dieses  Schweigen,  dass 
eine  Restitution  nicht  der  Erfolg  der  Busse  gewesen  sein  kann, 
wenigstens  in  der  Regel  nicht.  Dies  wird  bestätigt  durch  die 
oben  erwähnte  Darlegung  in  c.  10;  hier  will  er  den  Sündern, 
die  aus  Scham  vor  der  Gemeinde  zaudern,  die  exomologesis  zu 
leisten,  vorhalten,  welch  eine  Thorheit  sie  damit  begehen;  er 
weist  sie  deshalb  darauf  hin,  dass  die  Gemeinde  ihrer  De- 
mütigung nicht  mit  Schadenfreude  zusieht,  sondern  an  ihrem 
Schmerz  Anteil  nimmt,  da  ja  alle  Christen  Glieder  eines  Leibes 
sind  und  in  der  Gemeinde  Christus  selbst  ist;  indem  die  Ge- 
meinde für  den  Büssenden  Fürbitte  leistet,  tritt  Christus  selbst 
beim  Vater  für  ihn  ein,  und  er  erlangt,  um  was  er  bittet. 
Also  obgleich  hier  die  Gemeinde  gleich  Christus  gesetzt  wird, 
so  kann  sie  doch  nur  als  Fürbitterin  auftreten,  und  nur  darin, 
dass  sie  wie  Christus  in  der  Liebe  Gottes  steht,  liegt  für  den 
Sünder  die  Gewähr,  dass  er  von  Gott  Vergebung  empfängt; 
dieselbe  kann  ihm  daher  nicht  durch  einen  Restitutionsact 
verbürgt  sein. 

Freilich  darf  man  daraus  nun  nicht  den  weiteren  Schluss 
ziehen,  dass  eine  Wiederaufnahme  von  Sündern  in  die  christ- 
liche Gemeinde  nun  überhaupt  nicht  möglich  gewesen  sei;  sie 
war  möglich,  aber  nur  als  eine  Ausnahme;  in  der  Regel  fand 
die  zweite  Busse  nicht  in  einer  Reconciliation  ihren  Abschluss. 
Es  hatten  sich  noch  keine  feste  Normen  gebildet,  nach  welchen 
dieselbe  in  allen  Fällen  verlaufen  niusste,  sondern  die  an  kein 
äusseres  Gesetz  gebundene  Instanz  des  in  der  Gemeinde  wir- 
kenden Gottesgeistes  war  auf  diesem  Gebiet  von  grosser  Be- 
deutung. *)     Solange    die  Bussgesinnung  als   das  eigentlich  vor 


1)  Hierauf  hat  inan  auch  die  Worte  Tert.s  in  pud.  1  zu  beziehen,  aus 
•welchen  man   gewöhnlich   zu  folgern  pflegt,    dass  Tert.  als  Montanist  die 


II.    Die  Verfügung  des  Kaliist.  41 

Gott  Wertvolle  galt,  konnte  die  Wiederaufnahme  in  die  Ge- 
meinde, wenn  darin  wirklich  eine  Bürgschaft  für  die  von  Gott 
gewährte  Vergebung  liegen  sollte,  nur  auf  eine  besondere 
Gottesoffenbarung  hin  erfolgen;  denn  nur  Gott  kann  über  die 
Aufrichtigkeit  der  Bussgesinnung  entscheiden. 1)  Dass  solche 
Offenbarungen  wirklich  zu  Zeiten  einen  weitreichenden  Einfluss 
ausübten,  beweist  der  Hirt  des  Hermas,  das  prophetische  Buch. 
in  welchem  eine  allgemeine  Amnestie  verkündigt  wird.  Die- 
selbe erstreckt  sich  vorwiegend  auf  Unzuchtsünden,  die  als 
besonders  schwer  ja  immer  gegolten  haben,  und  deshalb  erhält 
die  Offenbarung  hier  wohl  die  feierliche  Einkleidung,  die  ihr 
grösseren   Nachdruck    geben    soll.     Leichtere   Sünden    werden 


Wiederaufnahme  Gefallener  nicht  habe  dulden  wollen,  mit  der  er  in  de 
paen.  ganz  einverstanden  gewesen  sei.  Er  schreibt:  erit  igitur  et  hie  ad- 
versus  psychicos  titulus  adversus  meae  quoque  sententiae  retro  penes  illos 
societatem,  quo  magis  hoc  mihi  in  notam  levitatis  obiectent.  Nunquam 
societatis  repudium  delicti  praeiudicium.  Quasi  non  facilius  sit  errare  cum 
pluribus,  quando  veritas  cum  paucis  ametur.  Hier  gesteht  er  ein.  dass  sich 
eine  Wandlung  in  seinen  Anschauungen  vollzogen  habe;  aber  es  lässt  sich 
nicht  daraus  entnehmen,  dass  er  früher  dem  Bischof  das  Recht  zuge- 
standen habe,  schwere  Sünder  wiederaufzunehmen;  früher  hatte  er  nichts 
dagegen,  wenn  ein  Prophet  einem  Unzüchtigen  nach  öffentlicher  Busse 
Vergebung  gewährte;  jetzt  weiss  er,  dass  ein  solcher  Prophet  ein  Pseudo- 
prophet  ist;  denn  ein  Ausspruch  des  Parakleten  lautet:  potest  ecclesia  do- 
nare  delictum,  sed  non  faciam,  ne  et  alia  delinquant.  c.  21  (p.  269,  24  . 
Ebenso  darf  man  aus  de  idol.  24  (viderimus  enim  si  seeundum  arcae  typurn 

et  corvus  et  milvus in  ecclesia  erit;    certe  idololatres   in  arcae  typo 

non  habetur)  nicht  folgern,  dass  er  nur  den  Götzendiener  dauernd  ausge- 
schlossen wissen  wollte,  gegen  die  Wiederaufnahme  von  Ehebrechern  und 
Mördern  aber  nichts  einzuwenden  gehabt  habe.  Denn  in  dieser  Schrift  will  er 
nur  das  Gewissen  der  Gemeinde  schärfen  für  die  leichteren  Formen  der 
Idololatrie ,  welche  man  nicht  als  solche  zu  behandeln  pflegte  (s.  de  idol. 
2.  3);  die  eigentlichen  schweren  Sünden  stehen  ganz  ausserhalb  der  Dis- 
cussion. 

1)  Orig.  de  oratione  c.  28  spricht  dies  deutlich  aus :  6  6h  efxnvevo&slg 
vtco  xov  'Iqaov,  ioq  ol  U7i6oxo).oi,  xal  dito  xwv  xuqtküv  yivwoxeodai  övvä- 
/iievoq,  ü>q  yojQtjGccg  xo  nvev/ta  xo  dyiov  xal  ysvö/icevoc  nrev/xaxixog  xä> 
vnb  xov  nvzifiuxoq  uyeG&ai  xqotcov  vlov  9eov  k(p  exaaxov  xwv  xarce 
'/.öyov  Tioaxxtwv  dcpl^oiv  u  idv  dtpf(  6  &sog  xal  xoaxsi  xu  dvtccxd  xajv 
u/^ccQxtjjuäxwv  vTirjoexüiv  wonso  ol  7iQoq)fjxai  iv  xä>  Xeystv  ov  xu.  l'öicc 
d/.?.ä  xu  xov  Selov  ßoi/juaxoq  xiö  &sol  ovxo)  xul  avtoq  xy  [xovo>  i<~ov- 
oiav  t/ovxi  d'fitvai  9tiö.  Doch  ist  dies  keine  authentische  Interpretation 
der  im  Occident  herrschenden  Anschauungen. 


42  Rolffs,  Das  Indulgenz-Edict. 

auf  einfache  Geistesworte  hin,  die  ein  Prophet  in  der  Gemeinde 
sprach,  Vergebung  gefunden  haben;  vielleicht  ist  bei  solchen 
Sündern  die  Wiederaufnahme  ziemlich  regelmässig  erfolgt; 
wenigstens  findet  sich  in  1  Tim.  5-221)  ein  Anhaltspunkt  für 
diese  Annahme.  Der  Verfasser  der  Pastoralbriefe  resp.  der  vor- 
liegenden Stelle  warnt  den  Adressaten,  den  man  sich  zweifel- 
los als  einen  Apostel  oder  Propheten,  also  als  einen  Geistes- 
träger zu  deüken  hat,  jemandem  leichtsinnig  die  Hände  aufzu- 
legen, damit  er  sich  nicht  fremder  Sünden  teilhaftig  mache. 
Die  Handauflegung  ist  darnach  jedenfalls  als  das  Zeichen  der 
Sündenvergebung,  der  Wiederaufnahme  in  die  Gemeinde  zu  ver- 
stehen2); daraus,  dass  der  Briefschreiber  vor  zu  rascher  Hand- 
auflegung warnt,  ist  zu  schliessen,  dass  ein  Prophet  oft  in  die 
Lage  kam,  Sündenvergebungen  auszusprechen.  Zu  den  Geistes- 
trägern, welche  die  Absolution  verkündigen  konnten,  gehörten 
nun  auch    die  Märtyrer 3)   d.  h.  solche  Christen ,   welche  unter 


1)  %£iQaq  xcr/Jw;  firjöevl  enixld-ei,  fxi]6h  xoivcövei  ufxugxiuiq  tl).koxQiaiQ. 

2)  An  dieser  Deutung  der  fraglichen  Stelle  glaube  ich  gegen  Weiss 
(Handb.  üb.  d.  Briefe  Pauli  an  Tim.  u.  Tit.  5.  Aufl.  1886  S.  217)  und  von 
Soden  (Hand-Comm.  z.  N.  T.  III  S.  244)  mit  Holtzmann  iDie  Pastoralbriefe 
S.  356)  festhalten  zu  müssen. 

3)  Preuschen  macht  hierauf  nachdrücklich  aufmerksam,  und  nach  den 
von  ihm  citierten  Stellen  ist  die  Vorstellung,  dass  der  Bischof  auf  ihre 
Fürbitte  die  Sünden  vergeben  habe,  nicht  haltbar,  vergl.  Eus.  H.  E.  V,  2: 
xöxe  6h  tcügl  [xhv  a7ie?.oyovvxo,  y.axr\yÖQOvv  6h  ovdtvoq,  sXvov  fxhv  ünavzaq, 
idtGfitvov  6h  ovSeva  xzk.  Tert.  ad  mart.  1:  Nee  illi  (diabolo  seil.)  tarn 
bene  sit  in  suo  regno,  ut  vos  committat,  sed  inveniat  munitos  et  concordia 
annatos,  quia  pax  vestra  bellum  est  illi;  quam  pacem  quidam  in  ecclesia 
non  habentes  a  martyribus  in  carcere  exorare  consueverunt.  Auch  dass 
der  Grund  dieser  Machtbefugnis  in  der  Ausrüstung  mit  dem  heil.  Geist  ge- 
sehen wurde,  lässt  sich  meines  Erachtens  nicht  bezweifeln,  wenn  man  sieht, 
wie  oft  gerade  dies  erwähnt  ist:  Eus.  H.  E.  V,  1:  Zcr/ccglaq  —  t,eo)v  ev 
7iv£vfiazi  (§  9),  i/_(ov  6h  zbv  TiuQÜy.Xrizov  iv  eavxoJ  (§  10),  vnb  6h  tiqo&v- 
fiiaq  nveißCixoQ  uvaQQeovvvfxevoq  6icc   xtjv  iystei/ievtfv   zijq  /.laQxiglas  tru- 

&vfilav  (§  29),    exüvovq  fihv  yaQ  enexoifpi'Qtv  — xb  nvexifia  xb  na- 

xqixÖv  (§34).  Tert.  ad  mart.  1:  Inprimis  ergo,  benedicti,  nolite  contristare 
spiritum  sanetum,  qui  vobiscum  introiit  in  carcerem.  3 :  Iesus  Christus,  qui 
vos  spiritu  unxit  et  ad  hoc  scamma  produxit.  Denjenigen,  welche  sich  dem 
Martyrium  unterzogen,  verlieh  also  der  Herr  nach  der  Anschauung  jener 
Zeit  seinen  Geist  und  kraft  desselben  hatten  sie  die  Binde-  und  Lösegewalt. 
Diese  Anschauung  geht  wohl  auf  Mt.  IO20  zurück,  vergl.  auch  Müller, 
Kirchengeschichte  I  S.  115. 


II.    Die  Verfügung  des  Kaliist.  43 

Verfolgungen  und  Martern  ihren  Glauben  freudig  bekannt 
hatten;  sie  hatten  nicht  nur  das  Recht  der  Fürbitte  für  die 
Sünder,  sondern  konnten  wirklich  die  Lösegewalt  ausüben.  Die 
Busspraxis  jener  Zeit  war  also  nicht  durch  juristische  Normen 
geregelt,  sondern  sie  empfing  ihre  Gesetze  durch  die  lebendige 
Wirkung  des  Gottesgeistes  in  den  besonders  begnadeten  Gliedern 
der  Gemeinde.  Dadurch  kam  es,  dass  dieselbe,  obgleich  im 
Princip  keine  Sünde  von  der  Gemeinde  vergeben  werden  konnte, 
doch  nicht  als  hart  und  drückend  empfunden  wurde.  Anders 
musste  es  werden,  als  die  Prophetie,  durch  den  Montanismus 
discreditiert  und  durch  die  sich  fixierenden  apostolischen  Normen 
der  Glaubensregel  und  der  Schriftensammlung  eingeengt,  nach 
und  nach  erlosch  und  das  Ansehen  der  Märtyrer  bei  dem 
immer  häufiger  und  leichter  werdenden  Martyrium  stetig  sank. 
Damit  schwand  für  den  Sünder  immer  mehr  die  Aussicht,  dass 
seine  Busse  ihn  wieder  in  die  Gemeinde  zurückführen  könne; 
auch  leichtere  Sünden  hatten  einen  dauernden  Ausschluss  zur 
Folge,  und  so  kam  es,  dass  zur  Zeit,  wo  Tert.  de  paen.  schrieb, 
nur  wenige  sich  entschlossen,  sich  der  Demütigung  in  der 
exomologesis  zu  unterziehen.  Wenn  Tert.  die  Sünder  daher 
so  eindringlich  ermahnt,  dieselbe  nicht  zu  unterlassen,  so  ver- 
folgt er  damit  den  Zweck,  auch  die  Gefallenen  dem  erziehen- 
den Einfluss  der  Kirche  zu  erhalten  und  sie  vor  einem  völligen 
Rückfall  in  das  heidnische  Leben  zu  schützen.  Dahin  musste 
die  Busspraxis,  wie  sie  etwa  um  200  herrschend  war,  notwendig 
führen  und  in  dieser  Notlage  scheint  sich  eine  Entwicklung 
angebahnt  zu  haben,  deren  Resultat  sich  aus  de  pudicitia  fest- 
stellen lässt. 

Hier  werden  die  Sünden  nach  ihrem  Gewicht  in  zwei  Classen 
geteilt,  in  remissibilia  und  irremissibilia,  und  zwar  gründet 
Tert.  diese  Unterscheidung  auf  1  Joh.  516.  Aber  diese  Unter- 
scheidung ist  noch  mit  grosser  Unsicherheit  behaftet  und  kei- 
neswegs zu  der  festen  Klarheit  einer  dogmatischen  Theorie 
durchgebildet.  In  cap.  2  führt  Tert.  aus,  dass  von  den  bei- 
den Classen  die  eine  der  castigatio,  die  andere  der  damnatio 
unterworfen  sei;  denn  jedes  Vergehen  müsse  entweder  durch 
Verzeihung  oder  durch  Strafe  gesühnt  werden;  damit  Ver- 
zeihung erfolgen  könne,  werde  die  castigatio  über  den  Sün- 
der verhängt,  in  der  damnatio   sei  die  Strafe   über  ihn  ausge- 


44  Rolffs,  Das  Indulgenz-Edict. 

sprochen1).  Es  ist  kaum  zweifelhaft,  dass  man  unter  castigatio  hier 
den  Bussact  zu  verstehen  hat,  welchem  vielleicht  noch  eine  längere 
Probezeit  folgte,  ehe  die  Vergebung  durch  völlige  Restitution 
als  Glied  der  Gemeinde  gewährt  werden  konnte.  Es  giebt  also 
hiernach  1.  Sünden,  welche  nach  geleisteter  Busse  vergeben 
werden  konnten;  2.  Sünden,  welche  dauernd  von  der  christlichen 
Gemeinde  ausschlössen.  Zu  der  zweiten  Klasse  gehören  allein 
Götzendienst,  Ehebruch,  Mord2),  zu  der  ersten  demnach  alle 
übrigen  Sünden. 

Dem  gegenüber  tritt  cap.  19  eine  andere  Anschauung  zu 
Tage.  Auch  hier  knüpft  die  Unterscheidung  sich  an  1  Joh.  5  16 ; 
aber  als  die  Sünden,  welche  vergeben  werden  können,  werden 
die  im  täglichen  Leben  vorkommenden  Fehltritte  genannt: 
unbillig    zürnen,    über   Sonnenuntergang    im   Zorn    verharren, 

1)  Causas  paenitentiae  delicta  condichnus.  Haec  dividimus  in  duas 
exitus.  Alia  erunt  remissibilia,  alia  irremissibilia.  Secundum  quod  nemini 
dubium  est  alia  castigationem  mereri,  alia  damnationem.  Omne  delictum 
aut  venia  dispungit  aut  poena,  venia  ex  castigatione,  poena  ex  damnatione. 
Reiff  p.  223,  29. 

2)  Auch  in  dem  Fragment  des  auf  Hippolyt  zurückgeführten  Proverbien- 
kommentars  (Migue  tom.  X  S.  621)  werden  diese  drei  als  die  eigentlichen 
Todsünden  bezeichnet:  XQelq  O-vyaxegeq  rjoav  x%  a/xapxia  dyandfievaL  dya- 
Tttfoei,  tj  TiOQreicc,  b  cpovoq,  xal  elöw/.o/.axQeia'  al  xgeiq  ovx  eveniTt'/.rjoav 
aiTj'jv.  ov  yäg  e/ujiljt/.azai.  Site  xovxmv  x<5v  TtQÜ&tov  vexQovoa  t]  ä/xagxia 
xbv  av&Qa)Ttov  /j.?]Ö£7iox£  rj/.'/.ouDfxevr],  u/.)M  nävxoxe  enav^ovaa.  Hippolyt 
folgt  hier  der  kirchlichen  Tradition;  das  ergiebt  sich  daraus,  dass  er  nicht 
zu  begründen  vermag,  weshalb  gerade  diese  drei  Sünden  und  nur  sie  den 
Menschen  für  immer  ins  Verderben  stürzen.  Denn  im  folgenden  sagt  er: 
üjgtcbq  yccQ  sv  /nev  toxi  xb  aäifia,  [At'/.rj  de  no'/.'t.a  eyei,  ovxca  xal  tj  ufiaoxla 
/ula  ovoa,  no'/.'/.uq  xal  noixü.aq  eni&vuiaq  ev  eavxy  e%ei,  öi  wv  enißovl.oq 
xwv  uv&qwthov  ylvexai.  Durch  alle  diese  Begierden  wird  der  Mensch  un- 
rettbar ins  Verderben  verstrickt:  ojg  xüoxaooq  de,  del  ev  ?.vyocödei  xal  t,ocpoj- 
dei  xöncp  vnäoywv,  ov  xaxaXa/xßävexai  vnb  dxxlvoq  <pcoxbq,  ovxcoq  de  näq 
b  ev  navxl  Ttä&ei  oaQxbq  xi]  a/uapxla  öovkewov.  Jede  Sünde  scheidet 
den  Menschen  von  der  Gemeinde  Christi;  denn:  ov  yccQ  xqotiov  b<piq  enl  nex- 
Qaq c/voTioitjoai  ov  dvvaxac,  ovxwq  oide  b  diüßo/.oq  enl  oaj/ua  Xqioxov  aßUQ- 
xlav  ^6vv^&r]  evqsZv.  Unter  „oajpia  Xqigxov"  wird  man  wohl  die  Kirche  ver- 
stehen müssen,  zumal  auch  in  den  folgenden  Sätzen  von  derselben  die  Rede 
ist ;  doch  ist  diese  Beziehung  wegen  des  ^dvvr'i&t}  nicht  ganz  sicher.  Jeden- 
falls ist  es  nicht  eine  Folge  seines  Systems ,  wenn  er  sagt ,  dass  die  Sünde 
den  Menschen  diu  xovxcov  x&v  Ttpdcewv  d  h.  Ehebruch,  Mord  und  Götzen- 
dienst töte,  sondern  vielmehr  eine  Concession  an  die  bestehende  kirchliche 
Praxis. 


II.   Die  Verfügung  des  Kaliist.  45 

jemanden  schlagen,  leichthin  fluchen,  unbesonnen  schwören, 
ein  gegebenes  Wort  nicht  halten,  aus  Schani  oder  Not  lügen, 
alles  Vergehen,  von  denen  auch  der  Gerechte  nicht  frei  bleiben 
kann,  die  aber  auf  die  Fürbitte  Christi  stets  Vergebung  finden 
—  natürlich  ohne  öffentliche  Busse.  Als  delicta,  quae  veniam 
non  capiant,  werden  dagegen  aufgezählt:  homicidium ,  idololatria, 
fraus,  negatio,  blasphemia,  moechia  et  fornicatio,  si  qua  alia  vio- 
latio  templi  dei.  Darnach  scheint  es  eine  Classe  von  Sünden, 
die  nach  vorhergegangener  öifentlicher  Busse  vergeben  werden 
können,  nicht  zu  geben.  Die  hier  als  Todsünden  aufgezählten 
Delicte  nennt  Tert.  auch  adv.  Marc.  IV.  9  als  delicta  capitalia 
mit  einer  Modifikation  (falsuni  testimonium  für  negatio):  idolo- 
latria, blasphemia,  homicidium,  adulterium,  stuprum,  falsum  testi- 
monium, fraus.  Es  sind  dieselben  Sünden  wie  Mt.  15 19:  <povoi, 
fjor/eiai,  jcogvslai.  xXojtai,  ipevöouagrvgiai,  ßXaGpt](iiar,  nur  dass 
noch  die  döooXoXaxgüa  hinzukommt;  von  diesen  Sünden  sagt 
Christus:  xavxa  tGxiv  xu  xoivovvxa  xbv  avd-gcoziov  d.  h.  sie  machen 
ihn  gemein,  stellen  ihn  der  Welt  gleich  und  schliessen  ihn  damit 
aus  der  christlichen  Gemeinde  aus.  Ahnliche  Sünden  nennt 
Paulus  1  Cor.  512:  jcogvog,  jcXeovexxtjg  (s.  xXojc/j),  döcoXola- 
rgqg,  Xoiöogog  (s.  ßXaOg)i]fila),  [itd-voog,  agjtaB,  (s.  <p6vog)  und 
befiehlt  reo  xoiovxco  (ii]6e  gvvsgMbiv,  also  jeden  derartigen 
Sünder  von  der  Gemeinde  auszuschliessen.  Es  ist  möglich, 
dass  die  von  Tert.  vertretenen  Anschauungen  betr.  der  Sünden 
auf  derartige  Stellen  zurückgehen.  Das  Charakteristische  dieser 
Todsünden  ist,  dass  sie  gegen  Gott  oder  gegen  seinen  Tempel 
d.  h.  gegen  die  christliche  Gemeinde  begangen  werden;  deshalb 
können  sie  nur  von  Gott  selbst  vergeben  werden1). 

Es  ist  ein  ebenso  zweckloses  wie  vergebliches  Bemühen,  die 
beiden  verschiedenen  Classificationen  der  Sünden  mit  einander 
in  Einklang  zu  setzen;  denn  beide  sind  unter  verschiedenen 
Gesichtspunkten  entworfen.  In  cap.  2  wird  die  Praxis,  dass 
einige  Sünden  von  der  Kirche  auf  Grund  geleisteter  Busse  ver- 
geben werden,  andere  dauernden  Ausschluss  aus  der  Gemeinde 
nach  sich  ziehen,  durch  das  johanneische  Wort  als  schriftgemäss 
bewiesen.    In  cap.  19  will  Tert.   den  scheinbaren  Widerspruch 


1)  s.  c.  21.:    quis  enim  dimittit  delicta,  ni  solus  deus?   et  utique  mor- 
talia,  quae  in  ipsum  fuerint  admissa  et  in  templum  eius. 


46  Rolffs,  Das  Indulgenz-Edict. 

zwischen  1  Job.  1  §  und  3  9  aufheben  und  greift  deshalb  die 
1  Job.  51Ö  angedeutete  Unterscheidung  der  Sünden  in  Tod- 
sünden und  vergebbare  Sünden  auf.  Die  letztere  ist  daher  für 
die  Praxis,  wenigstens  wie  sie  zu  der  Zeit  des  Erscheinens  von 
Kallists  Erlass  herrschte,  ohne  Bedeutung,  da  sich  die  Kirchen- 
zucht jener  Zeit  nicht  mit  den  Sünden  des  täglichen  Lebens 
befasste. 

Nach  der  Anschauung,  die  in  de  pud.  als  die  herrschende 
vorausgesetzt  wird,  gab  es  3  Arten  von  Sünden1): 

1.  die  Fehltritte  des  täglichen  Lebens,  welche  für  die  Buss- 
praxis indifferent  sind; 

2.  die  Vergehen,   für  welche   der  Sünder  nach  öffentlicher 
Kirchenbusse  Vergebung  empfangen  kann; 

3.  die  Todsünden,  welche  dauernd  von  der  Gemeinde  aus- 
schliessen:  Götzendienst,  Ehebruch,  Mord2). 


1)  Die  von  Preuschen  gegebene  Einteilung:  1.  Sünden  gegen  den 
Bruder;  2.  leichte  Sünden  gegen  Gott;  3.  schwere  Sünden  gegen  Gott, 
vermag  ich  mir  nicht  anzueignen ,  da  m.  E.  Tert.  c.  2.  21  Sünden  gegen 
den  Bruder  von  Sünden  gegen  Gott  nur  unterscheidet,  weil  er  die  richtige 
Anwendung  des  „dimitte  et  dimittetur  tibi"  feststellen  will;  die  Sünden 
gegen  den  Bruder  bilden  sonst  keine  selbstständige  Classe,  denn  sie  sind 
zugleich  auch  Sünden  gegen  Gott,  seien  es  nun  leichtere  oder  schwerere, 
so  wird  unter  den  leichteren  jem.  zürnen  und  jem.  schlagen,  unter  den 
schwereren  homicidium  und  fraus  genannt.  Unrichtig  ist  daher  Pr.s 
Bemerkung,  ,,dass  die  Vergebung  der  Sünden  gegen  den  Bruder  durch 
diesen  selbst  eine  vollkommene  ist,  also  nicht  mehr  einer  Bestätigung  durch 
Gott,  resp.  durch  die  Organe  der  Geistesgemeinde  bedarf."     (S.  24  Anm.  1.) 

2)  Wie  sich  diese  Dreizahl  festgestellt  hat,  entzieht  sich  unserer 
Kenntnis;  nach  den  von  Preuschen  mitgeteilten  talmudischen  Stellen  (s. 
a.  a.  O.  S.  34.  35)  ist  es  sehr  wahrscheinlich,  dass  hier  der  jüdische  Gebrauch 
von  Einfluss  auf  den  christlichen  geworden  ist,  indem  sich  dadurch  schon 
seit  früher  Zeit  in  diesen  drei  Vergehen  als  den  schwersten  Formen  der 
Sünden  gegen  Gott,  gegen  die  Heiligkeit  des  eignen  Leibes,  gegen  den 
Nächsten  für  das  christliche  Bewusstsein  der  ganze  widergöttliche  Charakter 
der  Sünde  darstellte.  Tert.,  der  diese  unveränderlich  feststehende  Dreizahl 
als  Basis  für  seine  Angriffe  gegen  Kaliist  gebraucht,  führt  sie  auf  den 
Beschluss  des  Apostelconcils  zurück:  novissimi  testamenti  semper  indemu- 
tabilis  status  est,  et  utique  recitatio  decreti  consiliumque  illud  cum  saeculo 
desinet.  satis  denegavit  veniam  eorum,  quorum  custodiam  elegit,  vindicabit 
quae  non  perinde  concessit.  hinc  est,  quod  neque  idololatriae  neque  sanguini 
pax  ab  ecclesüs  redditur.  c.  12  (p.  242,  23).  Doch  ist  das  Verhältnis  viel- 
mehr   so,    dass    dies    Decret    nachträglich    herangezogen    wird,    um    die 


II.    Die  Verfügung  des  Kaliist.  47 

Die  zweite  Gruppe,  deren  Umfang  zu  bestimmen  von  einiger 
Wichtigkeit  ist,  ist  nun  weder  von  der  ersten  noch  von  der 
dritten  Gruppe  durch  eine  scharfe  Grenze  geschieden.  Man  darf 
zunächst  mit  ziemlicher  Sicherheit  diejenigen  Sünden  in  die- 
selbe einrechnen,  welche  Tert.  weder  zur  ersten  (c.  19)  noch 
zur  dritten  (c.  25)  Classe  zählt:  blasphemia,  fraus,  falsum  testi- 
monium;  aber  alle  drei  sind  nur  Steigerungen  von  Sünden,  die 
Tert.  unter  den  Fehltritten  des  täglichen  Lebens  nennt.  Wer 
kann  die  Grenze  sicher  ziehen,  welche  das  „leichtsinnige  Fluchen" 
von  der  Blasphemie,  den  „Bruch  eines  auf  Vertrauen  gegrün- 
deten Vertrages"  vom  Betrug,  den  „unbesonnenen  Schwur"  und 
die  „Notlüge "  vom  falschen  Zeugnis  scheidet?  Dass  somit  eine 
feste  Norm,  nach  welcher  die  Sünden  der  ersten  Classe  sicher 
von  denen  der  zweiten  zu  unterscheiden  wären,  nicht  aufgestellt 
werden  kann,  leuchtet  ein;  ebenso  ist  aber  auch  die  dritte  Classe 
der  zweiten  gegenüber  nur  scheinbar  in  ihrem  Umfang  sicher 
bestimmt.  Nicht  nur  weil  jede  Blasphemie  sich  zur  negatio 
steigern  kann  und  sich  auch  hierfür  kein  absolut  sicherer  Mass- 
stab geben  lässt,  sondern  auch  weil  die  Begriffe  idololatria. 
moechia  et  fornicatio,  homicidium  durchaus  schwankend  sind. 
Wie  verschieden  die  idololatria  ihrem  Inhalt  nach  bestimmt 
werden  konnte  und  wirklich  bestimmt  wurde,  geht  schon  aus 
einer  von  Tert.s  Erstlingsschriften  de  idolol.  hervor:  eine  An- 
zahl von  Sünden,  welche  Tert.  entschieden  als  Götzendienst 
betrachtet  wissen  will,  wird  von  andern  Christen  keineswegs 
in  den  Umfang    dieses  Begriffes    eingeschlossen;   im  Gegenteil 


bestehende  kirchliche  Praxis  zu  decken.  —  Übrigens  wenn  auch  früher 
mehr  Sünden  als  unvergebbar  galten,  so  scheint  doch  nur  über  vier  Über- 
einstimmung geherrscht  zu  haben;  adv.  Marc.  IV  9  und  de  pud.  19  werden 
sieben  Sünden  als  Capital-  d.  h.  unvergebbare  Sünden  genannt,  de  idol.  1  tritt 
zu  den  3  bekannten  aber  nur  noch  fraus  als  vierte:  Quodsi  tarn  fraus 
quam  stuprum  atque  adulterium  mortem  afferunt,  iam  in  his  aeque  idolo- 
latria de  homicidii  reatu  non  liberatur.     Post  talia  crimina,  tarn  exitiosa, 

tarn    devoratoria   salutis  — .     Müller,    Kirchengesch.  I  S.  116  ist 

nicht  abgeneigt,  den  Grund  für  die  Einschränkung  der  unvergebbaren 
Sünden  in  der  falschen  Auslegung  des  Aposteldecretes  zu  suchen,  und 
nimmt  an,  dass  die  Kanonisierung  der  kurz  vorher  auftauchenden  Apostel- 
geschichte diese  Bestimmung  als  Frucht  hervorgebracht  habe.  Aber  wie 
stimmt  dazu,  dass  Hipp.  a.  a.  0.  (s.  S.  44  Anm.  2)  von  dem  Aposteldecret 
zur  Feststellung  der  Dreizahl  keinen  Gebrauch  macht? 


48  Rolffs,  Das  Indulgenz-Edict. 

werden  die  Grenzen  desselben  ziemlich  eng  gezogen.  Die  An- 
schauungen über  die  Idololatrie  sind  nun  in  der  Zeit,  welche 
de  pud.  von  de  idol.  trennt,  nicht  strenger,  sondern  laxer  ge- 
worden; selbst  Tert.,  der  früher  jede  Berührung  mit  heidnischem 
Cult  als  Götzendienst  gebrandmarkt  hatte  und  für  immer  aus  der 
Gemeinde  ausscheiden  wollte,  hat  sich  trotz  seines  Übertritts  zum 
Montanismus  zu  Concessionen  an  die  mildere  kirchliche  Praxis 
verstehen  müssen.  Teilnahme  an  den  heidnischen  Vergnügungen 
im  Circus,  Amphitheater,  Schauspiel  oder  am  Spiel,  weltlichen 
Gastmählern,  auch  die  Beteiligung  am  Götzendienst  dadurch, 
dass  man  dazu  irgendwie  einen  Beitrag  durch  seine  Kunst  ge- 
liefert hat,  fasst  er  nicht  als  eigentliche  Idololatrie  auf;  sogar 
wenn  jemand  durch  ein  doppelsinniges  Wort  zum  Verleugner 
oder  Lästerer  geworden  ist,  will  er  darin  nicht  eine  die  kirch- 
liche Gemeinschaft  dauernd  aufhebende  Todsünde  sehen1).  Viel- 
mehr soll  bei  allen  diesen  Sündern  nach  dem  Grundsatz  ver- 
fahren werden:  sie  müssen  aufgesucht  und  zurückgerufen  werden; 
was  der  kirchlichen  Gemeinschaft  wiedergewonnen  werden  kann, 
ist  nur  verloren,  wenn  es  draussen  bleibt.  Also  alle  diese  leich- 
teren Formen  der  Idololatrie  werden  als  vergebbare  Sünden 
angesehen,  auch  hier  ist  mithin  die  Grenze  zwischen  leichtem 
und  schwerem  Götzendienst  kaum  zu  ziehen,  die  dritte  Classe 
von  der  zweiten  nicht  scharf  zu  scheiden.  Da  das  heidnische 
Leben,  welches  die  Christen  umgab,  sie  auf  Schritt  und  Tritt 
mit  dem  Cult  der  Götter  in  Berührung  brachte,  so  waren  sie 
so  vielfachen  und  starken  Versuchungen  ausgesetzt,  dass  man 
ein  Unterliegen  unter  dieselben  nicht  als  allzu  schwere  Sünde 
ansehen  durfte  und  mithin  Grund  hatte,  den  Begriff  der  unver- 
gebbaren  Idololatrie  nicht  zu  eng  zu  fassen.  Eher  liess  sich 
schon  die  Sünde  des  homicidium  fest  bestimmen,  da  sie  nicht 
in  so  viel  verschiedenen  Gestalten  auftreten  konnte;  es  war 
eigentlich  nur  zu  unterscheiden   zwischen  qualificiertem  Mord 

1)  Perit  igitur  et  fidelis  elapsus  in  spectaculum  quadrigarii  furoris  et 
gladiatorii  cruoris  et  scenicae  foeditatis  et  xysticae  vanitatis,  [aut  si]  in 
lusus,  in  convivia  saecularis  sollemnitatis,  in  officium,  in  ministerium  alienae 
idololatriae  aliquas  artes  adhibuit  aut  incuriosius  in  verbum  ancipitis  ne- 
gationis  aut  blasphemiae  impegit.  ob  tale  aliquid  extra  gregem  datus  est 
vel  et  ipse  forte  ira  tumore  aemulatione,  quod  denique  saepe  fit,  dedignatione 
castigationis  abrupit.  debet  requiri  atque  revocari;  quod  potest  recuperari 
non  perit  nisi  foris  perseveravit.    c.  7  (p.  232,  21). 


II.    Die  Verfügung  des  Kaliist.  49 

und  unvorsätzlicher  Tötung;  ob  beide  in  der  Busspraxis  gleich 
behandelt  sind,  kann  man  nicht  mit  Sicherheit  feststellen,  wenig- 
stens nicht  für  die  fragliche  Zeit  und  für  die  römische  Kirche. 
Die  Beschlüsse  von  Elvira  kennen  zwar  auch  verschiedene  Ab- 
stufungen des  homicidium1);  aber  dieselben  stellen  uns  die  Buss- 
praxis auf  einer  Stufe  dar,  auf  welche  sie  erst  durch  den  Erlass 
Kallists  trat;  sie  können  also  hier  nicht  als  Quelle  dienen.  Mög- 
lich bleibt  freilich  immerhin ,  dass  man  auch  schon  zur  Ab- 
fassungszeit von  de  pud.  zwischen  verschiedenen  Arten  des 
homicidium  zu  unterscheiden  pflegte,  dass  also  auch  dieser  Be- 
griff schwankend  war.  Am  wenigsten  waren  vielleicht  die  Be- 
griffe moechia  und  fornicatio  mit  solchen  Unklarheiten  behaftet; 
freilich  die  ohne  Bekanntmachung  bei  der  Gemeinde  geschlosse- 
nen Ehen  als  Unzucht  zu  behandeln,  war  eine  montanistische 
Rigorosität,  die  sicher  nicht  die  grosskirchliche  Praxis  be- 
herrschte; aber  die  christliche  Gemeinde,  die  ihren  Ruhm  darin 
fand,  mitten  in  einer  von  Unkeuschheit  zerfressenen  Welt,  da- 
zustehen als  die  unbefleckte  Braut  Christi,  wachte  eifersüchtig 
über  diesen  Ruhm,  und  wie  Keuschheit  als  die  höchste  Tugend 
palt,  so  wurde  Unkeuschheit  als  schwerste  Sünde  betrachtet; 
alles,  was  daher  unter  den  Titel  moechia  und  fornicatio  fiel, 
hatte  nicht  auf  Nachsicht  bei  der  Gemeinde  zu  rechnen,  und 
dem  Unzüchtigen  mildernde  Umstände  zuzugestehen,  war  man 
sicher  nicht  geneigt.  Es  ist  auch  schwer  zu  sagen,  was  als 
solche  hätte  gelten  können;  weder  die  Stärke  der  Versuchung 
konnte  hier  als  Entschuldigung  dienen,  noch  konnten  Un- 
zuchtsünden als  der  unbeabsichtigte  Erfolg  einer  an  sich  milder 
zu  beurteilenden  Handlung  gelten2).     Da  sich   der  Begriff  von 


1)  Can.  V:  Si  qua  doniina  furore  zeli  a  causa  verberaverit  ancillain, 
ita  ut  in  tertium  diem  animam  cum  cruciatu  effundat,  eo  quod  incertum 
sit,  voluntate  an  eam  occiderit:  si  voluntate,  post  septem  annos,  si  casu, 
post  quinquennii  tenipora  acta  legitima  paenitentia,  ad  communionem 
placuit  admitti.  Quod  si  infra  tempora  constituta  fuerit  infirmata,  acdpiat 
communionem  (]\lansi  II  p.  6). 

2)  Hierfür  darf  man  sich  auf  Cyprian  berufen,  der  ep.  55  c.  26  (Hartel  I 
|J44)  den  Gedanken  Tert.s  aus  de  pud.  22  ip.  273,  5  ff),  dass  der  Verleugnende 
invitus,  der  Ehebrecher  voluntarius  sündige,  ausführend  schreibt:  quando 
multo  et  gravior  et  peior  sit  moechi  quam  libellatici  causa,  cum  hie  neces- 
sitate  ille  voluntate  peceaverit,    hie    esistimans  sibi   satis  esse  quod  non 

Texte  u.  Untersuchungen  XI,  3.  4 


50  Rolffs,  Das  Indulgenz-Edict. 

moechia  und  fornicatio  auch  als  jeder  geschlechtliche  Verkehr, 
welcher  nicht  durch  eine  factisch  bestehende  Ehe  legitimiert  ist, 
ziemlich  bestimmt  definieren  lässt,  so  ist  anzunehmen,  dass  sich 
auf  diesem  Punkt  die  festesten  Normen  für  die  Busspraxis  aus- 
gebildet haben. 

Das  Resultat  dieser  Erörterung  lässt  sich  in  folgenden 
Sätzen  zusammenfassen: 

1.  Die  Sünden  der  zweiten  Classe,  welche  nach  öffentlicher 
Busse  vergeben  werden  können,  sind  solche,  welche  gegen  Gott 
begangen  sind  oder  eine  violatio  templi  dei  einschliessen,  d.  h. 
welche,  indem  sie  öffentliches  Ärgernis  erregen,  das  christliche 
Gemeinschaftsleben  stören. 

2.  Es  gehören  dazu  einmal  die  Fehltritte  des  täglichen 
Lebens,  wenn  sie  sich  bis  zum  öffentlichen  Ärgernis  steigern, 
sodann  aber  auch  die  Todsünden  der  Idololatrie  und  vielleicht 
auch  des  homicidium,  wenn  sie  in  einer  besonders  leichten 
Form  auftreten. 

3.  Es  lässt  sich  keine  feste  Norm  aufstellen,  nach  welcher 
die  Sünden  der  zweiten  Classe  sowohl  von  denen  der  ersten 
wie  von  denen  der  dritten  sicher  zu  scheiden  wären;  sondern 
ein  Urteil  darüber  kann  nur  immer  für  den  einzelnen  concreten 
Fall  unter  Berücksichtigung  aller  begleitenden  Umstände  gefällt 
werden. 

4.  Die  Sünden  der  moechia  und  fornicatio,  zu  welchen  aber 
factisch  bestehende,  doch  bei  der  Kirche  nicht  angemeldete 
Ehen  nicht  gerechnet  werden,  gehören  immer  in  die  dritte  Classe. 

Es  ist  versucht  worden,  den  Kreis  der  vergebbaren  Sünden 
möglichst  genau  festzulegen,  da  damit  zugleich  die  Macht- 
befugnis des  Bischofs  bestimmt  ist;  denn  dieser  hatte  als  Ver- 
treter der  Gemeinde  das  Recht,  die  Vergebung  für  öffentlich 
gebüsste  Sünden  auszusprechen1).  Damit  übte  er  eine  Function 
aus,    die  zur  Abfassungszeit  von   de  paenitentia  ausschliesslich 


sacrificarit  errore  deceptus  sit,  ille  matrimonii  expugnator  alieni  vel  lupanar 
ingressus  ad  cloacam  et  caenosam  voraginem  vulgi  sanctificatum  corpus  et 
Dei  templum  detestabili  conluvione  violaverit. 

1)  Quod  si  dementia  dei  ignorantibus  adhuc  et  infidelibus  competit, 
utique  et  paenitentia  ad  se  clementiam  invitat,  salva  illa  paenitentiae  specie 
post  fidern,  quae  aut  levioribus  delictis  venia m  ab  episcopo  consequi 
potent,  aut  maioribus  et  irremissibilibus  a  deo  solo  c.  18  (p.  261,  23). 


II.    Die  Verfügung  des  Kallist.  5] 

den  Geistesträgern  d.  h.  Propheten  und  Märtyrern  zustand. 
Diese  bischöfliche  Machtbefugnis  bildet  nun  die  Grundlage, 
von  der  aus  Kallist  es  unternehmen  konnte,  durch  seine  Ver- 
fügung auf  die  Busspraxis  einzuwirken;  ihrem  Avesentlichen  In- 
halt nach  ist  sie  durch  die  auf  Grund  der  obigen  Erörterung 
aufgestellten  Sätze  bestimmt:  es  bedarf  aber  noch  einer  Unter- 
suchung über  die  Art  der  öffentlichen  Busse  und  über  die 
Stellung  der  Märtyrer  in  der  Busspraxis,  um  ein  möglichst 
vollkommenes  Verständniss  der  bischöflichen  Lösegewalt  zu 
erreichen. 

Nach  dem  aus  de  paen.  von  der  Busspraxis  gewonnenen 
Bilde  musste  sich  die  Busse  in  dem  Act  der  exomologesis  voll- 
enden; eine  Wiederaufnahme  der  Gefallenen  in  die  Gemeinde 
erfolgte  in  der  Regel  nicht;  trotzdem  darf  man  nicht  annehmen, 
dass  sie  nun  völlig  von  der  Gemeinde  geschieden  waren;  sie 
werden  am  Gemeindegottesdienst  wenigstens  soweit  teilge- 
nommen haben  als  dies  auch  Ungetauften  gestattet  war,  viel- 
leicht durch  ihre  Kleidung  und  ihren  Platz  als  Büsser  gekenn- 
zeichnet. Nun  ist  es  fraglich,  ob  die  Wiederaufnahme  in  die 
Gemeinde,  welche  in  etwas  späterer  Zeit  der  Bischof  gewissen 
Sündern  gewähren  konnte,  gleich  nach  dem  Act  der  exomo- 
logesis erfolgte,  oder  ob  die  spätere  Sitte,  wonach  die  Büsser 
erst  noch  eine  bestimmte  Zeit  ausserhalb  der  Gemeinde  bleiben 
mussten,  in  jene  Zeit  zurückreicht  und  ob  der  Bischof  das  Recht 
hatte,  die  Dauer  dieser  Probezeit  festzusetzen.  Das  letztere  ist 
das  wahrscheinlichere;  denn  die  ev.  Wiederaufnahme  durch 
Geistesträger  erfolgte  auch  nicht  unmittelbar  nach  der  exomo- 
logesis, sondern  erst  wenn  dem  Propheten  eine  diesbezügliche 
Offenbarung  zu  teil  wurde;  die  subjective  Vorbedingung  zum 
Empfang  einer  solchen  war  aber  jedenfalls  die  Erfahrung  des 
Propheten  von  der  untadelhaften  Führung  des  Sünders  in  seiner 
Busszeit.  Dieses  wird  auch  die  Voraussetzung  gewesen  sein, 
unter  welcher  der  Bischof  den  Sünder  wieder  aufnahm.  Wenn 
aber  die  Festsetzuno-  der  Probezeit  von  dem  Bischof  abhino-, 
so  musste  dadurch  die  Vorstellung  von  seiner  Machtbefugnis 
bei  der  Gemeinde  bedeutend  gesteigert  werden.  —  Das  Ver- 
hältnis, in  welchem  die  schweren  Sünder  zu  der  Gemeinde  standen, 
bestimmt  sich  auch  schon  durch  die  auf  Grund  von  de  paen. 
dargestellte  Praxis.     Wie  in  der  früheren  Zeit  alle  Sünder  nach 

4* 


52  Rolffs,  Das  Indulgenz-Edict. 

der  exomologesis  ausserhalb  der  Gemeinde  blieben  und  nur  als 
büssende  mit  ihr  in  Zusammenhang  standen,  so  nahmen  in  der 
Zeit,  wo  de  pud.  verfasst  wurde,  nur  diejenigen,  welche  Tot- 
schlag, Ehebruch,  Götzendienst  begangen  hatten,  diese  Stellung 
ein.  Dies  bezeugt  Tert.  aber  auch  ausdrücklich  sowohl  von  der 
Grosskirche1)  als  auch  von  der  montanistischen  Gemeinde2). 
Jene  schweren  Sünder  waren  also  der  erziehlichen  Einwirkung 
der  Kirche  nicht  völlig  entzogen,  und' es  war  der  Gemeinde 
möglich,  aus  der  Art,  wie  sie  sich  in  ihrer  Büsserstellung  hielten, 
einen  Schluss  auf  die  Aufrichtigkeit  ihrer  Bussgesinnung  zu  ziehen. 
Es  ist  oben  auf  die  Thatsache  hingewiesen,  dass  die  Mär- 
tyrer das  Recht  der  Sündenvergebung  in  einzelnen  Fällen  aus- 
geübt haben;  dass  sie  dasselbe  verloren  hätten,  als  die  Abso- 
lutionsgewalt für  gewisse  Fälle  an  den  Bischof  überging,  ist 
nicht  anzunehmen;  vielmehr  da  wir  Cyprian  noch  im  Kampf 
gegen  ihre  Anmassungen  sehen,  so  müssen  wir  schliessen,  dass 
sich  die  Märtyrer  in  ihrer  Stellung  als  Absolution  spendende 
Geistesträger  auch  bei  fortschreitender  Entwicklung  der  Kirche 
behauptet  haben.  Nur  werden  die  Bischöfe  mit  aller  Energie  dar- 
auf hingewirkt  haben,  dass  die  ihnen  zustehenden  Fälle  nicht  von 
den  Märtyrern  entschieden  wurden,  sondern  ihre  Absoluta ons- 
o-ewalt  auf  die  schwereren  Sünden  beschränkt  blieb;  dann  standen 
sie  so  stark  unter  dem  Druck  der  öffentlichen  Meinung  und  der 
geltenden  Sittlichkeitsgrundsätze,  dass  ein  excessiver  Gebrauch 
ihres  Rechtes  abgeschnitten  war.  In  dieser  Stellung  der  Mär- 
tyrer lag  ein  starkes  Hindernis  für  die  weitere  Ausbreitung  der 
bischöflichen  Absolutionsgewalt;  denn  mochte  auch  immerhin 
dadurch,  dass  die  als  un vergebbar  geltenden  Sünden  hin  und 
wieder  von  Märtyrern  vergeben  wurden,  das  Gefühl  für  die  ab- 
solute Unerlässlichkeit  dieser  Delicte  in  der  Gemeinde  abge- 
stumpft   sein,    so    konnte   der  Bischof  doch  auf  den  heftigsten 

1)  Pariter  de  paenitentiae  officio  sedent  in  sacco  et  cinere  inhorrescunt, 
eodem  fletu  ingerniscunt,  eisdern  precibus  ambiunt,  eisdem  genibus  exorant, 
eandein    invocant    ruatrern,     Quid  agis,    rnollissima   et  burnauissima  disci- 

plina? Idololatren  quidem  et  bomicidam  semel  dauinas,   nioecbuui 

vero  de  iriedio  excipis?  c.  5  (p.  227,  22). 

2)  Adsistit  errim  pro  foribus  eius  (ecclesiae  seil.)  et  de  notae  suae 
exernplo  ceteros  admonet  et  lacrimas  fratrum  sibi  quoque  advocat  et  redit 
plus  utique  negotiata,  compassionem  scilicet  quam  communicationeru 
c.  3  (p.  225,  6). 


II.    Die  Verfügung  des  Kailist.  53 

Widerstand  von  Seiten  der  Märtyrer  rechnen,  wenn  er  seine 
Gewalt  auf  das  von  ihnen  beherrschte  Gebiet  auszudehnen 
versuchte. 

Sind  diese  Darlegungen  im  wesentlichen  zutreffend,  so  er- 
geben sich  daraus  als  die  geschichtlichen  Voraussetzungen, 
unter  welchen  die  Möglichkeit  der  Verfügung  Kallists  zu  be- 
greifen ist,  folgende  Punkte: 

1.  Der  Bischof  hat  das  Recht,  gewisse  öffentliches  Ärger- 
nis erregende  Sünden,  zu  welchen  auch  die  leichten  Formen 
der  idololatria  und  vielleicht  des  homicidium  gehören,  nach 
öffentlich  geleisteter  Busse  zu  vergeben. 

2.  Er  hat  im  einzelnen  Fall  zu  entscheiden1),  welche  Sünden 
öffentlich  gebüsst  werden  müssen  und  welchen  Vergebung  ge- 
währt werden  darf:  vielleicht  hat  er  auch  die  Dauer  der  Probe- 
zeit für  die  Büsser  festzusetzen.  Er  kann  also  eine  Gewalt  aus- 
üben, welche  sich  nicht  durch  feste  äussere  Normen  regeln  lässt. 

3.  Die  Götzendiener,  Ehebrecher  und  Totschläger  bleiben 
in  demselben  Zusammenhang  mit  der  Gemeinde  wie  diejenigen, 
welche  um  leichterer  Sünden  willen  zeitweilig  eine  Büsserstellung 
einnehmen;  sie  stehen  also  unter  ihrem  erziehlichen Einfluss,  und 
es  ist  ihr  auch  ein  Urteil  über  die  Wirkung  der  Busszeit  auf 
die  Pönitenten  möglich. 

Die  Erörterungen  zeigen  aber  auch  die  Grenzsteine,  welche 
Kailist  durch  seinen  Erlass  zu  verschieben  bemüht  war;  sie  lassen 
sich  durch  folgende  Sätze  bezeichnen: 

1.  Alle  Formen  der  moechia  und  fornicatio  sind  schlecht- 
hin von  der  kirchlichen  Vergebung  ausgeschlossen. 


1)  Tert.  berichtet  zwar  Apol.  39,  dass  die  ganze  Gemeinde  Gericht 
über  den  Sünder  hält:  Nam  et  iudicatur  magno  cum  pondere.  ut  apud 
certos  de  dei  conspectu  summumque  futuri  iudicii  praeiudicium  est,  si  quis 
ita  deliquerit,  ut  a  communicatione  orationis  et  conventus  et  omnis  sancti 
commercii  relegetur;  praesident  probati  quique  seniores.  Aber  dass  die 
Ausübung  der  Disciplinargewalt  bald  ein  Vorrecht  des  Bischofs  wurde, 
ist  bei  der  Entwicklung  des  Episkopates  im  Abendland  a  priori  wahr- 
scheinlich und  wird  auch  durch  Origenes  bezeugt.  Comm.  in  Matth. 
tom.  XVI  c.  8,  wo  er  von  den  Pflichten  der  aQ'/ovxe g  xT\q  exx?.?joiaq  spricht: 
toxi  d°  ots  ZQtj,  zaxä  xr\v  dnooxo/.izrjv  tpa>vijv,  xovq  a/xaQxävovxaq  i-ve&TUOV 
tcÜvxojv  t/.iy/eiv  'Iva  xal  ol  ?.oinol  (fößov  tya>oiv  toxi  6y  oxe  dsi  -/Qtjoä- 
[Asvov  xT(  egovoiq  TiaQaöolvui  xiva  ,,xo~>  aaxavä  eiq  ble&Qov  x?jq  oaQxbq 
'Iva  xu  nvsvfia  gwST,  iv  x7,  rtftepq  xov  xvqiov"  (s.  Lommatzsch  Tom.  IV  S.  26). 


.-,4  Rolffs,  Das  Indulgenz-Edict, 

2.  Der  Bischof  als  solcher  gilt  nicht  als  Geistesträger;  er 
ist  daher  in  der  Busspraxis  gebunden  an  die  durch  das  christ- 
liche Herkommen  ausgeprägten  Normen  und  nicht  berechtigt, 
dieselben  nach  eigenem  Ermessen  umzugestalten. 

3.  In  dem  Bestreben,  seine  Absolutionsgewalt  auf  die 
eigentlichen  Todsünden  auszudehnen,  musste  er  notwendig  in 
Concurrenz  mit  den  Märtyrern  treten  und  deren  Rechte  verkürzen. 

In  drei  wichtigen  Punkten  wurde  also  die  kirchliche  Buss- 
praxis durch  Kallists  Erlass  umgestaltet;  derselbe  musste  daher 
lebhaften  Widerspruch  bei  allen  conservativ  gesinnten  Christen 
hervorrufen,  wenn  es  dem  Bischof  nicht  gelang,  die  Anstösse 
seiner  Verfügung  zu  beseitigen.  Dazu  musste  er  ein  Dreifaches 
leisten: 

1.  er  musste  auf  Grund  der  Schrift  nachweisen,  dass  Un- 
zuchtsünden zu  den  vergebbaren  zu  rechnen  seien; 

2.  er  musste  sein  Recht,  neue  Grundsätze  für  die  Sünden- 
vergebung aufzustellen,  unwidersprechlich  beweisen; 

3.  er  musste  die  zu  erwartende  Opposition  der  Märtyrer  im 
Voraus  zu  entkräften  suchen. 

Es  ist  nun  die  Frage,  ob  und  in  wie  weit  Kailist  diese  Auf- 
gabe gelöst  hat  und  ob  er  diese  Lösung  in  unmittelbarem  Zu- 
sammenhang mit  dem  Erlass  gegeben  hat. 

3.  Die  Begründung  der  von  Kaliist  in  Anspruch 
genommenen  bischöflichen  Ahsolutionsgewalt. 

In  cap.  21  wendet  sich  Tert.s  Polemik  zweifellos  an  den 
auch  in  cap.  1  bekämpften  Gegner,  den  römischen  Bischof. 
Denn  er  wirft  ihm  vor,  dass  er,  der  durch  seine  Stellung  nur 
die  officia  disciplinae  besitze,  sich  widerrechtlich  die  potestas 
eiusmodi  peccatorum  (d.  h.  Unzuchtsünden)  remittendorum  an- 
gemasst  habe.  r)  Tert.  weist  nun  in  diesem  Abschnitt  nach, 
dass  der  Bischof  die   Absolutionsgewalt   nicht   besitze,   indem 


1)  exhibe  igitur  et  nunc  mihi,  apostolice,  prophetica  exempla,  ut 
agnoscam  divinitatem  et  vindica  tibi  delictorum  eiusmodi  remittendorum 
potestatem,  quod  si  disciplinae  solius  officia  sortitus  es,  nee  imperio  prae- 
sidere ,  sed  ministerio,  quis  aut  quantus  es  indulgere,  qui  neque  prophetam 
nee  apostolum  exhibens  cares  ea  virtute  cuius  est  indulgere?    (p.  269,  16). 


II.    Die  Verfügung  des  Kailist.  55 

er  darlegt,  1.  dass  der  Bischof  nur  in  der  disciplina,  nicht  in 
der  potestas  Nachfolger  der  Apostel  sei,  dass  die  Sündenver- 
gebung aber  aus  der  letzteren  hervorgehe;  2.  dass  der  Bischof 
|  als  sacerdos )  nicht  der  legitime  Vertreter  der  Kirche  sei,  welche 
Sünden  vergeben  könne,  sondern  dass  diese  als  die  Gemein- 
schaft der  spiritales  durch  einen  spiritalis  homo  vertreten  werde. 
Daraus  ist  deutlich:  1.  Kaliist  hat  die  in  Anspruch  genommene 
Absolutionsgewalt  aus  der  Praxis  der  Apostel  abgeleitet.  2.  Er 
hat  den  Satz  aufgestellt,  dass  die  Kirche  Sünden  vergeben  könne 
und  er  der  Vertreter  derselben  sei.  In  welcher  Form  das 
erstere  geschehen  ist,  kann  hier  noch  nicht  erörtert  werden. 
Was  den  zweiten  Punkt  angeht,  so  citiert  Tert.  als  Grundsatz 
seines  Gegners:  Habet  potestatem  ecclesia  delicta  donandi  d.  h. 
die  Kirche  hat  das  Recht,  reuige  Sünder  wieder  in  ihre  Ge- 
meinschaft aufzunehmen.  Wahrscheinlich  hat  Kaliist  diesen  Ge- 
danken auch  in  den  mitgetheilten  Worten  ausgesprochen,  da  Tert, 
sein  Citat  durch  inquis  einführt.  Als  Vertreter  der  Kirche  in 
diesem  Punkt  hat  er  sich  dann  durch  Matth.  16 1S  zu  legiti- 
mieren gesucht.  Tert.  hat  uns  auch,  wie  mir  scheint,  die  Form 
erhalten,  in  der  dies  geschehen  ist.  Er  schreibt1):  „Über  deine 
Ansicht  stelle  ich  jetzt  ein  Verhör  an,  woher  du  dies  Recht 
der  Kirche  dir  anmasst.  Wenn  du,  weil  der  Herr  dem  Petrus 
gesagt  habe:    ,auf  diesen  Felsen  will   ich  meine  Kirche  bauen, 

1)  De  tua  nunc  sententia  quaero,  unde  hoc  ius  usurpes.  Si  quia 
dixerit  Petro  dominus:  super  haue  petram  aedificabo  ecclesiam  nieam.  tibi 
dedi  claves  regni  caelestis,  vel:  quaeeunque  alligaveris  vel  solveris  in  terra, 
erunt  alligata  vel  soluta  in  caebis,  ideirco  praesumis  et  ad  te  derivasse 
solvendi  et  alligandi  potestatem,  id  est  ad  omnem  ecclesiam  Petri  pro- 
pinquam,  —  qualis  es,  evertens  atque  commutans  manifestam  domini  inten- 
tionem  personaliter  hoc  Petro  conferentem?  Oehler,  dem  auch  Reifferscheid 
und  Preuschen  folgen,  setzt  hinter  propinquam  ein  Fragezeichen,  sodass  zu 
übersetzen  wäre:  „ —  woher  du  dieses  Recht  dir  anmasst.    Etwa  weil  der 

Herr  zu  Petrus  spricht —  deshalb  behauptest   du,   er  habe  auf 

dich —   — '?    Wer  bist  du,  dass  du ?    Dagegen  ist  aber  zu 

sagen:    1.  Si  quia ideirco  praesumis  ist  ein  regelrechter  Condicional- 

satz,  welcher  nur  mit  unerträglicher  Härte  als  Fragesatz  aufgefasst  werden 
kann.  2.  Der  Satz:  qualis  es  etc.  wird  durch  diese  Fassung  ganz  matt  und 
eindruckslos.  Dagegen  wird  bei  der  mitgeteilten  Interpunktion  der  Satz 
Si  —  praesumis  regelrecht  als  Condicionalsatz  construiert,  dessen  Nachsatz 
dann  des  grösseren  Nachdrucks  halber  in  der  entrüsteten  Frage  folgt : 
qualis  es  etc. 


56  Rolfi's,  Das  Indulgenz-Edict. 

dir  habe  ich  die  Schlüssel  des  Himmelreichs  gegeben'  oder  ,alles, 
was  du  binden  und  lösen  wirst  auf  der  TErde,  wird  gebunden 
und  gelöst  sein  im  Himmel',  —  deshalb  behauptest,  er  habe 
auch  auf  dich  die  Binde-  und  Lösegewalt  übergeleitet,  d.  h. 
doch  ,auf  jede  dem  Petrus  verwandte  Gemeinde',  —  ja,  wer 
bist  du  denn,  dass  du  verdrehst  und  veränderst  die  offenbare 
Absicht  des  Herrn,  die  doch  auf  die  Person  des  Petrus  dies 
überträgt?"  Schon  daraus,  dass  Tert.  schreibt  „quia  reliquerit", 
also  die  indirecte  Rede  gebraucht,  lässt  sich  entnehmen,  dass 
er  Worte  Kallists  referierend  mitteilt.  Deutlicher  wird  dies 
noch  durch  die  Wendung:  „ad  te  derivasse  solvendi  et  alli- 
gandi  potestatem  id  est  ad  omnem  ecclesiam  Petri  propinquam." 
Das  id  est  in  der  indirecten  Rede  wäre  gar  nicht  zu  verstehen, 
wenn  Tert.  den  Satz  frei  gebildet  hätte.  Man  sieht  auch  gar 
nicht  ein,  wie  er  dazu  gekommen  sein  sollte,  das  te  mit  id  est 
etc.  zu  umschreiben ,  was  nur  eine  Abschwächung  seiner  Pole- 
mik bedeutet.  Er  will  seinem  Gegner  die  Anmassung  vor- 
halten, welche  darin  liegt,  dass  er  aus  der  von  Christus  dem 
Petrus  persönlich  gegebenen  Zusage  eine  Machtbefugnis  für 
sein  bischöfliches  Amt  ableitet;  deshalb  sagt  er:  „Weil  der 
Herr  dem  Petrus  jene  Verheissung  gegeben  hat,  deshalb  be- 
hauptest du,  er  habe  auf  dich  diese  Vollmacht  übertragen?" 
Er  muss  aber  hinzufügen  ..id  est  ad  omnem  ecclesiam  Petri 
propinquam",  weil  dies  durch  die  Form,  wie  Kallist  Matth.  16  1S 
auf  sich  bezogen  hatte,  gefordert  war.  Dieser  hatte  gesagt: 
„In  Petrus  hat  der  Herr  die  Lösegewalt  auf  jede  dem  Petrus 
verwandte  Gemeinde  übertragen";  darin  lag:  also  die  römische 
Gemeinde  besitzt  sie  und  damit  habe  ich  sie.  So  erklärt  sich 
der  Satz  Tert.s:  „auf  dich  (denn  darauf  kommt  der  Ausdruck 
ad  omnem  ecclesiam  Petri  propinquam  hinaus)  soll  der  Herr 
diese  Vollmacht  übertragen  haben?"  —  Also  man  darf  annehmen, 
dass  Tert.  sich  in  dem  Satze  auf  Worte  Kallists  bezieht;  diese 
könnten  dann  etwa  gelautet  haben:  quia  dixit  Petro  dominus : 
super  haue  petram  aedificabo  ecclesiam  meam,  tibi  dedi  claves 
regni  caelestis,  vel,  quaeeunque  alligaveris  vel  solveris  in  terra, 
erunt  alligata  vel  soluta  in  caelis,  derivavit  solvendi  et  alligandi 
potestatem  ad  omnem  ecclesiam  Petri  propinquam. 

Es  fragt  sich   nun,  wo  Kallist  diesen  Satz  ausgesprochen 
hat,   ob    er   ein  Teil    der  Verfügung    gewesen  oder  ob   er  aus 


II.   Die  Verfügung  des  Kailist.  57 

einer  andern  unabhängig  von  derselben  erschienenen  Schrift 
des  Bischofs  entnommen  ist.  Ist  das  letztere  der  Fall,  so  rnuss 
diese  Schrift  in  knapper,  gedrängter  Sprache  verfasst  gewesen 
sein.  Denn  Kaliist  spart  sich  den  Beweis  dafür,  dass  er  die 
an  Petrus  gerichtete  Zusage  auf  sich  beziehen  darf;  er  präsu- 
miert einfach:  weil  Christus  die  Absolutionsgewalt  an  Petrus 
übertragen,  deshalb  ist  sie  im  Besitz  der  von  ihm  gegründeten 
Gemeinden,  deren  Vertreter  selbstverständlich  die  Bischöfe  sind. 
In  einem  ausführlichen  theologischen  Tractat  wäre  ein  Beweis 
dafür,  dass  der  Episkopat  die  Gemeinde  in  der  Ausübung  der 
Absolutionsgewalt  vertritt,  kaum  zu  umgehen  gewesen.  Die 
kurze  Wendung,  mit  welcher  Kaliist  hier  die  Lösegewalt  in 
Anspruch  nimmt,  hat  am  ersten  in  einem  Schriftstück  Platz, 
welches  durch  den  kategorischen  Ton  einer  obrigkeitlichen 
Kundgebung  charakterisiert  ist.     In    dem  von  Tert.   als  Edict 

citierten  Satz:    „Ego  et  moechiae dimitto"  wird  nun 

durch  die  gesperrte  Stellung  des  ego  auf  die  Person  des 
edicierenden  Bischofs  ein  solcher  Nachdruck  gelegt,  dass  sich 
derselbe  gegenüber  den  andern  in  eine  Primatstellung  zu  setzen 
scheint,  für  die  er  sein  Recht  erst  nachweisen  musste.  Diese 
Begründung  sucht  Kaliist  eben  durch  Mt.  16  l8  zu  geben;  er  be- 
hauptet, dadurch  sei  die  Absolutionsgewalt  auf  jede  durch  Petrus 
gegründete  Gemeinde  übergegangen;  infolge  dessen  kann  er 
als  Vertreter  der  Gemeinde,  deren  Petrinischer  Ursprung  über 
jeden  Zweifel  erhaben,  ja  vielleicht  allein  noch  mit  dem  Schein 
eines  historischen  Beweises  zu  decken  war,  auch  gegen  den 
bisherigen  Brauch  Unzüchtige  von  ihren  Sünden  lösen.  Im 
Zusammenhang  mit  dieser  Deduction  verliert  das  ego  das 
anstössige  seiner  gesperrten  Stellung,  was  es  bei  völlig  isolierter 
Stellung  des  Satzes  hat,  und  andererseits  ist  es  sehr  erklärlich, 
dass  Tert.  diesen  Satz  aus  dem  Zusammenhang  riss  und  ihn 
abrupt  an  die  Spitze  stellte,  wo  er  bei  jedem  Leser  ein  un- 
günstiges Vorurteil  erwecken  musste  für  den  römischen  Bischof 
durch  den  anmasseuden  Ton,  der  dann  in  voller  Schärfe,  durch 
nichts  gemildert,  daraus  hervorklingt.  —  Man  darf  deshalb  viel- 
leicht vermuten,  dass  die  beiden  Sätze  in  Verbindung  gestanden 
haben,  und  man  könnte  versuchen,  dieselbe  durch  eine  leichte 
Änderung  wiederherzustellen,  wenn  man  schreibt:  quia  dicens 
Petro  dominus derivavit  solvendi  et  alligandi  pote- 


58  Rolffs,  Das  Indulgenz-Edict. 

statem  ad  orunein  ecclesiara  Petri  propinquaru,  ego  et  moechiae 
et  fornicationis  delicta  paenitentia  functis  diniitto. 

Hiernach,  wäre  anzunehmen,  dass  auch  der  früher  citierte 
Satz :  Habet  potestatem  ecclesia  delicta  donandi  in  dem  Erlass 
gestanden  hat,  und  dann  würde  er  die  Grundlage  für  die  an- 
dere Argumentation  gebildet  haben.  Kaliist  stellt  zunächst  fest, 
dass  die  Kirche  als  Ganzes  das  Recht  der  Sündenvergebung 
besitzt,  und  weist  dann  mittelst  der  folgenden  Deduction  nach, 
dass  er  als  Bischof  der  römischen  Gemeinde  in  diesem  Fall  als 
Vertreter  der  Kirche  zu  fungieren  hat. 

4.   Die  Stellung  der  Märtyrer  in  der  Verfügung  Kallists. 

Wenn  cap.  21  gegen  Kaliist  gerichtet  ist,  so  muss  auch 
cap.  22  diesen  Gegner  im  Auge  haben.  Gleich  der  erste  Satz: 
,,At  tu  iam  et  in  martyras  tuos  effundis  hanc  potestatem1'  kann 
sich  nur  an  ihn  wenden,  um  ihm  den  weiteren  Vorwurf  zu 
machen,  dass  er  die  widerrechtlich  angemasste  Gewalt  nun 
auch  noch  auf  die  Märtyrer  übertrage.  Mit  dem  Ausdruck 
„deine  Märtyrer"  will  Tert.  die  Märtyrer  der  Grosskirche  in 
einen  verächtlichen  Gegensatz  zu  denen  setzen,  welche  bei  den 
Montanisten  diesen  Ehrennamen  erhielten;  es  sind  nicht  etwa 
nur  die  Märtyrer  der  römischen  Gemeinde  darunter  zu  verstehen  ; 
denn  Kailist,  an  welchen  Tert.  wenige  Sätze  vorher  die  Frage 
richtete:  quid  nunc  et  ad  ecclesiam  etquidem  ad  tuam,  psychice?, 
kann  in  diesem  Zusammenhang  nur  als  der  Vertreter  der  Kirche 
der  Psychiker  im  Gegensatz  zu  der  montanistischen  Gemeinde 
der  spiritales  gelten.  Also  auf  alle  Märtyrer  seiner  Kirche 
giesst  Kaliist  nach  dem  Ausdruck  Tert.s  seine  Absolutions- 
gewalt aus.  Preuschen  folgert  daraus  (S.  30  Anm.  2),  dass  er 
ihnen  in  der  Ausübung  des  Löserechts  eine  selbständige 
Stellung  neben  dem  Bischof  angewiesen  habe.  Aber  die  bit- 
tere Ironie  des  Satzes  verbietet,  in  demselben  eine  Nachricht 
über  das  zu  suchen,  was  Kallist  wirklich  bestimmt  hat;  Tert. 
will  daran  nur  das  Widersinnige  in  dem  Verfahren  des  Bischofs 
hervorkehren,  der  andern  ein  Gut  überträgt,  das  er  selbst  gar 
nicht  besitzt.  Es  ist  nicht  anzunehmen,  dass  Kallist  die  Absolu- 
tionsgewalt, die  er  mit  dem  stark  betonten  ego  so  energisch 
für  sich  als  den  Bischof  in  Anspruch  nimmt,  mit  den  Märtyrern 
zu  teilen  gesonnen  gewesen  sei,  zumal  da  er  damit  die  Möglich- 


II.    Die  Verfügung  des  Kaliist.  59 

keit,  die  Bussdisciplin  einheitlich  und  nachdrücklich  zu  hand- 
haben, die  er  durch  seinen  Erlass  schuf,  wieder  aufgehoben 
hätte.  Über  das,  was  Kaliist  wirklich  bezüglich  der  Märtyrer 
bestimmt  hat,  lassen  sich  nur  Vermutungen  aufstellen.  Einen 
Anhaltspunkt  für  dieselben  dürfte  man  vielleicht  in  dem  Satze 
finden:  Cum  tarnen  moechis  et  fornicatoribus  a  martyre  expo- 
stulas  veniam,  ipse  confiteris  eiusmodi  crimina  nonnisi  proprio 
martyrio  diluenda,  qui  praesumis  alieno  (p.  272,  22).  Das  be- 
deutet: damit  dass  Kailist  von  den  Märtyrern  Vergebung  für 
die  schweren  Sünden  verlangt,  giebt  er  selbst  zu,  dass  nur  das 
Martyrium  solche  Delicte  sühnen  kann.  Diese  Consequenz  kann 
ihm  Tert.  mit  Recht  nur  zuschieben,  wenn  er  die  Verzeihung 
der  Sünden  durch  einen  Märtyrer  als  notwendige  Vorbedingung 
für  die  Vergebung  derselben  durch  den  Bischof  gefordert  hat. 
Darnach  hätte  Kailist  bestimmt:  Ich  vergebe  die  Sünden  der 
Hurerei  denen,  die  Busse  gethan  haben,  unter  der  Bedingung, 
dass  ein  Märtyrer  ihnen  Verzeihung  gewährt.  Das  Störende 
dieser  dem  Erlass  angehängten  Clausel  wird  jeder  empfinden; 
aber  wenn  Kaliist  eine  derartige  Bestimmung  rücksichtlich  der 
Märtyrer  getroffen  hat,  so  muss  dieselbe  auch  mit  seiner  Ver- 
fügung als  eine  wesentliche  Modifikation  derselben  einschliessencl 
verbunden  gewesen  sein.  Jedenfalls  kann  man  nicht  dagegen 
einwenden,  Kalbst  würde  durch  diese  Festsetzung  sich  in  eine 
solche  Abhängigkeit  von  den  Märtyrern  bei  Ausübung  seiner  Ab- 
solutionsgewalt gestellt  haben,  dass  diese  Bestimmung  deshalb 
undenkbar  sei.  Denn  für  seine  Person  blieb  er  trotz  derselben 
von"  den  Märtyrern  völlig  unabhängig,  da  er  selbst  Märtyrer 
war.  *)  Das  Zugeständnis,  durch  welches  er  ihnen  scheinbar  die 
Genugthuung  gewährte,  das  Urteil  des  Bischofs  ausschlaggebend 
zu  bestimmen,  hatte  in  Wahrheit  nicht  die  geringste  praktische 
Bedeutung.  Kein  Sünder  wird  mehr  Vergebung  bei  einem 
Märtyrer  gesucht  haben,  die  erst  noch  der  bischöflichen  Be- 
stätigung bedurfte,  wenn  Kaliist  die  Vergebung,  die  er  als  Mär- 
tyrer erteilte,  zugleich  als  Bischof  bestätigen  konnte.    Er  wird 


1)  Hipp.  Phü.  IX.  12.  Vielleicht  darf  man  eine  Anspielung  darauf 
in  den  Worten  Tert.s  sehen:  Proinde  qui  illum  (Christum  seil.)  aemu- 
laris  donando  delicta,  si  nil  ipse  deliquisti,  plane  patere  pro  me.  Si  vero 
peccator  es,  quomodo  oleum  faculae  tuae  sufficere  et  tibi  et  mihi  poterit? 
p.  272,  6. 


ßlj  Rolffs,  Das  Indulgenz-Edict. 

ganz  richtig  gerechnet  haben,  wenn  er  annahm,  dass  auf  diese 
Weise  die  bezüglich  der  Märtyrer  getroffene  Bestimmung  sehr 
bald  in  Vergessenheit  geraten  und  dann  das  Recht,  Unzucht- 
sünden zu  vergeben,  als  ein  Attribut  des  bischöflichen  Amtes 
aufgefasst  werden  würde. 

Aus  der  Polemik  Tert.s  ist  zu  schliessen,  dass  man  dieses 
Absolutionsrecht  der  Märtyrer  durch  eine  satisfactorische  Be- 
deutung ihres  Leidens  zu  begründen  versucht  hat;  man  scheint 
es  in  Parallele  gestellt  zu  haben  zu  dem  genugthuenden  Leiden 
Christi.1)  Es  ist  nicht  sicher  festzustellen,  wie  man  diesen  Ge- 
danken ausgesprochen  hat;  bei  Tert.  kommen  drei  Wendungen 
vor,  welche  sich  inhaltlich  sehr  nahe  stehen,  von  denen  eine 
jede  aber  auf  einem  andern  Bilde  ruht:  1.  Der  Märtyrer 
teilt  dem  Sünder  von  seinem  durch  sein  Leiden  bei  Gott  er- 
worbenen Verdienst  mit.  2.  Er  sühnt  durch  sein  Leiden  die 
fremde  Schuld.  3.  In  dem  Märtyrer  ist  Christus.  Es  ist  sehr 
wahrscheinlich,  dass  die  erste  und  zweite  Wendung  in  genauem 
Zusammenhang  gestanden  haben,  indem  die  erstere  dazu  diente, 
die  Art,  wie  der  Märtyrer  fremde  Schuld  durch  sein  Leiden 
sühnte,  näher  zu  beschreiben.  Hat  der  dritte  Gedanke  mit  den 
ersten  beiden  in  Verbindung  gestanden,  so  ist  er  nur  als  der 
Grund  zu  denselben  zu  denken:  der  Märtyrer  tilgt  fremde 
Schuld,  indem  er  von  dem  durch  sein  Leiden  erworbenen  Ver- 
dienst mitteilt;  denn  in  dem  Märtyrer  ist  Christus.  Aber  jede 
Sicherheit  fehlt  hier. 

Dass  auch  diese  Argumentation  von  Kaliist  herrührt  resp. 
von  ihm  aufgenommen  ist,  wird  durch  den  Satz:  ipse  confiteris 
eiusmodi  crimina  nonnisi  proprio  martyrio  diluenda,  qui  prae- 
sumis  alieno  ziemlich  sicher  gestellt.  Ob  sie  mit  dem  Er- 
lass  verbunden  war,  ist  eine  Frage,  auf  welche  die  Antwort 
zweifelhaft  sein  kann;  überwiegend  wahrscheinlich  ist  freilich, 
dass  Tert.,  der  gegen  das  Löserecht  der  Märtyrer  kämpft,  indem 


1)  Sufficiat  inartyri  propria  delicta  purgasse.     Ingrati  vel  superbi  est 
in  alios  quoque  spargere,  quod  pro   magno  fuerit  consecutus.     Quis  alie- 

nam   mortem  sua  solvit ,  nisi  solus  dei  filius? Habeo 

etiam  nunc  quo  probein  Christum.     Si  propterea  Christus  in  martyre  est, 
ut  moechos  et  fornicatores  martyr  absolvat,   occulta  cordis  edicat,  ut  ita 

delicta  concedat,  et  Christus  est. Cum  tarnen  moechis a 

martyre  expostulas  veniam,  ipse  confiteris  etc.     (p.  272,  1.  9.  22.) 


II.    Die  Verfügung  des  Kailist.  ß\ 

er  die  Begründung  desselben  angreift,  diese  mit  jener  Bestim- 
mung verbunden  vorgefunden  hat.  —  Einen  sehr  schwankenden 
Boden  betritt  man  dagegen,  wenn  man  versucht,  über  den 
Wortlaut  der  Bestimmung  etwas  zu  ermitteln.  Da  Tert.  bemüht 
ist,  möglichst  concret  und  lebendig  zu  schreiben,  so  darf  man 
vermuten,  sehr  viele  Anspielungen  auf  den  Wortlaut  der  geg- 
nerischen Schrift  zu  finden,  aber  nirgends  wird  derselbe  un- 
versehrt vorgefunden,  sondern  nur  Splitter,  welche  in  den  Text 
der  Widerlegung  Tert.s  eingesprengt  sind.  So  darf  man  vielleicht 
in  den  Sätzen:  „Sufficiat  martyri  propria  delicta  purgasse.  In- 
grati  vel  superbi  est  in  alios  quoque  spargere  quod  pro  magno 
fueritconsecutus"  eine  gegensätzliche  Beziehung  nicht  nur  zu  dem 
Gedanken,  sondern  auch  zu  den  Worten  Kallists  suchen.  Dann 
führt  das  „propria  delicta  purgasse"  in  der  Polemik  Tert.s  auf 
ein  „aliorum  delicta  purgasse"  im  Munde  seines  Gegners.  Dem 
zweiten  Satz  folgend  dürfte  man  vielleicht  vermuten,  dass 
Kailist  etwa  die  Wendung  gebraucht  habe:  „in  alios  quoque 
spargere,  quod  passione  sua  consecutus  est1)"  sei  ein  Vorrecht 
der  Märtyrer,  worauf  Tert.  entgegnet,  dies  kennzeichne  einen 
Undankbaren.  Aber  vielleicht  hat  Tert.  selbst  das  Wort  spar- 
gere gewählt,  um  die  Mitteilung  des  erworbenen  Verdienstes  an 
andere  als  das  Verschleudern  eines  teuer  erkauften  Gutes  darzu- 
stellen: dann  mag  er  hier  auch  wohl  nur  seine  Widerlegung 
in  Form  eines  allgemeinen  Urteils  einführen  ohne  Bezugnahme 
auf  die  Worte  seines  Gegners.  —  Eine  Anspielung  auf  Worte 
Kallists  könnte  auch  vorliegen  in  dem  Satz:  „Si  propterea 
Christus  in  martyre  est,  ut  moechos  et  fornicatores  martyr  ab- 

solvat ";  der  Ausdruck  moechos  et  fornicatores  ist  hier 

wohl  von  Tert.  eingeführt,  um  die  Ironie  der  Worte  zu  ver- 
stärken; in  derselben  Absicht  dürfte  er  auch  die  Verknüpfung 
der  beiden  Sätze  durch  das  finale  ut  gewählt  haben.  Diese 
Ironie   gewinnt  aber  bedeutend  an  Schärfe,  wenn  der  Satz  mit 


1)  Die  Lehre  von  dem  überschüssigen  Verdienst  der  Heiligen  läge 
dann  hier  in  ihrem  ersten  keimhaften  Anfange  vor;  bemerkenswerth  ist 
dabei,  dass  den  Märtyrern  ihr  Löserecht  nicht  mehr  auf  Grund  einer  beson- 
deren Begabung  mit  dem  heiligen  Geiste  vindiciert  wird.  S.  42  Anm.  3. 
Auch  hier  zeigt  sich,  wie  mit  der  Ausbildung  der  episkopalen  Gewalt  eine 
Unterdrückung  der  Geistesgaben  verbunden  ist;  der  Bischof  nimmt  die 
Begabung  mit  dem  heil.  Geist  für  sich  allein  in  Anspruch. 


62  Rolffs,  Das  Inclulgenz-Edict. 

Worten  Kallists  gebildet  ist;  also  dieser  hätte  etwa  geschrieben: 
Christus  in  martyre  est,  itaque  peccatores  martyr  absolvit.  Aber 
alles  bleibt  in  grösster  Unsicherheit,  Nur  so  viel  lässt  sich 
mit  Gewissheit  behaupten,  dass  Kaliist  den  Märtyrern  die  Ab- 
solutionsgewalt zugesprochen  hat;  höchst  wahrscheinlich  hat 
er  dies  in  seinem  Erlass  gethan,  der  ihm  ja  die  Aufgabe  stellte, 
die  Märtyrer  über  die  Verkürzung  ihrer  Rechte  zu  beruhigen. 
Hat  er  diese  eine  Aufgabe  höchst  wahrscheinlich  gelöst,  so  ist 
er  der  andern  sicher  gerecht  geworden,  nämlich  das  für  sich 
in  Anspruch  genommene  Mass  bischöflicher  Absolutionsgewalt 
ausreichend  zu  begründen.  Es  fragt  sich  nun,  ob  in  dem  Er- 
lass  auch   die  Vergebbarkeit  der  Unzuchtsünden  bewiesen  ist. 


III.    Der  Beweis  für  die  Vergebbarkeit  der 
Unzuchtsünden. 

1.    Die  einzelnen  Argumente. 

Die  Ausführungen  Tert.s  in  dem  Abschnitt  cap.  2  -  20  sind 
sämtlich  polemisch  und  richten  sich  gegen  Argumente  für  die 
Vergebbarkeit  der  Fleischessünden,  wie  sie  von  seinen  Gegnern 
wirklich  vorgebracht  sein  müssen. 

I.  Zunächst  findet  sich  ein  Argument  aus  der  Güte  Gottes: 
Deus  bonus  et  optimus  et  misericors  et  miserator  et  misericor- 
diae  plurimus,  quam  omni  sacrificio  anteponit,  non  tanti  ducens 
peccatoris  mortem  quam  paenitentiam,  salutificator  omnium 
hominum  et  maxime  fidelium.  itaque  et  filios  dei  misericordes 
et  pacificos  esse  oportebit,  donantes  invicem,  sicut  et  Christus 
donavit  nobis,  non  iudicantes,  ne  iudicemur.  domino  enim 
suo  stat  quis  vel  cadit:  tu  quis  es,  ut  servum  iudices  alienum? 
dimitte  et  dimittetur  tibi  (p.  222,  9).  Es  kann  nicht  fraglich 
sein,  dass  Tert.  hier  Worte  seiner  Gegner  citiert.  Die  ganze 
Stelle  setzt  sich  aus  Bibelworten  zusammen,  doch  so,  dass  die- 
selben behufs  des  Zusammenschlusses  verändert  und  durch  ein- 
geschobene Gedanken  verbunden  sind.  Die  Prädicate  misericors, 
miserator,  misericordiae  plurimus  sind  jedenfalls  Übersetzung 
der  Joel  213  vorkommenden  Ausdrücke:  eJLerJiuov,  olxriQficov, 
jiolveZsoq.    Für  das  dort  noch  stehende  [(cc/cyö&vfioq  darf  man 


III.   Der  Beweis  für  die  Vermeidbarkeit  der  Unzuchtsünden.  63 

die  Übersetzung  nicht  in  den  Worten  ..bonus  et  optimus"  suchen; 
denn  diese  Prädicate  sagen  nicht  Langmut,  sondern  die  höchste 
Vollkommenheit  von  Gott  aus  und  sind  hier  wahrscheinlich 
nicht  Prädicatsnomina,  sondern  Attribute  (s.  u.V).  Der  Relativsatz 
„quam  omni  sacrificio  anteponit"  spricht  den  Gedanken  von 
Hos.  6fia  aus,  das  Particip  non  tanti  ducens  fügt  den  von 
Ez.  33  n  hinzu,  und  die  Apposition  salutificator  etc.  ist  aus 
1  Tim.  410  entnommen.  Durch  diese  Bibelworte  ist  die  Güte 
und  Barmherzigkeit  Gottes  bewiesen;  mittels  des  Gedankens 
von  Luc.  6  36  wird  hieraus  die  Pflicht  der  Barmherzigkeit  für 
die  Menschen  als  Kinder  Gottes  abgeleitet;  doch  ist  hier  pacificos 
vielleicht  nach  Matth.  59  zugesetzt;  donantes  etc.  bestimmt  die 
Übung  der  Barmherzigkeit  nach  Eph.  432,  wobei  aber  „dsbq 
tv  Xocöto/'  in  „Christus"  verwandelt  ist;  daran  wird  mit  „iudi- 
cantes  ne  iudicernur"  Matth.  7,  gefügt  und  dies  durch  Rom.  14  4 
begründet,  aber  so,  dass  v.  4b  vor  v.  4a  tritt.  Das  „dimitte  et 
dimittetur  tibi"  ist  wieder  aus  Luc.  637b    entnommen. 

Da  das  dieses  Citat  einführende  inquiunt  auf  eine  Mehrzahl 
von  Gegnern  zu  deuten  scheint,  so  könnte  man  meinen,  Tert, 
habe  die  von  seinen  Gegnern  in  einzelnen  Schlagworten  vor- 
gebrachten Argumente  hier  in  der  vorliegenden  Form  verbunden. 
Allein  dies  ist  doch  bei  der  dargelegten  kunstvollen  Ver- 
knüpfung der  einzelnen  Bibehvorte  zu  wenig  wahrscheinlich; 
viel  eher  entspricht  es  seiner  Art,  eine  zusammenhängende 
Ausführung  behufs  bequemerer  Widerlegung  in  einzelne  Sätze 
zu  zerreissen,  um  denselben  durch  solche  Isolierung  von  vorn- 
herein möglichst  ihren  Halt  zu  entziehen.  Ebenso  wenig  em- 
pfiehlt sich  die  Annahme,  dass  Tert.  hier  eine  von  verschiedenen 
Seiten  vorgebrachte,  inhaltlich  wesentlich  gleiche  Argumentation 
frei  reproduciere  oder  die  stereotype  Ausprägung  einer  solchen 
wörtlich  wiedergebe;  im  ersteren  Falle  würde  man  statt  der 
directen  Rede  die  referierende  Form  erwarten  und  im  letzteren 
bliebe  unverständlich,  wie  sich  für  eine  so  lange  Deduction  in 
der  mündlichen  Discussion  eine  stereotype  Fassung  gebildet 
haben  sollte.  Einzig  befriedigend  ist  die  Auskunft,  dass  Tert. 
eine  Schrift  seiner  Gegner  hier  wörtlich  citiert.  Der  Plural  inqui- 
unt erklärt  sich  dann  unschwer  daraus,  dass  diese  Schrift  eine  Par- 
teischrift ist,  deren  Verfasser  die  Zustimmung  seiner  Genossen 
gefunden    hat:    indem   seine    Ausführung    von   einer   Mehrheit 


64  Rolffs,  Das  Indulgenz-Edict. 

acceptiert  und  sanctioniert  ist,  sind  seine  Worte  eben  Worte 
dieser  Mehrheit  geworden.  Dass  die  Partei,  aus  welcher  die 
Schrift  hervorgegangen  ist,  nur  die  des  Kaliist  sein  kann,  be- 
darf keines  Beweises;  unentschieden  bleibt  freilich,  wer  der 
Verfasser  derselben  ist,  ob  Kailist  selbst  oder  einer  seiner  An- 
hänger, und  in  welchem  Verhältnis  dieselbe  zu  dem  bischöf- 
lichen Erlass  steht. 

Was  die  erste  Frage  angeht,  so  ist  festzustellen,  dass  zwei 
der  Bibelworte,  welche  bei  Tert.  zu  jener  geschlossenen  Aus- 
führung verbunden  erscheinen,  jedenfalls  von  Kailist  selbst  zur 
Verteidigung  seines  Vorgehens  angewendet  sind.  Aus  de  pud.  10 
geht  hervor,  dass  er  das  Wort:  „Gott  will  lieber  die  Busse  des 
Sünders  als  seinen  Tod"  als  Grundsatz  für  sein  Verfahren  auf- 
gestellt haben  muss;  denn  Tert.  spitzt  seine  Polemik  hier  so 
stark  auf  die  Person  seines  Gegners  zu,  dass  diese  Annahme 
sich  notwendig  aufdrängen  muss1).  Da  ihm  die  Verwendung 
jenes  Wortes  zum  persönlichen  Vorwurf  gemacht  wird,  so  muss 
er  dasselbe  entweder  selbst  herangezogen  oder  den  Gebrauch, 
den  andere  davon  machten,  ausdrücklich  approbiert  haben.  Das 
erstere  ist  das  näher  liegende  und  daher  auch  das  wahrschein- 
lichere. Aus  diesem  Grunde  wird  man  auch  in  dem  Bericht 
Hippolyts  Phil.  IX,  12  ein  von  Kallist  selbst  gebrauchtes  Wort 
überliefert  finden  müssen,  wenn  er  erzählt,  der  Bischof  habe  seine 
Praxis  mit  dem  apostolischen  Wort  verteidigt:  „wer  bist  du,  dass 
du  einen  fremden  Knecht  richtest?"2)     Es  ist  nun  höchst  un- 


1)  Secl  hoc  volunt  psychici,  ut  deus  iusti  iudex  eius  peccatoris  paeni- 
tentiam  malit  quam  mortem,  qui  mortem  paenitentia  maluit.    quod  si  ita 

est,  peccando  promeremur.  age  tu  funanibule  pudicitiae  et  castitatis 

perge  sane,  si  potueris. nam  si  qua  te  carnis  vacillatio de 

tenore  decusserit,  deus  bonus  est.  Suis,  non  ethnicis,  sinum  subicit;  secunda 
te  paenitentia  excipiet;  eris  iterum  de  moecho  Christianus,  haec  tu  mihi, 
benignissime  dei  interpres!  (p.  239,  31  ff.).  Dass  die  Worte  auf  Kallist  zu 
beziehen  sind,  ist  zweifellos,  dann  dürfte  aber  das  Prädikat  „benignissime 
dei  interpres"  in  genauem  Zusammenhang  stehen  mit  seiner  Verwendung  des 
Satzes:  „Gott  will  lieber  Busse"  etc.,  indem  er  behauptet,  dieser  Satz  gelte 
auch  von  den  Unzüchtigen,  macht  er  sich  eben  zu  jenem  „nachsichtigsten 
Interpreten  Gottes". 

2)  xal  nQojzoq  zu  TtQoq  zaq  rt6ovuq  xolq  oiv&Qa>7ioiq   ovy/.OQSiv  tne- 

vor\at  ).tywv  näoiv  vn   avzov  ucpleo&ui  ufiuQZiuq ovzoq 

idoyfidziGsv  oncoq  ei  enioxonoq  u(jlÜqtoi  zi,  si  xui  itQoq  Qüvaxov,  firj  öelv 
xuxuxi&eo&ai.    inl   zovzov    i]q%uvzo    tnlaxonoi   xal  TiQeoßvzsQOi  xui  Sid- 


III.  Der  Beweis  für  die  Vergeb barkeit  der  Unzuchtsünden.  ß5 

wahrscheinlich,  dass  Kaliist  diese  beiden  Worte  unabhängig  von 
einander  als  Schlagworte  gebraucht  hat  und  dass  einer  seiner 
Anhänger  die  dadurch  angegebenen  Grundgedanken  in  jener 
Verbindung  von  Bibelstellen  weiter  ausgeführt  habe.  Da  jedes 
dieser  beiden  Worte  für  sich  nichts  für  den  Satz  beweist,  welchen 
Kailist  beweisen  will,  da  besonders  das  zweite  erst  Sinn  und 
Halt  bekommt  durch  den  Zusammenhang,  in  welchem  es  bei 
Tert.  steht,  so  lässt  sich  mit  hoher  Wahrscheinlichkeit  behaupten, 
dass  Kallist  selbst  sie  in  diesen  Zusammenhang  gebracht  hat, 
dass  also  die  Schrift,  aus  der  jener  Abschnitt  citiert  ist,  den 
römischen  Bischof  selbst  zum  Verfasser  hat  resp.  unter  seiner 
Approbation  geschrieben  ist  und  sich  mit  seiner  Auctorität  ge- 
deckt hat.  Genaueres  lässt  sich  hier  darüber  noch  nicht  sagen; 
ebenso  muss  die  Frage  noch  unentschieden  bleiben,  in  welchem 
Verhältnis  diese  Schrift  zu  der  Verfügung  Kallists  steht.  Nur 
so  viel  ist  sicher:  sie  soll  die  von  ihm  darin  getroffene  Mass- 
nahme rechtfertigen,  und  sie  ist  mit  derselben  zu  gleicher  Zeit 
erschienen,  da  Tert.  beide  in  derselben  Schrift  bekämpft. 

b.  In  cap.  3  weist  Tert.  einen  Einwand  seiner  Gegner 
gegen  die  verschiedene  Behandlung  der  Sünder  zurück:  da  von 
jedem  Sünder  Busse  verlangt  werde,  so  müsse  auch  jeder  Ver- 
gebung erlangen  können.  Auch  hier  behandelt  er  seine  Gegen- 
partei als  eine  Mehrzahl,  indem  er  ihre  Worte  durch  inquiunt 
einführt,  wie  in  cap.  1.     Der  Einwand  lautet:     Si  enim  aliqua 


y.ovoi  ölyafioi  xal  XQiya/xoi  xa&laxaad-aL  slq  xXi^QOvq'  sl  6s  xiq  sv  xXtjqoj 
ojv  yccfiolt]  fisvsiv  xbv  xoiovxov  sv  xä>  xXtjqü)  <bq  fj.rj  rjfiapzrjxoxa.  inl 
xovxw  <püax(i>v  eiQrjo&ai  xb  vnb  xov  drtoaxöXov  qtj&sv  ov  xiq  si  o  xqivwv 
uXXÖxqiov  olxsxrjv;  dXXa  xal  TiaQaßohqv  x<5v  £,i£ccvla>v  ngbq  zovxo  t(ftj 
ktyso&cu  xxX.  Hiernach  scheint  das  fragliche  Citat  verwendet  zu  sein,  um 
die  mehrfache  Ehe  der  Kleriker  zu  rechtfertigen,  aber  schon  an  sich  wäre 
es  hierfür  sehr  wenig  geeignet;  vollends  zeigt  die  Zusammenstellung  mit 
dem  Gleichnis  vom  Unkraut  und  dem  Bilde  der  Arche  für  die  Kirche, 
dass  damit  nur  das  Verbleiben  der  Sünder  in  der  Kirche  gerechtfertigt 
sein  kann.  Die  Frage,  weshalb  Hipp,  die  Argumente  so  weit  von  dem  zu 
begründenden  Satze  abgerückt  hat,  findet  ihre  Beantwortung  wohl  am 
einfachsten  darin,  dass  er  alle  Massnahmen  Kallists  als  Consequenzen  seines 
eigentümlichen  Kirchenbegriffs  aufgefasst  hat ;  insofern  sich  dieser  Kirchen- 
begriff nun  an  jene  biblischen  Citate  anlehnt,  können  diese  als  zur  Ver- 
teidigung aller  Massnahmen  des  Bischofs  dienend  dargestellt  werden.  Doch 
ist  diese  Frage  hier  ohne  Belang;  es  kommt  nur  darauf  an,  dass  Kallist 
Rom.  144  selbst  verwertet  hat. 

Texte  u.  Untersuchungen  XI,  3.  5 


66  Rolffs,  Das  Inclulgenz-Edict. 

paenitentia  caret  venia,  iam  nee  in  totum  agenda  tibi  est;  nihil 
enim  agendum  est  frustra.  porro  frustra  agetur  paenitentia,  si 
caret  venia,  omnis  autem  paenitentia  agenda  est,  ergo  omnis 
veniani  consequatur,  ne  frustra  agatur,  quia  non  erit,  si  frustra 
agatur  (p.  224,  21).  Den  Grundsatz,  gegen  den  sich  dieser  Einwand 
richtet,  hat  Tert.  selbst  c.  2  ausgesprochen:  alia  (seil,  paenitentia) 
erit  quae  veniam  consequi  possit,  in  delicto  scilicet  reniissibili, 
alia  quae  consequi  nullo  modo  possit  in  delicto  scilicet  inre- 
missibili.  Der  Einwand  selbst  wird  als  responsio  ex  diverso 
bezeichnet,  deren  Widerlegung  notwendig  ist,  da  sie  den 
Gang  seiner  Beweisführung  unterbricht  (deeidam  intercedentem). 
Diese  responsio  wird  also  auch  erst  durch  seine  Beweisführung 
hervorgerufen  sein.  Wenn  es  daher  auch  nicht  ganz  ausge- 
schlossen ist,  dass  die  Gegner  der  Montanisten  den  Einwand 
in  dieser  Form  gemacht  haben,  so  ist  es  doch  wahrscheinlicher, 
dass  Tert.  denselben  von  den  Voraussetzungen  seiner  Gegner 
aus  selbst  so  formuliert.  Ihre  Voraussetzung  ist  nämlich: 
venia  est  fruetus  paenitentiae,  und  sie  verstehen  unter  venia  die 
Wiederaufnahme  in  die  Gemeinde.  Dass  die  Gegner  diesen 
Satz  ausgesprochen  haben,  scheint  mir  nach  den  mehrfachen 
Anspielungen  Tert.'s  zweifellos1).  Dagegen  werden  sie  kaum  den 
sich  daraus  ergebenden  Einwand  in  jenem  umständlichen  Syl- 
logismus formuliert  haben,  dessen  absichtliche  Breite  der  Ironie 
Tert.'s  zuzurechnen  sein  wird;  auch  scheinen  die  Sätze  durch  den 
Stil  Tert.  als  Autor  zu  verraten. 

c.  Ein  Problem  bietet  cap.  6;  dasselbe  wendet  sich  an 
Kaliist  persönlich,  wie  aus  den  Anfangs worten  hervorgeht2), 
und  Tert.  fordert  darin  den  biblischen  Beweis  dafür,  dass  das 
milde  Verfahren  Kallists  gegen  die  Fleischessünder  ohne  Incon- 
sequenz  auf  diese  beschränkt  bleiben  könne  und  nicht  auch  auf 


1)  merito  utique  ita  (so  lese  ich  mit  Ursinus  gegen  itaque  bei  Gangn., 
Oehler,  Reifferscheid)  opponunt,  quod  huius  quoque  paenitentiae  fruetuni, 
id  est  veniani,  in  sua  potestate  usurpaverunt  (p.  224,  6) ;  nee  amittit  sed 
praeparat  fruetum    (p    225,  10);   ebenso  c.  10:    sed  et  si  venia  potius  est 

paenitentiae  fruetus (p.  240,   28)  ita   cessatio    delicti    radix    est 

veniae,  ut  venia  sit  paenitentiae  fruetus  (p.  240,  30). 

2)  Plane,  si  ostendas,  de  quibus  patrociniis  exemplorum  praeceptoruni- 
que  caelestium  soli  moechiae  et  in  ea  fornicationi  quoque  ianuam 
paenitentiae  expandas,  ad  hanc  lineani  dimicabit  nostra  congressio. 


III.    Der  Beweis  für  die  Vergebbarkeit  der  Unzuchtsünden.  67 

Mörder  und  Götzendiener  ausgedehnt  werden  müsse.  Bevor  er 
aber  in  die  Erörterung  darüber  eintritt,  steckt  er  den  Kampf- 
platz ab,  indem  er  eine  Berufung  auf  alttestanientliche  Stellen 
principiell  abweist1).  Es  fragt  sich:  hat  Kaliist  schon  alttesta- 
nientriche Stellen  benutzt  oder  will  ihm  Tert.  nur  eine  mögliche 
Ausflucht  abschneiden?  Da  er  sagt:  praescribam —  necesse  est, 
so  setzt  er  jedenfalls  bei  seinem  Gegner  die  Neigung  voraus, 
auf  das  Alte  Testament  zu  recurrieren.  Aber  aus  den  weiteren 
Ausführungen  geht  hervor,  dass  Kailist  zur  Rechtfertigung  seiner 
Praxis  concrete  Beispiele  nicht  herbeigezogen  hat;  denn  der 
Satz:  ceterum  si  qua  vobis  exempla  in  sinu  plaudent,  non 
opponentur  huic  quam  defendimus  disciplinae  schliesst  dies  be- 
stimmt aus:  ausserdem  werden  im  folgenden  diejenigen  Fälle, 
auf  welche  Kallist  sich  etwa  beziehen  könnte,  genannt  und  zwar 
in  einer  Weise,  die  deutlich  zeigt,  dass  er  es  nicht  gethan  hat. 
Also  einzelne  Personen  aus  dem  A.T.,  deren  Geschichte  die  Ver- 
gebbarkeit  der  Fleischessünden  im  Unterschied  von  Götzendienst 
und  Mord  beweisen  könnte,  wie  sie  Tert.  von  ihm  verlangt,  hat 
Kallist  nicht  aufgeführt;  Tert.  will  ihm  diese  Möglichkeit  nur 
für  die  Zukunft  abschneiden.  Aber  er  muss  in  anderer  Weise 
auf  das  A.T.  Bezug  genommen  haben.  Denn  Tert.  schreibt, 
nachdem  er  ausgeführt,  dass  in  Christus  alles  Fleisch  vom 
früheren  Schmutz  endgültig  gereinigt  sei  und  mit  ihm  eine 
neue  Epoche  in  der  Beurteilung  der  Fleischessünden  und  fleisch- 
lichen Begierden  angebrochen  2):  quid  itaque  illam  (carnem)  de 
pristino  excusas?  Also  Kallist  muss  die  in  Christo  neugewordene 
Menschheit  —  denn  das  bedeutet  caro  in  diesem  Zusammen- 
hang —  wegen  vorkommender  Unzuchtsünden  durch  Berufung 
auf  das  A.T.  entschuldigt  haben,  und  deshalb  vermutet  Tert., 
dass  er  auch  die  von  ihm  gestellte  Forderung  mit  Hülfe  des 
A.T.  zu  befriedigen  versuchen  werde.     Es  erscheint  mir  zweifel- 


1)  Praescribam  tarnen  tibi  forrnarn  necesse  est,  ne  ad  vetera  manurn 
emittas,   ne  in  terga  respicias;  vetera  enim  transierunt  secundurn  Esaiam. 

2)  at  ubi  sermo  dei  descendit  in  camern  ne  nuptiis  quidem  resignatam 

et  sermo  caro  factus  est  ne  nuptiis  quidem  resignanda quae  mun- 

ditias  suas  aquis  traderet,  exinde  caro  quaecunque  in  Christo  reliquas 
sordes  pristinas  solvit,  alia  iam  res  est,  nova  emergit,  iam  non  ex  seminis 
limo,  non  ex  concupiscentiae  fimo,  sed  ex  aqua  pura  et  spiritu  mundo,  quid 
itaque  etc.  (p.  230,  2). 


68  Rolffs,  Das  Indulgenz-Edict. 

los,  dass  dies  von  Kaliist  verwendete  A.T. liehe  Citat,  der  Ver- 
gleich der  Kirche  mit  der  Arche  Noahs  ist,  welchen  Kaliist  zur 
Rechtfertigung  seines  mit  dem  Erlass  aufgestellten  Kirch en- 
begriffs  nach  dem  Berichte  Hippolyts 1)  gebraucht  hat.  Die 
Getauften  sind  nach  der  Anschauung  Tert.s  caro  nova,  eine 
neue  Menschheit;  sie  werden  „corpus  Christi  * ,  „membra  Christi", 
„teinpluni  dei"  in  der  Schrift  des  N.T.  genannt;  das  N.T. 
spricht  also  in  diesen  Bildern  aus,  dass  ihnen  kein  Schmutz 
mehr  anhaften  soll.  Kaliist  hat  sich  hierüber  hinweggesetzt, 
indem  er  ein  Bild  aus  dem  A.T.  entlehnt,  um  sie  wegen  der 
unter  ihnen  vorkommenden  Unreinigkeit  zu  entschuldigen;  des- 
halb fragt  ihn  Tert.  unwillig:  „quid  itaque  illam  de  pristino 
excusas?"  Dem  alttestamentlichen  Bild  von  der  Arche  ist  durch 
die  N.T.liche  Bezeichnung  „corpus  Christi"  die  Berechtigung 
entzogen;  das  ist  der  Sinn  des  Abschnittes,  welcher  jeder  anderen 
Erklärung  erhebliche  Schwierigkeiten  entgegenstellt.  Früher 
in  de  idol.  hatte  Tert.  jenes  Bild  für  die  Kirche  unbedenklich 
aeeeptiert2);  es  mochte  ihm  daher  peinlich  sein,  eine  früher 
von  ihm  vertretene  Ansicht  direct  zu  bekämpfen;  deshalb 
hat  er  es  vermieden,  sich  in  einer  speciellen  Auseinander- 
setzung auf  diesen  heiklen  Punkt  einzulassen,  und  es  vorge- 
zogen, durch  die  prinzipielle  Erörterung  über  das  Verhältnis 
zwischen  dem  Alten  und  Neuen  Testament  dem  von  Kallist 
angewendeten  Argument  seine  Beweiskraft  zu  nehmen  und  damit 
stillschweigend  die  Veränderung  seines  Standpunktes  einzu- 
gestehen und  zu  verteidigen.3) 


1)  Phil.  IX  12  (Dunker.  S.  460). 

2)  Viderimus  enim  si  seeundum  arcae  typum  et  corvus  et  milvus  et 
lupus  et  canis  et  serpens  in  ecclesia  erit.  Certe  idololatres  in  arcae  typo 
non  habetur. Quod  in  arca  non  fuit  in  ecclesia  non  sit.   de  idol.  24. 

3)  Eine  ironische  Anspielung  auf  dieses  Bild  Kallists  kann  sich  Tert. 
doch  nicht  versagen;  er  schreibt:  c.  7  (p.  231,  20)  at  tu,  opinor,  hoc  velis,  ut 
ovem  non  de  grege  perditam  faceret  sed  de  arca  vel  armario.  Daraus  geht 
in.  E.  deutlich  hervor,  dass  Tert.  gewusst  hat,  dass  Kallist  die  Arche  als 
Bild  für  die  Kirche  gebraucht.  —  Hipp,  berichtet  auch,  dass  Kallist  das 
Gleichnis  vom  Unkraut  unter  dem  Weizen  als  Beweis  für  das  Recht  seiner 
Praxis  gebraucht  habe:  dXXa  aal  zrtv  nuQaßos.ijv  zäv'Qi'Qaviojv  iiQoqzovxo 
t<pr]  /Jyeo&cu'  u(ftT£  zu  "C^iC/nvia  ovvaigstv  zcjj  alzio,  zovztaziv  tv  z%  exxXrjouc 
zovq  afxaQzuvovzaq  (Dunker  460).  Aber  bei  Tert.  findet  sich  nicht  die 
leiseste   Anspielung   hierauf.     Nun    musste  ja  gerade  dieses  Gleichnis  für 


III.    Der  Beweis  für  die  Yergebbarkeit  der  Unzuchtsünden.         69 

d.  Der  Anfang  von  c.  7  bezieht  sich  deutlich  auf  die 
ersten  Worte  von  c.  6  zurück:  a  parabolis  licebit  incipias  seil, 
ostendere  de  quibus  patrociniis  —  soli  moechiae  —  ianuam 
paenitentiae  expandas;  also  auch  die  hier  gegebenen  Ausführungen 
sind  gegen  Kallist  persönlich  gerichtet.  Die  Parabeln,  welche 
er  zur  Begründung:  seiner  Praxis  verwendet  hat,  sind  die  vom 
verlorenen  Schaf  und  vom  verlorenen  Groschen.  Dass  diese 
beiden  von  Kallist  zusammengestellt  sind,  folgt  schon  daraus, 
dass  Tert.  ihre  Deutung  in  demselben  Zusammenhange  wider- 
legt. Aber  auch  der  Anfang  des  Cap.  beweist,  dass  Kallist 
mindestens  zwei  Gleichnisse  gebraucht  hat,  da  Tert.  sagt:  a  para- 
bolis licebit  incipias,  ubi  est  ovis  perdita  a  domino  requisita 
et  humeris  eius  reveeta;  da  das  Gleichnis  vom  verlorenen  Schaf, 
welches  der  Hirt  auf  den  Schultern  zur  Herde  zurückbringt,  im 
N.  T.  nur  einmal  erzählt  wird,  so  kann  der  Plural  nicht  auf  eine 
mehrfache  Mitteilung  dieses  Gleichnisses  in  den  Evangelien 
gehen;  es  werden  also  die  in  dem  Abschnitt  von  Tert.  behan- 
delten Gleichnisse  vom  verlorenen' Schaf  und  Groschen  gemeint 
sein.  Dann  ist  es  freilich  auffallend,  dass  Tert.  von  parabolae 
spricht  und  in  dem  Relativsatz  nur  den  Inhalt  der  einen  mit- 
teilt. Man  köunte  dafür  folgende  Erklärung  versuchen:  Tert. 
lag  eine  Schrift  des  Kallist  vor,  in  welcher  die  Gleichnisse  als 
Beweis  für  das  Recht,  Nachsicht  gegen  schwere  Sünder  zu  üben, 
verwendet  waren;  in  dieser  fand  sich  etwa  ein  Satz  wie:  hoc 
parabolis  ostenditur,  ubi  est  ovis  perdita  a  domino  requisita  et 
humeris  eius  reveeta  et  ubi  drachma  perdita  est  reperta;  hiervon 
liess  Tert.  die  zweite  Hälfte  fort,  ohne  den  Plural  zu  ändern. 
Um  diese  wieder  herzustellen,  hat  man  sich  an  einen  Satz  des 
Cap.  zu  halten,  in  welchem  eine  Auslegung  des  Gleichnisses  an- 
gedeutet ist,  welche  Tert.  nicht  ersonnen  haben  wird:  perinde 
drachmae  parabolam,  ut  ex  eadem  materia  provocatam  aeque  in 
ethuicum  interpretamur,  etsi  in  domo  amissam,  quasi  in 
ecclesia,  etsi  ad  lucernae  lumen  repertam,  quasi  ad  dei 
verburn.     Darnach  kann  man  vermuten,  dass  die  zweite  Parabel 


ihn  sehr  unbequem  sein,  aber  damit  wäre  kaum  genügend  erklärt,  dass 
er  es  völlig  mit  Stillschweigen  übergangen  haben  sollte.  Möglich  wäre 
dies  ja  immerhin,  möglich  ist  aber  auch,  dass  Kallist  an  irgend  einem 
andern  Orte  und  nicht  gerade  in  der  Tert.  vorliegenden  Schrift  sich  auf 
dieses  Gleichnis  berufen  hat. 


70  Rolffs,  Das  Indulgenz-Edict. 

mit  folgendem  Satz  charakterisiert  und  zugleich  ausgelegt  ist: 
ubi  est  drachma,  in  domo  amissa,  id  est  in  ecclesia,  ad  lucernae 
lumen  reperta,  id  est  ad  dei  verbum.  Kallist  hätte  demnach  in 
irgend  einem  Zusammenhang  gesagt:  „Die  Gleichnisse,  wo  das 
verlorene  Schaf  vom  Herrn  gesucht  und  auf  seinen  Schultern 
zurückgebracht  und  die  im  Hause  d.  h.  in  der  Kirche  verlorene 
Drachme  beim  Licht  der  Laterne  d.  h.  beim  Worte  Gottes  wieder- 
gefunden ist."  Während  so  das  Gleichnis  vom  verlorenen 
Groschen  kurz  und  knapp  ausgelegt  ist,  hat  die  andere  Parabel 
eine  ausführlichere  Auslegung1)  erhalten,  welche  angeknüpft 
ist  an  das  auf  die  Abendmahlskelche  gemalte  Bild  des  guten 
Hirten,  welcher  ein  Schaf  auf  seinen  Schultern  trägt.2)  Die 
Deutung  der  Parabel  scheint  Tert.  in  den  Worten  erhalten  zu 
haben,  mit  welchen  sie  Kallist  gegeben  hat  und  zwar  in  dem 
Satz:  sed  ovis  proprie  Christianus  et  grex  domini  ecclesiae  po- 
pulus  et  pastor  bonus  Christus  et  ideo  Christianus  in  ove  in- 
telligendus,  qui  ab  ecclesiae  grege  erraverit.  Dies  folgt  aus 
dem  Zusammenhang,  in  welchem  er  steht.  Vorher  ist  gesagt: 
„Soll  das  Gleichnis  vom  Herrn  mit  Beziehung  auf  Christen  ge- 
sprochen sein,  die  es  damals  noch  gar  nicht  gab?  oder  was  ist 
das  für  ein  Verfahren,  dass  der  Herr,  als  ob  er  der  Antwort 
ausweichen  wollte,  indem  er  die  gegenwärtige  Anschauungsweise 
ausser  Augen  lässt,  welche  er  doch  zurückweisen  musste,  sich 


1)  Dass  die  von  Tert.  angefochtene  Auslegung  des  Gleichnisses  von 
Kallist  herrührt,  ist  zweifellos,  da  Tert.  nur  immer  gegen  den  einen  Gegner 
streitet,  der  nach  dem  Zusammenhang  dieses  mit  dem  vorigen  Cap.  Kallist 
sein  muss;  dieser  hat  auch  nach  dem  Zeugnis  des  Hippolyt  den  von  ihm 
angezogenen  Schriftstellen  eine  zweckentsprechende  Auslegung  gegeben: 
y.ul  o'aa  tiqoq  xovxo  Svvaxoq  rjv  ovväysiv,  ovxcjq  rj q (itjvevosv. 

2)  Procedant  ipsae  picturae  calicum  vestrorum ,  si  vel  in  illis  perlu- 
cebit  interpretatio  pecudis  ülius,  utrumne  Christiano   an  ethnico  peccatori 

de  restitutione  conliniet.     Dazu  ist  zu  vergl.  c.  10:  scriptura  Pastoris 

adultera  et  ipsa  et  inde  patrona  sociorum,  a  qua  et  alias  initiaris,  cui 

ille,    si  forte,'    patrocinabitur     pastor,     quem  in  calice   depingis, 

prostitutorem    et   ipsum    Christiani    sacramenti, ,   de 

quo  nihil  libentius  bibas  quam  ovem  paenitentiae  secundae. 
Aus  dieser  Stelle  geht  auch  hervor,  dass  Hausrath  (Kleinere  Schriften  1883) 
im  Unrecht  ist,  wenn  er  behauptet,  der  Hirt,  wie  Hermas  ihn  schildere, 
sei  auf  die  Trinkgefässe  gemalt  gewesen ;  von  dem  Hirt  des  Hermas  wird 
der  auf  die  Becher  gemalte  hier  ausdrücklich  unterschieden  und  mit  jenem 
auf  gleicher  Stufe  stehend  bezeichnet. 


III.    Der  Beweis  für  die  Vergebbarkeit  der  Unzuchtsünden.  71 

über  eine  zukünftige  den  Kopf  zerbricht?1)  Aber  —  das  Schaf 
ist  eigentlich  der  Christ."  Darnach  muss  man  in  den  auf  sed 
folgenden  Worten  eine  directe  Rede  der  Gegner  sehen,  da  sonst 
aller  Nachdruck  fehlen  würde.  Ebenso  nötigt  die  mit  ergo 
angeschlossene  Folgerung:  „also  nach  deiner  Ansicht  soll  der 
Herr  nichts  auf  das  Murren  der  Pharisäer  geantwortet  haben, 
sondern  nur  zu  deiner  Behauptung-*  dazu,  im  vorhergehenden 
Worte  des  Gegners  zu  finden,  da  sonst  die  Folgerung  nichts 
schlagendes  hat.  Aus  den  beiden  Gleichnissen  scheint  Kailist 
in  zwei  kurzen  Sätzen  den  Grundsatz  gefolgert  zu  haben,  welchen 
die  Kirche  zu  beobachten  hat:  debet  requiri  atque  revocari. 
quod  potest  recuperari,  non  perit  nisi  foris  perseveraverit.  Diese 
Vermutung  lässt  sich  durch  drei  Gründe  aus  dem  Zusammen- 
hang stützen;  der  Zusammenhang  ist  nämlich  folgender:  Tert. 
sagt:  „Zugegeben,  dass  die  Gleichnisse  auf  den  Christen,  nicht 
auf  die  Heiden,  zu  beziehen  sind,  so  beweisen  sie  doch  für  die 
Wiederaufnahme  der  Ehebrecher  nichts;  denn  diese  Sünder 
sind  nicht  verirrte  Schafe,  sondern  sie  sind  tot.  Verloren  ist 
auch  der,  welcher  irgendwie  mit  dem  Götzendienst  in  milder 
Form  in  Berührung  gekommen  und  deshalb  von  der  Gemeinde 
ausgeschieden  ist.  Wegen  irgend  einer  derartigen  Sünde  ist  er 
von  der  Herde  getrennt  oder  hat  sich  auch  selbst  vielleicht  in 
Zorn,  Aufwallung,  Ehrgeiz,  was  endlich  oft  geschieht,  in  Un- 
willen über  die  Zurechtweisung  davon  losgerissen.  Er  muss 
aufgesucht  und  zurückgerufen  werden.  Was  zurückgewonnen 
werden  kann,  geht  nur  verloren,  wenn  es  draussen  bleibt!  Du 
wirst  gut  das  Gleichnis  auslegen,  indem  du  einen  noch  lebenden 
Sünder  zurückrufst."2)  In  diesem  Zusammenhang  erscheinen 
die  Worte  „Er  —   bleibt"-   deshalb  als  aus  der  Schrift  Kallists 


1)  aut  quäle  est,  ut  dominus  quasi  cavillator  responsionis  omissa 
specie  praesenti,  quam  repercutere  deberet  de  futura  laboret?  sed  ovis  — 
—  —  ergo  nihil  ad  Pharisaeorum  mussitationem  respondisse  vis  dominum, 
sed  ad  tuam  praesumptionem?  p.  231.  4. 

2)  Ita  licet  dici  perisse,  quod  salvum  est.  perit  igitur  et  fidelis  elapsus 

in  spectaculum  quadrigarii  furoris aut  incuriosius  in  verbum  anci- 

pitis  negationis  aut  blasphemiae  impegit.  ob  tale  quid  extra  gregem  datus 
est  vel  et  ipse  forte  ira  tumore  aemulatione,  quod  denique  saepe  fit,  de- 
dignatione  castigationis  abrupit.  debet  requiri  atque  revocari.  quod  potest 
recuperari,  non  perit,  nisi  foris  perseveraverit.  bene  interpretaberis  para- 
bolam  viventem  adhuc  revocans  peccatorem.  p.  232,  20.  233,  1. 


72  Rolffs,  Das  Indulgeriz-Edict. 

entnommen,  weil  1.  statt  der  einfachen  Aufstellung  des  Grund- 
satzes „debet  requiri"  die  bestimmte  Beziehung  desselben  auf 
das  angeführte  Beispiel,  also:  talis  debet  requiri  etc.  erwartet 
werden  muss; 

2.  weil  der  Satz  „quod  recuperari  potest  etc."  in  der  von 
Tert.  eingeschlagenen  Gedankenrichtung  mindestens  überflüssig, 
wenn  nicht  störend  ist; 

3.  weil  „bene  interpretaberis  parabolam"  auf  Kallist,  der  im 
ganzen  Capitel  angeredet  ist,  bezogen  werden  muss  und  diese 
Worte  in  unmittelbarem  Anschluss  an  die  beiden  kurzen  Sätze 
nur  eine  scharfe  Spitze  bekommen,  wenn  diese  von  dem  Gegner 
herrühren. 

Tert.  sagt  also:  Wegen  Berührung  mit  dem  Götzendienst 
ist  jemand  von  der  Gemeinde  getrennt.  Hier  gilt  dein  Grund- 
satz: er  muss  aufgesucht  werden  etc.  Gut  legst  du  das  Gleich- 
nis aus,  wenn  du  es  auf  den  lebenden  Sünder  anwendest. 

e.  Auf  die  Bischöfe,  welche  die  aus  den  Gleichnissen  ge- 
folgerte Pflicht,  die  verlorenen  aufzusuchen  und  zurückzurufen, 
vernachlässigen,  hat  Kallist  das  strafende  Wort  über  die  Hirten 
aus  Ez.  34  2  ff  bezogen.  Dies  folgt  aus  den  Worten,  mit  welchen 
Tert.  die  Stelle  einleitet:  denique  si  meministi  prophetarum, 
cum  pastores  increpantur,  puto  Ezechielis  est  vox.  Dass  der 
hier  angeredete  Kallist  ist,  dürfte  durch  den  verhergehenden 
Satz  sichergestellt  sein:  quo  ore  mortuum  restitues  in  gregem 
ex  parabolae  eius  auctoritate.  quae  non  mortuum  pecus  revocat?, 
wie  es  schon  durch  den  ganzen  Gedankengang  des  Capitels 
wahrscheinlich  ist.  Dass  Tert.  das  Citat  aber  auch  in  der 
Form  des  Kallist  wiedergiebt,  wird  durch  eine  Vergleichung 
desselben  mit  dem  Text  der  LXX  wahrscheinlich.  Es  sind  aus- 
gelassen die  Sätze:  xal  za  jtQoßazä  fiov  ov  ßoöxezs,  xal  zb 
xaxeoq  ixov  ovx  sGMjtazojioif/oaze ,  xal  zb  iGyrvQov  xazsigyd- 
oao&s  tu6yßq);  darnach  hätte  es  bei  Kallist  folgende  Form  gehabt: 
pastores,  ecce  lac  devoratis  et  lanis  vestimini;  quod  forte  est 
occidistis,  quod  infirmum  est  non  curastis,  quod  comminutum 
est  non  ligastis,  quod  expulsum  est  non  convertistis,  quod  periit 
non  requisistis.  Es  zeigt  sich,  dass  durch  die  Auslassungen  die 
Stelle  sich  besser  für  den  Zweck  Kallists  eignet  als  in  der  Form 
des  Textes  der  LXX;  man  kann  dieselben  daher  wohl  nur  auf  seine 
Rechnung  setzen.     Dasselbe  gilt  von  dem  Satze:  quod  expulsum 


III.    Der  Beweis  für  die  Yergebbarkeit  der  Unzuchtsünden.         73 

est  non  convertistis,  dieser  giebt  die  griechischen  Worte:  xal  to 
jiXavo}[i£Vov  ovk  ajcEGTQiipccTE  wieder;  beachtenswert  ist  dabei 
die  Übersetzung  von  rb  jcZavojfiEVOv  durch  quod  expulsuni  est, 
denn  in  jikavcoiisvov  ist  der  Begriff  des  gewaltsamen  Yertreibens, 
welcher  in  expulsuni  liegt,  gar  nicht  ausgedrückt;  es  liegt  hier 
deutlich  eine  Unibiegung  des  originalen  Sinnes  in  den  Gedanken 
der  zwangsweisen  Ausschliessung  aus  der  Gemeinde  vor,  die  nur 
von  Kaliist  herrühren  kann,  der  sich  so  durch  das  Schriftwort 
noch  besser  deckte. 

Es  ist  oben  schon  als  wahrscheinlich  bezeichnet,  dass  Tert. 
die  Auslegung  der  Gleichnisse  in  einer  Schrift  des  Kallist  ge- 
funden habe;  dass  ihm  eine  solche  vorlag,  folgt  auch  aus  der  Über- 
lieferung dieses  Citates,  das  ihm  in  dieser  von  Kallist  zuge- 
stutzten Form  nicht  durch  mündliche  Colportage  zugeführt 
sein  kann. 

f.  Aber  während  der  ganze  Abschnitt  nahe  legt,  Kallist 
selbst  für  den  Verfasser  dieser  Schrift  anzusehen,  da  ausser  an 
zwei  Stellen  (calicum  vestrorum  230,  23  illorum  interpretatione 
233,  27)  nur  er  angeredet  ist,  tritt  im  folgenden  wieder  eine 
Mehrzahl  von  Gegnern  auf,  unter  denen  keine  bestimmte  Einzel- 
persönlichkeit irgendwie  markant  hervortritt,  sodass  sich  wieder 
mehr  der  Eindruck  aufdrängt,  als  ob  es  sich  um  eine  Partei- 
schrift handele,  welche  Kallist  irgendwie  approbiert  haben  mag. 
Tert.  polemisiert  hier  gegen  eine  Auslegung  des  Gleichnisses 
vom  verlorenen  Sohn,  welche  in  dem  älteren  Sohn  die  Juden, 
in  dem  jüngeren  die  Christen  sehen  will;  diese  Auslegung  hat 
er  aber  wahrscheinlich  in  derselben  Schrift  gefunden,  in  der 
die  beiden  andern  Gleichnisse  ausgelegt  waren,  da  er  alle  drei 
in  einem  Schlusswort  zusammenfasst :  ceterum  si  in  hoc  gestit 
diversa  pars  ovem  et  drachmam  et  filii  luxuriam  Christiano 
peccatori  configurare,  ut  moechiam  et  fornicationem  paenitentia 
donent  etc.  (c.  9,  p.  23S,  18  ff).  Also  das  Gleichnis  vom  ver- 
lorenen Sohn  ist  mit  den  beiden  andern  zusammen  von  der 
Gegenpartei  so  gedeutet,  als  ob  darnach  der  Ehebrecher  Wieder- 
aufnahme in  die  Gemeinde  finden  könnte,  und  zwar  hat  Tert.  diese 
Auslegung  schriftlich  vor  sich  gehabt,  wie  unten  zu  zeigen  ist. 

Von  der  Auslegung  dieses  Gleichnisses  finden  wir  bei  Tert. 
noch  Bruchstücke.  Man  hat  in  dem  älteren  Sohne  den  Juden 
sehen  wollen  und  dementsprechend  die  einzelnen  Züge  gedeutet, 


74  Rolffs,  Das  Indulgenz-Edict. 

man  stützt  sich  darauf,  dass  auch  die  Juden  zuerst  im  Kind- 
schaftsverhältnis zu  Gott  standen  und  dass  sie  den  Christen 
um  die  Versöhnung  mit  Gott  beneiden:  licet  enim  filius 
audiat  et  Judaeus  et  maior,  quia  prior  in  adoptione,  licet 
et  Christiano  reconciliationem  dei  patris  invideat,  quod  vel 
maxime  di versa  pars  carpit,  sed  non  erit  etc.1)  Es  ist  höchst 
wahrscheinlich,  dass  Tert.  in  den  mit  licet  gebildeten  Sätzen 
sich  direct  auf  Worte  seiner  Gegner  bezieht,  dass  diese  etwa 
geschrieben  haben:  filius  audit  maior  Judaeus,  quia  prior  in 
adoptione  et  Christiano  reconciliationem  dei  patris  invidet. 

Ebenso  hat  Tert.  auch  die  Interpretation  des  jüngeren 
Sohnes  seitens  seiner  Gegner  im  wesentlichen  mit  ihren  eigenen 
Worten  überliefert  in  dem  Satze:  nam  si  Christianus  est  qui 
acceptam  a  deo  patre  substantiam  utique  baptismatis,  utique 
Spiritus  sancti  et  exinde  spei  aeternae,  longe  evagatus  a  patre 
prodigit  ethnice  vivens,  si  exutus  bonis  mentis  etiam  principi 
saeculi  (cui  alii  quam  diabolo  ?)  servitium  suum  tradidit  et  ab 
eo  porcis  alendis,  immundis  scilicet  spiritibus  curandis,  praepo- 
situs  resipuit  ad  patrem  reverti,  —  iam  non  moechi  et  forni- 
catores,  sed  idololatrae  et  blasphemi  et  negatores  et  omne 
apostatarum  genus  hac  parabola  patri  satisfacient 2).  Dass  dieser 
Satz  nicht  von  Tert.  frei  gebildet  ist,  sondern  in  seiner  Con- 
struction  durch  einen  Satz  seiner  Gegner  stark  beeinfiusst,  ist 
an  zwei  Merkmalen  zu  constatieren: 

1.  Die   Structur  ist   eigentlich  so,  dass   der  Hauptsatz  iam 

non   moechi patri  satisfacient  den  Nachsatz   zu  dem 

Bedingungssatz:  si  Christianus  est  bildet.  Tert.  sagt  nämlich: 
Nach  der  Auslegung  seiner  Gegner  wird  durch  dieses  Gleichnis 
die  ganze  christliche  Sittenzucht  zerstört;  denn  wenn  es  ein 
Christ  ist,  welcher  ein  Leben  führt,  wie  sie  es  schildern,  und 
umkehrend  Vergebung  empfängt,  so  müssen  auch  alle  Lästerer, 
Abtrünnigen  und  Götzendiener  Verzeihung  erhalten.  Construiert 
man  aber  so,  so  hat  der  Satz  si  exutus  bonis  mentis  etc.  keinen 
Nachsatz,  da  er  unmöglich  das  erste  si  wieder  aufnehmen  kann, 
weil  er  einen  diesem  Satze  sub-  und  dem  Relativsatz  qui  — 
prodigit  coordinirten  Gedanken  ausspricht3).     Diese  Härte  lässt 

1 ,  c.  8  p.  234,  15.  2)  c.  9  p.  236,  27. 

3)  Harnack,  Zs.  f.  Th.  u.  K.,  1891  S.  116.  117,  übersetzt:  „Wenn  der 
ein    Christ   ist,    welcher in  der  Feme  umherschweift  und 


III.    Der  Beweis  für  die  Vergebbarkeit  der  Unzuchtsünden.  75 

sich  nur  auf  eine  Weise  erklären:  Tert.  hatte  einen  Satz  seiner 
Gegner   vor   sich,   welcher   etwa   lautete:    Christianus    est,   qui 

acceptam    a   deo    patre   substantiani prodigit   ethnice 

vivens;  si  exutus  bonis  mentis resipuit  ad  patrem  reverti, 

(recipitur).  Er  hat  nun  diesen  Satz  oder  richtiger  diese  beiden 
Sätze  in  einem  Condicionalsatz  seiner  Aussage  als  Voraussetzung 
vorangestellt  und  dabei  den  Nachsatz  des  Satzes  si  exutus  als 
für  seinen  Zweck  unwesentlich  ausgelassen.  Er  hat  demnach 
in  dem  citierten  Satze  die  Auslegung  seiner  Gegner  in  der 
Form  gegeben,  wie  er  sie  in  einer  Schrift  derselben  vorfand. 
2.  Freilich  hat  er  sie  nicht  völlig  intact  gelassen;  aber  die 
Veränderungen,  welche  er  vornimmt,  bestätigen  nur,  dass  er  im 
übrigen  wörtlich  citiert.  Er  hat  den  Satz  nämlich  durch  drei 
Glossen  erweitert:  „utique  spiritus  sancti  et  exindespeiaeternae." 
„cui  alii  quam  diabolo?"  „imniundis  scilicet  spiritibus  curandis. 
Die  ersten  Worte  weisen  sich  schon  äusserlich  als  solche  aus,  da  in 
denselben  der  Begriff  accepta  a  deo  substantia,  welcher  schon 
durch  utique  baptismatis  glossiert  ist,  eine  weitere  glossarische  Er- 
klärung erhält,  sodass  der  Satz  durch  das  doppelte  utique  sehr 
schwerfällig  wird.  Ebenso  passtdas  „cui  aliquam  diabolo?"  schon 
seiner  Form  nach  nicht  in  den  Satzbau  und  scheidet  sich  dadurch 
schon  selbst  aus.  Zweifelhaft  könnte  man  wegen  des  „immundis 
scilicet  spiritibus  curandis"  sein;  aber  diese  Worte  legen  das 
Gleichnis  so  wenig  im  Interesse  der  Gegner  aus  und  passen  so 
vorzüglich,  um  die  von  Tert.  im  Nachsatz  ausgesprochene  Be- 
hauptung vorzubereiten,  dass  sie  ebenfalls  als  von  ihm  ein- 
geschobene Glosse  anzusehen  sind.  Tert.  will  nämlich  die  von 
seinen  Gegnern  dem  Gleichnis  gegebene  Auslegung  so  drehen, 
dass  sie  weniger  auf  Hurer  und  Ehebrecher,  als  auf  Götzen- 
diener und  Abtrünnige  passt1).     Aus  diesem  Zweck  finden  alle 

heidnisch  lebt,  wenn  er  —  —  sogar  dem  Fürsten  dieser  Welt  Sklaven- 
dieaste  leistet  und  von  ihm  mit  der  Fütterung  der  Säue  beauftragt  wird 
—  wenn  ein  solcher  zur  Besinnung  gekommen  und  zum  Vater  zurück- 
gekehrt ist,  dann  werden  nicht  bereits  etc."  und  zeigt  damit,  dass  auch 
er  an  der  Construction  Anstoss  nimmt  und  sie  durch  Einschiebung  des 
,,wenn  ein  solcher"  erträglich  zu  machen  sucht. 

1)  Dies  scheint  Harnack  bei  seiner  Übersetzung  übersehen  zu  haben, 
da  er  schreibt:  ,,Dann  werden  bereits  nicht  nur  die  Ehebrecher  und  Hurer. 
sondern  die  Götzendiener  etc.",  während  Tert.  sagt:  „Dann  werden  bereits 
nicht  die  Ehebrecher  etc."  Zs.  f.  Th.  u.  K.  1891  S.  117. 


76  Rolffs,  Das  Indulgenz-Edict. 

3  Glossen  ihre  ausreichende  Erklärung;  denn  nur  der  Götzen- 
diener verschwendet  absichtlich  die  Ausrüstung  mit  dem  heiligen 
Geiste  und  die  Hoffnung  des  ewigen  Lebens;  nur  von  ihm  lässt 
sich  im  eigentlichen  Sinne  sagen,  dass  er  in  den  Dienst  des 
Teufels  tritt,  und  eine  Sorge  um  die  unreinen  Geister  kann 
man  nicht  dem  Ehebrecher,  sondern  nur  dem  vorwerfen,  welcher 
die  hinter  den  heidnischen  Göttern  verborgenen  unreinen  Geister 
durch  Anbetung  und  Opfer  ehrt. 

Demnach  fand  Tert.  in  einer  Schrift  seiner  Gegner  etwa 
den  Satz:  Christianus  est,  qui  acceptam  a  deo  patre  substan- 
tiam  utique  baptismatis  longe  evagatus  a  patre  prodigit  ethnice 
vivens;  si  exutus  bonis  mentis  etiam  principi  saeculi  servitium 
suum  tradidit  et  ab  eo  porcis  alendis  praepositus  resipuit  ad 
patrem  reverti  —  — .  Es  fragt  sich,  ob  sich  auch  noch  etwas 
über  den  Nachsatz  feststellen  lässt,  welcher  dem  Bedingungssatz 
si  exutus  etc.  gefolgt  ist;  man  darf  annehmen,  dass  derselbe 
mehr  als  ein  Wort  enthalten  hat  (nicht  nur,  wie  oben  als  mög- 
lich gesetzt,  recipitur),  da  Tert.  ihn  sonst  nicht  weggelassen 
haben  würde,  und  es  ist  wahrscheinlich,  dass  er  die  allegorische 
Ausdeutung  der  Parabel  fortgesetzt  hat.  Auf  diesen  Nachsatz 
scheint  Tert.  anzuspielen  in  den  Worten:  recuperabit  igitur  et 
apostata  vestem  priorein.  indumentum  Spiritus  sancti  et  anuluni 
denuo,  signaculum  lavacri.  Dieser  Satz  wird  durch  das  igitur, 
welches  auf  die  unmittelbar  vorhergehenden  Sätze  keinen  Bezug 
haben  kann,  an  die  Worte  idololatrae  et  blasphemi  et  nega- 
tores  et  omne  apostatarum  genus  hac  parabola  patri  satisfacient 
angeschlossen J).  Tert.  hält  seinen  Gegnern  mit  bitterer  Ironie, 
indem  er  ihre  eigenen  Worte  gebraucht,  vor:  „Also  auch  der 
Abtrünnige  wird  das  Gewand  und  den  Ring  zurückerhalten",  und 
um  ihnen  vor  Augen  zu  führen,  dass  diese  allegorische  Deutung 
sofort  scheitert,  wenn  man  sie  consequent  durchführen  will, 
fährt  er  mit  grimmigem  Hohn  fort:  „Und  wiederum  wird  jenem 
Christus  geschlachtet  werden  und  er  -wird  wieder  auf  dem  Polster 
liegen,  von  welchem  die  unwürdig  gekleideten  von  den  Henkers- 


1)  et  omne  apostatarum  genus  hac  parabola  patri  satisfacient  et  elisa 
est  verissirne  hoc  imaginis  modo  tota  substantia  sacramenti.  quis  enini  time- 
bit  prodigere,  quod  habebit  postea  recuperare?  quis  curabit  perpetuo  con- 
servari  quod  non  perpetuo  poterit  amittere?  securitas  delicti  etiam  libido 
est  eius.  recuperabit  igitur  et  apostata  vestem  priorem  etc.    p.  237,  3  ff. 


III.    Der  Beweis  für  die  Vergebbarkeit  der  Unzuchtsünden.  77 

knechten  aufgehoben  und  in  die  Finsternis  geworfen  worden"  ')• 
Dass  seine  Gegner  aber  das  neue  Gewand  und  den  Ring  in 
der  angegebenen  Weise  gedeutet  haben,  ist  sicher,  da  er  dieser 
Auslegung  eine  andere  sie  corrigierende  entgegensetzt,  in 
welcher  er  auch  das  geschlachtete  Kalb  zu  deuten  weiss,  indem 
er  —  höchst  geschmacklos  —  das  Mahl  auf  die  Eucharistie 
bezieht2.)  Wenn  nun  die  Gegner  sicher  den  Empfang  des  ver- 
lorenen Sohnes  allegorisch  auf  die  Wiederaufnahme  des  Sünders 
in  die  Gemeinde  ausgedeutet  haben,  und  wenn  Tert.  diese  Aus- 
legung mitteilt  und  zwar  in  Worten,  welche  von  seinen  Gegnern 
herrühren  können  und  in  diesem  Falle  erst  wirklich  eine  beissende 
Ironie  einschliessen,  so  darf  man  mit  ziemlicher  Sicherheit 
annehmen,  dass  diese  Worte  direct  aus  der  Schrift,  gegen  die 
er  polemisiert,  entnommen  sind,  und  man  wird  daher  den  Satz 
folgendermassen  wiederherstellen  dürfen:  si  exutus  bonis  mentis 
—  —  resipuit  ad  patrem  reverti,  recuperabit  (-perat?)  vestem 
priorem,  indumentum  Spiritus  sancti,  et  anulum  denuo  signa- 
culum  lavacri. 

g.  Wenn  Tert.  die  Gleichnisse  so  deuten  wollte,  dass  sie 
im  Sinne  Christi  auf  die  Heiden,  welche  der  Heiland  aufnimmt, 
bezogen  werden  sollten,  so  haben  die  Gegner  sich  gegen  diesen 
Einwand  schon  gedeckt  durch  eine  dialectische  Erörterung, 
welche  Tert.  c.  10  mitteilt  in  dem  Satze:  contendunt  iam  nee 
competere  ethnicis  paenitentiae  denunciationem,  quorum  delicta 
obnoxia  ei  non  sint,  ignorantiae  scilicet  imputanda,  quam  sola 
natura  ream  deo  faciat.  porro  nee  remedia  sapere  quibus  peri- 
culo  ipsa  non  sapiant,  illic  autem  paenitentiae  constare  rationem 
ubi  conscientia  et  voluntate  delinquitur,  ubi  et  culpa  sapiat  et 
gratia,  illum  lugere  illum  volutari,  qui  sciat  et  quid  amiserit  et 
quid  sit  recuperaturus,  si  paenitentiam  deo  immolarit  utique  eam 
magis  filiis  offerenti  quam  extraneis  (p.  239, 1).  Bei  diesem  Referat 
ist  bemerkenswert,    dass    in    dem    Relativsatz    „quorum    delicta 


1)  et  rursus  illi  maetabitur  Christus  et  recumbet  in  eo  toro,  de  quo 
indigne  vestiti  a  tortoribus  solent  tolli  et  abici  in  tenebras,  nedum  spoliati. 
p.  237,  10. 

2)  recordatur  patris  dei,  satisfacto  redit,  vestem  pristinam  reeipit, 
statum  scilicet  eum,  quem  Adam  transgressus  amiserat.  anulum  quoque 
aeeepit  tunc  primum  quo  fidei  pactionem  interrogatus  obsignat,  atque  ita 
exinde  opimitate  dominici  corporis  vescitur,  eucharistia  scilicet.   p.  238,  2ff. 


78  Rolffs,  Das  Indulgeuz-Edict. 

obnoxia  ei  nou  sint"  sich  ei  auf  das  Subject  des  übergeordneten 
Satzes  „ denunciationem  paenitentiae"  beziehen  muss;  dadurch 
ergiebt  sich  eine  Ungenauigkeit.  Es  sind  nämlich  nicht  die  Über- 
tretungen der  Heiden  „der  Ankündigung  der  Busse  nicht 
unterworfen",  sondern  „der  Busse  nicht  unterworfen".  Der  Re- 
lativsatz passt  also  nicht  zu  dem  übergeordneten  Satz;  er  macht 
vielmehr  den  Eindruck,  als  ob  er  sich  ursprünglich  etwa  einem 
Satz  angeschlossen  habe  wie:  nee  ethnicis  paenitentia  denunciatur. 
Tert.  hat  ihn  unverändert  in  sein  Referat  aufgenommen,  obgleich 
er  die  Construction  des  Hauptsatzes  änderte;  er  ist  also  sehr 
genau  seiner  Vorlage  gefolgt. 

Diese  Ausführung  rührt  nun  sicher  von  Kallist  her;  denn 
die  persönliche  Polemik  Tert.s  gegen  ihn  wird  hier  so  scharf 
und  bissig1),  dass  man  mit  der  Annahme  einer  unter  seiner 
Approbation  erschienenen  Parteischrift  nicht  auskommt.  Be- 
sonders sind  die  Worte:  „Suis,  non  ethnicis.  sinum  subicit,  se- 
eunda  te  paenitentia  excipiet;  eris  iterum  de  moecho  Christia- 
nus, haec  tu  mihi  benignissime  dei  interpres"  hier  entscheidend. 
In  dem  Satze:  Suis  non  ethnicis  etc.  wird  der  Gedanke,  welchen 
die  Gegner  nach  dem  Anfang  des  Cap.  geltend  gemacht  haben, 
kurz  und  scharf,  mit  übertreibender  Ironie  ausgesprochen  und 
dann  mit  den  Worten:  haec  tu  mihi,  benignissime  dei  interpres 
dem  Kallist  persönlich  zugeschoben,  der  in  dem  Abschnitt  vor- 
her in  einer  alle  Achtung  vor  seinem  Amt  vernachlässigende!! 
Form  verhöhnt  war.  Er  wird  daher  auch  der  Verfasser  der 
Schrift  sein,  aus  welcher  die  am  Anfang  des  Cap.  mitgeteilte 
Ausführung  entnommen  ist. 

h.  In  dieser  Schrift  hat  Kallist  auch  eine  Stelle  aus  dem 
Pastor  Hermae  citiert 2),  in  welcher  ausgesprochen  war,  dass  auch 

1)  age  tu  funarnbule  pudicitiae  et  castitatis  et  ornnis  circa  sexuin 
sanetitatis ,  qui  tenuissimum  filum  diseipliuae  eiusmodi  veri  avia  pendente 
vestigio  ingrederis,  carnem  spiritu  librans,  arrimam  fide  moderans,  oculurn 
metu  temperans.  quid  itaque  in  gradu  totus  es?  perge  sane  si  potueris,  si 
volueris,  dum  tarn  securus  et  quasi  in  solido  es.  nam  si  qua  te  carnis 
vacillatio,  animi  avocatio,  oculi  evagatio  de  tenore  decusserit,  deus  bonus 
est.    suis (p.  240,  1.) 

2) eris  iterum  de  moeebo  Christianus,    haec  tu  mihi ; 

sed  cederem  tibi  si  scriptura  Pastoris  quae  sola  moechos  arnat,  divino  in- 
strumento  rneruisset  ineidi,  —  —  —  adultera  et  ipsa  et  inde  patrona  so- 
ciorum  a  qua  et  alias  initiaris (p.  240,  10ff.) 


III.    Der  Beweis  für  die  Vergebbarkeit  der  Unzucbtsünden.  79 

der  Christ  nach  der  Taufe  durch  Busse  Vergebung  erlangen  könne. 
Zweifellos  handelt  es  sich  hierbei  um  die  Stelle  Mand.  IV,  1,8: 
aZZä  ösl  jcctQadsy&rjvai  rov  7j(iaor?pc6ra  xcä  (teravoovvra' 
fit)  ejtl  jioZv  de  rotg  yag  öov/.oig  rov  &sov  fisrdvoia  eonv 
(da  [).  Den  Gedanken,  welchen  dieses  Citat  begründen  soll,  fasst 
Tert.  in  die  Sätze  zusammen:  (Deus)  suis,  non  ethnicis,  sinum 
subicit,  secunda  paenitentia  te  excipiet;  eris  iterum  de  moecho 
Christianus.  Der  erste  Satz,  welcher  den  Inhalt  der  Ausführung 
contendunt  —  extraneis  (s.  S.  77)  zusammenfasst,  wird  nun  durch 
die  Worte:  rotg  yäo  öovXoig  rov  #foö  fisrdvoiä  soziv  tula  be- 
wiesen"2), welche  sich  unmittelbar  an  das  letzte  Wort:  extraneis 
angeschlossen  haben  können.  Der  zweite  Satz:  (Deus)  secunda 
paenitentia  te  excipiet  findet  seine  Begründung  durch  die  Worte 
ösi  jiaQaöty&rivai  rov  i/fiaQTijxora  xcu  [itravoovvra;  dieser 
Gedanke  ist  aber  in  der  von  Tert.  c.  10  (init.)  citierten  Aus- 
führung seiner  Gegner  nicht  ausgesprochen;  er  ist  aber  in 
einem  anderen  Satz  enthalten,  der,  wie  S.  66  nachgewiesen, 
höchst  wahrscheinlich  ihre  Voraussetzung  ausdrückte:  venia  est 
fructus  paenitentiae.  In  der  That  bemüht  sich  nun  Tert.  am 
Schluss  von  c.  10  (S.  240,  20  ff.)  diesen  Satz  zu  widerlegen  oder 
wenigstens  richtig  zu  stellen,  indem  er  gegen  den  Hirten,  der 
die  Ehebrecher  liebt,  den  wahren  Hirten  ins  Feld  führt,  dessen 
Grundsatz  er  in  dem  Wort  des  Johannes  findet:  facite  dignos 
paenitentiae  fructus.  Demnach  darf  man  vermuten,  dass  aus  dem 
Hermascitat  der  Satz:  venia  est  fructus  paenitentiae  entweder 
abgeleitet  oder  dass  er  durch  dasselbe  begründet  ist.  Ob  die 
Worte  a  qua   et  alias  initiaris  darauf   zu    beziehen    sind,    dass 


1)  Patr.  apost.  edd.  Gebhardt,  Harnack  etc.  111  p.  TS,  15. 

2)  Es  ist  klar,  dass  dieser  Satz  in  der  Fassung  der  lateinischen 
Übersetzung  des  Hermas  noch  viel  deutlicher  sagt,  -was  Kailist  damit  sagen 
will :  servo  enim  dei  una  paenitentiae  venia  indulgetur ;  denn  hier  fällt  der 
Nachdruck  mehr  auf  servo  dei,  während  er  im  Griechischen  eigentlich 
allein  auf  tula  liegt.  Man  darf  daraus  aber  nicht  schliessen,  dass  Kaliist 
die  lateinische  Übersetzung  benutzt  hätte ,  ebensowohl  kann  er  das  Citat 
im  Griechischen  so  geändert  haben,  dass  es  seinem  Zweck  besser  ent- 
sprach, wie  er  denn  überhaupt  frei  citiert  (s.  S.  63.  72).  Wäre  er  dem 
lateinischen  Text  gefolgt,  so  hätte  er  im  ersten  Satz:  omnis,  quae  paeni- 
tentiam  delictorum  agit,  recipi  quidem  cum  venia  debet,  ändern  müssen, 
da  derselbe  sich  in  dieser  Form  auf  die  untreue  Ehefrau  bezieht,  welche 
reuig  zu  ihrem  Gemahl  zurückkehrt. 


gO  Rolffs,  Das  Indulgenz-Edict. 

Kallist  den  Hirten  noch  an  andern  Stellen  derselben  Schrift 
citiert,  oder  darauf,  dass  er  ihn  in  andern  Schriften  angezogen 
habe,  lässt  sich  nicht  entscheiden. 

i.  Während  in  c.  10  uns  scharf  und  klar  die  Persönlich- 
keit Kallists  entgegentritt,  erscheinen  in  c.  11  die  Gegner  wieder 
in  ihrer  vagen  Allgemeinheit.  Es  erscheint  auf  den  ersten  Blick 
soo-ar  zweifelhaft,  ob  die  Argumentation  von  den  Thaten  des 
Herrn  aus  wirklich  von  ihnen  geliefert  und  nicht  eine  blosse 
Annahme  Tert.'s  ist.  Allein  der  Anfang  des  Cap.  sieht  doch 
deutlich  auf  die  Erörterung  über  die  Gleichnisse  zurück *)  und 
deutet  an,  dass  auch  die  Auseinandersetzung  über  den  Beweis 
aus  den  Thaten  des  Herrn  ihm  von  den  Gegnern  aufgenötigt 
wird.  Der  folgende  Satz  teilt  dann  mit,  was  sie  von  den  Thaten 
des  Herrn  für  ihr  Verfahren  geltend  gemacht  haben:  Si  vero 
et  factis  aliquid  tale  pro  peccatoribus  edidit  dominus,  ut  cum 
peccatrici  feminae  etiam  corporis  sui  contactum  permittit  lavanti 
lacrimis  pedes  eius  et  crinibus  detergenti  et  unguento  sepul- 
turam  eius  inauguranti,  ut  cum  Samaritanae  sexto  iam  matri- 
monio  non  moechae,  sed  prostitutae,  etiam  quod  nemini  fa- 
cile,  quis  esset  ostendit,  nihil  ex  hoc  adversariis  confertur,  et 
si  iam  Christianis  veniam  delictorum  praestitisset.  p.  241,  2  ff. 
Es  ist  die  Frage,  ob  Tert.  sich  hier  auch  auf  Worte  seiner 
Gegner  bezieht;  dieses  erscheint  wahrscheinlich;  denn  alle  Mo- 
mente, welche  für  die  Gegner  in  den  Geschichten  von  Bedeu- 
tung sind,  sind  so  kurz  und  so  vollständig  hier  zusammen- 
gefasst,  wie  man  es  von  Tert.  nicht  erwarten  dürfte;  ferner  deutet 
das  et  vor  factis  darauf  hin.  Es  kann  nicht  zu  si  gezogen 
werden,  sodass  der  Satz  concessiven  Sinn  bekommen  würde, 
sondern  es  gehört  zu  factis:  „Wenn  aber  auch  durch  seine 
Thaten  der  Herr  etwas  derartiges  für  die  Sünder  verfügt  hat 
—  —  — ,  so  folgt  daraus  nichts  für  die  Gegner'',  und  es  hat 
zur  Voraussetzung  den  Gedanken:  der  Herr  hat  durch  seine 
Worte  den  Sündern  Verzeihung  verheissen;  diesem  wird  hinzu- 
gefügt: auch  durch  seine  Thaten  hat  er  solches  festgestellt.  In 
diesem  Sinne  kann  das  „et"  aber  nur  von  den  Gegnern  ge- 
braucht sein,  und  wir  werden  hier  wieder  den  Fall  haben,  den 


1)  Exinde    quod  ad  evangeüum  pertinet,  parabolarum  quidem  dis- 
cussa  iam  quaestio  est. 


III.    Der  Beweis  für  die  Vergebbarkeit  der  Unzuchtsünden.  gl 

wir  schon  öfter  beobachteten,  dass  Tert.  einen  Satz  seiner 
Gegner  durch  ein  vorgesetztes  si  als  Voraussetzung  aufstellt, 
aus  der  er  im  Nachsatz  dann  seine  Folgerung  zieht.  Der  be- 
treffende Satz  könnte  etwa  gelautet  haben:  Idem  (dass  der 
büssende  Sünder  Vergebung  empfängt)  et  factis  pro  peccatoribus 
edidit  Dominus,  ut  (z.  B.)  cum  peccatrici  etc. 

k.  Tert.  hat  die  Berufung  auf  den  Verkehr  des  Herrn 
mit  Ehebrechern  als  massgebend  für  das  Verhalten  der  Kirche 
diesen  Sündern  gegenüber  damit  abgewiesen,  dass  er  Christus 
als  den  einzigartigen  Stifter  der  Kirche  der  Nachahmung  durch 
dieselbe  in  dieser  Hinsicht  entrückt,  und  verlangt,  dass  Bei- 
spiele angeführt  werden,  wonach  die  Apostel  Sünden  vergeben 
haben.  Er  kennt  auch  hier  deutlich  die  Vermutungen  der  Gegner. 
Denn  in  der  That  vermuten  sie,  dass  der  Apostel  Paulus  im 
zweiten  Brief  an  die  Corinther  eben  demselben  Blutschänder 
Verzeihung  gewährt  habe,  von  welchem  er  im  ersten  erklärt 
hatte,  er  sei  dem  Satan  zu  übergeben  „zum  Verderben  des 
Fleisches"  ').  Für  die  Ausdrücke  „satanae  dedere"  und  „inter- 
itus  carnis"  haben  die  Gegner  dabei  gleich  eine  Interpretation 
gegeben,  welche  jeden  darin  liegenden  Anstoss  beseitigen  soll. 
„Sie  deuten  nämlich  das  Verderben  des  Fleisches  auf  die  Pflicht 
der  Busse,  welche  unter  Fasten  und  Schmutz  und  aller  Vernach- 
lässigung und  mit  aller  für  schlechte  Behandlung  angewandten 
Mühe  durch  Ertöten  des  Fleisches  Gott  Genugthuung  zu  leisten 
scheine,  um  hieraus  zu  beweisen,  dass  der  Ehebrecher,  ja  jener 
Blutschänder  nicht  zum  Verderben  dem  Satan  vom  Apostel 
übergeben  sei,  sondern  zur  Besserung,  als  ob  er  später  Ver- 
zeihung wegen  des  Unterganges  d.  h.  wegen  der  Kasteiung  des 
Fleisches  erlangen  sollte,  daher  auch  erlangt  habe" 2).  Die  Berech- 
tigung für  diese  Auslegung  entnehmen  sie  aus  1  Tim  120,   wo 

1)  Novimus  plane  et  hie  suspiciones  eorum,  revera  enim  suspicantur 
apostolum  Paulum  in  seeunda  ad  Corinthios  eideru  fornicatori  veniam 
dedisse,  quem  in  prima  dedendum  satanae  in  interitum  carnis  pro- 
nuntiarit.    c.  13  p.  243,  1. 

2)  hie  iam  carnis  interitum  in  officium  paenitentiae  interpretantur, 
quod  videatur  ieiuniis  et  sordibus  et  ineuria  omni  et  dedita  opera  malae 
traetationis  carnem  externiinando  satis  deo  facere.  ut  ex  hoc  argumententur 
fornicatorem  immo  incestum  illum  non  in  perditionem  satanae  ab  apostolo 
traditum,  sed  in  eniendationem.  quasi  postea  veniam  ob  interitum  id  est 
conflietationem  carnis  consecuturum,  igitur  et  consecutum.    p.  244,  22  ff. 

Texte  n.  Untersuchungen  XI,  3.  6 


§2  Rolffs,  Das  Indulgenz-Edict. 

Paulus  die  Lästerer  Alexander  und  Hyraenäus  dem  Satan  zur 
Besserung  übergiebt,  und  aus  2  Cor.  127,  wo  er  sagt,  ihm  sei 
ein  Pfahl  ins  Fleisch  gegeben,  des  Satans  Engel,  von  dem  er 
mit  Fäusten  geschlagen  werde  *). 

Über  die  Form,  in  welcher  die  Gegner  diese  Argumente 
vorgebracht  haben,  lässt  sich  noch  einiges  feststellen.  Zunächst 
scheint  Tert.  da,  wo  er  über  die  Benutzung  der  Stellen  1  Tim.  120, 
2  Cor.  12  -  berichtet,  die  Gegner  mit  ihren  eignen  Worten  reden 
zu  lassen,  da  er  die  bisher  eingehaltene  referierende  Form  plötz- 
lich verlässt  und  in  die  directe  Rede  übergeht:  plane  idem 
apostolus  —  ne  se  extolleret.  Wo  er  in  referierendem  Tone 
die  Auslegung  des  „interitus  carnis"  mitteilt,  nimmt  er  jeden- 
falls auf  die  Worte  seiner  Gegner  Bezug;  dieselben  haben  wohl 
sicher  geschrieben:  „officium  paenitentiae,  quod  videtur  ieiuniis 
et  sordibus  et  incuria  omni  et  dedita  opera  malae  tractationis 
carnem  exterminando  satis  deo  facere."  Hieraus  haben  sie  argu- 
mentiert, dass  der  Ehebrecher  dem  Satan  nicht  zum  Verderben, 
sondern  zur  Besserung  übergeben  sei,  vielleicht  mit  den  Worten: 
fornicator  igitur  ille  non  in  perditionem  satanae  ob  apostolo  tra- 
ditus  est,  sed  in  emendationem,  scilicet  postea  veniam  ob  inter- 
itum  id  est  confiictationem  carnis  consecuturus,  igitur  et  con- 
secutus.  Weniger  sicher  ist,  ob  man  in  dem  acc.  c.  inf  nach 
revera  enim  suspicantur  ein  genaues  Referat  der  Worte  der 
Gegner  sehen  darf,  da  der  Satz  so  kurz  ist,  dass  er  keine  An- 
haltspunkte dafür  bietet;  freilich  spricht  nichts  dagegen,  dass 
die  Berufung  auf  das  Verfahren  des  Paulus  in  die  Form  ge- 
kleidet war:  apostolus  Paulus  in  secunda  ad  Corinthios  eidem 
fornicatori  veniam  dedit,  cpiem  in  prima  dedendum  satanae  in 
interitum  carnis  pronuntiavit;  und  wenn  man  berücksichtigt,  dass 
durch  den  Conjunctiv  pronuntiarit  die  Aussage  des  Relativ- 
satzes ausdrücklich  als  Behauptung  der  Gegner  hingestellt  wird, 
so  liegt  nahe  anzunehmen,  dass  Tert.  dieselbe  auch  mit  ihren 
Worten  wiedergiebt.  Zum  Belege  ihrer  Behauptung  scheinen 
die  Gegner  die  ganze  Stelle  2  Cor.  25 — 11   citiert  zu  haben:  si 


1)  plane  idem  apostolus  Hymenaeum  et  Alexandrum  satanae  tradidit 
ut  emendarentur  non  blasphemare,  sicut  Timotheo  suo  scribit.  sed  et  ipse 
datum  sibi  aitsudem,  angelum  satanae,  a  quo  colaphizaretur,  ne  se  extolleret. 

p  244,  29. 


III.    Der  Beweis  für  die  Yergebbarkeit  der  Unzuchtsünden.  §3 

quis  autera  contristavit,  non  me  contristavit,  sed  ex  parte,  ne 
vos  ouerem  omnes.  satis  est  talis  increpatio  quae  a  multis  fit; 
uti  e  contrario  rnagis  vos  donare  et  advocare,  ne  forte  abundantiore 
tristitia  devoretur  einsmodi.  propter  quod  oro  vos  constituatis  in 
eum  dilectionem.  in  hoc  enim  et  scripsi,  uti  cognoscam  probatio- 
nem  vestram,  quod  in  omnibus  obauditis  mihi,  si  cui  autem 
donaveritis  et  ego.  nam  et  ego  si  quid  donavi,  donavi  in  per- 
sona Christi,  ne  fraudemur  a  satana,  quoniam  non  ignoramus 
iniectiones,  eius  (über  den  Text  dieses  Citates  s.  unten  S.  119. 122). 
Drei  Abweichungen  vom  neutestamentlichen  Text,  die  sicher 
nicht  zufällig,  sondern  absichtlich  sind,  scheinen  zu  dieser  An- 
nahme zu  nötigen. 

1.  satis  est  talis  increpatio,  quae  a  multis  fit,  ist  gesetzt 
statt  I'/mvov  reo  roiovTcp  >/  IjcLTtida avrtj  >/  vjco  rcöv  utluövcov. 
Der  griechische  Text  bedeutet:  „jene  Zurechtweisung,  welche 
der  Blutschänder  von  der  Mehrzahl  erfahren  hat,  ist  für  einen 
solchen  Menschen  genug."  Es  handelt  sich  dabei  um  die  in 
jenem  ganz  bestimmten  Fall  von  der  Mehrzahl  der  Gemeinde 
dem  Schuldigen  erteilte  Rüge;  genauer  hätte  sie  bezeichnet 
werden  müssen  als  t)  vjco  tojv  jcXeiovcov  yEVOfisvr].  Dagegen 
ist  durch  die  lateinische  Übersetzung  ganz  allgemein  gesagt: 
es  genügt  (d.  h.  in  einem  Fall,  wie  er  durch  den  Zusammen- 
hang näher  bestimmt  ist)  eine  Zurechtweisung,  welche  das 
charakteristische  Merkmal  hat,  dass  sie  von  der  Mehrzahl  der 
Gemeinde  erteilt  wird.  Damit  kann  nur  die  von  der  Gemeinde 
im  Bussverfahren  erteilte  Zurechtweisung  gemeint  sein. 

2.  JtaQa.xa2.Eiv  ist  zuerst  durch  advocare,  dann  durch  orare 
wiedergegeben;  es  liegt  nahe  zu  vermuten,  dass  es  im  ersten 
Fall  im  Sinne  von  ..herbeirufen"  d.  h.  zurückrufen  in  die  Ge- 
meinde verstanden  werden  soll. 

3.  oV  vfiäg  vor  sv  jiQoGoiJicpXQiOTOv  ist  nicht  übersetzt;  da- 
durch fällt  aller  Nachdruck  auf  diese  letzteren  Worte,  und  der 
deutliche  Zweck  der  lateinischen  Übersetzung  ist  daher  auszu- 
sprechen: die  vom  Apostel  erteilte  Vergebung  ist  im  Kamen 
Christi  erteilt.  Da  nun  nach  dem  vorhergehenden  Satz  die 
Vergebung  des  Apostels  mit  der  der  Gemeinde  zusammentrifft, 
so  ist  bewiesen,  dass  auch  die  letztere  im  Namen  Christi  er- 
teilt ist. 


84  Rolff's,  Das  Indulgeuz-Edict. 

Diese  Änderungen  rühren  nicht  von  Tert.  her,  der  wenig- 
stens für  v.  6  p.  246,  16  die  richtige  Lesart  kennt;  er  hat  sie 
also  aus  der  Schrift  seiner  Gegner,  deren  Ansichten  sie  be- 
günstigen, herüber  genommen.  Dass  diese  gegnerische  Schrift 
von  Kaliist  herrührt,  setzt  Tert.s  Polemik  ausser  Zweifel 1). 

Fraglich  ist  dagegen,  ob  auch  die  Deutung  des  interitus 
carnis  auf  die  Kasteiung  des  Fleisches  in  diesem  Zusammen- 
hang gegeben  ist.    Zwei  Momente  scheinen  dagegen  zu  sprechen: 

1.  Tert.  sagt,  Paulus  sollte  dem  Blutschänder  so  leichtsinnig  ver- 
ziehen haben,  ,.ut  nee  hunc  saltem  habitum  legitimum  paenitentiae 
quem  ab  ipso  didicisse  deberes  (welchen  du  von  ihm  persönlich, 
durch  seine  unmittelbare  Belehrung,  gelernt  haben  müsstest)  ab  eo 
exegerit?  Darnach  scheint  Kallist  den  Worten  des  Paulus  keine 
solche  Deutung  gegeben  zu  haben,  wonach  in  ihnen  Bussleistungen 
von  dem  Sünder  gefordert  werden,  also  die  Deutung  des  interitus 
carnis  scheint  nicht  von  ihm  herzurühren.  Aber  andererseits 
ist  zu  beachten,  dass  Tert.  von  dem  „habitus  legitimus  paeni- 
tentiae" redet,  welcher  darin  besteht,  dass  der  Büssende  in 
Sack  und  Asche,  auf  den  Boden  hingestreckt  vor  die  Presbyter 
und  Wittwen,  die  Fürbitte  der  Gemeinde  erfleht,  und  diese 
officielle  öffentliche  Busse  hat  man  auch  in  dem  „interitus 
carnis*',    der  blossen  Kasteiung   des  Fleisches,    nicht  gefunden. 

2.  Nachdem  Tert.  diese  Deutung  widerlegt  hat,  fahrt  er  fort: 
et  his  itaque  discussis,  quae  intercesserant,  regredior  ad 
seeundam  Corinthiorum:    darnach  könnte   man   vermuten,    dass 


1    et    tu    quidem    paenitentiam  moechi  ad  exorandarn  fraternitatem 
in    ecclesiam  inducens  conciliatum  et  concineratum  cum  dedecore  et  hor- 

rore  compositum  prosternis  in  medium  ante  viduas,  ante  presbyteros 

—  —  inque  eum  hominis  exitum  quantis  potes  misericordiae  inlicebris 
bonus  pastor  et  benedictus  papa  contionaris  et  in  parabola  ovis  capras  tuas 
quaeris.  tua  ovis  ne  rursus  de  grege  exiliat  (quasi  non  exinde  iam  liceat 
quod  nee  semel  licuit);  ceteras  etiam  metu  comples  cum  maxime  indulgens. 
apostolus  vero  tarn  proiecte  ignovisset,  ut  nee  hunc  saltem  habitum  legi- 
timum paenitentiae,  quem  ab  ipso  didicisse  deberes,  ab  eo  exegerit? 
p.  243,  25  ff.  Die  Fragezeichen  hinter  quasi  und  indulgens  bei  Oehler  und 
Reifferscheid  sind  sinnwidrig.  Es  wird  in  den  betr.  Sätzen  das  Verfahren 
Kallists  gegen  die  Sünder  geschildert,  wie  er  es  factisch  übt  und  als 
zweckmässig  anerkennt,  und  daran  schliesst  Tert.  die  verwunderte  Frage: 
wenn  du  ein  solches  Bussverfahren  für  nötig  hältst,  dann  sollte  Paulus 
ganz  ohne  dasselbe  die  Wiederaufnahme  des  Sünders  verfügt  haben? 


III.    Der  Beweis  für  die  Vergebbarkeit  der  Unzuchtsünden.  85 

dieselbe  in  dem  Zusammenhang  der  Ausführungen  über  den 
Blutschänder  sich  nicht  befand,  sondern  nur  zufällig  von  ihm 
hier  behandelt  sei,  indem  er,  den  Faden  der  gegnerischen  Schrift 
verlassend,  ein  von  anderer  Seite  vorgebrachtes  Argument 
widerlege.  Aber  ebensowohl  möglich  ist  es,  dass  in  der  betr. 
Schrift  des  Kallist  die  fragliche  Auslegung  erst  auf  das  Citat 
satis  est  talis  increpatio  folgte  und,  weil  er  sie  vor  demselben 
behandelt,  von  ihm  als  haec.  quae  intercesserant  bezeichnet  wird. 

Also  hiernach  lässt  sich  nicht  entscheiden,  ob  die  Deutung 
des  unangenehmen  Ausdrucks  interitus  carnis  von  Kallist  oder 
einem  seiner  Parteigänger  herrührt. 

1.  Ebenso  wird  sich  kaum  volle  Klarheit  darüber  gewinnen 
lassen,  ob  die  Gegner  Tert.s  2  Cor.  12  21 :  ne  rursus  cum  venero, 
humiliet  me  deus  et  lugeam  multos  eorum,  qui  ante  deliquerunt 
et  paenitentiam  non  egerunt  super  immunditia  quam  admiserunt, 
fornicatione  et  vilitate"  (p.  25  1.27.  für  sich  in  Anspruch  genommen 
haben.  Harnack  (Zs.  f.  Th.  und  K.  1S91.  S.  118)  spricht  sich  dafür 
aus,  auch  Preuschen  scheint  es  zu  vermuten  (a.  a.  U.  S.  49). 
Die  Frage  wird  sich  darnach  entscheiden,  wie  man  die  Eingangs- 
worte von  c.  15  auffasst:  Si  etiam  sequentia  illius  epistolae  ad 
intentationem  apostoli  extendas,  nee  ipsa  comparabuntur  ad  ob- 
literationem  incesti,  ne  et  hie  suffundatur  apostolus  posteriorum 
incongruentia  sensuum  (p.  250, 19).  Hierbei  kommt  es  darauf  an  *), 


1)  Es  muss  ausserdem  bemerkt  werden,  dass  das  Citat  vom  Wortlaute 
des  N.T.  abweicht;  es  ist  ausgelassen  tiqoq  vfxüq  hinter  o  9-eöq  uov  und  der 
Schluss  geändert,  für  tnl  r7t  axad-agolq  xcd  noQvda  xal  aosXysiq  ?} 
engeegav  steht  „super  immunditia  quam  admiserunt  fornicatione  et  vili- 
tate''.  Somit  wird  der  Begriff  „immunditia''  durch  die  beiden  andern 
fornicatio  und  vilitas  definiert,  diese  erscheinen  ihm  also  untergeordnet, 
während  sie  im  Urtext  ihm  coordiniert  sind.  Ist  diese  Änderung  ten- 
denziös aufzufassen?  Statt  der  drei  Begriffe  sind  hier  zwei  fornicatio  und 
vilitas  unter  immunditia  zusammengefasst;  dadurch  bekommt  jeder  der 
beiden  ein  grösseres  Gewicht.  Indem  quam  admiserunt  an  immunditia 
herangerückt  wird,  wird  ausdrücklich  betont,  dass  beides,  fornicatio  und 
vilitas,  wirklich  vorgekommen  ist,  während  dies  in  der  originalen  Fassung 
nicht  mit  so  grosser  Bestimmtheit  geschieht,  da  sich  hier  der  Relativsatz 
nur  auf  daeXysiq  bezieht.  Das  Citat  sagt  also  in  der  von  Tert.  mitgeteilten 
Form  etwas  ausdrücklicher  und  klarer,  was  seine  Gegner,  wenn  sie  es 
gebraucht,  damit  hätten  sagen  müssen;  aber  ob  die  Änderungen  deshalb 
auf  sie   zurückzuführen   sind  und  nicht  etwa  auf  Gedächtnisfehler  Tert.'s, 


86  Rolffs,  Das  Indulgenz-Edict. 

ob  das  extendas  auf  Kailist  oder  ganz  allgemein  auf  alle 
Gegner  Tert.s  zu  beziehen  ist,  ob  demnach  Tert.  wirklich  da- 
mit zu  rechnen  hat,  dass  der  folgende  Inhalt  des  Briefes  von 
Kailist  zur  Bestätigung  seiner  Anschauung  vom  Verfahren  Pauli 
gegen  den  Blutschänder  verwertet  ist  oder  ob  er  nur  den  Fall 
setzt,  dass  er  es  thäte.  Wahrscheinlicher  ist  wohl  das  erstere; 
aber  da  jede  persönliche  Polemik  gegen  Kallist  hier  fehlt,  so 
kann  man  keine  Sicherheit  darüber  gewinnen.  Nimmt  man  an, 
Tert.  wende  sich  an  Kallist,  so  leitet  der  Satz  folgenden  Ge- 
dankengang ein:  Wenn  du,  wie  du  versuchst,  auch  den  folgen- 
den Inhalt  des  Briefes  heranziehst,  um  das  unsichere  Verfahren 
des  Apostels  gegen  den  Blutschänder  dadurch  sicher  zu  stellen, 
so  soll  auch  dieses  nicht  den  Beweis  liefern,  dass  er  die  Blut- 
schande vergessen  habe.  Er  spricht  so  deutlich  im  folgenden 
das  Verdammungsurteil  über  jegliche  Unreinheit  aus  und  ver- 
neint so  bestimmt  jede  Gemeinschaft  zwischen  Licht  und  Fin- 
sternis, Christus  und  Belial,  dass  er  unmöglich  den  Blutschänder 
Avieder  in  die  christliche  Gemeinschaft  zurückgerufen  haben 
kann.  Diese  bestimmten,  klaren  Aussagen  müssen  die  Grund- 
lage bilden,  von  welcher  aus  man  sein  Verfahren  gegen  den 
Blutschänder  feststellen  und  auch  die  folgenden  Aussprüche 
verstehen  muss.  ..Wenn  er  nämlich  gegen  Ende  des  Briefes 
schreibt:  ne  rursus  cum  venero  etc.,  so  verfügt  er  damit  natür- 
lich nicht,  dass  die,  welche  er  in  der  Kirche  finden  wollte,  auf- 
genommen werden  sollten,  wenn  sie  Busse  gethan  hätten, 
sondern  dass  sie  zu  betrauern  seien  und  ohne  Zweifel  auszu- 
stossen,  sodass  sie  die  Busse  verlören"  1).  In  dieser  Ausführung 
weist,  falls  im  Anfang  des  Cap.  von  einer  wirklichen,  nicht  von 
einer  bloss  angenommenen  Berufung  auf  den  folgenden  Inhalt 


ist  nicht  mit  Bestimmtheit  zu  entscheiden,  unmöglich  ist  das  letztere 
jedenfalls  nicht. 

1)  oro  te,  qui  talia  (solche  scharfe  Verurteilung  der  Unreinheit)  infigit 
mentibus  nostris,  revocaverat  aliquem  fornicatorem  in  ecclesiam?  an  ideo 
scribit,  ne  tibi  nunc  revocasse  videatur?  haec  sicuti  et  praeteritis  praescri- 
bere,  ita   et   sequentibus  praeiudicare    debebunt.    in  finem  enim  epistolae 

dicens,  ne  rursus  etc. ,  non  utique  recipiendos  constituit,  si  paenitentiam 

inissent,  quos  in  ecclesia  inventurus  erat,  sed  lugendos  et  sine  dubio 
eiciendos,  ut  paenitentiam  perderent.  p.  251,  24ff.  Mit  der  Wendung  oro 
te  scheint  doch  eine  bestimmte  Persönlichkeit  —  Kallist  —  ins  Auge  gefasst 
zu   sein. 


III.    Der  Beweis  für  die  Vergebbarkeit  der  Unzuchtsünden.  g7 

des  Briefes  die  Rede  ist,  das  sequentibus  (p.  251.  27)  auf  das 
sequentia  (p.  250,  19)  zurück,  und  dann  ist  gesagt,  dass  Kallist 
auch  2  Cor.  12  2i  benutzt  hat1).  Über  die  Form,  in  welcher 
Kallist  das  Citat  eingeleitet  hat,  lässt  sich  aber  gar  nichts  aus- 
sagen. 

Harnack  meint,  in  c.  18  drei  Argumente  der  Gegner  Tert.s 
zu  finden,  welche  der  von  Kallist  verfassen  oder  approbierten 
Schrift  für  die  Vergebbarkeit  der  Fleischessünden  entnommen 
sein  sollen  (a.  a.  0.  S.  118). 

1.  Wo  Unzucht  und  Ehebruch  in  der  Schrift  generell  ver- 
dammt seien,  sei  doch  der  Unzüchtige  noch  nicht  verdammt 
und  die  Vergebung  für  ihn  nicht  ausgeschlossen2). 

2.  Wo  Ehebrecher  definitiv  verdammt  seien,  seien  Heiden 
gemeint 3). 

3.  Wo  Christen  gemeint  seien,  sei  stets  anzunehmen,  dass 
die  Verdammung  eine  bedingte  sei  —  bis  sie  vollkommene 
Busse  gethan  haben4). 

Allein  diese  Argumente  sind  Einwände  auf  die  Wider- 
legungen Tert.s,  die  dieser  sich  selbst  macht;  sie  sind  deutlich 
auf  die  von  ihm  beigebrachten  Beweise  für  die  unbedingte 
Verdammung  der  Unzüchtigen  durch  die  Schrift  zugeschnitten 
(schon  haec,  hoc,  hie  deuten  dies  an).  Hätte  Kallist  wirklich 
gesagt:  wo  der  Ehebruch  verdammt  wird,  ist  damit  über  den 
Ehebrecher  noch  nichts  entschieden,  so  hätte  Tert.  Eulen  nach 


1  Dass  die  Stelle  wirklich  so  ausgelegt  sei,  als  ob  darin  von  der 
Wiederaufnahme  der  Unzüchtigen  in  die  Gemeinschaft  geredet  werde, 
könnte  man  vielleicht  aus  dem  Satz  schliessen:  et  ceterum  non  competit 
eum  de  communicatione  aliquid  hie  ostendisse,  qui  eam  supra  luci  et 
tenebris,  iustitiae  et  iniquitati  negarat  p.  252,  6,  da  hier  eine  Auslegung 
abgewiesen  werden  soll,  nach  welcher  Paulus  doch  „hie  aliquid  de  com- 
municatione ostendit". 

2)  Sed  haec,  inquit,  ad  interdictionem  pertinebunt  omnis  impudicitiae 
et  ad  indictionem  omnis  pudicitiae  salvo  tarnen  loco  veniae,  quae  non 
statim  denegatur,  si  delicta  damnantur,  quando  veniae  tempus  cum  damna- 
tione  coneurrat,  quam  exeludit.    p.  258,  28. 

3)  hoc  (Prov.  632)  si  de  ethnico  putaveris  dictum,  certe  de  fidelibus  iam 
audisti  per  Esaiam  (52,n)  p.  259,  11. 

4)  quid,  si  et  hie  respondere  coneipias,  adimi  quidem  peccatoribus  vel 
maxime  carne  pollutis  communicationem,  sed  ad  praesens,  restituendam 
scilicet  ex  paenitentiae  ambitu,  seeundum  illam  clementiam  dei,  quae 
mavult  peccatoris  paenitentiam  quam  mortem?     p.  260.  22. 


§8  Rolffs,  Das  Indulgenz-Edict. 

Athen  getragen,  wenn  er  alle  Stellen,  wie  er  in  c.  16.  17  thut, 
sorgfältig  sammelte,  da  er  im  Voraus  wusste,  dass  sie  für  den 
Gegner,  so  wie  derselbe  seinen  Standpunkt  fixiert  hatte,  nichts 
bewiesen.  —  Der  dritte  Einwand  wird  schon  durch  die  Worte, 
mit  welchen  Tert.  ihn  einführt:  quid,  si  et  hie  respondere 
coneipias,  als  fingiert,  als  möglich  gekennzeichnet1).  Zudem 
sind  die  Einwände  deutlich  als  verschiedene  Absätze  in  Tert.s 
Gegenargumentation  markierend  erkennbar:  1.  Der  Ehebruch 
ist  allgemein  verurteilt.  2.  Der  Ehebrecher  wird  verdammt  und 
zwar  3.  nicht  der  Ungläubige,  sondern  der  Christ.  4.  Er  wird 
unbedingt  verurteilt.  Es  handelt  sich  hier  also  nicht  um  wirk- 
liche Argumente  der  Gegner,  sondern  um  fingierte  Einwände 
Tert.s,  durch  welche  er  seine  Darlegung  geschickt  und  lebendig 
weiterführt. 

m.  Diese  Ausführungen  über  das  Verfahren  des  Paulus 
gegen  den  Blutschänder  bricht  Tert.  mit  den  Worten  ab:  Sed 
quonam   usque   de  Paulo,   quando   etiam  Johannes  nescio   quid 


1)  Dabei  giebt  jedoch  das  „et  hie"  zu  denken;  es  ist  ja  möglich, 
dass  es  bedeutet:  was,  wenn  du  auch  hier  einen  Einwand  findest, 
nämlich  etc.;  aber  es  kann  ebenso  gut  heissen:  was,  wenn  du  auch 
hierauf  mit  deiner  schon  sonst  ausgesprochenen  Ansicht  antwortest:  „es 
werde  zwar  den  Sündern,  sogar  den  im  höchsten  Masse  am  Fleisch  be- 
fleckten, die  Gemeinschaft  entzogen,  aber  nur  für  den  Augenblick  mit 
der  Absicht,  sie  infolge  der  geleisteten  Busse  wiederherzustellen  gemäss 
jener  Güte  Gottes,  welche  lieber  die  Busse  des  Sünders  will  als  seinen 
Tod."  Dann  wäre  wohl  anzunehmen,  dass  Kallist  mit  diesen  Worten  das 
Resultat  aus  seiner  Ausführung  über  das  Verfahren  des  Paulus  gegen  den 
Blutschänder  gezogen  habe  (besonders  wegen  des  Ausdrucks  maxime  carne 
pollutis).  Ich  möchte  diese  letztere  Möglichkeit  für  die  wahrscheinlichere 
halten  und  zwar  weil  Tert.  fortfährt:  hoc  enim  fundamentum  opinionis 
vestrae  usquequaque  pulsandum  est.  Wenn  er  den  Satz:  Deus  mavult 
peccatoris  paenitentiam  quam  mortem  als  das  Fundament  der  Meinung 
seiner  Gegner  bezeichnet,  so  müssen  diese  denselben  mehrfach  ausgesprochen 
haben  nicht  nur  im  Zusammenhang  der  S.  62  ff.  besprochenen  Ausführung. 
Deshalb  ist  Tert.  auch  schon  c.  10  (p.  239  31  ff.)  darauf  zurückgekommen. 
Ich  vermute  daher,  dass  seine  Gegner  diesen  Satz  einmal  im  Zusammen- 
hang mit  dem  Gleichnis  vom  verlorenen  Sohn  und  dann  wieder  bei  der 
Erörterung  über  den  Blutschänder  ausgesprochen  haben,  und  bei  der 
letzteren  Gelegenheit  könnte  dies  sehr  wohl  mit  den  Worten  geschehen 
sein,  in  die  Tert.  hier  ihren  Einwand  kleidet.  Doch  lässt  sich  auch  hier 
keine  sichere  Entscheidung  treffen. 


III.    Der  Beweis  für  die  Vergebbarkeit  der  Unzuchtsünden.  §9 

diversae  parti  subplaudere  videatur?  quasi  in  Apokalypsi  manifeste 

fornicationi  posuerit  paenitentiae  auxilium (p.  261,  28).  Man 

darf  daraus  schliessen,  dass  seine  Gegner  auch  die  Stelle  Apoc. 
2  o0  ff.  citiert  haben  für  ihre  Praxis  und  zwar  in  Verbindung  mit 
jener  Berufung  auf  Paulus;  denn  es  sind  dieselben  Gegner,  mit 
denen  Tert.  über  2  Cor.  2  5  ff.  streitet.  Fraglich  ist  nur,  in  welcher 
Form  sie  dies  Argument  vorgebracht  haben.  Zunächst  scheint, 
um  die  Stellung  des  Johannes  zu  der  schwebenden  Frage  zu 
fixieren,  die  Wendung  gebraucht  zu  sein:  Johannes  in  Apoca- 
lypsi  manifeste  fornicationi  posuit  paenitentiae  auxilium.  Darauf 
ist  dann  das  Citat  der  betr.  Stelle  gefolgt,  aber  wohl  nicht  in 
der  Fassung,  wie  es  Tert.  wiedergiebt;  er  schreibt  fortfahrend: 
ubi  ad  angelum  Thyatirenorum  spiritus  mandat  habere  se  ad- 
versus  eum,  quod  teneret  mulierem  Jezabel,  quae  se  propheten 
dicit  et  docet,  atque  seducit  servos  meos  ad  fornicandum  et 
edendum  de  idolothytis.  et  largitus  sum  illi  temporis  spatium,  ut 
paenitentiam  iniret,  nee  vult  eam  inire  nomine  fornicationis. 
ecce  dabo  eam  in  lectuni  et  moechos  eius  cum  ipsa  in  maxi- 
mam  pressuram,  nisi  paenitentiam  egerint  operum  eius.  Da  er 
hier  den  Indicativ  mandat  gebraucht,  so  ist  anzunehmen,  dass 
er  in  dem  Relativsatz  nicht  die  Rede  seiner  Gegner  mitteilen 
will,  welche  er  im  Conjunctiv  berichten  würde.  Er  hat  sich 
ausserdem  im  Eingang  einen  Gedächtnisfehler  zu  schulden 
kommen  lassen,  indem  er  schreibt:  quod  teneret,  wie  in 
Apoc.  214,  während  der  Urtext  hat  ort  äpstc;  das  erstere  be- 
deutet: „weil  du  die  Jezabel  in  der  Gemeinde  behältst"  und  passt 
daher  sehr  schlecht  zu  dem  Zweck  des  Kailist,  da  mit  den 
Worten:  „ich  zürne  dir,  weil  du  die  Jezabel  in  der  Gemeinde 
behältst"  das  Gegenteil  von  dem,  was  Kallist  wollte,  ausgesagt 
wäre.  Auch  der  Übergang  von  der  dritten  Person  in  die  erste 
(servos  meos)  ist  sehr  auffallend  und  erklärt  sich  nur  aus  der 
verwickelten  Construction  Tert.s,  während  die  Gegner,  wenn 
sie  das  Citat  für  ihren  Zweck  zurechtschnitten,  denselben  an 
geeigneterer  Stelle  vollziehen  konnten.  Vermuten  möchte  man, 
dass  bei  ihnen  das  Citat  etwa  folgendermassen  gelautet:  posuit 
paenitentiae  auxilium;  spiritus  enim  de  muliere  Jezabel  dicit: 
largitus  sum  etc.  Tert.  hat  dann  aus  dem  Gedächtnis  ungenau 
den  Anfang  des  Citates  und  die  genauere  Einleitung  desselben 
hinzu  gefügt. 


90  Rolff,  Das  Indulgenz-Edict. 

Ein  Problem  bieten  die  beiden  auf  das  Citat  folgenden 
Sätze  dar:  bene  antem  quod  apostolis  et  fidei  et  disciplinae 
regulis  convenit.  sive  ego  enim,  inquit,  sive  illi,  sie  praedica- 
mus.  Beginnt  Tert.  mit  diesen  Worten  seine  Widerlegung 
oder  haben  die  Gegner  ihr  Citat  damit  geschlossen?  Der  erste 
Satz  heisst  jedenfalls:  „gut  aber  ist,  was  mit  den  Aposteln  und 
den  Glaubens-  und  Sittenregeln  stimmt"1).  Was  würde  derselbe 
hier  im  Munde  Tert.s  besagen?  Er  hat  ausgeführt:  Wozu  der 
Streit  über  Paulus,  da  ja  auch  Johannes  den  Gegnern  recht  zu 
geben  scheint?  als  ob  er  in  der  Apokalypse  die  Hülfe  der  Busse  für 
Hurerei  festsetzte,  wo  der  Geist  dem  Engel  der  Thyatirener  die 
Anweisung  über  Jezabel  giebt:  ich  habe  ihr  eine  Frist  zur  Busse 
gesetzt,  darnach  will  ich  sie  verderben.  Gut  aber  ist  u.  s.  w.", 
fährt  er  dann  fort.  Sollte  mit  diesem  Satz  die  Widerlegung 
Tert.s  einsetzen,  so  könnte  man  darin  nur  den  Grundsatz  aus- 
gesprochen finden,  welcher  für  den  richtigen  Schriftgebrauch 
zu  gelten  habe,  von  den  Gegnern  aber  übertreten  sei.  Er  müsste 
dann  aber  der  gegnerischen  Argumentation  viel  schärfer  und 
energischer  entgegengestellt  sein  als  es  durch  autem  geschieht; 
denn  dieses  drückt  keinen  Gegensatz  aus,  sondern  führt  einen  Ge- 
danken weiter2).  —  Dagegen  wird  der  Zusammenhang  verständ- 
lich, wenn  man  annimmt,  dass  die  Gegner  ihr  Citat  mit  jenem 
Satz  geschlossen  haben.  Sie  hätten  dann  etwa  gesagt:  „Paulus 
wird  von  Johannes  unterstützt,  welcher  Apoc.  22o  deutlich  die 
Hülfe  der  Busse  für  Hurerei  festgesetzt  hat.  Gut  aber  ist,  was 
mit  den  Aposteln  und  den  Glaubens-  und  Sittenregeln  überein- 
stimmt; denn  sei  ich  es,  spricht  er,  seien  sie  es,  so  predigen 
wir."  Tert.  fährt  dann  fort:  „Ja,  ganz  recht,  daher  ist  es  für 
die  ganze  Religion  von  Wichtigkeit,  dass  man  nicht  glaubt, 
Johannes  habe  etwas  zugestanden,  was  Paulus  abgeschlagen 
hat"3);  er  nimmt  also  mit  ebenso  feiner  wie  scharfer  Ironie  die 


1)  bene  quod  ist  hier  nicht  die  sonst  mehrfach  bei  Tert.  vorkommende 
Redewendung:  gut,  dass,  so  de  idol.  5,  Apol.  7,  de  iei.  13,  de  came  Chr.  21, 
denn  wenn  man  hier  so  übersetzen  wollte,  so  würde  dem  Satze  das  Subject 
fehlen,  da  sich  aus  dem  Zusammenhange  ein* solches  nicht  ergänzen  lässt. 

2)  Tert.  hätte  vielmehr  schreiben  müssen:  Sed  bene  est  nihil  nisi 
quod  etc. 

3)  totius  itaque  sacramenti  interest  nihil  credere  ab  Iohanne  concessum, 
quod  a  Paulo  sit  denegatum.  p.  262,  10. 


III.    Der  Beweis  für  die  Vergebbarkeit  der  Unzuchtsünden.         91 

Worte  seiner  Gegner  als  Grundlage  ihrer  Widerlegung  auf. 
Es  ist  hierbei  vorläufig  angenommen,  dass  Tert.  den  Satz:  sive 
ego  enim  inquit  sive  illi  sie  praedicamus  in  dem  Sinne  seiner 
Gegner  verstanden  habe,  wenn  er  ihn  so  deutet,  als  ob  sie  damit 
die  notwendige  Übereinstimmung  zwischen  Paulus  und  Johannes 
behaupten  wollten;  deshalb  wurde  zunächst  vorausgesetzt,  dass 
als  Subject  zu  ..inquit"  Paulus  zu  denken  sei.  Aber  es  springt 
in  die  Augen,  dass,  in  diesem  Sinne  verstanden,  das  Citat  gar 
nicht  beweist,  was  es  beweisen  soll;  es  handelt  sich  für  die 
Gegner  Tert.s  nicht  um  die  Übereinstimmung  der  Apostel  unter 
einander,  sondern  ihre  These  ist:  „gut  ist  das,  was  mit  den 
Aposteln  und  den  Glaubens-  und  Sittenregeln  übereinstimmt"; 
jede  neue  Bestimmung  muss  sich  also  dadurch  als  christlich 
legitimieren,  dass  sie  mit  den  Aposteln  d.  h.  mit  der  kanoni- 
schen Sammlung  apostolischer  Schriften  und  den  Glaubens-  und 
Sittenregeln  d.  h.  den  unter  dem  Titel  ajtoOro/.ixij  jragäöooig 
zusammengefassten  Glaubens-  und  Lebensordnungen  stimmt. 
Die  Träger  dieser  Überlieferung  sind  aber  die  Bischöfe,  die 
vom  heil.  Geist  geleitet  werden;  also  ruht  ihre  Auctorität  darin, 
dass  sie  auf  den  heil.  Geist  als  Urheber  zurückgeht.  In  dem 
Satze,  welcher  das  Citat:  Apok.  2  20  einleitet,  ist  nun  ohne 
Zweifel  spiritus  Subject,  es  macht  daher  auch  keine  Schwierig- 
keiten, spiritus  als  Subject  zu  inquit  zu  ergänzen.  Dann  wäre 
ein  Wort  des  Paulus  als  Ausspruch  des  heil.  Geistes  citiert; 
dies  ist  auch  in  einer  um  220  entstandenen  Schrift  keineswegs 
undenkbar1).  Wir  haben  hier  demnach  dieselbe  Vorstellung  wie 
Act.  152s:  £Öo<-sv  yag  reo  xvsv/iari  reo  aylco  xal  rjfiiv,  firjöhv 
jiliov  ajtLTifrso&ai  xrl.  Der  Beschluss  des  Apostelconcils  erhält 
für  die  Christen  verpflichtende  Kraft,  weil  der  heil.  Geist  und 
die  Apostel  in  demselben  zusammenstimmen;  ebenso  hat  die 
Verfügung  Kallists  deshalb  Gültigkeit,  weil  ihre  Übereinstim- 
mung mit  den  Aposteln  und  dem  heil.  Geist  erwiesen  ist. 

n.    Ohne    Znsammenhang    mit    dem    Citat   aus  der  Apoka- 


1)  Weiss,  Einl.  in  das  N.T.  S.  64.  Vielleicht  bat  auch  Tert.  spiritus 
sanetus  als  Subject  zu  inquit  ergänzt;  wenigstens  sagt  er:  hanc  aequali- 
tatem  spiritus  saneti  qui  observaverit,  ab  ipso  deducetur  in  sensus  eius 
(p.  262,  11).  Dann  hätte  er  erklärt:  der  hl.  Geist  sagt:  so  wie  ich  predigen 
die  Apostel ;  da  also  die  Predigt  der  Apostel  mit  der  des  heil.  Geistes 
stimmt,  so  können  die  Apostel  unter  sich  nicht  differieren. 


92  Rolffs,  Das  Indulgenz-Edict. 

lypse  benutzen  Tert.s  Gegner  auch  ein  Wort  aus  dem  1.  Brief 
des  Johannes:  de  epistola  quoque  Iohannis  carpunt  statim.  dic- 
tum est:  sanguis  ±Llii  eius  emundat  nos  ab  omni  delicto  (p.  263, 11). 
Wo  das  Wort  im  Zusammenhang  ihrer  Argumentation  gestan- 
den hat,  ist  schwer  zu  sagen;  wahrscheinlich  kam  im  Satz  vorher 
deus  vor,  was  aus  dem  ..filii  eius"  zu  schliessen  ist1).  Um  den 
Schutz  dieses  Wortes  seinen  Gegnern  zu  entziehen,  geht  Tert. 
auf  den  Zusammenhang  des  Briefes  ein  und  weist  nach,  dass 
es  hiernach  bedeute:  das  Blut  Jesu  Christi  bewahrt  uns  rein 
vor  aller  Sünde,  sodass  wir  keine  thun.  Fortfahrend  führt  er 
dann  mit  den  Worten:  sed  subicit,  inquis2),  1  Joh.  lg.  9  als 
Einwand  seiner  Gegner  ein  und  weist  denselben  dadurch  zu- 
rück, dass  er  delictum  habere  v.  8  durch  deliquisse  d.  i.  v ge- 
sündigt haben"  als  Präteritum  interpretiert.  Mit  eo  amplius1) 
citiert  er  dann  1  Joh.  2j.  2  als  weitere  Einrede,  die  er  aus  dem 
ferneren  Zusammenhang  des  Briefes  widerlegt.  Harnack  und 
Preuschen  haben  hieraus  den  Schluss  gezogen,  dass  die  Gegner 
auch  1  Joh.  ls.9,  2].  2  mit  benutzt  haben.  Ich  habe  mich  trotz 
sorgfältigster  Prüfung  der  Stellen  nicht  davon  überzeugen 
können.  Meiner  Ansicht  nach  liegt  die  Sache  so:  Tert.  hat  bei 
seinen  Gegnern  den  Spruch  gefunden:  Sanguis  filii  eius  emun- 
dat nos  ab  omni  delicto;  um  ihre  Deutung  desselben  zu  wider- 
legen, beleuchtet  er  den  Zusammenhang  und  zieht  die  unmittel- 
bar vorhergehenden  Worte  heran.  Damit  lenkt  er  aber  den 
Blick  seiner  Gegner  auf  das  unmittelbar  folgende,  woraus  sich 
Einwände  gegen  seine  Deutung  erheben  lassen.  Diese  lässt 
er  sie  vorbringen.  Dass  die  Worte  mit  „sed  subicit"  „eo  am- 
plius"   eingeführt  werden,   erweckt  nicht  den  Anschein,    als  ob 


1)  Da  der  griechische  Text  auch  xb  täua  'ir/oov  xov  viov  uixcv  hat, 
so  könnte  möglicherweise  das  „eius"  auf  eine  mechanische  Herübernahme 
des  Verses  zurückzuführen  sein;  da  Kallist  aber  sonst  die  Citate  für  seinen 
Zusammenhang  passend  umformt,  so  ist  dies  nicht  gerade  sehr  wahr- 
scheinlich. 

2)  si  dicamus  nos  delictum  non  habere,  seducimus  nosmet  ipsos  et 
veritas  non  est  in  nobis.  Si  confitemur  delicta  nostra,  fidelis  et  iustus  est, 
ut  dimittat  ea  nobis  et  emundet  nos  ab  omni  iniustitia  (p.  264,  2 ff.). 

3)  eo  amplius,  filioli,  haec  scripsi  vobis,  ne  delinquatis,  et  si  delique- 
ritis  advocatum  habemus  apud  deum  patrem  Iesum  Christum  iustum,  et 
ipse  placatio  est  pro  delictis  nostris.  secundum  haec,  inquis,  et  delinquere 
nos  et  veniam  habere  constabit.     (p.  2ü4,  9  ff.) 


III.    Der  Beweis  für  die  Vergebbarkeit  der  Unzuchtsünden.         93 

sie  von  vornherein  im  Zusammenhang  mit  dem  Citat:  Sangais 
filii  etc.  vorgebracht  waren.  Doch  ist  es  schwer,  ein  einiger- 
massen  sicheres  Urteil  hierüber  zu  gewinnen. 

I.   Der  Zusammenhang  zwischen  den  einzelnen 
Argumenten. 

Die  Argumente,  welche  aus  der  Schrift  Tert.s  als  Eigentum 
seiner  Gegner  ermittelt  sind,  beweisen  unabhängig  von  einander 
für  den  Satz:  .Sünden  des  Ehebruchs  und  der  Hurerei  können 
von  der  Kirche  vergeben  wrerden';  teils  nichts  teils  sehr  wenig. 
Die  Argumente  a  von  der  Güte  Gottes),  b  (der  Satz:  venia 
est  fructus  paenitentiae,  c  (die  Arche),  d,  f  (vom  verlorenen 
Groschen,  Schaf  und  Sohn)  g  (Ez.  342ff.),  h  idass  die  Busse 
nicht  von  den  Heiden,  sondern  von  den  Christen  verlangt  wird), 
beweisen  zu  viel,  da  hier  nirgends  eine  Einschränkung  der  ver- 
gebbaren Sünden  auf  Hurerei  und  Ehebruch  auch  nur  im  ent- 
ferntesten angedeutet  ist.  Die  Punkte  i  (Verkehr  des  Herrn 
mit  Ehebrechern),  k  (Verfahren  Pauli  gegen  den  Blutschänder), 
m  l  Citat  aus  der  Apokalypse)  besagen  aber  für  die  schwebende 
Frage  zu  wenig,  weil  es  sich  hier  um  einzelne  Fälle  handelt, 
welche  man  zu  Verallgemeinern  nicht  ohne  weiteres  das  Recht 
hat.  Es  lässt  sich  daher  a  priori  vermuten,  dass  die  Argumente, 
welche  Tert.  einzeln  behandelt,  von  den  Gegnern  in  einen  ge- 
wissen Zusammenhang    mit  einander  gesetzt  sind. 

Es  lässt  sich  in  der  Reihenfolge,  in  welcher  Tert.  die  ein- 
zelnen Gründe  seiner  Gegner  bekämpft,  eine  logische  Anord- 
nung derselben  nicht  verkennen: 

1.  Aus  dem  obersten  Satz  des  christlichen  Glaubens:  Gott 
ist  die  Liebe,  wird  der  oberste  Grundsatz  christlicher  Sittlich- 
keit, barmherzige  Liebe  auch  gegen  sündigende  Brüder  zu 
üben,  abgeleitet. 

2.  Die  Kirche  ist  die  Arche  mit  reinen  und  unreinen  Tieren; 
sie  soll  also  die  Sünder  nicht  ausstossen. 

3.  Die  Bischöfe  habeu  die  Pflicht,  die  verlorenen  zu  suchen 
gemäss   den   Gleichnissen  vom  verlorenen  Schaf  und  Groschen. 

4.  Bedingung  der  Wiederaufnahme  Gefallener  ist  Busse, 
wie  Christus  in  der  Parabel  von  den  beiden  Söhnen  lehrt:  von 
den  Christen,  nicht  von  den  Heiden  wird  diese  Busse  verlangt. 


94  Rolffs,  Das  Indulgenz-Edikt. 

da  nur  der,  welcher  weiss,  was  seine  Pflicht  ist,  seine  Sünden 
bereuen  kann. 

5.  Der  Herr  hat  durch  seinen  Verkehr  mit  Ehebrechern 
diesen  ein  Anrecht  auf  die  verzeihende  Gnade  gegeben. 

6.  Die  Apostel  haben  gegen  Unzüchtige  Erbarmen  walten 
lassen:  Paulus  gegen  den  Blutschänder  in  Corinth,  Johannes 
gegen  das  unzüchtige  Weib  Isabel. 

Diese  Anordnung  scheint  nicht  von  Tert.,  sondern  von 
seinen  Gegnern  herzurühren;  die  Fortschritte  in  seiner  Ausfüh- 
rung werden  offenbar  durch  den  Gedankengang  seiner  Gegner 
bestimmt.     Dies  zeigt  sich 

1.  in  mehreren  Übergängen:    a  parabolis  licebit  incipias, 

c.  7  (p.  230,  21)  Excusso  igitur  iugo  in  ethnicum  disse- 

rendi  parabolas  et  semel  dispecta  vel  recepta  necessitate  non 
aliter   interpretandi   quam  materia  propositi  est,    contendunt 

iam   nee   competere  ethnicis  paenitentiae  denuntiationeni 

c.  10  (p.  239,  1)  Exin de  quod  ad  evangelium  pertinet,  para- 
bolarum  quidem  discussa  iam  quaestio  est.  si  vero  et  factis  — 
—  —  c.  11  (p.  241,  1)  Itaque  isti,  qui  alium  paracletum  in 
apostolis  et  per  apostolos  reeeperunt,  quem  nee  in  prophetis 
propriis  agnitum  iam  nee  in  apostolis  possident,  age  nunc  vel 
de  apostolico  instrumento  doceant  maculas  carnis  post  baptisma 
respersae  paenitentia  dilui  posse.  c.  12  (p.  241,  18); 

2.  in  einigen  Abweichungen  von  dem  Princip,  welches  der 
Anordnung  zu  Grunde  liegen  müsste,  wenn  sie  von  Tert.  her- 
rührte : 

a.  die  Stelle  Ez.  34  ,  behandelt  Tert.  mit  den  Parabeln 
vom  verlorenen  Schaf  und  Groschen  zusammen  c.  71),  während 
er  sie  eigentlich  in  cap.  6  hätte  erledigen  müssen,  wo  er  seine 
Stellung  zum  A.T.  principiell  klar  stellt;  der  Grund  für  diese 
Abweichung  kann  nur  darin  liegen,  dass  seine  Gegner  die 
Stelle  in  diesem  Zusammenhang  citierten  und  er  sich  ihrem 
Gedankengang  anschloss; 

b.  die  Berufung  auf  Hermas  weist  er  c.  10  ab2),  nachdem 
er    den   Grundsatz    widerlegt   hat,    dass    die  Ankündigung  der 


1)  denique  si  rneministi  prophetarum,  cum  pastores  increpantur,  puto 
Ezechielis  est  vox  — p.  233,  7. 

2)  sed    cederem    tibi,    si    scriptura  pastoris,  quae  sola  nioechos  amat, 
divino  instrumento  meruisset  ineidi  —  —  —  p.  240,  11. 


III.    Der  Beweis  für  die  Vergebbarkeit  der  Unzuchtsünden.         95 

Busse  sich  nur  auf  die  Christen  beziehen  könne;  eigentlich 
musste  diese  principielle  Abweisung  des  Hirten  in  c.  20  gegeben 
werden '),  wo  er  Barnabas  citieren  will  und  deshalb  darzuthun 
hat,  weshalb  dieser  vor  jenem  den  Vorrang  behaupte;  der  Grund, 
weshalb  er  schon  c.  10  sich  mit  Hermas  auseinandersetzt,  kann 
wiederum  nur  darin  liegen,  dass  er  seine  Widerlegung  durch 
den  Gedankengang  seiner  Gegner  bestimmen  lässt. 

Darnach  ist  es  wahrscheinlich,  dass  Tert.  eine  Schrift  vor 
sich  hatte,  in  welcher  die  von  ihm  in  den  capp.  6—13  abge- 
wiesenen Gründe  im  Zusammenhang  vorgebracht  waren. 

Dies  lässt  sich  noch  durch  mehrere  andere  Momente  erhärten. 

1.  Es  kann  kein  Zweifel  sein,  dass  die  Parabeln  vom  ver- 
lorenen Schaf  und  Groschen  benutzt  sind,  um  daraus  die  Pflicht 
der  Bischöfe,  das  verlorene  zu  suchen,  abzuleiten,  und  dass 
diese  Anwendung  durch  Hinzufügung  von  Ez.  34.-,  ff.  eindring- 
licher gemacht  ist;  es  ist  ferner  sicher,  dass  diese  Gleichnisse 
mit  der  Schlussdrohung  aus  einer  Schrift  entlehnt  sind,  die, 
wenn  sie  nicht  auf  Kallists  Autorschaft  zurückgeht,  jedenfalls 
unter  seiner  Autorität  stand  (S.  73).  Zu  dieser  selben  Schrift 
muss  nun  auch  das  Gleichnis  vom  verlorenen  Sohn  mit  seiner 
Auslegung  gehört  haben;  dies  ist  schon  S.  73  wahrscheinlich 
gemacht;  es  lässt  sich  dies  aber  auch  noch  aus  der  Stelle:  — iuque 
eum  hominis  exitum  quantispotesmisericordiae  inlecebris  bonus 
pastor  et  benedictus  papa  contionaris  et  in  parabola  ovis 
capras  tuas  quaeris,  schliessen.  Wie  die  Anrede  bonus  pastor.  welche 
Tert.  hier  dem  Kailist  giebt,  ironisch  Bezug  darauf  nimmt,  dass 
er,  indem  er  sich  auf  das  Gleichnis  vom  verlorenen  Schaf  beruft, 
als  guter  Hirte  gelten  will,  so  bezieht  sich  die  Anrede  benedictus 
papa  „gesegneter  Papa"  sicher  darauf,  dass  er  auch  als  guter 
Vater  den  verlorenen  Sohn  wieder  aufnehmen  will;  er  hat  sich 
also  auch  auf  die  Parabel  vom  verlorenen  Sohn  berufen. 
Übrigens  ist  es  schon  an  und  für  sich  wahrscheinlich,  dass  in 
einer  Schrift,  wo  die  beiden  ersten  Gleichnisse  aus  Lc.  15  be- 
nutzt waren,  auch  das  dritte  nicht  fehlte.  Auf  eben  diese 
Schrift  scheint  Tert.  aber  auch  cap.  10  mit.  Bezug  zu  nehmen, 
sodass  auch  die  Ausführung  darüber,  dass  von  den  Heiden 
keine   Busse   verlangt  werden  könne   (S.  77 f.),   mit  dem  Wort 


1    vgl.  Preuschen,  a.  a.  0.  S.  30  IL 


96  Rolffs,  Das  Indulgenz-Edict. 

aus  Hernias  als  Abschluss  dazu  gehört  hätte.  Denn  dieser 
Abschnitt  ist  mit  dem  vorigen  dadurch  verbunden,  dass  auch 
er  jedenfalls  auf  Kallist  zurückgeht.  Wollte  man  hier  an  zwei 
verschiedene  Schriften  denken,  so  müssten  diese  beide  etwa  zu 
gleicher  Zeit  erschienen,  beide  aus  der  Partei  des  Kallist 
stammen,  die  letztere  ziemlich  sicher,  die  erstere  höchst  wahr- 
scheinlich ihn  selbst  zum  Verfasser  haben1),  und  Tert.  hätte  aus 
der  einen  gerade  ein  Stück  aufgenommen,  welches  sich  sehr 
gut  in  den  Gedankengang  der  anderen  einfügte,  den  er  eben 
abgebrochen:  dies  würde  voraussetzen,  dass  beide  Schriften  be- 
züglich gewisser  Partien  auch  im  Gedankengang  überein- 
gestimmt hätten.  Diese  Annahme  ist  doch  recht  unwahrschein- 
lich und  man  wird  daher  sich  zu  der  einfacheren  entschliessen 
müssen,  dass  die  unter  d,  e,  f,  g,  h  behandelten  Argumente 
der  Gegner  Tert.s  aus  einer  von  Kallist  selbst  herrührenden 
Schrift  entnommen  sind,  in  welcher  sie  eine  zusammenhängende 
Ausführung  bildeten. 

2.  Ein  weiteres  zusammenhängendes  Stück  einer  Schrift 
Kallists  wird  von  den  unter  k,  1,  m  behandelten  gegnerischen 
Argumenten  gebildet.  Es  ist  S.  83  f.  nachgewiesen,  dass  Kallist 
selbst  sich  auf  das  Verfahren  des  Paulus  gegen  den  Blutschänder 
zur  Verteidigung  seiner  Praxis  berufen  haben  rnuss;  es  ist 
S.  85  f.  wahrscheinlich  gemacht,  dass  er  in  demselben  Zusammen- 
hang auch  2  Cor.  12  21  citiert  hat.  Tert.  berichtet  nun  weiter, 
dass  die  Gegenpartei  auch  Apoc.  22o  vorgebracht  habe,  und  es 
ist  S.  90 f.  versucht,  zu  beweisen,  dass  dies  Citat  durch  den 
Satz:  bene  autem  quod  apostolis  et  fidei  et  disciplinae  regulis 
convenit  geschlossen  ist.  Dieser  Satz  setzt  voraus,  dass  der 
Abschnitt,  welchen  er  beschliesst,  eine  Berufung  auf  mehrere 
Apostel  enthielt.  Man  darf  daher  als  sicher  annehmen,  dass 
dem  Citat  aus  Johannes  ein  solches  aus  Paulus  vorangegangen 
ist,  und  damit  dürfte  bewiesen  sein,  dass  die  Verweisung  auf 
das    Verfahren    Pauli    gegen    den    Blutschänder2),     die    Stelle 


1)  Die  Rückbeziehung  auf  c.  7  (p.  230,  22)  in  den  Worten:  cui  ille,  si 
forte,  patrocinabitur  pastor,  quem  in  calice  depingis  (wobei  Kallist  angeredet 
ist),  stellt  es  m.  E.  ausser  Zweifel,  dass  auch  derjenige,  welcher  sich  c.  7  auf 
..die  Malereien  unserer  Kelche"  berufen  hat,  Kallist  ist. 

2  Unentschieden  bleibt  natürlich  noch,  ob  die  Deutung  des  interitus 
carnis  auch  in  dieser  Schrift  stand. 


III.    Der  Beweis  für  die  Vergebbarkeit  der  "Cnzuchtsünden.         97 

2  Cor.   12  2i   und  das  Citat  Apoc.  2  2o  einen  Abschnitt  in  einer 
Schrift  des  Kallist  dargestellt  haben. 

3.  Allein  der  Satz  bene  autem  etc.  führt  noch  weiter:  er 
setzt  voraus,  dass  die  Ausführung,  an  deren  Ende  er  steht,  auch 
die  Übereinstimmung  des  von  den  Gegnern  Tert.s  verteidigten 
Satzes:  Ehebrecher  können,  wenn  sie  Busse  gethan  haben, 
wieder  in  die  Gemeinde  aufgenommen  werden,  mit  der  regula 
fidei  und  der  regula  disciplinae  nachgewiesen  hat.  Nun  ist  die 
regula  disciplinae  in  der  Schrift,  welche  S.  95.  96  dem  Kallist 
zugewiesen  ist,  aus  den  Gleichnissen  von  Luc.  15  abstrahiert: 
die  Pflicht  der  Bischöfe,  das  verlorene  zu  suchen,  und  die  an 
den  Sünder  zu  stellende  Bedingung  der  Busse.  Es  ist  also 
gewiss,  dass  die  beiden  Stücke,  von  denen  sich  das  eine  aus  den 
unter  d,  e,  f,  g,  h  und  das  andere  aus  den  unter  k,  1,  m  be- 
handelten Argumenten  des  Kallist  zusammensetzt,  aus  einer  und 
derselben  Schrift  entnommen  sind. 

Mit  diesen  beiden  Abschnitten  ist  aber  diese  Schrift  noch 
nicht  vollständig;  denn  in  derselben  soll  auch  die  Überein- 
stimmung der  Busspraxis  Kallists  mit  der  regula  fidei  nachge- 
wiesen sein.  Dies  ist  nun  geschehen  in  dem  unter  a  behandelten 
Argument:  Deus  bonus  et  optimus  etc.  Es  ist  nun  S.  65  als 
höchst  wahrscheinlich  nachgewiesen,  dass  die  Schrift,  aus  welcher 
Tert.  c.  2  init.  citiert,  von  Kallist  herrührt.  Man  wird  daher 
nicht  fehlgehen  mit  der  Annahme,  dass  auch  dieses  Stück  ein 
Teil  derselben  Schrift  Kallists  ist,  welcher  die  Argumente  d — h 
und  k — m  zugewiesen  werden  mussten. 

4.  Dreizehn  einzelne  Gründe  sind  es,  welche  Tert.  widerlegt; 
nenn  davon  gehören  einer  Schrift  des  Kallist  für  die  Vergeb- 
barkeit  der  Fleischessünden  an;  es  ist  daher  mehr  als  wahr- 
scheinlich, dass  auch  die  übrigen  vier  (zu  denen  übrigens  als 
fünfter  die  Deutung  des  interitus  carnis  auf  die  exomologesis 
kommt)  in  dieser  Schrift  ihren  Platz  gehabt  haben.  Nahezu 
gewiss  ist  dies  bei  dem  unter  i  behandelten,  wo  aus  dem  Ver- 
kehr des  Herrn  mit  Ehebrechern  argumentiert  wird;  es  würde 
geradezu  eine  Lücke  entstehen,  wenn  zwischen  dem  Beweis  aus 
den  Gleichnissen  des  Herrn  und  dem  aus  dem  Verfahren  der 
Apostel  nicht  der  aus  Jesu  Thaten  den  Übergang  gebildet 
hätte.  Sicher  ist  auch  wohl,  dass  das  Bild  von  der  Arche  ( s.  S.  67f. ) 
vor  dem  Beweis  aus  den  Gleichnissen  gestanden  hat,  selbst  ein 

Texte  u.  Untersuchungen  XI,   3.  7 


9g  Rolffs,  Das  Indulgenz-Edict. 

Gleichnis.  Es  kann  auch  als  überwiegend  wahrscheinlich  gelten, 
dass  die  Erklärung  des  interitus  carnis  in  dieser  Schrift  gestanden 
hat,  da  der  auffallende  Ausdruck  eine  Interpretation  verlangte, 
und  eine  andere  Schrift,  aus  welcher  Tert.  die  betr.  Stelle 
entlehnte,  neben  der  des  Kallist  nicht  nachgewiesen  werden 
kann.  Freilich  die  beiden  Argumente  b  und  n  lassen  sich  nicht 
ohne  weiteres  auf  Grund  der  Stellen,  die  ihnen  Tert.  anweist, 
in  den  Zusammenhang  der  Schrift  Kallists  eingliedern;  aber 
damit  ist  noch  nicht  bewiesen,  dass  sie  nicht  zu  ihr  gehört 
haben  können;  vielmehr  muss  man  jetzt  annehmen  —  falls  nicht 
nachgewiesen  wird,  dass  sie  aus  einer  andern  Schrift  stammen  — 
dass  sie  zu  dieser  gehört  haben  und  durch  die  Art,  wie  Tert. 
seine  Widerlegung  einrichtete,  aus  ihren  ursprünglichen  Stellen 
verschoben  wurden. 

Es  bliebe  jetzt  noch  die  Thatsache  zu  erklären,  dass  Tert. 
seinen  Gegner  bald  als  eine  Einzelpersönlichkeit,  bald  als  eine 
Mehrzahl  behandelt.  Preuschen  hat  alle  Stellen  zusammen- 
gestellt, wo  Tert.  seine  Gegner  allgemein  als  diversa  pars  oder 
ähnlich  bezeichnet,  wo  er  sie  im  Plural  und  wo  im  Singular 
reden  lässt  (a.  a.  0.  S.  18  ff.).  Es  ergiebt  sich  daraus  als 
zweifellos,  dass  er  auch  da  den  Plural  gebraucht,  wo  er  nur 
Kallist  persönlich  im  Auge  haben  kann,  so  cap.  1,  wo  er  sich 
über  dessen  „Edicf  ereifert;  er  gebraucht  hier  kein  einziges 
Mal  den  Singular,  sondern  redet  von  seinen  Gegnern  immer 
wie  von  einer  unbestimmten  Mehrheit.  Kallist  ist  für  ihn  eben 
der  Vertreter  einer  grossen  Partei,  der  Psychiker,  der  keines- 
wegs allein  für  die  laxe  Sittenzucht  verantwortlich  ist;  er  bringt 
in  seiner  Schrift  nur  die  Gedanken  zum  Ausdruck,  welche  in 
der  Grosskirche  die  weiteste  Verbreitung  gefunden  hatten;  die 
Gründe,  welche  er  vorbringt,  hat  er  gewiss  nicht  selbst  hervor- 
gesucht, sondern  er  hat  vielleicht  nur  das  gesammelt  und  in 
ein  System  gebracht,  womit  man  von  den  verschiedensten  Seiten 
eine  mildere  Sittenzucht  forderte.  Daher  verschwindet  er  bei 
Tert.  oft  in  seiner  Partei,  und  nur,  wenn  des  Afrikaners  Zorn 
ganz  besonders  heftig  hervorbricht,  wendet  er  sich  gegen  die 
Person  des  Kallist. 


IV.    Der  Zusammenhang  der  Schrift  für  die  Vergebbarkeit  etc.      99 


IV.    Der  Zusammenhang  der  Schrift  für  die  Ver- 
gebbarkeit der  Unzuchtsünden  mit  der  Verfügung 

Kallists. 

Es  ist  durch  die  bisherige  Untersuchung  folgendes  Resultat 
gewonnen:  Kailist  hat  neben  der  Verfügung,  die  er  erlassen, 
in  einer  Schrift  den  Beweis  für  die  Vergebbarkeit  der  Unzucht- 
sünden geliefert;  dieselbe  ist  mit  dem  Erlass  gleichzeitig  er- 
schienen, da  Tert.  sie  mit  diesem  zusammen  bekämpft,  und  sie 
soll  das  Verfahren  Kallists  rechtfertigen.  Es  liegt  daher  die 
Frage  nahe:  Ist  sie  nicht  vielleicht  ein  Teil  seines  Erlasses  ge- 
wesen, sodass  man  es  hier  mit  einer  motivierten  Verfügung, 
mit  einer  vollständigen  ,,  Ablassbulle "  zu  thun  hätte?  Diese 
Frage  ist  aus  zwei  Gründen  entschieden  zu  bejahen: 

1.  Es  ist  S.  55  constatiert,  dass  die  Ausführungen,  welche 
Tert.  c.  21  gegen  Kailist  richtet,  notwendig  voraussetzen,  das.s 
dieser  sich  auf  die  Praxis  der  Apostel  berufen  hat,  um  sein 
Verfahren  gegen  die  Unzüchtigen  zu  verteidigen;  denn  Tert. 
sagt  ihm:  Wenn  auch  die  Apostel  derartige  Sünden  vergeben 
haben,  so  folgt  daraus  nichts  für  dich;  denn  sie  haben  es  kraft 
ihrer  potestas  gethan,  du  bist  ihr  Nachfolger  aber  nur  in  der 
disciplina,  nicht  in  der  potestas.  Darnach  ist  klar:  Kailist  hat 
sein  Recht,  Fleischessünden  zu  vergeben,  aus  der  Praxis  der 
Apostel  abgeleitet;  er  muss  diese  Praxis  daher  in  demselben 
Zusammenhang  dargelegt  haben,  in  welchem  er  jenes  Recht 
für  sich  in  Anspruch  nimmt.  Es  muss  also  der  Abschnitt,  in 
welchem  Kaliist  apostolische  Würde  für  sich  in  Anspruch  nimmt, 
sich  unmittelbar  an  seine  Berufung  auf  das  Verfahren  der 
Apostel  angeschlossen  haben.  Dieses  ist  aber  in  dem  letzten  Ab- 
schnitt der  Schrift  ..für  die  Vergebbarkeit  der  Unzuchtsünden L 
dargelegt,  der  Nachweis,  weshalb  Kaliist  Nachfolger  der  Apostel, 
besonders  des  Petrus  sei,  steht  in  dem  ersten  Satze  des  „Edictes" ; 
dieser  schliesst  sich  also  an  den  letzten  der  Schrift  „für  die 
Vergebbarkeit  der  Unzuchtsünden". 

2  Ein  weiterer  Beweis  dafür  ist  die  Anlage  von  Tert.'s 
Gegenschrift.     Hat  man   es  mit  zwei   Schriften   zu  thun,    dem 


100  Rolffs,  Das  Indulgenz-Edict. 

„Edict"  und  der  Schrift  „für  die  Vergebbarkeit  der  Unzucht- 
sünden",  so  ist  nicht  zu  verstehen,  weshalb  Tert.  einen  Satz  aus 
der  ersteren  an  die  Spitze  seiner  Gegenschrift  stellt  wie  c.  1: 
Ego  et  moechiae  etc.,  dann  die  zweite  Schrift  widerlegt  c.  2—20 
und  endlich  erst  c.  21.  22  auf  die  Ausführungen  zu  sprechen 
kommt,  welche  den  c.  1  citierten  Satz  unmittelbar  begründen,  und 
das  alles,  ohne  auch  nur  mit  einem  Wort  anzudeuten,  dass  er 
es  mit  zwei  Schriften  zu  thnn  hat.  Alles  erklärt  sich  aber  aufs 
beste  und  einfachste,  wenn  man  annimmt,  dass  Tert.  mit  dem 
Satz,  welcher  die  Pointe  der  ganzen  Kundgebung  enthielt,  zu- 
nächst die  sträfliche  Erschlaffung  der  Sittenzucht  constatierte  und 
dann  die  Gründe  widerlegt,  welche  den  Satz  stützen  sollten,  in- 
dem er  sich  genau  dem  Gedankengange  anschliesst,  welchen  die 
Gegner  eingeschlagen  hatten.  Dadurch  kam  es  natürlich,  dass 
er  die  Argumente,  welche  mit  dem  „Edictsatz"  unmittelbar  ver- 
bunden waren,  am  Schluss  widerlegte. 

Demnach  hat  das  „Edict"  folgenden  Gedankengang  gehabt: 
Gott  ist  gut  und  barmherzig;  er  will  lieber  die  Busse  des 
Sünders  als  seinen  Tod;  daher  müssen  auch  die  Menschen  als 
seine  Kinder  barmherzig  sein,  gern  ihre  Sünden  sich  vergeben 
und  nicht  über  ihren  Bruder  richten.  (Es  muss  das  Unkraut  mit 
dem  Weizen  wachsen  d.  h.  die  Sünder  müssen  in  der  Kirche 
bleiben) *);  denn  sie  ist  in  der  Arche  Noahs  vorgebildet,  welche 
reine  und  unreine  Tiere  barg.  Ja,  die  Sünder  müssen  auf- 
gesucht werden,  wie  der  Herr  durch  die  Gleichnisse  vom  ver- 
lorenen Groschen  und  verirrten  Schaf,  das  der  Hirt  auf  den 
Schultern  zurückbringt,  lehrt.  Denn  in  diesem  hat  man  einen 
Christen  zu  sehen,  welcher  sich  von  der  Kirche  getrennt  hat; 
er  muss  aufgesucht  und  zurückgerufen  werden;  was  wieder- 
gewonnen  werden  kann,    ist   nur   verloren,    wenn   es  draussen 

bleibt.   Wehe  den  Hirten,  welche  dies  versäumen! (Wie 

Gott  den  reuigen  Sünder   wieder  annimmt,    lehrt   der  Herr   in 
der  Parabel  von    den  beiden  Söhnen.)     Denn  der  jüngere  der- 


1)  Das  Gleichnis  vom  Unkraut  würde  hier  einen  recht  guten  Über- 
gangsgedanken bilden,  doch  lässt  sich  nach  dem  S.  68  Anm.  3  Bemerkten 
durch  nichts  wahrscheinlich  machen,  dass  es  in  der  Tert.  vorliegenden 
Schrift  berührt  ist.  Hier  ist  es  ergänzend  eingefügt,  weil  der  Gedanke 
Kallist  jedenfalls  nicht  fremd  war. 


IV.    Der  Zusammenhang  der  Schrift  für  die  Vergebbarkeit  etc.    \Q\ 

selben  ist  ein  Christ,  welcher  von  Gott,  seinem  Vater,  entfernt 
sein  Vermögen,  die  Gnadengüter  der  Taufe,  vergeudet.  Wenn 
ein  solcher  auch  dem  Fürsten  der  Welt  seinen  Dienst  ange- 
boten hat  und  von  ihm  mit  dem  Weiden  der  Säue  beauftragt 
ist,  so  wird  er  doch,  wenn  er  zum  Vater  zurückkehrt,  ein  neues 
Gewand  und  einen  Ring  empfangen.  Hiermit  verkündigt  Gott 
nicht  den  Heiden  die  Möglichkeit  der  Busse  —  denn  ihre  Sün- 
den geschehen  in  Unwissenheit  — ,  sondern  den  Christen,  welche 
wissen,  was  sie  verloren  haben  und  wiedergewinnen,  wenn  sie 
Busse  thun.  Dem  Knechte  Gottes  ist  einmal  Gelegenheit  zur 
Busse  gegeben.  (Gott  will  ja  lieber  die  Busse  des  Sünders  als 
seinen  Tod  und)  das  Blut  seines  Sohnes  macht  uns  rein  von 
aller  Sünde.  Der  Sünder  aber,  der  reuig  umkehrt,  niuss  wieder 
in   die    christliche   Gemeinde    aufgenommen    werden;    denn    die 

Vergebung  ist  die  Frucht  der  Busse Auch  durch  seine 

Thaten  hat  der  Herr  den  Grundsatz,  reuige  Sünder  nicht  von 
der  Gemeinschaft  fernzuhalten,  ausgesprochen,  wenn  er  dem 
sündigen  Weibe  die  Berührung  seines  Leibes  gestattet  und  der 
samaritanischen  Hure  sich  zu  erkennen  giebt.  Ihm  folgend  haben 
die  Apostel  gegen  Ehebrecher  Milde  walten  lassen;  Paulus 
nimmt  im  zweiten  Brief  an  die  Korinther  denselben  Blutschänder, 
welchen  er  im  ersten  dem  Teufel  zur  Vernichtung  des  Fleisches 
übergeben  hatte,  wieder  auf.  Die  Vernichtung  des  Fleisches 
bedeutet  Ertötung  desselben  durch  die  bei  der  Busse  üblichen 
Kasteiungen;  so  hat  Paulus  auch  andere  dem  Satan  übergeben, 
damit  sie  gebessert  würden.  Also  die  Sünder,  auch  wenn  sie 
sich  der  scheusslichsten  Unzuchtsünden  schuldig  gemacht  haben, 
werden  nur  für  bestimmte  Zeit  aus  der  Gemeinde  ausgeschlossen; 
nach  geleisteter  Busse  sollen  sie  wieder  aufgenommen  werden; 
deshalb  verfügt  Paulus  auch  in  demselben  Brief  die  Wieder- 
aufnahme anderer  Unzüchtiger.  Auch  Johannes  befolgt  diesen 
Grundsatz ;  denn  Apoc.  220  ff  setzt  der  Geist  der  Jezabel  eine 
Frist  zur  Busse.  Gut  ist  aber,  was  mit  den  Aposteln  und  den 
Regeln  des  Glaubens  und  der  Sitten zucht  stimmt. 

Wenn  es  daher  feststeht,  dass  die  Apostel  solche  Sünden 
vergeben  haben,  so  hat  auch  die  Kirche  das  Recht,  Sünden  zu 
vergeben,  und  weil  der  Herr  mit  seinem  Wort  an  Petrus  Mt.  161S 
auf  die  dem  Petrus  verwandte  Gemeinde  dieses  Recht  über- 
tragen hat,  so  vergebe  ich  die  Sünden  des  Ehebruchs  und  der 


102  Rolffs,  Das  Indulgenz-Edict. 

Hurerei  denen,    die  Busse  gethan  haben,   wenn  sie  von  einem 
Märtyrer  Verzeihung  erhalten. 

In  diesen  Gedankenzusammenhang  sind  auch  die  Sätze: 
venia  est  fructus  paenitentiae  und  sanguis  filii  eius  emundat  nos 
ab  omni  delicto  eingefügt.  Weshalb  sie  vermutlich  an  die  Stel- 
len  gehören,  an  welche  sie  gesetzt  sind,  wird  unten  erörtert 
werden. 


V.    Die  Reconstruction  der  Verfügung  Kallists.  103 


V.    Die  Reconstruction  der  Verfügung  Kallists. 

Nachdem  im  vorigen  die  Grundlagen  für  eine  Wiederher- 
stellung des  Kailistischen  Erlasses  gewonnen  sind,  soll  im  fol- 
genden der  Versuch  einer  Reconstruction  gemacht  werden.  In 
einem  Commentar  werde  ich  die  notwendigen  Ergänzungen 
und  Umformungen  Tertullianischer  Sätze  zu  rechtfertigen  ver- 
suchen, soweit  es  noch  nicht  geschehen  ist.  Die  Stellen,  die  ich 
in  ihrem  Wortlaut  nicht  mit  Sicherheit  herzustellen  vermag, 
sind  durch  Schlangenlinien  (-  - -),  diejenigen,  durch  welche 

ein  notwendiger  Zwischengedanke  frei  ergänzt  wird.,  durch  klei- 
neren Druck  kenntlich  gemacht.  Auch  bei  diesen  letzteren 
ist  möglichst  Rücksicht  auf  den  Text  Tertullians  genommen,  da 
sich  hier  sicher  noch  manche  Anklänge  an  die  Ausdrucksweise 
Kallists  finden,  die  ein  mehr  oder  minder  glücklicher  Tastsinn 
vielleicht  zu  entdecken  vermag.  Übrigens  bin  ich  mir  wohl  be- 
wusst,  dass  in  diesem  Reconstructionsversuch  auch  das  ..Sichere" 
immer  problematisch  bleibt  und  keineswegs  über  jeden  Ein- 
wand erhaben  ist.  Aber  wenn  man  bei  einem  solchen  Recon- 
structionsversuch nicht  in  jeder  irgendwie  auffallenden  Stelle 
etwas  sucht,  so  wird   man  schliesslich    in   keiner  etwas  finden. 


-[Q4  Rolffs,  Das  Indulgenz-Edict. 

• •  • • .;) 

Deus  bonus  et  optinms  est  et  misericors  et  niiserator  et  miseri- 
cordiae  plurimus,  quam  omni  sacrificio  anteponit,  non  tanti 
ducens  peccatoris  mortem  quam  paenitentiam,  salutificator  om- 
5  nium  hominum  et  inaxime  fidelium  2).  itaque  et  filios  dei  mi- 
sericordes  et  pacificos  esse  oportebit,  donantes  invicem  sicut  et 
Christus  donavit  nobis,  non  iudicantes  ne  iudicemur.  domino 
enim  suo  stat  quis  vel  cadit:  tu  quis  es  ut  servum  iudices  alie- 
num?     dimitte  et  dimittetur  tibi 

10  ....  [3)   Sinite  zizania  crescere  cum  tritico   id  est  in  ecclesia 

peccantes] Nam  arca  Noachi  in  similitudinem 

ecclesiae  facta  est4),  in  qua  canes  et  lupi  et  corvi  omniaque  munda 
immundaque  fuerunt5);  sie  in  ecclesia  oportet  esse  consimiliter 6)  .  .  . 
Peccatoreni  requirendum   esse  dominus 

15  docet7)  parabolis,  ubi  est  ovis  perdita  a  domino  requisita 
et  kumeris  eius  reveeta8)  et9)  drachma  in  domo  amissa  id  est 
in  ecclesia,  ad  lucernae  lumen  reperta  id  est  ad  dei  verbum10). 
—  ad  illius  peeudis  interpretationem  procedunt  ipsae  picturae 
calicum  nostrorum,  in  quibus  perluceteamnoninethnicumcompetere11); 

1)  Ein  einleitender  Anfang  ist  nicht  zu  ermitteln.  Es  hat  hier  wahr- 
scheinlich irgend  eine  Grussformel  gestanden. 

2)  c.  2  p.  222,  9  s.  S.  62  ff.  Es  ist  est  ergänzt,  weil  dem  Satze  sonst 
das  Prädikat  fehlt;  vielleicht  ist  das  zweite  et  aus  diesem  est  entstanden; 
möglicherweise  ist  est  aber  auch  vor  dem  ähnlichen  Wort  et  ausgefallen, 
„bonus  et  optimus"  fasse  ich  als  Attribute;  denn  nur  dadurch,  dass  der 
„gute  und  höchste"  Gott  barmherzig  ist,  wird  bewiesen,  dass  die  Barm- 
herzigkeit auch  ein  Attribut  seiner  Kinder  sein  muss. 

3)  Wenn  das  Gleichnis  vom  Unkraut  in  der  Schrift  Kallists  gestanden 
hat,  so  kann  es  nur  hier  seinen  Platz  gehabt  haben;  da  es  aber  wahr- 
scheinlich nicht  darin  enthalten  war,  so  ist  hier  eine  Lücke  anzunehmen. 

4)  Die  Worte  Hippolyts,  denen  ich  hier  gefolgt  bin  (nur  statt  dlku 
xal  ist  nam  gesetzt),  haben  nur  den  Wert  einer  freien  Ergänzung.  Vergl. 
Phil.  IX.  12  p.  461,  15. 

5)  Diese  Ausführung  des  Bildes  von  der  Arche  scheint  traditionell  zu 
sein;  auch  Tert.  nennt  de  idol.  c.  24  p.  58,  5  corvus,  lupus,  canis  als  Tiere 
der  Arche;  doch  fügt  er  noch  milvus  und  serpens  hinzu. 

6)  s.  Anm.  3.  4. 

7)  Der  Satz  ist  frei  ergänzt,  nicht  um  die  hinter  consimiliter  anzu- 
nehmende Lücke  auszufüllen,  sondern  um  die  Deutung  der  Gleichnisse 
richtig  vorzubereiten. 

8)  c.  7  p.  230,  21  s.  S.  69  f. 


V.  Die  Reconstruction  der  Verfügung  Kallists.  105 


Gott,  der  vollkommene  und  höchste,  ist  barmherzig  und  ein  Er- 
barmer  und  an  Barmherzigkeit  der  reichste  ' ,  welche  er  jedem  '  Joei  21S 
Opfer  vorzieht'2,  nicht  so   hoch  den  Tod  des  Sünders  achtend  2  Hos.  66a 
als    seine    Busse3,    der    Seligmacher    aller    Menschen    und    am  3  Ez.  33 u 
meisten  der  Gläubigen4.     Daher  werden  auch  die  Söhne  Gottes  4iTim4l0 
barmherzig  und  friedfertig  sein  müssen5,  sich  gegenseitig  ver-  •'"Luc. 63c 
zeihend,  wie  auch  Christus  uns  vergeben  hat0,   nicht  richtend,  t;Epu.  4:5, 
damit  wir  nicht  gerichtet  werden7.     Denn  seinem  eignen  Herrn  ;  Mt  7, 
steht  oder  fällt  ein  Mensch8:  wer  bist  du,  dass  du  einen  frern-  BKom.i44b 
den  Knecht  richtest?9    Vergieb,  so  wird  dir  vergeben  werden10. 10  £°™'6;,^ 

[Lasset  das  Unkraut  mit  dem  Weizen  wachsen11 11Jlt-  13so 

d.  h.  die  Sünder  in  der  Kirche.]  ....  Denn  als  ein  Abbild  der 
Kirche  ist  die  Arche  Noahs  erbaut,  in  welcher  Hunde  und  Wölfe 
und  Raben  und  alle  reinen  und  unreinen  Tiere  gewesen  sind;  so 

muss  es  in  der  Kirche  ähnlich  sein Dass  der  Sünder 

aufgesucht  werden  muss,  lehrt  der  Herr  in  den  Gleichnissen,  wo 
das  verlorene  Schaf  vom  Herrn  wiedergesucht  und  auf  den  Schul- 
tern zurückgebracht12  und  die  im  Hause  d.  h.  in  der  Kirche  ver-1JLuc.i54_7 
lorene  Drachme  beim  Licht  der  Laterne  d.  h.  beim  Worte  Gottes 
gefunden  ist13.  Um  jenes  Tier  richtig  zu  deuten,  braucht  man  nur 
auf  die  Malereien  unserer  Kelche  zu  blicken ,  an  welchen  klar  wird, 
dass  es  auf  einen  Heiden  nicht  oasst;  es  ist  das  Schaf  nämlich 


9)  Die  Verbindung  der  Satzglieder  durch  et  darf  als  ziemlich  sicher 
betrachtet  werden. 

10)  c.  7  p.  232,  5  s.  S.  70.  Das  quasi  der  inciirecten  Rede  Tert.s  ist 
in  id  est  geändert.  Die  Änderung  stellt  höchst  wahrscheinlich  die  Worte 
Kallists  wieder  her.    Vergl.  Harnack,  Zs.  für  Th.  u.  K.  1891  S.  116. 

11)  c.  7  p.  230,  22  s.  S.  70.  Dass  Kailist  auf  das  Bild  des  Hirten  auf 
deu  Kelchen  hingewiesen,  scheint  aus  den  Worten:  procedant  ipsae  picturae 
calicum  vestrorurn,  si  vel  in  illis  perlucebit  interpretatio  pecudis  illius 
utrumne  Christiano  an  ethnico  peccatori  de  restitutione  conliniet  zu  folgen; 
auf  Grund  dieses  Satzes  ist  die  Stelle  hergestellt.  Es  ist  doch  sehr  wahr- 
scheinlich, dass  Tert.  einige  Ausdrücke  und  Wendungen  von  Kaliist  her- 
genommen hat,  wenn  es  sich  auch  nicht  exact  beweisen  lässt.  Der  letzte 
Teil  des  Satzes  ist  frei  ergänzt  im  Anschluss  an  die  Worte:  et  tarnen  ita 
eam  vindicare  debebis,  ut  neges  in  ethnicum  competere,  quae  in  Christianuui 
existimas  convenire.  Kailist  muss  jedenfalls  die  Deutung  des  Schafes  auf 
einen  Heiden  ausdrücklich  abgelehnt  haben,  sonst  könnte  Tert.  nicht  von 


13  Luc. 

13  a  — 10 


106  Rolffs,  Das  Inclulgenz-Edict. 

est  enim1)  ovis  proprie  Christianus  et  grex  doniini  ecclesiae  po- 
pulus  et  pastor  bonus  Christus  et  ideo  Christianus  in  ove  in- 
telligendus,  qui  ab  ecclesiae  grege  erraverit2).  debet  requiri 
atque  revocari;  quod  potest  recuperari,  non  perit,  nisi  foris 
5  perseveraverit 3).  propterea  increpantur  pastores,  qui  ovem  per- 
ditani  in  gregem  reficere  non  curaverunt4):  pastores  ecce  lac 
devoratis  et  lanis  vestirnini;  quod  forte  est  occidistis,  quod  in- 
firmum  est  non  curastis,  quod  cornminutum  est  non  ligastis, 
quod  expulsum  est  non  convertistis,  quod  periit  non  requisistis5). 

10 Deura  peccatores  paenitentia  functos  in  gratiam 

recipere  dominus  docet  parabola  duorum  filiorum6).  duos  enim  populos 
in  duobus  filiis  collocat,  Iudaicum  maiorem,  Christianum  minorem7); 
filius  audit  et  Iudaeus:  maior,  qui  prior  in  adoptione  Christiano 
reconciliationem  dei  patris  invidet,  et  Christianus:  minor8),   qui 

15  acceptam    a    deo    patre    substantiam    utique   baptismatis    longe 


vornherein  die  Frage  so  stellen:  utrumne  Christiano  an  ethnico  peccatori  etc., 
sondern  müsste  diese  Alternative  ausdrücklich  als  von  ihm  gestellt  be- 
zeichnen; so  wie  er  sich  ausdrückt,  muss  man  annehmen,  dass  sein  Gegner 
die  Deutung  des  Schafes  auf  den  Heiden  schon  hinlänglich  zurückgewiesen 
zu  haben  glaubt. 

1)  „est  enim"  ist  nachdrücklich  an  den  Anfang  gestellt,  da  es  einen 
Gegensatz  zu  dem,  was  nicht  der  Fall  ist,  einführt.  Wenn  die  Worte 
hier  gestanden  haben,  so  erklärt  sich  auch  am  leichtesten,  wie  sie  weg- 
fallen konnten:  sed  ist  bei  Tert.  an  ihre  Stelle  getreten. 

2)  c.  7  p.  231,  6  s.  S.  71. 

3)  c.  7  p.  233,  1  s.  S.  71. 

4)  Der  Satz  ist  hergestellt  nach  p.  233,  12:  numquid  et  de  mortuo 
exprobrat,  quod  non  et  illud  in  gregein  reficere  curaverint  ?  Es  liegt  nahe, 
dass  Tert.  in  diesem  Satz  sich  auf  Worte  Kallists  bezieht;  wenn  dies  der 
Fall  ist,  so  ist  nämlich  die  Ironie  bedeutend  schärfer.  Kailist  sagt:  die 
Hirten  werden  gescholten,  weil  sie  das  verlorene  Schaf  nicht  in  die  Herde 
zurückzubringen  gesorgt  haben;  Tert.  entgegnet:  Sie  werden  doch  nicht 
auch  wegen  des  toten  gescholten,  „weil  sie  dies  nicht  in  die  Herde  zurück- 
zubringen gesorgt  haben"  und  äfft  seine  Sprache  damit  nach.  Propterea 
ist  hinzugesetzt,  um  den  Zusammenhang  mit  dem  vorigen  stärker  hervor- 
treten zu  lassen:  weil  was  wieder  gewonnen  werden  kann,  nur  verloren 
ist,  wenn  es  draussen  bleibt,  so  werden  die  gescholten,  welche  es  draussen 
lassen  und  nicht  zurückführen. 

5)  c.  7  p.  233,  8  s.  S.  72.  73. 

6)  Hinter  dem  Citat  aus  Ez.  ist  eine  Lücke  anzunehmen;  es  lassen 
sich    kaum  Vermutungen    darüber   anstellen,    was   hier   gestanden  haben 


2  Luc. 

1°11 — 32 


V.  Die  Reconstruction  der  Verfügung  Kallists.  1()7 

nichts  anderes  als  der  Christ  und  die  Herde  des  Herrn  der 
Kirche  Volk  und  der  gute  Hirte  Christus  und  daher  ein  Christ 
in  dem  Schaf  zu  sehen,  welcher  sich  von  der  Herde  der  Kirche 
verirrt  hat.  Er  rnuss  aufgesucht  und  zurückgerufen  werden; 
was  wiedergewonnen  werden  kann,  geht  nur  verloren,  wenn  es 
draussen  geblieben  ist.  Deswegen  werden  die  Hirten  gescholten, 
welche  das  verlorene  Schaf  nicht  in  die  Herde  zurückzubringen 
gesorgt  haben:  Hirten,  seht  die  Milch  verschlingt  ihr  und  mit 
der  Wolle  kleidet  ihr  euch;  was  stark  ist  tötet  ihr,  für  das 
schwache  habt  ihr  nicht  gesorgt;  was  beschädigt  ist,  habt  ihr 
nicht  verbunden;  was  vertrieben  ist,  habt  ihr  nicht  zur  Um- 
kehr gebracht;  was  verloren  ist,  habt  ihr  nicht  wieder  gesucht1.  '  Ez.  342  ff. 

Dass   Gott  die 

Sünder,  wenn  sie  Busse  gethan  haben,  in  den  Gnadenstand 
wieder  aufnimmt,  lehrt  der  Herr  durch  das  Gleichnis  von  den 
beiden  Söhnen2.  Er  stellt  nämlich  zwei  Völker  in  den  beiden 
Söhnen  dar,  das  jüdische  im  älteren,  das  christliche  im  jüngeren; 
als  Sohn  wird  bezeichnet,  sowohl  der  Jude,  als  der  ältere, 
welcher,  früher  im  Kindschafts  Verhältnis  stehend,  den  Christen 
wegen  seiner  Versöhnung  mit  Gott,  dem  Vater,  beneidet,  — 
als  auch  der  Christ,  als  der  jüngere,  der  das  von  Gott,  dem 
Vater,   empfangene    Vermögen,    natürlich    das   Gut    der   Taufe, 


kann;  der  folgende  Satz  ist  frei  ergänzt  zur  Einleitung  des  Gleichnisses 
vom  verlorenen  Sohn. 

7)  Der  Satz  ist  zwar  wörtlich  aus  Tert.  entlehnt,  beansprucht  aber 
nur  den  Wert  einer  freien  Ergänzung.  Tert.  sagt  c.  8  p.  234,  9  von  seinen 
Gegnern:  duos  enim  populos  in  duobus  filiis  collocant  Iudaicum  maiorem; 
Christianum  minorem;  ähnliches  hat  Kailist  jedenfalls  geschrieben. 

8)  c.  8  p.  234,  15  s.  S.  74.  Der  Satz  ist  reconstruiert  nach  Tert.s 
Worten:  licet  enim  filius  audiat  et  Iudaeus  et  maior,  quia  prior  in  adoptione, 
licet  et  Christiano  reconciliationem  dei  patris  invideat.  Die  Reconstruction 
stützt  sich  auf  das  doppelte  et  des  ersten  Satzes;  wie  nämlich  aus  dem 
zweiten  hervorgeht,  braucht  Tert.  die  Formel  licet  et,  um  den  Sätzen  das 
concessive  Gepräge  zu  geben.  Daraus  erklärt  sich  im  ersten  Satz  das  eine 
et,  nämlich  höchst  wahrscheinlich  das  vor  maior.  Es  fragt  sich:  was 
soll  dann  das  erste  et?  und  da  darf  man  vermuten,  dass  Tert.  es  aus 
dem  Text  seines  Gegners  mit  herübergenommen  hat.  Zu  der  Vermutung 
führt  die  auffallende  Stellung  der  Worte  filius  und  maior;  da  in  den 
Worten  filius  audit  ein  Theil  des  Prädicates  vor  das  Subject  Iudaeus  tritt 
und  der  andere  Teil  ,maior'  hinter  demselben  steht,  so  liegt  die  Annahme 


l(j"5  Rolffs,  Das  Indulgenz-Edict. 

evagatus  a  patre  prodigit  ethnice  vivens.  si  exutus  bonis  men- 
tis  etiam  principi  saeculi  servitium  suuni  tradidit  et  ab  eo  por- 
cis  alendis  praepositus  resipuit  ad  patrern  reverti1),  recuperat 
vestem  priorem,  indurnentum  Spiritus  sancti,  et  anulum  dermo 
5  signaculura  lavacri2).  neque  enim3)  etkuicis  paenitentia  denun- 
tiatur,  quorum  delicta  obnoxia  ei  non  sunt,  ignorantiae  scilicet 
iuiputanda,  quam  sola  natura  ream  deo  facit;  porro  nee  reme- 
dia  sapiunt  quibus  pericula  ipsa  non  sapiunt;  illic  autem  pae- 
nitentiae  constat  ratio,  ubi  conscientia  et  voluutate    delinquitur, 

10  ubi  et  culpa  sapit  et  gratia,  ille  luget  ille  volutatur  qui  seit 
et  quid  amiserit  et  quid  sit  recuperaturus,  si  paenitentiam  deo 
immolarit  utique  eain  magis  tiliis  offerenti  quam  extraneis ; 
servis  enim  dei  est  una  paenitentia4).  deus  enim  mavult  peccato- 
ris  paenitentiam  quam  mortem  et5)    sanguis   filii   eius    emundat    nos 

15  ab    omni    delicto6),     debet    igitur   reeipi   qui  peceavit  et  paeni- 

nahe,  dass  die  Worte  filius  audit  noch  zu  einem  andern  Subject  als 
Prädicat  gehören,  für  welches  maior  keine  Geltung  hatte;  dieses  Subject 
kann  nur  Christianus  gewesen  sein.  Die  Construction  war  demnach  bei 
Kailist:  audit  filius  et  Iuclaeus  —  et  Christianus;  jedes  der  beiden  Subjecte 
erhält  dann  durch  das  maior  resp.  minor  seine  charakteristische  Näher- 
bestimmung. Will  man  diese  Construction  annehmen,  so  wird  man  am 
besten  den  Inhalt  der  Sätze  quia  prior  in  adoptione  und  licet  et  Christiano 
etc.  in  einem  Relativsatz  zusammenfassen  und  an  maior  anschliessen.  An 
sich  könnte  man  auch  den  Causalsatz  quia  prior  etc.  beibehalten;  aber  da 
die  nähere  Bestimmung  von  minor  durch  einen  Relativsatz  gegeben  wird, 
so  liegt  es  nahe,  dies  auch  bei  maior  zu  vermuten. 

1)  c.  9  p.  236,  27  s.  S.  74  ff. 

2)  c.  9  p.  237,  7  s.  S.  76  f.  Zu  indurnentum  spiritus  saneti  vergl.  de 
praescr.  haer.  36,  wo  Tert.  als  Katholiker  dasselbe  Bild  gebraucht. 

3)  c.  10  p.  239,  4  s.  S.  77  ff.  Der  Anschluss  mit  neque  enim  ist  ge- 
wählt, weil  die  dialectische  Beweisführung,  dass  die  Busse  nicht  von  den 
Heiden  verlangt  werden  könne,  dazu  dienen  soll,  die  Deutung  des  jüngeren 
Sohnes  auf  den  Christen  zu  bestätigen. 

4)  c.  10  p.  240,  10  ff.  s.  S.  78  ff.  Ich  bin  dem  griechischen  Text  des 
Pastor  gefolgt  mit  der  geringen  Änderung,  dass  iarlv  fiia  vor  fxsrävoia 
gestellt  ist.  Die  lateinische  Übersetzung  scheint  mir  im  Zusammenhang 
an  dieser  Stelle  etwas  zu  viel  zu  sagen;  es  kommt  nur  darauf  an,  zu  be- 
weisen, dass  es  für  den  Knecht  Gottes  eine  Busse  giebt,  dass  der  Erfolg 
dieser  Busse  die  Wiederaufnahme  in  die  Gemeinde  ist,  wird  erst  im  fol- 
genden ausgeführt. 

5)  s.  S.  S8  Anm.  1.  Da  Tert,  c.  10  (p.  239,  31)  bei  der  Widerlegung 
des  Grundsatzes,  dass  die  Heiden  nicht  zur  Busse  verpflichtet  sein  könnten, 


V.  Die  Reconstruction  der  Verfügung  Kallists.  109 

weit  vom  Vater  entfernt  umherschweifend  vergeudet  durch 
heidnisches  Leben.  Wenn  er  der  Güter  des  Geistes  beraubt 
selbst  in  den  Dienst  des  Fürsten  dieser  Welt  getreten  ist  und 
von  ihm  mit  dem  Weiden  der  Schweine  beauftragt  wieder  in 
sich  gegangen  ist,  zum  Vater  zurückzukehren,  so  gewinnt  er 
wieder  das  frühere  Gewand,  die  Ausrüstung  mit  dem  heil.  Geist, 
und  einen  Ring  von  neuem,  das  Zeichen  der  Reinwaschung. 
Denn  nicht  den  Heiden  wird  die  Busse  gepredigt,  deren  Ver- 
gehen ihr  nicht  unterworfen  sind,  da  sie  selbstverständlich  der 
Unwissenheit  zuzurechnen  sind,  welche  das  Naturrecht  allein 
vor  Gott  anklagt;  also  sind  auch  die  Heilmittel  nicht  für  die 
zu  schmecken,  welche  die  Gefahren  selbst  nicht  schmecken;  dort 
aber  ist  Grund  zur  Busse  vorhanden,  wo  mit  Gewissen  und 
Willen  gefehlt  wird,  wo  sowohl  die  Schuld  als  auch  die  Gnade 
Geschmack  hat(?);  der  trauert,  der  windet  sich,  der  weiss  sowohl 
was  er  verloren  hat,  als  auch  was  er  wieder  gewinnen  wird, 
wenn  er  Gott  Busse  opfert,  der  dieselbe  natürlich  mehr  seinen 
Söhnen  anbietet  als  Fremden.  Denn  für  die  Knechte  Gottes 
giebt   es    eine   Busse1.     Gott   will   ia    die  Busse   des   Sünders  * Past  Her- 

i  mn  t»i    j         ■  oi  ••  maeMancl 

lieber  als  seinen  Tod,  und   das  Blut  seines  Sohnes  reinigt  uns   iy.  i,  8 
von  aller  Sünde2.     Daher  muss  der,  welcher  gesündigt  hat  und  "  L  Joh- 1- 

ganz  unvermittelt  schreibt:  sed  hoc  volunt  psychici,  ut  deus  iusti  iudex 
eius  peccatoris  paenitentiam  malit  quam  mortem,  qui  mortem  paenitentia 
maluit,  so  darf  man  vermuten,  dass  Kailist  in  diesem  Zusammenhang  auf 
dieses  ..Fundament  seiner  Anschauung"  zurückgekommen  ist.  Wenigstens 
passt  eine  Wiederholung  dieses  Satzes  sehr  gut  an  diese  Stelle. 

6)  c.  19  p.  263,  12  s.  S.  91  f.  Es  ist  durch  nichts  zu  beweisen,  dass 
das  Citat  1  Joh.  1-  hier  seine  Stelle  gehabt  haben  müsste.  Tert.  macht, 
wie  a.a.O.  bemerkt,  keinerlei  Angaben  über  den  Zusammenhang,  in 
welchem  es  gestanden  hat.  Unmöglich  kann  es  auf  das  Citat  Apoc.  22o 
gefolgt  sein;  denn  dieses  hat,  wie  die  beiden  abschliessenden  Sätze  be- 
weisen, am  Schlüsse  eines  Abschnittes  gestanden,  in  dessen  Zusammenhang 
auch  dieses  Wort  1  Joh.  17  gehört  haben  muss.  An  diesen  Platz  wird 
es  nun  durch  seine  Form  gewiesen;  denn  s.  filii  eius  setzt  wahrscheinlich 
voraus,  dass  Gott  im  vorhergehenden  Satze  Subject  gewesen  ist  (s.  S.  92.  Anni.  1). 
Nun  ist  hier  zwar  der  vorhergehende  Satz  ergänzt;  aber  dies  trägt  wenig  aus; 
denn  so  weit  wie  wir  die  Schrift  Kallists  herstellen  können,  lässt  sich 
keine  Stelle  finden,  wo  sich  ein  solcher  Satz  einfügen  Hesse.  Freilich  bleibt 
immer  die  Möglichkeit  offen,  dass  das  fragliche  Citat  einem  Abschnitt  der 
Schrift  Kallists  angehört  hat,  den  Tert.  bei  seiner  Polemik  im  übrigen  un- 
berücksichtigt gelassen  hat.     Über  den  Zshg.  s.  d.  folg.  S.  Aniu.  1. 


HO  Rolffs,  Das  Indulgenz-Edict. 

tentiam  delictoruin  agit;   fructus  enim  paenitentiae  est  venia1). 

Quod  verbis  idern2)   et  factis  pro  pecca- 

toribus  edidit  dominus  ut  cum  peccatrici  feminae  etiam  corporis 

sui  contactum  permittit  lavanti  lacrimis  pedes  eius  et  crinibus 

5  detergenti   et  unguento  sepulturam  ipsius  inauguranti,   ut  cum 

Samaritanae  sexto  iam  matrimonio  non  moechae  sed  prostitutae, 

etiam  quod  nemini  facile  quis  esset  ostendit3) 

Verum  etiam  apostolicis  scripturis  docetur  moechiae 

et  fornicationis  delicta  paenitentia  dilui  posse4).     Paulus    apostolus    in 

10  secunda  ad  Corinthios  eidem  fornicatori  veniam  dedit  quem  in 
prima  dedendum  satanae  in  interitum  carnis  pronuntiavit 5 1. 
scribens:  si  quis  autem  contristavit,  non  me  contristavit,  sed  ex 
parte,  ne  vos  onerem  omnes.  satis  est  talis  increpatio  quae  a 
multis    fit;    uti    e    contrario  magis  vos  donare  et  advocare,  ne 

15  forte  abundantiore  tristitia  devoretur  eiusmodi.  propter  quod 
oro  vos,  constituatis  in  eum  dilectionem.  in  hoc  enim  et  scripsi, 
uti  cognoscam  probationem  vestram,  quod  in  omnibus  obauditis 
mihi,  si  cui  autem  donaveritis,  et  ego.  nam  et  ego  si  quid  donavi, 


1)  s.  S.  65  f.  Es  ist  mir  ziemlich  wahrscheinlich,  dass  am  Ende  dieses 
Abschnittes  die  4  Sätze  gestanden  haben:  servis  dei  est  una  paenitentia; 
deus  mavult  paenitentiam  peccatoris  quam  mortem ;  debet  recipi  qui  pecca- 
vit  et  paenitentiam  delictorum  agit;  fructus  paenitentiae  est  venia.  Frag- 
lich ist  nur,  in  welche  Beziehungen  dieselben  zu  einander  gesetzt 
sind.  So  wie  der  Text  hergestellt  ist,  ergiebt  sich  der  Zshg. :  den 
Knechten  Gottes  steht  eine  Busse  offen  auf  Grund  der  Barmherzigkeit 
Gottes,  welche  nicht  den  Tod  des  Sünders  will,  und  diese  Busse  ist  nicht 
erfolglos;  denn  das  Blut  des  Sohnes  Gottes  wäscht  alle  Sünden  ab;  daraus 
folgt,  dass  der  büssende  Sünder  wieder  aufgenommen  werden  muss;  denn 
die  Frucht  der  Busse  muss  die  Verzeihung  sein,  (weil  ja  die  Busse  durch 
das  Blut  Christi  von  Sünden  reinigt).  Der  Satz:  sanguis  filii  eius  etc.  fügt 
sich  also  in  diesen  Zshg.  sehr  gut  ein.  Aber  damit  soll  die  Möglichkeit 
anderer  Verbindungen  nicht  bestritten  werden  z.  B.  könnte  sich  der  letzte 
Satz  als  kurze  Formulierung  des  durch  die  ganze  Ausführung  gewonnenen 
Resultates  ohne  enim  an  den  vorhergehenden  Satz  anschliessen. 

2)  Es  ist  wohl  eine  Lücke  anzunehmen;  wenigstens  erwartet  man 
einen  Satz  darüber,  dass  der  Herr  die  Grundsätze,  die  er  in  seinen  Gleich- 
nissen ausgesprochen,  nun  selbst  im  Verkehr  mit  Ehebrechern  zur  An- 
wendung gebracht  habe;  denn  im  folgenden  Abschnitte  ist  nur  von  Un- 
zuchtsünden die  Rede.  Die  ergänzten  Worte:  quod  verbis  idem  sollen  das 
et  vor  factis  verständlich  machen. 

3)  c.   11  p.  241,  2    s.  S.   80.      Der  einleitende  Satz  ist   nach  Tert.s 


V.   Die  Reconstruction  der  Verfügung  Kallists.  \\\ 

Busse    thut,    wieder  aufgenommen   werden1;    denn   die   Frucht ipast-  Her- 
der Busse  ist  die  Verzeihung Ganz    1V  x  8 

dasselbe  wie  durch  seine  Worte  hat  der  Herr  auch  durch  seine 
Thaten  zu  Gunsten  der  Sünder  verfügt  z.  B.  wenn  er  dem 
sündigen  Weibe  sogar  seinen  Körper  zu  berühren  gestattet, 
welches  mit  Thränen  seine  Füsse  wäscht  und  sie  mit  den 
Haaren  abtrocknet  und  durch  Salbe  seine  Beerdigung  vorahnend 
einweiht2,  ebenso  wenn  er  der  Samariterin,  welche  durch  ihre  'Luc. 
sechste  Ehe  nicht  mehr  eine  Ehebrecherin  ist,  sondern  als  eine 
Prostituierte  gelten  niuss,  sogar  enthüllt,  wer  er  sei,  was  er  sonst 

niemandem    leicht    that 3 Aber    auch  3  Joh.  4 

durch  die  apostolischen  Schriften  wird  dargethan,  dass  die  Un- 
zuchtsünden durch  Busse  abgewaschen  werden  können.  Der 
Apostel  Paulus  hat  im  zweiten  Brief  an  die  Korinther  eben 
demselben  Ehebrecher  Vergebung  gewährt,  welchen  er  im 
ersten  dem  Satan  zur  Vernichtung  des  Fleisches  zu  übergeben 
verfügt  hat,  indem  er  schreibt:  wenn  aber  jemand  betrübt  hat, 
so  hat  er  nicht  mich  betrübt,  sondern  nur  zum  Teil,  damit  ich 
euch  nicht  alle  belaste  (?);  es  ist  eine  solche  Zurechtweisung  ge- 
nug, welche  von  der  Mehrheit  erteilt  wird,  sodass  ihr  im  Gegen- 
teil vielmehr  vergeben  und  ihn  herbeirufen  könnt,  damit  nicht 
vielleicht  ein  solcher  durch  übermässige  Traurigkeit  verschlungen 
werde.  Deswegen  bitte  ich  euch,  beweist  Liebe  gegen  ihn. 
Dazu  habe  ich  auch  geschrieben,  um  eure  Bewährung  zu  er- 
kennen, dass  ihr  mir  in  allen  Dingen  gehorsam  seid.  Wenn 
ihr  aber  jemandem  vergeben  habt,  dann  auch  ich;  denn  auch 
ich  (?),  wenn  ich  etwa  Vergebung  zu  gewähren  hatte,  habe  sie 


Worten:  si  vero  et  factis  aliquid  tale  pro  peccatoribus  edidit  dominus 
reconstruiert,  welche  sich,  wie  a.  a.  0.  nachgewiesen,  wahrscheinlich  ziem- 
lich genau  an  die  Schrift  Kallists  anschliessen.  tale  aliquid  kann  er  frei- 
lich nicht  gesagt  haben;  es  wird  durch  idem  ersetzt. 

4)  Die  Worte  sind  eine  freie  Ergänzung,  durch  welche  der  Gedanken- 
fortschritt der  Schrift  ungefähr  angedeutet  werden  soll;  der  Satz  schliesst 
sich  an  an  die  Worte:  age  nunc  vel  de  apostolico  instrumento  doceant 
maculas  carnis  post  baptisma  respersae  paenitentia  dilui  posse.  Das  be- 
stimmt Tertullianische  Gepräge  des  Satzes  schliesst  aus,  dass  Kallist 
mehr  als  etwa  die  Wendung  , .paenitentia  dilui  posse'"  gebraucht  haben 
könnte. 

5)  c.  13  p.  243,  2  s.  S.  81  ff. 


112  Roltfs,  Das  Indulgenz-Edict. 

donavi  in  persona  Christi,  ne  frauderanr  a  satana,  quoniam  non 
ignoramus  iniectiones  eius  1).  intelligendura  est  igitur  in  inter- 
itu  carnis  officium  paenitentiae2);  quod  videtur  ieiuniis  et  sor- 
dibus  et  incuria  omni  et  dedita  opera  malae  tractationis  carnem 
5  exterminando  satis  deo  facere3);  fornicator  igitur  ille  4)  non  in 
perditionem  satanae  ab  apostolo  traditus  est,  sed  in  emendatio- 
nem,  utique5)  postea  veniaui  ob  interitum  id  est  conflictationem 
carnis  consecuturum  igitur  et  consecutum.  plane  idem  apostolus 
Hymenaeuni   et  Alexandram  satanae  tradidit,   ut   emendarentur 

10  non  blaspliemare,  sicut  Timotheo  suo  scribit;  sed  et  ipse  datum 
sibi  ait  sudem  angelum  satanae,  a  quo  colaphizaretur,  ne  se 
extolleret6).  adimitur  igitur  peccatoribns  vel  maxime  carne 
pollntis  communicatio,  sed  ad  praesens,  restituenda  scilicet  ex 
paenitentiae  ambitu  secundum  illam  clementiam  dei,  quae  ma- 

20  vult  peccatoris  paenitentiam  quam  mortem7;,  secundum  hanc  re- 
gularu  apostolus  in  eadem  secunda  ad  Corinthios  et  alios  fornicatores  in 
communicationeni  recipiendos  constituit,  si  paenitentiam  inissent, 
in  finem  epistolae  dicens8):  ne  rursus  cum  venero  humiliet  me 
deus   et  lugeam   multos   eorum   qui   ante  deliquerunt  et  paeni- 

1)  c.  13  p.  243,  5  s.  S.  83  f. 

2)  Der  Satz  ist  reconstruiert  im  Anschluss  an  die  Worte:  hie  iam 
camis  interitum  in  officium  paenitentiae  interpretantur  (c.  13  p.  244,  22). 
Die  Wendung  intelligendum  est  ist  gewählt  nach  Analogie  des  Ausdrucks: 
in  ove  Christianus  est  intelligendus. 

3)  c.  13  p.  244,  24  s.  S.  82. 

4)  Grundlage  für  diese  Ergänzung  bildet  der  Satz:  ut  ex  hoc  argu- 
mententur  fornicatorem  immo  incestum  illum  non  in  perditionem  satanae 
ab  apostolo  traditum  (p.  244,  25  s.  S.  82).  immo  incestum  ist  jedenfalls 
Zusatz  Tert.s,  durch  welchen  er  die  Argumentation  seines  Gegners  als  un- 
wahrscheinlich hinstellen  will,  da  es  eigentlich  doch  undenkbar  sei,  dass 
ein  Blutschänder  wieder  aufgenommen  werde,  est  hinter  traditus  ist  zu- 
gesetzt; ein  entsprechendes  esse  fehlt  bei  Tert.  Wie  dieses  Fehlen  zu  er- 
klären, hängt  mit  der  Frage  nach  der  Ursprache  der  Schrift  Kallists  zu- 
sammen. 

5)  utique  ist  hier  für  quasi  gesetzt,  weil  dieses  Wort  jedenfalls  der 
referierenden  Form  Tert.s  zuzuschreiben  ist. 

6)  c.  13  p.  244,  29  s.  S.  81. 

7)  c.  18  p.  260,  22  s.  S.  88  Anm.  1.  Es  ist  mir  höchst  wahrschein- 
lich, dass  mit  diesem  Satz  das  Facit  aus  der  sich  an  1  Cor.  25— lt  an- 
schliessenden   exegetischen    Beweisführung   gezogen    ist.      Der    Grundsatz, 

die  Sünder  auf  Zeit  von  der  kirchlichen  Gemeinschaft  ausgeschlossen 


V.    Die  Reconstruction  der  Verfügung  Kallists.  113 

gewährt  im  Xaruen  Christi,  damit  wir  nicht  vom  Satan  betrogen 

werden,  denn  wir  kennen  seine  Anschläge  wohl l.     Es  ist  daher    '  2  Cor- 

t  •  2  _    (vgl 

unter    dem    Ausdruck    „Verderben    des    Fleisches"    der   pfiicht-    icor.  5) 

massige  Act  der  Busse  zu  verstehen,  weil  durch  Fasten  und 
Schmutz  und  alle  Vernachlässigung  und  durch  die  Unterdrückung 
des  Fleisches,  welche  durch  schlechte  Behandlung  geflissentlich 
erstrebt  wird,  Gott  Genugthuung  zu  empfangen  scheint.  Jeuer 
Blutschänder  ist  also  nicht  zum  Verderben  dem  Satan  vom 
Apostel  übergeben,  sondern  zur  Besserung,  indem  er  selbstver- 
ständlich Verzeihung  wegen  der  Vernichtung  d.  h.  der  Kasteiung 
des  Fleisches  erlangen  sollte  und  daher  auch  erlangt  hat.  Ganz 
unzweideutig  hat  derselbe  Apostel  den  Hymenaeus  und  Ale- 
xander dem  Satan  übergeben,  damit  sie  gebessert  würden,  dass 
sie  nicht  lästern,  wie  er  seinem  Timotheus  schreibt2.  Aber  2iTim. iw 
auch  er  selbst  sagt,  ihm  sei  ein  Pfahl  gegeben,  des  Satans 
Engel,  von  dem  er  geschlagen  werde,  damit  er  sich  nicht  über- 
hebe3. Es  wird  also  den  Sündern,  auch  den  mit  den  schwersten  "  2  Cor.  12, 
Fleischessünden  befleckten,  die  Gemeinschaft  entzogen,  aber 
nur  für  den  Augenblick  mit  der  Absicht  einer  Restitution 
nach  geleisteter  Busse  gemäss  jener  Güte  Gottes,  welche  lieber 
die  Busse  des  Sünders  will  als  seinen  Tod.  Gemäss  dieser 
Regel  hat  der  Apostel  in  demselben  zweiten  Brief  an  die 
Korinther  auch  in  betr.  anderer  Ehebrecher  die  Wiederaufnahme 
in  die  Gemeinde  verfügt,  wenn  sie  Busse  gethan  hätten,  indem 
er  gegen  Ende  des  Briefes  schreibt:  damit  nicht  wieder,  wenn 
ich  komme,  Gott  mich  demütige  und  ich  über  viele  von  denen 


werden,  um  nach  geleisteter  Busse  wieder  in  dieselbe  einzutreten,  ent- 
spricht der  Güte  Gottes,  der  lieber  die  Busse  als  den  Tod  des  Sünders 
will.  Als  Folgerung  ist  der  Satz  durch  igitur  an  den  vorhergehenden  an- 
geschlossen. 

8)  Der  erste  Teil  des  Satzes  ist  völlig  frei  ergänzt,  durch  denselben 
wird  das  folgende  Citat  als  Bestätigung  dafür  hingestellt,  dass  Paulus  sich 
auch  sonst  nach  der  im  vorhergehenden  Satze  aufgestellten  Regel  gerichtet 
habe.  Ob  Kallist  es  so  verwendet  hat,  ist  natürlich  nicht  mit  Sicherheit 
zu  entscheiden.  Der  Ausdruck  in  communicationem  ist  gewählt,  weil  der 
Satz  „et  ceterum  non  competit  eum  de  communicatione  aliquid  hie  osten- 
disse"  (p.  252,  6)  die  Vermutung  nahe  legt,  dass  Kallist  hier  etwas  de  com- 
municatione gesucht  habe.  —  Der  zweite  Teil  des  Satzes  hat  eine  etwas 
festere  Grundlage  in  den  Worten :  in  finem  enim  epistolae  dicens  „ne 
Texte  u.  Untersuchungen  XI,  3.  8 


114  Rolffs,  Das  Indulgenz-Edict. 

tentiam  non  egerunt  super  immunditia  quam  admiserunt  for- 
nicatione  et  vilitate  ').  sed  et  Johannes2)  in  Apocalypsi  manifeste 
fornicationi  posuit  paenitentiae  auxiüum;  spiritus  enim  de  mu- 
liere  Iezabel  dicit :i) :  largitus  sum  illi  temporis  spatium,  ut  pae- 
5  nitentiam  iniret,  nee  vult  eam  inire  nomine  fornicationis.  ecce 
dabo  eam  in  lectum  et  moechos  eius  cum  ipsa  in  maximam 
pressuram,  nisi  paenitentiam  egerint  operum  eius.  bene  autem 
quod  apostolis  et  fidei  et  diseiplinae  regulis  convenit;  sive  enim 
ego,  inquit,  sive  illi  sie  praedicamus  4j. 

10  Si    et  ipsos   beatos    apostolos    eiusniodi    peccata   indulsisse    constat5) 

habet  potestatem  ecclesia  delicta  donandi6)  et7)  quia  dominus 
Petro  dicens;  super  hanc  petram  aedificabo  ecclesiam  meam; 
tibi  dedi  claves  regni  caelestis  vel  quaeeunque  alligaveris  vel 
solveris  in  terra,  erunt  alligata  vel  soluta  in  caelis,  derivavit  sol- 

15  vendi  et  alligandi  potestatem  ad  omnem  ecclesiam  Petri  pro- 
pinquam  8), 

ego  et  moechiae  et  fornicationis  delicta  paenitentia  funetis 
dimitto  9), 


rursus  etc."  non  utique  reeipiendos  constituit,   si  paenitentiam  inissent  etc. 
Darnach  ist  die  Annahme  nicht  ungerechtfertigt,  dass  die  Gegner  gesagt 
haben:  apostolus  constituit  reeipiendos  .........  si  paenitentiam  inissent, 

nämlich  indem  er  gegen  Ende  des  Briefes  spricht:  ne  rursus  etc. 

1)  c.  15  p.  251,  28  s.  S.  85. 

2)  Die  Ergänzung  ist  ganz  frei;  sie  empfiehlt  sich  durch  ihre  Einfach- 
heit und  stellt  einen  genügenden  Zusammenhang  her. 

3)  Die  hier  an  dem  zu  Grunde  liegenden  Satz  Tert.s  vorgenommenen 
Änderungen  sind  S.  88.  89  eingehend  motiviert. 

4)  c.  19  p.  202,  1  s.  S.  90.  91. 

5)  c.  21  p.  269,  6.  Dem  Satz  liegen  zu  Grunde  die  Worte  Tert.s: 
itaque  si  et  ipsos  beatos  apostolos  tale  aliquid  indulsisse  constat,  cuius 
venia  a  deo,  non  ab  nomine  competeret,  non  ex  diseiplina,  sed  ex  potestate 
fecissent.  Tert.  sagt:  Die  Apostel  haben  Unzüchtigen  keine  Vergebung  er- 
teilt; aber  selbst  wenn  es  feststände,  wie  du  behauptest,  dass  sie  es  ge- 
than,  so  würde  daraus  für  dich  nichts  folgen.  Darnach  darf  man  vielleicht 
aunehmen,  dass  die  Worte  si  constaret  et  ipsos  apostolos  auf  einen  Satz 
Kallists:  constat  et  ipsos  beatos  apostolos  etc.  Bezug  nehmen.  „Der  Aus- 
druck tale  aliquid,  cuius  venia  a  deo  etc.  ist  natürlich  auf  Tert.  zurückzu- 
führen, da  er  den  Unterschied  zwischen  Sünden,  welche  von  Menschen,  und 
solchen,  welche  von  Gott  vergeben  werden,  in  die  Erörterung  eingeführt  hat. 

6  Es  ist  hier  zu  rechtfertigen,  weshalb  der  Satz  habet  potestatem 
ecclesia  etc.  als  Folgerung  aus  dem  vorhergehenden:  si  constat  etc.  aufge- 


V.  Die  Reconstruction  der  Verfügung  Kallists.  H5 

trauere,  welche  vordem  gefehlt  und  keine  Busse  gethan  haben 

für  die  Unreinheit,  der  sie  sich  schuldig  gemacht  haben:  Hurerei 

und  unzüchtiges  Leben1.     Aber  auch  Johannes  hat  in  der  Apo-  l2Cor-122i 

kalypse  ganz  klar  für  Unzucht  die  Hülfe  der  Busse  festgesetzt; 

denu  der  Geist  sagt  über  das  Weib  Jezabel:  ich  habe  ihr  eine 

Spanne  Zeit  gewährt,  damit  sie  Busse  thue,  und  sie  will  sie  nicht 

thun    für    die   Hurerei.     Siehe,    ich  will  sie   aufs  Krankenbett 

werfen  und  ihre  Ehebrecher  mit  ihr  in  die  grösste  Bedrängnis, 

wenn  sie  nicht  Busse  thun  für  ihre  Werke2.    Gut  aber  ist,  was  mit  "APoc-22<>f 

den  Aposteln  und  den  Regeln  des  Glaubens  und  der  Sittenzucht 

übereinstimmt;  denn  sei  ich  es,  spricht  er,  oder  sie,  so  predigen  wir3.  3  i^or.i5lt 

Wenn  es  feststeht,  dass  auch  die  seligen  Apostel  selbst 
solche  Sünden  vergeben  haben,  so  hat  die  Kirche  die  Gewalt, 
Übertretungen  zu  vergeben,  und  weil  der  Herr,  indem  er  zu 
Petrus  spricht:  „auf  diesem  Felsen  will  ich  meine  Kirche  er- 
bauen; dir  habe  ich  die  Schlüssel  des  Himmelreiches  gegeben, 
ja  alles,  was  du  binden  oder  lösen  wirst  auf  Erden,  wird  ge- 
bunden oder  gelöst  sein  im  Himmel"4,  die  Binde-  und  Löse-  4  Mt.  iö1s 
gewalt  auf  jede  dem  Petrus  verwandte  Gemeinde  übergeleitet 
hat,  so 

vergebe  ich  die  Sünden  des  Ehebruchs  und  der  Hurerei 

denen,  die  Busse  gethan  haben, 


fasst  ist.  Diese  Beziehung  zwischen  beiden  scheint  sich  aus  der  Wider- 
legung Tert.s  zu  ergeben.  Kallist  sagt:  „es  steht  fest,  dass  die  Apostel  Un- 
zuchtsünden vergeben  haben."  „Gewiss",  entgegnet  Tert.,  „wenn  sie  es  ge 
than,  so  haben  sie  es  ex  potestate,  nicht  ex  disciplina  gethan;  gieb  du  Be- 
weise, dass  du  ihre  potestas  hast,  indem  du  ihre  Wunder  thust,  so  kannst 
du  auch  Sünden  vergeben."  „Aber",  wendet  nun  Kallist  ein,  „für  mich 
habe  ich  ja  gar  nicht  die  Absolutionsgewalt  auf  Grund  der  apostolischen 
Praxis  in  Anspruch  genommen,  sondern  weil  die  Apostel  selbständig 
(ipsos)  wie  der  Herr  (et)  Sünden  vergeben  haben,  so  vindiciere  ich  der 
Kirche  das  gleiche  Recht;  als  ihrem  Vertreter  steht  mir  dann  die  Aus- 
übung derselben  zu."  Dies  geht  aus  der  Frage  Tert.s  hervor:  de  tua  nunc 
sententia  quaero,  unde  hoc  ius  ecclesiae  usurpes.  Darnach  hat  Kallist  nur 
das  Recht  der  Kirche  usurpiert  und  muss,  da  er  sich  auch  auf  die  Apostel 
berufen  hat,  das  Recht  der  Kirche  aus  der  von  ihnen  ausgeübten  Macht- 
befugnis abgeleitet  haben,  s.  S.  55  c.  21  p.  269,  22. 

~ )  et  führt  den  Gedanken  am  ungezwungensten  weiter. 

8)  c.  21  p.  270,  1.     Das  Nähere  s.  S.  55  ff. 

9)  c.  1  p.  22ü,  5  s.  S.  19  ff. 


116  Rolffs,  Das  Indulgenz-Edict. 

si    veniam   a    martyre  acceperint,    qui    delicta 

eorurn  purgat  spargens  in  eos  quoque,  quod  passione^  suaTcon- 
secutus^est;Jii^inartvre  enim  est  Christus:  igitur  peccatores  mar- 
tyr  absolvit l). 


1)  c.  22  p.  271,  12  ff.  Wie  schon  bemerkt,  ist  die  Fassung  der  Stelle 
höchst  unsicher;  zur  Rekonstruktion  sind  verwendet  die  Sätze:  1.  sufficiat 
martyri  propria  delicta  purgasse.   2.  ingrati  vel  superbi  est  in  alios  quoque 


V.    Die  Recoustruction  der   Verfügung  Kallists.  H7 

wenn    sie    von    einem    Märtyrer    Vergebung 

empfangen  haben,  welcher  ihre  Sünden  abwäscht,  indem  er 
auch  sie  mit  dem  besprengt,  was  er  durch  sein  Leiden  erworben 
hat;  denn  in  dem  Märtyrer  ist  Christus;  daher  spricht  der 
Märt}rrer  die  Sünder  los. 


spargere,  quod  pro  magno  fuerit  consecutus.  3.  si  propterea  Christus  in 
martyre  est,  ut  inoechos  et  fornicatores  rnartyr  absolvat.  Das  Nähere  s. 
S.  60  ff. 


Hg  Rolffs,  Das  Indulgenz-Edict. 


VI.   Die  Sprache  der  reconstruierten  Schrift. 

Der  Versuch  den  Wortlaut  der  Schrift  Kallists  wenigstens 
teilweise  wiederherzustellen  ist  von  drei  Voraussetzungen  aus 
unternommen : 

1.  Wo  Tert.  die  Schrift  seiner  Gegner  citiert,  giebt  er 
ihren  Wortlaut  wieder  und  nicht  etwa  ein  zusammenfassendes 
Referat. 

2.  Wo  er  die  Gedanken  Kallists  referiert,  schliesst  er  sich 
genau  an  dessen  Sprache  an. 

3.  Wo  er  kann,  sucht  er  durch  ironische  Anspielungen  auf 
Kallists  Ausdrucksweise  seine  Polemik  zu  verschärfen. 

An  11  Stellen  wird  die  Schrift  Kallists  citiert;  dabei  sind 
3  Formen  des  Citierens  zu  unterscheiden:  1.  an  4  Stellen 
(Reiffersch.  p.  220,  5.  222,  9.  244,  29.  269,  22)  sind  Sätze  aus 
derselben  abgeschrieben.  2.  an  4  Stellen  (p.  233,  8.  243,  6. 
251,  28.  262,  1)  sind  Schriftcitate,  die  Kallist  gebraucht,  mit- 
geteilt1). 3.  an  3  Stellen  (p.  236,  27.  241,  2.  270,  1)  sind  Sätze 
Kallists  von  Tert.  in  Condicionalsätze  verwandelt,  aus  denen 
er  seine  Folgerungen  zieht.  Dass  Tert.  p.  220,  5  die  Worte 
Kallists  anführt,  ist  S.  19  ff.  bewiesen,  dasselbe  ist  betr.  p.  222,  9 
S.  62f.  wahrscheinlich  gemacht.2)  p.  244..  29,  wo  Tert.  plötzlich 
aus  der  referierenden  Form  in  die  directe  Rede  übergeht,  wird 
dies  kaum  anders  zu  erklären  sein,  als  dadurch,  dass  er  das 
Referat  über  die  Worte  des  Gegners  mit  dessen  eignen  Wor- 
ten fortsetzt.  Nur  p.  269,  22  braucht  der  Satz:  habet  potestatem 
ecclesia  delicta  donandi  nicht  direct  von  Kallist  übernommen 
zu  sein.  Was  nun  die  4  Schriftcitate  angeht,  die  Tert.  in  ex- 
tenso aus  dem  Tractat  Kallists  mitteilt,  so  ist  zunächst  bezüg- 


1)  Das  versprengte  Stück  p.  263,12:  sanguis  filii  eius  ernundat  nos  ab 
omni  delicto  ist  nicht  als  selbständiges  Citat  zu  rechnen. 

2)  Man  kann  dagegen  einwenden,  dass  in  den  Prädikaten  misericors 
et  miserator  et  niisericordiae  plurimus  eine  Steigerung  liege,  die  Tert.  in 
rhetorischem  Interesse  beabsichtigt  habe,  dass  demnach  die  Einkleidung 
der  Gedanken  seines  Gegners  von  ihm  herrühre.  Aber  wenn  der  Satz  nach 
rhetorischen  Gesichtspunkten  gebildet  wäre,  so  müsste  sich  dies  auch  im 
weiteren  Fortgang  zeigen;  hier  wird  es  aber  schwer  sein,  beabsichtigte 
rhetorische  Kunst  nachzuweisen. 


VI.    Die  Sprache  der  reconstruierten  Schrift.  H9 

lieh  der  Stellen  p.  243, 6.  262, 1  klar,  dass  sie  nicht  aus  dem  neutesta- 
mentlichen  Text  abgeschrieben  resp.  übersetzt  sind;  denn  dass 
Tert.  nicht  den  Satz:  satis  est  talis  increpatio  quae  a  multis 
fit  in  seinem  Text  fand,  sondern  die  richtige  Lesart  Ixavbv  rä 
Toiovrcp  //  sjtirifiia  avxij  ?j  vsto  zcöv  jtZtiorcov  kannte,  er- 
giebt  sich  daraus,  dass  er  p.  246,  19  offenbar  aus  dem  Gedächt- 
nis richtig  citiert:  sufficiat  eiusmodi  homini  increpratio  ista,  quae 
a  multis.  Dass  er  aber  auch  das  Citat  Apoc.  22o  ff.  nicht  auf- 
geschlagen hat,  wird  aus  der  falschen  Einleitung  ersichtlich,  die 
er  ihm  giebt.  Bei  dem  ersten  Citat  ist  es  somit  sicher,  bei  dem 
letzteren  höchst  wahrscheinlich,  dass  er  es  aus  Kaliist  abgeschrie- 
ben hat.  Ebenso  citiert  er  p.  233,  8  das  Wort  Ez.  342ff.  ent- 
weder aus  dem  Gedächtnis  oder  nach  der  Schrift  seines  Gegners; 
denn  er  leitet  es  ein  mit  dem  Satz:  puto  est  Ezechielis  vox. 
Wenn  nun  das  Citat,  wie  S.  72  f.  wahrscheinlich  gemacht,  mit 
Abweichungen  vom  Text  der  LXX  bei  Tert.  sich  findet,  die  auf 
die  Rechnung  Kallists  zu  setzen  sein  dürften,  so  will  es  wenig 
sagen,  dass  dasselbe  in  den  Reimen  curastis  —  ligastis,  convertistis 
—  requisistis  und  in  dem  regelmässigen  Bau  von  drei  Satzpaaren 
Spuren  einer  rhetorischen  Kunst  zeigt,  die  man  eher  Tert.  als 
Kallist  zutrauen  möchte.  Da  endlich  auch  das  Citat  2  Cor.  12 ,, 
(p.  251,  28),  wie  S.  85  Anm.  1  nachgewiesen,  dem  Kallist  gün- 
stige Abweichungen  zeigt,  so  dürfte  auch  dieses  wohl  aus  seiner 
Schrift  entnommen  sein.  Dass  Tert.  auch  in  den  Condicio- 
nalsätzen  p.  236,  27.  241,  2.  270,  1  die  Worte  Kallists  ziem- 
lich getreu  überliefert  hat,  ist  an  den  betr.  Stellen  (S.  74  f.,  SO, 
56 f.)  aus  gewissen  Unebenheiten  der  von  ihm  gebildeten  Sätze 
nachgewiesen.  Freilich  kann  man  diese  Unebenheiten  auch  durch 
Textverderbnisse  zu  erklären  versuchen;  aber  ein  besseres  Recht 
würden  solche  Versuche  nur  dann  haben,  wenn  durch  leichte 
Emendationen  die  Schwierigkeiten  gründlich  gehoben  werden 
könnten;  dazu  ist  aber  m.  E.  wenig  Aussicht. 

Nur  an  3  Stellen  referiert  Terjt.  in  indirecter  Rede  die  Aus- 
führungen seines  Geguers:  p.  239,  3.  243,  2.  244,  24.  Von  dem 
kurzen  Satz  p.  243,  2:  apostolum  Paulum  in  seeunda  ad  Corin- 
thios  etc.  ist  ohne  weiteres  zuzugeben,  dass  sich  eine  genaue 
Anlehnung  an  die  Worte  Kallists  darin  nicht  nachweisen  lässt. 
Dagegen  scheint  das  p.  239,  3  — 11  gegebene  Referat  sich  getreu 
an  den  Wortlaut  des  Originals  anzuschliessen,  was  sowohl  aus 


120  Rolffs,  Das  Indulgenz-Edict. 

der  S.  7S  hervorgehobenen  Inconcinnität,  als  auch  aus  der  Länge 
desselben  zu  schliessen  ist.  Dass  Tert.  in  dem  Satz  p.  244,  23: 
quod  videatnr  etc.  vielfach  wenigstens  von  Kailist  abhängig  ist, 
geht  aus  der  schwerfälligen  Construction  dieses  Satzes,  besonders 
aus  den  Worten  „ieiuniis  et  sordibus  —  satis  deo  facere",  und 
quasi  postea  —  consecutum",  sowie  aus  der  Fortführung  des 
Satzes  in  directer  Rede  zur  Genüge  hervor.  Jedenfalls  ist  nicht 
rhetorische  Kunst  an  der  Bildung  desselben  beteiligt  und  Text- 
verderbnisse wären  höchstens  in  den  Worten  dedita  opera  malae 
tractationis  carnem  exterminando  anzunehmen;  es  wird  sich 
aber  unten  zeigen,  dass  die  auffallende  Construction  sich  wahr- 
scheinlich auf  anderem  Wege  einfach  erklären  lässt. 

An  7  Stellen  habe  ich  bei  Tert.  Anspielungen  auf  die 
Ausdrucksweise  Kallists  gefunden:  p.  230, 21.  232,  5.  231, 6.  233, 1. 
234,  15.  237,  7.  262,  S;  an  2  anderen  Stellen  230,  22.  260,  22  habe 
ich  dies  nicht  mit  Bestimmtheit  zu  behaupten  gewagt.  Dass 
p.  230,  21,  232,5.  234,  15  solche  Anspielungen  vorliegen,  wird 
kaum  bestritten  werden  J);  es  ist  durch  den  Wortlaut  unmittelbar 
gegeben.  Dagegen  wäre  es  möglich,  dass  man  in  der  scharf  poin- 
tierten, fast  rhvthinischen  Satzgliederung  p.  231,  6:  sed  ovis 
proprie  Christianus  etc.,  sowie  in  den  p.  233,  1  scheinbar  ab- 
sichtsvoll zusammengestellten  Compositis:  requiri,  revocari. 
recuperari  die  rhetorische  Kunst  Tert.s  finden  wollte  und  des- 
halb den  ursprünglichen  Platz  dieser  Sätze  nicht  bei  Kailist 
suchte.  Aber  so  gewiss  der  Rhetor  Tert.  sich  auch  in  de  pud. 
nicht  verleugnet,  so  entschieden  überwiegt  doch  das  Interesse  an 
der  Polemik  jede  rhetorische  Kunst.  Man  wird  auch  in  de  pud. 
manchen  Satz  finden,  der  ohne  Rücksicht  auf  die  Regeln  der 
Rhetorik  gebildet  ist,  dagegen  ist  keine  Gelegenheit  zu  scharfer 
Polemik  unbenutzt  gelassen.  Gründe,  welche  von  dem  rhetorischen 
Stil  Tert.s  hergenommen  sind,  haben  daher  nur  secundäre  Be- 
deutung und  können  nur  ins  Gewicht  fallen,  wenn  keine  pole- 
mischen Rücksichten  ihnen  entgegenstehen.  Jene  Einwände 
werden  daher  kaum  die  S.  70 — 72  beigebrachten  Gründe  für  die 
Zugehörigkeit  der  betr.  Stellen  zu  der  Schrift  Kallists  zu  er- 
schüttern vermögen.    Derartige  Einwände  werden  sich  nun  bei 


1)  Auch  die  mehrfachen  Anspielungen  auf  den  Satz:  venia  est  fructus 
paenitentiae  werden  wohl  anerkannt  werden  (s.  S.  66). 


VI.    Die  Sprache  der  reconstruierten  Schrift.  121 

den  Stelleu  237.  7.  262,  8  kaum  erheben  lassen,  und  wenn  die 
Gründe,  mit  welchen  S.  76,  90  die  Zugehörigkeit  derselben  zu 
der  Schrift  Kallists  bewiesen  ist,  auch  z.  T.  wohl  durch  den  sub- 
jectiven  Eindruck  bedingt  sind,  so  ruhen  sie  doch  auf  der  unwider- 
leglichen Voraussetzung,  dassTert.in  de  pud.  durch  scharfe,  witzige 
Ironie  seine  Polemik  zu  steigern  mit  Erfolg  bemüht  ist. 

Die  Voraussetzungen  für  den  Reconstructionsversuch  dürften 
somit  kaum  anzufechten  sein.  Es  muss  sich  nun  aber  auch  die 
Probe  auf  die  Richtigkeit  desselben  machen  lassen,  d.  h.  es 
muss  nachgewiesen  werden,  dass  die  reconstruierte  Schrift  einen 
einheitlichen  Stil  aufweist,  welcher  von  dem  Tert.s  charakte- 
ristische Verschiedenheiten  zeigt.  Der  Wortvorrat  ist  von  dem 
Tert.s  nicht  verschieden.  Der  Stil  zeichnet  sich  aus  durch 
gedrungene  Kürze,  welche  durch  häufige  Verwendung  des 
Particips  erreicht  wird '),  und  durch  sehr  reichliche  Verwen- 
dung der  Partikel  et  als  „und"  2j,  „auch"  3)  und  besonders  als 
,.sowohl  —  als  auch" 4)  (rt  xcu);  aber  es  ist  keine  Construc- 
tion  nachweisbar,  die  nicht  auch  bei  Tert.  ähnlich  zu  finden 
wäre.  Dies  darf  uns  aber  auch  nicht  in  Erstaunen  setzen;  denn 
eine  Schrift,  die  um  220  in  Rom  von  einem  Bischof  verfasst 
wurde,  wird  nicht  lateinisch,  sondern  griechisch  geschrieben 
sein.  Von  dieser  Voraussetzung  haben  wir  auszugehen  und  zu 
fragen:  finden  sich  in  der  reconstruierten  Schrift  Spuren,  welche 
auf  ein  griechisches  Original  deuten?  In  zu  reichem  Masse  darf 
man  dieselben  zwar  nicht  zu  finden  hoffen;  denn  da  Tert.  das 
Griechische  selbst  so  beherrschte,  dass  er  Schriften  in  dieser 
Sprache  verfasste,   und  das  Lateinische  äusserst  gewandt  hand- 


1)  S.  104] 9  wird    der  Gedankengang    fortgeführt  durch    die    Parti- 

cipien  tanti  ducens,  donantes,  iudicantes,  10S,_5  durch  evagatus,  vivens, 
exutus,  praepositus.  1102_t  wird  das  Thun  der  Sünderin  durch  die  Part, 
lavanti,  detergenti,  inauguranti  geschildert.  112s  findet  sich  der  knappe 
Ausdruck,  der  Blutschänder  sei  dem  Satan  übergeben  als  postea  veniam 
consecuturum  igitur  et  consecutum.  1087.  ]2  werden  zwei  wichtige  Ge- 
danken durch  die  Part,  imputanda,  offerenti  eingeführt.  114 17  ist  der  Aus- 
druck paenitentia  functis  eine  auffallend  kurze  Wendung  für  die  höchst 
wichtige  Bedingung. 

2)  Das  dreimalige  et  S.  106[.2.  112a.  4  das  zweimalige  1104.5. 

3)  S.  1043.  c,  HOo,  1101G.17.    (als  Übersetzung  von  y.ai),  1128. 10. 

4)  S.  104J.  2,  108„,  10613.  u,  H4i6,  über  10810  s.  unten  S.  123. 


122  Rolffs,  Das  Indulgenz-Edict. 

habte,  so  kann  es  nur  Flüchtigkeit  seiu,  wenn  er  Gbräcismen  in 
seine  Übersetzung  aufnahm.  Solche  Flüchtigkeit  dürfen  wir  ihm 
allerdings  zutrauen;  denn  p.  243,  7  schreibt  er  als  Übersetzung 
der  griechischen  Worte:  mors  rovvavziov  (läXXov  t\ucg  ~/ßQi- 
öao&ai  xal  xagccxaZtöai,  fi/jjicog  zfj  jraQiöüortQcc  Xvxy  y.aza- 
Jto&jj  o  zowvzog:  uti  e  contrario  magis  vos  donare  et  advocare, 
ne  forte  abundantiore  tristitia  devoretur  eiusmodi.  Wer  beachtet, 
wie  genau  hier  die  lateinischen  Worte  dem  griechischen  Text  ent- 
sprechen, wird  schwerlich  mit  Oehler  „ magis"  in  „nialitis"  ändern 
oder  mit  Reifferscheid  „velitis"  hinzufügen.  Dieses  NTliche  Citat 
gehörte  nun  zu  der  Schrift  Kallists;  war  diese  griechisch,  so 
hat  Tert.  selbst  jene  Übersetzung  verbrochen;  war  sie  lateinisch, 
so  hat  er  sie  ertragen  und  ohne  Anstoss  abgeschrieben.  Das 
letztere  ist  zwar  unwahrscheinlich,  denn  eine  solche  Flüchtig- 
keit begreift  sich  leichter  im  mechanischen  Referat  als  in  einem 
Original,  das  einen  im  Ganzen  wohldurchdachten  Gedankengang 
zeigt;  aber  darauf  ist  hier  weniger  Gewicht  zu  legen.  Es  genügt, 
dass  Tert.  diese  Flüchtigkeit  der  Übersetzung  ertragen  hat;  denn 
dann  darf  man  auch  von  ihm  andere  derartige  Versehen  er- 
warten. Ich  sehe  solche  allerdings  einigermassen  deutlich  nur 
an  drei  Stellen:  1.  In  dem  Ausdruck  „deus  bonus  et  optinrns" 
ist  optimus  eine  nichtssagende  Steigerung  von  bonus;  bezeich- 
nend wird  derselbe  erst,  wenn  man  optimus  als  Übersetzung 
von  xoäriörog  auffasst;  dann  ist  mit  Qeog  6  ayaß-og  xal  xqcc- 
ztözog  der  christliche  Gott  bezeichnet  als  der  „gütige"  und  der 
„mächtigste",  also  mit  Prädikaten,  die  dem  jtaxrjQ  und  navzo- 
xqcctcöq  des  römischen  Symbols  gleichkommen. 

2.  Die  Worte:  dedita  opera  malae  tractationis  carnem  ex- 
terminando  sind  so  nicht  zu  verstehen;  nur  so  viel  ist  klar,  dass 
der  Ablativ:  dedita  opera  malae  tractationis  dem  folgenden 
carnem  exterminando  untergeordnet  ist;  dieser  letztere  drückt 
das  Mittel  des  satis  deo  facere  aus,  der  erstere  das  Mittel  des 
carnem  exterminare.  Die  Verbindung  der  beiden,  die  im  Latei- 
nischen unmöglich  ist,  ist  im  Griechischen  ohne  Anstoss:  z<p 
ysvofitwjg  Oxovö/jg  zT/g  xaxojta&elag  l)  z?}v  öaQxa  tB.OQi^tiv. 


1)  Es  ist  auch  zu  beachten,  dass  die  Wendung  dedita  opera  eigentlich 
gar  keine  Bestimmung  durch  einen  Genitiv  verträgt;  es  ist  die  mechanische 
Übersetzung  von  yero/j.tvr]q  GTtovörjg  durch  eine  Tert.  geläufige  Phrase. 


VII.    Die  Bezeugung  der  Schrift  Kallists.  123 

3.  Auch  die  Worte  .,ubi  et  culpa  sapit  et  gratia"  geben  im 
Lateinischen  keinen  Sinn;  denn  sie  müssen  zu  dem  Satz  ge- 
zogen werden:  illic  autem  paenitentiae  constat  ratio;  dann  heisst 
es  aber:  „dort  ist  Grund  zur  Busse,  wo  sowohl  die  Schuld  als 
auch  die  Gnade  Geschmack  hat";  das  ist  sinnlos.  Gesagt  soll 
werden:  „wo  die  Schuld  Geschmack  hat,  da  auch  die  Gnade". 
Die  Worte  ,,ubi  et  culpa  sapit  et  gratia"  scheinen  eine  Über- 
setzung des  griechischen:  ov  xal  curla  oCsi  xal  '/ßQiq  zu  sein. 
Tert.  hat  das  doppelte  xal,  durch  welches  im  Griechischen  „auch" 
ausgedrückt  wird,  durch  ein  „sowohl  —  als  auch"  et  —  et  wieder- 
gegeben, also  den  Satz  missverstanden.  Er  hat  hier  nicht  flüchtig 
übersetzt;  denn  er  giebt  oust  durch  das  echt  lateinische  sapit 
wieder;  aber  er  hat  die  Stelle  gedankenlos  gelesen. 

Hiermit  ist  die  griechische  Ursprache  der  reconstruierten 
Schrift  natürlich  nicht  evident  bewiesen,  sondern  es  sind  nur 
gewisse  Anhaltspunkte  für  die  Annahme  eines  griechischen 
Originals  gegeben;  diese  Annahme  wird  auch  durch  die  S.  121 
Anm.  1 — 4  angeführten  sprachlichen  Eigentümlichkeiten  eher 
begünstigt  als  widerlegt. 


VII.    Die  Bezeugung  der  Schrift  Kallists. 

Die  Massregel  Kallists  war  eine  Halbheit:  mit  Recht  wirft 
Tert.  ihm  Inconsecpienz  vor,  wenn  er  die  Unzüchtigen  wieder- 
aufnehmen und  die  Götzendiener  und  Mörder  dauernd  aus- 
schliessen  wolle.  Kaliist  hatte  einen  Kirchenbegriff  aufgestellt, 
aus  dem  weitere  Concessionen  an  die  Welt  in  der  Kirche  sich 
notwendig  ergeben  mussten.  Dreissig  Jahre  später  stand  die 
Wiederaufnahme  Abgefallener  zur  Verhandlung,  und  es  mussten 
dabei  natürlich  dieselben  Fragen  erörtert  werden,  welche  die 
Schrift  Kallists  angeregt  hatte.  Cyprian  verteidigt  ep.  LY  (Hartel 
I  625  ff.)  in  Consequenz  der  von  Kallist  aufgestellten  Grund- 
sätze die  Wiederaufnahme  der  in  der  Verfolgung  Abgefallenen 
in  die  Gemeinde.  Er  gebraucht  dabei  vielfach  ganz  dieselben 
Argumente,  wie  Kallist.  c.  15  beruft  er  sich  auf  die  Pflicht  der 
Bischöfe,  das  verwundete  Schaf  zu  pflegen,  mit  Anklang  an  Ez. 
34 2  ff.,  und   stellt    den  Herrn,   der  das   verlorene  Schaf  treulich 


124  Rolffs,  Das  Indulgenz-Edict. 

sucht,  als  Vorbild  hin.1)  Er  citiert  c.  16:  estote  rnisericordes, 
sicut  et  pater  vester  misertus  est  vestri  im  Einklang  mit  dem 
Gedanken  von  pud.  II  (init.).  Zu  dem  Ausdruck  c.  17:  si  fruc- 
tus  paenitentiae  subtrahatur  finden  sich  Analogien  in  pud.  III 
(p.  225 10).  In  c.  18  wird  ebenso  wie  pud.  II  Rom  14  4  angeführt 
desgleichen  wird  c.  22  die  pud.  XIX  behandelte  Stelle  Apoc.  220ff. 
verwendet,  und  in  demselben  Cap.  wird  Joel  213  wie  pud.  II 
citiert;  auch  das  Gleichnis  vom  verlorenen  Sohn  wird  cap.  23 
verwertet,  c.  26  nimmt  Cyprian  den  Gedanken  von  pud.  XXII 
auf,  wenn  er  ausführt,  dass  der  Verleugner  weniger  als  der 
Ehebrecher  zu  verdammen  sei;  freilich  beabsichtigt  er  damit 
das  Gegenteil  von  dem,  was  Tert.  mit  demselben  Gedanken 
will;  dieser  verlangt  auf  Grund  dessen,  dass  der  Abgefallene  aus 
der  Gemeinde  ausgeschlossen  bleibt,  auch  die  dauernde  Aus- 
schliessung des  Ehebrechers,  jener  will,  dass  wie  der  Ehebrecher 
so  auch  der  Abtrünnige  wieder  aufgenommen  werden  soll;  für  die 
Pflicht,  Ehebrecher  wieder  aufzunehmen  citiert  er  mit  pud.  XV 
2  Cor.  12-20  ff.    c-   28.  29   führen    endlich  genau    den  Gedanken 

von  pud.  III  aus:  ut  — ■ dum   fructus  paenitentiae  inter- 

cipitur  paenitentia  ipsa  tollatur  (p.  647 5  ff.) 2).  Cyprian  schliesst 
sich  dabei  nie  sklavisch  an  de  pud.  an,  sondern  er  hat  die  dort 
ausgesprochenen  Gedanken  in  sich  aufgenommen  und  selb- 
ständig verarbeitet,  er  giebt  kein  Citat  in  der  Form  und  dem 
Zusammenhang  wie  wir  es  bei  Tert.  finden.  Die  Bibelstellen, 
welche  de  pud.  II  eng  in  einander  verflochten  sind  mit  wesent- 
lichen Umformungen  des  ursprünglichen  Wortlautes,  bringt  er 
einzeln:  Luc.  636  in  c.  16,  Rom  44  in  c.  18,  Joel  213  in  c.  22, 
und  schliesst  sich  dabei  weit  mehr  an  den  biblischen  Text  an, 
indem  er  die  betr.  Stellen  viel  vollständiger  ausschreibt;  dabei 
folgt  er  auch  einer  andern  Übersetzung  als  Tert.    Dennoch  ist 

1)  et  adscribetur  nobis  in  die  iudicii  nee  ovein  sauciam  curasse  et 
propter  unam  sauciam  multas  integras  perdidisse :  et  cum  Dominus  relictis 
nonaginta  novem  sanis  unam  errantem  et  lassam  quaesierit  et  inventam 
umeris  suis  ipse  portaverit,  nos  non  tantum  non  quaeramus  lassos,  sed  et 
venienles  arceamus (p.  634). 

2)  quod  si  invenimus  a  paenitentia'  agenda  neminem  debere  prohiberi 
et  deprecantibus  atque  exorantibus  Domini  misericordiam  seeundum  quod 
ille  misericors  et  pius  est,  per  sacerdotes  eius  pacem  posse  concedi,  admit- 
tendus  est  plangentium  gemitus  et  paenitentiae  fructus  dolentibus  non 
negandus. 


VII.    Die  Bezeugung  der  Schrift  Kallists.  125 

es  zweifellos,  dass  er  Tert.s  Schrift  gekannt  und  benutzt  bat. 
Das  ergiebt  sieb,  besonders  daraas,  wie  er  c.  26  die  Gedanken 
von  de  pud.  XXII  und  c.  28.  29  die  von  pud.  III  aufnimmt  und 
ausspinnt;  obgleich  er  auch  hier  in  der  Form  von  Tert.  völlig 
unabhängig  ist,  so  zwingt  uns  doch  das  Abhängigkeitsverhält- 
nis, in  welchem  er  überall  zu  seinem  Lehrer  steht,  die  Grund- 
lagen für  die  betr.  Ausführungen  in  pud.  XXII  resp.  III  zu 
suchen. 

Es  ist  nun  die  Frage:  Hat  Cyprian  nur  die  Schrift  Tert.s 
vor  sich  gehabt  und  aus  ihr  alles  Beweismaterial  entlehnt  oder 
hat  er  daneben  auch  Kallists  Tractat  gekannt  und  benutzt?  Das 
letztere  kann  nur  bewiesen  werden,  wenn  entweder  gezeigt  wird, 
dass  Cyprian  Stücke  aus  der  Schrift  Kallists  aufweist,  die  Tert. 
uns  nicht  erhalten  hat,  oder  dass  er  den  Gedankengang  derselben 
beachtet.  Nun  weist  Cyprian  c.  25  (p.  643)  darauf  hin,  dass  es 
Anmassung  sei,  das  Unkraut  vom  Weizen  sondern  zu  wollen.1) 
Das  Gleichnis  vom  Unkraut  unter  dem  Weizen  ist  aber  auch  von 
Kailist  verwendet,  wie  wir  durch  Hippolyt  wissen,  Tert.  aber 
geht  in  seiner  Widerlegung  nicht  darauf  ein,  also  liegt  hier  der 
Schluss  nahe,  dass  Cyprian  es  von  Kailist  entlehnt  habe.  Allein 
dieser  Schluss  ist  keineswegs  sicher.  Denn  einmal  handelt  es 
sich  hier  um  ein  einzelnes  Schriftwort,  das  ebenso  gut  von 
Cyprian  direct  aus  dem  X.  T.  entnommen  sein  kann,  wie 
er  denn  überhaupt  das  ihm  von  Tert.  dargebotene  biblische 
Beweismaterial  selbstständig  vermehrt  hat.  Sodann  aber  tritt 
bei  ihm  die  Parabel  vom  Unkraut  unter  dem  Weizen  zweimal 
in  Verbindung  mit  2  Tim.  290  auf,  dem  Wort  von  den  goldenen 
und  irdenen  Gefässen,  die  in  demselben  Hause  zusammen  sein 
müssen  (ep.  LTV.  c.  3.  p.  622  L V.  c.    25.   p.  643).    Dieses   Citat 


1)  Tunc  deinde  quantus  adrogautiae  tuuior  est,  quanta  huniilitatis  et 
lenitatis  oblivio,  adrogantiae  suae  quauta  iaetatio,  ut  quis  aut  audeat  aut 
facere  posse  se  credat  quod  nee  apostolis  concessit  Dominus,  ut  zizania  a 
frumento  putet  se  posse  discernere  aut  quasi  ipsi  palam  ferre  et  aream  pur- 
gare concessuni  sit,  paleas  conetur  a  tritico  sepai-are,  cumque  apostolus 
dicat  in  domo  auteni  magna  non  solum  vasa  aurea  sunt  et  argentea,  sed 
et  lignea  et  fietilia ,  aurea  et  argentea  vasa  videatur  eligere ,  lignea  vero 
et  fietilia  contemnere  abicere  damnare',  quando  non  nisi  die  Domini  vasa 
lignea  divini  ardoris  incendio  concrementur  et  fietilia  ab  eo  cui  data  est 
ferrea  virga  frangantur. 


126  Rolffs,  Das  Indulgenz-Eclict. 

ist  aber  von  Kailist,  so  viel  wir  wissen,  nicht  verwertet;  dagegen 
ist  das  von  ihm  gebrauchte  Bild  der  Arche  für  die  Kirche  bei 
Cyprian  nicht  zu  finden.  Aus  der  Verwendung  des  Gleichnisses 
vom  Unkraut  lässt  sich  daher  für  die  Abhängigkeit  Cyprians 
von  Kaliist  nichts  beweisen.1)  —  Man  könnte  nun  den  andern 
Weg  betreten  und  zu  zeigen  versuchen,  dass  Cyprian  sich  von 
dem  Gedankenzusammenhang  in  Kallists  Schrift  habe  beein- 
flussen lassen;  aber  auch  hier  ist  das  Resultat  ein  völlig  ne- 
gatives; an  keiner  Stelle  ist  der  Zusammenhang  der  Schrift 
Kallists  auch  nur  im  geringsten  beachtet.  Daraus  folgt  aber 
mit  ziemlicher  Sicherheit,  dass  Cyprian  diese  nicht  gekannt  hat; 
denn  es  ist  nicht  zu  erklären,  wie  er  die  vorzüglich  klare, 
systematische  Entwicklung  Kallists  unberücksichtigt  lassen  konnte, 
wenn  er  sie  kannte.  Dazu  kommen  nun  noch  zwei  Argumente 
e  silentio:  1.  Man  dürfte  erwarten,  dass  Cyprian  sich  ausdrück- 
lich auf  Kaliist  berufen  hätte,  um  des  Bischofs  Cornelius  Milde 
gegen  die  Lapsi  zu  rechtfertigen,  zumal  da  er  die  Sünde  eines 
fornicator  schwerer  beurteilt  als  die  eines  libellaticus;  aber  er 
schweigt  völlig  darüber.  2.  In  dem  Satz,  wo  er  auf  den  Wider- 
spruch eingeht,  welchen  der  Grundsatz,  Ehebrecher  wieder  auf- 
zunehmen, bei  seinen  Vorgängern  erfahren  hat,  fehlt  jede  An- 
deutung, dass  dieses  Verfahren  von  Kallist,  also  von  Rom  aus, 
eingeführt  und  eingehend  biblisch  begründet  sei.2) 

Will  man  aus  diesen  Umständen  nicht  schliessen,  dass 
Cyprian  die  Schrift  Kallists  nicht  gekannt  habe,  so  ist  man 
gezwungen  anzunehmen,  dass  er  sie  absichtlich  ignoriert  hat. 
Dies  wäre  nun  höchst  auffallend;  während  er  den  Grundsatz 
Kallists  als  christlich  anerkennt,  ja  ihn  als  so  unumstösslich 
ansieht,  dass  er  von  ihm  aus  Novatian  ad  absurdum  zu  führen 


1)  Auch  selbst  wenn  wir  wüssten,  dass  Cyprian  das  Gleichnis  durch 
Kallist  bekommen  habe,  so  wäre  damit  noch  nicht  bewiesen,  dass  er  die 
Terfc.  vorliegende  Schrift  Kallists  gekannt  hat,  denn  es  ist  eben  nicht  wahr- 
scheinlich zu  machen ,  dass  das  Gleichnis  dort  angewendet  ist. 

2)  Et  quidem  apud  antecessores  nostros  quidain  de  episcopis  istic  in 
provincia  nostra  dandam  pacem  moechis  non  putaverunt  et  in  totum  paeni- 
tentiae  locum  contra  adulteria  cluserunt.  non  tarnen  a  coepiscoporum 
suorum  collegio  recesserunt  aut  catholicae  ecclesiae  unitatem  vel  duritiae 
vel  censurae  obstinatione  ruperunt,  ut  quia  apud  alias  adulteris  pax  dabatur, 
qui  non  dabat  de  ecclesia  separaretur  (c.  21  p.  63S.  039). 


VII.    Die  Bezeugung  der  Schrift  Kallists.  127 

unternimmt  (c.  26),  soll  er  die  Begründung  desselben  absichtlich 
ignorieren;  das  ist  schwer  vorzustellen,  und  es  wäre  auch  durch 
die  Annahme,  dass  darin  ein  Protest  gegen  die  Anmassungen 
Kallists  liegen  solle,  kaum  genügend  erklärt.  Wahrscheinlicher 
bleibt  es  demnach,  dass  Cyprian  Kallists  Schrift  nicht  gekannt 
hat.  Man  kann  nicht  einmal  entscheiden,  ob  er  mit  den  hi- 
storischen Verhältnissen,  durch  welche  die  Massregel  Kallists 
hervorgerufen  war,  auch  nur  einigermassen  bekannt  gewesen 
ist,  ja  ob  er  gewusst  hat,  dass  der  Grundsatz,  den  Unzüchtigen 
Verzeihung  zu  gewähren,  von  ihm  zuerst  ausgesprochen  ist. 
Es  ist  auch  gar  nicht  zu  ermitteln,  wie  weit  er  die  Schrift  de 
pud.  historisch  richtig  verstanden  hat,  besonders,  ob  ihm  Tert.s 
Ironie  in  c.  1  deutlich  geworden  ist. 

Ziemlich  genau  scheint  dagegen  Origenes,  der  als  Zeit- 
genosse den  Streit  zwischen  Hippolyt  und  Kailist  offenbar  mit 
Interesse  verfolgt  hat,  über  die  Massregeln  des  letzteren  orientiert 
zu  sein.  Er  glaubt  sogar  ihren  Zweck  hinreichend  zu  verstehen 
und  unterzieht  sie  einer  abfälligen  Beurteilung.  Am  deutlich- 
sten polemisiert  er  gegen  Kailist  de  orat.  28  (Lommatzsch  XVII 
p.  242  f):  ovx  oid*  ojicoq  havrolg  xivsg  tJtixotipavx£g  xa.  vjieq 
xi)v  IsQazixrjv  at-iav  xc'c/a  tu>jöe  axQißovvTSg  xr/v  hoaxixfjv 
ejtiöxrj(i7jv  avyovöiv,  cog  dwä^ivoi  xal  ddcololaxodag  övy- 
ycoostv  iioiyeiag  xs  xal  Jtooveiag  aydvai  cog  öiä  xtjg  sv/J/g 
avxwv  Jteol  xcov  xavxa  xsxo?.iirjy.6xmv  Ivofitvrjg  xal  xtjg  Jindg 
d-ävaxov  afiaQxlag.  Er  beurteilt  hier  sein  Vorgehen  als  ein 
Überschreiten  der  ihm  als  Bischof  zustehenden  priesterlichen 
Befugnisse,  als  eine  Anmassung,  für  welche  er  den  Grund  in 
seiner  ungenügenden  theologischen  Bildung  sieht.  Er  weiss 
auch,  dass  er  eine  Stellung  beansprucht,  in  welcher  er  im  Princip 
alle  Sünden  vergeben  kann;  lediglich  von  den  Umständen  hängt 
es  ab,  dass  er  von  dieser  Absolutionsgewalt  nur  für  Unzucht- 
sünden Gebrauch  macht.  Orig.  scheint  aber  auch  die  Absicht 
zu  kennen,  welche  Kaliist  durch  die  Vergebung  von  Unzucht- 
sünden verfolgt.  Es  ist  wohl  kaum  zweifelhaft,  dass  die  Stelle 
Comm.  in  Mt.  tom.  XVII  c.  14  (Lonmi.  IV  p.  117):  xal  ovx  av 
Xtyoig  xö  ..ovvayßtvxow  viicüv  tv  xi\  övvä/iEi  xoi  xvgiov  I/jöov" 
aotiöCtiv  xoig  ?}xol  [iixa  xov  xaxcög  ßiovv  ovväyovOiv  tjxoi 
Ovvayoidvoig  ))  jisxa.  xov  xaxcög  xal  dösßcög  (pQovslv  jisqI 
freov  rj  xov  Xqiöxov  avzov  auf  Kaliist  zu  beziehen  ist,  welcher 


128  Rolffs,  Das  Indulgenz-Edict. 

durch    seine   Milde    gegen   Unzüchtige    («£T«  tov  xaxcog  ßiovv 
und  durch  seine  vermittelnde  Glaubensformel   [lezä  tov  xaxaZq 
xal    aotßalq    (pQovelv   thqI  9-sov  xt)..   die   Gemeinde   sammelte; 
denn   eben   auf  diese  Glaubensformel  hat  er  kurz  vorher  ange- 
spielt in  den  Worten  (p.  116):  ojiolol  doiv  ol  OvyyJovTSq  jtatQog 
xal    vlov    tvvoiav   xal    xTj    vjcoozaoec    tva    öiöovTSg    dvai    tov 
jtatEQa  xal  tov  vlov  tjj   imvoia  (lovy  xal  xolq  ovofiaüi  öua- 
qovvteq  to  tv  vjioxtiftsvov.  Orig.  stimmt  also  darin  mit  Hippolyt 
überein,  dass  Kailist  seine  Indulgenz  gegen  die  Ehebrecher  im 
Interesse  der  Ausdehnung  seiner  Gemeinde  geübt  habe.    Langen 
(die  Gesch.  d.  rüin.  Kirche  bis  Leo  I.  S.  242.)  bezieht  auch  die 
Äusserung  des  Orig.  über  die  Anpassungen  und  den  Hochmut  der 
Bischöfe  grosser  Städte1)   auf  Kailist,    und    Harnack  (Dogmen- 
gesch.l2.Aufl.  S.  374  Anm.)  stimmt  ihm  darin  zu.  Ist  dies  richtig  — 
und  es  spricht  alles  dafür  — ,  so  sind  auch  die  Worte:  jtaidsvm- 
tutda   ös  xal  xodg  to    fifj   cxodtyto&ai  xo/.axelaq  firjös   fjdiaxq 
xaXüodai  vjio   tojv   dvdQcojicov,  Irp    o'iq  av   öogcofisv  ei   Tivaq 
jtsxoi/jxtvat,  EitoytTai  —  —  —  —  —  —  Iotl  Ö  ots,  yQ))  xmtcc 

t>)v  ajioOToXix)tv  (fojv/)v  Tocq  a^iaoTavovxaq  svcöjciov  jiavxcov 
slsyysiv,  tva  xal  ol  XoixoX  tpoßov  rymoiv.  toxi  Ö  ots  ösi  yoi/oa- 
fisvov  tT\  et-ovoia  jiaoaöovval  Tiva  „ro5  Gaxava  sie  olsd-gov 
Ti]q  Oagxoq  xtX."  (p.  25)  wohl  nicht  ohne  Beziehung  auf  Kailist  ge- 
schrieben; denn  sie  gehören  derselben  Erörterung  an.  Darnach 
lässt  es  Kailist  an  der  vom  Bischof  geforderten  Strenge  fehlen, 
um  von  den  Menschen  ein  „Wohlthäter"  genannt  zu  werden.2) 
Trachten  nach  Menschenruhm  ist  also  das  Motiv  seines  Ver- 
fahrens. Kaliist  will  herrschen  und  deshalb  schmeichelt  er  den 
Menschen;  das  ist  das  Bild,  welches  wir  durch  Orig.  von  ihm 
bekommen.  Diesem  Bilde  entspricht  nun  auch  die  Schilderung 
eines  Bischofs  wie  er  nicht  sein  soll,  welche  Orig.  Coram.  in 
Mt.  tom.  XI  c.  15  (Lomrn.  III  p.  109)  entwirft:   ovTcoq  ovv  xal 


1)  Cornm.  in  Mt.  tom.  XVI  c.  8  (Lomui.  IV  p.  24):  xal  toxi  ys  löüv 
iv  7io?.?.cüq  vofiiqofxivaiq  ixx?.t]olaiq  xal  fxäkioxa  xalq  xcöv  /u£i£,6i>ü>v 
7i6?.ea)i>,  xovq  7jyov/x£vovq  tov  Xaov  tov  &eov  /urjöe/xlav  lao/.oyiav  tm- 
rn:'novxaq,  sa9-'  öxs  xal  xolq  xaklioxoiq  rtijv  'Irjoov  fta&tjxojv ,  elvai 
nrjoq  avxoiq.    Nach  Vorgang  von  Döllinger,  Hipp.  u.  Kall.  S.  256. 

2)  Vgl.  dazu  Hipp.  Phil.  IX.  12:  xal  ooa  TtQoq  xovxo  övvaxbq  i\v 
Gvvdyeiv  ovxojq  rjQurjvevosv ,  ov  ol  dxQoaxal  yod-evxsq  xolq  ööyfiaai 
ötajutvovoi. 


VII.    Die  Bezeugimg  der  Schrift  Kallists.  129 

?}  öoxovoa  ayvsia  häv  öiaXoyiöfiovq  eyj]  zovg  ixl  xevodogia  1) 
tpikoxEQÖia  xcd  rj  vofti^oftsvtj  exxlrjöiaözixrj  öiöaöxaXia,  edv 
lv  Xbyca  xoXaxslaq  avsXsvd-SQia  yivrjxai  >)  xoo(päo£i 
jiXsovei-iaq  r  tyjTovvzoq  xivoq  xt)v  djto  ävfrocojtcov  ejil 
ÖiöaöxaXia  öö<iav  ovx  löxi  XsXoyiöfttvrj  ajto  xcöv  xt&tvxcov 
djto  xov  &eov  lv  t7(  sxxXfjöia  jzqcöxov  djtooxoZcov  ösvxigov 
XQO(prjXcov  xcä  xqlxov  öiöaöxaXcov.  To  ö'  ofioiov  sgsiq  xal  IjzX 
zov  OQsyo/ievov  8Jii6xo3iT]G  öiä  T))vjcaoa  avfrnc'jjioig  ö6$av 
//  x>)v  ajto  dvd-Qojjccov  xoXaxeiav  i\  xov  ajid  rcöv  jcqoöiov- 
xcov  reo  Xoyca  scoQiGfiov  öiöovrcov  jcQocpäoti  tvösßsiaq.  Auch 
diese  Worte  müssen  daher  wohl  auf  Kaliist  bezogen  werden, 
zunächst  freilich  wohl  nur  der  letzte  Satz,  in  welchem  ihm  auch 
vorgeworfen  wird,  dass  er  das  Bischofsamt  aus  Ruhmsucht  und 
Eitelkeit  erstrebt  habe.  Aber  auch  was  über  die  „sogenannte 
kirchliche  öiöaöxaXia"  gesagt  wird,  passt  auf  Kaliist,  und  da  ja 
auch  der  Bischof  öiöaxxixoq  sein  soll,  so  wird  Orig.  ihn  auch 
hierbei  im  Auge  haben.  Besonders  bezeichnend  ist  der  Satz; 
lav  lv  Zoyco  xoXaxsiaq  avsXsvd-SQia  yivtjxai;  dieser  trifft  genau 
auf  die  Massnahmen  Kallists  zu,  denn  die  Kehrseite  seiner  Milde 
und  Nachgiebigkeit  gegen  die  Unzüchtigen  ist  die  Abhängig- 
keit, in  welche  die  Gemeinde  dadurch  von  dem  sündenvergeben- 
den Bischof  gerät.  Auch  die  Worte  Ojxovvxog  xivog  xi)v  djto 
dv&ocojicov  tjtl  öiöaöxaXia  öogav  weisen  deutlich  auf  Kailist 
hin;  denn  er  hat  eben  die  öiöaöxaXia,  die  Grundsätze  der  Sitt- 
lichkeit, geändert,  um  dadurch  Ruhm  bei  den  Menschen  zu  ge- 
winnen. Unter  den  Motiven,  die  ihn  veranlassten,  sich  um  das 
Bischofsamt  zu  bemühen,  erscheint  hier  aber  neben  Eitelkeit 
und  Ruhmsucht  noch  ein  drittes:  die  Geldgier.  Orig.  wirft  ihm 
vor,  dass  er  das  Bischofsamt  um  des  Gewinnes  willen,  der  ihm 
aus  den  unter  dem  Scheine  der  Frömmigkeit  gespendeten  Gaben 
erwachse,  begehrt  habe.  Nun  ist  bekanntlich  die  Veruntreuung 
anvertrauter  Gelder  der  dunkle  Punkt  in  Kallists  Vorleben  (Hipp. 
Phil.  IX.  12);  daher  passt  auch  dieser  Zug  auf  ihn;  denn  nachdem 
er  sich  einmal  der  Unterschlagung  schuldig  gemacht,  lag  es  nahe, 
ihm  auch  als  Bischof  Geldgier  als  Motiv  seines  Handelns  zu- 
zutrauen. Wenn  Orig.  daher  Comm.  in  Joh.  tom.  X  c.  16  (Lomm. 
I  p.  31S)  fragt:  IIoxs  ös  ovx  döiv  ot  jcQOTificövzsq  xov  xyg  aöi- 
xiaq  [KuitMoväv  xcöv  x>)v  vXrjv  xov  xoöftsiöd-ai  avxolq  jiaozypv- 
xcov  jZQoßccTcov;  und  fortfahrend  behauptet:    ad  de  jioXXoi  sioi 

Texte  u.  Untersuchungen  XI,  3.  9 


130  Rolffs,  Das  Indulgenz-Edict. 

xal  ol  xov  aöoXov  xal  axegalov  EörrjgijfiEPov  ys  Jicc6?/g  jtiXQOTfj- 
xog  xal  XoX/jg  xaxacpgovovvxsg  xal  xaXauicooov  xinöovg  tvsxzv 
jiQOÖidovrtg  xi)v  rcöv  xqokixooteqcop  Xsyofievmv  jitQioxsocöv 
IjiqiiXuav ,  so  darf  man  sicher  sein,  dass  er  auch  Kailist  mit  zu 
denen  rechnet,  die  den  ungerechten  Mammon,  den  ihre  Schafe 
ihnen  einbringen,  schätzen  als  Mittel,  um  sich  zu  schmücken,  und 
die  um  elenden  Gewinnes  willen  die  Sorge  für  die  Tauben  ver- 
nachlässigen.1) Was  darunter  zu  verstehen  ist,  darf  vielleicht  aus 
einer  Stelle  im  Comm.  in  Mt.  tom.  XI  c.  9  (Lomm.  III  p.  91)  ge- 
schlossen werden,  die  man  nach  den  andern  wohl  auch  auf  Kailist 
beziehen  niuss:  dxig  ovv  xal  vvv  xo  xtjg  exxXtjöiag  tycov  yXcoOOo- 
xo/iov  Xeysi  fiev  cog  xal  'lovdag  vjisq  jcsvtjrcov,  xa  6s  ßaXXö\asva 
ßaöxaCfSi,  xt)v  fisglöa  lavxcö  xifreb]  [isxa  xov  xavxa  jtgät-avxog 
'Iovöa,  Dies  kann  zu  der  Annahme  führen,  dass  Kaliist  sich  um 
die  Organisation  der  Gemeindearmenpflege  bemüht  und  deshalb 
mehr  Wert  gelegt  hat  auf  die  Geldgeschenke  reicher  Gemeinde- 
mitglieder als  auf  ein  sittlich  einwandfreies  Leben  derselben.  Hier- 
vor  scheint  Orig.  wenige  Sätze  vorher  im  Anschluss  an  Mt.  15  4 
zu  warnen:  Ix  xov  Xöyov  xmv  Jtev//xcov  Xa^ußavuv  xiva.  jcqo&v- 
fio^g  xal  votuit,eiv  jtOQiöfiov  tivai  x?)v  stsqcov  svot'ßsiav.  Kallist 
hat  demnach  auch  vielleicht  jioo&v/jcog  d.  h.  allzu  leichtfertig 
die  frommen  Gaben  der  Reichen  angenommen,  um  sie  für  die 
Armen  zu  verwenden;  um  die  Reichen  in  der  Gemeinde  zu  er- 
halten, hat  er  ihnen  Concessionen  gemacht,  durch  welche  das 
Niveau  der  christlichen  Sittlichkeit  herabgedrückt  wurde;  dahin 
gehört  z.  B.  die  den  vornehmen  Frauen  erteilte  Erlaubnis,  in 


1)  Bei  der  Auslegung  der  Geschichte  von  der  Ternpelreinigung  im 
Comm.  in  Mt.  tom.  XVI  c.  22  deutet  er  die  Taubenverkäufer  und  Geld- 
wechsler etwas  anders,  aber  gleichfalls  nicht  ohne  Beziehung  auf  die  Ver- 
hältnisse in  der  römischen  Gemeinde:  xal  vofilga)  ccq/li6^£iv  xov  ntoi  zcüv 
tiojXovvxwv  rag  negiaxsQaq  Xoyov  xolq  naouöiöovGi  tag  ixxXi]olaq  alo%go- 
xtQÖeoi  xal  xvoavvixoiq  xal  dvsmoxtj/xooi  xal  dvsvXaßeoiv  iniaxönoiq 
(Lomm.  IV  p.  64).  In  den  untüchtigen  Bischöfen  hier  beigelegten  Prädi- 
katen kann  man  alle  einzelnen  Züge  wiederfinden,  die  auf  Kallist  passen. 
Es  liegt  nahe,  dass  er  unter  den  Taubenverkäufern  die  Bischöfe  versteht, 
welche  die  römische  Gemeinde  dem  unbrauchbaren  Kallist  übergaben, 
anstatt  seinen  Freund  Hippolyt  einzusetzen:  ol  de  xuq  TiQwxoxu&aÖQiaq 
nsmoTSv/ievoi  xov  Xaov  eniaxoitoi  xal  TiQEoßvxfQOi  xal  wonaQtl  dnoöiöö- 
fisvoi  öXuq  txxXrioiaq  oiq  ov  %Qr\  xal  xa&ioxävxeq  oiq  ov  öel  v.Qyovxuq 
ovxoi  sioiv  ol  rtojXovvxeq  xdq  TteoioxeQf'.q  (p.  65.  66). 


VII.   Die  Bezeugung  der  Schrift  Kallists.  131 

heimlicher  Ehe  mit  Sklaven  und  Freigelassenen  zu  leben  (Phil. 
IX.  12  p.  460).  Darnach  dürfte  die  Combination  kaum  zu  gewagt, 
sein,  dass  Kaliist  einerseits  eine  Ermässigung  der  sittlichen 
Forderungen  an  die  einzelnen  Gemeindemitglieder  hat  eintreten 
lassen,  andererseits  aber  auf  eine  lebhafte  und  möglichst  ausge- 
dehnte Armenpflege  bedacht  gewesen  ist,  beides  in  der  Absicht, 
seine  Gemeinde  auf  Kosten  der  concurrierenden  auszudehnen  und 
die  andern  dadurch  zu  unterdrücken.  Ob  ihm,  wie  Orig.  anzu- 
nehmen scheint,  die  Gemeindewohlthätigkeit  nur  als  Vorwand  ge- 
dient hat,  um  sich  selbst  zu  bereichern,  ist  natürlich  nicht  zu  ent- 
scheiden, darf  aber  kaum  als  sehr  wahrscheinlich  gelten;  denn  nach 
allem,  was  Hippolyt  über  ihn  berichtet,  und  was  wir  aus  den  An- 
spielungen des  Origenes  schliessen  können,  ging  Kallists  Streben 
dahin  zu  herrschen,  und  zwar  indem  er  seine  Gemeinde  zu  der 
dominierenden  zu  erheben  bemüht  war;  wie  ihm  dazu  aber  per- 
sönlicher Reichtum  als  Mittel  dienen  konnte,  ist  schwer  einzusehen. 
Orig.  weiss  also,  wie  es  scheint,  von  den  Massnahmen  Kallists 
folgendes:  1.  Er  behauptet  die  unbeschränkte  Absolutionsgewalt 
zu  besitzen  und  vergiebt  auf  Grund  derselben  die  Sünden  des 
Ehebruchs  und  der  Hurerei  (de  orat.  c.  28). 

2.  Sein  Streben  geht  dahin,  durch  Ermässigung  der  sittlichen 
Anforderungen  seine  Gemeinde  auszudehnen  (Comra.  in  Mt.  XVII 
c.  14). 

3.  Er  kommt  dadurch  den  Wünschen  der  Menge  ent- 
gegen, als  deren  Wohlthäter  er  durch  Lockerung  der  Disciplin 
gelten  möchte  (Comm.  in  Mt.  XVI  c.  8  vergl.  XI  c.  15). 

4.  Er  sucht  die  Finanzen  der  Gemeinde  möglichst  zu  heben, 
indem  er  die  wohlhabenden  Mitglieder  an  ihre  Frömmigkeit 
appellierend  zu  reichlichem  Geben  veranlasst,  und  ist  bestrebt, 
den  Mangel,  welcher  durch  die  Herabsetzung  der  Ansprüche  an 
die  Sittlichkeit  des  einzelnen  entsteht,  durch  eine  möglichst  eifrige 
Armenpflege  zu  ersetzen  (Comm.  in  Mt.  XI  c.  15.  9  in  Joh.  Xc.  16). 

Für  den  Fortgang  der  Untersuchung  ist  es  wichtig,  hier  aus- 
drücklich ein  doppeltes  festzustellen.  1.  Origenes  ist  über  das  Vor- 
gehen Kallists  in  der  Bussdisciplin  genau  unterrichtet.  2.  Er 
verurteilt  es,  weil  er  auf  einem  principiell  verschiedenen  Stand- 
punkt steht.1) 

1)  Dieser  verschiedene  Standpunkt  ist  aus  den  polemischen  An- 
spielungen   mit  genügender  Deutlichkeit    zu    erkennen,    besonders    ist    de 

9* 


132  Rolffs,  Das  Indulgenz-Eclict. 

Wenn  Orig.  Kallists  Grundsätze  in  der  Bussdisciplin  ver- 
wirft, so  kann  er  natürlich  auch  die  biblische  Begründung  der- 
selben nicht  anerkennen;  wenn  er  sie  daher  kennt,  so  ist  zu 
erwarten,  dass  er  bei  der  Auslegung  der  fraglichen  Stellen  sich 
bestimmt  gegen  den  Gebrauch  wendet,  welchen  Kaliist  davon 
macht.  Daher  hat  man  allen  Grund,  in  der  Auslegung  von 
Mt.  16 1S  eine  energische  Zurückweisung  der  von  Kaliist  auf 
Grund  dieser  Stelle  erhobenen  Ansprüche  zu  suchen.  Eine 
solche  ist  aber  Comm.  in  Mt.  XVI  c.  9 — 14  (Loinm.  III  p. 
143 — 157)  nicht  zu  finden.  Orig.  weist  hier  einfach  nach,  dass 
die  Worte  Christi  an  Petrus  für  jeden  gelten,  der  wie  er  zu 
dem  Bekenntnis  zu  Christus  als  dem  Sohn  des  lebendigen  Gottes 
durch  den  Geist  Gottes  erleuchtet  wird.  Nur  die  Worte:  Itch 
dt  ol  xov  tojcov  xrjg  sxLOxoxfjq  Exöixovvzsg  yoeJvxai  reo 
Qr/zcö  foq  IIsTQog  xal  rag  xXsidag  xT^  xnv  ovqccvcov  ßaöiZstag 
ebto  tov  2corrJQog  cclh}(f()Tiz  öiöc.oy.ovol  zt  xa  vjc  avxcöv  öeÖe- 
iitva  xovxtuxi  y.axaötÖL-/.aO[dva  xal  iv  ovoavolg  ösötößai  xai 
xa  vci  avxf'jv  aqpsöiv  EiXrjpoTa  y.cä  Iv  ovoavoiq  /.eZvo&cu.  Xe- 
xxtov,  oxi  vyimg  XtyovOiv,  ti  tyovoiv  toyov,  öi  o  doi/xai  txeivco 
xrZ  ÜETQcp  ,.ov  ei  IIetqoq"1)  können  zu  einer  genaueren  Prü- 
fung veranlassen.  Diese  wird  aber  immer  das  Resultat  ergeben, 
dass  sie  sich  nicht  gegen  den  Schluss  der  Schrift  Kallists  richten. 
Denn  1.  es  ist  nicht  von  Bischöfen  die  Rede,  welche  die  dem 
Petrus  erteilte  Vollmacht  als  Vertreter  einer  mit  ihm  im  Zu- 
sammenhang stehenden  Gemeinde  in  Anspruch  nehmen,  sondern 


orat.  2S  das  Recht  des  Bischofs,  Sünden  der  Unzucht  zu  vergeben,  scharf 
und  bestimmt  bestritten.  Auch  sein  Kirchenbegriff  ist  von  dem  Kallists 
verschieden:  voi'jouvxec  de  ewe  ey.äoxit  xcür  üuuqxlöjv,  di'  ojv  iaziv  eic  adov 
yevead-ai,  ni).rj  eoxlv  adov,  zaza/.tjvöuifra  ort  ?/  eyovoa  „onV.ov  rj  (jvxida  ?j 
xi  xwv  xoiovxwv  xal  diu  xtjv  xaxlav  (irjSs  ayia  ixrtde  u[md[ioq  xvyyüvovau 
•  '  ry>)  ovxe  nixQu  eoxlv,  b(p  ?]v  o  Xoioxbq  olxodo/ueZ,  ovxe  exxfojoia  ovxe 
exxXijalaq  (J.eooq  ijv  snl  xrjv  nlxoar  6  XQioxoq  olxodotueZ.  eav  de  xiq  nooq 
xuvxa  övGfOJteiv  >,uäq  ßovkexai,  diu  xa.  nX^&t]  xcüv  moxeveiv  vofii- 
"C,0[xevo)v  ezx/.r/  oiuox  ixöJv,  Xexteov  avxcö  ov  [xövov  xö'  ..rto'/j.ol  y.'/.ii- 
xol,  o/.iyoi  de  'ixXextoi"  dl'/.a.  xal  y.x)..  (Comm.  in  Mt.  XII  c.  12  Lomm.  III 
p.  150.)  Vielleicht  ist  diese  Ausführung  direkt  im  Gegensatz  zu  Kaliist 
gemeint,  worauf  die  letzten  Worte  zu  deuten  scheinen;  dann  -würde  diese 
Darlegung  noch  deutlicher  des  Orig.  gegensätzlichen  Standpunkt  kenn- 
zeichnen. Vergl.  übrigens  Hom.  XXI  in  Jos.  c.  1  (Harnack  a.  a.  O.J. 
1)  c.  14  s.  Lomm.  III  p.  156. 


VII.   Die  Bezeugung  der  Schrift  Kallists.  133 

ganz  allgemein  von  Trägern  des  bischöflichen  Amtes.  2.  Orig. 
weist  hier  keinen  unberechtigten  Anspruch  ab,  sondern  er  giebt 
die  Bedingungen  an,  unter  welchen  der  Anspruch  der  Bischöfe 
als  berechtigt  gelten  darf.  Freilich  kommen  dieselben  darauf 
hinaus,  dass  nicht  das  Amt,  sondern  der  persönliche  Glaube  des 
Bischofs  ihm  das  Recht  des  Petrus  giebt.  Aber  eben  deshalb 
können  sich  die  Worte  nur  auf  Bischöfe  beziehen,  welche  un- 
entschieden gelassen  haben,  worauf  sie  ihr  Recht  zur  Ausübung 
der  dem  Petrus  verliehenen  Absolutionsgewalt  gründen,  nicht 
aber  auf  Kallist,  der  dieses  Recht  ganz  bestimmt  und  ausschliess- 
lich darauf  zurückführt,  dass  er  Vertreter  einer  dem  Petrus 
verwandten  Gemeinde  ist.  Wenn  Orig.  den  Schluss  der  Tert. 
vorliegenden  Schrift  Kallists  gekannt  hätte,  so  würde  er  diesen 
Anspruch  haben  zurückweisen  müssen. 

Ebenso  muss  man  erwarten,  dass  Orig.  bei  der  Erklärung 
des  Gespräches  Jesu  mit  der  Samariterin  (Comm.  in  Joh.  tom. 
III.  Lomm.  II  p.  1  ff.)  die  Consequenzen  abgewiesen  hätte,  welche 
Kallist  aus  dieser  Begegnung  Jesu  mit  dem  ehebrecherischen 
Weibe  zieht;  wenn  er  es  nicht  thut,  obgleich  ihm  dazu  die 
Gelegenheit  nicht  fehlte  —  z.  B.  als  er  sich  darüber  ausspricht, 
wie  die  Jünger  über  die  Unterhaltung  Jesu  mit  einem  Weibe 
erstaunt  gewesen  seien  (Lomm.  II  p.  50)  — ,  so  wird  dadurch 
wahrscheinlich,  dass  er  die  Verwertung  dieser  Stelle  durch 
Kallist  nicht  kannte.  Besonders  auffallend  ist,  dass  er  an  den 
Stellen,  wo  er  auf  1  Cor.  55  resp.  2  Cor.  5  5— u  irgendwie  ein- 
geht, niemals  der  Auslegung  gedenkt,  welche  diese  Verse  durch 
Kallist  gefunden  haben.  Es  kommen  hier  besonders  in  Betracht 
die  Stellen  Comm.  in  Mt.  tom.  XVI  c.  8  (Lomm.  IV  p.  26)  und  in 
Mt.  Commentariorum  series  117  (Lomm.  V  p.  26).  In  der  ersteren 
Stelle  (s.  S.  12S)  will  Orig.  den  Bischöfen  die  Pflicht  einschärfen, 
zu  Zeiten  ein  ernstes  Gericht  zu  halten,  und  citiert  deshalb 
1  Cor.  5  5 ;  obgleich  nun  diese  Ermahnung  zur  Strenge  offenbar 
gegen  die  allzu  milde  Praxis  Kallists  gerichtet  ist,  so  wird  doch 
mit  keiner  Silbe  seine  Auslegung  dieser  Stelle  berührt,  und 
doch  niusste  seine  Deutung  des  schwierigen  Ausdrucks  „slg 
oäs&qov  ri/»  oaoy.6gii  hier  geradezu  eine  Widerlegung  fordern. 
Dasselbe  Schweigen  herrscht  an  der  anderen  Stelle;  hier  bezieht 
Orig.  wie  Kallist  2  Cor.  2  -  auf  1  Cor.  5  5  und  benutzt  die 
Worte  des  Paulus  über  den  Blutschänder  als  Beleg  dafür,  wie 


134  Rolffs,  Das  Indulgenz-Edict. 

der  Teufel  den  Menschen,  nachdem  er  seine  Sünde  erkannt  hat, 
dadurch  zu  verderben  sucht,  dass  er  ihn  in  Verzweiflung  stürzt: 
Quod  praecognoscens  apostolus  consilium  Corinthiis  dat,  ut  con- 
firment  caritatem  in  eura,  dicens  huiusmodi  causam:  „ut  ne,  in- 
quit,  abundantiori  tristitia  absorbeatur,  qui  huiusmodi  est." 
Auch  hier  lag  es  für  Orig.  nahe,  die  Deutung,  welche  Kaliist 
den  Worten  „ut  confirment  caritatem  in  eum"  gegeben  hatte, 
nämlich  auf  Wiederaufnahme  in  die  Gemeinde,  kurz  abzuweisen, 
wenn  er  sie  gekannt  hätte. 

Wir  dürfen  deshalb  wohl  mit  ziemlicher  Sicherheit  fest- 
stellen: Orig.  kennt  das  Verfahren  Kallists  in  der  Bussdisciplin 
sehr  genau,  aber  die  Schrift  zur  Rechtfertigung  dieses  Ver- 
fahrens, welche  Tert.  vorlag,  kennt  er  nicht. 

Es  bleibt  nun  noch  zu  untersuchen,  ob  Hippolyt  diese 
Schrift  gekannt  hat.  Dass  er  mit  ihrem  Inhalt  teilweise  bekannt 
ist,  beweist  noch  nicht,  dass  er  sie  wirklich  gelesen  hat.  Er 
teilt  doch  nur  die  allgemeinsten  Grundsätze  ohne  Zusammen- 
hang daraus  mit.  Sätze,  die  er  ebenso  gut  durch  Vermittlung 
Dritter  von  Kailist  gehört  haben  kann.  Wenn  dies  zugegeben 
wird,  so  lässt  sich  durch  nichts  beweisen,  dass  Hippolyt  sich  bei 
seinem  Bericht  auf  eine  Schrift  Kallists  gestützt  hat,  ja  es  lässt 
sich  ein  hoher  Grad  von  Wahrscheinlichkeit  für  die  Annahme 
gewinnen,  dass  er  eine  solche  nicht  gekannt,  wenigstens  hier 
nicht  an  sie  gedacht  hat. 

1.  Es  ist  schon  S.  64  Anm.  2  darauf  hingewiesen,  dass  die 
Argumente  Kallists  für  seine  Milderungen  im  Verfahren  gegen 
die  Ehebrecher  durch  Hippolyts  Bericht  in  eine  schiefe  Stellung 
geraten.  Wenn  auch  in  der  Reconstruction  der  von  Tert.  be- 
kämpften Schrift  manches  dunkel  und  unsicher  bleiben  muss, 
das  eine  steht  fest,  dass  sie  keine  Aussprüche  über  die  Unab- 
setzbarkeit  der  Bischöfe  und  keine  Bestimmungen  über  die 
Wiederverheiratung  der  Kleriker  enthalten  hat.  Tert.  hätte  das 
erstere  sicher  nicht  verschwiegen,  und  die  Praxis,  mehrmals  ver- 
heiratete Kleriker  zu  dulden,  ist  älter  als  die  Verfügung  Kallists 
über  die  Unzuchtsünden;  denn  Tert.  bezeugt  sie  schon  in  de 
monogamia  XII.  Alle  in  der  reconstruierten  Schrift  vorgebrachten 
Argumente  beziehen  sich  einzig  auf  die  Vergebbarkeit  der 
Unzuchtsünden  resp.  auf  das  Recht  des  Bischofs,  sie  zu  vergeben. 
Ebenso  sicher  ist  aber,  dass  nach  dem  Berichte  Hippolyts  die 


VIII.    Der  Charakter  der  reconstruierteu  Schrift.  135 

drei  Argumente,  die  er  von  Kailist  berichtet,  in  erster  Linie  für 
die  Duldung  mehrfach  verheirateter  Kleriker  angewendet  sein 
müssten,  wofür  sie  eigentlich  gar  nicht  passen.  Aber  auch 
wenn  man  annimmt,  dass  nach  der  Meinung  Hippolyts  diese 
biblischen  Argumente  zur  Rechtfertigung  aller  von  Kaliist  auf 
dem  Gebiete  der  Sittenzucht  getroffenen  Massnahmen  gelten 
sollen,  so  ist  damit  doch  immer  vorausgesetzt,  dass  Hipp,  ihren 
Zusammenhang-  in  der  reconstruierteu  Schrift  entweder  nicht 
gekannt  oder  ignoriert  hat. 

2.  Dasselbe  ergiebt  sich  aus  der  Art,  wie  er  sie  durch  „ccZZä 
xäl  —  \q>7\"  an  einander  reiht;  dadurch  wird  geradezu  ein 
Zusammenhang  unter  ihnen  in  Abrede  gestellt;  sie  treten  un- 
abhängig neben  einander.  Wollte  Hipp,  hierüber  den  Gedanken- 
gang einer  ihm  vorliegenden  Schrift  referieren,  so  müssten  wir 
eine  unglaublich  schwerfällige  Berichterstattung  annehmen,  wie 
wir  sie  ihm  nach  seinem  Referat  über  die  Glaubensregel  Kallists 
nicht  zutrauen  dürfen. 

3.  Aus  dem  Satze:  xal  oöa  jtqoq  tovto  övvaxoq  fjv  Gvva- 
ysiv,  ovxmq  tfQfitfvsvGEV,  ov  oi  axQoaral  ^ö&ivrti  rolg  öoyiiaoi 
ötccfisvovöi  y.xX.  ergiebt  sich,  dass  er  gar  nicht  an  eine  Schrift 
denkt,  sondern  die  Vorstellung  hat,  dass  Kaliist  seine  Absichten 
und  Beweise  den  „Hörern"  mündlich  vorgetragen  habe. 

Demnach  ist  dem  Schluss  schwer  auszuweichen,  dass  Hip- 
polyt  entweder  die  Schrift  Kallists  nicht  gekannt  hat,  oder  dass 
er  sie  absichtlich  ignoriert.  Der  Befund  der  Zeugen  ist  also 
folgender:  Cyprian  kennt  die  reconstruierte  Schrift  nicht  oder 
er  ignoriert  sie  absichtlich.  Origenes  ist  über  das  Verfahren 
Kallists  in  der  Bussdisciplin  genau  unterrichtet,  kennt  aber 
seine  Rechtfertigungsschrift  nicht.  Hippolyt  kennt  dieselbe 
nicht  oder  ignoriert  sie  absichtlich.  Hierdurch  ist  wichtiges 
Material  geboten  zur  Entscheidung  der  Frage  nach  dem  Charakter 
der  Schrift  Kallists. 


VIII.   Der  Charakter   der  reconstruierten  Schrift. 

Es  ist  S.  21  festgestellt,  dass  der  Erlass  Kallists  keine 
Adresse  gehabt  haben  kann.  Daraus  ergab  sich  eine  doppelte 
Möglichkeit:  entweder  war  die  Kundgebung  an   alle  Christen 


136  Rolffs,  Das  Indulgenz-Edict. 

gerichtet,  sodass  jede  bestimmte  Adresse  fehlen  musste,  oder 
sie  war  lediglich  für  die  römische  Gemeinde  bestimmt,  sodass 
eine  Adresse  fehlen  konnte,  weil  sie  selbstverständlich  war. 
Nach  dem  Ergebnis  der  Untersuchung  über  die  Bezeugung  der 
Schrift  Kallists  ist  die  erstere  Möglichkeit  ausgeschlossen.  Denn 
hatte  Kaliist  seinen  Erlass  als  ökumenisches  Edict  gedacht,  so 
musste  er  ihn  auch  an  alle  Gemeinden  oder  wenigstens  an  alle 
hervorragenden  Kirchen  schicken;  dann  ist  es  aber  unerklär- 
lich, wie  Origenes,  Hippolyt  und  Cyprian  ihn  nicht  gekannt 
haben  sollten,  und  es  ist  unmöglich,  dass  die  beiden  letzteren, 
wenn  sie  ihn  kannten,  ihn  ignoriert  hätten.  Denn  abgesehen 
davon,  dass  hierfür  sich  schwerlich  ein  genügender  Grund  aus- 
findig machen  lässt,  wäre  dieses  Ignorieren  ganz  zwecklos,  da 
die  Kundgebung  doch  allen  bekannt  sein  musste. ') 

Demnach  hat  man  Kallists  Schrift  als  eine  lediglich  für 
die  römische  Gemeinde  bestimmte  Kundgebung  aufzufassen. 
Darauf  weist  uns  auch  der  Bericht  des  Hippolyt  über  die  Wirk- 
samkeit Kallists.  Alle  Massregeln  dieses  Bischofs,  von  denen  er 
berichtet,  lassen  sich  als  Mittel  zu  dem  einen  Zweck  begreifen, 
seine  Gemeinde  auf  Kosten  der  concurrierenden  auszudehnen 
und  ihr  die  massgebende  Stellung  zu  verschaffen.  Diesem 
Zweck  dient  die  vermittelnde  Glaubensregel,  die  Amnestie  für 
die  von  den  andern  Gemeinden  ausgestossenen  Sünder,  dieDuldung 
der  Wiederverheiratung  der  Kleriker,  die  Nachsicht  gegen  vor- 
nehme Frauen,  welche  mit  ihren  Sklaven  geheime  Ehen  eingehen 
wollten.     Wenn  die  Bestimmung  über  die  Unabsetzbarkeit  der 


1)  Ich  bemerke  hier  noch,  dass  es  schwer  vorzustellen  ist,  was  der 
Satz  ego  —  dimitto  in  einem  ökumenischen  Erlass  bedeuten  soll.  Dass 
Kailist  die  aus  allen  christlichen  Gemeinden  ausgeschlossenen  Ehebrecher 
wieder  zum  Eintritt  in  ihre  Gemeinden  berechtigen  will,  ist  ein  ganz  un- 
möglicher Gedanke.  Dass  er  sein  Beispiel  allen  andern  Bischöfen  zur 
Nachahmung  empfehlen  wolle,  wird  durch  die  Zurückführung  seiner 
Absolutionsgewalt  auf  die  Nachfolge  Petri  ausgeschlossen.  Sonach  wäre 
nur  die  Annahme  übrig,  dass  er  alle  Unzüchtigen  auffordern  wollte,  sich 
nach  geleisteter  Busse  in  die  römische  Gemeinde  aufnehmen  zu  lassen; 
aber  Kallist  war  nach  dem,  was  wir  von  ihm  wissen,  viel  zu  klug,  um 
die  römische  Gemeinde  dadurch  der  Verachtung  aller  Christen  preis- 
zugeben, dass  er  sie  zum  Asyl  für  alle  Hurer  und  Ehebrecher  des  Erd- 
kreises machte. 


VIII.    Der  Charakter  der  reconstruierten  Schrift.  137 

Bischöfe1)  und  die  Wiederholung  der  Taufe    sich  nicht  ohne 


1)  Dass  Kallist  eine  Bestimmung  über  die  Unabsetzbarkeit  eines 
Bischofs  getroffen  hat,  ist  nicht  wohl  zu  bezweifeln.  Aber  fraglich  ist, 
wie  der  betr.  Satz  bei  Hipp.:  OTiwq  ei  inlo/.o^oc,  uliuqxol  xi  ei  xal  nQoq 
9-üvaxov  ßij  ötlv  y.uxaxi§eG$ui  zu  verstehen  ist.  Dabei  handelt  es  sich 
um  die  Erklärung  der  Worte:  ei  zccl  tiqoz  Q-ävuxov;  sind  sie  im  Sinne 
Kallists  oder  Hippolyts  gemeint?  Es  wäre  Kallist  sehr  wohl  zuzutrauen, 
dass  er,  wenn  che  Umstände  es  erforderten,  den  character  indelebilis  des 
Bischofs  in  voller  Consequenz  behauptet  hätte,  aber  eben  auch  nur,  wenn 
die  Umstände  es  erforderten,  d.  h.  wenn  er  seine  resp.  die  Herrschaft  seiner 
Gemeinde  dadurch  fördern  konnte.  Dass  er  lediglich  einer  dogmatischen 
Theorie  zu  Liebe  einen  Satz  aufgestellt  hätte,  der  nicht  unmittelbar  einem 
praktischen  Zwecke  diente,  ist  unter  keinen  Umständen  anzunehmen.  Der 
Satz  über  die  Unabsetzbarkeit  der  Bischöfe  muss  also  als  eine  für  einen 
ganz  bestimmten  Fall  getroffene  Entscheidung  angesehen  werden.  Dem- 
nach hat  Kallist,  wenn  die  Worte  el  y.ul  tiqoq  Qdvaxov  in  seinem  Sinne 
zu  nehmen  sind,  bezüglich  eines  Bischofs,  welcher  des  Götzendienstes  oder 
des  Mordes  —  Unzuchtsünden  gelten  für  ihn  ja  nicht  mehr  als  Todsünden 
im  eigentlichen  Sinne  —  beschuldigt  war,  erklärt,  er  dürfe  nicht  abgesetzt 
werden.  Nun  ist  es  aber  schwer  zu  verstehen,  wie  ein  Bischof  in  jener 
Zeit,  wo  die  Christen  Ruhe  vor  Verfolgungen  hatten  (s.  Nöldechen  T.  u.  U. 
V.  2.  S.  150),  sich  der  Verleugnung  oder  des  Götzendienstes  schuldig  gemacht 
haben  soll;  noch  schwerer  aber  ist  es  zu  begreifen,  wie  ein  des  Mordes  verdäch- 
tiger Bischof  von  den  römischen  Behörden  unbehelligt  geblieben  sein  kann; 
seine  Verhaftung  würde  aber  den  Streit,  ob  er  abzusetzen  sei  oder  nicht,  gegen- 
standslos gemacht  haben.  Also  ist  es  wahrscheinlicher,  dass  die  Worte  el  y.ul 
TiQoq  0-ävaxov  im  Sinne  Hippolyts  aufzufassen  sind,  und  es  handelt  sich  hier  um 
die  dritte  Todsünde,  die  er  kennt,  um  Unzucht.  Er  wird  demnach  hier  einen 
Fall  im  Auge  haben,  wo  Kallist  in  Consequenz  seiner  Behandlung  der  Un- 
zuchtsünden einen  der  Hurerei  beschuldigten  Bischof  für  unabsetzbar  er- 
klärte, natürlich  um  ihn  für  seine  Partei  zu  gewinnen.  Der  Satz  von  der  Un- 
absetzbarkeit des  Bischofs  enthält  also  in  erster  Linie  nicht  ein  Urteil  über 
die  am  bischöflichen  Amt  haftenden  Qualitäten,  sondern  ein  Urteil  über 
das  Gewicht  bestimmter  Sünden.  Hätte  Kallist  die  schlechthinige  Unab- 
setzbarkeit eines  Bischofs  behauptet,  so  wäre  nicht  zu  verstehen,  weshalb 
Hipp,  von  einem  Kleriker  (d.  h.  Bischof,  Presbyter  oder  Diakon),  der  sich 
zum  zweiten  oder  dritten  Mal  verheiratet,  erzählt:  ßheiv  xbv  xoiovxov 
iv  xtö  ykrjQco  <bq  fxrj  7}/j.uQxtjy.6x a.  Das  kann  doch  nur  heissen:  die 
Wiederverheiratung  wird  von  Kallist  nicht  als  eine  Sünde  beurteilt, 
welche  den  Verlust  kirchlicher  Ehrenämter  nach  sich  zieht.  Diese  Be- 
merkung wäre  aber  höchst  überflüssig,  wenn  im  Satze  vorher  berichtet  wäre, 
dass  ein  Bischof  überhaupt  wegen  keiner  Sünde  abgesetzt  werden  könne. 
Dass  Kallist  übrigens  geringere  Ansprüche  an  die  active  Heiligkeit  eines 
Bischofs  stellt  als  Hippolyt,  soll  bereitwillig  zugestanden  werden,  doch  ist 
die  Differenz  nur  eine  graduelle,  keine  principielle. 


13S  Roltfs,  Das   Indulgenz-Edict. 

weiteres  diesem  Zweck  unterzuordnen  scheinen,  so  ist  zu  er- 
wägen, dass  gerade  in  diesen  beiden  Punkten  der  Bericht 
Hippolyts  an  Unklarheit  leidet.  Jedenfalls  hat  aber  die  Ver- 
fügung über  die  Wiederaufnahme  der  Unzüchtigen  in  hervor- 
ragendem Masse  das  numerische  Übergewicht  seiner  Gemeinde 
verstärkt.  Das  schimmert  nicht  nur  in  den  Anspielungen  des 
Origenes  durch,  sondern  wird  auch  von  Hipp,  ausdrücklich  be- 
richtet. l)  Demnach  hatte  Kailist  vollständig  seinen  Zweck  er- 
reicht, wenn  er  seinen  neuen  Grundsatz  in  seiner  eigenen  Ge- 
meinde, ohne  Anstoss  zu  erregen,  durchsetzte;  dies  scheint  er 
durch  Verbreitung  der  reconstruierten  Schrift  versucht  zu  haben. 
Nach  den  Worten  Tert.s  de  pud.  1:  sed  hoc  in  ecclesia  legitur 
et  in  ecclesia  pronuntiatur,  et  virgo  est.  absit,  absit  a  sponsa 
Christi  tale  praeconium!  wäre  dieselbe  in  der  Gemeinde  verlesen; 
es  ist  demnach  eine  Ansprache  des  Bischofs,  die  er  behufs 
weiterer  Verbreitung  in  der  Gemeinde  schriftlich  fixiert  hat; 
wir  dürfen  sie  uns  vielleicht  als  eine  Art  Flugblatt  denken. 
Es  ist  also  nicht  gesagt,  dass  Kailist  seine  Neuerung  durch 
diese  eine  Kundgebung  durchzusetzen  gehofft  hat,  vielmehr  ist 
anzunehmen,  dass  er  seine  Grundsätze  wiederholt  in  Predigten 
entwickelt  und  begründet  hat. 

Da  dieselben  nun  aber  eine  Umbildung  des  Kirchenbegriffs 
bedeuteten  und  die  christliche  Sittlichkeit  auf  eine  niedrigere 
Stufe  herabdrückten,  so  musste  ihm  viel  darauf  ankommen,  sie 
auch  in  andern  Gemeinden  anerkannt  zu  sehen.  Deshalb  hat 
er  vielleicht  seine  Flugschrift  der  höchst  bedeutenden  und  mit 
Rom  in  engen  Beziehungen  stehenden  Gemeinde  zu  Karthago  zu- 
kommen lassen  und  dadurch  Tert.  zu  der  wütenden  Polemik 
gereizt,  in  welcher  er  am  Abend  seines  Lebens  die  ungebrochene 
Kraft  seines  Feuergeistes  und  —  die  Unhaltbarkeit  seiner  durch 
den  unaufhaltsamen  Fortschritt  der  Geschichte  veralteten  An- 
schauungen offenbarte. 

1)  Ov  xä>  oq(ü  aQeonofxevoi  7io)./.ol  owslörjöiv  nenkrjyöxeq 
afxa  xe  xal  vrcb  7io?.?.wv  cuQtoecov  änoßltj&evxfq,  xivhq  6h  xal  hii  xaxa- 
yvojoti    txfi/.Tjtoi    xT]q   ixx/.Tjaiaq    vtp1    q/xcöv   yevöftevoi    nQooyojyy'jOavxtq 

avxoiq  in/.rj&vvuv  xo  diöuaxa/.HOv  avxov  (p.  458j ov  ol  dxooaxal 

Tjofhtvxsq  xolq  ööy/uaai  diafttvovoi  hymal'^ovxtq  kuvxoiq  xe  xal  nol.Xolq 
wv  xyj  ötöaaxa/.slu)  ovppiovo i  öyj.oi.  dib  xal  n.).rj9vvovxai,  yavQuo- 
(xevoL  inl  öy/.oiq  diu  xaq  tjdovuq  aq  ov  Gvveyo>Qr}oe v  6  Xoiaxöq  (p.  400). 


Berichtigungen  und  Nachträge. 


S.  26. 

S.  27. 

S.  53. 

S.  62. 

S.  75. 

S.  77. 

S.  82. 

S.  89. 

S.  91. 

S.  104. 


Z   6  v.  o.  lies  250  statt  205. 

Zu  Anm.  1.  vergl   Past.  Herrn.  Mand.  IV.  1,  4.  5. 

Zu  Aum.  1.  vergl.  de  pud.  14:  ut  extra  ecclesiaiu  detur 

erat  in  praesidentis  officio  (p.  248.  19—21). 

Z.  16.  v.  u.  lies  a  statt  I. 


alii  statt  ali. 
pericula  statt  periculo. 
ab  apostolo  statt  ob  ap. 
Apocalypsi  statt  Apokalypsi. 
Apoc.  220  statt  Apok.  22o- 


Z.  20.  v.  o. 
Z.  28.  v.  o. 
Z.  19.  v.  o. 
Z.  1.  v.  o. 
Z  21.  v.  o 
Z.  18.  ist  der  Gedankenstrich  zu  tilgen. 


Druck  von  August  Pries  in  Leipzig. 


Verlag  der  J.  C.  HINRICHS'schen  Buchhandlung  in  Leipzig. 

Texte  und  Untersuchungen  zur  Geschichte  der 

Altchristlichen  Literatur 

herausgegeben  von  Oscar  Ton  Gefoliardt  und  Adolf  Harnack. 

Band  I— IV  auf  Seite  II  des  Umschlags. 

V,  1.  Der  pseudocyprianische  Tractat  de  aleatoribus,  die  älteste  lateinische  christ- 
liche Schrift,  ein  Werk  des  römischen  Bischofs  Victor  I.  (saec.  IL),  von 
Adolf  Harnack.    V,  135  S.    1888.  M.  4.50 

V,  2.    Die  Abfassungszeit  der  Schriften  Tertullians  von  Ernst  Noeldechen. 

Neue  Fragmente  des  Papias,  Hegesippus  u.  Pierius  in  bisher  unbekannten 
Excerpten  aus  der  Kirchengeschichte  des  Philippus  Sidetes  von  C.  de  Boor. 
184  S.    1888.  M.  6  — 

V,  3.  Das  Hebräerevangelium,  ein  Beitrag  zur  Geschichte  und  Kritik  des  hebräischen 
Matthäus  von  Rud.  Handmann.    III.  142  S.    1888.  M.  4.50 

V,  4.  Agrapha.  Aussercanonische  Evangelienfragmente,  gesammelt  u.  untersucht 
von  Alfred  Resch.  —  Anhang:  Das  Evangelienfragment  von  Fajjum  von 
Adolf  Harnack.    XII,  520  S.    1889.  M.  17  — 

VI,  1.  Die  Textüberlieferung  der  Bücher  des  Origenes  gegen  Celsus  in  den  Hand- 
schriften dieses  Werkes  und  der  Philokalia.  Prolegomena  zu  einer 
kritischen  Ausgabe  von  Paul  Kötschau.  VII,  157  S.  u.  1  Tafel.  1889.  M.  5.50 
VI,  2.  Der  Paulinismus  des  Irenaeus.  Eine  kirchen-  und  dogmengeschichtliche  Unter- 
suchung über  das  Verhältnis  des  Irenaeus  zu  der  Paulinischen  Briefsammlung 
und  Theologie  von  Johs.  Werner.   V,  218  S.    1889.  M.  7  — 

VI,  3.    Die  gnostischen  Quellen  Hippolyts  in  seiner  Hauptschrift  gegen  die  Häretiker 
von    Hans  Staehelin. 
Sieben  neue  Bruchstücke  der  Syllogismen  des  Apelles.  —  Die  Gwynn'schen 
Caius-  und  Hippolytus-Fragmente.    Zwei  Abhandlungen  von  Adolf  Harnack. 
HI,  133  S.     1890.  M.  4.50 

VI,  4.    Die  ältesten  Quellen  des  orientalischen  Kirchenrechts.    1.  Buch: 

Die  Canones  Hippolyti  von  Hans  Achelis.    VHI,  295  S.    1891.  M.  9.50 

VII,  1.  Die  Johannes-Apokalypse.  Textkritische  Untersuchungen  u.  Textherstellung 
von  Bernh.  Weiss.    VI,  225  S.    1891.  M.  7  — 

VII,  2.    Ueber das gnostische Buch Pistis-Sophia.— Brod u. Wasser:  die eucharistischen 
Elemente  bei  Justin.  2üntersuchgn  von  Adolf  Harnack.  IV,  144  S.  1890.  M.  4  50 
VII,  3/4.  Apollinarios  von  Laodicea.    Sein  Leben  u.  seine  Schriften.    Nebst  e.  An- 
hang: Apollinarii  Laodiceni  quae  supersunt  dogmatica.   Von  lohs.  Dräseke. 
XIV,  494  S.     1892.  Mi  16  — 

VIII,  1/2.  Gnostische  Schriften  in  koptischer  Sprache  aus  dem  Codex  Brucianus  heraus- 
gegeben, übersetzt  u.  bearbeitet,  von  Carl  Schmidt.  XH,  692  S.  1893.    M.  22  — 
VHI,  3.    Die  katholischen  Briefe.    Textkritische  Untersuchungen  und  Textherstellung 
von  Bernh.  Weiss.    VI,  230  S.    1892.  M.  7.50 

VIU,  4.  Die  griechische  Übersetzung  des  Apologeticus  Tertullians.  —  Medicinisehes 
aus  der  ältesten  Kirchengeschichte.  —  Zwei  Abhandlungen  von  Adolf 
Harnack.    IH,  152  S.    1892.  _        M.  5  — 

IX,  l.    Untersuchungen  über   die  Edessenische  Chronik.    Mit  dem  syrischen  Text 

und  einer  Übersetzung  herausgegeben  von  Ludwig  Hallier.    VI,  170  S. 
Die  Apologie  des  Aristides.    Aus  dem  Syrischen  übersetzt  und  mit  Beiträgen 

zur  Textvergleichung  und  Anmerkungen  herausgegeben  von  Richard  Raabe. 

IV,  97  S.  1892.  M.  8.50 

IX,  2.    Bruchstücke  des  Evangeliums  und  der  Apokalypse  des  Petrus    von  Adolf 

Harnack.    Zweite  verbesserte  u.  erweiterte  Aufl.  VIII  u.  98  S.  1893.  M.  2  — 
IX,  3/4.  Die  Apostelgeschichte.    Textkritische  Untersuchungen  und  Textherstellung 

von  Bernh.  Weiss.    313  S.    1893.  M.  10  — 

X,  Aussercanonische   Paralleltexte  zu  den  Evangelien  gesammelt  u.  untersucht 

von  Alfred  Resch. 
l.  Textkritische  u  quellenkritische  Grundlegungen.  VII,  160S.  1893.  M.5  — 
XI,  l.    Das  Kerygma  Petri.    Kritisch  untersucht  von  Ernst  von  Dobschütz.  VI  u.  162  S. 

1893.  M.  5  — 

XI,  2.    Acta  SS.  Nerei  et  Aehillei.    Text  u.  Untersuchung  von  Hans  Achelis.    70  S. 

1893.  &.  3  — 

XI,  3.    Das  Indulgenz-Edict  des  römischen  Bischofs  Kaliist  kritisch  untersucht  und 

reconstruiert  von  Ernst  Rolffs.    VIII,  139  S.    1893.  M.  4.50 


TEXTE  UND  UNTERSUCHUNGEN 

ZUR  GESCHICHTE  DER 

ALTCHRISTLICHEN  LITERATUR 

HERAUSGEGEBEN  VON 

OSCAR  von  &EBHAEDT  und  ADOLF  HAMACK 
XI.  BAND    HEFT  3 

DAS 

INDULGEjSTZ-EDICT 

DES 

KÖMISCHEN  BISCHOFS  KALLIST 
KRITISCH  UNTERSUCHT  UXD  RECONSTRUIERT 

TON* 

Lic.  THEOL.  ERNST  ROLFFS 

MITGLIED    DES    PEEDIGERSEMIXARS    AUF    DER   ERICHSBtXRG 
(PROV.   HANNOVER) 


LEIPZIG 

J.  C.  HINRICHS'SCHE  BUCHHANDLUNG 
1893 


TEXTKRITISCHE  STUDIEN 


ZUM 


NEUEN  TESTAMENT 


VON 


WILHELM   BOUSSET 

PRIYATDOCEXT  IX  GÖTTINGEN 


W™ 


LEIPZIG 

J.  C.  HINRICHS-SCHE  BUCHHANDLUNG 

1S94 

Diesem  Hefte  liegt  Titel  und  Inhalt  zu  Bd.  XI  der  T.  &  U.  bei. 


Verlag  der  J.  C.  HINRICHS'schen  Buchhandlung  in  Leipzig. 

Texte  und  Untersuchungen  zur  Geschichte  der 

Alfchristlichen  Literatur 

herausgegeben  von  Oscar  Ton  Gerhardt  und  Adolf  Harnack. 

I— Öl.  IV  1/3.  V— IX.  X  1.  XI  XII  1.    M.  247  - 

I,  1/2.  Die  Überlieferung  der  griechischen  Apologeten  des  zweiten  Jahrhunderts  in 
der  alten  Kirche  und  im  Mittelalter,  von  Adolf  Harnack.    VIII,  300  S.  1882. 

M.  9  — 

I,  3.     Die  Altercatio  Simonis  Iudaei  et  Theophili  Christiani  nebst  Untersuchungen 

über  die  antijüdische  Polemik  in  der  alten  Kirche,  von  Adolf  Harnack. 

Die  Acta  Archelai  und  das-  Diatessaron  Tatians,  von  Adolf  Harnack. 

Zur  handschriftlichen  Überlieferung   der  griechischen   Apologeten.    I.    Der 

Arethascodex,  Paris.  Gr.  451,  von  Oscar  v.  Gebhardt.  III,  196  S.  1883.  M.  6 — 

I,  4.    Die  Evangelien  des  Matthäus   und  des  Marcus  aus    dem  Codex  purpureus 
Rossanensis,  herausgegeben  von  Oscar  v.  Gebhardt. 
Der  angebliche  Evangeliencommentar  des  Theophilus  von  Antiochien,  von 
Adolf  Harnack.    LIV,  176  S.    1883.  M.  7.50 

II,  1/2.  Lehre   der  zwölf  Apostel,    nebst  Untersuchungen  zur  ältesten  Geschichte 

der  Kirchenverfassung  und  des  Kirchenrechts  von  Adolf  Harnack.    Nebst. 

einem  Anhang:  Ein  übersehenes  Fragment  der  /l^axn  in  alter  lateinischer 

Übersetzung.    Mitgetheilt  von  Oscar  v.  Gebhardt.  70  u.  294  S.  1884.  M.  10  — 

(II,  1/2.  einzeln  nur  in  anastatischem  Druck  (1893)  käuflich.) 

II,  3.  Die  Offenbarung  Johannis,  eine  jüdische  Apokalypse  in  christlicher  Be- 
arbeitung, von  Eberh.  Vischer.   Mit  Nachwort  von  Adolf  Harnack.  137  S.  1886. 

M.  5  — 

II,  4.  Des  heil.  Eustathius,  Erzbischofs  von  Antiochien,  Beurtheilung  des  Origenes 
betr.  die  Auffassung  der  Wahrsagerin  1.  Könige  [Sam.]  28  und  die  dies- 
bezügliche Homilie  des  Origenes,  aus  der  Münchener  Hds.  331  ergänzt 
und  verbessert,  mit  kritischen  und  exegetischen  Anmerkungen  von  Alb. 
Jahn.    XXVII,  75  S.    1886.  (Einzelpreis  M.  4.50) ;  M.  3.50 

II,  5.  Die  Quellen  der  sogenannten  apostolischen  Kirchenordnung,  nebst  einer 
Untersuchung  über  den  Ursprung  des  Lectorats  und  der  anderen  niederen 
Weihen,  von  Adolf  Harnack.    106  S.    1886.  M.  4  — 

III,  1/2.  Leontius  v.  Byzanz  und  die  gleichnamigen  Schriftsteller  der  griechischen 
Kirche  von  Friedr.  Loofs.  l.  Buch:  Das  Leben  und  die  polem.  Werke  des 
Leontius  v.  Byzanz.    VIII,  317  S.    1887.  M.  10  — 

III,  3/4.  Aphrahat's  des  persischen  Weisen  Homilien,  aus  dem  Syrischen  übersetzt 

und  erläutert  von  Georg  Bert. 
Die  Akten  des  Karpus,  des  Papylus  und  der  Agathonike.    Eine  Urkunde  aus 
der  Zeit  Marc  Aureis,  von  Adolf  Harnack.    LH,  466  S.    1888.  M.  16  — 

IV.  Die  griechischen  Apologeten. 

1.  Tatiani  oratio  ad  Graecos.    Recens.  Ed.  Schwartz.   X,  105  S.    1888.       M.  2.40 

2.  Athenagorae  libellus  pro  Christianis.    Oratio  de  resurrectione  cadaverum. 

Recens.  Ed.  Schwartz.    XXX,  143  S.    1891.  M.  3.60 

3.  Die  Apologie  des  Aristides.    Recension  und  Reconstruction  des  Textes  von 

Lic.  Edgar  Hennecke.    XX,  64  S.    1893.  M.  3  — 

Partiepreis  M.  2  — 

4.  Theophili  libri  tres  ad  Autolycum.   Recens.  Ed.  Schwartz.  \  jnVorbe- 

5.  Iustini  martyris   apologia  et  dialogus  cum  Tryphone  Iudaeo.  }  Tenüno- 

Recens.  0.  de  Gebhardt  et  A.  Harnack. 

Diese  Ausgaben  der  Griechischen  Apologeten  sind  nur  mit  kurzem 
sprachlichen  Commentar  und  Registern  versehen  und  sollen  zum  Gebrauch 
bei  Vorlesungen  oder  in  Seminaren  dienen,  weshalb  auch  deren  Preise 
möglichst  niedrig  gestellt  wurden. 

Fortsetzung  auf  Seite  III  des  Umschlags. 


TEXTKRITISCHE  STUDIEN 


ZUM 


NEUEN  TESTAMENT 


Vi  >N 


WILHELM   BOUSSET 


PKIVATDOCEXT   IN   GOTTIXGEN 


y^rJf?\-. 


c^ 


VT^^i 


LEIPZIG 

J.  C.  HINRICHS'SCHE  BUCHHANDLUNG 

1S94 


VORREDE. 

Die  Anordnung  der  textkritischen  Studien  verdankt  ihre  Ent- 
stehung einem  Zufall.  Die  erste  Studie  wurde  geschrieben  um 
meinen  Kommentar  zur  Apokalypse,  den  ich  für  das  Meyersche 
Kommentarwerk  zu  schreiben  unternommen  habe,  von  textkriti- 
schem Stoff  zu  entlasten.  Bei  dieser  Arbeit  regte  sich  mir  wieder 
die  Freude  am  textkritischen  Arbeiten,  so  dass  ich  teilweise  voll- 
endete Untersuchungen,  die  längere  Zeit  gelegen  hatten,  wiederauf- 
nahm und  zum  Abschluss  brachte.  Ein  Ganzes  zu  geben,  war  nicht 
beabsichtigt;  wenn  schliesslich  der  Kundige  urteilen  würde,  dass 
doch  so  etwas  wie  ein  Ganzes  herausgekommen  ist,  so  würde 
ich  mich  freuen.  Es  stehen  allerdings  die  einzelnen  Unter- 
suchungen in  engem  Zusammenhang  mit  einander,  aber  auf  der 
andern  Seite  bin  ich  mir  sehr  bewusst,  dass  wir  noch  ganz  in  den 
Anfängen  der  textkritischen  Wissenschaft  stehen.  Wenn  ich 
diesen  und  jenen  durch  meine  Studien  anregen  würde,  in  der 
einen  oder  andern  Richtung  weiterzuarbeiten,  so  würde  meine 
Mühe  belohnt  sein.  Denn  mühevoll  ist  die  textkritische  Arbeit 
und  nur  ein  Sandkörnchen  ist  es,  was  sie  als  Beisteuer  zur  Er- 
kenntnis der  Wahrheit  einträgt.  Doch  ist  auch  die  Textkritik 
eine  Arbeit,  die  gethan  werden  muss. 

Göttingen,  im  Januar  1894. 

Wilhelm  Bousset. 


INHALT. 

Seite 

I.  Zur  Textkritik  der  Apokalypse 1 

II.  Der  Kodex  Pamphili 45 

III.  Die  Recension  des  Hesychius 74 

IV.  Die  Gruppe  K77(M)  in  den  Evangelien 111 

V.  Zur  Textkritik  der  Apostelgeschichte 13G 


VERZEICHNIS 

UNGEBRÄUCHLICHER  ABKÜRZUNGEN. 

g  =  altlateinische  Version  aus  dem  Gigas  librorum,  p  =  koptische 
Version,  u  =  sahidische  Version,  a  =  die  von  Cureton  edierte  altsyrische 
Version,  e  =  Peschita,  p  =  charklensieh-philoxenianische  Version,  hr.  = 
evangeliarurn  hierosolyrnitanum ,  Tich.  =  Tichonius,  Pr.  =  Primasius, 
Th.  =  Theodoret,  Ti.  =  Tischendorf,  Octava  major,  Treg.  =  Tregelles, 
Alf.  =  Aford,  "W-H  =  Westcott-Hort,  §  =  Hesychrecension,  K  =  Andreas- 
klasse in  der  Apokalypse.  Die  übrigen  Zeichen  finden  aus  Tischendorfs 
Apparat  oder  aus  dem  Zusammenhang  ihre  Erklärung. 


I.   Zur  Textkritik  der  Apokalypse. 

In  seineu  textkritischen  Untersuchungen  zur  Apokalypse  l) 
unterscheidet  B.  Weiss  einen  jüngeren  (emendierten)  Text  und 
einen  älteren.  Jenem  gehören  wesentlich  —  wenn  auch  nicht 
mit  allen  ihren  Eigentümlichkeiten  —  die  Majuskeln  P  und  Q 2), 
diesem  die  älteren  tfAC,  obwohl  auch  von  diesen  wenigstens  X 
Spuren  des  emendierten  Textes  zeigt,  P  und  Q  haben  also  zur 
Grundlage  einen  älteren  emendierten  Text,  der  sich  jedoch  bei 
Q  getreuer  als  bei  P  erhalten  hat,  oder  in  jenen  vollständiger 
als  in  diesen  aufgenommen  ist. 

Nun  muss  aber  gegen  diese  Ergebnisse  sofort  der  That- 
bestand  einnehmen,  dass  nach  der  Zählung  von  Weiss  P  130, 
Q  350  Sonderlesarten  hat,  während  P  und  Q  nur  etwa  in 
50  Fällen  gegen  sA(C)  übereinstimmen.  Die  gemeinsamen 
Varianten  behandelt  W.  auf  S.  3 — 7,  die  jeder  Handschr.  beson- 
dern auf  S.  7 — 40!  Demgegenüber  weist  W.  zwar  darauf  hin, 
dass  in  P,  Q  Emendationen  der  gleichen  Art  vorkämen,  die  nur 
auf  eine  gemeinsame  Grundlage  führen  könnten,  aber  es  Hesse 
sich  doch  erwidern,  dass  wenn  einmal  emendiert  wurde,  auch 
verschiedene  Emendatoren  nach  ähulichen  Grundsätzen  verfahren 
konnten3).  Wollte  man  auch  annehmen,  dass  fast  alle  jene  50 
gemeinsamen  Lesarten  von  PQ  aus  einem  beiden  zu  Grunde  liegen- 
den emendierten  Text  stammen,  so  ist  damit  noch  lange  nicht 
bewiesen,  dass  nun  auch  die  grössere  Masse  der  Eigentümlich- 
keiten, die  P  und  Q  besonders  haben,  aus  jener  Quelle  stammen. 
Doch  wird  sich   auch  über   jene   50  Varianten  das  Urteil  noch 


1)  Texte  und  Untersuchungen  VII,  1. 

2)  mit  Tregelles  Weiss  ist  dieses  Sigel  für  cod.  Vaticanus  2066  ein- 
zuführen, während  Tischendorf  das  missverständliche  B  gebraucht. 

3)  W.  redet  zwar  auch  von  den  Emendatoren,   aber  er  nimmt  doch 
einen  bestimmten  emendierten  Text  an. 

Texte  u.  Untersuchungen  XI,  4  1 


2  Bousset,  Studien  zum  Neuen  Testament. 

anders  stellen.  Zunächst  aber  führt  uns  die  von  W.  selbst  (42.) 
gemachte  Beobachtung  weiter,  dass  in  P  und  Q  an  mehreren 
Stellen  von  einander  verschiedeneEmendationen  vorliegen, 
die  also  ganz  unmöglich  auf  dieselbe  Quelle  führen  können.  Von 
diesen  Stellen  soll  die  Untersuchung  ausgehen.  Aber  sie  darf 
sich  m.  E.  nicht  auf  die  beiden  Majuskeln  beschränken,  sondern 
muss  die  Minuskeln,  so  weit  sie  erreichbar  sind,  in  ihren 
Bereich  hineinziehen.  Das  handschriftliche  Material  habe  ich  den 
Ausgaben  von  Tischendorf,  Tregelles  und  Alford,  The  Greek  Te- 
stament IV2  4.  ed.  Cambr.  1884,  entlehnt;  wo  sich  Differenzen 
und  Unklarheiten  herausstellten,  bin  ich  auf  die  Kollationen  und 
Ausgaben  von  Birch,  Alter,  Griesbach,  Matthaei,  Scholz,  Scrivener1) 
zurückgegangen.  Die  grosse  Masse  der  Minuskeln  notiere  ich 
mit  Tischendorf  durch  al.  und  eine  ihre  ungefähre  Zahl  an- 
gebende Ziffer.  Die  Minuskeln,  auf  Grund  deren  die  erste  Aus- 
gabe des  Andreaskommentars  von  Fr.  Sylburg 2)  gearbeitet  ist, 
und  über  die  wir  teilweise  nur  durch  jene  Ausgabe  unterrichtet 
sind,  notiere  ich  wie  Ti.  mit  a  b  p,  den  von  Ti.  verglichenen  Cois- 
linianus  mit  c3).  —  Pr  bedeutet  die  im  Kommentar  des  Prima- 
sius  erhaltene  alte  Italaübersetzung  nach  Hausleiter4),  g  die  alt- 
lateinische Übersetzung  aus  dem  Gigas  librorum  nach  Belsheim."') 
Für  diese  und  die  folgenden  Abhandlungen  bemerke  ich,  dass 
ich  für  die  Übersetzungen  folgende  Sigel  gebrauche:  für  den 
kuretonschen    Syrer  o,    für    die    Peschita   0,    für    die    koptische 


1)  A.  Birch,  Variae  lectiones.  Hauniae.  1800.  F.  C.  Alter,  Nov.  Test. 
ad  cod.  Vindobonensem.  T.  IL  178(5.  Matthaei,  Nov.  Test.  Tomi  XII.  1782— 
1788.  Griesbach,  Nov. Test.  Vol.  IL  Halae  1806.  Scholz,  Nov.  Test.  Vol.  II. 
Lips.  1836.    Scrivener,  Codex  Augiensis.  Cantabr.  et  Lond.  1859. 

2)  Heidelberg  1596,  cf.  F.  Delitzsch,  Handschriftliche  Funde  II,  2.  Heft. 
29.    (Leipzig  1861—62.) 

3)  Delitzsch,  H,  40.  —  Nach  Delitzsch,  II,  29.  31.  38.  40  und  den  be- 
treffenden Angaben  in  Gregorys  Prolegomena  (s.  dort  die  betreffenden 
Minuskeln  :cur  Apokalypse)  ist  a  Monacensis  Graec.  544  =  80 ;  b  Monacensis 
Graecus  23  =  81;  c  Coislinianus  224  =  121;  p  Vaticanus  Palatinus  346  = 
161.  (Der  letztere  nur  Vermutung  von  Delitzsch,  andre  und  teilweise  sicht- 
lich falsche  Angaben  bei  Alford  274.) 

4)  Forschungen  zur  Geschichte  des  neutestamentlichen  Kanons  IV. 

5)  Die  Apostelgeschichte  und  Offenbarung  Johannis  in  einer  altlatei- 
nischen Übersetzung  aus  dem  Gigas  libronmi  herausgegeben  von  J.  Bels- 
heim.   Christiania  1879. 


I.    Zur  Textkritik  der  Apokalypse.  3 

Übersetzung   p,   für    die   sahidische  Ö1),    für  die  Vulgata  bleibe 
ich  bei  vg  (cl  die  Klementinische  Ausgabe). 

In  der  folgenden  Übersicht  ist  zunächst  die  Lesart  der  älteren 
Kodices,    dann  die  Abweichung  von  P,    endlich  die  von  Q  an- 
gegeben : 
1  6    ßaoiltiav  lEQStg  tfAC  al 50. 

ßaoiZstg  xat  isQSig  P  1.  28.  36.  79.  a  b  p  Tert. 
ßctöiXuav  xat  isq.  Xc  9.  SO.2)  99.  Pr.  Vict.  g  vgcod. 
ßaoiluov  leQCtTEVfia  13.  14.  23.  27.  55.  92. 

ßaOÜ.iLOV    18Q&.Q    Q.3) 

220    {xrpt  yvvaixa)  .  .  r\  Xeyovoa  sAC. 

Z7jv  Xsyovaav  Pxc  1.  36.  3S-4)  b. 

//    Xeyei  Q  al45  a  c  p. 

3l8    tyyiQiGai  NAC  7.  16.  18.  28.  (36.  45  iva  eyyQioat)  a. 

eyXQiöov  P  1.  10.  17.  49.  79.  91.  96.  b  p. 

Lva  syyQiOtj  Q  al'35  c  (nur  ty/giot]  lesen  37.  38.  42). 
4  7    zo  jiqoöcojiov  coq  avd-Qomov  A  11.  13.  36.  Pr.  vg.5) 

coq  avd-Qconoq  P  1.  7.  10.  16.  17.  28.  37.  38.  39.  48. 

49.  79.  91.  92.  96.  a  b. 

avfrrjco~rov  Q  al3u  c  p. 

4n    Tjöav  xat  sxTi6&)j6av  X  al40  vg  g  p  0. c) 

hol     do P  1.  7.  10.  13.  17.  34.  35.  37.  39.  47.  49.  79. 

87.  91.  96.  a  b  c  (p?). 

ovx  f/oav Q  14.  38.  51. 

9U    tyovoiv  SA  6.  33.  35.  36.  46.7)  91. 

xai  r/ovoiv  P  1.  28.  34.  79?  87.  a  b  c. 
(xcu  tiyov  p  Pr.  g  vg.) 

tyovoca  Q  al35. 
913f.  <pcovt]v  .  .  .  Xtyovra  SA. 


1)  Die  Sigel  teilweise  nach  Lagarde. 

2)  80  und  a  (s.  o.)  die  doch  -wahrscheinlich  identisch,  differieren  hier, 
wahrscheinlich  liegen  hier  falsche  Angaben  vor. 

3)  5io  lesen  nur  sA  vg  ~  Pr  (CP  fehlen)   ßaoikettcv  xcu  legetq,    alle 
übrigen  ßaoilziq  xai  ieQeiq. 

4)  nach  Ti.  noch  alii. 

5)  s  wq  Ofiowv  avS-QWTiov;  g  siniile  homini. 

6)  Pr  —  rjoav  xcu;    A  —  xat  exTia9r,0(xv. 

7)  46  wie  es  scheint,  nach  Birch. 

1* 


4  Bousset,  Studien  zum  Neuen  Testament. 

Xsyovöav  P  1.  6.  7.  10.  13.  17.  26.  28.  34.  35.  36.  37. 

38.  49.  79.  87.  91.  96.  ab?  c?1) 
{(pmvrjq  Xeyovörjg  tfc  p.) 
....  ?>eyovxog  Q  al 30. 
12  6    TQt(pov6iv  tfC  36.  b. 

TQeycooiv  AP  1.  14.  28.  29.  34.  49.  51.  79.  87.  90.  a  b  c  p. 
txxoegxnöiv  Q  al25  (die  Angaben  sind  nach  Ti.  und  Treg. 
gemacht,  nach  denen  Alf.  zu  berichtigen  war). 
18  6    dixXcooaxe  (xa)  öutXa  NAC  95.  vg  Tich.  g. 

duiXcooaxe  avxt/  (xa)  öutXa  P  1.  7.  (10.)  (17.)  28.  31.  36.  37. 
[38.]  47.  49.  87.  91.  96.  a  b  c  p  p  D  Pr.2) 
öijtXojoaxe  xa  öutXa  cog  xai  avx)j  xai  Q  al25. 
18, 6    Jievfrovvxeg  Xeyovxeg  NAC  al20pAOg. 

xai  Xeyovxeg  P  7.  10.  28.  33.  34.  35.  36.  (37.)  47.  48. 

49.  79?  87.  91.  95.  96.  a  c  p3)  Pr.  vg. 
(—  xai  Xeyovxeg"   1.  12.  16.  39.  b.)4) 
Xeyovotv  ( —  xai)  Q  26. 

20  9    ex  xov  ovoavov  A  12.  18.  79.  a  Pr.  Tich. 

-f-  cvto  xov  &eov  Q  al25  c  p  p  "0  Vict.  g. 

\-  ajto  xov  &eov"  ....  Sc5)  P  7.  95.  vg  0  (ex  xov  &.  ajio 

x.  ovo.  1.  17.  19.  b). 
Ich  füge  noch  folgende  Stellen  bei: 
17  3    yetuovxa  ovofiaxa  xAP. 

yefiov  ovofiaxrov  1.  6.  10.  28.  31.  34.  35.  36.  37.  48.  49.  51. 

79.  87.  91.  96.  a  b  c  p  Hipp. 
ye/iov  ovotuaxa  Nc  Q  al25. 
LS,,    ov  (ir)  evQrjaovöiv  XACP  34.  35.  36.  87.  90.  c  vg  o. 

or  iüi  BVQrjGEig  1.  10.  37.  49.  91.  (Treg.)  96.  b.  (evQrjötjg  17. 

26.  27.) 
ov  tu//  ei'Q>/g  Q  al30  a  p. 

21  ,,    cpiaXag  xcov  ysfioptcov  tfAP  12.  79.  b. 


1)  Nach  den  Angaben  Sylburgs  hat  a,  wahrscheinlich  auch  b,  ).eyovaav, 
Ti.  Alf.  haben  die  Angaben  über  Andreas  ausgelassen. 

2)  Die  Angaben  nach  den  Originalkollationen,  Q  nach  Ti.  Alf.  gegen 
Treg.,  38  liest  statt  avxrj:  etwa. 

3)  Nach  den  Angaben  von  Birch,  Matthaei,  Alter,  Scrivener,  Tregelles. 

4)  cf.  Ti. 

5)  s  deest. 


I.   Zur  Textkritik  der  Apokalypse.  5 

rag  ysfiovöaq  1.  7.  34.  37.  40.  41.  42.  47.  37.  91.  a.1) 
ys^tovoag  Q  al 2o  c  p. 

Deutlich  und  klar  geht  aus  dieser  Zusammenstellung  das 
hervor,  was  bewiesen  werden  soll.  In  allen  Stellen  —  zweifel- 
haft ist  nur  318  —  ist  in  den  an  zweiter  und  dritter  Stelle  stehen- 
den Varianten  die  an  erster  Stelle  stehende  schwerere  Lesart  kor- 
rigiert, tiberall  haben  wir  doppelte  Korrekturen,  und  fast  überall 
verteilen  sich  die  Hndschrn.  so,  dass  die  grosse  Mehrzahl  der  Minus- 
keln auf  Seiten  von  Q  steht  —  nur  116.  4U.  1816  ist  Q  nur  von 
wenigen  Min.  begleitet  —  dass  dagegen  P  ebenfalls  eine  ganz  be- 
stimmte Klasse  von  Minuskeln  zur  Seite  tritt,  bald  mit  geringerer 
bald  mit  grösserer  Vollständigkeit.  Dieselbe  Klasse  tritt  in  den 
drei  an  letzter  Stelle  aufgeführten  Varianten  allein  auf,  während 
P  hier  mit  den  älteren  Kodices  geht.  Es  ist  also  die  Wahr- 
scheinlichkeit gross,  dass  in  P  und  Q  zwei  Textre'cen- 
sionen  vorliegen,  deren  jede  erst  gesondert  untersucht 
werden  muss,  ehe  man  sie  auf  ihre  gemeinsame  Grundlage 
hin  prüfen  kann.  Die  Klasse  Q  al.  ist  nun  schon  von  B.  Weiss 
in  ausreichender  Weise  untersucht,  nur  hätte  in  der  Untersuchung 
schärfer  unterschieden  werden  müssen  zwischen  Eigentümlich- 
keiten, die  Q  allein  hat  und  solchen,  die  er  mit  der  ganzen  Klasse 
teilt.  Auch  hat  Q  al.  wohl  öfter,  als  W.  das  zugiebt,  das  richtige 
bewahrt. 

Hier  soll  die  Untersuchung  über  diejenige  Familie 
vonHndschr.,  zu  der  P  gehört,  noch  einmal  in  umfassender 
Weise  unternommen  werden.  Als  mehr  oder  .  minder  zu  dieser 
Klasse  gehörend  können  die  Min.  1.  7.  10.  12.  17.  28.  (34.)  35. 
36.  37.  (38.)  (41.)  (42.)  47.  (48.)  49.  (51.)  79.  87.  91.  (95.)  96.  ab 
c  p  bezeichnet  werden.  D.  h.  die  Begleiter  P's  sind  in  den  aller- 
meisten Fällen  Hndschr.  mit  dem  Kommentar  des  Andreas.  Ge- 
länge es  uns,  den  Archetypus  dieser  Hndschrn.  herzustellen,  so 
würden  wir  den  Text  erreichen,  der  dem  Bischof  Andreas  von 
Caesarea,  der  im  5.  Jahrh.'2)  schrieb,  bei  Abfassung  seines  Kom- 


1)  sc  Xiov  ytfiovowv;   35.  rag  v/ovoaq. 

2)  Über  die  Zeit  des  Andreas  siehe  Rettig,  Studien  u.  Krit.  1837. 
Lücke,  Versuch  einer  vollständigen  Einleitung  S.  525  Amn.  1.  —  Die  Zeit 
des  Andreas  ist  daraus  zu  bestimmen,  dass  Andreas  keine  Daten,  Personen 
(Auktoritäten)  nennt,  die  später  als  in  die  zweite  Hälfte  des  5.  Jahrh.  fallen 
und  besonders  daraus,  dass  er  fol.  9444  Gog  und  Magog  auf  die  Hunnen  deutet. 


6  Bousset.  Studien  zum  Neuen  Testament. 

mentars  vorgelegen.  Dieser  Text  aber  wäre  ein  höchst  wichtiges 
Dokument  zur  Textkritik  der  Offenbarung.  Denn  dass  er  etwa 
erst  von  Andreas  für  seinen  Kommentar  J)  recensiert  sei,  darauf 
führt  uns  nicht  die  geringste  Spur.  Wir  werden  weiter  ver- 
muten dürfen,  dass  wenn  ein  Bischof  von  Cäsarea  einen  Kom- 
mentar zu  schreiben  unternimmt,  er  nicht  irgend  eine  beliebige 
Hndschr.  dazu  wählte,  sondern  einen  anerkannt  guten  Text.  Der 
Archetypus  unsrer  Klasse  ist  also  nicht  irgend  eine  beliebige 
Hndschr.  des  5.  Jahrhunderts,  sondern  er  tritt  durch  jene  Über- 
legung sofort  in  ein  andres  Licht,  er  ist  ein  Dokument  von  hohem 
geschichtlichen  Wert  für  die  Textgeschichte  der  Offenbarung. 

Die  Rekonstruktion  dieses  Archetypus  muss  wegen  der 
Massenhaftigkeit  des  Materials  möglich  sein.  Bei  dieser  Unter- 
suchung ist  P  natürlich  gar  nicht  für  sich  allein,  sondern  nur 
als  wertvoller  Zeuge  für  jene  Klasse,  vielleicht  gar  nicht  einmal 
als  der  wertvollste  zu  betrachten.  Untersuchung  und  Urteil  über 
P  ist  völlig  zurückzustellen,  ehe  jene  erste  Untersuchung  nicht 
geleistet  ist.  Ich  stelle  hier  zum  Beweis,  wie  berechtigt  diese 
Forderung  ist,  einige  Stellen  zusammen,  aus  denen  die  sekundäre 
Bedeutung  von  P  zur  Genüge  hervorgeht: 
214    1)  og  söiöaöxtv  xco  Balax  AC  7.  11.  95. 

2) tv  reo  Balax  1.  18.  92 2. 

3) xov  Balax  tfc  (X  deest)  omnes  a  b  c. 

4)  .  .   ev    xco   Balaatu    xov    Balax   P  p   und    comm.   a  c  p. 

(12:   o  Balaafi  xov  Balax.) 

Ersichtlich  ist  Variante  2  ans  Var.  1  entstanden  durch  Ver- 
doppelung des  ev  in  tdiÖaoxev.  Wahrscheinlich  aber  ist  dann 
Var.  4  eine  Kombination  von  Var.  2  4-  3  (welche  letztere  gram- 
matische Korrektur  aus  1).  Fraglich  ist  es,  ob  Andreas  schon 
diesen  verderbten  Text  (Var.  4)  gelesen.  In  p  steht  allerdings 
im  Kommentar  dio  xal  xov  Baladfj  ifivr^tovevösv  g)^Oag  og 
ediöaöxev  tv  xco  Balaccfi  xov  Balax'  ö/jlol  de  öia.  xovxcov 
xov  votjxov  Balaäfi  xov  öiaßolov  Iv  xco  aiuthi/xcö  xov  Balax 


1)  Dagegen  stimmt  der  Text,  der  dem  Arethaskommentar  zu  Grunde 
gelegen,  mit  der  Familie  Q  überein.  Von  letzterem  ist  wegen  der  unzu- 
verlässigen Angaben  über  denselben  ganz  abgesehen.  Der  Versuch  die 
Hndschrn.  nach  ihrer  Verwandtschaft  zum  Andreas-  und  Arethaskommentar 
zu  ordnen,  liegt  schon  bei  Delitzsch  „handschriftliche  Funde"  vor.  Doch 
ist  er  seither  noch  niemals,  soweit  ich  sehe,  konsequent  durchgeführt. 


I.   Zur  Textkritik  der  Apokalypse.  7 

diöa^ac  xo  xazd  xcöv  'Ioqcojäitcöv  oxävöakov.  Diese  Deutung 
setzt  jene  Lesart  voraus,  sie  findet  sich  auch  in  a  (nach  Sylburg) 
wahrscheinlich  auch  in  c  (Ti.),  jedoch  nicht  in  b  (siehe  die  la- 
teinische Übersetzung  des  Peltanus).  Die  geringe  Verbreitung 
der  Lesart  macht  es  wahrscheinlich,  dass  sie  Andreas  nicht  vor- 
gelegen und  jene  Stelle  des  Kommentars  eine  Glosse  ist.  Jeden- 
falls ist  P  entweder  von  einem  dem  Andreaskommentar  zu  Grunde 
liegenden  Text  oder  gar  von  einer  Hndschr.  des  Andreaskom- 
mentars abhängig. 
1-   ev  reo  jTagaöeioco  sACQ  Rel.  vg.  o  Pr.  C}Tpr. 

sv  fieoco  rov  jiaoadeioov  1.  10.  16.  17.  28.  34.  35.  36.  37.  49. 

79.  91.  96.  a  b  cp  p.  >) 
sv  fieoco  reo  jtczQaöeioco  Xcc  P. 

Hier  erscheint  bei  P  eine  aus  beiden  Varianten  gemischte 
Lesart.  Denn  der  Zeugen  für  Var.  2  sind  so  viele,  dass  man 
nicht  annehmen  kann,  dass  P  nur  die  halbe  Verbesserung  (Ein- 
schiebung  des  fieoco)  und  die  übrige  Familie  dann  die  konse- 
quente Veränderung  repräsentiere. 
215   ofioicog  sämmtliche  Hndschrn. 

o  fiioco  1.  92ms  rjv  fiioco  a. 

ofioicog  o  fiioco  P  12.  37.  b  p    (?jv  fiioco)  vgcod. 

Wieder  hat  P  eine  gemischte  und  diesmal  sinnlose  Lesart. 
Die  ältere  Grundlage  der  von  der  Hauptmasse  der  Hndschrn. 
abweichenden  Eigentümlichkeiten  P's  ist  sicher  bei  1.  92m£  a  zu 
suchen. 

Hinter  1S3   schalten  P  38  den  Vers  18, 7   ein;  schon  Ti.  hat 
gesehen,  dass  P  hier  durch  den  Kommentar  des  Andreas  beein- 
flusst  ist. 
194  liest  P  das  sinnlose  ejti  tcov  &qovcov. 

Die  Lesart  ist  entstanden  aus  Verschmelzung  von  exi  xov 
&qovov  xACQal24  und  em  tov  d-govov  der  Lesart  der  meisten 
Andreashndschrn. 

218   o  &avccTog  o  öevTeoog  sämmtliche  Hndschr. 
(o)  ösvTSQog  fravaTog  1.  17.  49.  a  b  p. 
ftavccTog  P. 

Auch  hier  wird  sich  der  Ausfall  des  öevzeoog  in  P  durch 
die  Annahme   erklären   lassen,   dass   der  Abschreiber  durch-  die 


1)  cf.  g  in  paradysi. 


8  Bousset,  Studien  zum  Neuen  Testament. 

verschiedene  Stellung  des  ösvteqoc  in  Variante  1  und  2  veran- 
lasst wurde  dasselbe  fortzulassen.  P  ist  also  eine  Hndschr.,  die 
den  von  uns  gesuchten  Text  nicht  rein  enthält.  Nicht  unwahr- 
scheinlich ist  mir,  dass  derselbe  in  P  erst  in  eine  ältere  Grund- 
lage hineinkorrigiert  und  zwar  in  ziemlich  umfangreichem  Mass 
hineinkorrigiert  ist. 

Es  soll  jetzt  zunächst  eine  Zusammenstellung  der  Sonder- 
lesarten der  zu  untersuchenden  Textklasse  gegeben  werden,  da- 
mit desto  sicherer  eine  genaue  Bestimmung  der  zugehörigen 
Hndschr.  und  eine  möglichst  ins  einzelne  gehende  Klassificierung 
erreicht  werde.  Zunächst  folgen  die  Stellen,  an  denen  P  mit 
unsrer  Klasse  zusammensteht. 

1  4  a  +  sanv  ')  P  1.  12  (36  sigiv)  b  10.  37.  49.  91.  96.  28.  7. 
16?  p     8.33.38.95.  Pr.  Flor. 2)  g. 

1  5  ayajccovn}  ayccxi/Oavti  P  1.  12. 3)  36.  b.  10.  37.  91.  96.  28. 
79.  a     92.  99.  p  (34.  35.  87.  c  og  r/yajz7/6tv  g  qui  dilexit). 

1  9   +  sv  tr/'  ßaoiXsia  P     1.  12.  (36.)4)  b     7.  16.     49.  p. 

ln  XsyovöJjg  4-  syco  situ  xo  a).(pa  xai  xo  <o  o  Jigcoxog  xai 
o  soyaxog  xai  P    1.  12.  36.     7.  16.  69.  92.     49.  a  p  38.5) 

120  at  Ivyviai  ai  sjtxa  +  ag  siösg  P  1.  12.  36.  b  10.17.37.49. 
91.  96.     28.  79.  a    p6). 

2  3  co eßaötaöag  xai  vjiofiov/jv  tytig  P    1.  12?  b    7.  16.    10.  17. 

49.91.96?     28.  79.  a     38.  p  7). 
2  5   +  sx"  ji£jtrcox(ag)  P    1.  12.  b     7.  16.  39.     10.  17.  37.  49.  91. 

90.     28.  79.  a    p    45.  46.  vg.  g  Vict. 
2,:}  £V  xaig  rmsgaig  -f-  sv"  aig*)  Nc  P    1.12.  36.  b     7.16.45.    10. 

17.  37.  49.  91.  96.     28.  79.  a    p    34.  87.  c     g  (in  quibus). 

1)  Ich  ordne  die  Hndschr.  um  Wiederholungen  zu  vermeiden  gleich 
gruppenweise.  Die  Zusammenstellung  selbst  wird  das  Recht  der  Ordnung 
ergeben.  An  letzter  Stelle  folgen  diejenigen  Kodices,  die  nicht  eigentlich 
zur  Textfamilie  gehören  (sA  47.  79.  99.  a  haben  eine  andre  Korrektur). 

2)  Flor.  Italafragmente  bei  Hausleiter. 

3)  12:  xov  aycmrjoavToq. 

4)  36  nur  +  sv.    Die  Angaben  über  12  nach  Birch. 

5)  P  7.  16.  lesen  syoj  cckcpa  y.UL  xo  at  UQfüxoq,  xai  o  eoyaxoq  xai, 
7.  16.  38.  69.  92.  lassen  das  letzte  xai  fort,  16.  38.  lassen  das  o  vor  eoyaxoc  aus. 

6)  Dazu  14.  92.    8.  41.  93.  p. 

7)  P  7.  (Treg.)  16.  dazu  45.  46.  88,  haben  £ßaaxaoaq-[- f.i£ ,  1.  92mrg  a 
fßanxiGaq,  33.  34.  35  nur  eßccoxaoaq,  37  nur  vnofj.ovriv  tyeiq. 

8)  Ich  nehme  an,  dass  sv  xaiq  ?j/xeQaic  aiq  nicht  sv  xcuq  rjfxspcuq 
die  richtige  Leart  ist.    (s  liest  rifxsQaiq  sv  xatq.) 


I.   Zur  Textkritik  der  Apokalypse.  9 

217  ömöco  avzco  +  <payeiv  ano  P     1.  12  ')  36.  b     7. 16.     10.  17. 

37.  49.  91.  96.     28.  79  a    p. 2) 
4  2   +  xai"  sv&BCOQ  P     1.  36.  b     7.  16.     10.  17.  18.  37.     47.  49. 

"91.96.     28.  79.  a     34.35.    87.  c    p    38.51. 
4U  o  xvqioc  xai  &eog]  xvqis  o&eoqP    36.  b    7.16.39.    28.  79.  a 

47.  38.  Pr.  vg.  g. 
513  o+  eöxiv  P    1.  36.  b     10.  17.  37.  49. 3)  96.     28.  79.  a    34.  35. 

87.  c     41.  47.  p  Pr.  vg. 

&a?.a60rjg  +  a  eötiv  PQ 4)     1.  (36.)5)  b     10. 17.  37.  49.  91.  96. 

(34).  35.  87.  c    p    g  vg.  Fulg. 
6106)  exQai-av]  exga&v  P     1.  36.  b  •  28.  79.  a    p  31.  38.  g  vg. 
6,2  ösXrjv?/  —  oXrj  P     1.  b.     10.  17.  37.  49.  91.  96.    a    35.  87.  c 

"  40.  Pr. 
613  oo  iieycdov  avsfiov  P     1.  36.  b     17.  37.  49.  91.  96.    28.  a    p 

39.  40.  41. 
6U  eXioöofisvog]  si P     1.36.b    28. 7)  79.  a    (18.27.33.47. 

49 2.  51.  95.  al). 
615  xai    +  jiag"  ü.ev&sQoq  Pxc     1.  b     10.17.37.49.91.96.     28. 

a    p    38.  p. 
1  x   tovto]  Tavxa?*)     1.36.b     28.79.a    47.  p  (33.  92.  95.  al2). 

Pr.  g  vg.  d. 
716  diqrjGovGiv  —  frtP9)    1.  36.  b    34.  35.  87.  c   a 38. 40.  p  g  Fulg. 
8  5  ~  ycovai  xai  ßgovrai  P     1.  36.     10.  17.  37.  49.  91.  96.     28. 

a10)    p    IS.  19. 
812  <pavrj]  yaivi]  P11)    1.  (36.)  b     10.  17.  37.  49.  91.  96.     28.  79. 

a    p    g  (dies  non  luceat). 


1)  nach  Birch  e  sil. 

2)  ebenso  5  g;   13.  14  +  xov  cpaysiv;   34.  (Alter)  35.  87.  c:  -j-  qxxysiv, 
n  91 :  +  s /..     g  rnanducare. 

3)  nicht  91  mit  Treg.  Ti.  gegen  Alf. 

4)  Q  ist  hier  so  offenbar  abhängig  von  unsrer  Hndschrn.-Klasse,  dass 
ich  auch  diese  Stelle  mit: hierher  setze. 

5)  36  liest  y.ai  a  eaxiv  { —  xai  zu)   ev  avroig,   ebenso   g  et  quae  in 
illis  sunt. 

6)  Vielleicht  gehört  hierher  noch  6i.    <pü>vtj)  (pojvrjq  P  1.  b  18.  p  Ü.  31. 

7)  nach  Scriv.  elkiaaofi. 

8)  Mit  Ti.  Treg.  gegen  Alf..  3(3  nach  Alter  e  silentio. 

9)  Mit  Ti.  gegen  Alf.,  Treg.  ? 

10)  wahrscheinlich  auch  79.    Ti  giebt  hier  keine  genauen  Angaben. 

11)  P  (pevjj  hat  allerdings  wahrscheinlich  (pcuvt]  gelesen,   Ti.  Alf.  geg. 


10  Bousset,  Studien  zum  Neuen  Testament. 

813  asrov]  ayyeXov  P   1.36. b  7.16.  17.47.  28.79a  p  34.35. Vict. 
9l8  -f-  £x"  xov  xcuivov  CP     1.  b     17.  a     6.  31.  g  vg.  C 

+  sx"  xov  fteiov  P     1.  b     17.  79  a     6.  31.  g. 
10  ,   —  ?j"  iqlc  Ptfcl)     1.  36.     35.  a  p     7.  32.  33.  38.  41.  98.  (iqiv 
28.  79.  SO  a  2  b). 

10  9  öovvai]  öog  P  1.  36.2)  b     10.  17.  37.  49.  91.  96.    28.  79.  a    p 

33.  34.  38.  40.  51.  p. 

10t ,  Aeyovöiv)  Uyei  P  1.  36.  b     7.*)  10. 17.  37. 47.  49.  91. 96.    28. 
79.  a     c    p     6.  18.  31.  38.  51.  95  Pr.  fu.  gp  C. 

11  9  xo  mcofia]  xa  jtxcotuaxa  P     1.  36.  b     10.  17.  37.  49.  91.  96. 

28.  79.  a     34.  35.  p     18.  33.  38.  51.  95.  C  vg.  g  (Pr.  deest).4) 
14]   —  xo"aoviorP    1.36.b    7.5)28  a   37.49.91.96.  32.34.35c  p. 

14  2  xcu  }/  (fcovi)  7]v  rjxovoa]  xcu  (powr/v  ijxovoa  P     1.  b     28.  79. 

a    p     91.     g  (et  audivi  vocem). 

15  8  xcov  —  sjixa"  ayysXcov  P6)     1.  12.  b     10.  17.  18.  49.  91.  96. 

28.  79.  a    p    38.  g. 

16  !   xac  —  tJtxa"  cfiaXag  P     1.  b     10.17.37.49.91.96.     28.  79.  a 

34.  35. '')  g  fialas  Septem. 

162 — 17t  fehlt  P. 
18  2  —  xcu  (pvXaxij  jcavxog  oqvsov  axafraoxov"  P     1.  12.  36.  b 
79.  a    p     31.  38.  48.  Hipp. 8). 


Treg.,  1.  von  Ti.  nicht  angegeben,  auch  nicht  von  Treg.,  nur  von  Alf.,  28.  mit 
Ti.  Scriv.  gegen  Alf. 

1)  sc?  mit  Alf.  gegen  Ti.  Treg.  —  Zu  bemerken  ist  hier  wieder  die 
Differenz  zwischen  80  und  a2. 

2)  mit  Ti.  (Alter  e  sil.)  gegen  Alf. 

3)  Ti.  Treg.  gegen  Alf. 

4)  Dazu  vergl.  lls  xo  nxwfJLu]  zu  mwfiaza  sP.    1.  36.  b    10.  17.  18. 

37.  49.  91.  96.  p  28.  79.  a  34.  35.  87.  c  38.  g  vg.  b  Vict.  Pr.  Deutlich  tritt 
in  118  und  119  wieder   gegenüber  s  die  Konsequenz  unsrer  Klasse  hervor. 

5)  Alf.  gegen  Ti.,  der  auch  wahrscheinlich  den  Kodex  79  ausgelassen. 

6)  Alf.  giebt  nachlässiger  Weise  nur  P  1.  an.    Ti.  hat  das  Richtige. 

7)  Dazu  vergleiche  113  xcov  —  mxa"  f.v/viwv  AC  P  1. 12.  b  28.  a  100.  p 

38.  45.  p  T3  Ir.  Pr ;  6i  tcov  —  snxa"  a<pQayid(ov  P?  (mit  Alf.  gegen  Ti.)  1.  36.  b; 
28.  79.  6.  31.  33;  5C  —  f  nxa  A  1.  12.  b  (K?)  am.  fu.  Es  scheint  also  eine 
gewisse  Absicht  in  der  Auslassung  selbstverständlicher  Zahlen  gerade  in 
unsrer  Klasse  vorzuliegen. 

8)  Nach  Ti.,  während  Alf.  nur  P  1.  48.  angiebt,  (36.  nach  Alter  mit  P.J 
7.  14.  31.  92.  lassen  auch  das  folgende  y.ut  fxefJLiarj/xivov  aus.  Im  Kommentar 
des  Andreas  ist  übrigens  dann  von  der  Wüste  als  der  Wohnung  der  Geister 
und  der  Q^rjQiu  die  Rede,   von   &r/oiu   ist  im  Text  bei  der  Lesart  von  P  al 


I.   Zur  Textkritik  der  Apokalypse. 


11 


18 


ji£jiTor/.av\ 


jcejtoxav 

38 

jzsxcoxav 

47. 

P  c 

JCBJtOXtV      P      1.    b 

48.  49. 

a. 

xbjccoxbv 

10.  17. 

96. 

jitjtorixev       36. 

18.  37. 

79. 

(Dazu  noch  31.  32.  39.  50.  90.  93.  97.  98.  Hipp,  g  vg.  Tich. 

0  (Pr  ». 
18  3  oo  £X  tov  d-vpov  tov  oivov  P     1.  36.  b     10.  17.  37.  47.  49. 

91.96.     79.  a     35.1)  87.  p    g  p:1) 
18  9  xZavoovoir  +  avxrjv  P     1.  (36.)  (b)     17.  79.  a  p     35.  (18.) 
1817  tojcov]  tcov  jtXoicov*)  (P)     12.  36.  b     (10.)  17.  37.  49.  (91.) 

96.     (79.)  p     34.  c    4.  6.  (31.)  32.  (34.)  38.  (48.) 
1820  sjt'avrrj]  ex  avTi)vY     1.36.b     79.a     17. 35.87.  p    6.51.90. 
1919  —  tov"  xoX£tuov  P     1.  36.  b     10.  17.  37.  49.  91.  96.     79?  a 

35.  87.  c  p     6.  38.  40.  42.  95.4) 

1921— 209  fehlt  P. 
21  t  cuiißd-ov]  .  .  sv  P5)  47.  31.  35.  87.  98.  al:i  vg. 

jtaorjXd-Ev  l.b     7.16.     10.17.37.49.91.96.    p    79.  a    39.51. 

g  abiit. 
21  2  <^>  ajco   rov  &tov  tx  tov  ovgavov  P     1.  b     10.  17.  37.  49. 

91.  96.     79.  a    vg? 

21  5  c^  alri&ivoi  xai  jclötol  P     l.b     10.17.37.49.91.96.    79.  a 

34.  cp     31.32. 

22  5  cxa  xQsiav  ovx  tyovoi  P     l.b     10. 17.  37.  47.  49.  91.  96.    79.  a 

34.  35.  c  p     4.  31.  32.  48.  p. 

22,  —  Ende  fehlt  P6). 

nichts  gesagt,  möglich  dass  eben  Andreas  doch  noch  den  ausgelassenen 
Satz  in  seinem  Text  las.  Doch  sind  wiederum  die  oqviu  doch  nicht  ohne 
weiteres  den  erwähnten  d-r^la  gleich. 

1)  35:  sx  rov  &v[/,ov  oivov. 

2)  A  am.  fu.  toi.  —  rov  oivov. 

3)  Hipp,  a  o  £7ii  t.  7i).oi(ov  o  ofxi/.oq. 

4)  Nach  Alter,  Birch,  Matthaei,  Scrivener. 

5)  Wieder  geht  P  zur  Hälfte  mit  der  Mehrzahl  der  Kodices,  zur  Hälfte 
mit  unsrer  Klasse. 

6)  Um  Wiederholungen  zu  vermeiden  habe  ich  eine  Reihe  von  Stellen, 


12 


Bousset,  Studien  zum  Neuen  Testament. 


Ich  habe  das  gesaramte  Material  so  ausführlich  hierhergesetzt, 
weil  es  in  der  Textkritik  nichts  nützt,  dass  nur  behauptet  wird, 
so  richtig  die  Behauptung  auch  sein  mag.  Zugleich  aber  glaube 
ich  auf  Grund  des  obigen  Materials  das  Recht  gewonnen  zu 
haben,  nunmehr  das  handschriftliche  Material  in  folgen- 
der Weise  zu  gruppieren.  Die  Beweise  wird  jeder  in  der 
obigen  Zusammenstellung  selbst  finden  können. 


12?  36  b  28.79a. 
73? 99? 


35.  87.  c 
34.  41?  68? 


10.  17.  37.  49.  91.  96 2) 

18?  47? 
Die  Gruppe  10.  17.  37.  etc.  scheint  mir   der  zuverlässigste 


in  denen  P  mit  der  betreffenden  Klasse  zusammengeht,  hier  nicht  mit  auf- 
geführt, weil  sie  unten  in  einem  grösseren  Zusammenhang  besprochen 
wei'den. 

1)  Ich  bezeichne  von  nun  an  den  Archetypus  unsrer  Klasse  mit  K. 

2)  Über  die  Gruppe  1.  36.  b  cf.  Delitzsch  IL  39;  über  79.  28.  79a. 
Del.  36.  43;  über  c  35.  Del.  40  f;  über  41.  Del.  44;  über  die  Verwandtschaft 
von  a  79.  Del.  36,  über  73.  99.  Gregory  nach  Simcox  zur  Min.  73.  Die 
Klasse  10.  17.  37  etc.  ergiebt  sich  schon  aus  der  obigen  Zusammenstellung, 
ebenso  kann  es  keinem  Zweifel  unterliegen,  dass  87.  zu  c  gehört,  wahr- 
scheinlich auch  34.  Zur  Min.  68  cf.  Gregory.  —  Ich  bemerke  noch  zur  Be- 
urteilung obiger  Zusammenstellung,  dass  die  Min.  28  von  175 — 222i  fehlt, 
die  Min.  36  von  192i —  2221,  39  von  1,— 317  und  618-13u. 

3)  Für  die  nahe  Verwandtschaft  von  P  und  1.  36.  sind  noch  folgende 
Stellen  charakteristisch:  112  ehahtjosv  P  1.  7.  16.  33.  318  ao^ßoavvr]  P  7.  36. 
43  ouqöloj  P  1.  36.  b.  11] 8  öiacp&eiQai  P  1.  128  ovts  P  1.  36.  a  b.  12)5 
zavTTjv  P  1.  7.  b.   14]  —  avxov  xai  zo  ovofia  P  1.  1913  QSQuvxiopisvov  P  36. 


I.  Zur  Textkritik  der  Apokalypse.  13 

Zeuge  für  K  zu  sein.  P  steht  den  Minuskeln  p  und  1.  am  nächsten. 
Diese  fehlen  in  der  ganzen  Zusammenstellung  kaum  einige  Male; 
wenn  wir  1S2  mit  Sicherheit  konstatieren  dürften,  dass  Andreas 
den  von  P  1.  36.  b  p  79.  a  ausgelassenen  Satz  noch  gelesen  hätte, 
so  würde  sich  damit  die  nahe  Verwandtschaft  dieser  Kodices 
ergeben  und  der  Beweis  erbracht  sein,  dass  selbst  ihr  gemein- 
sames Zeugnis  noch  nicht  bis  K  zurückreicht.  Die  Minuskel  p 
lässt  sich  nicht  weiter  klassificieren,  am  nächsten  verwandt  er- 
scheint sie  P  und  1.  Die  Gruppe  35.  87.  c  (34.)  steht  am  wei- 
testen vom  Archetypus  K  ab  und  hat  beinahe  schon  durch  irgend 
eine  Überarbeitung  den  Charakter  unsrer  Familie  verloren.  Teil- 
weise verwandt  erweist  sich  noch  die  Gruppe  7.  16.  39.  (45?  69  "?\ 
ferner  die  Minuskeln  33.  38.  51.  95. 

Es  wird  ferner  von  Nutzen  für  die  weitere  Untersuchung 
sein,  wenn  wir  hier,  wo  wir  noch  auf  ganz  sicherem  Boden 
stehen,  d.  h.  ganz  gewiss  Lesarten  unsrer  Textklasse  vor  uns 
haben,  sofort  die  Eigenart  derselben  untersuchen.  Es  fällt  nun 
aber  vor  allem  auf,  dass  die  meisten  Varianten  mit  vollkommener 
Deutlichkeit  auf  eine  bessernde  Absicht  schliessen  lassen.  So 
finden  wir  erklärende  Zusätze  ltl,  120.  Offenbar  absichtlich  ist 
die  Umstellung  in  23  sßaozaüag  xat  vjtofiovtjv  e/sig ,  da  das 
eßaozaöag  sich  dem  Tempus  und  dem  Sinne  nach  besser  un- 
mittelbar an  22  anschliesst.  lv  ist  statt  des  [isza  zovzo  das  in 
der  Apokalypse  immer  gebrauchte  tueza  zccvza  gesetzt.  85  ist 
cpmvat  xat  ßgovzai  die  sonst  immer  in  der  Apokalypse  wieder- 
kehrende Lesart.  8l3  ist  ayyeXov  Konjektur  aus  aezov  x).  109  öog 
statt  öovvai  Auflösung  der  harten  Konstruktion  mit  dem  Inf. 
10, ,  steht  statt  des  unbeziehbaren  /.syovoip  ein  Xzyu.  119  statt 
des  schwierigen  zo  Jtzcofia  za  jizco^aza.  142  ist  die  Variante 
Tjxovöa  yxnvfji'  offenbare  Erleichterung  der  schwierigen  Lesart. 
Das  überflüssige  ejtza  15s,  16{  ist  offenbar  mit  Absicht  fortge- 
lassen (s.  o.  d.  Anm.);  183  ist  das  7C£jto(co)xav(ev)  (jiejcozixsi') 
eine  Korrektur  des  jcsjtzcoxav  nach  14s;  1817  ist  zcov  jtXoiojv 
eine  regebechte  Konjektur  aus  zojtov,  21t  der  Singular  ajtrj/.- 
&ev,  jzaQqZ&sv  Korrektur  und  noch  dazu  eine  falsche.  An  son- 
stigen   grammatischen   Nachbesserungen   liegen   vor:    Verände- 


1)   wahrscheinlich   ist  mir,    dass   hier  mit  Prim.   tvog    wq  aezov  zu 
lesen  ist. 


14  Bousset,  Studien  zum  Neuen  Testament. 

rimgen  des  Tempus  15,  610,  812,  Wiederholung  der  Präposition 
19,  918  (dazu  vergl.  die  Wiederholung  des  xaq  615);  2I3  die 
Hinzufügung  der  Präposition  tv\  2]7  die  Erleichterung  der  Kon- 
struktion dovvcu  c.  Gen.  durch  Einschiebung  eines  (payeiv  ajco; 
die  Veränderung  zx  avzrj  in  eji  avzr/v  1820;  die  Weglassung  des 
Artikels  1 0t ,  19,  9  und  doch  wohl  auch  14,  (der  Eniendator 
mag  eben  das  hier  erwähnte  Lamm  für  vorher  nicht  erwähnt  ge- 
halten haben);  die  Ersetzung  des  Nominativs  durch  den  regulären 
Vokativ  4,,;  die  Einfügung  der  Kopula  14,  513  bis;1)  die  Hinzu- 
fügung  eines  xai  42  zur  Aufhebung  eines  Asyndetons  (vgl.  die 
Zusammenstellung  S.  3.  9n,  18, 6);  die  Hinzufügung  eines  Objekts 
(avTr/v)  in  189. 

Es  bleiben  nur  wenig  Stellen,  die  nicht  besprochen  sind.  182 
liegt  keine  Absicht,  sondern  eine  Auslassung,  die  offenbar  durch 
einen  Schreibfehler  entstanden  ist,  vor,  ebenso  6, 2  und71f).  Die 
Umstellung  18:{  tx  tov  &v[iov  tov  oivov  erklärt  sich  daraus, 
dass  in  einer  früheren  Gestalt  unsres  Textes  das  oivov  noch  fehlte 
(wie  in  A  am.  fu.).  Zur  Umstellung  ajto  tov  &eov  tx  tov  ovqcc- 
vov  ist  zu  bemerken ,  dass  unsre  Klasse  ebenso  209  (s.  o.  S.  4) 
liest.  Die  Umstellung  225  %Qtiav  ovx  tyovoiv  erklärt  sich,  wenn 
man  als  ursprüngliche  Lesart  die  von  Q  al  annimmt:  ov  ygeia. 
Weshalb  unsre  Klasse  6n  ^  [ityalov  avtfiov  liest  und  215  <?o 
ufaftivoi  xai  ntüzoi,  vermag  ich  nicht  zu  sagen. 

Ganz  deutlich  tritt  schon  durch  genauere  Betrachtung  dieser 
wenigen  Varianten  der  Charakter  unsrer  Textfamilie  heraus.  Die 
weitaus  meisten  Varianten  derselben  sind  durch  absichtliche  Kor- 
rekturen entstanden. 

Ich  ziehe  nun  auch  alle  diejenigen  Stellen,  an  denen 
P  nicht  mit  der  Familie  geht,  oder  diese  von  dieser 
oder  jener  älteren  Majuskel  begleitet  ist,  zur  Bespre- 
chung heran  und  ordne  das  Material  nunmehr  nach  den  ver- 
schiedenen Arten  grammatischer  und  stilistischer  Veränderungen. 

Besonders  merkwürdig  sind  hier  die  folgenden  beiden  Stellen, 


1)  Dazu  vergl.  noch  22  die  Einfügung  des  Bivai  in  unsrer  Klasse  Q 
Bei.  gegen  sACP  18.  25.  51.  b.  13, 8  xcci  o  ccQiS-fxog  avtov  +  s axiv  CP  1.  b. 
10.  18.  37.  49.  91.  96.  28.  79.  a  p  am.  fu.  g.  156  ßovoq  oaioq  +  ei  10.  36.  37. 
49.  95.  96.  p  (38.  47).  —  144  ovxoi  —  naiv"  oi  axokovd-.  sACP  1.  b.  28.  38 
ist  K  nicht  mit  Deutlichkeit  zu  erkennen.  Dagegen  hat  K  mit  den  älteren 
Majusk.    52  die  Kopula  nicht  eingefügt,  während  hier  Q  Bei.  ändern. 


I.   Zur  Textkritik  der  Apokalypse. 


15 


weil  sie  ganz  besonders  die  Absichtlichkeit  zeigen,  mit  der  bei 
Konstituierung  unsres  Textes  verfahren  ist.  7,,  ist  durch  den 
Anfang  (isxa  zavra  eiöov  xai  löov  oyloq  noXvq  eine  heillose 
Verwirrung  in  den  Satzbau  geraten. 

Die  Hndschrn.  suchen  hier  in  verschiedener  Weise  zu  ändern. 
Es  lesen 


fttra  zavra  siöov 

alle 

xac  löov 

alle  übrigen 

>  A  vg.  Pr.     (C  - 
idov). 

oyloq  jioXvq 

alle  übrigen 

oylov   Jtolvv    A  vg 
Pr. 

SÖTCOXSq 

SAP  1.36  b  10.17.18. 
37.49.91.96.apalü. 

EGrcoraq  Q  al30  c. 
mv  C.  38. 

jieQLßeßXi](i£Voi 
qoirixtq 

XcPl.(non36.s.  Alter) 

b  10.  17.  18.37.49. 

91.  96.  28.  a  p  97. 

vg.  Pr. 
XCAP  1.  36.  (Alter)  b 

7.17.ap87.c3SaP 

g  vg.  Pr. 

jcsQißsßXijfisvovq 
XACQ  al3-  c  g. 

<poinxaq  tfQ  al40. 

Bei  diesen  Varianten  möge  man  es  versuchen,  mit  welcher 
Hndschr.  man  wolle,  immer  wird  eine  Inkongruenz  in  dem  Satze 
stehen  bleiben,  die  irgendwo  auch  ursprünglich  gestanden  haben 
muss.  Nur  in  unsrer  Klasse  kommt  eine  reinliche  Konstruktion 
zu  stände,  wie  sie  auf  der  linken  Seite  der  Zusammenstellung 
steht.     Das  deutet  bewusste  Emendation  an. 

Ganz  der  gleiche  Fall  liegt  1414  vor.  Hier  haben  wir  wieder 
ein  xai  löov  xai  idov  und  demgemäss  grosse  Verwirrung. 

Die  Varianten  und  ihre  Bezeugung  verhalten  sich  folgender- 
massen: 


xai  i(si)öov 
xai  löov 
xa&TjfiEVoq  \ 

onoioq 


alle 

alle  übrigen  >»  X. 

1.7.16.    10.37.47.49.     —ov 
91.96.  ap.  (39.  o//o«»c; 

30.  87.  ov-oq.)  — 


i<ACPQal40g 
,  |  vg.  Pr. 


16  Bousset,  Studien  zum  Neuen  Testament. 

vico  \  C.  36.  b  7.  16.  10.  17.     viov  \      .Q    ,20 

av&Qcojcovj  37.  47.  49.  91.  96.     av&Q.j        ^  a     ' 

ap  35.67.  c  38.  al5 
g  vg.  Pr l). 
tycov  alle  übrigen.  e%ovxa  X  13.  26.  27. 

28.  29.  79. 95.  g  Pr. 

Ausser  unsrer  Klasse  hat  nur  noch  K  einen  ganz  glatten 
Satz  hergestellt,  während  alle  übrigen  Hndschrn.  irgendwo  eine 
Inkongruenz  haben. 

1)  An  sonstigen  Korrekturen  offenbarer  gramma- 
tischer und   stilistischer  Härten   finden   sich    folgende. 

I  9  w  irjoov]  itjgov  Xoigxov2)  1.  b     28.  79.  a  p.  (?) 

4  4  Vgovovg  +  eiöev  10.  37.  49.  91.  96.     a    (?)  34.  vg.  g. 

813  ovai  xovg  xaxoixovvxag]  ....  xoig  xaxoixovGiv  AP.  1.  36.  b. 

7. 16.     10.  17.  18.  37.  47.  49.  91.  96  p     28.  79.  a     34.  vg.  g3). 
912  sQxerai]  ....  ovxai  KCPQ    1.  b    (non  36.  s.  Alter)     18.  37. 

47.  49 2.  91.  p     28.  79.  a     34.  35.  87  c     38.  al3  g. 

10  2  xai  eycov\xai  w/ev  1.36.b    7.    10.37.47. 49. 91. 96.p    28.79.a 

35.  (17.  exei)  g  vg.  Pr. 

11  ,   xalayiog  ofioiog   gaßöco  -+-  xai   siGxrjxti   o  ayysXog"  Zsycov 

Q4)  14.  92.  (tfcc)  (36.)     10.  37.  49.  91.  96.     34.  35.  87.  c. 
13,5  Teils  vor  oooi,  teils  vor  cuioxxavfrcoGiv  schieben  ein  iva  ein 

AP  1.  36.      7.     37.  47.  49.  (Matthaei)  91.  96.     a     95.  al2  vg. 

g  Pr. 5) 
1412     r  code"  oi  t^qowteq  1.  b     7.  16.  39.     10.  17.  37.  49.  91.  p 

28.  79.  a     al3. 
14, 9  siq  xi]v  fajvov  xov  fieyav] x?/v  y,eyaXijV  tf   7.  39. 

(16?)    28.79.  a     (17.)  37. 48.     35.87.  c    p  33.95.    xov  fojvov 


1)  Die  Angaben  sind  nach  Birch,  Matthaei,  Alter,  Scrivener,  Tregelles 
gegeben.  P  26.  haben  viov,  1.  hat  viog,  28.  liest  viojv,  cf.  113,  wo  derselbe 
Fehler  ofioiov  viov  von  ACP  und  unsrer  Klasse  verbessert  ist. 

2)  Xqioxov  resp.  Xqioxoj  fügen  die  meisten  Hndschm.  (mit  Ausnahme 
von  sCP  38.  am  fu  Orig)  ein. 

3)  cf.  1212,  wo  nur  sACP  28.  79.  95.  b  ovai  rrjv  yr\v  xai  xr\v  üaXaooav 
lesen.    Also  allein  K  liest  konsequent  ovai  mit  dem  Dativ. 

4)  Q  ist  sichtlich  von  K  abhängig,  schon  weil  Q  hier  nicht  von  der 
Mehrzahl  der  Minuskeln  begleitet  ist. 

5)  Doch  ist  das  iva  möglicherweise  ursprünglich. 


I.   Zur  Textkritik  der  Apokalypse.  17 

xov  inyav  1.  b1)  91.  94.  97.  98.  Hier  haben  wir  in  unsrer 
Klasse  eine  doppelte  Korrektur.  Den  Ursprung  derselben 
können  wir  noch  jetzt  in  Min.  49  sehen:  49  liest  xi\v  X/jvov 
und  xov  fisyav,  aber  darübergeschrieben  ist  sowohl  xov 
hjvov  wie  xryv  fteyak/jv.  49  scheint  hier  also  den  Archetypus. 
aus  dem  alle  diese  Verbesserungen  stammen,  rein  erhalten 
zu  haben.2) 
17  8  xaxoixocvxeg  mv  ov  ytyoa.xxca  ....  ßZejrovxcov]  ßXsjtovxtg 

1.  36.     10.  17.  37.  49.  91.  96.  a  aR  g  vg.  Pr. 
19  c   rjxovöa  coq  <pcov/jV  ßoovxov  ...  Xsyovxsg'6): 
Xeyovxag  1.  b     16.     10.  17.  37.  47.  49.  96.  aR 
Xeyovxov  AP  IS.  36.     35.  S7.     79.  a     6.  38.  95.  g  vg.  Pr. 
X-syovocop  55  (Xsyovo?]g  p).4) 
2127   (o)    jtoicov]   jiolovv   PQ    1.  b       10.  17.  37.  49.  91.  96.  a  p 
35  c  als. 

Bei  dieser  grossen  Anzahl  von  Korrekturen  kann  es  nun 
nicht  wundernehmen,  dass  an  mehreren  Stellen  K  mit  Q  und  der 
Mehrzahl  der  Minuskeln  gegen  die  älteren  Majuskeln  überein- 
stimmt, so  in  den  Varianten  214  xov  BaXax'0),  312  t]  xaxaßaivst6), 
10s  XaXovoa  Xeyoroa,')  17:3  t'/ov.  Keineswegs  wird  man  aus 
diesen  wenigen  Berührungen  eine  gemeinsame  Grundlage  von  K 
und  der  von  Q  geführten  Gruppe  behaupten  dürfen. s) 


1)  xov  fxsya/.ov  liest  36.  Die  übrigen  Angaben  sind  nach  den  ersten 
Ausgaben  kontrolliert. 

2)  Bei  den  Korrekturen  1613f.  ßatQu^oig  —  ty.noQtveo&at.  wie  sie  in  s 
vorliegen,  ist  K  nickt  deutlich  erkennbar. 

3)  Q  al20,  welche  in  diesem  Fall  das  richtige  erhalten  haben. 

4)  K  liest  2114  mit  Rel.  sc  xo  zer/o;  —  t/ov  gegen  APQ  1.  b  7.  32.  97. 
98.  xo  zer/og  —  eycov.  Letztere  Lesart  dürfte  doch  die  ursprüngliche  sein. 
222  ist  ctcoöiöoiv  in  AK  eine  schlechte  Verbesserung  des  harten  anoöiöovg, 
das  vorhergehende  tiolwv  statt  noiovv  in  A  IS  ist  einfach  späterer  Schreib- 
fehler.   Ursprünglich  also  lautete  die  Stelle  ^oiovv  —  anoöiöovg. 

5)  Hier  hat  allerdings  P  eine  Sonderlesart. 

6)  K  ist  hier  allerdings  schwer  nachzuweisen.  P  1.  12.  28.  37.  stehen 
auf  Seiten  der  älteren  Majuskeln. 

7)  Hier  steht  K  mit  den  meisten  übrigen  Minuskeln  gegen  sACPQ 
3(3.  b  7.  14.  01.  92,  ebenso  173  f/or  statt  t/ovxa  K  mit  QRel.  gegen  sP 
(A  7.  30.     32.  94). 

8)  Andere  Beispiele  werden  noch  weiter  unten  folgen  bei  Besprechung 
der  gemeinsamen  Grundlage  von  PKQRel. 

Texte  u.  Untersuchungen  XI,  4.  2 


18  Bousset,  Studien  zum  Neuen  Testament. 

2)  Ferner  sind  zahlreiche  Hebraisinen  in  K  beseitigt: 

2  -  reo  vmmvxi  örooco  —  avrco  S  (10?  17?)  49.  91.96.     46.88(?) 
320  —  xcu"  siasXsvoofiat  AP  1.  36.  b     7. 16.    18.  37.     28.  79.  ap 

38.  al5.    Orig. 
7  2  oig  söofrfj  —  avroig  16.  17.    49.    28.  79.  a  (?) 

10  -  orav  {utXhj  oaXjtituv  xai  ersksod-r]]  —  xai"  10.  17.  37.  49. 

91.96.   p    gfu.  Pr;  rsleo&f]  Q  1.  36.    7.  28.  79.  a     10.  17.C01T- 

37.  49.  91.  96.  p.  —  Hier  ist  wahrscheinlich  schon  im  Arche- 
typus unsrer  Klasse,  wie  oben  (17.  o.)  ein  doppelter  Versuch 
zu  korrigieren  unternommen. 

12  6  ojiov  tyu  —  exei  C  1.  36.  b    a     14.38.    vg.    Pr.(?) 

20  8  cov  o  aoi&fiog  —  avrcov  l.b     10.17.37.49.91.    34.c    79.a  p 

38.  al2. 

21  6  reo  öiipcovri  öcoöco  —  avrco1)  XAP    l.b     7.39.     37.47.49. 

91.  96.     a  p     38.  al5. 
Dazu  kommt  noch  13s,  wo  PQ  mit  allen  Minuskeln  das  avrov 
(avxcov)  hinter  xo  ovofia  auslassen,  gegen  xAC  95. 

3)  Sehr  oft  ist  in  K  die  in  der  Apokalypse  so  beliebte  con- 
structio  ad  sensüm  fortgeschafft: 

4  ,   >/  cfcovtj  .  .  Xsymv]  .  .  .  Xsyovöa  tfcP   1.  36.  b     17.  37.  49. 
(Matthaei)  91.  96.     p     28.  79.  a     38.  al3. 

11  4  Ivyviai  .  .  sOrcoreg]  .  .  .  EOxcoöat  tfccP    1.  36.  b    7.  28.  79.  a 

10.17.18.37.47.  (Matthaei)  49.  (Matthaei)  91.96.  p  38.95.  al2. 
11,-   cpcovai  .  .  .  Xsyovrsg]  Xsyovoai  aCP  1.36.  b     7.    10.  17.  37. 

49.  91.  96.     p     28.  79.  a     35.  87.  c     38.  95.  al. 

Auch  an  fast  allen  übrigen  Stellen,  an  denen  von  der  Mehr- 
zahl der  Hndschrn.  Anomalieen  des  Apokalyptikers  gebessert  wer- 
den, ist  K  fast  immer  dabei  (s.  die  Varianten  48  £Xwvi  56  £XC0V> 
513  jtavra  Zeyovreg,  93.  4.  5  avroig,  1314  &?]Qico  og). 

Dagegen  lesen  14t  aoviov  sorcog  Q  1.  36.  b  28.  a  18.  37. 
34.  35.  c  38.  Orig;  tfACP  79.  eorog,  die  übrigen  sor?pcog; 
34  ovotuara  .  .  .  oi  (statt  a)  1.  b  17.  37.  p  28.  79.  a  38.46.88. 
Sollte  an  diesen  Stellen  namentlich  14,  K  das  ursprüngliche 
erhalten  haben? 


1)  1312  ov  e9-ega7iev&Tj  ij  nP.tjyt/  zov  Savazov  —  avrov  P  14.  92.  7,,  ov 
uoitttirjoai  —  avzov  und  1214  otcov  Tozcpezai  —  exsi  ist  K  nicht  mehr  deut- 
lich zu  erkennen,  da  hier  auch  die  Klasse  QRel.  ändert, 


I.   Zur  Textkritik  der  Apokalypse.  19 

Ich  habe  bis  jetzt  die  Stellen  behandelt,  in  denen  Sprach- 
gebrauch und  eigentümliche  Schreibweise  des  Apokalyptikers 
Korrekturen  in  besondrem  Masse  herausforderten.  Es  ist  sichtbar 
geworden,  wie  stark  in  unsrer  Textklasse  emendiert  ist.  Es  gilt 
nunmehr  eine  umfassende  Charakteristik  aller  Emendationen 
unsrer  Gruppe  zu  geben.    Ich  beginne  mit 

4a)  den  orthographischen  Eigentümlichkeiten. 

Hier  ist  das  Material  nur  ein  geringes,  zumal  unsre  Minus- 
keln nicht  genau  genug  notiert  sind,  um  ein  sicheres  Urteil  zu 
gestatten. 

Die  merkwürdige  Form  &var//Q  .  .  findet  sich  ln  in  Q  12.  p. 
21S  in  PQ  12.  28.  93.  94.  (28.  &vyarsQoig).  224  in  PQ  7.  12.  28. 
94.  Ob  hier  eine  Eigentümlichkeit  von  K  vorliegt  ist  sehr  frag- 
lich. Die  Formen  mit  st  statt  i  scheint  K  vorzuziehen.  76  hat 
K  die  Form  Negj&aXeiu,  7S  APb  ßevuxfieiv. ' )  Ebenso  jedoch  mit 
den  meisten  übrigen  <PiXaösXg)Eia  ln.  37,  Aaoöixsia  ln.  314, 
<paQ[ia7cua  92l.  1823,  eioztjxei  7tl.  llt.  Auch  lesen  P,  K  kon- 
stant sidov,  nicht  iöov.2)  9n  hat  K  statt  Aßaööcov  AßßaÖmv 
(Aßßaaöcov  35.  87.  c.    aßaööcov  36).   2120  K  svvazog  statt  svazog. 

aXXa  wird  vor  Vokalen  fast  immer  apostrophiert:  24  in  KACP, 
214  KxACP  220  KaCP  34  KPQRel.  10,  K  mit  allen  (mit  Aus- 
nahme einiger  Min.)  1712  KPQRel.  206  mit  allen  ausgenommen 
S  2110  haben  KPQRel.  btc  oqoc  1914  KPsA  e<p    tjcjioig.3) 

4)  Deklination,  Wort-  und  Verb-Formen. 

a)  37  xZsiv]  xZstöa  1.  36.  b    28.  79.  a    p     87.  14.  Orig. 
20,  xXsiv]  xXsiöa  1.     7.     a  p     al.     (28.  36.  desuntj? 
Dagegen  bewahrt  K  mit  P  und  den  älteren  Kodices  die  Form 
xXsiöag  ll8. 

224  ßad-ea]  ßad-r,.  xP  1.  36.  b     28.  79.  a. 

b)  Das  Augment: 


sövvazo 

rjövvaxo 

5:j  SC  Rel.  a  b  c 

APQl.  7.       (28.)  79.            492.     p    14.92.95. 

79  X  ACQ  Rel. 

P     1.16.39.   28.  79.  a       18.  37.  47.  49 2.  p      35 

87.  c  al8. 

1)  75  hat  K  die  eigentümliche  Schreibweise  Povßiß. 

2)  Umgekehrt  bevorzugen  sAC  die  Formen  auf  ia,  s.  z.  B.  die  Worte: 
nxw/ju,  tioqvlu,  TtQOcprjtia,  QvaxLQa.    Dagegen  »A  19i9  accTKpeiQog. 

3)  Die  Krasis  in  zccyco  228  hat  K  mit  den  meisten  Minuskeln. 


2()  Bousset,  Studien  zum  Neuen  Testament. 

söwaro  ijövvaro 

143    tfAC  Rel.       PQl.  16.  a    18.  37.  47.  p    34.  c  95.  al4. 

15g1)  AC  Rel.     sPQl.36.      28.79'?a    (10.) 37? 47. 

49.91.96.  p    35.  87.  c  95. 
al. 
Trotz  aller  Ungenauigkeiten,  die  wir  liier  bei  den  Angaben  über 
die  Minuskeln  voraussetzen  können,  tritt  deutlich  hervor,  dass  K 
/jdvvaro  las. 

3-2  lesen  alle  t[i£lXov,  104  lesen  tfPK  und  die  meisten  übrigen 
Minuskeln  sfisllov. 

Die  Form  ijvscoyfisvi]  lesen  durchgehend  tfP,  immer  begleitet 
von  einigen  zu  K  gehörigen  Minuskeln.  Doch  tritt  K  nicht  ganz 
deutlich  heraus. 

c)  Die  Form  xszcofisvog  statt  jtsrofisvoq  haben 
47  1.  36.  7.  28.  91.  95.  al1. 

813  1.  7.         37.  al2. 

14  ,  PQ  1.  36.  7.  28.         al1. 
1917  P  7.         37.  al2. 

Wenn  diese  nur  in  wenigen  Hndschrn.  erhaltene  Form  überhaupt 
irgendwo  zu  Hause  ist,  so  gehört  sie  K  an.2) 

Von  andern  Formen  vergl.  llj  eyeiQe  statt  sysigcu,  2219 
atpskoi  statt  aqhlu,  12r>  mit  X  r/QJtay?/  statt  rjQxaod-fj.  Von 
Verbformen  auf  a  haben  PK  gewöhnlich  ejteoav,  sjtsoa  (jteoaTt). 
Dagegen  nicht  die  seltener  vorkommenden  ajtt/Z&a  -av,  E£?)Z&ap 
-at8,  siyav,  töav,  tßcüav  [sxXaav\  -Ssooavl). 

10,  svrjyysXiOEv] toaxo  10. 12. 17.37.  49.  91.  96.    28.  79.  a  al2. 

146  svayysXiöat]  .  .  .  iGccofrcu  X  36.  10.  49.  96.  28.  79.  a  33.  34. 
35.  c.  Orig.  Im  neuen  Testament  kommt  svayysh^eG&ai  sonst 
immer  medial  vor.  Auch  hier  liegt  also  bewusste  und  konsequente 
Emendation  vor. 

d    32  Liest  K  (wahrscheinlich)  mit  X  und  vielen  Minuskeln  ozr/Qi- 
B,ov  für  otrjQLOov:  209   exvzlcooav  statt  sxwcXsvoav. 
3,9   tfrZevü  Ojlmoov  sP  1.  36.  b     10.  17.  37.  49.  96.  p     28.  79.  a 
7.  16.    38.  al1.    (91.  Crjtrjoov). 


1    Nach  den  Originalausgaben  zusammengestellt. 
2)  Ich  bemerke  noch,  dass  die  Gruppe  35.  87.  c    6n  und  94  (hier  mit 
PQSfhj  statt  £(jQt)d-ri  liest.     Die  Form,   die  auch  B  in  allen  Teilen  des 
neuen  Testaments  bietet. 


I.    Zur  Testkritik  der  Apokalypse.  .  21 

18  2  haben  statt  daifiovicov:  öai[iovmr  alle  ausser  sAQ  95.  16, 4 
öaifiovcov  1.  36.  b  28.  79.  a  10. 17. 18.  37.  49.  91.  96.  p  34.35. 
38.     16.     920  freilich  nur  noch  38. 

Die  Formen         yjjvöog  %qvgiov     lesen 

17  4  XP     1.  36.  b      28.  79.  a      37.  49.  91.    AQ  Rel.  c  p. 

(Treg.)96.     38.  95.  al1. 
1812  alle  18.  36. 

18te  S  1.  36.  b     79.  a     10.  17.  37.  49.  91     ACPQ  Rel. 

(Treg.)  96.    (Scr.)  al2. 
lt3  lesen  fia^oig  Ab      28.  79.  a    10. 17. 37.  49. 91.  96. p;    tuaOToig 

CPQ  Rel.  [iaodoLQ  X  7.    29.  46.  88.  97.  100. 
717  Jtr/yrjg  £co)]q]  C,cooag  1.  b    79.  a    p    38. 
16  3  ipvyjj  £co?]g]  £iooa  aPQ  1.36.b     7.  28.  a     10.  17.  37.  49.  91. 

96.  p     38.    7.  16.  39.    al  2. 

Die  Formen 

jijliov  JiJ/.aQiÖLov  ßißAidaytor 

10  2  Q  Rel.  c  xAC2P  1.  18.  p  C  36.  b.    7. 10. 17. 37. 47. 

49.91.96.  28. 79. aal3. 
L08AC6.  14.  »P  l.b  16.18.  95.  p     QRel.  36.  7.10.17.  37.47. 

49.91.96.  28. 79. aal3. 
109  8    11.14.  A2CPl.bl3.1S.51.p     QRel.  do. 

1010 1)  »Q  Rel.  c        ACPI,  b  18.    p         36.    10.17.37.49.91.96. 

28.  79.  a  al. 

Hier  liegt  wieder  eine  doppelte  Lesart  in  K  vor,  ßißJ.aQidwv 
und  ßißliöaQLOv  (nie  ßißXiov),  die  wahrscheinlich  schon  in  dem 
Archetypus  unsrer  Gruppe  gestanden  haben  wird. 

Im  höchsten  Grade  bemerkenswert  ist  in  allen  diesen  Bei- 
spielen die  Konsequenz,  mit  der  K  die  einmal  gewählten  Wort- 
formen beibehält.2) 

e)  In  K  wird  das  Kompositum  dem  einfachen  Verbuni  vor- 
gezogen. 
117   -\-ejc"  e&rjXEV*  1.12.b    10.17.37.49.91.96   p    28.79.aal2. 


1)  Zu  bemerken  ist  vielleicht  noch  dass  114  CPK  wq  mit  iooti  um- 
tauschen, während  133  K  mit  sACP  <og  beibehält. 

2)  Dazu  ist  noch  zu  bemerken  dass  212„  K  gc(j<5ioq  statt  -or  liest. 
endlich  dass  den  Buchstaben  A  statt  ahfa  lesen  ls :  1.  b  10.  47.  49.  p  a 
38.  90.  99.  100.  al.  216:  1.  10.49.  ap  al.  mu.(?)  (Die  Angaben  sind  leider 
sehr  ungenau)  2213:  K  mit  Q  und  den  meisten  Minuskeln. 


22  Bousset,  Studien  zum  Neuen  Testament. 

11,,    +S3i"  tjrtoav ACF  7.16.39.   10.17.18.37.47.49.91.96.  ab  al. 

2  5    +  £*"  xtjczcoxa  s.  o.  S.  8. 

6  4    +  xaza"  o^a^ovoi  6.  28.  79.  a  ? 
12101)  +  xar"  sßZq&rj  1.  b    10.  17.  49.  91.  96.     p  al. 

5)    Gebrauch  der  Kasus. 

10  7  svr/yysZiotv    (azo)    zoig   savzov    öovXoig   zote   uzQo<p?]zcug 
(statt  des  Akkusativs)  lesen  1.  18.  28.  79.  97.  a  p. 

19  5  aivsiz£  zco  &eco]2)  zov  d-sov  1.  b     7.  39.     10.  17.  37.  47.  49. 

91?  96.     28.  79?  a    p    33.  35.  87.  c   al. 

20  4  jtQootxvv?/Oav  zo  &?jqiov]  zood-rjQioo  1.  b  a  79?  p   (10.)  (17?) 

37.  49.  91.  96.    c     7.  (16.  39.)    al.  (38.  95.)3) 

zi)v  eixova]  zri  eixovi4)  7. 16. 39.    10. 37. 49. 91.  (Treg.)  96.    a2 

p  al.  (33.  95.) 

5b)  Singular  und  Plural. 
s.  o.  S.  13.  das  zu  7,.  10n.  118  und  9  gesagte.     Dazu: 
5  8  xtfraoag  1.  36.  b      7.  16.  39.      10.  17.  18.  37.  49.  91.  96.    a  p 

51.  al3.    vg.    Pr. 
918  zov  txjcoQtvofievov]  zcov  -ow  36.     28.  79.  a    p. 
13  8  cov  ov  ysygajtzai  zo  ovofia]  za  ovoLuaza  tfP    1.  28.  79.  a   47. 

95.  vg.  g,  ebenso  178  SP  l.b  7.10.17.91.  96.p  28.  a  c  al5.  g. 
14,,    sig  aiwvag  aicovcov]  auova  -og  C(P)  (1.)     28.  79.  a    p    (7.) 

(14.)  18.  92.  ale. 
16,2  avazoXrjg]  cov  A  1.  28.  79.  a     10. 17.37.49.  91.  96.     6.    38.5) 

Den  Plural  des  Verbums  nach  einem  Neutrum  im  Plural 
ändert  K  nicht,  vergl.  z.  B.  45  «  siöiv  92o  ta  tiöoria  a  övvavzai 
18,4  za  XafiJtQa  ajiwlovzo  X    7. 16.39."  10.  37.  49.  91.  96.    35.*3) 


1)  192  ist  zweifelhaft,  ob  K?  mit  QRel.  (gegen  sCP  1.  35.  36.  47.  79. 
87.  95.  a)  -j-  öl"  t<f&£i()£v  liest. 

2)  Nach  den  Originalausgaben  und  Kollationen  zusammengestellt,  91 
ist  bei  Tregelles  nicht  angegeben. 

3)  Die  Zusammenstellung  nach  den  Originalangaben. 

4)  Gewöhnlich  wird  bei  der  Anbetung  des  Tieres  der  Akkusativ,  bei 
der  Anbetung  Gottes  oder  des  Satans  der  Dativ  gebraucht. 

5)  Dagegen  hat  72  nur  A  90.  avaxoXtov,  obwohl  es  hier  wie  dort  ava- 
zo'/.wv  tj/.lov  heisst.  2113  lesen  avazohjg  sAP  1.  b  79.  a  p  3S.  al1.  (Hier 
steht  avaxoXr\  neben  den  andern  Himmelsrichtungen.) 

6    Nach  Alter. 


I.    Zur  Textkritik  der  Apokalypse.  23 

87.  al2.  (p  ajtcoxtro,  1.  79.  a  ctji?i?.&ev,  verbessern  also  anders  als 
die  übrigen.)  21  4  aitrjXd-ov{av)  K  mit  P(A)  gegen  SQ  Rel.  (s.  119. 
32.  4S.  9.  5I4.  1113.  l8.  154.  2012).1)    Ausnahme  183  (s.  o.  S.  11.) 

6)  Absichtliche  Änderung  des  Tempus. 

6  8  rjxoXovd-si]  axolov&si  1.  b     28.  79.  a     10.  17.  37.  49.  91.  96. 

51.  al1.    Orig. 
610  exQasav]   txQa^ov  P  1.  36.  (Alter)  b     28.  (Scrivener  e  sil.) 
79.  a    p     38.  al1.    g    vg.2) 
11, 8  öiayfreiQovxac]  -avxaq  C    7.       10.47.49.91.96.       34.35. 
87.  c     48.  g  vg.    Pr. 

17  8  JiaQsörai]  jhxqsöxlv  Sc    1.  36.  b     79.  a     47.     16.  al3. 

18  §  xQivag]  xqivcov  Sc  1.  18.  79.  a    c     6.  31.  33.  48.  al4.  ? 

19, 3 3)  xexhjxcu]  xcdetxai  1.  36.  b    7.16.39.    10.37.49.91.  p    31. 

34.  c     79.  a     6.  14.  48.  51.  92.  al1. 

Sehr  häufig  sind  die  Schwankungen  zwischen  Präsens  und 
Futurum  in  der  handschriftlichen  Bezeugung.  Es  lässt  sich  hier 
wenig  bestimmtes  sagen,  zumal  da  bei  einer  Reihe  von  Varianten 
K  nicht  mehr  deutlich  erkennbar  ist4).  5, 0  liest  K  mit  NP  ßaoi- 
Xsvoovoiv  statt  ßaöilevovöiv ,  7l7  hat  K  mit  tfAPQ  die  Futura 
jtoifiavti  odrffijGEi.  (Hier  haben  nur  die  Minuskeln  mit  Prim 
das  richtige  erhalten.)  Dagegen  erhält  K  das  Präsens:  410  ßaX- 
lovötv?  (xQ),  96  <pevj£i  (mit  AP),  11,,  ayiovßiv  (tfACP),  11, 0 
tvcpgcuvovxcu  (xACP),  18, ,  xZcuovoi  jctv&ovöi,  und  37  liest  K 
konsequent  xXuei  (allein)  cwor/ei  (mit  ACP)  und  hat  hier 
wahrscheinlich  mit  Pr.  das  richtige  erhalten. 

7)  Der  Gebrauch  des  Artikels. 

Von  absichtlicher  Auslassung  des  Artikels  war  schon  oben 
die  Rede  (s.  o.  S.   14:  10,.  14,.  19, 9).     Dazu: 
16,4  eig  —  xov"  jioÄ£tuov  1.  36.  b    p     34.  35.  43.     ?  (s.  u.) 


1)  1413  alle:  ra  SQya  cixo).ov&ei.    19i4  t«  ozQarsi\uara  rjxo?.ov&st. 

2)  Dagegen  72  das  Imperf.  nur  in  AP  a  p,  K  hat  auch  sonst  bei  diesem 
Verbum  das  Imperf.  lSt8f,  dagegen  19i7  nur  Q  12.  95.  103  (bis.)  182  haben 
alle  Aorist. 

3)  1920  eßkTjS-rjaav]  ßXi]&rjGovrai  1.  36.  (Alter)  b  38.  p,  ferner  lesen 
22t2  eotai  statt  s oxiv  K  mit  Q  Rel.  gegen  sA  21.  38.  b. 

4)  Namentlich  bei  den  Formen  ßa?.?.a>  —  ßa/.to. 


24  Bousset,  Studien  zum  Neuen  Testament. 

1819  Exovrsg  —  ta"  JtXoia  1. 36.  b    17. 18.  p    31.34.35.87.    79.  a 
6.  48.  al1. 

20  8  siq  —  rov"  jcoZsfiov    1.  10.  172.  49.    31.  32.  35.     79.     38. 

Zu  bemerken  ist,  dass  den  Artikel  vor  dem  nachstehenden 
Attribut  auslassen  1119  K  mit  xQ  Rel.  o  vaoq  rov  &eov  sv  reo 
ovgavw,  156  StQP  1.  48.  79.  al.  b  p  (K?)  oi  tjera  ayyeloi  syov- 
req,  162  7.  28.  29.  37.  79.  a  (wohl  nicht  K)  rovq  avfrocoxovq 
syovraq. *) 

Es  scheint,  als  wenn  auch  in  folgenden  Stellen  dem  Emen- 
dator  der  Artikel  obwohl  gänzlich  mit  Unrecht  überflüssig  vor- 
gekommen.2) 
11,,   fiera  —  raq"  TQsiq  TjfiEQaq  X?    1.  36.  b    28.    37.49.91.96. 

(nicht  35.  Alter)  c    14.  38.40.   (cf.  119.)3) 

21  33)  —  ra"  ziXia  tr?j  1.  12.  a     79.  p    ?  4) 

Hinzugefügt  wurde  der  Artikel: 
19  2  ex  +  Tfjg"  zuQoqavxiiq  1.36.b    16.39.  17.47.91.   ap   34.35. 
I  920    i  ev       toj1'  »eico  1.  36.  b     49.  79.  a     6.  31.  34.  35.  87.  c. 

Wie  es  scheint  gerne  bei  Eigennamen: 
215   +  rcov"  Nixolairow  SP    1.  b     7.16.    28.  a   10.17.37.49. 

91.  96.  p    c     38.  51.  95.  al3. 
16,2   +  rov"  Ev<pq<xtijv  AC    1.    28.79.a     18.47.p     34.  35.  87.  c 

14.  51.  95. 
22,,   TTor"  Javeiö  1.  7.  al.    ? 6) 

Auch  erscheint  der  ungewöhnliche  Prädikatsartikel  öfter  bei 
K  ausgelassen. 
6  8  ovofia  avrov  —  o"  üavaroq  tfC  16.     37.  49.  (91.)  96.    95. 
8U  --  o"  arpivfroq  X  und  Sc  1.  36.  b     7.  14.  a  p    32.  33.  34.  38. 


1)  56  dagegen  lesen  1.  b  7.  16.  28.  79.  a  37.  91.  41.  42.  za  nvsvßaza 
xov  &tov  ra  aneaza?./neva  [anooztD.ofieva)  K? 

_'    Vergl.  die  Auslassung  des  zo  vor  üqviov  (o.  S.  14). 

3)  Das  Fehlen  des  Artikels  48  vor  reaotQcc,  wo  K  übrigens  gar  nicht 
deutlieh  erkennbar  ist,  scheint  reiner  Schreibfehler  zu  sein.  —  22I5  lesen 
1.  b  7.  79.  a  c  p  38.  48.  al3.  nag  +  o"  noicov,  2218  dagegen  10.  17.  37.  49. 
91.  96.    b  p    79.    51.  al4.  navzi  —  reo"  axovovu. 

4)  Der  Artikel  vor  xü.ia  szt]  fehlt  auch  204  in  K  und  sA  und  206  in 
AK  Rel.  gegen  sQ  14.  18.  38.  47.  92. 

5)  1618  liest  KRel.  +  oi"  av&Qwnoi  eysvovzo  gegen  sQ  12.  14.  17.  36. 
79.92. 

6  !:  Lesen  —  rov"  davt«)  nur  AC  38,  das  vielleicht  das  ursprüngliche 
sein  dürfte. 


I.    Zur  Textkritik  der  Apokalypse.  25 

12  9  —  o"   oaxavaq  alle  mit  Ausnahme  von  xACP  1.  95.  b  p. 

20  2   oq  zoxiv  o   öiaßoZoq  xai  o  oaxavaq]  —   o"  öiaßoXoq  alle 

mit  Ausnahme  von  X  14.  38.  79. 97.  —  o"  oaxavaq  1.  b  7. 16. 
17.  49.  p  a  79?  35.  14.  48.  51.  95.  al.  niu.1)  Wie  es  scheint 
lässt  also  hier  K  konsequent  den  Artikel  fort. 

21  8  o  sori  —  o"  ftavaxoq  P  1.  a    '? 

In  der  Interpolation  18  (s.  unten  unter  Nr.  12)  ist  nicht  ge- 
nau zu  erkennen,  ob  K  den  Artikel  hatte.  Dagegen  verbessern 
45  in  a  eoxiv  xa  sjcxa  jtvtv(uaxa  und  58  ai  siOiv  at  jtQOGsv%ai 
andre  Gruppen  von  Kodices. 

Wiederholt  wird  der  Artikel: 
915  xtjv  oogav  xai  -f-  x?]v"  rjfisgav  28-  79.     10.  49.  91.  96.     38. 
17J3  xai  xyjv  övvafuv  xai      xtjv"  egovoiav  xP  1.  36.  b     49.  91. 

96.     p     79.  a     35.  87.  al-. 
20, 02)  xov  jtvooq  xai  +  xov"  freiov   X  7.  16.  39.     79.  a     47.  49. 

32.  34.  35.  87.  c     95.    al.    (K?) 

Ein  durchschlagender  Beweis  für  eine  planvolle  Emendation 
lasst  sich  in  diesem  Abschnitt  natürlich  nicht  führen.  Aber  es 
scheinen  doch  hier  und  da  Ansätze  zu  einer  solchen  vorhanden 
zu  sein.  Wer  wird  auch  einem  Emendator  des  4.  Jahrhunderts 
noch  in  allen  Punkten  den  Gebrauch  des  Artikels  nachrechnen 
können ! 

8)  Pronomina. 

Das  Reflexivum  savxrjv  statt  avx?/v  haben  187  Sc  und  K,  mit 
allen  gegen  «A  liest  K  8Ö  savxovq.  mit  allen  gegen  «Q  7.  16. 
40.  69.  220  savx?]v. 

Ein    avxcov    fügt   K    ein    204    ejci    xo    fiexcojcov  -'-  avxcov 

is.u.X.  12)3)  aber  nicht  (37.)  415.  7n.  9,.  186.     Auch  zeigt  K  keine 

Neigung    das  Pronomen    mit  einem    Substantiv    zu    vertauschen 

(1119.  14, 8.  174.  2124). 

2)9  ist  soycov  avxcov  (statt  sgymv  avzrjq)  in  A  1.  12.  36.  b    2S. 

79.  a     17.  49.  p  beabsichtigte  Veränderung. 

9)  Präpositionen. 

a)  ejci.  Es  soll  zunächst  die  Redewendung  xa&r/o&ai.  xa&/j- 
(jtroq  ejci  x.  -9-qov.  untersucht  werden.     Der  Genitiv  steht   hier 


1)  Die  Angaben  nach  den  Originalausgaben  und  Kollationen. 

2)  208  xov  ruty  xui  -+-  xov"  Maycoy  alle  ausser  sA  1.  TU.  a. 

3)  16,9  xo  vScoq  —  avxov  1.  12.  36.  b. 


26 


Bousset,  Studien  zum  Neuen  Testament. 


ohne  Variante  410.5,.  7,  der  Akkusativ  44. 111G.  (1610.)  20, ,  (avxov). 
An  Varianten  finden  sich: 


xov  &qoi>ov 

xov 

■d-govov 

4  2  SAQ  al30.  c 

P  1.  36.  b 

10. 

17.  18.  37.  49.  91.  96.    p 
28.  79.  a  al2. 

XCO    &QOV03 

TOI 

I   &QOVOV 

4  9  SA 

PQ  Rel. 

ö,^  AQ  al30.  c 

SP        1.  36.  b 

10.  17.  18.37.47.49.91. 

96.  p    28.  79.  a     al 2. 

6,  „  tfQ  al25.  c 

ACP  i)  1.  36.  b 

7. 

10.  17.  18.47.49.91.96. 
p     28.  79.  a    al. 

7I0  aACPal30.cp 

KCQ       1.  36.  b 

7. 

17.  18.  37.  47.  (nicht  49 
Matthaei)  79.  a    al. 

7,5  Q  al30. 

aAP2)  1.  36.  b 

7. 

17.18.49.'  -p  28.  a  34. 
35.  87.  c. 

19  4  »ACQ  al24.  c 

1.  36.  b 

10.  17.18.37.47.49.91. 
96.  p  79.  a.3) 

21 5aAPQal30.cp4) 

1.        b 

10.  18.  37.  49.  91.  96. 5) 

Es  geht  aus  dieser  Zusammenstellung  hervor,  dass  in  dem 
Archetypus  von  K  konsequent  das  exi  reo  d-goveo  abgestellt  war. 
Das  Verfahren  des  Emendators  erweist  sich  hier  wieder  als  ein 
durchaus  planvolles.  Dazu  ist  noch  zu  bemerken,  dass  auch  14, 4, 
wo  die  Hndschr.  zwischen  xi]q  vsq)EXrjq,  xr\v  -?]V,  xy  -r\  schwan- 
ken, K  jedenfalls  nicht  den  Dativ  gelesen  hat,  182o  bessert  K 
wiederum  svpQcuvovxai  £üi  avxrj  in  avxrjv  (s.  o.  S.  11).  Daher  liegt 
auch  189  xkavGovrai  eji  avxrj  A  l.6)  38.  79.  95.  97.  a  b  schwer- 
lich Andreas  vor;  18, ,  ist  K  nicht  mehr  zu  erkennen.  Das  harte 
£jci  xr/g  xsiqoq  ...  r\  sjii  xo  [/sxcojtov  avxcov  (13,,;)  verwandeln 
Q  1.  36.  b  10.  17.  37.  49.  91.  96.  28.  a  p  34.  35.  Pr.  in  xeov 
f/exwjccov 7). 

1)  P  mit  Ti.  Treg.  gegen  Alf. 

2)  P  mit  Ti.  Treg.  gegen  Alf. 

3)  P    STtl    TÜ)V   &QOV(l)V. 

4)  Besonders  bemerkenswert  ist  die  grosse  Übereinstimmung  zwischen 
P  und  p  wie  sie  710  und  215  sichtbar  wird. 

5)  sv  zw  &QOva)  79.  a     35.  87. 

6)  nicht  36  (Alter). 

7)  Wahrscheinlich  ist  auch  21!6  em  ovaöiovg  in  em  ozaöiuiv  von  «PK 
geändert. 


I.   Zur  Textkritik  der  Apokalypse.  27 

b)    Das  Hebraistische  sv  ward  in  K  oft  entfernt: 

4  4  JcSQtßsßXrjftsvovg  —  sv"  ifiaxioig  AP     28.  79.  a    ?  (g). 

5  2  —  sv"  ycov?}  (isyalrj  P  1.  36.  b      17.  37.  49.  91.  96.    28.  79.  a 

87.     38  al1.  Orig.     (g). 
8  -   i,istuiy/isva  —  sv"  aituaxi  1.  36.  b    33.  34.  35.    ? 

12  5  Jtoiftaivsiv  —  sv"  gaßöco  P1)  1.  12.  b     28.  a  p    95.  97. 
1917  sxqcc&v  —  sv"  cpcovt]  AP    1.  36.  b      10. 17. 18.  37.  47.  49.  91. 

96?  p     28.  79?  a     31.  c     6.  38.  48.  95.  al.  g    vg.2) 
Wenn  daber  K   und  P   21, 6    sfisxQijOsv  -f  sv"   reo  xaZccfico 
liest,  18, 6  XC  und  K  xsyQvocofisvt]  +  sv,  182  AP  und  wahrschein- 
lich K  sxgassv  +  sv"  iGyvQa  epcovr],  so  sind  diese  Lesarten  (auch 
2116)  für  die  ursprünglichen  zu  halten. 

Dagegen  wurde  sv  absichtlich  hinzugefügt: 
213  1/fisgaiQ  +  sv"  aig  s.  o.  S.  8  (auch  g). 
1810  4-  sv"  //ia  coga  1.  a    p   38.     ? 
2123  (fcuvwöiv  +  sv"  avxi)  Se  17.  37.  49.  91.  96.  a. 

o  Auslassung  des  sx. 

2  9  xr\v  ßlaoq)?]niav  —  sx"   tcov  Isyovxcov  P  1.  36.  b    10.  17. 
37.  49.  91.  96.     p     28.  79.  a     33.  34.  al1.    g. 

13  3   sie  —  sx  Q  1.  36.  b    a  p    g. 

21  9  sie  —  sx*)  1.  b     79.  a     47.  p     (35.) 4)  87.  (Scriv.)  38. 
Dagegen  wird  sx  hinzugefügt: 
1  -   üiqcoxoxoxoc  +  sx"  xeov  vsxqcov  1.  12.  b     10.  37.  91.  96.    p. 
17  6  (is&vovGav  +  sx"  A  1.  36.  b     7. 39.    10. 17.  37. 47. 49.  91.  96. 
28.  79.  a      p      87.   30.  31.  95.    (g  vg.)5) 

d)  Verwechselung  von  sx  und  ajio. 

610  sxöixsic  . . .  ajto  P  1.  36.  b    7.  39.     28.  (Scriv.)  a    17?6)  p   33. 

35.  40.     g. 
717  s^aXsitpco  .  .  .  ajto  X.  7.  (Treg.)  16.    28.  79.  a    47.  p    14.  92. 

95.  al.5)  (nicht  49.  Matthaei)     g  vg. 
21  4  ssaXsiipco  .  .  .  ajio  alle  ausser  tfA  32.  "i 

1)  Ti.  Alf.  gegen  Treg. 

2)  Zusammengestellt  nach  den  Origmalkollationen. 

3)  ein  sx  lässt  s  aus  6].  7i:i.  1 7j . 

4)  35.  o  tiqüjtqq  xo)v  (Alter). 

5)  Zusammengestellt  nach  den  Originalkollationen. 

6)  nicht  49.  Matthaei. 

7)  64  Xaßeiv  zijv  tiyrjvrjV  ano  zt]q  ytjQ  1.  36. 


2  s  Bousset,  Studien  zum  Neuen  Testament. 

Dagegen  haben  ex  für  asro: 

16, 7  e&X&ev  ex  XA  (1.)  12.  36.  b    a      18.  p     38.  46.  95. 

19  5  E&ldev  ex1)  SP     1.  36.  b     10.  17.  18.  37.  47.  49.  91.  96.     p 

79.  a     6.  14.  31.  34.  48.  al2. 

e)  Verwechselung  von  Eiq  und  ejci. 

16  2  ^b%eev  zxt  *VP  yr/v       )  1.  10.17.37.49.91.96.  (p)  28.79.a 

eyevero  Eiq  av&Qcoxovq  j     34.  35.  (b  eiq —  Eiq,  ebenso  g). 
16,  -  e^eev  sig  xov  asga  1.  b     10. 17.  37.  49.  91.  96.   p    28.  79.  a 

14.  31.  51.  92.    g. 

In  jedem  der  drei  Fälle  setzt  der  Wechsel  der  Präposition 
eine  bestimmte  Überlegung  voraus.  In  der  ersten  Variante  passt 
in  der  That  ejci  besser,  in  den  beiden  andern  siq.2) 

Neigung  zur  Wiederholung  der  Präposition  zeigten  die  An- 
dreasklassen oben  S.  14:  19.  9,s.  Dagegen  ist  146  das  zweite  ejii 
ausgefallen  in  1.  36.  b     28.  79.  a     34. 

10)    Gebrauch  der  Partikeln. 

Ein  Asyndeton   wird   gerne  in  K  durch  Einschieb ung  eines 
xai  vermieden. 
44   +  xcu"  xvxZo&ev  xov  &qovov]  8CAP    l.  36.  b    7.16.    10.17. 
18.47.49.91.96.   p    28.  79.  a     34.35.87.  c    6.  38.  48.  g  vg.  Pr. 
7, 5   -T-  xai"  öia  tovto  Q  28.  79.  a   (die  Variante  bei  Alf.  Treg. 
nicht  angegeben). 
13  ,,   +  xai"  rovq  ev  xco  ovoavoj  oxrjvovvxaq'A)  XCPQ4)  1.  b    28.  a 
37.  47.  p     34.  35.  87.     38.  51.    vg.    Pr. 

18  ,    +  xcu"  (XEta  xavxa  1.  36.  b    7.    10. 17.  37.  49.  91.  96.    79?  a 

34.  35.  87.  c     38.  vg.  Pr. 
1816  s.  oben  S.  4  (ferner  42   o.  S.  9;    9,,    o.  S.  3). 
18,9   -\-  xcu"  lEyoviEq  alle  mit  Ausnahme  von   XAC     1.  35.  87. 

95.  vg.cod- 

19  ,    +  xcti"  [LExa  xavxa  1.  (nicht  36.  Alter)  b     10.  17.  37.  49.  91. 

96.  p    79.  a    14.  38. 


1)  Auch  hier  bleibt  K  wieder  konsequent,  diesmal  übrigens  zusammen 
mit  K.    sctp/ofiai  wird  sonst  immer  in  der  Apokalypse  mit  ex  konstruirt. 

2)  Dazu  vergl.  221C  fxaQTVQT}Oui  em  xaig  exxlrjoiaiq.  Hier  ist  K  nicht 
trenau  zu  erkennen.  Doch  scheint  es  so ,  als  wenn  die  eine  Hälfte  von  K 
mit  A  im  mit  ev  vertauscht,  die  andre  mit  dem  blossen  Dativ. 

3)  Prim.  hat  hier  mit  „qui  in  caelo  habitat"  wohl  das  richtige  erhalten. 

4)  Hier  sowohl  wie  weiter  unten  203,  vielleicht  715  istQ  abhängig  von  K. 


I.    Zur  Textkritik  der  Apokalypse.  29 

19  s1)  jLafvtQov      xai  xa&aQov2)  mit  allen  gegen  SAP   7.  91.  95. 

g    Vg.  cod.  pr# 

1915  &vtuov  -    xai"  x?]g  ooy>/g  1.  36-  b     79.  a    p    95. 

20  3   +  xai"  (tsra  xavxa  1.  b     1U.  17.  37.  49.  91.  96.    p    87.  ac 

39.  48.  51.    al8. 

20  5    -  xai"  oi  Xoutoi  Q  1.  12.  b      16.      10.  17.  37.  49.  91.  96.  p 

31.  32.  34.  c    a     38.  48.  95.  al2. 
20,        xai"  ovvayaytiv*   b   12.17?  79.  a    31.32.al1.   g  vg.  Er. 
21n    -{-xai"  o  (pcQGTijQ  1.  7.  35.  87.     79?  a  p  vg.  cod.  pr. 
2119   +  y.cu"  oi  9-sfisXioi  X  1.  b    7.    10. 17.  37.  49.  91.  96.   p    79.  a 

35  al1.  vg.cod.    pr 
3  9  lesen  statt  töov]  xai  1.  12.  b    a     49.  p. 

Ganz  verfehlt  ist  endlich  die  Einschiebung  des  xai 
6,2   -   xai"  oxs  rjvoi&v  1.  36.  12.      37.  49.  91.  96.      13.  14.  46. 
"  92.  95.   Pr. 

Dagegen  wird  xai  ausgelassen: 
9103)  xai  xsvxga  — xai"  tv  xaig  ovoaig  avxmv  1.  36.  b    7.    2v 

79.  a     34.  35.  87.  c    47.  p      38.  92.  95.  al5.  g.     Hier  ist  das 

xai  offenbar  absichtlich  fortgelassen.   Der  Ernendator  zog  das 

ev  xaig  ovoaic  avxcov  zu  xevxqü  und  schob  dann  vor  dem 

folgenden  sB,ovOia  wieder  ein  xai  ein,  wie  dieses  sich  in  1. 

(nicht  36.  Alter)  b     79.  a    37. 47. p  al.  vg.cod-  (nicht  g)  findet. 

Deutlich  tritt  hier  in  den  beiden  Reihen  K  hervor. 
lls  oxov—xai  8C     1.12.36.b    7.  34.35.87.  c   p    14.92.   Orig.4) 
ll,s  xoiq  ayioiz  —  xai"  roic  g)oßovtuepoig  1.36.  (Alter)  b     28. 

(Scriv.)  79.  a.5) 
16  ,   vjcayexe  —  xai"  txyttxs  1.  12.  36.  b?    28.  79.  a     7.  39.    37. 

49.  91.  96.  al6.   nach   Ti.   und   den   Originalkollationen.    Alt. 

giebt  nur  1.  (!)  an. 

21  8  —  xai"  eßösXvyiiEVOig6)  1.  12.  b     79.  a    (49.  lässt  vor  sßöt- 


1)  vergl.  noch  1914  Xsvxov  -\-  xui"  zu&uqov  s  1.  10.  2(J.  34.  35.  10.  41. 

2)  Dazu  sind  in  K  die  Adjective  umgestellt. 

3)  Ob  in  5 13  nuvzaiq)  —  xai"  r/xovoa  ?.^yovta(g)  in  K,   AP  und  den 
n  Minuskeln  das  ursprüngliche  ist.  lässt  sich  schwer  sagen. 

4)  Dazu  vergl.  2010  otxov  —  xai"  a    1.  b     IS.     p     91. 

5)  Hier  liegt   eine   sehr  wichtige   und   den   Sinn   stark   beeinflussende 
Änderung,  vielleicht  auch  das  ursprüngliche  vor. 

6)  Hier  mag  ein  im  folgenden  aufgegebener   Versuch  vorliegen,  die 
verschiedenen  durch  xai  an  einander  gereihten  Adjektive  zu  gliedern. 


30  Bousset,  Studien  zum  Neuen  Testament. 

Ivynsvoiq:  „xai  a[iaQTO)Zoig  xai"  aus,  die  Worte  sind  aber 
von  der  Hand  des  Schreibers  wie  es  scheint  eingefügt. 
Matthaei). 

22  7  —  xai"  töov  1.  b    10.  17.  37.  49.91.96.    34.  (nicht  35.  Alter) 

c  p    38.  40.  48.  Pr.  (Ein  solches  asyndetisches  töov  ist  sonst 

sehr  häufig  in  der  Apokalypse). 
22  9  —  xai"   rmv  rr/gowrcov   1.  12.  b      10?  17?  37.  47.  49.  91. 

96.  p      31.  38.  al4.  Pr.  — wohl  beabsichtigte  und   den  Sinn 

stark  beeinflussende  Änderung. 

Dagegen  dürfte  das  Fehlen  des  verbindenden  ovv  3,6  tfP  1 
36.  b  28.  79.  a  10.17.37.49.91.96.  14.92.  g  vg.  Pr.  wohl  das 
ursprüngliche  sein. 

Öfter  wird  ovre  und  ovds  vertauscht,  92o  ovx  .  .  .  ovöe]  ovrs 
AP  1.  36.  b  17.  33.  34.  a  128  ovx  . . .  ov'ös]  ovrt  P  1.  36.  b  a 
17.  33.  34.  35.  204  ov  . .  .  ovöe]  ovrs,  wie  es  scheint  K.  Es  ist 
also  in  K  in  diesen  drei  Fällen  konsequent  ovrs  geschrieben. 
53  lesen  APK  statt  dreimaligen  ovre  ein  dreimaliges  ovöe.  — 
Bestimmte  Absicht  lässt  sich  hier  nicht  nachweisen. 

11)    Gebrauch  der  Konjunktionen. 

B.  Weiss  behauptet,  dass  die  späteren  Hndschr.  (PQ)  den 
Konjunktiv  nach  iva  einführen.  Doch  liesse  sich  ebensogut  das 
umgekehrte  beweisen.  Die  Untersuchung  ist  hier  eben  eine  be- 
sonders schwierige,  weil  sich  in  vielen  Fällen  K  nicht  mehr  ge- 
nau bestimmen  lässt. 

Es  lesen  allerdings  PQ  und  alle  Minuskeln  gegen  xAC  7.  36. 
42.  in  92o  t>va  JiQOOxvvrjöcooiv.  Der  Indikativ  stand  hier  ur- 
sprünglich, da  hier  das  iva  beinahe  den  Sinn  von  coözs  hat. 
Ebenso  lesen  1312  PQ  und  alle  Min.  gegen  AC  6.  7.  14.  30.  98.  b 
xai  jcoisi  Ti]V  yrjv  xai  rovg  tv  avrrj  xaroixovvraq  iva  jcqoo- 
xvvrjOmOiv  {iva  vertritt  hier  schon  den  Infinitiv,  den  X  auch 
wirklich  liest).  Wahrscheinlich  steht  auch  39  K  —  freilich  nicht 
P  —  auf  Seiten  von  Q  Rel.  in  der  Lesart  idov  jioitjog>  iva 
rj^cooiv  xai  jiQooxvvrjOmöiv. 

Aber  die  unsinnige  Verbesserung  83  iva  ömor}  (PQ  al.) 
macht  K  nicht  mit.  Es  lesen  iva  dcooei  sAC  1.  b  28.  a  34.  35. 
87.  c    96.     29.  94.  95.  (dm  lesen  6.  9.  14.  36.) 

K  ist  nicht   zu  bestimmen  95    edo&i]  avzoig  iva  firj  ano- 


I.    Zur  Textkritik  der  Apokalypse.  31 

xrstvcooiv  —  aXX    iva  ßaöavio&r/oovxai.     So  lesen  nämlich 
XAP    1.  12.  36.  b     38,  die  übrigen  ßaoaviod-cooiv. 

Wegen  der  Parallele  zu  diesem  Satzbau  ist  gleich  hier  her- 
zusetzen 13,6  xai  xoiei  ütavxaq  .  .  .  iva  öooiv. . .  iva  yu]  xiq  övva- 
raiPQ  1.  b  7.16.  37.  28.  79.  a  p  6.14.31.32.48.92.  aP.  Da 
Övvaxai  ein  Präsens  mit  Futurbedeutung  ist,  so  entspricht  der 
Indikativ  hier  dem  Sprachgebrauch  des  Apokalyptikers.  Es  ist 
also  in  K,  PQ  hier  das  richtige  erhalten. 

Ebenso  ist  6H  xai  eqqe&tj  avxoiq  iva  avajtavoovxai  P  Q1) 
1.  36.  (Alter)  b  7.  28.  79.  8.  13.  98.  gegen  avaxavöcovxai  KAC 
Rel.  das  ursprüngliche.  Auch  hier  hat  das  iva  seine  volle  Be- 
deutung nicht  mehr.  94  ist  ebenfalls  das  eqqe&i]  avroiq  iva  [i?] 
aöixrjoovoiv  durch  A  36.  bezeugt  und  14i3  ist  zu  lesen  vai  Xejei 
xo  jrvEVfia  iva  avajta?]Oovrai  mit  sAC  Q  1.  36.  b  7.  16.  28.  50. 
98.  (K?) 

Bemerkenswert  ist  noch,  dass  13, 5  nach  einem  EÖod-rj  avxco 
iva  X  14.  92.     36.  b     79.  c     95.  aP.  jtoitjasi  lesen. 

Es  ergiebt  also  hier  die  Untersuchung  kein  bestimmtes  Re- 
sultat. Eine  bestimmt  durchgeführte  planvolle  Emendation  lässt 
sich  an  diesem  Punkt  nicht  nachweisen,  und  das  ist  auch  kaum 
zu  erwarten,  da  im  späteren  Sprachgebrauch  iva  mit  dem  Indi- 
kativ immer  gebräuchlicher  geworden  zu  sein  scheint. 

Dagegen  beseitigt  K  fast  überall  den  Indikativ  nach  ov  fit] 
3  3  ov  fir/  yvcoöij}  yvcoq  ACP    1.  36.  b      10.  37.  49.  91.  (Treg.)  96. 

p      28.  a      31.  32.  48.  51.    aP. 
7,4  ovöe  fii]  öirpr/Govoiv]  .  .  .  moiv  P  b    14.      ? 
9  G  ov  pi  evq7]Oov6iv]  EVQOJOiv  AP  12.  (b)    17.  49.    34.  35.  87.  c 

28.  79.  a  al1.  (Evor/Ocoötv  1.  2.  9.  11.  27.  92.  93.) 
15  4  xiq  ov  {.ir]  cpoßrj&rj  y.ai  do^aOEi]  öo^ao?]  X  1.  36.  b  7.  39? 
10.  17.  37.  49.  91.  96.  35.  c  38.  mu.  al.  ut  videtur.2) 
Nur  18u  verwandelt  K  das  evqtjoovöiv  nur  in  EvgrjOEiq  (nur 
einige  Hndschr.  haben  das  fälsche  Evor]ö?]q).  Im  ganzen  folgt 
K  dem  Sprachgebrauch  des  Apokalyptikers,  der  überall  sonst  ov 
lir]  mit  dem  Konjunktiv  konstruiert. 


1)  Q  Alf.  Ti.  gegen  Treg,  A  Ti.  Treg.  gegen  Alf,  C  Alf.  Ti.  gegen 
Tregelles.  Weiss  führt  zum  Beweis,  dass  o  und  a>  in  PQ  schon  leicht  ver- 
tauscht wurden  315  die  Schreibweise  (txfskov  statt  o<pe).ov  an.  Aber  w(pe?.ov 
ist  kein  Schreibfehler,  sondern  Schreibweise  der  späteren  Minuskeln. 

2)  Nach  den  Originalkollationen. 


32  Bousset,  Studien  zum  Neuen  Testament. 

An  der  schlechten  Verbesserung  oxav  öcoGcoöiv  49  in  xQ    7. 
12.  14.  16.  32.  39.  92.  b     hat  K  keinen  Anteil.  >) 


GM   lesen  eoio  -■-  ov  1.  36.  b      28.  79.  a      10.  17.  37.  49.  91.  96. 

7.  33.  51. 
7  :}  ayoig  nur  sACP  1.  12.  b      Orig.     +  ov  Q  Rel.     +  «*>    18. 

28.  79.  a. 

10  ,   <x>?  evrjyyeXiö.]  o.  sv.  b     10.  37.  49.  91.  96.    p     28.  79.  a. 
2210  0  xaiQog  yao]  oxi  0  xaigog  1.  b     10.  17.  37.  49.  91.  96.     p. 

12)   Ausserordentlich  häufig  sind  Glossen  und  erklärende 
Zusätze  in  K. 

1  9   00a  siöeg    +  axiva   tiöiv  xai  XQV   ytvso&ai   1.  12.      7.  16. 

45.69.     10.18.37.49.91.96.    p    28. 99.  a    38.46.50.86.88.90. 
1  s  xai  xo  m  -    aoyj/  xai  rsXog  X     1.  b     34.  35.  87.  c     37.  41. 

vg.    Orig.  g    -f  ?/  aQ'/ji  xai  xo  xsXoc     28.  79.  99.  a    36.  49. 

(Alter.) 
117   xrtv  de£iav   -     yuoa  Xcc2)     1.  36.  b     10.37.49.91.96.     p 

28.  a     41.  92. 
220  syco  xaxa  oov  -j-  jcoXv  X    12.36.  b    17.  g    (28.79.  a  -f  jtoXXa 

1.  33.  41.  vg.cod-  oXiya.) 
5  4   avoiscu  -\-  xai  avayvwvai"  xo  ßißXiov  1.  36.  b     10.  17.  37. 

49.  91.  96.     p     28.  (Scriv.  doch  nicht  28 2.)  a     39.  87.  al2. 

5  -  uXrjtpev  —  xo  ßißXiov  1."  36.     7.  16.  39.  vg.cod-  (hinter  £jr/ 

toi?  d-QOVov    38.  c  • '    a  p  vg.  cod-).   Q  fügt  nur  ein  xt/v  hinzu, 
mag  also  ursprünglich  ein  xi)v  ßtßXov  gelesen  haben. 

6  9  xag  yvyag    -\-    xow  avd-Qcoütcov  xP     1.  12.  36.  b     10.  17? 

37.  49.  (Alter)  91.  96.  p     al1. 
813  fieyaXT)  +  xQig  7.  17.  37.  49.  91.  96.     28.  79.  a. 
9  j   avd-gmjcovg    r  fiovovg  10.  37.  49.  91.  96.     g  vg. 
915   xo  xQixov         fiSQog  2S.  79.  a     37.     g  vg.     ? 

1 1  8  xai  xa  jixo)[iaxa  avxow  +  saoei  28.  37.    79.  a     43.  (tfcc  + 

soxai.)     (K?) 
1117  xai  0   ?]v   --   xai  o    loyoiiEvog  36.      10.17.37.49.91.96. 
28.  79.  a     95.    vg. 


1)  Den  irregulären  Indikativ  nach  ozuv  —  sccv  haben  bald  diese  bald 
jene  Kodices  222  sctv  (jltj  ßttavorioovoiv  «A,  49  oxav  öojooioir  AP  1.  18. 
28.  32.  33.  34.  36.  38.  79.  ap,  cf.  10T.  116.  7.  1315.  144. 

2)  scc  Ti.  Alf.  s  Treg. 


I.    Zur  Textkritik  der  Apokalypse.  33 

14  6  xai  siöov  +  aUov"  ayysXov  tfccACP     10. 17. 49. 91. 96.    79.  a 

51.  95.    al1.   g   vg. 
1413  Xsymxirjg  +  fiot  1.  36. l)  b     10.  17.  47.  49.  91.  96.     p     28. 
79.  a     g  vg  ?  Pr. 

15  9   -{-ex  zov  yaocr/iiaxog  avzov  (xai)"  ex  z.  agid-fi.  1.  36.    28. 

79.  a     34.  35.  87.  c     17.  47.     39. 

16  3  und  in  den  folgenden  Versen  schieben  ein  ayysXog  ein: 
16  3  alle  ausser  Xc    18.95. 

16  4  1.  36.  b     10.  49.  91.  96.  p  28.  79.  a    34.  35.  87.  c     38. 
168  Sl.36.b    10?  17? 49. 91.  96.  p  28.79.a     35.  c   6.38.vg.Pr. 
16]0  1.36.b      10. 17.37. 49.91. 96. p  23. 2)  79.  a  34. 35. 87.  c   39. vg? 
1612  36.b         lC.17.37.49.91.96.p  28.79.a    34.35.87.C   39.vg?g. 
1617  Sc1.36.b  10. 17.37.49.91.96.  p  28.79.a    34.35.87.C  gPr. 

'  Ebenso  wird  87  in  1.36.b  28.  79.  a  c  p  38.  98.  g  vg.  Pr. 
ayyeXog  eingeschoben,  während  es  an  den  übrigen  Stellen  des 
Kapitels  überall  steht. 

17  ,   Xeycov  +  /not     1.  b     28.  79.  a    p. 

18  6  aneöorxev  +  vfiiv     1.36. b     10.  17.  47.  49.  91.  96.     a    4.  31. 

48-     g     (p  rjfiiv)     g.  vg.cod- 

20  4  fiEvcoxcov  +  avxoov    1.  b    10.  17.  37.  49.  91.96.     a     2.  13. 

21  3  Eine  ganz  verfehlte  Glosse  ist  das  d-sog  avxcvv,  das  P    12. 

79.  a    b  (K?)  hinter  y,ex avrcov  einschieben.3) 

21  5  xai  Xsysi  -f  (wo*4)  (s.  1413.  17,.)  xP    1.  b     10.  18.  37.  47.  49. 

91.  96.     p     34.  35.  c     79.  a  vg.  c°d- 
21,0  xi]v  jioXlv  +   ttjv  jieyaXrjv  xai'0)     1.  b     10.  17.37.49.91 
96.     p     31.  32.  34.  35.  c     79.  a     38.  48.  al6. 

22  ,   jtoxafiov  +  xa&agov  (1.)  b    7.  10.  17.49.91.96.    p    31.32 

34.  c     79.  a     33-  38.  48.  al3. 
22  8  rag  -  ejtxa"  xXi/yccg  Q    b     10.  37.  49.  91.  96.    31.  32.  34.  e 

a  p     33.  48. 
2220   --  vai"  atu>jv  (7.)6)  10?  17?  37?  49.91.96-     p    79.a    35.38. 
22.2fl  Il1°ov  +  XgiOxe  Xc  79.  a    b**t.    p     38.     31.  48.  al7.     ? 

Dazu  sind  noch  zu  vergleichen     111.  2o  (s-  °-  S.  8). 


1)  36.  nach  Alter. 

2)  Scrivener. 

3)  avxwv  &eoq  haben  auch  A  vg.  Tich. 

4)  1919.  2210  steht  Xsysi  ,«eu. 

5)  Das  xai  haben  nur  1.  b     79.  a    31.  c. 

6)  7.  liest  xai. 

Texte  u.  Untersuchungen  XI,  4. 


34  Bousset,  Studien  zum  Neuen  Testament. 

13)  Auslassungen  finden  sich  weniger. 

5  4  —  £70"  exlaiov  XP     1.12.  36.  b     28.2     Orig.     P1) 
13  7   —   xai   sooft?]   vixr/oai   avrovq  ACP     1.  12.  b     p     14.  92. 
Auch  hier  ist  es  zweifelhaft,  ob  die  Worte  in  K  fehlten.    Es 
liegt  hier  ein  einfaches  Schreibversehen  vor. 
13  7  —  xat  Xaov     1.  36-  b     10.  17.  49.  91.  96.     p     Pr. 
15  7   —  ev"  tx  S     1.  12.  b     7.  16.     79.  a  p     90.  al5.     (Auch  hier 
liegt  ein  einfacher  Schreibfehler  vor.) 

18  ,   —  xai  Jtev&og  1. 12.     10.  37.  49.  91.  (Treg.)  96.  (Scriv.)  p. 
19,   —  coq"  <pmvr\v     1.  12?  b     7.16.    18.  47.  (nicht  49.Matthaei) 

91.  (nicht  96.  Scrivener)     p  g  Pr.2). 

19  6  —  coq"  gxnvTjv*)  1. 12.  b    ap    31.35.  87.  (Scrivener)  6-al1.  g. 
19n   —  xaXovftsvoq  AP     1.  12.  b     79.  a    p     6.  31.  32.  48.  al.  g 

(nicht  Pr.  s.  Hausleiter).    Vielleicht  jedoch  ist  xaXovftsvoq 

von  den  übrigen  Hndschrn.  eingeschoben. 

Es  sind  also  nur  sehr  wenig  Auslassungen  vorhanden,  die 
sich  auf  K  zurückführen  lassen,  und  bei  diesen  hegen  meistens 
Xachlässigkeitsfehler  vor.  Nur  die  mehrfache  Auslassung  von 
coq  ist  beabsichtigt  (vergl.  noch  die  Auslassungen  15,  s.  16,  [l13. 
6,],  ferner  182.  612  s.  o.  S.  9.  u.  10.  Anm.  7). 

14)  Wortumstellungen. 

Hier  lässt  sich  schwerlich  eine  bestimmte  Absicht  nach- 
weisen. Ich  notiere  die  Varianten  ll8  rov  aöov  xai  rov  dararov, 
115  &£Äei  avrovg(?)  117  JcoXef/pv  [ter  avrcov(?)  174  yovoovv 
jioTtjQiov     1S14   ov  (ir)  zuot/G.  acta    206  o  d-avctxoc,  O  ÖSVTSQOq 


1)  Kaum  liegt  K  vor  in  94  —  rov  &sov  1.  12.  17?  28.  47.  (nach  Mat- 
thaei)  79.  a  b  am.  9i2  eg/ßzai  —  sri  1.  p  97.  (nicht  49.  Matthaei)  (36.  b  37.  a 
haben  ai  für  eri).  II7  —  xai  unoxxevBi  avrovq  1.  12.  36.  b  87.  al2.  (Aus- 
lassung per  Homoiotel;  die  Stelle  ist  wichtig  wegen  der  Übereinstimmung 
von  1.  12.  36.  b).     1210  rov  &sov  —  rjfjLvjv  1.  28.  79.  a    p     14.  92.  al2. 

2)  Wahrscheinlich  fehlte  in  K  auch  das  iitya/.rjv  hinter  (fcovrjv:  1.  b 
18.  al.  (nicht  47.  Alter)  lassen  es  aus,  10.  17,  37.  49.  91.  (Treg.)  96.  lesen  es 
an  anderer  Stelle. 

3)  Dazu  vergleiche  5U  —  (oq"  <pwvi]v  APQ  1.  b  28.  79.  17.  49.  14.  16. 
g  vg.  Pr.  66  —  ü>q"  (fojvrjv  K  mit  den  übrigen  gegen  sACP  6.  12.  17.  b  g 
vg.  Dagegen  ist  14 3  coq  coötjv  in  AC  1.  36.  (Alter  e  sil.)  b  28.  79.  a  17.  95. 
al.  vg.  das  ursprünghche,  vielleicht  ist  endlich  19j2  das  coq,  das  in  A  36.    35. 

91.  [Treg.)  95.  al.  erhalten  ist,  das  ursprüngliche;  (46  —  coq"  SaXuooa 
1.  a  p  94.  Pr.) 


I.    Zur  Textkritik  der  Apokalypse.  35 

2(i, ,  o  ovgavoq  xat  ?j  ///f?!  20,,  Itvxov  tueyav  2013  rovg  hv 
i'.crf]  vsxgovg  ib.  rocg  ev  avroig  vtxgovg  2213  acr/ji  xai  rsXog 
(o)  jegeorog  xai  o  soyarog.  Mit  X  teilt  K  dieselbe  Stellung  in 
folgenden  Varianten:  120  «*  ejtra  lw/yiai  210  £g  i\ucov  0  öia- 
ßoXog  16,  l)  epcov/jg  (lEyaÄ/jg  11-  001  sqco  17,  -  fiiav  yvoj^/jv 
199  aXrjfrtvoi  eiöi  rov  &sov  203  avrov  Xv&-/jvai  213  sorai  pur 
avrcov   228  o  ßXejtcov  xai  axovcov  xavxa   22,  ö  8üt  avrov  o  d-eog  2). 

15)  Wortvertauschungen. 

95  das  leichtere  JtX?]t~//  statt  jiaiorj  lesen  10.  37.  49.  (Matthaei) 
96.  4L  42.  al.  (K?)  114  d-sov  statt  xvgiov  1.  36.  b  28.  79.  a  (K?) 
115  hat  K  das  erläuternde  ajtoxreivai  statt  aörx/jöai  14, 5  und 
16173)  ist  absichtlich  ovgavov  statt  vaov  gelesen  19, 7  ist  xo 
öeiüivov  xov  ftsyaXov  statt  xo  fisya  rov  einfacher  Schreibfehler, 
vielleicht  auch  223 . 5  sxsc  statt  sri 4)  226  rcov  ayicov  jrgo(pt/xcov 
für  rcov  jcvevfiaroDV  zcov  jtgocptjxcov:  eine  offenbar  den  Ausdruck 
erleichternde  Veränderung. 

Im  Laufe  der  Untersuchung  haben  sich  zahlreiche  Spuren 
gefunden,  die  darauf  hindeuten,  dass  X  mit  K  in  engerer  Be- 
rührung steht,  vielleicht  von  K  abhängig  ist.  Vergl.  die  Stellen 
unter  1)  1419.  2)  27.  21,.  3)  1115.  4a)  224.  4c)  146.  4d)  32.  ,9.  174. 
18lti.  163.  102.8.  4e)  1,7.  5b)  13s.  17s.  7)  llu.  204.  215.  6S.  8n. 
1713.  2010.  9a)  5,3.  715.  9d)  7,7.  16,7.  195.  10)  20s.  21l9.  11)  154. 
12)  220.  69.  168.  215.  13)  54.  157.  14)  s.  dort  die  Stellen.  Endlich 
vergl.  noch  oben  S.  10.  Anni.  4f  118  die  Variante  ra  jcxwfiaxa. 

An  folgenden  Seilen  tritt  die  Abhängigkeit  K's  von  K  deut- 
lich hervor:  4n  lesen  die  Mehrzahl  der  Hndschr.  0  xroiog  xai 
0  d-eog  ijficov,  K  xvqis  o  d-eog  rjpcov;  tf  xvgie  0  xvgiog  xcu 
o  deog  Tjficov    174    die  Mehrzahl  xrjg  yrjg;   A    1.  36.  b     10.  17. 


1)  In  dieser  Stellung  findet  sich  der  Ausdruck  sonst  immer  in  der 
Apokalypse. 

2)  Vielleicht  auch  19s  zozi  ztov  ayunv.  21 9  zi\v  vvfxffrjv  zov  aovwv 
zr\v  yvvaixa. 

3)  I617  lesen  zov  vaov  nA  10.  14.  92.  95.  vg.  Pr:  zov  ovquvov  1.  12. 
3G.  b  28.  79.  a  47.  g;  QRel.  dagegen  zov  vaov  rov  ovQavov.  Sichtlich  ist 
hier  die  Familie  Q  Rel.  schon  von  K  abhängig.  Man  sieht  hier  deutlich 
das  relativ  hohe  Alter  der  Lesarten  von  K. 

4)  K  liegt  wohl  kaum  vor  in  den  Änderungen  2u12  tttov  für  0-qovov 
und  19 20  fieza  zovzov  statt  fxez'  avzov. 

3* 


36  Bousset,  Studien  zum  Neuen  Testament. 

18.  37. 47. 49.  91.  96.    p     28.  79.  a    31.  34.  35. 87.  c    38.  95.  avzr)g\ 
ü  avxrjq  xat  xr/q  yt/~. 

Auch  mit  A  liegen  zahlreiche  Berührungen  vor  1)  8,3.  13, 5? 
196?  2)  320.  21fi.  4b)  53.  4d)  113?  102.  10.  4e)  lln.  5b)  1612? 
6)  37.  7)  16l2.  8)  222.  9a)  61C.  7,5.  9b)  44?  19,T.  9c)  176.  9d)  1617. 
10)  9,0?  11)  9«.  12)  146?  21..  13)  13?.  19,,  ? 

Jedoch  ist  es  gerade  bei  den  Übereinstimmungen  mit  A 
häufig  sehr  fraglich  (vergl.  die  Stellen  mit  Fragezeichen),  ob  wirk- 
lich gemeinsame  Fehler  vorliegen.  Es  wäre  möglich,  dass  A 
teilweise  als  Textgrundlage  von  K  anzusehen  ist.  In  137  (s.  o.) 
teilt  A  mit  K  die  durch  Nachlässigkeit  entstandene  grosse  Aus- 
lassung. Am  wichtigsten  zur  Charakterisierung  des  obwaltenden 
Verhältnisses  ist  133.  Hier  lesen  1.  12.  36.  28.  79.  a  p  mit  A 
td-avfiaö&i]  statt  s&avfiaosv,  haben  dann  jedoch  die  Form  passi- 
visch aufgefasst  und  schreiben  infolge  dessen  statt  olrj  rj  y?/: 
i-v  o/.tj  rij  yrj. 

Eine  nähere  Untersuchung  über  das  Verhältnis  von  X  und 
A  zu  K  bleibt  wünschenswert. 

Es  erübrigt  noch  das  Verhältnis  von  K  und  Q,  resp.  der- 
jenigen Klasse,  an  deren  Spitze  Q  steht,  zu  besprechen.  B.  Weiss 
nimmt  eine  dem  weitesten  Umfange  nach  gemeinsame  Textgrund- 
lage von  P  und  Q  an.  Es  hat  sich  nun  erwiesen,  dass  P  auf  die 
Seite  von  K  gehört  und  eine  von  Q  Rel.  verschiedene  Recension 
repräsentiert.  Es  steht  nun  auch  nicht  einmal  so,  dass  das  Ver- 
hältnis der  beiden  Recensionen  unter  einander  eine  so  nahe  Ver- 
wandtschaft zeigte,  dass  wir  eine  gemeinsame  Grundlage  derselben 
annehmen  müssten.  Es  wird  demgemäss  nötig  sein,  das  gesammte 
Material,  das  Weiss  zum  Beweis  für  seine  Behauptung  bringt, 
soweit  die  betreffenden  Stellen  nicht  schon  besprochen  sind1), 
einer  Prüfung  zu  unterziehen. 

1310  u.  ,4  lesen  nur  AC  und  NAC  fiayaiQrjg,  alle  übrigen 
nayaiQaq.  Aber  wer  will  hier  denn  sagen,  wo  die  gemeinsame 
Emendation  liegt?  (ia%aiQ7jq  kann  auch  provincielle  Eigentüm- 
lichkeit von  NAC  sein. 

Die  jonische  Form  xsooeqü  steht  46.  5,4  in  A  (gegen  NPQ). 
48.  58  NA  (geg.  PQ),  194  NAC  fg.  PQ),  die  Form  xiOoj.Qay.ovxa 


1)  ich  verweise  zurück  auf  die  Bemerkungen,  die  ich  bereits  zu  Nr.  1 
und  2  gemacht  habe.    Unter  Nr.  2  s.  die  Stelle  13 18. 


I.    Zur  Textkritik  der  Apokalypse.  37 

7,  »C  (g.  AP),  11,  SA  (g.  P),    135.  14,,  3.  aAC  (g.  P),  21l7  A 

[g.  P). ')  Auch  durch  das  gesanmite  neue  Testament  lässt  sich 
eine  bestimmte  Klasse  von  Hndschrn.  aufweisen  (dieienige,  die  sich 
um  B  gruppiert)  die  regelmässig  zsGGeQaxovza  schreibt.  Aber 
weshalb  sollen  nun  die  älteren  Kodices  das  richtige  haben  und 
die  jüngeren  emendiert  sein?  Es  bietet  sich  mir  vielleicht  noch 
einmal  Zeit  und  Gelegenheit  zum  Nachweis,  dass  gerade  in  der 
von  B  geführten  Gruppe  eine  sehr  absichtliche  und  sehr  eigen- 
tümliche Orthographie  herrscht.  Die  jonischen  Formen  zsoosQa — 
rsöoeQaxovta  können  auch  Eigentümlichkeiten  der  betreffenden 
Gruppe  sein.  Es  kommt  hinzu,  dass  A  allein  44  zeGOtgag  statt 
zeouaoag  schreibt,  dass  A  1{  an  zwei  Stellen  von  dreien  zeggcc- 
Qsg  statt  reoGagag  schreibt,  ebenso  8  914;  Jo.  111T  Sz/  Act.  2729  X 
Diese  sich  häufig  wiederholenden  Fehler  deuten  darauf  hin,  dass 
in  dem  betr.  provinciellen  Dialekt  die  Aussprache  des  doppelten 
a  eine  schwierige  war,  aus  diesem  Grunde  schrieb  man  ja  auch 
ztoosoa  reoosQaxovra,  dagegen  nicht  zegG£Q(üi>. 

Die  Angabe,  dass  PQ  6U  gemeinsam  ajioxztivEG&ai  statt 
ajtoxTSvveo&ai  lesen,  ist  wahrscheinlich  falsch.  Xach  Alf.  Treg. 
gegen  Ti.  lesen  Q  und  einige  Minuskeln  ajioxztvEGfrai.  Übrigens 
mag  bemerkt  werden,  dass  ajtoxztivco  auch  ständige  Lesart  von 
B  ist,  und  dass  auch  S5  1310  ajtoxzsivco  liest. 

Von  den  Formen  jtezoftsvog  -copavog,  ?]  -g  -övvazo  ist  be- 
reits die  Rede  gewesen.  Viel  weniger  wird  man  bei  so  verein- 
zelten Formen  tvöcofitjöig  —  tvöo^Gig,  ygvGav  -rjv,  awjzatjGov- 
xai  -jtavGovxcu  irgendwie  entscheiden  können.  Ehe  man  hier 
überhaupt  weiter  kommen  kann,  gilt  es  unsre  neutestamentlichen 
Hndschrn.  zu  klassifizieren,  die  Klassen  wenn  möglich  zu  loka- 
lisieren. Dann  müsste  die  Untersuchung  auf  sonstige  handschrift- 
liche und  inschriftliche  Zeugnisse  derselben  Provinz  ausgedehnt 
werden,  und  nach  allen  diesen  Vorstudien  könnte  erst  ein  Urteil 
über  orthographische  Eigentümlichkeiten  gestattet  sein. 

Über  den  Indicativ  nach  iva  ist  schon  oben  ausführlich  ge- 
handelt. Hier  lagen  Änderungen  sehr  nahe.  Für  eine  gemein- 
same Grundlage  können  daher  die  wenigen  Übereinstimmungen 
92(1.  13,  ,.  83   (an  letzterer  Stelle   geht  dazu  P  nur  zufällig,   d.  h. 

1)  Q  setzt  überall  die  Zahlen  in  Buchstaben. 


3§  Bousset,  Studien  zum  Neuen  Testament. 

gegen  K,  mit  Q  Rel.)    —   nichts  beweisen.     Umgekehrt   haben 
PQ  13! 7   (6M)  das  Richtige  erhalten. 

Vor  allem  aber  muss  darauf  geachtet  werden,  ob  nicht  das 
Zusammentreffen  von  PQ  ein  zufälliges  ist,  ob  wirklich  in  jedem 
Fall  die  Textklassen  zusammentreffen. 

Schon  oben  sind  die  meisten  Stellen,  die  hier  in  Betracht 
kommen,  behandelt.  Für  die  Abhängigkeit,  in  der  sich  hier  und 
da  namentlich  Q  K  gegenüber  befindet,  cf.  5,:H  (s.  o.  S.  9)  1)  llt. 
2)  107.  4>53.  143.  15s.  146.  163.  9)  710.  133.  10)  715?  13ß.  20,. 
11)  13i7?  6lt.  12)  57.  228. 

Hier  folgen  noch  einige  bemerkenswerte  Stellen: 
1  5  XvGavxi  sx  tf  AC     1.  12.  36.  b     28.  79.  99.  a    p  6.  38. 

lovoavxi  ajio  PQ  Rel.  c. 

Hier  befindet  sich  K  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  auf  Seiten 
von  XAC  und  P  geht  nur  zufällig  mit  Q. 
212T  xai  jroicov  BCA     18-41.  68.  92. 

xai  o  jiouov  5?  Rel . 

xai  jtoiovv  PQ     1.  b      10.  17.  37.  49  91.  (Treg.)  96.     a  34. 
35.  c    31.  38.  48.  al. 

Diesmal  geht  X  mit  der  Mehrzahl  der  Minuskeln,  Q  mit  K, 
nur  in  A  ist  das  Ursprüngliche  erhalten,  X  Rel.  und  K  bessern 
in  verschiedener  Weise.1) 

In  170  habenPQRel.  gegen  AK  das  richtige  bewahrt  (s.o.  unter  9c). 

Da  wo  P  und  Q  mit  den  Klassen,  die  sie  vertreten,  zusammeu 
gegen  tfAC  und  wenige  Minuskeln  stehen,  haben  sie  auch  sehr 
oft  das  Ursprüngliche  erhalten. 

4  4  ist  kaum  mit  tfA  f)x>ovov?  sixogi  xsGGaosc  zu  lesen,  sondern 

mit  den  meisten  ftgoroi  .... 

5  ,    lesen  X  Or.  Sfurgoofrev  xai  ojiiG&tv 

A   1.  14.  D  eoco&sv  xai  0Jiiö&£V 
PQ  Rel.  £GCi)&£v  xai  tgcofrsv 
LXX  Ez.  2,o  e/jjtQOG&sv  xai  xa  ojiigw. 
PQ  haben  hier  das  Richtige,  alles  übrige  ist  Korrektur  nach  LXX. 


1)  Hier  sind  noch  folgende  Minutien  zu  erwähnen:  21u  liest  Q  mit  P 
l.b  18.  79.  a  35.87.  29.97.  xQvazaX[k]it,ovTi  33  Q  mit  scP  und  fast  allen 
Hndschrn.  von  K  ovxoq  statt  ovrcog.  Die  einzige  gemeinsame  Wortumstellung 
die  W.  in  PQ  gefunden  (S.  7)  3!8  zqvgiov  nag  s^iov  erklärt  sich  auch  da- 
durch, dass  P  hier  von  K  abgewichen.    K  liest  mit  den  älteren  Hndschm. 

TICCO      8/LlOV    /QVOlOV. 


I.    Zur  Textkritik  der  Apokalypse.  39 

9  -   ist  ouoia  zu  lesen,  X  falsch  otuotoi.  A  ofioico^ara. 

9,M   ist  mit  allen  geg.  S?A  Jtooj'eiaq  statt  jtovt]oiaq  zu  lesen. 

13  ist  mit  PQ  Rel.  ßlaoyijiiiav  zu  lesen,  die  beiden  andern 
Varianten  ßZaGtyijfia  und  ß?Möq>?/(iiaq  sind  Konformationen 
nach  dem  voraufgehenden  (isyaka.  Damit  ist  auch  die  Var. 
ßlaötprjfuav  13,,   gerechtfertigt, 

17  |  stand  ursprünglich  kein  xai  vor  dem  xsxQVöcoftsviJ,  nur  so 
ergiebt  sich  der  richtige  Satzbau.  PQ  Rel.  haben  das  Ur- 
sprüngliche behalten,  während  in  den  älteren  Kodices  das 
xai  mechanisch*  eingeführt  wurde. 

182]   ist  mq  (ivXov  fisyavFQ  Rel.  echt  gegen  das  unsinnige  fiv- 
Xivov  (A)  oder  iivXixov  (C)  (X  Xi&ov). 
Dazu   kommen   die  von  Weiss  selbst   zugestandenen  Fälle 

(.l1(1  ofioioiq  (st.  -aq)     213  Xaoi]  Xaoq     43  igsiq]  iQiq     8(i  avrovq] 

tavTOvq.   wo  PQRel.  gegen  XA  al  zu  Recht    bestehen,    endlich 

1118    rovq    (iiXQOVq    xai  rovq  ftsyaXovq]  roiq  (iixQoiq  xai  roiq 

fieyaloiq  PQRel.  gegen  NAC. 

Dagegen  liegen  gemeinsame  Korrekturen  in  PQ  vor,  ausser 

den  schon  erwähnten.. 
227  övvTQißerai]  owrQiß/jGerai.  Diese  schlechte -Korrektur  ist 
sehr  alt,  ihr  folgt  schon  die  altlateinische  Übersetzung.  (Pr.) l) 
9  3__5  ist  dreimal  das  avzoiq,  weil  auf  axgiösq  sich  beziehend, 
in  avxaiq  abgeändert,  auch  diese  Korrektur  muss  sehr  alt 
sein,  A  hat  ebenfalls  zweimal  die  Änderung,  und  die  Lesart 
avxoiq  ist  nur  sehr  schlecht  bezeugt.2) 

12l8  ist  das  xai  söTafrrjv  eine  nicht  ungeschickte  Korrektur  statt 
£Gra#?/.    Auch  p  geht  hier  mit  PQ  Rel. 

1 V»  xoo(pvQov  statt  jioQrpvQccq  Änderung  nach  den  umstehenden 
Adjektiven.3) 

18|9  ist  irrtümlich  zwischen  jiev&ovvreq  und  Xsyovrsq  ein  xai 
eingeschoben  (s.  dieselbe  Variante  in  K  18t6  oben  S.  4). 

22  5  ist  Xvyvov  statt  cpcoroq  Xvyvov  wohl  beabsichtigte  Ver- 
kürzung. 4) 


1)  Jedoch  gehen  1.  36.  b     7.     38.  a  mit  sAC. 

2)  Q  weicht  zweimal  von  der  Mehrzahl  der  Minuskeln  ab.  Vergl. 
unter  3  die  zahlreichen  Fälle,  in  denen  K  gerade  die  constructio  ad  sen- 
surn  ändert. 

3)  Sonderbarerweise  liest  K(V)  1S16  wieder  TiOQifVQav  statt  7tOQ<pvQOW. 

4)  Auch  115  ist  7i£7iVQ(o/btsvoi  Korrektur,  aber  hier  haben  alle  Hndschrn- 


40  Bousset,  Studien  zum  Neuen  Testament. 

Nicht  absichtlich  sondern  durch  Nachlässigkeit  sind  folgende 
gemeinsame  Varianten  entstanden1): 
14, 8  rj  jrohg  rj    nsyaXrj  —  rj    ist    ein    alter  Schreibfehler,    den 

schon  die  altlateinische  Übersetzung  teilt. 

21  :4  ist  ovgavov   (statt  dgovov)  aus   dem  vorhergehenden  Vers 

eingedrungen.    Auch  diese  Variante  hat  schon  die  lateinische 
Übersetzung. 

22  6  ist  dasFehlen  des  Artikels  vor  xvgiog  Konformation  nach  225.2) 

Auch   die  von  Weiss   (8)    gemachten   Beobachtungen,    nach 
denen  Varianten  in  P  und  Q  direkt  auf  einen  gemeinsamen  älteren 
Text  zurückweisen  sollen,  der  in  P  und  Q  nur  je  zur  Hälfte  auf- 
genommen sei,  sind  nicht  stichhaltig. 
4  5  ist  a  eiOcv  K  die  richtige   Lesart  und  a  sonv   so  wie  ai 
siGtv  Verbesserungen. 
22  5  ist  die  Verkürzung  ov  ygeia  statt  ovx  eyovöiv  yosiav  wahr- 
scheinlich   ursprünglich,    wie    die   verschiedenen  Varianten 
ovx  tyovöiv  ygeiav,  ygeiav  ovx  syovoiv.  ovy  et-ovoiv  ygeiav 
beweisen. 

Am  einleuchtendsten  ist  die  Vermutung  W.'s,  dass  1810  ur- 
sprünglich ßvooov  xai  jioQfpvQctv  xoxxivov  gelesen  sei,  und  von 
dieser  Lesart  das  ßvööov  nur  in  Q,  das  jtog<pvgav  —  xai"  xox- 
xivov in  P  erhalten  geblieben  sei.  Doch  ist  diese  Beobachtung 
eine  zu  vereinzelte,  als  dass  man  darauf  weitere  Schlüsse  auf- 
bauen könnte.3) 

Die  gemeinsame  Grundlage  von  K(P)  und  QRel.  ist  zum 
mindesten  eine  sehr  schmale.  Wo  P  und  Q  mit  ihren  Trabanten 
zusammenstehen,  haben  sie  in  mehr  als  der  Hälfte  der  betreffen- 


Korrekturen  oder  Fehler.    Die  ursprüngliche  Lesart  lautete  nach  dem  La- 
teiner ex  xufjuvov  TieTtvQWßsvrjc. 

1)  22o    lesen  PQ,    aber  nur   mit   wenigen   Minuskeln   n()0(prjxt]v  statt 

7l(JO(pt]TlV. 

2)  Ob  mit  PQ  Rel.  225  <pa>xisi  avxovq  oder  mit  sA  35.  (pwxiti  ?ti  avxovq 
zu  lesen  ist,  kann  nicht  sicher  entschieden  werden. 

3)  Nach  meiner  Meinung  lässt  sich  in  der  verwandten  Stelle  18^ 
eine  andre  Beobachtung  machen.  Es  lesen  1.  36.  b  10.  17.  18.  37.  49.  91. 
96.  p  79.  a  statt  ßvOGivov:  ßvooov,  umgekehrt  dieselbe  Klasse  mit  PQ 
Rel.  (gegen  aC  7.  35.95.  a"c)  noQ<pvQOv  statt  TCoocpvQuq,  es  ist  mög- 
lich, dass  im  Archetypus  unsrer  Gruppe  ein  doppelter  Versuch  zur  Kor- 
rektur gemacht  war,  nämlich  entweder  ßvooov  —  noQ<pvQaq  oder  ßvooivov 
—  noQ<pvQOV  zu  lesen. 


I.    Zur  Testkritik  der  Apokalypse.  41 

den  Fälle  auch  den  ursprünglichen  Wortlaut  gewahrt.  Die  ge- 
meinsame Grundlage  von  tfAC  ist  mindestens  ebenso  gross  als 
die  von  PQ.  Jene  Grundlage  liegt  aber  so  weit  zurück,  und  so 
wenig  Spuren  haben  sich  von  ihr  erhalten,  dass  sie  sich  jeder 
weiteren  Nachforschung  entzieht.  Ihren  eigentümlichen  Charakter 
haben  die  Familien  K  und  QRel.  dadurch  erhalten,  dass  jede 
aus  einer  besondern  Textrecension  hervorgegangen  ist.1) 

Lässt  sich  nun  noch  auf  die  Frage,  wo  und  wann  etwa  jene 
Recension  entstanden  sei,  auf  der  K  beruht,  irgend  eine  Antwort 
geben,  die  mehr  wert  ist  als  eine  blosse  Vermutung?  Über  die 
Zeit  des  Andreas  hinüber  führt  uns  schon  die  Thatsache,  dass 
ü  sich  als  verwandt  mit  K  erwiesen  hat. 


1)  Für  Q  hat  Weiss  dies  durch  seine  Zusammenstellung  bewiesen.  — 
Eine  vollständige  Besprechung  von  K  würde  erfordern,  dass  ich  noch 
einen  Überblick  über  alle  die  Stellen  geben  müsste,  in  denen  K  mit  den 
älteren  Kodices  gegen  Q  übereinstimmt.  Das  würde  dann  zugleich  eine 
Darstellung  der  Eecension  Q  Rel.  sein.  Jedoch  würde  der  Stoff,  der  hier  ge- 
bracht werden  könnte,  sich  ungefähr  mit  dem  von  Weiss  schon  behandelten 
decken,  da  in  den  überwiegend  meisten  Fällen,  in  denen  sACP  gegen  Q  stehen, 
auch  K  sich  auf  Seiten  von  sACP  befindet.  An  einer  Reihe  von  Stellen 
lässt  sich  freilich  nicht  mehr  erkennen,  ob  K  sich  auf  Seiten  von  sACP 
oder  von  Q  Rel.  befindet.  Als  wichtigste  Beispiele  nenne  ich  die  Varianten 
120  aoxsgwv  ovq  \(ov)  sideq  45  Qqovov  +  avxov  56  aneoxa/.fteva  (01)  57 
01  (a)  eioiv  64  +  y.ut"  iva  G,;  xqi&q>v  -ijq  7;;  a/Qiq  +  ov  9n  +  xai"  er 
+  dt "  xtj  EXXijvixrj  II13  cuoa  {rifX£Qa)  129  y.ai-\-o"  aaxavaq  13,4  n?.a- 
vrjOTj  (n?.ava)  1S24  ai(ia[xa\  20s  xai  +  xov"  Maycoy  21s  +  y.ui  afxaoxw/.oiq. 

An  vielen  Stellen,  an  denen  dagegen  K  entschieden  mit  QRel.  geht, 
ist  auch  bei  ihnen  das  Ursprüngliche  bewahrt.  19  ist  das  Iijooc  -\-  Xqigxov 
in  (K)  QRel.  auch  durch  Pr.  bestätigt.  S9  ist  zu  lesen  xo  xqlxov —  xcov" 
sv  xi]  &a).uoori.  sAP  erleichtern  die  Konstruktion  durch  Einfügung  des 
Artikels.  10 1  ist  das  a?.?.ov  vor  ayytkov  wahrscheinlich  mit  KQRel.  zu 
streichen,  7.  16.  Pr.  haben  es  an  andrer  Stelle.  10s  ist  /.cü.ovaa  —  ?.£- 
yovoct  zu  lesen,  -av.  -av  ist  falsche  Korrektur  in  sACPQ  7.  14.  36.  91.  92. 
11 3  lies  TCSQißsßlrjixsvoi  (statt  ovq)  mit  xcCK  Rel.  gegen  sAPQ  4.  7.  28.  4s. 
79.  96.  16 ! 4  wird  die  Lesart  von  KQRel.  xrjq  rtfxsQaq  -p-  extivijq"  xr\q  (xs- 
ya).qq  durch  Pr.  bestätigt.  1S12  ist  ßaoyaoixov  mit  KQRel.  vg.  Hipp,  zu 
lesen  (s  Min.  [xuQyuQtxiüv  CP  -xaq.  A  fu.  xaiq),  wie  1816  [taoyaQixrj  mit 
sACP,  während  diesmal  KQRel.  verändern.  I813  ist  xai  afxtufiov  mit  scKQ 
Rel.  Pr.  zu  streichen ,  es  entstand  aus  dem  vorhergehenden  xivvavojfjLOv. 
192o  ist  zrjv  xaiofxevrjv  zu  lesen  mit  KQRel.  g,  xrjq  -tjq  in  sAPb  ist  ein- 
facher Schreibfehler.  22  j  4  lies  mit  KQ  Rel.  p  c  l'r.  Tert.  Cypr.  01  noiovvxsq 
xaq  svxo?.ccq  avxov.  Tc'/.vvovxeq  —  xaq  oxo/.cc;  scheint  dogmatische  Kor- 
rektur zu  sein. 


42  Bousset,  Studien  zum  Neuen  Testament. 

Weiter  aber  führt  uns  vielleicht  die  Beobachtung,  dass  X 
korrigiert  ist  nach  einer  Hndschr.,  die  offenbar  grosse  Ähnlich- 
keit mit  den  Hndschrn.  der  Klasse  K  zeigt.  Ti.  unterscheidet  in 
den  zahlreichen  späteren  Verbesserungen  in  S?  zwei  Hände,  die 
er  durch  Xc  und  tfcc  unterscheidet.  Zunächst  soll  tfc  untersucht 
werden.  Ich  setze  von  der  Untersuchung  alle  Stellen  ab,  in  denen 
der  Emendator  Abweichungen,  mit  denen  X  allen  übrigen  Zeugen 
gegenüber  völlig  allein  steht,  entfernt  hat,  und  zähle  zunächst 
die  Stellen  auf,  in  denen  S5C  Lesarten  zeigt,  die  K  eigentümlich 
sind.    Es  sind  folgende1): 

16  Sc  ßaötXeiav  xai  tegeig  mit  einigen  zu  K  gehörigen 
Hndschrn.,  nähert  sich  der  Lesart  von  K  ßaoiXtig  xai  tepeig  12() 
cu  exra  Xv^viai'2)  2n  rjf/eQaig  ev  ctfc3)  220  tijv  Xeyov- 
oav  35  ovrogx)  4,  Xeyovöa  45  a  eioiv  69  eiöov  6,5  xai 
-f-  jcag"  eXevfregog  79  liest  Xc  mit  P  konsequent  eorco- 
rsc  —  JiegißeßXrjfievoi  —  (poivixeg  7,0  exi  tov  &qovov 
8,,  —  o"  aipiv&oc  912  egyovTai  914  kommt  8C  (p)  mit  der 
Lesart  Xeyovötjg  K  am  nächsten  10,  —  //'  igig  102  ßißXiöa- 
Qiov  lls  ojiov  —  xai  136  H-  xai"  zovq  ev  reo  ovoavco  Oxtj- 
vovvxag  16J7  +  ayyeXog  178  nageöTiv  187  savrrjv  188  xqi- 
vcov  209  +  ajio  tov  &eov"  ex  tov  ovqolvov  219  mit  xeov  ye- 
ftovoojv  nähert  sich  Xc  an.  K  (rag  yefiovöag)  2120  apietivOTivog 
2123  ev  avzTj  222  ev&ev  xai  ev&ev  kommt  dem  svrev&sv  xai 
erTev&ev  von  K  am  nächsten     2220  Irjöov  -\-  Xqiots'S 

Ferner  geht  Nc  mit  K  -f  A  (C)  44  xai  xvxXo{rev  45  +  ra" 
£jtza  4s,  ccyiog  dreimal"5)  5S  cu  jcooöevyai*')  106  m^iooev  -f  ev 
112  exßaXe  sgmfrev  14, 3  vai  Xeyet  197  6a)Ootuev  (öcoocoftev)  für 
dcofiev. 


1)  Da  die  Varianten  fast  alle  schon  besprochen  sind,  so  zähle  ich  hier 
nur  einfach  auf. 

2)  x  enza  Xvyviai,  die  übrigen  ai  Xv%vict.L  ai  enra. 

3)  s  las  ev  xaiq. 

4)  3|2  verbessert  sc  die  schwierige  Lesart  von  sACPK  r\  xaraßaivovoa 
in  rrjq  xarußaivovarjq.  Die  Korrektur  von  Q  Rel.  r\  xaraßaivei  scheint  er 
a]so  nicht  gekannt  zu  haben. 

5)  4in  ßulovoiv  AP.  —  K  nicht  deutlich  zu  erkennen;  bei  der  Variante 
ßakovoiv  —  ßaXlovcsiv  konnte  eben  von  jedem  Abschreiber  korrigiert  oder 
verschrieben  werden. 

0)  Hier  geht  sc  mit  APK  und  Q  gegen  s  Rel. 


I.   Zur  Textkritik  der  Apokalypse.  43 

Zahlreich  sind  die  Stellen,  an  denen  Xc  mit  KQRel.  gegen 
die  älteren  Hndschrn.  und  wenige  Minuskeln  stehen.  Vergl.  die 
Verse  113.  116.  ll8.  214.  69.  86.  92].  106  (hat  Xc  mit  CPQRel.  gegen 
SA  30.31.  32.  38.  40.  49.  98.  Pr.  das  xai  ttjv  dalaooav  xai  xa 
sv  avxrt  erhalten)  113.  1112.  1116.  13s.  13)7.  14s.  153.  (Diebei- 
den Varianten  o  ßaCiXsvg  —  xcov  t&rcov)  174.  188.  18, :i .  (gegen 
P  aber  nicht  gegen  K.)  19,,.  20^.  21, 4  (auch  gegen  PQ  doch 
K  auf  Seiten  von  Xc). 

Dagegen  steht  Sc  gegen  K: 
1  8  Nach  Alf.  hat  Xc  die  Interpolation  (t&K)  agyj/  xai  xeloq  zu- 
nächst als  unecht  bezeichnet,  dann  aber  die  kritische  Be- 
merkung wieder  fortradiert.  Das  deutet  darauf  hin,  dass 
S5C  neben  einer  Hndschr.  aus  der  Klasse  K  wohl  noch  min- 
destens eine  andre  zu  Rate  gezogen  hat.  Doch  hat  er  sich 
in  diesem  Fall  für  K  entschieden. 

14  g1)  X  fehlt,  QRel.  Sc  sjtsosv  exeoev    AK  tjrsosv. 

1 5  :  verbessert  Sc  den   sichtlichen  Fehler  von  xK   und   liest   tr 

tx.  statt  tx. 

16  2  X  fehlt.  Xc  mit  allen  (auch  P)  gegen  K  siq  xijv  yi]v. 

16  3  X  fehlt,  Sc  lässt  mit  ACP     18.  95.  das  ayyeloq  fort. 

17  3  X  u.  die  älteren  ysfiovxa  opofiaxa,  XCQ  Rel.   yttuov  ovofiaza. 

K  ysfiov  ovopiaxcov.     Hier    kann  man  die   Lesart  Xc  auch 

als  halbe  Korrektur  auffassen. 
17(i2)  X  xco  aiiiari.  XcPQRel.  xov  aifxaxoc.  AK  ex  xov  aifiaro^. 
1913  X  xexZ/jTO.    S5C  und  alle  xtxlrjxai,    K  xaXsixai. 
21|9  streicht  Xc  das  xae  wieder,  das  5?K  eingeführt  haben. 
2127  X  xai  o  jiouov:  xLA    18.41.  68.  92.  xai  jiolcov,  PQK  Rel.  xai 

jtoiovv.     Hier  kann  Xc  ebenfalls   als   halbe  Korrektur  nach 

Q  Rel.  K  aufgefasst  werden. 
22  3  X  fehlt,  Kc  und  alle  sxi,  K  sxsi. 

An  folgenden  Stellen  lässt  sich  K  nicht  mehr  genau  er- 
kennen: 

119  schon  wegen  der  Variante  yivsö&ai  und  yevsö&ai. 
16,  :if.  In   den  Varianten   cog  ßaxoayovq  (st.  oi)  X     IS.  36.  35.  97. 

und   sxjioQSveö&ai   ü     1.  43.  79.  95.     a  b,   in    denen    beide 

Male  Xc  verbessert,  liegt  schwerlich  eine  Lesart  von  K  vor. 

1)  Wahrscheinlich  steht  auch  11 10  in  der  Variante  7iefiU'ovaiv  sc  gegen 
K  ix  ACP)  (siehe  die  vorhergehenden  Varianten). 

2)  10,9  x  eitsoev,  sc  gegen  K?  Rel.  STieoav  (nicht  ov). 


44  Bousset,  Studien  zum  Neuen  Testament. 

L9  9  —  rov   yafxov"  tfP     1.  36.  b     16.  39.     79.  a    gegen  tfc  Rel. 

Hier  scheint  eher  K  auf  Seiten  von  5?  zu  sein. 
10  3  +  cu"   Exta  ßgovrai  X     1.  7.  18.  p      1110    Jisf/Jtovoiv 
(für  jtsfiipovoiv)  SP    28.  79.  a    36.  b    1%  reo  ßißZuo  (rrj  ßißkco) 
X    1.  Andrcomm    liegt  wahrscheinlich  K  nicht  vor.1) 

Endlich  liest  Kc  (»  fehlt)  4:}  mit  Q  Rel.  otuoicoq,  mit  ACPK 
OQctoet  Of/agayöivco.  Das  ofioicoq  mag  bei  Xc  wohl  einfach  Schreib- 
fehler sein.2) 

Der  Emendator  iCc  hat  also  neben  einer  zu  K  gehörigen 
Hndschr.  noch  eine  oder  mehrere  andre  benutzt.  Aber  das 
ändert  an  dem  Resultat  unsrer  Untersuchung  nichts:  Xc  erweist 
sich  in  weitestem  Masse  als  verwandt  mit  K. 

Aber  auch  Scc  verbessert  wahrscheinlich  nach  einer  mit  K 
verwandten  Hndschr.  Als  Beweis  mögen  folgende  Varianten  gelten. 

117  rrjv  öe§iav  yeiga  22  Xsyovraq  eavrovq  ajtoOvoZovq 
+  SLvai  27  sv  [itooj  rca  xagaöeioco  11,  hat  tfcc  ebenfalls  die 
Glosse  xai  o  ayytloq  eiörrpeei  lls  schiebt  Ncc  sörai,  ein  Teil 
der  zu  K  gehörigen  Hndschr.  eaoei  ein  11, -  — xai"  oxi  lll8 
roiq  [iiy.QOiq  xat  zoiq  [isyaloiq  14,;  -f-  allov"  ayyeZov  148 
aXXoq  ayyeXoq  ösvtsQoq  16, 0  £6xoziö[ievi]  (mit  Q  28.29.  a  p) 
(vergl.  noch  12s.  19, 3). 

Es  wird  sich  nun  weiter  darum  handeln,  ob  wir  aus  andern 
Quellen  noch  bestimmen  können,  nach  welchen  Auktoritaten  der 
oder  die  Emendatoren  von  X  ihre  Korrekturen  gemacht  haben. 
Die  Frage  führt  uns  hinüber  zu  der  zweiten  textkritischen  Studie. 


1)  auch  7n  ist  bei  der  grossen  Verwirrung  der  Lesarten  überhaupt 
nicht  zu  erkennen  wie  K  im  ganzen  gelesen  hat. 

2)  An  einer  ganzen  Reihe  von  Stellen  steht  sc  ziemlich  allein,  scheint 
also  seine  Korrekturen  vielfach  nach  willkürlichem  Belieben  gemacht  zu 
haben.  Fast  ganz  allein  steht  sc  11 14.  137?  mit  Hndschrn.  die  zu  K  ge- 
hören 220  (36.  p)  913  p  919P36.  143  7.28.  14,  12.  p  Pr;  mitA:  513 
Ac  ß  4  A  31  913  A  28.  79.  21 6  A  38;  11 0  98.  vg.  Pr.  13 16  Hipp.  vg. 
199  95.  98.  vg.cod.     1912  9.13.16.27.39.     20,   32. 


IL  Der  Kodex  Pamphili. 

Der  mit  Xc  bezeichnete  Korrektor  des  Sinaiticus  hat  die 
ganze  Hndschr,  sowohl  das  alte  wie  das  neue  Testament,  durch- 
korrigiert. Nun  findet  sich  im  alten  Testament  am  Schlüsse  des 
Buches  Esther  eine  kritische  Bemerkung,  die  Tischendorf  (Ztschr. 
für  wissensch.  Theol.  1864.  S.  78) !)  auf  die  von  Nc  (sowohl  Xca 
wie  Xcb)  gemachten  Korrekturen  bezieht.  Sie  verdient  unser 
grösstes  Interesse  und  lautet: 

yAvTeßXr}d-7}  üiQoq  jcaXaicoxarov  Xiav  avxiyoaqiov  ösöioq&co- 
iitvov  %£iqI  xov  c.ylov  uäoxvQog  Ila^cpvXov.  stQoq  6h  xw 
tsXsi  xov  avxov  jcaXaicoxäxov  ßtßXiov,  ojteg  ccgy/)i>  iilv  tiyi-r 
ajco  xr\q  jiQcoTtjq  xojv  ßaoiXeuöv,  uz  de  xf/v  'EofrijQ  sXrjyEV, 
xoiavxrj  xiq  ev  xXäxsi  Iöi6%£iqoq  vjcoo?]tusicooig  xov  avrov  ficco- 

Tl'QOC   VJZbXElTO    t'/OVöCi    OVTCOC' 

fi£T£Z?]iug)&}]2)  xal  diOQ&o!>&?j  jiqoc  x  a  st-anXä  llmyt- 
vovq  vjt  ccvtov  öiojQttcofJt'ra.  'Avrmvlvoq  ofioZoyrjTrjq  avrißaXsv, 
IIätuq)iloQ  öicoQ&üjOa  to  xev%oq  iv  xrj  tpvZaxjj  öia  x))v 
rov  &sov  jioX)S]v  xal  yägiv  xal  jcXarvöfiov. 

xal  elys/i?]  ßaov  eIüieIv  ;)  xovxcoxcö  avxr/ndcfrp  jianajtXrjüiov 
evQSiv  ov  qÖlölov. —  öuq  cöi//  ( '?)  ös  xo  avxo  JiaXauöxaxov  ßißXiov 
jiQoq  xoös  to  xevyoc  siq  xd  (xivd)  xvQia  ovöf/axa. 

Zu  den  letzten  textkritischen  Bemerkungen,  dass  der  Cod.  Siu. 
mit  dem  Cod.  Pamphili  hinsichtlich  der  Eigennamen  nicht  über- 
eingestimmt habe,  ist  zu  bemerken,  dass  eben  darauf  sich  A  er- 


1)  veröl,  überhaupt  dort  die  Artikel  von  Hilgenfeld  und  Tischendorf 
S.  74  ff.  202  ff.  211  ff. 

2)  Also  das  Exemplar  des  Pamphilus  war  direkt  von  dem  Hand- 
exemplar des  Origenes  abgeschrieben  und  nach  diesem  verbessert. 

3)  Hier  beginnen  wieder  die  Bemerkungen  des  Verfassers  der  Rand- 
note, tovto)  tw  drii'/QÜifio  ist  also  =  Codex  Pamphilus.  im  folgenden 
xoös  xb  xsvyog  =  Codex  Sinaiticus. 


46  Bousset,  Studien  zum  Neuen  Testament. 

besserungen  von  Xc  beziehen.  Ferner  stimmen  die  Lesarten  von 
Xc  mit  denen  der  zu  diesen  Stücken  erhaltenen  Minuskel  93,  von 
der  man  wegen  ihrer  textkritischen  Zeichen  annehmen  kann, 
dass  sie  aus  der  hexaplarischen  Recension  des  Origenes  stammt, 
überein.  Auch  am  Schlüsse  von  II  Esra  findet  sich  jene  text- 
kritische Bemerkung,  nur  etwas  kürzer.  Mit  alledem  ist  bewiesen, 
dass  Sc  jedenfalls  beträchtliche  Stücke  des  alten  Testaments  nach 
jener  Hndschr.  des  Pamphilus  korrigierte.  Die  Schlussbemerkung 
zeigt  uns  überdies  deutlich,  in  wie  hohem  Ansehen  diese  Hndschr. 
des  Pamphilus  zur  Zeit  des  Korrektors  Xc  gestanden,  und  dass 
es  sich  der  Mühe  verlohnen  muss,  einmal  den  Spuren  und  Nach- 
wirkungen ,  welche  die  textkritischen  Arbeiten  des  Pamphilus 
hinterlassen  haben,  nachzugehen. 

Die  Textkritiker  des  alten  Testaments  würden  allerdings 
von  Pamphilus  sofort  auf  Origenes  zurückkommen ,  und  es  wäre 
sicher  eine  lohnende  Aufgabe,  mit  Hülfe  der  Korrekturen  von 
Xc  diejenigen  Minuskeln  festzustellen,  welche  relativ  am  ge- 
treuesten  hexaplarische  Lesarten  aufbewahrt  haben.  Aber  für 
die  Textkritik  des  neuen  Testaments  liegt  die  Sache  anders. 
Nach  der  bestimmten  Aussage  des  Origenes  selbst  ist  von  diesem 
keine  Recension  des  neuen  Testaments  unternommen.1)  Aber 
jedenfalls  gab  er  in  seinen  Werken  eine  Menge  textkritisch  er 
Bemerkungen,  und  es  ist  anzunehmen,  dass  seine  Schüler  das 
Werk  des  Meisters  fortgesetzt  haben.  Für  die  Thätigkeit  des 
Pamphilus  zumal  ist  das  obige  Zeugnis,  das  uns  den  Märtyrer 
noch  in  der  Haft  mit  der  Kritik  des  heiligen  Textes  beschäf- 
tigt zeigt,  nur  eins  von  vielen.  Ein  andres  Zeugnis  bringt  der 
Kodex  Marchalianus.  Hier  ist  ein  Exemplar  erwähnt  an  dem 
Eusebius  und  Pamphilus  gearbeitet,  und  das  aus  dem  hexapla- 
rischen Werke  abgeschrieben,  von  ihnen  nach  dem  tetraplarischen 
korrigiert  ist.2)     Hieronymus  Praefatio   in  Paralipomena  spricht 


1)  Matthaeus  Tom.  XV14  Vet.  Interpret,  in  exemplaribus  autem  N.T. 
hoc  ipsum  posse  facere  sine  periculo  non  putavi.  Wenn  Hieronymus  öfter 
sich  auf  Exemplare  des  Adamantius  und  Pierius  bezieht  und  ihre  Lesarten 
als  authentische  benutzt,  so  deutet  das  nicht  unbedingt  auf  eine  Recension 
des  Origenes,  sondern  kann  auch  so  verstanden  werden,  dass  jene  Exemplare 
im  Besitz  und  Gebrauch  der  betreffenden  nach  der  Annahme  des  Hierony- 
mus sich  befanden  (s.  z.  B.  Ti.  zu  Mtth.  2436). 

2    Ztschr.  f.  wissensch.  Theol.  1864  21S. 


IL   Der  Kodex  Pamphili.  47 

von  Handschriften,  welche  ab  Origene  elaboratos  Eusebius  et 
Pamphilus  vulgaverunt. [)  P.  sammelte  in  Caesarea  eine  Biblio- 
thek aus  Schriften  des  Origenes  und  anderer  kirchlicher  Schrift- 
steller bestehend.  Besonders  aber  hebt  Eusebius  hervor  zt)v 
jiegl  za  &üa  ojcovöi/r  zov  IIa{ug)iXov  otcoOtj  ziq  ytyövEi.2)  In 
jener  Bibliothek  wird  jedenfalls  auch  das  tetraplarische  und 
hexaplarische  Werk  des  Origenes  gestanden  haben.  Diese  Biblio- 
thek wird  dann  in  den  Besitz  des  Eusebius  übergegangen  sein 
(H.  E.  VI  323 )  und  hat  wohl  den  Grundstock  der  bischöflichen 
Bibliothek  von  Caesarea  gebildet.  Wenn  dann  um  332 3)  Euse- 
bius für  die  Hauptstadt  Konstantinopel  50  Pergarn  enthndschm. 
der  heiligen  Schriften  anfertigen  Hess,  so  dürfen  wir  wohl  annehmen 
dass  er  bei  dieser  Herausgabe  auch  wesentlich  die  textkritischen 
Arbeiten  seines  Freundes  und  Mitarbeiters  Pamphilus  benutzt 
hat  (vergl.  oben  die  Zeugnisse  in  betreff  des  alten  Testaments). 
Man  wird  geigen  diesen  Schluss  einwenden,  dass  unter  den 
angeführten  Stellen  sich  keine  findet,  die  bestimmt  von  der  text- 
kritischen Thätigkeit  des  Pamphilus  auf  dem  Gebiet  des  neuen 
Testaments  redete.  —  Ein  solches  Zeugnis  findet  sich  nun  in 
dem  in  Fragmenten  erhaltenen  Kodex  H  zu  den  Paulinen.  In 
der  Nachschrift  zum  Titusbriefe  steht  dort  h/gaipa  xcu  eged-efiijv 
xazcc  övrafiiv  orer/vgov  zoÖ£  zo  rev%oc  IlavXov  rov  ajtoözoXov 
jtgöq  eyyga/iftdv  xal  £vxazäXrj[ijczov  avccyvmoiv  zcöv  xad-'ijfiäg 
äöeZcpcöv,  nag  cov  ajtävzcov  xoXfirjq  Gvyyvccfirjv  aizcö  ev%y  z?j 

VJtSQ    IjflCOV    Z7]V   GVtUJl£QL<pOQCCV    XO(UC,6[/£VOq.      CCVZ £ ß Xl)  &7)    6h    tj 

ßißloq  JCQoq  zo  hv  Katoagia  avzlygatpov  zfjq  ßißXio- 
d-i'ixrjq  zov  ayiov  [lan(piXov  %£lqI  y£ygafi[i£vov  avzov.x) 
Der  Kodex  H  stammt  aus  dem  6.  Jahrhundert.  Damals 
gab  es  also  in  Caesarea  eine  Bibliothek  des  Pamphilus  und 
in  dieser  ein  von  des  Märtyrers  eigner  Hand  geschriebenes 
Exemplar  des  neuen  Testaments,  das  in  hohem  Ansehen  stand, 
nach  dem  neugeschriebene  Kodices  verglichen  und  korrigiert 
wurden. 


1)  Vallarsi  IX,  1405. 

2)  cf.  Eusebius.  H.  E.  VI.  323.  Mart.  Pal.  XI 2.  Hieronymus  catalogus 
3.  u.  75.  adv.  Rufin.  I.  9.  unde  et  rnultos  Codices  praeparabat,  ut  cum  necessitas 
poposcisset  volentibus  largiretur. 

3)  Eusebius  vita  Coustautini  IV.  36.  37.     Holtzmann,  Einleitung  4S. 

4)  Gregory,  Prolegomena  430. 


48  Bousset,  Studien  zum  Neuen  Testament. 

Noch  eine  Nachricht  ist  hierher  zu  ziehen.  Der  Diakon 
Euthalius,  der  in  der  zweiten  Hälfte  des  fünften  Jahrhunderts 
seine  Ausgaben  der  Paulinen,  der  Apostelgeschichte  und  katho- 
lischen Briefe  veranstaltete,  sagt  am  Schluss  der  Ausgabe  der 
katholischen  Briefe: 

avTtßtij&i]  de  zcov  ITgässcov  xal  Ka&olixmv  zo  ßißUov 
jtqoc  za  axQißrj  avzlygacpa  zf/g  kv  Kaioagia.  Bißfoofhijxrjg  Evos- 
ßiov  zov  naficpiXov.^) 

Von  dieser  Stelle  ist  die  Notiz  in  viele  Handbücher  über- 
gegangen (s.  z.  B.  Holtzmann's  Einleitung),  dass  Euthalius  nach 
einem  Exemplar  des  Pamphilus  korrigiert  habe.  Das  steht  nun 
eben  nicht  in  unsrer  Stelle,  es  ist  hier  nicht  die  Rede  von  einem, 
sondern  von  mehreren  Exemplaren,  auch  nicht  um  Hndschrn. 
des  Pamphilus,  sondern  um  solche  aus  der  Bibliothek  des  Euse- 
bius-Pamphili  handelt  es  sich.  Aber  wir  haben  doch  guten  Grund 
anzunehmen,  dass  die  Bibliothek  des  Pamphilus  identisch  mit 
der  Bibliothek  des  Eusebius  ist,  und  beides  nur  verschiedene 
Namen  der  grossen  Bibliothek  in  Caesarea  sind,  dass  ferner  unter 
den  Bibelhandschriften  der  Bibliothek  des  Eusebius  sich  als  wert- 
vollster Bestandteil  die  Arbeiten  des  Pamphilus,  unter  ihnen  auch 
jenes  eigenhändige  Exemplar  desselben,  befunden  haben. 

Zu  diesem  Schluss  führen  noch  folgende  Überlegungen.  Eutha- 
lius hat  in  seinen  Ausgaben  den  neutestamentlichen  Text  nicht 
nur  stichisch  angeordnet,  sondern  auch  jeder  derselben  Eintei- 
lungen in  Kapitel  beigefügt  und  die  Argumente  dieser  Kapitel 
(ex&toeig  xerpalaloav)  vorausgeschickt,  wie  er  auch  die  kirchlichen 
Lektionen  notiert  und  angiebt  und  einen  Nachweis  der  alttesta- 
mentlichen  Citate  beifügt.  Hier  erregen  die  ex&eoeig  xt<palakov 
unser  besondres  Interesse. 

Von  der  sx&soig  zu  den  paulinischen  Briefen  sagt  Euthalius 
nun  ausdrücklich  in  der  Vorrede: 

.Tgozäc.otu£v  zi)v  zwv  xtqalaicov  ex&soiv  svl  xmv  oocpo- 
zäzmv  zivl  xal  (pLloxgiözcp  naztgoov  ?jtucöv  3tS3tovrj(isvi]v.2) 

Wer  war  nun  dieser  Oo<po)zazog  xal  cpiXoygiözog  jtazrjg? 
Gewöhnlich  vermutet  man,  dass  es  ein  um  396  lebender  Schrift- 
steller gewesen  ist,  den  Euthalius  nicht  nennt.    Am  Schlüsse  der 


1)  Zacagni,  Collectanea  monumentorum  veterurn.   Romae  1698.    513. 
■2)  Zacagni  a.  a.  0.  S.  528. 


IL  Der  Kodex  Pamphüi.  49 

Einleitung  zu  den  Briefen  hat  nämlich  Euthalius  einen  kurzen 
Bericht  über  das  Martyrium  Pauli  von  einem  andern  Schrift- 
steller übernommen.1)  Wir  erkennen  dies  nur  daraus,  dass  der 
Schreiber,  den  Euthalius  hier  reden  lässt,  im  Jahre  396  schrieb, 
also  nicht  Euthalius  selbst  gewesen  sein  kann,  der  in  demselben 
Zusammenhang  seine  eigene  Zeit  auf  45S  angiebt.  Nun  ist  es 
aber  doch  nur  eine  Vermutung,  dass  jener  Gocpcoxazog  Jtari/Q  und 
dieser  um  396  lebende  Schriftsteller  eine  und  dieselbe  Person 
gewesen  sein  sollen. 

Ferner  sind  die  Argumente,  die  im  Kodex  H  Paulin.  zu  ein- 
zelnen Briefen  erhalten  sind,  genau  dieselben,  wie  diese  von  Eutha- 
lius jenem  unbekannten  Vater  zugeschriebenen.  Der  Kodex  H 
aber  steht  in  Beziehung  zum  Kodex  Pamphili.  Sollte  nun  etwa 
Pamphilus  der  Goycoxaxog  xal  (pilöyoiGxog  jccct/jq  sein? 

Eine  Bestätigung  dieser  Vermutung  finden  wir  in  derHndschr. 
zu  den  Akten  Nr.  15  (Coislin  25 V2)  Hier  wird  die  tx&£Gtg  xecpa- 
Xaioov,  die  wir  als  die  des  Euthalius  kennen,  als  tx&£Gig  xt- 
(paXaicov  t<dv  jigä^icov  xov  IlaftcpiZov  bezeichnet. 

Nim  erheben  sich  jedoch  gegen  diese  Vermutung  schwere 
Bedenken.  Wie  es  scheint,  widerspricht  derselben  das  Selbst- 
zeugnis des  Euthalius  in  der  Einleitung  seiner  Ausgaben  zu 
Acta  und  katholischen  Briefen. 

Bestimmt  bezeichnet  er  sich  in  der  Einleitung  zu  den  katho- 
lischen Briefen  als  Verfasser  der  txd-EGiq  derselben: 

eyco  dt  xot  Gxryj/dop  xäq  xa&oZixäq  xafr  i£,?]q  sjaGxoXag 
ävayvcoGOficu,  x))v  xcöv  xecpaZaioiv  exfreoiv  afia  xal  frtuö)'  uco- 
zvqicov  fisxgicoq  evd-ivös  jtoiovf/srog.^) 

Auch  in  der  Einleitung  zu  den  Akten  scheint  er  sich  die 
EX&eotq  zuzuschreiben.  Er  drückt  sich  zwar  sehr  unbestimmt 
aus.  Der  Presbyter  Athanasius  4),  dem  sein  Werk  gewidmet  ist, 
habe  ihn  aufgefordert  x/jv  xs  xcöv  Jigä^scov  ßißlov  atua  xcu 
EadoXixcöv  ejtioxoXcöv  dvayvcovai  xs  xaxä  jigoocadiav  xal 
ütcög  ävaxecpaZaicoGaG&ai  xal  öisZelv  xovxcov  \xa6xr\q  rov  vovv 
ZsjcxofitQcog.  Er  habe  Gxoiyrfibv  Gvv&slg  zovrcov  xo  vcfog  xaxä 
xt)v  etuavxov   Gvtutuexoiav  xoog  evörjfiov  avayvcoGiv,  öiejtsfiipa- 


1)  cf.  Zacagiü  536  Not.  2. 

2)  Montfaucon,  Bibliotheca  Coislioiana  1715.  p.  78. 

3)  Zaciigni  477. 

4)  über  diesen  Gregory  154.  Aiuu. 

Texte  u.  Untersuchungen  XI,  4.  4 


50  Bousset,  Studien  zum  Neuen  Testament. 

(irjv  iv  ßoayu  za.  txaoza  Goi,  xal  xax  dxokovSiav  tx&tfievog 
6;.r/oozt)v  avaxecpaZaiojöiv.1)  Diese  letzte  Bemerkung  hinkt 
etwas  nach,  und  in  der  ganzen  Vorrede  giebt  er  eigentlich  immer 
nur  als  sein  Werk  die  stichische  Einteilung  an ,  auf  dieses  Werk 
ist  er  stolz  und  rühmt  in  übertriebenen  Wendungen  der  Be- 
scheidenheit die  Neuheit  und  Kühnheit  des  Unternehmeiis. 

Dann  heisst  es  in  der  Einleitung  zur  txd-soic2): 

Ix  jtaxtQcov  //fiele  xdi  ötöaoxäXwv  zbv  zqojiov  xal  top  zvjzov 
cog)sli]fi8VOi  ty/ciQOi\uev  f/ezoicug  ztjds  rcöv  xefpalaioov  txfrtoei 
ai&oitPTsq  ov/yi'coft?]»  jrQOJiszaiag  fjfislg  ol  reoi  yoövwv  ze 
xal  [/afr?j(ic'cz(ov  jiag  vfimv  exdötov  zöjv  dvayivcooxovzcov  tvyjj 
zft  vjtho  rj/imv  zi)v  ovfijcsQityooav  xofii^ofisvoi.  Also 
zgojiog  und  zvjtoq  hat  Euthalius  doch  von  den  Vätern  und 
Lehrern  übernommen.  Nach  der  Art  seiner  Quellen benutzung, 
von  der  wir  oben  schon  eine  Probe  gehabt,  kann  ich  es  nicht 
für  unmöglich  halten,  dass  Euthalius  im  folgenden  eine  tx&söiq 
des  Pamphilus  ausgeschrieben  hat. 

Von  hier  aus  würde  sich  noch  ein  Rätsel  lösen;  zwischen 
diesen  eben  angeführten  Worten  und  der  oben  citierten  Schluss- 
bemerkung von  Kod.  H  liegt  eine  zweifellose  litterarische  Be- 
ziehung vor  (man  vergleiche  die  gesperrten  Worte).1'')  Nun  ist 
ja  nicht  abzuleugnen,  dass  der  Schreiber  von  H  das  Werk  des 
Euthalius  gekannt  haben  kann.  Aber  wahrscheinlicher  ist  mir, 
dass  beide,  Euthalius  und  der  Schreiber  von  H,  der  soeben  nach 
dem  Kodex  Pamphili  redigiert  hatte,  jene  übertriebenen  Aus- 
drücke der  Bescheidenheit  dem  Werke  des  Pamphilus  entnahmen. 

Wie  dem  sein  möge,  jedenfalls  stünde  der  Vermutung  nichts 
entgegen,  dass  für  die  paulinischen  Briefe  die  tx&töig  von  Pam- 
philus stammt,  und  sowohl  von  dem  Schreiber  des  Kodex  H, 
wie  von  Euthalius  diesem  entlehnt  ist.  Damit  aber  wäre  es  noch 
wahrscheinlicher   gemacht,    dass  Euthalius  unter  den  Hndschrn. 


1)  Zacagni  409  f. 

_'    Zacagni  42s. 

3)  Dazu  vergl.  noch  die  Vorrede  des  Euthalius  zu  den  Akten  ovy- 
-/ rwfjLTjv  ye  Tt).eiaz<ov  alzäv  ejidfupolv  z6?.fx?jq  ofiov  xal  TCQonezeiaq 
T>jg  ifiTfa  uTiavxüq  ze  elxözcoq  xoivjj  zu&ixeiavajv  ....  6iO(j^oiaBai  Se  (xot 
ii.v.'/.'/.ov  aöeXtpixöiq- xaxa  ov(i.7ieQi(poQav  zovziov  za  exaaia.  Die  beiden 
stellen  in  Euthalius  verhalten  sich  zu  dem  Satze,  der  in  H  überliefert  ist, 
wie  eine  breitere  Ausführung  zu  einem  gegebenen  Thema,    ib.  405. 


II.   Der  Kodes  Pamphili.  51 

des  Eusebius  vor  allem  auch  die  textkritischen  Arbeiten  des  Pam- 
philus  benutzte.1! 

Laufen  nun  die  einzelnen  Fäden,  denen  wir  nachgegaugeu 
sind,  in  einem  Knoten  zusammen,  und  wird  es  gelingen  diesen 
zu  schürzen?  Von  X  wissen  wir,  dass  er  in  einigen  Büchern  des 
alten  Testaments  nach  dem  Kodex  des  Pamphilus  korrigiert  ist, 
von  H  wissen  wir  es  in  Betreff'  der  paulinischen  Briefe.  Eutha- 
lius  benutzte  wahrscheinlich  die  Arbeiten  des  Pamphilus  bei  der 
Herstellung  seines  Textes. 

Und  der  Unsicherheiten  liegen  noch  mehr  vor.  Wir  wissen 
nicht,  ob  der  Emendator  Sc  durchaus  nach  dem  Kodex  Pam- 
phili korrigiert  hat,  und  wie  weit  er  die  Differenzen  zwischen  X 
und  jenem  ausgeglichen  hat.  Einigermassen  sicheres  Material 
zur  Untersuchung  dürften  uns  nur  die  Stellen  geben,  an  denen 
tfc  korrigiert  hat,  nicht  etwa  auch  die  Stellen,  an  denen  er  nicht 
korrigiert  hat.  Etwas  anders  verhält  sich  die  Sache  bei  der 
Hndschr.  H  Paul.  Hier  hat  ja  der  Schreiber  selbst  nach  dem 
Kodex  Pamphili  verglichen,  er  giebt  uns  freilich  nicht  an,  avo- 
her  er  denselben  abgeschrieben  hat.  Aber  wahrscheinlich  doch 
nach  einer  Hndschr,  die  dem  Pamphilus  sehr  ähnlich  war.  Denn 
wozu  hatte  er  sich  die  doppelte  Mühe  machen  sollen?  In  der 
That  finden  sich  auch  sehr  wenig  Korrekturen  erster  Hand,  die 
auf  jene  Vergleichung  hindeuten.  Möglich  auch,  dass  er  den 
Kodex  Pamphili  gleich  beim  Abschreiben  neben  einem  andern 
Exemplar,  aus  dem  er  abschrieb,  verglichen  hat.  Jedenfalls  scheint 
dieser  alte  Kodex  für  ihn  Auktorität  gewesen  zu  sein,  und  im 
grossen  und  ganzen  wird  er  den  Text  von  H  wohl  dem  Text 
des  Kodex  Pamphili  gleichgestaltet  haben.  Wenn  Euthalius 
neben  andern  Hndschrn.  den  Pamphilus  benutzt  hat,  so  wird 
sein  Text  doch  nur  ein  Mischtext  sein,  aber  es  ist  doch  möglich, 
dass  auch  Euthalius  mit  seinen  Lesarten  uns  wird  von  Nutzen 
sein  können. 

tfc  bringe   ich   nach  Tischendorfs  Ausgabe,    für  H  benütze 


1)  Die  Vermutung  ist  übrigens  schon  von  Tregelles  Introduction  to 
the  fcextual  criticisin  of  the  N.  T.  27  ff.  ausgesprochen  und  wird  von  Gregory 
158  bestritten.  Mir  scheint  die  Suche  noch  nicht  klargestellt  zu  sein.  Daher 
habe  ich  das  gesamte  Material  noch  einmal  hierhergesetzt.  Beziehungen 
des  Euthalius  zu  den  Arbeiten  des  Pamphilus  wird  man  jedenfalls  kaum 
abstreiten  können. 

I 


52  Bousset,  Studien  zum  Neuen  Testament. 

ich  H.  Oruont,  Notice  sur  un  tres  ancien  ruanuscrit  Grec  en  on- 
ciales  des  epitres  de  St.  Paul.1)  Von  Euthalius  besitzen  wir  in 
der  jüngeren  Schrift  des  Kodex  rescriptus  Porfirianus  Chiovensis 
(P)  einen  Kommentar  zu  Acta  und  Paulin.  mit  fortlaufendem  Text, 
den  Tischendorf  in  seiner  Ausgabe  mit  Euth.cod-  bezeichnet,  wäh- 
rend die  Angabe  Euth.ars-  aus  dem  Einleitungswerk  des  Euthalius 
entnommen  ist.2) 

Es  wird  nun  darauf  ankommen,  durch  eine  Untersuchung 
der  betreffenden  Varianten  an  den  Stellen,  wo  unsre  Zeugen  vor- 
handen sind,  ein  gewisses  Mass  von  wirklicher  Übereinstimmung 
aufzuweisen,  vor  allem  aber  auch  darauf,  zu  untersuchen,  ob  wir 
nicht  von  H  oder  Kc  aus  eine  bestimmte  Klasse  von  Hndschrn. 
(Minuskeln)  bestimmen  können,  die  uns  dann  etwa  den  zusammen- 
hängenden Text  des  Cod.  Pamphili  bieten  könnten. 

Zwei  Varianten  aber  möchte  ich  hier  gleich  voranstellen,  um 
zu  zeigen,  dass  die  bisherigen  Kombinationen  und  Vermutungen 
wenigstens  nicht  ganz  in  die  Irre  geführt  haben.  Es  handelt  sich 
zunächst  um  den  Anfang  von  2.  Cor.  12r 

Hier  lesen: 
xctvxaa&ai  dei  B     DCGLP    17.31.37.67.89.108.119.137.     al.20 

d  g  0  p. 
xauyao&cu  6rj  KM    al.  pler. 
xavyaodui  öt  xD  p  114. 

Hingegen: 
n  xavyaoftai  öbl  H     39.     fvg.     17lect-    Euth. 
sl  xavyao&ai  ös  5CC. 

Hier  stehen  in  einer  sehr  charakteristischen  Korrektur  die  drei 
Zeugen,  auf  die  es  uns  ankommt,  eng  und  fast  ohne  weitere  Be- 
gleitung zusammen.  Schwerlich  wird  man  diese  Übereinstimmung 
für  einen  reinen  Zufall  erklären  können. 

Gal.5,  lesen  die  späteren  Hndschrn.  xrj  eäev&equx  ovv  rj  Xoiozog 
tjfiaq  rjXev&SQoaösv ,  öt?/xbt8.  Die  älteren  BxACP  rtj  aZtv&sQia 
rßiaq,   Xqlotoq  r)/.tv&.   OTt]xexs  ovv.  —   H  liest  genau  mit  den 


l)  Auf  den  Inhalt  dieses  auf  der  Göttinger  Bibliothek  nicht  vorhan- 
denen und  mir  vorher  nur  dem  Namen  nach  bekannten  Werkes  machte  mich 
Herr  Prof.  Gregory  in  einem  Briefe  auf  eine  an  ihn  gerichtete  Anfrage  hin, 
freundlichst  aufmerksam. 

2j  vgl.  Gregory  417. 


II.   Der  Kodex  Pamphili.  53 

älteren  Hndschrn,  nur  hat  er  Xq.  rj^aq  und  an  dieser  ein- 
zigen Stelle  des  Verses  verbessert  Xc !  Das  kann  kein 
Zufall  sein. 

Ich  stelle  nun  die  Fälle,  in  denen  H  und  Sc  übereinstimmen, 
zusammen. 

1.  Cor.  10,,,  utavta  +  tuot  Hxc  C:!KL  alle  Min.  (—  17.  46.  67.  ■  ■ 
118.  179.  al.)  vff.cod-  D  p  Euth.  Orig.int-  Chr.  Thdrt.  inon  Clem. 
Orig.)*) 

2.  Cor.  4,,  lafiyei]  lauycu  Hx°  CD^GKLP  Min.  (—  67. '  • )  d  f  g 
r  vg.     Orig.     Chr.  Th.  Euth.  (hon  Clem.) 

2.  Cor.  108  +  xai"  jcsqigöotsqov  SCHDCL  Min.  (—  39.  45. 120.  272. 

0  p  mrs-  Chr.  Th.  (non  Euth.) 
2.  Cor.  1018  ~  son  öoxifiogKW  BG  KLMP  Min.  g  Orig.  Euth. 
2.  Cor.  113  a3tXoT7]Toq  —  xcu  xrjq  ayvozr/roq  Hxc  DCKLMP  Min. 

(—  17.  74.  270.)  f  vg.    D  p     Clem.  Orig.  Eus.  Chr.  Th.  Euth. 
2.  Cor.  112:.   sv  jtZijyaiq   vjtsQßaXXovrmq  sv  g>vZaxcuq  jisqiööo- 

rsQcoq  SCH  D^KLM  Min.  0  p  p  Orig.  Chr.  Th.   (Clem.  Euth. 

nur  sv  jij.r/ycuq  vjcsgßaZZ.);  J{Gg   Orig.  (in  einem  freien  Citat) 

lesen  sv  JtXr/y.  xsqiggozsq.  sv  <pvlax.  vjisQßaZZovzcoq;  BD     17. 

57.  (Alter)  d  f  vg.     sv  q>vXax.  rrsgiGG.  sv  üiX.  vxsQß. 
2.  Cor.  1121  -f-  sv"  xojzco  Hac  KLMP  Min.  f  vg.  Chr.  Th.    Orig. 

Euth. 
Gal.  14  jisQi]  vxeq  Htfc  B  17.  29.  67."  2)  73.  104.  221.  249.  252. 

271.  273.  Euth.     Chr.  Th.  (non  Orig.) 
Gal.  14  <~  zov  svsoTfjtoq  aicovoq  Htfc  DGKLP  Min.  (—  17.  39.) 


1)  Da  jedesmal  weitaus  die  meisten  Minuskeln  in  den  folgenden  Stellen 
auf  Seiten  von  Hsc  sich  befinden,  so  sind  in  Klammern  nur  die  auf  der 
andern  Seite  stehenden  notiert.  Die  Minuskeln  sind  zusammengestellt 
nach  den  Angaben  bei  Wetstein  Nov.  Test.  Graec.  Tom.  II  Amsteld.  1752. 
Scholz  Novuni  Testamentum  Vol.  II  Lipsiae  1836,  den  Angaben  Tischen- 
dorfs und  Alfords,  endlich  nach  Scriveners  Kollationen  im  Codex  Augiensis 
Cambridge  1S59.  Die  Minuskel  73.  wurde  verglichen  nach  Aurivillius  Codex 
Manuscriptus  Graecus  e  Bibliotheca  Academica  Upsaliensi,  Upsalae  1786. 

2)  Die  Min.  sind  nicht  genau  angegeben.  Scholz  führt  als  auf  der 
andern  Seite  stehend  an  23.  ■  ■  31.  37.  44.  48.  67.  72.  74.  89.  106.  113.  177. 
179.  (nach  Ti.  al.50),  bei  Wetstein  finde  ich  noch  1.  4.  18.  20.  22.  26.  30.  32. 
38.  41,  bei  Mill  31?  44  Gon?  bei  Matthaei  115.  117.  121.  122.  123,  Birch 
69.  70-  71,  Tregelles  47.  Reiche  132.  137.  140.  153.  (Alter  68),  bei  Sem .  e. 
sil.  270.  272.    251.  290. 


5  1  Bousset,  Studien  zum  Neuen  Testament. 

it.  vg.     Orig.  (einmal,  fünfmal  auf  der  andern  Seite) 1)  Chr.  Th. 

(non  Euth.) 
Col    128  Xqiötco       ]))6ov  s?cH  DcKLP  Min.   (—  17.  18.  23.  44. 

104.  178.)  f  vg.  pcp     Chr.  Th.  (non  Clemens  Euth.) 
Col.  2j   £o(oj)(mxav}  soQaxaöiv  Htfc  DCKL  Min.  Chr.  Th.  (non  Euth.) 
Col.  22  xavra  xXovxov    tfc(D>   KLP  Min.    Chr.  Th;  H.   jtavxa 

jcXovrog;  Bü  Clem.  jtav  xZovxog;  AC  17. 67. '  *  nav  xo  Jtlovxoz. 

—  H  kommt  hier  5?c  am  nächsten;  die  Stelle  ist  wichtig,  weil  sie 

anzudeuten  scheint,  dass  H  aus  zwei  Lesarten  nachlässig  kom- 
biniert ist,  vielleicht  hat  auch  Euth.  jcavxa  gelesen.  (?)  (Orig.  >>) 
Col.  2.   ooyiag  xai  +  x?/g  Htfc  DCKLP  Min.  C—  17.  47.  71.  115.) 

Clem.  (1-1)  Orig.  (3-2)  (non  Euth.) 
Col.  3,  xa  nili)  +  v/imv  Htfc  AC3DGKLP  Min.  (—  17.  67.  ••  71.) 

Clem.  (1—2)  Orig.  (3-5)  it.  vg.  p  (non  Euth.) 
1.  Tim.  ll2    ivövvauovvxi  liest  X   mit  Min.   (2.  10.  17.  38.  72.), 

während  XCH  Rel.  svövpafioyoavxi  lesen. 
1.  Tim    l,s  oxQaxivorj]  oxgaxevrj  XCH  mit  allen  gegen  xD  Clem. 
1.  Tim.  2:;   xovxo  -f  yaQ  Hac  DGKLP  Min.  (—  17.  67.-  ■  )  d  f  g 

vg.  m  0  p  Chr.  Th.  Euth. 
1.  Tim.  2^  öiaXoyiöfiov]  ....  ficov  Htfc  G  17.  28. 31. 32. 45.  47.  67.2) 

71.  73.  74.  75.  80. 121. 131.  219.  238.270.  272. :;)  al.  g  p  0  p    Orig. 

(4—3)  (non  Euthal.) 
1.  Tim.  29   xo6(ikx>]   xoöfiimg  Htfc  DG    17.  al.2  Orig.  (2—1)  non 

Euth.  Clem. 
1.  Tim.  6n   &sov}  xov  frtov  Hxc  Euth.  Rel.  gegen  SA  17. 

1.  Tim.  613  xaQayytZlco  -f  ooi  Hs*c  Euth.  Rel.  gegen  tfG  17.  g. 

2.  Tim.  27  o  Xeyco]  a  Xsyco  Htfc  GDKL  Min.  (—  17.)  d  f  vg.  p  p 
Chr.  Th.  Euth. 

Tit.  2:!  fi?jöe]  (irj  Hxc  DGKLP  Min.  (—  73.)  it.  vg.  Clem.  Euth. 
Tit.  2,-  oixovQyovg]  oixovQOvg  Hsc   GDCKLP  Min.  (—  131.)  pmrs- 

Clem.  Chr.  Th.  Euth. 
Tit.  3J5  vftcov  +  ccfiyv  Htfc  DCGKLP   Min.   (—  17.)  f  g  vg.  o  p  p 

Chr.  Th.  Euth. 
Hebr.  1037  xqovlöu  yoorui  Hac  ADCKL  Min.  Clem.  Eus.  (Euth?) 


1)  Dies    wird    im    folgenden    einfach    durch    Orig.   1 — 5    ausgedrückt 
werden. 

2)  nach  Alter  hat   67.  dtaloyio/awv  67.  '  ■  duO.oytOfxov,  71.  bei  Alter 
nicht  angegeben.       3)  28.  32.  45.  nach  Mill. 


11.   Der  Kodex  Pamphili.  55 

Hebr.  12, ,  jiaoa  fisv]  Jiaoa  öt  Hsc  Rel.  gegen  S*P  17.21.  dOrig.int- 

(Euth?);    D  31.  109.  nur  jiaoa. 
Hebr.  1213  xoieits]  JcovqoazE  Hsc  Euth.  Rel.  geg.  sP  17. 
Hebr.  1325  vftmv  —  aprp>  Hxc  Euth.  Rel.  gegen  5<  17.  ftu1) 
Dazu   sind  noch  folgende  Fälle  in  Betracht  zu  ziehen: 
Hebr.  1Ü,,4   jisvovoav  +  tv  ovgavoig  H2XC  Euth.  DCKLP   Min. 

(—  17.)  0  p    Orig.  Chr.  Th.  (non  Clem.) 

1.  Tim.  117  (iovm  +  Goqxa  H'XC  Euth.  DCKLP  Min.  (—  17.  37. 
179.)  p  Chr.  Th. 

Ferner  bleibt  das  Urteil  unentschieden: 

Gal.  18  Hier  lesen  nur  BH  vuiv  tvayye/uC;  Xc  und  alle  übrigen 
svayysXiC,.  v;tiv,  nur  tvayyüu^.  tfG  g,  tvayysX.  v/iag.  D.  Es 
bleibt  hier  immerhin  die  Möglichkeit,  dass  Sc  das  vy.iv  nach- 
träglich an  falscher  Stelle  eingeschoben  hat. 

Col.  i-  lesen  -f  ev  avr?]"  ev  tv/agiona  H  B  DCKL  Min.  p  Chr. 
Th.  +  ev  avtco  8C  D  1.  d  f  vg.  p  mi'g;  >  tfAC  17.  23.  28.  37. 
47.  57.67.  73.  116.  HS.  Euth.  al.2)  Auch  hier  nähert  sich  S' 
wenigstens  H.  Es  dürfte  freilich  aus  dem  Folgenden  sich  er- 
geben, dass  weder  H  noch  Sc  den  gesuchten  gemeinsamen  Ar- 
chetypus erhalten  hat. 

Dagegen  stehen  H  und  Xc  sich  gegenüber3): 

2.  Cor.  1010  ai  ejtioroXai (iev  Bs  Hr  atf/ev  £jii6roXaLüc  Euth. Rel. 
2.  Cor.  11, 8   xaxa  oagxa  H  S  DG  R    17.  71.  73.  131.  Chr.    xara 

Ttjv  öagxa  Xc  (Euth?)  Rel. 

Col.  2,    ov/jßtßaa&tvrsq  H    BsACDP    6.  10.  17.  23.  27.  57.  07.  •• 

71.  116.  177.  178.  179.  it.  vg.  C  p    Clem.    ovfißißao&svrojv   Kc 
Euth.  Rel. 


1)  Bei  den  Varianten  Hebr.  103G  oo  f/trs  %QStav  Gal.  53  +  oxi 
De  +  a7z"exdsxof*s&a  1.  Tim.  39  +  Gffxvovq  ist  von  sc  jedesmal  eine  Lesaxt 
verbessert,  bei  der  s  ganz  allein  steht. 

2)  nach  Alter  e  sil.  3.  69.  71. 

3)  Im  folgenden  (und  im  vorhergehenden  schon  zu  Gal.  14.  1.  Tim.  2S. 
Col.  2-)  sind,  weil  es  hier  auf  noch  grössere  Genauigkeit  ankam,  noch  die 
Ausgaben  Mill-Küster  1710.  Die  grosse  Ausgabe  von  C.  F.  Mattkaei  1782 — 88. 
ferner  A.  Birch  Variae  lectiones  179S.  J.  G.  Reiche  Codicum  MSS.  N.  T. 
nova  descr.  et  collatio  Göttingen  1847  herangezogen.  Nur  wer  sich  einmal 
in  solchen  Zusammenstellungen  versucht  hat,  kennt  die  Mühseligkeit  einer 
solchen  Arbeit.  Es  wäre  dringend  zu  wünschen,  dass  bei  einer  neuen  Aus- 
gabe Tischendorfs  die  Minuskeln  nicht  mehr  als  Ziffern  behandelt,  sondern 
in  ganz  anderm  Masse  berücksichtigt  werden.  Ehe  das  nicht  geschehen, 
können  wir  in  der  Textkritik  nicht  weiter  kommen. 


56  Bousset,  Studien  zum  Neuen  Testament. 

Col.  2,  lesen  nur  tov  Vsov  H  D^P  (23.)  37. 672. 71. 80. 116.  (Euth. 

nach  Ti.  vielleicht  nur  tov  Xqlotov)  tov  &sov  /qigtov  B; 

tov  &sov   o  sotlv  Xoiözog  D  d;    tov  &sov  jiütqoq  yniOTOv 

SAG   Min.3  ü?;    tov  frsov  jtccTQoq  xai  tov  Xqlötov  47.  73. 

D  p;  tov  dtov  y.at  jtaTQoq  tov  Xqigtov  Xc   41.  61.  115.  137. 

139.  140.  213;   tov  &tov  xai  jmxtqoc  xai  tov  Xq.  DcKL  Rel. 

—  Hier  kann  man  allerdings  kaum  sagen,  dass  Xc  direkt  der 

Lesart  von   H  gegenübertritt.     Er  scheint  hier  nach   eignem 

Belieben  durch  Einschiebung  eines  y.ai  X   verbessert  zu  haben, 

ohne  sich  um  andre  Varianten  zu  kümmern. 
Col.  24  tovto  —  ös  nur  H  Euth.  Bx. 
Col.  24  fir/ösic  H  (f/r/öig)  Euth.  BxACDP    17.  23.  37.  39.  57.  69. 

Td.  (Alter  e  sil.)  71.  SO.  116.   Clem.  tirt  xiq  Kc  Rel. 
Col.  220  ei  -  ovv"  ajts&avsTS  H  Euth.  B  («a)  ACDG  KLP   17. 31. 

33.  35. 0  46. 47. 67." -73.  80.  108.  115.  117.  118.  252.  273.  al.  mu. 

d  f  g  vg.cod.  p  Qnr  (^  u  ajto&artTS  ovv):  ei  +  ovv"  cvrstiavsTS 

Sc  Min.  Rel.  m  vg. cle-  p  Orig.int-  Th.  —  Hier  ist  Xc  in  seiner  Les- 
art doch  wohl  durch  X  bestimmt. 
1.  Th.  4G  xvQiog  HBs  AD   17.  (Orig.  1—1)  o  xvqioq  Xc  Euth.  Rel. 
1.  Th.  49  sysrt  HEuth.  X  ADCKL  Min.  c  p  Orig.cat •;  syofisv  tfc  DG 

6.  31.  47.49.  (Alter)  67.  ■  •  71.  (Alter)  87.  115.  271.  d  g  vg.  p:  si- 

yousv    B. 
1.  Tim.  2T  aXrjd-siav  Xsyco  +  sv  Xqlötoj  H  Euth.  X  DCKL     17. 

Min.  Rel,  —  sv  Xqiotoj  Xc  ADGP    3.  6.  23.  28.  30.  31-  41.  45. 

47.  49.  57.  67  ■  ■  68.  (Alter)  70.  71.  73.  75. 116»120. 137. 143.  177. 

178.  179.  219.  272.  d  f  g  vg.  p  ö  c  p. 
1.  Tim.  20  oioavTcoq  —  *cuHxAP   17.71.  Clem.  Orig.  (1  —  1)  gegen 

Kc  Rel  (Euth?) 
1.  Tim.  610  JcoLxtlaiq  nur  xH  nollaiq  Xc  Rel.  (Euth?) 
1.  Tim.  6,,   jzoavjiafrsiav  (ictv)  H  xAGP    71.  131.  137.  jioaoT?/Ta 

DCKL  Min.  Rel.  Euth.  Chr.  Th.  jroavTr/ra  tfc  D.  31.  80.  93. 
Tit.  24    oro(pQoviCovoL  H  Euth.  SAGP     122.221.   GoxpQoviCoDOt 

Xc  Rel.  Orig.cat- 

Dazu    kommt    vielleicht    noch   2.   Cor.   44.     Hier  fügen  am 


1)  33  und  35  nach  Mill;  in  den  späteren  Ausgaben  fehlen  diese  Kodices. 
68  (Alter)  liest  ane&uvexe  ovv. 

2)  28.  41.  45  nach  Mill,  bei  Mill  auch  Gon  (?)  angegeben,  für  welches 
bei  Gregory  nur  Ew.  59.  sich  findet. 


II.   Der  Kodex  Pamphili.  57 

Schluss  ein  xov  dtov  J-  aooarov"  KcLP  10.  23.m&-  29.  31.  32.  37. 
38. 39. 47. 48.  49.  72.  74.  80.  106.  113.ms-  131.  177.  251.  270.1)  vg.c°d- 
p  (zov  aogarov  freov  m  71.  80.  106.  177.  al.).  H  hat  hier  eine 
Lücke,  doch  kann  in  derselben  kaum  zov  aogarov  gestanden 
haben  (siehe  Omont)2)  (Euth.  nicht  angegeben). 

Die  Zusammenstellung  zeigt  neben  vielfacher  Übereinstim- 
mung allerdings  auch  starke  Abweichungen  von  tfc  und  H.  Gün- 
stige Fälle  zähle  ich  31  (unter  Hinzurechnung  von  Hebr.  1034), 
dazu  noch  4,  in  denen  i?  ganz  allein  steht.  1.  Tim.  117  Gal.  18 
-Col.  27  sind  doch  als  Abweichungen  zu  rechnen,  deren  Zahl 
damit  auf  17  resp.  19  steigt  (cf.  2.  Cor.  44  Col.  3n),  oder  wenn 
wir  Col.  22.  7.  20  un(i  Gal-  18  (s.  o.  55.  56.)  absetzen,  immer  noch 
13  resp.  15.  Die  günstigen  Fälle  stehen  zu  den  ungünstigen 
im  Verhältnis  von  2:1. 

Auf  der  einen  Seite  beweist  dies  eine  Verwandtschaft  von  H 
und  Sc3),  andererseits  aber  ist  auch  das  sicher,  dass  entweder 
H  oder  Sc  oder  auch  H  und  Xc  nicht  rein  den  Text  des  Kodex 
Pamphili  repräsentieren.  —  Es  lassen  sich  jedoch  noch  andre 
Beobachtungen  machen,  die  ein  Stück  weiter  führen.  Zunächst 
ist  zu  erwähnen,  dass  die  Fälle,  in  denen  H  und  Sc  differieren, 
fast  nur  aus  I.  Thess.  Col.  I.  Timoth.  stammen,  während  I.  II. 
Cor.  Gal.  Hebr.  Tit.  (Col.  I.  Timoth.  etwa  zur  Hälfte)  fast  nur 
Übereinstimmungen  aufweisen.  Es  ist  das  jedoch  eine  Beob- 
achtung, für  die  ich  noch  keine  Erklärung  bringen  kann. 

Aber  es  lässt  sich  noch  eine  andre  und  wichtigere  Beobach- 
tung machen.  In  allen  den  Fällen,  in  denen  H  und  Sc  auf  Seiten 
der  späteren  Majuskeln  gegen  die  älteren  stehen,  gehen  mit  diesen 
so  gut  wie  gar  keine  Minuskeln  mit  Ausnahme  etwa  der  stän- 


1)  32.  38.  49  nach  Mill. 

2  Wenn  das  Blatt  bei  Omont  56  zu  H  gehört,  so  ist  noch  folgende 
Stelle  zu  notieren  Col.  3n.  HsAC.  3.  7.  17.  80.  108.  Clera.  navra  (nach 
Mill  cod.  alii),  sc  Rel.  xa  navta.    (Euth.  nicht  angegeben.) 

3)  Man  kann  dagegen  nicht  einwenden,  dass  die  Verwandtschaft  von 
H  und  sc  nur  scheinbar  sei  und  darauf  beruhe,  dass  sc  meist  nach  den 
jüngeren  Hndschrn.  korrigiere,  während  H,  der  einen  Mischtext  habe, 
dann  jedesmal  nur  zufällig  zusammentreffe.  In  den  folgenden  Tabellen 
wird  sich  nämlich  zeigen,  dass  H  in  den  meisten  nun  noch  übrig  bleiben- 
den Fällen  auf  der  Seite  der  älteren  Majuskeln  steht,  dass  also  sc  in  den 
übei*wiegend  meisten  Fällen  nur  dann  verändert,  wenn  eben  auch  H  auf 
Seiten  der  jüngeren  Kodices  steht. 


58  Bousset,  Studien  zum  Neuen  Testament. 

digen  Begleiter  der  älteren  Majuskeln  17  und  67".  Ungemein 
wichtig  ist  auch  die  andre  Beobachtung,  dass  überall,  wo  Xc  und  H 
zusammengehen,  wir  dieselbe  Variante,  in  der  sie  von  den  älteren 
Hndschrn.  abweichen,  bei  Origenes1),  soweit  Citate  von  ihm 
vorhanden  sind,  nachweisen  können,  vergl.  die  Stellen  2.  Cor.  4(; 
2.  Cor.  1018  2.  Cor.  11.,  (auch  Clemens)  2.  Cor.  1123.  27  Gal.  lt 
Col.  23  (auch  Clemens)  Col.  35  (auch  Gem.);  1.  Tim.  29  stehen 
HtfcDG  17.  al.  Orig.  zusammen.  Hebr.  10;34.  (Tit.  23.  25  Hebr.  los- 
geht Clem.  mit,  während  Orig.  fehlt.)  Fast  alle  jene  Varianten. 
die  von  H  +  Sc  bezeugt  sind,  reichen  bis  in  die  Zeit  des 
Origenes  zurück,  Pamphilus  aber  war  der  Schüler  des 
Origenes!  An  Gegenbeobachtungen  Hesse  sich  nur  1.  Cor.  102:5 
und  Hebr  1231  anführen  (an  letzterer  Stelle  ist  nur  Orig.int-  vor- 
handen). Die  obige  Beobachtung  über  die  Minuskeln  bedarf  noch 
einer  weiteren  Ausführung.  Ganz  anders  stellt  sich  schon  das 
Verhältnis  derselben  in  folgenden  Stellen: 

1.  Tim.  2^  werden  Htfc  (G)  begleitet  von  den  Minuskeln  17. 
28.  31.  32.  45.  47.  67.  71.  73.  74.  75.  SO.  121.  131.  219.  238.  270. 
272.  und  wieder  von  Origenes.  —  Hier  tritt  also  der  Fall  ein, 
dass  Hxc  von  den  späteren  Majuskeln  differieren  (KL),  mit  denen 
ständig  die  grössere  Mehrzahl  der  Minuskeln  geht.  Die  Folge 
scheint  zu  sein,  dass  die  Minuskeln  sich  spalten.  Hxc  scheinen 
als  Führer  einer  Klasse  von  Minuskeln  aufzutreten. 

Gal.  14  treten  zusammen  HxcB  Euth;  leider  finden  wir  die 
Minuskeln  (s.  o.  S.  53)  meistens  nur  auf  der  entgegengesetzten 
Seite  angegeben.  Auf  Seiten  von  Hs?c  stehen  sicher  17.  29.  67. "  * 
73.  104.  221.  249.  252.  271.  273.  e  sil.  nach  Matthaei  113. 116.  120. 
nach  Birch  80.  nach  Wetstein  39.  nach  Reiche  134.  139.  nach 
Alter  57.  e  sil.  3.  49.  69.  71?  Auch  1.  Tim.  29  (s.  o.  S.  54)  ist 
die  Angabe  17.  al.   leider  ungenau. 

Reichere  Ausbeute  hinsichtlich  der  Minuskeln  findet  sich 
schon  in  den  Stellen,  an  denen  Xc  und  H  differieren.  Besonders 
wichtig   ist  hier  die  Stelle  Col.  22,  wo  in   einer  ganz   charakte- 


1)  Freilich  finden  sich  oft  bei  Origenes  neben  übereinstimmenden  Ci- 
taten  andere  r  welche  die  entgegengesetzte  Variante  vertreten.  Die  Citate 
des  Origenes  bedürften  einer  umfassenden  Untersuchung,  die  freilich  kaum 
eher   angestellt  werden  könnte,    als  bis  eine  Ausgabe   des  Kirchenvaters 

vorläge. 


IL   Der  Kodex  Pamphili.  59 

ristischen  Lesart  HDbP  mit  den  Min.  23.  37.  67.  •  •  71.  80.  116. 
übereinstimmen.  2.  Cor.  11  8  liest  H  xftxa  oagxa  (tfDGR) 
mit    17.  71.  73.  131.      Col.    22    Gvitßißao&EVZsg'.H.   BsACD   P 

6.  10.  17.  23.  27.  57.  67  ■■  71.  116.  177.  178.  179.  Col.  24  //>;- 
ösig  mit  den  älteren  Hndschrn.  und  P  17.  23.  37.  39.  57.  69.  70. 
71.  SO.  116.  Clem.  Euth.  Col.  220  £i  —  ovv"  ajte&avtTE  H  Euth. 
mit  allen  Majuskeln  und  17.  31.  33.  35.  46-  47.  67.  ■  ■  73.  SO.  108. 
115.  117.  118.  252.  273. 

Auf  der  andern  Seite  lesen  1.  Tim.  27  -f  ev  Xotörco  S*CAD 
GP  3.  6.  23.  30.  31.  47.  49.  57.  67.  •  '  68.  70.  71.  73.  75.  116.  120. 
137.  143.  177.  178.  179.  219.  272.  1.  Tb.  49  r/o<izv  SCDG  6.  31.47. 
49.  67.  •  •  71.  87.  115.  2.  Cor.  4,  +  aogarov  Sc  LP  10.  23-ms-  29. 
31.  32.  37.  38.  39.  47.  48.  49.  72.  74.  80  106.  113.ms  131.  177.  251. 
270.  1.  Tim.  27  —  sv  Xotozco  S<=  mit  ADGP  3.  6.  23.  28.  30. 
31.  41.  45.  47.  49.  57.  67.  ■  ■  70.  71.  73.  75.  116.  120.  137.  143.  177. 
178.  179.  219.  272. 

Immer  deutlicher  tritt  durch  diese  Zusammenstellung  eine 
bestimmte  Klasse  von  Minuskeln  heraus,  die  sich  an  H,  Xc  an- 
schliessen. 

Zum  Zwecke  weiterer  und  deutlicher  Herausstellung  dieser 
Klasse  von  Minuskeln   wähle   ich   die  Stellen,   an  denen  H   nur 
noch  von  wenigen  oder  gar  keinen  Majuskeln  begleitet  ist. 
1.  Cor.  1020  sccvtov]  £tuavrov  H    31.  37.  73. 2)  (non  Clem.) 
1.  Cor.  1110  cv3  //  jvvrj  oytilu  H     17.  37. 

1.  Cor.  1115  avrrj  ÖEÖorai  H  CP  37.  46.  68.  73.  74.  80.  109.  270. 
273.3)  f  vg.  p;  ÖEdorai  avr?]  xAB  17.  al.  sat.  rnu?  Euth.  g  D  p; 
öeöorai.    DG  d  KL  Min.  Chr.  Th. 

2.  Cor.  44   avyaoai]  xaravyaoai  H     CD    73.  137.  Orig.4) 

2.  Cor.  IQ^eav—  rf  H  BG    17.  43. •')  52.  67.  ••  73.  80. 115. 119. 177. 
178.  273.  d  g  o  p. 
jtSQioooTEQov]  jtsQiooov  H    17.  23.  39.  57.  115.  119.  252. 


1)  Beachte  noch  oben  56,  1.  Tim.  6n,  wo  H  mit  71.  131.  137;  sc  mit 
31.  80.  93.  zusammensteht;  Col.  3n,  wo  H  von  3.  7.  17.  SO.  108.  (Clem.) 
begleitet  wird. 

2)  nach  Matth.  Chrys.  cod.  2. 

3)  nach  Matthaei  e  sil.  115.  119.  122. 

4)  Siavyaaai  1.  10.  17.  23.  31.  273.  al. 

5)  nach  Mill  nicht  45  (so  Wetstein,  Scholz),  sondern  43. 


60  Bousset,  Studien  zum  Neuen  Testament. 

2.  Cor.  10g    iva  +  6t   H     6.  10.  37.  38.  48.  67.  72.  73.  74.  80.  115. 

194.  251.  270.  f'vcr. 
2.  Cor.  10, ,    aU[a]  H     DL     17.  37.  73.  74.  270.  m. 
2.  Cor.  11,  avsr/w&t]  arr/eo&ai  H;  avtytoüs  K  17.30.31.  32.  37. 

45.  56.  73.  115.  117.  118.  238.  Euth.  (71.  Alter.) 
2.  Cor.  11,,  öijpu]  ÖLiprj  B    29.  64.  73.  91.  249?  Orig;  H  öeitprj. 
Gal.  16  vfiag]  qfiag  H?    3.  17.  39.  73.  76.  p  mrs-  (Ti.  g.  Omont.) 
Gal.  2|3  rv  xrj  vjtoxqiöei  avzcov  H  DG  P    17.  37.  57.  (Alter)  73. 

76.  93.  115.  1 16.  221.  271.  Euth.  (3.  49.  67.  Alter  e  sil.) 
Gal.  5,  lesen  H     73.  80  P1)  z?/  tXtv&tgia.  Xgiozog  r^ag  ?]Xtv9-t- 

qcooev.   oz?]xtzs   (H    71.  orr/zt)  ovv,   am  meisten  nähert  sich 

diese  Lesart  der  der  älteren  Kodices  (B^ACP),  die  ebenso  nur 

//'tag  Xgiozog  lesen,  (über  tfc  s.  o.  S.  52) 
Col.  12,    wv  öt]   o  vvv  H     10.  20.mr-  23.  37.  47.  49.  57.  80.  177. 

213"  252.  Clera ;  o  vvv  6s  Euth.2) 
Col.  2,   &sjLco  yag]   6t  H     4.  10.  37.  47.  SO.  115.  116.  C  p  mi'g. 
Col.  27   zr/  uiiozti  H    BD    17.  39.  47.  73.  115.  252.  d  f  vg.  Euth; 

tv  zr\  jiLOxti  i?  Rel,  tv  tilozei  AC  46.  67.  ■  •  71.  Cyr. 
Col.  3,   oc  toriv  0  Xgiozog  H     37.  110.'* 
Col.  3V  —  za"  Jtavza  H     73. 
1.  Tim.  1,,  avofioig  6e]  .  .  .  zt  H     17. 
1 .  Tim.  1,,  jiazgo  —  (ii/zgo  —  Xcoaig]  —  loiaig  HK   30.  44.  47.  '  " 

SU.  91.  115.  117.  120.  121.  137.  270.  271.  290.  al.  Chr.  Th.  — 

Xoaig  Dc    37.  47.  al. 
1.  Tim.  1,,,  jTQOjzoj    xqcozov  HL    1.  14.  21.  31.  34.  37.  39.  52.  61. 

71. 4)  93.  106.  108.  109.  114.  116.  121.  221.  270.  272.  fu.  p  ü  Th. 
1.  Tim.  2S  ooiovg]  ooiag  H  1.  17.  35.  115.  120.  249.  ■  •  252.  Orig. 
1.  Tim.  29  xqvoco]  xqvöico  H    AGP     17.  31.  38.  47.  71.  72.  73.  80. 

115.  120.  131.  (non  Euth.  Clem.  Orig.) 
1.  Tim.  3,0  ovzoi]  avzoi  H     73. 
Tit.  2:5  lEQOXQtxti  -g"  CH2  (?  Ti.)    17.  31.  37.  73.  116.1)  Clem. 

1)  Es  nähern  sich  H  :  10.  31.  67.  '  •  71.  (137.)  mit  der  Lesart  xri  tXev- 
d-SQia  ?]  yo.  rjuaq  7j).sv&eri.  oxi\y.txt  ovv.,  während  die  späteren  lesen  xrj 
e/.tv&touc  ovv  7]  X(j.  rjixaq  tjXevO;  oxtjscexs.  —  Euth.  ist  leider  nach  den 
Angaben  Ti.'s  nicht  erkennbar.  Doch  scheint  er  im  allgemeinen  mit  H 
zu  gehen. 

2)  An  dieser  Stelle  wird  es  wieder  ausserordentlich  deutlich,  dass  Euth. 
nach  einer  H  verwandten  Hndschr.  korrigiert  ist. 

3)  120.  (Matthaei)  lässt  eoxiv  aus. 
4    71.  von  Alter  nicht  angegeben. 


IL  Der  Kodex  Pamphili.  61 

Hebr.  10t  og]  aiq  HDL    73.  137.  252.  d.  Euth.  (>  A.  2.  7.  17.  47.) 
Hebr.  102  —  ovx"  av  ejtavoavro  H2    74-  137.  270.  272.  f  vg.cod 

C  p.    (noo  Euth.)2) 
Hebr.  12, 5  öia  zavtqq]  öl   avrrjg  H   AP   17.  23.  31.  47.  67.  ■  ■  80. 
137.  238.  252.    Clem.  Euth. 

Als  die  Hndscbr,  die  H  am  verwandtesten  ist,  erweist  sich 
durch  diese  Zusammenstellung  die  Min.  73,  die  in  diesen  H  eigen- 
tümlichen Lesarten  in  15  Fällen  von  25  mit  H  übereinstimmt, 
dann  folgen  17.:!)  31.  37.  47.  80.  115.  116.  252,  in  zweiter  Linie  10. 
23.  39.  67.  71.  74.  120.  121.  137.  270.  271. 

Einige  engere  Berührungen  zeigen  sich  auch  mit  der  Ma- 
juskel P.  (vergl.  1.  Cor.  11,,  1.  Tim.  29  Hebr.  1215,  ferner  Col.  24, 
wo  H  PC2  17.  ji<XQaXoyio?]Tai  (statt  ^r/rai),  1.  Tim.  6,2,  wo  HLP 
oiioXoyrjaag  (st.  m)  1.  Tim.  120,  wo  HAGP  vfisvsoq,  l.Th.  2,,.  wo 
HP  avrov  statt  savzov  lesen.) 

Die  Verwandtschaft  von  H  Euth.  zeigt  sich  ganz  deutlich 
namentlich  Col.  126,  dann  auch  2.  Cor.  11,  Gal.  2,:i.  5,  Col.  27 
Hebr.  12, 5.4)  Eine  Berührung  mit  Origenes  zeigen  2.  Cor.  44. 
1128  (das  Gegenteil  1.  Tim  2,,).  Leider  sind  zu  den  weitaus 
meisten  Stellen,  die  in  Betracht  kommen,  Citate  des  Origenes 
nicht  vorhanden.  Berührungen  mit  Clemens  liegen  vor  Col.  126 
Hebr.  12, 3  (das  Gegenteil  1.  Cor.  102fl  1.  Tim.  29).  Schliesslich 
sind  noch  häufige  Berührungen  mit  der  Vulgata  erwähnenswert 
(vergl.  l.Cor.  1115    2.  Cor.  109    Col.  27    1.  Tim.  1,6    Hebr.  102. 

Es  ist  oben  darauf  hingewiesen,  dass  an  den  Stellen,  wo  H 
und  Xc  gegen  die  älteren  Majuskeln  stehen,   diese  niemals   von 

1)  116.  •  •  giebt  Scholz  an,  wahrscheinlich  durch  Matthaei  zu  diesem 
Irrtum  veranlasst. 

2)  ovx"  av  i-tuvauvxo  ist  textus  receptus,  da  die  Begleiter  von  H  also 
e  silentio  erschlossen  werden  müssen,  so  ist  hier  keinerlei  Sicherheit  in  der 
Angabe  der  Min.  zu  erreichen. 

3)  Auch  mit  17  ist  H  eng  verwandt,  wenn  auch  17  in  vielen  andern 
Fällen  eine  noch  engre  Verwandtschaft  mit  den  älteren  Majuskeln  zeigt. 
Vergl.  oben  59  f.  1.  Cor.  llUl.  2.  Cor.  10s.  1012.  11,.  Gal.  16.  213.  1.  Tim.  19. 

i'it.  23.    Hebr.  1215. 

4)  Zu  beachten  ist  auch  die  Variante  Col.  l2s-  Hier  lassen  1.  2.  3.  32. 
47.  67.  •  •  73.  109.  131.  194.  al.  Euth.  Clem.  y.ai  öiöuoy.ovreq  nuvxa  av&ow- 
rcov  aus.  Hier  scheint  Euth.  die  uns  bekannte  Textklasse  zu  führen.  (?)  — 
Bemerkenswert  ist  noch,  dass  2.  Tim.  27  H  Euth.  Cc  die  eigentümliche  Form 
öcoti  lesen    die  älteren  lesen  Ömon,  die  jüngeren  Hndschr.  dcorj). 


62  Bousset,  Studien  zum  Neuen  Testament. 

vielen  Minuskeln  begleitet  sind.  Es  ist  nun  umgekehrt  der  Be- 
weis zu  führen,  dass  da,  wo  H  mit  den  älteren  gegen  die  jüngeren 
Majuskeln  steht,  die  H  begleitende  Klasse  von  Minuskeln  eben- 
falls den  älteren  Textzeugen  zur  Seite  tritt.  Ich  stelle  die  be- 
treffenden Stellen  zusammen.1) 
1.  Cor.  1024  ezsqov  —  sxaozog  BtfAC    DGHP    17.  67.  ■  •  71.  73. 

80.    it.  vg.  p  o    Euth.  Clem.2) 
1.  Cor.  102s  tiÖco?>o&VTov]  uqo&vtov  BxA    H    b  d.  f. — ib.  -j-  zov 

yag  xvgiov  //  yr\  xai  zo  jchjgcofia  avxrjq  Bü    AC    DG   H3)P 

10. 17.28.  46.  71.  73.  80.  93.  109.  177.  178.  179.  252.  (nonEuth.) 
1.  Cor.  11  u    ^  ovzs  yvvrj  ymgig  o-vögog  ovzt  üp?jq  xcogig  yvvai- 

xog  BaAC     DG    HP    31.  37.  39.  46.  57.  68.  73.  177.  178.  179. 

273.    it.  p  B    Clem.  (Euth?) 
1.  Cor.  11, 4  oo  rj   (pvotq  avzy  BtfAC  D  HP      17.  37.  46.  73.  74? 

120.  137.  178.  270.  Euth. 

1.  Cor.  1114  -  if  ovöt  BtfAC  DG  HP  17.  46.  47.  73.  137.  it.  vg. 
p  D  p  Euth. 

2.  Cor.  44  (xaz)  avyaoai  —  avzotg  BaAC  DG  H  17.  23 2.  39.  73. 
113.  177.  178.  179.  it.  vg.c°d-  Euth.     Orig.  1—1. 

2.  Cor.  108  o  xvgioq  —  q[iivB&GDR  17. 66/:  273.4)  Euth.  d  vg.cod- 
69.  73.  miiv  o  xvQiog;  74.  221.  o  xvgiog  r/fimv;  115.  119.  fiot 
o  xvgiog.  Diese  Min.  werden  also  auch  in  ihrem  Archetypus 
das  rj[iiv  nicht  gelesen  haben. 

2.  Cor.  1018  övvtorcov]  avviözavcov  Bs  DG  HMP  17.  31.  37.39. 
46.  49. 5)  57.  64.  67.-  71.  73.  9b.  109.  137.  139.  Orig.    Euth. 

2.  Cor.  113  ~  et-fpearrjoev  Evav  Ba  G  HMP  17.  37.  49. 6)  73. '•) 
80.  114.  118.  g  p     Euth.     Clem.  (2—1)     Orig. 

2.  Cor.  113  --  ovtcö"  (pd-agy  B«  DG  HP  17.  d  g  r  p  Euth. 
Clem.  Eus. 


1)  Diese  Zusammenstellung  wird  zugleich  die  oben  (S.  57)  behauptete 
Verwandtschaft  von  Hsc  noch  näher  beweisen. 

'_')  Von  jetzt  an  sind  auch  die  sehr  schwierig  zu  benutzenden  Kolla- 
tionen von  Alter,  Novum  Testamentum  Tom.  II  1786  herangezogen,  für  49. 
71.  habe  ich  Alter  schon  von  S.  59  an  benutzt,  wie  ich  ihn  an  schwierigeren 
Stellen  überhaupt  berücksichtige. 

3)  H3  verändert. 

4i  Ti.  falsch  dser. 

5    e  silentio  nach  Alter. 

6)  cf.  Alter. 

7)  cf.  Aurivillius. 


II.   Der  Kodex  Pamphili.  (j;j 

2.  Cor.  1120  cv  siq  jcqoöodjiov  vfiag  Bx    DG    HP    17.  37.  73.  131. 

221.     d  g  r  vg.  p  Euth.  Orig.int. 
2.  Cor.  U21   ipd-svrpaptv]  yMfisv  Bs     H     17.  37.  73.  SO.   Euth.1) 
2.  Cor.  ll28£ja  —  ov"  oraocgBü  DG  H  17.39.67/- 131.252.  Euth. 

(H2  korrigiert.) 
2.  Cor.  113 ,   rov  xvqiov  —  rjficov"  Ljoov  —  yotorov"  Bü    G     H 

17.  31.  37.  US.     gp     Chr.-     (non  Euth.) 
2.  Cor.  1132  exa  jtoXiv  Japaöxrpxnv  B»    DG    HP    17.37.74.270. 

it.  vg.  Euth. 
2.  Cor.  12,    sXsvaofiai  yctQ]  .  .  .  de  |B)S     G    HP    17.  73.  SO.  HS. 

(213.)    g  vg.  p  Euth. 
Gal.  2n   jtSTQoc]  x/]<pag  BtfAC    HP     10.  17.  31.  46.  67."  SO.  115. 

137.  vg.  p  c  p    Euth. 
Gal.  2t4  ^6roeo]*>/c/aBxAC  H  10. 17.67.- -:!)  137.  vg.p  Clem.  Euth. 
ib.  ^  xcu  ovx  lovdaixcoq  Cflg  BxAC    G    HP    17.  37.  73.  80.  116. 

g     am.  fix.     Orig.  Euth. 
ib.  tl]  %cog  B8AC     DG     HP    3.4)  17.  31.  37.  39.  57.  69.')  70.  71. 

73.  SO.  116.  131.  179.    d  g  vg.  D  p  Orig.  Euth. 
2,,  eiöoreg  -  6s    BxC     DG     HL      10.  23.  31.  71.  76.  SO.  108. 

HO.  111.  116.  al.  it.  vg.  (Euth.  fehlt.) 
2I6  cv)  eg  tuycov  vouov  ov  öixcacod-jjosTca  BxAC    DG    HP    17. 

37.  73.  (74.)  116.  118.  131.  (270.)  it.  vg.  c  p  p  Euth. 
430  xXrjQovofirjo?/]  ei  Ba     D     HP     3.6)  17.  30.  31.  37.  47.  66.  69. 

70.  (Alter)  76.  106.  109.  116.  122.  252.  Euth. 
4.,  öio  Bx  DH  17.  67."  115  d  g  vg,  die  übrigen  aga,  da- 
gegen lesen  r/fieig  ös  ACP  23.  57.  73.  p  Euth.7)  Hier 
haben  sich  die  Hndschrn.  unsrer  Klasse  auf  zwei  Varianten 
verteilt. 
5  ,  In  der  Lesart  t//  slevQ-EQta  ÄQiorog  t][iag  sXsv&eqcoosv  oz/r 
xext  ovv  kommen  H    37.  SO.  (10.  31.  67."  71.)  den  Majuskeln 


1)  118.  TjG&Evyzevai. 

2)  rjßojv   fehlt    auch    1.  7.   15.  20.  21.   29.  30.  31.   36.  41.  43.  44.  46. 
48- •  52.  67.  ••  68.  (Alter)  72.  91.  109.  110.  116.  117.  121.  122.  123.  219. 

3)  nach  Alter  der  Kodex  67  selbst. 

4)  e  silentio  nach  Alter. 

5)  69.  70.  e  silentio  nach  Alter. 

6)  ef.  Alter. 

7)  45  liest  aou  Se;  rjf/eiq  <te  e  silentio  nach  Alter  3.  67(?)  68;  71.  lässt 
die  Partikel  ganz  aus. 


(j4  Bousset,  Studien  zum  Neuen  Testament. 

BxACP  sehr  nahe,  s.  o.  S.  60  (Euth.   ist  nicht   deutlich  ange- 
geben). 
54  ajio  —  zov"  Xqlotov  BxC    DG    HP    31.  76.  al.  (non  Euth.) 
Col  2,  jcbqi]  vjttg.  BsAC    DbPH    17.  31.  71.  73.  114.  HS.  al.  0  p 

Euth.  Cyr. 
Col.  34  ij/icov]   vftcov  SC    DG    HP     17.  47.  52.  73.  109.  115.  116. 

252.    d  f  vg.    Chr.  Th.  Euth.    (non  Orig.) 
Col.  37   tv  avroig)  ev  rovxoig  BxAC    DHP     17.  26.  47.  71.  73. 

131.    Euth. 
1.  Thess.  29    vvxzog  —  jag.  BtfA    DG     HP     21.  23.  26.  71.  73. 

114.  115.  118. 177. 178.  179.252.273.  d  g  m  vg.  p  o  D  p  Euth.1) 
1.  Th.  212   jiiQuia.T?j6ai\  jitgutaztiv  BtfA    DG    HP     17.  31.  37. 

39.  71.  116.  137.  177.  252.  40.lect-   Euth. 
1.  Th.  46  xQoeutofiev] ..  euta/itv  BsDGH  al.2)  multi;   ib.  dufiag- 

rvQoiis&a]  .. .  atue&a  alle,  auch  Orig.  gegen  DCEK  1.7. 1-1.23. 29. 

30.31.  32.36.37.  41.  46.  69. 108. 116. 117. 121.  221.251.273.  290. 
1.  Tim.  112  —  y.ai"  yagiv  v/co  tfA    G    HP     17.  31.  67.  ■  ■  71.  73. 

80.  93.  131.  137.  238.    f  g  vg.  p  p    Chr.  Th.  (non  Euth.) 
1.  Tim.  113  all  +  a"  tfA    DG    HLP     Euth.    alii  multi.   (Scriv. 

omnes,  71.  nach  Alter.) 
1.  Tim.  113  zov]  zo  stA  DG    HP  (jedoch  jzqcotov  st.  üiqotsqov) 

17.  21.  47.  67.  ••  71.  80.  93. :i)    (non  Euth  ) 
1.  Tim.  116    -  Xqlox.  Jrjo.   AD    H     17.  47.  73.  80.  93.  118.  131. 

d  f  vg.  ü    Cyr.    (71.  nach  Alter.)    (non  Euth.) 
1.  Tim.  116  Ttaoav]  ajtaoav  XA    G    H  17.  31.  37.  39.  49?  57.  68? 

69?  70?  71?  73.  116.  118.  213. ')    Cyr.    (non  Euth.) 
1.  Tim.  29  —  zag"  ywaixag  xA    DG   HP     17.  67.  •  71.  73.  131. 

Clem.  Orig.  (non  Euth.) 
1.  Tim.  2,2  coöiöaoxeiv  ös  yvvcuxi  Xk    DG    HP    17.31.37.39. 

71.  73.  80.  116.  120.  131.  137.   d  g  m  vg.  (non  Euth.) 


1)  Mill  giebt  nur  Codices  plurinii  an,  TL  al2". 

2)  TiQoeaiOfxev  (Scholz)  23.  44.  48.  57.  72.  74.  106.  108.  (109.)  110.  (Hl.) 
112.  177.  178.  179.  219.  (Matthaei)  114.  115.  116.  117.  120.  121.  (Alter  67 
3?  49V  68?  69.  70?  (Wetstein)  1.  3.  7.  19.  21.  27.  52.  55.  (Reiche)  132. 
140.  153.     {afxev  134.  137.  139.)    Tregelles  37.     Scrivener  alle  (—30.  221). 

3)  H2  bessert  xo  in  zov;  07.  ■  ■  71.  von  Alter  nicht  angegeben. 

4)  57.  nach  Alter,  49.  68.  69.  70.  71.  e  silentio  nach  demselben. 


IL   Der  Kodex  Pamphili.  65 

1.  Tim.  37  ösi  6s  —  avxov  SAG    H     17.  g.1) 
1.  Tim.  613  t^coojtoiovvxog]  ^cooyovovvxog  ADG   HP    17.  19.  31. 
71.  93.  137.  al.  Th.    (non  Euth.) 

1.  Tim.  619  xrjg  aioiviov  C,oo?]g]  xrjg  ovxcog  £corjg  tfA  DG  HcaP- 
17.  23.  31.  (37.)  49?  57.  71  116.  131.  137.  176.  179.  d  g  f  vg.  D 
p  p  13    Euth.  ai'g-  non  cod- 

2.  Tim.  23  ^  Xq.  IrjO.  sAC  DG  HP  17.  37.  47.  87.  118.  d  g 
vg.  p  p  (non  Euth.) 

Tit.  3,3  ajtoUco]  cov  s?DbH    Euth.  (H2  verbessert) 

Hebr.  313  oo  Tic  fig  Vftcov  SAC  HMP    3.  17.37.47.^57.  (Alter)  [68. 

Alter  e  sil.]  73.  vg.  p  o  Euth.2) 
Hebr.  3,4  cv  xov   Xqiötov  ysyovafiev  BxAC    D    HMP     17.  37. 

53.  73.  116.  137.  d  f  vg.    Orig.  Euth. 
Hebr.  412  yvyjjg  -re  BxAC    HLP     3.  17.  47.  67.  ■  ■  73.  80.  108. 

137.  163.  252.  271.  273. :i)  Orig.  Euth.4) 
Hebr.  102  xexaß-aQinevovg]  xexa&aQiOfievovg  tfD    HKP     17.  23. 2 

37.  39.  "68.  71.  113.  116.  117.    Euth. 
Hebr.  104  cupaioeiv]..  sqsiv  xH    71.  (Alter)  109;  a<psZeiv  L    73. 

106.  108. 

Hebr.  106  sv6oxt]Oag]  tjv ACDHP   37.  57.73. 120.  221.  Euth. 

Hebr.  1034  xoig  ösöfioig  [iov]  xoig  ösöfiioig  ADH     6.  8.  17.  37.m 

47.  67.  •  '  71.  73.  (xoig  öeOfttoiq  {uov)  (Alter)  104.  120.  134.  f  vg. 

D  p  p    Euth. cod-  non  ars-    (non  Clem.   Orig.) 
Hebr.  1034  (sv)   savxoig]   eavxovg  «AH     5.  6.  36.  67.  SO.  d  f  vg. 

p  Clem.  Orig.  Euth. 
Hebr.  1035  <>o  fiayahjv  (iio&ajcoöooiav  tfA  DHP    17.37. 71.  (Alter) 

116.  137.    Clem.  Orig.  Euth. 
Hebr.  1038  öixaiog  -f-  (iov  SA  H  f  vg.    Clem.  (non  Euth.)   (H2 

verbessert).5) 


1)  Solche  Varianten  wie  1.  Tim.  39  vrj(pa).iovq-eovq  (cf.  Tit.  22)  lasse 
ich  fort,  da  hier  die  Minuskeln  nicht  genau  genug  angegeben  sind.  Auch 
hier  steht  H  (nicht  Euth.)  auf  Seiten  der  älteren  Kodices. 

2j  Da  zig  f£  vfiwv  wie  es  scheint  textus  receptus  ist,  so  sind  auch 
hier  die  Angaben  nicht  vollständig  zu  erbringen,  wahrscheinlich  gehören 
(nach  Birch  e  sil.)  71.  80.  93.  auf  die  Seite  von  H;  nach  Matthaei  e  sil.  115. 
116.  117.  120,  nach  Reiche  132.  134.  137.  139.  140.  153. 

3)  Mill  giebt  nur  Codices  al.  an. 

4)  ovv7ia9r]Gat  (st.  ovfx)  BsACDH  in  demselben  Vers. 

5)  Ausgelassen   in  der  Zusammenstellung  sind   alle   orthographischen 
Texte  u.  Untersuchungen  XI,  4.  5 


qq  Bousset,  Studien  zum  Neuen  Testament. 

Um  den  nötigen  Überblick  zu  gewinnen,  ist  es  noch  erfor- 
derlich  die  Stellen  zu  sammeln,   an   denen  H  mit  den   späteren 
Majuskeln  geht. 
1.  Cor.  1026  ~  rov yao  xvqlov  A  HKLP  Euth.Min. (—  1 7.46.74.93.) 

1.  Cor.  1027  Ei  +  ös"  nc  HC  DCKL  Min.  o  p  Th.  gegen  Bx 
DGP    46.  67.  •  ■  109.  137.  it.  vg.   p  Euth. 

2.  Cor.  11,  fitxQov  -tl  H  Euth.  mit  allen  gegen  Btf  DM  17.29. 
30.  49.  67.  •  '  118.  121.  137.  f  vg.  ib.  11,  (rrjc)  acpQoOvvrjq]  xr\ 
aygoGvvi]  H  Euth.  mit  allen  gegen  Ba  DGP  17.  30.  49.  67.  ■  ■ 
73.  118.  120.  121.  137.270.  273. l) 

2.  Cor.  12,    ov  ov^cpegov  tu£v]  ov  6v/ig)£Q£i  fioi  H  Euth.  ( —  fioi) 

mit  allen  gegen  Btf  G     17.  67.  •  •  f  vg.  p. 
Gal.  212  7jXd-£v]  ...  ov  ACHKLP    Min.  (—  45.  73.)  f  vg.    üpp 

Euth.  Chr. 
Col.  U-   o  £öriv]  oq  £Oxlv  i?C    D    HKL    Min.  (—  17.  47.  67.  ■  •) 

Euth.  Chr.  Th. 
Col.  28  covfiag  £örai  BC   HKLP   Min.  Clem.2— 1.  Orig.  Chr.  Th. 
1.  Th.  213   —  smi"   öia  rovro   DG    HKL    Min.  it.  vg.  0  o  Chr. 

1.  Tim.  29  xai]  rt  H   DCKL   Min.  f  vg.  o  Clem.Orig.  (1—1)  Euth. 

2.  Tim.  2:,  ov  ovv  y.axoxad-TjOov  H  Euth.  DCKL  Min.  p  Chr.  Th ; 
ovv(y)xaxoxadr/oov  «AC  DG  P  17.31.71.80.  p™e-  p  g  (71. 
bei  Alter  nicht  angegeben). 

Hebr.  10,  övvarai  HDKL  Min.  dfvg.  p;  dvvamai  S«ACDbP 
1. 3. 8.  9.  1 0. 13.  14.  17.  27.  29.  30.  36.  37. 45.  47.  48.  52. 57.  67.  ■  ■ 


Varianten  s.  215  öovXiaq  sDHP  Hebr.  4,5  ao&eviaiq  sDHP  Gal.  214  oq&o- 
itoöovoi  -v"  Col.  35  noQviuL  sADGHP  Col.  3G  anei&eiag  sAHKLP  Gal.  5, 
Sovhccg  sADGHP. 

1)  29.  und  49.  nach  Mill,  und  zwar  liest  29.  [iixqov  ti  zrj  urpQoavvrj 
49.  hixqov  ri  zrtq  ayooovvrjQ,  nach  Alter  freilich  [xixqov  tl  vtj  acpQoavvi]. 
Es  lässt  sich  in  den  beiden  zusammengehörigen  Varianten  schwer  ein  Urteil 
gewinnen,  weil  uc/.qov  xl  (ttjc)  cupQOOvvrjq  seltsamerweise  textus  receptus 
ist.  ßiy.QOv  rrj  a<pQoavr?]  lesen  nach  Scholz  1.  23.  44.  46.  (48.)  57.  72.  73  (!) 
(dagegen  s.  Aurivilliusj  (74.)  80.  106.  108.  109.  110.  111.  113.  177.  178.  179. 
219.  (238.),  alle  bei  Matthaei  (—  118.  (120.)  121.),  bei  Wetstein  noch  2.  4.  7. 
(13.    (14.)  18.  19.  20.  21.  24.   51.  (56.),  Reiche  132.  134.  139.  150.  153,    bei 

euer  alle  (—  30.  (270.)  (273.)),  bei  Mill  wie  es  scheint  alle  (—  29.  49.) 
doch  fragt  es  sich,  ob  seine  Angaben  genau  sind,  17  ist  jedenfalls  bei  ihm 
vergessen).  Es  ist  möglich,  dass  in  dieser  Variante  unsre  Klasse  auf  Seiten 
der  älteren  Kodices  sich  befindet  und  H  abgewichen  ist ;  nach  Alter  endlich 
wäre  für  yny.Qov  xl  xr/q  aipQOGvvijq  noch  67.  ••hinzuzufügen? 


II.   Der  Kodex  Panrphili.  67 

73.  80.  108.  109.  116.  122.  (123.)  178.  221.  251.  270.  •  •  271.273. 

Euth.1)  (nach  Alter  49.  und  67.  nicht  67.  ■  ■) 
Ich  bemerke  zu  diesen  beiden  Listen,  dass  hier  teilweise  die 
Entscheidung  nicht  ganz  sicher  war.    (z.  B.  Hebr.  104.  6    Gal.  2,2 
Col.  127.  2S.) 

Dazu  kommen  noch  einige  Fälle2),  in  denen  nicht  sicher  ent- 
schieden werden  kann. 
Gal.  13  xai  xvqiov  ?jf/cov  BDG    HKL    Min.  d  g  vg.  o  p;  r/tucov 

xcu  xvqiov  SAP    17.  19.  27.  39.  44.  45.  46.  55.  57.  70.  112.  114. 

177.  238.  273.  (nach  Scrivener  nicht  37.)  fu.  p  Euth;  qftcov  fehlt 

4.  29.  44.  67.  ■  ■  69.  70.  71.  72.  74.  89.  115.  177.  219.  270. 
l.Thess.  2,2  xaXovvxoc,  BDG   HKLP   Min.   dg.  Euth;  xalsüav- 

toq  XA  "23.  31.  39.  51.  57.  73.    Chr.  Th.  f  vg.  O  p  p.3) 
2.  Cor.  45    00  Xqlot.  Irja.  nur  SACD  d  f  r.       2.  Cor.  4-    öi.a  Irj- 
6ov  -v"  XA2C    17.  d  f  r  vg.     2.  Cor.  10s  lesen  nur  tfLP    xavpjao- 
liai  (st.  cofiai).     2.  Cor.  113  eig  -tov"  Xqlgtov  nur  tfGM    Min.4 
Hebr.  10t   ftvoiaig  -\-  avrcov  nur  SP. 

In  der  obigen  Zusammenstellung  (S.  62  ff.)  sind  56  Varianten 
besprochen.  Unsre  Vermutung  hat  sich  bestätigt.  Mit  Ausnahme 
weniger  Stellen  [vergl.  1.  Cor.  102S  2.  Cor.  10s.  113  Gal.  54  1.  Tim. 
37  Hebr.  104.  34  (und  Tit.  313  Hebr.  103S,  an  diesen  beiden  Stellen 
hat  jedoch  H2  korrigiert)]  erscheint  H  jedesmal  von  einer  Reihe 
seiner  Trabanten  begleitet  auf  Seiten  der  älteren  Zeugen.  Da- 
mit ist  bewiesen,  was  bewiesen  werden  sollte,  H  ist  der  Reprä- 
sentant einer  ziemlich  grossen,  weitverzweigten  Textfamilie. 

Stellen  wir  auch  hier  noch  einmal  die  zugehörigen  Minus- 
keln nach  dem  ungefähr  abgeschätzten  Grad  der  Verwandtschaft 
zusammen,  so  erhalten  wir,  wenn  wir  von  Min.  17  und  67.  *  '  ab- 
sehen, folgende  Reihe.  An  erster  Stelle  steht  wieder  73  (mit  30 
Übereinstimmungen),  dann  folgt  37  (mit  22  Übereinstimmungen), 
dann  diesmal  31.  37.  39.  47.  71.  80.  93.  115.  116.  118.  (131.)  (137.) 
252,  in  zweiter  Linie  10.  23.  46.  57.  109.  120.  177.  178.  179.  Es 
sind   im   ganzen   dieselben   Minuskeln   wie   oben  S.  61:  die   nun 


1)  Auch  hier  scheint  die  Klasse  (s.  die  Min.  17.  30.  37.  07.  ■  •  73.  80. 
116.  221.  271.  273)  sich  auf  Seiten  der  älteren  Kodices  zu  befinden. 

2)  Orthographische  Varianten  sind  fortgelassen  2.  Cor.  1  lj  co(o)(pe?.or. 
Hebr.  317  zeooe \a)Q(xxovxa,  Hebr.  1034  xqsittovu  (y.QttGGOvu). 

3)  Dazu  nach  Alter  49.  71.  e  silentio  und  69. 

5* 


ß8  Bousset,  Studien  zum  Neuen  Testament. 

erreichte  Bestimmung  ist  natürlich  zuverlässiger  als  die  erste, 
weil  sie  auf  ein  umfangreicheres  Material  begründet  ist.  *)  Es  soll 
nun  etwa  nicht  behauptet  werden,  dass  gerade  alle  die  aufge- 
zählten Hndschrn.  zu  der  gesuchten  Textfamilie  gehörten.  Mit 
Sicherheit  lässt  sich  das  nur  von  der  ersten  Hälfte  derselben 
etwa  behaupten.  Auch  reicht  die  Genauigkeit,  mit  der  die  Va- 
rianten der  einzelnen  Minuskeln  notiert  sind,  durchaus  nicht  aus, 
um  über  jede  einzelne  schon  jetzt  zur  Klarheit  kommen  zu  können. 
Aber  denjenigen  Forschern,  die  ihre  Arbeit  darauf  verwenden 
wollen,  Minuskeln  zu  kollationieren,  ist  hier  nun  ein  bestimmtes 
Arbeitsgebiet  und  Arbeitsziel  angewiesen.  Genauere  Kollationen 
fast  aller  erwähnten  Minuskeln  wären  sehr  erwünscht.  Ferner 
werden  sicherlich  noch  eine  Reihe  wertvoller  Repräsentanten 
unsrer  Familie  unter  der  Unsumme  von  Minuskeln  verborgen 
sein,  sie  gilt  es  ausfindig  zu  machen.  Mit  dem  Material,  das  in 
dieser  Arbeit  geboten  ist,  wird  man  sehr  rasch  durch  Stichproben 
sich  bei  jeder  Minuskel  überzeugen  können,  ob  sie  mit  unsrer 
Familie  verwandt  ist  oder  nicht.  Ein  paar  gute  Kollationen 
wertvoller  Repräsentanten  unsrer  Textfamilie  haben  mehr  Wert 
als  Prachtausgaben  von  Überresten  wertloser  Majuskeln. 

Es  lässt  sich  ferner  mit  dem  obigen  Material  die  grosse  Ver- 
wandtschaft von  Euthalius  mit  H  nachweisen.  1.  Cor.  1028  bis 
2.  Cor.  U31  Gal.  43l.  54  1.  Tim.  113.  16.  219.  37.  6I3  2.  Tim.  232) 
Hebr.  104. 38  also  in  13  Fällen  weicht  Euth.  von  H  ab,  dagegen 
stimmt  er  in  37  Fällen  überein.3)  Von  jenen  13  Fällen  steht 
1.  Cor.  1028  Gal.  54  1.  Tim.  37  und  Hebr.  104  H  (s.  o.  S.  62  ff.) 
fast  ohne  begleitende  Minuskeln  auf  der  Seite  der  älteren  Kodices. 
Hier  wird  Euthalius  den  gemeinsamen  Archetypus  besser  bewahrt 
haben.  1.  Tim.  113  Hebr.  103S  korrigiert  H2;  Gal.  431  hat  sich 
unsre  Textfamilie  gespalten. 


1)  Eine  engere  Verwandtschaft  mit  H  als  in  der  ersten  Zusammen- 
stellung zeigen  hier  vor  allem  71,  dann  auch  93.  131.  und  137.  Bei  letz- 
teren beiden  Kodices  ist  wohl  allerdings  die  Ursache  darin  zu  suchen,  dass 
sie  an  und  für  sich  und  ohne  Vermittelung  H's  oft  mit  den  älteren  Majus- 
keln gehen. 

2)  Dabei  ist  abgesehen  von  den  geringfügigen  beiden  Varianten  in 
1.  Thess.  416. 

3)  1.  Cor.  llu,  Gal.  216  ist  Euth.  nicht  angegeben.  1.  Tim.  6[9  geht 
Euth«*-,  nicht  Euthcod-  mit  H,  umgekehrt  Hebr.  IO34. 


II.  Der  Kodex  Parnphili.  69 

Auch  zeigt  sich  hier  wie  schon  oben  H  mit  der  uns  schon 
aus  der  ersten  Abhandlung  bekannten  Majuskel  P  verwandt. 
Diese  geht  in  fast  allen  aufgeführten  Fällen  mit  H.  Ausnahmen 
sind  1.  Cor.  1028  (s.  Euth.)  2.  Cor.  44  2.  Cor.  10s.  (bei  H  nur 
2  Min.)  112S.  1131  (s.  Euth.)  Gal.  2l4.  16  1.  Th.  29  1.  Tim.  11G 
(s.  Euth.)  37.  (s.  Euth.)  619  Tit.  313  (bei  H  nur  1  Min.)  Hebr.  104. 

34-38  (S-  Euth.). 

Zur  Tabelle  S.  66  (Abweichung  H's  von  den  älteren  Hndschrn.) 
ist  noch  folgendes  zu  bemerken:  Hebr.  IOj  ist  H  ohne  Zweifel 
von  seiner  Textfamilie  abgewichen.  Zweifelhaft  ist  das  1.  Cor. 
1027,  wo  P  Euth.  46.  67.  ■  ■  109.  137,  und  2.  Tim.  23,  wo  P  17. 
31.  71.  80  auf  der  Seite  der  älteren  Zeugen  stehen,  vielleicht  auch 
noch  2.  Cor.  11,  an  zweiter  Stelle  (P  17.  73.  118.  121.  137  mit  den 
älteren).  Mit  den  jüngeren  Kodices  allein  steht  H  mit  seiner 
Klasse  1.  Tim.  29,  mit  A(C)  und  den  jüngeren  1.  Cor.  102G  2.  Cor. 
II,.1)  12t  Gal.  212,  mit  8(C)  und  den  jüngeren  Col.  1272),  mit  BC 
und  den  jüngeren  Col.  2V  mit  DG  und  den  jüngeren  1.  Th.  2,,. 
Im  ganzen  weicht  H  in  11  Fällen  von  den  älteren  Zeugen  ab, 
Euth    begleitet  ihn  in  sieben  Fällen.3) 

Es  bleibt  noch  übrig,  über  das  Verwandtschafts  Verhältnis  von 
H  und  S  zu  reden.  Es  sind  in  den  obigen  Zusammenstellungen 
(S.  62  ff.  66 ff.)  69  Varianten  untersucht.4)  Dabei  ist  abgesehen 
von  den  Fällen,  in  denen  S5  ganz  allein  steht,  also  in  den  meisten 
Fällen  nur  ein  Versehen  des  letzten  Schreibers  vorliegt.  Hier 
hat  Sc  auch  meistens  korrigiert;  wo  er  es  nicht  gethan,  liegt  wohl 
nur  ein  Übersehen  vor.  In  (jenen  69  Varianten  stehen  X  und  H 
53  mal  zusammen 5),  in  16  Fällen  differieren  sie.  Zu  diesen  16 
Varianten  wären  dann  noch  einige  wenige  der  25  Variauten  auf 


1)  Doch  ist  auch  2.  Cor.  11^  nicht  sicher,  ob  H  nicht  von  seiner  Gruppe 
abgewichen  ist. 

2)  Auch  hier  ist  fraglich,  ob  H  unsere  Textgruppe  vertritt,  oder  ob 
diese  nicht  vielmehr  auf  der  andern  Seite  steht. 

3)  Zu  den  Varianten  S.  G7  ist  nunmehr  zu  konstatieren,  dass  der 
Archetypus  unsrer  Klasse  Gal.  13  y.ai  xvqiov  tjßojv,  1.  Thess.  212  xaleoav- 
xoq  las  (im  letzteren  Fall  hat  H  geändert). 

4)  56  +  13. 

5)  In  den  Varianten  der  Übersicht  S.  Ö2ff.  geht  s  fast  immer  (52mal) 
mit  H.  Ausnahmen  sind  1.  Tim.  116.  6!3  Hebr.  10G.  34,  dazu  kommt  noch 
unter  den  Varianten  S.  66  Col.  l->7. 


70  Bousset,  Studien  zum  Neuen  Testament. 

S.  59  hinzuzurechnen,  während  die  meisten  derselben,  da  nur  äusserst 
schwach  bezeugt,  als  vollwertige  Varianten  nicht  mitzuzählen  sind. l) 
Das  Verwandtschaftsverhältnis  von  H  und  K  ist  also,  wenn  wir 
von  den  Stellen  absehen,  avo  Xc  korrigiert,  ein  sehr  enges  (55  : 
16 — 20).  Damit  ist  nun  zusammenzuhalten,  dass  tfc  an  nicht  we- 
niger als  31  Stellen  korrigiert,  wo  H  und  X  differieren  (S.  53). 
Dem  steht  freilich  gegenüber,  dass  an  vier  Stellen  Gral.  1^  Ccl.  1- 
(S.  55),  Col.  22.  220  (S.  56)  Sc  bei  einer  Differenz  von  H  und  X 
korrigiert,  aber  nicht  nach  der  von  H  vertretenen  Variante,  und 
an  15  Stellen  Sc  bei  einer  Übereinstimmung  von  H  und  X  kor- 
rigiert. Demnach  lässt  sich  ein  enges  Verwandtschaftsverhältnis 
von  H  und  üc  behaupten.  Vergleichen  wir  H  mit  5<  —  tfc  (d.  h. 
mit  dem  korrigierten  Kodex  Sinaiticus»,  so  ergeben  sich  "Über- 
einstimmungen (53  —  31)  =  84,  Differenzen  etwas  mehr  als  30, 
es  verhalten  sich  die  günstigen  zu  den  ungünstigen  Fällen  wie 
8:3.  —  Auch  lässt  sich  nun  endlich  auch  über  die  Differenzen 
von  H  und  Nc  (S.  55  f.)  mit  Hinzuziehung  der  Minuskeln  ein  end- 
gültiges Urteil  gewinnen.  1.  Tim.  ll7  (M.  ls  2.  Cor.  10, 0  Col.  24 
I  Var.  1),  1.  Thess.  46.  ,,  ?  1.  Tim.  27  ?  29.  610.  6X ,  Tit.  24  2.  Cor.  1, 
ist  tfc  Führer  der  Gruppe  und  H  abgewichen;  2.  Cor.  111S  Col.  2, 
wahrscheinlich  in  beiden  Varianten,  doch  ist  es  in  der  ersten 
fraglich,  Col.  24  (Var.  2),  220  und  vielleicht  3U  ist  H  im  Recht 
und  Kc  abgewichen.2) 

Ich  stelle  die  Resultate,  die  sich  im  Laufe  der  Untersuchung 
ergeben  haben,  zusammen: 

1)  8C  H  Euth.  erweisen  sich  in  der  That  als  eng  verwandt. 
Diese  Verwandtschaft  niuss  daraus  erklärt  werden,  dass  sie  den 
Kodex  Pamphili  als  gemeinsame  Textgrundlage  hatten.  Jedoch 
zeigen  sich  auch  wieder  starke  Differenzen.  Weder  hat  Kc  aus- 
schliesslich nach  dem  Kodex  Pamphili  korrigiert,  noch  hat  H 
den  Text  desselben  rein  erhalten.  Ein  Zeuge  von  nur  sekundärer 
Bedeutung  ist  Euthalius. 

2    Von  S*c  und  H  aus  lässt  sich  eine  Klasse  von  Minuskeln 


1)  Denn  es  sind  natürlich  nicht  gerade  alle  Stellen  zu  zählen,  sondern 
nur  diejenigen,  bei  denen  wir  H  als  Vertreter  der  Textklasse  ansehen 
dürfen. 

2)  Col.  27  dagegen  haben  weder  sc  noch  H  die  Lesart  unsrer  Gruppe 
bewahrt,  sondern  die  auf  der  Seite  von  sAC  stehenden  Minuskeln.  (S.  55.) 


II.   Der  Kodex  Pamphili.  71 

nLchweisen,  durch  die  es  uns  möglich  wird,  den  Archetypus  des 
Codex  Pamphili  zu  rekonstruieren.  Diese  Minuskeln  sind  die 
Nummern  (17.)  (23.)  31.  37.  39.  (46.)  47.  (67.  ■  ■)  71.  73.  80.  93.  115. 
116.  118.  (131.)  (137.)  (179.)  (252.) l) 

4  Keine  dieser  Minuskeln  scheint  auch  nur  annähernd  so 
gut  wie  H  den  gemeinsamen  Archetypus  erhalten  zu  haben,  aber 
bei  dem  reichen  Material  das  vorliegt,  wird  es  nach  genügender 
Sichtung,  und  nachdem  ausreichende  neue  Kollationen  gemacht 
sind,  gelingen,  denselben  im  grossen  und  ganzen  herzustellen. 

5)  Die  weite  Verbreitung  der  Lesarten  von  SCH  setzt  ein 
gewisses  Alter  und  Ansehen  ihrer  gemeinsamen  Textgrundlage 
voraus.  Auch  diese  Thatsache  erklärt  sich  am  besten  durch  jene 
Erkenntnis  einer  von  Pamphilus  ausgegangenen  Recension  des 
neuen  Testaments. 

6)  Es  ist  mit  alledem  in  den  paulinischen  Briefen  eine  neue 
Textgruppe  nachgewiesen,  die  gleichsam  in  der  Mitte  zwischen 
den  älteren  Zeugen  BsAC  und  den  jüngeren  KL  mit  der  Mehr- 
zahl der  Minuskeln  steht,  und  die  wegen  dieser  ihrer  Eigenschaft 
eben  schwer  zu  erkennen  war. 

7)  Dieselbe  Textgruppe  wird  sich  auch  für  Act.  kath.  Br. 
unschwer  nachweisen  lassen,  für  die  Offenbarung  ist  sie  schon 
gefunden  (s  d.  erste  Abhandlung).  Denn  es  ist  wahrscheinlich. 
dass  auch  in  der  Offenbarung  Sc  nach  dem  Kodex  Pamphili  kor- 
rigiert hat. 

Ich  stelle  nun  mach  Gregory)  noch  einige  Nachrichten  über 
die  für  uns  so  wichtig  gewordenen  einzelnen  Minuskeln  zusammen. 

31.  Londin.  Mus.  Brit,  Harl.  5537.  a.  1 0S7.  (Act.  25.  Ap.7.)  Manu 
Joannis  tov  tCovrCovva  mon.  et  presbyt.  sv  reo  dgraxio)  xaroi- 
y.r}Oavxoq  tov  xcu  ya/.ißoov  tov  xvqiov  MapovrjA  tT^  iiagovÖiac. 
Angaben  finden  sich  bei  Mill  und  Wetstein:  »Van  Sittart  Hebr. 
1.  Cor.  lj — S10.  I.  IL  Thess.  cont."  Eine  vollständige  Kollation 
wäre  sehr  erwünscht. 

37.  XV.  Jh.  Der  bekannte  cod.  Leicestrensis  20,  in  den  Evan- 
gelien X.  69,  bildet  dort  mit  13.  124.  346  und  andern  eine  be- 
sondre Gruppe,  die  durch  eine  Recension  entstanden  zu  sein  scheint, 
und  in   Kalabrien    zu    lokalisieren   ist.      In    der    Apokal.    X.   14 


1)  Dazu  zeigen  Berührungen  10.  57.  109.  120.  177.  1^8. 


72  Bousset,  Studien  zum  Neuen  Testament. 

(eng  verwandt  mit  Q  92);  vollständige  Angaben  bei  Tregelles 
Nov.  Test,  und  Scrivener  Cod.  Aug. 

39.  (Act.  33.)  Oxon.  coli.  Lincoln  w.  25.  „contul.  Mill."  (Es 
fehlt  Rö.  1,_19.) 

46.  Romae  Vat.  Reg.  Gr.  179.  Vl.Jh.  (Act.  40.)  desunt  Tit.  3:5_ 
Phm.  Die  aus  dem  XV.  Jh.  angehängte Hndschr.  der  Apok.  ist  die  uns 
bekannte  N.  12.  Prolegomena  des  Euth.  (von  Zacagni  nach  diesem 
Kodex  herausgegeben.)  Kollation  bei  Zacagni  und  Mill  (Petavius3). 

47.  Oxon.  Bodl.  Roe  16.  XL  Jh.  vollständige  Angaben  bei 
Tregelles,  „Olim  ecclesiae  S.  Trinitatis  sine  dubio  in  monasterio 
s.  Trin." 

67.  Vindob.  caes.  Gr.  theol.  302.  XL  Jh.  (Act.  66.  Ap.  34.); 
über  67."  Westcott.  Hort.  Introduction  §  212.  .,  contul.  Alter  Birch." 
Auch  die  Minuskel  34  zur  Apok.  ist  uns  bekannt.  „Olim  Arsenii 
archiepiscopi  Monembasiae  (olim  Epidauri  Limerae  hodie  Mal- 
vasiae.)" 

71.  Vindobonensis  caes.  Suppl.  Graec.  61.  X.  Jh.  (oder  XI) 
nach  Gregory  in  Calabrien  geschrieben,  nach  ßirch  von  derselben 
Hand  wie  Ew.  124.  Eine  Kollation  giebt  Mill,  auch  Birch  und 
Alter  haben  die  Hndschr.  verglichen.  Eine  Vergleichung  der 
drei  Zeugen  zeigt,  wie  wir  auch  hier  eine  genaue  Kollation  drin- 
gend nötig  haben.  Wichtig  ist,  dass  am  Schluss  der  Hndschr. 
die  Katechesen  des  Cyrill  von  Jerusalem  stehen. 

73.  Upsalae  univ.  Gr.  1.  (Act.  68.)  besteht  aus  2  Stücken 
Saec.  XII  und  XI,  für  uns  kommt  fast  nur  das  zweite  beginnend 
mit  1.  Cor.  136  in  Betracht.  Das  erste  Stück  endigt  mit  1.  Cor. 
1538  (1.  Cor.  136  — 1538  sind  also  doppelt  vorhanden).  Vortrefflich 
kollationiert  von  Aurivillius. 

80.  Romae  Vatic.  Graec.  367.  (Act.  73.)  „cont,  Birch"  (Scholz). 

93.  Neapoli.  biblioth.  nationalis  IL  Aa.  7.  XII?  Jh.  (Act.  83- 
Ap.  99.)  Gregory:  „Textuni  olim  cum  codice  Pamphili  Cae- 
sareae  conlatum  esse  profitetur."  Evagrius  scripsit.  Birch 
und  Scholz  haben  nur  ausgewählte  Stellen  verglichen.  Gregory 
redet  von  einer  Kollation  in  usum  Burgonii.  Eine  vollständige 
Kollation  dieser  Hndschr.  wäre  ein  dringendes  Bedürfnis.  Von 
der  Apok.  scheinen  nur  die  ersten  Kapitel  verglichen  zu  sein. 
Soweit  die  Angaben  bei  Ti.  reichen,  zeigt  die  Hndschr.  deutlich 
den  Text  der  Andreasklasse.1) 

1)  Vergl.  die  Varianten  der  ersten  Kapitel  der  Apokalypse. 


IL   Der  Kodex  Pamphili.  73 

115.  Moscuae  Syn.  334.  (Act.  100.)  XL  Jh.  hat  die  Kapitel- 
einteilung und  szfrsöig  des  Euthalius  und  eine  eigentümliche 
Ordnung  der  paulinischen  Briefe  „textu  haud  vulgaris  indolis". 
Kollation  bei  Matthaei  (d),  cf.  Rom.  270 — 73. 

116.  Moscuae  Syn.  333.  XIII.  Jh.  (Act.  101.)  Kollation  bei 
Matthaei  (f),  cf.  Thess.  1S5.  186. 

118.  Mose.  Syn.  193.  (Act,  103)  Kollation  bei  Matthaei  (h), 
Rom.  269  f. 

131.  8.i»e-  Petrop.  caes.  Muralt  101,  XII.  Jh.  (Ev.  330.  Ac.  132) 
von  Muralt  verglichen,  darnach  bei  Ti.  die  Angaben.  „Olim  Laurae 
in  Monte  Atho." 

137.  Paris  nat.  Gr.  58.  (Ev.  263.  Act,  117.)  XIII.  od.  XIV.  Jh. 
..textuni  habet  collatione  dignum",  von  Scholz  an  ausgewählten 
Stellen  vergl,  von  Reiche  kollationiert  a.  a.  O.  (von  Van  Sittart 
sind  1.  Cor.  lt — 810,  1.  2.  Thess.  Hebr.  kollationiert.)1) 

252.  Cantabr.  coli.  Trin.  B.  10- 16.  (Ev.  489.  Act.  195.)  ;.Mauu 
Jacobi  Monachi  in  monte  Sina  exaratus."  Eine  vollständige 
Kollation  giebt  Scrivener  Cod.  Aug.  Die  Hndschr.  wird  in  Ab- 
handlung IV  unser  besonderes  Interesse  erregen. 


1)  Es   wäre  dringend  zu  wünschen,  dass  die  in  Cambridge  liegenden 
Kollationen  von  Van  Sittart    Gregory  653)  herausgegeben  würden. 


III.  Die  Kecension  des  Hesychius. 

„Alexandria  et  Aegyptus  in  LXX  suis  Hesychium  laudant 
auctorem,  Constantinopolis  usque  Antiochiam  Luciani  martyris 
exemplaria  probat,  raediae  inter  has  provinciae  Palaestinos 
Codices  legunt,  quos  ab  Origene  elaboratos  Eusebius  et  Pampbi- 
lus  vulgaverunt,  totusque  orbis  hac  inter  se  trifaria  varietate 
compugnat." 

Diese  Nachricht l)  ist  von  Hieronymus  in  der  Einleitung  zu 
den  Paralipomena  aufbewahrt.  Sie  ist  von  entscheidender  Wich- 
tigkeit für  die  Textgeschichte  des  Alten  wie  des  Neuen  Testaments. 
In  früheren  Zeiten  2)  der  textkritischen  Arbeit  ist  viel  mit  dieser 
Stelle  operiert,  so  dass  man  Recensionen  des  Hesych  Lucian  Ori- 
genes  zu  unterscheiden  sich  bemühte.  Aber  diese  Bemühungen 
haben  zu  keinen  sicheren  Resultaten  geführt,  und  so  ist  man 
neuerdings  misstrauisch  gegen  den  Wert  jener  Nachricht  ge- 
worden und  gesteht  ihr  kaum  noch  einen  Einfluss  auf  die  Re- 
konstruktion der  Textgeschichte  zu. 

Seit  den  Arbeiten  Lagardes 3)  zur  Textkritik  des  alten  Testa- 
ments aber  ist  bewiesen,  dass  die  Methode  der  älteren  textkri- 
tischen Arbeiter  die  richtigere  war.  Lagarde  gelang  es  auf  Grund 
jener  Nachricht  des  Hieronymus  zu  festen  Resultaten  zu  gelangen. 
Er  konstruierte,  indem  er  von  den  Citaten  der  in  den  von  Hiero- 
nymus angegebenen  Provinzen  lebenden  Schriftsteller  Chrysosto- 
mus  und  Theodoret  ausging,  die  Recension  des  Lucian.     Er  hat 


1)  Vallarsi  IX.  1405.  vergl.  L  IL  adv.  Rufin.  C.  27. 

2  Vergl.  vor  allein  die  trefflichen  Arbeiten  L.  Hugs  in  seiner  Ein- 
leitung, Tübingen  1808. 

3)  Vergl.  besonders  Lagarde,  Ankündigung  einer  neuen  Ausgabe  der 
griechischen  Übersetzung  des  alten  Testaments,  Göttingen  18S2,  die  Ein- 
leitung zu  Lagarde's  Ausgabe  der  Lucianrecensiou  der  LXX,  endlich  Septua- 
ginta-Studien,  Göttingen  1891. 


III.   Die  Recension  des  Hesychius.  75 

in  den  kurz  vor  seinem  Tode  erschienenen  Septuaginta-Studien  I 
auch  den  Weg  zur  Recension  des  Hesych  gewiesen. 

Es  gilt  auch  für  die  neutestamentliche  Textkritik  seine  Ar- 
beit weiterzuführen.  Ein  Blick  in  den  Apparat  Ti.'s  zeigt,  wie 
leicht  man  z.  B.  in  den  paulinischen  Briefen  auf  Grund  der  fort- 
laufenden Citate  von  Chrysostomus  und  Theodoret  die  Hndschrn. 
der  Recension  des  Lucian  bestimmen  kann. 

Die  vorliegende  Untersuchung  gilt  der  Recension  des  Hesych. 
Hesych  ist  wahrscheinlich  identisch  mit  jenem  Bischof  und 
Märtyrer  der  Diokletianischen  Verfolgung  in  Ägypten,  den  Eu- 
sebius  in  seiner  Kirchengeschichte  erwähnt.1)  Die  Recension 
wurde  also  um  das  Ende  des  3-  Jahrhunderts  gemacht.  Sie  um- 
fasste  vom  neuen  Testament  mindestens  auch  die  Evangelien.  Im 
Dekret  des  Gelasius  und  Hormisdas  sind  die  p]vangelien  des 
Lucian  und  Esitius2)  (=  Hesychius)  verworfen.  Auch  Hierony- 
mus'  Zeugnis  beweist,  dass  die  Arbeiten  der  beiden  Männer  sich 
auch  auf  das  neue  Testament  bezogen. 

Wie  kann  nun  die  Recension  des  Hesych.  gefunden,  resp. 
die  Hndschrn,  die  sie  uns  erhalten  haben,  bestimmt  werden?  Da 
die  Recension  in  Ägypten  gebraucht  wurde,  so  könnte  man  viel- 
leicht die  koptische  und  sahidische  Übersetzung  verwerten.  Aber 
wir  wissen  nicht,  wann  diese  Übersetzungen  entstanden  sind, 
nicht  einmal,  ob  vor  oder  nach  der  Recension  des  Hesych.  Auch 
zeigt  die  handschriftliche  Überlieferung  derselben,  dass  ihr  Text 
starken  Schwankungen  unterworfen  war.  Auch  lässt  natürlich 
die  Übersetzung  in  den  meisten  geringfügigeren  Varianten  ein 
sicheres  Urteil  nicht  zu.  Citate  der  Kirchenväter  der  Provinz 
würden  ebenfalls  zum  Ziele  führen,  aber  hier  sind  wir  nicht  so 
günstig   gestellt  wie   bei   den  Citaten   des  Chyrs.  und  Theodoret 


1)  Hist.  Eccl.  VIII,  13-;  in  demselben  Kapitel  erwähnt  er  auch  den 
Märtyrer  Lucian  VIII,  132,  den  auch  Suidas  jj,üqzvq  nennt. 

2)  Migne  Tom  59  262  Evaugelia  quae  ialsavit  Lucianus  apocrypha, 
evangelia  quae  ialsavit  Esitius  apocrypha.  Vergl.  auch  Hieronymus  in  der 
Praefatio  ad  Damasum:  Praetermitto  eos  Codices,  quos  a  Luciano  et  Hesychio 
nuncupatos  paucorum  hominum  adserit  perversa  contentio;  quibus  utique 
nee  in  veteri  instrumento  post  LXX  interpretes  emendare  quid  lieuit, 
nee  in  novo  profuit  emendasse,  cum  multarum  gentium  unguis  scriptum 
ante  translata  doceat  falsa  esse,  quae  addita  sunt.  —  (Novum  Testanientum 
latine  recens.  Wordsworth  et  White  It.  S.  2.)    (vgl.  de  vir.  ill.  77.) 


76  Bousset,  Studien  zum  Neuen  Testament. 

in  den  paulinischen  Briefen.  In  einigermassen  zureichendem 
Umfang  liegen  Citate  bei  Cyrill  vor  l),  aber  auch  hier  haben  wir 
keinen  fortlaufenden  Text.  Diese  beiden  Wege  sind  also  nicht 
sicher,  Cyrill.  p  13  von  sekundärer  Bedeutung  für  die  Rekon- 
struktion des  Hesych. 

Glücklicherweise  bleibt  ein  dritter  Weg,  der  rasch  und  sicher 
zum  Ziele  führt.  Unter  dem  Buchstaben  T  unter  den  Majuskeln 
des  neuen  Testaments  hat  Ti.  eine  Reihe  von  Fragmenten  alter 
Hndschrn.  zusammengestellt,  die  alle  ihren  Ursprung  in  Ägypten 
gehabt  haben;  zum  grössten  Teil  sind  es  griechische  Hndschrn. 
mit  sahidischer  Übersetzung,  zum  Teil  erkennt  man  ihre 
Verwandtschaft  an  der  charakteristischen  Schrift.  Teilweise  finden 
sich  die  Hndschrn.  unter  den  Kodices  Borgiani.2)  Mit  diesen  Frag- 
menten hat  die  Untersuchung  zu  beginnen,  es  sind  die  Hndschrn. 
zu  bestimmen,  die  sich  ihnen  verwandt  erweisen. 

I  Ta  Roinae  collegii  de  prop.  fide  olim  Borgianus  1.  5.  Jahrh. 
Griechisch  mit  sahidischer  Übersetzung,  enthält  Luc.  2220 — 2320- 
Jo.  62S— 667.  76— 831. 

1)  Ich  untersuche  zunächst  Luc.  2220 — 2320.  Von  der  Unter- 
suchung scheide  ich  aus  alle  nur  sehr  schwach  bezeugten  Va- 
rianten, wenn  diese  nicht  gerade  von  den  uns  speciell  interessie- 
renden Hndschrn.  vertreten  sind,  ferner  alle  Varianten,  in  denen 
der  „abendländische"  Text  D  it.  ö  dem  morgenländischen  gegen- 
übertritt, ferner  eine  Reihe  von  Lesarten,  in  denen  X  mit  D  it.  o 
geht  (s.  d.  Verse  22.24.36.60.66.  5)3),  endlich  diejenigen 
Fälle,  in  denen  die  Hndschrn.  B,X,L,T  allein  oder  so  gut  wie  allein 
stehen.  (Es  handelt  sich  bei  S5  um  16  Fälle,  von  denen  14  in 
tfc  korrigiert  sind,  bei  den  übrigen  um  je  nur  5 — 7  Varianten.) 

Es  bleiben  noch  103  Varianten,  in  denen  sich  das  Verwandt- 


1)  Doch  fand  schon  Hug,  dass  die  Citate  des  Athanasius,  Marcus,  Ma- 
carius,  Kosmas  Indicopleustes  und  des  Cyrill  mit  der  Hndschr.-Klasse  BCL 
übereinstimmen.    Einleitung  I.  S.  172. 

2)  Erst  nachträglich  sehe  ich,  dass  auch  Lagarde  denselben  Weg  gehen 
wollte.  Er  will  über  die  Recension  des  Hesych.  berichten,  sobald  er  „inte- 
gra  veteris  Testamenti  Xslxi'ava  Borgiana"  in  Händen  habe.  (Ausgabe  der 
LXX  pag.  XV.) 

3)  Ich  nenne   der  Einfachheit  halber  die  Verse  ohne  die  Kapitelzahl. 


III.   Die  Receusion  des  Hesychius.  77 


Schaftsverhältnis  von 

T  fo. 

genderrnassen 

stellt. 

Es  stehen  zu 

sammen : 

B 

X 

L 

BaLT 

64. 

64. 

64. 

64. 

BaT 

7. 

7. 

7. 

BLT 

11. 

11. 

11. 

BT 

15. 

15. 

KT 

4. 

4. 

«LT 

1. 

1. 

1. 

T 

2. 

Summa  104.  BT  97.     xT   76-     LT  76. 

Das  heisst:  T  geht  ausschliesslich  mit  der  Gruppe  BtfL  gegen 
die  meisten  der  übrigen  Minuskeln,  von  denen  in  vielen  Lesarten 
zwar  einige  auf  die  Seite  von  BtfLT  hinübergehen,  aber  ohne 
annähernd  auch  nur  eine  Konsequenz  der  Übereinstimmung 
zu  zeigen,  wie  sie  jene  Hndschrn.  aufweisen. 

Von  jenen  Hndschrn.  Bi<L  zeigt  B  wieder  die  weitaus  grösste 
Verwandtschaft  mit  T;  auf  103  Varianten  kommen  nur  7  (!)  Ab- 
weichungen; ich  zähle  diese  auf.     Es  lesen: 

24.  ev  avtoig]  ev  eavtoig  AT  69.  346.  eig  eavxovg  X;  41. 
jcqoösvxbto]  jzQOoev£,ccTO  OtTT;  5.  avaoeiet]  .  .  ist  xTARX;  10. 
eiorrjxeiöav]  iot^xsigciv  sTARXz/  (auch  B2);  11.  4-  y.ai"  o 
HQwörjg  aLTX  13.  69.  pwi-  Petl  4  ib.  Be ikarog]  UiZarog  ST  Rel. 
gegen  BAD  (sonst  liest  T  immer  mit  B  IleiXazog);  23, s  —  de 
Tö  13.  69. 

Bedeutender  sind  die  Abweichungen  von  S.  Es  lesen: 
22.  0  viog  nsv  BLTxc  psce  (o  (iev  viog  AX  Rel,  fiev  o 
viogVb f fPiq  vg.);  30.  söd-itps]  eG&TjreBTD;  ib.  xa&rja&e  BTJ; 
(xafri]OeG&e  SALQGZ7  al.  mu.  xa&ioeo&e  X  Rel.  xad-etyo&e  D); 
ib.  c*o  rag  dcodexa  cpvXag  XQivovxeg  BT;  31.  —  eute  de  o  xv- 
Qiog  BLT  p -j;  35.  eucov]..av  BLTD;  35.  ovdevog]  ovfrevog  BT 
mit  allen  gegen  xLDUz/  Orig.  (?);  36.  eiuiev  de  BLT  pt:ac  Min.4 
(eijtev  ovv  Rel.  o  de  euiev  S  D  e  hr.);  42.  Jtageveyxe  BT  Dsr 
Min.25  it.  vg.  Orig;  (jiageveyxai  tfLR  KM/7  aliqui;  jtccQeveyxeiv 
AX  Rel.);  Die  Verse  43.  44.  lassen  aus  BT  AR  13.  69.  124.  346. 
f  p  dz  ywoid  pm  cyr.  59.  xgog]  ^  BLT  Orig.  alle  gegen  xJR 
GH  Min.i0p*.  53.  00  eoxtv  vficov  BLTa°    DRX  KM/7G  Min.10; 


78  Bousset,  Studien  zum  Neuen  Testament. 

55.  ev  [isöod]  (JEOoq  BLT  1.  209;  66.  JiQEOßvxEQLov]  .  .  .  eiov  BTV; 
71.  cv3  ejPhev  xQsiav  [mxqtvq.  BLT;  1.  Tlulaxov  BTAD!);  2. 
£voatu£v  BLTX;  ib.  savrov]  avxov  BTG;  7.  Jigoq  +  xov"  Hqoj- 
d?jv  BT;  14.  +  xar"  avxov  BT  mit  allen  gegen  XLAA  1.  28. 
209.  al;  V.  17.  lassen  fort  BLT  AK/7  a  p^-  tJ  f u ;  19.  ßeßXrj- 
{isvoq}  ßh/9-£ig  BLT. 

Es  lässt  sich  schon  hier  konstatieren,  dass  wenn  BT  eine 
Gruppe  zusammen  bilden,  X  zwar  derselben  eng  verwandt  ist, 
jedoch  noch  unter  irgend  einem   andern  Einfluss  gestanden  hat. 

Etwas  anders  verhält  sich  die  Sache  mit  L.     Es  lesen: 

52.  —  o"  lrfiovq  BtfTA;  66.  av?jyayov]  an  .  .  .  .  BxT  D  a 
K  Min.25  Orig.  pm;  3.  —  eji"  nQwrrfiev  BaTR;  6.  üulaxoq 
BkTADR;  8.  cosi-  ixav  zqov.  &eXwv  löeiv  avxov  BtfT  X  13.  69. 
124.  c;  13.  6vvxale0a[/evoc  BaT  DJF;  14.  ovöev]  ov&tv  BaT. 

Hierzu  sind  nun  wieder  die  Stellen  herzuzuziehen,  in  denen 
BT  gegen  XL  stand.  Freilich  hat  auch  L  abweichend  von  BT 
die  Verse  43.  44.  Doch  sind  mit  dieser  Ausnahme  die  Varianten 
viel  geringfügiger  als  die  von  X,  L  mithin  BT  verwandter  als  tf. 

Nunmehr  stelle  ich  einige  Stellen  zusammen,  aus  denen  die 
Verwandtschaft  von  BxLT  mit  p  Ü  sichtbar  wird. 
31.    —    ELJlE  Ö£   O   XVQLOq  BLT    p  13. 

34.  //£  ajtaQvrjGrj    uÖEvat  BtfLT    13.  131.    axaQvrjö.    eiöevüi  (iE 

MX  i  g  vg.  p  p,  ajiaovrjö?]  [irj  EiÖEvai  [iE  AD  Rel. 
37.  0XL  _  £TL"  BaLT    DAQXH  Min.10    b  f  p  13  hr. 
43—44.  Die    Verse  lassen  aus  BT    AR    pdz-  T3woid-   Cyr.  pms-  f. 
57.  cvj  ovx  oida  avxov  yvvai  BtfLT    X  p  Ü. 

61.  -+  6r/{i£oov  BtfLT     XKM//Min.25     p   Z3woi-   b  ff. 2  p. 

62.  e£o)  —  o  JcEzgog"  BaLT  DX  KMJ7  Min.50  it.  p  o  o. 

63.  roi^  Irfiovv]  avxov  BaLT  D  it.  vg.  M/7  157.  al.  p  13.  ib:  jt£(u- 
xalvipavxEQ  avxov  mit  Weglassung  alles  übrigen  lesen  BxLT 
KM/Zi  ff2p  (awoi>]  avxov  xo  ütooöomov   1.  209.  al.G  fu.  13  ö). 

68.  —  hol  r\  ajiolvorjXE"  BüLT    p  (d)     Cyr. 

6.  axovöaq  —  raÄilaiav"  BtfLT    p. 

8.  azovEiv  —  xoUa"  BaLT  Dö  KM//  1.131. 157.  209.  al.10  pl3. 
15.  avEJiEftipa   vfiaq   jiooq    avxov)   avEJiEfiipEV  yao   avxov  jiqoc 

rniaq  BaLT     KM/7  157.  al.20  f  p  13. 
17.  Den  Vers  lassen  aus  BLT  A  KZZ    pdz-  13  a  fu. 


1)  sie.    3.  u.  4.  BTAD;    G.  BsTR  AD;     12.  BTA;     13.  BT;     20.  BT. 


III.   Die  Recension  des  Hesychius.  79 

Ich  habe  diese  Untersuchung  schon  jetzt  unternommen,  weil 
gerade  diese  Kapitel  des  Lukas  reich  sind  an  Varianten  von 
grösserem  Umfang.  Schon  jetzt  kann  auf  Grund  von  obigen 
Stellen  behauptet  werden,   dass  p  12  mit  BxLT   verwandt  sind.') 

2)  Die  Fragmente  Joh.  62s— ev  76 — 83r 

Abzusetzen  sind  wieder  alle  Lesarten  von  D  it.  0,  alle  schlecht 
bezeugten  Varianten,  die  Sonderlesarten  von  BTL  (es  kommen 
auf  jeden  etwa  10 — 17  Varianten2),  darunter  auch  die  Stellen,  an 
denen  L  mit  D  it.  (auch  X)  geht:  631.32.  64.  7I8.  22.  26.  32P  35.  41. 
809,  endlich  die  Sonderlesarten  von  X  an  etwa  50  (!)  Stellen  und 
die  Lesarten,   in   denen  i?  mit  D  it.  geht:  (63G.  3S.  42.  44.  5i«  gi- 

1)2'  63-  64"  M3-  is-  22-  20-  27'  29' 32*  35*  39Ms  45*  50"  °24.  27«  2gbiss  Zu- 
sammen 25(!)  Varianten).3)  Das  Verwandtschaftsverhältnis  von  T 
stellt  sich  in  folgender  Tabelle  dar: 


B 

X 

L 

BsL^T 

48. 

48. 

48. 

48. 

BLT 

35. 

35. 

— 

35. 

BsT 

6. 

6. 

6. 

— 

BT 

20. 

20. 

— 

— 

sLT 

ID. 

— 

10. 

10. 

s*T 

4. 

— 

4. 

— 

LT 

5. 

— 

— 

5. 

T 

10. 

— 

— 

— 

Summa  138.  TB  109.     Ts  68.     TL  98. 

Ich  zähle   zunächst   die   Varianten    auf,  in  denen  B  und  T 
von  einander  differieren. 

632  öeöcoxsv]  söcoxsv  BLD  127.  al.4  Clem.  Eus;    635  utuva- 


1)  pa  erweisen  sich  freilich  auch  als  verwandt  mit  dem  abendlän- 
dischen Text.  An  einer  ganzen  Reihe  von  Stellen  (ich  zähle  19)  geht  D 
(it.  G)  mit  p  12  allein  zusammen.  Von  grösseren  Varianten  wäre  hier  24.  tig 
av  eirj  /LteiL,a)v  statt  ng  avxwv  öoxei  sivai  (tiiL,<ov  zu  erwähnen. 

2)  Davon  B  die  niedrigste,  L  die  höchste  Zahl. 

3)  Jedenfalls  zeigt  also  s  im  Johannesevangelium  (viel  schwächer  im 
Lukasevangelium,  s.  0.  S.  76)  starke  Verwandtschaft  mit  D  it.  Es  erhebt 
sich  die  Frage,  ob  diese  Stellen  Spuren  eines  älteren  urwüchsigen  Textes 
sind,  die  in  s  erhalten  blieben,  oder  ob  sie  später  erst  in  diesen  einge- 
arbeitet sind. 

4)  63g.  39  sind  mitgezählt,  obwohl  hier  nur  L2  mit  BsT  geht. 


gO  Bousset,  Studien  zum  Neuen  Testament. 

ou  öiiprjöu]  TDH  Min.20;  —  rj  —  si  BsLA^/;  —  q—7]  Rel;  63ß 
scogaxars]  so  .  .  .  TL  JEFV  K77  al.  rnu;  637  xgog  -\-  s"fie 
Ttf(L)  KJE  al.  pauc.1);  644  Jigoq  +  e"tue  nur  BJ^MUV  Min.5; 

G46  tcogaxev]  sog bis  TL  JEGRYMII  (K  das  zweite  Mal); 

654  xayw]  xcusyco  TJUel.  gegen  BtfLCD  GUKü  al.20  ib.+  sv" 
TT)  CTzf  KMZ7  SYA  al.60  b  c  f  in  q  vg.  Cyr.  Orig?;  664  oo  sioi 
xivsg  s£,  vficov  TS  f  ff'2  vg;  712  ov]  ovyi  KT  al. 12;  713  jtag[g]r}Oia 
BLD;  716  —  o"  Ir/aovg  Bit  Cyr.  33;  719  dedoMeei/]  £<?<»%£2>  BDH 
/72;  72l  +  o"  ir/öot^  LTD  KZ7UJ  Cyr.  al.  plur;  722  —  sv" 
aaßßaroj  B  b  e  ff2;  723  +  o"  avfrgcojrog  B  33  pauci;  725  Isgo- 
ooivfisiToov]  ixcov  1T£J  Rel.  gegen  BxD;  (728  —  o"  Irjoovg  B2T); 
730  —  £Jr"  sßalsv  T  a  c  e  ff2  q  vg;  733  f^rfj;  ow  +  avxoig  T 
Cyr.  cle.  "j;  7372)  sioxrjxsi]  tax.  aTB3DGXJ;  739  o]  ov  tfLTXJ  D 
GH/TT  plur.  Cyr.  ib.  jivevfta  ohne  weiteren  Zusatz  tfTK/7  42. 
91.  p  (12)  fu.  Orig.  Cyr.  ib.  ovöejico)  ovjrm  Btf  D  Or.  Ath?;  740 
+  ort"  oütos  BD;  741  «JUo*  +  de  T  b  c  f  p  T2  Orig.  1.  13.  69; 
747  —  avxoig  BK  al.5;  814  oo  tj  fiagxvgia  ftov  alrjd^rjg  soxi  B 
157.  al.3  b  12  Orig;  82ü  -f  xai"  y.ayco  T  p;  82S  o  xaxrjg  —  fiov 
«LT  X  13.  69.  122.  251.  Dit.vg.  Cyr;  832  fieivrjze]  fisvrjxs  TJ 
(29  Varianten). 

Besonders  bemerkenswert  sind  die  Fälle,  in  denen  T  von 
allen  dreien  BxL  abweicht:  635  (mit  D)  6ä4 1  (mit  den  Späteren); 
6542  hat  T  mit  C,  den  wir  noch  als  Vertreter  unsrer  Gruppe 
kennen  lernen  werden,  die  Lesart  der  Klasse  erhalten,  741  ist  T 
vielleicht  allein  als  Vertreter  der  Klasse  anzusehen,  664.  7t2.  730. 
733.  826.  832  ist  T  nur  von  wenig  Zeugen  begleitet,  seine  Ab- 
weichung eine  mehr  zufällige  (10  Fälle). 

Mit  L  gegen  Bs  geht  T  636  u.  646bis  in  der  unbedeuten- 
den Variante  sogax  .  .  7,6  (Btf  Vertreter  der  Klasse)  721  (LT 
Vertreter  der  Klasse?)  725.  7393  (Ba  Vertreter  der  Klasse)  (5  Fälle). 

Mit  S  gegen  BL  steht  T  632  (BLD  fast  allein)  713  (BLD) 
736  in  der  schon  einmal  (s.  o.  S.  77)  vorgekommenen  Var.  SLöxrj- 
xsi;  7392  haben  i*T  K/7  in  einer  wichtigeren  Var.  Hesych  er- 
halten (4  Fälle). 


1)  Zu  bemerken  ist,  dass  64o  T   allein  rovro,   die  Klasse  rovto  yaQ, 
die  übrigen  zovzo  6s  lesen. 

2)  736  lesen  ovxoq  o  Xoyoq  xz/  Rel.  it.  vg,   o  Xoyoq  ovroq  BLX  DE 
K/7  Min.io  a,  o  Xoyoq  T. 


III.   Die  Recensiou  des  Hesychius.  81 

Mit  8L  gegen  B  steht  T  6:J7.  644  (die  Varianten  e/ie  —  fie), 
719  (B  eöeoxev  cf.  632),  739  (tfLT  =  Hesych),  in  den  Varianten 
?22-  23-  40-  47-  81 4-  25  stellt  B  fast  ganz  allein  (722.  40.  $u  mit 
D  oder  it.  aL  (10  Fälle). 

Um  diesem  Thatbestand  gegenüber  einen  Eindruck  von  der 
engen  Verwandtschaft  zwischen  B  und  T  uns  zu  verschaffen, 
wird  es  doch  noch  notwendig  sein,  alle  Varianten  aufzuzählen,  in 
denen  X  von  BT  abweicht. 

629  —  o"  It/oovg  BLT  A  D  ILA  perm.  Orig;  630  —  ovv 
KL  33.  al.4  po  (Hesych?);  635  euiev  BLT  113.  p  öDabe, 
+  ovv  tfD  Gr  13.  69.  Min.12  q  p  ü,  +  de  Rel;  638  ex]  ajio 
BLT  A  13.33.69.124.254;  ib.  nouö\noir\<$eo xLD  Ath.ter-  (Hesych?) 
639  +  ev"t7]  üA  DS  K/7 13.  33.  69.  sat.  mu.  abf  ff2  q  p  "J  Ath? 
Cyr?  (vielleicht  X  Vertreter  der  Klasse?);  640  +  ev"r//  XL  A  D 
SU  K/7  Min.40  a  b  c  f  ff 2  q  vg.  p  tJ  (»L  vertreten  vielleicht l)  die 
Klasse);  642  ovy]  ovyi  BT  ib.  vvv]  ovv  BCT  p  kr.  Athan.cod-2; 
642  —  ovxog"  BCLTD  al.9  a  ff2  q  püD  Cyr;  643  ccjtexoid-y  — 
ovv  BCLT  K/7  al.10  ae  p  12  0  Cyr;  649  <^>  ev  ri]  sorjpm  xo  itavvet 
BCT  D  bec;  651  CflOerca]  C?]öei  XL  33.  Orig.  D  («L  =  Hesych); 
ib.  lesen  ov  eyco  öcooco  >/  oaoB,  fiov  egtlv  —  tjv  eym  öojöco"  vjcsq 
rrjq  rov  xodfiov  gcoz/g  BCLT  33.  157.  D  a  b  c  e  ff2  vg.  0  t3  Ath. 
Cyr.  Orig?2);  652  ^>  fjfttv  ovxog  tfC  Min.2  Orig;  ib  xi]v  oaoxa 
+  avrov  BT  abcefqvg.  öDp  hr.  p  2  Orig;  655  a?./jd-<»g 
...rjq  Ws  BCLTSC  K/7  al.30  p  B  Clem.  Orig.(?)  Cyr;  65S  ex  xov, 
eg  BCT;  665  xqoq  -4-  £>£  «C  (cf.  637  644);  666  +  £*"  tow  fia&tj- 
xcov  B  T  a  b  e  f  q;  78  eig  xi]v  eoQxyv  -\-  xavxyv  BLT  Xca-  DX 
K/715  ab  c  e  ff2  p  ü  Cyr;  7S  ovjtco]  ovx  tfD  KM/7  17/ •  3S9.  p  ö 
a  b  e  ff2  vg.  Cyr.  (Hesych?);  79  rennet  —  de  X  K/7  1.  33-  42.  118. 
389.565.  al.20  D  abc  q  ff2  vg.  Cyr.  (Hesych?)3);  79  avroig]  avrog 
xLX  K//  1.  22.  42.  389.  al.10  D  b  vg.  p  13  Cyr.  (Hesych?);  710 
aXXa  BT;  712  ^  jreru  avrov  rjv  nolvg  BLTX  33.  Cyr.  b  q;  712 
aXXoi  +  e?£  BTX  vg.  c  f  ff2  q  vg.  p  B  p  Cyr;  722  pa>  +  v"ö£«g  BLTX 


1)  Doch  wird  dies  ungewisa,  wenn  man  vergleicht,  dass  dieselbe  Ver- 
hesserung  654.  CTJK77  haben. 

2)  «'s  Lesart  ist  sichtlich  Verbesserung  der  Lesart  der  Klasse.  Hesych 
beruht  seinerseits  auf  einem  Schreibfehler. 

3)  Die  hier  gesetzten  Fragezeichen  würden   sich  beantworten  lassen. 
wenn  wir  über  die  Klasse  K/7  im  Klaren  wären. 

Texte  u.  Untersuchungen  XI,  4.  6 


S2  Bousset,  Studien  zum  Neuen  Testament. 

DS/72;  724  xqivets  xgivgrs]  sxt  —  azs  BLT  D  245.  251.  Cyr;  727 
z(!~/7lraL\  £(>Z£Tca  xX  z/ FH  28.69;  731  ^  ex  xov  o/lov  de  jioX- 
Xoi  ejiiGxevöav  BLTX  K/7al. 10  vg.  it.  Pler-  Cyr;  732  yxovoav]  + 
ovv  KM/IU  1.  al.22  a  f  ff2  D,  +  c?£  xD  c  e,"  13.  69.  124.  öD| 
xai;  ib  oa  oi  agyiegeig  xai  oi  <Pagioaioi  vjtrjgsraq  BLTXGU 
K/7  plur  p  D  c  f  ff2  vg.  0  Cyr;  734  evgrjoexe  -f-  ^£  BTX  1.  258. 
565.  ö  0  p  p  '::  736  svqi]östs  +  ^e  BTXG  1.  p  -j  ö  o  p;  739  »?jM£Jl- 
).ov]  s  .  .  .  .  BTX  DS/7  Cyr(?);  739  Jiioxevovxeg]  jiioxevoavxeg 
BLT  e;  741  aXXoi]  ot  de  BLTX  1.  33.  aL5  a  c  f  ff2  vg.  ü  Cyr;  742 
ou^tl  ov/  (B)LT;  ib.  ~  egyexai  o  Xqigt.  BLT  33.  c  vg.  Cyr.  hr; 
744  —  ejt"eßaX.ev  BLT  it.  vg.  (cf.  730  dieselbe  Variante  in  T  it.); 
746  elaXjfiev  ovrcoq  avfrgcojiog  BLTxc  X  3.  33.  Orig.  Cyr;  ib. 
—  cog  ovxog  (XaZsi)  o  av&gcojrog"  BLTxc  Min.2  p  Cyr;  749  aXXa 
BLTD  33;  750  o  sX&cov  Jcgog  avxov  xgoxegov  BLTkc  aeu  Cyr. 
hr.  Die  übrigen  lesen  sehr  verschieden,  (s.  Ti.)  7ä  [  axovötj  Jtgco- 
xov  xag  avxov  BLT  tfc  D  33.  al.s  a  cfE2q  cpp'J  Orig.  Cyr, 
die  übrigen  variieren  verschieden.  752  eucov]  eutav  BTD  K  33. 
489;  ib.  oo  ex  x?/g  yaXÜMiag  xgopr/xr/g  BLTX  vg.cod-  Orig.  Cyr; 
8l2  —  s"fioi  BT  Orig;  8U  vpeig  —  ös  tfFH  K  Min.19;  814  xai 
jiov]  ?j  jiov  BTX  D  KU/1  Min/0  f  ff2  q  vg.  p  -j  p;  816  alrj^g] 
aXrftivrj  BLTX  D  33.  Orig;  819  <~  av  ijöeixe  BLTX  1.  33.  c 
Orig.  Cyr;  823  ^  xovxov  xov  xooiiov  B  fab  c  ef  q  Orig. 
Cyr.txt-;   82s  smbv  ovv  —  avxoig  BLT  1.  a  (54  Varianten.) 

BT  gehen  oft  in  ganz  geringfügigen  Varianten  zusammen 
(vergl.  642.  710.  39.  52.  812);  638  und  5,  haben  sL  gegen  BT  die 
Lesart  der  Klasse  bewahrt.  6:;u.40.  79  ist  es  zweifelhaft,  ob  Hesych 
auf  Seiten  von  BT  oder  XL  steht,  in  den  übrigen  (10)  Fällen  hat 
BT  wahrscheinlich  Hesych  erhalten. 

Sehr  oft  und  in  bedeutenden  Varianten  gehen  BLT  gegen  X, 
der  hier  noch  weniger  als  im  Lukas  reinen  Hesychtext  bewahrt 
hat.  Mit  Ausnahme  der  Var.  78.  «,,  bei  denen  man  zweifelhaft 
sein  kann,  ist  BLT  immer  gleich  Hesych. 

Bei  der  Konstruktion  des  Hesych  sind  also  die  Lesarten  BT 
wertvoller  als  die  von  XL;  B  kommt  dem  Text  des  Hesych  weit- 
aus am  nächsten. 

Xur  in  einigen  Varianten  stimmen  BxT  gegen  Lßel.  überein: 

635  Jigog  +  £>£BtfT;    645  Jtgog  +  e"/iE  BaT  Orig.1);  716 


1)  Vergl.  o.  Varianten  637.  44.  65.  8i2. 


III.   Die  Recension  des  Hesychius.  83 

+  ovv  «BT  Rel.  gegen  DLX  a  e  ff2  vg.  o  p  ü  (?)  Cyr.  (Hesych?); 
749  sjtixaTCtQaroi)  sjiccQaroi  BaT  Cyr?  1.  33.  Orig;  759  £(>£v- 
vi/öov]  eqccvv/jOov  BtfT;  752  ey^ytQrai]  syuQsrai  BsT  XD  it. 
vg.  KZLT  Min.30  p  B  Orig. 

Eng  verwandt  mit  unserer  Klasse  ist  auch  C,  der  nur  Job. 
0;i> — 7:)  erhalten  ist.  In  19  Fällen,  wo  BsLT  zusammenstellen, 
liest  C  16mal  mit  der  Gruppe  (zweimal  gegen,  einmal  fehlt  er). 
Die  Gruppe  BTC  findet  sich  in  7,  BLTC  5,  xLTC  1,  TC  1 
Fällen,  unter  im  ganzen  39  Varianten  geht  C  30  mal  mit  T.  An 
einer  Reihe  von  Stellen  bestätigt  er  die  Lesarten  von  BT  als 
Hesychlesarten ,  da  wo  X  oder  XL  gegenüberstehen.  C  ist  hier 
ein  um  so  gewichtigerer  Zeuge,  als  er  in  andern  Varianten  wie- 
der eine  gemeinsame  Textgrundlage  mit  X  aufweist. 

Von  übrigen  Hndschrn.  haben  etwa  noch  X  R  Q  (wo  vor- 
handen) (A),  vor  allem  aber  die  Klasse  KM/7  Min,  über  die  noch 
eine  Untersuchung  folgen  wird,  mit  Hesych  übereinstimmende 
Lesarten.  Aber  von  diesen  Hndschrn.  gehört  keine  wirklich 
zu  unsrer  Gruppe.  Das  Verhältnis  von  §  zu  D  it.  bedarf 
einer  eignen  Untersuchung.  Von  Minuskeln  hat  33  fast  durch- 
gehend Hesychtext.  Die  Gruppe  13 — 69 — 12-1 — 346  zeigt  sich 
verwandt. 

Wenn  ich  übrigens  schon  jetzt  der  Kürze  wegen  die  be- 
treffende Gruppe  von  Kodices  mit  §  (Hesych)  bezeichne,  so  will 
ich  damit  nicht  behaupten,  dass  der  Beweis  für  die  Existenz  von 
§  schon  vollständig  geführt  sei.  Erst  die  Untersuchung  sänimt- 
licher  anderen  Fragmente  des  Buchstaben  T  wird  den  geführten 
Beweis  unwiderleglich  machen. 

H.  Tb  Petropolitanus  Muralti  10.  6-  Jahrb.  Gregory:  litterae 
unciales  litterarum  in  fragmentis  Borgianis  similes.  Jo.  125 — 42. 
29 — 414.  434 — 50  (viele  Lücken  sind  vorhanden). 

Nach  den  nun  bekannten  Grundsätzen  stelle  ich  sofort  fol- 
gende Tabelle  auf: 


§4  Bousset,  Studien  zum  Neuen  Testament. 


B 

!* 

L 

BaLT     29. 

29. 

29. 

29.  i) 

BLT     13. 

13. 

13. 

B«T      6. 

6. 

6. 

BT      5. 

5. 

tfLT      4. 

4. 

4. 

LT     10. 

10. 

8T      5. 

5. 

T      3."2) 

Summa  75 

TB 

53, 

TK44, 

TL  56. 

Diesmal  sind  besonders  die  Stellen  interessant,  an  denen  eine 
enge  Verwandtschaft  von  L  und  Tb  nachgewiesen  werden  kann. 
Jo.  12U  ajrsxQid-?]}  .  .  xgivaro  LTbU  33.  67.  248.  249.  Orig. 
I33  £v  +  TC0"  nvEV[ia.Ti  -\-  reo"  ayico  LT  (videtur)  33.  (ev  üzvev- 

[iaxL  tod  ayico  X  Cyr.) 

137  fia-d-rjTCci  avrov  BS5  b,  avrov  fia-0-rjrai  CLTX  33.  —  avrov  Rel. 
24 2  01  fta&rjTca  —  avrov  LT  Orig.  3 — 1. 

316  sig  avrov]  ejr'  avroo  L,  eji  avrov  T  (vergl.  die  ähnliche  Va- 
riante 315). 

450  £jilötev6£v  S?B  D  c  vg.    Cyr;  xai  ejtiörsvöev  AC  Rel;   sjti- 
orsvosv  Ö£  LT. 

127  liest  Tb  mit  L  und  Rel.  +  o"  oniöco  fiov  sQXOfisvoc  gegen 

Bx  Orig;  130  jisqi  statt  vjcsq  gegen  BsC  Orig.  (2—1);    3]6  rov 

vlov  4-  avrov  gegen  BS;  3l8  o  +  de"  ^77  gegen  BS  ff2  Orig.  Terfc. 
Mit  «L  liest  Tb  :  446  xai  rjv)  i)v  de  «LT  33.   D  b  e  f  ff2  p 

Cyr;  49  Zafiaosirig]  iriq*is  sLTC  D. 

140  -/y/ö-ai;  £idav]  ov  —  ov  «LT  Rel.  geg.  BC;  42  +  xaliv 

aLTC  B2  33.  DM  69.  124.  346.  it.  vg.  p  ö  Cyr.  (4  Var.) 

BLT  stehen  zusammen:  125  ^Aetcrc;  BLT;  ib.  eOTijxev]  ortjxti 

BLT   1.  Orig.  (2— 5U-Öfter)  («G(Or.)  sottjxsi). 

138  OTQayeiq-Yöe  BLT  Rel.  gegen   xEF  HMVJT/4  aL*°  Orig. 
140  <d£T£]  oipfö^e  BLTC  1.  22.  33.  118.  209.  ODp  Orig. 


1)  Dazu  ist  noch  3i2  zu  rechnen,  wo  T  mozevszs  liest,  .£>  niozevoere, 
Rel.  7iiarevar/T£. 

2)  Von  jenen  3  Varianten  sind  2,  in  denen  T  mit  den  späteren 
Hndschm.  geht,  orthographische  Varianten:  32  Qaßßi,  3n  soQaxafxsv.  128  wird 
noch  besonders  besprochen  (vergl.  134  Tb  eojQaxu). 


III.   Die  Recension  des  Hesychius.  85 

2, ,   —  t?/v"  agyjiv  BLT  A A  1.  33.  262.  Orig.  Eus. 

212  ol  aÖ£/.g:ot  —  avrov  BLT  a  c  e. 

215  xo  xeofta]  xa  xsQßtxxa  BLTX  33.  b  q  p  Orig. 

3  3  —  o"  Itjöovs  BLT  EFGr  KM/7  al.40  Cyr. 

328   +  hol  BLT  Rel.  geg.  aEFH  VMr  al.60 

4.^  Jioico]  jiol7]Goi  BLTC     K/7  al.s  D  Clem.  Orig.  (2UÖ— 1).  Cyr. 

436  Lva  xai  BLTC  U  1.  33.  67.  e  p  p  hr.  Orig.  Cyr. 

447   +  ajt"rjZ&£v  BL  Rel.  gegen  SC  1.  13.  33.  69.  124.  abeff2ö. 

450  ov]  co  BLTC  XCA.  (13  Var.) 

Dem  gegenüber  stehen  folgende  Varianten: 

1)  BT  stehen  zusammen  gegen  die  übrigen  Hndschrn.  der 
Gruppe:  127  ovx  eitui  syco  BTX  13.69.  118.  Orig.  4 — 1,  syco  ovx 
tif/i  Rel,  ovx  eifii  xLC  p  al.20  q  Clem.  Heracl.  Orig.  (Hesych?); 
14,  jiQCoxoq]  ..ov  BTtfc  AXM/7  1.  69.  346.  al.15  p  ?;  315  eig 
avxov]  ev  avxco  BT  C  am.  fu.  (L  sji  avxco);  32S  siüiov  -\-  syco 
BT  (syco  uüiov)  c  e;    49  jilslv]  jtslv  BCTD  xiv  xAL  (5.  Var.) 

ST  stehen  zusammen:  135  sLOxr/xsi]  lox  .  .  .  NT  AFHPXzf  1. 
35;  ib.  -+-  o"  lowvvr/q  mit  allen  gegen  BL; 
2j8  Ujtav  nur  BL  33.  Orig. 

414   o  —  eye»"   c?cüöm  aTDM  Min.11  a  b  f  ff2  q  vg.  p  hr. 
445  a]  ooa  nur  BCLsc    AZ7  Orig.  4—2  *)  (5.  Var.) 

BxT  stehen  zusammen:  22o  coxoöotur/&ij]  oix  ...  BsT  33; 
336  —  rrp?u  C^corjv  BxTRel.  gegen  LEFHM  al.^'Cyr;  4,  ov]  o  BtfT 
Rel.  gegen  CLDMS  al.30;  442  öcqx/jQ.  v.xoöfi.  —  o  XoLOxoq"  BsTC 
69.  71.  a  b  c  ff2  vg.  p  ö  Orig.  Heracl;  t<-i]ld-£v  sxel&ev  —  xcu 
cutrjX&sv  BtfT  CD  13.  69.  a  b  ef  ff2  q  p  o  Orig.  Cyr;  446  xccjisq- 
vaovfi]  xatpagvaovfi  BtfTC  D  33.  it.  vg.  p  Orig.    Cyr.  (6  Fälle). 

Auch  diese  Gegenprobe  bestätigt  es,  dass  Tb  am  engsten 
mit  L  verwandt  ist,  gleich  hinter  L  folgt  jedoch  wieder  B. 

In  einer  sehr  wichtigen  Variante  weicht  Tb  jedoch  ganz 
von  unsrer  Gruppe  ab.     Es  lesen: 

128  statt  Brßavia]  Brj&aßaoa  TbC2  K2Z//U  1.22.33.69.  al.30 
Die  Variante  verdankt  ihr  Dasein  einem  Einfall  des  Orig.  und  ist 
deshalb  besonders  interessant. 

C  ist  vorhanden  Jo.  126— 4l,  3:j3—  Ende.  Zum  Beweis  seiner 
Verwandtschaft  mit  der  Gruppe  genügt   die  Angabe,   dass  C  in 


1)  Hier  jedoch  weichen  xT   auf  die  Seite   der  späteren  Hndschrn.  ab, 
BCL  haben  die  Hesychlesart. 


86  Bousset,  Studien  zum  Neuen  Testament. 

18  Fällen  16  mal  mit  BxLT  geht,  einmal  abweicht,  während  er 
einmal  nicht  mehr  zu  erkennen  ist  (vergl.  noch  oben  137,  wo  C 
in  einer  Sonderlesart  mit  LTX  geht. 

III.     Tc    Porfirianus    Chiovensis    6.   Jahrh.    Mtth.    1410_21, 

22—27?  31—34-    1°2  —  4>  5— S- 

Bei  der  Untersuchung  der  in  Betracht  kommenden  Varianten 
wird  sofort  deutlich,  dass  L  hier  nicht  auf  der  Seite  unsrer  Gruppe 
steht.  (Wie  mir  scheint  gilt  dies  von  B  namentlich  in  der  ersten 
Hälfte  des  Matthaeus.)  Dagegen  steht  uns  hier  C  zur  Verfügung. 
Das  Verwandtschaftsverhältnis  vonTc  stellt  sich  folgendertnassen: 

B  x  C 


BaCT 

8. 

8. 

8. 

8. 

BkT 

8. 

8. 

8. 

BT 

1. 

1. 

tfT 

3. 

3. 

aCT 

2. 

2. 

2. 

CT 

l.M 

1. 

Summa  23 

TB 

17, 

Ta 

21, 

TC  11. 

Da  in  dem  einzigen  Fall,  wo  BT  zusammenstehen  (54  tuen' 
statt  evezeiZazo  Xsycov),  schon  tfa  verbessert  hat  und  die  Va- 
riante, in  der  CT  zusammenstehen,  unbedeutend  ist  (14lf)  ?jvXo- 
yrjOev  statt  tvXoyrjOsv),  so  stimmen  tf  und  Tc  diesmal  fast  ohne 
Ausnahme  in  sämmtlichen  Lesarten  überein.2)  In  zweiter  Linie 
steht  wieder  B. 

Ich  setze  einige  Varianten  hierher,  um  die  enge  Verwandt- 
schaft von  tf  und  Tc  deutlich   zu  machen: 
Mtth:  1427  lesen  elaZrjOev  avtoig  tfT  231.  p  D  ö  ff1;  +  o  irjOovg" 
CL  Rel;  eZaZr/ösv  -j-  o  ujöovg  avtoig  Bxa  131.  it.  vg.  0. 
1435  lassen  nur  XT  das  sxsivov  fort. 
15G  zov  votuov]  «TC;  zov  loyov  Bp  D  a  b  e  ff 2  o\   zi)v  svzohjv 

L  Rel.  Cyr. 


1)  Dazu  bemerke  noch  folgende  Stellen:  1426  cvj  ntQmaxovvxa  sm  x?jq 
tiuj.o.ooi]q  T  33.  g.  up  S  kr.  Eus.  1434  rj?.Q-av  T  155  +  //  xi]v  fitjxsQCc" 
Tc  13.  33.  124.  346  al.3»  it.pto-  Cyr.  -f-  rt  xr/v  [ir/XEQa  avxov  Rel.  gegen  BsD  o. 

2)  Es  scheint  so,  als  wenn  im  Mttk.  £)  gerade  von  s  sehr  treu  be- 
wahrt ist. 


III.   Die  Receusion  des  Hesychius.  ST 

IV.  Td  Romap  Borgianus  II.  7.  Jahrh.  gräko-sahidisclies 
Evangeliarium.  Mttli.  1613_20.  Mrk.  13_8.  1235-37.  Joh.  1923_2T. 
2030—  31.  ) 

Ich  stelle  zunächst  die  wenigen  für  Mtth.  in  Betracht  kom- 
menden Varianten  hier  zusammen,  weil  hier  wieder  die  Stellung 
von  L  eine  andre  ist. 

Mtth.  16,3  rtva —' ps  BtiR  c  vg.  p  hr.  Orig.int-;  16, 4  eixav 
BT/7  33;  16n  xcu  cuioy.Qidsic]  ccjcoxQi&eig  de  BxT  D  1.  13.  33. 
124.  346.  b  c  ff 2  vg.  p  Eus;  16, 9  xletg]  xZetöag  BaLT  Orig. 
3—1;  1620  fiadTjrag  —  avxov  BsCDT  Orig.  2— 3. 

An  den  übrigen  Stellen  stellt  sich  das  Verhältnis  von  Td 
zur  Gruppe  folgendermassen  dar: 


B 

K 

L 

BaLT 

12. 

12. 

12. 

12. 

BLT 

1. 

1. 

1. 

BT 

3. 

3. 

SLT 

2.2) 

2. 

2. 

KT 

1. 

1. 

BkT 

1. 

1. 

1. 

T 

4. 

In  Summa 

24. 

TB 

17. 

Ts 

16. 

TL  15. 

Diesmal  geht  Td  in  vier  Varianten  mit. den  späteren  Kodices: 
Joh.  1924  jrX?jQG>&?]  +  ?/  Xtyovoa  gegen  BS  2-19.  abec  ff'2-j  Eus; 
20. ,  jnozevütjTt  statt  jtiortv)jXE  gegen  BS;  Mrk.  l(i  eoü-iow 
(für  tod-cov)  gegen  BxLz/  33;  ls  +  tv"  vöau  gegen  Bx  H_/ 
16.  33.  56.  58.  25S.  al.4  Orig.  —  In  den  Varianten  geht  freilich 
auch  L  mit  den  späteren  Kodices,  ich  hätte  deshalb  die  Stellen 
auch  unter  der  Rubrik  LT  bringen  können,  aber  da  L  sonst 
keine  Spuren  besondrer  Verwandtschaft  mit  Td  zeigt,  so  sehe  ich 
lieber  in  diesen  Varianten  ein  Hinübertreten  von  L  und  T  zur 
entgegengesetzten   Gruppe.      Die    überwiegende    Verwandtschaft 


1)  .Mtth.  16l3— 20  und  Mrk.  13_8.  12;ii  —  37  sind  nach  Tregelles  Nov. 
Test.  Prolegoniena  Pars  VII.  (Addenda  und  Corrigenda)  gegeben,  die  Frag- 
mente aus  Joh.  nach  Tischendorf. 

2)  Wenn  Joh.  2030  s  nach  Treg.  gegen  Ti.  xwv  fxa&ijrcjv  +  nvtov 
liest    Ti.  führt  s  auf  beiden  Seiten  auf . 


£§  Bousset,  Studien  zum  Neuen  Testament. 

von  Td  mit  unsrer  Gruppe,  vor  allem  wiederum  mit  B,  ist  ohne 
weiteres  deutlich. 

V.  Te  Cantabrigiensis  biblioth.  univers.  Add.  1S75.  6.  Jahrh? 
Evangeliarum  „bims  columnis,  quarum  una  ut  videtur  the- 
baica  fuit".    Mtth.  313_u-. 

Ich  notiere  einfach  die  wenigen  Varianten: 
314   —  Icoavvrjg  BxT  tt. 
3I6  y.at  ßajrxio&eig]  ßajtxio&eig ös B^CT  vg.  p  2;  oj  sv&vg  ccvsß?/ 

AxT(D)  it.  vg.  p-^ö.1) 

Da  die  Varianten  von  Tf  mir  leider  nicht  zugänglich  sind, 
so  folgt: 

VI.2)  Twoi-  Olim  Woidii  hodieOxonii  officinae Clarendonianae. 
5.  Jahrh.     Eine  griechisch -thebaische   Hndschr,   mit   koptischen 
Xummern  der  Seiten. 
Lk.  1215-J332,  Jo.  83:i-42. 

Diese  Hndschr.  bietet  ein  etwas  andres  Bild.  Sie  zeigt  einen 
entschiedenen  Mischtext,  und  muss  mit  mehreren  Hndschrn.  ver- 
glichen sein,  wie  aus  folgenden  Stellen  deutlich  werden  wird. 

13-24  lesen  OtEvr/g  &vqccc  BsL  D  1.  131.  Orig.  1 — 2;  öxsvr/g 
jtvh/g  AX  Rel;  T  :  (dia  xrjg)  &vQ<xg  Gxevrjg  Jivlrjg.  Offenbar 
hat  T  hier  eine  gemischte  Lesart  und  zwar  ist  (s.  d.  Stellung) 
wahrscheinlich  &vQag,  also  die  Lesart  von  £)  später  eingeschoben. 

838  lesen  BLCxc  XK  Min.14  f  p  pm  hr.  Cyr.  rjxovöaxe  jraga 
xov  JiarQog,  alle  übrigen  togaxaxt  jtaga  xco  jcaxgi,  tfT  £co(o)- 
gaxaxs  üiaqa  xov  naxoog.  (Die  Übereinstimmung  von  xT 
mag  zufällig  sein.) 

1223  ?]  yag  ipvxV  B^L  DMXS  Min.25  b  e  p  0  C;  rj  tpv/j]  die 
übrigen;  Tu  oxi  >/  ipv/Jj. 

Bei  der  Abwägung  des  Verwandtschaftsverhältnisses  von 
Twoi-  lässt  sich  nicht  überall  mit  Sicherheit  entscheiden,  welche 
Gruppe  T  begleitet.  Ich  stelle  zunächst  die  Stellen  zusammen, 
an  denen  T  mit  §  geht. 

1)  1215  rrjg]  Jiaorjg;  2)  r\  £001?  avrov]  —  avreo;  fyvxao- 
yovxcov  avxcö\  avrov:  4)  12ie  ijvtyoorjotv]  sv . .  . . ;  5)  121S  xa 


1)  Notiert  bei  Tregelles  a.  a.  0.   cf.  S.  87.  A.  1. 

2)  Tf    Mellsiae    Horneri    9.    Jahrh.    gräkosahidisches    Evangeliarium 
Mtth.  42-n-  Gregory    439. 


III.   Die  Recension  des  Hesychius.  go, 

ysvvrj/iaxa]  xov  oixov:  6) —  fiov1;  7)  1220  atpQOv)  ayoayv: 
8)  — ajt"  aixovoiv1);  9)  1222  omjxaxi  -f-  vtucov;  10)  122H 
oDtf]  ofds2):  11)  122S  £*>  —  reo"  aygco;  12)  a(ig>isvvvct 
at.i(£i£(a)Csi;  13)122!,  ?/  xi]xai  xi:  14)1230£.Tt  C^T£«]ot;öf^;  15) 
123:.  ßaX-\-  X"avxia\  16)  123q  tvzai'  ev  xr/  o°£t>T£(>a  *av  (T  xai) 
iv  xi)  xQixfj  (fvXay.ii  eXd-ij  xai  svqtjö.  ovx:  17)  1240  xai 
Vfisiq —  ovv3);  18)  1242  xaxaox7]öEi]  xaxsoxijOEv:  19)  1243 
c>o  ovxcoq  jtoiovvxa;  20)  1247  savxov]  avrov;  21)  fiijöe]?]; 
22)  1249  sie]  ejti;  23)  1250  od]  oxov:  24)  1253  öiafisgi- 
ofrijCEzai]  ....  ovxai;  25)  1253  ey>]  ejti:  26)  £jrt  #t>7«Tp«] 
tüii  (xtjv)  &vyaxtga;  27)  e^r«  tu?]xgi}  ejti  (x?jv)  (UJXSqcc  l); 
28)  1256  cvo  rou  ovgavov  xai  zrjq  yr/g  SCLT  XKZ7  al.40  p  0 
D  it.  vg.  ö  (vielleicht?  eine  Lesart  von  <p);  29)  1258  <J£  jtagaöoy] 
....  dcoöa;  30)  1259  §  £cöc,  Rel.  £<»g  ov,  T  £<#$  «^  hat  also  in  sei- 
nem Archetypus  wohl  Ecoq  gelesen;  31)  xo  EO'/axov  Xejixov] 
xov  .  .  .  .  ;  32)  132  ajioxgi&Etg  —  o  I?]öovg;  33)  133  (iExa- 
POfjörjTe]  fisxavo?]xs:  34)  coöavxwq]  otuoia>g;  35)  134 
ovtoi]  avxoi;  36)  —  xo  vg"  avd-ocojcovq;  37)  +  ev"  Isqov- 
oaXr/ii;  38)  135  ^exavot/xs]  fi£xavo?)Orjxe',  39)  137  -\-  a^ov5); 
40)  139  c^  siq  xo  (isXXov  ei  öe  fit/ys;  41)  13n  yvvr/  —  7]v; 
42)  ÖExa  —  xai"  oxrco6);  43)  13, 4  £i>  xavxaiq]  ev  avxai g:); 
44)  1319  öevöqov  —  fiEya;  45)  1320  —  xai"  jiaXivs\;  46)  1322 
jcoQEiav]  tav  ?  47)  1327  XEycov  BT,  ^/coRel,  >>  X  püii  vg;  48) 
oiöa  —  v(.iaq;  49)  1329  xai  -f-  ajio"  ßogga;  50)  vielleicht  noch 
hierherzuziehen,    1326  aogfö#£]  rjöd-E  aLT  Rel.  gegen  B  EGHU 


1)  Zu  beachten  ist,  dass  132i  EmFmGmHUYm  TA  al.60  einschieben 
xavxa  teyotv  scptovev  o  tycov  coru  axovsiv  axovexio. 

2)  1224  kLQ  De  ovxs  —  ovxs;  BRel.  ov  —  ovöe;  T  ov  —  ovys.  Hier  lässt 
sich  kaum  entscheiden,  da  auch  ö  sich  kaum  bestimmen  lässt.  122T  lesen 
—  oxi"  ovöe  BT  Rel.  gegen  sLAXDM  al.30  bcef  Ö-iqö'pa).  Hier  scheint 
allerdings  si  auf  Seiten  von  sL  zu  sein. 

3)  2242  lesen  o  (pQovijioq  BT  ta  Rel;  *kj  (fQovtuo;  sL  p  A31UXJ1 
it.  vg.  58  |)    Orig. 

4)  12.J5  lassen  sLD  o  Ti  aus  (sL  schwerlich  =  .\>\ 

5)  Vielleicht  sxxoyov  +  ovv  (137)  LTAX  33.  it.  vg.  p  ts  die  Lesart  aYs. 

6)  Nicht  entscheiden  lässt  sich  über  die  Variante  13i3  avooScjÜ/,  — 
ura)()9a)9rj. 

7)  13] 9  savrov]  avrov  nur  DFX    LKU  al.15 

8)  Nicht  zu  entscheiden  ist  132i  +  ev"£XQvg>ev  sT  Rel.  gegen  BLUK77 
157  al.65  (wahrscheinlich  .v>  auf  Seite  von  B). 


90  Bousset,  Studien  zum  Neuen  Testament. 

YA;  51)  Joh.  S33  avrco]  jiqoc,  avxov;  52)  838  sogaxa]  eco ; 

53)  Jtaxoi —  fiov;   54)  Jiaxoog  —  vficov;   55)  839  i]xe]  eöre; 
56)  +  t"jtoi£irs;  57)  841   swtov —  ovv. 

Neben  7  Varianten,  in  denen  nicht  entschieden  werden  kann, 
rinden  wir  Twoi-  in  57  Fällen  auf  Seiten  von  §.  —  Das  Verwandt- 
schaftsverhältnis zu  den  einzelnen  Hndschrn.  der  Gruppe  stellt 
sich  folgendermassen  dar: 


B 

S* 

L 

BxLT 

32. 

32. 

32. 

32. 

BLT 

8. 

8. 

8. 

BaT 

7. 

7. 

7. 

BT 

3. 

3. 

aLT 

4. 

4. 

4. 

KT 

2.1) 

2. 

LT 

1.2) 

1. 

Summa 

57. 

TB 

50. 

TK  45. 

TL  45. 

Dem  gegenüber  stelle  ich  die  Varianten,  in  denen  Twoi-  mit 
andern  Gruppen  von  Kodices  geht. 

1)  Luc.  122l  3)  avxoy]  savxco;     2)  1222  <^>  v(iiv  Zsyco;     3)  xtj 
ipvy?]  -f  vficov;  4)  1225  jcrjyvv  +  sva  (auch  Lsa);  5)  122S  lesen. 
£?'  «7003  xov  yooxov  ovxa  o?]tueQov  BxL. 
xov  /.  £v  (reo)  «/(>.  ovxa  Oijtu.  A  p  13  (e)  262. 
xov  y.  sv  xeo  ayo.  6r/tu.  ovxa  JE^YF  plurimi. 
xov  y.  orji/sQov  sv {xa>)  ayoco  ovxa  T  AQU  KM/Zal.13  fq  am.  fu. 
xov  y.  xov  aygov  örjfi.  ovxa  DGHX  al.15 

6)  1229  avxov]  xov  ß-sov,  7)  12:ll  xavxa  +  jiavxa  Ttfa  p 
AXKM77  DGUr  it.  vg.  0  p  Min.Plur-  gegen  BsL  Rel.  al.30  ae 
13  ö;  8)  1235  00  a>  oGrpvsg  vficov  TAQ  K/7  al.mu-  it.  vg.  Orig.4); 
9)  123S  +  ol  öovIol"  sxsivoi;  10)  123!)  ovx  +  ai>"  acprjxsv; 
11)  öioQvy&?]vai]  dio(>vyr/vai:>),  12)  1242  xat  sijcsv]  sutsv  ös; 
13)  12,2  ^  £j>  ojxg?   £^/°j;     14)    12- 3    xr]v  jcsv&soav   +  avxrjg 


1)  Var.  56  geht  auch  B°-  mit  sT. 

2)  Dazu  vielleicht  noch  die  Variante  137.  s.  o.  S.  89.  Anm.  7. 

3)  1217  BL  allein  avxoj  statt  fßvrw. 

4)  Nach  Tregelles,  während  Ti.  keine  Angaben  hat. 

5)  Unentschieden  bleibt  1241  -f-  avzw  sT  p  ts  Rel.  gegen  BLRX  Min.5 
D  b  c  e  ft'2  i.  (wo  £>?). 

6)  1244  avrov]  ainr<w  TMPJ\4  157. 


III.   Die  Recension  des  Hesychius.  91 

(auch  S?c);  15)  1254  +  r?/v"  veysX^v,  16)  eju]  axo;  17)  —  oxi ; 
18)  13t  jtiXaxoq  (auch  L);  19)  132  ravra]  roiavra;  20)  134  ötxa 
+  y„ai"  oxtco1);  21)  135  ojGauTcog]  oftoiatQ2);  22)  136  <^  :ff£<jpt'- 
Ttvfiei>7)  sv  trj  atujisX.  avt;  23)  13, 4  +  ort"  eg3);  24)  13,-, 
de]  ow4);  25)  13, 8  ovv]  ös:  26)  1322  ugoGolvfia]  LEgovaah](ih)\ 
27)  1325  xvqis  +  xupte;  28)  1327  —  ot"  sgyazai  TA  KM/7ür 
p  "J  Min.  plur.G);  29)  +  ri\q"  aöixcag;  30)  1331  sv  avt?]}  tv 
xavri]  T  D  KM/7  63.  116.  157.  al.10  b  f  p  0;  31)  raoa]  i][iSQa; 
32)  jrpo^A^ay]  oi>;  Joh.  8;  33)  838')  lesen  a  —  a  BxCD  X 
Min.  aliq.  p  Orig.  Cyr;  o  -  o  T  Rel;  o  —  a  K  1.  13.  33.  al.1^ 
b  e  f  vg:  a  —  o  XCL;     34)  ^  tyco  o  («);     35)  839  e^jrw]  .  .  ov. 

Es  treten  also  jenen  57  Fällen,  in  denen  T  mit  §  gebt,  34 
andre  gegenüber,  in  denen  T  sich  andern  Gruppen  zugesellt. 
Besonders  aber  zeigt  T  noch  Verwandtschaft  mit  der  Gruppe 
(A)  KMZ7  (siehe  die  Varianten  Nr.  5.  7.  8.  28.  30  in  der  letzten 
Tabelle).8)  Die  Gruppe  KM/7  steht  mit  T  nun  auch  zusammen 
auf  der  Seite  von  £>;  Lk.  1215bis  47.  49.  50. 56.  134.  5.  14,  also  in 
neun  Varianten.  Dagegen  kommen  von  den  letztgenannten  34 
Varianten  wieder  3  (Nr.  10.  17.  33)  in  Abzug,  da  hier  K(M/7) 
mit  £)  gehen.  Das  Verwandtschaftsverhältnis  zwischen  T  und 
KM//  kommt  also  zum  Ausdruck  durch  die  Zahlen  40  :  51 
(günstige  zu  ungünstigen  Fällen). 

Immerhin  zeigt  sich  Twoi-  enger  $Q  verwandt  als 
irgend  einer  andern  Gruppe.  Wahrscheinlich  ist  der  Text 
von  $g  in  einen  älteren  Archetypus,  der  aus  einer  andern  Gruppe 
stammte,  von  dem  Schreiber  von  TwoL  hineingearbeitet. 

Wir  können  nach  alledem  das  Resultat  ziehen.  Die  Gruppe 
von  Hndschrn.  unter  dem  Buchstaben  T,  die  sich  bestimmt  in 
Ägypten  lokalisieren  lässt,  weist  mit  unzweifelhafter  Deutlichkeit 


1)  Dagegen  liest  T  13n  mit  ,fj  öey.a  oxxm. 

2)  13  3  liest  T  mit  H  Ofzoiwg   135  all  +  «  TK77  (L  aXX'tj). 

3)  1310  —  sv"  DT  1.  13.  69.    209.  346.  it.  vg. 

4)  13i5  -f-  e v"  z(o  AT  (p  ü);    cc7tcc-ya"ya)v  Bs  1. 

5)  1322  xaxa  +  xaq"  noleiq  XLT  1.  157.     6.  i>e- 

6)  1328  oxpTjo&e]  oipeo&e  BDX     69.  124.  346.  al.«*;     loaax]  ioax  sL. 
D  a  b  e  i. 

7)  833  0  -f-  öt"  iiog  DT  a  vg.  tt-  Cypr. 

8)  Vergl.  oben  Anm.  2. 


92  Bousset,  Studien  zum  Neuen  Testament. 

auf  eine  zweite  Gruppe  von  Hndschrn,  die  wir  nicht  nur  in 
Fragmenten  besitzen,  BxLT  (von  Minuskeln  gehört  33  hierher). 

Es  ist  nun  kaum  anzunehmen,  dass  die  enge  Verwandtschaft 
dieser  ganzen  Reihe  von  Hndschrn,  die  doch  um  mehrere  Jahr- 
hunderte aus  einander  liegen,  ihren  Ursprung  nur  daher  haben 
sollte,  dass  sie  alle  irgend  einen  beliebigen  gemeinsamen  Arche- 
typus gehabt  haben;  wir  werden  vielmehr  die  Verwandtschaft  am 
einfachsten  durch  die  Annahme  erklären  können,  dass  in  allen 
diesen  Kodices  Hndschrn.  aus  einer  Kirchenprovinz  vorliegen,  in 
der  es  einen  fixierten  autorisierten  Text  der  heiligen  Schriften, 
eine  Recension  gab. 

Die  Kirchenprovinz,  um  die  es  sich  hier  handelt,  kann  keine 
andre  als  die  ägyptische  sein,  und  da  wir  nun  von  Hieronymus 
wissen,  dass  in  Ägypten  in  der  That  die  Recension  des  Hesych 
anerkannt  war,  so  ist  der  Schluss  gesichert,  dass  wir  in  Bs(C)LT 
die  Recension  des  Hesych  —  wenigstens  für  die  Evangelien  des 
neuen  Testaments  —  zu  erblicken  haben.  Mit  leichter  Mühe 
liesse  sich  überdies  noch  nachweisen,  dass  zu  dieser  Gruppe  in 
Matthäus  noch  Kodex  Z  und  im  Lukas  die  Fragmente  von  £ 
hinzukommen. 

Der  wichtigste  Zeuge  dieser  Recension  ist  unstreitig  der 
Kodex  B,  er  steht  gleichsam  im  Mittelpunkt  der  ganzen  Gruppe, 
und  fast  alle  Linien  laufen  in  ihm  zusammen.  Wenngleich  sich 
bei  Tb  der  Kodex  L  und  bei  Tc  der  Kodex  N  als  am  engsten  ver- 
wandt erwiesen  haben,  so  folgte  doch  auch  hier  B  jenen  auf  dem 
Fuss.  Es  würde  sich  leicht  erweisen  lassen,  dass  immer  gerade 
B  auch  mit  X,  mit  L,  mit  C  da,  wo  diese  Kodices  wirklich  zur 
Gruppe  sich  gesellen,  die  engste  Verwandtschaft  zeigt.  Das  ist 
sehr  bedeutsam,  es  ist  daraus  der  Schluss  zu  ziehen,  dass  B  am 
reinsten  die  Recension  des  Hesych  erhalten  hat,  ja  es  ist  sogar  zu 
vermuten,  was  nachher  noch  weiter  ausgeführt  werden  soll,  dass 
B  sogar  die  Orthographie  der  Recension  erhalten  hat. 

Hochbedeutsam  ist  nun,  dass  sich  für  B  speziell  noch  eine 
Spur  findet,  die  nach  Ägypten  hindeutet.  Die  Paulinischen  Briefe 
stehen  zwar  in  B  schon  in  derselben  Reihenfolge,  wie  in  den 
meisten  älteren  Hndschrn.  Es  hat  jedoch  in  dem  corpus  pauli- 
num  eine  durchlaufende  Kapitelzählung,  und  aus  der  Nume- 
rierung dieser  Kapitel  ist  zu  ersehen,  dass  in  dem  Archetypus  des 
Kodex  B  der  Hebräerbrief  vor  dem  Epheserbrief  d.  h.  zusammen 


III.   Die  Recensiou  des  Hesychius.  93 

mit  den  grösseren  Paulinen  stand.1)  Die  Tkatsache  deutet 
in  die  Kirchenprovinz  Ägypten  und  auf  die  dortige  Wertschätzung 
des  Hebräerbriefs  als  eines  paulinischen  Briefes.2)  Die  Vermu- 
tung wird  bestätigt  durch  die  Beobachtung,  dass  in  der  sahidischen 
Übersetzung  die  Ordnung  IL  Cor.  Hebr.  Gal.  sich  findet:i), 
während  sich  sonst  nirgends  eine  parallele  Erscheinung  nachwei- 
sen lässt.  —  B  weist  auch  in  den  übrigen  Stücken  des  neuen  Testa- 
ments altertümliche  Kapiteleinteilungen  auf,  und  zwar  im  Lukas 
übereinstimmend  mit  Kodex  -H-4),  in  der  Apostelgeschichte  sogar 
eine  zweifache  Kapiteleinteilung,  von  denen  die  eine  (36  Kapitel) 
wahrscheinlich  dein  Euthalius  bekannt  war.  die  andre  (69  Kapitel)') 
mit  der  des  Sinaiticus  übereinstimmt,  in  den  katholischen  Briefen 
ebenfalls  eine  doppelte  Einteilung.6)  Endlich  hat  Zahn7)  es  sehr 
wahrscheinlich  gemacht,  dass  der  Schreiber  von  B,  wenn  er  für 
den  Markusschluss,  der  bei  ihm  fehlt,  einen  offenen  Raum  Hess, 
dabei  nicht  den  längeren,  sondern  den  kürzeren  Markusschluss 
vor  Augen  hatte.  Dieser  Schluss  findet  sich  nun  auch  in  dem 
altafrikanischen  Italakodex  k,  ferner  hat  Zahn  es  wahrscheinlich 
gemacht,  dass  derselbe  in  einer  alten  Hndschr.  der  memphitischen 
Version,  dem  Archetypus  des  Kodex  Hunt.  17  (7.  1174)s),  in  dem 
dieser  Schluss  noch  am  Rande  steht,  den  eigentlichen  Abschluss 
gebildet  habe.9)  Er  steht  ferner  im  Kodex  L.  der  die  beiden 
Schlüsse  bringt,  an  erster  Stelle.  Ganz  ähnlich  ist  der  Schluss 
des  Cod.  iFl°),  dieser  unterscheidet  sich  von  L  nur  dadurch,  dass 
er  den  kürzeren  Schluss  nicht  mit  einem:  cpeQST£(ai)  jtov  xai 
ravra  einleitet  wie  L,  sondern  noch  als  unmittelbaren  Schluss 
des  Evangeliums  bringt  (nur  dass   er  hinter  dem  scpoßovrzo  jag 


1)  Gregory  140. 

2)  Auch  Zahn  hebt  die  Beziehungen  von  B  zur  ägyptischen  Tradition 
hervor.     Gesch.  d.  neutestamentlichen  Kanons  II,  359.  A.  4.    361.  A.  1. 

3)  Gregory  140. 

4)  Gregory  141. 

5)  Gregory  153. 
<i    Gregory  156. 

7)  Geschichte  des  neutestamentlichen  Kanons  II,  912. 

8)  a.  a.  0.  921. 

9)  Dazu   kommen  Hndschrn.   der  äthiopischen  Übersetzung  und  pmre- 
-.  den  Apparat  bei  Ti.) 

10)  Gregor}'  445. 


94  Bousset,  Studien  zum  Neuen  Testament. 

A 

das  kritische  Zeichen  x  hat)  und  dann  den  längeren  Schluss 
mit  einem  söxlv  tccu  xavxa  (psQOfieva  anhängt.  Der  Schluss  von 
!F  scheint  also  im  Verhältnis  zu  L  der  ältere  zu  sein.  Nehmen 
wir  hinzu,  dass  X  und  die  sahidische  Übersetzung l)  überhaupt 
keinen  Schluss  haben,  und  beachten,  dass  Afrika  und  Ägypten 
benachbarte  Kirchenprovinzen  sind,  so  sind  wir  auch  bei  dieser 
wichtigsten  Differenz  innerhalb  der  Textüberlieferung  des  neuen 
Testaments  wieder  derselben  Gruppe  von  Zeugen  in  engem  Zu- 
sammenhang begegnet. 

Der  geführte  Beweis2)  lässt  sich  noch  ergänzen  durch  den 
Nachweis,  dass  auch  die  ägyptischen  Kirchenväter  wesentlich  dem 
Text  unsrer  Gruppe  bei  ihren  Citaten  folgen.  Hier  käme  in  erster 
Linie  Cyrill  in  Betracht,  jedoch  bedürften  wir  zu  einer  genaueren 
Untersuchung  eine  zuverlässige  Ausgabe  seiner  Werke.  Auf  zahl- 
reiche Berührungen  unsrer  Gruppe  mit  Cyrill  ist  schon  in  obiger 
Zusammenstellung  aufmerksam  gemacht.  —  Übrigens  schloss 
schon  J.  E.  Grabe  für  das  Buch  der  Richter  im  alten  Testament 
aus  den  Übereinstimmungen  mit  den  Citaten  des  Athanasius  und 
Cyrill:  dass  im  Buch  der  Richter  genuinam  LXX  interpretum  ver- 
sionem  eam  esse,  quam  ms.  codex  alexandrinus  exhibet,  romanam 
autem  editionem,  quod  ad  dictum  librum,  ab  illa  prorsus  diversam 
atque  eandem  cum  hesychiana  esse.3)  Diesen  Nachweis  Grabes 
hat  dann  Lagarde  in  seinen  Septuaginta-Studien  (Teil  1)  aufge- 
nommen und  weiter  geführt. 

Über  das  Verhältnis  von  Jp  zu  p  13  lässt  sich,  ehe  eine  kri- 
tische Ausgabe  der  Übersetzungen  erfolgt  ist,  noch  nichts  genaues 
sagen.  Deutlich  ist  schon  nach  den  Angaben  bei  Ti,  dass  die 
Übersetzungen  ebenfalls  eine  Textgeschichte  hinter  sich  haben. 
Deutlich  ist  ferner,  was  schon  aus  den  obigen  Zusammenstellungen 
hervorgeht,  dass  die  Übersetzungen  mit  §  eng  verwandt  sind. 
Aber  selbst  auf  die  Hauptfrage,  ob  p  und  12  etwa  als  die  Grund- 
lage der  Recension  <p   anzusehen  sind,   oder  ob   sie  selbst  schon 


1 1  Zahn  a.  a.  0.  926. 

2)  Ich  füge  demselben  noch  nachträglich  bei,  dass  diejenige  Minuskel, 
die  in  der  Apostelgeschichte  (cf.  Westcott-Hort  §  211)  am  meisten  mit  den 
ältesten  Hndschrn.  (in  Acta  BsAC)  geht,  die  Minuskel  61  ist,  welche 
Tischendorf  in  Ägypten  gefunden  hat  (Gregory  624). 

3)  cf.  Lagarde  a.  a.  0.  3  ff. 


III.   Die  Recension  des  Hesychius.  95 

im  wesentlichen  Vertreter  der  Recension  sind,  lässt  sich  vor  der 
Hand  noch  keine  sichere  Antwort  geben.  Mir  scheint  auf  der 
einen  Seite  deutlich,  dass  auch  diese  Übersetzungen,  über  deren 
Entstehungszeit  wir  nichts  genaues  festsetzen  können,  schon  stark 
von  £)  beeinflusst  sind,  auf  der  andern  Seite  aber  noch  in  vielen 
Fällen  einen  urwüchsigen  unrecensierten  Text  zeigen.  Nur  so 
erklären  sich  mir  die  zahlreichen  Fälle,  in  denen  D  it.  0  mit  p 
und  12  allein  übereinstimmen. 

Als  Beispiele  bringe  ich  die  aus  Luk.  222o — 2320  (s.  o.  Ta) 
gesammelten  Varianten: 

V.  24)   xig    avzcov  öoxti   Eivai  fisi^cov]   xig  av  eit]  fisi^cor 
D  a  0  ü  p  12;   41)  ajtE0xa6&?j\  ajiEOxa&i]  D;  ajiEGx?]  G,  item  c  d  f 
1,  similiter  p  12;    45)  rovg  {la&tjxag  -f  avxov  it.  vg.  0  p  12;    50)  sig 
xig]   sig  it.  vg.   p  12;      53)  ^  ev   xca  ieqod   (isd?  vfioov  D  p  ü? 
64)  xQo(fi]TEVGov  +  ?]tuiv  Xqlgxe  X  "0  Cyr.  -f-  ijfiiv  b  c  i  q  I2frasm 
p;    06)  cv  rjfiEQa  EyEVExo  S?  a  c  (p  t2);   3  ajtoxQi&Eig  avxco    t<pr)\ 
ccjisxqlO?/  avxio  Zsycov  D  a  p  "2.  —  47)  tfyyiGEV  xoo  Itjo.  (pilrjöag 
avxov]  Eyyioag  trfi/j/Oiv  xov  I?jgovv  D  it.  öped- (lz-;    49)  söofispov 
yEvofisvov  D  p;    54)  rpcoZov&si  -f  ccvtcq  D  it.  ö  p;   55)  Exa&ijxo 
-\-  xai  D  b  c  f  i  1  q  p.  —  23)  xai  avxoi]  avxoi  Js  D  e  f  "2:    32)  xai 
öv  jcoxe]  gv  öe  D  e  E :  41    xai  avxog)  avrog  öe  D  12  (pi5etr- 4  xai  avxog 
Öe);  61  xai  orgarpeig]  oxoacpEig  ös  D  12;  03)  xai  01]  01  Öe  D  '2  e; 
13  —  xai"  xov  Xaov  a  b  e  f  12;    ev  reo  av&Qcojcco  zovxoo  aixiov 
aixiov  ev  avxa)  D  12. 

Diese  Stellen  beweisen  hinlänglich  die  Annahme  einer  ge- 
meinsamen Grundlage  von  D  it.  p  B,  die  jedoch  in  den  meisten 
Fällen  von  p  12  nicht  mehr  erhalten  ist. 

Klar  ist,  dass  sich  mit  alledem  das  Urteil  über  den  Kodex 
B  und  seinen  Wert  zur  Rekonstruierung  des  neutestamentlichen 
Textes  um  ein  erhebliches  ändern  muss.  B  und  tf  sind  nicht 
mehr  zwei  auf  einsamer  Höhe  stehende  Zeugen  des  neutestament- 
lichen Textes,  in  denen  sich  der  Wortlaut  des  neuen  Testamentes 
in  fast  wunderbarer  Weise  erhalten  hätte.  Sie  teilen  den  speci- 
fischen  Charakter  ihres  Textes  mit  einer  ganzen  Gruppe  von 
andern  Hndschrn.  gleichen  Charakters,  sie  vertreten  eine  bestimmte 
lokale  Tradition  des  neutestamentlichen  Textes. 

Mit  alledem  ist  natürlich  ein  letztes  Wort  über  Kodex  B  noch 
nicht  gesprochen.  Es  steht  ja  nicht  so,  als  wenn  die  recensierten 
Texte  die  schlechteren  wären  im  Vergleich  mit    den  Hndschrn. 


96  Bousset,  Studien  zum  Neuen  Testament. 

und  Zeugen  ältesten  Datunis,  die  unberührt  von  einer  Recension 
auf  uns  gekommen  sind.  Auch  schon  in  der  alten  Zeit  gab  es 
Textkritiker,  die  einigermassen  wissenschaftlich  verfuhren,  und 
jene  Kritiker  und  Recensenten  waren  in  der  Lage,  Hndschrn.  zu 
Rate  ziehen  zu  können,  wie  wir  sie  doch  bei  weitem  nicht  mehr 
erreichen.  Es  mag  sein,  dass  B  auf  eine  Recension  zurückführt, 
die  sehr  umsichtig  gemacht  ist  und  auf  sehr  alte  Zeugnisse  sich 
stützte,  während  z.  B.  D  den  Znstand  seines  Textes  dem  Spiele 
des  Zufalls  oder  der  Willkür  und  Laune  einzelner  Abschreiber 
verdankt.  Aber  die  ganze  Fragestellung  ist  hiermit  eine  andre 
geworden,  und  das  wird  man  sich  immer  wieder  klar  machen 
müssen:  B  vertritt  nur  eine  Lokaltradition  von  vielen,  mit  der 
absoluten  Bevorzugung  B's  bei  der  Herstellung  des  Textes 
muss  gebrochen  werden. 

Es  wäre  nun  die  nächste  Aufgabe,  eine  umfassende  Beur- 
teilung der  Art  und  Eigentümlichkeit  der  Recension,  der  Kodex 
B  unterworfen  war,  zu  geben.  Aber  diese  Arbeit  übersteigt 
augenblicklich  meine  Kraft.  Eine  erschöpfende  Darstellung  in 
der  Art,  wie  ich  sie  über  die  Andreasklasse  in  der  Apokalypse 
zu  geben  versucht  habe,  würde  etwa  das  zehnfache  an  Raum 
einnehmen.  Auch  liegen  mir  Sammlungen  in  dem  Umfang, 
wie  ich  mir  die  Arbeit  denke,  bis  jetzt  nur  für  Matthäus  und 
Markus  vor.  Endlich  hat  es  seine  ganz  eigentümlichen  Schwierig- 
keiten, einem  Textkritiker  des  vierten  Jahrhunderts  seine  Methode 
und  seine  Prinzipien  nachzurechnen.  Es  dürfte  das  noch  schwie- 
riger sein,  als  etwa  Prinzip  und  Methode  in  der  Revision  der 
Lutherbibel  nachzuweisen.  So  muss  ich  mich  auf  ein  paar  An- 
deutungen beschränken,  in  welcher  Art  und  Richtung  ich  mir 
die  Arbeit  denke,  und  darauf  ein  paar  Proben  zu  bringen,  aus 
denen  einigermassen  klar  wird,  dass  der  Text,  wie  er  in  unsrer 
Gruppe  von  Hndschrn.  vorliegt,  bewusster  Überlegung  und  plan- 
mässiger  Arbeit  sein  Dasein  verdankt. 

Der  erste  Grundsatz  bei  der  Arbeit  ist  der,  dass  Kod.  B 
eine  Auktorität  allerersten  Ranges  ist,  da  wo  es  gilt  festzustellen, 
was  denn  eigentlich  in  der  Hesychrecension  gestanden.  Natür- 
lich wird  man  von  ihm  aus  sehr  oft  auch  auf  die  andern  Ver- 
treter der  Gruppe  rekurrieren  müssen,  aber  im  ganzen  und  grossen 
hat  B  bis  auf  Minutien,  bis  auf  die  Orthographie  den  Charakter 
der  Recension  erhalten. 


III.    Die  Recension  des  Hesychius.  97 

Als  erste  Eigentümlichkeit  von  §  nenne  ich  die,  dass  er 
fast  überall,  wo  Varianten  in  dieser  Hinsicht  vorhanden  sind, 
den  kürzeren  Text  bietet.  Die  Varianten  von  dieser  Art  bilden 
etwa  ein  Drittel  sämtlicher  nennenswerter  Varianten.  Nun  ist 
man  in  allen  diesen  Fällen  rasch  bei  der  Hand,  den  längeren 
Text  für  den  korrigierten  zu  halten.  —  Und  es  ist  ja  richtig, 
es  scheint  so,  als  wenn  die  jüngeren  Hndschrn.  in  der  That 
starke  Neigung  haben,  Pronomina  einzuschieben,  ein  Subjekt  zu 
dem  blossen  Verbuni  7,u  ergänzen,  ein  Asyndeton  durch  Ein- 
schiebung  von  Partikeln  aufzuheben.  Aber  dies  Urteil  darf  nun 
auch  nicht  verallgemeinert  werden.  Man  darf  eben  nicht  ver- 
gessen, dass  hinter  <p  nur  eine  lokale  Tradition  steht  Auch  ist 
die  Möglichkeit  wohl  nicht  allgemein  genug  anerkannt  und  be- 
achtet, dass  Abschreiber  und  Übersetzer  des  neuen  Testaments 
den  Text  schon  aus  Bequemlichkeit  kürzten,  synonyme  Ausdrücke 
wegliessen  etc.  Am  besten  erhält  man  einen  Eindruck  davon, 
wenn  man  den  alt  afrikanischen  Italakodex  k  (Bobbensis)  mit 
dem  griechischen  Text  vergleicht,  k  aber  ist  sehr  verwandt  mit 
der  Textgrundlage  von  £>! 

Sehr  lehrreich  sind  hier  gerade  diejenigen  sowohl  dem  Um- 
fang als  auch  der  Konstellation  der  Hndschrn.  nach  hochinter- 
essanten Varianten,  auf  die  Westcott  und  Hort  ihr  ganzes  text- 
kritisches System  aufbauen. 

S.  95 — 104  besprechen  W-H  acht  Stellen  aus  den  Evan- 
gelien, in  denen  jedesmal  die  Überlieferung  des  Textes  in  dreifach 
gespaltener  Form  auftritt,  so  dass  jedesmal  unser  §  die  erste 
Form  ( W-H  =  «),  die  Gruppe  des  sogenannten  western  text  die 
zweite  (/?),  die  übrigen  Kodices  die  dritte  Variation  vertreten  (d). 
W-H  suchen  nun  nachzuweisen,  dass  6  jedesmal  aus  a  +  ß  durch 
bewusste  Redaktion  entstanden  ist.  Vorausgesetzt,  dass  dieser 
Nachweis  gelungen  wäre,  so  wäre  damit  allerdings  doch  noch 
kein  Grund  vorhanden  zur  Behauptung  der  völligen  Wertlosig- 
keit von  6.  Aber  auch  der  Beweis  scheint  mir  nicht  erbracht.  — 
Vorläufig  mache  ich  noch  darauf  aufmerksam,  dass  p  an  allen 
8  Stellen,  ü  in  den  drei  Fällen,  avo  er  vorhanden  ist,  mit  fr  geht. 

Ich  bespreche  zunächst  die  Stelle  Mrk.  949.      Es  lesen: 

a)  jcaq  yag  jivql  aZio&rjOezai  BxL  A   1—118—209.  61.  73.  205. 
206.  229.  251.  258.  435.  471.  4S5.  565.    l()i)e-  k  ?  pdz-  Petl- :;- 

Texte  u.  Untersuchungen  XI,  4.  7 


9S  Bousset,  Studien  zum  Neuen  Testament. 

ß)  jcaoa  yao  frvoia  a/.i  a/aofr/jöerai  D  it.  ö2  vg.cod- 

ö)  Jiaq  yao  jzvql  aZw&r/0£rai  y.ai  jtaoa  &vGia  all  a/.iG&r/oerai 

Rel.  C  f  q  vg. 
Es  ist  kaum  denkbar,  dass  hier,  wie  W-H  wollen,  die 
schwierige  Lesart  ß  von  dem  Schreiber  des  Archetypus  D  it.  (ö) 
aus  Levit.  7t3  eingebracht  ist.  Wir  sollten  dann  erwarten,  dass 
wenigstens  ß  nicht  einfach  an  Stelle  von  a  getreten,  sondern 
als  Glosse  hinzugesetzt  wäre,  wie  wir  den  Thatbestand  in  ö  finden, 
so  dass  dann  ö  die  Priorität  vor  ß  hätte.  Aus  einem  doppelten 
Grunde  aber  konnte  hier  leicht  eine  Verkürzung  eintreten,  erstens 
infolge  eines  Schreibfehlers  per  Homoiotel.  (a/aG&rjGerai  .... 
aliGfryoerai)  und  ferner  durch  willkürliche  Korrekturen.  Der 
schwerfällige  und  schwerverständliche  Satz  forderte  ja  geradezu 
zu  Korrekturen  heraus.  Der  längere  Text  von  6  ist  der  ur- 
sprüngliche. 

Mrk.  633  lesen: 
U)  XCU  JCQ07)Ad0V  CtVZOVQ  Btf(LJ  13.)  49.ev-  p  vg.  p. 
ß)  y.ai  6vv7)?.frov  avtov  D  28.  b,    y.ai  rß&ov  avrov  ff.  i  565.  y.ai 

rf/.&ov  a. 
6)  y.ai  jtQOi/Z&ov  avrovq  xai  Ovvi]7.$ov  jiqoq  avrov  Rel.  f  q  Dp. 
Es  ist  nicht  recht  einzusehen,  wie  ß  aus  a  entstanden  sein 
könnte,  wenn  a  wirklich,  wie  W-H  wollen,  die  ursprüngliche 
Lesart  wäre.  Die  Gründe,  die  sie  (97  unten)  dafür  anführen,  sind 
doch  nicht  zureichend.  War  der  Ausdruck  jrgorjXd-ov  avrovq 
unverständlich,  warum  wurde  er  dann  nicht  überhaupt  fortge- 
lassen, anstatt  dass  er  hier  durch  den  nach  owtögafiov  ly.el  un- 
geschickten Ausdruck  Cvvrjld-ov  avtov  ergänzt  wurde?  Nehmen 
wir  dagegen  6  als  das  ursprüngliche,  so  erklärt  sich  leicht,  dass 
in  a  nach  dem  jtQOtjl&ov  avrovq  ein  Gvvtj/.d^ov  avrov 
(oder  jcooq  avrov)  ausfiel,  und  dass  ß  das  schwierige  jcqot]X&ov 
avrovq  fortliess,  wie  LA  13  es  in  jiQooql&ov  avrovq  verwan- 
delten. —  Ob  endlich  öwrjld-ov  avrov  oder  jcgoq  avrov  das 
ursprüngliche  ist,  lässt  sich  schwer  entscheiden. 

Mrk.  826: 
a)  fi?/ös  eiq  rr/v  xco/iijv  tiGe/.&tjq  BtfL  1.  209.  p. 
,  1    üJiays  tiq  rov  oixov  gov  y.ai  f/t/dsvi  suirjq  tia  r?/v  xcofirjv  D  (q). l) 

vjcays   tiq   rov  oiy.ov  gov  y.ai  eav  eiq   rtjv  y.wturjv  6iGe?.&rjq 


1)  (0)  k  (xr/ösvi  sinrtq  eiq  xrtv  xa)fi?jv. 


III.    Die  Recension  des  Hesychius.  99 

utjdevi  sijcqq  (fi?]ÖE  ev  %r\  xcofiTj)  13 — 69 — 346.    28.61.    565.  i 
(bfff.2gi-  2vg.!) 

6)  ßr]ös  sig  xtjv  xcofiTjv  EiöEXd-ijg  {17/ös  uüiqq  xivi  ev  xr\  xcofif] 

Rel.  c  p. 

Hier  steht  die  Sachlage  denn  doch  ganz  anders  als  W-H 
vermuten.  6  ist  keineswegs  =  a  +  ß,  sondern  in  /?  ist  zunächst  die 
Lesart  vstays  stq  top  oixov  Oov  eine  erleichternde  Glosse  zu 
dem  schwierigeren  ftrjös  sig  xijv  xa>tur/v  eiöeZ&tjq,  durch  die  in 
der  That  der  Sinn  dieser  Befehle  richtig  wiedergegeben  wird. 
Die  Verbesserung  zeigt  sich  am  ursprünglichsten  im  Italakodex  a. 
Die  meisten  Vertreter  der  Klasse  ß  bringen  dann  noch  eine  zweite 
Veränderung:  xai  sav  sig  xrjv  xm/iijv  uosl&r/g.  Es  setzt  also  ß  den 
Text  von  6  voraus  und  es  stehen  ß  und  6  zusammen  gegen  a. 
Zu  entscheiden  ist  also  zwischen  a  und  6,  und  wegen  der  über- 
wiegenden Bezeugung  und  des  unerträglich  harten  fir/öe  ist  die 
Lesart  d  vorzuziehen,  und  anzunehmen  dass  a  durch  Nachlässig- 
keit entstanden  ist,  oder  absichtlich  in  ihm  das,  wie  es  schien, 
nach  ii7j de  sig  xtjv  xco/irjv  eiöeZfhjq  wenig  passende  firjös  Ei7ir\g 
xlvl  ev  xrj  xco/it}  ausgelassen  wurde.  Umgekehrt  kann  man  un- 
möglich behaupten,  dass  wegen  des  in  a  isoliert  stehenden  firjös 
der  folgende  Satz  in  6  ergänzt  wurde.  Da  lag  doch  eine  Ände- 
rung des  (tr/öe  in  y.7]  näher.  Die  umgekehrte  Verkürzung  wie 
in  «  liegt  überdies  im  Italakodex  k  vor.  Endlich  giebt  die  Les- 
art von  6  einen  guten  Sinn:  Nicht  sollst  Du  ins  Dorf  (unter  die 
Menschen)  gehen,  (d.  h.  von  ß  richtig  erklärt:  Du  sollst  Dich  ins 
Haus  zurückziehen)  noch  irgend  jemand  im  Dorfe  etwas  sagen. 
(Die  zweite  Satzhälfte   giebt  den  Grund  des  ersten  Befehls  an.) 

Mrk.  9:;s  ist  es  allerdings  wahrscheinlich,  dass  der  überladene 
Satz  in  ö  og  ovx  axoZov&Ei  fjfiiv  xai  excoXvoccuev  avxov,  oxt 
ovx  axoXovß-si  t/fiiv  aus  a:  xai  exwXvo^iev  avxov  oxi  ovx  r\xo- 
kovftsi  Tftiiv  und  ß:  og  ovx  axolov&Ei  fisd-'  r/tucov  xai  excoXvo- 
[Lev  avxov  entstanden  ist.  Doch  ein  sicheres  Urteil  kann  auch 
hier  nicht  abgegeben  werden,  und  Ti.  hat  z.  B.  den  Text  von  ö 
aufgenommen.  Möglich  ist  auch,  dass  a  und  ß  den  überladenen 
Ausdruck  gekürzt  haben. 


1)  a:  vnays  Eig  xov  or/.ov  oov  xai  (xtj  sig  zt]v  x(oy.i]v  eiotl.&rjQ  fitjöe 

ZIVI    S171TJQ. 

7* 


]_00  Bousset,  Studien  zum  Neuen  Testament. 

Lk.  910  lesen: 
a)  sie,  jiohv  xa>.oviuEV?]v  Btftoaiöa  BLZ  33.  p  ü. 

„      X03flTjV  „  „  D. 

ß)  big  zojcov  EQ7}(iov  tf  157.  (13—69 — 346.)  ö. 

6)  Eig  zoüiov  sQijfiov  jcoZecog  xaXov/isvfjg  Brjd-Gaiöa  Rel.  p. 

eig  zojcov  tQrjfiov  Biföoaiöa  c  ff.  q  vg.  0. 

tig  tojcov  sQtjfiov  xaXovfiEvov  Brj&6.  a  e  f. 
So  sind  die  Varianten  anzuordnen  und  nicht  sind  die  Itala- 
kodices  zu  ß  zu  ziehen.  Sie  sind  offenbar  eine  Erleichterung 
des  scheinbaren  Widerspruchs  zojiov  eqtjuov  —  xolecog.  Dann 
sieht  man  aber  auch  deutlich,  dass  ß  gar  nicht  von  der  Klasse, 
durch  die  ß  sonst  konstituiert  wird,  vertreten  ist.  ß  ist  eine  ganz 
willkürliche  Korrektur  und  setzt  6  schon  voraus.  Hat  man  aber 
dann  nur  noch  die  Wahl  zwischen  a  und  d,  so  ist  die  schwierige 
Lesart  von  6  vorzuziehen  und  a  als  Korrektur  zu  betrachten. 
6  ist  dann  etwa  wiedergegeben  durch:  an  einen  wüsten  Ort  im 
Stadtgebiet  von  Bethsaida.  So  passt  dann  auch  diese  Ortsangabe 
zu  der  von  V.  12  desselben  Kapitels  und  wir  können  Lukas  von 
der  Nachlässigkeit  freisprechen,  als  hätte  er  die  Volksspeisung 
in  Bethsaida  stattfinden  lassen. 

Lk.  1154: 
a)  svsÖQSvovxeg  (avzov)    d-rjübvoai  zi  ex  zov  ozofiazog  avrov 

BtfL  p  Cyr. 
ß)  CrjTovvzsg   a(ponu/tr    ziva   Xaßetv  avzov  iva  evqoöiv  x.azir 

yoQ7/6cu  avzov  D  o  ....  iva  /.az?/yoQ?/Oojoiv  avzov  it. 
d)  eveÖqevovzeo  avzov  C,r/zovvzsg  fr/joevöai  zi  tx  zov  ozo/iazog 

avzov,  iva  xaz?jyoQ?]Oojoiv  avzov  Rel.  vg.  D  p. 
Die  Entscheidung  ist  schwierig.  Eine  einfache  Kombination 
von  a  und  ß  liegt  doch  auch  in  6  nicht  vor,  gerade  die  charak- 
teristische Erleichterung  ag)OQf/rjv  ziva  laßuv  ist  in  ö  nicht 
aufgenommen,  das  schwierige  EVEÖQEVovztg  behalten.  In  der 
ersten  Hälfte  repräsentieren  vielmehr  ß  und  6  zwei  verschiedene 
Korrekturen  von  a,  die  zufällig  in  dem  Wort  Cr/zovvzEg  über- 
einstimmen. Die  zweite  Hälfte  haben  ß  und  ö  in  Übereinstim- 
mung erhalten,  sie  ist  wahrscheinlich  in  a  per  Homoiotel.  avzov 
— avzov  ausgefallen. 

Lk.  1218  lesen: 
a)  zov  oizov  xai  za  ayafra  (iov  (tfa)  BLTX  1—118— 131— (209.) 

(13—69—124.)  157.  (p  hr.  D.) 


III.    Die  Recension  des  Hesychius.  101 

ß)  tu  ysprjfiara  uov  X  D  it. 

toi.;  xaojtovg  fiov  a  c  d  e  m. 
ö)  xa  yevvTjfiaxa  tuov  xai  xa  aya&a  fiov  Rel.  f  vg.  D  p. 

Auch  diese  Stelle  ist  einfach  abzusetzen.  6  ist  gar  nicht 
=  a  -j-  ß  (es  müsste  sonst  lesen  xa  yevwjfiaxa  tuov  xai  xov  Gixov 
xai  xa  ayaira  tuov)  sondern  ß  ist  Verkürzung  von  6,  und  wahr- 
scheinlich haben  ß  und  6  die  Korrektur  yevvrjfiaxa  gemeinsam, 
so  dass  dann  a  die  richtige  Lesart  erhalten  hat.  Unmöglich  aber 
ist  auch  nicht,  dass  a  korrigiert  hätte. 

Lk.  245:$  scheint  es  mir  allerdings  wahrscheinlich  dass  6 
aivovvreq  xai  zvloyovvxeq  xov  frsov  Kombination  aus  a  tvXo- 
yovvxsg  xov  {reov  und  ß  aivovvxeg  xov  &eov  ist. 

Der  Hauptbeweis  von  W-H  ist  beinahe  in  sein  Gegenteil 
umgeschlagen.  Es  zeigt  sich  an  mehreren  Stellen,  dass  £>  die 
Vorliebe  hat  zu  verkürzen,  oder  den  verkürzten  Text  bei  Ver- 
gleichung  mehrerer  vorzuziehen,  zum  mindesten  auf  Hndschrn. 
beruht,  in  denen  stark  gekürzt  ist.  —  Es  erinnert  die  Be- 
handlung der  Gruppe  ö  bei  W-H  etwa  an  die  Art,  wie  man 
früher  nachwies,  dass  Markus  aus  Matthäus  und  Lukas  kombi- 
niert sei. 

Es  ergiebt  sich  daraus  die  weitere  Regel,  dass  man  sehr  vor- 
sichtig sein  muss  Lesarten  zu  acceptieren,  in  denen  §  (etwa 
BxL  p)  allein  oder  fast  allein  steht.  Ganz  anders  sind  demgegen- 
über die  Varianten  zu  beurteilen  in  denen  JQ  wenigstens  von  e  k 
(dem  altafrikanischen  Text)  oder  von  D  it.  6  begleitet  ist.  In 
jenen  ersteren  Fällen  bietet  §  eben  nur  lokale  Tradi- 
tion, erst  wenn  k,  D  it.  ö  mitgehen,  haben  wir  die  Gewähr,  dass 
das  nicht  der  Fall  ist. 

Um  noch  einige  Fälle  aus  dem  oben  besprochenen  Material 
heranzuziehen,  so  lassen  Lk.  2268  BsAT  p  Cyr.  (22.  131.  157. 
209.  'S)  hinter  ov  fii]  ajioxQi&rjxe  —  (ioi  ?/  ajioXvorjxs  aus.  Es 
ist  hier  höchst  misslich  auf  §  allein  gestützt  die  Worte  weg- 
zulassen. Es  lässt  sich  kein  Grund  denken  weshalb  sie  einge- 
schoben sein  sollten.  Dagegen  konnte  von  ajcoxoi&rjxe  zu  ajto- 
/.vof]T£  leicht  hinübergelesen  werden.  Lk.  236  ist  das  höchst 
charakteristische  und  lebendige  üiZaxoq  ös  axovOac  +  TaXi- 
Xaiav  nicht  mit  BxLT  p  auszulassen.  Lk.  1325  konnte  das 
eine  xvois  leicht  ausfällen.    Ein  einmaliges  xvois  ist  freilich  von 


102  Bousset,  Studien  zum  Neuen  Testament. 

BxL  it.  bezeugt.  Job..  3t  3  *)  ist  das  schwierige  o  odv  bv  xco  ov- 
Qavco  von  BsLT  33.  Cyr.  Orig.int-  pdz-  absichtlich  fortgelassen, 
jedoch  mit  Recht  von  Ti.  beibehalten.  Job..  443  ist  das  v.ai  ajir/X- 
d-tv  nach  sg?]Z&8v  szei&ev  wahrscheinlich  ausgefallen,  obwohl  § 
hier  von  D  it.  unterstützt  wird.  Job.  746  ist  coq  ovxoc  XaXsi  o 
ccv&qcojioq  hinter  ovxojg  ccv&qcojioc  per  Hornoiotel.  ausgefallen 
in  BLTtfc  p  Cyr.  Orig.  Besonders  bemerkenswert  ist  noch  die 
Stelle  Joh.  65 1 .  Hier  ist  mit  den  meisten  Kodices  zu  lesen  (xai 
o  (XQtog  de)  ov  syco  öcooeo  iq  occqc-  fiov  eoxiv  tjv  syco  öcoom 
vjtiQ  x?]g  xov  xoOfiov  £co?]q.  Dagegen  lassen  BCLT  33.  157.  p  t2 
D  it.  o  Orig.  (2 — 2)  Cyr.  das  ijv  eyoD  öcooeo  aus,  und  K  korrigiert 
den  dadurch  entstandenen  Unsinn,  indem  er  schreibt:  ov  eyoy 
ömoco  vjieq  xrjg  xov  xoöfiov  C,co?]g  rj  Gaps  fiov  eötiv.  Hier 
haben  wir  ein  klares  Zeugnis,  dass  auch  £)  gestützt  von  D  it.  0 
einen  offenbaren  Fehler  erhalten  hat,  und  dass  die  späteren 
Kodices  eine  selbständige  Tradition  repräsentieren.  Ti.  hat  an 
dieser  Stelle  wirklich  den  Wortlaut  von  X  in  den  Text  aufge- 
nommen. Die  Beispiele  Hessen  sich  noch  durch  viele  andre  ver- 
mehren, für  die  gegenwärtige  Arbeit  mögen  sie  genügen.2) 

Es  lässt  sich  ferner  nachweisen,  dass  Jp  eine  in  den  meisten 
Fällen  konsequente  Orthographie  befolgte,  welche  am  deutlichsten 
aus  dem  Kodex  B  erkannt  werden  kann.  Hier  kann  ich,  um  die 
Abhandlung  nicht  zu  sehr  anschwellen  zu  lassen,  nur  auf  einige 
Punkte  hinweisen.  Ich  folge  dabei  den  Zusammenstellungen 
Gregorys  71  ff.,  die  jedoch  vielfach,  weil  sie  nur  auf  die  von  Ti. 
aeeeptierten  Lesarten  zugeschnitten  sind,  für  unsre  Zwecke  nicht 
brauchbar  sind  und  durch  sehr  mühsame  Einzeluntersuchungen 
ergänzt  werden  müssen. 

Zu  S.  73)  övv  wird  vor  einem  Konsonanten  nicht  in  o  ver- 
wandelt oder  fortgelassen  in  ovvCrjxsiv  Ovv^rjxrjxrjg  ovv- 
tyjv  ovv^vys  (XCADG  Phil.  43 ,  A  ist  jedoch  in  den  Paulinen 
Zeuge  für  ip)    övvorjfiov   (ttJ)   ovvocofia,   dagegen   in  ovo  ver- 


1)  Auch  Joh.  127  ist  mir  nicht  ganz  sicher,  ob  das  ccvzoq  eoziv  . . . 
og  f(inQOG&sv  fiov  yeyovev  unbedingt  Glosse  ist.  £)  ist  hier  durch  b  1  ö 
gestützt.    (Vergl.  130.) 

2)  Joh.  118  ist  nicht  (xovoytvijq  &eoq  sondern  vtoq  zu  lesen.  Auch  hier 
liegt  wieder  eine  speeifische  Lesart  von  §  vor.  (BsCL  33.  p  Clem.  Orig;  Iren, 
hat  wahrscheinlich,  siehe  Ti,  vioc  gelesen.)  &e oq  ist  eine  in  der  ägyptischen 
Kirchenprovinz  verbreitete  dogmatische  Korrektur. 


III.    Die  Recension  des  Hesychius.  103 

wandelt  vor  mehreren  Konsonanten  GvGtarixcov  GvozQEqiofiEvcov 
GvGTQEipavzog  ovozQO(frj  ovOTQancortjg  (Phil.  22-  xBKLP 
Philem.  2  BKLP)  GvoroiyEi  ovöTSva^ei1  övozrjf/ccTi&O&cu  (ein- 
mal). Ausnahmen:  ovvotavQcod-tvreg  -og  Mtth.  2744.  Joh.  1932 
ovvoyr^uari^so&ai.  Rö.  122.  (ovox  jedoch  ALP.) 

zu  S.  74)  fast  ausnahmelos  wird  Gvvjc  gelesen,  wenn  auf  x 
kein  Konsonant  folgt.  (Ausnahmen  Gviuza&etg  GvfijioGiov.)  Da- 
gegen Gi\ujrQ£GßvTSQog  BKLP  Gv[/Ji/.?]QovG&ai  (einmal  mit  SB ;i, 
einmal  mit  fast  allen).    (Ausnahme  GvvjtviyEiv.) 

S.  75)  ausnahmelos  wird  Gvyy  gelesen.  (1.  Cor.  76  Gvvyi'coyiqv 
nur  BCG.) 

fast  ausnahmelos  Gvvx.  (B  weicht  hier  und  da  ab,  siehe  die 
Worte  GvvxalEiv  GvvxEXVfiEvrj  gvvxqlvco  GvvxvjtrovGa.)  Aus- 
nahmen Gvyxexal.vpitsvov  Lk.  122  Gvyxvgiav  Lk.  1031. 

S.  76)  gewöhnlich  ist  GvvX,  dagegen  immer  GvXXanßavEiv 
(Phil.  43  scheint  A  in  der  konsequenten  Lesart  GvXXaußavEiv  Ver- 
treter von  <p  gegen  BxDG  zu  sein)  und  GvXXsysiv. 

S.  77)  Efiß  wird  ausnahmelos  gelesen.  Bei  Johannes  weicht 
B  nach  D  hinüber  ab,  ebenso  immer  £tu(p-,  ferner  evy. 

S.  78)  evx  fast  immer,  Ausnahmen:  EyxaraXtiJtEtv  syxaXsiv 
und  eyxvog,  hingegen  syx  vor  mehreren  Konsonanten  syxlijfia 
syxQarua  eyxQareveGd-ai  zyxQaxi]g.  (Ausnahme?  evxqivelv)  Sehr 
interessant  ist  folgende  bei  Gregory  sich  findende  Zusammen- 
stellung: 


EVXttXElV 

£/— 

EX 

Lk.  18!       SABDHKQ 

B3LUzfZ7 

EGHMRSVX/M 

2.  Cor.  4  ,          DG 

SAB 

CDCE   KLP 

4,6         D 

S   B  G 

CD«E   KLP 

Gal.  69            BD 

KAB3 

CD*   GKLP 

Eph.  313       ABD 

a   B3 

CDCEGKLP 

2.  Th.  313        BD 

SA 

DcEGKLP 

Deutlicher  und  deutlicher   treten 

hier 

die  Klassen   in    der 

Tabelle  hervor.  Die  späteren  Kodices  lesen  konsequent  exx. 
Dagegen  liest  §  £/x,  wenn  auch  in  der  Lukasstelle  nur  durch 
L(J/7)  vertreten,  und  wenn  auch  B,  namentlich  in  den  Paulus- 
briefen, in  denen  er  überhaupt  mehr  western  text  zeigt,  in  der 


1)  ovvoxoL'/ßi  und  ovvon va.t,zi  lesen  BDG.    B  weicht  hier  von  .£)  ab. 


ll)4  Boussefc,  Studien  zum  Neuen  Testament. 

Mehrzahl  der  Fälle  evx  liest.    Dagegen  liest  der  älteste  unrecen- 
sierte  Text  D  konsequent  evx. 

S.  79)  Ein  anderes  Beispiel  einer  solchen  Zusammenstellung 
gebe  ich  im  folgenden: 

txyvvvofisvoQ  (st.  vvofiEvog): 
Mtth.  233,  BsC       DJ1)      GU/7 
2628  BtfCLZ  DJ  a        n 
Mrk.    1424  BsCL     DJ  A  PUIJ 
Lk.      1130     s2)CL  DJ  AEGU/7 
2220  BaLT3)     J^)AE    U/7 
63 s  BsCL     DJ   AS    U/7  (vjieqex'/vvvo(.(8vov). 
Ferner  lesen  jtaQ?)Ota  (statt  jiczqq  ...)  Mrk.  832    B   Joh.  74    B   713 
BLD  (726  alle  xoqq)    1024    BD    11, 4    aX    1154    BD    16,5    BD 
1629    B    1820    B. 

In  dieser  Art  müssten  die  gesammten  orthographischen  Va- 
rianten zusammengestellt  werden.  Eine  jede  solche  Zusammen- 
stellung ist  zur  Charakterisierung  und  Gruppierung  der  Hndschrn. 
höchst  lehrreich. 

S.  80)  über  die  P'ormen  rsoosQaxovra,  teöoeqcc  ist  schon 
oben  gehandelt. 

S.  81)  eo&cov  (st.  sofricov): 


Mrk.    1  6  eo&cov 

BtfLJ  33. 

Lk.      733      do. 

BD 

34       do. 

D 

10  7   eo&ovzeg 

BD 

2230    £6&?]T£ 

BDT 

Mrk.  1240  xazsod-ovreg  B 

Lk.    2047  do.  D      (B  xatEG&iovoiv.) 

Es  scheint  die  Form  eg&elv  in  §  die  gebräuchliche  zu  sein.5) 
Dieser  Schreibweise  liegt  eine  ältere  Tradition  zu  Grunde  (D). 

Egavvav  für  eqewciv: 
Joh.  539  Bx 

752  BsT 

RÖ.  807  X 


11  A> 

2)  B  > 

3)  C  > 

4)  D  > 

5)  beachte  namentlich  Lk.  223o    die  Übereinstimmung  von  B  und  T. 


III.    Die  Receusion  des  Hesychius.  105 

1.  Cor.  2I0        BsAC 
1.  Pefcr.  lu       Ba 

Apok.  22:;  AC 

1.  Petr.  110       BxA       (s§7jQawi]6av) 

Rö.  1133  BsA      (av£§£Qavv7]Ta) 

S.  83)  Xsyicov  (st,  tcov)  Mtth.  2653  BsLD  Mrk.  59  BaCLDJ 
5l5  BaLJ  (D>)  Lk.  S:;0  SLD(B  Xsysimv),  hier  liegt  der  Lesart  in  D 
wieder  eine  ältere  Überlieferung  zu  Grunde. 

Besonders  hervorzuheben  ist  die  am  reinsten  in  B  hervor- 
tretende Vorliebe  für  ei  statt  1: 

Unter  den  Eigennamen  (83 — 84)  hebe  ich  hervor,  um  die 
Konsequenz  von  B  gegenüber  den  übrigen  Vertretern  von  |Q  zu 
charakterisieren,  die  Worte:  agEOJiay  Eitrig  yjoovßeiv  Xsvsiq 
(Mrk.2uBLEM  Lk.52T  BxCLZAMRr  5,9  BaCLZARX  Hebr.79 
BC(sD))  Isvstrrjq  Xsveinxog,  namentlich  qleiaq  (s.jüe  Zu- 
sammenstellung Gregory  84)  jcsiXarog  (s.  0.  S.  78  die  Überein- 
stimmung von  B  und  T)  leqeizco  (Mtth.  2029  BCLZ:  Mrk.  1046  l 
B2  (B  fehlt)  CLF  462  BatCL  "  Lk.  1030  BL£  Lk.  1835  BDPQ 
Lk.  19,  BxDQJ  Hebr.  1130  X  (B  fehlt)).  Es  ist  daher  nur  in- 
konsequent, wenn  Ti,  der  sonst  überall  die  «-Formen  aufnimmt, 
Jftivaöaß  gegen  BD(z/),  e&xiag  gegen  B,  shöaßsr  gegen  B, 
(teilweise  8,  vereinzelt  DC)  agtog-jcayog  gegen  BHLP  schreibt 
(Gregory  85  unten),  dass  er,  während  er  qaßßei  überall  aufnimmt, 
Mrk.  1051    Joh.  20, 6  gaßßovvi  schreibt  gegen  Bzi,  BD. 

Die  Formen  auf  Etxr/g  sind  ebenfalls  die  regelmässigen  in 
2Q  sXafisirai  viveveitoll  isQoooXvfiEixai  iGQa?]X£ixcu  auch  tgcacs- 
^Eitijg.  Dagegen  ist  die  Schreibweise  jioXsixai  oi\ujzoXscxai,  die 
hier  und  da  in  B  vorkommt  (einmal  s),  jedenfalls  nur  dem 
Schreiber  von  B  zuzuweisen  und  nicht  der  Hesychrecension.  — 
(Dasselbe  ist  zu  urteilen  bei  den  in  B  (und  andern)  nur  hier  und 
da  vorkommenden  Formen  yaXEiXcua  (pctQEiGaioi  etc.) 

Dem  steht  gegenüber,  dass  Ga(.taQtxi]g  geschrieben  wird 
Mtth.  10,  von  aCLG/7  Lk.  9,2  »C^LSAXTJ  1033  aCLD  (non 
Ä)  17,6  «LAD  Joh.  4..,,  S'LJD"  440  aLA?D  84S  xLX;  öa/iagtriq 
49  XCLTD  4,,  -  xLD  J.  Hier  scheint  in  der  That  die  Gruppe  fast 
vollständig  für  die  f-Form  einzutreten,  B  mit  den  übrigen  hat 
ei.    Es  ist  jedoch  zu  bemerken  dass  X  an  und  für  sich  (nebst  C 


1)  auch  D2,  D  fehlt 


l(j(3  Bousset,  Studien  zum  Neuen  Testament. 

und  L)  grosse  Neigung  zu  den  f-Fornien  zeigt,  so  dass  B  mög- 
licherweise all  eine  §  erhalten  hätte;  aber  entscheiden  lässt  sich 
hier  nicht.  Bemerkenswert  ist,  dass  auch  D  fast  konsequent 
ittjg  liest. 

Ferner  kommen  die  Formen  auf  1a  oder  eta  in  Betracht. 
(Gregory  87)  sjtiJio&sia  Rö.  1523  BACG  vergl.  siöoXoXaxQsia 
jiOQVtia  (Abweichung  von  tf)  xcuöagsia  (diese  Form  ist  wohl  für 
die  des  Hesych  zu  halten.  Mtth.  1613.  Mrk.  827  steht  B  gegen 
xCL,  während  in  der  Apostelgesch.  in  den  meisten  Fällen  (8 — 2) 
C,  zweimal  auch  A  hinzutritt),  mit  ziemlicher  Sicherheit  kann 
man  §  erkennen  in  der  Schreibweise  öovXeia  aQSöxeia  (BL)  ocp- 
&a2iuodovZsia  eiZixgiveia  d-Qiftxeia  sfrEZo&Qtjöxeia  xoXaxsia?  fia- 
ysia?  xa[i8iovr)  (Gregory  88).  Nicht  mehr  entscheiden  lässt  sich 
bei  den  Worten  oafiagia2)  (Gregory  87)  oskevxia  avaiöia. 

Dagegen  liest  §  öavit,£iv  daviorrjg  uÖcöIkd  Xaodixiai 
(Greg.  87)  aXa^ovia  xvßta  ftefrodia  (tia  nur  sehr  schwach  be- 
zeugt) jtavöoxLov  Lk.  1034  xCLJa(?) 

Seltsamerweise  liest  B  mit  CPRU_/  Lk.  19  iSQaria,  Jac.  510 
BP  xaxojiafri.a,  endlich  von  7  Stellen  B  und  andre  fünfmal 
tQEifria,  zweimal  sgeifreia  (statt  sgifrEia). 

B  hat  immer  die  Form  siöov,  während  $£  hier  und  da  töov 
lesen,  dagegen  ACKLVX77  fast  immer  töov.    (Gregory  89.) 

Hierher  gehört  wohl  auch  noch  die  Variante 


Löxijxuöav 

£lÖT7]X£töai> 

Mtth.  1246 

SC        FGXJ 

B     D      Rel. 

13  2 

aCLZ  EFGXJ 

B     De     KMUri7 

Lk.      23, 0 

ST      ARXzl 

BL  D      Rel. 

35 

KCL    AQJFH 

B     D      Rel. 

49 

ARQPJH 

BsCD      Rel. 

Joh.      135 

ST       AXJPFH 

BCL        Rel.       D 

18  5 

Bx  D    AGXJ 

CL      YRel. 

16 

Ba  D    AXJ 

CL      YRel. 

IS 

Ba         AXYJ 

CLD      Rel. 

1925 

BxTD    AX 

L        Rel. 

20ii 

XL       AHOX 

B      D      Rel. 

1)  Dazu  TiQeaßvzeQSiov  Lk.  22c6  BTV.     Act.  223  BH. 

2)  oa[xuQ£ia  Lk.  17n  DGHKM77ür^77  Joh.  44  BAFGHKMJZSÜ^77 
Joh.  45  do.  Joh.  47  BCJ  A  Rel.  (geg.  sLDF)  Act,  in  allen  Stellen  BLP 
(hier  und  da  CAH).    Auch  hier  liest  B  wenigstens  fast  konsequent  aa/tagsia. 


III.    Die  Recension  des  Hesychius.  107 

Bei  dieser  Variante  lässt  sich  sehr  schwer  entscheiden.  B  schwankt 
sehr  stark,  während  X  mit  einer  Ausnahme  i6vr]x.  liest  und  darin 
an  drei  Stellen  von  den  Fragmenten  T  unterstützt  wird.  Dem- 
geniäss  wird  ,<p  die  Form  torrpcEtoav  bevorzugt  haben.  Bemer- 
kenswert ist  die  enge  Verwandtschaft  zwischen  B  und  D.  Man 
darf  deshalb  wohl  sagen,  dass  B  hier  den  unrecensierten  Text, 
wie  er  in  D  vorhanden  ist,  bewahrt  hat. 

Gregory  93  f.)  Leider  ist  hier  nur  eine  Übersicht  darüber 
gegeben  wann  Ti.  aXXa,  und  wann  er  aXX  liest  und  zwar  ge- 
ordnet nach  den  Vokalen,  die  auf  aXXa  folgen.  Im  allgemeinen 
zeigt  Hesych.  die  Neigung  aXXa  vor  Vokalen  beizubehalten,  mit 
fast  allen  andern  Hndschrn.  wird  dabei  schon  die  Regel  befolgt, 
dass  aXXa  vor  a  nie,  vor  t  immer  apostrophiert  wird.  Vor  v 
wird  mit  einer  Ausnahme *)  nicht  apostrophiert.  Diese  Regel 
wird  vor  allem  von  Hesych.  befolgt,  der  Joh.  1026  allein  das  aXXa 
vor  v  bewahrt.  Vor  01  pflegt  §  nicht  zu  apostrophieren  (Mtth.  912. 
Mrk.  217.  22.  Lk.  531. 3S.  Joh.  855).  Ausnahmen  sind  Mtth.  2023. 
Joh.  42.  —  Joh.  7,0  und  21s  bewahrt  §  das  aXX3  vor  co  (da- 
gegen aXX3  co  Mtth.  2230.  2639).  Lk.  2253  hat  §  aXXa  av  (an  der 
einzigen  Stelle  wo  dieser  Diphtong  vorkommt).  Mit  je  einer 
Ausnahme  liest  £)  aXX' o  aXX' ov  aXX'  f]  (cf.  Joh.  749.  Lk.  1142. 
Lk.  24,,).  Eigentliche  Schwankungen  zeigt  £>  bei  aXXa  vor  s  sv 
iL  in  folgenden  Stellen  Mtth.  9lS  (wie  es  scheint  mit  allen  andern 
Hndschrn.)  Mrk.329.725.  1132.  1324.   Lk.  77.    Joh.  423.  542.  1244. 

Auch  hier  zeigt  §  doch  immerhin  eine  gewisse  Regelmässig- 
keit, die  freilich  diejenigen  der  jüngeren  Kodices  nicht  erreicht, 
aber  doch  eben  Regelmässigkeit  ist,  im  Verhältnis  zu  der  Will- 
kür, wie  wir  sie  etwa  bei  D  finden.2) 

Gregory  96)  zu  den  Formen  sav  av  hinter  ojcov  og  oorig 
ist  zu  bemerken,  dass  hier  D  überall  die  Form  av  hat,  und  B 
sich  sehr  oft  im  Gefolge  von  D  befindet.  Es  ist  sehr  merk- 
würdig, dass  gerade  D  überall  die  regelmässige  Form  bewahrt. 
Sollte  der  oder  die  letzten  Schreiber  von  D  hier  konsequent  kor- 
rigiert haben?   Das  ist  bei  der  Menge  von  Unformen,    die   sie 


1)  siebe  Joh.  114. 

2)  Die  übrigen  mühsamen  Untersuchungen  über  die  Apostrophe  (Gre- 
gory 94.  95)  konnte  ich  noch  nicht  führen,  werde  auch  wohl  schwerlich 
Zeit  dazu  crewinnen. 


108 


Bousset,  Studien  zum  Neuen  Testament. 


gerade  uns  überliefert  haben,  kaum  anzunehmen.  Dann  liesse 
sich  vielleicht  schliessen,  dass  zur  Zeit,  in  der  der  Archetypus 
von  D  entstand,  av  und  wv  noch  nicht  verwechselt  wurden. 

Gregory  117)  [/ayaiQTjg  -?/  lesen  Mtth.  2652  BxL  33  AC 
Lk.  2124  BJ  2249  BaLTD  Act.  122  BxAD*  Hebr.  ll3,  SAD 
1137  SD  Ap.  13]0  AC  1314  «AC;  öjteiQTjg  Act.  10t  tfACEL 
2131alle>P  27,  alle  Maj;  Lk.  64S  jtXi]fi[ivQ}]g  BxL5  33  Act. 
2730  jtQcoQfjg  S*A  Act.  5,  (oajtg)si)Q)j  XAEP  Act.  52  övvsidviqg 
BaAE. 

Gregory  119)  Eigennamen: 

Mcavörjg  statt  Mcoörjg  ist  die  konstante  Lesart  von  §.  Von 
den  37  Stellen  in  den  Evangelien  lesen  Bx  einmal  zusammen 
Moorig  Lk.  1631,  B  weicht  ausserdem  noch  Joh.  92S  ab,  X  da- 
gegen an  acht  Stellen,  L  eilfmal  in  Mtth.  und  Mrk,  sonst  nur 
Lk.  222.  Joh.  92§  (mit  B)  929.  Mit  einer  Ausnahme  Lk.  2427  (mit  tf) 
liest  jedoch  schon  D  stetig  Mcovöijg. 

xacpaQvaovtu  (statt  xajisgvaovfi)  ist  die  konsequent  gebrauchte 
Lesart  von  §  und  D  it.  vg. 

Lehrreich  ist  folgende  Zusammenstellung: 

XaCccQed-  — er 

Mtth.  2, ,  B  ?CKM/7Rel.       B?xLDS 
413  «DEKMUV  LSF 


21, ,  BtfCDKtfRel.  LFGMNSr 

Mrk.  1  9  DKtfRel.  BaL_/r 

Lk.     126  CEGHMSÜVrJ  |  BKLK77X 


Joh. 


2 , aDGH  Rel. 
2.,,  BJDGH  Rel. 
25,  BDGHRel. 
416  EGHRel. 
146  KM/7EGHRel. 


BÄLK/7X 
aBJLK/7X 
aB;rLKZ7X 
LK/7 

BaLAX 


aß- 

ax 

A 

CPJ 

A 

AP 

KA 

ACA 

A 

A 

A 

A 

A 

A 

A 

aaBZ 

33.  k 


BüS 


Trotzdem  die  einzelnen  Hndschrn.  hier  scheinbar  hoffnungs- 
los durcheinander  wirren,  so  sondern  sich  doch  allmählich  die 
Recensionen  ab.  Die  Lesart  von  §  war  Na^aotr  (konsequent 
von  L  vertreten,  nur  Mtth.  4,3  und  Lk.  4,6  kann  man  zweifel- 
haft sein,  ob  nicht  §  Nataoa  gelesen,  D  und  die  späteren  lesen 
NaC,aQed-\  KZ7  in  Lukas  NaCayer,  sonst  NaCaQsß-. 


III.   Die  Recension  des  Hesycliius. 


109 


rspvJjOaoer 

yEV- 

yEW-  sfr 

yev- 

yEVV?)GCCQ 

Mtth.l434  BsTCrOrig. 

Orig. 

PX  Rel.  p 

LFJ 

D  it.  vg.  ö 

Mrk.    653  B^LAMFJ 

BXK77Rel. 

NFHp 

Dbcff.2 

Lk.       5  ,  BxCAQRJ  Rel. 

LF 

EHKM(D) 

f  0  hr. 

Br/d-oaiöav 

Bi]6. 

Br/d—öa         B?jö. 

Mtth.ll21  BJXKMRel. 

mn 

XCDLV  Orig. 

Mrk.     645  BwSLKMU  Rel. 

J 

Ap(Dit.) 

Lk.     10, 3  S    Eur 

CLR^AXzJK 

77  Rel. 

BA(D) 

Joh.      145  X 

BL  Rel. 

p   it. 

1221 

BaL  Rel. 

Dit. 

Im  letzteren  Fall  scheint  allerdings  ein  Unterschied  zwischen 
Mtth.-Mrk.  und  Lk.-Joh.  vorzuliegen. 

Endlich  will  ich  noch  die  Variante  ev&vq  —  evd-scog  als 
besonders  charakteristisch  erwähnen.  Ich  zähle  im  Markusevan- 
gelium 31  Fälle,  §  liest  immer  evO-vq,  die  späteren  Kodices  sv- 
d-ecog  (B  weicht  zwTeimal,  X  niemals  ab).  C  liest  in  den  ersten 
beiden  Kapiteln  mit  den  späteren,  dann  fast  immer  (3  Ausnahmen) 
mit  §.  D  lässt  svd-vq  an  neun  Stellen  fort,  geht  fünfmal  mit 
§,  sonst  mit  den  späteren,  zeigt  also  den  willkürlichen  und 
schwankenden  Charakter  des  unrecensierten  Textes. 

Von  Verbformen  sind  diejenigen  auf  av  charakteristisch  für 
$2>.  Ich  sammle  aus  den  besprochenen  Stellen  folgende:  Etütav 
sgfjXd-arE  evQCCfiev  ?]?.frav  siöav  JtQOörjXd-av  etc.  Um  von  der 
Verbreitung  dieser  Formen  in  £t  eine  Vorstellung  zu  geben 
bringe  ich  für  die  Form  surav  etc. 
Zusammenstellung : 


in  Mtth.  und  Mrk.  folgende 
9:J  B  (9U  liest  §  eZeyov)     1027  EtjiaxE 


Mtth.  25  SLjtav  Btf 
alle  122  ujiav  BaC  33  [1224  euiov  alle]  1310  e utav  BxL  33 
[1327  eljcov  alle]  (132S  Ö  XEyovGiv)  1512  euhxv  K  (BD  Xsyov- 
glv)  1534  X  33  16l4  B77  33  [17l9  euiov  alle]  1724  SCBD 
215  EiüiaxE  alle  25s  eukxv  BLC  33  26,^  euiolte  alle  2625  ££- 
jrag  alle     2635  ajro:^  33.  69     2661   K     26,,4   Etxag  alle     2666  el- 


i\ 


jiav  K  33  [267:i  euiov  alle]  274  eucccv  L  33  27K  BL  33  27 
L  33.  D  2749  B  (die  übrigen  eXsyov)  28l3  euhxte  alle  Mrk.  85 
Eutav  Bx  _/JV  S2s  BxCL^/  ( die  übrigen  ajtEXQi&rjGav)  9]S  a:7ra 
BaLF  1.  28.  209     104  Eutav  BkCD     1037  BLCDz/    1039  BaL^D 


HO  Bousset,  Studien  zum  Neuen  Testament. 

113  sucaxE  alle  116  euiav  LJAII  127  BtfLCL/D  1216  BxCLzJD 
1232  ff^as  BAKM/7GSU.T    167  f^«T£  alle     168  sucav  D. 

Bei  den  Augmentformen  habe  ich  für  §  keine  besonders 
charakteristischen  Thatsachen  finden  können.« 

Doch  ich  breche  hier  ab,  mir  genügt  es  angedeutet  zu  haben, 
in  welcher  Richtung  und  nach  welcher  Methode  ich  mir  die 
weitere  genauere  Untersuchung  der  Recension  des  Hesychius 
denke. 


IV.  Die  Gruppe  Kn(M)  in  den  Evangelien. 

Aus  den  obigen  Zusammenstellungen  schon  geht  es  deutlich 
hervor,  dass  ausser  }Q  und  den  gegenüberstehenden  Kodices  noch 
eine  Gruppe  von  Hndschrn.  zum  mindesten  vorhanden  ist,  die 
sich  bestimmt  von  den  andern  abhebt.  Das  ist  die  Gruppe  K/7M. 
Sie  steht  sehr  oft  auf  Seiten  von  £>,  öfter  noch  geht  sie  mit  der 
entgegenstehenden  Gruppe  zusammen,  oft  auch  steht  sie  ganz 
allein  und  tritt  dann  deutlich  hervor. 

Auf  diese  Gruppe  ist  schon  Hug1)  aufmerksam  geworden  und 
hat  versucht  die  ihr  zugehörigen  Minuskeln  zu  bestimmen.  Er 
sah  in  ihr  sogar  die  Origenesrecension  des  neuen  Testaments, 
eine  Vermutung  die  sich  wenigstens  teilweise  bestätigen  dürfte. 

Mit  umfangreicherem  Material  gilt  es  den  Versuch  von  neuem 
zu  unternehmen.  Im  folgenden  sind  ausser  Tischendorf  und 
Tregelles  die  Ausgaben  und  Kollationen  von  Mill  Wetstein  Birch 
Matthaei  Griesbach  Alter  Scholz  Scrivener  (die  genaueren  An- 
gaben s.  o.  S.  53.  55)  endlich  Muralt  Nov.  Test.  Hamburg  1848 
benutzt.'2) 

Ich  stelle  zunächst  die  Stellen  zusammen,  wo  in  Lk.  222o — 
2320  (Ta)  und  Lk.  1215— 1332  (Twoid)  KZ7  mit  £  zusammenstehen. 
Ti.  giebt  ja  in  den  meisten  Fällen  nur  die  ungefähre  Zahl  der 
Minuskeln  an,  die  mit  §  übereinstimmen.  Aber  schon  aus  diesen 
Zahlen  können  wir  eine  wertvolle  Beobachtung  entnehmen.  Die 
Zahl  der  begleitenden  Minuskeln,  die  sonst  gewöhnlich  eine  sehr 
geringe  ist,  schwillt  fast  jedesmal  um  ein  beträchtliches  an,  wenn 
K/7  auf  der  Seite  von  Jp   stehen.     Es   gilt  nun   die   zur  Gruppe 


1)  s.  Einleitung  I.  190  ff. 

2)  Für  die  Minuskeln  122.  433.  435  wurde  J.  Dermout  Collectaneo- 
runi  Criticoruni  Pars  prior  Lugd.  Bat.  1825  verglichen.  —  Von  Scrivener  wurde 
neben  dem  Cod.  Aug.  (s.  o.  S.  53)  A  Collation  of  about  twenty  Greek 
Manuscripts  of  tbe  Holy  Gospels  Cambridge  1853  benutzt,  von  Griesbach 
vor  allem  Symbolae  Criticae  Pars  I. 


J  [2  Bousset.  Studien  zum  Neuen  Testament. 

gehörigen  Minuskeln  zu  bestimmen.  Ich  bemerke  im  voraus, 
dass  die  Minuskeln  33.  1—118—131—209.  13—69—124—340. 
157  sehr  oft  auch  ohne  K/7  mit  §  gehen,  sie  zeigen  aber  auch, 
wie  nachher  deutlich  werden  wird,  deutliche  Verwandtschaft  mit 
K/7,  haben  also  gemischten  Text. 

Lk.  12,5  r;ycj  Jtaoi/g  §  D  AQRUX  KM/7  1.  13.  16.  29.  33. 
37.  42.  49.  67.  69.  71.  86.  94.      106.  14.  31.  57.      229."  37.schoL  39. 

45.  51.  54.  55.  59.scl101-  60.  61.  76.  324.  46.  c  i  w.  (H  z.  18.  19. 
36.  49.)1)2) 

12..9  ovx  —  av"  ayr/xev  SaBLPS  K/Z  1.  13-  49.  67.  69.71. 
122.     220.  54.     c  d  p  i  w.  (H.) 

1247  tavrov]  avrov  S>  DX  K/Z  1. 10.28.29.  33.  49.  51.  54. 
56.  58.  61.  62.  66.  67.  68.  69.  71.  74.  77.  (Alter)  89.  90.  91.  100.  8. 
31.  57.    220.  34.  35.  37.  39.  40.  41.  44.  45.  46.  47.  48.  52.  53.  54.  58. 

59.  85.  99.     346.     435.     a  c  d  g  h  1  m  n  o  p  q  r  v  w.    (yz.)3) 

1249  sig]  ejti  £)  AXU  KM//    1. 13.  27.  33.  36.  38.  42.  54.  57. 

60.  64.  67.  69.  71.  77.  86.  91.     108.  16.  24.  31. 42.  45.  57.    237.sclio1 
39tschoi.  4„  44.  4S-  52.-55.  59.scl101-  99.     300.  46.    435.  700.    adf 
opw.    (Hz.  18.  36.  49.  63.) 4) 

12.-0  ov]  orov  §  D  ARU  KMiZOrig.  13.  25.  29.  33.  36.  40. 
42.57.63.69.71.77.91.    114.57.    220.48.51.53.55.59.99.    300. 

46.  acdfgpw.     (48.60.63.) 

1254  +  oxi"  ourjnog  £  AXU  K/Z  12.  16.33.46.  50.  59.  63. 
67.68.69.71.86.    119. 22." 24.    220.52.-53.59.   346.   fpiw.    (63.) 

134  ovzoi]avTOL$  AX  KU  4.6.  25.33.68.69.  157.251. 
54.    300.    p  w.    (48.) 

13u  sv  ravxaLc)  ev  avxaiz  £>  AX  /7  1.42.69.  131.  57. 
251.54.    300.    c  w. 

2232  £xZeixif\  ExXucf}  £  DXU  M/7   1.  3.  18.45.  47.  48.5)  49. 


1)  Die  am  Schluss  stehenden  und  eingeklammerten  Zeichen  bedeuten 
Evangeliarien.  Die  Buchstabenbezeichnungen  Scriveners  für  EvangeUen- 
hndschr.  und  Evangeliarien  (cf.  Gregory  274)  habe  ich  der  Bequemlichkeit 
halber  beibehalten. 

2)  Muralt  e  silentio  569.  75.  (Die  Kodices  Muralt  notiere  ich.  wo  sie 
nur  e  sil.  erschlossen  werden  können,  in  Anmerkungen.) 

3)  Mur.  e  sil.  330.     565.  69.  75 

4)  Mur.  330.     565.  69.  75. 

5)  nach  Mill.  während  Wetstein  den  Kodex  nicht  angiebt. 


IV.    Die  Gruppe  K/7(M)  in  den  Evangelien.  113 

50.  55.  57.  64.  65.  70.  76.  SO.  83.  86.  89.  90.  116.  21.  25.  57.  218.1) 
19.  20.  39.  40.  41.  42.  43.  46.  47.  52.  54.  59.  433.  569.  75.  adhl 
mnpqrsw.    ((x)  19.  21.  24.  47.  48.  49.) 

GTTjQl^OV]  ÖTljQlOOV  £)    AQ    KM//    1.131.  W.'(z  TtJQ7]60V.)2) 

2236  jtcoXtjOai-  ei.]  -«round  ayooaosi-  at]  -axco:  die 
Angaben  sind  nicht  genau  zu  beschaffen,  da  die  Kodices  (weil 
die  Lesart  textus  receptus)  auf  der  andern  Seite  notiert  sind. 
Es  lesen  die  Formen  auf  axco  So  AUQX  KM//  nach  Scrivener  e 
sil.  a  c  d  f  p  v  w,  resp.  a  d  e  g  h  (p)  w  (z  jico).iöarco  —  ayoga- 
oaxo,  x  jtoXrjöarco  —  ayogaöaxo,  y  ütcohjOtt  —  ayooaoaxco),  nach 
Alter  77.  123.  125.  220.  225.  [ptmXr\Gaxm  —  ayogaosi),  nach  Matth. 
e.  sil.  244.  245.  xcolvjGazco,  kein  Kodex  ayogaoaxco.  Die  gegen- 
überstehenden Kodices  sind,  verzeichnet  bei  Hoskier,  a  füll  account 
and  collation  of  the  codex  Evangelium  604.  —  e  silentio  ist  zu 
schliessen,  dass  von  uns  interessierenden  Kodices  noch  hierher 
gehören  11.  15.  28.  42.  68.  72.     114.  116. 3)     300. 

2253  ~  eotiv  vficov  £»  DRGX  KM/7  22.  116.  24.  248.  52. 
53.  59.     435.    pw.    (Hy  z.     49.     48.  —  vpcov.) 4) 

2254  ELörjyayov  —  avxov  §  ARD  KM//  Orig.  1.  10.  47. 
49.  56.  57.  58.  59.  61.  66. 5)  83.  108.18.24.31.57.  243.46.52.53. 
85.     aclmnpqw.6) 

xov  oixov]  rr/v"  oixiav  §  KM//  Orig.  1.42.49.  118.24. 
31.  57.     209.    p  w.7) 

2257  rjQvrjoaro  —  avrov  §  S  KM//  1.  12.  22.  25.  27.  28. 
37.  44.  45.  49.  57.  60.  68.  71.  80.  86.  116-  18.  22.  31.  45.  220.  25. 
45.8)  46.  48.  51.  52.     a  c  o  p  v  w.    (H  x  z     12.  17.  18.  48.  49.) 

2255  siJtev]  e<p>i  .s?  KM//  13.15.25.42.49.08.69.80.  124. 
346.     c  p  w.    (x.) 9) 

2261   <pcovriO£L  +  (j)iheqov  £  X  KM//   5.  6.  13.  29.  42.  49. 


1)  Dazu  nach  Alter  e  sil.  77.     123.  24.  25.    220.  25. 

2)  Mur.  575. 

3)  zu  218  cf.  Alter  I  1201. 

4)  Mur.  575. 

5)  nach  Mill,  Wetstein  giebt  den  Kodex  nicht  an. 

6)  Mur.  575. 

7)  Mur.  330.    565.  69.  75. 

8)  Mur.  575. 

9)  Mur.  330.    5G5.  69.  75. 

Texte  u.  Untersuchungen  XI,  4.  8 


114  Bousset,  Studien  zum  Neuen  Testament. 

68.  (69.)  71.  72.  80.  86.  122.-  (24.)  25.  57.  220.  48.  a  d  f  o  p  w. 
(x5.)i) 

2262  sgco  —  o  siezQog  £)  DX  KM/7  1.  9.  10.  27.  29.35.42. 
46.  47. 2)  49.  50.  56.  58.  59.  61.  62.  66.  71.  77.  83.  86.  108.  16.  18. 
22.-  24.  25.-27. 3)  31.  57.  226.  37. S(*01-  41.  (46.)  52.  85.  acdlm 
ri  o  p  q  -  w.    (15.) 

22i;,  xov  Irjoovv]  avxov  £)  D  M//  34.  39.42.  130.lat  157. 
(124.  avxov  rov  Iijöovv)  w.4) 

2264  Jt£QixaZvy)avzsQ  avxov  —  ,.£xvjixov  avxov  xo  xqoo- 
oyjiov  y.ai11  £jc?jqcoxojv  —  avxov"  £)  KM/7  w.  (jisoixaZvipavxeq 
avxov  xo  jTQOOmjtov  sjtrjQOJxmv  p  1.  4.  15.  80.  209.  (20.)  Das 
letzte  avxov  fehlt  in  42.  49.     p.     (18.) 

226fi  aQ%L8Q£ic,  -\-  xs  §  AX  KM/7,  auch  hier  sind  die  Va- 
rianten auf  der  andern  Seite  angegeben,  nach  Scrivener  gehören 
hierher  cdflninpw  (y  x  semel),  nach  Matthaei  241.  45. 
46.52,  nach  Alter  108.23.24.  218.20.25.  Eine  Zusammen- 
stellung der  Minuskeln,  die  auf  der  andern  Seite  stehen,  findet 
sich  bei  Hoskier  a.  a.  0.  CHI.  Danach  gehörten  auf  unsre  Seite 
etwa  noch  15.  29.  37.  42.  53.  63.  68.  91.     229.  300. 

232  xo  £&vog  +  rjfiwv  §  DHR  KM/7  4.6.  11.  13.  25.  27. 
42.  46.  49.  51.6)  54.  56.  59.  60.  62.  65?  66.  67.  69.  76.  80.  90.  106. 
18.  22.  •  •  24.  25.m  27.  30.  31.  240.  44.  (52.)  346.  a  c  d  e  f  i  1  p  q 
r  v  w.  (L  zsem-  13.  15.  47.  48.  49.  54.) 7) 

23s  axov£iv  —  itolla  §  D  KM/7  1. 12.  16.  42.  59.  118. 
19.31.  57.  209.  w.  (13.  69.  124.  237.  39.  59.  346.  haben  nolla 
an  andrer  Stelle.)  (7.  9.  10.  12.  13.  17.  48.  49.)s) 

23,5  av£jt£i.iip£v  yaQ  avxov  jcQoq  rjfiag  $  KM//  4.6. 
12.  13.  15.  71.  80.  86.  89.  130.lat-  42. 45.ms.  57.  84.  220.  a  d  p  w 
((L)  z  (x)).  siqoq  vfiag  lesen  13.  69.     248.  (71.  nach  Mill.)9) 


1)  Mur.  330.     565.  69.  75. 

2)  mit  Mill  gegen  Wetstein. 

3)  Mur.  569.  75. 

4)  Mar.  330.    565.  69.  75. 

5)  Mur.  575. 

6)  51  liest  vfiojv. 

7)  Mur.  330. 

8)  Mur.  330. 

9)  Mar.  giebt  im  Text  die  Lesart  uveneßxpev  yaQ   avxov  tiqoq  vfiaq 
(sicj  und  keine  Variante. 


IV.  Die  Gruppe  K77(M)  in  den  Evangelien.  115 

23t  7  Der  ganze  Vers  ist  fortgelassen  §  A  KZ7  w.  (z  semel 
274  mit  Obelos  versehen.) 

Ich  stelle  nun  eine  Reihe  von  Stellen  zusammen,  in  denen 
KM/7  allein  oder  fast  allein  stehen.  An  diesen  Stellen  muss 
natürlich  die  Klasse,  falls  eine  vorhanden  ist,  noch  deutlicher 
hervortreten. 

Lk.  125G  c-o  xov  ovoavov  xcu  t>/c  yt}q  XcDLTXK/7  9.  11. 
15.  18.  28.  33.  (49.)  74.  80.  83.  157.  219.  20. 41. 42.  46.  52.  53.  58. 
59.  85.     300.  575.     acdflninpq"    i  w.  (H  ?  z  y  48.  49.) 

1228  xov  Xoqtov  orjfisQov  sv  (reo)  ayoco  ovxa  TAQU 
KM/7  "  1.  33.  69.  71.  106.  31.  220.  39.  48.  51.  53.  54.  58.  59.  346. 
c  p  w.  (48.) l) 

1231  xavxa  +  jtavxa  TxcAXKMZ7  textus  reeeptus.  Da- 
her die  Minuskeln  auf  der  andern  Seite  angegeben.2) 

1235  oo  cu  oo<pveg  vncov  TPAQK/7  25.  106.  57.  220.  43. 
45.  52.  (53.)  55.  59.     575.  p  i  v  w.  (63.) 

13o7  ~t~  0L"  soyaxai  TAKM77U  textus  reeeptus.  Daher 
die  Minuskeln  auf  der  andern  Seite  angegeben.3) 

13,,  sv  avrtj]  svxavxi/  TDKMZ7  29.42.49.63.71.  114. 
15.  16.  57.     569.     o  w. 

222T  ovxi]  ovx  KM77  1.     209.  20.  39.     344.     cdlnw, 

22:^  scog  +  ov  XKM/7  4.  5.  9.  17.  42.69.80.  220.  o  p  w. 
(x  22.) 

2242  3tagEV£yxeiv\....xai  xLRKM/7   13.69.    121.24.    248. 

346.     ew xs     BTD     1.  15.  22.  47.  49.  56.  71.     118.  31.  57. 

220.     c  d  p.     (x  14.)4) 

22,,  s^tjXd-sxs  XKM77  1.  11.  12.  15.  25.  29.  38.  42.  44.  46. 
56.  57.  59.  71.  80.  90.  106.  19.  30.  31.  240.  44.  48.  569.  d  p  q 
w.  (Orig.)  (15.  17.  H.) 


1)  Mur.  330.  xov  xoqtov  xov  arj/xi^ov  ev  xca  ayQO  ovxa. 

2)  nach  Scholz  36."  108.  15.  122.  23.  31.  45.  235.  39.  45.  51.  58.  61. 
433.  35,  nach  Wetstein  2.  7.  38.  44.  45.  59.  65,  nach  Alter  108.  23.  Scri- 
vener  h  v.  Griesbach  115.  19,  Mur.  e  sil.  330.  (Dagegen  565.  69.  75.  xavxa 
navxa.) 

3)  —  oi"  28.  49.  72.  125.  35.  45.  95.  250.  300.  433.  (MM,  Scholz, 
Birch,  Wetstein,  Matthaei)  b  f  (Scrivener)  keine  von  den  Hndsehrn.  Alters, 
Griesbachs,  Tregelles.  Mur.  330.     (Ti.  giebt  al.2«  fere  an.) 

4)  Wetstein  hat  nur  die  Variante  Ttagtveyxe  (ai  scheint  nicht  notiert  ; 
für  s  notiert  er  noch  6.  59.  80.  86.  88.  nuQevsyxrj  14.  42. 


HQ  Bousset,  Studien  zum  Neuen  Testament. 

226()  XaXovvxoq  avzov]  Xai.  zov  jcstqov  KM/7  15.29. 
42.  49.  71.  80.     220.  48. l)     569.     cdpw.    (x.) 

22,;4    —  jiQocprjTSvoov   KM/7    42.  w.  (Colb?  bei  Wetst.) 

2270  df]  ovv  AKM//  1.  29.  42.  49.  69.  71.  86.  124.  209. 
569.     p  w.  (L  z.) 

232  oo  zaiöagi  (poQov  öiöovai  ARKM/7  15.  106.57. 
300.     epw,  (z  semel.) 

Ich  lasse  noch  einige  Stellen  aus  Matthaeus  folgen,  die  ich 
mir  bei  andrer  Gelegenheit  gesammelt. 

Mtth.4,0  öixzva  +  avrcov  KZZ  42.63.72.  114.22.*-  252. 
53.     565.    w. 

531  £QQe9-f]  -ös  Xa  K/7  10.  18.  42.  46.  48.  58.  59.  62. 2)  63. 
64;  66.  67.  72.  83.  86.  114. 24.  27. 31.  209. 25.  41.  46. 48.  76.  565. 
69.     a  1  m  n  p.  (14.  32.  z.) 

710  ?/  xai  BaC     1.  33.  38.  60.  61.  66.     235  51.     435. 
7cai  sav  Rel. 
rj  xai  eav  KM/7     13.  (17.  21.  24.  25.  72.  90.)3)     116.  19. 
22.  31.  95.    240.  42. 43.  44.  45. 47.  (48.)  53.  59.  73.scho1-  79.scho1-   569. 
a  h  p  q  r    w. 

817   +av"  eZaßevKII  42.67.  114.  122.-  242.  47.  76.  w.(P.) 

9  5  —  y<xq  TJKM/7  21.42.63.91.  114.18.  209.48-53. 
376.   565.  f  w. 

1010  rij~  tqo<p>/c]  zov  (iic&ov  KM//  12.17.42.53.54. 
55.  72.  91.  107.  11.  12.  14.  15.  19.  237.scho1-  48.64.99.  330.  565. 
p  w.  (48.  z ) 

1123  v)  vipcofrsioa  X^V  KM/7  textus  receptus;  esil.  beiScriv. 
bcdefqrsw;  Alter  218.  e  sil.  77.  124.  219.  220.  225;  Gries- 
bach  17.  119.  e  sil.  114.  116;  Matthaei  alle  mit  Ausnahme  von 
241.  46.  50.  53.4)     Dermout  122.  433.  435.     Muralt  330.  565.  69. 


1)  falsch  Scholz  246.    (cf.  Matthaei.) 

2)  mit  Mill  gegen  Wetstein. 

3)  Wetstein  rechnet  unter  die  Variante  ?j  xai  eav  auch  solche  Kodices 
die  nur  rj  xai  lesen  (s.  Mill),  daher  sind  seine  Angaben  nicht  sicher. 

4)  >j  wfHä&riQ  lesen  6.  10.  13.  18.  24.  25.  27.  28.  72.  75.  108.  27.  51. 
61.  62.  67.  209.  36.  61.  77.  338.  46.  (Scholz)  3.  9.  32.  34.  35.  36.  40.  44. 
48.  55.  62.  64.  66.  67.  71.  78.  83.  84.    (Wetstein)  af--ghklmnopv 

Scrivener)  241.  46.  50.  59.  (Matthaei)  115.  18.  (Griesbach)  3.  123. 125.  224. 
Alter)  169.  (Birch)  700.  (Hoskier);  w  vrvcoS-rjg  lesen  1.  22.  42. 


IV.   Die  Gruppe  KJ7(M)  in  den  Evangelien.  117 

134  ra  jcexELva  -j-  xov  ovgavov  KM/7  3.  4.  7.  13.  15.  IS. 
42.  50.  57. »)  60.  61.  63.  72.  76.  80.  90. 91.  106. 15.  22.  24.  42.ms-  57. 
(nach  Birch.)  218.  20.  40.  44.  47.  48.  52.m  53.  99.  330.  46.  565. 
dprw.  (H  y  12.  13.  15.  17.  49.) 

1328  övllegcofiev]  ovXXt%o(isv  LTKM/7  1.  3.  11.  13.  18. 
22.  25.  28.  72.  73.  74.  76.  77.  83.  86.  89.  90.  91.  99.  108.  13.  15. 18. 
22.  31.  209.  34.  35.  37.  38.  40.  41.  43.  44.  47.  51.  52.  53.  59.  62.  :- 
99.     301.  46.    569.  a  b  •  •  d  h  i  k  1  m  n  q  r  s  w.  (H  j  z  18.  49. 51.) 

1332  +  xavmv"  xmv  K/7  4.  5.  6.  10.  15.  18.  28.  34.  35. 
36.  37.  39.  40.  41.  (nach  Mill.)  45.  46.  49.  51.  52.  53.  54.  56.  58.  60. 
62.  66.  68.  72.  75.  80.  83.  84.  90.  116.  17.  42.m  57.  82.  209.  (18. 
20.  25.)  26.m  27.  ■  •  34.  •  ■  35.  37.  40.  41. 42. 44.  45.  (48.)  52.  301.  (433. 
35.)  565.  75.   adlmnopqrs"  w.    (2.  12.  14.  15.  18.  19.  49.  z.) 

14,  cvd  öovvai  avxi]  K/7  1.  4.  72.  157.  238.  243.  45.  48. 
53.     300.    e  p  w. 

1532  etjcsv  +  avroig  tfcCK/7  73.  91.  122.  "  235.  43.  48. 
53.     565.    depw.   (27. 48.) 

Ich  setze  noch  eine  Stelle  aus  Johannes  hierher,  die  deshalb 
wichtig  ist,  weil  in  der  betreffenden  Variante  eine  Korrektur  des 
Origenes  vorliegt: 

Joh.  12S  Brj&avia]  B?]d-aßaQa  TC2JUK/7  Orig.  1.13. 
22.  33.  42.  66.  69.  77.m  78.  91.m  113."  14.  16.  21.  25."27.m  35.m 
42."  45.  47.  51.  80.  219.m  37.  41.  46.  52.  62.  74.  85.  346.  1 "  in  n 
t  (q)  w.  (48.)  (Darauf  bezügliche  Randbemerkungen  (conf. 
Scholz, Alter,  Matthaei)  haben  108.2937. 43. 51.    237.39.53.54.59.) 

In  erster  Linie  erweist  sich  die  von  Scrivener  kollationierte 
Minuskel  w  als  aufs  allerengste  verwandt  mit  KM/7.  Dieselbe 
geht  fast  ohne  Ausnahmen  an  allen  Stellen  mit  jenen  Hndschrn. 
und  kann  mit  ihnen  als  Führer  der  Gruppe  angesehen  werden. 
Bei  der  Untersuchung  der  Verwandtschaft  der  übrigen  Kodices 
müssen  zunächst  die  einzelnen  Evangelien  auseinandergehalten 
werden.  Beginnen  wir  mit  den  zuletztgenannten  Stellen  aus  Mat- 
thaeus,  so  zeigen  sich  als  verwandt  in  erster  Linie  42.  72.  114. 
122.  (zusammen  mit  122.")  248.253.  p  =  482.565.  (2Pe),  in  zweiter 
Linie  63.  91.  237  243.  247.  a  =  470.  d  =  473.  569.  (7Pe.)  Eine 
Verwandtschaft  scheint  ferner  vorhanden  mit  Min.  116,  die  leider 


1)  57  nach  der  Angabe  von  Mill. 


118  Bousset,  Studien  zum  Neuen  Testament. 

nicht  vollständig  kollationiert  ist,  Berührungen  mit  131.  157  und 
der  Klasse  13—69—124—346. 

Gehen  wir  zu  den  Stellen  über,  in  denen  im  Lukasevange- 
lium KM/7  w  alleinstehen,  so  folgen  ihnen  von  andern  Hndschrn. 
diesmal  in  erster  Linie  42.71.  220.248.  p  =  482  *)  (auch  114. 
116  erweisen  sich  als  eng  verwandt,  leider  sind  beide  durchaus 
nicht  vollständig  von  Griesbach  kollationiert).  In  zweiter  Linie 
kommen  in  Betracht  15.  29.  49.  80. 106. 253.473.  (=d)  569.  Berüh- 
rungen zeigen  sich  mit  1.  131.  157.     13—69—124-346. 

Betrachten  wir  endlich  die  Varianten,  in  denen  KM/7  mit 
>Q  gehen,  so  zeigt  ein  Blick  auf  die  Liste  (S.  112)  im  Vergleich 
mit  den  übrigen,  dass  die  Kodices  1.  33.  131.  157.  13—69—124 — 
346  viel  enger  mit  <p  als  mit  KM77w  verwandt  sind.  Es  zeigen 
sich  hier  verwandt  in  erster  Linie  42.  49.  71.  220.  24S.  252.  470. 
473.  482 2),  in  zweiter  Linie  15.  29.  68.  86.  116.  118.  122.  251.  253. 
254.  259.  300.  Die  beiden  Listen  von  Minuskeln  für  Lukas  stim- 
men im  grossen  und  ganzen  überein,  und  kontrollieren  sich  gegen- 
seitig. 

Um  die  Gruppe,  um  die  es  sich  hier  handelt,  noch  deut- 
licher hervortreten  zu  lassen,  und  ausserdem  die  Probe  auf  das 
von  uns  erreichte  Resultat  an  einer  nicht  zu  diesem  Zwecke  und 
von  andrer  Hand  zusammengestellten  Sammlung  von  Stellen  zu 
machen,  bediene  ich  mich  der  verdienstvollen  und  wohl  umfang- 
reichsten Sammlung  von  Minuskeln,  welche  Hoskier  in  seiner 
Abhandlung  über  die  Minuskel  604  (=  700) 3)  geliefert  hat.  Jeder 
der  nach  eignen  Versuchen  die  ungemeine  Mühe  kennen  gelernt, 
die  es  macht,  aus  den  verschiedenen  Ausgaben  die  immer  wieder 
mit    andern    Sigeln    angegebenen    Minuskeln     zusammenzulesen, 


1)  Von  den  für  Matthaeus  gefundenen  Kodices  verlässt  72  die  Gruppe, 
und  zeigt  sich  253  als  weniger  eng  verwandt,  dafür  tritt  71  ein.  Von 
den  Hndschrn.  Muralts  zeigt  565  in  den  Lukasstellen  keine  besondre  Ver- 
wandtschaft. 

2)  Wenn  aus  den  Angaben  von  Muralt  e  silentio  ein  Schluss  gezogen 
werden  kann,  so  erscheinen  die  Hndschrn.  5G5.  G9.  75  sehr  häufig  auf  der 
Seite  von  \>  KM77. 

3)  A  füll  account  and  collation  of  the  Greek  cursive  codex  Ev.  604 
London  1890.  Hier  hat  H.  Introduction  XXIX— CX VI  die  bemerkenswer- 
teren Lesarten  von  604  gesammelt  und  so  vollständig  wie  möglich  die 
Begleiter  von  604  unter  den  Minuskeln  zusammenzustellen  versucht. 


VI.  Die  Gruppe  K77(M)  iu  den  Evangelien.  119 

wird  dem  Verfasser  Recht  geben,  wenn  er  sich  zum  Schluss  (CXV) 
ziemlich  scharf  gegen  Hort  wendet:  How  useless  and  superfluous 
to  talk  of  Evan.  604  having  a  large  „western  element"  or  of  its 
siding  in  many  places  with  the  neutral  text  ....  Do  let  us  rea- 
lize,  that  we  are  in  the  infance  of  this  part  of  the  science  and 
not  imagine  that  we  have  successfully  laid  certain  im  mutable 
foundation  stones.  —  Das  ist  ganz  gewiss  richtig.  Dennoch 
hätte  Hoskier  auf  der  andern  Seite  nicht  so  ratlos  vor  seinem 
Stoff  stehen  bleiben  sollen  und  versuchen  ihn  ein  wenig  zu  ordnen. 
Was  nützt  denn  dieses  fortwährend  anschwellende  Material, 
wenn  es  uns  nicht  gelingt  es  zu  überwältigen!  Es  wäre  besser 
gewesen,  wenn  Hoskier  seine  Arbeitskraft  einer  glücklicher  ge- 
wählten Minuskel  gewidmet  hätte,  als  dem  ganz  willkürlich  va- 
riierenden Kodex  700,  der  nur  das  tote  und  unverwertbare  Mate- 
rial, das  wir  schon  besitzen,  vermehren  kann.  Will  man  weiter 
kommen,  so  wende  man  seine  ganze  Kraft  zunächst  den  Minus- 
keln zu,  die  sich  klassificieren  lassen.  —  Wir  wollen  mit  dem 
Schlüssel,  den  wir  gefunden,  auch  an  jene  Sammlung  herangehen 
und  sehen,  ob  sich  nicht  leicht  eine  bestimmte  Textgruppe  ab- 
sondern lässt.  Ich  stelle  wieder  aus  Matthaeus  die  Stellen 
von  den  bei  Hoskier  notierten  zusammen,  in  denen  die  Überein- 
stimmung von  K77  auf  unsre  Gruppe  führt,  und  unterstreiche  die 
Kodices  auf  die  ich  das  Augenmerk  richten  möchte: 

3,  -6£  DELSV^S1  KM/7  2.  3.  4.  9.  14.  15.  28.  34.  36.  38. 
39.  40.  44.  45.  49.  53.  60.  64.  72.  S4.  87.  106.  14.  22.  23.  42.  82. 
219.36.43.  53.69.74.99.    301.    440.  73.    570.  8.  66.  69.  70.  (195.)') 

532  Ttaq  o  ajcoXvmv  £>  J2  KM/7  1.  4.  5.  6.  7.  13^14.  16. 
21.  22.  24.  25.  33.  37.  45.  53.  61.  63.  72.  75.  77.  78.  9_L  108.  14.  24. 
27.  57.  _225.  35.  37.  42.  47.  4S.  74.  76.  99.  300.  (473.)  507.  16. 
(8.  9.  10.  12.  14.  18.  19.  36.  48.  49.  150.     222.  234.  259.) 


1)  513  fehlt  bis  1353.  —  Natürlich  geht  auch  jedesmal  die  Minuskel  700 
in  den  angefühlten  Stellen  mit  KM/7.  Aber  eine  Verwandtschaft  derselben 
mit  KM77  lässt  sich  deshalb  noch  nicht  ohne  weiteres  behaupten.  Sonder- 
lesarten von  KMH  teilt  700  im  Matthäus  nur  wenige,  von  den  oben  S  116 
angeführten  (also  bis  Cap.  XV  keine  einzige.  —  Zu  bemerken  ist  noch,  dass 
ich  die  bei  Hoskier  nach  Serivener  angegebenen  Minuskelzahlen  nicht  in 
die  Tischendorfschen  umgesetzt  habe.  Ich  bemerke,  dass  473  Scr.  =  565  Ti, 
47.3  =  .3(39.  476  =  330.  507  (w)  =  489.  509.  (a)  10.  (b)  11.  (c)  12.  (d)  13.  (e) 
Scr.  =  470.  71    72.  73.  74  Ti.     570.  (p)  =  482. 


120  Bousset,  Studien  zum  Neuen  Testament. 

104  +  o"  löxaQicotrjg  BsDSJ  KM/Z  1.  33.  84.  124.  218. 
37.  43.  48.  51.     507.  11.  12.  13.  14.  16.  17.  72.  (47.  48.  5Ö~52.  53. 

55.  233.  34.  57.) 

153G  zoig  oxloig  §  KM n  1^  12.  13.  33.  59.  80.  91.  124. 
57;     238.43.46.     511.     (18.  19.  49.  150.  259.) 

168   —  avroig  §  D   SU2   KM/7    _1_  4.  33.  36.  38.  42.  57. 

68.  91.  (124.)  57.  209-  20.  37.  38.  43.  45.  48.  473.  (507.)  13. 
(48-  259.) 

16M  ccQrmv  §  S  KM/Z  _L  5.  13.  15.  25.  28.  33.  36._37.  40. 
54.  56?  58?  59.  60.  61.  72.  75.  80.  118.  122.  24.  36.  (42.)  48.  57. 
82.  83.  84.  220.  25.  35.  37.  (38.)  40.  43.  44.  48.  51.  52.  53.  58.  88. 
301.46.     507.  8.  9.  12.  13.  70.     (48.  222.  259.) 

1620  —  Irjoovq  <p  XrJ  n    1^6.  8.  14.  35.  3_7.  40.  42.  50.  53. 

56.  58.  60.  6L  62.  64.  66.  71.  72.  74.  ■•  75?  77.  80.  83.  85.  86.  108. 
14.  15.  16.  24.  27.  42.  201.  18.  25.  35.  37.  38.  40.  41.  42.  44.  45. 
46.  48.  51.  52.  58.  59.  85.     507.  9.  10.  13.  42.  66.  68.  (15.  36.) 

174  rjXta  utav  XCLD  J2  K/Z  1.2.6.13.  33.  61.  84.  85.  86_? 
124.  25.  225.  29.  38.  45.  48.  301.  46.  507.  11.  (50.  53.  54.  259.) 
(114.  513  fehlen  s.u.) 

193  oi  BCL  AS  MZZ  1.  4.  33.  72.  237.  38.  42.  48.  53.  473. 
507.     (150.  259.) 

—  avzco1  £>  r2  KM/Z  _L  6.  25.  36.  37.  42.  60.  63.  72.  77. 
115.  16.  24.  31.  235?  42.  48.  53.  99.  473.  507.  9.  12.  13.  16.  70. 
(22.  48.  150.  234.  •  •  57.  59.) 

19s  (icavarjg  £  DN^1  KMZZ  13.  15.  33.  69.  124.  220.  3_7. 
43.  47.  48.  (52.)  53.     346.     507.  13.  66.  70. 

1924  TQVftaXiag  CÜ2  KM  4.  42-  46.  52.  54.  72.  77.  80.  114. 
24.  57.  87.m     219.  38.  (48.)  62.     473?     507.  13.  70.  (196.) l) 

1929  oixiav  K    8.  27.  28?  29.33.  35.37.42.  56.  58.  60.  64.  66. 

69.  71.  72.  75.  86.  114.  201.  25.  42.  43.  48.  (52.)  473.  507.  10. 
12.  42.  68.  70. 

2030  vis  tfCDEFLN^"  II  _L  2.  4.  6.  13.  33.  69.  80.  91.  124. 
(229.)  38.  40.  43.  346.  440.  73.  75.  507.  43.  71.  (6.  44.  47.  150. 
195.  96.     222.  34.  57.) 

2128  —  fiov  «CLD_/^  KM/Z  _L  6. 13. 22.  25.  33.  37.  42.  67.  71. 
73.  106.  14.  24.  225.  45.  48.  346.  473.  507.  13.  (6.  17.  18. 
19.  24.  48.  49.     195.  96.     259.) 


1)  n  fehlt  1912— 202. 


IV.  Die  Gruppe  K77(M)  in  den  Evangelien.  121 

2133  -zig  Ö  DSJ2  KM/7  _L3.  4.  9.  22.  32.  33.34.36.  38.  39. 
42.  44.  49.  57.  63.  71.  72.  84.  87.  91.  114.  22.  27.  42.  224.  29.  3_7. 
48.  53.  59,     473.     507.  11.  16.  69.  75. 

222l   4-  reo"  xcuaaoi  DJ  KZ7    27.32.    473.    513. 

2223  —  ot"  Uyovreq  £>  VSJ  M/7  _L2.  3.9. 12.  13.33.  36.  44. 
61.  71.  73.  86.  106.  16.  19/22.  57.  82.  87.  209. 20.  25.  37.  38.  43. 
47.  51._53  58.  59.  99.  509.  11.  13.  15.  70.  75.  (18.  36.  44.  48.  49. 
150.  222.  257.) 

2224  (loavOTjq  BLZ^D  KM/7  13.  15.  33.  69.  71.  72.  76.  124. 
243.  47.  48.  53.     346.     507.  13-  70.  75.     (150.) 

2246  cutoxQifrrjvai  avxco  £>  DJ2  K/7  13.  28.  33.  45.  47.  62. 
69.  71.  73.  83.  86.  124.  25.  57.  201.  24.  37.  38.  41.  46.  48.  52. 
346.     435.  73.  76.     507.  9.  13.  42.  68.  (44.  195.  222.  259.) 

24, 8  xo  inaxLov  £>  D2  K/7  _L  4.  13.  18.  33.  42.  62.  63.  69. 
71.  72.  83.  j_14.  18.  24.  25.  ■  ■  67.  201.  9.  26.  40.  41.  44.  46.  48.  52 
53.     346.     433.  73      507.  13.  42.  68.    (14.JL8.  54.  63.    259.) 

2436  —  fiov  §  DJH  n  _L4.  5.6.13.27.32.  33.  36.J37.  38.40. 
42.  69.  71.  72.  114.  57.  218.  37.  38.  45.  51.  58.  59.  346.  435. 
73.     507.  13.  70.     (20.  234.  59.) 

252  —  ai  §  D2  KT/  _L6.  33.42.  46.  (71.)  75.84.  (102.)  *)  57. 
209.  38.  40.  44.  53.     507?     (11.  13.  14.  17.  70.)     (48.  49.  50.  etc.)2) 

252l  —  de"  §  DEür^  KM  27.  33.  40.  51.  53.  61.  63.  68.  75. 
86.  1_24.  27.  31.  237.  38.  40.  43.  44.  47.  48.  52.  53  5b.  59.  433. 
509.  12.  15.  70.  75.  (9.  10.  12.  13.  16.  17.  18.  20.  24.  47.  48.  49. 
150.  222.  257.  259.) 

2617  —avxoD  §  J  KT/  (1.)  28.  33.  36.  40.  42.  47.  53.  56?  58? 
59.  69.  72.  (102.)  6.  14.     259.     300.     507.    13.  70. 

2652  —  oov  ü  K//  2S.  33  42.  47.  53.  61?  68.  72.  115.  22.  •• 
248.  59.     508.  11.  13. 

'  2653  Xeyecovcov  CS  K/7    13.  33.  42.  72.  114.  473. 

2765  —  de  BL  EFGH  KM2  28.  33.  36.  37.  40.  46.  53  54.59. 
61.  67.  69.  71.  73.  (102.)  6.  8.  13.  15.  24.  57.  220.  35.  37.  38.  40. 
44.  45  48.  52.  53.  59.  346.  433.  40.  509.  12.  15.  16.  70.  71.  (1. 
13.  14.  15.  16.  17.  19.  20.  24.  36.  40.  44.  47.  48.  49.  53.  54.  150. 
222.  34.  57.  59.) 

1)  114.  116  e  sil.  nach  Griesbach. 

2)  513  fehlt,  also  irrtümlich  von  Hoskier  angegeben. 


122  Bousset,  Studien  zum  Neuen  Testament. 

289  vjtrjvrrjOBV  BmGi:  77  1.  42.  72.  73.  74.  •  •  114. 18-1)  24. 
209.  48.  85.     346.     473.  75.     507.  12.  13.     (53.) 

Ich  stelle  noch  einige  Stellen  nach  Hoskier  aus  Markus  zu- 
sammen, in  denen  die  Gruppe  K77  allein  steht. 

Mrk.  113  —  sv  xr/  sq^co  K/7  1.4.  9.  11. 12.  20.  28.  42. 50.  69. 
72.     114.24.31.    209.53.    300.     473.     507.13. 

221  fflys  J2  K/7  11.  12.  15.  28.  33.  42.  68.  114.  265.  300. 
46.     473.     507.  12.  13. 

32  toig  oaßßaöiv  avxov  &sqccjisvO(u  K  72.  [114.]2)  (220.) 
265.     507.     512. 

528    Isyovöa   sv  savxi)   DZ   K77     (1.  11.  12.  15.  19.  27.  33. 

42.  51.  53.  54.  60.  68.  72.  76.  107.  8.  11.  [14.]  19.  22.  ■  ■  42.m  58.m 
209.  19.  20.  29.  37.  47.  48.  52.m  53.  59.)  282.  300.  (46.)  58.  433. 
49.  73.  (76.     507.  8.  13.  69.  72.)     (2.  13.  18.  19.  49.  195.) 

62  yvcovxat  DK  4.  8.  114.  22.  220.  45.  47.  48.  51.  53.  82. 
435.     507.  12.  13.  69. 

635  —  avrco"  fta&r/xai Xsyovotv  +  avrco  (xA)  D  (K)77 

11.  (13.)  15. 42.  53. 67.  (69.)  (71.)  72.  77.  [114.16.]  (124.)  57.  (220.) 
25.  (26.)  29.  (35.)  (37.  38.)  53.  (59.)  (61.  82.)  346.  473.  507.  9.  12. 
13.  69.     (222.) 

645  ajcolvöst  E.TK    9.  11.  13?  28.  61.  69.  89.     107.  8.  19.  24. 

27.  237.  38.  40.  41.  44.  45.  46.  48.  52.  59.     475.      507.  9.  12.  42. 

43.  68.  70.  71.    (150.  259.) 

7n  +  avxov  K  11.  27.  53.  54.  68.  80.  220.  29.  473.  507. 
S.  12.  69. 

821  Xsysi  DF  K/7  11.20.25.28.35.36.40.45.48.50.51. 
53.  54".  62.  74.  80.  83.  86.  89.  90.  108.  [14.]  25.  201.  29.  34.  37. 
38.  44.  46.  71.  300.  473.  75.  77.  507.  9.  12.  13.  15.  42.  43.  68. 
71.     (48.  222.) 

10l7  +löov  rig  Jilovöiog"  —  eiq"  A  K(M)i7   4.  11.  13.15..25. 

28.  42.  50.  (61.  63.)  66.  69.  91.  114.  16.  24.  229.  34.  ••  35.  53.  99. 
300.46.     406.(73.)     507.9.11.12.13.70.     (15.) 

10, 9  —  w  ajio6TSQT]6r]g"  BJZ  K77  1. 17.  28. 59.  64.  69.  72. 
114.  18.  22.     209.  29.  45.  53.  58.     405.  40.     507.  13.     (9.  10.  15.) 


1)  nach  Griesbach,  von  H  ausgelassen.  , 

2)  Im  folgenden  scheint  Hoskier  die  Symb.  crit.  von  Griesbach  nicht 
benutzt  zu  haben.  Die  hinzugefügten  Notizen  habe  ich  jedesmal  einge- 
klammert. 


IV.  Die  Gruppe  KZZ(M)  in  den  Evangelien.  123 

102S  ri^aro  ös  N^"  K/7  10.  11.  18.  25.  28.  42.  51.  56.  58.  60. 
61.  62.  66.  71.  •  •  72.  74.  76.  SO.  83.  89.  90.  114. 16. 23.  24.  25.  201. 
19.  20.  29.  34.  38.  41.  46.  53.  85.     346.     507.  12.  13.  42.  43.  69.  70. 

71.  (15.  17.) 

1051  o  irjoovq  Xsysi  avtco  KZZ  11.  114.116.  220.37.52. 
53.  59.     507.  13.  69.     (48.) 

118  sv  z)]  odq>1  AN  .£  KM/7  11.  15.  28.  42.  49.  63.  66.  68. 
69.72.91.    114.16.'   220.58.65.99.     300.     435.40.     507.12.    (48.) 

sv  t-q  oöm2  NU  KM/7  11.  15.  66?  72.  92.  114.  116.  220. 
29.  37.  53.  59.  65.     440.  73.     507.  12.     (48.) 

11,  -  ccvtov  sstoirjöars  AC  M/7  1.11.33.72.77.90.  209. 
65.99.    300.    473.    507.13.43.70.    (18.19.49.150.195.222.259.) 

lll9   s^sjcoqsvovto  B  Azl  KM//    11.  27.  28.  42.  50.  63.  68. 

72.  10S.  24.     220.  65.     300.     473.  76.     507.  11.  13.  70.     (195.) 
1326  y.ai  öo^g  jioUtjg  KJ  MZZ    3.  4.  6.  9.  11.  12.  13.  14.  15. 

28.  36.  37.  38.  39.  40.  42.  44.  47.  50.  51.  53.  54.  60.  61.63.68.69.70. 
72.  78.  91.  106.  8.  [14.  15.]  24.  27.  31.  42.  57.  218.  19.  20.  38.  45. 
53.  59.  62.  99.     346.     507.  9.  11.  12.  13.  70.     (2.  13.  15.  17.) 

1441  —  rag  AF  KÜW  KZZ  1.  11.  69.  72.  114.  16.  31.  42. 
220.  29.  35.  38.  53.     435.  73.  76-     507.     (18.  198.) 

1453  +  Kaiacpav  A  KM/7  4.  11.  13.  27.  42.  54.  61.  69.  72.  76. 
91.  106.  [14.  16.]  24.  209.  29.  34.  ••  38.  48.  52.m  53.  99.  346. 
473.     507.  11.  13.  70.     (20.) 

ib.  xcu  ol  ■yQaiuiuccT£iq  xat  oi  jiosoßvxsQoi  A(D)  KZZ  11.  (72.) 
[114.]     220.  53.     300.     473.     507.  12.  70. 

15, 3  +  Xsyovrsg"  ozavocooov  A  D  KMZZ  15.  42.  47.  72.  76. 
[114.]  22."  238.  48.  52.  ••  53.  473.  507.  (7.9.10.12.13.15. 
19.  49.  195.  198.  222.) 

16,,  oaßßaxcov  KZ/  1.  4.  7.  11. 17.  28.  29.  37.  40.  42.  44.47.  63. 
65.  67.  68.  74.  80.  89.  90.  108.  [14.  18.]  25.  31.  54.  93.  209.  29.  34. 
35.  40.  44.  45.  47.  48.  51.  53.  507.  8.  11. 12.  43.  69.  71.  (18.  24.  35. 
44.  47.  48.  49.  53.  150.     222.  34.  57.  (59.)) 

Für  Lukas  stelle  ich  folgende  Stellen  zusammen:  (die  unter- 
strichenen   sind    von    mir    zusammengestellt,    die    übrigen    aus 
Hoskier.) 
1  2   jiaoeöcoxav  KZZ    29.  72.  73.     253.     507.  (44.  69  nach  Scriv. 

von  H  ausgelassen.)  (44.  53.) 
2,.-    svaeß^g  $r  KT/     11.  15.  63.  68.  72.      114.  33.     220.  53.  5-1. 

473.     507.12.69.     (196.234.) 


124  Bousset,  Studien  zum  Neuen  Testament. 

25,   Tß  Q/jfiara  ajiavra  ravxa  AD  K/7   72.  114.  253.   300.   473. 

507.  11. 
42,  —  6s  DK    28.  91.     239.  99.    300.     413.  40. 
4:-iS   +  o  L]Gov?  AM/7    11.  42.  54.  64.  68.    114.  30.    220.  248.  53. 

300.     415.  40.     473.  76.     507.  9. 

5  -  sZ&ovtoq  K//    124.     400.  73.     (48.) 

6  4  —  slaße  xai  2*zf  K/7    1.  13.  15.  16.  19.  34.  36.  39.42.  50.  63. 

68.  69.  72.     107.  24.  31.  57.     209.  43.  53.  54.     300.  46.     435. 

73.     507.  13.  70.     (24.  31.  44.  47.  50.  150.  222.  234.) 
6  s  tsrjQafiiiBvvjv  KM/7   40.  42.  53.  63.  68.  72.  114.     239.  53.  59. 

99.     473.  507.  70.     (48.) 
7, ,    -f  rr/c  JcoÄscoc  K/7   25.  42.  54.  59.  63.  72.    114.  33.    248.  53. 

473.  513. 
713  ex  avrijv  aRUXr  K/7    13.  33.  42.  44.  61?  63.  69.  72.     116. 

17.      235.  48.  51.  54.     346.  473.     507.  9.  13.  15.  70.     (18.  20. 

44.  47.  48.  196?  259.) 
725  s^lfrere  KM/7    1.  15.  42.  45.  46.  49.  50.52.  53.  63.71.    [114. 

16.  17.]  24.  29.  31.  33.     220.  25.  54.    512.  69.     (48.  150.) 
816  Xvxvtap*)  (KD)  U  (KM/7X)     (2.42.63.68.72.     [113.16.] 

23.  24.  33.  57.     220.)    51.  (53.)     (300.)  46.    (475.)    507.    (20. 

29.  31.  32.  40.  44.  47.  48.  50.  53.  150."  234.") 
845  —  xcu   öl  (isz   avrov   B/7     42.  63.  70.  72.      220.  53.     300. 

507.  (70.) 
921    +  avzoiQ  K/7    28.42.63.     [116.]     209-53.     507.70. 
927   +  oi"  rivsc  A   K/7     15.  27.  42.     116.  45.     220.  37.  48.  53. 

507.  13.  69.  Orig. 
9sr,   +  o  Irjoovg   KZZ    2.25.40.42.57.60.63.64.68.71.     114. 

16.  21.  22."    234.m  39.  42.  48.  53.  S2.    300.    507.  8.  9. 12.  13. 

43.  69.  70.    (44.) 
ll,5   +  zw"  aoyovri  £>  A  KM/Z   13.25.  27.33.  42.45.  63.  69.  71. 

86.     106.  13.  14.  24.  42."  57.     253.     300.  46.     507.  8.  12.  70. 

(18.  19.  48.  49.  150.  222.  259.) 
194^£/;.£KUJ    1.3.11.28.56.61.71.74.90.     108.15.25.    219. 

20.  25.  34.  40.  42.  43.  44.  45.  48.  54.  59.    382. 435.    507.  9. 1 2. 

43.  66.  69.  70.  71. 

Hinzuzuziehen  sind  die  oben  zusammengestellten  Varianten 
aus  Luk.  XII.  XIII.  XXII.  XXIII. 


1)  es  sollte  heissen  +  xrjv"  /.vyviav. 


IV.  Die  Gruppe  K/7(M)  in  den  Evangelien.  125 

Es  folgen  einige  Stellen  aus  Johannes. 
3ao  avrov   ra  bq'/u    AK/7     1.72.74.90.114.     475.  507.  S.  9. 

70.  71. 

4  2  avrog  Ljoovg  AD  K/7    33.80.    123.     218.19.25.54.     473. 

75.     507.  70. 
637  —  b"  hb  LA  K/7    1.3.  44.  74."  70. 123.     218.19.25.54.    473. 

75.    507.  70.     (47.  196.  234.)  0 

654  +  bv  CTSrVAA  KM/7  9.  10.  12.  19.  24.  44.  56.  58.  60.  61. 
69.  71.  73.  76.  77.  86.  87.  91.  98.  106.  8.  [16. j  19.  22.  23.  24. 
31.  42."  218.  19.  20.  25.  35.  44.  45.  48.  49.  53.  54.  58.  59.  62. 
85.  99.  433.  35.  40.  74.  507.  9.  12.  17.  70.  72.  (4.  47.  49. 
196.  222.) 

655  —  7aQ  FaK     42.  229.     473.  507.  13. 

814  v  aov  BTDÜXJ  K  1.  4.  5.  10.  11.  15.  16.  22.33.42.  48.  52. 
54.  58.  60.  61.  62.  65.  66.  73.  74.  76.  83.  90.  106.  22."  27.  45. 
201.  20.  34.  41.  46.  47.  50.  52.  54.  62.  85.  99.      476.  77      507. 

8.  12.  17.  42.  43.  69.  70.  71.    (234.") 

826  lalco  £  DÜXz/  K  1.  10.  13.  15.  33.  42.  51.  53.  68. 69.  70.  73. 
80.89.90.      108.  [16.]  18.  24.  27.  57.     234.35.45.49.51.54. 

85.  473.     507.8.9.17.43.69.70.71.     (19.) 

10  -  —  ort  BL  GUX  K/7    1.  12.  25.  33.  36.  40.  53.  57.  63.  68.  71. 

86.  90.  91.    108.  16.  42.    245.  48.  53.  59.  99.    507.  9.  70.    (24. 
31.  150.) 

10  8  rjl&ov  jtqo  Bfiov  §  AXD  K/7    1.3?  13.  18.  33.  56.  58.  61.  69. 

71.  73.  76.  83.  86.     122."  23.  25."  27.  45.  57.  70.     201. 18.  39. 
41.  46.  47.  48.  49.  51.  52.  53.  54.  59.  62.  99.    346.  440.    507.8. 

9.  10.  12.  17.42.  68.  70."     (54.55.) 

1157   —  xcu  §  AUX^  KM//     1.  4.  5.  7.  11.  13.  22.  25.  42.  51.  56. 

58.  61.  69.  74.  76.  89.  90.  91.  95.  97.    116.  18.  57.    220.  34. 47. 

48.  49.     53.  54.     346.     440.     507.  8.  9.  43.  70.  71. 
1315  ÖBÖcoxa  SA  KM//    1.  10.  13.  16.  22.  28.  33.  35.  37.  42.  51.  56. 

58.  61.  69.  83.     108.  [16.]  23.  24.  25.  31.  57.      201.  18.  19.  20. 

25.  26.  35.  41.  45.  46.  48.  49.  52.  85.     346.     476.     507.  8.  12. 

17.  42.  68.  70.      (2.  14.  20.  48.  49.  53.  54.  55.     195.     222.  34. 

57.  59.) 

1)  von  hier  an  geht  004  mit  unsrer  Gruppe. 


12(3  Bousset,  Studien  zum  Neuen  Testament. 

16n  _  £7C0  £  AA  M/7    33.  (69.)  72.     [116.]  24.     245.  54.     346. 

473.     507.  9.  43.  70.     (48.  222.) 
17L1   +  xai  ßSUX    M/7    36.45.51.69.91.     125.     225.47.54. 

(150.  259.) 
172ü   +  Jtavrcov  X/7    1.  15.  27.  42.  76.  78.     122.  "     247.  54.  99. 

473.  76.     507.  70. 
1723  yivmöxsi   UTA  K     89.     225.  47.  48.  59.     346?     435.     507. 

8.  10.  12.  15.  43.  66.  75.     (6.  50.  234.  57.  59.) 
1829  +  £ga>  £>  X/7    1.  13.  27.  33.  42.  53.  69.  78.     124.  27.     220. 

49.  54.     473?     507.  9.  15.  70.  75.     (63.  196.) 

183]   ösAU&En   1.27. 29. 33?  42.    220.    473.    507.9.70.    (198.) 
1834  axsxQLvazo  AU6>  /7    1.  33.  157.    254.  99.    473.    507.  9.  70. 

(15.  63.  190.) 
1834  —  avzco  BL   ACUXY    M/7     1.33.157.     249.99.     473. 

507.  9.  70. 
183g   +  iva  aUY  K/7     12.  15.  27.  91.     119.     220.  45.     476.  77. 

507.  (15.")     (195.) 
1840  —  üialiv  GU  KZZ    1.  10.  13.  18.  23.  33.  35.  36.42.  44.  47.48. 

50.  57.  58.  61.  62.  66.  69.  73.  83.  124.  25.  27.  201.  18.  20. 
26/  •  40.  41.  44.  46.  52.  53.  85. 99.  346.  473.  77.  507.  9.  17. 
42.  43.'  •  68.  70.     (2.  7.  14.  54.  63.  196.  222.) 

1923  +  xat  7/q/ovto  XQog  avzov  §  VXA  II  4.  13.  15.  27.  33. 
38.  42.  68.  69.  78.     106.  24.     220.  54.  62.     346.     440.  73.  75. 

76.  77.     507.  9.  70.  * 

Dem  gemäss  stellt  sich  das  Verwandtschaftsverhältnis  der 
Minuskeln  zu  unserer  Gruppe  folgendermassen. 

Durch  alle  Evangelien  hindurch  zeigt  sich  der  Kodex 
4S9  =  507  =  wscr-  aufs  allerengste  verwandt.     Ihm  folgen: 

Für  Matthaeus  in  erster  Linie  42.  72.  114  (dessen  Verhält- 
nis sich  noch  günstiger  stellen  würde  wenn  er  vollständig  kolla- 
tioniert wäre),  124  (doch  hat  124  einen  ganz  merkwürdig  ge- 
mischten Text),  (237.)  (238.)  243.  248  253.  474  (=  513.  escr-)  482 
(=  570  pscr- )  565,  in  zweiter  Linie  28.  37.  53.  63.  (in  der  ersten 
Hälfte  des  Mtth.)  ^lie  Angaben  aus  91  +  299,  wenn  sie  wirk- 
lich aus  demselben  Kodex  stammen  (s.  Gregory  zu  Min.  91 
S.  487),  71.  (Scr.  g.)  (75?  86?)  106  (nur  sehr  wenig  vollständig 
angegeben),  116  (ebenfalls  nur  ganz  unvollständig  kollationiert), 


IV.   Die  Gruppe  KZT(M)  in  den  Evangelien.  127 

122  (namentlich  die  Korrekturen  in  der  Hndschr.)  225.  245. 
259.  470  (==  509  ascr)  473  (=  512  dscr) *) 

Im  Markus  in  erster  Linie  11.  2S.  42.72.114.220.229.253. 
300.  473.  474.  565,  in  zweiter  Linie  15.  (53.)  63.  63.  91.  116.  1~22~ 
(•  und  ••)  (124.)  237.  248.  259.  470.  482. 

Im  Lukas  42.  63.  72  (mindestens  in  der  ersten  Hälfte).  114. 
24S.  253.  565  (in  der  ersten  Hälfte  des  L),  in  zweiter  Linie  15. 
29.  68.  71.  116.  (133?)  220.  (254.)  300.  (470.)  (473.)  474.  4S2. 

Im  Johannes  42.  91.  (114  ist  in  vielen  in  Betracht  kommen- 
den Stellen  nicht  notiert)- 220.  248.  253.  254.  470.  482.  565,  in 
zweiter  Linie  15.  27.  73.  76.  90.  122.  218.  259.  473.  4S3~ 

Von  Evangeliarien  kämen  etwa  in  Betracht  18.2)  19.  24. 36.  47. 
48.  49. 150  (Scr.H)  181  (Scr.P)  183  (=257xscr-)  184  (=259yS(*-) 
185  (=  222  zscr).  Doch  sind  fast  alle,  namentlich  die  letzten,  auch 
vielfach  mit  §  verwandt. 

Eine  Vergieichung  der  Liste  aus  Matthaeus  und  Mrk.  erweist, 
dass  die  scheinbare  Verwandtschaft  von  K/7w  und  1 — HS— 209. 
33.  131.  157  zum  grössten  Teil  durch  <Q  vermittelt  ist.  —  Eine 
besondere  Untersuchung  erforderte  die  Klasse  13 — 69 — 124 — 
346,  von  der  sich  namentlich  124  als  speciell  berührt  von  K/7 
erweist. 

Es  bleibt  noch  ein  grosses  Feld  für  Einzeluntersuchungen. 
Es  wird  möglich  sein  innerhalb  unserer  Klasse  noch  wieder 
Gruppen  zu  unterscheiden,  wie  ich  es  in  der  Hndschrngruppe 
der  Apokalypse  versucht  habe.  Es  müssten  alle  genannten  Ko- 
dices  ausser  den  von  Scrivener  und  etwa  den  von  Matthaei  kolla- 
tionierten noch  einmal  kollationiert  wrerden.    Es  ist  zu  wünschen, 


1)  im  grossen  und  ganzen  für  Matthaeus  dieselben  Hndschrn.  wie  oben 
S.  117;  hier  kommen  noch  einige  andre  hinzu.  Ton  denen  die  oben  ange- 
geben waren,  zeigt  sich  hier  nur  247  nicht  enger  verwandt,  474  =  513  (eser.) 
fehlt  in  der  ersten  Hälfte  des  Matthaeus.  Einige  Variationen  gegenüber 
der  obigen  Zusammenstellung  zeigen  die  Lukashndschrn.  Die  Verwandt- 
schaft von  71  erscheint  hier  nicht  so  gross.  72  ist  nur  in  dem  ersten 
Teil  des  Lukas  vex*wandt,  daher  in  obiger  Zusammenstellung  nicht  vor- 
handen. 63  fehlt  dort  und  zeigt,  sich  hier  eng  verwandt.  40  erwies  sich 
dort  verwandt  und  fehlt  hier. 

2)  nach  Gregoiy  vielleicht  che  verloren  gegangene  Min.  106.  181  ist 
in  Ciscissa  in  Kappadocien  geschrieben  im  Jahre  9S0. 


JOS  Bousset,  Studien  zum  Neuen  Testament. 

dass  die  Unmenge  der  noch  nicht  kollationierten  Min.,  wo  Ge- 
legenheit sich  bietet,  daraufhin  untersucht  würden,  ob  sie  zu 
unsrer  Gruppe  gehören  oder  nicht.  Das  kann  zunächst  leicht 
durch  Stichproben  geschehen,  schon  nach  den  oben  angeführten 
Stellen,  die  man  sich  etwa  noch  für  Lukas  und  Johannes  etwas 
ergänzen  müsste.  Es  wäre  zu  wünschen,  dass  wie  Lagarde  im 
alten  Testament  seine  Lucianrecension  herausgab,  so  auch  im 
neuen  Testament  der  Versuch,  die  Archetypen  der  einzelnen 
Gruppen  von  Hndschrn.  herzustellen,  gemacht  würde,  und  nach 
diesem  Archetypus  etwa  die  künftigen  Kollationen  der  zugehö- 
rigen Min.  unternommen  würden. 

Ich  stelle  einige  Notizen  über  die  genannten  Kodices  zusammen. 

489  (w)  Cant.  coli.  Trin.  B.  10.  16.  =  Ac.  195  =  P.  252.  Als 
letzterer  ist  uns  der  Kodex  schon  bekannt.  Über  ihn  zu  ver- 
gleichen: Scrivener  Kodex  Augiensis  XXXVIII.  Er  wurde  1316 
auf  dem  „heiligen  Berg"  Sinai  geschrieben.  Diese  Angabe  der 
Lokalität  der  Hndschr.  ist  höchst  bedeutsam.  Schon  Field  be- 
obachtete die  Verwandtschaft  mit  K.  (s.  darüber  Zusammen- 
stellungen bei  Scr.  XL). 

42.  ist  leider  verloren  gegangen.  Was  wir  von  ihm  wissen 
ist  in  Bandbemerkungen  zur  dritten  Stephanus -Ausgabe  von 
Petrus  Pithaeus  notiert,  und  findet  sich  aufgenommen  bei  Mill- 
Küster.    Schon  Mill  bemerkte  die  Verwandtschaft  mit  K. 

72.  Lond.  mus.  brit.  Harleianus  5647  „Olim  monasterii  Si- 
meonis  Thaumaturgi  sv  reo  frav/uaoTco  oqei  tempore  petri  Ab- 
batis.  XI.  Jh.  Er  gehörte  dem  Presbyter  David,  Sohn  des  Metro- 
politen Michael  von  Bosra.  Arabische  Anmerkungen  im  Kodex. 
Kollation  bei  Wetstein,  vgl.  Griesbach,  Symb.  crit.  I.  CLXXXI. J) 

114.  Lond.  mus.  Brit.  Harl.  5540.  XI?  Jh.  Es  fehlen 
Mtth.  174_1S.  2659— 73.  28ly— Mrk.  112  (von  späterer  Hand  einge- 
schoben). 2) 


1)  Griesbach:  „concordat  cum  ADK  28.29.41." 

2)  Griesbach  (Symb.  crit,  I.  CLXXXXIV)  hat  Mtth.  8—11  verglichen. 
Inisini  vero  inspexi  reliquam  Matthaei  partern,  Marcum,  Luc.  I — XIX,  Jo. 
I — IV.  Die  Hndschr.  bedarf  dringend  einer  Kollation.  Gr.  zählte  sie  zur 
Kla.-se  K  42.  63.72  (consensum  frequentem  cum  ACDKL  33,  paene  perpetuum 
autem  cum  insigni  codice  42,  atque  item  cum  63  et  72);  vgl.  Hug,  Einleitung 
193  eine  lehrreiche  Tabelle,  durch  die  Hug  die  Zusammengehörigkeit  von 
[A    KM    42.    106.)  114.  116.  253  beweisen  wollte. 


IV.   Die  Gruppe  K77(M    in  den  Evangelien.  129 

243.  Mose,  typogr.  synod.  13.  XIV.  (XIII.)  Jh.  „Fuit  quon- 
dani  in  Monte  Atho  in  monasterio  Iberorum."  Matthaei  Thes- 
salon. 246. 

24S.  Mose.  syn.  277.  a.  1275.  ,,6ia  ytigcöv  MeZ&ciov  uovayov 
rov  Ix  .IsQgoiag  OQficofisvov  die  övvÖQOfirjq  xai  fiiod-ajtoöooiag 
.  .  .  rov  .  .  .  hgoiwväyov  Kvqov  AXvjiiov  ....  %7]g  .  .  povrjq  xov 
yscooyioi-  xf/g  rov  fiavQOV  Ijicovviioi-iitvrig''  Matthaei  Thess.  197. 
nach  Matth.  verwandt  mit  71. 

253.  Olim  Moscuensis  Nicephori.  XI.  (X.)  Jh.  „Olim  Xice- 
phori  Chersonis  et  Slabinii  archiepiscopi."  Matthaei  10.  Nach 
einer  Bemerkung  von  späterer  Hand  war  der  Kodex  einst  im 
Kloster  des  heiligen  Michael  zu  Jerusalem.  (Matthaei  Thes- 
salon. 236.) 

473.  Lambeth.  117S.  XIII.  Jh.  (Scr.  XI.)  Scr.  d.  Es  fehlt 
Mtth.  lj-s,.  Die  Verwandtschaft  mit  g  und  p1)  wird  von  Scri- 
vener  XXXII  hervorgehoben. 

474.  Lambeth.  1179.  XL  Jh.  Scr.  e.  (513.)  Es  fehlen  Mtth. 
li— 1353.  162S  —  1718.  2439— 25,,.  2671— 2714.  Mrk.832— 99.  Joh. 
118_30.    13s, — 2125-    Olim  in  mon.  Trinitatis  in  insula  Chalce. 

4S2.  Lond.  raus.  Br.  Burneii.  20.  XIII.  Jh.-)  Scr.  p.  570. 
„saepe  cum  4S9  consentit".    Nach  Scr.  mit  c  d  e  g  verwandt. 

565.  Petr.  caes.  Muralt.  53.  (Scr. 473.  Ti.2Pe0  IX.  X.)Jh.  Eine 
spätere  Hand  in  Mtth.  20lS_26.  2145—  229.  Lk.  1036_112.  1S25_37. 
2024— 36-  Joh  17j_12,  desunt  Joh.  1126_4S.  132_23.  Kollation  bei 
Muralt  und  Belsheim,  das  Evangelium  des  Mrk.3)  „Olim  rnona- 
sterii  s.  Joh.  prope  Houmisch-Khan  in  Ponto,  ferebatur  manu 
Theodorae  imperatricis  scriptus  esse."  Sehr  bemerkenswert  ist 
die  sieh  beim  Markusevangelium  findende  textkritische  Bemer- 
kung: r/Qctqj]  y.at  avTsßXrjjh]  ex  xeov  ceqoooävücov  jraZaicov 
avTiyQCKpmv.  565  ist  zwar  speciell  verwandt  mit  unsrer  Gruppe, 
aber  er  zeigt  sichtlich  gemischten  Text.  Ich  warne  davor  den- 
selben infolge  seiner  vielen  altertümlichen  Lesarten  zum  Aus- 
gangspunkt der  Untersuchung  zu  wählen,  wie  Hoskier  es  mit 
700  gethan. 


1)  71  und  482. 

2)  Scriv.  XLIX  an  der  Jahreszahl  ist  geändert,  (c,  rp  Z  y)  „some  silly 
person  has  changed  the  \p  into  v"  'aus  6793  (=  1285)  :  6493  (=  985). 

3)  Forhandlinger  i  Videnskabs-Selskabet  Christiania  1886. 
Texte  u.  Untersuchungen  XI,  4.  9 


130  Bousset,  Studien  zum  Neuen  Testament. 

11.  Paris.  Nat.  121.  122.  XII.  Jh.  Einst  im  Besitz  eines  ayiov 
NixoXdov  (NrjXcoAaov)  rr/g  xoQiavr/g(?)  Kollation  bei  Scholz1), 
geht  im  Markus  mit  unsrer  Gruppe. 

63.  Dublini  coli.  Trin.  X.(?)  Jh.  Kollation  bei  Mill,  neuer- 
dings von  J.  Twycrosse  kollationiert.  (Gregory.)  Griesbach 
CLXXXXIV  macht  auf  seine  Verwandtschaft  mit  ACDKL  nament- 
lich 42.  72  aufmerksam.  CLXXXXIX  zählt  er  ihn  nur  im  Lukas 
zur  Gruppe  K  15-  42.  72. 

220.  Vind.  caes.  Ness.  337.  XIV.  Jh.  „Alter  contulit."  Im 
Luk.  und  Joh.  mit  der  Gruppe  verwandt. 

229.  Escurial  x-  IV.  21  geschrieben  1140  „manu  Basilii 
notarii  Argyropoli".  (Birch,  Escurial  8.)  Zeigt  im  Luk.  Verwandt- 
schaft. 

300.  Paris,  nat,  Gr.  186.  XL  Jh.  Mtth.  Mrk.  Luk.  „Scholz 
contulit  totum."  Ebenfalls  abgeschrieben  und  verglichen  nach 
den  ältesten  Kodices  auf  dem  heiligen  Berg  in  Jerusalem.  (Ver- 
wandt mit  der  Gruppe  im  Mrk.  und  Luk.) 


15.  Paris.  Nat.  64.  XII.  Jh.  Kollation  bei  Mill  (de  Louvois. 
Par.  8).  Was  es  heisst,  wenn  Scholz  „contulit  maximam  partein", 
ist  bekannt;  von  Griesbach,  Symb.  crit.  CLXXXIX  im  Lukas  zu 
unsrer  Gruppe  gerechnet. 

28.  Paris.  Nat.  379.  XI.  Jh.  desunt  Mtth.  717  — 922.  1433— 
1610.  2670— 2748.  Lk.  2019— 224ü.  Joh.  1240—13!.  1524— 1612. 
18|  6— 28-  19tl  — fin.  Kollationen  bei  Mill  und  Scholz;  auch  nach 
Griesbach,  S.  er.  I.  CLXXXI  im  Markus  (letzte  Hälfte)  verwandt 
mit  K  11.  42.  72.  91.  Nach  W-H.  242  hat  28  in  den  ersten  Kapi- 
teln des  Mrk.  ein  starkes  „western  element",  s.  auch  unter  68. 

37.  Par.  Nat.  Coisl.  21.  XL?  Jh.  Kollation  bei  Wetstein. 
Die  Perikope  über  die  Ehebrecherin  am  Ende  des  Johannes- 
evangeliums.2) 

53.   Ox.  Bodl.  Seiden,  supra  28.   XIV.  Jh.    Kollation  bei  Mill, 


1)  Griesbach  Symb.  er.  I.    CLXXXXIX  hat  schon  die  enge  Verwandt- 
schaft von  11  mit  K  42.  72.  91  (im  Markus)  erkannt. 

2)  Doch  hat  Griesbach  S.  er.  CLXXXXIX  wohl  Recht,  wenn  er  37  zur 
Klasse  CL  1.  33  zählt. 


IV.   Die  Gruppe  K/7(M)  in  den  Evangelien.  131 

nach  Mill  verwandt  mit  4.   „Scriptus  manu  (Nicolai?)  ävayvcoOrov 
rov  xaßaZZccQ?].1) 

68.  Ox.  coli.  Lincolniensis  Gr.  IL  17.  XII.  Jh.  Von  Zakyn- 
thos  stammend  (?)  Kollation  bei  Mill.  Griesbach  CLXXXXIX 
zählt  ihn  im  Lukas  zur  Klasse  K  15.  42.  72  (nee  non  D  28.  71). 

71.  Lond.  Lambeth.  528.  XII.  Jh.  „Olim  archiepiscopi  Ephe- 
sini."  Kollationen  bei  Mill  (Eph.),  Wetstein,  Scrivener;  zeigt 
Verwandtschaft  im  Lukas  und  Matthäus,  nach  Scrivener  ver- 
wandt mit  d  e  g  p. 

91.  Olim  Perronianus.  X.  Jh.  „Fuit  monasterii  S.  Taurini 
Ebroicensis.  Kollation  bei  Mill;  vielleicht  identisch  mit  299  nach 
F.  J.  A.  Hort.  (Gregory.)  Griesbach  CLXXXXIX  zählt  ihn  im  Mrk. 
zur  Klasse  K  11.  42.  72.    (299  „Scholz  contulit  totum".) 

106.  Olim  comitis  de  Winchelsea.  X.  Jh.  Ist  leider  verloren 
gegangen.  Hätten  wir  eine  ausreichende  Kollation,  so  könnte 
sich  vielleicht  seine  Verwandtschaft  mit  unsrer  Gruppe  beweisen 
lassen. 

115.  Lond.  mus.  Brit.  Harl.  5559.  X.  Jh.  Wird  näher  zu 
untersuchen  sein.  Griesbach  CLXXXXVI:  Perlegi  atque  contuli 
Mtth.  8 — 18,  reliqua  cursim  perlustravi.  Griesb.  hält  ihn  für 
verwandt  mit  CLD  1.  33. 

116.  Lond.  Mus.  Brit.  Harl.  5567.  XII.  Jh.  Stammt  aus 
Smyrna,  bedarf  ebenfalls  dringend  einer  vollständigen  Kollation. 
„Griesb.  cursim  contulit."  Nach  Griesbach  CLXXXXIX  geht  der 
Kodex  in  Mtth.  in  erster  Linie  mit  CDK(?)L  1.  13.  33.  37.  53.  60. 
61.  73,  in  zweiter  Linie  mit  42.  46?  50?  72.  90?  106,  in  den  ersten 
Kapiteln  von  Markus  mit  der  ersteren  Klasse,  in  den  letzten  mit 
K  11.  42.  72.  94,  in  Lukas  mit  K  15.  27.  42.  63.  68.  72.   (D  28.  71.) 

122.  Lugd.  Bat.  bibl.  publ.  Gr.  cod.  74.  A.  XII.  Jh.  Act. 
177.  Paul.  219.  „Jac.  Dermontius  contulit",  „Manu  Basilii  mo- 
nachi  et  diaconi  scriptus  vel  saltem  rubricatus.  *  —  Namentlich 
die  Korrekturen  von  122  sind  beachtenswert. 

237.  Moscuae  Syn.  42.  X.  Jh.  „Ohm  Isaaci  jiqoJtov  hgo- 
tuovdyov  qui  cod.  monasterio  Philothei  in  monte  Atho  dono 
dedit."   Die  Perikope  von  der  Ehebrecherin  am  Ende  des  Johannes- 


1)  Von  Griesbach  ebendort  zur  Klasse  CL  1.  33  gerechnet. 

9* 


132  Bousset,  Studien  zum  Neuen  Testament. 

evangeliums  „xovxo  xo  svayyiliov  ev  xolg  äxoiߣGX£QOig  xcov 
avxiyoacpcov  ov%  evqt]tcciu  (vgl.  37).  „Matthaeius  contulit  (d)  cf. 
Thess.  242." 

259.  Moscuae  Syn.  45.  XL  Jh.  Die  Perikope  von  der  Ehe- 
brecherin am  Schluss  des  Johannesevangeliums  svqi]tcu  ev  riöiv 
ävziyoäcpoig  xai  xo  xoiovxov  xecpäXaiov  ....  Nach  Gregory 
verwandt  mit  250.    (Matthaeius  contulit  (a)  Thess.  237.) 


Die  Zusammenstellung  ist  nicht  vergeblich  gewesen.  Eine 
Reihe  der  zur  Klasse  gehörigen  Kodices  können  wir  lokalisieren. 
Ich  stelle  nachträglich  noch  hierher,  dass  K  aus  Cypern  herüber- 
gebracht wurde,  77  lässt  sich  bis  zu  seinem  Aufenthalt  in  Smyrna 
zurückverfolgen.  Wichtiger  ist  die  Nachricht,  dass  489  (w)  auf 
dem  Berg  Sinai  geschrieben  wurde.  72  ist  wahrscheinlich  eben 
dort  geschrieben.  253  war  einst  im  Kloster  des  heiligen  Michael 
in  Jerusalem.  300  und  565  sind  nach  Hndschrn.  auf  dem  heiligen 
Berg  in  Jerusalem  verglichen. 

Die  letztere  Nachricht  leitet  an  zu  einer  weiteren  Unter- 
suchung. 

Dieselbe  Notiz  findet  sich  in  A  am  Schlüsse  von  Lukas  und 
Johannes:  eygap?/  xai  avxeßXt]&?]  ex  xcov  (sie)  lEQOöoXvfioig 
jcaXaicov  avxiyoacpcov  xcov  ev  xa>  ayico  oqei  ajiox£i/i£Vcov. *)  Be- 
merkenswert ist,  dass  in  der  A  ergänzenden  Minuskel  566  xo  lov- 
Öaixov  evayysXiov  citiert  wird.2)     (Gregory  zu  sl  und  Min.  566.) 

Min.  157  liest  am  Schluss  von  Mtth.  zyoacpi]  xai  ccvzeßfajd-?/ 
sx  xcov  tv  iSQOdo2.vfioic  Jtalaicov  avxiyqacpcov,  xcov  ev  xco  ayico 
ogei  ajioxeifievcov  (ev  öxiyoig  ßvjiÖ,  xecpaXaioig  xoiaxooioig  Jtev- 
xi)xovxa  ejtxa\  am  Schluss  von  Mrk.  eyqacpri  xai  avxeßlqfr?/ 
Ofioioog  sx  xcov  eOjrovöaOf/evcov  ev  oxiyoig  yilioig  xevxaxooioig 
xevxr/xovxaig,  xecpakaioig  CAA.3)  Nach  Scholz  findet  sich  etwa 
dieselbe  Bemerkung  in  den  Min.  164.  376  (Scholz  cursim  con- 
tulitj,  428  (nach  Scholz  Abschrift  von  300). 


1)  Gregory  339. 

2)  Wohl  schwerlich  hat  der  Schreiber  dieses  Kodex  das  Hebräerevang. 
noch  gesehen.  Aber  die  Notiz  ist  ausserordentlich  wichtig  zur  Feststellung 
der  Herkunft  des  Kodex. 

3)  Birch  Variae  lectiones  I.    XXXIII.  vgl.  den  Schluss  von  Lk.  Joh. 


IV.   Die  Gruppe  KZ7(M)  in  den  Evangelien.  133 

Min.  262  ist  speciell  verwandt  mit  A  und  hat  nach  Gregory- 
genau  dieselbe  Unterschrift  wie  jener.  Wenn  Min.  20  und  117 
(20  hinter  Mrk.  (Gregory),  117  hinter  Mrk.  und  Jo.  (Griesbach 
CC))  die  Unterschrift  haben:  eyQa<f?]  xai  avxsßh]d-r]  o/iOLwq  sx 
xcov  £GJiovöaö[i£Vcov,  so  scheint  diese  Notiz  durch  eine  mecha- 
nische Nachschrift  eines  Kodex,  der  in  seinen  textkritischen  Be- 
merkungen 157  (s.  o.)  ähnlich  war,  entstanden  zu  sein.1)  Nach 
Gregory  stimmen  in  20  und  300  die  Seitenanfänge  bis  auf  die 
Silben  übereiu ,  während  sie  im  Text  starke  Differenzen  zeigen, 
die  ein  Korrektor  dann  auszugleichen  bemühte.  Das  hier  vor- 
liegende Rätsel  kann  ich  nicht  lösen,  auch  liegt  mir  ein  ge- 
nauer Bericht  über  300  nicht  vor.  Aus  300  kann  20  nicht  ge- 
flossen sein. 

Wenn  man  die  Kodices  A  157.  565  mit  einander  vergleicht, 
so  ist  freilich  klar,  dass  jene  „alten"  Hndschrn.  in  Jerusalem 
nicht  von  gleicher  Art  und  von  gleichem  Werte  waren.  A  zeigt 
fast  durchweg  den  Text  der  späteren  Majuskel,  oder  auch  einen 
singulären  Typus  2),  nur  selten  zeigt  er  sich  mit  K/7  verwandt 
(s.  z.  B.  oben  S.  S5  Jo.  128).  157  ist  jedenfalls  §  verwandter  als 
KU.  565  zeigt  einen  stark  gemischten  Text.  Gemischten  Text 
können  wir  überhaupt  infolge  jener  Notiz  bei  fast  allen  jenen 
Kodices  erwarten.  Dabei  hing  der  Charakter  der  einzelnen  Ko- 
dices ja  ganz  ab  von  dem  Werturteil,  den  der  Schreiber  über 
die  von  ihm  verglichenen  Antigrapha  fällte.  So  haben  z.  B.  A 
262  (mit  einem  Asteriskos  versehen)  die  Perikope  von  der  Ehe- 
brecherin aufgenommen  mit  der  Bemerkung  xa  oßsXiö^eva  ev 
tlolv  avxr/gacpoig  ov  xsixcu,  ovös  AjcoXivaQtov.  ev  ös  xoi±  «p- 
%caoiq  oXa  xsLxai'  [/vrjf/ovevovoiv  xrjg  jisqixojz>/~  xavxrjq  xai  ot 
cmooxoXoi,  sv  aig  e^s&svxo  ötaxa^eötv.  Nach  dem  Urteil  des 
Schreibers  dieser  Bemerkung  waren  also  die  die  Perikope  ent- 
haltenden  die  älteren  und    wertvolleren  Hndschrn.     Nach    dem 


1)  Gztyoi  zählt  20  freilich  1590,  xe<pa?.aia  237;  (s.  oben)  117.  ozr/oi 
Mrk.  ucpv  Joh.  ßr.  x£<palcua  okß.  —  Die  Kodices  beweisen  also  deutlich, 
dass  nicht  alle  Hndschrn,  welche  jene  Unterschrift  haben,  selbst  in  Jeru- 
salem verglichen  sind.  Das  ist  ja  auch  bei  vielen  der  späteren  Minuskeln 
von  vornherein  als  selbstverständlich  anzunehmen. 

2)  A  bedarf  einer  Untersuchung,  verwandt  ist  262.  Sonst  ist  es  mir 
nicht  gelungen  von  A  aus  eine  Hndschrngruppe  zu  bestimmen. 


134  Bousset.  Studien  zum  Neuen.  Testament. 

Urteil  desjenigen,  der  die  Bemerkung  in  Min.  273  machte,  waren  die 
axQißsöTSQoi  avTr/Qctgxu  diejenigen  in  denen  die  Stelle  fehlte.  — 
Aber  Hndschrh.  wie  157.  565.  300,  auch  A,  zeigen  jedenfalls, 
wie  wertvolle  und  interessante  Hndschrn.  unter  den  alten  Anti- 
grapha  in  Jerusalem  waren.  Wenn  wir  irgendwie  Hoifnung  haben 
können,  dass  uns  das  textkritische  Material,  das  Origenes  zu- 
sammengearbeitet ,  das  Pamphilus  in  Caesarea  gesammelt  und 
vermehrt  hat,  in  irgendwelchem  Masse  erhalten  ist,  so  müssen 
wir  in  Jerusalem,  auf  dem  Berge  Sinai  etc.  suchen,  diese  ganze 
nähere  Umgegend  hat  unter  dem  wissenschaftlichen  Einfluss  von 
Caesarea  gestanden. 

Ich  fasse  noch  einmal  das  Resultat  zusammen: 

1)  Die  Gruppe  K/7w(M)  hat  unter  den  Minuskeln  ein  sehr 
zahlreiches  Gefolge,  wenn  freilich  auch  viele  Minuskeln  nicht 
mehr  den  reinen  Text  der  Gruppe  bieten  und  in  den  einzelnen 
Evangelien  in  ihrem  Charakter  schwanken. 

2)  Was  ihre  Stellung  zu  den  übrigen  Hndschrn.  betrifft,  ist 
zu  bemerken,  dass  K/7w  dieselbe  Mittelstellung  einnehmen  zwi- 
schen den  ältesten  Majuskeln  und  der  grossen  Gruppe  der  jün- 
geren ,  wie  Htf c  Euth.  73  in  den  Paulinen .  und  P  Andr.  in  der 
Apokalypse. 

3)  Eine  Reihe  der  wichtigsten  Hndschrn.  dieser  Gruppe 
lassen  sich  lokalisieren  und  weisen  nach  Palästina,  lassen  also 
vermuten,  dass  in  ihnen  die  Einflüsse  der  Bibliothek  von  Caesarea 
nachwirkten. 

4)  Ich  füge  hinzu,  dass  auch  in  vielen  Fällen  eine  bestimmte 
Orthographie  in  unsrer  Gruppe  sich  nachweisen  lassen  wird. 
Auf  den  ersten  Blick  fällt  auf,  dass  unsre  Gruppe  die  f-Formen 
vor  den  «-Formen  berücksichtigt  (cf.  die  Variante  löov  —  etöov  i. 

5)  Die  Klasse  KZ7  zeigt  mannigfache  Berührungen  mit 
Origenes. 

Ich  überlasse  es  Kundigen  die  Schlüsse  aus  dem  zu  ziehen 
und  begnüge  mich  demgemäss  folgende  Desiderien  aufzustellen : 

1)  Eine  genaue  Kollation  fast  aller  wichtigen  Minuskeln 
unsrer  Gruppe. 

2)  Untersuchung  möglichst  vieler  Minuskeln  durch  Stich- 
proben  auf  ihre  Verwandtschaft  mit  unsrer  Gruppe.    Besonders 


IV.   Die  Gruppe  K77(M)  in  den  Evangelien.  135 

zu  berücksichtigen  sind  die  in  Jerusalem  und  auf  dem  Sinai 
sich  findenden  Minuskeln. 

3)  Untersuchung  der  zuletztgenannten  Kodices,  namentlich 
der  in  ihnen  angebrachten  Korrekturen  und  genaue  Kollation 
derselben. 

4)  Eine  Rückübersetzung  des  evangelium  Hierosolymitanum. 

5)  Untersuchung  der  Citate  des  Cyrill  von  Jerusalem. 

6)  Zusammentragung  des  ganzen  Stoffes  in  kritischen  An- 
merkungen unter  einem  Text,  den  man  aus  K/7w  im  wesent- 
lichen zu  konstruieren  hat. 


V.  Zur  Textkritik  der  Apostelgeschichte. 

Anhangsweise  mögen  hier  noch  einige  Winke  gegeben  wer- 
den, nach  denen  die  Methode  einer  exakten  Klassificierung  der 
Hndschrn.  auch  in  den  bisher  noch  nicht  behandelten  Abschnitten 
des  neuen  Testaments  (Akta,  katholischen  Briefen)  durchgeführt 
werden  kann.  Den  ägyptischen  Lokaltext  vertreten  hier  (im 
grossen  und  ganzen,  eine  genauere  Untersuchung  wäre  natürlich 
erwünscht)  BtfAC,  wie  es  denn  schon  lange  bemerkt  ist,  dass  AC 
in  Acta  sowohl  wie  in  den  Paulinen  einem  andern  Texttypus 
folgen,  als  wenigstens  A  durchweg,  C  zu  einem  grossen  Teil  in 
den  Evangelien.  Und  zwar  nähern  AC  sich  durchaus  der  uns  be- 
kannten Gruppe  BN.  Ein  Blick  in  die  Varianten  Ti's  zeigt  ferner, 
dass  als  fünfter  Zeuge  für  diese  Gruppe  die  Min.  61  hinzukommt, 
die  leider  nur  zu  ll— 48.  717  — 1728.  239 — 2831  erhalten  ist.  Eine 
erfreuliche  Bestätigung  zu  unsrer  dritten  Studie  bietet  die  Notiz 
bei  Gregory  624,  derzufolge  Ti.  diesen  Kodex  in  Ägypten  ge- 
funden hat.  Die  zweite  Gruppe  in  Act.  wird  durch  die  späteren 
Majuskeln  HLP  und  die  grosse  Mehrzahl  der  Minuskeln  reprä- 
sentiert. Es  käme  nun  darauf  an,  diejenige  Gruppe  von  Hndschrn. 
zu  finden,  die  etwa  der  von  H  in  den  Paulinen  geführten  ent- 
spräche. In  den  Acta  haben  wir  nun  freilich  keine  solche  Hndschr, 
die  uns  sicher  auf  die  rechte  Spur  brächte.  Auch  Kc  ist  hier 
selten  und  geht  da  wo  er  vorkommt  eben  dann  naturgemäss 
meistens  mit  der  grossen  Mehrzahl  der  Hndschrn.  Es  wird  nichts 
andres  übrig  bleiben  als  zu  untersuchen,  ob  sich  nicht  eine 
Gruppe  von  Minuskeln  findet,  die  bald  mit  den  älteren,  bald  mit 
den  jüngeren  Hndschrn.  geht.  Glücklicherweise  sind  in  Act.  die 
Minuskeln  von  Ti.  viel  besser  als  sonst  angegeben,  so  dass  hier 
die  mühsamen  Zusammenstellungen  unnötig  sind.  Ich  gebe  im 
folgenden  wesentlich  nur  Material  Ti's.  Wo  es  nötig  war  ist 
dasselbe  nach  Wetstein,  Matthaei,  Scholz,  Scrivener  ergänzt. 


V.   Zur  Textkritik  der  Apostelgeschichte.  137 

Ich  wähle,  wie  einst  schon  Hug  zum  Zweck  des  Nachweises 
Cap.  24,  weil  hier  die  Konstellationen  besonders  günstig  sind. 
Sehr  klar  und  deutlich  wird  in  der  folgenden  Zusaninienstellung, 
was  bewiesen  werden  soll,  vor  Augen  liegen. 

24,    TCOV  JlQ£ößvT£QCOV]   JlQEößvTEQCOV   XLVCOV  BsAE     5.  6.  7. 

8.  13.  15.  27.  29.  31.  36.  40.  68.  73.  81.  105.  137.  180.  c  k. 

V.  3.  xaroQ&cofiazcov}  dioQ&cofzaz.  BtfAE  13.  15.  IS.  36.  61. 
68.  73.  137.  ISO. 

ib.  jiavzrf]  jtavn  2.  10.corr-  11.  13.  17.  18.  20.  21.  25.  30.  33. 
36.  40.  46.  6S.  73.  80."  96.  98.  ISO.  d  f  k. 

V.  4.  axovoai  —  os  (E  os  axovoai)  L  3.15.18.27.31.36.40. 
68.  105.  ISO.  e. 

ib.  araaiv]  oraöeig  BtfAE  5.  7.  8.  13.  15.  36.  40.  61.  68.  73. 
105.  106. 

V.  6  fügen  ein:  xai  xaza  zov  t/ftsregov  vokuov  rj&sÄr]Oakusv 
XQivai.  xarsX&cov  öe  Zvouxq  o  yifoaoyog  tu£za  ütoXXrjq  ßiag  ex 
zcov  '/siqcov  rjficov  ajirjyaye  xeIevöciq  xovq  xari]yoQOvq  avzov 
SQyso&ai  exe  0£  —  E  al.  sat.  mu.  (nach  Ti.)1)  D  p  cle.  Leider 
finden  sich  hier  die  genauen  Angaben  der  Kodices  auf  der  andern 
Seite,  da  die  Interpolation  im  textus  receptus  steht.  Doch  finden 
sich  innerhalb  derselben  für  die  Lesart  xgivai  statt  xqlvuv  fol- 
gende Hndschrn.  angegeben:  E  13.  15.  16.  IS.  19.  25.  27.  29.  31. 
36.  37.  42.  46.  57.  66.  68.  69.  73?  76.  98.  99. 105.  106.  133.  180.  a  b 
e  k  o. 

V.  8.  Jiag'ov}  Jtag  ow  8.  15.  27.  29.  31.  66.  106.  ISO.  b  o. 
jiagco  E  36. 

'  V.  10.  xqlt?]v  +  öixaiov  E  5.  6.  7.  8.  15. 16. 18.  25.  27.  29.  36. 
38.  40.  43.  46.  66."  68.  73.  76.  78."  "80.  93.  98.  105.  113.  137.  180. 
c  e  h  k. 

ib.  £vd-vtuoT£Qov]  Evd-v[iiüQ  BtfAE  5.  7.  13. 15.  25.  36.  40.  61. 
68.  73.  105.  133.  137.  138.  c  d. 

V.  11.  öexaövo]  öojöexu  BkAE  13.  31.40.  61.65. 68.  73.105. 
133.  137.  c. 

V.  12.  EJiL—Gv"oraoiv  B«AE  3.13.  40.  63.  66.  73.  95.  (vgl. 
2.  Cor.  112S  o.  S.  63.) 


1)  Auf  der  andern  Seite  BsA  HLP  4.  19/  ■  26.  33.  (falsch  36  s.  Ti.) 
65.  66.- •  73?  78.  80.  93.  95.  96.  97.  100.  101.  104.  113.  126.  142.  (Scholz) 
1.  2.  3.  10.  11.  17.  21.  24.  28.  30.  38.  47.  56.  (Wetstein)  d  g  h  lp  (Scrivener.) 


138  Bousset,  Studien  zum  Neuen  Testament. 

V.  13.  övvavrcu  +  ooi  BtfAE  4.  13.  27.  29.  31.  36.  40.  61.  64. 
65.  68.  73.  105.  177.  degk. 

V.  14.  xai  xoig  jtgo<p?/xaig  oder  xai  sv  xoig  Jioo<pr}x]  xai 
xoig  sv  xoig  jrooyrjT.  BtfE  3.  5.  6.  8.  15.  25.  28.  29.  31.  36.  37. 
40.  43.  61.  65.  66.- •  73.  76.  105.  133.  137.  ISO.  b  c  e  ko  (non  xc). 

V.  15.    sosod-ai  —  vexqoov  BaAC  13.  40.  61.  68.  k. 

V.  16.  ös  avxog]  xai  avxog  BxACEL  15.  36.  40.  61.  68.  69. 
73.  76.  97.  105   137.  b  d  k  o. 

V.  17.  cxa  shjfioGvvaq  jtoujöcov  sig  xo  s&vog  fiov  ütagsysvo- 
fir/v  BxC  13.  31.  36.  40.  61.  68.  73.  105.  ISO.  («CE  137.  c). 

V.  18.  sv  oig]  sv  aig  BxACE  5.  7.  13.  36.  40.  61.  66.  68.  73. 
76.  105.  137.  180.  b  c  o. 

ib.  xivsg  -4-  6s  rcov  CE  13?  14.  15.  IS.  25.  29.  31.  36.  40. 
66."  68.  73.  78.-  105.  137.  180.  (b  c  o.) 

V.  21.  sxga^a]  sxsxga^a  BtfAC  1.  11.  13.  16.  19.  31.  32.  40. 
46.  56.  61.  65.  69.  105.  133.  137.  177.  a  b  d  o. 

ib.  oo  sv  avxoig  sotcog  BaACE  13.  31.  40.  61.  68.  105.  137. 
c  k. 

V.  22.  axovoag  ös  xavxa  o  <Pt/Äig  avsßal.  avz.]  avsßaXsxo 
6s  avxovg  o  <Pr/Xi^  BtfACE  13.  14.  40.  61.  68.  105.  137.  142.  c. 

V.  23.  öiaxagausvog  —  rs  BkACEP  13.  36.  40. 61.  66/ •  68.  99. 
100.  137.  b  c  o. 

ib.  xov  UavXov\  avxov  BtfACE  13. 15.36.  40.61.  68.  73.  105. 
126.  137.  c  k. 

ib.   —  r,  jiQoosQxso&at  BxACE  13.  14.  61.  68.  73.  105. 

V.  25.  —  sosö&ai  BaACE  13.  15.  27.  29.  36.  40.  61.  66.-  68. 
73.  105.  137.  180. 

ib.   cvj  xov  [isXXovxog  xgi/iaxog  C  15.  31.  36.  40.  73.  180. 

ib.  —  nsxa"Xaßow  13.  32.  40.  42.43.  57.  73.  76.  99.  105.  133. 
a  b  d  e  k  o  p. 

V.  26.  —  outoag  Xvoi)  avxov  BtfACE  13.  40.61.68.  73.  81.  105. 

V.  27.  xs)  ös  W  5.  7.  11.  13. 14.  27.  28.  29.  32.  38.  40.  42.  45. 
68. 61.-  68.  93.  96.  99.  104.  105.  137.  bcdegbko. 

ib.  xciQiTa,  yagixag]  yagiv  i^EL  5.  7.  14.  18.  27.  40.  42.  66/ ' 
73.  96.  105.  137.  c. 

Aus  dieser  Zusammenstellung  tritt  deutlich  (s.  besonders  die 
Stellen  V.  3.  (Var.  2)  4.  (Var.  1)  6.8.9. 18.  25.  (Var.  2)  27.  (Var. 
1.  u.  2))  eine  Gruppe  von  Minuskeln  hervor,  welche  die  verlangte 
Eigenschaft    zeigen.      Diese   Gruppe   geht   sehr    häufig  mit   den 


V.  Zur  Textkritik  der  Apostelgeschichte.  139 

älteren  gegen  die  jüngeren  Hndschrn.  Ebenso  häufig  und  noch 
häufiger,  wenn  auch  nicht  gerade  in  Cap.  24,  steht  die  Gruppe 
auf  Seiten  der  jüngeren  Majuskeln,  so  dass  dann  Bx(AC  61)  und 
einige  andre  allein  stehen.  Beispiele  findet  man  beim  ersten 
Blick  im  kritischen  Apparat.  Da  aber  diese  Stellen  nichts  aus- 
tragen, die  Gruppe  um  die  es  sich  handelt  erkennbar  zu  machen, 
so  sind  sie  nicht  mit  hier  aufgezählt. 

Die  Minuskeln  die  zur  Klasse  gehören  sind  die  Nummern 
13.  15.  27.  29.  31.  36.  40.  68.  73.  105.  137.  180 l),  in  zweiter  Linie 
5.  7.  18.  25.  66.  +  66."  76.  133,  unter  den  Minuskeln  Scri veners 
k  =  195,  in  zweiter  Linie  b  =  215,  e  =  218,  o  =  111. 

Besonders  wichtig  aber  sind  die  beiden  Varianten  in  V.  27, 
weil  sie  auf  eine  Verwandtschaft  von  Xc  mit  dieser  Gruppe  hin- 
deuten. Demgegenüber  steht  allerdings  die  Beobachtung,  dass 
V.  14  Nc  gerade  da  korrigiert,  wo  die  Klasse  auf  Seite  der 
älteren  Majuskeln  steht.  V.  24  finden  sich  leider  in  der  Variante 
Xqiotov  +  LjOovv  die  genaueren  Angaben  auf  der  andern  Seite. 
Doch  lesen  29.  68.  73.  105.  137.  180.  abko  wahrscheinlich  mit 
tfcCHP  plur.(?)  nur  Xqlötov.2) 

Von  den  Majuskeln  ist,  wie  aus  der  Übersicht  deutlich  her- 
vorgeht, E  mit  unsrer  Gruppe  verwandt.  Dagegen  nicht  P  3)  wie 
in  Paul,  und  Ap. 

Ich  dehne  die  Untersuchung  um  nicht  fehlzugehen  noch  auf 
einige  andere  Kapitel  der  Act.  aus. 
325  wcov]  vficov  BAEtfc  25.  36.  38.  61.  69.  k. 
4  s   +  axovöars  E   15.  18.  36.  37.  (die    Stelle  beweist   die  Ver- 
wandtschaft von  15.  18.  36.)4) 


1)  Unter  diesen  zeigen  13  (unter  30  Varianten)  23,  40:  26,  68:  24. 
73  :  22,  105  :  22  Übereinstimmungen,  15  und  36  sind  eng  verwandt,  15  zeigt 
14,  36  :  19  Übereinstimmungen,  aber  sämmtliche  14  Übereinstimmungen 
teilt  15  mit  36,  der  an  den  übrigen  Stellen  wahrscheinlich  schlecht  notiert 
ist,  18  gehört  als  dritter  zu  diesen  (9  Übereinstimmungen,  darunter  7  mit 
15  gemeinsam).  Ebenso  sind  27  und  29  eng  verwandt  (je  9  Übereinstim- 
mungen, darunter  7  gemeinsame). 

2)  auf  der  andern  Seite  Bx  EL  38.  42.  57.  78.  80.  95.  96.  97.  101.  106. 
113.  133.  177  (Scholz),  7.  8.  9.  10.  13.  14.  15.  18.  21.  24.  25.  26.  27.  28.  31. 
32.  33.  35.  36.  40  (Wetsteim,  def  ghl  (Scriv.)  (Ti«) 

3)  zu  P  vgl.  die  Beurteilung  bei  Gregory  417.  Nach  Gregory  Hegt 
in  P  dieser  Texttypus  in  Act.  und  I.  Petr.  vor. 

4)  Dazu  vgl.  7*6  avxov]  aov  s  15.  18.  27.  36. 


\  40  Bousset,  Studien  zum  Neuen  Testament. 

416  ysyopsv]  sysvero  27.  29.  L00.  127.  Bas.  (Beachte  die  Ver- 
wandtschaft von  27.  29.) 

ib.  apv?]Oao&ai)  agvuod-ai  BxAD  5.  27.29.  66."  69.  100.104. 
105.  127.  163.  c  Bas. 

417  ajisiki/OOfis&a  (st.  cofisd-a)  P  1.  15.  25.  28.  35.  36.  45.  47.  69. 
98.  99.  100.  101.  117.  119.  126.  137.  bdek"o. 

418  jtaQif/yuXav  —  avzoiq  BtfADE  13.  15.  18.  33.  34.  36.40.46. 
105.  163.  k. 

430  sxzeiveiv  —  os  W  DE  27.  40.  57.  99.  100.  105.  e  f. 

5  2  yvvaixog  —  avzov   BxAD    13.  14.  15.  18.  27.  29.  36.  105. 

5  5  zovg  axovovzag  —  zavxa  BxAD  15. 27.  29.  36.  37. 100. 117.  k. 
5I5  xaza  zag]  xai  eig  zag  BtfAD2  (E  xai  ev  zeug)  5.  7.  8.  13-  15. 

IS.  36.  40.  69.  96.  100.  105.  127.  163.  k. 

532  —avzov''  (mqzvqeq  SAD  18.25.26.34.40.104.106.137.163. 
177.  gh. 
ib.  xai  zo  xvevfia  —  öe  BxAD  31.33.40.69. 100. 105.163.180. 

5, 6  mO— si  BACED«°  5.  14.  33.  34.  38.  40.  69.  96.  113-  163.  a  h. 

537   laov  oder  laov  ixavov]  ixavov  laov  E  5.  13.  40.  96.  180.  k. 

541  ovofiazog  oder  ovofiazog  avzov ')]  ovofiazog  (zov)  b]Oov  5. 
13.  (15. 18.)  32.  33. 34.  36.  42.  (47.)  69. 133.  98.  k  o;  zov  xvqiov 
Irjoov  E  24.43.58.  76.  98.  104.  134.  ISO.  b  f  gl";  l  Xq.  I." 
95.  117;  zov  Xqlözov  4.  11.  14.  31.  38.  45.  99.  113.  a  e  h. 

6  2  xazalsixpavrag]  xazalijiovzag  E  5.  13.  33.  34.  40. 180.  k  Bas. 

von  Ti's  al.~  habe  ich  33.  34.  gefunden,  woher  er  die  übrigen 
hat  ist  mir  rätselhaft,  Mill.,  Wetst.,   Bengel,  Matthaei  I  und 
IL,  Birch,  Griesbach,  Alter,  Scholz,  Muralt,  Bloomfield,  Scri- 
vener  iDerniout)  sind  von  mir  verglichen. 
6l3  QTjfiaza  —  ßZao<pr/tua  BaACD   27.  29.  36?  81.  105.  142.  163. 

7  t  8L  —  aga  BaAC  14.  27.  29.  34.  36.  (47.  100.  163.) 
710  evavzi  —  ov  K  5.  27.  29.  40.  96.  137.  163.  ISO.  k. 
714  —  laxcoßog  15.  18.  36.  47.  163.      ? 

ib.  cv_>  tv  sßöo/j?/xovra  Jtsvrs  ipvyaig  DH  1.  5.  31.  32.  36.  38. 
4<i.  57.  69.  96.  105.  113.  137.  163.  180.  c. 
7,e  zov  ev  2vxs[i  XCAE  27.  29.  40. 


1)  avzov  lesen  3.  40.  46.  63.  64.  105,  nichts  BACD  1.  1".  17.  19.  27.  29. 
35.  65.  73.  78.  101.  177.-  ■ 


Y.   Zur  Textkritik  der  Apostelgeschichte.  141 

722  xai  SQyoig  +  avzov  BtfACDE     15.  18.  25.  27.  32.  36.  40.  42. 

43.  56.  57.  61.  96.  100.  105.  163.   e. 
726   £GT£  —  vfieig  BxACE  27.  29.  40.  61.  69.  81.  105.  163. 

730  ev  (filoyi  jcvQoq]   ev  jivqi  <pXoyoq  ACE   7.  15.  18.  29.  36.  46. 
66.69.  105.  163. 

731  g)covr]  y.vQiov  —  ütgoq  avzov  BxA  15.  IS.  27.  29.  36.  40.  61. 
69.  105.  163. 

735   +  tccu"  agyovza  BtfaDE  15.  18.  27.  36.  40.  61.  96. 

740  ysyovsv]  eysvezo  BtfAC  15.  18.  36.  69.  105.  163. 

743  Q8<pav  (i^A  Qai(pav)  CE    13.  15. 18.  36.  47.m  73.  100.  103.  105. 

177.  g.    (96.  180.)  Q£<pgxxv  h  k  1  (o)  al.    Die  übrigen  Q£tug:ai\ 

QOficpav,  Qokucpa  etc. 
752  yaysvijöfre}   sysvso&s    BkACDE    5.  13.  15.  IS.  36.  40.  61.  66." 

100.  105.  137.  163.  k. 

Wenn  diese  Liste  nicht  auf  den  ersten  Blick  einen  befrie- 
digenden Eindruck  macht,  so  ist  dabei  zu  erinnern,  dass  einer 
der  Hauptzeugen  unsrer  Gruppe  68  in  allen  diesen  Kapiteln  fehlt. 
Auffällig  ist  dass  73  hier  ganz  ausbleibt.  Es  wird  das  an  der 
unvollständigen  Kollation  liegen,  (s.  Gregory  .,Birch  per  omnia 
contulit,  item  Scholz  loc.  select.")  137  tritt  ebenfalls  fast  ganz 
zurück.  „Scholz  plurima(?)  contulit."  Auch  ISO  zeigt  sich  nur 
an  wenigen  Stellen  verwandt.  Varianten  dieser  Hndschr.  sind 
von  Arendt  Scholz  mitgeteilt,  sie  ist  also  auch  nicht  vollständig 
kollationiert,  was  um  so  mehr  zu  bedauern,  da  sie  verloren  ist. 
Als  durchaus  verwandt  zeigt  sich  hier  dagegen  die  Min.  163,  die 
sich  oben  nicht  fand.  Auch  hier  die  Erklärung  in  dem  „Scholz 
maximam?  partem  contulit".1) 

Thatsächlich  aber  treten  die  Hndschrn.  13  und  31  etwas 
zurück,  erweisen  sich  aber  doch  noch  immer  als  durchaus  ver- 
wandt. Sonst  treffen  wir  alte  Bekannte  15.  18.  27.  29.  36.  40.  105. 
k.  (5.  7.  66.  76.).  dazu  neben  163  noch  etwa  69  und  100. 2) 

Zum  Beweise  der  Verwandtschaft  von  Sc  mit  unsrer  Gruppe 
mögen  die  Stellen  325.  430.  536.  7]6.  743  dienen. 


1)  Es  zeigt  sich  hier  wieder,  wie  unsicher  noch  das  Material  ist,  mit 
dem  man  in  der  Textkritik  wirtschaften  muss. 

2)  Dagegen  scheint  96  mehr  verwandt  mit  den  älteren  Kodices,  als 
mit  unsrer  Gruppe. 


142  Bousset,  Studien  zum  Neuen  Testament. 

Betrachten  wir  nun  die  Kodices  unsrer  Gruppe  genauer,  so 
ergiebt  sich,  dass  wir  eine  Reihe  derselben  schon  kennen. 

68  ist  die  uns  bekannte  Min.  Paul.  73;  73  Paul.  80; 
40  Paul.  46.  Ap.  12;  13  Evang.  33.  Paul.  17  hier  mehr  mit  unsrer 
Gruppe,  als  mit  der  ägyptischen  Recension  verwandt;  31  ist  der 
Cod.  Leicestrensis  (Ev.  69.  Paul.  37.  Ap.  14.);  kscriv-  be- 
gegnet uns  zum  dritten  Mal  =  195  =  k  Paul.  252  =  w 
Ev.  489;    25  ist  =  Paul.  31. 

So  schliesst  sich  die  lange  und  mühsame  Untersuchung  nach 
allen  Seiten  hin  ab.  Durch  die  Gleichungen 
Act.  25.  31.  40.  68.  73.  195. 
=  Paul.  31.  37.  46.  73.  80.252. 
wird  die  Identität  der  in  den  Paul,  und  in  Act.  gefundenen  Gruppen 
über  jeden  Zweifel  erhoben.  Und  durch  die  Identität  von  k  195. 
Act,  k  252.  Paul,  w  489.  Ev.  wird  auch  auf  die  Gruppe  K/7w  in 
den  Evangelien  ein  neues  Licht  geworfen.  Von  diesen  Kodices 
enthalten  nun  die  Minuskeln  40.(46.)  73.(80.)  195.  (252.)  *)  den 
Einleitungsapparat  des  Euth.  Diesen  haben  ferner  13.  105.  (auch 
76.  91.  s.  o.)  Aus  diesem  Umstand  ist  nun  allerdings  keineswegs 
zu  schliessen,  dass  diese  Hndschrn.  letztlich  etwa  auf  eine  Re- 
cension des  Euth.  zurückgingen.  Dagegen  spricht,  dass  die 
Gruppe  zu  der  sie  gehören  eine  viel  weitere  Verbreitung  hat 
und  dass  das  Einleitungswerk  des  Euth.  wieder  in  so  manchen 
andern  Hndschrn.  sich  findet,  die  einen  ganz  andern  Texttypus 
haben.  Aber  wohl  leitet  der  Umstand,  dass  diese  Hndschrn. 
den  Apparat  des  Euth.  haben,  auf  einen  Schluss  hinsichtlich  der 
Herkunft  dieser  Hndschrn.  In  den  Bibliotheken  von  Alexandria 
oder  Caesarea  werden  ihre  Archetypen  letztlich  ihren  Ursprung 
haben.  Ihren  gemeinsamen  Typus  aber  verdanken  sie  im  letzten 
Grunde  dem  alten  Codex  Pamphili  in  der  Bibliothek  zu  Caesarea. 
Denn  die  Textklassen  in  der  Apok.  P  1.  12.  36.  b  10.  17.  37.  49. 
91.  96.  p  28.  79.  a  34.  35.  87.  c,  in  den  Paul.  HP  17.  23.  31.  37. 
39.  46.  47.  71.  73.  80.  93-  115.  116.  118.  252,  in  den  Act.  E  13.  15. 
27.  29.  31.  36.  40.  68.  73.  105.  137.  163.  180   sind    —   auch   schon 


1)  cf.  Gregory  154.  Zacagni  hat  seine  Ausgabe  des  Euthalius  nach 
40  und  73  veranstaltet.  Bemerkenswert  ist,  dass  in  40  Euthalius  inloxonoq 
Sovkxyq  genannt  wird.  Vgl.  Gregorys  Bemerkungen  zu  Act.  205.  317.  399. 
Ev.  506. 


V.    Zur  Textkritik  der  Apostelgeschichte.  143 

ihrem  Verhältnis  zu  den  übrigen  Textgruppen  nach  —  identisch. 
Ihnen  allen  liegt,  da  dies  bei  der  Klasse  HP  Paul,  bewiesen  wer- 
den konnte,  der  Cod.  Paniphili  zu  Grunde.  Und  der  Korrektor 
des  Sinaiticus  hat  in  der  That  auch  diese  Teile  des  neuen  Te- 
staments nach  dem  eigenhändigen  Antigraphon  des  Pamphilus 
redigiert. 

Endlich  möchte  ich  im  Zusammenhang  damit  noch  auf  einen 
Thatbestand  aufmerksam  machen,  der  mir  bei  Abhandlung  II 
noch  entgangen  war.  In  der  Stellung  der  einzelnen  paulinischen 
Briefe  herrscht  namentlich  die  Differenz  vor,  dass  der  Hebräer- 
brief bald  vor,  bald  hinter  den  Pastoralbriefen  steht.  Die  Ord- 
nung Hebr.  I.  Timoth.  haben  (B)tf  AC  HP  5.  (Act.  5.)  9.  (=  Act. 7.) 
16.  17.  22.  (Act.  IS!)  23  (?  nach  Gregory  139,  dagegen  Gregory 
654),  46.  47.  57.  65.  71.73.77.80.93.109.137.140.166  (=  Act.  133). 

Das  sind  wesentlich  die  Hndschrn,  die  nach  Studie  II  auf 
den  Cod.  Pamphili  zurückzuführen  sind.  Von  Kirchenvätern 
haben  diese  Ordnung  Athanasius,  Cyrill,  Theodoret,  Euthalius 
und  spätere  (Gregory  139).  In  Caesarea  und  Alexandria  scheint 
diese  Ordnung  die  gebräuchliche  gewesen  zu  sein.  Nun  geht  aus 
der  Stellung  des  Hebr  -Briefes  in  dem  Archetypus  von  B  und 
12  hervor,  dass  in  Ägypten  früher  noch  eine  andre  Anordnung 
in  Geltung  war.  Es  ist  also  möglich,  dass  unsre  Anordnung  der 
paulinischen  Briefe  ursprünglich  von  den  Textkritikern  in  Cae- 
sarea ausgegangen  ist.  Da  die  Stellung  Hebr.-Timoth.  ein  vor- 
zügliches Erkennungsmittel  der  Gruppe  HP  Paul,  abgiebt,  so 
notiere  ich  die  Minuskeln  alle,  welche  diese  Anordnung  haben. 
Es  sind  ausser  den  oben  erwähnten  die  Hndschrn.  164.  172.  (Ca- 
labria)1)  189.  190  (Act.  156.  Calabria  einer  von  den  Kodices 
des  Zacagnius  in  der  Ausgabe  des  Euthalius),  196.  204.  219  (Ev. 
122 (!)  Act.  177.  Manu  Basilii  monachi),  259  (Tarsus),  300  (Athen), 
302.  305.  306.  311  (Athen),  353  („Chalcide  mon.  Trinitatis"),  362 
u.  364  (Thessalonich),  368  u.  370  (Sinai),  373.  377  (geschrieben 
auf  Befehl  des  Michael  Palaeologus),  405.  408.  420  (Athen),  423 
u.  425  (Cryptoferrata),  427.  430  (Act.  326  „Fertur  fuisse  Carlottae 
reginae  Hieros.  Cypr.  Armen,  quae  Romae  a.  1487  mortua  est"), 
431.  436.     Leider  fehlen  fast  alle  Angaben  bei  den  ihrem  Lokal 


1)  Ich  setze  den  letzten  nachweisbaren  Aufenthaltsort  der  betr.  Hndschr. 
bei,  da  wo  die  Angabe  mir  lehrreich  zu  sein  scheint. 


j  44  Bousset,  Studien  zum  Neuen  Testament. 

nach  interessantesten  Kodices  von  Jerusalem,  Sinai,  Cahira;  s.  die 
Nummern  231—37.  264-68.  284—88.  337—47.  352.  367.  401.  417. 
Nebenbei  will  ich  endlich  bemerken,  dass  die  seltene  Reihen- 
folge Rö.  Hebr.  Col.  Thess.  Phil.  Tim.  Tit.  Phlm.  Eph..  Gal. 
Cor.  sich  in  115  (nicht  100  wie  Gregory  S.  140,  sondern  Act.  100) 
und  372  findet,  in  der  ersten  Hälfte  (bis  Thess.)  übereinstim- 
mend in  95;  dass  die  Ordnung,  die  sich  in  TD  findet  (Rö. 
Cor.  Hebr.  Gal.)  auch  129  und  388  vorkommt.  Die  Ordnung 
Rö.  Hebr.  3S7.  403.  414  (?).  Vielleicht  bieten  auch  diese  Zu- 
sammenstellungen für  etwaige  Kollationen  Weg  Weisung  und  An- 
regung. 


Druck  von  August  Pries  in  Leipzig. 


Verlag  der  J.  C.  HINRICHS'schen  Buchhandlung  in  Leipzig. 


Band  I— IV  auf  Seite  II  des  Umschlags. 

V,  l.  Der  pseudocyprianische  Tractat  de  aleatoribus,  die  älteste  lateinische  christ- 
liche Schrift,  ein  Werk  des  römischen  Bischofs  Victor  I.  (saec.  II.),  von 
Adolf  Harnack.    V,  135  S.     1888.  M.  4.50 

V,  2.    Die  Abfassungszeit  der  Schriften  Tertullians  von  Ernst  Noeldechen. 

Neue  Fragmente  des  Papias,  Hegesippus  u.  Pierius  in  bisher  unbekannten 
Excerpten  aus  der  Kirchengeschichte  des  Philippus  Sidetes  von  C.  de  Boor. 
184  S.    1888.  M.  6  — 

V,  3.  Das  Hebräerevangelium,  ein  Beitrag  zur  Geschichte  und  Kritik  des  hebräischen 
Matthäus  von  Rud.  Handmann.     III.  142  S.     1888.  M.  4.50 

V,  4.  Agrapha.  Aussercanonische  Evangelienfragmente,  gesammelt  u.  untersucht 
von  Alfred  Resch.  —  Anhang:  Das  Evangelienfragment  von  Fajjum  von 
Adolf  Harnack.    XII,  520  S.    1889.  M.  17  — 

VI,  l.  Die  Textüberlieferung  der  Bücher  des  Origenes  gegen  Celsus  in  den  Hand- 
schriften dieses  Werkes  und  der  Philokalia.  Prolegomena  zu  einer 
kritischen  Ausgabe  von  Paul  Kötschau.  VII,  157  S.  u.  1  Tafel.  1889.  M.  5.50 
VI,  2.  Der  Paulinismus  des  Irenaeus.  Eine  kirchen-  und  dogmengeschichtliche  Unter- 
suchung über  das  Verhältnis  des  Irenaeus  zu  der  Paulinischen  Briefsammlung 
und  Theologie  von  Johs.  Werner.    V,  218  S.    1889.  M.  7  — 

VI,  3.    Die  gnostischen  Quellen  Hippolyts  in  seiner  Hauptschrift  gegen  die  Häretiker 

von    Hans  Staehelin. 
Sieben  neue  Bruchstücke  der  Syllogismen  des  Apelles.  —  Die  Gwynn'schen 
Caius-  und  Hippolytus-Fragmente.    Zwei  Abhandlungen  von  Adolf  Harnack. 
HI,  133  S.     1890.  M.  4.50 

VI,  4.    Die  ältesten  Quellen  des  orientalischen  Kirchenrechts,    l.  Buch: 

Die  Canones  Hippolyti  von  Hans  Achelis.    VIH,  295  S.    1891.  II.  9.50 

VII,  1.    Die  Johannes-Apokalypse.    Textkritische  Untersuchungen  u.  Textherstellung 

von  Bernh.  Weiss.    VI,  225  S.    1891.  M.  7  — 

VII,  2.  UeberdasgnostischeBuchPistis-Sophia.  — Brod u. Wasser:  die  eucharistischen 
Elemente  bei  Justin.  2üntersuchgn  von  Adolf  Harnack.  IV,  144S.  1890.  M.  4  50 
VII,  3/4.  Apollinarios  von  Laodicea.  Sein  Leben  u.  seine  Schriften.  Nebst  e.  An- 
hang: Apollinarii  Laodiceni  quae  supersunt  dogmatica.  Von  Johs.  Dräseke. 
XIV,  494  S.     1892.  M.   16  — 

VIII,  1/2.  Gnostische  Schriften  in  koptischer  Sprache  aus  dem  Codex  Brucianus  heraus- 
gegeben, übersetzt  u.  bearbeitet  von  Carl  Schmidt.  XH,  692  S.  1893.   M.  22  — 

VIII,  3.  Die  katholischen  Briefe.  Textkritische  Untersuchungen  und  Textherstellung 
von  Bernh.  Weiss.    VI,  230  S.    1892.  M.  7.50 

VIII,  4.  Die  griechische  Übersetzung  des  Apologeticus  Tertullians.  —  Medicinisches 
aus  der  ältesten  Kirchengeschichte.  —  Zwei  Abhandlungen  von  Adolf 
Harnack.    IU,  152  S.    1892.  M.  5  — 

IX,  1.    Untersuchungen  über   die  Edessenische  Chronik.    Mit  dem  syrischen  Text 

und  einer  Übersetzung  herausgegeben  von  Ludwig  Hallier.    VI,  170  S. 

Die  Apologie  des  Aristides.    Aus  dem  Syrischen  übersetzt  und  mit  Beiträgen 

zur  Textvergleichung  und  Anmerkungen  herausgegeben  von  Richard  Raabe. 

IV,  97  S.  1892.  M.  8.50 

IX,  2.    Bruchstücke  des  Evangeliums  und  der  Apokalypse  des  Petrus   von  Adolf 

Harnack.    Zweite  verbesserte  u.  erweiterte  Aufl.  VIII  u.  98  S.  1893.  M.  2  — 

IX,  3/4.  Die  Apostelgeschichte.    Textkritische  Untersuchungen  und  Textherstellung 

von  Bernh.  Weiss.    313  S.    1893.  M.  10  — 

X,  Aussercanonische   Paralleltexte  zu  den  Evangelien  gesammelt  u.  untersucht 

von  Alfred  Resch. 

1.  Textkritische  u.  quellenkritische  Grundlegungen.  VII,  160  S.  1893.  M.  5  — 

2.  Paralleltexte  zu  Matthäus  und  Marcus.  Befindet  sich  im  Druck. 
XI,  l.    Das  Kerygma  Petri.    Kritisch  untersucht  von  Ernst  von  Dobschütz.  VII,  162  S. 

1893.  M.  5  — 

XI,  2.    Acta  SS.  Nerei  et  Achillei.    Text  u.  Untersuchung  von  Hans  Achelis.  IV,  70  S. 

1893.  M.  3  — 

XI,  3.    Das  Indulgenz-Edict  des  römischen  Bischofs  Kaliist  kritisch  untersucht  und 

reconstruiert  von  Ernst  Rolffs.    VIII,  139  S.    1893.  M.  4.50 

XI,  4.    Textkritische  Studien   zum   Neuen  Testament   von  Wilhelm  Bousset.    VHI, 

144  S.     1894.  M.  4.50 

XII,  1.    Der  Chronograph  aus  dem    zehnten  Jahre  Antonins.     Von  Adolf  Schlatter. 

IV,  94  S. 
Zur    Überlieferungsgeschichte   der   altchristlichen    Litteratur.      Von  Adolf 
Harnack.    32  S.    1894.  M.  4  — 


TEXTE  UND  UNTERSUCHUNGEN 

ZUR  GESCHICHTE  DER 

ALTCHRISTLICHEN  LITERATUR 

HERAUSGEGEBEN  VON 

OSCAR  von  GEBHAEDT  und  ADOLF  HAMACK 
XI.  BAND    HEFT  4 

TEXTKRITISCHE  STUDIEN 

ZUM 

XEUEN  TESTAMENT 

VON 

WILHELM  BOUSSET, 

PRIVATDOCEXT  IX  f;ÜTTIX(.EN 


mlt&p 


LEIPZIG 

J.  C.  HINRICHS'SCHE  BUCHHANDLUNG 

1894 


THE  INSTITUrE  Of  MEOfAEVAL  STUDIEN 

59  QUEEN'S  PARK  CRESCENT 
TORONTO  -  5,    CANADA 


VoL     " 


0  6  9  4J 


JHBL 

■'.:-..';.'•"'. 


fflu 


HL 
~9Hfl 


||||L  -,. 

■ "  „::  ■•;l-.^?-^':;  •V'Ä^^.Si-  ■■■! 


nH3B3HRBRMN8HnMBBSB